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Fremdsprachendidaktik

2015
978-3-8233-7957-7
Gunter Narr Verlag 
Helene Decke-Cornill
Lutz Küster

Das Buch gibt Lehramtsstudierenden der neusprachlichen Fächer einen Überblick über die Grundlagen der Fremdsprachendidaktik. Es ist aus Lehrveranstaltungen hervorgegangen und für Lehrveranstaltungen konzipiert. Aufgebaut nach bewährtem bachelor-wissen-Konzept verbindet das Buch den Anspruch aktueller Wissenschaftlichkeit mit einer einfachen, klaren Sprache. Für die vorliegende dritte Auflage wurde es grundlegend überarbeitet, um neueren Entwicklungen in Bildungspolitik, Forschung und Praxis Rechnung zu tragen.

Fremdsprachen- 4 / "0 ' # : * Fremdsprachendidaktik narr BACHELOR-WISSEN.DE ist die Reihe für die modularisierten Studiengänge ▸ die Bände sind auf die Bedürfnisse der Studierenden abgesti mmt ▸ das fachliche Grundwissen wird in zahlreichen Aufgaben verti eft ▸ der Stoffist in die Unterrichtseinheiten einer Lehrveranstaltung gegliedert ▸ auf www.bachelor-wissen.de fi nden Sie begleitende und weiterführende Informati onen zum Studium und zu diesem Band Fremdsprachendidakti k Helene Decke-Cornill, Lutz Küster 3., vollständig überarbeitete und erweiterte Aufl age Eine Einführung Prof. Dr. Helene Decke-Cornill ist Professorin i.R. für Erziehungswissenschaft mit dem Schwerpunkt Didaktik der englischen Sprache und Literatur an der Universität Hamburg. Prof. Dr. Lutz Küster ist Professor für Didaktik der romanischen Sprachen und Literaturen an der Humboldt-Universität zu Berlin. Idee und Konzept der Reihe: Johannes Kabatek, Professor für Romanische Philologie mit besonderer Berücksichtigung der iberoromanischen Sprachen an der Universität Zürich. Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http: / / dnb.dnb.de abrufbar. 3., vollständig überarbeitete und erweiterte Auflage 2015 2., durchgesehene Auflage 2014 1. Auflage 2010 © 2015 · Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG Dischingerweg 5 · 72070 Tübingen · Deutschland Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Gedruckt auf chlorfrei gebleichtem und säurefreiem Werkdruckpapier. Internet: www.bachelor-wissen.de E-Mail: info@narr.de Satz: Informationsdesign D. Fratzke, Kirchentellinsfurt Printed in the EU ISSN 1864-4082 ISBN 978-3-8233-6957-8 Inhalt V Inhalt Vorwort zur 3. Auflage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XI 1 Fremdsprachendidaktik - was ist das? Zur Verortung der Disziplin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 1.1 Didaktik - Fachdidaktik - Fremdsprachendidaktik . . . . . . . . . . . . . 1 1.1.1 Didaktik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 1.1.2 Fachdidaktiken als Transformationswissenschaften . . . . . . 6 1.1.3 Fremdsprachendidaktik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 1.2 Drei Schulfremdsprachen und ihr Profil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 1.2.1 Das Fach Englisch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10 1.2.2 Das Fach Französisch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 1.2.3 Das Fach Spanisch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 1.2.4 Sprachen lernen - Sprache lernen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 1.3 Fremdsprachendidaktik als empirische Forschungsdisziplin . . . . . 19 2 Spracherwerbstheorien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 2.1 Die Spracherwerbstheorie des Behaviorismus. . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 2.2 Die nativistische Auffassung von der angeborenen Spracherwerbskompetenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 2.2.1 Die nativistische Kritik am Behaviorismus . . . . . . . . . . . . . . 25 2.2.2 Das Hypothesenmodell des Natural Approach . . . . . . . . . . . 27 2.2.3 Der Natural Approach in der Kritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 2.3 Kognitivistisch-konstruktivistische Lernannahmen und ihre Implikationen für den Spracherwerb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 2.3.1 Kognitivistisches Lernverständnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 2.3.2 Konstruktivistische Vorstellungen von Sprachkompetenz . 34 2.3.3 Spracherwerb als kreativer Selbstorganisationsprozess durch Interaktion. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 2.3.4 Tertiärspracherwerb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 3 Kognition und Emotion beim Sprachenlernen . . . . . . . . . . . . . . . 43 3.1 Fremdsprachenlernen als kognitiver Prozess. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 3.2 Zur Bedeutung der Emotionen beim Sprachenlernen und beim Sprachgebrauch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 3.2.1 Emotionen bei der Sprachverarbeitung bzw. beim Sprachenlernen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 3.2.2 Emotionen in der Kommunikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 VI I nh alt 3.3 Motivation beim fremdsprachlichen Lernen - ein Zusammenspiel kognitiver und affektiver Faktoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 3.4 Erste Folgerungen für den Fremdsprachenunterricht . . . . . . . . . . . 55 4 Geschichte und Gegenwart des Fremdsprachenunterrichts . . . . 59 4.1 Eine lange Vorgeschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 4.1.1 Latein als mittelalterliche lingua franca von Kirche und Bildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 4.1.2 Das Bildungsverständnis von Humanismus, Reformation und Aufklärung und die sprachlichen Implikationen . . . . . 60 4.1.3 Die Anfänge des neusprachlichen Unterrichts . . . . . . . . . . . 61 4.2 Entwicklungen im 19. Jahrhundert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 4.2.1 Weichenstellungen für den modernen Fremdsprachenunterricht im 19.-Jahrhundert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 4.2.2 Methodenreform zur Jahrhundertwende. . . . . . . . . . . . . . . . 65 4.2.3 Fremdsprachenunterricht und Geschlechterverhältnisse . . 66 4.3 Fremdsprachenunterricht im 20. Jahrhundert. . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 4.3.1 Leitziel Kulturkunde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 4.3.2 Fremdsprachenunterricht im Nationalsozialismus . . . . . . . 69 4.3.3 Neuorientierungen nach 1945 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 4.3.4 Initiative Fremdsprachlicher Frühbeginn . . . . . . . . . . . . . . . 73 4.3.5 Initiative Bilingualer Unterricht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 5 Sprachenpolitik zu Beginn des 21. Jahrhunderts: Gemeinsamer Europäischer Referenzrahmen und die Bildungsstandards in Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 5.1 Förderung von Mehrsprachigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 5.2 Der Gemeinsame Europäische Referenzrahmen für Sprachen (GeR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 5.2.1 Entstehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 5.2.2 Anlage und Kernelemente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 5.3 Das Europäische Sprachenportfolio . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 5.3.1 Bestandteile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 5.3.2 Funktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 5.4 Kompetenzorientierung und Bildungsstandards. . . . . . . . . . . . . . . . 92 5.4.1 Der Paradigmenwechsel zur Kompetenz- und Standardorientierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 5.4.2 Begriffsbestimmungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 5.4.3 Die Bildungsstandards für die erste Fremdsprache (Englisch/ Französisch) für den Mittleren Schulabschluss und für das Abitur in der fortgeführten Fremdsprache . . . . 95 5.5 Kritik an der Sprachenpolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 Inhalt VII 6 Konzeptionen des Fremdsprachenunterrichts vom Sprachwissen zu kommunikativer Kompetenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 6.1 Unterrichtskonzeptionen: das Was, das Wie und das Warum. . . . . 105 6.2 Begriffsklärung: Unterrichtsmethoden. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 6.3 Geschlossene Konzeptionen des Fremdsprachenunterrichts . . . . . 108 6.3.1 Die „klassische“ Grammatik-Übersetzungs-Methode (GÜM) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 6.3.2 Kritik an der GÜM und die Direkte Methode. . . . . . . . . . . . 110 6.3.3 Die audiolinguale und audiovisuelle Methode . . . . . . . . . . . 110 6.4 Lernziel Kommunikative Kompetenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 6.4.1 Auffassungen von „Kommunikativer Kompetenz“ . . . . . . . 116 6.4.2 Kommunikative Unterrichtsmethodik . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 7 Medien des Fremdsprachenunterrichts im Wandel . . . . . . . . . . . 125 7.1 Zum Medienbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 7.2 Ein Blick zurück . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 7.3 Medienpädagogik. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 7.4 Medien im fremdsprachlichen Unterricht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 7.4.1 Das Lehrbuch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 7.4.2 Das Internet . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 7.5 Multiliteralität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 7.6 Medien als Chance und Problem. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 8 Interaktion im fremdsprachlichen Klassenzimmer . . . . . . . . . . . 143 8.1 Eine Vorbemerkung zum Verhältnis von schulischer und außerschulischer Welt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 8.2 Was ist Interaktion? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 8.3 Interaktion im Klassenzimmer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 8.4 Interaktionsbedingungen des kommunikativen Fremdsprachenunterrichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 8.5 Die dreifache Kontextualisierung der Interaktion im Fremdsprachenunterricht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 8.6 Einige typische Interaktionsmuster lehrerzentrierten Fremdsprachenunterrichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 8.6.1 Das IRE-Schema . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 8.6.2 Sprachformbezug vs. Mitteilungsbezug . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 8.6.3 Evaluation/ Feedback . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 8.7 Visionen eines interaktiven fremdsprachlichen Klassenzimmers. . 156 9 Sprachliche Mittel funktional-kommunikativer Kompetenzen: Wortschatz und Grammatik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 9.1 Wortschatzarbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 9.1.1 Das mentale Lexikon . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 VIII I nh alt 9.1.2 Speicherung des Wortschatzes, Aktivierung und Erweiterung des mentalen Lexikons. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 9.1.3 Didaktisch-methodische Perspektiven der Wortschatzarbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 9.1.4 Ansätze einer Mehrsprachigkeitsdidaktik . . . . . . . . . . . . . . . 169 9.2 Grammatikarbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 9.2.1 Der Streit um die Bedeutung grammatischen Lernens . . . . 172 9.2.2 Verfahren grammatischen Lernens und Lehrens . . . . . . . . . 175 10 Fertigkeitsbezogene funktional-kommunikative Kompetenzen 179 10.1 Die fünf Fertigkeiten und ihre Schulung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 10.1.1 Hör- und Hörsehverstehen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 10.1.2 Leseverstehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 10.1.3 Sprechen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 10.1.4 Schreiben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190 10.1.5 Sprachmittlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 10.2 Verfahren integrativer Fertigkeitsschulung im Zeichen von Handlungs- und Lernaufgabenorientierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 11 Methodische Kompetenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 11.1 Begriffsbestimmungen von Methodenkompetenz . . . . . . . . . . . . . . 199 11.2 Aufbau von Sprachlernkompetenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200 11.2.1 Das Konzept der Lernerautonomie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 11.2.2 Sprach(lern)bewusstheit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205 11.2.3 Der Einsatz von Lern(er)strategien. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209 11.3 Aufbau von Medienkompetenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 12 Interkulturelle Kompetenzen - interkulturelles Lernen . . . . . . . 217 12.1 Historische Aspekte der Kultur- und Landeskunde . . . . . . . . . . . . . 218 12.2 Zielformulierungen interkulturellen Lernens . . . . . . . . . . . . . . . . . . 220 12.3 Umgang mit Stereotypen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222 12.4 Didaktik des Fremdverstehens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223 12.5 Kulturwissenschaftlich orientierte Zugänge. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225 12.6 Inhalte und Verfahren interkulturellen Lernens . . . . . . . . . . . . . . . . 229 12.7 Zur Modellierung interkultureller Kompetenz(en). . . . . . . . . . . . . . 231 13 Literarisch-ästhetische Kompetenzen: die Arbeit mit Literatur, Film, Comics, Bildern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237 13.1 Texte als Gegenstände des Fremdsprachenunterrichts . . . . . . . . . . . 237 13.2 Entwicklungstendenzen fremdsprachenbezogener Literaturdidaktik 238 13.2.1 Ein Rückblick auf die Zeit bis ca. 1990 . . . . . . . . . . . . . . . . . . 238 13.2.2 Leitlinien kreativer Textarbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 242 13.2.3 Literatur als Anlass interkulturellen Lernens . . . . . . . . . . . . 243 Inhalt IX 13.3 Filmdidaktik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246 13.4 Visuelle Medientexte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 250 13.5 Zur Modellierung literarisch-ästhetischer Kompetenzen . . . . . . . . 253 14 Leistungsüberprüfung und -bewertung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259 14.1 Einführendes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259 14.2 Funktionen und Formen der Leistungsbeurteilung . . . . . . . . . . . . . 260 14.3 Gütekriterien des Testens und Prüfens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263 14.4 Problematik eines testorientierten Fremdsprachenunterrichts . . . . 265 14.5 Zur Unterscheidung von Lern- und Prüfungsaufgaben . . . . . . . . . . 267 14.6 Leistungsüberprüfung und -bewertung im schulischen Rahmen - Analyse einer Prüfungsaufgabe für das Abitur . . . . . . . . . . . . . . . . . 268 Nachwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 277 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 279 Sachregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 313 Abbildungs- und Quellenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 317 Vorwort XI Vorwort zur 3. Auflage Mit der Einführung der gestuften Studiengänge hat auch die universitäre Lehrer/ innenbildung eine Neuordnung erfahren. Zwar sind die Studienstrukturen standortspezifisch durchaus unterschiedlich, dennoch lassen sich gewisse Gemeinsamkeiten nicht übersehen. Die Studienanteile der Fachdidaktik sind vielerorts gewachsen, allerdings vornehmlich in der Masterphase, wo sie vielfältigen Inhalten und Fragestellungen gewidmet sind. In den polyvalenten Bachelorstudiengängen sind dagegen an den meisten Universitäten für die Studierenden der Lehrämter bereits grundlegende Vorlesungen und Seminare vorgesehen, die einen Überblick über das Fachgebiet verschaffen sollen. An diesen Adressat/ innenkreis richtet sich die vorliegende Einführung. Sie berücksichtigt, dass sich mit den formal-strukturellen Änderungen zugleich eine Neuorientierung durchgesetzt hat, deren zentrales Element eine höhere Verbindlichkeit der Studieninhalte ist, insbesondere die Etablierung von Kerncurricula in der Bachelorphase. Die Didaktiken der verschiedenen Schulfremdsprachen bauen in vieler Hinsicht auf gemeinsamen Grundlagen und Kernelementen auf. Die Tendenz einer Vereinheitlichung wird zudem durch die derzeitigen bildungspolitischen Vorgaben, von denen im Buch die Rede sein wird, verstärkt. Unstrittig bleibt, dass sprachspezifische Zugänge für unsere Disziplinen unverzichtbar sind, allerdings erst im weiteren Verlauf des Studiums an Bedeutung gewinnen. Umgekehrt liegt der Vorzug einer sprachenübergreifenden Perspektive darin, die Querverbindungen in Theorie und Praxis des Unterrichts in den „modernen“ Fremdsprachen umfassender in den Blick nehmen und somit über den „Tellerrand“ des eigenen Faches hinausschauen zu können. Wir, das Autorenteam, vertreten an unseren Universitäten (Universität Hamburg und Humboldt-Universität zu Berlin) die Sprachen Englisch bzw. Französisch, Spanisch und Italienisch. Aufgrund des sprachenübergreifenden Ansatzes dürfte die Einführung jedoch auch für Studierende des Russischen und anderer Sprachen von Interesse sein. Dass englischsprachige Beispiele und Zitate vergleichsweise stark vertreten sind, liegt nicht etwa daran, dass eine Sprache in unseren Augen wertvoller wäre als andere, sondern an der Tatsache, dass der Hauptteil relevanter wissenschaftlicher Publikationen auf Englisch verfasst ist. Im Sinne praktizierter Mehrsprachigkeit vertrauen wir darauf, dass die meisten Leserinnen und Leser auch über rezeptive Basiskompetenzen in zumindest einer romanischen Fremdsprache verfügen. Das Buch gliedert sich in vierzehn Einheiten und kann im Rhythmus des Semesterverlaufs einer einführenden Lehrveranstaltung so zugrunde gelegt XII V orwort werden, dass - einen Puffer für organisatorische Hinführungen und einen Prüfungsbzw. Auswertungsteil eingerechnet - jede Woche eine Einheit thematisiert wird. Es eignet sich jedoch auch zum lehrveranstaltungsunabhängigen bzw. -begleitenden Selbststudium und für die Revision im weiteren Verlauf des Studiums. Um eine klare Sprache bemüht, versucht es, erste Einblicke in den Gegenstand und in zentrale Aspekte des (vorrangig schulischen) Fremdsprachenunterrichts zu vermitteln. Die Ausführungen werden durch Graphiken, Tabellen und Bilder veranschaulicht und durch Merkkästen strukturiert. Begriffe und Symbole in den Randspalten, die sog. Marginalien, erleichtern die Orientierung. Sie geben u. a. Hinweise auf ergänzende Materialien, die auf der Homepage des Verlages www.bachelor-wissen.de abrufbar sind. Am Ende einer jeden Einheit werden zentrale Gesichtspunkte zusammengefasst, bevor über einen Aufgabenteil Anregungen zu Rekapitulationen und/ oder vertiefender Reflexion gegeben werden. Einige Literaturtipps laden ferner zum gezielten Weiterlesen ein. Wer sich rück- oder vorausblickend einzelne Fachbegriffe in ihrem inhaltlichen Kontext vergegenwärtigen möchte, findet schließlich im Sachregister ein nützliches Hilfsmittel. Das Buch beginnt mit einer Einheit, in der grundlegende Begriffe eingeführt und die Einbettung der Fremdsprachendidaktik als wissenschaftliche Disziplin-(1) dargelegt werden. Ihr folgen zwei Einheiten mit theoretischen Annahmen über Voraussetzungen, Bedingungen und Abläufe des Spracherwerbs und Bemerkungen zum Tertiärspracherwerb (2) und über die Bedeutung, die unser Verstand, unsere Gefühle, unsere Motivation und unsere ganze Identität dabei spielen (3). Unser Augenmerk richtet sich dann auf die Entstehungsgeschichte des Fremdsprachenunterrichts und seine Entwicklung bis zum Ende des 20.-(4) und auf bildungspolitische Initiativen zu Beginn des 21. Jahrhunderts (5), so dass die Abhängigkeit des Fremdsprachenunterrichts von gesellschaftlichen Einflüssen deutlich wird. Der anschließende Dreischritt widmet sich Entwicklungen in den didaktisch-methodischen Konzeptionen (6), in den Formen und Funktionen von Unterrichtsmedien (7) und in den typischen Interaktionsmustern des Klassenraumdiskurses (8). Die Einheiten 9 bis 13 nehmen schließlich zentrale Bereiche fremdsprachlicher Kompetenz in den Blick und beleuchten Inhalte und Verfahren, mit denen ihr Erwerb im Unterricht gefördert werden kann. Den Band beschließt eine Einheit (14), die Funktionen und Formen der Überprüfung fremdsprachlichen Lernens gewidmet ist. Die vorliegende Neuauflage des 2010 erstmals erschienenen Buchs stellt eine aktualisierte und in Teilen neu strukturierte Überarbeitung dar. Manches- aus- den vorigen Auflagen musste weichen, um Platz zu schaffen für neue Akzentuierungen. So trägt die Einheit 14 der gewachsenen Bedeutung des Evaluierens, Testens und Bewertens in allen fachdidaktischen Kontexten Rechnung. Uns bleibt nur, eine Dankespflicht zu erfüllen und einen Wunsch auszusprechen. An der Entstehung des Bandes waren von Verlagsseite in unter- 8 Vorwort XIII schiedlichen Phasen die Redaktionsmitglieder Jürgen Freudl, Christina Esser und Kathrin Heyng, die diese dritte Auflage maßgeblich begleitet hat, beteiligt. Für ihre konstruktive Kritik, ihre Geduld und ihr Entgegenkommen möchten wir uns an dieser Stelle sehr herzlich bedanken. Den eigentlichen Hauptpersonen, Ihnen, den Leser/ innen, wünschen wir eine ertragreiche und möglichst kurzweilige Lektüre. Helene Decke-Cornill & Lutz Küster Einheit 1 1 Fremdsprachendidaktik - was ist das? Zur Verortung der Disziplin 1.1 unterrichtswissenschaftliche Verortung der Fremdsprachendidaktik Diese Einheit skizziert den wissenschaftlichen Ort der Fremdsprachendidaktik im Netzwerk benachbarter Disziplinen. Sie erörtert das theoretische Selbstverständnis und das Aufgabengebiet der Fremdsprachendidaktik, erläutert am Beispiel von drei an Schulen in Deutschland besonders etablierten Fremdsprachen deren unterschiedliche Bedeutung, Aura und Akzeptanz im Kontext einer vielsprachigen Gesellschaft und betrachtet schließlich die Fremdsprachendidaktik als Forschungsdisziplin. Didaktik - Fachdidaktik - Fremdsprachendidaktik Die Fremdsprachendidaktik ist eine Unterrichtswissenschaft. Als solche ist sie Teil der übergreifenden Wissenschaft vom Unterricht: der (Allgemeinen) Didaktik. Da sie sich mit Fachunterricht beschäftigt, zählt sie zu den Fachdidaktiken und vertritt unter ihnen die Gruppe der fremdsprachlichen Fächer. Diese drei eng miteinander verbundenen didaktischen Ebenen - übergreifend (Didaktik), fachlich (Fachdidaktik), fremdsprachenspezifisch (Fremdsprachendidaktik) - werden in den ersten drei Abschnitten dieser ersten Einheit beschrieben: Zunächst werden übergreifende Aussagen zur Didaktik gemacht und das diesen Band leitende Verständnis der Didaktik als Enkulturationswissenschaft erläutert; danach wird die Frage der Fachlichkeit des Lernens thematisiert; und schließlich wird die Gruppe der Fremdsprachen und ihre Didaktik vorgestellt. Zahlreiche Aspekte der Fremdsprachendidaktik gelten grundsätzlich für alle modernen Schulfremdsprachen. Das heißt jedoch nicht, dass alle über einen Kamm geschoren werden können. Jede Schulfremdsprache hat mit den anderen etwas gemein, zugleich aber auch ihre eigene Gestalt, ihre eigene Geschichte und Fachkultur, ihren spezifischen Status, ihre besondere Aura. Jede trifft auf unterschiedliche Motivationen und unterschiedliche sprachliche Lernvoraussetzungen. Die Behauptung, alles in diesem Band Dargelegte gelte summarisch für alle Fremdsprachen in der Schule, wäre also irreführend. Selbst für Englisch und Französisch, die beiden modernen Sprachen mit der längsten Unterrichtstradition an Schulen in Deutschland, gilt nicht immer 2 F re mdspr achendida k tik - wa s ist da s ? Z ur V erortung der d is Z iplin das Gleiche. Ein Transfer der Aussagen auf andere Sprachdidaktiken ist daher zwar vielfach sinnvoll, bedarf aber im Einzelfall genauerer Prüfung. Unser Zugang orientiert sich an Themen und Positionen, die die Fremdsprachendidaktik kontinuierlich beschäftigen. Er erschöpft sich dabei nicht im Additiven, sondern versucht, auch die Vernetzung der Themen untereinander, ihre interdependente Entwicklung und wechselseitige Beeinflussung deutlich zu machen. Didaktik Das Wort Didaktik stammt aus dem Griechischen. Didaskalos heißt Lehrer, didáktike téchne Lehrkunst. Dem Wortursprung nach steht also das Lehren im Mittelpunkt von Didaktik. Lehren impliziert mindestens dreierlei: eine lehrende Instanz, sei es nun eine Sache oder eine Person; ein lehrreiches Thema, einen Stoff oder einen Sachverhalt; und ein Gegenüber, das lernen will oder soll. Didaktik beschäftigt sich mit dieser Trias aus Lehren(den), Stoff/ Inhalt/ Gegenstand und Lernen(den). Sie wurde von Ruth Cohn als didaktisches Dreieck dargestellt (vgl. Cohn/ Terfurth 1997). Gesellschaft Schule Unterricht Thema, Stoff Lehrer/ innen, Schüler/ innen, ältere Generation jüngere Generation Lehren und Lernen findet überall statt: in der Familie, auf der Straße, unter Gleichaltrigen, in Vereinen usw. Dieses beiläufige Lehren und Lernen ist zwar für das Leben entscheidend, aber nicht Gegenstand der Didaktik im engeren Sinne. Diese konzentriert sich ihrem dominanten Verständnis nach auf Unterricht, der in fast allen Gesellschaften unter den institutionellen Bedingungen von Schule stattfindet. Didaktik befasst sich daher mit dem offiziellen, planvollen, abgestimmten, verbindlichen Lehren und Lernen in dieser sozialen Einrichtung. Schule steht bei uns seit Beginn des 19. Jahrhunderts unter staatlicher Verantwortung und basiert auf einem Generationenvertrag, mit dem die ältere 1.1.1 Wortursprung didaktisches Dreieck Abb. 1.1 Gesellschaft - Schule - Unterricht Gegenstand und Aufgaben der Didaktik Einheit 1 3 D I Da k tIk - F achD I Da k tIk - F re mDspr achenD I Da k tIk Generation sich verpflichtet, der jüngeren das Wissen und die Kompetenzen zu vermitteln, die diese für ihre Entfaltung, die Sicherung ihrer Existenz und den Fortbestand der Gesellschaft benötigt. Diesen Bildungsauftrag erteilt die Gesellschaft der Schule. Schule wird in aller Regel aus öffentlichen Mitteln des Gemeinwesens finanziert, von öffentlichen Einrichtungen (Behörden) organisiert und kontrolliert und ist für alle Recht und Pflicht. Das Lehren und Lernen in der Schule ist also ein zutiefst staatlich-gesellschaftliches Unterfangen. Für die Erfüllung des gesellschaftlichen Bildungsauftrags benötigen die in der Schule damit Betrauten Professionalität. Ewald Terhart (1997: 134) präzisiert deshalb: Die Bezeichnung ‚Unterricht‘ wird […] für solche Situationen reserviert, in denen (1) mit pädagogischer Absicht und in (2) planmäßiger Weise sowie (3) innerhalb eines bestimmten institutionellen Rahmens und (4) in Form von Berufstätigkeit eine Erweiterung des Wissens- und Fähigkeitsstandes einer Personengruppe angestrebt wird. Bei einer Orientierung am didaktischen Dreieck lässt sich die Aufgabe der Didaktik als wissenschaftliche Disziplin folgendermaßen fassen: 1. Stoff/ Inhalte: Die Didaktik erforscht und lehrt, wie aus Stoff, Wissen, Gegenstandsbereichen ausgewählt wird und Bildungsangebote entwickelt werden; sie fragt, was dabei beiseite gelassen wird, was relevant erscheint, welche Präferenzsetzungen dabei wirksam werden, wie dies zu erklären ist usw. 2. Lehren: Sie professionalisiert (zukünftige) Lehrer/ innen für die Transformation von Wissensbeständen und Fähigkeiten in Bildungsangebote und Unterricht und qualifiziert sie für die Initiation, Begleitung und Förderung von Bildungsprozessen. 3. Lernen: Sie erforscht und lehrt, wie und unter welchen Bedingungen Bildungsprozesse der Lernenden (und der Lehrenden) rekonstruiert werden können, wie sie sich vollziehen, wie sie initiiert und gefördert werden können, welche Interventionen dabei denkbar sind usw. Wie geht Didaktik diese Aufgaben an? Didaktik erforscht, beschreibt und interpretiert zunächst den schulischen Bildungsbetrieb und die unterrichtlichen Lehr- und Lernprozesse so genau und dicht wie möglich und versucht dabei, die theoretischen Grundlagen ihrer Analyse transparent und überprüfbar zu machen und weiterzuentwickeln. Didaktik ist zunächst also eine analytische Disziplin. Didaktik ist aber auch eine normative Disziplin. Sie fragt nicht nur: Was geschieht in Schule und Unterricht und wie lässt sich das erklären? , sondern sie fragt auch: Was sollte in der Schule und im Unterricht geschehen? Obwohl dieser Dimension des Sollens gelegentlich die Wissenschaftlichkeit abgesprochen wird, weil nicht faktisch, positiv, objektiv bewiesen werden kann, dass etwas Bildungsauftrag Professionalität Aufgaben der Didaktik analytische Disziplin normative Disziplin 4 F re mdspr achendida k tik - wa s ist da s ? Z ur V erortung der d is Z iplin so oder so gemacht werden soll, ist sie doch wichtiger Bestandteil der Didaktik, wie im Übrigen auch anderer Wissenschaften, etwa Jura oder Medizin. Wissenschaftlichkeit kann Didaktik auf dieser Ebene aber nur beanspruchen, wenn die Grundlagen des Sollens, also die normativen Setzungen, offen gelegt und begründet werden, sich also nicht in Behauptungen und Vorschriften erschöpfen. Wer z. B. in der aktuellen Diskussion um ein inklusives Schulsystem fordert, es solle entwickelt oder verhindert werden, muss die jeweilige Forderung lerntheoretisch, sozialpsychologisch, gesellschaftspolitisch u.ä. begründen können. Ähnliches gilt auch beispielsweise für die Forderung der Kultusministerkonferenz nach zwei Fremdsprachen für alle. Warum sollen Kinder Fremdsprachen lernen? Warum diese und nicht jene? Solche Fragen bewegen sich im Bereich des Normativen und bedürfen der Diskussion und Transparenz ihrer Grundlagen. Didaktik ist schließlich eine anwendungsbezogene, operative Disziplin, die nach der Unterrichtsmethodik, d. h. nach der Gestaltung von Lernangeboten und Lernumgebungen fragt und Vorschläge für eine lern- und entwicklungsförderliche Strukturierung von Unterricht, für produktive Arbeitsweisen und angemessene Formen der Rückmeldung macht. Das Verhältnis von Didaktik und Methodik lässt sich unterschiedlich bestimmen. Wolfgang Klafki unterscheidet zwischen der didaktischen Aufgabe der Ermittlung von Bildungsinhalten und der methodischen Aufgabe der Vermittlung dieser Inhalte, ordnet also die Methodik der Didaktik unter. Er schreibt: „Methodische Erwägungen setzen immer schon didaktische voraus und haben an ihnen ihr Kriterium; insofern gilt der Satz vom Primat der Didaktik gegenüber der Methodik“ (1971: 4). Für Friedrich W. Kron sind das Was und Warum dagegen untrennbar von dem Wie, und er sieht deshalb in Didaktik und Methodik „zwei Seiten ein und derselben Medaille“ ( 2 1994: 39). Didaktik analytisch Didaktik normativ Didaktik operativ Erforschung (Beschreibung, Interpretation und Auswertung) von Lehr-Lern-Prozessen, Interaktionsprozessen, Bildungs- und Berufsbiographien, Theorieentwicklung Generierung, Fest- und Offenlegung von dem, was Kinder und Jugendliche warum lernen sollen, d. h. Relevanzsetzung von Bildungszielen und -inhalten, Organisationsformen usw. und ihre Begründung Suche nach Methoden und Inszenierungsformen von Lehren und Lernen unter der Fragestellung: Wie können Lern- und Bildungsprozesse angeregt, gefördert, ermöglicht werden? Wie können Lehrende dafür professionalisiert werden? Interessanterweise sind inzwischen Methoden - etwa Präsentationsformen, Formen der Textarbeit, Mindmapping o. Ä. - auch Bildungsinhalt geworden. Das ändert aber an dem dargestellten Verhältnis nichts: Auch für den Inhalt operative Disziplin Verhältnis von Didaktik und Methodik Tab. 1.1 Dimensionen der Didaktik Einheit 1 5 D I Da k tIk - F achD I Da k tIk - F re mDspr achenD I Da k tIk Didaktik als Enkulturationswissenschaft Vergesellschaftungs- und Selbstbestimmungskräfte ‚Methoden‘ und das Ziel ‚Methodenkompetenz‘ sind geeignete Unterrichtsmethoden zu ersinnen. Idealtypisch gesehen besteht zwischen der analytischen, der normativen und der operativen Dimension der Didaktik eine kontinuierliche Interaktion. Aus der Perspektive ihres Auftraggebers, d. h. des Staates bzw. der Gesellschaft, betrachtet, lässt sich die Aufgabe von Schule und Unterricht als Enkulturation beschreiben und die Didaktik müsste demnach die Bedingungen und Prozesse schulischer Enkulturation - gemäß der drei eben entwickelten Dimensionen- - analysieren, beurteilen und konzipieren. Didaktik ist damit zugleich Enkulturationswissenschaft. Den Begriff der Enkulturation brachte Ende der 1960er Jahre Werner Loch ins Gespräch. Er bezeichnete dabei Schule, Unterricht und Erziehung als Domänen kultureller Entwicklungshilfe oder Enkulturationshilfe (vgl. Loch 1969: 137 ff.). In Anlehnung an Loch definiert Kron Enkulturation wie folgt: Unter Enkulturation sei im allgemeinen Sinn das Lernen von Kultur durch Menschen und Gruppen verstanden. Durch Enkulturation erwirbt bzw. lernt jedes Individuum einer Gesellschaft jene kulturellen Inhalte und Fertigkeiten, Symbole und Ausdrucksformen, die es selbst benötigt, um gesellschaftlich, d. h. allgemein handlungsfähig zu werden und zu sein. Die Gesellschaft legt daher ihrerseits größten Wert auf Einrichtung und Erhaltung von Institutionen und Organisationen, die dafür sorgen, daß die zur jeweiligen Gesellschaft zählenden Individuen enkulturiert werden. ( 2 1994: 232) Dickopp und Frenzel (1992: 22) lehnen Enkulturation als didaktischen Leitbegriff ab, weil er weniger ein ‚In-Kultur-Bringen‘ als ein ‚In-Kultur-Zwingen‘ nahe lege und die Selbstbestimmung der Einzelnen geringschätze. Enkulturation, das klingt in dieser Definition tatsächlich fast so, als erzwinge die Gesellschaft die Einpassung der Individuen in ihre Kultur(en), als erzwinge sie ihre Vergesellschaftung, ohne sich dabei sonderlich um individuelle Selbstbestimmungsbestrebungen zu kümmern. Kron geht aber im Weiteren durchaus von kulturell vielfältigen, heterogenen, widersprüchlichen Gesellschaften aus und versteht Unterricht als Forum interaktiver, widerstreitender Prozesse, bei denen idealerweise Vergesellschaftungs- und Selbstbestimmungskräfte gleichermaßen wirksam sein können (zum Kulturbegriff s. Einheit 12). Auch Gabriele Münnix (2000) beschäftigt sich bei ihrer Bestimmung der Aufgabe von Schule und Unterricht mit dem Verhältnis von Kultur als gesellschaftlichem Phänomen und den Individuen. Mit Bezug auf Benjamin Whorf beschreibt sie Kultur als unbewussten Hintergrund unserer Wahrnehmung: Ein Hintergrund für unsere Wahrnehmungserfahrungen, der uns ganz selbstverständlich ist, weil wir nichts anderes kennen, bleibt uns völlig unbewußt, da er außerhalb unseres Aufmerksamkeitsbereichs liegt: Wir kennen nichts anderes, Fremdes bleibt uns fremd, die Bedeutung des Hintergrundphäno- 6 F re mdspr achendida k tik - wa s ist da s ? Z ur V erortung der d is Z iplin Wecken von Kulturbewusstsein Enkulturation 1.1.2 Fachunterricht mens-- unsere eigene Kultur - bleibt ausgeblendet, obwohl auf ihm ja erst alle Phänomene ihre Kontrastierung und Bedeutung erhalten. (Münnix 2000: 163) Enkulturation hat demnach längst stattgefunden, wenn Kinder in die Schule eintreten, aber die Kulturalität ihrer Welt- und Selbstwahrnehmung bleibt ihnen weitgehend verschlossen. Die Aufgabe der Schule bestünde nach Münnix nun vor allem darin, Kulturbewusstsein zu wecken. Ein solches Bewusstsein erwachse aus Befremdungen und irritierenden Begegnungen mit Anderem und Fremdem, die die Selbstverständlichkeit unserer Wahrnehmung und unseres Handelns in Frage stellen und die Bedingtheit und Begrenztheit unseres Wahrnehmungshorizonts zum Vorschein bringen, ein produktiver, aber manchmal auch schmerzhafter Vorgang, der Abwehr auslösen kann. Münnix ist zweckoptimistisch. Ihr zufolge müsste jeder Mensch an einer Auseinandersetzung mit den Bedingungen seiner Weltwahrnehmung und Weltgestaltung und denen seiner Mitmenschen interessiert sein. Es ergibt sich geradezu ein logisches Interesse, über die eigenen habitualisierten Kategorien hinaus andere Möglichkeiten von Welterfassung kennenzulernen, denn die eigenen Prämissen werden in ihrer Eigenart und Funktion um so klarer, je besser wir sie von anderen Kategorien, Weltzugriffen und Denkmodalitäten unterscheiden können. Kulturelle „Prägungen zum Sein“ werden erst dann in ihrer Besonderheit richtig verständlich, wenn wir andere Möglichkeiten solcher „Weltschöpfung“ daneben halten. Nur so gelangen wir zu einem vertieften Verständnis nicht nur des fremden, sondern auch des eigenen symbolischen Gestaltens und zugleich nicht nur zu einer Synopse, sondern auch zu einem Verstehen allgemein menschlicher Weisen von Welterzeugung. Das ist insbesondere in Zeiten der Globalisierung von Bedeutung, in denen wir mehr Erfahrungen mit anderen Kulturen machen als die Generationen vor uns. (Ebd.) Demnach besteht der normative Auftrag von Schule gewissermaßen in der Enkulturation erster und zweiter Ordnung: Als Enkulturationseinrichtung soll sie den Lernenden erstens zu praktischer Handlungs- und Teilhabefähigkeit und zweitens zu Reflexions-, Urteils- und Interventionsfähigkeit verhelfen. Als kritisch begleitende Enkulturationswissenschaft setzt die Didaktik wiederum die Schule selbst auf den Prüfstand und liefert ihr durch Erforschung, Beurteilung und Konzeptentwicklung schulischer Enkulturationsbedingungen und -prozesse die wissenschaftlichen Grundlagen für die institutionelle Selbstreflexion. Fachdidaktiken als Transformationswissenschaften Terhart (s. oben 1.1.1) bezeichnet Schule als institutionellen Rahmen, in dem Unterricht absichtsvoll und planmäßig abläuft. Eine der absichtsvollen und planmäßigen Formen des Schulwesens in Deutschland findet sich in der Entscheidung für Fachunterricht. Einheit 1 7 D I Da k tIk - F achD I Da k tIk - F re mDspr achenD I Da k tIk Fachdidaktiken Fachdidaktik als Transformationswissenschaft Das, was im didaktischen Dreieck als Stoff ausgewiesen ist, erscheint in der Schule in einer Reihe von Fächern, die Kategorie Stoff/ Inhalt des didaktischen Dreiecks wird also im wörtlichen Sinne in der Schule aufgefächert. Die Auswahl der Fächer und der Anteil, den sie im Lehrplan haben, ist dabei ebenso sehr Ergebnis pädagogischer und gesellschaftlicher Aushandlungsprozesse wie bildungspolitischer Traditionen, Kontroversen und Kompromisse. Nur so lässt sich erklären, warum Biologie etabliertes Unterrichtsfach ist, nicht aber Medizin, warum Philosophie in den Stundentafeln auftaucht, nicht aber Rechtswissenschaft und sehr selten nur Psychologie oder Pädagogik, warum Latein Unterrichtsfach ist, nicht aber Arabisch. Was in den Lehrplan kommt, welche Fächer für enkulturationsrelevant erachtet werden, das ist ein wichtiges gesellschaftliches und bildungspolitisches Entscheidungsfeld. Trotz beachtlicher Beharrlichkeit ist auf diesem Feld immer auch Bewegung: Neue Fächer entstehen, zuvor getrennte fusionieren, andere weiten ihren Spielraum aus, wieder andere werden vom Pflichtzum Wahlfach oder müssen um ihren Bestand kämpfen. Für die Fachgebiete, die für den Bildungs- und Enkulturationsauftrag der Schule als bedeutsam bewertet werden und für die ein Schulfach eingerichtet wird, wird auch eine Fachdidaktik aktiv, deren Aufgabe die Erforschung des Gebiets und die Ausbildung von Expert/ innen, d. h. Fachlehrer/ innen ist. Die Fachdidaktiken waren, wie die Didaktik insgesamt, bis in die 1970er Jahre überwiegend an den Pädagogischen Hochschulen angesiedelt, wo sie zur dortigen Lehrerbildung beitrugen. Als diese Hochschulen in den 1970er Jahren in fast allen Bundesländern aufgelöst und die Fachdidaktiken in die Universitäten integriert werden sollten, zeigte sich, dass die Universitäten keinen maßgeschneiderten Rahmen für sie bereit hielten. In einigen wenigen Fällen wurden sie der Erziehungswissenschaft zugeschlagen, in der Mehrzahl der Fälle aber dem jeweiligen Fach. Welche Verortung die überlegene ist, darüber lässt sich streiten. Die Befürworter/ innen der erziehungswissenschaftlichen Verankerung fragen polemisch: „Wollen wir Fächer unterrichten oder Kinder? “ Die organisatorische Zuordnung ist nicht folgenlos. Neben hochschulpolitischen und finanziellen Konsequenzen ergeben sich durch die unterschiedlichen Milieus auch unterschiedliche Akzentuierungen in Forschung und Lehre. Fachdidaktiken sind aber letztlich weder in der Fachnoch in der Erziehungswissenschaft ganz aufgehoben, sondern haben eigenständige Profile, Ausbildungsziele und Forschungskulturen. Die Fachdidaktik integriert die fachliche und die pädagogische Perspektive und transformiert beide in Hinblick auf fachliche Enkulturation und Bildung. Leitende Orientierung der Fachdidaktik ist der fachbezogene Bildungsanspruch der Schülerinnen und Schüler. 8 F re mdspr achendida k tik - wa s ist da s ? Z ur V erortung der d is Z iplin Transformationswissenschaften 1.1.3 Sprachlehr-/ -lernforschung Definition Nach heutigem Verständnis sind Fachdidaktiken Transformationswissenschaften, die der Berücksichtigung einer Reihe von Wissenschaften bedürfen. Unter ihnen spielen die Fachwissenschaften natürlich eine zentrale, aber eben nicht die einzige Rolle, und sie sind auch nicht unmittelbare Stoff- und Inhaltslieferanten. Fachunterricht und fachliche Lehrkompetenz lassen sich mithin nicht direkt aus dem Fachwissen herleiten und Unterrichtsfächer bilden wissenschaftliche Fächer nicht einfach im Kleinen ab. Vielmehr müssen fachliche Inhalte durch die Fachdidaktiken auf ihre Bedeutsamkeit für die Lernenden und ihr Selbst- und Weltverständnis hin geprüft und bearbeitet - eben: transformiert - werden. Ebenso zentral wie das Partnerfach sind dabei für die Fachdidaktiken die Erziehungswissenschaft, die Schulpädagogik, die Allgemeine Didaktik und die Pädagogische Psychologie. Fachdidaktiken sind also durch und durch integrativ, interdisziplinär und transformativ orientiert. Fremdsprachendidaktik Von der Allgemeinen Didaktik über die Fachdidaktik sind wir nun auf der Ebene der Fremdsprachendidaktik angekommen. Sie ist als institutionalisiertes akademisches Fachgebiet noch jung. Zwar haben sich Menschen über das Lehren und Lernen fremder Sprachen schon lange den Kopf zerbrochen (s.- auch Einheit 4), aber als eigenständige wiss ens chaftliche Disziplin entwickelte sich die Fremdsprachendidaktik - wie andere Fachdidaktiken auch-- erst in den 1960er Jahren. Der Begriff Fremdsprachendidaktik kennzeichnet das Feld als sprachenübergreifend. Sprachenübergreifende Lehrstühle, sog. Bereichsdidaktiken, sind allerdings eher selten. In der ganz überwiegenden Mehrheit sind Fremdsprachendidaktiken einzelsprachlich konkretisiert: als Englischdidaktik, Französischdidaktik, Spanischdidaktik, Russischdidaktik usw. Wie eingangs bereits gesagt, gibt es zwischen ihnen aber zahlreiche Gemeinsamkeiten, so dass ein übergreifender Blick sinnvoll erscheint. In den 1970er Jahren entwickelte sich aus einer Kritik an der Anwendungsfokussierung der Fremdsprachendidaktik (‚Rezeptologie‘) die Sprachlehr-/ -lernforschung. Sie gab der Fremdsprachendidaktik etliche fruchtbare Impulse, vor allem, indem sie die Sprachlernprozesse stärker in den Blickpunkt rückte und auch nichtschulische Spracherwerbskontexte berücksichtigte, etwa den von erwachsenen Lernenden von Deutsch als Zweitsprache. Eine Sprache gilt dann als Zweitsprache, wenn sie nicht die Herkunftssprache eines Menschen ist, aber die Mehrheitssprache seiner Umgebung, wenn sie also in seinem Alltag präsent ist und für das Alltagsleben benötigt wird, etwa Deutsch bei Zuwanderung nach Deutschland. Oft wird sie weitgehend ungesteuert erworben. Einheit 1 9 D re I s chulF re mDspr achen unD Ihr p ro F Il Da unser Fokus dem schulischen Lernen gilt, werden wir im Kontext dieses Bandes den für das institutionelle Sprachenlehren und -lernen einschlägigen Begriff Fremdsprachendidaktik verwenden, die sich inzwischen ihrerseits von der ‚Rezeptologie‘ abgewandt hat. In Modifikation von Ralf Weskamps (2001: 17) Schaubild zur Fremdsprachendidaktik seien hier deren wichtigste Ziele und Forschungsanliegen und einige ihrer wichtigsten Bezugswissenschaften aufgeführt. In der Tabelle stehen sie nebeneinander, tatsächlich interagieren sie aber vielfach: Fremdsprachendidaktik Ziele/ Aufgaben Forschungsanliegen Bezugswissenschaften Verstehen unterrichtlicher Praxis einschließlich ihrer Rahmenbedingungen Bruch mit Eingefahrenem und ungeprüften Routinen Identifikation und Verstärkung von Gelingensbedingungen Professionalisierung von Lehrkräften: Entwicklung von Handlungs-, Analyse- und Reflexionskompetenz usw. mehrperspektivische Untersuchung der Praxis Analyse normativer Setzungen Untersuchung von Lehr-/ Lernprozessen und deren Bedingungen Rekonstruktion von Bildungsgängen von Fremdsprachenlernenden und -lehrenden usw. Sprachwissenschaft Literaturwissenschaft Erziehungswissenschaft/ Didaktik Lehr-/ Lerntheorien Psychologie Sozialwissenschaft Landeskunde/ Cultural Studies Medienpädagogik Gender Studies usw. Drei Schulfremdsprachen und ihr Profil Bei der Betrachtung des Spektrums an modernen Sprachen, die an Schulen gelehrt werden, fällt auf, dass selbst das Türkische, das in der Bevölkerung und in den Schulen in Deutschland eine große Zahl von Sprecher/ innen hat, bisher selten Teil des fremdsprachlichen Regelangebots geworden ist und überwiegend nur als herkunftssprachlicher Unterricht angeboten wird (zum ungleichen Status und Schutz von autochthonen und allochthonen Minderheitensprachen im Schulwesen in Deutschland vgl. Schmitz/ Olfert 2013). Den drei größten Schulsprachen ist gemein, dass ihre Verbreitung in der Welt auf Kolonisierung zurückgeht. Ihre immense Reichweite und ihr hoher Gebrauchswert in zahlreichen Domänen der Öffentlichkeit macht ihren Unterricht zu einer volks- und betriebswirtschaftlich aussichtsreichen Investition. Die an allgemeinbildenden Schulen in Deutschland derzeit am häufigsten vertretenen modernen Schulsprachen sind der Statistik zufolge Englisch, Französisch und zunehmend Spanisch. Diese Fächer seien nun kurz vorgestellt. Ziele und Forschungsanliegen Tab. 1.2 Die Fremdsprachendidaktik im Überblick 1.2 10 F re mdspr achendida k tik - wa s ist da s ? Z ur V erortung der d is Z iplin Tab. 1.3 Zahl der Schüler/ innen an allgemeinbildenden Schulen mit fremdsprachlichem Unterricht 1.2.1 Weltsprachensystem Erst-, Zweit- oder Fremdsprache Allgemeinbildende Schulen Sprachen Schuljahr 2012/ 13 2013/ 14 absolut absolut Veränderung zum Vorjahr in % Allgemeinbildende Schulen Englisch 7.443.685 7.307.948 -1,8 Französisch 1.599.073 1.556.275 -2,7 Latein 740.302 709.407 -4,2 Altgriechisch 12.769 12.134 -5,0 Spanisch 384.781 391.552 1,8 Italienisch 58.805 52.666 -10,4 Russisch 108.391 107.132 -1,2 Türkisch 12.807 12.549 -2,0 Sonstige Sprachen 66.518 69.136 3,9 Das Fach Englisch Bei ihrer Charakterisierung des Weltsprachensystems unterscheiden Pavlenko und Piller (2007: 16) in Anlehnung an Abram De Swaan zwischen „English“, „majority languages“ und „minority languages“. Majority languages haben Nationalstaaten im Rücken und sind „ideologically associated with full citizenship in a nation state (e. g., German in Germany)“, minority languages werden dagegen ideologisch mit mit dem Nichtvorhandensein einer solchen vollen Staatsbürgerschaft assoziiert. Englisch habe schließlich den Sonderstatus einer „‚hypercentral‘ language of globalization“ (2007: 17). Englisch ist heute die wichtigste Sprache zwischen Sprecherinnen und Sprechern unterschiedlicher Sprachen, und zwar mit und ohne Beteiligung von englischen natives. Die Zahl derer, die Englisch als Zweit- oder Fremdsprache nutzen, übersteigt die Zahl derer, für die Englisch Erstsprache ist (vgl. Seidlhofer 2005: 339). Eine gängige Typologie trifft die heute unzulässig vereinfachende Einteilung zwischen Sprecher/ innen des Englischen als Erst-, Zweit- oder Fremdsprache (ENL = English as a native language, ESL = English as a second language, EFL = English as a foreign language). Diese Unterscheidung überführte Braj Kachru 1985 in ein Schaubild von konzentrischen Kreisen: einem inner circle (norm providing) der Erstsprachensprecher/ innen, einem outer circle (norm developing) der Zweitsprachensprecher/ innen und einem expanding circle (norm dependent) für die, die Englisch als Fremdsprache nutzen. Erst- und Zweitsprachenumgebungen des Englischen unterscheiden sich nach Leith (in Graddol 1997: 10) wie folgt: Einheit 1 11 D re I s chulF re mDspr achen unD Ihr p ro F Il Text 1.1 8 � Erstsprachen werden außerhalb des sog. Mutterlands dort gesprochen, wo - wie etwa in USA, Australien, Irland oder Kanada - die präkoloniale Bevölkerung vernichtet wurde und sich eine nationale Varietät des Englischen entwickelte. � Zweitsprachen entstanden in Gebieten, in denen Kolonialregierungen eine Schicht aus der einheimischen Bevölkerung rekrutierten, die Englisch lernte. � Ein Mischtypus findet sich in der Karibik, wo die präkoloniale Bevölkerung durch den Einsatz westafrikanischer Sklaven in der Plantagenarbeit vertrieben wurde. Hier wie in den Südstaaten der USA entwickelten sich sog. Pidgin- und Kreolsprachen auf der Grundlage des britischen Englisch. Diese sog. black englishes üben einen großen Einfluss auf junge Englischlernende weltweit aus. Die Bundeszentrale für Politische Bildung (2010) bezeichnet Englisch als Weltsprache: Bezogen auf die geografische Streuung ist gegenwärtig keine Sprache so verbreitet wie Englisch. Die englische Sprache ist in 59 Staaten Amtssprache und/ oder Landessprache; hinzu kommen die Überseeterritorien Großbritanniens. Englisch ist zudem Amtssprache der Vereinten Nationen, der Europäischen Union, der Afrikanischen Union, der Organisation Amerikanischer Staaten und der NATO. Englisch wird heute von etwa 330 Millionen Menschen als Muttersprache gesprochen. Werden die Zweitsprachler noch hinzugezählt, sind es etwa 500-Millionen Sprecher. Hochchinesisch ist mit rund 850 Millionen Sprechern zwar die meistgesprochene Muttersprache, aber nur in wenigen Staaten als Zweit- oder Fremdsprache von Bedeutung. Die englische Sprache wird hingegen in mindestens 25 Staaten, in denen sie nicht Amtssprache und/ oder Landessprache ist, als Bildungs-, Geschäftsund/ oder Verkehrssprache genutzt. Englisch wird in vielen Staaten als erste Fremdsprache in den Schulen gelehrt und ist die offizielle Sprache der meisten internationalen Organisationen. Der British Council schätzt die Zahl der zusätzlichen Fremdsprachler auf deutlich mehr als eine Milliarde Menschen. Der heutige Status des Englischen ist Ergebnis einer sehr komplexen, oft gewalttätigen und blutigen Geschichte mit raumgreifender Dynamik (eine Darstellung der Entwicklung findet sich z. B. unter www.open.edu/ openlearn/ languages/ english-language/ english-the-world-today/ . Die Orientierung an einem britischen oder US-amerikanischen Standard ist zwar immer noch dominant, aber nicht mehr ganz so selbstverständlich. Immer häufiger ist nun von „Englishes“ die Rede, manchmal auch „englishes“ mit einem kleinen e. Claire Kramsch bilanziert bereits: „English is no longer universally associated with an identifiable native speaking national form what Braj Kachru has called 12 F re mdspr achendida k tik - wa s ist da s ? Z ur V erortung der d is Z iplin ‚first circle countries‘“ (1999: 138, vgl. auch die Interviews auf youtube mit David Crystal zum Thema World Englishes am 9. Nov. 2013 in Belgrad, am 13. März 2014 in Moskau u. a.), sondern in gewisser Weise eine „freie“, allen zur Verfügung stehende Sprache geworden, eine lingua franca. „Non-native speakers now substantially outnumber native speakers and as a result, English increasingly belongs to the world rather than to any one country“, heißt es in einer Publikation des British Council (2013: 16), in der zugleich kühl der volkswirtschaftliche Gewinn des Exportartikels Englisch für Großbritannien kalkuliert wird. Eine Sprache ist dann lingua franca, wenn sie als Verständigungssprache zwischen Sprecher/ innen anderer Erstsprachen dient. Einige Definitionen schließen native speakers aus dem Kreis der lingua-franca-Sprecher/ innen aus, andere tun dies nicht, betonen aber die besonderen Anpassungserwartungen an alle, einschließlich der native speakers, wenn sie sich einer Sprache in dieser Funktion bedienen. Zu denen, die diese Forderung vertreten, gehört Marko Modiano (1999: 7), für den Englisch nur dann lingua franca sein kann, wenn sie sich nicht am British Standard orientiert, sondern unter quasi weltdemokratischer Beteiligung aller Abb. 1.2 Das Englische in der Welt Definition Einheit 1 13 D re I s chulF re mDspr achen unD Ihr p ro F Il Nutzer/ innen einen eigenen Standard entwickelt, für den das entscheidende Kriterium Verständlichkeit ist. Standard English, as a spoken standard, must by definition only include forms of the language which are comprehensible to competent speakers of the language worldwide. Native speakers who speak with strong regional accents (and certainly dialects) are not, in my definition, speakers of Standard English. […] The designation ‚standard English‘ should be rooted in the communicative value of language […]. Er veranschaulicht das an einem Schaubild, aus dem hervorgeht, dass das British English als zentrale Referenz aufzugeben sei, damit EIL (English as an International Language) tatsächlich lingua franca für alle werden und einen internationalen Standard entwickeln könne: In der Entwicklung des Fachs Englisch an Schulen in Deutschland von der Nachkriegszeit bis in die Gegenwart spiegelt sich auch die wechselnde gesellschaftspolitische Bedeutung dieser Sprache: � Zunächst ist Englisch ein Bildungsprivileg: Es ist vor allem Gymnasialfach. Nur ca. 7,5 % der Schüler_innen erwarben 1965 die Hochschulreife (www. bildung-weltweit.de/ pdf/ kurzdarstellung_deutschland.pdf, 24. 5. 2015) Der Englischunterricht orientiert sich in Sprache und Inhalten an Großbritannien. � Eine Wende bringt der Sputnik-Schock der späten 1950er Jahre. Der Vorsprung der Sowjetunion in der Raumfahrt löst in der westlichen Welt eine Bildungsreform aus, etwa so, wie dies die PISA-Studie zur Jahrtausendwende tut. Bis 1990 wird sich als Folge die Zahl derer, die die Hochschulreife erwerben, gegenüber 1965 verdreifachen. Der Fremdsprachenunterricht bleibt nicht länger gymnasiales Privileg. Im Zuge der Bildungsreform der 1960er und 1970er Jahre wird er reformiert und soll nun für alle verpflichtend werden. Fremdsprachenunterricht für alle, das ist fast überall gleichbedeutend mit Englischunterricht für alle. Englisch ist die Sprache Kriterium Verständlichkeit British English Abb. 1.3 Englisch als internationale Sprache bzw. lingua franca Entwicklung des Fachs Englisch 8 14 F re mdspr achendida k tik - wa s ist da s ? Z ur V erortung der d is Z iplin verpflichtendes Fach 1.2.2 dominierende Sprache internationaler Diplomatie koloniale Ausbreitung der französische Sprachraum des mächtigsten westlichen Verbündeten in dieser Zeit des Kalten Krieges. Das zuvor noch von vielen Lehrer/ innen verachtete amerikanische Englisch gewinnt zunehmend Anerkennung, das Auslandsjahr in den USA wird Bestandteil vieler Schülerbiographien, die USA und Australien rücken neben Großbritannien in den Horizont des Englischunterrichts und seiner Lehrwerke. � Seit spätestens Ende der 1980er Jahre taucht der Begriff lingua franca in den Richtlinien auf. Englisch wird immer mehr als allgemeine Grundkompetenz wie das Rechnen, Lesen und Schreiben angesehen. Die nationalkulturelle Perspektive, die den Englischunterricht bis dahin noch weitgehend bestimmt, wird dabei allmählich in Frage gestellt. Auf diesem Weg ist Englisch inzwischen zu einem der fraglos akzeptierten Schulfächer geworden und wird an jeder Schulart und auf jeder Schulstufe gelehrt. Es ist verpflichtendes Fach für alle (fast alle, vgl. Decke-Cornill 2007b) und unterscheidet sich damit von anderen modernen Schulfremdsprachen wie Französisch, Spanisch, Italienisch und Russisch. Es überschreitet an zahlreichen Schulen bereits den Rahmen eines Fachs und wird als Arbeitssprache für den Unterricht von Sachfächern wie Erdkunde, Physik, Religion usw. genutzt - eine Entwicklung, die voraussichtlich zunehmen wird. Das Fach Französisch Wie oben bereits angedeutet, war Englisch nicht immer lingua franca. Diesen Status hatte bis ins 16., in abgeschwächter Form sogar bis ins 18. Jahrhundert, das Lateinische inne, zumindest in der Welt der Bildung, der Politik und der Geistlichkeit (vgl. Trabant 2002: 130). Auf den beiden erstgenannten Ebenen wird es ab dem 17. Jahrhundert abgelöst vom Französischen. Der Absolutismus Ludwigs XIV. strahlt in seiner Wirkung auf die europäischen Königs- und Fürstenhäuser aus, hier wird französische Lebensart zum unbestrittenen Trendsetter. Vor allem aber führt der wachsende politische Einfluss Frankreichs dazu, dass das Französische zur dominierenden Sprache internationaler Diplomatie wird. Im Gefolge der Aufklärung setzt es sich zudem als Sprache der Wissenschaft und der Künste durch - eine Entwicklung, die nach der Französischen Revolution und im Zuge der Napoleonischen Expansion noch an Breite gewinnt, in der Folge aber auch nationale Gegenbewegungen stimuliert. So kommt Jürgen Trabant (ebd.: 132) zu der Einschätzung, dass „die moderne deutsche Nation kulturell und später auch politisch durch Abstoßung von dem übermächtigen kulturellen und politischen Vorbild Frankreich entsteht“. Für die heutige Stellung des Französischen in der Welt ist nicht zuletzt die koloniale Ausbreitung Frankreichs und Belgiens im 19. Jahrhundert von entscheidender Bedeutung. Sie führt zu ähnlichen Phänomenen wie oben für das Englische beschrieben. Daher umfasst der französische Sprachraum so Einheit 1 15 D re I s chulF re mDspr achen unD Ihr p ro F Il unterschiedliche Länder wie Kanada und den Libanon, eine Reihe von Staaten Nord- und Zentralafrikas sowie Gebiete im Indischen Ozean, im Karibik- Raum und in Polynesien. Der Status des Französischen ist dabei keineswegs einheitlich. Mancherorts wird es auch in der Alltagskommunikation verwendet, andernorts ist es lediglich offizielle Amtssprache und dient vorwiegend als gehobene Verkehrssprache in multilingualen Kontexten. Doch auch im europäischen Kerngebiet ist das Französische eingebettet in lebensweltliche Zwei- oder Mehrsprachigkeit. Dies ist nicht nur in Belgien und der Schweiz der Fall, sondern auch in Frankreich selbst, wo lange unterdrückte Regionalsprachen wie Baskisch, Bretonisch, Katalanisch und Korsisch gerade in den vergangenen drei Jahrzehnten eine Renaissance erleben. Hinzu kommt natürlich die migrationsbedingte Mehrsprachigkeit. Darüber, wie viele Menschen weltweit als frankophon einzustufen sind, gibt es unterschiedliche Angaben. Die Organisation Internationale de la Francophonie veröffentlichte 2014 folgende Zahlen - Le français est aujourd’hui la 5e langue la plus parlée au monde avec 274-millions de locuteurs - Le français est la 2e langue apprise comme langue étrangère après l’anglais - Le français est la 3e langue des affaires dans le monde - Le français est la 4e langue d’internet - Il y a 125 millions d’apprenants du/ en français. (http: / / www.francophonie.org/ 274-millions-de-francophones-dans.html, vgl. auch www.youtube.com/ watch? v=lIgy8APXFyI (22. 5. 2015) Auch wenn derartige Einschätzungen in ihrer Gültigkeit schwer zu überprüfen sind, steht Trabant (2002: 129) gewiss nicht allein mit der Behauptung, dass das Französische, „was seine Funktion als internationale Sprache und sein kul- Abb. 1.4 Das Französische in der Welt lebensweltliche Zwei- oder Mehrsprachigkeit 8 16 F re mdspr achendida k tik - wa s ist da s ? Z ur V erortung der d is Z iplin turelles Prestige in der Welt angeht […], immer noch die zweite internationale Sprache der Welt“ sein dürfte. Gemessen an der Zahl der Schüler/ innen nimmt das Französische in der Rangfolge der Schulfremdsprachen in Deutschland den zweiten Platz hinter Englisch ein (s. Tab. 1.3; zur Entwicklung des Französischen als Schulfremdsprache s. auch Einheit 4). Französisch hat den Ruf, eine schwere Sprache zu sein. Wenn wir das grammatische System des Französischen mit dem des Englischen vergleichen, ist dieses Urteil vielleicht auch zutreffend (vgl. hierzu Raabe 2007: 536 f.), aber einen objektiven Schwierigkeitsgrad für eine Sprache auszumachen, ist ein fragwürdiges Unterfangen. Französisch hat in der Unterrichtstradition unbestreitbar jedoch das Erbe einer Sprache für Gebildete zu schultern. Erst seit wenigen Jahren sind verstärkt Bemühungen erkennbar, die ‚hausgemachte‘ Tradition einer formalen Korrektheit als Richtschnur des Unterrichts und als Kriterium des Lernerfolgs aufzugeben. Aber nicht alles lässt sich über unterrichtsinterne Faktoren erklären. Die Attraktivität eines Faches hängt nicht zuletzt auch von gesamtgesellschaftlichen Trends ab. Und hier muss man sagen, dass Französisch derzeit nicht so populär ist wie z. B. noch in den alten Bundesländern in den 1960er und 1970er Jahren, wo französische Musik, französische Autos und Konsumwaren unter jungen Leuten Kultstatus hatten. Des ungeachtet hat neben Englisch auch Französisch in den neuen Bundesländern einen Aufschwung erlebt, zu Lasten des Russischen. Um den veränderten sprachenpolitischen Weichenstellungen entsprechen zu können, ist daher eine Vielzahl von Russischlehrkräften zu Französischlehrer/ innen umgeschult worden. Das Fach Spanisch Das Jahr 1492 ist in der Geschichte Spaniens von zentraler Bedeutung. Es markiert einen End- und einen Anfangspunkt mit jeweils weitreichenden sprachenpolitischen Implikationen. Zum einen ist es das Jahr, in dem mit Granada die letzte muslimisch-arabische Bastion auf der iberischen Habinsel fällt. Damit geht eine drei Jahrhunderte währende Expansion kriegerischer christlicher Völker zu Ende, die sogenannte reconquista oder Wiedereroberung, deren Stoßrichtung vor allem von Norden nach Süden, aber z. T. auch vom Zentrum in die Peripherie führte. In ihrem Zuge setzte sich die romanische Sprachvariante des Kastilischen durch. Das völlig eigenständige Baskische und die ebenfalls romanischen Sprachen des Galizisch-Portugiesischen im Westen sowie des Katalanischen im Osten konnten sich auf der iberischen Halbinsel nur mehr als Minderheiten- und Regionalsprachen - bzw. im Falle des Portugiesischen als eigene Nationalsprache - behaupten. Zum anderen beginnt in jenem Jahr mit der ersten Entdeckungsreise des Kolumbus eine zuvor beispiellose Geschichte kolonialer Ausbreitung. So konnte bereits Philipp- II. Erbe einer Bildungssprache 1.2.3 Einheit 1 17 D re I s chulF re mDspr achen unD Ihr p ro F Il (1527-1598) - nicht unähnlich einer Formulierung Quirks (1985: 1) für das Englische - behaupten, dass in seinem Reich die Sonne nicht unterginge. Da die meisten Seefahrer und Siedler aus dem Süden stammten, ‚exportierten‘ sie erfolgreich ihren andalusischen Akzent. Natürlich hat das castellano, oder - wie verallgemeinert gesagt wird - das Spanische, in den verschiedenen Regionen Mittel- und Südamerikas je eigene Prägungen hervorgebracht, doch hat sich bis heute eine Unterscheidung zwischen europäischem und amerikanischem Spanisch als operable Groborientierung durchgesetzt. Derzeit wird Spanisch von ca. 330 Millionen Menschen in mehr als 20-Staaten gesprochen (vgl. Michel 2006: 27, vgl. auch http: / / dmz.vaucanson. org/ espagnol/ linguistique/ lenguas_mundo.htm, 22. 5. 2015). Allein in den USA leben ca. 27 Millionen hispanics, in manchen Bundesstaaten vor allem des Südwestens machen sie über 25 % der Bevölkerung aus, so dass Spanisch in den vergangenen Jahrzehnten zur heimlichen zweiten Landessprache avanciert ist. Vor allem aber ist Spanisch natürlich die dominierende Sprache des europäischen Mutterlandes (ca. 28 Mio. erstsprachliche Sprecher/ innen, hinzu kommen ca. 10 Mio., die das Spanische als Zweitsprache in ihrer unmittelbaren Lebenswelt nutzen) und in weiten Teilen Süd- und Mittelamerikas. Der Bedarf an Spanischkenntnissen im internationalen Kontext erwuchs lange Zeit primär aus den Bereichen des Handels und der Wirtschaft, in der zweiten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts kam der Tourismus als Motor des Spanischlernens hinzu. Das reiche literarisch-kulturelle Erbe der Hispania spielte in der Unterrichtstradition daher eine eher untergeordnete Rolle. Heutzutage steht Spanisch hoch im Kurs. Es profitiert von seinem Ruf, leicht erlernbar zu sein. Der Zugang zur spanischen Sprache wird in der Tat durch eine weitgehend eindeutige Relation von Schrift- und Lautbild erleichtert. Ein geschriebenes spanisches Wort kann (abgesehen von dialektalen Färbungen) nur auf eine einzige Weise ausgesprochen werden, jedes gehörte Wort kann wiederum fast ausschließlich auf nur eine einzige Weise korrekt verschriftlicht europäisches vs. amerikanisches Spanisch 8 Abb. 1.5 Das Spanische in der Welt 18 F re mdspr achendida k tik - wa s ist da s ? Z ur V erortung der d is Z iplin werden. Ansonsten aber ist das grammatische System ähnlich komplex wie das des Französischen und, was die Anzahl der Verbtempora angeht, sogar noch ausdifferenzierter. Nicht nur in der Erwachsenenbildung, sondern auch an allgemeinbildenden Schulen erfreut sich Spanisch steigender Beliebtheit (s. Tab. 1.3). Traditionell wird es als dritte Fremdsprache beginnend in den Jahrgangsstufen 9 und 11, zunehmend aber nunmehr bereits auch als zweite Fremdsprache ab Jahrgangsstufe 6 oder 7 angeboten (s. 2.3.4: Tertiärspracherwerb). Bernecker (2006: 151) spricht vor diesem Hintergrund schon vom „Virus der Hispanophilie“. Sprachen lernen - Sprache lernen An den drei vorgestellten Sprachen zeigt sich, dass sie hinsichtlich ihrer Inhalte, ihrer Anhänger/ innen und in ihrer Bedeutung als Schulfach immer im Wandel sind. Gemein ist diesen etablierten Schulsprachen, dass sie „Weltsprachen“ und „westliche“ Sprachen sind. Ihr Status als Weltsprachen hat seine Ambivalenz: Einerseits ist er in allen drei Fällen Ergebnis einer keineswegs harmlosen und bis heute folgenschweren Eroberungs- und Kolonialgeschichte, andererseits scheint in ihnen aber auch die Verheißung einer gemeinsamen Sprache für viele auf. Einerseits haben sie eine große Reichweite und insofern ist es ökonomischer eine Weltsprache zu erlernen als eine ‚kleine‘ Sprache, andererseits versperrt dieses Denken z. B. den Sprachen vor der Haustür - in Deutschland derzeit vor allem dem Türkischen - den Weg in den schulischen Fremdsprachenkanon und macht sie erst ‚klein‘. Alle Sprachen haben das Potenzial, zur Enkulturation der Lernenden beizutragen, vielleicht je fremder desto mehr: „Die Grenzen meiner Sprache sind die Grenzen meiner Welt“, schreibt der Philosoph Ludwig Wittgenstein (1889-1951) in seinem Tractatus Logico-Philosophicus. Auch wenn er sich dabei nicht auf Fremdsprachen - er spricht von Sprache, im Singular - bezieht, so leuchtet doch ein, dass auch sie die Grenzen unserer Sprache, unseres Denkens und unserer Welt erweitern und damit für das Projekt der Enkulturation relevant sein können. Das Erlernen einer fremden Sprache ist für Humboldt deshalb nicht so sehr eine methodisch-didaktische Frage, sondern ein Grundmodus von Bildung überhaupt, nämlich die Bereicherung und Erweiterung der bisherigen Weltansicht und damit die Veränderung des eigenen Verhältnisses zur Welt. […] Bildung als Auseinandersetzung mit fremden Sprachen meint daher nicht nur den Fremdsprachenunterricht, sondern im Grunde jeden Dialog mit anderen Menschen, in dem sich ein Subjekt auf die fremde ‚Weltansicht‘ seines Gegenübers einlässt und auf diese Weise seine eigene ‚Weltansicht‘ erweitert oder sogar überschreitet. (Koller 2004: 86) Hispanophilie 1.2.4 Einheit 1 19 F re mDspr achenD I Da k tIk als e mp IrIsche F orschungsD IszIplIn 1.3 empirische Forschungskompetenz Fremdsprachendidaktik als empirische Forschungsdisziplin Empirisch im Fremdsprachenunterricht und seinem Umfeld gewonnenes Wissen über das Lehren und Lernen von Sprachen ist von zentraler Bedeutung für die Fremdsprachendidaktik. Ihrem Selbstverständnis nach ist die wissenschaftliche Erforschung ihres Gegenstandsbereichs eine Errungenschaft der Gegenwart. Tatsächlich ist der Fremdsprachenunterricht von Anfang an Gegenstand von Untersuchung, (Selbst-)Reflektion und intersubjektiver Verständigung über seine Bedeutung, seine Konzeptionen, seine Aufgaben und seine Praxis gewesen. Das Lehren und Lernen, das Erstellen von Curricula, Lehrwerken und Medien, die Entwicklung neuer Konzepte wie etwa der Fremdsprachenunterricht ab Klasse 1 usw. sind notwendigerweise geleitet von Überzeugungen darüber, was Sprache ist und tut, wie Lernende Sprache erwerben usw. Solche Überzeugungen sind oft sehr beharrlich. Eine Lehrergeneration übernimmt sie von der vorherigen, verstärkt dadurch, dass jede Lehrkraft selbst lange Jahre Schüler/ in war. „Teachers teach the way they were taught, not the way they were taught to teach“, lautet eine der didaktischen Alltagsweisheiten. Empirische Forschung setzt u. a. hier an und prüft: Ist diese Praxis, diese Überzeugung, diese Tradition fundiert? Sind Veränderungen eingetreten, die in dieser Praxis nicht berücksichtigt werden? Ein Beispiel: Lange bestand Einigkeit darüber, dass Fehler auf Versagen der Lernenden zurückzuführen seien, sie wurden entsprechend geahndet. In Pit Corders (1967) und Larry Selinkers (1972, s. 2.3.3) Forschungen erwiesen sich Fehler jedoch als unvermeidlich, d. h. als „notwendiges Zwischenstadium beim Erwerb einer Fremdsprache und damit (auch) ein positiv einzuordnendes Phänomen bei zweit- oder fremdsprachlichen Lernprozessen“ (Zydatiß 2013: 22). Dieses Verständnis stellte praktizierte Formen der Fehlerkorrektur und -bewertung radikal in Frage (s. Einheit 2). Zunehmend haben inzwischen moderne empirische qualitative und quantitative Forschungsmethoden aus Linguistik, aber auch Psychologie, Erziehungs- und Sozialwissenschaft an Bedeutung in der fremdsprachendidaktischen Forschung gewonnen und deren Möglichkeiten erweitert. Kaum eine fremdsprachendidaktische Stellenausschreibung verzichtet heute auf die Anforderung‚ ‚empirische Forschungskompetenz und -erfahrung‘. Wichtige Forschungsgebiete der Disziplin sind die administrativen und institutionellen Rahmenbedingungen des Fremdsprachenunterrichts und vor allem der Unterricht selbst mit seinen Zielen und Praktiken, seinen Themen und Inhalten, seinen Lehr-, Lern- und Bildungsprozessen und -ergebnissen und seinen Akteur/ innen. Das Spektrum der Untersuchungen reicht von breit angelegten Großstudien über Schülerleistungen (z. B. DESI = „Deutsch Englisch Schülerleistungen International“, DESI-Konsortium 2008) über Interaktionsprozesse im Unterricht (z. B. Bracker 2015) bis zu vertieften, an individuellen Ausprägungen interessierten Studien (z. B. Trautmann 2011, 20 F re mdspr achendida k tik - wa s ist da s ? Z ur V erortung der d is Z iplin forschender Habitus als Lehrqualifikation Bauer 2015). Je nach Erkenntnisinteresse, Fragestellung und Gegenstand kommen qualitativ-rekonstruktive Verfahren und/ oder quantitative, Hypothesen prüfende Verfahren zum Einsatz. Wie auch immer Daten gewonnen werden- - durch Interviews, Experimente, Tests, videographiertes Nachträgliches Lautes Denken, Unterrichtsmitschnitte usw. -, selbsterklärend sind sie nie, d. h. ohne ihre Analyse und Interpretation kommt keine Untersuchung aus. Selten lassen sich aus ihnen unmittelbar Schlussfolgerungen für den praktischen Fremdsprachenunterricht ziehen. Aber sie können seine Komplexität sichtbar machen, atheoretische Gewissheiten ins Wanken bringen und Schul- und Unterrichtsentwicklung in Gang halten. Eine systematische Qualifizierung für eigene Untersuchungen ist in der Regel im fremdsprachendidaktischen Studium nicht vorgesehen. Die Auseinandersetzung mit Forschungsarbeiten und -ergebnissen und der Erwerb eines sog. forschenden Habitus sollten jedoch von Anfang an Teil der Professionalisierung für das Lehramt sein. Hierzu zählt die Einübung in das Befragen bzw. Reflektieren eigener und fremder Überzeugungen, bspw. selbstverständlich gewordener Gewissheiten über das Lehrer/ insein, das Was, Warum und Wie des Fremdsprachenlehrens und -lernens oder aber über Vorannahmen zu Lernenden. Konkret ließe sich in diesem Rahmen z. B. fragen: Warum werde ich vor einer Hospitation regelmäßig über den Anteil der Lernenden „mit Migrationshintergrund“ informiert? Wie deute ich diese Information und die Tatsache, dass sie mir mitgeteilt wird? Wie beeinflusst sie meine Wahrnehmung bei der Unterrichtsbeobachtung? Letztlich unterliegt allen Überlegungen und Forschungen zum Fremdsprachenunterricht das gemeinsame Erkenntnisinteresse an seiner Qualität und seinen Gelingensbedingungen. Die fremdsprachendidaktische Forschung ist grundsätzlich normativ gerahmt: Es geht ihr um ‚guten‘ Fremdsprachenunterricht, daraus bezieht sie ihre Legitimität. Was diese Güte ausmacht, ist veränderlich, gilt nicht überall und wird nicht von allen geteilt. Wer als guten Fremdsprachenunterricht denjenigen ansieht, welcher near-nativeness der Lernenden erreicht, verfolgt andere Ziele und stellt andere Fragen als diejenigen, denen Lernende als intercultural speakers/ negotiators vorschweben. Es ist deshalb ein Gütekriterium von Forschung, dass sie deutlich macht, von welcher Position aus sie unternommen wird und welche Aufmerksamkeit und welches Interesse sie leiten. Forschung ist immer standortgebunden. Diese Standortgebundenheit muss man nicht einfach hinnehmen, man kann sie auch in Ansätzen überwinden, indem man systematisch und kontrolliert andere Sichtweisen und Lesarten der Befunde einholt, probeweise andere Standpunkte einbezieht und auf diese Weise der intersubjektiven Gültigkeit des Erforschten nahe kommt. Einheit 1 21 F re mDspr achenD I Da k tIk als e mp IrIsche F orschungsD IszIplIn Zusammanfassung Diese Einheit widmete sich der Verortung der Fremdsprachendidaktik im Feld der Unterrichtswissenschaften, der Didaktiken. Sie stellte sie in den großen Zusammenhang der Allgemeinen Didaktik und skizzierte zunächst deren Gegenstandsbereich, Aufgaben und Selbstverständnis als deskriptiv-analytische, Normen prüfende und generierende sowie handlungsbefähigende Enkulturationswissenschaft. In einem zweiten Schritt rückte sie die der Didaktik untergeordnete Fachdidaktik in den Blick, die als Transformationswissenschaft beschrieben wurde, da sie weder die Systematik eines Fachs noch die der Allgemeinen Didaktik und anderer Bezugswissenschaften einfach übernimmt, sondern fachliche und pädagogische Bezugswissenschaften unter der Perspektive fachlicher Enkulturations- und Bildungsprozesse transformiert und zusammenführt. Der dritte Schritt führte in die Fremdsprachendidaktik, deren Ziele, Forschungsanliegen und Bezugswissenschaften entfaltet wurden. Ihm folgte eine Darstellung der drei zurzeit an Schulen in Deutschland am meisten gelernten Fremdsprachen. Ein Blick auf die Fremdsprachendidaktik als forschende Disziplin rundete die Einheit ab. Aufgaben 1 Unterstreichen Sie Schlüsselbegriffe der obigen Einheit. Vergleichen Sie dann Ihre Auswahl mit der von Kommilitonen und Kommilitoninnen. Erläutern Sie einander die Begriffe in eigenen Worten. 2 Welches enkulturationsrelevante Schulfach fehlte auf Ihrem Stundenplan, als Sie zur Schule gingen? Warum hätte es darauf gehört? 3 Suchen Sie sich drei der in Tabelle 1.2 in der rechten Spalte aufgelisteten Bezugswissenschaften aus und halten Sie in Stichwörtern fest, welchen Beitrag Sie sich von ihnen für Ihre Professionalisierung zur/ zum Fremdsprachenlehrer/ in versprechen. 4 Wie könnte der Englischunterricht die Tatsache berücksichtigen, dass Englisch in der Mehrzahl in Kommunikationen genutzt wird, an denen kein/ e sog. native speaker des Englischen teilnimmt? 5 In einem Großstadtviertel mit heterogener Bevölkerung soll eine neue Schule gegründet werden. Sie sind aufgefordert, einen Plan für das Sprachangebot dieser Schule von der ersten Klasse bis einschließlich Sekundarstufe II zu erstellen. Erstellen sie einen Entwurf und begründen Sie Ihr Konzept. 6 Eine gute Fee gewährt Ihnen Mittel für ein fremdsprachendidaktisches Forschungsprojekt. Welche Fragestellung würden Sie gern untersuchen? Welche Wege der Beantwortung könnten Sie sich vorstellen? Welche Schwierigkeiten müssen sie antizipieren? 22 F re mdspr achendida k tik - wa s ist da s ? Z ur V erortung der d is Z iplin Zum Weiterlesen Delanoy, Werner/ Volkmann, Laurenz (Hrsg.) (2008): Future Perspectives for English Language Teaching. Heidelberg: Winter. Doff, Sabine (Hrsg.) (2012): Fremdsprachenunterricht empirisch erforschen. Grundlagen - Methoden - Anwendung. Tübingen: Narr. Michel, Andreas (2006): Die Didaktik des Französischen, Spanischen und Italienischen in Deutschland einst und heute. Hamburg: Kovač. 23 Überblick Einheit 2 Spracherwerbstheorien Die Menschheit hat in ihrer Entwicklung etwas Einzigartiges hervorgebracht: die Sprache. Alle Menschen lernen Erstsprachen, alle können weitere Sprachen lernen. Das gilt selbst dann, wenn Gehör oder Artikulationsfähigkeit beeinträchtigt sind oder gar ausfallen. Und das, obwohl Sprache ein hoch kompliziertes Phänomen ist. „Sprache“, schreibt Werner Bleyhl, (1) ist weder unabhängig von Raum noch von Zeit, (2) besteht nicht aus festen Teilen, (3) vereint, wenn lebend, ‚Materielles‘ und ‚Geistiges‘, (4) ist nicht strikt kausal, noch wirkt sie strikt kausal, (5) kann objektiv nicht ‚richtig‘ beschrieben werden. (2001: 199) Wie kann man sich ein so wenig fassbares und kontrollierbares Phänomen zu eigen machen? Was geschieht dabei? Die wissenschaftliche Untersuchung des Fremdsprachenlernens ist noch relativ jung; sie setzte nachhaltig erst ein, als das 20. Jahrhundert sich bereits seiner Mitte näherte. Im Folgenden werden drei Sprachlerntheorien vorgestellt, die als Erklärungsmodelle für das Lernen allgemein sowie speziell für das Erstsprachenlernen und das Lernen weiterer Sprachen einflussreich bis hinein ins Klassenzimmer waren und sind. Es sind dies die behavioristische, die nativistische und die kognitiv-konstruktivistische Spracherwerbstheorie, die auch den sog. Tertiärspracherwerb fundiert. Während die behavioristische Spracherwerbstheorie auch als „empiristische“ (engl. auch „environmentalist“) Theorie bezeichnet wird, weil sie davon ausgeht, dass Sprachenlernen ausschließlich durch Erfahrungen mit der Umwelt geschieht, gehen nativistische Positionen davon aus, dass den Menschen innewohnende, speziell sprachbezogene genetische Voraussetzungen ihnen den Erwerb von Sprache ermöglichen. In kognitiv-konstruktivistischen Theorieansätzen schließlich wird der Erwerb von Sprache weder auf eine angeborene Spracherwerbsbefähigung des Menschen zurückgeführt noch als Nachahmung der Umwelt gedeutet, sondern als Aspekt der kreativen Auseinandersetzung mit der Welt verstanden. 24 S pr acherw erbStheorien 2.1 nachahmende Aneignung von Verhalten Reiz/ stimulus Lernen im behavioristischen Verständnis sprachliches Verhalten Die Spracherwerbstheorie des Behaviorismus Der Behaviorismus ist eine Lerntheorie, die in den USA in den 1940er und 1950er Jahren bestimmend war. Wurde zuvor Lernen im Wesentlichen als Behaltensleistung verstanden, erscheint es nun als nachahmende Aneignung von Verhalten (behavior/ behaviour). Die Behavioristen bezogen sich auf Untersuchungen, die der russische Psychologe Iwan Pawlow an der Wende zum 20. Jahrhundert durchführte. Er hatte in Laborversuchen das Verhalten von Tieren erforscht und dabei einerseits reflex responses beobachtet, d. h. Reflexe ausgemacht, die angeboren, artspezifisch und kaum beeinflussbar waren, und andererseits emitted responses erforscht, d. h. Reaktionen, die durch einen besonderen Reiz (stimulus) bedingt und beeinflussbar waren. An Pawlows Hundeexperiment wird der Unterschied deutlich. Der Anblick von Futter löst Speichelfluss bei dem Hund aus (reflex response). Wenn das reflexauslösende Signal ‚Futter‘ wiederholt mit einem anderen, neutralen Signal (stimulus), z. B. dem Klang einer Stimmgabel, gekoppelt wird, reicht dieses Signal bald aus, um den Speichelfluss hervorzurufen - ein bedingter Reflex (emitted response) konnte erzeugt werden. Für den Begriff Behaviorismus ist der US-Amerikaner John B. Watson verantwortlich, der stark von Pawlows Forschung beeinflusst war: Drawing on Pavlov’s findings, John B. Watson (1913) coined the term behaviorism. In the empirical tradition of John Locke, Watson contended that human behaviour should be studied objectively, rejecting mentalistic notions of innateness and instinct. Taking an ‚environmentalist‘ position, following Pavlov, he adopted classical conditioning theory as the explanation for all learning: by the process of conditioning, we build an array of stimulus-response connections, and more complex behaviors are learned by building up series or chains of responses. (Brown 3 1994: 76) Die Behavioristen wandten ihre an Tierversuchen gewonnenen Annahmen auf komplexes menschliches Verhalten an. Sie gingen davon aus, dass Menschen über einen allgemeinen Lernmechanismus verfügen, der es ihnen erlaube, das Verhalten ihrer Umgebung nachahmend zu erwerben. Lernen besteht aus Nachahmungsversuchen nach dem trial-and-error-Prinzip; es ist letztlich ‚Lernen am Erfolg‘, und Erfolg dient als Lernverstärkung (reinforcement). Allmählich eignen sich Menschen diejenigen Verhaltensweisen ihrer Umgebung an, die sie als positiv und erfolgreich erfahren und machen sie sich zur Gewohnheit (Automatisierung/ habit formation). Unter den Behavioristen war es vor allem B. F. Skinner, den sprachliches Verhalten interessierte. Seiner 1957 publizierten Studie Verbal Behavior zufolge imitieren Kinder die Sprache ihrer Umwelt und werden für gelungene Nach- Einheit 2 25 D I e n atI V IstIsche a u F Fa ssung Von D er a nge borenen s pr acherw erbskomp e t enz Verhaltenskonditionierung Abb. 2.1 B. F. Skinner (1904-1990) Sprachimmanenz Definition 2.2 Abb. 2.2 Noam Chomsky (*1928) 2.2.1 ahmung bestärkt (z. B. durch Lob oder den spürbaren Erfolg ihrer Äußerung) und damit in gewünschtes sprachliches Verhalten hineinkonditioniert. Skinner bezog sein Sprachverständnis aus der US-amerikanischen Variante des Strukturalismus, der in den 1940er/ 1950er Jahren, zeitgleich mit dem Behaviorismus, seine Blütezeit hatte und z. B. von Leonard Bloomfield und Charles Fries vertreten wurde. Anders als der europäische Strukturalismus etwa des Begründers Ferdinand de Saussure (1916) beschränkten sich die amerikanischen Strukturalisten auf eine Beschreibung der beobachtbaren Oberflächenstruktur von Sprache. Beide Varianten des Strukturalismus sahen aber Sprache als strukturiertes Ganzes, als ausgewogenes System, das in den Bereichen Phonetik bzw. Phonologie, Morphologie und Semantik detailliert analysiert und im Hinblick auf seine Aufbau- und Zusammenhangsprinzipien beschrieben werden könne. Charakteristisch für den strukturalistischen Ansatz ist die synchrone und sprachimmanente Sprachbetrachtung. Diachrone (historische) Bezüge und Entwicklungen oder Bezüge zur nicht sprachlichen Welt, insbesondere zu gesellschaftlichen und individuellen Kontextbedingungen, blieben unberücksichtigt. Für den Erwerb einer Fremdsprache entwickelte das behavioristisch-strukturalistische Sprachlernverständnis die Kontrastivhypothese. Die Kontrastivhypothese besagt, dass beim Lernen einer weiteren Sprache Gemeinsamkeiten mit und Abweichungen von der Erstsprache eine wichtige Rolle spielen. Gemeinsames werde als positiver Transfer leicht übernommen, Abweichendes stelle eine Fehlerquelle dar und könne negativen Transfer auslösen (Interferenzen). Abweichendes müsse deshalb im Mittelpunkt des Lehrens stehen. Die nativistische Auffassung von der angeborenen Spracherwerbskompetenz Während der Behaviorismus als empirische Theorie davon ausgeht, dass Spracherwerb einzig und allein durch die Umwelt ausgelöst wird, gehen nativistische Theorien davon aus, dass Menschen eine Art genetisches Programm besitzen, das sie zum Spracherwerb befähigt und nicht nur beim Erwerb der Erst-, sondern auch weiterer Sprachen wirksam ist. 1959 verfasste Noam Chomsky „A Review of B. F. Skinner’s Verbal Behavior“, in der er sich kritisch mit der behavioristischen Spracherwerbsvorstellung auseinandersetzte und auf Unstimmigkeiten, definitorische Zirkelschlüsse und unzulässige Analogiebildungen dieses Theorieentwurfs hinwies. Die nativistische Kritik am Behaviorismus Chomsky (1959) kritisierte am Behaviorismus dessen „refusal to study the contribution of the child to language learning […]. If the study of language is 26 S pr acherw erbStheorien generative Linguistik Definition limited in these ways, it seems inevitable that major aspects of verbal behavior will remain a mystery.“ Der kindliche Spracherwerb gab Chomsky ein Rätsel auf. Er brannte darauf zu verstehen, wie es Kindern gelingt, einzig und allein auf der Grundlage des verwirrenden, vielschichtigen und widersprüchlichen Sprachangebots, dem sie ausgesetzt sind, in so verhältnismäßig kurzer Zeit Sicherheit in der Nutzung von Sprache zu gewinnen. Wie, so fragte er sich, ist es möglich, dass praktisch alle Kinder, auch wenn sie unter ganz unterschiedlichen Bedingungen aufwachsen und ohne dass sie belehrt werden, die Struktur einer Sprache beherrschen - in der Regel ohne Korrekturen, die sie im Übrigen ohnehin ignorieren würden (vgl. Pinker 1996: 324). Wie kommt es, dass sie Äußerungen produzieren (generieren), die sie noch nie zuvor gehört haben? Nach Chomsky, dessen Theorie auch als generative Linguistik bezeichnet wird, gibt es dafür nur eine Erklärung: Menschen müssen eine angeborene mentale Ausstattung zum Spracherwerb, einen Spracherwerbsmechanismus (Language Acquisition Device) besitzen, eine Universalgrammatik. Nativistische Spracherwerbsauffassung: Aus dem Reichtum und der Kreativität der wahrnehmbaren sprachlichen Performanz schloss Chomsky auf ein zugrunde liegendes System von generativer Sprachfähigkeit, das er Kompetenz nannte. Sprachliche Kompetenz wird bei Chomsky nicht erst durch Umgang mit Sprache erworben, sondern ist als Language Acquisition Device in seinen Grundzügen (Universalien) bereits angeboren. Dieser Spracherwerbsmechanismus beinhaltet die so genannten Prinzipien, die sprachübergreifend sind und als höchst abstrakte, unbewusst im mentalen System repräsentierte Kerngrammatik zu verstehen sind. […] Beim Spracherwerb muss das Kind durch das Generieren und Testen von Hypothesen lernen, wie in der jeweiligen Sprache die [sprachübergreifenden] Prinzipien repräsentiert und welche [sprachspezifischen] Parameter zu beachten sind. Das Testen von Hypothesen ist hierbei weitgehend als interner Prozess des Abgleichens der Sprachproduktion mit der Universalgrammatik aufzufassen, da Kinder nur selten explizit korrigiert werden und Eltern wohl kaum während der ersten Lebensjahre ihrer Kinder mit ihnen Grammatikübungen durchführen. (Riemer 2002: 55) Die Vermutung Chomskys, ein Teil der linken Großhirnrinde sei Sitz eines Sprachorgans oder es gebe ein sprachspezifisches Gen, ist umstritten. Unbestritten ist jedoch, dass Menschen überall auf der Welt Sprachen ausgebildet haben, dass diese Sprachen bei all ihrer Verschiedenheit auch über grundsätzliche Gemeinsamkeiten verfügen, dass der Mensch im Laufe der Menschheitsgeschichte die Voraussetzungen für den Erwerb natürlicher Sprachen in ihrer ganzen Komplexität herausgebildet hat und dass die Erwerbsprozesse Ähnlichkeiten aufweisen. Einheit 2 27 D I e n atI V IstIsche a u F Fa ssung Von D er a nge borenen s pr acherw erbskomp e t enz Definition 2.2.2 scharfe Kritik am belehrenden Fremdsprachenunterricht Erwerben vs. Lernen Chomsky hat seine Theorie der Universalgrammatik nicht explizit auf den Fremdsprachenerwerb bezogen, dazu sah er vermutlich keine Veranlassung. Denn: Der nativistischen Auffassung zufolge unterscheiden sich Erstspracherwerb und der Erwerb weiterer Sprachen nicht grundsätzlich, die psycholinguistischen Prozesse sind ähnlich - man spricht daher von der Identitätshypothese. Sie wurde allerdings für den Kontext des Zweit-, nicht des Fremdsprachenerwerbs formuliert. Stephen Krashen dagegen richtete seine Aufmerksamkeit auf die besondere Situation des institutionalisierten Fremdsprachenunterrichts und stellte fest, dass dieser die natürliche Sprachfähigkeit der Menschen nicht berücksichtige und deshalb Irrwege beschreite. Zusammen mit Tracy Terrell entwarf Krashen ein einflussreiches Hypothesenmodell, das wir im Folgenden vorstellen. Das Hypothesenmodell des Natural Approach Krashen und Terrell gingen nicht nur von einem Language Acquisition Device aus, sondern auch von der Annahme, dass es nicht nur dem Erwerb der Erstsprache diene. Es bleibe vielmehr bei allen Menschen lebenslang vorhanden und mache lebenslang Spracherwerb möglich. Schon der Titel ihres 1983 verfassten Buchs, The Natural Approach, weist darauf hin, dass sie den ‚natürlichen‘ Spracherwerbskräften zu ihrem Recht verhelfen wollen. Mit großem Nachdruck plädieren sie für implizites Fremdsprachenlernen, genauer: -erwerben, und üben scharfe Kritik am belehrenden Fremdsprachenunterricht. Dabei stellen sie, gestützt auf empirische Untersuchungen, fünf Hypothesen auf.Die Learning-Acquisition-Hypothese: Dieser Hypothese zufolge lassen sich zwei Wege zur Aneignung fremdsprachlicher Kompetenz unterscheiden-- das Erwerben und das Lernen. Beim Erwerben wird gesprochene Sprache analog zur Erstsprache durch Hören und Verstehen, Schrift durch Lesen und Verstehen angeeignet (zur Rolle des Lesens s. Krashen 1993). Linguistische Fähigkeiten entwickeln sich dabei ohne den Einfluss formalen, expliziten Regelwissens. Das Interesse an sprachlicher Richtigkeit tritt gegenüber dem an Verständigung in den Hintergrund. Durch Eintauchen (Immersion) in die fremde Sprache wird sie am besten erworben. Lernen dagegen aktiviere das Language Acquisition Device nicht. Es sorge nur für Sprachwissen, aber Sprachwissen führe nicht zu Sprachkönnen (Non-Interface-Hypothese). 28 S pr acherw erbStheorien Erwerben Lernen verläuft wie beim Erstspracherwerb führt zu Sprachkönnen geschieht intuitiv erzeugt implizites Wissen Belehren hilft nicht verläuft über formales Sprachwissen führt zu Wissen über Sprache geschieht bewusst erzeugt explizites Wissen Belehren hilft Die Monitor-Hypothese: Die Monitorhypothese greift die Polarisierung der Learning-Acquisition-Hypothese auf. Mit Hilfe der Metapher eines Überwachungsgeräts veranschaulichen Krashen und Terrell die Funktion von erlerntem Sprachwissen für eine sprachliche Äußerung: Im Zuge des Erlernens von Regelwissen entwickele sich eine Art Monitor im menschlichen Bewusstsein, der Äußerungen auf ihre formale Richtigkeit hin kontrolliere. Diese Orientierung auf Fehlerlosigkeit spiele eine hinderliche Rolle für den Spracherwerb. Sie spalte die Aktivität der Sprechenden (bzw. Schreibenden) gewissermaßen in zwei Aufmerksamkeiten, die inhaltsbezogene und die sprachkorrektheitsbezogene, und beeinträchtige den Spracherwerb. Die Geläufigkeit (fluency), mit der wir sprechen, stammt nach Krashen und Terrell ausschließlich aus Spracherwerbssituationen, während das Regelwissen, das uns erlaubt, unsere sprachlichen Äußerungen auf Korrektheit (accuracy) hin zu prüfen, aus Lernsituationen stammt. Beide Ebenen seien nicht durchlässig (s. oben: Non-Interface-Hypothese). Die Natural-Order-Hypothese: Krashen und Terrell beziehen Forschungsergebnisse in ihre Theorie ein, die zeigen, dass zahlreiche grammatische Strukturen beim natürlichen Spracherwerb in einer bestimmten, kaum beeinflussbaren Reihenfolge erworben werden. Intensive Untersuchungen auf diesem Gebiet galten vor allem der Morphologie. Bei Kindern und Erwachsenen wurde unabhängig von ihrer Herkunftssprache in Querschnittuntersuchungen die gleiche Reihenfolge beim Morphemerwerb festgestellt, z. B. wird beim Erwerb des Englischen das Pluralmorphem -s vor dem Artikel erworben, die unregelmäßige Vergangenheitsform vor der regelmäßigen usw. Solche Befunde sind ein starkes Argument für einen nativistischen, nicht von der Umwelt beeinflussten Spracherwerbsprozess. Die von Sprachlehrwerken vorgesehene Erwerbssequenz stimmt in der Regel nicht mit dieser ‚natürlichen‘, wenig beeinflussbaren Erwerbssequenz überein, so dass sich die Frage stellt, ob man den Unterricht nicht an sie anlehnen sollte. Das würde jedoch dem Grundgedanken des Natural Approach mit seiner Kritik an der sprachformbezogenen Steuerung von Lernprozessen widersprechen. Krashen hält den herkömmlichen lenkenden Sprachunterricht gerade deshalb für unangemessen, weil er sich von sprachlichen Strukturen und Formen bestimmen lässt, und das wäre bei einer Unterrichtsprogression entlang der natürlichen Erwerbssequenz weiterhin der Fall. Die Natural- Tab. 2.1 Die Unterscheidung zwischen Erwerben und Lernen Orientierung auf Fehlerlosigkeit kaum beeinflussbare Erwerbsreihenfolge Einheit 2 29 D I e n atI V IstIsche a u F Fa ssung Von D er a nge borenen s pr acherw erbskomp e t enz Order-Hypothese spielt insofern eine Sonderrolle unter den Hypothesen Krashens, als sich aus ihr also keine Folgerungen für die Gestaltung des Unterrichts ableiten lassen, eine solche Ableitung sogar kontraproduktiv wäre. Die Input-Hypothese: Krashens und Terrells Erwerbstheorie zeigt zahlreiche Parallelen zum Erstspracherwerb. Menschen eignen sich ihre Erstsprachen nicht durch Sprachunterricht und die Einführung in grammatische und lexikalische Gesetzmäßigkeiten an, sondern auf der Grundlage von Input. Den müssen sie nicht - wie im schulischen Sprachunterricht häufig erwartet-- reproduzieren, sondern verstehen. Enthält der Input allzu viel Unbekanntes und gibt der Kontext keine Hilfestellung, kann das misslingen. Enthält er nur Bekanntes, treibt er die Sprachentwicklung nicht an. Sprachliche Kompetenz gewinnen wir am besten, wenn der sprachliche Input unsere je gegenwärtige Sprachkompetenz in dem Maße übersteigt (i+1), das uns erlaubt, das Unbekannte aus dem Kontext zu erschließen. Unser Gegenüber muss sprachlich eine einfühlsam-unterstützende Caretaker-Haltung einnehmen, damit seine Äußerungen für uns comprehensible input sind, darf uns aber auch nicht unterfordern, denn dann lernen wir nichts. Die beiden folgenden Abbildungen zeigen, wie man es besser nicht machen sollte. Caretaker-Haltung comprehensible input Abb. 2.3 Input ist nötig für den Spracherwerb - aber so nicht! 30 S pr acherw erbStheorien konsequente Inhaltsorientierung angstfreie Spracherwerbsumgebung 2.2.3 große Akzeptanz vs. massive Kritik Während uns allzu einfache Äußerungen Lernimpulse vorenthalten, bedeuten Äußerungen mit allzu viel Unbekanntem, dass uns zu wenig bekannter Kontext für die Entschlüsselung von Neuem bereit steht. Für Krashen ist die inhaltliche Bedeutsamkeit Dreh- und Angelpunkt des Spracherwerbs, den er als periphere, inzidentelle Begleiterscheinung von inhalts-, interessen- und adressatenbezogenem Input betrachtet, sozusagen als Abfallprodukt des inhaltsbezogenen Verstehensprozesses. Es ist nur folgerichtig, dass er sich mit Nachdruck für den Ausbau des Fachunterrichts im Medium der Fremdsprache einsetzt, der eben diese Inhaltsfokussierung verspricht. Die Affective-Filter-Hypothese: Als fundamentale Bedingung für Spracherwerb betrachten Krashen und Terrell das Befinden der Lernenden, ihre Affekte. Das Konzept des Affective Filter fanden sie bereits bei Dulay und Burt (1977) vor. Diese beiden Forscherinnen hatten die Filtermetapher vorgeschlagen, um zu veranschaulichen, dass Menschen sprachlichen Input am besten aufnehmen, wenn sie sich in einer angstfreien Spracherwerbsumgebung sicher fühlen. Angst versetzt sie in die Defensive und blockiert sie. Anregungsreichtum und Angstfreiheit zählen deshalb zu den entscheidenden Voraussetzungen von Spracherwerb. Der Natural Approach in der Kritik Krashens und Terrells Hypothesenmodell stieß sowohl auf große Akzeptanz als auch auf massive Kritik. Ihm wurde vorgeworfen, dass es gegen wissenschaftliche Standards verstieße (Lightbown/ Spada 3 2006: 38). Die Polarisierung von Lernen und Erwerben löste ernsthafte Zweifel aus, denn die kategorische Non-Interface-Trennung ließ sich in Experimenten nicht rekonstruieren: So ließ sich nicht trennscharf klären, wann sprachliches Handeln auf Sprachgefühl, wann auf sprachlichem Wissen beruhte. Brown ( 3 1994: 281) hält die Dichotomie überhaupt für wenig hilfreich und zitiert Barry McLaughlins Position „that the literature in experimental psychology indicates that there is no long term learning (of new material) without awareness“. Brown warnt entsprechend: „We do well, therefore, to operate on the assumption that (a) no input becomes intake […] without what we loosely understand as conscious awareness, and that (b) language acquisition theories that appeal to conscious/ subconscious distinctions are highly suspect.“ (Ebd.) Auch die Monitor-Hypothese ist umstritten. So wies Kevin R. Gregg (1984) an einem Beispiel aus dem Japanischen nach, dass Regelwissen durchaus helfen kann, eine mündliche Äußerung zu verstehen, und widerlegte damit die Behauptung, es diene allein der Überprüfung und Korrektur sprachlicher Äußerungen. Dass eine feststehende Reihenfolge den Spracherwerb leitet, wird dagegen nicht grundsätzlich in Zweifel gezogen. Aber die Studien, auf die Krashen und Einheit 2 31 D I e n atI V IstIsche a u F Fa ssung Von D er a nge borenen s pr acherw erbskomp e t enz Interaktionshypothese und Output-Hypothese Definition Definition Terrell sich berufen, sind Querschnittstudien und verdecken die individuellen Variationen der Versuchspersonen. [A] thorough review of all the ‚morpheme acquisition‘ studies suggests that the learners’ first language has a more important influence on acquisition sequences than some researchers would claim. For example, learners whose first language has a possessive -s form which resembles the English ’s (such as German) seem to acquire this form earlier than those whose first language has a very different way of forming the possessive (such as French or Spanish). (Lightbown/ Spada 1999: 77) Ebenso kritisch-differenzierend wird die Input-Hypothese rezipiert. Krashens ideale Erwerbssituation zeigt Lernende, die rezeptiv sind, verständlichen Input empfangen und sich in einer silent period auf das Verstehen konzentrieren können. Dies relativieren zwei andere Hypothesen: die Interaction- und die Comprehensible-Output-Hypothese. „The interaction hypothesis proposes that learners need to participate overtly in interaction of a certain quality and the output hypothesis proposes that learners can benefit in particular ways from their own language output.“ (Breen 2001: 114) Michael H. Long (1985), der die Interaktionshypothese ausformuliert hat, untersuchte z. B. die Konversationsmodifikationen von native speakers im Gespräch mit non-native speakers, und stellte einerseits fest, dass kompetente Sprecher/ innen ihren Input häufig den vermuteten Verstehensschwierigkeiten des weniger kompetenten Gegenübers anpassen, dass das Gegenüber sich aber auch aktiv Input verschafft. Persönlichkeit und Kontext (interactive confidence) spielen dabei eine wichtige Rolle. Interaktionshypothese: In entspannten, angstfreien Situationen gestalten Input-Empfänger/ innen den Input selbst mit - sie fragen nach, zeigen ihr Unverständnis, vergewissern sich, bitten um Wiederholung, Umformulierung usw. - und wirken damit zusammen mit ihren Interaktionspartner/ innen auf modifizierten Input hin und müssen sich dabei auch ihrerseits verständlich machen. Diese interdependenten Prozesse treiben den Spracherwerb voran. Output-Hypothese: Anders als die Interaktionshypothese, für die der Primat des Inputs für den Spracherwerb unstrittig ist, betont die (Comprehensible-)Output-Hypothese, die Merrill Swain 1985 zuerst formulierte (vgl. Krashen 2003: 60), die große Bedeutung der Sprachproduktion für den Spracherwerb, denn er werde durch die besonderen Klärungs- und Formulierungsanstrengungen beim Output vorangetrieben. Eine Studie von Teresa Pica, Richard Young und Catherine Doughty (1987) nahm die Aktivität der Lernenden im Spracherwerbsprozess in einem interessanten Forschungsarrangement in Augenschein. Die Wissenschaftler/ innen 32 S pr acherw erbStheorien Zwischenbilanz 2.3 stellten zwei Versuchsgruppen fremdsprachliche Aufgaben. Eines der beiden Aufgabenskripte war durch Wiederholungen, Paraphrasen, einfache Satzkonstruktionen und vertrauten Wortschatz so vereinfacht worden, dass von comprehensible input ausgegangen werden konnte. Das andere Aufgabenskript enthielt dieselben Aufgaben und Informationen, war aber überhaupt nicht vereinfacht worden; stattdessen gab es hier die Gelegenheit nachzufragen. Der Vergleich beider Gruppen zeigte, dass Lernende, die Gelegenheit hatten, klärende Fragen zu stellen und ihr Verständnis durch Rückfragen abzusichern, mehr verstanden als Lernende, die vereinfachten Input erhielten, aber keine Gelegenheit zur Interaktion bekamen. Die bedeutende Rolle der Interaktion und der aktiven Beteiligung der Lernenden beim Spracherwerb wurde durch solche und ähnliche Studien belegt, die ihrerseits an Vorstellungen von Lew Wygotski anschließen (s. 2.3.1). Von Krashens und Terrells fünf Hypothesen hat die Affective-Filter-Hypothese mit ihrer klaren Aussage, Spracherwerbsprozesse seien „permeated with emotion or affect“ (Breen 2001: 118), wohl am wenigsten Kritik erfahren. Diese emotionale Dimension werde - so die Kritik Breens (ebd.) - umgekehrt in der Interaction- und der Comprehensible-Output-Hypothese zu wenig beachtet (zum Thema Emotionen s. ausführlich Einheit 3.2). Behavioristische und nativistische Spracherwerbstheorien vertreten in vieler Hinsicht gegensätzliche Positionen, die sich vereinfacht mit der Formel nurture versus nature fassen lassen: Während der Behaviorismus vom Spracherwerb als umweltinspiriertem Verhaltenserwerb ausgeht und sich der Spekulationen über mentale Vorgänge weitgehend enthält, setzt die nativistische Auffassung auf genetisch angelegte menschliche Begabung zu generativer sprachlicher Kreativität. In den Implikationen für den Sprachunterricht unterscheiden sie sich ebenfalls deutlich: Jener setzt auf imitationsfähige sprachliche Vorbilder für Sprachlernende, diese auf comprehensible input ohne output- Zwang in angstfreier Umgebung. Gemeinsam ist beiden, dass sie sich keinen positiven Einfluss von Regelwissen, vom Nachdenken über Sprache, überhaupt von Metasprachlichem auf den Spracherwerb versprechen. Diese Ablehnung teilen die im nun folgenden Abschnitt dargestellten Theorieansätze, die seit den 1990er Jahren immer prominenter werden, nicht. Sie zeigen praktisch keine Gemeinsamkeit mit dem Behaviorismus, lassen sich jedoch in einigen Aspekten mit dem Natural Approach vereinbaren. Kognitivistisch-konstruktivistische Lernannahmen und ihre Implikationen für den Spracherwerb Unter dieser Überschrift verbergen sich zwei lerntheoretische Modelle, die aneinander anschließen, aber auch je eigene Charakteristika aufzeigen. Dass sie hier gemeinsam erläutert werden, ist der Tatsache geschuldet, dass Einheit 2 33 k ognItI V IstIsch konstruk tI V IstIsche l ern a nn a hmen 2.3.1 Jean Piaget Assimilation vs. Akkommodation soziale Interaktionen sie sich in ihren Schlussfolgerungen für den Fremdsprachenunterricht eher ergänzen als widersprechen. Anders als die beiden oben vorgestellten Theorien gehen kognitivistische und konstruktivistische Spracherwerbstheorien nicht von einem besonderen Spracherwerbsmechanismus oder Sprachorgan aus, wohl aber von einer menschlichen Fähigkeit zu aktiver, kreativer Auseinandersetzung mit der Welt und betrachten den Spracherwerb als einen Teil davon. Kognitivistisches Lernverständnis Die Begriffe Kognitivismus und Konstruktivismus sind mit dem Werk des Schweizer Entwicklungspsychologen und Erkenntnistheoretikers Jean Piaget (1983, zuerst 1970) verbunden. Er untersuchte die geistig-intellektuelle Entwicklung von Kindern im Alter von bis zu etwa 11- Jahren und unterschied darin vier Stadien: das sensomotorische, das präoperativ-anschauliche, das konkret-operationale und das formal-operationale. Motor der kognitiven kindlichen Entwicklung war für Piaget die tätige Auseinandersetzung des Kindes mit seiner dinglichen Umwelt, die zu Verhaltensänderungen führe und die mentale kindliche Entwicklung vorantreibe. Piaget beobachtete Kinder bei dem Versuch, unbekannte Phänomene mit ihren bereits vorhandenen Denk- und Vorstellungsstrukturen (Schemata) zu erfassen, also Neues an Bekanntes anzugleichen, es zu assimilieren. Wenn eine solche Assimilation nicht gelang, also die den Kindern zur Verfügung stehenden Denk- und Vorstellungsmuster nicht geeignet waren, das Neue zu erfassen, dann gaben sie entweder auf oder sie entwickelten ihre Denkmuster weiter und korrigierten oder differenzierten sie in einem Vorgang, den Piaget Akkommodation nannte. Anders als bei der Assimilation, in der schon vorhandene Denkstrukturen auf Umweltzusammenhänge angewendet werden, wird bei der Akkommodation die Herausbildung neuer Denkstrukturen notwendig. Antriebskraft für die mentale Entwicklung ist offensichtlich das Streben nach ausgeglichenen mentalen Strukturen (Äquilibration). Ein Zustand der Unausgewogenheit der Schemata wird als krisenhaft empfunden (vgl. dazu Oerter/ Montada 5 2002: 436 ff.) und verlangt nach Auflösung. Die Vorgänge der Assimilation und der Akkommodation sind bis heute akzeptierte Konzepte der Kognitionstheorien. Dagegen wird Piagets Stufenmodell in seiner rigiden Form kaum noch vertreten, denn es kann nicht hinreichend die manchmal eklatanten Unterschiede in individuellen kindlichen Entwicklungsverläufen erklären und vernachlässigt die enorme Bedeutung der sozialen Umgebung für die kindliche Entwicklung. Diese ist für die sog. Interaktionisten wie Bruner, Snow, Mead, Wygotski u. a. aber ein entscheidender Faktor der geistigen Entwicklung. Für Lew Wygotski (1969), der in den 1920er/ 1930er Jahren in der Sowjetunion arbeitete, stand fest, dass soziale Interaktionen und ein anregendes, herausfordern- 34 S pr acherw erbStheorien gestaltpsychologische Lerntheorie cognitive maps 2.3.2 des Milieu Entwicklungsprozesse vorantreiben, ein anregungsarmes Milieu solche Prozesse dagegen blockiert. Vygotsky referred to what the child could do in interaction with another, but not alone, as the child’s zone of proximal development. […] Vygotsky’s view differs from Piaget’s. Piaget hypothesized that language developed as a symbol system to express knowledge acquired through interaction with the physical world. For Vygotsky, thought was essentially internalized speech, and speech emerged in social interaction. (Lightbown/ Spada 1999: 23) Eine Spielart des Kognitivismus ist die gestaltpsychologische Lerntheorie. Sie fußt - wie der Behaviorismus - auf Beobachtung und Interpretation von Tierverhalten, und zwar sowohl im Labor als auch im Feld. 1932 kam Tolman, der zunächst behavioristischen Ansätzen verbunden war, bei der Deutung des Verhaltens von Ratten zu dem Schluss, dass sie offenbar benachbarte Zeichen mental zu Gestalten verbanden - etwa wie Seefahrer oder Wanderer dies bei Sternbildern tun - und sich auf diese Weise cognitive maps erstellten, die ihnen Orientierung erlaubten. Im Widerspruch zur einfachen Reiz-Reaktions-Vorstellung des Behaviorismus stellten die Tiere offensichtlich Bezüge zwischen Einzelreizen her und entwickelten dabei kognitiv Konzepte, z. B. über räumliche Verhältnisse. Bekannt geworden sind auch Experimente mit Schimpansen, die zur Erlangung eines Ziels Werkzeuge einsetzten und diese Kenntnisse unter vergleichbaren Rahmenbedingungen wiederholten. Aus solchen Versuchen leiteten Gestaltpsychologen das Prinzip einsichtigen Lernens ab. Kognition ermöglicht Lebewesen zu entscheiden, ob ein Gegenstand sich für eine Problemlösung eignet oder nicht. Sie erkennen ein Zueinanderpassen bestimmter Struktureigenschaften von Objekten und konstruieren sich gedanklich ein psychisches Feld (Gestalt), das die Lösung der Aufgabe verspricht und planvolles Handeln ermöglicht. Allen kognitivistischen Ansätzen ist gemein, dass sie von der aktiven, mental gestaltenden Auseinandersetzung der Menschen mit der Umwelt ausgehen. Lernende selektieren, ordnen, vernetzen und verarbeiten Informationen auf der Grundlage ihrer kognitiven Struktur, die sie bei nicht assimilierbaren neuen Phänomenen weiterentwickeln, ausdifferenzieren oder umstrukturieren (akkommodieren). Sie eignen sich also nach kognitivistischer Auffassung die Welt nicht mimetisch, d. h. durch Nachahmung, an, sondern erschließen sie sich auf dem Wege der vorstellungsgeleiteten, also durchaus kreativen, Informationsverarbeitung. Konstruktivistische Vorstellungen von Sprachkompetenz Die Vorstellung vom Lernen als Informationsverarbeitung wird von konstruktivistischen Ansätzen nicht geteilt. Aus ihrer Sicht ist Weltwahrnehmung immer aufs Engste mit den Wahrnehmenden verbunden, sie ist deren Einheit 2 35 k ognItI V IstIsch konstruk tI V IstIsche l ern a nn a hmen Konstruktion von Bedeutung in unseren Köpfen Perturbation Konstruktion. Heinz von Foerster (1995: 40) bringt das auf die Formel: „Die Umwelt, so wie wir sie wahrnehmen, ist unsere Erfindung.“ Zwar wird die Existenz einer objektiven Außenwelt nicht bestritten, wohl aber die Möglichkeit ihrer unmittelbaren Wahrnehmung durch unsere Sinne. Lernprozesse können deshalb nicht von außen, etwa durch Konfrontation mit ‚Informationen‘, gesteuert werden, sondern sind individuelle Vorgänge aktiver Wissenskonstruktion- - einschlägige Begriffe des Konstruktivismus sind deshalb ‚informationale Geschlossenheit des Gehirns‘ und ‚Selbstorganisation‘. Mit diesen Begriffen wird deutlich gemacht, dass Menschen Umwelteindrücke nicht mental abbilden können, sondern dass Wahrnehmung ein Vorgang der Konstruktion von Bedeutung in unseren Köpfen ist. Solche Wissenskonstruktionsprozesse sind abhängig vom Vorwissen der Einzelnen, also immer individuell und subjektiv, so dass die Annahme, eine Lerngruppe könne gleichzeitig dasselbe lernen und Wissen sei übermittelbar, ein Mythos ist. Die Präsenz der anderen ist dennoch ein wichtiger Faktor für das Lernen auch in dieser Denkschule. Denn dem (gemäßigten) Konstruktivismus zufolge sind wir zwar selbstorganisierende Systeme, treten aber durch Interaktion miteinander in Verbindung und stimmen unsere individuellen Bedeutungskonstruktionen dabei so ab, dass sie sozial brauchbar (viabel) sind. Anders als in kognitivistischen Vorstellungen geht es in konstruktivistischen nicht um objektive Wahrnehmung der Welt. „Die Funktion der menschlichen Vernunft ist nicht, eine vom Wissenden unabhängige, reale Welt darzustellen, sondern Handlungsschemas und Begriffsstrukturen aufzubauen, die sich im Laufe der Erfahrung als brauchbar erweisen.“ (v. Glasersfeld 1995: 7) Von Übereinstimmung oder gegenseitigem Verstehen kann zwar nicht die Rede sein - letztlich bleiben wir in unseren Vorstellungswelten unabhängig und einander immer ein bisschen fremd -, aber wir können sie in der Interaktion kompatibel machen. Dieter Wolff (1997) zieht aus der konstruktivistischen Lerntheorie den Schluss, dass kleinschrittiger Unterricht mit einem einzigen Leitmedium, wie es z. B. das Lehrbuch oft darstellt, wegen seiner Einseitigkeit und Engführung nicht Erfolg versprechend sei. Lernen in Gruppen benötige vielmehr eine reiche, vielfältige, offene und herausfordernde Lernumgebung, damit der Unterschiedlichkeit der kognitiven Strukturiertheiten, des Vorwissens und der Sinnkonstruktions- und Bedeutungsaushandlungssprozesse der Lernenden Rechnung getragen werden könne. Lehren besteht dieser Auffassung nach darin, die vorfindlichen Wirklichkeitskonstruktionen der Lernenden herauszufordern. Lernen - auch Sprachlernen - geschieht, wenn diese Konfrontation als Verstörung (konstruktivistisch gesprochen: als Perturbation) erlebt wird und die Lernenden nach Auflösung der Irritation streben. 36 S pr acherw erbStheorien 2.3.3 Lernfähigkeit herausfordernde Umgebung angstfreies Milieu Muße Definition Sprachaufnahme Analyse und Regelfindung Spracherwerb als kreativer Selbstorganisationsprozess durch Interaktion Welche spracherwerbstheoretischen Folgerungen lassen sich aus diesen heute auf breite Zustimmung treffenden kognitivistischen und konstruktivistischen Vorstellungen ableiten? Zunächst steht fest: Die Vorstellung von einem unmittelbaren Zusammenhang zwischen Reiz und Reaktion, wie sie der Behaviorismus vertritt, wird verworfen. Das Interesse gilt heute zunehmend den inneren Vorgängen beim Sprachenlernen. Zugleich fragt man aber auch nach förderlichen und beeinträchtigenden externen Bedingungen. Spracherwerb - so der gegenwärtige Wissensstand, der nativistische, vor allem aber kognitivistischkonstruktivistische Elemente zusammenführt - bedarf nicht unbedingt eines biologischen Sprachorgans oder -gens (wie es der Nativismus annimmt), wohl aber einer allgemeinen geistigen Lernfähigkeit (wie sie der Kognitivismus beschreibt) und einer sozial anregenden und herausfordernden Umgebung (wie dies Wygotski und andere Interaktionisten und speziell für den Spracherwerb z. B. Long 1985, Wolff 1997, Bleyhl 2004 vertreten). Von Krashen und Terrell wissen wir, dass ein angstfreies, entspanntes Milieu eine entscheidende förderliche Bedingung darstellt und dass Sprachaufnahme der Muße bedarf, dass also silent periods bei der Sprachverarbeitung bzw. -konstruktion vor allem am Beginn des Spracherwerbs, aber auch später, immer wieder eine wichtige Rolle spielen und Zeitdruck schädlich ist. Spracherwerb wird als dynamische, interaktionsgetriebene, affekt- und milieuabhängige und zugleich selbstorganisierte mentale Aktivität der Lernenden aufgefasst, die von außen weder gezielt steuerbar noch beobachtbar, durchaus aber anregbar ist. Eine Langzeitstudie von Annemarie Peltzer-Karpf und Renate Zangl (1998) zum Englischerwerb an zwei Grundschulen in Österreich gibt einige Aufschlüsse über den dort beobachteten Spracherwerbsverlauf. Er begann mit einer Phase der Sprachaufnahme, in der die Kinder auf der Grundlage ihres unterschiedlichen Sprach- und Weltwissens bereits erste Orientierungsversuche unternahmen. Sobald ihnen eine gewisse lexikalische Datenmenge („kritische Masse“) zur Verfügung stand - und das war nicht objektiv zu fassen, sondern individuell unterschiedlich - begann eine „turbulente Phase der Analyse und Regelfindung“ (ebd.: 7). Jetzt versuchten die Lernenden semantische Analogien und morphosyntaktische Regelhaftigkeiten zu entdecken. Sie entwickelten Hypothesen über die Zielsprache, testeten diese Hypothesen und revidierten sie, wenn ein neues Sprachangebot dies nahe legte. In ihren Problemlösungsprozessen, in denen sie sich der Orientierung und Regelsuche in der neuen Sprache widmeten, nutzten bzw. entwickelten die Kinder eine große Bandbreite an Erschließungsstrategien, die von konzentrierter Sprachaufnahme über nonverbales Reagieren, Einholen von Erklärungen, Nachfragen, Erbitten von Übersetzungen und Reformulierungen, probeweisem Wiederho- Einheit 2 37 k ognItI V IstIsch konstruk tI V IstIsche l ern a nn a hmen Erschließungsstrategien Interlanguage Definition Fehler len und Nachspielen bis zu Rückgriffen auf die Erstsprache reichten: „Einen dog habe ich auch“ (ebd.: 50). Die sprachlichen Äußerungen zeichneten sich u. a. durch die Verwendung memorierter chunks (unaufgelöster lexikalischer Einheiten, die holophrastisch, d. h. als Einheit gelernt wurden, z. B. How do you do? ) und die Dominanz von Nomina und Verben aus und wiesen Verfahren auf, die aus dem Erstspracherwerb bekannt sind, beispielsweise � Interferenzen (*renning, *spieling), � eine Vereinfachung komplexer Formen (*we go school), � die Verallgemeinerung einer Regel, also eine Übergeneralisierung (*goed für went, *buyed für bought), � die doppelte Markierung einer Funktion (*he wented). Solche ‚intelligenten‘ Fehler zeigen, dass sich die Lernenden in mentalen Prozessen laufend eine in sich durchaus systematische Lernersprache konstruieren, die von Selinker (1972, s. 1.3) als Interlanguage bezeichnet wurde. Unter Interlanguage versteht man die Lernersprache im Prozess des Erwerbs, in die zum einen Elemente des sprachlichen Vorwissens (in der Regel der Erstsprache, aber ggf. auch weiterer Sprachen) zum anderen Elemente der Zielsprache und darüber hinaus von beiden sprachlichen Feldern unabhängige Elemente eingehen. Diese Sprache auf Probe wird im Idealfall laufend revidiert und im Zuge der Verarbeitung des Inputs reorganisiert. Die Interlanguage-Hypothese integriert also die Kontrastiv- und die Identitätshypothese und überschreitet beide. Sie ist damit geeignet, der Vielfalt der Spracherwerbsfaktoren Rechnung zu tragen. Fehler lassen Aufschlüsse über Erwerbsprozesse zu, sie sind notwendiger Bestandteil von Lernersprachen. Rotstift und schlechte Noten wären hier fehl am Platz, denn sie würden das Interesse von der Sprache auf die Fehlervermeidung und Benotung lenken, die Entdeckungsbereitschaft bremsen und am Ende verhindern, dass Kinder sich mit den ihnen zur Verfügung stehenden- Mitteln neuen Input zum gezielten Testen einer Hypothese verschafften. Zumindest der frühe Fremdsprachenunterricht muss deshalb auf Leistungsmessung in Form von Sprachtests und Noten verzichten und - in Einklang mit Krashens und Terrells Affective-Filter-Hypothese - für eine angst- und beschämungsfreie Lernatmosphäre sorgen. Betrachtet man Spracherwerb- als kreativen Selbstorganisationsprozess, so sind zwar beratende und herausfordernde Rückmeldungen unverzichtbar, ablehnende aber problematisch. Erhalten die Lernenden vielfältigen und für sie bedeutsamen Input und dürfen sie für sich und in der Lerngruppe risikofreudig interessante sprachliche Erfahrungen machen und sich gezielt Input verschaffen, so entwickeln sie nicht nur fremdsprachliche Kompetenzen, sondern auch strategische Kompetenzen für den Spracherwerb und schließlich auch Wissen über Sprache. Vor 38 S pr acherw erbStheorien Kritik am gängigen Sprachunterricht 2.3.4 Förderung individueller Mehrsprachigkeit diesem spracherwerbstheoretischen Hintergrund kritisiert Werner Bleyhl am gängigen Sprachunterricht 1. didaktisch-methodische Vorstellungen, die auf die enge und lineare Steuerung des Lernens setzen und Sprache als Bausatz begreifen. „Sprache ist linear lehrbar“, schreibt er. „Linear lernbar ist sie nicht.“ (2000a: 7) 2. die Auffassung, kindlicher Spracherwerb vollziehe sich vor allem durch Imitation. Die Spracherwerbstheorie zeige, „dass Imitation auf vorhergehendem Wahrnehmungslernen beruht. Das Kind kann nur das imitieren, was sich schon vorher in seinem Sprachvermögen befindet […]. In der frühen Phase des Spracherwerbs ist Imitation eher das Resultat des Lernens als ein Mechanismus des Lernens.“ (Hebb u. a. 1975, zit. in Bleyhl 2000a: -15) 3. die enge Koppelung von Sprachrezeption und Sprachproduktion. Er vergleicht diesen Kurzschluss mit unprofessioneller Gartenarbeit, bei der der Gärtner junge Pflänzchen nach jedem Gießen und Düngen aus dem Boden zieht, um die Wurzelentwicklung zu prüfen. „D. h. der gängige Fremdsprachenunterricht versucht die sofortige Produktion […] zu erzwingen und trägt damit den mentalen Entwicklungsbedürfnissen, der Wissensprozessualisierung in ihrer Dynamik und Unabgeschlossenheit nicht hinreichend Rechnung. Dabei können wir das Sprachverstehen und die Sprachproduktion ‚getrost‘ als im Verhältnis 1.000: 1 beziffern (Wandruszka 1979).“ (Bleyhl 2002: 9) Tertiärspracherwerb Die Forschungen zum Erwerb weiterer Fremdsprachen bei Lernenden, die bereits eine Fremdsprache lernen und/ oder eine Zweitsprache sprechen, bewegen sich im Paradigma der kognitivistisch-konstruktivistischen Spracherwerbstheorie. Sie sind angesichts der zunehmenden gesellschaftlichen und individuellen Mehrsprachigkeit von größtem Interesse für die Entwicklung eines Fremdsprachenunterrichts, der die komplexen sprachlichen Voraussetzungen der Schüler/ innen berücksichtigt und als Ressource nutzt (s. hierzu Einheiten 5 und 9.1.4). In ihren „Empfehlungen zur Stärkung der Fremdsprachenkompetenz“ vom 8.- Dezember 2011 bekräftigte die Kultusministerkonferenz die Forderung des Europarates, „dass für junge Menschen von klein auf und über die allgemeine Bildung hinaus auch während der Berufs- und Hochschulschulausbildung ein breit gefächertes und hochwertiges Unterrichtsangebot in den Bereichen Sprachen und Kultur bereit steht, das sie […] in die Lage versetzt, mindestens zwei Fremdsprachen zu beherrschen“ (zitiert in KMK 2011: 2). In den Bildungsgängen der Bürger/ innen in Europa soll es nicht beim Lernen einer Fremdsprache bleiben. Schulen sind aber bereits jetzt sprachenreiche Orte, an denen nicht nur Deutsch und die drei etablierten Sprachen, die in Einheit 2 39 k ognItI V IstIsch konstruk tI V IstIsche l ern a nn a hmen Definition distante Sprachen Sprachtransfer diesem Band im Mittelpunkt stehen, existieren, sondern ein enormer, wenn auch oft ungehobener Sprachenschatz vor allem dadurch besteht, dass ein großer Anteil der Lernenden in Familie und Lebenswelt (auch) eine andere als die deutsche Sprache spricht. Wenn diese Lernenden eine Fremdsprache lernen, wenn alle Lernenden weitere Fremdsprachen lernen, spricht man vom Tertiärspracherwerb. Mit Tertiärspracherwerb wird das Lernen einer weiteren bzw. weiterer Fremdsprache(n) zusätzlich zum Lernen einer ersten Fremdsprache bezeichnet. In diesem Verständnis bedeutet Tertiärspracherwerb, dass die Lernenden über ihre Erst- und Herkunftssprache sowie ggf. Zweitsprache hinaus über Kenntnisse in mind. zwei Fremdsprachen verfügen. Einem umfassenderen Verständnis zufolge schließt der Begriff das Lernen einer Fremdsprache bei Schüler/ innen ein, die über eine nichtdeutsche Herkunftssprache und Deutsch als Zweitsprache verfügen, für die also die erste Fremdsprache bereits eine dritte Sprache ist. Als gesichert gilt, dass der Tertiärspracherwerb sich vom Erwerb einer zweiten Sprache unterscheidet und der Fremdsprachenunterricht gewinnen kann, wenn er dies berücksichtigt. Zum Tragen kommen „z. B. das höhere Alter beim Beginn des Lernens, damit verbunden die umfangreicheren Vorerfahrungen, eine größere Bewusstheit dem neuen Lerngegenstand gegenüber und die Anwendung von individuellen Lernstrategieren.“ (Gibson/ Hufeisen 2007: 29)Die DESI-Studie (2008) bestätigt den möglichen Vorzug lebensweltlicher Mehrsprachigkeit für das Englischlernen. Ihre Befunde ergaben, „dass - bereinigt um Bildungsgang, sozioökonomischen Hintergrund, kognitive Grundfähigkeit und Geschlecht - Jugendliche in der neunten Klasse mit einer anderen/ zusätzlichen Erstsprache als Deutsch signifikant bessere Werte im Englischen erreichen als ihre monolingual deutschsprachigen Klassenkamerad/ innen“ (Bündgens-Kosten/ Elsner 2014: 58) und dass sich diese Überlegenheit nicht völlig auf die bereinigte Gruppe beschränkt (vgl. ebd.). In weiteren Studien (vgl. z. B. ebd. und Elsner 2010) wurden die Kompetenz in Deutsch und der Erstsprache, die linguistische Distanz zwischen Erst- und Fremdsprache, das öffentliche Ansehen der Erstsprache und die Einstellung der Lernenden zu ihrer Erstsprache sowie weitere sozioökonomische und kulturelle Voraussetzungen als Faktoren genannt, die auf das Sprachenlernen Einfluss haben, nicht zuletzt aber auch das Schulsystem selbst und seine (Miss-)Erfolgsmechanismen. Mehrsprachigkeit in den institutionell etablierten und also öffentlich anerkannten Fremdsprachen ist ein weiterer Schwerpunkt im Bereich Tertiärspracherwerb. Ein Schwerpunkt liegt dabei in der sog. Interkomprehensionsforschung, wie sie vor allem für den Sprachtransfer zwischen typologisch verwandten romanischen Sprachen in der Romanistikdidaktik betrieben wird 40 S pr acherw erbStheorien Definition Zusammenfassung (z. B. Meißner/ Reinfried 1998a, Müller-Lancé 2003), aber auch für Englisch als mögliche Brückensprache (z. B. Leitzke-Ungerer et al. 2012) oder für den Transfer zwischen distanten Sprachen (z. B. Gabriel et al. 2012) untersucht und in Hinblick auf ihren Beitrag zum Fremdsprachenlehren betrachtet wird. Unter Interkomprehension wird die Fähigkeit verstanden, mit Hilfe der Kenntnisse in einer Sprache Elemente einer anderen zu verstehen, eine bekannte Sprache also als Brückensprache zu einer unbekannten zu verwenden. In der Schule werden Sprachen in der Regel getrennt voneinander gelehrt, Bezüge unter ihnen und zwischen den anderen gelehrten und den mitgebrachten Sprachen selten hergestellt und lebensweltliche Sprachen der Schüler/ innen als Problem gesehen und verbannt. Die Logik dieser institutionellen Struktur verrät eine Auffassung von Sprachen als getrennten Einheiten, die sie in den Köpfen der Schüler/ innen aber nicht sind. Die Forschung zum Tertiärspracherwerb und die Mehrsprachigkeitsforschung stellen diese Logik in Frage und tragen im Zusammenspiel mit Schul- und Unterrichtsentwicklungsinitiativen dazu bei, die tatsächliche Mehrsprachigkeit der Lernenden fruchtbar zu machen. Denn letztlich sind nicht nur die Schüler/ innen mit Deutsch als Zweitsprache mehrsprachig, sondern alle Schüler/ innen, auch die vermeintlich monolingualen, denn auch sie bewegen sich in vielen Sprachwelten: Schriftsprache, Sprache der Medien, Dialekte, Soziolekte, Register usw. Es wäre ganz im Sinne der reichen Lernumgebung, für die oben argumentiert wurde, die Schüler/ innen anzuregen, ihr sprachliches Wissen ins Spiel zu bringen und Zusammenhänge zwischen ‚ihren‘ Sprachen zu entdecken, anderen mitzuteilen und zu nutzen. Wir haben mit der behavioristischen, der nativistischen und den kognitiv-konstruktivistischen Theorien drei Versuche dargestellt, eine wissenschaftlich schlüssige Vorstellung vom Spracherwerb zu entwerfen. Sie unterscheiden sich gravierend. Für den Behaviorismus steht die Nachahmung der sprachlichen Umwelt im Mittelpunkt des Sprachenlernens. Neue Sprachen lerne man auf der Grundlage von bekannten, besonders der Erstsprache. Dabei müsse man besonders den Abweichungen Aufmerksamkeit schenken und hier den Nachahmungsschwerpunkt setzen. Dagegen ist nach nativistischer Auffassung Sprachfähigkeit angeboren, was sich daran zeige, dass Menschen eigenständige und zugleich regelhafte sprachliche Äußerungen hervorbringen (generieren). Für dieses erstaunliche Phänomen müsse ihnen eine besondere generative sprachliche Kompetenz innewohnen, die beim Erwerb der Erstwie auch weiterer Sprachen gleichermaßen wirksam werden könne - wenn man sie lässt. Unterricht solle deshalb auf verständlichen (und interessanten) mündlichen oder schriftlichen Input setzen und sich nicht um sprachliche Formen und sprachliche Korrektheit scheren. Kognitivistisch-konstruktivistische Vorstellungen schließlich verstehen Spracherwerb als interaktionsmotivierte, selbstorganisierte mentale Aktivität der Lernenden. Anregende und herausfordernde Einheit 2 41 k ognItI V IstIsch konstruk tI V IstIsche l ern a nn a hmen Auseinandersetzungen mit Anderen über inhaltliche, aber durchaus auch sprachliche und formale Phänomene spielen deshalb eine wichtige Rolle, denn sie erlauben die Prüfung eigener Vermutungen, fordern zur Bildung neuer Hypothesen über die neue Sprache heraus und stoßen Lernprozesse an, in die auch das Reflektieren über Sprache und das gesamte sprachliche Wissen, also auch das in der Lebenswelt und in anderen Sprachfächern erworbene, einbezogen werden kann. Anders als die beiden erstgenannten Ansätze, die die Lehrperson als nachahmenswertes Vorbild bzw. als Input-Lieferantin konzipieren, also lehrbzw. mediumzentriert sind, hat in dem letzten Ansatz die Interaktion zwischen Lehrenden und Lernenden, aber auch die zwischen Lernenden einen hohen Stellenwert und die Mehrsprachigkeit aller Akteurinnen des Unterrichts gewinnt hier Legitimität und lernförderliche Bedeutung. Aufgaben 1 Skizzieren Sie für jede der drei vorgestellten Spracherwerbstheorien die Rollen von Lernenden und Lehrenden, die diesen darin zugewiesen werden. behavioristisch nativistisch kognitivistischkonstruktivistisch Rolle der Lernenden Qualifikation und Rolle der Lehrenden 2 Vergleichen Sie Kontrastiv-, Identitäts- und Interlanguage-Hypothese und ordnen Sie sie den drei vorgestellten Theorien zu. 3 Bitten Sie jemanden, der/ die eine Ihnen völlig fremde (distante) Sprache spricht, Ihnen einen längeren Satz in dieser Sprache vorzusprechen und versuchen Sie ihn nachzusprechen. Schreiben Sie auf, wie Sie dabei verfahren und reflektieren Sie vor diesem Hintergrund die behavioristische These, Sprache werde durch Nachahmung erworben. 4 Aus der behavioristischen wie auch der nativistischen Theorie des Spracherwerbs lässt sich schlussfolgern, dass ausdrückliches Grammatikwissen nicht in den Sprachunterricht gehört. Wie beurteilen Sie diesen ‚Verzicht‘ im Kontext des jeweiligen Modells? 5 Suchen Sie eine Gesprächssituation, in der Sie eine höhere oder niedrigere sprachliche Kompetenz als Ihr/ e Gesprächspartner/ in besitzen. Versuchen Sie nachzuzeichnen, ob, und wenn ja, welche Anpassungen dabei vollzogen wurden. 6 Entwerfen Sie ohne Rücksicht auf Kosten eine Lernumgebung für einen Sprachunterricht, der aktuellen Erkenntnissen gerecht wird. 7 Ersinnen Sie Wege des Einbezugs Ihnen unbekannter Herkunftssprachen von lebensweltlich mehrsprachigen Schüler/ innen in Ihren Fremdsprachenunterricht. 42 S pr acherw erbStheorien 8 8 Zum Weiterlesen Elsner, Daniela (2010): „Ich habe was, was Du nicht hast …“ Oder: Welchen Mehrwert hat die Mehrsprachigkeit für das Fremdsprachenlernen? IMIS-Beiträge 37. Unter: https: / / www.imis.uni-osnabrueck.de/ fileadmin/ 4_Publikationen/ PDFs/ imis37.pdf (20. 08. 2015). Lightbown, Patsy/ Spada, Nina ( 3 2006): How Languages are Learned. Oxford University Press. McLaughlin, Barry (1990): ‚Conscious‘ versus ‚unconscious‘ learning. TESOL Quarterly (24) 4: 617-634. Neuner, Gerhard (2009): Mehrsprachigkeitsdidaktik und Tertiärsprachenlernen. Grundlagen - Dimensionen - Merkmale. Unter: www.hueber.de/ mehrsprachigkeitsdidaktik (06. 07. 2015). Selinker, Larry (1972): Interlanguage. In: International Review of Applied Linguistics in Language Teaching, (10) 1-4: 209-231. 43 Einheit 3 3.1 grammatische Kognitivierung strategisches Wissen Kognition und Emotion beim Sprachenlernen In der vorangegangenen Einheit haben wir bereits festgestellt, dass es unterschiedliche Auffassungen darüber gibt, inwieweit beim Spracherwerb bzw. beim Fremdsprachenlernen bewusste oder doch eher unbewusste Verfahren zum Tragen kommen. In einem geschichtlichen Abriss (Einheit-4) wird deutlich werden, dass den verschiedenen Konzeptionen des Fremdsprachenunterrichts ebenfalls unterschiedliche Annahmen zu dieser Frage zugrunde liegen. Vor Eintritt in eine solche auf Unterrichtsmethoden bezogene Darstellung (Einheit 6) wollen wir zunächst im Anschluss an den aktuellen - allerdings keineswegs einheitlichen - Stand der Kognitionswissenschaften in einer übergreifenden Perspektive beleuchten, welcher Stellenwert Kognition bzw. Emotion beim Fremdsprachenlernen zukommt. Schaut man sich die Forschungsgeschichte an, so fällt auf, dass emotionalen Faktoren des Lernens bzw. des Spracherwerbs lange Zeit nur wenig Aufmerksamkeit geschenkt wurde. Neuere Erkenntnisse der Kognitionswissenschaften machen allerdings darauf aufmerksam, dass Emotionen in Bezug auf Antriebskräfte, Inhalte und Verfahren des Lernens sowie auf dessen Einbettung in einen sozialen Kontext eine größere Bedeutung zukommt als bisher angenommen. Beide Begriffe werden oft als Gegensatzpaar verstanden. Mittlerweile ist man sich einig in der Einschätzung, dass jedweder Lernprozess von einem Zusammenspiel kognitiver und affektiv-emotionaler Faktoren geprägt ist. Beide Aspekte sind folglich in der Praxis nicht voneinander zu trennen. Dem Entwicklungsgang einschlägiger Forschung folgend, werden wir zunächst die kognitiven Aspekte des Fremdsprachenlernens näher betrachten, bevor wir uns intensiver mit der Bedeutung von Emotionen und schließlich den Verknüpfungen von Emotion und Kognition beim Lernen fremder Sprachen beschäftigen. Fremdsprachenlernen als kognitiver Prozess In Bezug auf kognitive Aspekte des Fremdsprachenlernens gilt es zwischen zwei Ebenen zu unterscheiden. Auf der einen ist zu fragen, in welchem Maße eine Einsichtnahme in die Strukturen der Sprache, mit anderen Worten eine grammatische Kognitivierung, den Lernerfolg begünstigt. Auf der anderen geht es um die bewusste Steuerung der individuell durchaus unterschiedlichen Prozesse des Lernens, also mehr um strategisches Wissen; zu klären 44 K ognition und E motion b E im S pr achE nlErnE n deklaratives und prozedurales Wissen 8 Definition bottom-up-/ datengeleiteter Prozess top-down-/ konzept geleiteter Prozess ist folglich, ob Sprachbewusstsein und Sprachlernbewusstsein hilfreich sein können (s. Einheiten 2 und 11). Während die Diskussionen um den Stellenwert von Grammatik einen „Dauerbrenner“ innerhalb der Fremdsprachendidaktik darstellen, hat die Thematisierung von Lernstrategien erst eine kurze Tradition. Sie geht im Wesentlichen auf Entwicklungen der späten 1980er Jahre zurück. Zu beiden Fragekomplexen lassen sich Klärungsansätze in den Ergebnissen der Spracherwerbsforschung und der kognitiven Psychologie finden. Im Rückgriff auf letztere, insbesondere auf die Schematheorie der Wahrnehmungspsychologie, entwickelt Dieter Wolff (1993a) ein Modell sprachlicher Verarbeitungs- und Lernprozesse (s. auch die Ausführungen zu den kognitivistisch-konstruktivistischen Spracherwerbstheorien in Einheit 2). Er versteht den/ die Lerner/ in als informationsverarbeitendes System, das bei der Sprachverarbeitung gleichermaßen auf sein Weltwie auch sein Sprachwissen zurückgreift. Beide Wissensspeicher sind wiederum unterteilt in deklarative und prozedurale Wissensbestände. Diese Unterscheidung lässt sich annähernd über die Computermetapher erklären: Deklaratives Wissen gleicht den Daten, z. B. den einzelnen Buchstaben, die wir über die Tastatur eingeben, während die Anordnung und Verknüpfung der Einzeldaten über die Betriebssoftware bzw. das Textverarbeitungsprogramm erfolgt (prozedurale Ebene). Wir können uns die Unterscheidung auch am Beispiel des Fahrradfahrens verdeutlichen: Das deklarative Wissen um den menschlichen Bewegungsapparat und die Bestandteile eines Fahrrades macht uns noch nicht zu verkehrssicheren Radfahrern. Dazu braucht es eine im Körpergedächtnis gespeicherte Koordination der Bewegungsabläufe auf dem Rad (prozedurales Wissen). Siehe hierzu die Beispiele auf www.bachelor-wissen.de. Generell können wir sagen: Deklaratives Sprachwissen ist eher auf stabile Gegebenheiten bezogen (know what, z. B. Wissen über phonologische, morphologische, syntaktische, semantische und textuelle Aspekte von Sprache), während prozedurales Wissen auf Vorgänge gerichtet ist (know how, eher ein „Können“ wie z. B. das kontextuelle Erschließen sprachlicher Stimuli als ein Wissen im herkömmlichen Sinne). Um die Verknüpfung beider Wissensspeicher bei Sprachverarbeitungsprozessen zu illustrieren, entwirft Wolff (1990: 616) das in Abb. 3.1 wiedergegebene Modell. Das Dekodieren lautlicher oder visueller Stimuli bzw. Zeichen (Ton oder Schrift) wird als bottom-up- oder datengeleiteter Prozess bezeichnet, der allerdings nur dann zu einem Verstehen führt, wenn er zugleich an Bekanntes anschließen kann. Denn erst die Zuordnung wahrgenommener Impulse zu den Beständen des Sprach- und Weltwissens (top-down- oder konzeptgeleiteter Prozess) lässt im Individuum Sinn entstehen. Ohne dieses Wissen wären die Zeichen - wie arabische oder chinesische Schriftzeichen für die meisten Einheit 3 45 F re mDspr achenlernen als kognItI V er p roze ss von uns - Formen ohne erkennbare Bedeutung. Doch über ein solches deklaratives Wissen hinaus aktivieren wir in der Sprachverarbeitung auch Strategien, die Wolff als Komponenten des prozeduralen Sprachwissens mit verschiedenen Verben kennzeichnet. „Inferieren“ meint dabei eine erste Stufe der Bedeutungserschließung aus sprachlichen oder situativen Kontexten. Unter „elaborieren“ versteht Wolff eine Sonderform fremdsprachlichen Verstehens, die dann einsetzt, wenn die sprachlichen Stimuli über vorhandenes deklaratives Sprachwissen nicht hinreichend entschlüsselt werden können und folglich verstärkt einen Rückgriff auf kontextuell relevantes Weltwissen erforderlich macht. Elaborationen sind dementsprechend besonders der Gefahr von Fehlschlüssen ausgesetzt. Nicht nur beim Verstehen, auch beim Produzieren von Sprache gehen beide Komponenten ein: Das prozedurale Wissen kann somit als „Manager“ verstanden werden, der die einzelnen Bestandteile des deklarativen Wissens bereitstellt. Letzteres ist in der Regel explizit und bewusst, Ersteres im Gegensatz dazu implizit und unbewusst, nämlich automatisiert. Prozedurales Wissen kann, wie oben gesehen, auch bewusst sein. Auf die Frage, wie beide Wissensspeicher beim Fremdsprachenlernen in welcher Reihenfolge aufgebaut werden, sind in der Forschung unterschiedliche Antworten entwickelt worden. Diese illustriert Multhaup (1997: 75) in folgender Übersicht: Abb. 3.1 Der Sprachverarbeitungsprozess das prozedurale Wissen als „Manager“ 46 K ognition und E motion b E im S pr achE nlErnE n Einige Spracherwerbsforscher wie z. B. Anderson (1980: 225) vertreten die These, dass der Aufbau prozeduralen Wissens immer über den Aufbau und die anschließende Automatisierung von deklarativem Wissen verlaufe, dargestellt im oberen Teil des Schaubildes. Multhaups Abbildung-2 resümiert die in Einheit 2 erörterte Non-Interface-Position Krashens, dass sich explizites nicht in implizites Sprachwissen überführen lasse, während seine Abbildung-3 die Auffassung Hawkins’ (1984) verdeutlicht, dass ursprünglich implizites, unbewusstes Sprachwissen durch gezielte Aufmerksamkeitslenkung bewusst gemacht und für den weiteren Spracherwerbsprozess produktiv genutzt werden könne. Daher gehen manche Spracherwerbsforscher wie Bialystok (1982, 1986) oder Rod Ellis (2008) von einer wechselseitigen Beeinflussung beider Wissensbereiche aus (vgl. auch Gnutzmann 2012). Diese auch als Interface- Position bezeichnete Sichtweise kommt in Abbildung- 4 zum Ausdruck. Es dürfte klar sein, dass die Sachverhalte hier in extremer Vereinfachung dargestellt werden. Zu einem genaueren Verständnis müssten die einzelnen Begriffe und Konzepte näher differenziert werden. Die Abbildung 5 nimmt eine solche Differenzierung vor, wenn sie daran erinnert, dass deklaratives und prozedurales Wissen jeweils auf Sprache und auf Außersprachliches („Welt“) zu beziehen sind. Weiterhin wäre zu unterscheiden zwischen Gebrauchs- und Lernprozessen sowie zwischen unbewusstem und implizitem sowie analog zwischen bewusstem und explizitem Wissen. Doch mag diese grobe Übersicht im Moment genügen, um deutlich zu machen, wie Abb. 3.2 Interaktion zwischen deklarativem und prozeduralem Wissen beim Sprachenlernen Einheit 3 47 z ur b e D eutung D er e motIonen be Im s pr achenlernen unD be Im s pr achge br auch Bedeutung metakognitiven Wissens individueller Lernertyp 3.2 Gefühl komplex die Zusammenhänge zwischen Sprachwissen und Sprachkönnen sind. Wie oben schon angeführt, ist der Faktor Kognition allerdings nicht nur im Blick auf den eigentlichen Gegenstand des Lernens von Bedeutung. Die kognitionswissenschaftliche Lernforschung hat sich vielmehr auch und seit den 1980er Jahren besonders den individuellen Unterschieden des Lernens und der Bedeutung metakognitiven Wissens für den Lernerfolg gewidmet. Lernen, so nunmehr die einhellige Auffassung, sei nicht eine unmittelbare Folge des Lehrens, sondern ein individueller Konstruktionsprozess, der von individuell so unterschiedlich ausgeprägten Variablen bestimmt sei wie der persönlichen Lerngeschichte und den in ihr entwickelten Lernstilen. Letztere wiederum werden generell nach dominanten Merkmalen differenziert. Zu ihnen zählen die Bevorzugung bestimmter Wahrnehmungskanäle - visuell, auditiv, haptisch (d. h. durch Berührung, über den Tastsinn), olfaktorisch (d. h. über den Geruchsinn), gustatorisch, (d. h. über den Geschmackssinn) -, die Tendenz zu eher analytischen oder globalen Herangehensweisen, zu Reflexivität oder Impulsivität des Verhaltens und der Grad an Ambiguitätstoleranz (d. h. die Fähigkeit, sich von Mehrdeutigkeiten nicht irritieren zu lassen). Die Mischung dieser Verhaltensmerkmale prägt den individuellen Lernertyp, wobei laut Grotjahn (1998: 12 f.) bestimmte Merkmale gehäuft gemeinsam auftreten, so insbesondere bei eher analytisch-reflexiven-ambiguitätstoleranten im Gegensatz zu eher global-impulsiven-ambiguitätsintoleranten Lernenden. Wir werden diese Gesichtspunkte im Rahmen der Einheit 11 zur Methodenkompetenz und Lernerautonomie intensiver erörtern und auch die Bedeutung grammatischer Kognitivierung für ein erfolgreiches Fremdsprachenlernen an anderer Stelle (Einheit 9) erneut thematisieren. Daher wenden wir uns jetzt der Frage zu, wie über kognitive Steuerungsmomente hinaus die affektiv-emotionalen Implikationen des Lernens zu verstehen sind. Zur Bedeutung der Emotionen beim Sprachenlernen und beim Sprachgebrauch Affekte, Gefühle, Emotionen - wenn vom ‚Anderen der Vernunft‘ die Rede ist, wird die Begrifflichkeit leicht uneindeutig. Der am weitesten gefasste Begriff ist der des Gefühls. Wir sprechen von einem besonderen Gefühl, das jemand beispielsweise für Tiere hat, und meinen damit eine ausgeprägte Wahrnehmungsfähigkeit und eine glückliche Hand im Umgang mit ihnen; analog hierzu lässt sich auch das sogenannte ‚Sprachgefühl‘ verstehen. Außerdem verwenden wir ‚Gefühl‘ zur Bezeichnung körperlicher Wahrnehmungen wie z. B. im Fall von Übelkeit, Hunger oder einem Kribbeln im Bauch. Bei rational nicht erklärbaren Vorahnungen sprechen wir ebenfalls von einem ‚Gefühl‘ - so bspw. vom Gefühl, dass etwas Schlimmes passieren wird. Vor allem aber 48 K ognition und E motion b E im S pr achE nlErnE n meinen wir seelische Empfindungen der Ab- oder Zuneigung, des Wohlbefindens oder des Unbehagens; zu ihnen zählen folglich Angst, Wut, Freude, usw. Nur im letztgenannten Sinn verwenden wir ‚Gefühl‘ auch im Plural und nur in dieser Bedeutung ist der Begriff ein Synonym für ‚Emotion‘. Emotionen sind interne, introspektiv wahrnehmbare Zustände, die einhergehen können mit physiologischen Korrelaten (wie Angstschweiß, Pulsanstieg usw.). Sie sind in starkem Maße sozial beeinflusst. Im Gegensatz zu Stimmungen, unter denen in der Regel länger andauernde Gefühlsregungen verstanden werden, sind Emotionen von zumeist kürzerer Dauer (vgl. Donnerstag 2010: 45). ‚Affekt‘ wiederum kann als Sammelbegriff für beide gelten. Der mit Goleman (1996) populär gewordene, wenngleich nicht unumstrittene Begriff der ‚Emotionalen Intelligenz‘ veranschaulicht, dass Gefühl und Verstand zusammengehören. Emotionale Intelligenz ist nach Goleman ein wichtiger Faktor beruflichen Erfolgs und sozialer Anerkennung. Sie lasse sich in die fünf Teilbereiche Selbstbewusstheit, Selbstmotivation, Selbststeuerung, Empathie/ Verständnis sowie Soziale Kompetenz aufgliedern. Unter Selbstbewusstheit versteht er die Fähigkeit, eigene Gefühle zu erkennen und in stetigem Kontakt mit ihnen zu bleiben. Sie biete die Basis der nachfolgend aufgeführten Teilkompetenzen. Denn nur wer die eigenen Gefühle wahrnehme und beachte, könne im Umgang mit sich selbst und anderen umfassend kompetent sein. Die Geisteswissenschaften können in diesem Kontext viel vom Forschungsstand der sog. Neurowissenschaften profitieren. Gerade in jüngerer Vergangenheit sind hier u. a. durch die Weiterentwicklung bildgebender Verfahren medizinischer Diagnostik wie der Magnet-Resonanz-Tomographie (MRT) und der Positronen-Emissions-Tomographie (PET) so interessante Erkenntnisse für das Verständnis mentaler Prozesse gewonnen worden, dass es ungeheuer spannend ist, über den Zaun eigener wissenschaftlicher Dis- Definition Abb. 3.3 Begriffsfeld Gefühl/ Emotion/ Stimmung/ Affekt ‚Emotionale Intelligenz‘ Einheit 3 49 z ur b e D eutung D er e motIonen be Im s pr achenlernen unD be Im s pr achge br auch Interaktion beider Gehirnhälften 3.2.1 Emotion als Störfaktor Selektionsfunktion kurse zu schauen. Für eine Transformationswissenschaft wie die Fremdsprachendidaktik ist so ein interdisziplinärer Blick geradezu verpflichtend, wie wir in Einheit-1 dargelegt haben. Lange Zeit wurde Sprache nahezu ausschließlich innerhalb der linken Gehirnhälfte lokalisiert, d. h. sie wurde als logisch-analytische mentale Aktivität betrachtet. Die linke Hirnhemisphäre ist auch nach heutigem Kenntnisstand vor allem für sequenzielles und formal-logisches Denken, die rechte primär für ganzheitliche Wahrnehmung und Emotionalität zuständig. Neuere Studien machen allerdings geltend, dass die Verwendung von Sprache ein höchst komplexer hirnphysiologischer Vorgang ist, der die Interaktion beider Gehirnhälften voraussetzt. In mündliche Sprache gehen auch prosodische Elemente ein, sie ist verknüpft mit mimisch-gestischen Ausdrucksmitteln und ist in aller Regel eingebunden in einen sozialen Kontext mit allen emotionalen Implikationen, die menschliche Interaktion ausmacht. Denken wir nur an gängige Soap Operas und stellen uns vor, dass sie ohne Mimik, Gestik und Modulation der Stimme auskämen - ein Ding der Unmöglichkeit! Emotionen bei der Sprachverarbeitung bzw. beim Sprachenlernen Die lange Zeit (ca. von den 1970er bis in die 1990er Jahre) tonangebenden Ansätze des Kognitivismus verstehen Lernen als einen Prozess der Informationsverarbeitung. In ihren Überlegungen spielen affektive Faktoren nur eine untergeordnete Rolle, zumeist eingeschränkt auf das Phänomen der Angst als eines zu eliminierenden Störfaktors bezogen. Den Emotionen werden vor allem und nahezu ausschließlich „Interruptionseigenschaften in Bezug auf kognitive Prozesse und somit eine prävalent destruktive Rolle zugeordnet“ (Battachi u. a. 2 1997: 38). Nach Schwerdtfeger (zitiert in Neuner 1998: 136) reflektieren kognitivistische Ansätze eine „einem objektiven analytischen Wissenschaftsverständnis verpflichtete technische Vorstellung“ des Fremdsprachenlernens. Ihr Leitbild sei das einer „kognitiven Reinheit des Lernenden und seiner Fremdsprache“, welche gleichsam als objektive Welt außerhalb der Lernenden betrachtet werde (vgl. ebd.). Demgegenüber machen neuere neurophysiologische Studien deutlich, dass Emotionen einen immensen, sehr wohl oft auch positiven Einfluss auf das Lernen haben. Dieter Wolff (2004: 94) schreibt ihnen eine Art Selektionsfunktion zu. Er vermutet, dass wir nur das aus unserer Umwelt verarbeiten, „worauf uns unsere Emotionen verweisen“ (ebd.). Eindrucksvoll vergleicht Heiner Willenberg (1999: 21) die Emotionalität mit dem Steuermann auf einem Schiff, da sie die Richtung der „Lernfahrt“ angebe. Insofern könne sie „das Lernen aufschließen“. Nicht nur die Initiierung von Lernprozessen, sondern auch und gerade ihr Verlauf ist in hohem Maße abhängig vom Einfluss der Emotionalität. In einem Grundlagenbeitrag zur „Rolle der Emotionen beim Fremdsprachenlernen“ referiert Werner Kieweg (2003: 6): 50 K ognition und E motion b E im S pr achE nlErnE n Das Forscherteam um Gary Lynch hat bereits im Jahre 1983 die Wirkungszusammenhänge von Emotionen und Lernerfolg entdeckt und den Begriff der synaptischen Plastizität kreiert. So konnte man nachweisen, dass die Kontaktstellen zwischen den einzelnen Nervenzellen, die so genannten Synapsen, als maßgebliche Schaltstellen für die komplexen Vorgänge der Informationsübertragung, der Informationsverarbeitung und der Informationsspeicherung fungieren. Man beobachtete, dass sich die Synapsen bei positiven Gefühlsregungen bis zu 30 % vermehrten und sich der Synapsenspalt bei günstig gestimmter Emotionalität (z. B. Motivation, Interesse) verringerte. Dies löste einen verstärkten Transmitterfluss aus, der die Lernprozesse begünstigte […]. (Vgl. hierzu auch Roche 2013: 109 ff) Kieweg (2003: 7) weist ferner darauf hin, dass positive Gefühlsbetonungen nicht nur die Menge der Informationsverarbeitung, sondern auch die Dauerhaftigkeit von Gedächtnisleistungen erhöhten (vgl. auch Sambanis 2013: 12-20). Im Anschluss an das kognitivistische Konzept der Verarbeitungstiefe kommt Wolff (2004: 98) zu der Feststellung, dass „eine tiefer gehende Verarbeitung im Sinne eines Behaltens einer Aussage“ gemeinhin nur stattfinde, wenn „der Sprachverarbeiter emotional involviert“ sei, wenn er „den Verarbeitungsprozess als bedeutsam für seine eigene Person“ erachte und wenn er sich mit der Aussage identifiziere. Wie in Einheit 12 zu sehen sein wird, spielen affektive Faktoren in allen Fragen interkulturellen Lernens eine wichtige Rolle. Bei der Sprachverwendung und beim Sprachenlernen bilden Kognition und Emotion folglich stets eine Einheit. Dies ist lange Zeit in der Fremdsprachenerwerbsforschung nicht hinreichend berücksichtigt worden, wie Merril Swain (2013) in einem Aufsatz mit dem Titel „The inseparability of cognition and emotion in second language learning“ kritisch anmerkt (vgl. ebd.: 195; vgl. auch Brown/ White 2010). Zugleich sollte angesichts dieser Opposition aber nicht aus dem Blick geraten, dass Sprache mitsamt allen kognitiven und affektiven Aspekten zugleich immer auch „einverleibt“ ist. Unser Körper spricht bekanntlich mit, wenn wir etwas sagen. Signale der Körpersprache zu entziffern, kann folglich helfen, fremdsprachliche Mitteilungen besser zu verstehen und sie als Lernanlass zu nutzen (vgl. Atkinson 2014: 475 ff.). Emotionen in der Kommunikation In allen kommunikativen Kontexten sind selbst dort, wo scheinbar Sachinformationen im Vordergrund stehen, emotionale Anteile konnotiert. Darauf macht das dreibändige Werk Miteinander reden des populären Kommunikationspsychologen Schulz von Thun (1981, 1989, 1998) aufmerksam. Im Anschluss an Bühler ( 3 1999/ 1934), Watzlawik u. a. (1969) entwickelt es ein Modell, das in jeder Kommunikation vier unterschiedliche Seiten beteiligt sieht: einen Sach-, einen Beziehungs-, einen Selbstoffenbarungs- und einen Dauerhaftigkeit von Gedächtnisleistungen 3.2.2 Sach-, Beziehungs-, Selbstoffenbarungs- und Appellaspekt Einheit 3 51 z ur b e D eutung D er e motIonen be Im s pr achenlernen unD be Im s pr achge br auch Appellaspekt. Schulz von Thun möchte die versteckten, nur impliziten Anteile sprachlicher Mitteilungen einer bewussten Wahrnehmung zugänglich machen und damit Probleme interpersonaler Kommunikation zu reduzieren bzw. zu lösen helfen. Dies verdeutlicht Schulz von Thun (1981: 30) an folgendem Schaubild: Der Autor (ebd.: 31 ff.) liefert hierzu ein Beispiel: Wenn ein Beifahrer im Straßenverkehr dem Fahrer sagt „Du, da vorne ist grün“, so beinhaltet dieser Satz natürlich die Sachaussage, dass die Ampel grünes Licht zeigt. Zugleich aber impliziert er den Appell loszufahren. Ferner vermittelt er auf der Selbstoffenbarungsebene die Botschaft „Ich habe es eilig“ und auf der Beziehungsebene „Du brauchst meine Hilfestellung“. Dass diese Botschaften vom Empfänger oft nicht in der Weise verstanden werden, wie der Sender es bewusst meint oder unbewusst intendiert, wissen wir aus eigener Lebenserfahrung. Der Fremdsprachenunterricht hat sich im Zuge der kommunikativen Ausrichtung auf die Sachebene der Aussagen und die instrumentell-pragmatische Seite von Mitteilungen konzentriert. Er hat also Sprache sozusagen in die linke Gehirnhälfte gezwungen. Damit aber wird das Spektrum sprachlich gelenkter Interaktion nur unzureichend erfasst. Ob im Unterrichtsgeschehen oder in sog. ‚natürlicher‘ Umgebung, immer schwingen emotionale Anteile mit. Für uns sind beide Ebenen relevant: die Zielebene fremdsprachlichen Lernens, also die Kommunikation in ‚Realsituationen‘, aber auch die Ebene des Unterrichtsdiskurses und somit die Interaktionen im Klassenraum. Der Anstoß zum Lernen kann einmal mehr von den einen, einmal mehr von den anderen Kommunikationszusammenhängen ausgehen. Denn für manche Lernende steht gewiss der Gegenstand des Lernens, also die Sprache, die mit ihr verbundenen Kulturen und die mit ihr sich eröffnenden Kommunikationsmöglichkeiten, im Vordergrund, während andere sich eher vom sozialen Kontext des Lernens wie der Person des/ der Lehrenden und der Zusammensetzung der Lerngruppe in ihrer Bedeutung für das eigene Wohlbefinden während des Lernprozesses leiten lassen. Wieder andere sind stärker an den externen Belohnungen und Ermöglichungen in Form schulischer Noten oder außerschulischer Qualifikationszertifikate interessiert. Damit sind wir bereits beim zweiten der oben angekündigten Bereiche, dem der Lernmotivation. Abb. 3.4 Psychologisches Modell zwischenmenschlicher Kommunikation 52 K ognition und E motion b E im S pr achE nlErnE n 3.3 intrinsische vs. extrinsische Motivation ‚Leistungsmotivationen‘ Selbstwirksamkeits- Theorie Attribuierungstheorie ‚Interesse‘ Motivation beim fremdsprachlichen Lernen - ein Zusammenspiel kognitiver und affektiver Faktoren Motivationen gelten in der pädagogischen Psychologie als gleichermaßen kognitive wie emotive Konstrukte. In der Motivationsforschung, die seit den 1980er Jahren einen wahren Boom an Publikationen erlebt, hat sich die Unterscheidung von intrinsischer und extrinsischer Motivation als grundlegend erwiesen. Diese erlaubt eine grobe Orientierung darüber, ob wir ein Ziel um seiner selbst willen anstreben oder wegen äußerer Belohnungen. Ein Großteil der Forschung pädagogischer Psychologie zum Thema Lernmotivationen bezieht sich auf den Leistungsaspekt, so dass von gesonderten ‚Leistungsmotivationen‘ gesprochen wird. Einige der gängigen Motivationstheorien wollen wir hier in aller Kürze vorstellen. Die Selbstwirksamkeits-Theorie Banduras (1977, 1997) geht auf ein Interpretationsschema menschlichen Verhaltens zurück, das dem Behaviorismus nahe steht, ihn jedoch um kognitive Komponenten der Verhaltenssteuerung erweitert, die der orthodoxe Behaviorismus noch der wissenschaftlich nicht zugänglichen black box des Mentalen (s. Einheit-2) zugerechnet hatte. Verkürzt gesagt, besteht die Grundüberzeugung darin, dass eine Selbstbestärkung den Erfolg eigenen Handelns induzieren könne. Wer sich sagt „Ich schaff das schon“, hat höhere Chancen auf Erfolg als derjenige, der ängstlich und zögerlich an eine Aufgabe herangeht. Es ist in neueren Studien zur Motivationspsychologie völlig unumstritten, dass Selbstwirksamkeitserwartungen einen wesentlichen Bestandteil motivationalen Geschehens ausmachen. Innerhalb eines kognitionswissenschaftlich geprägten Verständnisses sind allerdings ebenso Wertaspekte wichtig, die bei Bandura weitgehend unberücksichtigt bleiben. Zu den sogenannten Erwartungs-mal-Wert-Theorien zählt die Attribuierungstheorie (vgl. Wild/ Hofer/ Pekrun 5 2006: 227). Ihr zufolge bildet die subjektive Verarbeitung von Erfolgs- und Misserfolgserfahrungen den Hintergrund für individuelle Leistungserwartungen. Leistungsmotivierte Lerner/ innen zeichnen sich dadurch aus, dass sie positive Resultate eigenen Anstrengungen und Kompetenzen zuschreiben und so ein positives Selbstkonzept bilden und verstärken. Dies wiederum führt dazu, Anforderungssituationen zu suchen und Misserfolge als Anreiz für größere Anstrengungen zu verwerten. Umgekehrt können sich Misserfolgserlebnisse im Einzelnen so verfestigen, dass fachspezifischen oder allgemeinen Leistungsanforderungen mit einer negativen Erfolgserwartung und somit unmotiviert begegnet wird. Im Gegensatz dazu bezeichnet der Begriff ‚Interesse‘ eine auf bestimmte Inhalte oder Lerngegenstände gerichtete Kategorie. Das zentrale Kennzeichen von Interesse ist die geglückte Verbindung von emotionalen und wertbezogenen Merkmalskomponenten. Gemeinsam nehmen sie Einfluss auf die Struktur des Selbstkonzepts einer Person und sind somit am Prozess der Identitätsbildung beteiligt. Krapp (1992) spricht bezeichnenderweise von einer „Person- Einheit 3 53 m otI VatIon be Im F re mDspr achlIchen l ernen Gegenstands-Konzeption des Interesses“. Gegenstände persönlichen Interesses wie z. B. moderne Popmusik besäßen für den Einzelnen in der Regel sowohl eine wertbezogene als auch eine gefühlsbezogene Valenz. D. h. alles, was mit Popmusik zu tun hat, erscheint ihnen von großer Wichtigkeit und die Beschäftigung damit vermittelt angenehme Gefühle, sie wird als ‚selbstintentional‘ und somit als frei von äußerem Zwang begriffen. Mit den Interessentheorien verwandt ist die namentlich von Deci/ Ryan (1985, 1993) vertretene Selbstbestimmungstheorie. Im Mittelpunkt ihres Ansatzes steht die Frage, wie sehr der Einzelne sich mit Gegenständen seines Lernens identifizieren kann. Im Rahmen einer graduellen Integration ursprünglich externer Zielsetzungen in das Selbstkonzept des Lernenden verliere die Opposition von extrinsischer und intrinsischer Motivation ihren unversöhnlichen Charakter. Fremdgesetzte Ziele, wie z. B. schulische Lerninhalte, können dieser Sicht zufolge vom Einzelnen quasi adoptiert und so zum Gegenstand selbst gesetzter Werte und Ziele gemacht werden. Eine Sonderform intrinsischer Motivation bildet das Herzstück der Flow-Theorie von Mihaly Csikszentmihalyi (vgl. Csikszentmihalyi/ Schiefele 1993). Deren Ausgangspunkt ist die bei Künstler/ innen und Kindern beobachtete Selbstversenkung in kreativer Arbeit bzw. im Spiel und die Beobachtung, dass das Ergebnis der jeweiligen Tätigkeiten für die Akteur/ innen offenbar keine bedeutsame Rolle spielte, dass deren Prozess hingegen als äußerst intensiv und beglückend beschrieben wurde. Kennzeichen des spezifischen Motivationsgeschehens ist der Verzicht auf eine bewusste Kontrolle über Handlung und Umwelt. Dieser kurze Überblick kann natürlich der Breite und Differenziertheit aktueller Motivationstheorien nur unvollständig gerecht werden. Die folgende Zusammenstellung soll wesentliche Aspekte des zuvor Gesagten noch weiter verdichtet stichwortartig zusammenfassen: Einige Motivationstheorien der pädagogischen Psychologie 1. Selbstwirksamkeits-Theorie Selbstbestärkung des Individuums im Sinne einer Erfolgsorientierung 2. Attributionstheorie subjektive Ursachenzuschreibung von Leistungen → Erfolgsbzw. Misserfolgserwartungen → Motivationssteigerung bzw. -hemmung 3. Interessentheorie ‚Interesse‘ = eine auf bestimmte Inhalte oder Lerngegenstände gerichtete Kategorie → Verbindung von emotionalen und wertbezogenen Merkmalskomponenten → Struktur des Selbstkonzepts einer Person 4. Selbstbestimmungstheorie Unterdifferenzierungen extrinsischer Motivation nach dem Grad von Fremdbzw. Selbstbestimmung Ziel: wachsende Identifikation des Einzelnen mit Gegenständen und Prozessen des Lernens 5. Flow-Theorie selbstvergessenes Erleben eines kreativen oder spielerischen Prozesses als Beispiel eines beglückenden Zustandes hoher intrinsischer Motivation, Verzicht auf bewusste Kontrolle über Handlung und Umwelt Selbstbestimmungstheorie Flow-Theorie Tab. 3.1 Übersicht über die Ansätze der Motivationspsychologie 54 K ognition und E motion b E im S pr achE nlErnE n instrumentelle vs. integrative Orientierung das Prozessmodell Dörnyeis Flow-Theorie Csikszentmihalyis Seit Beginn der 1990er Jahre werden Motivationstheorien verstärkt von der Fremdsprachendidaktik rezipiert, allerdings nicht in Form einer 1: 1-Übertragung (vgl. z. B. Düwell 2002, Nakata 2006, Riemer 2006, Lasagabaster/ Doiz/ Sierra 2014). Als entscheidender Unterschied zu anderen Gegenstandsbereichen des Lernens wird hervorgehoben, dass Sprache notwendigerweise eine starke soziale Komponente aufweist. Sowohl in der Zielverwendung als auch in den Lernarrangements ist sie vor allem Kommunikationsmittel. Grundlegend für die wissenschaftliche Literatur zum Thema ist die auf Gardner und Lambert (1972) zurückgehende sozialpsychologische Differenzierung in eine instrumentelle und eine integrative Orientierung. Integrativ bedeutet in diesem Zusammenhang, dass Lernende mit der Aneignung der fremden Sprache zugleich Teil haben wollen an dem Kulturkreis der Zielsprachenländer. Im Rahmen eines sozialkonstruktivistischen Ansatzes integrieren Williams/ Burden (1997) Elemente der Selbstwirksamkeits-, der Ziel-, der Selbstbestimmungs- und der Attributionstheorie im konkreten Bezug auf das Fremdsprachenlernen. Sie unterstreichen die Bedeutung des Autonomieempfindens für ein motiviertes Lernen. Das am stärksten ausdifferenzierte Modell zur Fremdsprachenlernmotivation stammt allerdings von dem ungarischen Forscher Dörnyei (2001), der motivationales Geschehen als Prozess abbildet. Hierbei unterscheidet er drei Phasen: zunächst die Entwicklung einer Handlungsabsicht, dann die Steuerung der Handlung in ihrem Vollzug und schließlich deren Bewertung in der Rückschau (präaktionale, aktionale und postaktionale Phase). Das Modell versucht, der Komplexität des Geschehens in hinreichendem Maße Rechnung zu tragen: Kontextfaktoren nehmen Einfluss auf personale Faktoren und führen gemeinsam zur Steuerung eines Motivationsprozesses, der verschiedene Stadien durchläuft und erst mit der Handlungsinitiierung die Grenze, metaphorisch den Rubikon, von der Ausbildung einer Intention zur konkreten Lernanstrengung überschreitet (vgl. auch Riemer 2010: 170 f.). Wichtig ist dabei zu beachten, dass derartige Motivationsverläufe eingebettet sind in ein soziokulturelles Umfeld, dessen implizite Normen stets mit Einfluss nehmen. Die Bildungsferne bzw. -nähe des Herkunftsmilieus, die Leistungsnormen der Gesellschaft etc. kommen folglich hier in Betracht. Neuere kognitionspsychologische Theorien unterstreichen zwar, dass Kognition und Emotion unauflöslich aneinander gebunden sind. Dennoch lässt sich in der Forschungslandschaft zur Motivation eine Präferenz kognitiver Aspekte beobachten. Auch das Modell Dörnyeis kann als Beleg hierfür gelten. Lediglich in der gegenstandsunspezifischen Flow-Theorie stehen emotive Aspekte im Vordergrund, während sie in der Interessentheorie eine gleichberechtigte Stellung einnehmen. Die kognitivistische Lerntheorie geht davon aus, dass der/ die Lerner/ in die Gegenstände des Lernens auswählt und den Prozess der Informationsaufnahme und -verarbeitung bewusst steuert. Sie unterstreicht dementsprechend den Aspekt individueller Kontrolle über den Lernprozess. Die Flow-Theorie Csikszentmihalyis macht hingegen deutlich, Einheit 3 55 e rst e F olgerungen F ür D en F re mDspr achenunt errIcht 3.4 Texte, die ‚unter die Haut gehen‘ persönliche Identifikationen multimodale Darbietungen dass der Verzicht auf Kontrolle Kennzeichen eines intensiven Motivationsgeschehens sein kann. Desgleichen ist der Verzicht auf Kontrolle ein entscheidendes Element in Kreativitätstheorien. Der kreative Sprung in der Bewältigung von Herausforderungen bedingt ja das Betreten von Neuland und eine Öffnung auf nicht bewusst kontrollierte mentale Prozesse. Der Einzelne lässt sich von der Aufgabe bzw. von dem Gegenstand ‚gefangen nehmen‘, geht ganz in der Bewältigung der Aufgabe auf. Je mehr der Gegenstandsbezug und/ oder die soziale Einbettung des Lernens im Vordergrund stehen, desto geringer ist die Bedeutung bewusster, individueller Kontrolle und desto größer der Raum emotiver Anteile am Geschehen. Erste Folgerungen für den Fremdsprachenunterricht Im Verlauf der Darstellung ist implizit an manchen Stellen schon angeklungen, welche Rückschlüsse aus den bezugswissenschaftlichen Erkenntnissen für die Gestaltung von Unterricht im Allgemeinen bzw. von Fremdsprachenunterricht im Besonderen gezogen werden können. Dabei ist allerdings zu beachten, dass Lernen und Lehren sehr komplexe und situativ sehr unterschiedlich geprägte Prozesse sind und wir uns daher vor einer Rezeptologie hüten müssen. Dennoch: Orientierungen sind aus dem oben Gesagten sehr wohl zu gewinnen. In die Bereiche Inhalte des Lernens und deren Darbietung, Arbeits- und Interaktionsformen des Lernens sowie Evaluation des Lernerfolges gegliedert, sollen hier einige Leitlinien skizziert werden. Zu den Inhalten wurde bereits betont, wie wichtig es ist, dass sie für die Lernenden subjektiv bedeutsam sind. Das können selbst produzierte oder zu lesende Texte sein, die emotional markiert sind, bestenfalls gar „unter die Haut gehen“, Texte, die Figuren mit nachvollziehbaren Charakterprofilen zeichnen, oder Hörtexte, die „sich zur Imitation von emotional geladener Sprache eignen“ (Kieweg 2003: 10) - und dies durchaus bereits im (lehrwerksgesteuerten) Anfangs-, nicht erst im anspruchsvollen Fortgeschrittenenunterricht. Doch auch die oft wenig geliebte Arbeit an sprachformalen Aspekten, an „Grammatik“, kann an Attraktivität gewinnen, wenn sie eingebunden ist in mitteilungsbezogene situative Kontexte, bei denen die Beziehungs-, Selbstoffenbarungs- und Appellebene mündlicher Kommunikation nicht aus dem Blickfeld geraten und die somit Anknüpfungspunkte für persönliche Identifikationen bieten, oder wenn sie als Entdeckungsreise in die formale Welt der Sprache erlebt wird. Stimmmodulation, Mimik, Gestik und Körpersprache sollten zudem bei mündlichen Sprachäußerungen konsequent mit einbezogen werden, damit emotionale Qualitäten der Sprachverwendung angemessen zur Geltung kommen. Auch eine ästhetisch ansprechende ‚Verpackung‘ der Inhalte kann hilfreich sein, nicht nur weil sie die einzelnen Lerner/ innen positiv einstimmt, sondern auch, weil multimodale Darbietungen nachweislich die Behaltensleistungen steigern (vgl. Polleti 2003). 56 K ognition und E motion b E im S pr achE nlErnE n Konzept der Ganzheitlichkeit selbst gesteuertes, entdeckendes, handlungsorientiertes Lernen Erfolgserlebnisse Eine Verbindung von Inhalten und Verfahren eines Sprachunterrichts, der Pestalozzis Forderung eines „Lernens mit Kopf, Herz und Hand“ umzusetzen versucht, finden wir im Konzept der Ganzheitlichkeit. Es wird seit Langem von sogenannten Alternativen Methoden für sich reklamiert (s. hierzu Einheit- 6). Vor dem Hintergrund jüngerer neurowissenschaftlicher Forschungen gewinnt es sogar neue Aktualität. Barbara Schmenk (2015, 115 ff.) weist zwar zu Recht darauf hin, dass im Lichte poststrukturalistischer Theorien die mit dem reformpädagogischen Konzept der Ganzheitlichkeit verbundenen, harmonistischen Vorstellungen von Einheit und Ganzheit des Individuums nicht mehr zu halten sind. Doch ist der Ansatzpunkt, kognitivistischen Verkürzungen sprachlichen Lernens ein anthropologisch fundiertes Denken und Handeln entgegenzusetzen, sehr wohl berechtigt, da es dem Menschen in der Gesamtheit seiner intellektuellen und emotionalen Facetten gerecht zu werden versucht. Im deutschen Sprachraum ist es vor allem Inge Christine Schwerdtfeger (1996, 1997), die sich für ein ganzheitliches Lernverständnis stark macht. Sie geht von der These aus, dass wir unsere Wahrnehmungen in Geschichten einbetten, mit denen wir für uns Sinn und Orientierung stiften. Wir tun dies nicht nur auf der Basis gelebter Erfahrungen, sondern auch über unsere Vorstellungskraft. Imagination, so meint sie, sei von kognitiven Prozessen nicht zu trennen und bilde den Kern eines narrativen Denkens im Medium einer bildhaften, metaphorischen Sprache. Wie unschwer erkennbar ist, passen diese Überlegungen gut zu den oben entwickelten Leitvorstellungen einer emotional lebendigen, ausdrucksstarken Sprache als Grundlage, Artikulationsmittel und Ziel fremdsprachlichen Lernens. Hieran knüpfen nicht zuletzt dramapädagogische Verfahren an, die in jüngster Zeit in fremdsprachendidaktischen Diskursen zunehmend Aufmerksamkeit erfahren (vgl. z. B. Sambanis 2013). Und Sabine Hoffmann (2012) kommt auf der Basis einer von ihr durchgeführten empirischen Erhebung zu dem Schluss, dass Unterricht wesentliche Anreize zu Lernfreude geben müsse. Auf der Ebene der Lernverfahren, der Arbeits- und Interaktionsformen ist sowohl aus den kognitivistisch als auch aus den stärker ganzheitlich ausgerichteten Ansätzen ein Plädoyer für selbst gesteuertes, entdeckendes und handlungsorientiertes Lernen abzuleiten. Denn solche Verfahren erhöhen nicht nur die Verarbeitungstiefe, sie ermöglichen auch, dass die Lernenden sich als Personen mit ihren gefühlsbesetzten Vorlieben und Interessen ins Unterrichtsgeschehen einbringen können. Ein handlungsorientierter Unterricht vermag zudem am ehesten, Schüler/ innen ganzheitlich anzusprechen. Da er auf ein Handlungsprodukt ausgerichtet ist, vermag er jenseits der Belohnung durch formale Noten Lernerfolge sichtbar zu machen. Erfolgserlebnisse wiederum sind ein wichtiger Treibstoff für den „Motor“ Motivation. Vor diesem Hintergrund ist nicht weiter erklärungsbedürftig, dass sich Verfahren der Selbstevaluation lern- und motivationsförderlich auswirken können. Entsprechend den Interpretationsmustern der Attributions- und Einheit 3 57 e rst e F olgerungen F ür D en F re mDspr achenunt errIcht Zusammenfassung der Selbstwirksamkeitstheorie ist schließlich darauf zu achten, dass auch im Zuge externer Beurteilung die Entwicklung von Positivspiralen wachsenden Selbstvertrauens auf Seiten der Schüler/ innen gefördert wird. Dies setzt allerdings nicht nur eine möglichst individuelle Bewertung und Beratung, sondern auch eine Abkehr von der Verabsolutierung sprachformaler Kriterien voraus. Denn je mehr das Gelingen von Kommunikation und die Differenziertheit sprachinhaltsbezogener Leistungen zum Gütemaßstab gemacht werden, desto leichter können sich Lernende mit den Zielen des Fremdsprachenunterrichts identifizieren. Die Frage, wie wir Menschen zur Sprache kommen, beschäftigte uns bereits in Einheit 2. Nach dem dort auf Spracherwebstheorien gerichteten Blick haben wir in der vorliegenden Einheit Theorien bzw. Ergebnisse der Kognitionswissenschaften und der Motivationspsychologie herangezogen. Es wurde dabei deutlich, wie sehr in jedem Sprachlernprozess kognitive und emotionale Aspekte zusammenfließen. Kognitive Leistungen artikulieren sich - so haben wir gezeigt - sowohl auf der Ebene des deklarativen wie des prozeduralen Wissens. Beide Wissensbereiche werden in der Sprachverarbeitung aktiviert; wir haben hier von top-down-Prozessen gesprochen, die ihrerseits interagieren mit der Dekodierung sprachlicher und kontextueller Signale (bottom-up-Prozesse). In welchem Maße beim Sprachenlernen grammatische Kognitivierung hilfreich ist, ist immer wieder unterschiedlich gesehen worden. In neuerer Lernforschung wird der bewussten Steuerung des eigenen Lernens (prozessbezogene Aspekte) mehr Bedeutung beigemessen als der Durchdringung sprachlicher Systematik (gegenstandsbezogene Aspekte). Darüber hinaus betont die neuere Kognitions- und Sprachlernforschung, wie sehr jegliches Lernen, gerade auch das Sprachlernen, von emotionalen Faktoren beeinflusst wird. Wir haben gesehen, dass neurophysiologische Studien die Wirkung von Gefühlsregungen auf kognitive Leistungen belegt haben. Auch konnte gezeigt werden, dass die experimentelle Motivationsforschung den Blick dafür geschärft hat, wie sehr individuelle Lernleistungen von kognitiv-affektiv besetzten Einstellungen und Handlungsdispositionen bestimmt werden. Dies illustriert, wie wichtig das Lernklima und eine positive Haltung zum Lerngegenstand für den Lernerfolg sind. Sprachliche Kommunikation wiederum ist per se immer von Gefühlen getragen, auch wenn diese oft nur implizit geäußert werden (s. das Modell von Schulz von Thun). Sprache im Unterricht kann daher nur dann lebendig werden, wenn sie emotionale Ausdruckqualitäten mit berücksichtigt. Aufgaben 1 Um sich die Bedeutung impliziten Sprachwissens zu vergegenwärtigen, formulieren Sie bitte die Regel zu einem sprachlichen Phänomen in Ihrer Erstsprache - z. B. zum Zeiten- und Modusgefüge in Bedingungssätzen - und vergleichen Sie diese Regelformulierung mit der in einer Grammatik. 58 K ognition und E motion b E im S pr achE nlErnE n 2 Erstellen Sie ein Profil Ihrer eigenen Sprachlernstile anhand der am Ende des ersten Unterkapitels genannten Kriterien und vergleichen Sie es mit dem eines/ r Mitstudierenden. 3 Finden Sie zum Kommunikationsmodell von Schulz von Thun einen anderen als den zitierten Aussagesatz und schlüsseln ihn nach den vier Bedeutungsdimensionen auf. Vergleichen Sie Ihr Beispiel mit dem eines/ r Mitstudierenden. 4 Befragen Sie eine/ n Mitstudierende/ n, was sie/ ihn zum Lernen einer von ihr/ ihm ausgewählten Fremdsprache motiviert hat und bis in die Gegenwart hinein zum Weiterlernen motiviert. Bringen Sie seine Darstellung in Verbindung mit den oben genannten Begriffen der Motivationspsychologie. Diskutieren Sie Ihre Überlegungen mit ihr/ ihm. Zum Weiterlesen Börner, Wolfgang/ Vogel, Klaus (Hrsg.) (2004): Kognition und Emotion im Fremdsprachenunterricht. Tübingen: Narr. Martinez, Hélène (2014): Cognition and emotion. In: Fäcke, Christiane (Hrsg.): Manual of Language Acquisition. Berlin/ Boston: De Gruyter, 308-324. Riemer, Claudia (2010): Motivation. In: Hallet, Wolfgang/ Königs, Frank G. (Hrsg.): Handbuch Fremdsprachendidaktik. Seelze-Velber: Klett-Kallmeyer, 168-172. Sambanis, Michaela (2013): Fremdsprachenunterricht und Neurowissenschaften. Tübingen: Narr. Wild, Elke/ Hofer, Manfred/ Pekrun, Reinhard ( 5 2006): Psychologie des Lerners. In: Krapp, Andreas/ Weidenmann, Bernd (Hrsg.): Pädagogische Psychologie.Weinheim: Beltz,203- 268. 59 4.1 4.1.1 Abb. 4.1 Karl der Große (748-814) Einheit 4 Geschichte und Gegenwart des Fremdsprachenunterrichts Gehört es zur Professionalität von Lehrer/ innen, über die Vergangenheit ihres Faches informiert zu sein? Wir meinen: unbedingt! Nur aus dem historischen Blickwinkel betrachtet erscheint Fremdsprachenunterricht als das veränderliche Phänomen, das er ist, und diese Wahrnehmung kann den Blick auf aktuelle Veränderungen schärfen und zu Umgestaltungen ermutigen. Werner Hüllen veranschaulicht die Notwendigkeit der Beschäftigung mit der Vergangenheit des Fachs mit einer Metapher von Robert Musil. Der bezeichnete die „Vergangenheit als Unterkellerung der erlebten Zeit (Der Mann ohne Eigenschaften, Kap. 114) - sie trägt das Gebäude, ohne es in seinen Formen und Funktionen zu bestimmen.“ (Hüllen 2005: 140) Die Geschichte des Fremdsprachenunterrichts ist eng verbunden mit der Entwicklung des Schulwesens insgesamt, in der Tenorth (1997: 430 ff.) drei Phasen ausmacht: eine lange Vorgeschichte, an die sich - nach einer Zäsur um 1800 - zunächst im 19.-Jahrhundert und dann noch einmal mit neuer Qualität im 20.-Jahrhundert die zweistufige Herausbildung des modernen Bildungswesens anschließt. Eine lange Vorgeschichte Lernen wurde in allen Hochkulturen nicht einfach dem Zufall überlassen, sondern war immer auch Veranstaltung. Die Zielgruppen gehörten dabei überwiegend zur gesellschaftlichen Elite, der die Lehrer jedoch nicht angehörten. Die Sophisten, aufklärerische Gelehrte und Philosophen des 5. bis-7. vorchristlichen Jahrhunderts, die als bezahlte Wanderlehrer umherzogen, waren vermutlich die ersten professionellen Lehrer. Latein als mittelalterliche lingua franca von Kirche und Bildung Auf dem Gebiet des heutigen Deutschlands entstanden mit der Christianisierung unter Karl d. Großen zum ersten Mal feste Bildungseinrichtungen. Er hatte nach seiner Krönung zum Kaiser des Heiligen Römischen Reichs durch den Papst die Kirche mit der Vereinheitlichung des Bildungswesens und der Schulgründung in seinem riesigen Herrschaftsgebiet beauftragt. Schloemann (2014: 15) bezeichnet Karl den Großen als „christlichen Dschihadisten“: „Mit äußerster Brutalität und Ausdauer bekämpfte Karl mit seinen Truppen die 60 G e schicht e und G eG enwart de s F re mdspr achenunt errichts Kirche Dominanz des Lateinischen 4.1.2 Stadtentwicklung sprachenübergreifende Handelskommunikation Renaissance Abb. 4.2 Lucas Cranach: Martin Luther (1483-1546) ‚echtes‘ Latein vs. Gebrauchslatein Reformation 1517 Aufwertung der lebendigen Territorialsprachen heidnischen Sachsen und zwang sie zum Wechsel ihres Bekenntnisses“. Die Kirche gestaltete das Bildungswesen von da ab uneingeschränkt bis 1500 und eingeschränkt bis zum Ende des 18. Jahrhunderts - also fast tausend Jahre lang - und beförderte die Dominanz des Lateinischen, das als lingua franca der Kirche erste internationale Bildungssprache wurde. Das Bildungsverständnis von Humanismus, Reformation und Aufklärung und die sprachlichen Implikationen Eine Reihe von Entwicklungen bahnte seit Beginn des 16. Jahrhunderts neben dem nach wie vor dominanten Latein auch anderen Sprachen den Weg in das Bildungswesen. Die seit dem 13. Jahrhundert voranschreitende Stadtentwicklung hatte zum Entstehen wichtiger Handelsmetropolen geführt, in denen freie, d. h. von Lehen unabhängige Bürger bürgerlich-gewerbliche Kaufmanns- und Handwerksschulen mit steigendem und immer differenzierterem Ausbildungsbedarf gründeten. Latein, die internationale Bildungssprache, war zwar lingua franca für die sprachenübergreifende Handelskommunikation, aber „[d]ort, wo die großen Handelswege den Einflussbereich Roms und damit der lateinischen Sprache verlassen, müssen ‚moderne‘ Fremdsprachen erworben werden“ (Schröder 1980: 114). Berufsorientierte Schulen spielen also seit dem späteren Mittelalter eine wichtige Rolle für die modernen Fremdsprachen, die lokalen Sprachen und das weltliche Bildungswesen. In den höheren Ständen bewirkten die Renaissance mit ihrer verherrlichenden Rückbesinnung auf die Antike und der Humanismus mit seiner anthropozentrischen Weltsicht eine Abkehr von der kirchlichen Heilslehre und eine Betonung moralisch-ästhetischer Selbstentfaltung und -veredelung. Dabei spielte Sprache als besondere menschliche Errungenschaft eine Schlüsselrolle und der Stellenwert der alten Sprachen änderte sich: Sie waren nicht mehr vor allem Instrumente der kirchlichen Lehre, sondern Quell des Wissens und der Vervollkommnung des Menschen. Man begab sich auf die Suche nach dem ‚echten‘ Latein der Antike und verachtete das Gebrauchslatein des Mittelalters. Zum ersten Mal wird einzelnen Sprachen, hier: der Gruppe der ‚alten‘, eine besondere Wirkung, ein besonderer erzieherischer Wert zugeschrieben. Ein mit dem Humanismus eng verbundener Impuls für das Bildungswesen ging von der Reformation 1517 aus. Die Auseinandersetzung um den rechten Christenglauben griff tief in die Gesellschaft ein. Einerseits blieben auch für die Reformatoren Martin Luther und Philipp Melanchthon die alten Sprachen - Hebräisch, Griechisch und Latein - von hoher Bedeutung, denn sie waren für die Bibellektüre und -auslegung unverzichtbar. Andererseits wollten die Reformatoren allen Gläubigen die Bibel zugänglich machen. Luthers Bibelübersetzung ins Deutsche war zugleich eine Aufwertung der lebendigen Territorialsprachen. Die protestantischen Fürsten folgten diesem Anstoß und Einheit 4 61 e Ine l a nge V orge schIcht e 4.1.3 erste systematische Didaktik Abb. 4.3 Johann Amos Comenius (1592-1670) Orbis sensualium pictus Die sichtbare Welt mehrsprachiges Schulbuch Französisch wird europäische lingua franca gründeten protestantische Eliteschulen und Universitäten. Forderungen nach Bildung des Volkes wurden aber auch von der Gegenreformation, insbesondere von den Jesuiten, aufgegriffen. Die Anfänge des neusprachlichen Unterrichts Konrad Schröder, der die Geschichte des neusprachlichen Unterrichts im deutschsprachigen Raum erforscht hat, datiert dessen Beginn in die zweite Hälfte des 16. Jh. Stadtentwicklung, wirtschaftliche Mobilität und Reformation haben zu diesem Zeitpunkt den Landessprachen neues Gewicht gegenüber der Kirchensprache Latein verliehen. Eine Schlüsselrolle für die Didaktik spielte Johann Amos Comenius (Jan Amos Komensky), der die erste systematische Didaktik der Neuzeit verfasste und damit die Didaktik als eigenständige Disziplin begründete. Er stellte seine zunächst in Tschechisch verfasste Didactica magna (Die große Lehrkunst) unter das Postulat „omnes, omnia, omnino“ („alle in allem allseitig bilden“) und formulierte sehr moderne Forderungen, unter ihnen � die allgemeine Schulpflicht für Kinder aus allen Ständen; � die Muttersprache als Basis des Unterrichts sowie für die schulische Sprachenfolge die Reihenfolge: Muttersprache - neue Sprache - alte Sprache; � eine enge Beziehung von Handlung, Bild und Wort im Lernprozess; � die Anordnung des Lehrstoffs nach den Grundsätzen der Lernbarkeit, „weniger Lehren, mehr Lernen“, Rationalisierung und Effektivierung des Lehrens und Lernens: schnell (cito) - sicher (tuto) - vergnüglich (jucundo); � Einteilung der Lernenden in Lerngruppen und Stufung der Schule und des Lehrplans. Comenius ist auch Verfasser von Sprachlehrbüchern, so von Ianua linguarum reserata (Die entriegelte Tür zu den Sprachen), und brachte 1658 in Nürnberg als sein bekanntestes Werk Orbis sensualium pictus (Die sichtbare Welt) heraus, ein mehrsprachiges Schulbuch mit Texten und Bildern in Holzschnitten. Ihm liegt als Lehrplan die Vermittlung des Aufbaus und Funktionierens der von Gott ausgehenden, zu den Geschäften des Alltags der Menschen führenden und zu Gott zurückführenden Welt zugrunde, auf die das ganze Wissen der Menschen bezogen ist. Dieses Sprachen- und Lesebuch in Latein und der Landessprache (Lateinisch/ Deutsch, Lateinisch/ Ungarisch, Lateinisch/ Englisch usw.) enthält das europäische Wissen des 17. Jahrhunderts über die Welt und gilt zugleich als Prototyp des fremdsprachlichen Lehrbuchs. „Ganz antihumanistisch ist [Comenius] das Erlernen der Sprache der Nachbarvölker um der Völkerverständigung und um der praktischen Anwendung willen ein Anliegen.“ (Bauer 2006, o. S.) Dank der politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Bedeutung Frankreichs wird Französisch im 17. und 18. Jahrhundert europäische lingua franca. 62 G e schicht e und G eG enwart de s F re mdspr achenunt errichts Die der Reformation folgenden Religionskriege und Flüchtlingsbewegungen, aber auch höfische Kontakte und schließlich die religionskritische, wissenschaftsorientierte Aufklärung des 18. Jahrhunderts brachten die französische Sprache auch nach Deutschland. An den Ritterakademien waren Sprachen für Angehörige des Adels Teil der höfischen Bildung. Die jungen Männer wurden in diesen weltlichen Einrichtungen in Geographie und Fechten, aber auch in Französisch, Italienisch, Spanisch, Russisch, später auch Englisch unterrichtet. Sie hatten ein ganz pragmatisches Interesse am Sprachenlernen, denn sie brauchten Sprachen für ihre Reise- und Studienaufenthalte. Entsprechend zeichnete sich der Unterricht durch Alltagssprachlichkeit, Situativität und Mündlichkeit aus und wurde überwiegend von muttersprachlichen Sprachmeistern erteilt. An den städtischen Bürgerschulen gewann um 1750, mit dem Beginn der Industriellen Revolution, das Englische an Bedeutung. Schon früh sind mit dem Erlernen des Französischen andere Ziele verbunden als mit dem Erlernen des Englischen: Den Lernern des Französischen ging es primär um den Eintritt in die vorbildliche Hofgesellschaft mit all ihren modischen Ausprägungen. Den Lernern des Englischen ging es entweder um die Beschäftigung mit englischer Literatur und Philosophie, die beide nunmehr auf den Kontinent drängten; oder es ging ihnen um direkte Kontakte mit Engländern zumeist auf den Britischen Inseln selbst, und zwar im Interesse geschäftlicher Beziehungen. […] Methodisch war allen das Übersetzen und das Gespräch als die beiden zentralen Übungsformen gemeinsam. (Hüllen 2005: 66) Abb. 4.4 Die Einleitung zu Comenii Orbis Sensualium Pictus (1658) Ritterakademien Industrielle Revolution Einheit 4 63 e nt w Icklungen Im 19. J a hrhunD ert Zusammenfassend und verallgemeinernd lässt sich sagen: „Bis zum Ende des 18. Jahrhunderts ist der Unterricht in den neueren Sprachen eindeutig utilitaristisch ausgerichtet, folgt wirtschaftlichen oder diplomatischen Interessen und wird vorrangig von ausländischen Sprachmeistern erteilt.“ (Lehberger 2007: 612) Entwicklungen im 19. Jahrhundert Um 1800 begann in der Folge von Reformation, Aufklärung, Französischer Revolution und Industrialisierung eine Neugestaltung des Schulwesens. Sie war für die bürgerlich-kapitalistische Wirtschaftsform ökonomisch notwendig, zugleich auch Ausdruck der Vernunft- und Fortschrittseuphorie des erstarkenden Bürgertums und des steigenden staatlichen Interesses an nationaler Identitätsbildung. Schule geriet in ein enges Abhängigkeitsverhältnis von Gesellschaft und Staat und war umgekehrt ein Pfeiler des Nationalstaats. Jetzt wurden entscheidende Weichen für das moderne Bildungswesen gestellt. In staatlichen Schulen wird von nun an staatlich geprüft und die Lehrerbildung für die Gymnasien kommt unter staatliche Aufsicht. Bildung wird zur öffentlichen Angelegenheit und der Einfluss der Kirche geht zurück. Auch das Erziehungsmonopol der Familie wird durch die staatliche Unterrichtspflicht reduziert. Das moderne Bildungswesen entwickelt in dieser Zeit seine bis heute tragenden Eckpfeiler: „Staatlichkeit, Professionalität und Allgemeinheit“ (Terhart 1997: 140). Im Laufe des 19. Jahrhunderts steigt die Teilhabe breiter Bevölkerungsschichten am Bildungswesen, so dass seit dem Ende des Jahrhunderts praktisch alle Kinder in Deutschland eine Schule besuchen. Andererseits festigt das 19. Jahrhundert auch fundamentale Bildungsungerechtigkeiten, denn in dieser Zeit entsteht das dreigliedrige ständische Schulsystem mit Volksschule, Realschule und Gymnasium, das Kindern je nach ihrer Herkunft Bildungsprivilegien zuteilt oder vorenthält. Die Fremdsprachen spielen dabei eine wichtige Rolle. Weichenstellungen für den modernen Fremdsprachenunterricht im 19.-Jahrhundert Während Fremdsprachen an Volksschulen nicht gelehrt wurden, spielten sie eine entscheidende Rolle im Gymnasium, das einer kleinen Elite aus Adel und gehobenem Bürgertum vorbehalten war und ihr einflussreiche Positionen sicherte. Dieser Schultyp war der Hort der alten Sprachen, denn nur wer Latein und Griechisch gelernt hatte, durfte das Abitur machen. Eine wichtige Rolle spielte dabei Wilhelm v. Humboldts neuhumanistische Bildungsreform, die er während seiner kurzen Amtszeit als Kultusminister (1809/ 10) im nach-napoleonischen Preußen auf den Weg brachte. Ihm zupragmatischer Sprachunterricht 4.2 bürgerlich-kapitalistische Wirtschaftsform „Staatlichkeit, Professionalität und Allgemeinheit“ dreigliedriges ständisches Schulsystem 4.2.1 Volksschule Gymnasium neuhumanistische Bildungsreform 64 G e schicht e und G eG enwart de s F re mdspr achenunt errichts Abb. 4.5 Wilhelm von Humboldt (1767-1835) Realschulen als Wiege des neusprachlichen Unterrichts Sozialprestige der Alten Sprachen Dominanz des Französischen Vormarsch des Englischen Sprachena als Waffen folge hatte das Studium der Sprachen und Literaturen des Altertums einen Bildungswert, der praktischen Ausbildungsgängen fehlte. Bildung, das war die Herausbildung von Tugend, Wissen, ästhetischem Feinempfinden, Moral. Obwohl Humboldt sich für eine breite Bildung einsetzte, war er letztlich doch mitverantwortlich für das hierarchisch-dreigliedrige Schulwesen, weil das, was er unter Allgemeinbildung verstand, unter den herrschenden ökonomischen Bedingungen nur einer kleinen, privilegierten Schicht zugänglich war. Neben dem (neu-)humanistischen Gymnasium entstand aber in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts noch eine andere höhere Schulform: die Realschule, die vor allem Mathematik, Naturwissenschaft und Technik anbot und moderne Sprachen einbezog. Die Entwicklung des neusprachlichen Unterrichts ist aufs Engste mit der Entstehung der Realschulen und ihrem Kampf um Anerkennung und Gleichberechtigung verbunden, der das 19. Jahrhundert durchzog. Im Jahre 1900 wurden die Abschlüsse des Realgymnasiums mit denen des Gymnasiums gleichgestellt. Aus den Realgymnasien entwickelten sich dann in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts die Neusprachlichen und aus den Oberrealschulen die Mathematisch-Naturwissenschaftlichen Gymnasien (vgl. Schröder 1984: 21). Im 19. Jahrhundert blieb das Sozialprestige der Alten Sprachen dem der Neueren noch weit überlegen. In einer Lehrwerksrezension aus dem Jahre 1839 heißt es zu den Neueren Sprachen: „… wenn sie sich als Gymnasialgegenstand, wenn auch nur von untergeordnetem Range, behaupten sollen, … so muß jede Bedeutung für das Leben ganz zurücktreten.“ (Zit. bei Schröder 1984: 18 f.) Kennzeichnend für das Jahrhundert ist somit die noch nachrangige Position der neuen Sprachen, die Dominanz des Französischen und der Vormarsch des Englischen. Die Realschulen müssen als Gegenleistung für ihre Beförderung zu Realgymnasien vermehrt Lateinunterricht anbieten. In der nach-napoleonischen Zeit verlor das zuvor angesehene, höfisch aufgewertete Französisch an Geltung, war 1813 zur Feindsprache geworden und drei Jahre später sogar „an den preußischen Gymnasien als öffentlicher Lehrgegenstand verboten“ (Schröder 1984: 18). Dem Englischen wurde nun mehr Wohlwollen entgegengebracht (vgl. ebd.: 19 f.). Schröder zitiert die Äußerung eines altphilologischen Gymnasialdirektors von 1832: Auch dürfte es ratsamer sein, den Franzosen in Zukunft Kanonen und Bajonette entgegen zu senden, als unsere Schüler und unsere Töchter [sic! ] durch Erlernen des Französischen auf einen liebreichen Empfang der Sieger vorzubereiten. Wie eng das Sprachenlernen mit Politik verbunden ist, lässt sich auch daran erkennen, dass in der Kaiserzeit „the strongest argument for teaching English in schools was that it was needed for the German navy to operate in the whole Einheit 4 65 e nt w Icklungen Im 19. J a hrhunD ert Grammatik-Übersetzungs-Methode Bildung versus Anwendung 4.2.2 Reformpädagogik Berlitz-Schulen Association Phonétique Internationale world“ (Hüllen 2007: 15). Aber erst nach dem ersten Weltkrieg beginnt - um im kriegerischen Bild zu bleiben - der Siegeszug des Englischen unter den Neueren Sprachen. Der Kampf um Anerkennung hatte nachhaltige Spuren im neusprachlichen Unterrichtsverständnis hinterlassen. Seit Beginn des 19. Jahrhunderts war er von einer unterrichtsmethodischen Anpassung an die altphilologischen Fächer mit ihrer Grammatik-Übersetzungs-Methode (s. Einheit 6) begleitet worden. Einflussreiche Verfasser entsprechender Grammatiken waren z. B. Valentin Meidinger, Johann Heinrich Philipp Seidenstücker und Karl Joseph Plötz. Der Lernende befaßt sich zunächst in quasi-abstrakter Form mit dem grammatischen Regelwerk, dem nach Auffassung der Zeitgenossen auch die formalbildende Kraft (Logik, Systematik, Historizität) innewohnt. Erst wenn die grammatischen Regeln ‚sitzen‘, das heißt auswendig gelernt sind, wendet er das neuerworbene Wissen auf Sprachproben (unzusammenhängende Übungssätze oder aber kleine zusammenhängende Texte) an, die auf deutsch vorgegeben sind. (Schröder 1984: 23) Die Akzeptanz der Neueren Sprachen wurde mit der Übernahme der im und für den altsprachlichen Unterricht entwickelten Grammatik-Übersetzungs-Methode (s. Einheit 6) erkauft, so dass sich im Höheren Schulwesen der Unterricht in den modernen Sprachen dem in den alten annäherte, damit auch sie dem Selbstveredlungsbestreben und der so verstandenen Allgemeinbildung dienen konnten. Bildungs- und Anwendungsbezug blieben zwei unversöhnliche Kategorien. Methodenreform zur Jahrhundertwende Im letzten Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts entwickelte sich Widerstand gegen die neuhumanistische Abwertung des Anwendbaren. Flankiert wurde dieser Widerstand von der Reformpädagogik, aber auch von sprachspezifischen Innovationen. 1878 waren die Berlitz-Schulen gegründet worden, die außerschulische Möglichkeiten des Sprachenlernens mit native speakers nach einer eigenen Methode boten, welche einsprachig-fremdsprachlichen Unterricht mit dem Vorrang des Mündlichen verband und ohne formale Unterweisung in Grammatik auskam. Wenig später, 1886, entstand die Association Phonétique Internationale (den Namen gab sich die Gruppe erst 1897), die das Ziel verfolgte, eine Lautschrift für Fremdsprachenlernende zu entwickeln. Beide Neugründungen sind ein Zeichen für das breite Interesse an den neuen Sprachen und an Mündlichkeit. Die fremdsprachliche Reformbewegung konnte sich also im Einklang mit dem Zeitgeist fühlen. Wilhelm Viëtor, ein Marburger Anglist, Phonetiker und Linguist, gilt als einer der einflussreichsten Reformer. 1882 verfasste er - zunächst unter dem 66 G e schicht e und G eG enwart de s F re mdspr achenunt errichts Der Sprachunterricht muss umkehren! Abb. 4.6 Wilhelm Viëtor (1850-1918) Direkte Methode Sprachkönnen Sprachwissen mündliche Ausdrucksfähigkeit 4.2.3 Pseudonym Quousque tandem? (Wie lange noch? ) - ein Pamphlet, in dem er auf die Überbürdung der Schülerschaft mit leerem Sprachwissen hinweist und fordert: Der Sprachunterricht muss umkehren! Diese Schrift gilt als Manifest der Reformbewegung im Bereich des Fremdsprachenunterrichts und „leitete eine grundsätzliche Neuorientierung des Englisch- und Französischunterrichts ein, indem sie nicht nur an die beherrschende Stellung der grammatischen Methode rührte, sondern darüber hinaus auch die gültige Hierarchie der Bildungswerte in Frage stellte“ (v. Walter 1980: 182). Viëtor, der als Lehrer in England gearbeitet hatte, u. a. an einer Höheren Mädchenschule tätig gewesen war und später Professor für englische Philologie in Marburg wurde, entwarf ein Konzept, das als Direkte Methode in die Geschichte des Fremdsprachenunterrichts einging. Streng genommen handelt es sich bei der Direkten Methode gar nicht um eine Methode, sondern um zwei Grundsätze, nämlich dass Fremdsprachen direkt, d. h. ohne Umweg über eine andere Sprache, gelehrt werden sollten und Übersetzung deshalb keine zentrale Rolle mehr spielen dürfe, und dass Sprachunterricht anschaulich sein müsse. Ziele des Sprachunterrichts seien Sprachkönnen, nicht (nur) Sprachwissen, und mündliche Ausdrucksfähigkeit einschließlich einer akzeptablen Aussprache. Und der Weg zu diesem Ziel sei der Gebrauch. Viëtor war kein grundsätzlicher Gegner formaler Bildung, aber er sah nicht ein, warum nur die alten Sprachen bildungswirksam sein sollten: „Es wäre weit besser, wir füllten unsere Köpfe mit Dingen an, die uns im späteren Leben von praktischem Nutzen sein und zugleich die formale Bildung übermitteln könnten, von der man so viel reden hört.“ (Viëtor 3. Aufl. 1905: 139, in Schröder 1984: 72) Zu den „Dingen von praktischem Nutzen“, zählten die Reformbewegten nicht die schöne Literatur, sondern Daten- und Faktenwissen über diejenigen, deren Sprache gelernt wurde, also die Realienkunde, und die Fähigkeit, die Sprache für den Erwerb dieses Wissens und die lebendige Kommunikation zu gebrauchen. Insgesamt war die Blütezeit der neusprachlichen Reformbewegung, die noch die erste Dekade des 20. Jahrhunderts betraf, kurz - Rülcker spricht von einer „Minimalreform“ (1969, zit. in Hüllen 2005: 107). An ihr zeigt sich aber exemplarisch, dass die Geschichte des Fremdsprachenunterrichts keine geradlinige Fortschrittsgeschichte ist, sondern eine Geschichte kontinuierlicher bildungspolitscher Auseinandersetzungen. Fremdsprachenunterricht und Geschlechterverhältnisse Seit dem frühen 12. Jahrhundert sind Spuren des gendering von Sprachenlernen nachgewiesen (vgl. Haas 2007). Der Begriff Muttersprache (lingua materna) entstand damals, umfasste die lebendigen, von Frauen vermittel- Einheit 4 67 F re mDspr achenunt errIcht Im 20. J a hrhunD ert Konversation als distinktives Merkmal weiblicher Bildung 4.3 demokratisches Schulwesen uneingelöstes Versprechen 4.3.1 Kompromiss zwischen Direkter und Grammatik-Übersetzungs-Methode Kulturkunde ten Sprachen in den weit verbreiteten mehrsprachigen Milieus und war der Kontrastbegriff zum akademischen Latein (vgl. Haas 2007: 32). „The language dichotomy and the prestige of Latin learning were heavily gendered.“ (Ebd.: 35) Die Tradition des neusprachlichen Unterrichtens durch Frauen setzte sich im 19. Jahrhundert an den privaten Höheren Mädchenschulen fort. Dort gehörten fremdsprachliche Konversation und Lektüre zum Unterricht, der von native speakers erteilt wurde und distinktives Element weiblicher Bildung war. Französisch überwog gegenüber dem Englischen, der Gegenspieler beider war auch hier das ‚männliche‘, akademische Latein. Verbindungslinien zum modernen Fremdsprachenunterricht sind unübersehbar. Betrachtet man die weibliche Tradition des Unterrichts genauer, so drängen sich solche Vergleiche mit heutigen Konzepten des fremdsprachlichen Unterrichts, wie beispielsweise Kommunikationsorientierung oder bilingualer Sachfachunterricht, geradezu auf. Dies allein dürfte […] für die Modernität des weiblichen Fremdsprachenunterrichts bereits vor der Neusprachlichen Reformbewegung sprechen. (Doff 2002: 401) Um 1908 wurden die bisher nichtstaatlichen höheren Mädchenschulen zu Höheren Lehranstalten - unter der Bedingung, dass zwei Fremdsprachen unterrichtet wurden, meist Französisch und Englisch. Fremdsprachenunterricht im 20. Jahrhundert Nach dem Ersten Weltkrieg wurde in der Weimarer Reichsverfassung der Versuch unternommen, ein demokratisches Schulwesen zu installieren. Was davon blieb, war eine gemeinsame vierjährige Volksschule. Das System aus wenigen gemeinsamen Lernjahren (wenn man von sonderpädagogischen Einrichtungen mit ihrer durchgreifenden Segregation absieht), gefolgt von einem streng dreigliedrigen Schulwesen aus Volksschulen, Realschulen, Gymnasien, spiegelte gesellschaftliche Machtstrukturen. Die Durchlässigkeit der sozialen Schichten blieb in Gesellschaft wie Schule ein uneingelöstes Versprechen. Die Rechte der Kirchen wurden zurückgedrängt, aber es gab nach wie vor konfessionell getrennte Schulen. Leitziel Kulturkunde In den Nachwehen des Ersten Weltkriegs geriet auch das Bildungswesen in die Kritik, u. a. der Pragmatismus und die Daten- und Faktenorientierung der Reformbewegung mit ihrer Realienkunde. Auf der Ebene der Methode einigte man sich auf einen Kompromiss zwischen Direkter und Grammatik-Übersetzungs-Methode, aber auf der Inhaltsebene wurde nach einem übergeordneten Ziel gesucht. Hans Richert veröffentlichte 1920 einen Gegenentwurf, den er Kulturkunde nannte und 1925 als Ministerialrat im Preußischen Ministerium 68 G e schicht e und G eG enwart de s F re mdspr achenunt errichts Stiftung nationaler Gemeinschaft und Identität kulturkundliche Folientheorie des Fremdsprachenunterrichts widersprüchliche Auslegungen für Wissenschaft, Kunst und Volksbildung in Richtlinien goss. „Der Generalnenner seiner Diagnose ist“, so Hüllen (2005: 110), dass die geistige Verfassung des deutschen Volkes nach 1870 weit hinter seiner staatlichen Einheit zurückgeblieben sei. Der nationalen Form entspreche kein nationaler Geist. […] Faktenwissen könne nicht sinn- und gemeinschaftsstiftend wirken, aber genau das sei die Aufgabe der Erziehung. Deshalb müsse in den Schulen quer durch die Fächer hindurch Kulturkunde gelehrt werden […]. Seit 1870 waren zahlreiche Schriftsteller bemüht, die politische Einheit kulturell zu fundieren und die Nation zum Motor geistiger Entwicklung zu erklären. Nicht das schöpferische Individuum bringe Kultur hervor, sondern die Nation. Gelingt es uns, die charakterologische Struktur der Völker zu erfassen, mit denen unsere geistige und materielle Existenz uns in erster Linie verknüpft, so gewinnen wir nicht nur einen Einblick in das Weltgetriebe, dem wir auf Gedeih und Verderb ausgeliefert sind, sondern wir kommen auch in die Lage, auf Grund unseres Wissens um Stärke und Schwäche, um Bedürfnisse und Lebenstriebe jener anderen unser eigenes Verhalten so einzurichten, daß aus dem Zusammenspiel dieser Faktoren das für uns wünschenswerte Ergebnis herausspringt. (Litt 1926: 157) Zur Stiftung nationaler Gemeinschaft und Identität eignete sich der Kulturkunde zufolge vor allem der Deutschunterricht. Der Fremdsprachenunterricht war indirekt relevant. Der Fremdsprachenunterricht konnte, so die kulturkundliche Auffassung, einen Beitrag zur sogenannten Deutschtumskunde leisten, wenn er die fremde Nation als Folie für die eigene darstellte und vor deren Hintergrund das Gleichartige und das Andersartige der eigenen Nation herausarbeiten würde. Es mag auf den ersten Blick absurd wirken, dass der Fremdsprachenunterricht Deutschkunde betreiben sollte, aber völlig abwegig ist eine solche indirekte Denkfigur auch in der heutigen Fremdsprachendidaktik nicht: In der interkulturellen Debatte wird die Begegnung mit dem Fremden, Anderen ebenfalls als Weg betrachtet, sich (auch) über die eigene Identität Klarheit zu verschaffen. Die Kulturkunde war ein Denkmodell, das offen für widersprüchliche Auslegungen war. Sie war einerseits national orientiert und hing der unhaltbaren, ja gefährlichen Idee von der Einheit der Nation und des Volkscharakters an. Andererseits gab es Stimmen, die die Nation in ihrem westeuropäischen Kontext sahen und sich im Sinne von Völkerverständigung und Pazifismus äußerten, ohne freilich den globalen Kontext der Kolonialisierung einzubeziehen. Einheit 4 69 F re mDspr achenunt errIcht Im 20. J a hrhunD ert 4.3.2 Reichsrichtlinien zugunsten des Englischen Definition Wesenskunde Fremdsprachenunterricht im Nationalsozialismus Die erziehungspolitischen Vorstellungen der nationalsozialistischen Herrschaft sind schnell skizziert. Geschichte stellte sich darin als Geschichte von ‚Rassen‘ dar, bei denen die höherwertige die niedrigere bezwingt. Urtyp des Menschen war der Arier, der überlegen, aber deshalb auch angefeindet und bedroht ist und Krieg für den Fortbestand der höherwertigen ‚Rasse‘ führt. Arische Erziehungsziele sind die Bildung lebenstüchtiger, starker Eliten, Rassereinerhaltung, Treue, Opferbereitschaft, Heldentum, Patriotismus. Körperliche Ertüchtigung und rechte Gesinnung waren oberste Ziele, Intellektualität rief Skepsis hervor. Nachdem in den 1920er Jahren noch eine gewisse Bandbreite moderner Sprachen an deutschen Schulen gelehrt worden war, war Anfang der 1930er- Jahre der Vorrang des Französischen festgelegt worden. Dieser Beschluss wurde 1938 in den Reichsrichtlinien zugunsten des Englischen aufgehoben (zu der nationalsozialistischen Debatte um die romanischen Schulsprachen s. Reinfried 2013). Das Bündnisstreben mit dem ‚arischen Brudervolk‘ war ausschlaggebend für die neue Sprachenfolge an Höheren Schulen: Englisch - Latein - Wahlbereich Französisch/ Italienisch/ Spanisch. Auch an Realschulen war Englisch erste Fremdsprache. An humanistischen Gymnasien sanken die Schülerzahlen. England wurde für das Empire und die Rassenpolitik in den Kolonien bewundert, Frankreich erschien dagegen als ‚Mischkultur‘ und Feindvolk. Insgesamt nahm das Interesse am Sprachunterricht zugunsten wehrpolitisch relevanter Fächer ab, zeitweise wurde sogar an Abschaffung gedacht. Die neuphilologischen Interessenverbände dienten sich an, indem sie die nationalistischen Elemente des Fremdsprachenunterrichts und die Bedeutung fremder Sprachen für erfolgreiches Weltmachtstreben, für Kolonialherrschaft und Auslandspropaganda betonten. Wesenskunde: In recht problemlosem Anschluss an nationale Elemente der Kulturkunde wurde das Konzept der Wesenskunde vertreten. Durch Vergleiche mit anderen Nationen sollte das Wesen der eigenen Nation in hellstem Licht erscheinen. Gelegentlich wurden in Lektüren und Sprachzeitschriften der englische Faschismus, das Auslandsdeutschtum und Hitler zelebriert. Auch in Lehrbüchern des Anfangsunterrichts fanden sich solche Elemente, etwa in dem Lehrbuch Englisch für die deutsche Jugend von 1937, das von ungeteilter deutsch-englischer Begeisterung für den Nationalsozialismus ausgeht. Das positive Bild Englands in den Reichslehrplänen von 1938 ändert sich, als nach dem Überfall auf Polen England Deutschland und 1941 Deutschland den USA den Krieg erklären. Die Lektüren und Oberstufenlehrbücher schalten um, schreiben nun abfällig über die unworking aristocracy und bezeichnen 70 G e schicht e und G eG enwart de s F re mdspr achenunt errichts die britische Kriegserklärung als Ausdruck jüdischer Verschwörung. Die Umstellung der noch englandfreundlichen Mittelstufenlehrbücher zieht sich so lange hin, dass sie noch benutzt werden, als England längst Kriegsgegner war. Nach der Wahl Hitlers hatten sofort große ‚Säuberungsaktionen‘ eingesetzt, auch unter den Schüler/ innen und Lehrer/ innen. Das Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums von 1933 schloss ‚nichtarische‘ Menschen vom Beamtentum und damit vom Lehrberuf aus. Der Deutsche Philologenverband zog mit und entfernte seit April 1933 ‚nichtarische‘ Kolleg/ innen aus den eigenen Reihen (vgl. Lehberger 1986: 48). Neuorientierungen nach 1945 Werner Hüllen hat für seine Rekonstruktion des Fremdsprachenunterrichts in der Bundesrepublik nach 1945 als Überschrift gewählt: „Kein Neubeginn“ (2005: 131, ähnlich Kolb 2013). Das ist insofern zutreffend, als man in der Nachkriegszeit zunächst auf Ansätze der Zeit vor 1933 zurückgriff, sowohl in der SBZ/ DDR als auch in den drei westlichen Besatzungszonen und dann der BRD. Das Sprachenangebot regelten die Alliierten: In den Besatzungszonen wurde die Sprache der jeweiligen Besatzungsmacht erste Fremdsprache. Im Schulsystem der DDR folgte der restaurativen Phase rasch eine „Revolution von oben“ (Herrlitz et al. 2005: 200 in Kolb 2013: 80). In der zunächst acht Jahre währenden Einheitsschule für alle war Russisch erste Fremdsprache. Die sich anschließende vierjährige Oberstufe bot je nach Schwerpunkt zwischen zwei und vier Jahren Sprachunterricht in Englisch oder Französisch. Nur wenige Schulen boten Englisch oder Französisch als erste Fremdsprache an; Abb. 4.7 Englisch unter dem Hakenkreuz 4.3.3 „Kein Neubeginn“ DDR Einheit 4 71 F re mDspr achenunt errIcht Im 20. J a hrhunD ert Hauptaugenmerk der staatlichen Stellen weiter auf Russisch Bundesrepublik wenn doch, dann war Russisch obligatorische zweite. Äußerst selten wurden Spanisch, Tschechisch und Sorbisch angeboten. Der Sprachunterricht wurde ausgesprochen häufig an der Universität fortgesetzt. Ab 1959 wurde die gemeinsame Schulzeit auf zehn Jahre aufgestockt, mit sich anschließender zweijähriger Abiturphase. In diesen neuen zehnjährigen Polytechnischen Oberschulen (POS) blieb Russisch erste Fremdsprache; Englisch und Französisch wurden fakultativ. „Diese Aufwertung änderte jedoch nichts daran, dass das Hauptaugenmerk der staatlichen Stellen weiter auf Russisch gerichtet war, das als erste obligatorische Fremdsprache im Durchschnitt von 75% der Schüler in der DDR gelernt werden sollte, wohingegen das angestrebte Quantum für Englisch (15 %) wie für Französisch (10 %) bescheiden blieb,“ schreibt Ulrich Pfeil (2007) in seiner Untersuchung zum Französischunterricht in der DDR, und er nennt Zahlen, die das Ungleichgewicht zwischen den beiden fakultativen Sprachen deutlich machen, aber auch zeigen, dass sich immer mehr Schüler/ innen für die westlichen Sprachen interessierten: War das Verhältnis bereits 1966/ 67 (Englisch: 31,9 %/ Französisch: 1 %) unausgewogen, verschob es sich bis 1975/ 76 noch weiter zugunsten des Englischen (Englisch: 56,7 %/ Französisch: 4,5 %). Absolut gesehen stieg die Zahl der Französischlerner in den Klassen 7-10 der POS in der gesamten DDR von 4.166 Schülern im Schuljahr 1966/ 67 über 11.557 (1970/ 71) auf 23.668 im Jahr 1973/ 74. Das Wahlverhalten wurde mit Skepsis betrachtet, denn Englisch war die Sprache des Klassenfeindes und des Kapitalismus und stellte eine „Gefährdung“ dar, mit der im eigenen Interesse auch von Seiten der Romanistik argumentiert wurde (vgl. Pfeil 2007). In den 1980er Jahren wurde die zentrale Steuerung des Fremdsprachenangebots gelockert. Nach der Wende verlor dann die Hauptsprache Russisch schlagartig an Boden und wurde meistens durch Englisch ersetzt. In der Bundesrepublik bestand nach 1949 schulpolitisch eine unklare Lage. Zum Zweck der Vereinheitlichung wurde die Kultusministerkonferenz gegründet. Eine Reihe von Abkommen der Ministerpräsidenten der Länder sollte für mehr Transparenz sorgen, zwei mit nachhaltigem Einfluss (vgl. Christ 1980: 213): (1) das Düsseldorfer Abkommen von 1954/ 5: � Englisch soll in der Regel erste Fremdsprache sein. � Neusprachliche und mathematische Gymnasien bieten Englisch ab Klasse 5, Französisch oder Latein ab Klasse 7 an. � Humanistische Gymnasien bieten Latein ab Klasse 5, eine neuere Fremdsprache ab Klasse 7 und Griechisch ab Klasse 8 oder 9 an. (2) das Hamburger Abkommen von 1964: � Englisch oder Latein werden für Klasse 5 bis 10 erste Pflichtfremdsprache. 72 G e schicht e und G eG enwart de s F re mdspr achenunt errichts Hamburger Abkommen � Die zweite Fremdsprache beginnt ab Kl. 7, die dritte Pflicht- oder Wahlfremdsprache ab Kl. 8 oder 9. � Für Real- und Hauptschulen ist eine Fremdsprache Pflicht, in der Regel Englisch. Die Vorrangstellung des Englischen wird immer deutlicher, auch wenn die von einigen Bundesländern kritisierte Festlegung auf Englisch 1971 aufgehoben wird und theoretisch jede Sprache erste Fremdsprache sein kann. Immerhin war das ständische Privileg des Fremdsprachenlernens angetastet worden. Die Gründe dafür haben wir in der ersten Einheit schon erläutert: Der Erfolg der Sowjetunion in der Raumfahrt löste den sog. Sputnik-Schock aus, der die Selbstwahrnehmung Deutschlands etwa so stark erschütterte wie die PISA-Ergebnisse 40 Jahre später. Die westliche Welt stand plötzlich im Vergleich zur Sowjetunion als rückständig da und sah sich zu Reformen des Bildungswesens genötigt. Ziel der ‚Bildungsoffensive‘ seit Mitte der 1960er- Jahre bis in die 1970er Jahre war es, bisher ausgeschlossene Kreise der Bevölkerung- - vor allem Mädchen, Kinder aus der Landbevölkerung und katholische Kinder- - in das höhere Bildungswesen zu integrieren. Eine der Maßnahmen war eben auch die im Hamburger Abkommen festgelegte Verpflichtung zum Erlernen von mindestens einer Fremdsprache für alle, denn fehlende Fremdsprachenkenntnisse waren einer der Faktoren, die der Durchlässigkeit zwischen den Schulformen im Wege standen. Didaktischmethodisch vollzieht sich in dieser Zeit eine Neuorientierung auf das bis heute gültige Leitziel Kommunikative Kompetenz hin (s. Einheit 6). Die hohen Erwartungen an die Bildungsreform erfüllten sich nicht. Die Gliedrigkeit blieb trotz der Gesamtschulen beharrlich bestehen, Bildungsgerechtigkeit blieb aus. Trotz formaler Durchlässigkeit wurde die Hauptschule zur Sackgasse. Auch der 1972 beschlossene Umbau der gymnasialen Oberstufe zum Kurssystem mit Wahlmöglichkeiten brachte kaum die erhoffte Diversifikation des Sprachenangebots. Seit den 1960er Jahren veränderte sich die Sprachenlandschaft an Schulen in Deutschland durch die Arbeitsmigration erheblich. Fremdsprachendidaktik und Fremdsprachenunterricht ignorierten lange die unterschiedlichen sprachlichen Voraussetzungen der Schüler/ innen, wie sie sich überhaupt mit Heterogenitäten aller Art (Herkunft, Leistung, Vorwissen, Interessen, Unterstützungsbedarf usw.) schwer tun. Migration, Europäische Vereinigung und Internationalisierung führen seit den 1990er Jahren zu tiefgreifenden Veränderungen der fremdsprachlichen Bildung: Der Fremdsprachenunterricht wird auf die Primarstufe vorverlegt, der sog. Bilinguale Unterricht eingeführt und die Bildungspolitik von europäischen Abstimmungen geprägt (zu diesem letzten Punkt s. Einheit 5). Einheit 4 73 F re mDspr achenunt errIcht Im 20. J a hrhunD ert Initiative Fremdsprachlicher Frühbeginn Die Vorverlegung des Fremdsprachenunterrichts in die Grundschule ist inzwischen flächendeckend erfolgt. Bereits im Verlauf der 1990er Jahre gab es Vorstöße in diese Richtung, auch nachhaltige, sie blieben aber von begrenzter Reichweite. Dauerhaft, aber in der Reichweite ebenfalls begrenzt, war der Frühbeginn an den 1919 gegründeten Waldorfschulen, in denen die Schüler/ innen von Schulbeginn an zwei moderne Fremdsprachen lernen (Jaffke 1994: 6), in der Regel Englisch und Französisch. Das Hineinwachsen in andere Sprachwelten und die Verständigung zwischen den Völkern sind ausschlaggebende Ziele. Als die während der nationalsozialistischen Zeit verbotenen Waldorfschulen 1945 ihre Arbeit wieder aufnehmen, wird auch Russisch Teil des Sprachenangebots, nicht nur im Sinne der Völkerverständigung, sondern auch, weil das Russische als „junge Sprache“ über einen besonders großen Formen- und Phonemreichtum verfügt (vgl. Jaffke 1998: 28 f.). Beim Lernen von Fremdsprachen orientiert man sich am Erwerb der Erstsprache. Ein Kleinkind, so der Standpunkt der Waldorfpädagogik, erlernt seine erste Sprache spielerisch und nachahmend, und so soll auch bei der Fremdsprache verfahren werden. Charakteristisch für den Unterricht ist die Eurythmie, eine waldorftypische lernbegleitende Bewegungsform. Das mit Körperbewegungen verbundene Sprechen komme nicht nur dem Bewegungsdrang der Kinder entgegen, sondern unterstütze auch das Gedächtnis. Sprechen und Handeln sollen auf lebendige Weise miteinander verknüpft sein. Das Lehrbuch ist deshalb kein Leitmedium in der Waldorfpädagogik. Auch das isolierte Wörter- und Strukturenlernen lehnt diese ab und lässt Schrift und Grammatikunterricht erst etwa ab Klasse 4 hinzutreten. Auch im Regelschulwesen gab es schon in der Weimarer Zeit und dann erneut in den 1950er Jahren Versuche, frühes Fremdsprachenlernen einzuführen. Nachhaltig war der sog. Erweiterte Russischunterricht ab Klasse-3 in der DDR, der 1952 eingerichtet wurde und bis 1990 verankert blieb. Erst in den 1960/ 70er Jahren kam es zu einer größeren Anstrengung in der Bundesrepublik, und zwar im Rahmen der Bildungsreform nach dem Sputnik-Schock (s.- oben). In einigen Bundesländern wurden lokal begrenzte und wissenschaftlich begleitete Pilotprojekte durchgeführt. Der Fremdsprachenunterricht begann in Klasse 3, weil man annahm, dass zu diesem Zeitpunkt der Schriftspracherwerb Deutsch bei den Kindern im Wesentlichen vollzogen sei. Ziel der Schulversuche war es zu prüfen, ob die Sprachkompetenz der früher Beginnenden den regelhaft Beginnenden überlegen sei. Obwohl die Begleitforschung vor allem in Niedersachsen (Doyé, Lüttke 1977) und in Hessen (Gompf 1975) positive Auswirkungen attestierte, wurden mit der Ausnahme von Hessen und Berlin nur wenige Versuche dauerhaft fortgeführt. Eine neue, tragfähigere Ausgangslage ergab sich Ende der 1980er/ Anfang der 1990er Jahre. Die drei dafür relevanten Veränderungen wurden eingangs 4.3.4 spielerisch und nachahmend Eurhythmie erweiterter Russischunterricht ab Klasse 3 Schulversuche 74 G e schicht e und G eG enwart de s F re mdspr achenunt errichts Streit um die Modelle Zuwanderung Begegnung mit Sprachen Europäisierung ‚Lerne die Sprache des Nachbarn‘ globalisierte Welt ‚Hamburger Modell‘ genannt: die Arbeitsmigration seit den 1960er Jahren, die Intensivierung der europäischen Kooperationen durch die Gründung der Europäischen Union- 1993 und die Internationalisierung (‚Globalisierung‘) zahlreicher Lebensbereiche. In solchen gesellschaftlichen Transformationsprozessen kommt der Frage nach der Kommunikation eine zentrale Rolle zu. Die Forderung nach mehr Sprache wurde laut und richtete sich auch an die mit einem gewissen Recht als ‚einzige Gesamtschule‘ bezeichnete Grundschule. Bei der Frage um die Gestaltung des Frühbeginns kam es zu heftigen Kontroversen. Die Vorschläge nahmen zwar alle Kindgemäßheit (zur Offenheit, Bedingtheit und Komplexität des Begriffs vgl. Brügelmann 2001; Kubanek-German 2001) für sich in Anspruch, reagierten aber jeweils auf eine andere der drei oben erwähnten gesellschaftlichen Entwicklungen und setzten damit je eigene Akzente. � Im bevölkerungs- und großstadtreichsten Nordrhein-Westfalen, in dem Arbeitsmigration aus Süd- und Osteuropa eine lange Tradition hat, spielte der Aspekt der Zuwanderung eine zentrale Rolle für die Entwicklung eines Modells, das als ‚Begegnung mit Sprachen‘ bezeichnet wurde. Die im meist urbanen Milieu gängige Heterogenität der sprachlich-kulturellen Voraussetzungen bei den Lernenden sollte vom Problem zur Ressource werden (Baur/ Chlosta 1999: 30), etwa beim Austausch über Hintergrund und Bezeichnungen von Feiertagen, beim Kennenlernen, Singen und Vergleichen von Liedern in den verschiedenen Sprachen der Schüler/ innen, beim Kennenlernen der Märchen der je anderen in deutscher Übersetzung, aber auch im Original usw. � In Baden-Württemberg war dagegen der Gedanke der Europäisierung tragend. Mit Blick auf die Chancen, die aus der unmittelbaren Nähe zu Frankreich erwuchsen, wurde hier das reziproke Konzept ‚Lerne die Sprache des Nachbarn‘ entwickelt und realisiert. Ziel war die Verständigung in konkreten, gemeinschaftlich handelnden Begegnungen mit den Abkömmlingen des ehemaligen Erbfeinds Frankreich. Eine Pilotstudie von 1986 bis 1989 verfolgte zunächst die Anfänge (Pelz 1989) und von 1994 bis 1998 war das Programm erneut Gegenstand eines Forschungsprojekts (Pelz 1999). � Während in Nordrhein-Westfalen die Zuwanderung und in Baden- Württemberg die europäische Nachbarschaft Impulse waren, führte in der Hansestadt Hamburg der Gedanke der globalisierten Welt zur flächendeckenden Einführung von Englisch ab Klasse 3. Damit war das ‚Hamburger Modell‘ im Vergleich zu den beiden anderen Ansätzen am schnellsten anschlussfähig an traditionelle Strukturen in Schule und Lehrerbildung. Während das baden-württembergische Modell auch in anderen Grenzregionen adaptiert wurde, entbrannte zwischen einigen Befürworter/ innen des nordrhein-westfälischen und des Hamburger Ansatzes ein Streit, in dem unterging, dass beide Ansätze keineswegs Alternativen darstellen müssen, Einheit 4 75 F re mDspr achenunt errIcht Im 20. J a hrhunD ert sondern gewichtige Gründe für beide sprechen, und deren Integration wünschenswert wäre. Lehrgangsmodell Hamburg Begegnungsmodell Nordrhein-Westfalen Begegnungsmodell Baden-Württemberg sprachliche Ziele allgemeinpädagogische Ziele sprachliche und allgemeinpädagogische Ziele eine Sprache: Englisch Mehrsprachigkeit: lokal vorhandene Sprachen Nationalsprache jenseits der Grenze Weltsprachenorientierung Fokus Nachbarschaftssprachen einschl. der Sprachen der Migration bi-nationale Orientierung am Nachbarland eigener Lernbereich Integration in Lernbereiche Integration in Begegnungsprojekte lehrgangsorientierter Unterrichtsaufbau Schaffen von geeigneten Gelegenheiten, offener, situationsbezogener Aufbau Fokus auf Direktbegegnung in Vorbereitung, Durchführung und Auswertung Spracherwerb Sprachbewusstsein, Interesse und Freude an Heterogenität, Integration Spracherwerb, lebendige Begegnung, friedliches Zusammenleben in Europa Blickt man heute auf die immer noch vielfältige Landschaft des Grundschulunterrichts, so ist festzustellen, dass der Hamburger Weg sich vielerorts durchgesetzt hat. Das seit dem Schuljahr 2004/ 05 in allen 16 Bundesländern implementierte frühe Fremdsprachenlernen enthält in praktisch allen Ländern einsprachige Modelle und die Option oder Verpflichtung zu Englisch. Viele Lehrkräfte trauen sich zwar Englischunterricht, nicht aber eine offene Arbeit mit ihnen z. T. unbekannten Sprachen zu und sehen keine Möglichkeit, z. B. die kleinen Sprecher/ innen dieser Sprachen als Lehrexpert/ innen einzubeziehen. Forschungen zu frühem Fremdsprachenlernen waren oft von dem Wunsch geleitet, diese Innovation empirisch fundiert zu befördern und legten ihre Forschung interessegeleitet an oder interpretierten die Ergebnisse im Sinne des erhofften Ergebnisses. Helmut Sauer, durchaus kein Gegner des Frühbeginns, hält fest: Betrachtet man die Entwicklung des Fremdsprachenlernens im Grundschulalter aus der Außenperspektive, als kritischer Beobachter, der lange Zeit zu den Protagonisten des Frühbeginns gehörte, dann muss man feststellen, dass wohl über 90 % der Fachliteratur von aktiv beteiligten Lehrern, Fachdidaktikern, Schulverwaltern stammt, die fast immer ein massives Interesse am Erfolg ihrer Forschungen, ihres Unterrichts, ihrer Ideen hatten und haben. Das heißt, sie werden in Veröffentlichungen alle nur möglichen Positiva betonen, die eher negativen Aspekte vielleicht ungünstigen Rahmenbedingungen zuschreiben und bescheidene sprachliche Ergebnisse […] freundlich interpretieren. (Sauer 2000: 2) gewichtige Gründe für beide Tab. 4.1 Modelle des Frühbeginns im Vergleich Hamburger Weg vielerorts durchgesetzt Forschungen zum frühen Fremdsprachenlernen 76 G e schicht e und G eG enwart de s F re mdspr achenunt errichts Bis heute wird in Beiträgen zum frühen Fremdsprachenlernen die Komplexität der Faktoren konstatiert (zuletzt z. B. Wilden/ Porsch/ Ritter 2013: 195 f.). Die These der Überlegenheit des früheren gegenüber einem späteren Anfang konnte jedenfalls nicht schlüssig abgeleitet werden. Für Graf/ Tellmann ist ganz grundsätzlich „die Suche nach einer allgemein gültigen ‚critical period‘“-- also nach Lebensphasen bzw. ‚Zeitfenstern‘ im Lebensalter, in denen Spracherwerb am besten und leichtesten gelingt, die sich danach aber schließen - „für den Spracherwerb nicht sinnvoll, da die Wirksamkeit der individuell unterschiedlichen Umweltfaktoren eine generalisierende Beschreibung weitgehend verbietet“ (1997: 57, vgl. auch Edelenbos et al. 2006: 147, Legutke 2013: 23). Der europaweite Forschungsüberblick von Edelenbos et al. (2006: 147 ff.) fasst die vierzehn wichtigsten Einsichten zum fremdsprachlichen Frühbeginn zusammen, die in der Tabelle 4.2 in knapper Form wiedergegeben werden. 1. Frühbeginn kann das natürliche Spracherwerbspotenzial der Kinder anregen. 2. Ein früher Beginn allein ist keine Erfolgsgarantie. 3. Motivation wird nicht nur durch Spiel und Spaß, sondern auch durch intellektuelle Anstrengung und das Gefühl von Können gestärkt. 4. Eine natürliche Erwerbsfolge ist erkennbar (s. Spracherwerbstheorie des Nativismus, Einheit 2). 5. Sprachbegabung ist nicht primär angeboren, sondern entwicklungsfähig. 6. Einerseits ist Selbstvertrauen in die sprachlichen Fähigkeiten ein zuträglicher Faktor; zugleich muss die Sprachentwicklung auch gelegentlich durch Aktivitäten sprachformbezogener und inhaltlicher Korrektheit angestoßen werden. 7. Rückmeldungen sind wichtig, müssen aber nicht unbedingt von der Lehrperson ausgehen. 8. Forschungsergebnisse zeigen, dass der frühe Einbezug von Lesen und Schreiben förderlich ist. 9. Schon in der vorschulischen Phase des Kindergartens zeigt sich, dass Kinder vom Nachdenken über Sprache und ihre eigenen Sprachlernwege profitieren. 10. Geschichten spielen wegen ihrer sprachlichen und inhaltlichen Bedeutsamkeit eine wichtige Rolle für das Sprachenlernen und darüber hinaus für narrative u. a. Fähigkeiten. 11. Gesichertes Wissen über den positiven Beitrag von Unterrichtstechnologien gibt es nicht. 12. Problematische sozio-ökonomische Bedingungen des Aufwachsens können einen negativen Einfluss auf das Sprachenlernen ausüben, wenn die Schule nicht dafür sorgt, dass weniger privilegierte Schüler/ innen in vollem Umfang vom Sprachlernangebot profitieren können. 13. Der Spracherwerbsertrag ist - wenig überraschend - abhängig vom Konzept und Ziel. Hier sind die bilingualen Modelle überlegen, während die primär interkulturell und sprachintegrativen Modelle andere Lernerträge, aber den geringsten Spracherwerbsertrag erbringen. 14. Früher Fremdsprachenunterricht bedarf substanzieller Lehrerbildung und -fortbildung. Diese Zusammenschau europäischer Befunde zum Frühbeginn wirft ein Licht auf die Komplexität der Einflussfaktoren. Zu ihr gehört die mannigfaltige Heterogenität von Lerner/ innen und Lehrer/ innen und die damit zusameuropaweiter Forschungsüberblick Tab. 4.2 Der fremdsprachliche Frühbeginn - wichtigste Erkenntnisse im Überblick Komplexität der Einflussfaktoren Einheit 4 77 F re mDspr achenunt errIcht Im 20. J a hrhunD ert Elemente eines aussichtreichen frühen Fremdsprachenunterrichts menhängende Vielschichtigkeit ihrer Beziehungen untereinander: Der Faktor „co-presence“, d. h. „the mere fact that classroom language learning and teaching have to take place in the presence of others“, ist ein „key contextual factor in classroom language learning“ (Allwright 2000a: 10, vgl. auch Legutke 2013: 26). Vielfach beschrieben, aber wenig erfasst ist auch das Verhältnis von Unterrichtskommunikation und Kommunikation in außerschulischen Kontexten. Dies sind nur drei der Gemengelagen, die ‚saubere‘ Forschung erschweren bzw. zu einer Komplexitätsreduktion der Forschung führen, wie sie Legutke (ebd.: 27) an der Forschung von Pienemann (2006: 50 ff.) kritisiert. Bei vorsichtiger Auswertung des derzeitigen Wissens benötigt früher Fremdsprachenunterricht Folgendes: � eine sprachlich und spracherwerbsdiagnostisch kompetente, Geschichten erzählende, vorlesende, Lieder und Sketche einübende, spannende und ergebnisoffene Aufgaben ersinnende Lehrperson, die erklärt, berät und Rückmeldungen gibt und das Fremdsprachenangebot in inhaltlich-thematisch anregende und handlungsorientierte Kontexte einbettet; � Inputangebote für selbst gewählte und selbstständige Sprachbegegnung, z. B. CDs (ggf. in Kombination mit entsprechenden Büchern), bebilderte Sach-, Vorlese-, Bastel-, Witzbücher, Zeitschriften und Spiele, dazu Lehr- und Nachschlagewerke; � Gelegenheit, mit der neuen Sprache risikofreudig und produktiv zu experimentieren (Sambanis 2008); � Integration von Bewegung, wie sie z. B. Total Physical Response-Verfahren, action stories oder ein fremdsprachlich geführter Sportunterricht ermöglichen; � Gelegenheit, sich über sprachliche und kulturelle Hypothesen zu verständigen und dabei alle in der Lerngruppe vertretenen Sprachen einzubeziehen und unterschiedliche Spracherfahrungen zu reflektieren; � Angebote zur Begegnung mit Schrift (Reichart-Wallrabenstein 2003, Diehr/ Rymarczyk 2008, 2011); � das Angebot, sich mit dem eigenen Sprachlernprozess zu befassen und Sprachbewusstsein, Sprachlernbewusstsein und Selbsteinschätzungsfähigkeiten weiterzuentwickeln, z. B. mit Hilfe eines Sprachenportfolios (s.-Einheit 9; zur Portfolioarbeit in der Grundschule vgl. Kolb 2007, 2008, Burwitz-Melzer 2008, Rau/ Legutke 2008); � Möglichkeiten zur Arbeit in Kleingruppen, denn Studien zeigen, „dass Interaktionen, in denen Bedeutungen ausgehandelt werden, besonders lernfördernd wirken“ (Edmondson/ House 2007: 244 f.); � häufigen Sprachkontakt, denn eine kürzere tägliche Sprachbegegnung ist offenbar effektiver als eine seltenere von längerer Dauer (vgl. Rixon 2000); in sprachlicher Hinsicht sind, wenig überraschend, bilinguale Grundschulen am erfolgreichsten (s. 4.4.4.2). 78 G e schicht e und G eG enwart de s F re mdspr achenunt errichts 4.3.5 Zum Begriff Definition deutsch-französischer Kooperationsvertrag Zahl der Schulen mit bilingualem Angebot Initiative Bilingualer Unterricht Die zweite tragfähige Innovation im Fremdsprachenunterricht der Jahrtausendwende ist der sog. bilinguale Unterricht. Wie auf flächendeckender Ebene der Frühbeginn in den Grundschulen, so hat in zahlreichen weiterführenden Schulen der bilinguale Unterricht zu einem Mehr an Fremdsprachlichkeit an Schulen geführt. Der Begriff Bilingualer Unterricht ist üblich, aber irreführend, weil dieser Unterricht in der Regel nicht zweisprachig durchgeführt wird, sondern die Fremdsprache Arbeitssprache ist. Neben dem eingebürgerten Begriff werden andere Bezeichnungen genutzt, die auch auf unterschiedliche Akzentuierungen hinweisen: Sachfachunterricht im Medium einer Fremdsprache und Immersionsunterricht werden dabei insofern synonym verwendet, als sie das Mediale der Fremdsprache und das Zentrale des Fachs ebenso betonen wie die Einsprachigkeit der Unterrichtsinteraktionen. Die Bezeichnungen Contentand-Language-Integrated Learning (CLIL) bzw. Enseignement d’une Matière par l’Intégration d’une Langue Étrangère (EMILE) implizieren dagegen einen integrierten Fremdsprachen- und Sachfachunterricht. Mit dieser Integration und dem aus dem fachlich-sprachlichen Zusammenwirken erwachsenden neuen didaktischen Potenzial im Blick definiert Birte Rottmann (2006: 53): Bilingualer Unterricht ist Unterricht in einem Sachfach, der aus der Sicht der Lernenden in einer Fremdsprache geführt wird. Ziel ist dabei nicht nur der vermehrte Sprachkontakt in der Fremdsprache und das Lernen sachfachlicher Inhalte im fremdsprachlichen Medium, sondern auch das Schaffen und Nutzen spezifischer Lerngelegenheiten, die im Zusammenführen beider Komponenten sowohl das sachliche als auch das sprachliche Lernen gezielt fördern oder die durch diese Kombination erst entstehen. Die ersten Impulse für diesen Ansatz stammen aus dem deutsch-französischen Kooperationsvertrag von 1963, in dessen Folge deutsch-französische (Züge an) Gymnasien in Deutschland und Frankreich gegründet wurden. Der europäische Zusammenschluss war ein breitenwirksamer Motor für ähnliche Modelle. Auf den sprunghaften Anstieg der Zahl der Schulen mit bilingualem Angebot zu Beginn der 1990er Jahre folgte eine ununterbrochene, wenn auch nicht gleichmäßig verteilte Zunahme der Neugründungen. Gleichzeitig und mit ebenso sprunghaftem Beginn wurde Englisch Hauptsprache des Bilingualen Unterrichts (zur Entwicklung der Zahlen von Anfang an vgl. Breidbach 2007: 50 f.), während die Zahl französischer Züge stagniert (KMK 2006: 13). 1999, genau 30 Jahre nach Gründung der ersten bilingualen Schule mit Französisch in Singen, machten 366 Schulen bilinguale Angebote, 2005 waren es schon 847 (ebd.: 8). In Einzelfällen wird das Konzept im Übrigen auch mit anderen Sprachen wie Italienisch, Polnisch, Sorbisch realisiert. Einheit 4 79 F re mDspr achenunt errIcht Im 20. J a hrhunD ert organisatorisches Grundmodell Teilimmersion Bilingualer Unterricht in der Grundschule Staatliche Europaschule Berlin Insgesamt ist der bilinguale Unterricht inzwischen ein angesehener Bestandteil des Bildungsangebots an weiterführenden Schulen und „positiv selektierten Klassen“, vor allem an Gymnasien, aber auch an Real-, Gesamt- und berufsbildenden Schulen, auf die sich auch die Forschung konzentriert. An Hauptschulen ist er „bisher nur in Baden-Württemberg zu finden“, so Schwab et al. (2014), die an einer dortigen Hauptschule eine viel versprechende Langzeitstudie durchgeführt haben. Die KMK (2013) hält für den Zeitraum von 2006 und 2013 folgende Entwicklungen fest: � bilinguale Unterrichtsangebote haben auch im Bereich von Grundschulen und zum Teil in berufsbildenden Schulen zugenommen; � bilingualer Sachfachunterricht wird innerhalb der Unterrichtsangebote favorisiert; � bilinguale Module sind zunehmend curricular verankert und werden in der Mehrzahl der Länder angeboten, jedoch selten statistisch erfasst; � die Sprachenvielfalt hat sich nicht wesentlich vergrößert (Chinesisch ist neu); � die Anzahl der Sachfächer, in denen bilingual unterrichtet wird, hat zugenommen; � die Nutzung der Fremdsprache in MINT-Fächern [Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften, Technik] ist verstärkt worden. Eine verbindliche Struktur der Umsetzung bilingualer Angebote gibt es nicht, aber es haben sich einige Formen der Institutionalisierung als tragfähig erwiesen, die Vorbilder für Neueinrichtungen sind. In der Sekundarstufe I, in der am häufigsten bilinguale Bildungsgänge beginnen, hat sich so etwas wie ein organisatorisches Grundmodell entwickelt. Es sieht ab der Jahrgangsstufe 5 (bzw. 7) eine erhöhte Anzahl von Wochenstunden in der Fremdsprache als Vorbereitung vor, auf die dann ab Jahrgangsstufe 7 (bzw. 9) der eigentliche fremdsprachliche Unterricht im Sachfach folgt, zunächst in einem, dann oft in einem weiteren Fach. Die Fortsetzung in der Sekundarstufe II ist an vielen Schulen üblich. Daneben gibt es auch zeitlich befristete Angebote, in denen bestimmte Phasen und Module des Unterrichts nach diesem Modell erteilt werden. Eine Sonderform des bilingualen Unterrichts ist die Teilimmersion in den Kompetenzkursen der Sekundarstufe II, die vor allem auf fachliches Leseverstehen in der Fremdsprache zielt, indem sie neben deutschen Materialien auch fremdsprachliche Texte einbezieht (Fraedrich/ Lehberger 2001: 186). Beide Innovationen, der fremdsprachliche Frühbeginn und der Sachfachunterricht im Medium der Fremdsprache, werden in partnerschaftlichen Schulmodellen in besonderer Weise integriert. Dazu zählen die Staatlichen Europaschulen Berlin (SESB), die zwei Arbeitssprachen haben, neben Deutsch z. B. Englisch, Spanisch, Französisch, Polnisch, Türkisch, Italienisch, Russisch. 80 G e schicht e und G eG enwart de s F re mdspr achenunt errichts bilinguale Grundschulen immersive Schulen Sicht des Spracherwerbs bildungspolitische Sicht Sicht der Schul- und Unterrichtsentwicklung Sachfächer im bilingualen Konzept Sie haben im Idealfall eine sprachlich einschlägige und ausgewogen gemischte Schülerschaft und ein ebensolches Kollegium und bieten die Hälfte der Fächer in der einen, die andere in der anderen Sprache an und wechseln dabei (Franceschini 2007: 71). Darüber hinaus hat sich eine kleine, aber viel beachtete Reihe von bilingualen Grundschulen in Deutschland etabliert, die eine Fremdsprache durchgehend als Arbeitssprache in allen Fächern außer Deutsch nutzen. In diesen immersiven Schulen wird die Fremdsprache nicht als Fach unterrichtet, sondern von Grundschullehrkräften mit fremdsprachlicher Fakultas ausschließlich über ihren sachfachlichen Gebrauch in den verschiedenen Lernbereichen, und zwar von Schulbeginn an. Die Gründe für die Einrichtung bilingualen Unterrichts und die mit ihm verbundenen Erwartungen sind vielfältig. Für ihn spricht u. a. � aus der Sicht des Spracherwerbs der erhöhte Sprachkontakt; die Mitteilungsorientierung bzw. die Reduktion der im klassischen Fremdsprachenunterricht typischen Sprachformorientierung; die Anregung des Sprachbewusstseins z. B. durch Begriffsvergleiche und Vergleiche fach- und wissenschaftssprachlicher Darstellungstraditionen und Diskurse (vgl. Gnutzmann 2003); eine vertiefte kommunikative und interkulturelle Kompetenz im Fachgebiet (vgl. Küster 2004); die Anbahnung einer breiten Sprachkompetenz, die von Basic Interpersonal Communication Skills (BICS) bis zur Cognitive Academic Language Proficiency (CALP) reicht, d. h. Alltags- und Wissenschaftssprache umfasst, und sich in kontextreichen wie in kontextreduzierten Kommunikationssituationen bewährt (vgl. dazu Cummins 1984: 139 sowie die aktuelle Diskussion um Bildungssprache); � aus bildungspolitischer Sicht die gezielte Stärkung internationaler Kommunikations- und Mobilitätsmöglichkeiten; Wirtschaftlichkeit durch die Synergieeffekte von Sprach- und Sachunterricht; Entstehen von Kapazitäten für die Beschäftigung mit weiteren Sprachen; � aus Sicht der Schul- und Unterrichtsentwicklung die Abkehr von der Beliebigkeit der Inhalte des sprachlichen Fachs durch sachfachlich relevante Inhalte (vgl. kritisch dazu Decke-Cornill 1999: 165) und aus sachfachdidaktischer Sicht die Perspektivenvervielfältigung auf einen Sachverhalt. Die Argumentation für den bilingualen Unterricht hat zunächst das Potenzial für die fremdsprachliche Bildung deutlicher herausarbeitet als das für die fachliche Bildung. Inzwischen ist jedoch auch der Sachfachertrag erforscht worden. Alle Sachfächer eignen sich für das bilinguale Konzept und können davon profitieren (vgl. die Beiträge in Bonnet/ Breidbach 2004), wobei für jede Fächergruppe gilt, dass sie „ein spezifisches Potenzial in den bilingualen Unterricht einbringt und in je eigener Weise eine fruchtbare Wechselwirkung zwischen sprachlichem und sachfachlichem Kompetenzerwerb stattfinden Einheit 4 81 F re mDspr achenunt errIcht Im 20. J a hrhunD ert didaktische Verortung Vehikularsprachenmodell Bikulturalismus- Modell nationalkulturelle Sichtweise überwunden Kompetenzerwerb im Bilingualen Unterricht kann“ (Zydatiß 2004: 89). In der fachdidaktischen Diskussion sind aber Versuche gemacht worden, über diese fachliche und fachgruppenspezifische Perspektive hinaus eine didaktische Verortung des bilingualen Konzepts vorzunehmen. Eine solche Verortung bot in den Anfängen das sog. Vehikularsprachenmodell, in dem sich Bilingualität auf der Ebene der Sprache abspielt, d. h. Sprache wurde als „inhaltsneutraler ‚Spediteur‘ für den Transport von Informationen aufgefasst“ (Breidbach 2007: 77) und der bilinguale Unterricht wäre von der fremden Sprache inhaltlich-fachlich unberührt geblieben. Eine andere Problematik barg das Bikulturalismus-Modell, dem zufolge die Lernenden einer Kultur angehören und sich im bilingualen Unterricht mit einer anderen beschäftigen. Moderne Gesellschaften sind aber heterogene und nach innen und außen durchlässige Gebilde, in denen sich laufend communities of practice and thought bilden, die manchmal wenig Affinität zu gleichsprachigen, viel aber zu anderssprachigen haben. Es wäre irreführend, einer Sprachgemeinschaft eine einheitliche Verständigungsbasis (Kultur) zu unterstellen; zuversichtlich kann man aber unterstellen, dass jede Sprachgemeinschaft von unterschiedlichen Lebensweisen und Identitäten und tiefgreifenden materiellen und symbolisch-diskursiven Auseinandersetzungen bestimmt ist. In der aktuellen Diskussion ist diese nationalkulturelle Sichtweise überwunden. Der potenzielle Kompetenzerwerb im Bilingualen Unterricht wird nun in Kategorien gefasst, die viel Gemeinsames mit dem potenziellen Kompetenzerwerb im herkömmlichen Fremdsprachenunterricht haben, aber auch Spezifisches aufweisen. Bonnet, Breidbach und Hallet (2013) unterscheiden vier Kompetenzdimensionen: (1) die konzeptuale Dimension des Erwerbs fachlich-wissenschaftlicher Begriffe und Konzepte in der Fremdsprache; (2)- die Dimension der Diskursfähigkeit in der Fremdsprache, welche allgemeinsprachliche Mitteilungsfähigkeit, fachsprachliche Rezeptionsfähigkeit, Darstellungs-, Erklärungs- und Bewertungsfähigkeit sowie Aushandlungs- und Reflexionsfähigkeit umfasst; (3) die praktisch-methodische Dimension der Selbsttätigkeit durch Lern- und Arbeitstechniken; und (4) die die persönliche und kulturelle Identität betreffende reflexive Dimension, bei der es um die Bildungswirkung des bilingualen Unterrichts geht, also um seinen Einfluss auf das Verhältnis der Lernenden zu sich selbst und zur Welt. Der bilinguale Unterricht ist ein intensiv bearbeitetes Forschungsfeld (vgl. Breidbach/ Viebrock 2012; für den Grundschulbereich Elsner/ Keßler 2013). So haben - um hier nur einige zu nennen - Henning Wode (2002) und seine Kieler Forschergruppe den Spracherwerb im bilingualen Unterricht sowohl auf Sekundar- und Primarstufe als auch in Kindertagesstätten untersucht; Una Dirks (2002) hat sich mit den Berufsbiographien bilingualer Lehrkräfte befasst; Andreas Bonnet (2004) hat den Fachkompetenzerwerb im bilingualen Chemieunterricht untersucht; usw. 82 G e schicht e und G eG enwart de s F re mdspr achenunt errichts Zusammenfassung Der obige Gang durch Geschichte und Gegenwart des Fremdsprachenunterrichts setzte in der Zeit Karls des Großen um 800 an, der der Kirche das Bildungswesen unterstellte und ihrer Kommunikationssprache, dem Lateinischen, über ein Jahrtausend hinweg zu fast unangefochtener Bedeutung als Bildungssprache verhalf. Eine Reihe historischer Entwicklungen stärkten die Bedeutung lokaler Sprachen und moderner Fremdsprachen, und so lässt sich der Beginn des neusprachlichen Unterrichts auf die Mitte des 17. Jahrhunderts datieren. Aufklärung, Industrielle Revolution und die Erstarkung des Bürgertums und des Nationalstaats trugen weiter zur Stärkung der neuen Sprachen bei. Bei der Gestaltung des modernen Schulwesens zu Beginn des 19. Jahrhunderts spiegelt sich die ständische Gesellschaft im sprachlichen Profil der Schultypen. Während die Volksschulen keinerlei fremdsprachliche Bildung vorsehen und die Gymnasien sich als Orte altsprachlich-humanistischer Bildung abgrenzen und allenfalls dem höfischen Französisch Raum bieten, setzen die sich im Laufe des Jahrhunderts rasch ausbreitenden bürgerlichen Realschulen auf moderne Sprachen einschließlich Englisch. Die zunehmende Akzeptanz dieser Sprachen auch am Gymnasium erkaufen sie sich mit der Übernahme der Grammatik-Übersetzungs-Methode aus dem altsprachlichen Unterricht. Die neusprachliche Reformbewegung um die Wende zum 20. Jahrhundert ist ein Versuch, der mündlichen Kommunikation und Einsprachigkeit im neusprachlichen Unterricht Geltung zu verschaffen. In der Weimarer Zeit wird die Kulturkunde bestimmendes Moment aller geisteswissenschaftlichen und sprachlichen Fächer. Sie bietet mit ihrer Interpretationsoffenheit Adaptionsmöglichkeiten für die nationalsozialistische Wesenskunde. Insgesamt haben die Fremdsprachen im Dritten Reich einen schweren Stand. DDR und BRD gehen nach dem Krieg unterschiedliche Wege. In den 1960er Jahren bildet der Kontext der Bildungsoffensive nach dem Sputnik-Schock in der BRD einen Rahmen für eine Neubewertung der Sprachen und mit dem Hamburger Abkommen von 1964 wird festgelegt, dass Schüler/ innen aller Schulformen eine Fremdsprache lernen müssen und ihre kommunikative Kompetenz in der Fremdsprache das Leitziel ist. Am Ende des 20. Jahrhunderts geraten zwei eherne Gewissheiten des Fremdsprachenunterrichts ins Wanken, nämlich, dass Grundschulkinder noch zu jung zum Lernen bzw. Erforschen von ihnen fremden Sprachen sind und dass Fremdsprachenlernen ein eigenes Fach braucht. Die Initiativen für fremdsprachlichen Frühbeginn und bilingualen Unterricht haben den Fremdsprachenunterricht nicht nur quantitativ, sondern auch qualitativ verändert. Aufgaben 1 Halten Sie in einem Zahlenstrahl wichtige Etappen in der Entwicklung des Fremdsprachenunterrichts fest. 2 Welche Spuren der Geschichte des Fremdsprachenunterrichts können Sie in seiner heutigen formalen und inhaltlichen Gestalt noch erkennen? Was ist daraus verschwunden? Einheit 4 83 F re mDspr achenunt errIcht Im 20. J a hrhunD ert 3 Stellen Sie Argumente für ein Streitgespräch zwischen Vertreter/ innen von alten und neuen Sprachen über die Legitimität und die Vorzüge des Lernens ihrer Sprachen zusammen. 4 In den Ausführungen zur Geschichte des Fremdsprachenunterrichts wird immer wieder zwischen nützlichem und bildendem Fremdsprachenunterricht unterschieden. (a) Zeichnen Sie die beiden Argumentationsstränge und die dahinterstehenden Motive und Interessen nach. (b) Nehmen Sie Stellung zu der These, dass eine solche Dichotomie auch im heutigen Fremdsprachenunterricht noch erkennbar ist. 5 In der obigen Einheit war davon die Rede, dass es an einem Gesamtkonzept für den Umgang mit Sprachen an der Grundschule fehlt, welches sowohl der Einwanderungsgesellschaft als auch der Europäisierung als auch der Globalisierung gerecht wird. Skizzieren Sie Ihre Vorstellungen eines solchen Gesamtkonzepts. 6 Das Fach Sport dient häufig als Einstiegsfach für bilingualen Unterricht. Wie lässt sich das erklären? 7 Stellen Sie sich vor, dass Sie ein bilinguales Angebot an Ihrer weiterführenden Schule einführen wollen und diesen Punkt auf die Tagesordnung für die nächste Gesamtkonferenz gesetzt haben. Welches Konzept wollen Sie vorschlagen? Welche Argumente werden Sie vortragen? Auf welche Einwände bereiten Sie sich vor? Zum Weiterlesen Bleyhl, Werner (2000a): Fremdsprachen in der Grundschule. Grundlagen und Praxisbeispiele. Hannover: Schroedel. Diehr, Bärbel/ Schmelter, Lars (Hrsg.) (2012): Bilingualen Unterricht weiterdenken. Programme, Positionen, Perspektiven. Frankfurt a. M. u. a.: Lang. Haas, Renate (2007): Language Teaching as a ‚Woman’s Job‘: Historical and Current Perspectives. In: Decke-Cornill, Helene/ Volkmann, Laurenz (Hrsg.): Gender Studies and Foreign Language Teaching. Tübingen: Narr, 31-46. Hüllen, Werner (2005): Kleine Geschichte des Fremdsprachenunterrichts. Berlin: Erich Schmidt. Lehberger, Reiner ( 5 2007): Geschichte des Fremdsprachenunterrichts bis 1945. In: Bausch, Karl-Richard/ Christ, Herbert/ Krumm, Hans Jürgen (Hrsg.): Handbuch Fremdsprachenunterricht. Tübingen/ Basel: Francke, 609-614. Gnutzmann, Claus (Koord.) (2007): Themenschwerpunkt „Fremdsprache als Arbeitssprache in Schule und Studium“. In: Fremdsprachen Lehren und Lernen 36. Viëtor, Wilhelm ( 3 1905): Der Sprachunterricht muß umkehren! Hrsg. von Konrad Schröder (1984). Ismaning: Hueber. 85 5.1 Mehrsprachigkeit als Gegebenheit und Ziel Einheit 5 Sprachenpolitik zu Beginn des 21. Jahrhunderts: Gemeinsamer Europäischer Referenzrahmen und die Bildungsstandards in Deutschland Zu den wichtigsten Impulsen für die jüngsten Reformen des Fremdsprachenunterrichts in Deutschland gehört die Europäische Vereinigung. Mit diesem Zusammenschluss entstanden zum einen die Frage nach dem Umgang mit der europäischen Sprachenvielfalt und nach Wegen zu ihrem Erhalt und ihrer Förderung und zum anderen ein Interesse an innereuropäischer Transparenz und Vergleichbarkeit auf dem Gebiet sprachlicher Qualifikationen. Die folgende Einheit thematisiert zunächst europäische Maßnahmen zur Förderung von Mehrsprachigkeit, wendet sich sodann den Maßnahmen zu, die der Mobilität und Vereinheitlichung dienen sollen und präsentiert schließlich die Adaptation solcher Maßnahmen im national-föderalen Kontext des deutschen Bildungssystems in Form von Bildungsstandards. Mehr noch als die zum Abschluss der vorausgehenden Einheit 4 vorgestellten, auch ihrerseits europaweit verbreiteten Initiativen, zeigt sich an den im Folgenden präsentierten die europäische Handschrift. Förderung von Mehrsprachigkeit Europa ist - wie jeder der Mitgliedsstaaten - mehrsprachig. Erhalt und Förderung dieser Mehrsprachigkeit ist erklärter politischer Wille, wie zuletzt in den „Schlussfolgerungen des Rates vom 20. Mai 2014 zur Mehrsprachigkeit und zur Entwicklung von Sprachenkompetenz“ (Rat der Europäischen Union 2014) bekräftigt . Was aber ist unter Mehrsprachigkeit zu verstehen? Bei näherer Betrachtung zeigt sich bald, dass die Verwendung des Begriffs in zwei ganz unterschiedliche Richtungen weist. Zum einen bezeichnet Mehrsprachigkeit ein real existierendes Charakteristikum unserer Gesellschaften und Schulen. „Wir schwimmen im Mehr der Sprachen. […] Die vielfältigen Sprachen, die die Kinder einer Klasse mitbringen, sind ein Schatz, den zu heben mühsam sein mag, der jedoch alle miteinander reich machen kann“, heißt es etwa bei Inge Büchner (1997: 24). Die andere Verwendung begreift Mehrsprachigkeit erst als Aufgabe und Ziel: „Mehrsprachigkeit bezeichnet im Rahmen der Europäischen Union ein Lernziel von hoher Verbindlichkeit“ (Meißner/ Reinfried 1998b: 11). Mehrsprachigkeit erscheint einerseits als Gegebenheit, andererseits als Desiderat. 86 S pr achenp olitik zu B eginn de S 21. J a hrhundert S Topographie der schulischen Sprachenlandschaft Englischlernen vs. Fremdsprachenlernen Wer dieser begrifflichen Unklarheit auf die Spur zu kommen versucht, merkt bald, dass von unterschiedlichen Sprachen die Rede ist. Während die einen auf die Sprachen verweisen, die durch Zuwanderung bereits in unserer Gesellschaft und ihren Bildungseinrichtungen existieren, haben die anderen Sprachen im Blick, die den Lerner/ innen eine Zukunft als global players versprechen. Während erstere in der Schule ein bis zum Tabu reichendes Schattendasein führen, erhalten letztere vielseitige Förderung (s. dazu Einheit 4). Für den Umgang der Schule mit der Vielfalt von Sprachen sind in Deutschland und europaweit folgende Momente charakteristisch: � Im Vergleich zur vielsprachigen Umgebung ist das Sprachenangebot an Schulen relativ gering. � Das Sprachenangebot erstreckt sich vor allem auf Sprachen der westlichen Welt und dabei auf Sprachen mit großer Reichweite (sog. Weltsprachen, deren Verbreitung sich wesentlich der Kolonialisierung verdankt). � Es deckt sich weitgehend nicht mit den Sprachen der lokalen Umgebung. Sprachen aus der Migration und Sprachen von Nachbarstaaten sind im Regelangebot der Schulen für alle nur selten vertreten. Diese Topographie der schulischen Sprachenlandschaft bietet eine schwierige Ausgangslage für die vertragliche Übereinkunft, die Amtssprachen in Europa, derzeit 24, gleichberechtigt zu behandeln und auch alle weiteren in Europa verwendeten Sprachen zu achten. Dies aber verlangt das Diskriminierungsverbot in Art. 21 und 22 der Charta der Grundrechte der Europäischen Kommission (vgl. Kommission der Europäischen Gemeinschaften 2005: 2). 2005 veröffentlichte die Kommission der Europäischen Gemeinschaften eine „neue Rahmenstrategie für Mehrsprachigkeit“, in der sie die zunehmende Tendenz beklagt, „von ‚Fremdsprachenlernen‘ zu reden und lediglich ‚Englisch lernen‘ zu meinen“ (2005: 4) und das langfristige Ziel bekräftigt, „die individuelle Mehrsprachigkeit zu fördern, bis alle Bürger/ innen zusätzlich zu ihrer Muttersprache über praktische Kenntnisse in mindestens zwei Fremdsprachen verfügen“ (ebd.). Frühes Fremdsprachenlernen, fremdsprachliche Fachkompetenz, domänenspezifische Sprachkompetenzen, lebenslanges Sprachenlernen, Diversifikation des Sprachlernangebots und Förderung von Minderheitensprachen, Austauschprogramme, Partnerschaften, Stipendien u. v. a. sind Facetten des europäischen Programms „einer grundsätzlichen Änderung der Förderung des Sprachenlernens und der Förderung der Sprachenvielfalt“ (ebd.). Wie schwierig es ist, gegen den internationalen Trend zum Leitsprachenlernen und -nutzen anzugehen, dafür liefert die Europäische Union selbst den Beweis: Dem erklärten politischen Willen und der vertraglich geregelten Verpflichtung zum Trotz sind ihre Arbeitssprachen Englisch und Französisch, wobei in der EU-Kommission eine Dreisprachenregelung aus Englisch, Französisch und Deutsch gilt und am Europäischen Gerichtshof meist auf Französisch kommuniziert wird. Einheit 5 87 D er g e me Ins a me e uropä Ische r e F erenzr a hmen F ür s pr achen (g e r) 5.2 5.2.1 unterschiedliche Bildungssysteme 5.2.2 Der Gemeinsame Europäische Referenzrahmen für Sprachen (GeR) Während für die Bemühungen um Mehrsprachigkeit nicht zuletzt aufgrund der Omnipräsenz der internationalen Verkehrssprache Englisch viel Überzeugungsarbeit und eine Politik der kleinen Schritte erforderlich sind, erfreut sich ein anderes europäisches Projekt durchschlagender Wirksamkeit, sogar über Europa hinaus: der „Gemeinsame Europäische Referenzrahmen für Sprachen des Europarats: Lernen, lehren, beurteilen“ (GeR). Zwar dient auch dieses Dokument dem Ziel von Mehrsprachigkeit, aber seinen hohen Bekanntheitsgrad hat es als Bezugssystem für die Beschreibung von Sprachkompetenz erreicht. Entstehung Schon in den Anfängen des Europäischen Zusammenschlusses in den 1970er Jahren gab es Bestrebungen, die Kommunikation und Mobilität in der Gemeinschaft zu erleichtern, ohne die bereits diskutierte Vielfalt zu gefährden. 1991 fand unter der Überschrift „Transparency and Coherence in Language Learning in Europe: objectives, evaluation, certification“ in Rüschlikon in der Schweiz ein Symposium des Europarats statt, dessen Ergebnis die Empfehlung jenes Referenzrahmens für Sprachen war. Ausgangsproblem war die Tatsache, dass im Dickicht der unterschiedlichen Bildungssysteme unklar war, welche Sprachkompetenzen sich hinter einer bestimmten Zeugnisauskunft verbargen. Auf dem Symposium wurden nun Möglichkeiten erörtert, die (fremd-) sprachlichen Kompetenzen von Individuen europaweit vergleichbar zu beschreiben. Zu diesem Zweck wurde ein Forschungsprojekt auf den Weg gebracht, das linguistisch, soziolinguistisch und pragmatisch fundierte Kriterien für das Erfassen von Sprachkompetenzen in den verschiedenen Bereichen und Stadien des Sprachenlernens entwickeln und für diese Beschreibung einen einheitlichen Bezugsrahmen konstruieren sollte. Nach verschiedenen Vorveröffentlichungen konnte der Europarat 2001 die verbindliche Fassung in den Sprachen der Mitgliedsländer publizieren. Anlage und Kernelemente Der GeR ist im Wesentlichen ein Beschreibungsmodell funktionaler fremdsprachlicher Zielsetzungen und Kompetenzen. Sein Anliegen wird eingangs etwas unbeholfen skizziert: Der Gemeinsame europäische Referenzrahmen stellt eine gemeinsame Basis dar für die Entwicklung von zielsprachlichen Lehrplänen, curricularen Richtlinien, Prüfungen, Lehrwerken usw. in ganz Europa. Er beschreibt umfassend, was Lernende zu tun lernen müssen, um eine Sprache für kommunikative Zwecke zu benutzen, und welche Kenntnisse und Fertigkeiten sie entwickeln müssen, um in der Lage zu sein, kommunikativ erfolgreich zu handeln. Die Beschreibung deckt auch den kulturellen Kontext ab, in den Sprache eingebettet ist. Der 88 S pr achenp olitik zu B eginn de S 21. J a hrhundert S Referenzrahmen definiert auch Kompetenzniveaus, sodass man Lernfortschritte lebenslang und auf jeder Stufe des Lernprozesses messen kann. (Europarat 2001: 14) Das Dokument richtet sich an alle mit dem Sprachenlernen befassten Akteur/ innen im Bildungswesen: an Lernende, an Unterrichtende in Schulen und in der Lehrerbildung, aber auch an Bildungsbehörden und Lehrmittelverlage. Es formuliert Ziele und Strategien des Spracherwerbs und der Sprachanwendung und versteht sich als Instrument für die Planung von Sprachlerncurricula, Sprachkursen, Lernmaterial, Unterrichtsaktivitäten und - nicht zuletzt - für die Entwicklung von Tests und Prüfungen. Kernelement ist die Definition sprachlicher Kompetenzen in Form von Handlungsfähigkeiten. Dabei wird die Kann- und nicht die Kann-nicht- Perspektive eingenommen. D. h. es wird gemessen, was Sprachlernende imstande sind zu verstehen, zu äußern und in Interaktion und Mediation zu bewerkstelligen. Zur Unterscheidung der Könnensstufen werden drei Niveaus festgelegt: elementare, selbstständige und kompetente Sprachverwendung. Sie sind jeweils noch einmal unterteilt, so dass sechs Niveaustufen unterschieden werden. A Elementare Sprachverwendung B Selbständige Sprachverwendung C Kompetente Sprachverwendung / A1 (Breakthrough) \ A2 (Waystage) / B1 (Threshold) \ B2 (Vantage) / C1 (Effective Operational Proficiency) \ C2 (Mastery) Was sich hinter den sechs Kategorien verbirgt, wird in einer allgemeinen Globalskala in der erwähnten Kann-Form umrissen (siehe Abb. 5.2). Diese Grundeinteilung wird im Referenzrahmen auf verschiedene Bereiche von Sprachkompetenz angewandt. Sog. Deskriptoren definieren, auf welcher Niveaustufe sich die Sprachlernenden in dem jeweiligen Teilbereich - mündliche und/ oder schriftliche Rezeption, Produktion, Interaktion und Sprachmittlung (vgl. Europarat 2001: 25) - befinden. Hier zur Veranschaulichung die Deskriptoren für die Niveaustufe B2 im mündlich-produktiven Teilbereich „Vor Publikum sprechen“ (ebd.: 66): B2 Kann eine klare, vorbereitete Präsentation vortragen und dabei Gründe für oder gegen einen Standpunkt anführen und die Vor- und Nachteile verschiedener Alternativen angeben. Kann flüssig und spontan eine Reihe von Nachfragen aufgreifen, ohne Anstrengung für sich oder das Publikum. Planungsinstrument Abb. 5.1 Die sechs Niveaustufen im Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen Deskriptoren und Niveaustufen Einheit 5 89 D er g e me Ins a me e uropä Ische r e F erenzr a hmen F ür s pr achen (g e r) Kompetente Sprachverwendung C2 Kann praktisch alles, was er/ sie liest oder hört, mühelos verstehen. Kann Informationen aus verschiedenen schriftlichen und mündlichen Quellen zusammenfassen und dabei Begründungen und Erklärungen in einer zusammenhängenden Darstellung wiedergeben. Kann sich spontan, sehr flüssig und genau ausdrücken und auch bei komplexeren Sachverhalten feinere Bedeutungsnuancen deutlich machen. C1 Kann ein breites Spektrum anspruchsvoller, längerer Texte verstehen und auch implizite Bedeutungen erfassen. Kann sich spontan und fließend ausdrücken, ohne öfter deutlich erkennbar nach Worten suchen zu müssen. Kann die Sprache im gesellschaftlichen und beruflichen Leben oder in Ausbildung und Studium wirksam und flexibel gebrauchen. Kann sich klar, strukturiert und ausführlich zu komplexen Sachverhalten äußern und dabei verschiedene Mittel zur Textverknüpfung angemessen verwenden. Selbständige Sprachverwendung B2 Kann die Hauptinhalte komplexer Texte zu konkreten und abstrakten Themen verstehen; versteht im eigenen Spezialgebiet auch Fachdiskussionen. Kann sich so spontan und fließend verständigen, dass ein normales Gespräch mit Muttersprachlern ohne grö ss ere Anstrengung auf beiden Seiten gut möglich ist. Kann sich zu einem breiten Themenspektrum klar und detailliert ausdrücken, einen Standpunkt zu einer aktuellen Frage erläutern und die Vor- und Nachteile verschiedener Möglichkeiten angeben. B1 Kann die Hauptpunkte verstehen, wenn klare Standardsprache verwendet wird und wenn es um vertraute Dinge aus Arbeit, Schule, Freizeit usw. geht. Kann die meisten Situationen bewältigen, denen man auf Reisen im Sprachgebiet begegnet. Kann sich einfach und zusammenhängend über vertraute Themen und persönliche Interessengebiete äußern. Kann über Erfahrungen und Ereignisse berichten, Träume, Hoffnungen und Ziele beschreiben und zu Plänen und Ansichten kurze Begründungen oder Erklärungen geben. Elementare Sprachverwendung A2 Kann Sätze und häufig gebrauchte Ausdrücke verstehen, die mit Bereichen von ganz unmittelbarer Bedeutung zusammenhängen (z. B. Informationen zur Person und zur Familie, Einkaufen, Arbeit, nähere Umgebung). Kann sich in einfachen, routinemäßigen Situationen verständigen, in denen es um einen einfachen und direkten Austausch von Informationen über vertraute und geläufige Dinge geht. Kann mit einfachen Mitteln die eigene Herkunft und Ausbildung, die direkte Umgebung und Dinge im Zusammenhang mit unmittelbaren Bedürfnissen beschreiben. A1 Kann vertraute, alltägliche Ausdrücke und ganz einfache Sätze verstehen und verwenden, die auf die Befriedigung konkreter Bedürfnisse zielen. Kann sich und andere vorstellen und anderen Leuten Fragen zu ihrer Person stellen - z. B. wo sie wohnen, was für Leute sie kennen oder was für Dinge sie haben - und kann auf Fragen dieser Art Antwort geben. Kann sich auf einfache Art verständigen, wenn die Gesprächspartnerinnen oder Gesprächspartner langsam und deutlich sprechen und bereit sind zu helfen. Die für eine solche an der Überprüfbarkeit von Teilkompetenzen interessierte Beschreibung notwendige Parzellierung von Sprache in Domänen der Sprachverwendung und Aspekte und Skalen von Kompetenz ist nicht unproblematisch. Dessen waren sich die Autoren selbst bewusst, als sie sich anschickten, „die große Komplexität menschlicher Sprache überschaubarer zu machen“ und „Sprachkompetenz in ihre einzelnen Komponenten“ (ebd.: 14) zu zerlegen. Kritisch merken sie an: Die Kompetenzen, die im Folgenden getrennt behandelt und klassifiziert werden, interagieren auf komplexe Weise bei der Entwicklung jedes einzelnen Abb. 5.2 Formulierung der sechs Niveaustufen im Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen 90 S pr achenp olitik zu B eginn de S 21. J a hrhundert S Menschen. Als sozial Handelnder geht jeder Mensch Beziehungen mit einem sich ständig erweiternden Geflecht überlappender sozialer Gruppen ein, was insgesamt seine Identität definiert. In einem interkulturellen Ansatz ist es ein zentrales Ziel fremdsprachlicher Bildung, eine günstige Entwicklung der gesamten Persönlichkeit des Lernenden und seines Identitätsgefühls als Reaktion auf die bereichernde Erfahrung des Andersseins anderer Sprachen und Kulturen zu fördern. Man muss es den Lehrenden und den Lernenden selbst überlassen, die vielen Teile wieder in ein sich abgerundet entwickelndes Ganzes zu integrieren. (Ebd.) Obwohl der Referenzrahmen als europäisches Instrument keine Verbindlichkeit für die nationalen Bildungssysteme in Anspruch nimmt, hat er doch in Deutschland und den einzelnen Bundesländern faktisch diesen Status: Bildungspolitische Maßnahmen im fremdsprachlichen Bereich orientieren sich einhellig an ihm, und zwar weniger an seinen Mehrsprachigkeitsforderungen als an seinen Sprachkompetenzbeschreibungen (Deskriptoren) und -einordnungen. Das Europäische Sprachenportfolio Eng mit dem Referenzrahmen verbunden ist eine weitere europäische Initiative, die allerdings bis heute in der schulischen Praxis eine Randerscheinung geblieben ist: das Europäische Sprachenportfolio, das nach Voraberprobungen ebenfalls im Jahr 2001 offiziell in Umlauf gebracht wurde. Es handelt sich dabei um eine Sammelmappe im Eigentum der Sprachlernenden, in die sie Dokumente einlegen können, die Auskunft über ihre Sprachenkompetenz und deren Entwicklung geben. Der Auftrag zur Konzipierung des Europäischen Portfolios der Sprachen stammt wie der zur Entwicklung des Referenzrahmens aus dem Jahre 1991 und wurde ebenfalls auf der Konferenz in Rüschlikon beschlossen (vgl. Thürmann 2006: 434). Von 1998 bis 2000 wurden in einem guten Dutzend Länder und Regionen vier transnationale Portfolio-Fassungen für unterschiedliche Alters-, Lern- und Zielgruppen geprüft. Im Herbst 2000 setzte dann der Europarat ein Validierungskomitee ein, das seither für die Akkreditierung neuer Portfolio-Fassungen zuständig ist. Für laufende Informationen vgl. http: / / www.coe.int/ t/ dg4/ education/ elp/ (15. 6. 2015). Bestandteile Das Europäische Sprachenportfolio umfasst drei Teile: (1) Einen Sprachenpass, der z. B. bei Klassen- oder Schulwechsel, beim Übergang von einer Bildungsphase in die nächste und bei Bewerbungen und beruflichen Veränderungen vorgelegt werden kann. Er dokumentiert alle Sprachfähigkeiten des Eigentümers/ der Eigentümerin, unabhängig davon, 5.3 8 5.3.1 Sprachenpass Einheit 5 91 D a s e uropä Ische s pr achenp ort F olIo Sprachenbiografie Dossier 5.3.2 Zwei Grundfunktionen Lernbegleiter Vorzeigedokument ob sie innerhalb oder außerhalb der Schule erworben wurden. Diese Fähigkeiten werden nach den Niveaustufen des Referenzrahmens beschrieben. Darüber hinaus enthält er Informationen über erworbene Zertifikate und abgelegte Prüfungen sowie über Kurse, an denen der Inhaber/ die Inhaberin teilgenommen hat, und über Auslandskontakte und -aufenthalte. Seit 2005 sind in Vernetzung mit dem Europäischen Sprachenportfolio und seinen Bestandteilen verschiedene Varianten eines Europasses entwickelt worden, z. B. das „Europass Diploma Supplement“ oder der „Europass Mobilität“. (2) Eine Sprachenbiografie - gelegentlich auch Logbuch genannt -, die die eigene Sprachlerngeschichte und interkulturelle Erfahrungen aufzeichnet. Dafür werden Instrumente zur Selbstbeurteilung und Hilfen zur Reflexion und Planung eigener Zielsetzungen und Überprüfungen des Sprachenlernens bereitgestellt. (3) Ein Dossier mit einer Sammlung eigener, selbst ausgewählter Arbeiten. Funktionen Zwei Grundfunktionen standen bei der Konzeption im Mittelpunkt: zum einen eine lernprozessorientierte, pädagogische, in der das Portfolio als Lernbegleiter für das alltägliche Sprachenlernen dient, zum anderen eine mitteilungsorientierte, dokumentarische Funktion, in der das Portfolio als Berichts- und Vorzeigedokument den aktuellen Lern- und Erfahrungsstand veranschaulicht. Als Lernbegleiter ermöglicht das Sprachenportfolio den Lernenden, ihre Sprachlernprozesse wahrzunehmen, zu reflektieren und zu steuern. „Lernende sollen - im Sinne selbstbestimmten Lernens - mehr Verantwortung zum einen für die Beurteilung des eigenen Könnens, zum anderen für den Lernprozess übernehmen“ (Kolb 2007: 33). Das Sprachenportfolio soll damit zu Lernerautonomie und Individualisierung des Lernens beitragen: sich eigene Ziele setzen, Lern- und Erschließungsstrategien erproben und reflektieren, Selbsteinschätzung üben usw. Das Portfolio kann dabei Instrument für lebenslanges Lernen werden, also z. B. individuelle Sprachlernziele enthalten und den Transfer von einmal erworbenen Sprachlernkompetenzen auf das Lernen weiterer Sprachen anregen. In seiner Funktion als Vorzeigedokument bezieht es sich nicht nur auf Leistungen in den Schulsprachen, sondern erfasst auch Erfahrungen und Kompetenzen in anderen Sprachen, nicht zuletzt in den sog. Herkunftssprachen. Damit trägt es zu deren Wertschätzung bei und versteht sich insofern auch als Instrument der Mehrsprachigkeitsförderung. Zugleich ist es ein alternatives Beurteilungsinstrument, das sich am Können und nicht an den Defiziten orientiert, dabei nach außen informativ ist und zudem Inspiration sein kann, das eigene Sprachenlernen weiter voranzutreiben. „Diese Erweiterung bezieht sich auf den Zeitraum (Beobachtung von Entwicklung statt 92 S pr achenp olitik zu B eginn de S 21. J a hrhundert S punktueller Leistungsfeststellung), die Art der Aufgabenstellungen und die sprachlichen-Fähigkeiten (komplexere kommunikative Fähigkeiten)“, so Kolb (2007: 32). Mit allen diesen Funktionen verfolgt das Sprachenportfolio, wie dies auch der Referenzrahmen tut, sprachenpolitische Ziele und Ziele der Schul- und Unterrichtsentwicklung. Thürmann zufolge verlangt das Europäische Portfolio der Sprachen Schulen und Unterrichtenden einiges ab, nämlich: - die didaktisch-curriculare Koordination des EPS in mehreren sprachlichen Fächern und damit die Stärkung des fachübergreifenden und fächerverbindenden Lernens - die Umstellung der unterrichtlichen Praxis in Richtung schülerorientierter und schüleraktivierender Arbeitsformen und die fördernde Begleitung des selbstgesteuerten und selbstverantworteten Lernens - die didaktisch-curriculare Aufwertung des interkulturellen Lernens (2006: 435) Kompetenzorientierung und Bildungsstandards Dass der GeR in der Bildungspolitik eine so breite Wirkung entfalten konnte, hängt nicht zuletzt damit zusammen, dass seine Entstehung in eine Zeit fiel, in der die Befunde aus Vergleichsuntersuchungen von Schulleistungen - PISA (2001), IGLU (2003), DESI (2008) u. a. - in Deutschland eine tief greifende bildungspolitische Verunsicherung auslösten und in der Bildungspolitik eilige Maßnahmen für eine Verbesserung und Kontrolle gefragt waren. Abb. 5.3 Funktionen des Europäischen Portfolios der Sprachen 5.4 Einheit 5 93 k omp e t enzorI entI erung unD b IlDungssta nDarDs Der Paradigmenwechsel zur Kompetenz- und Standardorientierung Die Misere in zahlreichen Bereichen des Bildungswesens in Deutschland und das bedenkliche Gefälle zwischen den einbezogenen nationalen Bildungssystemen wie auch den einzelnen Bundesländern und innerhalb der Schülerpopulation veranlassten die Kultusministerkonferenz (KMK) 2002 zu dem Beschluss, Bildungsstandards in Auftrag zu geben und das Erreichen dieser Standards bundesweit laufend mit Stichproben überprüfen zu lassen. Ein Jahr später, am 4. 12. 2003, wurden die Bildungsstandards für den Mittleren Schulabschluss in den Fächern Deutsch, Mathematik und Erste Fremdsprache in Bonn vorgestellt. Seither bilden sie die Basis für die Planung des Unterrichts in diesen Fächern auf der Sekundarstufe I. Mit den Bildungsstandards ist ein Paradigmenwechsel eingeleitet, der von einer Absichts-, Angebots- und Zielorientierung hin zu einer Ergebnisorientierung im Bildungswesen zu führen in Anspruch nimmt. Der Blick gilt nun den nachweisbaren Schülerkompetenzen, also dem „Output“ bzw. „Outcome“ des Lernens. Hallet und Müller- Hartmann (2006: 3) beschreiben den „Paradigmenwechsel“ in der folgenden Gegenüberstellung: Lehrpläne Orientierung auf Lernziele Bildungsstandards Orientierung auf Lernergebnisse - beschreiben Intentionen und Fachinhalte im Rahmen des schulischen Bildungs- und Erziehungsauftrags - sprechen fachspezifisch und fachübergreifend von Lernkompetenz mit den Aspekten der Sach-, Methoden-, Selbst- und Sozialkompetenz - sind verbindlich, werden bislang nicht regelmäßig auf Realisierung im Unterricht überprüft - geben Anregungen für die Unterrichtsgestaltung sowie zur Leistungsermittlung - beschreiben konkrete Leistungserwartungen zu den Kernbereichen eines Faches - sprechen im Fach von Kompetenzbereichen, beziehen sich auf unterschiedliche Anforderungsniveaus, sind konkretisiert durch Aufgabenbeispiele - sollen durch Vergleichsarbeiten regelmäßig überprüft und weiterentwickelt werden - geben Anregungen für die gezielte Auswertung und Weiterentwicklung der Unterrichtsergebnisse - sind abschlussbezogene Regelstandards Begriffsbestimmungen Mit der Hinwendung zu Bildungsstandards wird der Lernzielkatalog, der bis dahin als leitend für die Unterrichtsplanung und -überprüfung galt, durch Kompetenz- und Standardmodelle abgelöst. In Deutschland sind sie das zentrale bildungspolitische Steuerungsinstrument zu Beginn des 21. Jahrhunderts. 5.4.1 von der Zielzur Ergebnisorientierung Tab. 5.1 Von der Lehrplanzur Bildungsstandardorientierung 5.4.2 94 S pr achenp olitik zu B eginn de S 21. J a hrhundert S Ein Kompetenzmodell legt Kernbereiche eines Fachgebiets fest, definiert für jeden der Kernbereiche die darin zu erwerbenden Kompetenzen und stuft sie in Niveaus ihrer Ausprägung. Es orientiert sich an Lernergebnissen und geht davon aus, dass eine Kompetenz durchaus an unterschiedlichen Inhalten erworben werden kann. Kompetenzen werden so beschrieben, dass ihr Erreichen beobachtbar ist und getestet werden kann. Dafür werden aussagekräftige Aufgaben ersonnen, bei deren Bearbeitung sich erweisen muss, auf welchem Niveau oder Standard sich die Kompetenz des Individuums in dem Bereich befindet. Bildungsstandards legen anhand von Kriterien den Grad der Befähigung fest, den Schüler/ innen auf einer bestimmten Lernstufe erreicht haben sollen. Dabei wird zwischen Mindest-, Regel- und Maximal-/ Optimalstandards unterschieden. Eine Fülle von Definitionen zum Begriff ‚Bildungsstandard‘ findet sich unter http: / / beat.doebe.li/ bibliothek/ w01694.html (10. 06. 2015). Kompetenzen erweisen sich also erst im Zusammenspiel von Fähigkeiten bei der Bewältigung von mehr oder weniger komplexen Aufgaben bzw. Anforderungssituationen und stehen unter dem Gebot der Test- und Standardisierbarkeit. Das verspricht Freiheiten bei der Wahl von Unterrichtsinhalten und -gegenständen, erzwingt aber eine Orientierung an verbindlichen Ergebnissen. Eine Schlüsselrolle spielen die Aufgaben. Sie stehen in der Gefahr, so konzipiert zu werden, dass ihre Überprüfbarkeit den entscheidenden Maßstab abgibt und der Unterricht zum teaching to the test verkommt. In der bildungspolitischen Diskussion wird allerdings meist eine weite Fassung des Kompetenzbegriffs entsprechend der Definition von Franz Weinert zugrunde gelegt: Kompetenzen sind die bei Individuen verfügbaren oder von ihnen erlernbaren kognitiven Fähigkeiten und Fertigkeiten, bestimmte Probleme zu lösen, sowie die damit verbundenen - volitionalen (= durch Willen beeinflussbaren), - motivationalen (= antriebsorientierten) und - sozialen (= kommunikationsorientierten) Bereitschaften und Fähigkeiten, die Problemlösungen in variablen Situationen nutzen zu können. (Weinert 2001: 27 f.) Weinerts Definition und seine Bestimmung von Fähigkeit, Wissen, Verstehen, Können, Handeln, Erfahrung und Motivation als Facetten von Kompetenz liegen der Expertise zur Entwicklung nationaler Bildungsstandards zugrunde, die eine Kommission unter Leitung von Eckhard Klieme verfasste. In ihr wird hoffnungsvoll die Nähe zwischen Kompetenz und Bildung unterstrichen. Kompetenzen, so heißt es da, seien Fähigkeiten der Subjekte, die auch der Bildungsbegriff gemeint und unterstellt hatte: Erworbene, also nicht von Natur aus gegebene Fähigkeiten, die an und in bestimmten Dimensionen der gesellschaftlichen Wirklichkeit erfahren wurden Definition 8 Test- und Standardisierbarkeit Kompetenz und/ oder Bildung Einheit 5 95 k omp e t enzorI entI erung unD b IlDungssta nDarDs und zu ihrer Gestaltung geeignet sind, Fähigkeiten zudem, die der lebenslangen Kultivierung, Steigerung und Verfeinerung zugänglich sind, so, dass sie sich intern graduieren lassen, z. B. von der grundlegenden zur erweiterten Allgemeinbildung; aber auch Fähigkeiten, die einen Prozess des Selbstlernens eröffnen, weil man auf Fähigkeiten zielt, die nicht allein aufgaben- und prozessgebunden erworben werden, sondern ablösbar von der Ursprungssituation, zukunftsfähig und problemoffen. (Klieme u. a. 2007: 65) Die Bildungsstandards für die erste Fremdsprache (Englisch/ Französisch) für den Mittleren Schulabschluss und für das Abitur in der fortgeführten Fremdsprache Im Mai 2003 traf die KMK eine Vereinbarung über Standards für den Mittleren Schulabschluss (Jahrgangsstufe 10) in den Fächern Deutsch, Mathematik und erste Fremdsprache, ein Jahr später erschienen Bildungsstandards für den Hauptschulabschluss, und am 18. 10. 2012 verabschiedete die KMK Bildungsstandards für das Abitur in der fortgeführten Fremdsprache (KMK 2012) und löste damit die zuvor gültigen Einheitlichen Prüfungsanforderungen der KMK (2009) ab. Die folgenden beide Grafiken veranschaulichen die Kompetenzbereiche für den Mittleren Schulabschluss und für das Abitur. Funktionale kommunikative Kompetenzen Kommunikative Fertigkeiten Verfügung über die sprachlichen Mittel - Hör- und Hör-/ Sehverstehen - Leseverstehen - Sprechen - an Gesprächen teilnehmen - zusammenhängendes Sprechen - Schreiben - Sprachmittlung - Wortschatz - Grammatik - Aussprache und Intonation - Orthographie Interkulturelle Kompetenzen - soziokulturelles Orientierungswissen - verständnisvoller Umgang mit kultureller Differenz - praktische Bewältigung interkultureller Begegnungssituationen Methodische Kompetenzen - Textrezeption (Leseverstehen und Hörverstehen) - Interaktion - Textproduktion (Sprechen und Schreiben) - Lernstrategien - Präsentation und Mediennutzung - Lernbewusstheit und Lernorganisation 5.4.3 Tab. 5.2 Die vier Kompetenzbereiche der Bildungsstandards für die erste Fremdsprache für den Mittleren Schulabschluss (KMK 2004: 8 ff.) 96 S pr achenp olitik zu B eginn de S 21. J a hrhundert S Sprachlernkompetenz Interkulturelle kommunikative Kompetenz Verstehen Handeln Wissen Einstellungen Bewussheit Sprachbewusstheit Funktionale kommunikative Kompetenz Hör-/ Hörsehverstehen Leseverstehen Schreiben Sprechen Sprachmitteilung Verfügen über sprachliche Mittel und kommunikative Strategien Text- und Medienkompetenz mündlich schritlich medial Für den Mittleren Schulabschluss in der ersten Fremdsprache wurden drei Kompetenzbereiche identifiziert sowie als vierter Bereich die Verfügung über sprachliche Mittel (vgl. KMK 2004: 8). Diesem letzten Bereich wird allerdings nur „dienende Funktion“ zugesprochen, denn: „Im Vordergrund steht die gelungene Kommunikation“ (ebd.: 14). Diese Betonung der Kommunikation wird in den Bildungsstandards für die Allgemeine Hochschulreife fortgeführt und ausgebaut. Darauf aufbauend erhalten in der gymnasialen Oberstufe zudem die Text- und Medienkompetenz sowie die Reflexion über Sprache und Sprachverwendung eine erhöhte Bedeutung, so die Präambel zu den Bildungsstandards für die weitergeführte Fremdsprache (KMK 2012). In die Bildungsstandards für den Mittleren Schulabschluss wie für das Abitur sind Niveauunterschiede eingeschrieben. Im Abitur wird in Hinblick auf Text- und Aufgabenkomplexität und -schwierigkeit zwischen grundlegendem und erhöhtem Niveau unterschieden, wobei der Kompetenzbereich „Interkulturelle kommunikative Kompetenz“ von dieser Differenzierung aufgrund fehlender wissenschaftlicher Grundlage ausgenommen ist. Das Niveau, das die Schülerinnen und Schüler beim Mittleren Schulabschluss in der ersten Fremdsprache erreicht haben sollen, ist die Stufe B1 (selbstständige Sprachverwendung) des GeR. In einigen Bereichen, vor allem in rezeptiven Kompetenzen in Englisch, wird auch B1+ als Standard angesetzt. Die festgelegten Standards sind Regel-, nicht Minimalstandards, was, so eine verbreitete Befürchtung, „im Lernprozess zu einer Vernachlässigung der schwächeren Lerner führen“ (Hallet/ Müller-Hartmann 2006: 8) kann. Die Klieme-Kommission hatte für Mindeststandards plädiert. Hier die Vorschläge für Textsorten und Aufgabenformen zum Kompetenzbereich „Kommunikative Fertigkeiten“ im Fach Französisch (KMK 2004: 20): Tab. 5.3 Kompetenzbereiche für die fortgeführte Fremdsprache (Englisch/ Französisch) für die Allgemeine Hochschulreife (KMK 2012: 12) Regelvs. Mindeststandards Einheit 5 97 k omp e t enzorI entI erung unD b IlDungssta nDarDs Kommunikative Fertigkeiten Niveaustufe Textsorte/ Textart Aufgabenformen Hörverstehen B 1 Zugansage (Kurz)interviews Telefongespräch Auswahlantworten Einsetzaufgaben Leseverstehen B 1 Interviewzitate Informationen nach vorgegebenen Kriterien auswerten und zuordnen B 1 Zeitschriftenartikel Informationen nach vorgegebenen Kriterien auswerten und zuordnen B 1 Erzählung (Auszug) Informationen nach vorgegebenen Kriterien auswerten und zuordnen Sprechen - Zusammenhängendes Sprechen/ An Gesprächen teilnehmen B 1 Bildimpuls Kontakt aufnehmen Bildinhalte präsentieren Meinungen austauschen Schreiben B 1 Kleinanzeige ein Bewerbungsschreiben verfassen B 1 Anzeige eine Anfrage verfassen Sprachmittlung - mündlich B 1 Hotelprospekt Informationen auf Deutsch zusammenfassen Sprachmittlung - schriftlich B 1 Werbebroschüre Informationen auf Französisch zusammenfassen In der „Anlage zu den Bildungsstandards 1. Fremdsprache Englisch/ Französisch“ (KMK 2003) werden die Teilkompetenzen genauer gefasst. Aus dem Vergleich der Beschreibung der Teilkompetenz „Zusammenhängendes Sprechen“ nach Klasse 9 und Klasse 10 wird deutlich, wie schwierig die deskriptive Unterscheidung von Niveaustufen ist. Hauptschulabschluss (nach Klasse 9) Mittlerer Abschluss (nach Klasse 10) Die Schülerinnen und Schüler können eine einfache Beschreibung von Menschen, Lebens-, Schul- oder Arbeitsbedingungen, Alltagsroutinen, Vorlieben oder Abneigungen usw. geben und zwar in kurzen, einfach strukturierten Wendungen und Sätzen (A2). Sie können - eine kurze, einfache Präsentation zu einem vertrauten Thema geben (A2), - etwas erzählen und in Form einer einfachen Aufzählung berichten (A2), - kurz und einfach über eine Tätigkeit oder ein Ereignis berichten (A2). Die Schülerinnen und Schüler können Erfahrungen und Sachverhalte zusammenhängend darstellen, z. B. beschreiben, berichten, erzählen und bewerten (B1). Sie können - mit einfachen Mitteln Gegenstände und Vorgänge des Alltags beschreiben, z. B. Rezepte, Wegbeschreibungen, Spielregeln, Bedienungsanleitungen (A2), - eine vorbereitete Präsentation zu einem vertrauten Thema vortragen, wobei die Hauptpunkte hinreichend präzise erläutert werden (B1), - für Ansichten, Pläne oder Handlungen kurze Begründungen oder Erklärungen geben (B1). Tab. 5.4 Textsorten und Aufgabenbeispiele für den Kompetenzbereich Kommunikative Fertigkeiten, Mittlerer Schulabschluss (KMK 2004: 20) Tab. 5.5 Teilkompetenz „Zusammenhängendes Sprechen“ in der „Anlage zu den Bildungsstandards 1. Fremdsprache Englisch/ Französisch“ der KMK 98 S pr achenp olitik zu B eginn de S 21. J a hrhundert S Die Bildungsstandards sind u. a. eine Antwort auf die PISA-Befunde einer großen Streuung der Leistungen im föderalen Deutschland und fehlender Vergleichbarkeit und Urteilsgerechtigkeit (vgl. Köster-Bunselmeyer 2006: 77 f.). Die KMK griff dabei Bemühungen aus den frühen 1990er Jahren auf, „Qualifikationen zu beschreiben, die zugleich ein Niveau des Sprachkönnens erkennen lassen“ (ebd.: 70). Die Bemühungen waren daran gescheitert, dass sie „nicht durch Aufgabenbeispiele mit dem Unterricht verknüpft und deshalb schwer aufschließbar für Lehrkräfte“ waren und ohne „Perspektive einer Messung und Überprüfung“ (ebd.: 71) auskommen mussten. Um diesem Einwand zu begegnen, wurde 2004 an der Berliner Humboldt- Universität das Institut zur Qualitätsentwicklung im Bildungswesen (IQB) gegründet, dessen Hauptaufgabe es ist, die von der Kultusministerkonferenz verabschiedeten länderübergreifenden Bildungsstandards zu präzisieren, weiterzuentwickeln und auf ihrer Basis Aufgaben zu entwickeln, mit denen die Erreichung der in den Bildungsstandards formulierten Kompetenzerwartungen festgestellt werden kann. In seiner Selbstdarstellung werden die Aufgaben des IQB so beschrieben: Das IQB hat den Auftrag, die länderübergreifenden Bildungsstandards durch geeignete Testaufgaben zu operationalisieren, diese zu normieren und sie regelmäßig im Rahmen von Ländervergleichsstudien einzusetzen, um das Erreichen der Bildungsstandards zu überprüfen. Ferner ist das IQB mit der Entwicklung von Kompetenzstufenmodellen und der Weiterentwicklung der länderübergreifenden Bildungsstandards betraut. Zur Unterstützung der Länder bei der Implementation der Bildungsstandards entwickelt das Institut unter anderem Aufgaben für Vergleichsarbeiten (je nach Bundesland auch VERA bzw. Lernstandserhebungen genannt), die jedes Jahr nahezu flächendeckend in den Jahrgangsstufen 3 und 8 in deutschen Schulen durchgeführt werden. Seit Beginn des Schuljahres 2013/ 2014 koordiniert das IQB zudem die Entwicklung eines Pools von Abiturprüfungsaufgaben, die auf den Bildungsstandards der KMK für die Allgemeine Hochschulreife basieren. (IQB o. J.) In den Publikationen zu den Bildungsstandards für die Erste Fremdsprache Englisch/ Französisch beim Mittleren Schulabschluss und für die fortgeführte Fremdsprache beim Abitur sind kommentierte Aufgabenbeispiele für Prüfung und vorbereitendes Lernen enthalten, das IQB veröffentlicht darüber eine Aufgabensammlung - den sog. Aufgabenpool. Zur Veranschaulichung ein konkretes Aufgabenbeispiel für den Mittleren Schulabschluss in Französisch als Erste Fremdsprache. Die Aufgabe bezieht sich auf einen Auszug aus Tahar Ben Jellouns Rachid l’Enfant de la télé: Standardbezug [s. Tab. 5.2: Textrezeption] Die Schülerinnen und Schüler können die Aussage einfacher literarischer Texte verstehen. fehlende Vergleichbarkeit Auftrag des IQB Text 5.1 Einheit 5 99 k omp e t enzorI entI erung unD b IlDungssta nDarDs Hinweise Der Inhalt orientiert sich an der Lebenswelt der Schülerinnen und Schüler. Die Schülerinnen und Schüler haben mit einfachen literarischen Texten gearbeitet. Das Aufgabenformat „multiple choice“ ist ihnen vertraut. Einfache französischsprachige Arbeitsanweisungen sind erarbeitet und geübt worden. Die Nutzung eines zweisprachigen Wörterbuchs ist möglich. Die folgende Aufgabe ist auf 20-25 Minuten angelegt. Lösungserwartungen Die Schülerinnen und Schüler erfassen die wesentlichen Textaussagen und können entsprechend die angemessene Zuordnung in den „multiple choice“- Aufgaben vornehmen. Consigne Lisez le texte et les questions. Marquez la réponse correcte par une croix (X). […] Catastrophe ! La télé tombe en panne ! Malheureux et triste, Rachid tourne en rond 1 dans l’appartement. Il essaye de réparer l’appareil, en vain. Il demande à sa mère s’il peut aller chez les voisins pour regarder la télé, mais les voisins sont absents. Alors il met les écouteurs de son walkman sur les oreilles et ferme les yeux, mais aucune image n’apparaît. Il n’ouvre plus son cartable 2 , ne boit plus son chocolat. Il boude 3 , devient méchant avec sa sœur et, quand son père rentre, il casse une assiette. Puni, Rachid va dans sa chambre sans dîner. […] « Qu’est-ce que je vais devenir sans télé ? se dit-il. Je vais devenir rien, un clochard à la maison, […] ! C’est quoi, cette télé qui ne fonctionne plus ? Ce n’est pas une vraie télé. Je vais écrire dans les journaux et les gens n’achèteront plus cette marque … » Cette nuit-là, il fait un cauchemar : des images de toutes les couleurs envahissent 4 sa chambre, déchirent ses livres et ses cahiers. Elles sortent d’une télévision éteinte 5 et traversent les murs, les fenêtres et même le petit corps de Rachid […]. Il appuie de toutes ses forces sur la télécommande mais rien ne s’arrête […]. Alerté 6 par les cris, son père vient le voir. Rachid est en larmes, […]. Il le serre dans ses bras et promet de lui faire un beau cadeau, un beau voyage au Maroc pour les vacances de Pâques. […] « Les images ne sont que des images, lui dit son père. Que dirais-tu d’aller derrière ces images pour découvrir des paysages merveilleux, des montagnes extraordinaires, des forêts immenses avec des arbres plus hauts que notre immeuble, des plaines infinies, des animaux sauvages, un ciel bleu le jour, plein d’étoiles la nuit … ? Annotations: 1. il tourne en rond; Il va et vient - 2. le cartable; la serviette - 3. bouder; être de mauvaise humeur - 4. envahir; entrer dans - 5. une télévision éteinte; qui n’est pas allumée - 6. alerté; alarmé 1. Rachid est malheureux parce que…/ qu’… A. sa petite copine dont il est très amoureux ne lui téléphone pas. 100 S pr achenp olitik zu B eginn de S 21. J a hrhundert S 5.5 Wiederkehr von Totgeglaubtem B. la télévision ne fonctionne pas. C. l’émission qu’il aime le plus va commencer bientôt. D. il cherche la télécommande. 2. Il veut aller chez les voisins pour … A. faire ses devoirs. B. aller promener leur chien. C. regarder la télé. D. leur dire bonjour. 3. Rachid va dans sa chambre sans dîner. Pourquoi? A. Il n’a pas faim. B. Il est trop fatigué. C. Il n’aime pas ce que sa mère a préparé. D. Il a été méchant. 4. Le garçon décide d’écrire aux journaux. Pourquoi? A. Il aime écrire des lettres. B. Il veut dire aux lecteurs d’acheter une télé d’une autre marque. C. Il veut connaître le titre d’une émission. D. Il n’a pas envie de faire ses devoirs. 5. Pendant les vacances de Pâques, son père lui offre un voyage au Maroc. Pourquoi? A. Rachid doit connaître sa famille. B. Rachid a besoin d’un changement de climat pour sa santé. C. Rachid doit connaître la différence entre les images et la réalité. D. Rachid doit écrire un article de journal sur les paysages au Maroc. Kritik an der Sprachenpolitik Während migrationsbedingte Mehrsprachigkeit betreffende Initiativen nur verhalten Wirkung in der Bildungslandschaft zeigen und das Europäische Sprachenportfolio in der Praxis kaum Fuß gefasst hat, sind die Bildungsstandards - und auf dem Weg über sie - auch der GeR bereits weitgehend durchgesetzt. Sie sind allerdings auch Gegenstand von profunder Kritik. Vielen erscheinen sie als Wiederkehr von Totgeglaubtem, denn hier leben Überlegungen aus behavioristischen Konzepten der 1970er Jahren wieder auf. Damals ging es um die Formulierung verbindlicher Inhaltsbereiche und Lernziele, um die „Operationalisierung“ von Wissens- und Könnensbeständen, um die zuverlässige Überprüfbarkeit von Lernergebnissen. Lernziele waren auch damals nicht als fromme Wünsche („Die Schüler/ innen sollen …“), sondern als beobachtbares Verhalten („Die Schüler beschreiben, unterscheiden, benennen…“) zu formulieren, heute spricht man neudeutsch von Output. Dieses also gar nicht so neue behavioristische Insistieren auf dem Sichtbaren verkennt, „dass aus beobachtbarem Verhalten nicht mit Sicherheit auf die zu- Einheit 5 101 k rItIk a n D er s pr achenp olItIk Reduktion auf Funktionalität Trivialisierung von Sprachlernangeboten grunde liegenden, zur Planung, Steuerung, Ausführung und Bewertung einer Handlung erforderlichen psychischen Ressourcen und Organisationskapazitäten geschlossen werden kann.“ (Küster 2006: 19) Heute ist zwar durchweg die Rede von Kompetenzen, aber bei der Formulierung zahlreicher Aufgabenbeispiele und bei der geforderten Orientierung am Beobachtbaren „wird in Kauf genommen, dass die Grenzen zwischen Kompetenz- und Performanzaspekten verschwimmen und die Komplexität von Lern- und Bildungsprozessen aus dem Blick zu geraten droht“ (ebd.). Mit der Testdiagnoseorientierung ist die Kompetenzorientierung schwer vereinbar. Diese wird von jener derzeit aus dem Feld geschlagen. Das ist daran zu erkennen, dass instrumentelle Ziele in den Bildungsstandards differenziert ausformuliert und für die Überprüfbarkeit aufbereitet sind, interkulturelle, musisch-ästhetische und reflexive dagegen nicht oder nicht überzeugend. Lutz Küster (2013: 61) warnt: „Ein Fremdsprachenunterricht, der allein auf prüfbare Kompetenzen setzte, müsste notwendigerweise Bildung aus dem Auge verlieren.“ Sprache und Kommunikation sind auf Funktionalität reduziert; komplexe und latente Prozesse der Verständigung, der Sinnstiftung und Bedeutungsaushandlung verschwinden aus dem Blickfeld. Lothar Bredella (2006: 113) weist in seiner Analyse der Bildungsstandards für die erste Fremdsprache nach, dass die Aufgaben zum Leseverstehen „wesentliche Aspekte des Leseprozesses nicht berücksichtigen. Ein Grund für diese Schwäche liegt wohl darin, dass die Aufgaben sich nicht an den Einsichten der Lese-, sondern an der Testdidaktik orientieren.“ Das Denken vom Ende, von der Testbarkeit her, wird angeregt, nicht das Denken von den Schüler/ innen und ihren nicht immer linear-zielgerichtet auf Standards hin orientierten Bildungsprozessen her. „Die gesamte Lernwelt ist - für den Aufgabenmacher - um eine glückliche Wendung von Max Picard aufzugreifen - vorerledigt,“ so Horst Rumpf (2012). Wolfgang Hallet und Andreas Müller-Hartmann sehen nicht nur die Gefahr des teaching to the test gegeben, sondern bezweifeln ebenfalls, dass die Aufgabenbeispiele „tatsächlich dem ihnen zugrunde liegenden Kompetenzbegriff entsprechen“ (2006: 5). Sie fordern daher, und engagieren sich für, die Entwicklung von Aufgaben, „die weit über die Aufgabenbeispiele der Standards hinausgehen“ (ebd.). Auch die Kommission um Klieme warnt vor der Gefahr, die Schüler/ innen trivialen, fragmentierten Sprachlernangeboten auszusetzen. Genau diesen Mangel hatten ja die internationalen Vergleichsstudien aus den Schülerleistungen abgelesen und „mangelnde Kumulativität des schulischen Lernens“ (Klieme 2007: 27) dafür verantwortlich gemacht. Bildungsziele wie Mündigkeit, Solidarität, Toleranz, Fremdverstehen werden letztlich entwertet, denn sie widersetzen sich der Standardisierung: Sie brauchen Langfristigkeit und sind schwer testbar. Hartmut von Hentig zitierend verteidigt Lothar Bredella indes solche Ziele, weil sie „zwar nicht eindeutig messen, was ein Schüler nach einer bestimmten Zeit gelernt haben muss, aber die Richtung der Lehrenden und Lernenden bestimmen“ (2006: 109). 102 S pr achenp olitik zu B eginn de S 21. J a hrhundert S neoliberales Kontrollinstrument Zusammenfassung Der im Europäischen Sprachenportfolio zum Ausdruck kommende Wunsch nach mehr Gelegenheit zu autonomem Lernen und Selbsteinschätzung wird ebenfalls als zweischneidig betrachtet. Einerseits ist der Gedanke der Individualisierung und der Selbstplanung, -gestaltung und -evaluation von Lernprozessen kennzeichnend für schülerorientierten Unterricht und geradezu eine Gegenbewegung gegen die Standardisierung. Andererseits erschwert die enge Anbindung des Sprachenportfolios an den GeR und seine Niveauskalen diese Gegenbewegung und verhindert, dass die Schüler/ innen in ihrer Heterogenität wirklich als Akteur/ innen und Subjekte ihrer eigenen Bildungsprozesse ins Spiel kommen können. „Es ist der Ausverkauf der Pädagogik, der sich hier vollzieht“, schreibt Rolf Arnold (2005: 66), der in der Standardorientierung ein neoliberales Steuerungs- und Kontrollinstrument sieht. So dramatisch sieht Tenorth (2005) das zwar nicht, aber auch er betont, dass eine zuverlässige Bestimmung von Kompetenzen und Standards nach unverrückbaren und objektiven Normen eine Illusion sei. Über welche Kompetenzen Lernende am Ende einer Jahrgangsstufe verfügen sollen, welche Lernerbilder, Sprachvorstellungen und Schulkonzepte dabei im Blick sind, das ist Sache kontroverser gesellschaftlicher Aushandlungsprozesse, und dabei spielen Machtverhältnisse und Interessen eine Schlüsselrolle. „Legitimation gewinnt dieser Prozess einerseits durch die Absicherung in politisch eindeutigen Entscheidungsprozessen, andererseits dadurch, dass er sich selbst der Erprobung unterwirft - und offen ist für Revision“, fordert deshalb Tenorth (2005: 31). Es ist erstaunlich, wie viel bildungspolitische Aufmerksamkeit, Energie und Finanzkraft der Mess- und Vergleichbarkeit von Resultaten gilt, nicht dagegen ‚gutem‘ Unterricht, Schul- und Unterrichtsentwicklung, Bildungsgangforschung, Lehrerbildung. „Notwendig ist“, so dagegen Peter Euler (2012), eine die Bedingungen des Gelingens von Bildung und Pädagogik ernst nehmende Politik. Das verlangt eine beharrliche, politisch langfristig unterstützte und substanzielle, eben auch fachpädagogische Lehrer/ innenbildung und Schulentwicklung, die nur durch solide Zusammenarbeit engagierter Lehrer/ innen und Forscher/ innen vorstellbar ist, nicht als top-down-Prozess eines Konsortiums. Im Rahmen der abschließenden Einheit 14 zum Thema der Leistungsüberprüfung und -bewertung kommen wir auf diese Problematik zurück. Die obige Einheit widmet sich sprachenpolitischen Innovationen zu Beginn des 21. Jahrhunderts, die ohne den europäischen Zusammenschluss undenkbar wären. Europa muss sich mit der Frage der sprachlichen Vielfalt auseinandersetzen und tut dies auch, wie gezeigt wurde. Dabei sind die Weltsprachen Französisch, Spanisch und besonders Englisch mächtige Kontrahenten der Sprachen mit geringerer internationaler Reichweite. Neben den Mehrsprachigkeitsinitiativen wurden Bestrebungen vorgestellt, das Spra- Einheit 5 103 k rItIk a n D er s pr achenp olItIk chenlernen in Europa zu vereinheitlichen. Von zentraler Bedeutung ist hierbei vor allem der vom Europarat in Auftrag gegebene Gemeinsame Europäische Referenzrahmen für Sprachen (GeR). Er legt Kompetenzen in sprachlich-kommunikativen Kernbereichen fest, liefert durch Niveauskalen und Deskriptoren Gradmesser für deren Erreichen und ist prinzipiell auf jede Sprache anwendbar. Daneben wurde als weitere Innovation das Europäische Sprachenportfolio beschrieben, das der Dokumentation der Kompetenzen eines Individuums in allen ihm verfügbaren Sprachen dienen, den individuellen Sprachlernprozess sichtbar machen und zur Planung eigener Sprachlernvorhaben anregen soll. Schließlich wurde der Einfluss des GeR auf die nationale Einrichtung von Bildungsstandards durch die KMK beschrieben und an den Bildungsstandards illustriert. Die Einheit schließt mit einem Blick auf kritische Aspekte einer standardorientierten Schulsprachenpolitik. Aufgaben 1 In der derzeitigen Bildungspolitik sind Tendenzen der Outcome- und Standardorientierung mächtig, während in der Erziehungswissenschaft einschließlich der Fremdsprachendidaktik für Subjekt- und Bildungsprozessorientierung plädiert wird. Lassen sich beide versöhnen? 2 Lesen Sie Karin Vogts (2006: 24 ff.) Auseinandersetzung mit den Aufgabenbeispielen der Bildungsstandards, schreiben Sie ihre Kernaussagen nieder und beziehen Sie dazu Stellung. 3 Entwickeln Sie eine eigene Schreibaufgabe für die Niveaustufe A2 und halten Sie die Schwierigkeiten fest, die Ihnen bei der Entwicklung der Aufgabe begegnen. 4 Worin sehen Sie die Vorzüge, worin die Probleme des Europäischen Sprachenportfolios? Zum Weiterlesen Decke-Cornill, Helene/ Gebhard, Ulrich (2007): Ästhetik und Wissenschaft: Zum Verhältnis von literarischer und naturwissenschaftlicher Bildung. In: Bredella, Lothar/ Hallet, Wolfgang (Hrsg.): Literaturunterricht, Kompetenzen, Bildung. Trier: WVT, 11-29. Wolfgang Hallet (2011): Die komplexe Kompetenzaufgabe. In: ders. (Hrsg.): Lernen fördern: Englisch. Kompetenzorientierter Englischunterricht in der Sekundartstufe I. Seelze: Klett-Kallmeyer, 143-176. Themenheft „Bildungsstandards“. Der fremdsprachliche Unterricht Englisch 81 (2006). 105 6.1 Definition Einheit 6 Konzeptionen des Fremdsprachenunterrichts: vom Sprachwissen zu kommunikativer Kompetenz Bei dem Streifzug durch Geschichte und Politik des Fremdsprachenunterrichts in Einheit 5 wurde deutlich, wie eng die Bedeutung des Fremdsprachenunterrichts an gesellschaftliche, politische und wirtschaftliche Entwicklungen gebunden ist. In dieser sechsten Einheit beginnen wir erneut mit einem Rückblick, richten aber nun unser Augenmerk auf die Konzepte des Fremdsprachenunterrichts und ihren Wandel und nehmen die Dimension der Unterrichtsmethodik genauer unter die Lupe. Wieder wird dabei spürbar, dass die Faktoren, die für die Durchsetzung bestimmter Konzepte entscheidend waren, vielfältig sind, dass etwa nicht nur neue spracherwerbstheoretische Erkenntnisse den Anstoß für neue Unterrichtsgestaltungen geben, sondern z. B. auch neue soziale und bildungspolitische Konstellationen. Unterrichtskonzeptionen: das Was, das Wie und das Warum Unter Unterrichtskonzeptionen werden im Folgenden die didaktischen und methodischen Entwürfe von Unterricht sowie die ihnen zugrunde liegenden Begründungen verstanden. In der ersten Einheit hatten wir die begriffliche Abgrenzung zwischen Didaktik und Methodik erörtert und Didaktik als den Bereich der Ziele und Inhalte, Methodik als den untrennbar mit ihr verbundenen (vgl. Kron, Einheit 1.1.1) und zugleich untergeordneten (vgl. Klafki, ebd.) Bereich der Verfahren beschrieben, als ihre operative Dimension. Didaktik ist damit sowohl Oberbegriff von Didaktik und Methodik als auch ein von Methodik unterschiedener Begriff. Das Wort Methode stammt von Methodos (gr.) bzw. methodus (lat.) und bedeutet Weg, Gang. In Unterrichtskontexten versteht man darunter einen wiederholbaren, planvollen Zugang zu einem Gegenstand und zu einem Lehrbzw. Lernziel. An dieser Formulierung ist erkennbar, wie wenig die Abgrenzung zwischen Was und Wie trägt: Methoden sind immer von Zielen und Inhalten und den Menschen, die Ziele setzen bzw. denen sie gesetzt werden und ihren unterschiedlichen Deutungen dieser Ziele und Inhalte abhängig. Ziele, Inhalte und Methoden bedürfen der Begründung, der Beantwortung der Frage: Warum dies und nicht das? Warum so und nicht anders? Die Auseinandersetzung und Erforschung solcher Fragen gehört in den Bereich der Unterrichtsmethodologie. 106 K onze ptionen de s F re mdspr achenunt errichts Definition Methodenkompetenz 6.2 Handlungssituationen Handlungsmuster Unterrichtsschritte Unter Unterrichtsmethodologie wird der Bereich des Erforschens, Analysierens und Reflektierens von Unterrichtsmethoden verstanden. Dagegen bezeichnen die Begriffe Unterrichtsmethode(n) oder Unterrichtsmethodik konkrete (ersonnene, geplante oder realisierte) Verfahrensweisen für ein Unterrichtsvorhaben, die je nach den ihnen zugrunde liegenden Prinzipien in Kategorien gefasst werden, z. B. fragend-entwickelnder Unterricht oder entdeckendes Lernen usw. Wer sich mit Unterrichtskonzeptionen befasst, hat in der Regel die Ziele, Inhalte und methodischen Arrangements der Lehrenden im Blick. Tatsächlich liegt die Verantwortung für den Unterricht in unserer Bildungstradition ja auch bei den Lehrenden. Seit der Reformpädagogik wird aber immer wieder auch die Ermächtigung der Lernenden zur Gestaltung ihrer Lernprozesse als Unterrichtsziel genannt und die Erwartung geäußert, die Schüler/ innen mögen nicht nur nebenbei und zufällig, sondern systematisch Methodenkompetenz und Lernerautonomie, erwerben (s. Einheit 1.1 und Einheit 11). Methoden werden in dieser Erwartung zu Inhalten, Methodenkompetenz zum Ziel, das Wie wird in diesem Fall zum Was. Begriffsklärung: Unterrichtsmethoden Wir wollen nun genauer auf den Begriff der Methode schauen, denn er ist für die Analyse und kritische Auseinandersetzung mit Unterrichtskonzeptionen unverzichtbar. Für Hilbert Meyer ( 6 1994) lässt sich die methodische Gestalt eines Unterrichts an fünf Aspekten identifizieren: (1) Handlungssituationen/ Lernsituationen/ Unterrichtsszenen, d. h. „zeitlich begrenzte, strukturierte, vom Lehrer und den Schülern bewußt gestaltete und mit Sinn und Bedeutung belegte Interaktionseinheiten“ (ebd. 116), die dazu dienen, den Unterrichtsprozess voranzutreiben, einem Ziel zuzuführen. Beispiele: Frage und Antwort, sich melden und drankommen, einen Arbeitsauftrag erteilen, vorsprechen und nachsprechen. (2) Handlungsmuster/ Lehrformen/ methodische Grundformen. Meyer vergleicht Handlungsmuster mit Drehbüchern und versteht darunter „historisch gewachsene, von Lehrern und Schülern mehr oder weniger fest verinnerlichte Formen der Aneignung von Wirklichkeit. Sie haben einen bestimmten Anfang und ein Ende. Sie sind zielgerichtet.“ (Ebd. 127) Im Vergleich zu Handlungssituationen sind sie letztlich nur komplexer, d. h. ein Handlungsmuster kann sich aus diversen Handlungssituationen zusammensetzen. Beispiele: fragend-entwickelndes Unterrichtsgespräch, Rollenspiel. (3) Unterrichtsschritte/ methodischer Gang/ Verlaufsformen und Stufenschemata, also die chronologische „Prozessstruktur des Unterrichts“ Einheit 6 107 b egrI F F skl ärung : u nt errIchtsme thoD en (ebd.- 130), sein Ablauf in unterscheidbaren Phasen. „Verlaufsformen strukturieren den zeitlichen Ablauf des Unterrichts. Sie verknüpfen die einzelnen Unterrichtsschritte zu einem Ganzen.“ (Ebd. 133) Beispiel: 1. Stundeneröffnung, 2. Einführung, 3. Erarbeitung, 4. Anwendung und Übung, 5. Ergebnissicherung. (4) Sozialformen/ Kooperationsformen/ Differenzierungsformen. In der Schule kommen vier Formen vor: „Klassenbzw. Frontalunterricht, Gruppenunterricht, Partnerarbeit, Einzelarbeit“ (ebd. 136). Der Begriff ‚Sozialform‘ wurde von Wolfgang Schulz in den 1960er Jahren geprägt und hat sich gegenüber dem weniger verbreiteten Begriff der ‚Kooperationsformen‘ von Lothar Klingberg durchgesetzt. „Sozialformen regeln die Beziehungsstruktur des Unterrichts. Sie haben eine äußere, räumlich-personal-differenzierende und eine innere, die Kommunikations- und Interaktionsstruktur regelnde Seite.“ (Ebd. 138) Das Arrangement der Stühle und Tische in einem leeren Klassenzimmer verrät bereits die dort bevorzugten Sozialformen. (5) Methodische Großformen nennt Meyer „komplexe, historisch gewachsene und institutionell verankerte feste Strukturen der zielbezogenen Organisation thematisch zusammenhängender schulischer Aufgabenkomplexe“ (ebd. 146). Während die vorherigen Punkte Aspekte der methodischen Sozialformen Abb. 6.1 Sozialformen des Unterrichts Methodische Großformen 108 K onze ptionen de s F re mdspr achenunt errichts 6.3 kontrollierte Vorgehensweise 6.3.1 Kategorien aus dem Lateinischen Charakterisierung bzw. Analyse von Unterricht auflisten, werden in diesem fünften Punkt etablierte Inszenierungsformen von Unterricht genannt, die immer wiederkehren und Gesamtarrangements darstellen. Beispiele: Vorlesung, Projekt, Lehrgang u. Ä. Geschlossene Konzeptionen des Fremdsprachenunterrichts Im Folgenden stellen wir Konzeptionen des Fremdsprachenunterrichts vor, die wir als ‚geschlossen‘ bezeichnen, weil sie eine relativ starre, regelhaft ablaufende, eng durch die Lehrkraft geführte und kontrollierte Vorgehensweise aufweisen. Solche Methoden wurden immer wieder in Frage gestellt, etwa in reformpädagogischen Kontexten. Denn Menschen lassen sich auch durch ein noch so ausgeklügeltes Lehrarrangement nicht zum Spracherwerb programmieren. Trotz dieser Einschränkung gehören die folgenden Konzeptionen nicht ganz und gar der Vergangenheit an. Sie sind immer noch präsent, zum einen in der Praxis, vor allem in Bildungssystemen, in denen reglementierende Erziehungsvorstellungen lebendig sind, aber auch in liberaleren Erziehungszusammenhängen, in denen sie als eine methodische Möglichkeit unter vielen in einem offenen, vielfältigen Methodenspektrum ihren Ort haben. Die „klassische“ Grammatik-Übersetzungs-Methode (GÜM) Wir beginnen mit der Grammatik-Übersetzungs-Methode (GÜM), die das 19.- Jahrhundert bestimmte und gegen die Wilhelm Viëtor und die Reformbewegung am Ende des 19. Jh. zu Feld zogen. Sie wurde in den USA Prussian Method genannt, wegen ihrer Herkunft aus dem altsprachlichen Unterricht gelegentlich auch Classical Method (Richards/ Rodgers 1986) (s. Einheit 4.2.1). Anders als spätere Unterrichtsmethoden, die Erkenntnisse aus der Sprachwissenschaft und der Lernpsychologie berücksichtigen, entbehrte die Grammatik-Übersetzungs-Methode einer wissenschaftlichen Fundierung. In linguistischer Hinsicht orientierte sie sich an der lateinischen Schulgrammatik, beschrieb also moderne Sprachen mit Kategorien aus dem Lateinischen. Zu den daraus erwachsenden Absonderlichkeiten gehörte etwa, dass die Flexionslehre auf das Englische übertragen und im Englischunterricht Nomina dekliniert wurden: Singular: Nominativ: the Plural: Nominativ: the Genitiv: of the Genitiv: of the Dativ: to the Dativ: to the Akkusativ: the Akkusativ: the Viëtor (3. Aufl. 1905: 130) Einheit 6 109 g e schlossene k onze ptIonen D e s F re mDspr achenunt errIchts „Es gehört wahrlich die ganze Verblendung gedankenloser Traditionsgläubigkeit dazu, nicht zu merken, daß hier aber auch absolut gar nichts flektiert ist“, seufzt Viëtor (ebd.). Sprache wurde zum Zweck geistig-formaler Bildung, der Schulung von Kognition und Logik und der Selbstveredelung gelehrt. Bezugsnorm war die literarisch geformte Schriftsprache. In der Literatur der Hochkultur glaubte man den Niederschlag der geistigen Leistungen einer Sprachgemeinschaft zu finden. Als Arbeitssprache des Fremdsprachenunterrichts diente nicht die Fremdsprache, sondern die Erstsprache Deutsch (mehrsprachige Klassenzimmer waren äußerst selten, Dialekte verpönt). Die vorherrschende Kommunikationsstruktur war die Lehrer-Schüler-Interaktion; Schüler-Initiative und Schüler-Schüler-Interaktionen spielten dagegen kaum eine Rolle. Lehrervortrag, Lehrerfragen/ Schülerantworten, Übersetzen, Schreiben waren die Standard-Handlungsmuster, Hauptsozialformen der Frontalunterricht und die Einzelarbeit. Eine typische Abfolge an Unterrichtsschritten war die Einführung einer sprachlichen Regel; das Üben anhand von Mustersätzen; und schließlich die Übersetzung in die fremde Sprache und aus der fremden Sprache. Es wurde also vom allgemeinen Regelsatz zum sprachlichen Einzel- Phase Aktivität 1 Die Klasse liest einen fremdsprachigen literarischen Textausschnitt. (Denn: In der literarischen Sprache ist eine Sprache am vollkommensten.) 2 Die Klasse übersetzt in die eigene Sprache. (Denn: Übersetzungskompetenz ist Ziel und die Übersetzung ist zugleich Nachweis des Textverständnisses. Es wird davon ausgegangen, dass alle Mitglieder der Klasse eine gemeinsame Erstsprache haben.) 3 In der Erstsprache bittet die Lehrkraft die Klasse, ihre Fragen zu stellen. Diese werden in der Erstsprache besprochen. (Denn: Wissen über die Sprachstruktur wirkt bildend.) 4 Die Klasse beantwortet schriftlich Fragen zum Textverständnis. (Denn: Schriftlichkeit ist die Höchstform von Sprache, s. oben.) 5 Die Lehrkraft kommentiert und beurteilt die vorgetragenen Antworten. (Denn: Im Mittelpunkt steht sprachliche Korrektheit; die Lehrperson ist Bewertungsautorität.) 6 Die Klasse stellt morphologische, phonologische, syntaktische Sprachvergleiche zwischen eigener und Fremdsprache an. Beispiel: aventure/ adventure/ Abenteuer. (Denn: Wissen über Ähnlichkeiten und Zusammenhänge zwischen den Sprachen dient dem Sprachwissen.) 7 Die Lehrkraft hebt eine grammatische Erscheinung hervor, präsentiert sie der Klasse, erläutert sie metasprachlich und formuliert eine Regel, die sie an Beispielen üben und lernen lässt. (Denn: Sprachliche Regelhaftigkeiten werden durch Erklärung transparent und können durch Einüben und Regelwissen beherrscht werden.) 8 Anhand zweisprachiger Wortlisten wird der neue Wortschatz eingeübt. (Denn: Das Wortinventar einer Sprache entspricht dem einer anderen und lässt sich über Wortgleichungen lernen.) literarisch geformte Schriftsprache Tab. 6.1 Eine Unterrichtsstunde nach der Grammatik-Übersetzungs-Methode im Überblick 110 K onze ptionen de s F re mdspr achenunt errichts 6.3.2 das schlechte Sprachkönnen gestiegenes Interesse an Mündlichkeit Direkte Methode Deduktion Induktion 6.3.3 neue Klientel von Fremdsprachenlernenden fall vorgegangen, wodurch den Lernenden das selbstständige Entdecken von Regelhaftigkeiten nicht möglich war. Diane Larsen-Freeman (1986) hat einen typischen Verlauf der noch heute in einigen Teilen der Welt praktizierten Methode, einschließlich der zugrunde liegenden Begründungen skizziert. Beides wird in Tabelle 6.1 leicht modifiziert wiedergegeben. Kritik an der GÜM und die Direkte Methode 1882 erschien Wilhelm Viëtors Pamphlet: „Der Fremdsprachenunterricht muß umkehren! “ Schon vor Viëtor hatten viele das schlechte Sprachkönnen in den Schulen beklagt und der regelbesessenen Lehre angelastet, Auslandsaufenthalte und Reisestipendien gefordert. Auch die Gründung der Association Phonétique Internationale und der Berlitz-Schulen wiesen auf ein gestiegenes Interesse an Mündlichkeit, Direktbegegnungen, Sprachkönnen hin (s. Einheit 4.2.2). Für den Fremdsprachenunterricht entwickelt Viëtor einen neuen Ansatz: die Direkte Methode. Der Sprachunterricht entwickelt jetzt seine fachtypische Eigenart und Problematik: Arbeitssprache und Inhalt sind identisch; die Fremdsprache ist sowohl Unterrichtsmedium als auch Lernziel; die Erstsprache tritt in den Hintergrund; Übersetzen wird zweitrangig und beschränkt sich auf das Übersetzen aus der Fremdsprache; Grammatik wird durch Induktion erarbeitet. Während in der GÜM deduktiv von der allgemeingültigen Regel ausgegangen wurde und dann konkrete sprachliche Einzelfälle daraus abgeleitet wurden, wird nun durch Induktion beim Hören und Sprechen Regelwissen erworben. Nach den von Hilbert Meyer zusammengestellten Kriterien handelt es sich bei der Direkten Methode freilich nicht um eine Methode, denn es werden weder Sozialformen noch Handlungssituationen und -muster noch Unterrichtsschritte festgelegt, sondern nur Unterrichtsprinzipien. Trotz zahlreicher gegenläufiger Impulse blieb die Grammatik-Übersetzungs-Methode noch bis in die 1950er Jahre, in denen Fremdsprachen ja immer noch zu den Selektionsfächern der höheren Schulbildung zählten - wenn auch in gemäßigter Weise -, vorherrschend an den Schulen in Deutschland. Ihre Spuren finden sich dort bis heute. Die audiolinguale und audiovisuelle Methode Der Sputnik-Schock von 1957 und seine bildungspolitischen Konsequenzen in den Ländern des Westens (s. Einheit 4.3.3) stellten die Didaktik vor die Herausforderung, einen hauptschulgemäßen Fremdsprachenunterricht zu konzipieren. Eine neue Klientel von Fremdsprachenlernenden war zu berücksichtigen, und das veränderte vor allem den Englischunterricht nachhaltig, der Einheit 6 111 g e schlossene k onze ptIonen D e s F re mDspr achenunt errIchts ein großer Fremdsprachenbedarf Hör-Sprech-Methode US-Strukturalismus Behaviorismus Verhaltenskonditionierung Drill-&-Kill-Methode zentrale Rolle der Lehrperson ja von den sprachlichen Fächern am meisten betroffen war. Während Piepho schon Pionierarbeit für den kommunikativen Ansatz des Fremdsprachenunterrichts leistete (davon gleich mehr), bezogen viele Lehrbuchverlage und lehrerbildende Einrichtungen Impulse aus den USA, die in eine ganz andere Richtung wiesen. In den USA war seit den 1930er Jahren und verstärkt bei der Mobilisierung für den Krieg ein großer Fremdsprachenbedarf entstanden, der ebenfalls neue Zielgruppen betraf. Als deshalb Ende 1942 das Army Specialised Training Program ins Leben gerufen wurde, das über knapp zwei Jahre lang Soldaten in Intensivkursen für kriegswichtige Aufgaben qualifizierte, waren darin u. a. auch Fremdsprachen vorgesehen. Ein wichtiger Linguist, der hier involviert war, war Leonard Bloomfield von der Yale University (Language, 1933). Er hatte schon zuvor für Anthropologen Spracherwerbstechniken entwickelt, um sie auf ihre Feldforschung in fremden Sprachgemeinschaften vorzubereiten. In diesem Sprachlehrmodell waren native speakers Vorbild und Quelle. Die Linguisten ermittelten aus deren Äußerungen - also induktiv - sprachliche Strukturen, die dann in Intensivkursen durch Imitationsübungen an die Forscher/ innen vermittelt wurden. Ähnlich wurde auch in den Sprachlehrveranstaltungen des Army Specialised Training Program vorgegangen. Als die USA nach Kriegsende Weltmacht wurden und damit Englisch als Fremdsprache immer wichtiger, wurde die audiolinguale oder Hör-Sprech- Methode des Army Program als Ansatz für den schulischen Fremdsprachenunterricht adaptiert. Die audiolinguale Methode war im engsten Sinne sprachlich orientiert. Sprachwissenschaftlich durch Bloomfields US-Strukturalismus fundiert - Sprache ist als Inventar von klassifizierbaren Strukturen und Elementen beschreibbar und vermittelbar - folgte diese Methode lerntheoretisch dem Behaviorismus (s. Einheit 2.1). B. F. Skinners Verbal Behavior zufolge ist Sprache Verhalten, und Verhalten kann gezielt ausgelöst werden. Fremdsprachenlernen ist demnach Verhaltenskonditionierung; Habitualisierung und Automatisierung führen zum Spracherwerb. Begriffe wie Einschleifen und Training verraten die Herkunft der Drill-&-Kill-Methode aus dem Militär. Negative Rückmeldungen galten übrigens in diesem Verfahren als lernhinderlich, positive - Lob und Bestätigung - als förderlich (s. Tab. 6.2). Wie aus der Verlaufsskizze eines exemplarischen Unterrichtsverlaufs (s.- Tab. 6.2) deutlich wird, hat die Lehrperson eine zentrale Rolle. Steuernd und kontrollierend gestaltet sie den Unterricht und stellt das Sprachmodell der Zielsprache dar. Es wird davon ausgegangen, dass sie native oder native-like speaker ist. Die Schüler/ innen verhalten sich reaktiv. Interaktionen zwischen ihnen werden mit Skepsis betrachtet, denn nach behavioristischem Verständnis könnten sie zur Imitation von Fehlerhaftem führen. Eine in mancher Hinsicht der audiolingualen Methode ähnliche Unterrichtskonzeption war in den 1960er Jahren in Frankreich populär und 112 K onze ptionen de s F re mdspr achenunt errichts wurde auch im Fremdsprachenunterricht in Deutschland praktiziert: die audiovisuelle Methode. Schon Ende der 1950er Jahren erschien das erste Lehrwerk nach dieser Methode: Voix et Images de la France. Auch hier galt die behavioristisch inspirierte Grundstruktur: Auf einen Reiz (= Bild) erfolgte - verstärkt durch positive Rückmeldung - eine Reaktion (= Sprache). In Abweichung von der audiolingualen Methode herrschte hier das Prinzip der optischen Anschauung als Impuls. Die Schnittmengen zwischen beiden weitgehend unabhängig voneinander entwickelten Unterrichtskonzeptionen waren groß. Einziger Unterschied war letztlich der geräteintensive Einsatz der Filmstreifen - also eine größere Medienzentrierung bei der audiovisuellen Methode gegenüber einer größeren Lehrerorientierung bei der audiolingualen. Insgesamt sind folgende Merkmale der audiolingualen und der audiovisuellen Methode charakteristisch: Phase Aktivität 1 Die Lehrkraft (L) spricht einen Alltagsdialog, z. B. ein Einkaufsgespräch oder Erkundigung nach dem Weg, zweimal vor und unterstützt ihren Vortrag durch Gesten und Stimmwechsel. 2 L wiederholt den Dialog Satz für Satz, lässt im Chor von der Klasse und dann von Einzelnen nachsprechen. Bei langen Sätzen, die auf Anhieb nicht leicht nachzusprechen sind, wird im sog. backward build-up von der Lehrkraft vor- und der Klasse bzw. Einzelnen nachgesprochen. Beispiel: „post office - to the post office - going to the post office - I’m going to the post office“. 3 L übernimmt einen Dialogpart, die Klasse den anderen. Anschließend werden die Rollen umgekehrt. 4 Im Kettendialog wird der Dialog erneut geprobt, diesmal durch die ganze Klasse: Jede/ r spricht dabei jeweils einen Satz des Dialogs. 5 In einer weiteren Zuspitzung werden einige Schüler/ innen gebeten, den Dialog vorzuspielen. 6 Die Strukturen des Dialogs werden nun in den Mittelpunkt gerückt, indem durch substitution oder pattern drills (Satzschalttafeln) Segmente des Dialogs im Analogverfahren ersetzt werden. L gibt Stichworte, z. B. L: to the bank. Klasse: I’m going to the bank. L: to the bakery. Klasse: I’m going to the bakery. L: to the restaurant Klasse: I’m going to the restaurant. L: She is … Klasse: She is going to the restaurant. L: We are Klasse: We are going to … usw. Nur in Ausnahmefällen werden nachträglich auch grammatische Erläuterungen gegeben. Dennoch ist spätestens an dieser Phase zu erkennen, dass die audiolinguale Methode zwar auf Alltagsdialoge vorbereiten will, aber auch stark sprachformorientiert ist. 7 Die Klasse erhält den Dialog in schriftlicher Form und die Hausaufgabe, ihn auswendig zu lernen. Tab. 6.2 Eine Unterrichtsstunde nach der audiolingualen Methode im Überblick die audiovisuelle Methode Einheit 6 113 g e schlossene k onze ptIonen D e s F re mDspr achenunt errIchts � Mündlichkeitsprimat, d. h. primäre Fertigkeiten sind Hören und Sprechen; Lesen und Schreiben spielen eine untergeordnete oder gar keine Rolle; � Situativität, Dialogizität, Alltagssprachlichkeit, denn die Bewältigung von Alltagssituationen steht im Mittelpunkt, d. h. es wird antizipiert, in welche Alltagssituationen die Lernenden geraten könnten und welcher Grunddialog für die Bewältigung jeweils hilfreich sein könnte; � Induktion, d. h. Sprachstrukturelles wird indirekt beim Hören und Sprechen erworben; � perfektes Sprachmodell, denn nur ein solches kann verhindern, dass Fehler gelernt werden; als Hilfskonstruktion werden Medien betrachtet, vor allem das Sprachlabor; � Ausschluss der Muttersprache, denn eine andere Sprache würde unliebsame kognitive Aktivitäten provozieren und den Nachahmungsvorgang stören; � Imitation und Wiederholung sind der Königsweg des Sprachenlernens; � Wortschatzarbeit nur im Satzkontext, denn Sprachstrukturen und -muster geben den entscheidenden Rahmen für die Verwendung von Wörtern ab. Abb. 6.2 Beispiel zur audiovisuellen Methode aus Passport to English 1965 114 K onze ptionen de s F re mdspr achenunt errichts Phase der Ernüchterung Kritik Text 6.1 Der Blütezeit dieser beiden Unterrichtskonzeptionen in den 1960er und frühen 1970er Jahren folgte eine Phase der Ernüchterung. Einerseits blieb die erhoffte Wirkung aus - eine befriedigende Übertragung des Gelernten auf Realsituationen fand nicht statt -, andererseits erwiesen sich die Lehr-Lern-Verfahren als allzu gleichförmig. Schließlich wurde auch die sprachwissenschaftliche Fundierung in Frage gestellt, u. a. von Noam Chomsky, der 1959 in seiner kritischen Rezension von Skinners Verbal Behavior darlegte, dass Spracherwerb nicht Verhaltenskonditionierung, sondern ein mentaler schöpferischer Prozess sei (s. Einheit 2.2.1). Die Kritik an der Methode galt vor allem: � der Tabuisierung der kognitiven und kreativen Kompetenzen der Lernenden � der Entmündigung der Lernenden (Marionetten) � der Lehrerbzw. Medienzentriertheit � dem Verständnis von Lernen als Automatisierung � der Gleichförmigkeit des Ablaufs und dem geringen Differenzierungsspielraum � der Banalität der Dialoge � dem völligen Ausschluss der Muttersprache � dem Widerspruch zwischen angeblicher Situativität und tatsächlicher Orientierung an Sprachstrukturen; die Situation erschien als Vorwand für das Einschleifen von Strukturen. Eugène Ionesco soll sich für sein absurdes Theaterstück La Cantatrice Chauve (Die kahle Sängerin) auf seine Erfahrungen mit einem audiolingualen Sprachkurs gestützt haben, und anonyme Spötter erfanden ein Stundenszenario (zit. in Mathieu 1964: 20), das in den fremdsprachlichen Fachkonferenzen kursierte: Teacher: This is a chair. Chorus of students: This is a chair. T.: Mango. St.: This is a mango. T.: Table. St.: This is a table. T.: That. St.: This is a that. T.: No, think, please. St.: This is a think please. T.: No, a thousand times no. (Pause) Very bright student: That is a table. T.: Ah, correct. … Eye. Student B: I is a table. Student C: I am a table. (Exit teacher.) Einheit 6 115 l ernzI el k ommunIk atI V e k omp e t enz 6.4 Kommunikative Kompetenz als oberstes Lernziel des Englischunterrichts Natürlich sind Grammatik-Übersetzungs-, Direkte und audiolinguale bzw. -visuelle Methode nicht die einzigen methodischen Konzeptionen des Fremdsprachenlernens gewesen oder geblieben. Zwischen 1973 und 1980 entwickelte z. B. Wolfgang Butzkamm unter der Überschrift Aufgeklärte Einsprachigkeit seine Bilinguale Methode (nicht zu verwechseln mit dem, was heute unter dem Begriff Bilingualer Unterricht verstanden wird), die einen gezielten Einsatz des Deutschen im Fremdsprachenunterricht vorsah und dabei voraussetzte, dass Deutsch für alle Erstsprache war. Gleichzeitig entstand im außerschulischen Bereich eine Reihe von sog. Alternativen Methoden (Wienold 1985, Ortner 1998), die sich als Reaktion auf die Defizite und Mängel der etablierten Verfahren verstanden, z. B. Suggestopädie, Silent Way, Community Language Learning, Total Physical Response. Lernziel Kommunikative Kompetenz In den 1960er/ 1970er Jahren - der Zeit großer Umbrüche im Bildungswesen nach dem Sputnik-Schock - begann die Fremdsprachendidaktik ein neues Selbstverständnis auszuformulieren, das bis heute von Bedeutung ist. Der Unterricht sollte nicht auf das unausgesprochene Lernziel native-like accuracy, sondern auf Kommunikative Kompetenz zielen. Der Begriff der Kommunikation war dabei nicht neu - „er wird schon in der Reformbewegung im Rahmen der sog. direkten Methode verwendet“ (Real 1984: 87) - und spielt auch in anderen Konzepten eine Rolle. Neu war, „daß der Terminus Kommunikative Kompetenz als oberstes Lernziel des Englischunterrichts proklamiert und damit für das Fach grundlegend wird“ (ebd.). Kommunikative Kompetenz ist zugleich auch allgemeines, fachübergreifendes Erziehungsziel und verspricht einen einschneidenden Paradigmenwechsel hin zur Interaktionsorientierung. Es bedurfte für diesen Paradigmenwechsel, so Gerhard Neuner (1987: 75), eines „Konvergenzpunkt[s] bildungspolitischer und fachwissenschaftlicher Art“. In der Aufbruchstimmung der 1960er Jahre hatten vor allem zivilgesellschaftliche Bewegungen zu einer Kritik am Autoritären und Elitären im Schulwesen geführt. In diesem Kontext wurden sprach- und erziehungswissenschaftliche Ansätze rezipiert, die die Unzulänglichkeiten des fremdbestimmenden audiolingual-situativen Ansatzes deutlich machten. Ein Zitat von Neuner fasst die Stoßrichtung der kommunikativen Wende zusammen: Die Frage nach dem Sinn des Fremdsprachenlernens in unserer Gesellschaft und in unserem Schulsystem ist […] durch die Kommunikative Didaktik neu gestellt worden. […] Es ist sicher kein Zufall, daß sich die Kommunikative Didaktik eher solchen Konzepten verbunden fühlt, die den Prozesscharakter des Lernens betonen; daß sie zunächst mehr mit einem Beschreibungssystem von Sprache anfangen kann, das diese nicht in erster Linie als ein System von Zeichen, sondern als einen Aspekt menschlichen Handelns sieht; daß sie eher einer 116 K onze ptionen de s F re mdspr achenunt errichts 6.4.1 Kommunikative Kompetenz bei Jürgen Habermas Sprechsituation Lerntheorie zuneigt, die Lernen als eine geistig-kreativ-kognitive Tätigkeit versteht und nicht als eine Konditionierung und das Einschleifen von Verhaltensgewohnheiten; daß ihr im Bereich der Landeswissenschaften ein Konzept näher steht, das weniger an der Faktenvermittlung von ‚life and institutions‘ bzw. der Vermittlung der ‚höchsten kulturellen Werte‘ des zielsprachlichen Kulturraums interessiert ist als an der Frage, wie durch fremdsprachliche Landeskunde der Bezug von eigener Lebenserfahrung und fremder Welt im Sinn einer Horizonterweiterung des Schülers verhandelbar wird; daß es ihr weniger um ein geschlossenes System […] methodischer Prinzipien als um die Vielfalt, die Offenheit, Flexibilität und Variabilität des methodischen Vorgehens im Hinblick auf die spezifischen Lernvoraussetzungen und Anforderungen der jeweiligen Lerngruppe, der jeweiligen Lernsituation und des jeweiligen Lernstoffs geht. (1987: 79) Es wird deutlich, zu welcher Seite Neuner und die kritische Fremdsprachendidaktik der Zeit neigen. Seine Gegenüberstellungen verraten, dass hier eine Erneuerung, die an die Reformbewegung des ausgehenden 19. Jahrhunderts erinnert, in Sicht ist, die ganz wesentlich von der Generation der sog. Achtundsechziger geprägt ist. Auffassungen von „Kommunikativer Kompetenz“ 1974 erschien Hans-Eberhard Piephos Kommunikative Kompetenz als übergeordnetes Lernziel im Englischunterricht, das dem Begriff Eingang in die Fremdsprachendidaktik verschaffte und als Schlüsseltext der Kommunikativen Wende gilt. Piepho u. a. rekurrierten bei dem Versuch, eine kommunikative Methodik zu entwickeln, auf die Pragmalinguistik von John Austin (1962) und John Searle (1969). In deren Sprechakttheorie wird Sprache als Handlung aufgefasst. Sprechakte haben dabei (1) eine lautlich-physikalische Dimension, (2) die Dimension Aussage (Proposition), (3) die Dimension Sprecherabsicht (Illokution) und (4) die Dimension Wirkung (Perlokution) (vgl. Searle 1969: 24 f.). Die Kommunikative Kompetenz war aber nicht nur pragmatisch, sondern, unter Berufung auf Chomsky und Habermas, auch normativ geprägt. Habermas unterscheidet zwischen kommunikativem Handeln und Diskurs und sucht nach den Bedingungen einer ‚idealen Sprechsituation‘ der Herrschaftsfreiheit und Gleichberechtigung der Interagierenden, die sich auf Augenhöhe beim Aushandeln der besseren Argumente gemeinsam auf der Suche nach Wahrheit befinden - Habermas spricht vom „zwanglosen Zwang des besseren Arguments“ (1971: 137). Chomsky und Habermas verbindet, dass sie abstrakte Idealsprecher/ innen bzw. Idealkommunikationssituationen - im Besitz von Kompetenz - entwerfen und soziale Gegebenheiten (Performanz) beiseitelassen. Die Einheit 6 117 l ernzI el k ommunIk atI V e k omp e t enz kommunikative Kompetenz bei Hymes Bedingungen einer idealen Sprechsituation Kommunikation als ein Ineinandergreifen von sprachlichsozialem Wissen und Können ‚Sozialblindheit‘ des Kompetenzbegriffs Chomskys wird nun bei Habermas noch überhöht, indem sie zu einer gesellschaftlichen Sozialromantik gesteigert wird. Dies wiederum rechtfertigt die These, dass der Vorwurf der Blindheit gegenüber realer sozialer Benachteiligung von Kommunikanten, den Hymes gegenüber Chomsky erhebt, gegenüber Habermas ebenfalls geltend gemacht werden muss. (Schmenk 2005: 66) Chomsky (s. Einheit 2) ging davon aus, dass Sprecher/ innen ein universales, ihnen innewohnendes Regelsystem besäßen, das es ihnen ermögliche, Sprache zu verstehen wie zu erzeugen. Bei der Aktualisierung dieser Kompetenz, also in der lebendigen Performanz, könnten unkalkulierbare situative Faktoren hinzutreten, so dass es zu Abweichungen, Fehlern, Störungen, Auslassungen usw. kommen kann. Mit diesem Kompetenzbegriff setzten sich der Sprachphilosoph und Soziolinguist Dell H. Hymes (1972) und der Sozialphilosoph Jürgen Habermas (1971) auseinander, der eine kritisch, der andere differenzierend. Die beiden gelten den fremdsprachendidaktischen Verfechter/ innen des Lernziels Kommunikative Kompetenz als Gewährsleute. Dabei argumentieren sie von ganz verschiedenen Standpunkten aus. Dell H. Hymes führte den Begriff der kommunikativen Kompetenz ein und verstand darunter das grammatische und lexikalische, aber auch das sozio- und psycholinguistische Wissen von Menschen. Es geht ihm „um eine Integration von linguistischer Theorie und einer Theorie der Kommunikation und Kultur“ (Real 1984: 88). Dazu entwirft er vier Aspekte, die sowohl die Bedingungen für kommunikatives Handeln aufzeigen als auch Prüfkategorien für tatsächliches kommunikatives Handeln sein können, nämlich ob dieses Handeln in diesem Kontext (1) formal möglich, (2) mach- und durchsetzbar, (3) angemessen ist und ob es (4) tatsächlich und mit welchen Folgen realisiert wird (Hymes 1972: 281). Es geht ihm nicht um idealisierte Sprechsituationen, sondern um deren von Individualität und sozialer Ungleichheit geprägte Konkretionen. Hymes fasst Kommunikation als ein Ineinandergreifen von sprachlich-sozialem Wissen und Können in der konkreten situierten Praxis des Kommunizierens. Hymes’ Auflösung der Dichotomie Kompetenz - Performanz geschieht vor dem Hintergrund, dass ihn tatsächlich stattfindende Kommunikation interessiert, die sich nicht annähernd erfassen lässt, wenn man versucht, zwischen grammatischer Regelkenntnis von Sprechern und aktuellem Sprachgebrauch zu unterscheiden. (Schmenk 2005: 62) In der fremdsprachendidaktischen Adaption wurde die Habermas’sche Idealvorstellung von Kommunikativer Kompetenz zulasten der Realvorstellung Hymes’ favorisiert und jene in höchst problematischer Vereinfachung und Abstraktion von den tatsächlichen Gegebenheiten im Fremdsprachenunterricht auf diesen Unterricht übertragen. Es soll in Zukunft im Fremdsprachenunter- 118 K onze ptionen de s F re mdspr achenunt errichts Kommunikative Kompetenz nach Piepho 6.4.2 Gelingen einer kommunikativen Handlung Handlungs-/ Projektorientierung meaningful interaction richt um eine Einübung in die ideale Sprechsituation (z. B. im Rollenspiel), um Herstellen von Symmetrie zwischen Sprecher/ innen, um Mitbestimmung an Themen und Gestaltung des Unterrichts, um Gleichberechtigung der Rede der Beteiligten, um den freien Austausch von Argumenten gehen. Die Lernenden sollen „mit rollenspezifischen, zur Äußerung von Absichten, Bedürfnissen und Ablehnung verwendbaren Redemitteln“ ausgestattet und „gegenüber dem Lehrer und seiner Umwelt durchsetzungs- und behauptungsfähig“ werden, so Piepho (1974: 30). Dass dieser Piepho’sche Gedanke wegen seiner Vernachlässigung der institutionellen Bedingungen von Schule mit ihren hegemonialen, asymmetrischen Strukturen und ihrem Selektionsauftrag und wegen seiner ungenauen Bestimmung von Kommunikativer Kompetenz kritisiert wurde, ist nicht verwunderlich. Verwunderlich ist eher, wie wenig dies geschah und welche Strahlkraft der Begriff behielt-- ungeachtet der Skepsis angesichts der realen Kommunikationsstrukturen im fremdsprachlichen Unterricht. Der Begriff wäre überzeugender, wenn diese Bedingungen nicht ignoriert würden, sondern die - im Habermas’schen Sinne nichtidealen - Sprechsituationen des Fremdsprachenunterrichts als gleichwohl kontextangemessen offengelegt und kritisch reflektiert würden (s. dazu Einheit 8 und die Diskussion um Authentizität der Interaktion im Fremdsprachenunterricht). Kommunikative Unterrichtsmethodik Mit der kommunikativen Wende verabschiedete sich der Fremdsprachenunterricht weitgehend von der Suche nach festen methodischen Konzepten und verschrieb sich der Methodenvielfalt. Variabilität, Improvisation, Kreativität sollten Kennzeichen des communicative classroom werden. Die Forderung nach symmetrischer, partnerschaftlicher Kommunikation konnte nicht eingelöst werden; die institutionellen Verhältnisse ließen und lassen dies nicht zu. Folgenlos blieb der kommunikative Impuls aber nicht. Gruppen- und Partnerarbeit werden aufgewertet; das Gelingen einer kommunikativen Handlung wird wichtiger als die Fehlerlosigkeit; der Ausschluss der Erst- und Herkunftssprache(n) wird relativiert. Und es wird nach Möglichkeiten sog. authentischer Kommunikation gesucht, vor allem nach Möglichkeiten, die Schüler/ innen in Kommunikationssituationen mit Sprecher/ innen und Schreiber/ innen außerhalb des Klassenzimmers zu versetzen. Handlungs- und Projektorientierung rücken ins Zentrum unterrichtsmethodologischer Überlegungen. Spracherwerbstheoretisch stehen dabei die Interaktionshypothesen Michael Longs Pate (s. Einheit 2.2.3), in denen die Aneignung von Sprachen als Ergebnis von meaningful interaction gesehen wird. Darüber hinaus knüpft dieser Ansatz an weiter zurückliegende reformpädagogische Postulate an (s. Einheit 4.2.2). Einheit 6 119 l ernzI el k ommunIk atI V e k omp e t enz Zielrichtung und Profil handlungsorientierten Fremdsprachenunterrichts gehen aus den leitenden Prinzipien hervor, die Bach/ Timm (2013: 13 f.) auflisten: 1. Das sprachliche Handeln der Schüler wird auf zwei Bereiche bezogen: die Schulsituation selbst und die außerbzw. nachschulische Situation. 2. Aufgabenstellungen, die nicht den Alltagserfahrungen der Schüler entsprechen, werden so gestaltet, dass sie für die Schüler einen Sinn ergeben (z. B. im Spiel). 3. Die Schüler erfahren die fremde Sprache so oft wie möglich als ein Instrument sprachlichen Handelns. 4. Sprachliche Handlungsfähigkeit setzt auch sprachlich-formale Teilkompetenzen voraus. 5. Handlungsorientierte Aufgabenstellungen fördern bewusst die mentalen Verarbeitungsaktivitäten und Lernstrategien der Schüler. 6. Der Unterricht hilft den Schülern, Selbstvertrauen, Experimentierfreude und Risikobereitschaft zu entwickeln. 7. Der Unterricht hilft den Schülern, sich zu autonomen Lernern und Aktionspartnern im (sprachlichen) Lernprozess zu entwickeln. 8. Da der Mensch nur vor dem Hintergrund seiner gesamten Persönlichkeit handeln kann, spricht der Unterricht die Schüler ganzheitlich an. Ein früher Klassiker ist das sog. Airport-Projekt (Legutke 1988: 196-211; 2013: 104 ff. u. a.). Eine 6. Gesamtschulklasse bereitet sich im Englischunterricht auf Realbegegnungen mit englischsprachigen Reisenden auf dem nahe gelegenen Frankfurter Flughafen vor, indem sie Einstiegsformulierungen und Fragen für ein Interview vorbereiten. Die Interviews auf dem Flughafen werden mit der Videokamera aufgenommen und im Unterricht später ausgewertet. Protokolliert werden zudem die vielen englischsprachigen Hinweisschilder, die im Flughafengebäude zu finden sind. Zurück im Klassenzimmer, werden die Interviews ausgewertet. Den Abschluss bildet eine Präsentation der Videos und anderer Dokumente, die während des Projekts entstanden sind, vor einem schulinternen Publikum. Das Charakteristische an diesem Projekt ist, dass die Schüler/ innen den Arbeitsprozess und das Handlungsergebnis wesentlich selbständig bestimmen und beeinflussen können. Sie erleben und nutzen die Fremdsprache als Mittel sozialen Handelns (mit anderen Worten: es findet meaningful interaction statt), und sie erstellen ein Produkt, das für andere von Interesse ist. Formales Sprachlernen ist dabei den inhaltlichen Erwägungen untergeordnet, wird aber gerade in seiner engen Anbindung an die Bewältigung einer kommunikativen Herausforderung unmittelbar einsichtig. Mit dem Airport-Projekt stellte sich den Lernenden eine komplexe Lern- und Problemlösungsaufgabe. Aufgabenorientierung ist in diesem kommunikativen Verständnis eng verwandt mit dem übergreifenden Prinzip der das Profil handlungsorientierten Fremdsprachenunterrichts Airport-Projekt Fremdsprache als Mittel sozialen Handelns 120 K onze ptionen de s F re mdspr achenunt errichts Definition Bewährungssituationen im Hier und Jetzt Befähigung zu problemlösendem Sprachhandeln real-world tasks Handlungsorientierung und wurde seit den 1990er Jahren aus dem angloamerikanischen Raum zunächst vor allem in der Englischdidaktik rezipiert. Jürgen Mertens (2010: 7) zufolge setzt aufgabenorientiertes Lernen „eine starke Variante des kommunikativen Ansatzes um“. Unter ‚Aufgabe‘ wird hier weder das Lernen von Vokabeln zu einer Lektion oder der Transfer eines Dialogs in die indirekte Rede verstanden noch eine Konstruktion mit dem Ziel des Testens, sondern eine vielschichtig-problemhaltige Herausforderung für die Lernenden mit im engen Sinne nicht vorhersehbarem Ausgang. Der Begriff ist also noch nicht geprägt von der Ergebnisfokussierung, die er im Kontext der Bildungsstandarddebatte (Einheit 5 und 10.2) erfahren sollte. Um Missverständnissen vorzubeugen, sprechen wir im Folgenden von ‚Lernaufgaben‘ und meinen damit komplexe Settings im Sinne des task-based language learning. Ihr Charakteristikum besteht im Unterschied zu formal-sprachlichen, fertigkeitsbezogenen Übungen oder testfokussierten Aufgaben darin, im Unterricht möglichst realistische sprachliche Interaktionssituationen zu schaffen. Zur Bearbeitung der Lernaufgaben werden sprachliche Mittel benötigt, die in der Regel nur unvollständig vorhanden sind. Der Abstand vom benötigten zum verfügbaren Wissens- und Kompetenzstand stellt einen möglichen Lernanreiz dar. Anders als bei dem pragmadidaktischen Ansatz, der eine Bewährungsprobe des Lernens erst für zukünftige, außerschulische Realsituationen in Aussicht stellte, geht es beim task-based language learning um Bewährungssituationen im Hier und Jetzt des Klassenzimmers und besonders in außerschulischen Lernorten. Zydatiß (2006: 256 f.) schreibt: Die zentralen Komponenten sind somit ein hohes Maß an Inhaltsorientierung (= focus on meaning) und an Involviertheit bzw. Identifikation des Lernenden mit der kommunikativen Aktivität (= personal involvement). Die Priorität gehört der mitteilungsbezogenen Kommunikation und dem persönlichen Engagement der Lernenden und nicht so sehr der Orientierung am Formaspekt der Zielsprache und am Korrektheitsanspruch der Lehrkraft. Angestrebt wird eine Befähigung zu problemlösendem Sprachhandeln. Dies wiederum bedeutet, dass die Komplexität und die kontextuelle Eingebundenheit sprachlicher Interaktionen stärker zu beachten sind als dies in herkömmlichen, auf didaktischen Reduktionen basierenden Unterrichtssettings der Fall war. Wie die Handlungsorientierung fußt auch die Aufgabenorientierung auf dem spracherwerbstheoretischen Konzept der Interaktion und Bedeutungsaushandlung mit dem Ziel, nicht träges, sondern dynamisches, auf die Realisierung sprachlicher Handlung gerichtetes Wissen zu generieren. Das Verständnis von learning tasks hat sich in gut 25 Jahren fremdsprachendidaktischer Verwendung gewandelt und erweitert. Als hilfreich erwies sich unter anderem Nunans (1989: 40) Unterscheidung zwischen real-world Einheit 6 121 l ernzI el k ommunIk atI V e k omp e t enz tasks und pedagogic tasks. Erstere beschränken sich auf Situationen, die auch außerhalb des Unterrichts vorkommen, während letztere auch lernprozessorientierte Aktivitäten umfassen, die geeignet erscheinen, interne Sprachverarbeitung anzuregen. Im Hinblick auf die Zielrichtung sprachlichen Lernens unterteilt Skehan ferner (1998: 108 ff.) in Aufgaben, die primär fluency, accuracy oder complexity sprachlicher Kommunikation fördern sollen (vgl. Müller-Hartmann/ Schocker-von Ditfurth 2005: 10). Im Gegensatz zu dem traditionellen PPP-Verfahrensdreischritt (presentation, practice, production) folgt Aufgabenorientierung nach Skehan (1996 und 2003) und nach Willis (1996) einem Aufbau in Pre-task, Task Cycle und Language Focus (siehe die Darstellung von Willis in Abb. 6.3), wie er auch im Airport- Projekt durchschritten wurde. Formales Sprachlernen fällt keineswegs unter den Tisch, wird jedoch aus inhaltlichen Interaktionen heraus erst entwickelt. Das zunächst kongenial mit dem kommunikativen Ansatz und seiner Handlungsorientierung verbundene Aufgabenkonzept ist in der aktuellen Diskussion um Bildungsstandards, Vergleichsarbeiten usw. aufgegriffen worden. Es spielt im Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen für Sprachen und bei pedagogic tasks Aufgabenorientierung im deutschsprachigen Raum Abb. 6.3 Das Aufgabenmodell von Willis 122 K onze ptionen de s F re mdspr achenunt errichts der vergleichenden Evaluation von Schülerleistungen und der Entwicklung von Standards eine zentrale Rolle (s. Kap. 5 und 14). Es steht zu befürchten, dass die Zielrichtung der Leistungsevaluation und das Kriterium der Messbarkeit des outcome die prinzipielle Offenheit von Aufgaben und ihr Potenzial, auch durch die Lernenden mitgestaltet zu werden, beeinträchtigen werden (vgl. Bär 2013). Vorläufiges Fazit: Die kommunikative Methodik gibt es nicht, sie wäre unvereinbar mit dem kommunikativen Selbstverständnis. Stattdessen wird eine prinzipiengeleitete Methodenvielfalt vertreten, prinzipiengeleitet insofern, als Forderungen nach Schülerorientierung, Mitbestimmung, Interaktivität, Kooperation usw. ebenso leitend sind wie Inhaltsorientierung, Fehlertoleranz und Nicht-Didaktisierung von Unterrichtsmaterialien. Eine idealtypische Gegenüberstellung der Unterschiede zwischen audiolingualem und kommunikativem Konzept verdeutlicht einige der Verschiebungen. audiolingual/ -visuell kommunikativ ‚typische‘ Musterdialoge schülerrelevante Kommunikation, ergebnisoffen sprachliche Richtigkeit kommunikatives Gelingen zielsprachengerechte Sprachbeherrschung Kommunikationsfähigkeit in der Zielsprache erst im fortgeschrittenen Unterricht wird kommuniziert Kommunikation ist Leitprinzip von Anfang an kaum Sprechen über Sprache keine Tabuisierung von Metasprachlichem kein Einbezug der Erstsprachen keine Tabuisierung sprachlichen Vorwissens Primat der Mündlichkeit Akzeptanz aller Kommunikationsformen Gestaltung und Steuerung durch Lehrperson und Lehrmedien Gestaltung und Steuerung durch alle Akteur/ innen des Unterrichts Lehrperson kontrolliert Lehrperson moderiert, regt an, unterstützt ‚hochsprachliches‘, native-like Sprachvorbild kompetentes Sprachvorbild; Einbezug von Varietäten Vermeiden von Schülerinteraktionen und kooperativen Lernformen Fördern von Schülerinteraktionen und kooperativen Lernformen Schüler/ innen müssen kleinschrittig begleitet werden Schüler/ innen sind problemlösungsfähig und haben das Potenzial zu Lernerautonomie Fehler müssen vermieden werden Fehler sind Zeichen aktiver mentaler Konstruktionen der Lernenden Abschließend ist zu sagen, dass sich die Richtung des Fremdsprachenunterrichts durch die kommunikative Wende geändert hat, dass er oft lebendiger und offener geworden ist. Die Verheißung einer radikalen Neuorientierung blieb indes unerfüllt. Zwischen dem Idealbild der Kommunikativen Kompeprinzipiengeleitete Methodenvielfalt Tab. 6.3 Unterschiede zwischen audiolingualer/ -visueller Methode und kommunikativem Ansatz Einheit 6 123 l ernzI el k ommunIk atI V e k omp e t enz reale Kommunikation im Klassenzimmer Zusammenfassung tenz bei Habermas und Piepho und dem sich kommunikativ nennenden Klassenzimmer tut sich eine Kluft auf. In der Theoriebildung wurde versäumt, die Auffassung von Kommunikativer Kompetenz bei Hymes und bei Habermas in einen didaktisch fruchtbaren Dialog zu bringen. Er könnte dazu führen, die reale Kommunikation im Klassenzimmer, die alles andere als herrschaftsfrei ist, immer wieder zu reflektieren - mit den Lernenden wie in der Forschung. Barbara Schmenk fordert in diesem Sinne: Anstatt sich darauf zu kaprizieren, wie Kommunikation in einer idealen Welt aussieht, und diese Idealbilder zu Lernzielen zu (v)erklären, ermöglichen empirische Studien zur tatsächlichen Situation Einblicke in die sehr komplexen realen Kommunikationssituationen, wie sie in heutigen Klassenzimmern gegeben sind und wie sie von den Beteiligten wahrgenommen und gestaltet werden. (2005: 77) Die Spannung zwischen den Visionen des kommunikativen Ansatzes, seiner oft trivialen Adaption im Klassenzimmer sowie schließlich der heutigen Standard- und Evaluationsorientierung verleiht dieser Forderung neuen Nachdruck. In dieser Einheit wurde in einem erneuten Rückblick den methodischen Aspekten von Unterricht Aufmerksamkeit geschenkt, wobei gesellschaftliche Entwicklungen eine entscheidende Rolle spielten. Hatte im 19. Jahrhundert die schrift- und regelorientierte Grammatik-Übersetzungs-Methode dominiert, so wuchs an der Wende zum 20. Jahrhundert das Interesse an Mündlichkeit und verhalf der Direkten Methode zu vorübergehender Bedeutung. Erstmals war hier die Arbeitssprache des Fremdsprachenunterrichts die fremde Sprache selbst. Bis in die 1950er Jahre dominierte aber die Grammatik-Übersetzungs-Methode, wenn auch in gemäßigter Form. Erst dann setzte sich die Überzeugung durch, dass eine fremde Sprache am besten durch ihren Gebrauch zu lernen sei, zunächst in der rigiden, ganz am Sprachvorbild orientierten audiolingualen bzw. -visuellen Konzeption und schließlich in undogmatischerer Weise im kommunikativen Ansatz. Die Zeit der monolithischen Methodenkonzeptionen ist heute vorbei. An ihre Stelle ist unter dem übergeordneten Ziel der Kommunikativen Kompetenz ein Konsens über Methodenvielfalt getreten, die sich allerdings an bestimmten Prinzipien wie Schülerorientierung und -partizipation, kooperativen Arbeitsformen, Fehlertoleranz, Prozessorientierung, Kreativität, Begegnungsorientierung usw. orientieren soll. Ungelöst ist und bleibt bis heute die Frage der Vereinbarkeit von demokratischen Unterrichtsvisionen, wie sie mit der Kommunikativen Kompetenz verbunden sind, und institutionellen Strukturen. Aufgaben 1 Stellen Sie für eine der beschriebenen Methoden bzw. Konzeptionen eine Liste der Pros und Contras zusammen. 124 K onze ptionen de s F re mdspr achenunt errichts 2 Die obige Einheit enthält Beispiele für Unterrichtsverläufe nach der Grammatik-Übersetzungs-, der audiolingualen und der audiovisuellen Konzeption, nicht aber nach der kommunikativen, die mit festen Verlaufsmustern ja auch unvereinbar wäre. Entwickeln Sie eine Idee für eine kommunikativ orientierte Unterrichtsstunde und deren denkbaren Verlauf. 3 Beobachten Sie mit Kommiliton/ innen eine Stunde Fremdsprachenunterricht, beschreiben Sie ihre Kommunikationsstrukturen und -verläufe und vergleichen und bewerten Sie Ihre Ergebnisse. 4 Die Kritik am audiolingualen Unterricht galt u. a. der Banalität der Alltagsdialoge, die eingeübt werden sollten. Entwerfen Sie einen nichtbanalen Dialog, den einzuüben Spaß macht und dessen Einübung sogar Teil eines kommunikativen Unterrichts sein könnte. Zum W eit erlesen Bausch, Karl-Richard/ Burwitz-Melzer, Eva/ Königs, Frank G./ Krumm, Hans-Jürgen (Hrsg.) (2006): Aufgabenorientierung als Aufgabe. Tübingen: Narr. Habermas, Jürgen (1971): Vorbereitende Bemerkungen zu einer Theorie der kommunikativen Kompetenz. In: ders./ Luhmann, Niklas (Hrsg.): Theorie der Gesellschaft oder Sozialtechnologie. Was leistet die Systemforschung? Frankfurt a. M.: Suhrkamp, 101-141. Hymes, Dell H. (1972): On Communicative Competence. In: Pride, John B./ Holmes, Janet (Hrsg.): Sociolinguistics. Selected Readings. Harmondsworth: Penguin, 269-293. Legutke, Michael K. (Hrsg.) (2008): Kommunikative Kompetenz als fremdsprachendidaktische Vision. Tübingen: Narr. 125 Einheit 7 7.1 Definition Sprache Medien des Fremdsprachenunterrichts im Wandel Mit dem Stichwort ‚Medien‘ assoziieren wir heute wie selbstverständlich Computer und allerlei elektronische Informations- und Kommunikationstechnologien. Tatsächlich machen diese nur einen Bruchteil und nur den jüngsten Teil dessen aus, was unter den Begriff Medien gefasst wird und in den Schulen eine wichtige Rolle spielt. In dieser Einheit wollen wir noch einmal zurückschauen und dabei die Frage des Medialen im Fremdsprachenunterricht nachzeichnen. Zum Medienbegriff Medien sind Mittel, Mittler, Vermittler, Brücken. Sie sind nicht primär gegenständlich definiert, sondern funktional. Ihre Bestimmung ist die des Vermittelns und Übermittelns, deshalb gibt es Definitionen, die selbst Lehrpersonen unter die Unterrichtsmedien subsumieren. Anschaulich lässt sich die Vermittlungsbedeutung von Medien an der Verwendung des Begriffs in der Parapsychologie erläutern, wo er Menschen bezeichnet, die etwas Abwesendes herbeibeschwören und in die Gegenwart locken und lebendig werden lassen können. Fernes, Unzugängliches heranholen, dazu eignen sich Medien, aber nicht ohne dass dabei Transformationen geschehen. Wichtigstes Medium zwischen Menschen ist und bleibt bis heute die Sprache, mündlich und schriftlich. Mit diesem willkürlichen (arbiträren), unbestimmten (fuzzy) und dynamischen Zeichensystem suchen wir uns zu verständigen, indem wir miteinander sprechen, einander zuhören, lesen und schreiben. Sprache als Medium, so Dieter Baacke (1997a: 314 f.), auf den wir uns im Folgenden beziehen, ist nach wie vor der entscheidende Träger unserer Kommunikation. Solange es Menschen gibt, gibt es Kommunikation, gibt es Sprache, gibt es Medien. Sie sind aus dem gesellschaftlichen Zusammenleben nicht wegzudenken. Dennoch war das Bewusstsein für das Mediale von Kommunikation und Information selten so geschärft wie heute: Wir bezeichnen unsere Gegenwart als Informations- und Kommunikationszeitalter und haben dabei die neuen Technologien im Sinn. Dabei ist uns der naive Glaube abhanden 126 M edien de s F re Mdspr achenunt errichts iM W a ndel gekommen, dass Medien einfach Informationen, Mitteilungen, Erkenntnisse transportieren können. Wir wissen, dass diese Mittler weder das Vermittelte noch die Menschen, die sie nutzen, noch die Gesellschaft, die sie hervorbringt, unberührt lassen. Jedes neue Medium verändert nicht nur Menschen und ihre Beziehungen zueinander, sondern auch Bedeutung und Status früherer Medien. Ein Blick zurück Bis heute findet Kommunikation vor allem (auch wenn kulturpessimistisch das Schwinden des Gesprächs beklagt wird) im Medium der mündlichen Sprache statt. Mündliche Sprache steht den Menschen unmittelbar zur Verfügung, sie bedarf keiner technischen Träger, ist allerdings an die lebendige Präsenz von Menschen gebunden. Sie ist gegenwärtig, flüchtig und unwiederbringlich, eine Beschränkung, die die Schrift überwindet. Für die menschlichen Gesellschaften bis zum Beginn der Neuzeit war eine vielfältige räumliche Untergliederung charakteristisch, etwa in Form von Dorfgemeinschaften, in denen alle als Familie oder Nachbarn sog. Primärgemeinschaften bildeten. Die Überlieferung von gesellschaftlichen Vereinbarungen, Normen und Ordnungen vollzog sich im unmittelbaren Kontakt. Das galt auch für die Erziehung und den Erwerb von Fertigkeiten, die durch Anschauung, Mitvollzug und unmittelbare Belehrung angeeignet werden konnten. In diesen sozialen Mikrostrukturen war der Kreis derer, die eine Information erreichte, klein und überschaubar, die mündliche Sprache also ein angemessenes Medium. Der Soziologe Daniel Lerner (1958) hat versucht, Kriterien zu benennen, die für gesellschaftlichen Medienbedarf entscheidend sind. Geringer Medienbedarf herrscht demnach in Gemeinwesen, die - wie die gerade beschriebenen Primärgemeinschaften, in der Regel Agrargesellschaften - von hoher sozialer Vertrautheit geprägt sind, in denen das politische System nichtrepräsentativ ist und keine strikte Trennung von privatem und öffentlichem Leben herrscht. Lerner betrachtet die griechische Polis bereits als Übergangsgesellschaft, weil sie einerseits allen freien Bürgern (= Männern) Teilhabe an politischen Entscheidungen einräumte und auf agrarischer Selbstbewirtschaftung beruhte, andererseits aber den Handel zu Land und zu Wasser in einer Weise Abb. 7.1 Loriots heile Welt 7.2 mündliche Sprache Schrift gesellschaftlicher Medienbedarf Einheit 7 127 e In b lIck zurück innerer Zusammenhalt Welt- und Wirklichkeitskonstruktionen Presse Film Rundfunk Fernsehen elektronische Kommunikations- und Internetmedien ausdehnte, die einer Auflösung des unmittelbaren gesellschaftlichen Zusammenhalts den Weg bahnte. Die Ausdehnung des gesellschaftlichen Aktionsradius’ über die unmittelbaren und konkreten Kontaktmöglichkeiten hinaus erzeugte einen Bedarf an veränderten Kommunikationsformen. Solche Ausdehnungen geschahen durch die Entwicklung der Transportwege und der Handelsbeziehungen, aber auch durch kriegerische Unternehmungen. Im Römischen Reich bestand das Informationssystem vor allem aus Boten. Dieses System konnte aber den durch die territoriale Expansion beeinträchtigten kommunikativ-kulturellen sozialen Zusammenhalt nicht gewährleisten. Die Geschichtsschreibung lastet denn auch der Tatsache, dass die imperiale Ausdehnung nicht durch adäquate Kommunikationsformen begleitet und kompensiert wurde, den Zerfall des Römischen Reichs an: Es bewältigte dieses Modernisierungsproblem nicht. Heute leben wir in einer hoch expansiven, hoch industrialisierten Gesellschaft mit den entsprechenden Kommunikationsproblemen. In ihren wichtigsten Zügen beschreibt Daniel Lerner solche Gesellschaften als primär industriell, mit einer repräsentativen Demokratie, einer weit entwickelten alphabetischen Kultur, mit komplexer Arbeitsteilung und entsprechend differenzierten wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Subsystemen, d. h. mit vielfältig vernetzten Abhängigkeiten und hohem Abstimmungsbedarf. In einer solchen Gesellschaft übernehmen Medien die unverzichtbare Funktion des Informationstransfers, der Aufklärung, der Orientierungshilfe, der Meinungsbildung. Sie können dadurch so etwas wie einen inneren Zusammenhalt garantieren und Wir-Gefühle herstellen, haben aber auch einen ungeheuren Einfluss auf die Welt- und Wirklichkeitskonstruktionen der Nutzer/ innen und ihr Selbstverständnis. Die Menschen verbringen dieser Entwicklung entsprechend heute unvergleichlich viel mehr Zeit als je zuvor mit der Nutzung von Medien. Das älteste öffentliche gesellschaftliche Medium ist die Presse. Das Pressewesen begann in Deutschland im 17. Jahrhundert und verstärkte in den folgenden beiden Jahrhunderten rasch seinen Wirkkreis, reagierte also auf den Prozess der Verstädterung und der Industrialisierung und den rapiden Verlust agrarischer Primärgemeinschaften. Hinzu traten gegen Ende des 19.-Jahrhunderts der Film und seit den 1920er Jahren der Rundfunk als öffentliche Massenmedien. Mit den 1950er/ 1960er Jahren beginnt der Einzug des Fernsehens in die privaten Haushalte, aus denen es bis heute nicht wegzudenken ist. Ein Indiz für seine gesellschaftliche Bedeutung ist die Tatsache, dass bei Pfändungen das Fernsehgerät nicht beschlagnahmt werden darf. Zu der Informationsfunktion tritt zunehmend die Unterhaltungsfunktion. Heute haben die elektronischen Kommunikations- und Internetmedien einen Verbreitungserfolg, der den des Fernsehens noch übertrifft, nicht zuletzt, weil sie auch das berufliche Alltagsleben in fast allen Disziplinen bestimmen. Dieter Baacke (1997a) interpretiert die Daten über Verbreitung und Nutzung der Massenmedien wie folgt: 128 M edien de s F re Mdspr achenunt errichts iM W a ndel 7.3 Bewahrpädagogik filmerzieherische/ ideologiekritische Ansätze funktional-pragmatische Ansätze Rezipienten als aktive Subjekte - Zum einen zeigen sie, dass die Massenmedien etwa ab 1830 zu bestimmenden Faktoren des öffentlichen und privaten Lebens geworden sind. - Die Entwicklung neuer Medien wie ihre Verbreitung hat sich in auffälliger Weise beschleunigt. - Es gibt inzwischen mehr Zeitungsexemplare bzw. Geräte, die den Empfang von Sendungen ermöglichen (Fernsehapparat, Radiogerät) als Haushalte. - Die Verschiedenartigkeit der Medien und ihrer Kanäle (Ton, Bild, Ton und Bild) hat die Expansion des einzelnen Mediums kaum gehindert. Bis auf den Kinobesuch, der stark nachgelassen hat, stehen die Medien in einem Ergänzungsverhältnis, sie verdrängen sich nicht. (1997a: 322) Medienpädagogik Die Zunahme der Mediennutzung in allen gesellschaftlichen Bereichen hat die Pädagogik auf den Plan und eine eigene Branche in ihrem Spektrum ins Leben gerufen: die Medienpädagogik. Ihre Anfänge im ausgehenden 19. Jahrhundert waren normativ. Es war ihr darum zu tun, „Kinder und Jugendliche vor den negativen Wirkungen medialer Inhalte zu bewahren. Dabei lautet die medientheoretische Grundannahme: Massenmediale Inhalte nehmen einen bildenden Einfluß auf das Denken und Handeln heranwachsender Menschen.“ (Schorb 1998: 12) Dass unsere Weltbilder immer mehr aus zweiter und dritter Hand stammen, dass unsere Vorstellungen und Identitäten zunehmend fremd bestimmt werden, dass wir ihre Überprüfung an einer empirischen Wirklichkeit verlernen könnten, beunruhigte die Bewahrpädagogik. Sie sah die Schüler/ innen mit Bildern der Wirklichkeit konfrontiert, die Wahrheit vorgaben, tatsächlich aber manipulierten und logen. Mit der Entwicklung der öffentlichen (Massen-)Medien wurde die kategorische Abwehrhaltung gegenüber Medien allmählich aufgegeben, obwohl sie bis in die 1950er Jahre noch eine beträchtliche Rolle spielte und bis heute Spuren davon zu erkennen sind. Dennoch gewannen allmählich filmerzieherische und ideologiekritische Ansätze die Oberhand, ebenso wie funktionalpragmatische, die Medien als potenziell förderliches Element von Lernumgebungen und Bildungsprozessen einschätzten (vgl. z. B. Küster 2002). Vor allem aber wurde der Blick auf die Nutzer/ innen gerichtet. „Vereinfacht formuliert wurde nunmehr die Frage ‚Was tun die Medien mit den Menschen? ‘ abgelöst durch die Frage: ‚Was tun die Menschen mit den Medien? ‘ Damit gerieten die Rezipienten als aktive Subjekte in den Mittelpunkt.“ (Schorb 1998: 17) Baacke (1997a: 325) unterscheidet unter den Zugängen zu Medien in pädagogischen Kontexten folgende Kategorien: � die übergreifende Dimension der Medienpädagogik = „die Gesamtheit aller pädagogisch relevanten handlungsanleitenden Überlegungen mit Medien- Einheit 7 129 m e D I en Im F re mDspr achlIchen u nt errIcht Mediendidaktik Medienerziehung Medienkunde 7.4 bezug. Empirische Grundlagen und normative Orientierungen sind dabei eingeschlossen“; ihr untergeordnet sind: - die unterrichtsbezogene Mediendidaktik = „Einsatz von Medien zum Erreichen pädagogisch reflektierter Ziele; in ihren Bereich gehören vor allem die Unterrichtsmedien“; - die handlungs-, ethik- und reflexionsorientierte Medienerziehung = „beschäftigt sich damit, wie ein sinnvoller Umgang mit Medien heute auszusehen habe und wie dieser Heranwachsenden zu vermitteln sei“; - die faktenorientierte Medienkunde = „Wissen über die Funktion der Medien […] und eine Fülle technischer, organisatorischer, rechtlicher, ökonomischer, politischer und gesellschaftlicher Bedingungen und Voraussetzungen“. Die pädagogischen Perspektiven auf Medien unterscheiden sich nicht säuberlich, sondern greifen vielfach ineinander. Das wird deutlich an der Diskussion über die Rolle der Medien im Rahmen des Fremdsprachenunterrichts. Hier stehen Mediendidaktik und Medienerziehung sowie ihre Überschneidungen im Mittelpunkt. Medien im fremdsprachlichen Unterricht Medien als Mittler - das gilt auch für die Medien im fremdsprachlichen Unterricht. Versucht man sie in Baackes Paradigma einzuordnen, so sind sie vor allem der Mediendidaktik, aber auch der Medienerziehung zuzuschlagen. Sie sollen helfen, Fremdsprache und fremdsprachliche Welten ins Klassenzimmer zu holen und den Lernenden Brücken zur Teilhabe daran bauen, aber auch zu kritisch-reflexivem Umgang mit Medien beitragen. Für die Einordnung von Medien ist eine Reihe von Kategoriensystemen entwickelt worden, je nachdem, unter welchem Blickwinkel im Unterricht genutzte Medien betrachtet werden. So wird zwischen auditiven (Tonband, Sprachlabor usw.), audiovisuellen (Film, Video, DVD) und visuellen Medien (Folien, Wandtafel, Abbildungen, Bilder usw.) unterschieden oder zwischen technischen, apersonalen (Geräten) und personalen (Lehrer/ inne/ n) oder zwischen direkten (Realien) und indirekten (Abbildungen). In jüngerer Zeit hat Ralf Weskamp (2001: 145) zwischen Medien als Werkzeugen, als unterrichtlichen Bausteinen und als vorgefertigten Unterrichtsarrangements unterschieden und als weitere Dimension des Medieneinsatzes die aktiv-kritische Auseinandersetzung genannt. Die materielle, gegenständliche Seite von Medien, ihr Geräte- oder ‚Hardware‘-Charakter also, ist - wie schon eingangs gesagt - für die Didaktik jedenfalls kaum von Interesse, wohl aber ihr kommunikativer und funktionaler ‚Software‘-Charakter. Engelbert Thaler (2012: 61) schlägt folgenden Überblick vor: 130 M edien de s F re Mdspr achenunt errichts iM W a ndel Media auditory visual audio-visual interactive - teacher’s voice - CD - radio - MP 3 - coursebook - photo & picture - blackboard - book - flash card - poster - reader - TV - DVD - computer - smartphone - learning software - Internet - interactive whiteboard - multimedia language laboratory In der fachdidaktischen Diskussion werden häufig didaktisierte Medien und nichtdidaktisierte Medien voneinander unterschieden. Zu den ersten werden alle eigens und nur für Unterrichtszwecke hergestellten Lehrmaterialien gezählt, insbesondere natürlich das Lehrbuch bzw. -werk, das aufgrund seiner Anlage und der Geschichte seines Gebrauchs in der Regel den belehrenden (instruktiven bzw. kritisch: instruktivistischen) Formen des Unterrichts zugeschlagen wird. Zu den zweiten zählen alle primär nicht für den Unterricht gedachten gedruckten, visuellen, auditiven und audiovisuellen Texte (im weitesten Sinne des Wortes). Der Fundus an Quellen, Materialien und Interaktionsmöglichkeiten in den sog. Neuen Medien hat dabei in den vergangenen 20 Jahren zunehmend an Bedeutung gewonnen. Sie werden immer wieder in Verbindung mit prozessorientierten, gestaltenden, selbsttätigen und interaktiven (konstruktivistischen) Formen des Unterrichts genannt. Grundsätzlich gilt, dass kein Medium zwangsläufig für einen besseren oder schlechteren, fremd- oder selbstbestimmten, altmodischen oder modernen, belehrenden oder selbsttätigen Unterricht steht. Medien machen nicht Unterricht, sie sind Werkzeuge und können ihm dienen - so oder so. Im Folgenden werden exemplarisch zwei Medien, die für den Fremdsprachenunterricht von besonderer Bedeutung sind, und die sie begleitende didaktische Diskussion vorgestellt. Das erste - das Lehrbuch - gehört der Kategorie ‚didaktisch vorgefertigt‘ an und ist deren Hauptvertreter. Mit seinem Zugang zum Internet eröffnet der Computer Zugang zu außerschulischen Welten und gehört damit aus Sicht des Fremdsprachenunterrichts zur Kategorie der nicht primär didaktisch aufbereiteten Medien. „Festzuhalten bleibt, dass beiden Arten, den didaktischen und den authentischen ein fester Platz im [Fremdsprachen-]Unterricht gebührt“ (Doff/ Klippel 2007: 152) - und dass die Unterscheidung nicht immer zutrifft und es an Überschneidungen nicht fehlt. Tab. 7.1 Kategorien von Medien bei Thaler didaktisierte/ nichtdidaktisierte Medien Medien machen keinen Unterricht Einheit 7 131 m e D I en Im F re mDspr achlIchen u nt errIcht 7.4.1 Das Lehrbuch In unserem geschichtlichen Überblick (Einheit 4.1.3) war Johann Amos Comenius als Pionier des Lehrbuchs vorgestellt worden. Sein 1658 Orbis sensualium pictus (Die bebilderte Welt) gilt als Prototyp des fremdsprachlichen Lehrbuchs und vieles, was Comenius in seiner Didactica Magna damals von einem Lehrwerk verlangte, ist noch heute aktuell: Zeitökonomie und Effizienz, selbstständiges Lernen, Angebot für gemeinschaftliches Üben der Lernenden untereinander, Übersichtlichkeit und Orientierung für die Lernenden in ihrem Lernprozess. Seitdem spielen Lehrbücher eine tragende Rolle im Fremdsprachenunterricht, und es fehlt ihnen nicht an Fürsprecher/ innen. Andreas Nieweler (2000) zählt zu ihnen. Etliche Aspekte sprechen ihm zufolge für das Lehrwerk: - Das Lehrwerk wirkt „katalysierend“ bei der Umsetzung neuer didaktischer Erkenntnisse. Lehrwerke haben also eine „erzieherische Funktion“ für Lehrer/ innen. - Das Lehrwerk garantiert die Vergleichbarkeit der Abschlüsse. - Dem Lehrwerk liegt eine durchdachte didaktische Progression zugrunde, die den Lernbedürfnissen der Schüler/ innen entgegenkommt. Es dient ihnen als Strukturierungshilfe beim Sprachenlernen. - Aus arbeitsökonomischen Gründen scheint ein völliger Verzicht auf Lehrbücher unmöglich. - Lehrwerke unterliegen einem länderspezifischen Genehmigungsverfahren. - Lehrer/ innen gehen häufig zu dogmatisch mit dem Lehrwerk um. Die Hauptursache für die ‚Langeweile des Sprachunterrichts‘ liegt eher in dem unmündigen Einsatz der Lehrwerke im Unterricht als in der Beschaffenheit des Lehrbuches selbst. - Das Lehrwerk ist und bleibt pädagogische Veranstaltung, didaktisch-methodische Inszenierung, die als solche von den Schüler/ innen akzeptiert wird. Nur der Grad der Künstlichkeit der Lernarrangements entscheidet letztlich über Zustimmung bzw. Ablehnung aus Schülersicht. (Nieweler 2000: 14 ff.) In Niewelers zweiter und dritter These offenbart sich seine Überzeugung, dass Lernprozesse vergleichbar und parallel organisiert werden können. Bleyhl (2000c: 114) sieht dagegen in dem lehrbucheigenen dreischrittigen Grundkonzept der Organisation von Lernprozessen - nämlich Einführen, Üben und Transfer zu eigener Produktion - eine „didaktogene oder pädagogene, also hausgemachte“ Ursache für den kärglichen Ertrag jahrelangen Fremdsprachenunterrichts. Er schreibt: „Ein solcher dem Lerner gegenüber zutiefst misstrauischer Unterricht (das Samenkorn wird immer wieder aus dem Boden gezogen, um zu sehen, ob es auch Würzelchen bekommt) erlaubt dem Lerner nicht, die neuen Sprachphänomene intern und in ihrem Gebrauch in der Welt sorgfältig genug abzugleichen“ (ebd., s. auch Einheit 2.3.3). Schematisch 132 M edien de s F re Mdspr achenunt errichts iM W a ndel vorentworfene und lineare Lehrprozesse, die damit einhergehende Reduktion komplexer sprachlicher Äußerungen sowie kleinschrittig verlaufende Überprüfungen von Wissenspartikeln erlauben keine Selbstorganisation des Lernens, widersprechen dem Grundsatz, dass sprachlicher Input unterschiedlicher - auch unterschiedlich langer - Prozesse der Verarbeitung bedarf und erschweren den Lernprozess durch fehlende intellektuelle Herausforderung. Im Einklang mit diesen lerntheoretischen Einwänden gegenüber dem Lehr-/ Lernarrangement von Lehrbüchern ist auf sprachlich-inhaltlicher Ebene gegen das Lehrwerk auch der Mangel an sog. Authentizität, an inhaltlicher Relevanz und an Differenziertheit eingewandt worden wie auch sein Beitrag zur Stereotypenbildung (Familienstruktur, Geschlechter- und Kulturverhältnisse u. Ä.). Aber es gilt die obige These: Nicht das Medium bestimmt die Qualität des Unterrichts, sondern sein Umgang damit. Man muss sich dem vorgefertigten Lehr-/ Lernarrangement der Lehrbücher nicht fügen, sondern kann es reanimieren, Lehrbuchtexte und -übungen also einer eigenen, zweiten Didaktisierung unterziehen. Schon mit schlichten Verfremdungen können triviale Lehrbuchtexte für Schüler/ innen interessanter werden, z. B. wenn man sie als „jumbled lines“ oder in Form von „mirror reading“ präsentiert (Beyer-Kessling u. a. 1998, 44 ff.) und damit die Lektüre erschwert und sinnvoll verlangsamt. „Jumbled lines“ bedeutet, dass man einen der Klasse noch unbekannten Lehrbuchtext kopiert, zeilenweise zerschneidet und die Zeilen mit dem Auftrag austeilt, den Text zu rekonstruieren. Beim „mirror reading“ wird der Text auf Overhead-Folie kopiert und der Klasse spiegelverkehrt auf den Projektor zum Rekonstruieren vorgelegt. Verfremdungen Abb. 7.2 Beispiel für mirror reading: Spiegelverkehrte Kopie eines Lehrbuchtexts Einheit 7 133 m e D I en Im F re mDspr achlIchen u nt errIcht Definition 7.4.2 Auch den Lehrbuchfamilien und -figuren kann Leben eingehaucht werden, z. B. indem die Schüler/ innen ihnen etwas Spannendes widerfahren lassen, ihnen ungewöhnliche Begegnungen oder ein dunkles Geheimnis andichten oder weitere Figuren integrieren oder sie auf die Bühne bringen oder ihre Beziehungen psychologisieren. Ebenso wäre eine kritische Überarbeitung einer Lehrbuchlektion durch eine ältere für eine jüngere Klasse denkbar. Durch Verrätselungen, Verlangsamungen oder aktive Mitgestaltung werden Interesse geweckt, Sinnstiftungen provoziert und eine vertiefte Auseinandersetzung mit Texten und Figuren angeregt. Schließlich hat die Hinwendung zur Aufgabenorientierung in der Fremdsprachendidaktik (vgl. z. B. Müller-Hartmann/ Schocker-v. Ditfurth 2005) die In-Dienstnahme von Lehrwerken für offene, herausfordernde und bedeutsame Aktivitäten der Lernenden angeregt (s. Einheit 6). Heute besteht Konsens darüber, dass Lehrwerke, die sich ja ihrerseits zu immer komplexeren und flexibler einsetzbaren multimedialen Lehr-/ Lernarrangements entwickelt haben, wichtiger Teil des Fremdsprachenunterrichts sein können, ihnen aber nicht die Funktion der Unterrichtssteuerung zugebilligt werden sollte. Aktuelle Entwicklungen der Lehrwerkexpansion weisen allerdings in die entgegengesetzte Richtung: die Schulbuchverlage bringen für jeden neu aufscheinenden pädagogischen und fachdidaktischen Handlungsbedarf - auch ironischerweise für den nach nicht didaktisierten Materialien - sogleich ein Zusatzangebot zum Lehrwerk auf den Markt. „Bestand es vor drei Jahrzehnten noch aus Schülerbuch, Workbook, Bildfolien und Audiokassette und vielleicht Lehrerbuch, so umfasst beispielsweise English G 21 A nicht weniger als 32-Komponenten.“ (Thaler 2011: 21). Engelbert Thaler zitiert Thornbury und Meddings, die als Vertreter einer kritischen Pädagogik warnen: „Coursebook should not be allowed to become the tail that wags the dog.“ (ebd.: 17). Wenn das Lehrbuch zum Lehrenden würde, dann müssten die Besonderheiten der Lerngruppen und der je einzelnen Lernenden und Lehrenden in den Hintergrund treten. Die Vorstellungskraft der Lehrenden und ihre Professionalität wären kaum noch gefragt. Das Internet Als Beispiel für den Einbezug sog. authentischer, d.h. nicht nur für Unterrichtszwecke hergestellter Medien, sei hier das breite Feld der Neuen Medien mit Schwerpunkt Internet vorgestellt (zu Literatur und Film s. Einheit 13). Ihre Aura der Authentizität gilt freilich nur eingeschränkt. Sobald sie zum Unterrichtsmedium werden, büßen sie einiges davon ein. Die Neuen Medien bieten ein fast unüberschaubares Potenzial für Schule und Unterricht. Auch hier schieden sich zunächst die Geister. Skeptiker wie Hartmut von Hentig warnten: 134 M edien de s F re Mdspr achenunt errichts iM W a ndel Abb. 7.3 Das Internet als Medium im Fremdsprachenunterricht Lernsoftware Grenzen des Klassenraums überwinden Recherche- und Präsentationsangebot Begegnungspotenzial E-Mail, WWW und Hypertext Was die neuen Medien in erster Linie leisten, ist das schnelle und unbegrenzte Akkumulieren, Kombinieren, Selegieren und Servieren von Auskunft. Sie schaffen keine Ordnung, die wir ihnen nicht eingeben und abfordern. Wer aber Probleme lösen will, muß diese definieren, Ziele, Prioritäten, Abfolgen, Kosten- Nutzen-Verhältnisse aufstellen - also Ordnungen setzen. Die Ansprüche an den menschlichen Geist, an seine Urteils- und Entscheidungskraft, nehmen mit der Verarbeitungsleistung seiner mechanischen Helfer zu, nicht ab. Er muß seinen Abstand zu ihnen entschlossen vergrößern, so, daß er an ihnen vorbei noch die Sachen, ‚die Welt‘ sieht, die er mit ihrer Hilfe beherrschen will. (1998: 24) Hentig legt der Schule eine Verantwortung als kompensatorische Einrichtung in einer zunehmend medialisierten Welt auf. Sie habe nicht so sehr die Aufgabe, die Lernenden zum Gebrauch von Medien zu befähigen - das lernen sie auch ohne Schule -, sondern ihre Aufgabe sei gerade, mit ihnen über die Schwächen der Medienwelt zu reflektieren und zu fragen, wie sie nutzbar gemacht werden kann. „Die Schule muß und darf das Gemeinte - ideale Verhältnisse - im Sinn haben, wenn sie auf das Wirkliche - reale Verhältnisse-- vorbereitet. Sie muß die Schwächen der Medienwelt […] aufwiegen - beide, den Schein und den Schrott“ (1998: 41). In der fremdsprachendidaktischen Diskussion standen aber weniger Grundsatzfragen auf dem Programm als Fragen nach dem möglichen ‚Mehrwert‘, den die digitalen Medien für das Fremdsprachenlernen bieten. In den Anfängen der Nutzung des Computers im Fremdsprachenunterricht galt das Interesse vor allem der Lernsoftware, mit der Lernende individuell (d. h. ohne Lehrperson), aber gesteuert (durch das Programm) Sprachstrukturen erarbeiten und Sprachübungen durchführen konnten. Ein ‚Mehrwert‘ gegenüber den traditionellen Lehrmaterialien und Arbeitsbüchern mit ihren Substitutionsübungen und Lückentexten fehlte hier, und aufgrund der manchmal äußerst kleinschrittigen Steuerung konnte auch von einer Selbstständigkeit des Lernens nicht die Rede sein. Sehr bald geriet das Potenzial der Neuen Medien, die Grenzen des Klassenraums zu überwinden und die Lernenden auf den Weg „[f]rom classroom learners to world communicators“ (Müller-Hartmann/ Richter 2001: 4) zu bringen, in den Fokus fremdsprachendidaktischer Überlegungen. Jetzt wurden das Recherche- und Präsentationsangebot des WWW und vor allem sein Begegnungspotenzial unter die Lupe genommen. Reinhard Donath, einer der Pioniere der Integration Neuer Medien in den Fremdsprachenunterricht, zeigte an Beispielen aus der eigenen Unterrichtspraxis, dass der Sprachunterricht durch E-Mail, WWW und Hypertext an Tiefe und Lebendigkeit gewinnen konnte und gab damit erste Antworten auf „die Frage nach Möglichkeiten der sinnvollen Verknüpfung von Arbeit im Internet mit vom Computer losgelösten Unterrichtsschritten, Aufgaben und Medien“ (Schmidt 2010: 284). Einheit 7 135 m e D I en Im F re mDspr achlIchen u nt errIcht Abb. 7.4 Neue Medien (nicht nur) im Englischunterricht 136 M edien de s F re Mdspr achenunt errichts iM W a ndel Recherche computerbasierte Kommunikation Eines der Beispiele betraf die Lektüre des Jugendromans Trumpet Voluntary von Jeremy Harper in einer 10. Klasse (Donath 2002). Der Roman wurde zunächst in klassischer Manier erarbeitet, gestützt auf sog. Lesetagebücher, d. h. Tagebücher, die die individuelle Lektüre längerer Texte begleiten und den Schüler/ innen dazu dienen, ihre Eindrücke, Gedanken und weiterführenden Fragen festzuhalten. Im Anschluss entwickelte die Klasse eine Nebenhandlung, die im Roman selbst nicht ausgeführt, aber doch als Handlungsebene angelegt war. Donath schickte der Klasse eine fingierte E-Mail, vorgeblich von einem der Romanprotagonisten geschrieben, die nach Reaktionen verlangte. Die Klasse arbeitete in zwei z. T. weiter unterteilten Großgruppen, die miteinander in der Rolle der Romanfiguren korrespondierten, so dass zu dem Roman ein weiterer Erzählstrang entwickelt wurde. Recherche spielte eine Schlüsselrolle, als Donath (2002) mit seiner Klasse zu Jane Urquharts Away (1995) arbeitete, einem Roman, der 1840 in Irland beginnt und 1980 in Kanada endet und die Geschichte von vier Frauengenerationen der Familie O’Malley unter wechselnden historischen und sozialen Bedingungen erzählt. In den ersten Stunden wurde in diesem Projekt, dessen Ziel das Erstellen einer Website war, das Internet eingesetzt, um etwas über die Orte zu erfahren, die am Anfang des im Rückblick geschriebenen Romans eine Rolle spielen. Danach arbeitete der Kurs in zwei Gruppen, je eine zur Haupt- und eine zur Parallelhandlung. Die Gruppen stellten je einen dieser beiden Handlungsverläufe dar und recherchierten zu den landeskundlichen Kontexten. Dabei wurden integriert Charakterisierung, Zusammenfassung, Textanalyse, innerer Monolog, Psychogramm, Geschichtsschreibung usw. geschult, die sonst oft isoliert behandelt werden. Zur Illustration wurden Bilder von Orten der Handlung aus dem Internet geholt, Fotos in der Klasse gemacht, Gemälde und Zeichnungen integriert usw. Die Frage der sinnvollen Verlinkung wurde im Klassenplenum erörtert, damit Wiederholungen und Widersprüche vermieden werden konnten. Zusätzlich erwarben die Schüler/ innen auch Medienkundliches: „[m]it Suchmaschinen schnell zum Ziel kommen, Textauszüge und Grafiken von Webseiten abspeichern, Webseiten erstellen und verlinken, Umgang mit einem Grafikprogramm (Bildbearbeitung) und einiges mehr.“ (Donath 2002: 137) Am Ende wurde die Dokumentation des ganzen Projekts den Schülerinnen und Schülern übergeben und auf der Website der Schule publiziert. Andreas Müller-Hartmann und Annette Richter (2001: 4 f.) beschreiben die kommunikativen und didaktischen Möglichkeiten einer computerbasierten Kommunikation wie folgt: (a) Das Schreiben fremdsprachlicher Texte nimmt nicht nur zu, sondern an der Schnittstelle zwischen mündlicher und schriftlicher Kommunikation (von E-Mail bis Chat) entwickeln sich neue Textformen, die auch für spracherwerbstheoretische Fragen relevant sind (z. B.: Unterstützen synchron geschriebene Texte die mündliche Sprachproduktion? ). Einheit 7 137 m e D I en Im F re mDspr achlIchen u nt errIcht (b) Es ‚spricht‘ und schreibt nicht mehr nur eine Schülerin oder ein Schüler zur gleichen Zeit, sondern im Computerraum kann eine Vielzahl von Lernenden entweder untereinander oder mit anderen Lernenden außerhalb des Klassenzimmers kommunizieren. Die Sprachproduktion potenziert sich. (c) Sobald der Zugang zum Netz vorhanden ist, ist fremdsprachliche Kommunikation zu jeder Zeit und von jedem Ort aus möglich. In der Interaktion zwischen Lehrenden und Lernenden lassen sich ganz neue Formen der Kooperation denken […]. (d) Zum ersten Mal wird der direkte asynchrone (= zeitlich versetzte) wie synchrone (= zeitgleiche) Kontakt zu native speakers und anderen Fremdsprachenlernenden weltweit möglich, was sowohl für den eigentlichen Spracherwerb als auch für das interkulturelle Lernen neue Dimensionen eröffnet. (e) Man kann eigene Texte im World Wide Web publizieren und damit eine weltweite Leserschaft erreichen, mit der wiederum vielfältige vernetzte Kooperationsprojekte möglich werden […]. Zwar wäre es naiv anzunehmen, dass durch den Computer eine Weltgemeinschaft entstünde oder eine „weltweite Leserschaft“ erreicht werden könnte. Der Zugang zum Weltkommunikationsmedium Computer ist für die Mehrheit der Menschheit gar nicht bzw. nicht überall und jederzeit gegeben. Den Kontakt mit Lernenden im Ausland kann nur herstellen, wer über die Technologie verfügt. Für diese ist das Forschungs- und Kommunikationspotenzial der Neuen Medien im Fremdsprachenunterricht dann freilich beträchtlich, bietet eine Vielzahl von Formen und wächst beständig. Problemlos ist ihre Verwendung allerdings nicht. Thaler (2012: 72 f.) listet einige der Schwierigkeiten auf und macht Vorschläge für den Umgang damit: Problems Possible solutions Lack of hardware - two students for one PC - dividing work into PC tasks and non-PC-tasks - Internet tasks as homework - fund-raising initiatives for self-access room Student’s lack of media literacy - introductory lessons to Internet - practising skills like skimming, scanning, using search engines - raising awareness of problems, e.g. information overload - evaluating the reliability of websites Time-consuming and ineffective surfing - using WebQuests or Web-Units - pre-selecting websites - setting precise tasks and instructions - setting time limits - providing guidance through worksheets - requiring presentation of results (with sources) Tab. 7.2 Probleme des Computereinsatzes und Lösungsansätze 138 M edien de s F re Mdspr achenunt errichts iM W a ndel Conflict between time required and demands by the curriculum - reduction to 1-2 projects per year - starting with mini-project - replacement of related textbook unit by internet project Problems with e-mail exchanges - sticking to the 10 Golden Rules by Donath (vgl. Haß 2012: 240) - using tested and documented projects Language mistakes in texts - raising awareness of authenticity - analysis in class to create language awareness - editing and correcting own texts Communication tools: uncontrolled interaction - using closed channels and forums - setting topics and tasks - analysing texts (log files) Presentations: form before content - insisting on the content is king principle: What is said is more important than multimedia gimmicks - making grading transparent (evaluation sheet) - discussing good/ bad websites/ presentations Multiliteralität „Im Bereich Multimedia liegt sicher die Zukunft der Medienentwicklung für den FU“, schreibt Andreas Grünewald (2010: 212). Die Möglichkeiten, die die digitalen Medien dem Fremdsprachenlernen und dem Interagieren in der Fremdsprache bieten, sind aus seiner Sicht noch lange nicht ausgeschöpft. In jüngerer Zeit ist ein Konzept aus dem englischsprachigen Kontext in die Fremdsprachendidaktik in Deutschland gekommen, das die Multimedialität in einen weiteren Zusammenhang zu stellen versucht: das Konzept der Multiliteralität. In diesem Konzept zeigt sich besonders deutlich das Zusammenspiel beider medienpädagogischen Dimensionen: sowohl der pragmatischen, handlungsbezogenen als auch der kritischen, reflexionsbezogenen. Der Gedanke nahm seinen Anfang 1994, als eine „Gruppe nordamerikanischer, britischer und australischer Forscher und Pädagogen, die sich nach dem Ort ihres ersten Treffens New London Group nannte“ (Küster 2014: 4), erörterte, wie eine Pädagogik aussehen könnte, die der Komplexität des Lebens in der Welt des 21.- Jahrhunderts entsprechen und die Lernenden zur verantwortlichen Teilhabe und Mitgestaltung befähigen könnte. „Das multiliteracies- Konzept versteht sich als pädagogisch-didaktische Antwort auf die vielfältigen Veränderungen, die sich aus den Folgen der Globalisierung und denen der sog. ‚digitalen Revolution‘ ergeben.“ (Ebd.) In der Rezeption des Konzepts durch die Fremdsprachendidaktik wurden besonders die multilingualen (s.-Einheiten 1 und 5) und multimedialen Kompetenzen (literacies) in den Blick genommen. Es gelte, „den Lernern zu einem selbstbestimmten Umgang mit Texten unterschiedlicher sprachlicher und medialer Verfasstheit zu verhelfen“, so 7.5 Einheit 7 139 m e D I en als c h a nce unD p roble m Küster (ebd.: 5). Die Befähigung zu mehrsprachigen und multimedialen bzw. multimodalen Interaktionen rückt hier in den Mittelpunkt pädagogischen Handelns - mit explizit emanzipatorischem Impetus. Mit diesem Impetus geht zum einen eine Kritik an der sprachlichen Standard-Orientierung im Fremdsprachenunterricht einher, durch die die sog. Hochsprache zur Norm wird (vgl. Breidbach/ Medina/ Mihan 2014, 101 ff.) und andere Sprachlichkeiten delegitimiert werden, zum anderen eine Kritik am schulischen Kanon von Texten, Textsorten, Genres und Kommunikationsformen und eine Öffnung zu bisher nicht autorisierten Texten, Textsorten, Genres und Kommunikationsformen. Darüber hinaus ist in dem Konzept die reflexive Auseinandersetzung mit der je eigenen sprachlich-medialen Praxis der Akteur/ innen des Fremdsprachenunterrichts konstitutiv. Medien als Chance und Problem Medien sind Mittler, sie sind funktional bestimmt, nicht objektiv. Ihr didaktischer Ort ist untrennbar mit dem Ort von Schule selbst verbunden. Die moderne Schule wurde nötig, als „die Weitergabe des kulturell erreichten Wissens- und Fähigkeitsniveaus durch einfachen Mitvollzug der nachwachsenden Generationen am Leben der älteren Generationen nicht mehr ausreicht(e)“ (Terhart 1997: 139), sie steht an den Bruchstellen der „verlorenen Einheit von Leben und Lernen“ (Benner 1989), schiebt sich zwischen die Heranwachsenden und ihre Lebensumgebung, trennt sie und vermittelt zwischen ihnen. Schule ist zwangsläufig ein medialer, ein bebilderter Bildungsraum. Das birgt � Chancenreiches, weil der neue Bildungsraum nun nicht mehr an zufällige lokale und soziale Gegebenheiten und deren Lerngelegenheiten gebunden ist: In ihn kann einerseits zeitlich, geographisch, kulturell und sprachlich Fernes hineingeholt werden. In ihm kann andererseits Nahes, Vertrautes und Alltägliches unvertraut und fremd gemacht werden. � Problematisches, weil Schule zu einer solchen Entprovinzialisierung von Erfahrung eher selten beiträgt; weil sie, im Gegenteil, oft genug stumpf und erfahrungsresistent macht. Schule hält sich die Welt meist allzu sehr, oft allzu wenig vom Leib. Horst Rumpf (1993: 108) bilanziert: Einerlei ob es Bilder, Klänge, Schriftzeichen sind, in die Weltgegebenheiten transformiert und hineingespeichert werden - wenn sie nur zur Illustration und zur Demonstration von Lehrsätzen und Schulweisheiten ‚eingesetzt‘ werden, dann besteht die von Reformpädagogen immer wieder beschworene Gefahr des Erfahrungsverlusts. Der Sinn für Wirklichkeit droht narkotisiert zu werden, die abstrakte Schulweisheit erzeugt Gleichgültigkeit. In anderer Weise narkotisiert das konsumistische Einschlürfen medial zubereiteter Welten. Daneben und Befähigung zu mehrsprachiger und multimodaler/ multimedialer Kommunikation 7.6 140 M edien de s F re Mdspr achenunt errichts iM W a ndel Zusammenfassung dagegen kann es geben und gibt es ein initiatives Auftauchen von Wirklichkeit in Medien - das den fremden Blick belebt, aus der Gewohnheit aufstört […] Um diese initiative Seite des Mediengebrauchs zu lernen, müssten die Mediendidaktiker […] bei Künstlern in die Schule gehen. Nach einem Blick auf die Entwicklung der Medien und die dafür entscheidenden Impulse haben wir ihre wechselnde Akzeptanz und Ausformung in pädagogischen Zusammenhängen nachgezeichnet. Dabei zeigte sich eine Grundfigur: Auf eine erste Phase der Abwehr folgte eine Phase der pragmatischen Nutzung einerseits sowie der kritischen Analyse und Reflexion andererseits, die in sublimierter Form auch noch einige Züge des Abwehrenden bewahrte. Diese Grundfigur gilt sowohl für gesellschaftliche Reaktionen wie auch für pädagogische. Im letzteren Zusammenhang ist sie kennzeichnend für die Medienpädagogik insgesamt und für den fachlichen Kontext der Fremdsprachendidaktik. Bei der anschließenden Darstellung der Medien für den Fremdsprachenunterricht unterschieden wir heuristisch zwischen unmittelbar und ausschließlich für Unterrichtszwecke angefertigten Medien und solchen, die aus außerschulischen Umgebungen in den Unterricht hineingetragen wurden und oft „authentisch“ genannt werden. Als Beispiel für vorgefertigte, unterrichtspezifische Medien wurde das Lehrbuch bzw. -werk präsentiert und bilanziert, dass es einen legitimen Platz im Unterricht haben könne, solange es nicht zum einzigen und zum Steuerungsmedium würde. Als ein Beispiel für den Einbezug primär nichtdidaktischer Medien stellten wir die Unterrichtsprojekte dar, die Computer und Internet einbezogen, und skizzierten ihr Potenzial für den Fremdsprachenunterricht, für neue Selbst- und Fremderfahrungen und Kommunikationsmöglichkeiten. Mit dem Multiliteratlitätskonzept kam schließlich eine pädagogische Initiative zur Sprache, die den sprachlichen und medialen Kanon von Schule und Fremdsprachenunterricht auf den machtkritischen Prüfstand bringt und mit dem Erziehungsziel der Multiliteralität die verantwortliche Teilhabe an einer vernetzten globalen Welt verbindet. Abschließend und in den Worten von Horst Rumpf hielten wir fest, dass Medien dann zu Erfahrungsreichtum und Bildung beitragen können, wenn sie den Horizont der Lernenden überschreiten helfen, neue, ungewohnte Handlungsmöglichkeiten eröffnen und Selbst- und Weltverständnis in Frage stellen und bereichern. Aufgaben 1 Wählen Sie eine Einheit aus einem Lehrbuch für eine Ihrer Sprachen aus und entwickeln Sie verfremdende, die Schüler/ innen herausfordernde Methoden der Arbeit mit der Einheit. 2 Stellen Sie einen Vergleich zwischen dem Lernangebot Lehrwerk und dem Lernangebot Hypertext dar. Worin liegen ihr jeweiliger Vorzug, worin die Schwierigkeiten? 3 Befragen Sie Fremdsprachenlehrkräfte der Sekundarstufe I nach ihrer Verwendung, Einschätzung und Kritik von Lehrwerken und von nichtdidaktisierten Materialien. 4 Welche Rahmenbedingungen müssen erfüllt sein, damit die Neuen Medien im Fremdsprachenunterricht ihr Potenzial entfalten können? Einheit 7 141 m e D I en als c h a nce unD p roble m 8 Zum Weiterlesen Decke-Cornill, Helene/ Reichart-Wallrabenstein, Maike (Hrsg.) (2002): Fremdsprachenunterricht in medialen Lernumgebungen. Frankfurt a. M. u. a.: Lang. Kurtz, Jürgen (Koord.) (2014): Themenschwerpunt „Lehrwerkkritik, Lehrwerkverwendung, Lehrwerkentwicklung“. In: Fremdsprachen Lehren und Lernen (40) 2: 3-133. Küster, Lutz (Koord.) (2014): Themenschwerpunkt „Multiliteralität“. In: Fremdsprachen Lehren und Lernen (43) 2: 3-106. Schmidt, Torben (2005): Selbstgesteuertes Lernen mit Neuen Medien im Fremdsprachenunterricht: Eine Bestandsaufnahme. In: Zeitschrift für Interkulturellen Fremdsprachenunterricht [Online], 10 (1), 27 pp. Unter: http: / / zif.spz.tu-darmstadt.de/ jg-10-1/ beitrag/ TorbenSchmidt.htm (06. 07. 2015) Themenheft „Neue Medien im Unterricht“. Der fremdsprachliche Unterricht Spanisch (3) 6 (2005). Themenheft „WEB 2.0“. Praxis Fremdsprachenunterricht 1 (2008). 143 8.1 Schule als geschlossenes System Interaktion im fremdsprachlichen Klassenzimmer Einheit 8 Diese Einheit beschäftigt sich mit einem Thema, das die Fremdsprachendidaktik seit der Kommunikativen Wende umtreibt: Wie kann das (sprachliche) Handeln im fremdsprachlichen Klassenzimmer mit dem in außerschulischen fremdsprachlichen ‚Echtumgebungen‘ in ein produktives Verhältnis gebracht werden? Die Einheit klärt mit zunehmendem Fokus auf den Fremdsprachenunterricht den Begriff der Interaktion, zeigt ihre institutionelle Abhängigkeit und sucht schließlich nach Möglichkeiten, erstarrte lehrerzentrierte Interaktionsformen zugunsten schülerpartizipativer zu überwinden. Eine Vorbemerkung zum Verhältnis von schulischer und außerschulischer Welt Das Verhältnis von Schule und Gesellschaft ist widersprüchlich: Einerseits lässt sich Schule als Werkstatt auffassen, in die der Auftraggeber Staat im Namen der Gesellschaft den Rohstoff Kind gibt und dafür bezahlt, dass es darin so erzogen wird, dass es ein brauchbares Produkt für die außerschulische Welt abgibt und dafür ein Gütesiegel erhält. Andererseits ist Schule aber auch eine Welt eigener Ordnungen und Rationalitäten, die sie von der Außenwelt unterscheiden und befremdlich machen. In der Systemtheorie wird Schule deshalb als geschlossenes System bezeichnet, das - von seiner Umwelt abgegrenzt - sich durch eigene Kräfte in Gang setzt und hält. Als solches steht es mit der außerschulischen Welt nicht so sehr in einem Auftragsals vielmehr in einem Differenz- und Spannungsverhältnis. Non scholae sed vitae discimus, diese Gleichung würde dem erstgenannten Aspekt gerecht, non vitae sed scholae discimus dem zweitgenannten. Diesen hat der Fremdsprachendidaktiker David Little im Sinn, den Werner Bleyhl im Folgenden referiert: Das Problem des traditionellen Fremdsprachenunterrichts besteht für Little […] darin, dass die Lerner nicht daran interessiert sind, etwas zu lernen, sondern daran, gute Noten zu bekommen. (Schöner kann man die Selbstreferenz des Systems Schule […] kaum definieren.) Werden die ‚guten Noten‘ beispielsweise für bestimmtes Grammatikwissen vergeben, so entsteht das entsprechende System des traditionellen Unterrichts, der schulintern belohnt und schulintern Kategorien aufbaut und sich zu einer Welt sui generis macht. Dieses System bestätigt sich wieder intern. (2000b: 38) 144 I nt er a k tIon Im fre mdspr achlIchen k l a ssenzImmer „echte“ Interaktion 8.2 eine Inhalts- und eine Beziehungsebene Interaktion und Kommunikation Bleyhl fordert für die Interaktion im fremdsprachlichen Klassenzimmer jedoch, dass sie sich über dessen Grenzen hinwegsetzt und außerschulische Interaktionen zur Richtschnur innerschulischen Agierens erhebt. Soll der Fremdsprachenunterricht den Lerner jedoch auf die Kommunikation in der Welt auch außerhalb der Schule vorbereiten, gilt es, ein Kommunikationssystem mit den Referenzen dieser Welt, d. h. echte, inhaltsorientierte fremdsprachliche Interaktion ins Klassenzimmer zu holen und mit deren multiplen simultan gültigen Erfolgsmaßstäben zu messen, dem Lerner gemäß deren Qualitätsmerkmalen Rückmeldung zu erteilen, Rückmeldung darüber, inwieweit Sprache als Mittel der menschlichen Verhaltenssteuerung funktioniert. (Ebd.) Bleyhl geht offensichtlich davon aus, dass die Beziehungs- und Kommunikationsstrukturen des Fremdsprachenunterrichts die Entwicklung fremdsprachlicher Handlungsfähigkeit entscheidend beeinflussen und daher „echte, inhaltsorientierte Interaktion“ vonnöten ist. Was aber ist überhaupt unter Interaktion zu verstehen? Was ist Interaktion? Zur Beantwortung der Frage verweisen wir auf das Kommunikationsmodell, das Schulz von Thun im Anschluss an Bühler, Watzlawick u. a. entwickelte (s.-Einheit 3.2.2). Watzlawick (1969, 3. Aufl. 1972) hatte die Einsicht formuliert, dass jede Kommunikation eine Inhalts- und eine Beziehungsebene umfasst und die Kommunikation auf der Beziehungsebene meist unbewusst stattfindet. Es wird also simultan auf zwei ineinander verwobenen Ebenen kommuniziert. Die Inhaltsebene kann dabei mit der sichtbaren Spitze des Eisbergs verglichen werden, die Beziehungsebene mit seiner massiven, aber nicht erkennbaren Basis. Beide sind der Wahrnehmung in unterschiedlicher Weise zugänglich. Auf dem Wege der Metakommunikation kann die Beziehungsebene aber zum Gegenstand der Verständigung werden, etwa wenn die Beteiligten versuchen Missverständnisse oder das Gemeinte im Gesagten zu klären. Versuche, eine Unterscheidung zwischen Interaktion und Kommunikation zu treffen, sind wenig überzeugend. Beide Begriffe werden häufig synonym verwendet, hier und da wird aber auch eine Abgrenzung angestrebt, z. B. wenn Kommunikation nur auf sprachliches Handeln bezogen wird. House (2000) und Abel (2000) plädieren mit vielen anderen für Interaktion als übergeordneten und Kommunikation als untergeordneten Begriff und bezeichnen dabei Kommunikation als den Spezialfall intentionaler, d. h. absichtsvoller Interaktion in verbalen und nichtverbalen Zusammenhängen. Sigrid Noldas Definition basiert auf der Unterscheidung, dass „[i]n Abhebung von Kommunikation bei einer Interaktion die gleichzeitige Anwesenheit der Betroffenen vorausgesetzt [ist]“ (1997: 759). Einheit 8 145 w a s Ist I nt er a k tIon ? Bedeutungsaushandlung Definition Grundbedingtheit des Menschseins Abb. 8.1 George Herbert Mead Nolda fügt ihrer Unterscheidung einen weiteren Aspekt hinzu, nämlich, dass diese Interagierenden „auf der Grundlage eines Sockels von geteilten Bedeutungen und Verhaltensmustern jeweils die Reaktionen des anderen vorausgreifend berücksichtigen bzw. sich mit dem anderen über die Bedeutung der Situation verständigen können“ (ebd.). Damit benennt sie als zentrales Moment von Interaktion das Herstellen eines common ground zwischen den Beteiligten, also das für das Gelingen von Lernprozessen bedeutsame Moment der intersubjektiven Verständigung, der Bedeutungsaushandlung. Dieses Moment wird in zahlreichen Begriffsbestimmungen indirekt oder direkt genannt. So beschreibt beispielsweise Kron Interaktion als „sinnverstehende[s] Miteinander-Handeln“ ( 2 1994: 169), Vollmer u. a. verstehen unter Interaktion den „sprachliche[n] und nichtsprachliche[n] Austausch von Wissenselementen sowie die Aushandlung von Bedeutung und von sprachlicher Form zwecks Verständigung zwischen zwei oder mehreren Partnern“ (2001: 79) und Allwright (2000b) setzt interaktionale Aushandlungsprozesse mit Lernen gleich. Den folgenden Ausführungen liegt ein Verständnis von Interaktion zugrunde, das eng mit dem von Kommunikation verbunden ist und wechselseitiges bewusstes und unbewusstes (Sprach-)Handeln meint, bei dem mindestens zwei Interaktionspartner/ innen Bedeutung aushandelnd und Beziehung stiftend aufeinander Einfluss nehmen. Interaktion findet nicht nur hier und da in Einzelbegegnungen statt, sondern ist eine Grundbedingtheit des Menschseins überhaupt. Nur in Interaktion - intern und extern - entwickeln Menschen ihre Identität. Jede Wahrnehmung von Selbst und Welt ist indirekt, sie ist auf Interaktion angewiesen. Und Interaktion ist unvermeidlich, niemand kann sich ihr entziehen. Watzlawick u. a. haben dafür die berühmte Formulierung gefunden: „Man kann nicht nicht kommunizieren“ (1969: 173). In Einheit 2 hatten wir die lerntheoretische Schule des Behaviorismus skizziert, die Lernen als reflexgesteuerte Reaktionen auf Stimuli der Umwelt beschreibt. Diese Auffassung weisen Interaktionstheoretiker wie George Herbert Mead (1863-1931) zurück. Für Mead ( 10 1995/ 1934) unterscheiden sich Menschen von anderen Lebewesen dadurch, dass sie nicht unmittelbar ihren Instinkten unterworfen sind, sondern ihr Verhalten in Hinblick auf seine Folgen für die Umwelt und sich selbst bedenken können (und existentiell müssen). Aus ihren erinnerten Erfahrungen heraus können sie ihr Handeln auf zukünftig Erwartbares ausrichten. Zwischen Reiz und Reaktion besteht also kein unmittelbarer Zusammenhang, wie ihn der Behaviorismus annimmt, sondern zwischen beide tritt ein (Möglichkeits-)Raum reflektierter Antizipation und Entscheidung. Eine Schlüsselrolle spielt dabei die Sprache, die als überindividuelles, konventionell geteiltes Symbolsystem Menschen in die Lage versetzt, eigenes Handeln aus der Perspektive anderer einzuschätzen. 146 I nt er a k tIon Im fre mdspr achlIchen k l a ssenzImmer I und Me 8.3 Inhalts- und Beziehungsstrukturen Grundparadoxien Mead hat dies in einer Gegenüberstellung von I und Me verdeutlicht. Mit I bezeichnet er das spontane, unbewusste Ich, mit Me das soziale Ich, in dem die erfahrenen, vermuteten, interpretierten Perspektiven und Normen der Außenwelt auf das Selbst aufbewahrt sind. Diese unterstellten, widersprüchlichen Perspektiven der anderen nehmen Einfluss auf das eigene Handeln, es ist also nicht einfach selbstbestimmt. Zwischen I und Me findet vielmehr eine laufende intern vermittelnde Interaktion statt, mit dem Ziel der Versöhnung der konfliktgeladenen Perspektiven. Dafür müssen die angenommenen Außenperspektiven gebündelt werden zu einem ‚verallgemeinerten‘, einem ‚generalisierten Anderen‘. Identität ist Ergebnis dieses internen Abstimmungs- und Integrationsprozesses zwischen personalen und sozialen Kräften, und zu den letzteren zählen auch die gesellschaftlichen Institutionen Schule und Erziehung. Jürgen Habermas (1976, s. Einheit 6.4.1) hat für solche Prozesse der Subjekt- und Identitätsentwicklung drei Stadien unterschieden, die einander nicht ablösen, sondern anreichern. Während der Mensch sich zunächst in seinem Verhalten an Lust-/ Unlusterfahrungen orientiert, wird er sehr bald mit Erwartungen und Normen konfrontiert, die mit seiner sozialen Rolle (etwa als Mädchen, Schulkind usw.) verbunden sind. Beim Eintritt in primäre und später in öffentliche Gemeinschaften spielt der Wunsch nach Zugehörigkeit eine wichtige Rolle für das Verhalten. In der Adoleszenz entwickeln Menschen schließlich idealerweise einen Zustand der Mündigkeit - Habermas nennt das Ich-Identität -, der es ihnen erlaubt, sich vor dem Hintergrund akzeptierter moralischer und sozialer Werte und Normen reflektiert den Erwartungen, die an sie herangetragen werden, anzupassen oder zu widersetzen. Interaktion im Klassenzimmer Schule und Unterricht sind gesellschaftlich gestaltete Institutionen, die den Individuen mit massiven Anpassungserwartungen begegnen. Die Interaktionsbeziehungen in diesen Institutionen sind historisch und symbolisch vorgeformt und folgen weitgehend stabilen Regelungen. Die je konkreten, empirischen Personen in einem Klassenzimmer treffen in ihrer Interaktion auf sozial und kulturell präfigurierte Inhalts- und Beziehungsstrukturen, die im Laufe der schulischen Sozialisation (oft aber bereits lange davor in den Reden der Umgebung über Schule) als „natürlich“ und alternativlos erfahren werden. Tatsächlich sind aber Schule und Unterricht auf die aktive Mitwirkung aller Beteiligten an ihrem System angewiesen, das einerseits beharrlich, andererseits auch störungsanfällig ist. Für Niklas Luhmann (2004: 246) beruht unterrichtsspezifische Interaktion auf der Mitwirkung von Lehrenden und Lernenden durch „taktvolle Kommunikation“. Damit meint er eine schulsystemimmanente Kommunikation, die ihre Grundparadoxien nicht offenlegt: Auf der expliziten Ebene geht es Einheit 8 147 I nt er a k tIonsbe D Ingungen D e s kommunIk atI V en F re mDspr achenunt errIchts ihr um fachliche und soziale Unterrichtsinhalte und -ziele, auf der impliziten um Disziplinierung und Selektion. Ähnlich wie Little (s. oben 8.1) hält auch Luhmann fest, dass die Lernenden bei der Konstruktion des Systems Schule aktiv mitwirken: [Die Schüler/ innen] reagieren scheinbar sachlich auf die Anforderungen des Unterrichts, indem sie sich auf das Spiel des richtigen bzw. falschen Wissens bzw. zureichenden oder unzureichenden Könnens einlassen; aber es ist unübersehbar, daß es für sie zugleich um Selbstdarstellungen geht, um oft geradezu akrobatische Kunststücke im Vorführen positiver und im Verdecken negativer Leistungen. (Ebd.: 247) Wie sehen diese „akrobatischen Kunststücke“ im besonderen Kontext des Fremdsprachenunterrichts aus? Interaktionsbedingungen des kommunikativen Fremdsprachenunterrichts Anders als bei den sogenannten Sachfächern fallen in den sprachlichen Fächern Unterrichtsgegenstand (wenn man Sprache überhaupt so nennen kann) und Unterrichtsmedium zusammen. Die Fremdsprache ist im modernen, kommunikativ und einsprachig verstandenen Unterricht also immer auf zwei unterschiedlichen Ebenen präsent: als Medium sozialer Interaktion im Klassenzimmer einerseits und als Unterrichtsinhalt und -ziel andererseits. Im Konzept der Grammatik-Übersetzungs-Methode existierte dieses Problem noch nicht. Sie behandelte Sprache nämlich wie andere Fächer ihre Unterrichtsgegenstände auch. Ebenso wie ein Gemälde im Kunstunterricht oder eine Klimazone im Geographieunterricht oder der Satz des Pythagoras im Mathematikunterricht wurden fremdsprachliche Inhalte im Fremdsprachenunterricht mit Hilfe des Deutschen behandelt. Am Ende stand dann - analog zum kunsthistorischen, geographischen und mathematischen Wissen-- fremdsprachliches Wissen. Die Fremdsprache war Unterrichtsgegenstand, nicht -medium. Die Sozialform stand nicht in Frage; die Klasse war frontal auf die Lehrperson ausgerichtet, die den Gegenstand beherrschte und den Schüler/ innen vermitteln konnte. Aber auch in Zeiten behavioristisch geprägter Spracherwerbskonzeptionen war die Interaktionskonstellation unstrittig und platzierte die Akteur/ innen wie bei der Grammatik-Übersetzungs-Methode: Die Lehrperson formulierte Dialoge vor, die Lernenden sprachen nach, übten ein und ‚automatisierten‘. Mit der Kommunikativen Wende ist aber die fachdidaktische Legitimation solch belehrender Verfahren erschüttert worden. Wenn richtig ist, dass Sprache am besten durch realitätsnahe, bedeutsame Interaktion gelernt werden kann, dann muss eine solche auch ermöglicht werden. Begriffe wie 8.4 Fremdsprache als Gegenstand und Medium bedeutsame Interaktion 148 I nt er a k tIon Im fre mdspr achlIchen k l a ssenzImmer Dominanz lehrerzentrierter Interaktion 8.5 Authentizität, Handlungsorientierung und ‚echte‘ Kommunikation wurden zu unterrichtlichen Normen - nicht erst für den fortgeschrittenen Unterricht. Die Beschränkung auf Lehrer-Schüler-Interaktionen wurde in Frage gestellt, das fremdsprachendidaktische Interesse an Interaktionen der Schüler/ innen untereinander und an kooperativem Lernen (s. Abschnitt 8.7) wuchs. Partner- und Gruppenarbeit und arbeitsteilige Projekte erreichten auch den Fremdsprachenunterricht. Empirische Untersuchungen stellen dennoch bis heute als Kennzeichen des Fremdsprachenunterrichts fest, dass er zentral von der Lehrperson gesteuert wird, von hohen Lehrersprechanteilen bestimmt ist, belehrend verfährt und der Sprachform und -richtigkeit den Vorzug vor der inhaltlichen Bedeutsamkeit gibt. Die Dominanz lehrerzentrierter Interaktion im Englischunterricht (vgl. DESI-Konsortium 2008) erklärt sich u. a. aus (1) der Beharrlichkeit historischer Interaktionsformen in der Disziplinarinstitution Schule; (2) der personalen Doppelfunktion der am Unterricht Beteiligten: als Lehrende/ Selektierende und als Lernende/ Konkurrierende; (3) dem Mythos, dass Lehren einen sofortigen Lerneffekt erzeugen muss, den es umgehend zu kontrollieren gilt; erinnert sei an Werner Bleyhls Metapher (2002: 8) vom Fremdsprachenlehrer als unprofessionellem Gärtner, der nach jedem Gießvorgang die jungen Pflänzchen aus dem Boden zieht und nachsieht, ob sie neue Wurzeln geschlagen haben (s. Einheit 2.3.3 sowie Holzkamp 1995); (4) aus der Doppelrolle der Sprache als Medium und Gegenstand des kommunikativen Fremdsprachenunterrichts und aus der „communicative ‚orthodoxy‘“ (Seedhouse 1996: 17) der Einsprachigkeit, wie sie auch von der Inputtheorie Krashens und einigen ‚bilingualen‘ Ansätzen unterstützt wird. Wissens- und Könnensgefälle zwischen Lehrenden und Lernenden werden durch dieses Dogma erhöht. Die dreifache Kontextualisierung der Interaktion im Fremdsprachenunterricht Paul Seedhouse (2004) hat an einem konzentrischen Modell veranschaulicht, dass die Interaktion im Fremdsprachenunterricht immer zugleich als einzigartig und als exemplarisch verstanden werden muss. „To put it another way, there is always a tension between a description of an extract of L2 classroom interaction as something homogeneous or similar to other instances and as something heterogeneous or different from other instances“ (ebd.: 211). Sein Modell zeigt die Interaktion im Fremdsprachenunterricht als dreifach kontextualisiert: Einheit 8 149 D I e Dre I Fache k ont e x tualIsI erung D er I nt er a k tIon Im F re mDspr achenunt errIcht institutional context L2 classroom context micro context (1) Im Zentrum des Modells steht der micro context. Jede Interaktion ist zunächst einmal einzigartig. Sie gleicht keiner anderen, so dass Vielfalt und Unterschiedlichkeit und Singularität in den Blick kommen. „At this level of context we view the interaction as a singular occurrence, and the emphasis is on heterogeneity“ (ebd.: 210). (2) Auf dem nächsten Ring des Modells wird der erweiterte L2 classroom context des speziellen Einzelfalls fokussiert. Hier geht es darum zu sehen, „whether this instance may have something in common with other instances which are organized in a similar way“ (ebd.). Jetzt wird also gefragt, ob sich in dem beobachteten Fremdsprachenunterricht strukturelle Wiederholungen finden lassen, ob es Habituelles, Wiederkehrendes darin gibt, das es erlaubt, Muster zu identifizieren. (3) Im Außenkreis des Modells gilt die Frage dem institutional context der Interaktion. „At this level of context we view the interaction as an example of L2 classroom discourse, and the emphasis is on homogeneity“ (ebd.: 211). Hier geht es nun um einen Vergleich von Mustern unterschiedlichen Fremdsprachenunterrichts und die Suche nach Strukturen, die über die einzelne Unterrichtsrealität hinaus allgemein für Interaktion im schulischen Fremdsprachenunterricht gelten können, die also fachkulturell spezifisch für den Fremdsprachenunterricht sind. Wie Luhmann und Little so betont auch Seedhouse die Abhängigkeit der Interaktionskultur von der Deutung und aktiven Mitwirkung der Beteiligten an ihrer Herstellung: Every time participants produce L2 classroom interaction as defined here, they talk these three levels of context into being. All three levels are present and manifest at all times, and when one broadens or narrows one’s perspective, one will Abb. 8.2 Der dreifache Kontext von Interaktion im Fremdsprachenunterricht nach Seedhouse 150 I nt er a k tIon Im fre mdspr achlIchen k l a ssenzImmer 8.6 8.6.1 beispielhafte Interaktionssequenz tend to focus on a different level of context. Context is not seen as something external to the interaction or lurking in the background […]. We should note, however, that the three levels of context have to be actively talked into being and made relevant through the details of the talk (2004: 213 f.). Einige typische Interaktionsmuster lehrerzentrierten Fremdsprachenunterrichts Betrachten wir nun genauer drei Interaktionsmuster, die im Sinne des Außenkreises bei Seedhouse als charakteristisch für den lehrerzentrierten Fremdsprachenunterricht (und z. T. auch darüber hinaus) gelten können. Wir fragen dabei: Worin unterscheiden sie sich von außerschulischen Interaktionen? Welche spezifischen Verhaltensweisen und Beziehungsmuster lassen sich ausmachen? Welche Partizipationsmuster dominieren? Das IRE-Schema Teacher: Where is the cup? Yung: On top of the box. T: Right, the cup is on top of the box. (T moves cup) Now, where is the cup? Yung: In the box. T: The cup is …? Yung: In the box. T: The cup is in …? Yung: The cup is in the box. T: Right, very good, the cup is in the box. (Johnson1995: 9 f.) Diese beispielhafte Sequenz beginnt mit der Frage einer Lehrperson T. Yung antwortet auf die Frage, T signalisiert durch die Rückmeldung „right“ Zustimmung und wiederholt noch im selben Satz Yungs Antwort, ergänzt sie aber zu einem ganzen Satz. Spätestens bei der zweiten Frage: „Now, where is the cup? “ ist klar, dass T die Antwort wissen muss, dass es sich um eine sog. Lehrerfrage handelt, deren Antwort der Lehrperson schon bekannt ist, um die es also inhaltlich nicht geht. Yung antwortet aber nicht: „Well, can’t you see? “, sondern geht scheinbar ernsthaft auf die Frage ein. Beide Beteiligten ko-konstruieren hier eine Interaktionsform, die als fachtypisch gilt. Yungs inhaltlich zutreffende und außerschulisch auch formal völlig akzeptable Antwort auf die zweite Lehrerfrage „Now, where is the cup? “ - nämlich: „in the box“ - wird diesmal durch T nicht akzeptiert. Durch zweimalige Äußerung eines Satzbeginns im Sinne einer pre-formulation gibt die Lehrperson einen Hinweis auf die gewünschte Form des ganzen Satzes. Erst als Yung diese außerschulisch inakzeptable Form produziert, erfolgt das positive Lehrerfeedback. Einheit 8 151 t y p Ische I nt er a k tIonsmust er lehrer zentrI ert en F re mDspr achenunt errIchts Ostereiermethodik Text 8.1 Yungs Bemühen um die Äußerungserwartungen von T ist ebenfalls deutlich erkennbar: „Was war wohl falsch an: ‚In the box? ‘“, mag Yung durch den Kopf gehen. „Was will T hören? “ Yung deutet Ts Satzanfänge schließlich erfolgreich und produziert den ganzen Satz. Für diesen Vorgang ist der Begriff der Ostereiermethodik im Umlauf: Die Lehrer/ innen verstecken die fertigen Antworten, die Schüler/ innen müssen sie finden. Allan Ahlberg (1989: 18) hat ein Gedicht dazu gemacht: The Answer We’re looking for the answer. We’re searching high and low. We’re doing what we can, Sir - We really want to know. We’ve ransacked desk and drawer, Sir, Basket, bowl, and bin. We’ve scrutinized the floor, Sir - You couldn’t hide a pin. We’ve been out on the street, Sir; We’ve been up on the roof. And even when we cheat, Sir, The question’s answer-proof. We’ve cudgelled all our brains, Sir, And still we’re in the dark. Got nothing for our pains, Sir, Except a question mark. We’ve thought ourselves to death, Sir, With ‘What? ’ and ‘Where? ’ and ‘Who? ’ We’re beat and out of breath, Sir, So what about a clue? The teacher tapped his forehead. At last! The children cried. The answer, Sir, ’s in your head … What a perfect place to hide. Das dem obigen Wortwechsel zwischen T(eacher) und Yung zugrunde liegende Interaktionsschema wird mit dem Kürzel IRE oder IRF bezeichnet und verläuft dreistufig: � Initiation = impulsgebende Handlung durch die Lehrperson, � Response = Reaktion, z. B. Antwort durch eine/ n Schüler/ in, � Evaluation/ Feedback = Auswertung, Bewertung des response act durch die Lehrperson. 152 I nt er a k tIon Im fre mdspr achlIchen k l a ssenzImmer Kontrolle über die Interaktion geschlossenes Paradigma 8.6.2 Das Schema erlaubt es den Lehrenden, Kontrolle über die Interaktion (interactional control) im Unterricht auszuüben. Den Schülerinnen und Schülern bietet es eine unmittelbare Rückmeldung auf ihre Äußerung. Dieses Muster ist für manche Interaktionen mit kleinen Kindern charakteristisch, nicht aber für außerschulische Interaktionen unter Kindern und Heranwachsenden. Es ist typisch für die Institution und kann nur funktionieren, wenn alle Beteiligten - die Lehrer/ innen und Schüler/ innen - das Schema als institutionell und fachkulturell legitim akzeptieren und nicht in Frage stellen. Ein wichtiges Moment des IRE-Schemas ist die Tatsache, dass es die Lehrer/ innen sind, die die Fragen stellen, und nicht die Lernenden. Jane Sunderland (2001) kommentiert diesen Aspekt folgendermaßen: Epistemological asymmetry results […] from a view of education as ‘cultural transmission’. The IRF is often seen as encouraging students to respond, but only with an evaluable answer. Stubbs sees this as representing classroom knowledge as ‘essentially closed, not open-ended. All questions have correct answers’ […]. This paradigm ‘works’ since teachers typically already know the answers to their questions (and students presumably expect them to) - whereas a student who asked a question to which s/ he knew the answer would be seen as showing off. Lemke erklärt sich die Popularität des IRE-Interaktionsverfahrens mit den Kontrollmöglichkeiten, die es den Lehrenden gibt: […] it gives the teacher many advantages. In this structure teachers get to initiate exchanges, set the topic, and control the direction in which the topic develops. They get to decide which students will answer which questions and to say which answers are correct […] they can even decide which answers will count as the legitimate answer (zit. in ebd.: 7). Sprachformbezug vs. Mitteilungsbezug Die Dominanz des Sprachformbezugs ist ein weiteres Charakteristikum des Fremdsprachenunterrichts. Die folgende Sequenz basiert auf dem IRF-Muster und bewegt sich auf zwei unterschiedlichen Ebenen: der kommunikativthematischen und der linguistisch-formbezogenen. Teacher: Why did Mr Smith choose this car? Which form of the adjective should we use? Why did he choose this car? Anna: It cheap. Teacher: Can you make a sentence …? Do we use the comparative or superlative? What do you think? Why did he buy this car? Anna: That car, car cheap. He no have much money, so that car cheap, he buy. Teacher: Right, but, remember we studied the comparative and superlative of adjectives … OK, we said to make them we use “er” and “est”, remember? Einheit 8 153 t y p Ische I nt er a k tIonsmust er lehrer zentrI ert en F re mDspr achenunt errIchts Inhaltsvs. Formebene Anna: Yeah. Teacher: So, which is it, the comparative or superlative? Anna: Comparative? Teacher: Comparative? Anna: Superlative? Teacher: Right, the superlative, cheapest, it’s the cheapest one. (Johnson 1995: 10 f.) Die Initialäußerung der Lehrperson umfasst drei Fragen. In der Mitte steht eine Grammatikfrage, die von einer zweimal geäußerten inhaltlichen Frage gerahmt wird. Die Schülerin Anna bezieht sich in ihrer Antwort ausschließlich auf die Inhaltsfrage und bleibt auch nach dem korrektiven Feedback in der Follow-up-Frage auf der Inhaltsebene, denn sie erklärt ihre inhaltlich sinnvolle erste Antwort überzeugend in Form einer Expansion. Die Lehrperson gibt zwar ein kurzes positives Feedback („right“), insistiert dann aber ganz und gar auf der grammatischen Form und benutzt dabei eine Terminologie, die Anna möglicherweise nicht beherrscht, jedenfalls nicht in ihre Äußerung integriert. Die Sequenz endet damit, dass die Lehrperson sich ihre Ausgangsfrage selbst in der Form beantwortet, auf die es ihr ankam. Die Interagierenden haben sich auf unterschiedlichen Ebenen bewegt, die die Lehrperson mit ihrer ersten Frage selbst angelegt hatte. Wie lässt sich mit der Doppelrolle der Sprache als Medium und Gegenstand des kommunikativen Fremdsprachenunterrichts umgehen? Hier ein weiterer Unterrichtsauszug: T: Vin, have you ever been to the movies? What’s your favorite movie? Vin: Big. T: Big. Ok, that’s a good movie, that was about a little boy inside a big man, wasn’t it? Vin: Yeah, boy get surprise all the time. T: Yes, he was surprised, wasn’t he? Usually little boys don’t do things that men do, do they? Vin: No, little boy no drink. T: That’s right, little boys don’t drink. Wang: Kung Fu. T: Kung Fu? You like the movie Kung Fu? Wang: Yeah… fight. T: That was about a great fighter? … A man who knows how to fight with his hands. Wang: I fight … my hand. T: You know how to fight with your hands? Wang: I fight with my hand. T: Do you know karate? Wang: I know karate. 154 I nt er a k tIon Im fre mdspr achlIchen k l a ssenzImmer offene Fragen Caretaker-Funktion T: Watch out, guys. Wang knows karate. Keiko: A scary movie… nightmare, yeah. T: Scary movies? Nightmare on Elm St.? You like that one? You guys like scary movies? (Johnson 1995: 23 f.) Auch hier liegt das IRE-Muster vor und die Lehrerzentrierung ist unübersehbar: Jeder zweite turn gehört der Lehrperson T, das Rederecht liegt bei T und wird von T zugeteilt. Aber der Charakter der Steuerung hat eine andere Qualität, denn offensichtlich ist T nicht nur an der Korrektheit der grammatischen Form interessiert, sondern auch an den Äußerungen der Lernenden, daran sie zu verstehen und verständlich zu machen. Die Fragen der Lehrperson sind offen, die Antworten sind nicht bereits bekannt. Aus der Lerngruppe kommen zwei von T nicht initiierte Äußerungen - die von Wang und Keiko. Insgesamt übernimmt T in dieser Interaktionssequenz weniger eine Kontrollals eine Caretaker-Funktion und vergewissert sich durch comprehension checks und Umformulierungen immer wieder des richtigen Verständnisses. Trotz der begrenzten sprachlichen Möglichkeiten der Lernenden verhilft T ihnen zu einem themenbezogenen Gedankenaustausch und versucht, sie aufeinander zu beziehen. Die sprachliche Form steht nicht allein im Vordergrund. Paul Seedhouse (2004: 60) charakterisiert diesen Unterrichtsauszug als „a very complex, fluid, and dynamic piece of interaction indeed“ und stellt in Hinblick auf Rederechte, thematische Kontrolle, Korrekturverhalten u. a. fest: „If we analyse turn taking, sequence organization, repair and topic at the same time, we can see that the learner […] is able to develop a subtopic and is allowed interactional space.“ (Ebd.) Seedhouse kommt am Ende seiner ausführlichen Analyse (ebd.: 60 ff.) zu dem Schluss, dass T fünf verschiedene Aufgaben erfüllt: (1) Sie ermöglicht den Schüler/ innen eigene Vorstellungen zu äußern und zu dem von ihr eingebrachten Hauptthema eigene Subthemen einzubringen. (2) Sie greift diese Subthemen auf und integriert sie in die Erörterung. (3) Sie reagiert auf sprachliche Fehler („boy get surprise“) mit einer peripheren, „embedded repair“ (ebd.: 63), die aber auf eine inhaltliche Reaktion erst folgt. (4) Sie greift eine Schüleräußerung auf und erläutert sie bzw. ihren Kontext der ganzen Klasse, „so that the other learners are able to follow the propositional content of the interaction and are also able to receive correctly formed linguistic input“ (ebd.), d. h. sie sorgt für Einbindung der anderen in die Interaktion. (5) Sie behält Mitteilungs- und Formbezug im Blick, indem sie z. B. fragmentarische Schüleräußerungen ergänzt und ausdifferenziert und damit den Lernenden formal korrekten Input gibt, deren Spielraum für eigene Äußerungen aber nicht beschneidet. Einheit 8 155 t y p Ische I nt er a k tIonsmust er lehrer zentrI ert en F re mDspr achenunt errIchts 8.6.3 Fehlerkorrektur Evaluation/ Feedback Ob eine Interaktion im Unterricht oder in der außerschulischen Welt stattgefunden hat, zeigt sich schließlich besonders deutlich am Feedback, das in keiner der hier aufgeführten Sequenzen fehlt. Das folgende fiktive Beispiel aus einem bilingualen Geschichtsunterricht zum Thema ‚20. Juli‘ veranschaulicht die Bedeutung des Feedbacks für die Unterscheidung zwischen schulischer und außerschulischer Interaktion: Schü.: And some of them were executed that same day. L.: Excellent. Außerhalb der Schule wäre diese Rückmeldung bedenklich, in der Schule erregt sie kein Aufsehen. Aufsehen erregen würde dagegen eine Umkehrung der Äußerungen der Interagierenden, also das positive Feedback eines Schülers zu einer korrekten Lehreraussage. Für den Fremdsprachenunterricht werden Lehrerrückmeldungen vor allem auf der Ebene der Fehlerkorrektur diskutiert (z. B. Timm 2013) und Überlegungen angestellt, wie der Anspruch des kommunikativen Primats mit der Aufgabe der sprachlich-fachlichen Rückmeldung verbunden werden kann. Dabei besteht ein Konsens darüber, dass sich dieser Primat auch in der Rückmeldung spiegeln sollte, ähnlich wie T das in der Interaktion mit Yung u. a. tut: Die Lehrperson muss hier also zunächst einmal als Gesprächspartnerin reagieren, indem sie die Schüleräußerung inhaltlich kommentiert (I see. Really? Well, this must have been difficult.) und/ oder weiterführt (Oh, he lives in Pforzheim. Well, that’s not so far away.) oder gegebenenfalls ihr Unverständnis artikuliert (I don’t understand what you want to say.) Die Fehlerkorrektur tritt hier also zunächst einmal in den Hintergrund. (Timm 2013: 204) Die Rezeption solcher Rückmeldungen lässt sich nicht kontextunabhängig ermessen. Fühlen sich die Schüler/ innen wirklich ernst genommen bei solchen Fragen? Wie interpretieren sie Rückmeldungen und den Grad des inhaltlichen Interesses ihres Lehrers? Welche Rolle spielt dabei ihre Beziehung zu sich selbst, zu den anderen in der Lerngruppe, zur Institution, dem Fach, der eigenen Position in der Klasse, dem Ansehen der Lehrperson, dem Klassenklima usw.? In einer fremden Sprache zu interagieren setzt Lernende dem Risiko aus, sich und andere zu blamieren und Konventionen zu verletzen. Claire J. Kramsch bezeichnet „the loss of face when using the language incorrectly or inappropriately“ als „one of the major concerns of language learners“ (1985: 174). In ihren vertrauten Sprachen und Kontexten wissen Menschen, „how to save both their own and their interlocutors’ positive and negative face“ (ebd.), also wie sie einerseits ihr Bedürfnis nach Wertschätzung durch andere und 156 I nt er a k tIon Im fre mdspr achlIchen k l a ssenzImmer the presence of others 8.7 institutionelle Authentizität andererseits ihre Grenzen den anderen gegenüber aufrechterhalten können. In einer unvertrauten Sprache mit unvertrauten Abmachungen wird das Interaktionsrisiko im Klassenraum spürbar (und massiv gesteigert dann im ‚Ernstfall‘). Der Faktor der „co-presence“ (Allwright 2000a: 10), nämlich „that classroom language learning and teaching have to take place in the presence of others“, ist erst seit der Kommunikativen Wende als wichtiger Faktor des Sprachenlernens in das fremdsprachendidaktische Bewusstsein gerückt. Mike Breen (1985: 142) bezeichnete entsprechend nach dieser Wende den Fremdsprachenunterricht als „an arena of subjective and intersubjective realities which are worked out, changed, and maintained. And these realities are not trivial background to the tasks of teaching and learning a language.“ Und ein Forschungsüberblick über Studien zum Verhältnis von Interaktion und Geschlecht kommt ebenfalls zu dem Schluss, dass es unmöglich ist, „to isolate language learning from the entanglements of our position in the classroom and elsewhere“ (Decke-Cornill 2007b: 86). Visionen eines interaktiven fremdsprachlichen Klassenzimmers Das Thema Interaktion im Fremdsprachenunterricht ist von besonderer Komplexität, muss es ja einerseits Kommunikationen und Diskurse in der fremdsprachlichen Welt außerhalb der Schule im Blick haben und andererseits auch die zwischen den Akteur/ innen des gegenwärtigen Unterrichtsgeschehens. Kann die Differenz zwischen beiden aufgehoben werden? Ist es möglich, im Fremdsprachenunterricht nach den Maßstäben außerschulischer fremdsprachlicher Kommunikation zu interagieren? Die obigen Interaktionsbeispiele zeigen, dass es schwierig ist, im Fremdsprachenunterricht eine ‚echte‘ Interaktion in diesem Verständnis zu realisieren. In der Welt des Fremdsprachenunterrichts herrschen andere interaktionale Gepflogenheiten als in der außerschulischen Welt. Muss diese Differenz also beseitigt werden oder ist sie unter Umständen chancenreich? Überzeugende Plädoyers in diese letzte Richtung stammen z. B. von Paul Seedhouse und Michael Legutke. Für Seedhouse (1996, 2004) ist in einer Institution wie der Schule Interaktion dann echt, wenn sie dem Institutionellen Rechnung trägt. Nichtinstitutionelle, außerschulisch authentische Interaktion wäre demnach für den Unterricht nicht authentisch. It is suggested that a preferable, sociolinguistic approach to communication in the ELT classroom would be to see it as an institutional variety of discourse produced by a speech community or communities convened for the institutional purpose of learning English, working within particular speech exchange systems suited to that purpose. The discourse displays certain distinctive and characteristic features which are related to the institutional purpose. Einheit 8 157 V IsIonen e Ine s Int er a k tI V en F re mDspr achlIchen k l a ssenzImmers Kommunikation und Metakommunikation Lernort Fremdsprachenunterricht kommunikative Ernstfälle Aufgabenorientierung In other words, it would be more fruitful for ELT classroom research to concentrate on understanding the possibilities inherent in our variety of institutional discourse, rather than on aiming at impossibilities. (1996: 22) Der Kontext Unterricht darf auch in einem kommunikativen Unterricht nicht „as something external to the interaction or lurking in the background“ (Seedhouse 2004: 213 f.) betrachtet werden. Es ist gerade dieser Kontext, der den Interaktionen Authentizität verleiht. In diesem Sinne schreibt Breen: „Perhaps one of the main authentic activities within a language classroom is communication about how best to learn to communicate. Perhaps the most authentic language learning tasks are those which require the learner to undertake communication and metacommunication.“ (Zit. in Kramsch 1993: 182) Sprachenlerner/ innen interagieren demnach authentisch, wenn sie „als sie selbst“, nämlich als je individuelle Sprachenlerner/ innen in ihrer Unterschiedlichkeit gemeinschaftlich im Kontext Unterricht miteinander handeln. (Vgl. Decke- Cornill 2004) Michael Legutke entwirft seit der Kommunikativen Wende Perspektiven, die die Besonderheit des Fremdsprachenunterrichts als Lernort im Blick behält. In Lebendiger Englischunterricht (1988), einem frühen Beitrag zur Debatte, listet er gravierende Defizite des herkömmlichen Fremdsprachenunterrichts auf: Verlust des Körpers, Verlust der erfüllten Gegenwart, Verlust der Produktivität, Mangel an Selbstbestimmung, Mangel an Kommunikation, lernfeindliche Umwelt. Wiederholt hat er Vorschläge gemacht, die dem schulischen Hier und Jetzt des Fremdsprachenunterrichts wie seiner Zukunftgerichtetheit auf spätere, außerschulische Interaktionen ebenso gerecht werden wie der Individualität und der Kollektivität des Sprachenlernens und die auf eine Veränderung lehrerzentrierter Interaktionskonstellationen hinauslaufen. Folgt man dem Lernpsychologen Klaus Holzkamp, „[s]o ist die kommunikative Lernmodalität […] als reziproke Beziehung, also als permanenter, an der Überwindung der Lernprobleme orientierter Dialog zu installieren.“ (1995: 511) Eben dieser Vision folgt auch Legutke mit seiner Skizze eines „Handlungsraums Klassenzimmer“ (1998) bzw. einer „Lernwelt Klassenzimmer“ (2013). Er entwirft darin folgendes Ideal des Fremdsprachenunterrichts (vgl. Legutke 1998): (1) Er soll kommunikative Ernstfälle bieten, also solche, die „nicht auf die Zeit nach oder den Raum außerhalb der Schule verschoben“ werden. In ihnen „begegnen die Lernenden sprachlichen Phänomenen nicht in didaktisch reduzierter, nach Maßgaben von Sequenzialisierungsentscheidungen zubereiteter Gestalt, sondern vielmehr eingebettet in die Komplexität authentischer Texte und Situationen“ (Legutke 1998: 103), wie dies z. B. in Email- Projekten geschehen kann. (2) Er ist aufgabenorientiert, d. h. er bietet „markante Zielaufgaben als Konvergenzpunkte“ (ebd.: 104). 158 I nt er a k tIon Im fre mdspr achlIchen k l a ssenzImmer (3) In ihm sind nicht nur Lehrtexte, sondern auch Lernertexte von großer Wichtigkeit. Die Lernenden beteiligen sich nicht nur rezeptiv, sondern aktiv an der Gestaltung ihrer Lernumgebung, und ihre sprachlichen Produkte sind Gegenstand gemeinschaftlicher Auseinandersetzung. (4) In ihm nutzen die Schüler/ innen selbstständig eine Vielfalt von Ressourcen-- vom Lehrbuch und Wörterbuch bis zum Internet und englischsprachigen Begegnungsmöglichkeiten vor Ort - und bringen sie in den Unterricht ein. (5) Die Evaluation und Rückmeldung erfolgt partizipatorisch, d. h. alle Arbeitsprozesse werden von regelmäßigen Bestandsaufnahmen und Zwischenbilanzen begleitet, führen zu Phasen intensiven Übens, aber auch zur Planung eigener sprachlicher Vorhaben. (6) Die Klasse arbeitet kooperativ und arbeitsteilig, wobei die Lernenden immer wieder zu Lehrenden werden. Legutke (2013: 110) unterscheidet für dieses Klassenzimmer drei einander bedingende Kompetenzbereiche: personale und interpersonale Teilkompetenzen, Prozesskompetenz und Sachkompetenz. Lernertexte Ressourcen Partizipation Kooperation Abb. 8.3 Handlungsraum Klassenzimmer - Kompetenz- und Wissensbereiche Einheit 8 159 V IsIonen e Ine s Int er a k tI V en F re mDspr achlIchen k l a ssenzImmers Bedingungen kooperativen Lernens Zusammenfassung In solchen Visionen scheinen Möglichkeiten von classroom interaction auf, die weit über die oben genannten typischen Formen hinausgehen. Das Dogma der Einsprachigkeit würde relativiert. Alle sprachlichen Ressourcen der mehrsprachigen Lerngruppe könnten für das Fremdsprachenlernen genutzt werden. Krashens Ideal eines ganz auf fremdsprachlichen Input beschränkten Vorgehens wäre nicht aufrechtzuerhalten, aber seine Forderung nach einer angstfreien Lernumgebung käme der Erfüllung näher. Das Lehrlernen würde durch kooperative Arbeitsformen mit Schüler-Schüler-Interaktionen ergänzt oder gar ersetzt, weil darauf vertraut wird, dass Sprachenlernen ein Problemlösungsprozess ist, der von der Interaktion mit anderen Lernenden gewinnt und in einer reichen Lernumgebung mit anspruchsvollen Texten, Medien und Aufgaben durch die Sprachlernenden zunehmend selbst betrieben werden kann. Das fremdsprachliche Klassenzimmer gewönne zunehmend den Charakter einer Lernwerkstatt. Dabei müssen Schüler/ innen (und Lehrer/ innen) einiges (ver-)lernen, denn sie bedürfen neuer interaktionaler Kompetenzen, wenn die Bedingungen für erfolgreiches kooperatives Lernen zur Geltung kommen sollen, die Johnson, Johnson und Holubec ( 6 1993) genannt haben: wechselseitige positive Abhängigkeit der Gruppenmitglieder (positive interdependence), individuelle Verantwortung der einzelnen für das Gruppenergebnis (accountability), direkte Interaktion mit dem Gegenüber (face-to-face-interaction), soziale Fähigkeiten (social skills) sowie Reflexion der Gruppenprozesse (group processing) (vgl. Bonnet/ Decke-Cornill/ Hericks 2010). Die Formen des sprachlichen und handelnden Austauschs von Akteur/ innen im Fremdsprachenunterricht unterscheiden sich erheblich von denen in der außerschulischen Welt. Seit der Kommunikativen Wende mit ihrer Orientierung an einem allerdings wenig klaren Konzept von Echtheit und Authentizität der Kommunikation stellt diese Differenz ein Problem dar. Nach einer Klärung des Verständnisses von Interaktion nahm diese Einheit die Institution Schule in den Blick und in einem weiteren Schritt den Fremdsprachenunterricht. Es zeigte sich, dass die einzelne, konkrete Interaktion in diesem Kontext zwar singulär ist, aber auch immer vor dem Hintergrund bestimmter Auffassungen von Fremdsprachenunterricht und der Institution Schule zu verstehen ist. Einige Beispiele illustrierten repräsentative Interaktionsmuster, denen - allerdings in unterschiedlichem Grad - die Lehrerzentriertheit gemeinsam war. Ob eine Simulation außerschulischer „genuine interaction“ eine sinnvolle Alternative darstellt, wurde problematisiert. Vielversprechend erschien z. B. die Perspektive der Transformation des fremdsprachlichen Klassenzimmers in einen kooperativen Arbeits- und Handlungsraum mit flexiblen, der Sprache, der Aufgabe des Sprachenlernens und der Heterogenität der Mitwirkenden angemessenen Interaktionsformen und der Möglichkeit, diese laufend zu reflektieren und neu auszuhandeln. 160 I nt er a k tIon Im fre mdspr achlIchen k l a ssenzImmer Aufgaben 1 Analysieren Sie die folgende Sequenz und entwickeln Sie einen alternativen Verlauf nach dem zweiten Turn („they cooking food“). T: after they have put up their tent, what did the boys do? L: they cooking food. T: no, not they cooking food, pay attention. L: they cook their meal. T: right, they cook their meal over an open fire. (Tsui 1995, in Seedhouse 2004: 58 f.) 2 Analysieren Sie die Interaktionen in den beiden folgenden Auszügen je einzeln sowie im Vergleich und beschreiben Sie dabei die Rollen der Beteiligten. A B X: Jeanne, où est le livre? X: Où est le livre? Y: Sous la table. Y: Sous la table. X: Le livre est … X: Ah, je vois. Y: Le livre est sous la table. 3 Lesen Sie den Projektvorschlag „Airport“ (z. B. in Legutke 2013: 104 ff., s. ggf. die Zusammenfassung in Einheit 6.4.2), skizzieren Sie ein vergleichbares Projekt für den Englisch-, Französisch- oder Spanischunterricht und benennen Sie die Interaktionsmöglichkeiten, die sich aus Ihrem Projekt ergeben. Zum Weiterlesen Bausch, Karl-Richard/ Christ, Herbert/ Königs, Frank G./ Krumm, Hans-Jürgen (Hrsg.) (2000): Interaktion im Kontext des Lehrens und Lernens fremder Sprachen. T übing en: Narr . Legenhausen, Lienhard (2012): Authentic interactions in the language classroom - a necessary and/ or sufficient condition? In: Heike Roll / Andrea Schilling (Hrsg.): Mehrsprachiges Handeln im Fokus von Linguistik und Didaktik. Duisburg: Universitätsverlag Rhein-Ruhr, 189-198. Themenheft „Kooperatives Lernen“. Der fremdsprachliche Unterricht E nglisch (43) 99 (2009). V o l lmer, Helmut-Johannes/ Henrici, Gert/ Finkbeiner, C l audia/ Grotjahn, Rüdiger/ Schmid- Schönbein, Gisela/ Zydatiß, Wolfgang (2001): Lernen und Lehren von Fremdsprachen: K ognition, Affektion, Interaktion. Ein F orsc hu ngsüberb lick. In: Zeitschrift für Fr emdsprachenforschung ( 12) 2: 1-145. 161 dominante Stellung der funktionalkommunikativen Kompetenzen 9.1 Metaphorik Einheit 9 Sprachliche Mittel funktional-kommunikativer Kompetenzen: Wortschatz und Grammatik Mit der hier beginnenden Einheit wenden wir uns den verschiedenen Kompetenzbereichen zu, die auf der Basis des GeR den deutschen Bildungsstandards zugrunde gelegt wurden. Wie wir in Einheit 5 gesehen haben, sind Benennung und Einteilung der verschiedenen Kompetenzbereiche nicht ganz einheitlich. Daran wird deutlich, dass derartige Ordnungskategorien immer auch ein subjektives Moment enthalten und sich folglich auch ändern können. Es ist allerdings zu beobachten, dass die Bildungsstandards für die Erste Fremdsprache auf der Sekundarstufe I eine modellbildende Funktion für die länderspezifischen Rahmenbzw. Lehrpläne auch in allen anderen Schulfremdsprachen hatten. Daher werden auch wir uns im Folgenden weitgehend an dem in ihnen verankerten Kompetenzmodell orientieren. Wie oben gesehen, kommt in diesem Kompetenzmodell den funktional-kommunikativen Kompetenzen eine dominante Stellung zu. Entsprechend ausführlich gehen wir auf diese ein, zunächst in Einheit-9 auf den Sektor der sprachlichen Mittel, und hier insbesondere auf die Wortschatz- und Grammatikarbeit, bevor wir in Einheit-10 die kommunikativen Fertigkeiten näher vorstellen. Hier wie dort möchten wir Perspektiven aufzeigen, mit welchen unterrichtlichen Verfahren der Erwerb sprachlicher Mittel mit dem der kommunikativen Fertigkeiten verzahnt werden kann. In den anschließenden Einheiten wenden wir uns dann den Feldern der methodischen und der interkulturellen Kompetenzen zu, gehen aber auch auf einen zu Unrecht vernachlässigten Bereich, den der literarisch-ästhetischen Kompetenz und Bildung, näher ein. Aus der Sicht der Bildungsstandards sind die sprachlichen Mittel allesamt den kommunikativen Fertigkeiten unter- und zugeordnet. Ihnen kommt mithin kein Wert „an sich“ zu. Wortschatz und Grammatik als vormals zentrale Säulen des fremdsprachlichen Anfangsunterrichts sind nun vielmehr beide eng auf die fünf sprachlich-kommunikativen Fertigkeiten zu beziehen. Doch sehen wir uns zunächst die beiden Bereiche im Einzelnen an. Wortschatzarbeit Der Begriff des Wortschatzes ist eine Metapher, die irreführende Assoziationen nahe legt. So denken wir beim Wort „Schatz“ vielleicht an Stevensons „Die Schatzinsel“ oder an andere Abenteuergeschichten, in denen es um verborgene Schätze voller Kostbarkeiten geht. Schätze werden sorgsam gehütet 162 S pr achliche M itt el funk tion al koMMunik ati v er k oMp e t enzen 9.1.1 8 8 Ordnung des mentalen Lexikons und versteckt, damit sie nicht geraubt oder unachtsam vergeudet werden. Wie wir sehen werden, verhält es sich mit dem Wortschatz jedoch ganz anders. Sein Reichtum wächst, wenn die Schatztruhe - um im Bild zu bleiben - weit offen ist und ihr Inhalt eifrig zirkuliert. Auch besteht dieser Inhalt weniger aus einzelnen Elementen, welche Goldstücken vergleichbar wären, sondern aus einem dichten Gewebe von Verbindungen. In Bezug auf den individuellen Wortschatz sprechen wir auch vom mentalen Lexikon. Doch auch diese Metapher ist trügerisch. Zwar kommt sie der Struktur mentaler Speicherungen näher, da Lexika bekanntlich auch eine Vielzahl von Querverbindungen ausweisen, doch die Dynamik, die unser Gehirn bei der Prozessierung lexikalischer Einträge (Items) entfaltet, unterschlägt sie. Wie auch die Metapher des Wortschatzes ist sie statisch. Das mentale Lexikon Es gibt verschiedene Modelle, die versuchen, die Struktur des mentalen Lexikons zu erfassen. Doch bevor wir eines davon genauer vorstellen, möchten wir Sie einladen, auf www.bachelor-wissen.de eine Wort-Assoziationsübung zu machen, die vermutlich bereits erste Hinweise auf die Verknüpfungsmöglichkeiten von Einträgen im individuellen Wortschatz liefert. In Lehrveranstaltungen haben wir die Übung bereits verschiedentlich durchgeführt. Dabei hat sich herausgestellt, dass bestimmte Assoziationen gehäuft vorkommen, was ein Indiz dafür ist, dass Wörter nicht isoliert in unserem Wortschatz verankert sind. (Auf der Seite www.bachelor-wissen.de finden Sie eine Liste von Begriffen, die in mündlichen Kommunikationssituationen genannt wurden.) Wenn wir ein Wort mit einem anderen in Verbindung bringen, ist dies keineswegs zufällig. Wir stellen oft folgende Verbindungen her: � Synonyme, wie ‚Cousin‘ und ‚Vetter‘ � Antonyme, wie ‚arm‘ und ‚reich‘ � Komposita, wie ‚Telefon‘ ‚-buch‘ � Kollokationen, wie ‚leben lassen‘ � prototypische Eigenschaften, wie ‚Tinte‘ und ‚blau‘ � lautliche Brücken, wie in ‚Stock und Stein‘ Ergebnisse empirischer Untersuchungen (in Kielhöfer 1994) lassen darauf schließen, dass wir dazu tendieren, Ordnung in unser mentales Lexikon zu bringen, indem wir Wörter nach bestimmten Kategorien sortieren. Kielhöfer unterscheidet grob Begriffsfelder, Wortfelder, syntagmatische Felder, Sachfelder, Wortfamilien, Klangfelder und affektive Felder (vgl. ebd.: 213). Christiane Neveling (2004: 196) bevorzugt zwar den Netzbegriff, kommt aber zu einer ganz ähnlichen Klassifizierung, die sie an Beispielen des Französischen illustriert (s. Tab. 9.1 auf der folgenden Seite). Einheit 9 163 w ortsch at z arbe It Kognitive Ordnungskategorien des mentalen Lexikons Teilnetztypen räumliche, zeitliche Kontiguität, Meronymie-Beziehungen, logische Zusammenhänge: la B. D., la rédaction, le scénario ; la vignette, l’image, la bulle; trop soif → mort Sachnetz (Ko-)Hyponyme: le plan de l’image: le gros plan, l’arrière-plan … Begriffsnetz Synonyme: le thème = le sujet, Antonyme: en bas de ≠ en haut de; en banlieue ≠ au centre-ville Merkmalsnetz Satzteile: s’imaginer qc, se passer, jouer du piano/ aux cartes…, Kollokationen: passer le bac, travailler comme une fourmi syntagmatisches Netz Derivata: le dessin, dessiner, le dessinateur… Komposita: eau, un verre d’eau Wortfamiliennetz Homophone: ver vert vers verre vert; la mer - la mère, Reime: l’image, cage, plage Klangnetz emotional belegte Assoziationen: l’eau: un verre, soif, plage, vacances, la mer, boire affektives Netz Wie dieser Systematisierung leicht zu entnehmen ist, gehören einzelne Wörter jeweils unterschiedlichen Netzen an. Schematische Schubladenzuordnungen verbieten sich aber auch aus anderen Gründen. Denn das mentale Lexikon eines jeden Individuums weist sowohl kollektiv verankerte als auch sehr individuell bestimmte ‚Einträge‘ auf. Ferner sind Lexik und Grammatik nicht sauber zu trennen. Schließlich beinhaltet die syntagmatische Verknüpfung einzelner Elemente mit anderen bereits implizit die Regeln dieser Verknüpfung, d. h. ‚Grammatik‘. Die Vernetzung über Klangassoziationen macht darüber hinaus deutlich, dass Wörter nicht zuletzt auch akustisch gespeichert werden (vgl. auch Aitchison 1997, Wolff 2002). Schon in der strukturalistischen Linguistik werden dem einzelnen Wort unterschiedliche Aspekte zugeordnet. Dies illustriert Scherfer (1989: 5) an folgendem Schaubild: Aus der Psycholinguistik kennen wir das sogenannte TOT-Phänomen. TOT steht für tip of the tongue: Ein Wort liegt uns „auf der Zunge“, wir wissen genau, Tab. 9.1 Kognitive Ordnungskategorien des mentalen Lexikons nach Neveling Abb. 9.1 Das Wort und seine Dimensionen in strukturalistischer Sicht TOT-Phänomen 164 S pr achliche M itt el funk tion al koMMunik ati v er k oMp e t enzen Mehrsprachigkeit des mentalen Lexikons 9.1.2 modulare vs. konnektionistische Modelle was wir meinen, haben vielleicht eine visuelle Vorstellung des Gemeinten, uns fällt aber die Bezeichnung zu ihm nicht ein. Das häufige Vorkommen dieses Phänomens legt die Vermutung nahe, dass die Ebenen von Signifikat und Signifikant, von Gegenstand und Begriff nicht automatisch in Koppelung zueinander gespeichert sind. Von hier ist es nicht weit zur Frage, ob die Einträge des mentalen Lexikons im Wesentlichen sprachintern oder sprachenübergreifend vernetzt sind. Hierzu gibt es in der Fremdsprachendidaktik unterschiedlich akzentuierte Positionen. Kielhöfer (1994: 218) ist der Auffassung, dass die Stellung eines Wortes vor allem intralingual zu definierenist, auch wenn das Ausmaß des Interlexikons (Schnittmenge gemeinsamer Lexeme) verschiedener Sprachen, wie z. B. bei den romanischen Sprachen, sehr groß ist. De Florio-Hansen (1996) dagegen vertritt die These, dass das mentale Lexikon eines mehrsprachigen Sprechers eben auch mehrsprachig vernetzt sei. Scherfer (1989) führt drei lernerabhängige Varianten auf: die eines getrennten, eines koordinierten und eines gemischten Systems. Auch die Unterscheidung in einen passiven, einen aktiven und einen potenziellen Wortschatz verweist auf die Mehrsprachigkeit des mentalen Lexikons: Während „passiv“ der Teil des individuellen Wortschatzes genannt wird, der es erlaubt in der Textrezeption Begriffe richtig zuordnen zu können und „aktiv“ auf jenen lexikalischen Bestand begrenzt ist, der für Akte der Sprachproduktion zur Verfügung steht, umfasst der potenzielle Wortschatz alle Wörter, die aus anderen Sprachen oder aus binnensprachlichen Wortverwandtschaften abgeleitet werden können (vgl. Nieweler 2006: 175). Auf diesen Zusammenhängen fußt die Idee einer Mehrsprachigkeitsdidaktik, die wir weiter unten vorstellen werden (s. Einheit 9.1.4). Halten wir uns zunächst aber noch einmal das kognitionspsychologische Modell des informationsverarbeitenden Ansatzes nach Wolff (1990) vor Augen (s. Abb. 3.1). In ihm ist ein einziger Speicher vorgesehen für das Sprachwissen. Über die innere Organisation dieses Speichers gibt das Modell-- jenseits der Unterscheidung zwischen deklarativem und prozeduralem Wissen- - keinen Aufschluss. Für unser Anliegen des Fremdsprachenlernens ist aber ein anderer Aspekt bedeutsam, die Tatsache nämlich, dass wir bei begrenztem Wissen im Sprachspeicher auf das vorhandene Wissen des anderen Speichers, also des Weltwissens, zurückgreifen. Zur Frage, wie unser Wissen gespeichert ist, liegen uns Ergebnisse, Modelle und Hypothesen aus der Neurobiologie und der Neuropsychologie vor. Gerade in Bezug auf lexikalisches Lernen verfügen wir allerdings bislang noch über wenig gesicherte Erkenntnisse. Speicherung des Wortschatzes, Aktivierung und Erweiterung des mentalen Lexikons In der gedächtnispsychologischen wie auch in der psycholinguistischen Forschung sind zunächst modulare, später verstärkt auch konnektionistische Einheit 9 165 w ortsch at z arbe It Modelle entworfen worden. Erstere gehen von eher linearen und sukzessiven Prozessen der Informationsverarbeitung und -speicherung, letztere von eher parallelen und gleichzeitig auf unterschiedlichen Ebenen angesiedelten Prozessen aus. So arbeitete man in der Gedächtnispsychologie lange Zeit mit einem Drei-Speicher-Modell, demzufolge Informationen zunächst im sensorischen Register oder Ultrakurzzeitgedächtnis aufgenommen, sodann im Arbeitsspeicher oder Kurzzeitgedächtnis bearbeitet und bei häufiger Reaktivierung im Langzeitgedächtnis verankert werden. Die Funktion des Gedächtnisses liegt-- überspitzt formuliert - vielleicht weniger darin, etwas zu behalten, als vielmehr darin, zu vergessen, das nämlich, was als nicht wichtig eingestuft wird. Dem Speichermodell zufolge sondern wir manches aus, um Platz zu schaffen für das, was längerfristig gespeichert werden soll. Im Gegensatz zum modularen Speichermodell belegen neuere Forschungsergebnisse allerdings, dass stabile Erinnerungsinhalte an die häufige Aktivierung neuronaler Netze gebunden sind. Dies unterstreicht ein eher dynamisches und konnektionistisches Verständnis von Erinnern und Vergessen. Bemerkenswerterweise sind wir in der Lage, umso mehr Informationen zu speichern, je mehr wir bereits wissen. Neue Informationen benötigen vorhandene Wissensbestände, an die sie sich „andocken“ können. Generell lässt sich darüber hinaus sagen, dass uns einzelne Elemente dauerhafter und lebhafter in Erinnerung bleiben, wenn sie eingebunden sind in Handlungsketten, wenn wir mit ihnen eine Geschichte verbinden können. Die Lebendigkeit der Erinnerung ist zudem umso größer, je stärker derartige Geschichten auch affektiv besetzt, je mehr also Kognition und Emotion miteinander verwoben sind. Einschränkend ist allerdings darauf hinzuweisen, dass es auch emotionale Barrieren der Informationsverarbeitung gibt. Denken wir an die von Freud beschriebenen Verfahren der Verdrängung und Verleugnung unliebsamer Vorstellungen oder Krashens These vom Affektiven Filter (s. Einheit-2.2). Im Hinblick auf die Verarbeitung von Wortschatz ist es ferner wichtig hervorzuheben, dass in Sprache, zumal in mündliche Sprache, immer auch Elemente dessen mit eingehen, was der rechten Hirnhälfte zugeschrieben wird: Prosodie (Satzmelodie), Mimik, Gestik, Körperhaltung, insgesamt kontextgebundene Anteile. Wir haben es also mit einer interaktiven Leistung des gesamten Nervensystems zu tun. Weiterhin gilt als gesichert, dass Behaltensleistungen umso höher sind, je stärker unterschiedliche Wahrnehmungskanäle angesprochen werden. Einmal gespeicherte lexikalische Einträge werden bei der Sprachrezeption wie auch bei der Sprachproduktion in Bruchteilen von Sekunden aktiviert. Zur Beschreibung der hierbei ablaufenden Prozesse werden wie schon in Bezug auf Speicherungsvorgänge modulare und konnektionistische Modelle vorgeschlagen. Unstrittig aber ist, dass der lexikalische Zugriff immer sowohl von bottom-upals auch von top-down-Prozessen geprägt ist. Dies lässt sich am Beispiel der Prototypensemantik verdeutlichen: Drei-Speicher-Modell Aktivierung neuronaler Netze Kognition und Emotion der lexikalische Zugriff 166 S pr achliche M itt el funk tion al koMMunik ati v er k oMp e t enzen Definition Konstruktivismus Prototypen sind repräsentative Vertreter einer Gattung, die ein Bündel als charakteristisch angesehener Eigenschaften in sich versammeln. Fremdsprachenlerner/ innen neigen dazu, ein neues Wort mit den vertrauten prototypischen Elementen zu verbinden (top-down). Man nennt dieses (zumeist unbewusste) Verfahren Generalisierung. Erst differenziertere Semantisierungen grenzen dann das neue Wort von anderen ab (bottomup). So werden muttersprachlich deutsche Spanischlernende das Wort bar zunächst mit einer deutschen (Nacht-)Bar verbinden. Erst einem genaueren Blick wird sich der spezifische Charakter spanischer bares enthüllen, als Orte nämlich, in denen man ebenso sein Frühstück wie zu späterer Stunde verschiedene kleinere Speisen (tapas z. B.) zu sich nehmen, Heißgetränke, Kaltgetränke, Alkoholisches und Nichtalkoholisches genießen kann. In Einheit 2.3.2 haben wir schon darauf hingewiesen, dass aus der Sicht des Konstruktivismus Lernen ein Prozess der Wirklichkeitskonstruktion ist, in dem ebenfalls die bereits bestehenden kognitiven Strukturen eine entscheidende Rolle spielen. Diese werden nur dann erweitert, wenn sie zur Bewältigung neuer Aufgaben nicht mehr ausreichen, wenn sie nicht mehr „viabel“ sind. Mit anderen Worten, Lernen setzt voraus, dass bestehende Muster der Wahrnehmung und Deutung „perturbiert“, also gestört werden. Da das jeweilige individuelle Vorwissen sehr unterschiedlich ist, heißt das zugleich, dass die mentalen Operationen, welche Lernen initiieren, individuell auch sehr verschieden sind. Lernprozesse können folglich nicht unmittelbar extern gesteuert, sehr wohl aber durch Bereitstellung einer geeigneten Lernumgebung gefördert werden. Lernen ist demzufolge nicht ein Produkt des Lehrens, sondern ein autonomer Prozess der Wirklichkeitserweiterung. Geeignet ist eine Lernumgebung aus konstruktivistischer Sicht dann, wenn sie einen hohen Komplexitätsgrad aufweist und damit individuelle Selektionsprozesse gestattet. Denn je reduzierter ein Lerngegenstand dargeboten wird, desto weniger hat der/ die Einzelne Gelegenheit, ihn mit eigenen Wissensbeständen in Beziehung zu setzen. Je stärker umgekehrt der Anreiz gegeben ist, eigenständige Operationen der Zuschreibung von Bedeutung und Sinn vorzunehmen, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass Lernprozesse stattfinden. Eine Unterscheidung zwischen Lernen und Erwerben soll hier nicht getroffen werden. Wir gehen von einem weiten Lernbegriff aus, der auch inzidentelles Lernen einschließt. Letzteres geschieht gerade im Bereich der Wortschatzaneignung sehr häufig, immer dann nämlich, wenn unsere Aufmerksamkeit auf den Sprachgebrauch und die in ihm vermittelten Inhalte gerichtet ist und wir quasi „nebenbei“ auch neue lexikalische Einheiten aufnehmen, verstehen und in unseren - zumindest passiven bzw. rezeptiven - Wortschatz aufnehmen (vgl. Stork 2010: 104 f.). Einheit 9 167 w ortsch at z arbe It Didaktisch-methodische Perspektiven der Wortschatzarbeit Aus Sicht der Lernforschung ist es empfehlenswert, neue Vokabeln in Verbindung zu bekannten zu stellen, intralingual und interlingual. Letzteres bedeutet, die Möglichkeiten eines mehrsprachig vernetzten mentalen Lexikons zu nutzen. Die Tatsache, dass wir uns Neues nur vor dem Hintergrund des Vorhandenen aneignen können, unterstreicht die Bedeutung eines systematischen Rückgriffs auf Vertrautes. Bei der Einführung neuer Wörter ist daher nicht nur auf Überlappungen, sondern auch auf eine Abgrenzung von bereits bekannten zu achten. Aus der gedächtnis- und neuropsychologischen Forschung leiten sich die Forderungen ab, der sprachliche input habe beide Hirnhemisphären zu aktivieren, sei folglich „mehrkanalig“ (also auditiv, visuell und sensorisch gestützt sowie in Handlungsketten eingewoben) darzubieten, um einerseits eine bessere Behaltensleistung zu gewährleisten, andererseits aber auch um der Komplexität von Kommunikation gerecht zu werden. Auf elementarer Ebene legen diese Thesen nahe, Lexik auch visuell gestützt zu präsentieren. Holtwisch (1998: 218) illustriert dies an folgenden Wortbildern: Derartige Wortbilder können zweifellos behaltensförderlich wirken. Ob die Lexik damit zugleich für die aktive Sprachverwendung zur Verfügung steht, ist indes fraglich. Um dies zu erleichtern, sollten neue Wörter nicht isoliert, sondern jeweils in größere formale und inhaltliche Kontexte eingebettet präsentiert und geübt werden. D. h. Einzelwörter sollten in Kollokationen (mehr oder minder festen Wortverbindungen) erscheinen und möglichst als Bestandteile einer Geschichte oder Argumentationskette erfahrbar werden. Das Handlungselement kommt insbesondere dann zum Tragen, wenn wir ein Wortfeld in Form eines Rollenspiels festigen. Behaltensförderlich ist es zudem, wenn die Wörter für die Lernenden eine emotionale Relevanz erhalten. Auch aus diesem Grund sollten sie kontextuell eingebettet sein und z. B. durch Stimmmodulation, Mimik, Gestik bzw. Körpersprache lebendig werden (s.-Einheit 3.4). Das wachsende Bewusstsein von der Individualität und Komplexität mentaler Operationen nährt allerdings Skepsis gegenüber Steuerungsmodellen generell. Nicht umsonst sprechen wir von einem Paradigmenwechsel in der 9.1.3 Rückgriff auf Vertrautes mehrkanalig Abb. 9.2 Wortbilder 168 S pr achliche M itt el funk tion al koMMunik ati v er k oMp e t enzen Didaktik von der Instruktion zur Konstruktion oder von der Lehrerzur Lernerzentrierung. Denn in dem Maße, in dem die Fremdsprachendidaktik Forschungsergebnisse der Kognitionswissenschaften rezipiert, verändert sie ihr Verständnis sprachlicher Lernprozesse. Da diese als simultan mehrdimensional zu begreifen sind, gewinnt eigenständiges und vernetzendes Denken auch im Fremdsprachenunterricht zunehmend an Bedeutung. Zweisprachige Vokabellisten sind infolge dessen denkbar schlecht geeignet, den aktiven Wortschatz systematisch zu erweitern, da Begriffe zumeist zusammenhanglos, d. h. ohne eine syntagmatische Einbettung, ohne benachbarte Begriffe, ohne Synonyme und Antonyme präsentiert werden. Auch Mindmaps beschränken sich in der Regel auf einzelne Wörter, zumeist Nomina. Wie das folgende Beispiel zeigt, lassen sie sich jedoch auch auf Kollokationen bzw. Chunks erweitern: Wie bereits gesagt, lässt sich aus der Spracherwerbsforschung kein kohärentes didaktisches Modell ableiten. Dennoch treffen einzelne konkrete Forderungen, die von Krashens Vorstellungen inspiriert sind, auch heutzutage auf breite Zustimmung (s. Einheit 2.2.2). Das gilt vor allem für die Forderung, dass der Fremdsprachenunterricht reichen comprehensible input bereitstellen solle. Auf diese Weise wird der Versuch unternommen, ein dem Erwerbsprozess möglichst nahe kommendes sprachliches intake und darauf aufbauend die Herausbildung unbewussten Sprachkönnens zu fördern. Siepmann (2014: 110 f.) betont vor allem die Notwendigkeit eindeutiger und im Falle von Abstrakta kontrastive Semantisierung neuer Lexik sowie deren Gliederung nach sinnvollen Kriterien. Was die Speicherung im Langzeitgedächtnis angeht, sind plastische Beispiele von hohem Nutzen. Darüber hinaus kann sich auch der vernetzendes Denken Abb. 9.3 Mindmap comprehensible input Einheit 9 169 w ortsch at z arbe It 9.1.4 Förderung sprachlicher Vielfalt Einsatz bewusster Lernstrategien als förderlich erweisen; hierauf werden wir in Einheit-11 näher eingehen. Ansätze einer Mehrsprachigkeitsdidaktik Das Prinzip vernetzenden Lernens steht im Zentrum eines Ansatzes, der für den Wortschatzerwerb, vor allem die Erweiterung des rezeptiven und potenziellen Wortschatzes besonders interessant ist, der Mehrsprachigkeitsdidaktik. Sie verfolgt drei miteinander verflochtene Hauptziele, ein sprachenpolitisches (s. Einheit 5) und zwei sprachdidaktische (s. Einheit 2.3.4). Zum einen geht es auf der Ebene sprachpolitischer Setzungen darum, Kompetenzen in möglichst vielen Sprachen anzubahnen, zum anderen sollen über die Vernetzung der einzelsprachlichen Lernprozesse untereinander Synergieeffekte genutzt und darüber hinaus ein Bewusstsein für sprachliche Vielfalt gefördert werden. Insgesamt geht es der Mehrsprachigkeitsdidaktik um eine Aufmerksamkeit für interlinguale Verknüpfungen und deren Verwendung für Sprachlernprozesse. Auf diese Weise erhält der Aspekt von Sprache als formalem System eine gewisse Aufwertung. Die Mehrsprachigkeitsdidaktik will aber zugleich für die Interdependenz von interlingualen und interkulturellen Aspekten sensibilisieren. Daher betont Bausch ( 5 2007: 443) zu Recht, dass sie zu kurz griffe, wenn sie auf einen aus der Systemlinguistik stammenden Sprachbegriff rekurrierte, vielmehr sei von einem weiten, interkulturellen Sprachbegriff auszugehen. Eine Verknüpfung von sprachlichen, kulturellen und im weiteren Sinne persönlichkeitsbezogenen Aspekten wird daher in dem „Referenzrahmen für plurale Ansätze zu Sprachen und Kulturen“ (Candelier et al. 2007, dt. 2009) entworfen, sie macht sich zudem in soziokulturellen Forschungsansätzen bemerkbar. Hier steht häufig die Frage im Vordergrund, wie Mehrsprachigkeit und Mehrkulturalität Einfluss nehmen auf die Selbstkonzepte bzw. Identitätskonstruktionen der Lernenden (vgl. u. a. De Florio-Hansen/ Hu 2007, Norton/ Toohey 2011). Die unterrichtlichen Implikationen eines solchen Verständnisses manifestieren sich u. a. in dem von Michael Byram und Geneviève Zarate (1994) sowie von Claire Kramsch (1993) entworfenen Leitbild eines „intercultural speaker“ (vgl. auch Byram 2009). Sehen wir uns die Ziele in ihrer Gesamtheit näher an: Die Mehrsprachigkeitsdidaktik weiß sich jenen Zielen einer Förderung sprachlicher Vielfalt verpflichtet, die in Einheit 5 zur Sprache kamen. Sie steht insofern im Einklang mit den Bestrebungen des Europarates um ein sprachenteiliges und -tolerantes, multilinguales und multikulturelles Europa. Sie kommt zudem Anforderungen des Wirtschaftslebens entgegen, wo die Beherrschung des Englischen vielfach vorausgesetzt wird, weitere Sprachkenntnisse aber dringend erwünscht sind. Mehrsprachigkeit ist nach gängiger Terminologie dann gegeben, wenn Kompetenzen in drei oder mehr modernen Sprachen - inklusive der Erstsprache(n) - vorhanden sind. 170 S pr achliche M itt el funk tion al koMMunik ati v er k oMp e t enzen rezeptive Mehrsprachigkeit Curricula miteinander verbinden interlinguale Transferbasen Natürlich steht den meisten Lernenden nicht unbegrenzt Lernzeit zur Verfügung, und so wäre es illusorisch, rein quantitativ zu argumentieren und schlicht ein Mehr an Sprachkenntnissen einzufordern. Bausch (2007: 443) schlägt daher vor, die Ziele des Erst-, Zweit- und Drittsprachenlernens jeweils unterschiedlich zu profilieren. Eine Differenzierung in allgemein- und fachsprachliche Profile käme hier in Frage, aber auch eine unterschiedliche Gewichtung produktiver und rezeptiver Kompetenzen. In diesem Zusammenhang sind Zielvorstellungen einer breit angelegten rezeptiven Mehrsprachigkeit (Interkomprehensionsdidaktik) entwickelt worden (vgl. u. a. Meißner/ Reinfried 1989a, 1989b). Diese haben durchaus ihren Reiz: Sprecher/ innen sehr unterschiedlicher Erstsprachen könnten dieser Vision zufolge darauf zählen, von Angehörigen anderer Sprachgemeinschaften verstanden zu werden, ohne selbst auf Fremdsprachen auszuweichen, denn ein jeder könnte sich in seiner/ n Herkunftssprache/ n äußern. Ein solches Kommunikationsmodell ist jedoch nur schwer umsetzbar, da eine strikte Trennung von rezeptiven und produktiven Sprachkompetenzen von vielen als künstlich empfunden und abgelehnt wird. Sprachdidaktisch bleibt die Anbahnung produktiver Sprachkompetenz daher auch in den nachgelernten Fremdsprachen zentrales Anliegen - ohne den Anspruch allerdings, eine near-nativeness zu erreichen. Der wesentliche Ansatzpunkt der Mehrsprachigkeitsdidaktik liegt darin, die Curricula der einzelnen Fremdsprachen enger miteinander zu verbinden. Traditionell sind die fremdsprachlichen Curricula ja auf das eigene Fach ausgerichtet. Das Sprachangebot der einzelnen Schulen lässt zwar nur bestimmte Sprachenfolgen zu und lenkt insofern die Ausbildung von Mehrsprachigkeit - dabei spielen neben organisatorischen vielfach auch sprachdidaktische Überlegungen zur Anschlussfähigkeit einzelner Curricula eine Rolle -, insgesamt aber herrscht ein additives Muster vor. Dem sollen aus Sicht der Befürworter/ innen einer Mehrsprachigkeitsdidaktik integrative Konzepte entgegengesetzt werden bis hin zu den weitreichenden Vorstellungen eines Gesamtsprachencurriculums (vgl. Hufeisen 2011). Der Verweis auf vorgelernte Sprachen hatte punktuell in den „klassischen“ Tertiärsprachen wie Spanisch und Italienisch schon immer Tradition (retroaktives Zusammenwirken). Neu ist demgegenüber vor allem der Anspruch, dass in den erstgelernten Sprachen schon Brücken angelegt werden sollen für die später zu lernenden Sprachen (proaktives Zusammenwirken). Schon bei der Vermittlung der ersten Fremdsprache wäre demnach bewusst und systematisch die Grundlage für das Erlernen weiterer Fremdsprachen zu legen. Das Zauberwort lautet hier „interlinguale Transferbasen“. Was damit gemeint ist, wird vielleicht am besten deutlich, wenn Sie versuchen, die Aufgabe 1 (im Anhang zu dieser Einheit) zu lösen. Die Berücksichtigung zwischensprachlicher Bezüge bedeutet in der Praxis des Fremdsprachenunterrichts eine Abkehr vom Prinzip der Einsprachigkeit. Dem tragen neuere Lehrwerke bereits Rechnung, indem sie mehrsprachige Vokabellisten anbieten und auf diese Weise das Erbe von Comenius (s. Ein- Einheit 9 171 w ortsch at z arbe It Sprachkenntnisse von Migrantenkindern Erschließungsstrategien Interferenzen heit-4.1.3) aufgreifen. Wichtig wäre allerdings auch, dass die erstsprachlichen Sprachkenntnisse von Migrantenkindern in die fremdsprachlichen Lernprozesse einbezogen werden. Zusätzlich zu den oben aufgelisteten romanischen Sprachen wären folglich die sehr verbreiteten nichtdeutschen Herkunftssprachen wie z. B. das Türkische, Serbokroatische, Polnische usw. zu beachten. Denn die Mehrsprachigkeitsdidaktik will entschieden vom lernenden Subjekt ausgehen. Dies bedeutet, dass im Sinne der Lernerautonomie die Förderung von Erschließungsstrategien Vorrang hat vor lehrfokussierten Zugängen. Zusammenfassend beschreiben Meißner/ Reinfried (1998b: 20) die Komponenten der von ihnen vertretenen Mehrsprachigkeitsdidaktik wie folgt: - Verarbeitung eines kognitiven Lernbegriffs, in dessen Zentrum der Begriff der Inferenz steht - Nutzung des aus einer L1 bis Ln verfügbaren sprachlichen und kulturellen Vorwissens der Lerner für die passive und aktive mentale Verarbeitung einer ‚neuen‘ Fremdsprache (L1 bezeichnet die Muttersprache, Ln alle weiteren erworbenen bzw. erlernten Sprachen) - Vernetzung vor- und nachgelernter Sprachen und Berücksichtigung vorhandener Mehrsprachigkeit - Öffnung und Mehrperspektivität als Organisationsprinzip von Lernszenarien und Textarbeit - Sprachenbegegnung - Berücksichtigung der Erkenntnisse der Lernersprachenforschung für die pädagogische Einschätzung des ‚Fehlers‘ […] - Verzahnung von Mehrsprachigkeitsmit Mehrkulturalitätsaspekten. Gegenüber den sehr optimistischen, vielfach sogar euphorisch klingenden Perspektiven, wie sie Verfechter der Mehrsprachigkeitsdidaktik aufzeigen, sind aber auch Skepsis und Kritik geltend gemacht worden. So gibt Fricke (1998) zu bedenken, dass die Mehrsprachigkeitsdiskurse in Europa sehr widersprüchlich seien und in der Öffentlichkeit auf nur geringe Resonanz stießen. Außerdem bemängelt er, dass die Zielvorstellungen der Mehrsprachigkeitsdidaktik nicht klar genug umrissen seien und zudem die Wirkung von Interferenzen unterschätzt würde. Gemeint sind die „falschen Freunde“, also in die Irre führende Übertragungen vergleichbarer sprachlicher Phänomene von einer Sprache in die andere - denken wir nur an das ‚Handy‘, das trotz einer englischen Form nicht in seiner deutschen Bedeutung ins Englische zu transferieren ist. De Florio-Hansen (2003: 82) weist schließlich darauf hin, dass noch völlig ungeklärt sei, in welcher Form einzelne Lerner/ innen auf mehrsprachige Vernetzungen ihres mentalen Lexikons zurückgriffen. Ferner sei nicht erwiesen, inwieweit explizite Hinweise durch Lehrende bzw. in Lehrwerken sich positiv auf Lernprozesse auswirkten. Trotz dieser Einwände werden die Ziele einer Förderung differenzierter Mehrsprachigkeit in der Fremdsprachendidaktik einhellig begrüßt. In einer empirischen Studie konnte Bär (2009) zudem die positiven 172 S pr achliche M itt el funk tion al koMMunik ati v er k oMp e t enzen 9.2 Grammatik im Kopf 9.2.1 Lehrermeinungen Effektive von Mehrsprachigkeitsmodulen auf das Erlernen einer zweiten oder dritten Fremdsprache belegen. Nur, so betont Königs (2010: 38), sollte darüber nicht im Sinn einer Kehrtwende um 180 Grad das vertiefte Lernen in einer spezifischen Fremdsprache tabuisiert werden. Unabhängig von der Frage der Mehrsprachigkeit wird seit der Kommunikativen Wende der Verfügbarkeit eines breiten Wortschatzes mehr Bedeutung beigemessen als der Kenntnis und Beherrschung grammatischer Regeln. Grammatikarbeit Beginnen wir zunächst mit einer genaueren Begriffsbestimmung von Grammatik. In Anlehnung an Claus Gnutzmann (2010a: 112) unterscheiden wir zwischen folgenden Ebenen: � Inhärente Grammatik: das Regelsystem einer Sprache unabhängig von ihrer Beschreibung; � internalisierte, auch mentale Grammatik: das dem Sprecher und Hörer interne Regelsystem einer Sprache („Grammatik im Kopf “); � linguistische Grammatik: die wissenschaftliche Beschreibung des einer Sprache inhärenten Regelsystems; � didaktische Grammatik; eine für Lehrkräfte und Lehrbuchautoren konzipierte, auf das Lehren und Lernen bezogene Sprachbeschreibung; � pädagogische Grammatik: eine für die Verwendung im Unterricht erstellte Darstellung bzw. Aufbereitung spezifischer Grammatikerscheinungen - in diesem Sinne werden pädagogische und didaktische Grammatik häufig auch synonym benutzt. Der Begriff Grammatik hat also viele Facetten; in ihnen treffen sich deskriptive und präskriptive (d. h. normensetzende) Aspekte. Vor allem der zweite Punkt der obigen Liste ist für unsere Zusammenhänge wichtig. Denn die Frage, wie Lerner/ innen zu ihrer „Grammatik im Kopf “ (vgl. die Interlanguage-Hypothese, Einheit 2.3.3) kommen, wird sehr kontrovers diskutiert, insbesondere mit Blick darauf, welche Rolle Grammatik als expliziter Lerngegenstand im Fremdsprachenunterricht spielen sollte. Der Streit um die Bedeutung grammatischen Lernens Der Stellenwert grammatischer Instruktion hat in der Methodengeschichte des Fremdsprachenunterrichts, wie in Einheit 6 bereits gesehen, einige Wandlungen durchlebt. Interessant sind in diesem Zusammenhang die Ergebnisse einer Befragung unter schulischen Lehrkräften, die Günther Zimmermann (1984) durchgeführt hat. 77 % der Befragten gaben seinerzeit an, gerne Grammatik zu unterrichten, Grammatikunterricht nahm 40 bis 60 % der Gesamtunterrichtszeit ein - und dies immerhin zu Zeiten, in denen offiziell Kommunika- Einheit 9 173 g r a mm atIk arbe It disziplinierende Funktion Grammatik lernen? Nein, danke! Grammatik erwerben? Ja, bitte! Orientierungs- und Ordnungshilfen tionsorientierung ganz groß geschrieben wurde! Ob eine ähnliche Befragung heute noch ähnliche Resultate erbrächte? Wir vermuten, annähernd ja. Wir vermuten ebenfalls, dass es Unterschiede zwischen dem Englisch- und dem Französischunterricht gibt, allerdings eher gradueller als prinzipieller Art: Der Französischunterricht an deutschen Schulen dürfte etwas grammatiklastiger als der Englischunterricht sein. So bemängeln Schüler/ innen der ausgehenden Sekundarstufe I ein zu starkes Gewicht grammatischer Inhalte im Französischunterricht (vgl. Küster 2007), aus dem Englischunterricht hingegen sind derartige Klagen nicht zu hören. In seiner 2002 erschienenen Fachdidaktik zum Französischen argwöhnt Leupold, dass die Vorliebe von Lehrer/ innen für Grammatikarbeit etwas mit deren „strukturierende[r] und disziplinierende[r] Funktion für den Unterricht“ zu tun hat. Grammatikstunden - oder Teile davon - seien Momente, in denen Schüler/ innen aufmerksam sind, zumal wenn die oft grammatisch ausgerichtete nächste Klassenarbeit vor der Tür stehe (vgl. Leupold 2002: 297). Und Günter Leitzgen (1997: 25) bezeichnet die lehrerzentrierte Grammatikeinführung gar als „magisches Ritual“, bei dem „unter der zielsicheren Kreideführung des Lehrers“ sich Sätze, deren Sinn plötzlich völlig belanglos sei, in Formeln verwandelten. Das Ganze erinnere an Hokuspokus, mache auf Schüler aber mächtigen Eindruck und lasse die Lehrkraft als eine Art Zaubermeister erscheinen - eine Machtposition, die diese natürlich gerne genieße. Es ist schon erstaunlich, dass Grammatik als Unterrichtsgegenstand nach wie vor noch eine so dominante Rolle einnimmt. Schließlich sind wir ja von der Grammatik-Übersetzungs-Methode methodengeschichtlich schon weit entfernt. Einige Fremdsprachendidaktiker, unter ihnen vor allem Reinhold Freudenstein (2000) und Werner Bleyhl (1995, 1996, 1998), plädieren seit Jahren vehement gegen eine grammatische Progression als Grundlage schulischen Fremdsprachenunterrichts. Unter dem Titel Grammatik lernen? Nein, danke! Grammatik erwerben? Ja, bitte! knüpft Freudenstein (2000) an Krashens Erwerbshypothesen unmittelbar an. Er verweist auf Fälle, in denen Lernende über intensive Phasen des Hörverstehens unbewusst und intuitiv eine Lernergrammatik aufgebaut hätten, die ihnen Sicherheit im Sprachgebrauch und Flüssigkeit des Ausdrucks vermittelt hätte. Demgegenüber fallen die Misserfolge grammatischer Instruktion umso mehr ins Gewicht, sie führen in der Breite zumeist nicht zu der kommunikativen Kompetenz, die der Unterricht eigentlich anstrebt. Claus Gnutzmann (2000: 69) hingegen hält es für unbestritten, „dass die Verwendung grammatischer Begriffe allgemeine Orientierungs- und Ordnungshilfen für die Lernenden bereitstellen, als Stütze für Gedächtnis- und Erinnerungsleistungen fungieren sowie Handlungsanweisungen für sprachliche Produktionen und Analysen bilden kann.“ Hulstijn (zitiert in Grotjahn 2000: 98 f.) geht ebenfalls davon aus, dass explizite Grammatikvermittlung den Sprachlernprozess positiv beeinflussen kann, differenziert diese Aussage 174 S pr achliche M itt el funk tion al koMMunik ati v er k oMp e t enzen Sprachgefühl focus on forms vs. focus on form Reflexion über Sprache allerdings. Bei bestimmten grammatischen Phänomenen seien explizite Verfahren hilfreich, bei anderen wiederum sogar schädlich. Fünf Kriterien sind aus seiner Sicht in diesem Kontext entscheidend: 1. die Extension einer Regel, also ihr Anwendungsbereich, 2. die Zuverlässigkeit einer Regel; damit ist gemeint, wie viele Ausnahmen sie zulassen muss, 3. die Auftretenshäufigkeit sprachlicher Erscheinungen, 4. der angestrebte Grad der Beherrschung des grammatischen Phänomens, 5. die Verständlichkeit der Regelformulierung. Hulstijn (vgl. ebd.) vertritt die Auffassung, dass Regeln mit sehr geringer Extension, z. B. die Genusregel für maskuline Wörter mit der Endung -a im Spanischen, gar nicht vermittelt werden sollen oder erst im fortgeschrittenen Sprachlernstadium. In Bezug auf das zweite Kriterium fordert er, dass sehr zuverlässige Regeln eine höhere Priorität erhalten sollen als weniger zuverlässige. Analog dazu sollten hochfrequente gegenüber niedrigfrequenten Erscheinungen favorisiert werden. Zu Kriterium 4 gibt Hulstijn zu bedenken, dass es häufig ausreiche, eine Regel im Blick auf die Sprachrezeption zu formulieren, wie z. B. bei den Diminutiven im Spanischen (pueblecito). Wenn letztlich eine Regel nur in komplexer metasprachlicher Terminologie präzise gefasst werden könne, sei es ratsam, ganz auf sie zu verzichten. So ist der Unterschied zwischen ser und estar im Spanischen (beide stehen für das deutsche „sein“) durch extensive Grammatikerklärungen deutschen Lernenden oft nicht befriedigend nahe zu bringen. Eine gewisse Sicherheit stellt sich allerdings zumeist durch häufigen Kontakt mit dem sprachlichen Phänomen ein. Lernende entwickeln allmählich ein Gefühl für den Unterschied, ohne ihn im Einzelnen exakt herleiten zu können. Dieses „Sprachgefühl“ ist natürlich schwer zu fassen, manchmal auch trügerisch. Untersuchungen zeigen jedoch, dass Lernende sich oft weniger an explizitem Regelwissen als vielmehr an intuitivem Wissen orientieren (vgl. Börner 2000). Eine starke grammatische Ausrichtung des Unterrichts führt und verführt in der Regel zudem zu einer Betonung sprachlicher Richtigkeit und damit zu penibler Fehlerkorrektur. Wer sich dagegen mehr auf die organisierende Kraft eines hohen comprehensible input und damit auf Verfahren impliziten Lernens verlässt, ist gegenüber Fehlern toleranter, läuft aber Gefahr, einer Fossilisierung (d. h. einer Verfestigung) von Fehlern Vorschub zu leisten. Doch innerhalb dieser Pole gibt es auch Zwischenwege. So lässt sich etwa herkömmliche Grammatikarbeit (focus on forms) von einer Orientierung unterscheiden, die ausgehend von kommunikativen Anlässen nach passenden sprachlichen Realisierungsmöglichkeiten sucht und hierbei formbezogenes Lernen einschließt, dies aber den pragmatischen Zielen unterordnet (focus on form). Für Dieter Wolff (1995: 216) wiederum steht außer Zweifel, dass „die Reflexion über Sprache ein wesentlicher Teil des Spracherwerbsbzw. des Sprachlern- Einheit 9 175 g r a mm atIk arbe It 9.2.2 entdeckendes Lernen induktive Grammatikerschließung fuzzy sets Signalgrammatik prozesses ist.“ Diese These leitet sich aus der Beobachtung monolingual und bilingual aufwachsender Kinder ab. Kinder - so seine Schlussfolgerung aus empirischen Studien - müssen lernen, sich sprachliche Phänomene bewusst zu machen, um Sprache lernen zu können (vgl. Wolff 1993b: 511). Gemeint ist hier aber nicht primär ein formales Regelwissen, sondern eher das, was mit dem Konzept der Language Awareness oder Sprachbewusstheit gemeint ist. Für Gnutzmann (2000: 76) bietet es die Möglichkeit, als „Grundlage eines holistischen und integrativen Sprachunterrichts“ zu fungieren und so den Streit um die Rolle der Grammatik im Fremdsprachenlernprozess zu entschärfen (s.-hierzu auch Einheit 11.2.2). Verfahren grammatischen Lernens und Lehrens Auch wenn der Streit um den Stellenwert bewussten formbezogenen Lernens noch lange nicht entschieden ist, spricht vieles für die Vermutung, dass in den Sprachlernprozess, insbesondere in den gesteuerten Sprachlernprozess, Komponenten sowohl bewusster als auch unbewusster Lernweisen eingehen. Wir haben es hier mit einem Spannungsfeld zu tun, das vielleicht Mittelwege nahe legt. Ein Motto von Sprachlehrern lautet daher: so viel Grammatik wie nötig, so wenig Grammatik wie möglich. Quantität fasst aber bei weitem noch nicht alles. Die Frage ist nicht zuletzt, wie kann Grammatik gelehrt und vor allem, wie kann sie gelernt werden. Die Lernprozessorientierung verstärkt die nicht neue Einsicht, dass entdeckendes Lernen nachhaltiger sein kann als nachvollziehendes. Wir sprechen hier von induktiver Grammatikerschließung, d. h. ausgehend von einer soliden Grundlage von Beispielen formulieren Lernende eigenständig eine Regel. Das Gegenstück dazu ist die deduktive Vorgehensweise, bei der - zumeist von der Lehrkraft oder aber vom Lehrbuch - die Regel explizit erläutert und dann an Beispielen illustriert wird. Beide Vorgehensweisen sind insofern problematisch, als sie den Glauben an eine feste Regelhaftigkeit von Sprache nahelegen. Nach Timm (1995) sind sprachliche Regeln aber eher als „fuzzy sets“ zu betrachten. Alle Festlegungen haben daher nur begrenzten Erkenntniswert und vor allem begrenzten Nutzwert. „Tenses are not teachable“, heißt es nicht umsonst. Für die Unterscheidung der Vergangenheitszeiten in den romanischen Sprachen gilt dieser Stoßseufzer erst recht. Operable Modelle grammatischer Instruktion bietet die bewusst verkürzende Vorgehensweise einer Signalgrammatik. Sie versucht einen einfach und schnell operierenden Monitor zur Steuerung und Überwachung des produktiven Sprachgebrauchs aufzubauen. Sie kann als Interimsregel von den Schülerinnen und Schülern selbst formuliert bzw. graphisch gestaltet werden. Interimsregel heißt, dass die Regel dem jeweiligen Stand des Sprachlernprozesses (interlanguage) entspricht, vor dem Hintergrund umfassender Kompetenz (near-nativeness) aber nicht völlig korrekt sein muss. Beispiel einer signalgrammatischen Regel ist die Kennzeichnung adverbialer Bestimmungen 176 S pr achliche M itt el funk tion al koMMunik ati v er k oMp e t enzen Urteil von Schüler/ innen Grammatik/ Gefühl mitteilungsbezogene Kontexte der Zeit (hier in Fettdruck), die im Englischen das present perfect oder im Spanischen das pretérito perfecto nach sich ziehen: All day long I have tried to get her on the phone. Since last week I have stopped smoking. usw. Todo el santo día he tratado de llamarla por teléfono. Desde la semana pasada he parado de fumar. Im Französischen lässt sich eine entsprechende Signalregel für das passé composé allerdings nicht formulieren. Insgesamt muss gesagt werden, dass sich derart feste Zuordnungen nur selten vornehmen lassen, oft gilt es den sprachlichen Kontext genauer zu berücksichtigen. Der Hauptteil der unterrichtlichen Grammatikarbeit dürfte allerdings nicht so sehr den Regelbildungen gelten als vielmehr der Festigung des Wissens in Form von Übungen. Wie Krista Segermann (2003: 348) mit Bezug auf neurowissenschaftlich fundierte Studien zu bedenken gibt, sind sprachformbezogene Übungen jedoch als wenig effektiv einzustufen, da sie auf das abstrakte System der Sprache begrenzt blieben und damit zu einer sehr einseitigen neuronalen Aktivierung führten. Auf die Komplexität realer, situativ eingebetteter Sprachverwendung, so ihre Schlussfolgerung, bereiten sie in so geringem Maße vor, dass man lieber ganz auf sie verzichten solle. Wir sprachen weiter oben von den Einstellungen Lehrender zum Grammatikunterricht. Doch was meinen die Schülerinnen und Schüler? Sie erteilen dem Grammatikunterricht zumeist schlechte Noten. Er wird als langweilig, schematisch, monoton, ritualisiert, schwer verständlich, letztlich als sinnlos erlebt (vgl. Leupold 2002: 297). In einer empirischen Erhebung an Berliner Gymnasien (vgl. Küster 2007) zeigte sich, dass die Wertschätzung grammatischer Inhalte unter Französischschüler/ innen der ausgehenden Sekundarstufe I in diametralem Gegensatz zu deren Stellenwert im erlebten Unterricht stand. Hier rangierte Grammatik an erster Stelle, in der Beliebtheitsskala hingegen an letzter. Grammatikunterricht vermittelt offensichtlich wenig Erfolgserlebnisse, sondern weckt im Gegenteil eher Empfindungen von Hilflosigkeit. Die Fokussierung auf sprachformale Aspekte wird vielfach als zu „verkopft“ erlebt. Das jedoch muss nach Ansicht Axel Polletis (2003: 4) nicht zwangsläufig so sein: „Den Begriff ‚Grammatik‘ assoziieren wir meist mit Analyse, mit logischem Denken, mit abstrakter Begrifflichkeit. Dadurch wird allerdings die Tatsache verstellt, dass Lernen neben der kognitiven immer auch eine affektive Dimension aufruft. Ist diese negativ besetzt, so bleibt Lernarbeit erfolglos. […] Grammatik und Gefühl - Gefühl für Grammatik: Dies ist ein […] wichtiges Prinzip, dem in Zukunft viel stärker Beachtung geschenkt werden muss.“ Mit Polleti denken wir, dass Grammatik an Attraktivität gewinnen kann, wenn sie eingebunden ist in mitteilungsbezogene Kontexte, bei denen die Beziehungs-, Selbstoffenbarungs- und Appellebene mündlicher Kommunikation Einheit 9 177 g r a mm atIk arbe It Zusammenfassung 8 erkennbar sind und die somit Anknüpfungspunkte für persönliche Identifikationen bieten (s. Einheit 3.2.1). Übungsaufgaben sollten wie Geschichten einen situativen Rahmen vorgeben, in dem die Figuren der Handlung in ihren Beziehungen untereinander lebendig würden, und in den sich die Lernenden nicht nur kognitiv, sondern auch affektiv hineinversetzen könnten. Hierfür bieten authentische Texte am ehesten eine Gewähr. Vor allem aber muss der Lerngegenstand Grammatik seine Nützlichkeit zur Ausbildung funktionalkomunikativer Kompetenzen unter Beweis stellen und so auch zu einem subjektiv positiveren Kompetenzerleben verhelfen. Sprachliche Mittel wie Wortschatz und Grammatik werden neuerdings vor allem in ihrer Funktion für den Erwerb kommunikativer Kompetenzen gesehen. Wir widmeten uns in dieser Einheit zunächst den Problemfeldern lexikalischen Lernens. In den einführenden Darstellungen zur Metapher des mentalen Lexikons, seinem Aufbau und seiner Funktionsweise unterstrichen wir bereits das Prinzip der Vernetzungen (v. a. sprachlicher Einzelelemente untereinander, unterschiedlicher Wahrnehmungskanäle in der Sprachrezeption und unterschiedlicher Aktivierungskontexte), das dann auch als zentral für alle Aneignungsprozesse herausgestellt werden konnte. Es erhielt zudem eine spezifische Würdigung im Rahmen der Ansätze einer Mehrsprachigkeitsdidaktik. Das induktive, inferentielle Lernen, das diese kennzeichnet, erwies sich im weiteren Verlauf der Darstellung auch für den Erwerb grammatikalischer Kenntnisse als besonders relevant. Allerdings musste hinterfragt werden, ob bzw. inwieweit explizites Regelwissen für das Erreichen kommunikativer Kompetenzen förderlich oder gar unabdingbar ist. Eine zu starke unterrichtliche Betonung dieses Bereichs, so zeigt die Vergangenheit, führt jedenfalls zu Vereinseitigungen, die einer aktiven Sprachverwendung eher im Wege stehen. Aufgaben 1 Die folgende Aufgabe zu Suffixen stammt aus Meißner (2001: 34), wurde von uns allerdings noch modifiziert. Tragen Sie die entsprechenden Wörter der Ihnen bekannten Sprachen ein. (Eine Auflösung finden Sie unter www.bachelor-wissen.de.) Deutsch Französisch Italienisch Spanisch Englisch passabel (-abel) Passage (-age) Human (-an) Allianz (-anz) Unicum (-cum) Dutzend (-end) Barbarei (-arei) Familiär (-iär) Alpin (-in) 178 S pr achliche M itt el funk tion al koMMunik ati v er k oMp e t enzen 2 Versuchen Sie, sich ein möglichst genaues Bild von der Bedeutung expliziten Grammatikwissens in Ihrer eigenen Verwendung von Fremdsprachen zu machen. Geben Sie an, inwieweit die Aussagen auch auf Sie selbst zutreffen und vergleichen Sie Ihre Ergebnisse mit denen eines/ r Mitstudierenden. in einer gut beherrschten Fremdsprache, nämlich: in einer nicht so gut beherrschten Fremdsprache, nämlich: Beim Sprechen in außerunterrichtlichen Situationen entscheide ich nach Gefühl, was richtig und was falsch ist. Beim Sprechen innerhalb von Lernkontexten entscheide ich nach Gefühl, was richtig und was falsch ist. Beim Schreiben in außerunterrichtlichen Situationen befrage ich mein Regelwissen, ob etwas richtig oder falsch ist. Beim Schreiben innerhalb von Lernkontexten befrage ich mein Regelwissen, ob etwas richtig oder falsch ist. Beim Lesen fremdsprachlicher Texte schlage ich unbekannte Wörter möglichst in Wörterbüchern und Grammatiken nach. Grammatikbezogene Übungen verhelfen mir zu mehr Sicherheit in mündl. und schriftl. Sprachproduktion. Zum Weiterlesen Küster, Lutz/ Krämer, Ulrich (Hrsg.) (2013): Mythos Grammatik? Kompetenzorientierte Spracharbeit im Französischunterricht. Seelze: Klett-Kallmeyer. Ollivier, Christian; Strasser, Margareta (2013): Interkomprehension in Theorie und Praxis. Wien: Praesens. Siepmann, Dirk (2014): Wortschatz. In: Lütge, Christiane (Hrsg.): Englisch Methodik. Handbuch für die Sekundarstufe I und II. Berlin: Cornelsen, 106-120. Wolff, Dieter (2002a): Das mentale Lexikon. Grundlage der Sprachkompetenz in der Muttersprache und der Fremdsprache. In: Der fremdsprachliche Unterricht Englisch (36) 1: -11-14. 179 sprachliche Fertigkeiten 10.1 10.1.1 Hörverstehen als Stiefkind Einheit 10 Fertigkeitsbezogene funktional-kommunikative Kompetenzen Lange Zeit wurden die sprachlichen Fertigkeiten nach rezeptiven und produktiven bzw. mündlichen und schriftlichen Fertigkeiten unterschieden und in vier Bereiche unterteilt: Hör- und Leseverstehen sowie Sprechen und Schreiben. Im Kompetenzmodell der Bildungsstandards wird diese Systematisierung nun erweitert. Entsprechend der wachsenden Bedeutung audiovisueller Medien in allen Feldern öffentlicher Kommunikation wird das Hörverstehen ergänzt um die Komponente des Hörsehverstehens. Als weitere Fertigkeit kommt ferner die Sprachmittlung hinzu. Anstelle des Begriffs der Fertigkeiten ist verschiedentlich auch von ‚Teilkompetenzen‘ die Rede. In einem weiter gefassten Verständnis lässt sich auch der in der englischsprachigen Forschung verbreitete literacy- Begriff verwenden. Wie in Einheit 7.5 angesprochen, kommen damit über die Ebene des Instrumentellen hinaus diskursive Praktiken kultureller Teilhabe in den Blick (vgl. Hallet 2010 und Collier/ Rowsell 2014). Wenn dergestalt Sprachhandlungen in einem komplexeren gesellschaftlichen Kontext situiert werden, verbinden sich damit pädagogische Zielsetzungen, die ein „empowerment of the learner“ zum Gegenstand haben. Da im deutschsprachigen Raum hingegen der Fertigkeitsbegriff sehr viel üblicher ist, greifen wir auf diesen zurück, wenn wir im Folgenden die o.g. fünf Fertigkeiten im Einzelnen vorstellen und in aller Kürze Möglichkeiten gezielter Schulung aufzeigen. Die fünf Fertigkeiten und ihre Schulung Hör- und Hörsehverstehen Die Bedeutung des Hörverstehens für die Bewältigung von Alltagskommunikation kann kaum überschätzt werden. Laut Thaler (2007: 12) beträgt in ihr das Verhältnis von gesprochener zu geschriebener Sprache 95 % zu 5 %. Grotjahn (2005: 115) zitiert ältere Quellen, denen zufolge die Verwendungshäufigkeit der klassischen vier Fertigkeiten mit 45 % für das Hören, 30 % für das Sprechen und 16 % bzw. 9 % für das Lesen bzw. das Schreiben beziffert werden. Mit der Verbreitung der elektronischen Medien insbesondere der sog. social media (E-Mails, insbesondere Wikis, Chats, Tweets etc.) dürfte sich das Verhältnis in jüngster Zeit zugunsten schriftbasierter Kommunikation etwas verschoben haben, dennoch ist die dominante Bedeutung des Hörverstehens sicherlich unangetastet. Des ungeachtet gilt Hörverstehen als Stiefkind des 180 F ertigk e itsbe zogene F unk tion al kommunik ati v e k omp e t enzen Sprachverarbeitung Definition Fremdsprachenunterrichts, zumal es lange Zeit für Lernerfolgskontrollen eine äußerst untergeordnete Rolle spielte. Dies hat sich allerdings im Zuge der Kompetenzorientierung und der Ausweitung des Fremdsprachenunterrichts auf die Grundschule spürbar verändert. Wenn das Hörverstehen oben den rezeptiven Fertigkeiten zugeordnet wurde, soll dies nicht den Eindruck aufkommen lassen, es handele sich um weitgehend passive Vorgänge. Das Gegenteil ist der Fall. Hörverstehen und Hörsehverstehen sind höchst aktive und komplexe Prozesse der Wahrnehmung und des Verstehens. Dies wird deutlich, wenn wir die Dimensionen kommunikativ-funktionaler fremdsprachlicher Kompetenz auf die besonderen Belange des Hörverstehens beziehen. Sie umfassen nach Adelheid Schumann (2009: 189) - die linguistische Kompetenz als die Fähigkeit des phonetischen Diskriminierens, des lexikalischen und grammatikalischen Segmentierens und des Semantisierens des Gehörten, [‚linguistisch‘ meint hier ‚sprachlich‘, nicht ‚sprachwissenschaftlich‘], - die soziolinguistische Kompetenz als die Fähigkeit, die soziale Konstellation der Hörsituation zu durchschauen, Sprecherrollen und Gesprächsabläufe zu antizipieren und diese Hypothesen zum Verstehensprozess zu nutzen, - die pragmatische Kompetenz als die Fähigkeit, das Wissen über sprachliche Diskurse, ihre Redemittel und Strukturen vorwegzunehmen oder durch Inferieren zu ergänzen und - die strategische Kompetenz als die Fähigkeit kommunikativ auf das Gehörte zu reagieren, Gehörtes zu bestätigen oder zu kommentieren, nachzufragen oder zu widersprechen. Die einzelnen Prozesse auditiver Sprachverarbeitung lassen sich über das in Einheit 3 zitierte kognitionswissenschaftliche Modell (s. Abb. 3.1) erfassen. Die in ihm dargestellte Koordination von bottom-up- und top-down-Prozessen findet in Bruchteilen von Sekunden statt, in denen gleichzeitig akustische und kontextuelle Stimuli aufgenommen und im Rückgriff auf zielsprachliches, strategisches sowie Erfahrungsbzw. Weltwissen mit Bedeutung versehen werden. Es wäre also zu einfach, wollten wir Verstehensvorgänge als schlichte Informationsübertragung von A nach B deuten. Vielmehr ist jegliches Verstehen als hypothesenbildende und hypothesentestende Generierung von Bedeutung anzusehen. Dabei greifen jeweils form- und inhaltsbezogene Sprachverarbeitungen ineinander. Hermes beschreibt die Vorgänge beim Hörverstehen wie folgt: Wer zuhört, ist „ganz Ohr“ nimmt unterschiedliche Geräusche und Laute auf, segmentiert sie in kleinere, sodann größere Einheiten (Wort, Phrase, Satz, Zusammenhänge), um sie in einem aktiven Akt der Bedeutungskonstruktion zu verarbeiten […]. Hörverstehen bedeutet immer Dekodieren, Konstruieren von Bedeutung und Interpretieren Einheit 10 181 D I e F ünF F ertIgk e It en unD Ihre s chulung von Gemeintem oder Inferieren. Die Interpretation hängt dabei vom kulturellen und Weltwissen der Hörer ab. (Hermes 1998: 221; zu einem eingehenderen Verständnis des Hörverstehens und seiner Schulung vgl. auch Neveling 2000, Vandergrift 2007, Thaler 2012: 160-168 und Grotjahn 2012) Den Herausforderungen hörenden Verstehens begegnen Lernende gewiss am besten mit dem bewussten Verzicht auf ein Alles-verstehen-Wollen. In fremdsprachlicher Kommunikation sind wir in der Tat oft darauf angewiesen, Gehörtes mehr zu erraten als im Detail zu entschlüsseln. D. h., wir kompensieren das im Vergleich zur Muttersprache geringere sprachliche Wissen durch Rückgriff auf unser Weltwissen (verstärkte top-down-Prozesse). Damit geht zwar eine hohe Gefahr von Missverständnissen, besonders von kulturell bedingten Missverständnissen, einher, insgesamt aber überwiegen die Vorteile, die wir aus dem Fundament des Weltwissens beziehen können. Reines Hörverstehen kommt in natürlichen Kommunikationssituationen allerdings nur selten vor. Zumeist ist der visuelle Kanal am Wahrnehmungsprozess beteiligt. Das kann sich auf das sprachlich-auditive Verstehen sehr positiv auswirken, dann nämlich, wenn die Bildsignale inhaltlich kongruent oder komplementär sind mit bzw. zu den verbalen Impulsen und somit Hilfen zur sprachlichen Entschlüsselung bieten. Die gleichzeitige Wahrnehmungslenkung auf den visuellen und den akustischen Kanal kann andererseits aber auch zu Interferenzen und kognitiven Überlastungen führen. Wie solche unterschiedlich-modalen Signale verarbeitet werden, ist in der Kognitionswissenschaft noch nicht endgültig geklärt. Engelbert Thaler (2007: 13) veranschaulicht die Mehrdimensionalität des Hörsehverstehens (bzw. in seiner Schreibung: des Hör-Seh-Verstehens) in Tab. 10.1. Grundsätzlich lassen sich zwei situative Kontexte, in denen Hör- und Hörsehverstehen vorkommen, unterscheiden: die interpersonale Begegnung und die mediale Rezeption. Während in ersterer zumeist die Möglichkeit besteht, durch Rückfragen oder außersprachliche Signale an den Kommunikationspartner Einfluss auf den sprachlichen Input zu nehmen, ist dies bei rein medialem Hörverstehen (Radio, Film, Fernsehen usw.) nicht möglich. Eine Differenzierung auditiver und audiovisueller Medien in Produkt- und Prozessmedien (vgl. Jung 4 2006: 233 f.) ist insofern sinnvoll, als sie auf einen wichtigen Unterschied unterrichtlicher Handhabungsmöglichkeiten verweist. Zu den Prozessmedien zählen Rundfunk- und Fernsehsendungen bzw. ihre Träger. Da ihr Kommunikationsmodus an die Echtzeit gebunden ist, sind die spezifischen Hörverstehensprozesse für Fremdsprachenlernende in der Regel mit einem hohen Stress verbunden. Produktmedien wie Audio-CD oder DVD hingegen erlauben Unterbrechungen, Wiederholungen und sonstige Manipulationen, die ein entspannteres Arbeiten ermöglichen, aber nicht unmittelbar auf die gesamte Bandbreite außerunterrichtlicher Realsituationen vorbereiten. Rückgriff auf Weltwissen Bildsignale situative Kontexte interpersonale Begegnung mediale Rezeption Produkt- und Prozessmedien 182 F ertigk e itsbe zogene F unk tion al kommunik ati v e k omp e t enzen Hör-Verstehen Seh-Verstehen Allgemeine Kompetenzen - Weltwissen - Soziokulturelles Wissen Linguistische Kompetenzen - Phonetisch-Phonologische Kompetenz - Lexikalische Kompetenz - Grammatikalische Kompetenz - Semantische Kompetenz Soziolinguistische Kompetenzen - Register - Varietäten - Höflichkeitskonventionen Pragmatische Kompetenzen - Diskurskompetenz - Schemakompetenz - Funktionale Kompetenz Deutung prosodischer Mittel - Stimmqualität - Stimmhöhe - Lautstärke - Länge Verstehen von Handlungen - Aktivitäten - Demonstrieren - Zeigen Dekodierung ikonischer Elemente - Bilder - Landschaften - Objekte Deutung paralinguistischer Merkmale - Gestik - Mimik - Körperhaltung - Augenkontakt - Körperkontakt - Proxemik Verstehen kinematografischer Techniken - Kameraperspektiven, -bewegungen - Montage - Licht, Musik Weltwissen, soziokulturelles Wissen Leseverstehen - Untertitel - Inserts - Schriftzüge Hör-Seh-Verstehen Wahrnehmung, Speicherung, Verarbeitung von Ton und Bild - temporale Beziehung: simultan oder sukzessiv - inhaltliche Beziehung: Kongruenz/ Komplementarität oder Diskrepanz - Repräsentation: dual oder amodal oder integriert - Prozesse: bottom up und top down: Interaktion Selbstverständlich bietet auch der Klassenraumdiskurs mit der Lehrkraft als lebendem Sprachvorbild vielfältige Anlässe des Hörverstehens. Doch im Interesse einer Vorbereitung auf außerunterrichtliche Verwendungssituationen ist eine Konfrontation mit mündlichen Texten unterschiedlicher kompetenter mutter- oder zweitsprachlicher Sprecher/ innen dringend erforderlich. Hierzu bieten die gut verfügbaren auditiven und audiovisuellen Medien eine unverzichtbare Basis. Die Verfahren der Hör- und Hörsehverstehensschulung reichen von isolierten Aufgaben der Lautdiskriminierung bis hin zu komplexen Anforderungen beispielsweise des Filmverstehens. Eine Progression sollte jedoch in der Tab. 10.1 Hör-Seh-Verstehen bei Thaler Bildsignale Klassenraumdiskurs Verfahren der Hör- und Hörsehverstehensschulung Einheit 10 183 D I e F ünF F ertIgk e It en unD Ihre s chulung Regel nicht vom Detail zum Ganzen, sondern umgekehrt verlaufen, d. h. das inhaltliche Verstehen sollte zunächst auf ein tendenziell weniger anspruchsvolles Globalverstehen gerichtet sein, auf dessen Grundlage dann zunehmend das Detailverstehen geschult werden kann. So sind die Mechanismen der Sprachverarbeitung, hier vor allem die top-down-Prozesse, bestmöglich zu nutzen. Vor dem ersten Hören ist es sinnvoll, eine Hörbzw. Hörsehmotivation aufzubauen und das lexikalische wie auch das kontextspezifische Vorwissen der Lernenden zu aktivieren. Exemplarisch listet Thaler (2007: 17, vgl. auch Thaler 2012: 171-180) den möglichen Aufbau einer Sequenz zur Schulung des Hörsehverstehens auf (s. Tab. 10.2). Schritt Phase Funktionen 1 Aufbau einer Hör-Seh-Motivation - Einführung in die Hör-Seh-Situation (Wer, wann, wo? ) - Begründung der Notwendigkeit (Warum lohnt es sich? ) 2 Vorentlastung (nicht: Vorwegnahme) - Erklärung wichtiger Wörter und Strukturen - Vermittlung landeskundlichen Hintergrundwissens 3 Verdeutlichung der ersten Hör-Seh-Absicht - Angabe der Intention: globales oder grobes Verstehen - Stellung und Erläuterung der Vorfragen 4 Erstes Hör-Sehen Präsentation des gesamten Hör-Seh-Textes 5 Kontrolle des Global-/ Grobverstehens - Präsentation der Schülerantworten - Besprechung 6 Verdeutlichung der zweiten Absicht - Vorgabe: detailliertes (selektives, transzend.) Verstehen - Stellung und Erläuterung der Fragen 7 Zweites Hör-Sehen Präsentation des Materials (gesamt oder Ausschnitt) 8 Kontrolle des Detail- Verstehens - Präsentation der Schülerantworten (bzw. Selbst-/ Partnerkontrolle - Besprechung 9 Optional: dritter Durchgang - Drittes Hör-Sehen (Ausschnitt) mit spezieller Aufgabe - Kontrolle der Antworten 10 Abschluss Anschlussaufgaben, Analyse, Diskussion, Transfer, Evaluation, Abrundung Leseverstehen Aus kognitionswissenschaftlicher Perspektive sind die Prozesse des Leseverstehens denen des Hörverstehens sehr ähnlich. In beiden Feldern arbeiten die Lernenden im Zuge einer Interaktion von bottom-up- und top-down-Prozessen mit Inferenzen und Hypothesen - mit dem Unterschied natürlich, dass beim Leseverstehen die sprachlichen Stimuli graphischer Natur sind. Lesen ist zunächst - in den Worten von Liesel Hermes (2010: 196) - ein physiologischer Vorgang, bei dem Globalverstehen Detailverstehen Tab. 10.2 Schulung des Hör- Seh-Verstehens 10.1.2 Inferenzen Hypothesen 184 F ertigk e itsbe zogene F unk tion al kommunik ati v e k omp e t enzen Phonem-Graphem- Korrespondenz Lesepraktiken die Augen mit unterschiedlicher Geschwindigkeit über Schriftsymbole gleiten und diesen Bedeutung entnehmen. Dabei bewegen sich die Augen nicht gleichmäßig und nicht immer auch nur in einer Richtung. Je langsamer diese Bewegungen sind (Leseanfänger/ innen) desto schwieriger ist die Bedeutungsentnahme, weil Zusammenhänge nicht erkannt werden. Mit der Zuweisung von Bedeutung ist schon die psychologische Ebene des Leseverstehens angesprochen. Je schneller Sinnbezüge erfasst und komplexere Zusammenhänge verstanden werden, desto stärker sind die bottom-up-Prozesse bereits automatisiert. Das Erfassen größerer Wort- und Sinneinheiten weist in der Fremdsprache allerdings eine Reihe von Schwierigkeiten auf, die das Lesen in der Muttersprache nicht in ähnlichem Umfang bietet. Die Phonem-Graphem-Korrespondenz ist nämlich in vielen Fällen noch nicht hinreichend vertraut, außerdem sind bestimmte Wortstellungen oder bestimmte idiomatische Ausdrücke und Redewendungen noch ungewohnt. Ferner ist die Zahl unbekannter Wörter deutlich höher und auch vermeintlich bekannte Wörter tauchen bisweilen in noch unbekannten Bedeutungsvarianten auf. Im herkömmlichen, lehrwerkgestützten Fremdsprachenunterricht lernen die Schüler vor allem nur eine Art des Lesens, nämlich das lineare, detaillierte Lesen, welches darauf ausgerichtet ist, sämtliche Einzelheiten des Textes zu erfassen. Dies entspricht jedoch nicht üblichen Lesepraktiken außerhalb von Lehr-/ Lernkontexten. Hier herrscht eine Vielfalt intentionsabhängiger Lesestile. So werden u. a. folgende Lesestile und -intentionen unterschieden (vgl. von einander leicht abweichend Henseler/ Surkamp 2010: 90, Hermes 2010: 198, Thaler 2012: 191 f., Nieweler 2003): - orientierendes Lesen (skimming): einen Text am Layout zur ersten Orientierung überfliegen, - suchendes Lesen (scanning): nach Schlüsselwörtern suchen, - kursorisches Lesen (receptive reading): sich einen Überblick über einen Lesetext, dessen Inhalt, Struktur und Absicht verschaffen, - detailliertes Lesen (intensive reading): einen Text möglichst umfassend verstehen, - extensives Lesen (extensive reading): möglichst rasch große Textmengen bewältigen, - analytisches Lesen (close reading): die Strukturmerkmale eines Textes erfassen, - kritisches Lesen (critical reading): zwischen den Zeilen lesen, den Kontext bedenken, - kombiniertes Lesen (combined reading): zwischen den o. g. Lesestilen bedarfsgerecht wechseln. Ein Ziel des Fremdsprachenunterrichts, so der heutige fremdsprachendidaktische Konsens, sollte sein, Lernende möglichst früh mit diesen Varianten des Einheit 10 185 D I e F ünF F ertIgk e It en unD Ihre s chulung Strategien Techniken Bereitstellung Vor der Lektüre - relevantes Vorwissen aktivieren - Aufmerksamkeit fokussieren, Interesse lenken Pre-reading activities - Hypothesen über Textsorte, Textinhalt etc. bilden - sich auf Überschriften, grafische Hervorhebungen, Bilder konzentrieren - Fragen an den Text formulieren - Wortfelder erarbeiten Während der Lektüre - fortlaufend relevantes Vorwissen aktivieren - fortlaufend Leseerwartung und Textinhalt vergleichen While-reading activities - Lektüre unterbechen und Hypothesen und Fragen formulieren - Think aloud Erschließung Kompensationsstrategien Unverstandene Textelemente erschließen oder kompensieren - unwichtige Textelemente überlesen - im lexikalisch-semantischen Bereich erschließen - im strukturellen Bereich erschließen - mit Hilfsmitteln umgehen - kontrollieren und evaluieren - zum Textverständnis nicht notwendige unbekannte Wörter durchstreichen, - Positivlesen - Wörter über Internationalismen, Muttersprache, andere Fremdsprachen, sprachimmanente Ableitungsregeln, Kontext erschließen - Unterstreichen, gliedern, Fragen formulieren - Mit dem Wörterbuch arbeiten - Abschnitte (gegebenenfalls auf Deutsch) zusammenfassen Inferierungsstrategien - Im Text nur implizit enthaltene Informationen erschließen - Logische Strukturen eines Textes mithilfe von Schemata (graphic organizers) visualisieren Verarbeitung Anpassen des Lesestils an Leseintentionen, Text, Rahmenbedingungen - orientierend (skimming) - suchend (scanning) - kursorisch (receptive) - detailliert (intensive) - analytisch (close) - argumentativ (responsive) - kombiniert (combined) - skimming: Text am Layout zur ersten Orientierung überfliegen - scanning: nach Schlüsselwörtern suchen - Schlüsselwörter unterstreichen - Note-taking: Notizen zum Inhalt einzelner Abschnitte anfertigen - Symbole einfügen - Visualisieren - SQ3R-method (Survey, Question, Read, Recite, Review) Aufbereitung - Wissen rekonstruieren und verdichten - Gelesenes in Vorwissen und persönliche Erfahrungen integrieren (elaborative Strategien) - Textinhalt bewerten - Hauptgedanken/ Thema einzelner Textabschnitte notieren - Text in einem Satz zusammenfassen - Anschlusskommunikation pflegen Tab. 10.3 Texterschließungsstrategien und -techniken bei Henseler/ Surkamp 186 F ertigk e itsbe zogene F unk tion al kommunik ati v e k omp e t enzen informationsentnehmendes Lesen literarisches Lesen pre-, while-, postreading Leser-Lerner- Tagebuch Lesens vertraut zu machen und sie so zu einer größeren Selbständigkeit im Umgang mit Texten, insbesondere mit nichtdidaktisierten Texten zu führen. Dabei sind Varianten informationsentnehmenden Lesens vor allem im Umgang mit referentiellen Texten von Bedeutung, während beim literarischen Lesen die Interaktion zwischen Text und Leser im Mittelpunkt steht. Literarische Texte wollen ja ästhetisch gelesen werden, kognitiv-affektive Reaktionen auslösen, an den Erfahrungsschatz der Leser anknüpfen (s. auch Einh. 13). Mit einem rein informationsentnehmenden Lesen wird man ihnen daher nicht gerecht. Literarisches Lesen in der Fremdsprache braucht aus diesem Grunde mehr Zeit. Gadamer ( 6 1990: 391) spricht treffend von einem „gesteigerten Fall von hermeneutischer Schwierigkeit“. Hermeneutische Verstehenskonzepte gehen davon aus, dass jegliches Textverstehen von dem Vorwissen und den Vorerwartungen bestimmt wird, die Lesende an den Text heranträgt. Für die unterrichtliche Schulung des Leseverstehens ist daraus zu folgern, dass der Aktivierung des Vorwissens und dem Aufbau einer Leseerwartung eine besondere Bedeutung zukommt. Gängige Unterrichtvorschläge gliedern sich zumeist in eine pre-, while- und post-reading-Phase. Das Zusammenwirken lernerseitiger Strategien und Techniken des Leseverstehens illustrieren Henseler/ Surkamp (2010: 89) (s. Tab.-10.3). Was die Ebene lehrerseitiger Impulse angeht, wird gemeinhin ebenfalls in die drei Phasen vor, während und nach der Lektüre unterschieden. In vager Anlehnung an Haß (2006: 88 f.) lassen sie sich wie in Tab. 10.4 dargestellt systematisieren. Bei dem in der Tabelle 10.4 genannten Leser-Lerner-Tagebuch handelt es sich um ein Verfahren, das besonders im Umgang mit längeren literarischen Texten Verwendung findet. Es geht von rezeptionstheoretischen Grundannahmen aus, denen zufolge die Lesenden die im Text enthaltenen Leerstellen mit ihren Deutungshypothesen füllen, den Text nach weiteren Anhaltspunkten für ihre Vermutungen befragen und so in einen Dialog mit dem Text eintreten. Das Leser-Lerner-Tagebuch soll anhand bestimmter von der Lehrkraft vorgegebener Leitfragen, die sich sowohl auf Gedanken und Gefühle als auch auf Erschließungsschwierigkeiten und deren mögliche Behebung beziehen, diesen Dialogprozess protokollieren. Es ist vom Anspruch her ein Medium genauerer Erkenntnis, und dies in einem dreifachen Sinn. Zum einen sollen sich die Lesenden über die eigenen subjektiven Reaktionen und Verstehenshypothesen Rechenschaft ablegen und somit die eigenen kognitiv-affektiven Sichten reflektieren. Auf diese Weise kann das Leser-Lerner-Tagebuch zugleich auch zu einem eingehenderen Verständnis des Textes selbst führen. Letztlich dient es der Bewusstmachung individueller Lese- und Sprachlernstrategien - ein Aspekt, auf den wir in Einheit 11 zurückkommen werden. Einheit 10 187 D I e F ünF F ertIgk e It en unD Ihre s chulung Pre-reading • Hinführung zum Thema, z. B. - Anknüpfen an Aktuelles oder selbst Erlebtes - Sammeln von Eindrücken und Assoziationen zu thematisch einschlägigen Bildern • Aufbau von Lesemotivation, z. B. - Eingehen auf Schülerinteressen - Reaktivierung des schülerseitigen Vorwissens - Aufzeigen von Wissensdefiziten - provokative Statements - Lesen von Überschriften, „Textaufreißern“ (bei kürzeren Sachtexten) oder von Klappentexten (bei Büchern) - Formulieren von Spekulationen zu im Text angesprochenen Problemen (bei Sachtexten) oder zum Handlungsablauf und Figurenarsenal (bei literarischen Texten) • Formulierung von Leseaufgaben, z. B. - Fragen/ Aufgaben zu im Text angesprochenen Problemen bzw. zum Handlungsablauf, zu Personen und ihren Handlungsmotiven - Leseaufträge, die unterschiedliche Lesestile und -strategien erfordern - nach Anforderungsgrad differenzierte Leseaufträge - lexikalische und/ oder strukturelle Vorentlastungen (möglichst wenige) - Vereinbarung jeweils passender Lesestile Whilereading • stilles Erlesen • Bearbeitung der Leseaufträge (in der Regel allein, ggf. aber auch zu zweit oder in Kleingruppen) • Verfassen eines Leser-Lerner-Tagebuchs Post-reading • Vortrag und Vergleich der Ergebnisse • Anschlussaktivitäten, z. B. - eigene emotionale Reaktionen zum Gelesenen schildern (v. a. bei literarischen Texten) - über den Inhalt des gesamten Textes berichten (v. a. bei Sachtexten) - Zwischenüberschriften finden - einen Textteil spielen (bei literarischen Texten) - Bilder/ graphische Darstellungen zum Text anfertigen - Textalternativen verfassen (anderen Schluss finden, …) - eine Stellungnahme/ Kritik zum Text schreiben - weitere Informationen zum Text im Internet recherchieren - eine Pro-/ Kontra-Debatte planen und durchführen - eine Befragung zum Thema planen und durchführen Sprechen Die Fertigkeit des Sprechens lässt sich grob untergliedern in monologisches und dialogisches/ interaktives Sprechen. Ersteres betrifft Vorträge und längere Redebeiträge wie Argumentationen, das Erzählen von Geschichten, Letzteres die Teilnahme an funktionaler Alltagskommunikation, an Diskussionen usw. In ähnlicher Weise unterscheidet der GeR (Europarat 2001) zwischen den Anwendungsbereichen „An Gesprächen teilnehmen“ und „Zusammenhängendes Sprechen“. In beiden lassen sich form- und inhaltsbezogene Aspekte Tab. 10.4 Verfahren der Leseschulung 10.1.3 Teilnahme an funktionaler Alltagskommunikation 188 F ertigk e itsbe zogene F unk tion al kommunik ati v e k omp e t enzen Aussprache Sprechen als interaktiv strukturierter Prozess differenzieren. Was die erstgenannten angeht, verdienen die Komponenten der Aussprache, Intonation und Prosodie besondere Beachtung, denn sie verleihen jeder Sprache ihre eigenen, unverwechselbaren, sinnlich erlebbaren Merkmale. Zudem tragen sie ganz erheblich zu Erfolg oder Nicht-Erfolg kommunikativer Anstrengungen bei. Eine gute Beherrschung der Aussprache korreliert ferner in hohem Maße mit Hörverstehensleistungen. Dennoch wird ihr in unterrichtlichen Zusammenhängen oft nicht die gebührende Aufmerksamkeit zuteil. Das gesamte Spektrum der komplexen Fertigkeit des Sprechens zeigen Hu/ Leupold (2008: 64 f.) auf, wenn sie schreiben: Ein funktionierendes Zusammenspiel zahlreicher Komponenten ist erforderlich, um dialogisch oder aber auch monologisch zu sprechen: artikulatorische, phonologische, grammatische, semantische, textuelle, sozio- und pragmalinguistische Kompetenzen, ebenso wie Weltwissen in Form von Schemata und Skripts, müssen miteinander interagieren, um einen Dialog aufrechtzuerhalten, um Informationen zu vermitteln, um sich selbst darzustellen, kurz: um mündlich zu kommunizieren […]. Sprechen mit oder vor anderen bedeutet darüber hinaus ein gewisses Sich-exponieren und ist - nicht zuletzt in unterrichtlichen Settings - oftmals mit Emotionen wie Angst oder Scham, andererseits aber auch mit Freude und Stolz besetzt […]. Von der psycholinguistischen Forschung sind weniger die affektiven als vielmehr die kognitiven mentalen Vorgänge von der Sprechabsicht hin zur artikulierten Äußerung näher untersucht worden. Durchgesetzt haben sich hierbei Modellierungen, die das Sprechen als einen interaktiv strukturierten Prozess darstellen. Sie gehen davon aus, dass gleichzeitig unterschiedliche Prozesse ablaufen. Dies wird an einer an Levelt orientierten, vereinfachten Darstellung deutlich, die Wolff (2000: 14 bzw. 2002b: 211) vorstellt (s. Abb. 10.1). Der Weg von einer präverbalen Phase der Planung über eine mentalsprachliche Realisierung (internal speech) zu der artikulierten Äußerung ist dem Modell zufolge also von der Beteiligung dreier unterschiedlicher Systeme geprägt: des Konzeptualisierungs-, des Formulierungs- und des Artikulationssystems. Ihnen zu unterschiedlichen Phasen des Prozesses zugeordnet sind Rückgriffe auf den Weltwissensspeicher und auf den Sprachspeicher. Im Unterschied zu seriellen Sprechmodellen geht man davon aus, dass alle Teilsysteme gleichzeitig arbeiten, sobald ein erster Impuls erfolgt ist. Es muss folglich nicht ein bestimmter Schritt abgeschlossen sein, bevor der nächste einsetzen kann. Interessant ist, dass nicht durchgängig die Überprüfung der mentalen Vorgänge durch einen internen Monitor angenommen wird. Diese Funktion wird vielmehr weitestgehend vom Hörverstehenssystem übernommen: „Der Sprecher hört mit, während er plant und während er spricht, und bricht die Artikulation ab, wenn er mit dem Geplanten bzw. Artikulierten nicht einver- Einheit 10 189 D I e F ünF F ertIgk e It en unD Ihre s chulung standen ist“ (Wolff 2000: 15). Fremdsprachenlerner/ innen sind beim Sprechen natürlich mit besonderen Problemen konfrontiert. Ergebnisse der Psycholinguistik und der Spracherwerbsforschung zeigen, dass sie in hohem Maße dazu tendieren, Formulierungen in der Zweitsprache auf der Grundlage ihrer Erstsprache zu bilden. Auf dem Weg von der Konzeptualisierung zur inneren Verlautbarung im Formulierungssystem findet somit noch ein Zwischenschritt statt, der eine muttersprachliche Phase vor die zielsprachliche rückt. Das ist in den meisten Fällen kontraproduktiv, da die sprachlichen Mittel nicht in vergleichbarer Breite und Differenzierung zur Verfügung stehen und da die Strukturen, die lexikalischen Konzepte sowie die muttersprachlich verankerten kulturellen Skripte nicht deckungsgleich sind. Die Untersuchungen ließen aber auch erkennen, dass L2-Sprecher vielfach versuchen, aus der Muttersprache vertraute Strategien auf die Zielsprache zu übertragen. Ein Beispiel hierfür ist der Einsatz bestimmter feststehender Floskeln und Redewendungen, die aufgrund ihrer automatisierten Verfügbarkeit nur wenig Verarbeitungskapazitäten binden und dem Sprechenden daher mehr Zeit für andere Anteile der konzeptuellen und sprachlichen Planung von Äußerungen lassen. Gleichzeitig fungieren derartige Floskeln oft als kommunikative „Schmiermittel“, die den Redefluss in Gang halten und so einem vorzeitigen Kommunikationsabbruch vorbeugen. Fremdsprachenlernende neigen darüber hinaus dazu, ihre Abb. 10.1 Paralleles Sprechmodell nach Levelt Fremdsprachenlernende beim Sprechen 190 F ertigk e itsbe zogene F unk tion al kommunik ati v e k omp e t enzen Schulung von Sprechfertigkeiten Adressaten- und Situationsangemessenheit Ausspracheschulung 10.1.4 Prozesse des Monitoring Aussagen inhaltlich zu reduzieren, um sie zielsprachig äußern zu können. Umgekehrt gewähren sie bestimmten inhaltlichen Aspekten mehr Raum, als sie es in einer muttersprachlichen Kommunikation tun würden, einzig und allein deshalb, weil sie die sprachlichen Mittel zu ihrer Äußerung besitzen (vgl. Wolff 2000: 16 sowie die Ausführungen in Einheit 11.2.3). Eine gezielte Schulung von Sprechfertigkeiten sollte u. a. darauf gerichtet sein, feststehende Redewendungen zu trainieren, um so den Umweg über eine muttersprachliche Konzeptualisierung vermeiden zu helfen. Auch bildgestützte Verfahren bieten sich besonders an, da sie als nichtsprachliche Impulse die Aufmerksamkeitszentrierung auf die vorsprachlichen Konzeptualisierungsvorgänge erleichtern. Generell ist es jedoch nicht einfach, inhaltlich anregende Anlässe und Themen zu finden, die bei den Schüler/ innen echte Mitteilungsabsichten wecken. Am meisten haben sich hier handlungsorientierte Verfahren (s. u.) bewährt. Im Unterricht sollten ferner sowohl monologische als auch dialogischinteraktive Sprechsituationen zur Geltung kommen. Im Hinblick auf die Unterschiedlichkeit von Gesprächssituationen ist die Vertrautheit mit soziolinguistischen Grundlagen sprachlicher Register eine wesentliche Voraussetzung für Adressaten- und Situationsangemessenheit mündlichen Sprachverhaltens. Integrativ, durchaus aber punktuell auch gesondert, sind in allen Feldern mündlicher Äußerungen zudem die spezifischen Belange einer Ausspracheschulung zu berücksichtigen. Dabei sollten über den Horizont korrekter Phonetik hinaus die intonatorischen bzw. prosodischen Aspekte und mit ihnen die affektiven Ausdrucksmodulationen des Sprechens nicht zu kurz kommen. Schreiben Ebenso wie Hör- und Leseverstehen weisen auch Sprechen und Schreiben untereinander jeweils gewisse Ähnlichkeiten auf. Vieles von dem, was oben zur Sprechfertigkeit gesagt wurde, lässt sich auch auf die Fertigkeit des Schreibens übertragen. So ist der Weg von einer schriftlich zu kodierenden Mitteilungsabsicht bis hin zur graphischen Realisierung in Analogie zum parallelen Sprachproduktionsmodell nach Levelt zu verstehen. Denn auch das Schreiben durchläuft Prozesse präverbaler Konzeptualisierung in Rückkoppelung mit jenen, die im Formulierungssystem stattfinden. Es steht jedoch nicht unter dem Zeitdruck mündlicher Sprachproduktion und kann daher in verstärktem Maße Prozesse des Monitoring aktivieren. Wie bei mündlicher Kommunikation sind beim adressatenbzw. mitteilungsbezogenem Schreiben die jeweils spezifischen Diskursgewohnheiten zu beachten. Private SMS oder E-Mails folgen bekanntlich anderen Regeln als ein berufliches Bewerbungsschreiben. Derartige Registerunterschiede zu beherrschen ist Teil einer soziolinguistischen wie auch einer pragmatischen Kompetenz, also ein Kernbereich des Leitziels Kommunikative Kompetenz (s. Einheit 6.4). Einheit 10 191 D I e F ünF F ertIgk e It en unD Ihre s chulung Im fremdsprachendidaktischen Kontext - wie in allen unterrichtlichen Zusammenhängen - erfüllt das Schreiben aber auch andere Funktionen als eine rein kommunikative, nämlich die einer Lernhilfe oder eines Lernmediums. Adelheid Schumann (2009: 198) unterscheidet zwischen einer lernprozess- und einer produktorientierten Variante: - lernprozessorientiertes Schreiben: Fixieren und Verarbeiten des Gelesenen oder Gehörten, Zusammenstellen und Üben des Wortschatzes, Üben der Grammatik und der Rechtschreibung, Reflexion des Gelesenen (Lesetagebuch), Reflexion des Lernprozesses (Portfolio) - produktorientiertes Schreiben: Vorbereiten der Textproduktion (thematische Recherche, Ideensammlung, Mind-Map, Gliederung), Zusammenfassen, Analysieren und Kommentieren des Gelesenen oder Gehörten, kreative Weiterverarbeitung des Gelesenen oder Gehörten Die in der Vergangenheit starke Fokussierung des Lehrens und Lernens auf Schriftlichkeit (s. Einheit 6.3.1), gerade in der Funktion einer (vermeintlichen) Lernhilfe, hat sich oft als demotivierend und der selbständigen kommunikativen Sprachverwendung nicht förderlich erwiesen. Dies sollte in Bezug auf die Schulung der Schreibfertigkeit im Blick behalten werden. In allen Verwendungsbereichen ist vielmehr darauf zu achten, dass den einzelnen Lernenden die Sinnhaftigkeit ihres Tuns längerfristig einleuchtet. Dies wird in der Regel darauf hinauslaufen, den mitteilungsgegenüber den lernprozessbezogenen Aspekten des Schreibens Vorrang einzuräumen und nach Anlässen authentischer schriftlicher Kommunikation zu suchen. Gerade die Formen neuer Schriftlichkeit (E-Mails, Blogs usw.) bieten hier ein noch lange nicht ausgeschöpftes Potenzial (vgl. hierzu Nünning/ Nünning 2003, Hallet 2014). In einschlägigen Publikationen zur Schreibschulung wird vielfach ein Vier- Phasen-Modell vorgeschlagen. Hinz (2003: 354) sieht z. B. eine Stufung in die Phasen der Ideensammlung, der Planung, des Schreibens und des Überarbeitens vor (vgl. auch Thaler 2012: 204). Die Sammlung von Gedanken kann z. B. in Form eines Clusters oder einer Mindmap erfolgen, während die Planungsphase eine Strukturierung der Gedanken bis hin zur Erstellung eines Textplans (in der Regel: Einleitung, Hauptteil, Schluss) umfasst. In der Überarbeitungsphase wird der Text auf Merkmale der Textualität (Kohärenz und Kohäsion, also Stimmigkeit inhaltlicher bzw. lexiko-grammatischer und syntaktischer Bezüge) sowie auf sprachliche Richtigkeit hin durchgesehen bzw. korrigiert. Hu/ Leupold (2008: 64) warnen mit Bezug auf das Französische allerdings zu Recht davor, dem Kriterium formaler Korrektheit zu viel Gewicht beizumessen. Denn eine mangelnde Beherrschung der Orthographie behindert in der Tat die Kommunikation im Schriftlichen weit weniger als eine stark defizitäre Aussprache im Bereich des Mündlichen. Lernhilfe Definition Anlässe authentischer schriftlicher Kommunikation Vier-Phasen-Modell 192 F ertigk e itsbe zogene F unk tion al kommunik ati v e k omp e t enzen 10.1.5 Definition Sprachmittlung ‚Sprachmittlung‘ war lange Zeit ein Oberbegriff für Dolmetschen und Übersetzen, also für das Übertragen von mündlichen bzw. schriftlichen Texten von einer Sprache in eine andere (vgl. Königs 2010b: 96). Auf die lange Tradition und die kontrovers diskutierte Bedeutung sprachlicher Übertragungen im Rahmen fremdsprachlichen Lernens sind wir in Einheit 4 bereits eingegangen (vgl. auch Königs 2010b: 97 f.). Wenn heutzutage in fremdsprachendidaktischen Kontexten von Sprachmittlung die Rede ist, bezeichnet der Begriff jedoch etwas deutlich anderes: Entsprechend dem sprachpragmatischen Ansatz des Referenzrahmens ist mit Sprachmittlung die Fähigkeit gemeint, in mündlicher und schriftlicher Kommunikation Dritten, die einer bestimmten Sprache nicht mächtig sind, zu einer rudimentären Partizipation an der Kommunikation zu verhelfen. Für sprachmittelnde Aktivitäten ist daher kennzeichnend, dass sie vor allem adressaten- und situationsgerecht sind. Dabei reicht es in der Regel, sprachliche Mitteilungen sinngemäß wiederzugeben. Im Fokus stehen folglich Situationen, in denen z.B. Spanischlernende nichtsprachkundigen Partnern eine auf Spanisch vorliegende Speisekarte erläutern oder ihnen helfen, die Rechnung zu begleichen, eine E-Mail zu verfassen oder dergleichen. Vielfach wird in fremdsprachendidaktischem Kontext auch hierzulande der Begriff Mediation synonym verwendet. Dies geschieht in Analogie zum Englischen, verkennt jedoch, dass der Begriff im Deutschen anders besetzt ist, nämlich als Bezeichnung von Konfliktberatung und -lösung im psychologischen Feld. Die Sprachmittlung als Fertigkeit oder sprachliche Teilkompetenz hat sich erst über das Kompetenzmodell des GeR in der Fremdsprachendidaktik etablieren können. Ein Stufenmodell der Sprachmittlung sucht man im GeR allerdings vergebens. Zur Schulung dieser Fertigkeit gibt es bislang vergleichsweise wenige Erfahrungen und Vorschläge; erst seit 2008 ist dem Thema eine breitere Aufmerksamkeit geschenkt worden (vgl. u. a. Rössler 2008, Kolb 2009, Haß 2011, Caspari/ Schinschke 2012, Reimann/ Rössler 2013). In Lehrwerke finden einschlägige Aufgabenstellungen zwar mittlerweile Einzug, sie beschränken sich jedoch in der Regel auf ein sehr überschaubares Spektrum von Basissituationen. Desgleichen haben die Aufgabenbeispiele, die von Seiten des Instituts für Qualitätsentwicklung im Bildungswesen (IQB o. J.) im Auftrag der deutschen Kultusministerkonferenz entwickelt wurden, die Sprachmittlung an verschiedenen Stellen zum Gegenstand. Ihr Anwendungsbereich ist im Vergleich zu dem der anderen Fertigkeiten hingegen deutlich begrenzt. Zumeist sind einschlägige Aufgabenstellungen eingebettet in eine integrative Fertigkeitsschulung, zumal Sprachmittlung immer auch Hörund/ oder Leseverstehen sowie Sprechen und/ oder Schreiben einschließt. Darüber hinaus Einheit 10 193 V erFa hren Int egr atI V er F ertIgk e Itsschulung 10.2 Handlungs-/ Aufgabenorientierung Simulation globale kommt ihr gerade auch im Kontext interkulturellen Lernens (s. Einheit 12) eine besondere Bedeutung zu, wie Almut Küppers (2012) an dem Mediator Alex, einer Filmgestalt aus Everything is Illuminated anschaulich zeigt. Denn Sprachmittlung ist ohne Kulturmittlung oft kaum möglich, da es jeweils den kulturellen Bedeutungsrahmen der zu mittelnden Äußerungen mit zu bedenken gilt, will man den Postulaten von Adressatenbezug, Sinn- und Situationsangemessenheit hinreichend Rechnung tragen. Verfahren integrativer Fertigkeitsschulung im Zeichen von Handlungs- und Lernaufgabenorientierung Integrative Fertigkeits- und Kompetenzschulung folgt in aktuellem Verständnis den in Einheit-6 angesprochenen Prinzipien von Handlungs- und Aufgabenorientierung. Vor dem Hintergrund der bildungspolitisch gewollten Kompetenz- und Standardorientierung hat sich das Verständnis von „Aufgaben“ hierzulande allerdings etwas gewandelt, wie weiter unten dargelegt werden soll. Doch schon in den Jahren zuvor gab es vielfältige Ansätze den genannten Prinzipien zur Geltung zu verhelfen. Neben Projekten wie dem in Einheit- 6 skizzierten Airport-Projekt seien hier lehrwerksunabhängige Unterrichtsszenarien genannt. Zu ihnen zählen beispielsweise die mit großem Erfolg praktizierten Simulations globales (vgl. Debyser 1986, Arendt 2003), das Verfahren der Storyline (vgl. Fehse/ Kocher 1998) oder das Stationenlernen (vgl. Lusar 2001, Teichmann 2002). Die beiden erstgenannten sehen vor, dass die Lernenden vor dem Hintergrund eines situativen und narrativen Impulses ein fiktionales Geschehen entwickeln, dessen Rahmen, Akteure und Handlungssequenzen sie selbst entwerfen. Im Falle einer Simulation globale kommt wesentlich hinzu, dass die Lerner die Rolle der von ihnen geschaffenen fiktionalen Figuren übernehmen, Szenen spielen und somit - in einer simulierten Realsituation - miteinander interagieren. Das bekannteste Beispiel ist eine Simulation zum Thema L’immeuble (Das Mietshaus) von Francis Debyser (1986). In einem ersten Schritt wird das Haus bevölkert, indem die einzelnen Mietparteien festgelegt und den Bewohner/ innen (fiktive) Identitäten zugeschrieben werden. Jede/ r Lernende übernimmt eine fiktionale Gestalt, die er/ sie mit einer schriftlich verfassten Biographie ausstattet und im Folgenden verkörpert. Während von der Lehrkraft nur die groben Rahmenbedingungen vorgegeben werden, entwerfen die Lernenden in Gemeinschaftsarbeit auf diese Weise eine eigene fiktionale Wirklichkeit, in der in einem zweiten Schritt ein besonderes Vorkommnis alle Figuren zu sprachlichen Interaktionen motiviert. Dies kann die Organisation eines Haus- oder Straßenfestes sein, eine gemeinsame Initiative zur Durchsetzung einer verkehrsberuhigten Zone, ein Protest gegen Abrisspläne des Eigentümers usw. Die sprachlichen Aushandlungen erfordern in der Regel sowohl mündliche 194 F ertigk e itsbe zogene F unk tion al kommunik ati v e k omp e t enzen Interaktionen als auch schriftliche Sprachproduktion. Am Ende steht eine- - wie auch immer geartete - Bewältigung der Handlungssituation bzw. eine Lösung des Konflikts. Beim Stationenlernen wiederum absolvieren die Schüler/ innen in einem Parcours - ähnlich wie beim circuit-training des Sportunterrichts - Aufgaben, welche unterschiedliche Wahrnehmungskanäle ansprechen und individuelle Lernwege ermöglichen sollen. Man unterscheidet im Allgemeinen Erarbeitungszirkel (auf sprachformale oder thematische Aspekte bezogene Aufgaben entdeckenden Lernens) von Übungszirkeln (Aufgabenstellungen zur Festigung bereits eingeführten Stoffs). Während Stationenlernen mit relativ geringem Zeitaufwand phasenweise in einen lehrwerksgestützten Unterricht integrierbar ist, stellen Storylines, vor allem aber Globalsimulationen, komplexere Lernarrangements dar, die den Zeitrahmen mehrerer Unterrichtsstunden oder -wochen in Anspruch nehmen. Die Aufgabenorientierung hätte nicht den Stellenwert im schulischen Fremdsprachenunterricht, den sie gegenwärtig besitzt, wäre sie nicht eingebettet in einen fächerübergreifenden, in unterschiedlicher Intensität sogar europaweit verbreiteten Trend neuerer Steuerungsverfahren im Bildungssektor. Wie in Einheit 5 gesehen, sind die Bildungsadministrationen im Zuge einer „empirischen Wende“ vor allem seit der PISA-Studie darum bemüht, Ergebnisse schulischen Lernens durch Testverfahren verlässlicher und vergleichbarer abzuprüfen, um so Einfluss auf den vorlaufenden Lehr-/ Lernbetrieb zu nehmen und letztlich zu einer „Qualitätssicherung“ des Schul- und Unterrichtswesens zu gelangen. In den fremdsprachlichen Fächern stehen hierbei die in dieser Einheit vorgestellten funktional-kommunikativen Teilkompetenzen im Vordergrund. Um sie lernerseits anzubahnen, gilt aufgabenorientiertes Lernen als eine Art „Königsweg“. Allerdings hat sich das Verständnis von Aufgaben im Zuge dieser Entwicklung gewandelt. Für die deutsche Rezeption des task-based-learning lässt sich eine grobe Differenzierung vornehmen zwischen einer engen und einer weiten Fassung. Die erstgenannte ist geprägt von einer Beschränkung auf Alltagskommunikation unter Einschluss von pedagogic und real world tasks. In ihrem Mittelpunkt stehen die Aktivierung von Weltwissen und der Ausdruck von Meinungen und Haltungen. In der weiten Fassung hingegen bezieht Aufgabenorientierung den kreativen Umgang mit Texten und den in ihnen angelegten Sinnbildungsprozessen mit ein. Beabsichtigt ist hier eher eine Generierung von Weltwissen und eine Modifizierung bzw. Bildung von Meinungen und Haltungen. Dominant ist die erstgenannte Variante, für die sich die Bezeichnung „Lernaufgabe“ (s.-Einh. 6.4.2) durchgesetzt hat. Kennzeichnend für beide ist, dass jeder Arbeitszyklus mit der Bewältigung einer sprachlichen Handlungssituation endet und die didaktisch-methodische Planung „vom Ende her“ erfolgt. D. h. sämtliche hinführenden Schritte dienen dazu, die - möglichst komplexe - Zielaufgabe lösen zu können. Stationenlernen Storylines Globalsimulationen „empirische Wende“ Einheit 10 195 V erFa hren Int egr atI V er F ertIgk e Itsschulung Innerhalb eines Verständnisses von „Lernaufgaben“ lässt sich eine relativ große Bandbreite unterschiedlicher Muster finden. Leupold (2008) z. B. schlägt ein Modell vor, das der kleinschrittigen Anbahnung relativ viel Raum gibt und die Realisierung sprachhandelnder Lerner-Lerner-Interaktionen erst am Ende eines Zyklus vorsieht: Lernaufgabenparcours Von der Übung zur Lernaufgabe Übungen - bilden gezielt bestimmte sprachliche Fertigkeiten aus; - umfassen vor allem formbezogene Elemente wie Lexik, Grammatik, Orthografie etc.; - geben dem Lerner eine Grundsicherheit in der Formbeherrschung sprachlicher Strukturen. Lernaufgabentyp 1 - bindet die sprachlichen Fertigkeiten in einen situativen Rahmen ein; - bezieht im Gegensatz zu Übungen die Inhalts- und Bedeutungskomponente ein. Lernaufgabentyp 2 - ist eine offene Aufgabe mit Entscheidungsinstanzen für den Lerner; - fordert zu realen, kommunikativen Aktivitäten auf; - fordert in seiner Bearbeitung den Einsatz unterschiedlicher Kompetenzen; - verbindet prozessorientierte Arbeit mit einer Produkterstellung und -präsentation; - bietet dem Lerner die Möglichkeit, in freier Form sprachlich zu agieren. Wir sehen hieran das Bemühen, aufgabenbasiertes Lernen durch einen langsamen Anstieg von eng begrenzten bis hin zu komplexeren Anforderungen leichter anschlussfähig zu machen an tradierte Formen schulischen Unterrichts. Demgegenüber sieht Hallets (2012) Modell einer „komplexen Kompetenzaufgabe“ schon zu früheren Zeitpunkten eines Aufgabenzyklus die Kon- Abb. 10.2 Lernaufgabenmodell bei Leupold 196 F ertigk e itsbe zogene F unk tion al kommunik ati v e k omp e t enzen frontation der Lernenden mit komplexeren Situationen und Anforderungen vor. Es wird an dem obigen Strukturmodell deutlich, dass Hallet die Verflechtung außerschulischer und innerschulischer diskursiver Praktiken verstärkt in den Blick nimmt. Dies geschieht in der Absicht, die fremdsprachlichen Unterrichtsaktivitäten in den größeren Zusammenhang eines Erziehungsbzw. Bildungsauftrags zu stellen, dessen Hauptziel die Befähigung des Einzelnen zur gesellschaftlichen Teilhabe ist. „Fremdsprachige Diskursfähigkeit“ nennt er daher sein Zielkonstrukt. Unter diesem Vorzeichen stehen die zu erlernenden bzw. zu aktivierenden fremdsprachlichen Teilkompetenzen nicht isoliert für sich, sondern erhalten ihre Bedeutung erst im Rahmen eines größeren Funktionszusammenhangs. Das von ihm entwickelte Modell einer „Komplexen Kompetenzaufgabe“ versteht Hallet (ebd.: 14) gleichermaßen als � Kompetenzmodell im Schnittfeld inner- und außerunterrichtlicher Diskursfelder, � didaktisches Prozessmodell zur Veranschaulichung „der lernerseitigen Tätigkeiten und Prozesse sowie deren Funktion und Verhältnis untereinander im Verlauf der Problembearbeitungen“ (ebd.), � unterrichtspraktisches Planungs- und Strukturierungsinstrument, das Lehrer/ innen in der vorbereitenden, begleitenden und nachbereitenden Reflexion von aufgabeninitiierten Lern- und Arbeitsprozessen“ (ebd.) nutzen können. Abb. 10.3 Aufgabenkonzept, classroom discourse und lebensweltliche (kulturelle) Diskurse bei Hallet Einheit 10 197 V erFa hren Int egr atI V er F ertIgk e Itsschulung Zusammenfassung 8 8 Für den Ablauf des Unterrichts gibt er keinen festen Strukturierungsplan vor, der dem von Leupold analog wäre. Vielmehr macht er deutlich, dass formbezogene Unterrichts- und entsprechende Übungsphasen situationsabhängig an verschiedenen Stellen des Arbeitsprozesses eingebaut werden können. Unter der Federführung des Instituts zur Qualitätsentwicklung im Bildungswesens (IQB) ist in den vergangenen Jahren ein Fundus an Lernaufgaben in den Sprachen Englisch und Französisch erarbeitet worden. Zumeist stehen sie dem Leupold’schen Verständnis näher als dem von Hallet (vgl. IQB o. J.) Auch neuere Lehrwerke versuchen in zunehmendem Maße, sich einem aufgabenorientierten Verständnis zu öffnen. Bislang sind derartige Initiativen allerdings noch eher auf dem Sektor der Erwachsenenbildung als auf dem des schulischen Unterrichts anzutreffen, doch auch hier sind entsprechende Tendenzen unverkennbar. Für das Englische seien Notting Hill Gate (Edelhoff/ Schmidt 2014), für das Französische Tous ensemble (Staub 2013) und für das Spanische ¡Adelante! (Barquero u. a. 2010) genannt. In dieser Einheit gingen wir auf die fünf kommunikativen Teilkompetenzen ein. Hierbei wurde deutlich, dass nicht nur die produktiven (Sprechen und Schreiben), sondern auch die rezeptiven Fertigkeiten bzw. Teilkompetenzen (Hörbzw. Hörsehverstehen und Leseverstehen) und in gesteigertem Maße das fertigkeitenübergreifende Feld der Sprachmittlung eine höchst aktive Leistung verlangen. Da sie in der Realität der Sprachverwendung zumeist nicht isoliert zur Anwendung kommen, sollten sie auch im Unterrichtskontext integrativ und möglichst realitätsnah geschult werden. Dabei spielen Prinzipien der Handlungs- und Aufgabenorientierung, aktuell aber vor allem der Standard- und Kompetenzorientierung eine prominente Rolle. Das in diesem Rahmen herausgebildete Verständnis von Lernaufgaben stellten wir in seinen Grundzügen vor. Aufgaben 1 Sehen Sie sich im Internet die can-do-Deskriptoren des GeR in den einzelnen Fertigkeitsbereichen (Kap. 5.2) (http: / / www.goethe.de/ Z/ 50/ commeuro/ i3.htm) an und bestimmen Sie für eine von Ihnen gesprochene Fremdsprache die Niveaus, die Ihrer Selbsteinschätzung nach für Sie zutreffen. 2 Nehmen Sie neuere Lehrwerke Ihrer Wahl zur Hand (Erscheinungsdatum ab ca. 2008). Versuchen Sie herauszufinden, wie die Fertigkeitsschulung in ihnen angelegt ist, d. h. welche Aufgabenbzw. Übungstypen aus Ihrer Sicht vorherrschen. 3 Suchen Sie sich eine Lernaufgabe aus dem Pool des IQB (https: / / www.iqb.hu-berlin. de/ vera/ aufgaben, 04. 07. 2015) aus und analysieren Sie, welche Elemente von Aufgabenorientierung in ihr erkennbar sind. 198 F ertigk e itsbe zogene F unk tion al kommunik ati v e k omp e t enzen Zum Weiterlesen Bach, Gerhard/ Timm, Johannes-Peter (Hrsg.) ( 5 2013): Handlungsorientierung als Ziel und als Methode. In: Bach, Gerhard/ Timm, Johannes-Peter (Hrsg.): Englischunterricht. Grundlagen und Methoden einer handlungsorientierten Unterrichtspraxis. Tübingen/ Basel: Francke, 1-22. Burwitz-Melzer, Eva/ Königs, Frank G./ Riemer, Claudia (Hrsg.) (2014): Perspektiven der Mündlichkeit. Tübingen: Narr. Ehlers, Swantje (2011): Lesen in der Fremdsprache und Leseinstruktionen. In: Schmenk, Barbara/ Würffel, Nicola (Hrsg.): Drei Schritte vor und manchmal auch sechs zurück. Internationale Perspektiven auf Entwicklungslinien im Bereich Deutsch als Fremdsprache. Tübingen: Narr, 147-160. Küppers, Almut (2012): Lost in Translation. How to unlock the intercultural potential of films. In: Bär, Marcus/ Bonnet, Andreas/ Decke-Cornill, Helene/ Grünewald, Andreas/ Hu, Adelheid (Hrsg.). Globalisierung - Migration - Fremdsprachenunterricht. Baltmannsweiler: Schneider-Verlag Hohengehren, 183-195. 199 11.1 Systematisierungen des GeR Einheit 11 Methodische Kompetenzen Begriffsbestimmungen von Methodenkompetenz Im Verständnis von Eckhard Klieme (2004) bezeichnet ‚Kompetenz‘ die Fähigkeit zur Bewältigung sowohl inhaltsübergreifender als auch situationsspezifischer Anforderungen (s. Einheit- 5). Der erstgenannte Aspekt kommt vielleicht am deutlichsten in der/ den sogenannten methodischen Kompetenz/ en zum Tragen. Zur Klärung: In den Schriften zur Methodenkompetenz sind sowohl der Singularals auch der Pluralbegriff zu finden. Darin drückt sich lediglich eine unterschiedliche Fokussierung auf das spezifisch Verbindende oder die Vielfalt der Einzelelemente aus. Ebenso wie später in Bezug auf interkulturelle Kompetenz/ en verwenden wir beide Varianten unterschiedslos. Doch welche Aspekte dieser fächerübergreifenden Kompetenz haben für das Fremdsprachenlernen eine besondere Bedeutung? Sehen wir uns hierzu zunächst die Systematisierungen des GeR (Europarat 2001) an. Dieser gliedert die Kompetenzen der Lernenden in Allgemeine Kompetenzen und in Kommunikative Sprachkompetenzen, wobei erstere in vier savoirs unterteilt sind. Der französische Terminus wird auch in der englischen und der deutschen Version verwendet, da er sich sowohl auf Wissen als auch auf Können bezieht. Das savoir (ohne weiteren Zusatz) bezeichnet das deklarative Weltwissen, wohingegen savoir-faire das prozedurale Wissen bzw. Fertigkeiten, savoir-être die persönlichkeitsbezogene Kompetenz und savoir-apprendre die Lernfähigkeit betreffen. Letzteres wiederum kommt dem, was andere Texte als methodische Kompetenzen beschreiben, am nächsten. Hierzu heißt es in Kap.-5.1.3 des Referenzrahmens: Savoir-apprendre im weitesten Sinn bedeutet die Fähigkeit zur Beobachtung, zur Teilnahme an neuer Erfahrung und zur Integration neuen Wissens in bereits vorhandenes Wissen, das dabei, wenn nötig, verändert wird. Sprachlernfähigkeiten werden im Verlauf von Lernerfahrungen entwickelt. Sie ermöglichen es dem Lernenden, neue Herausforderungen beim Erlernen einer Fremdsprache effektiver und unabhängiger zu bewältigen, zu sehen, welche Wahlmöglichkeiten bestehen, und Chancen besser zu nutzen. Lernfähigkeit besteht aus mehreren Komponenten, wie etwa: Sprach- und Kommunikationsbewusstsein; allgemeine phonetische Fertigkeiten, Lerntechniken und heuristische Fertigkeiten. 200 M e thodische K oMp e t enzen Systematisierung in den Bildungsstandards Pragmatik und Effizienz 11.2 Bedeutung metakognitiven Wissens Andererseits sind auch Anteile dessen, was der GeR unter der Rubrik „Persönlichkeitsbezogene Kompetenz (savoir-être)“ fasst, als methodische Kompetenzen zu bezeichnen. Dort wird auf den Einfluss von Persönlichkeitsfaktoren auf die Lernfähigkeit verwiesen und danach gefragt, welche von ihnen das Lernen und den Erwerb einer Fremd- oder Zweitsprache fördern bzw. behindern und wie Lernenden geholfen werden kann, Stärken zu nutzen und Schwächen zu überwinden (vgl. ebd.). Die Bildungsstandards für den Mittleren Schulabschluss (KMK 2004) gliedern die sprachrelevanten Kompetenzen demgegenüber, wie oben (in Einheit- 5.4.3) aufgeführt, in drei Hauptbereiche, wovon die methodischen Kompetenzen einer sind. Im Vergleich zum GeR legen die Bildungsstandards der Sekundarstufe den Akzent folglich stärker auf pragmatische Aspekte des Lernens. Der hier aufscheinende Gegensatz zwischen einem anthropologisch fundierten, auf Stärkung der Einzelnen bedachten und einem eher instrumentalistischen, auf Effektivierung der Lernprozesse gerichteten Sprachlehr- und -lernverständnis wird uns im weiteren Verlauf dieser Einheit noch häufiger begegnen. Unverkennbar transportieren derartige didaktisch-methodische Akzentuierungen zugleich unterschiedliche Menschenbilder und (bildungs-) politische Leitvorstellungen. Wir werden uns zunächst mit der Entwicklung und Förderung von Sprachlernkompetenzen beschäftigen. Dabei gehen wir relativ ausführlich auf das Konzept der Lernerautonomie ein, das die fachdidaktische Diskussion in diesem Feld entscheidend geprägt hat. Wir fragen dann nach der Bedeutung von metakognitivem Wissen (Sprachlernbewusstheit) und Lernstrategien für das Sprachenlernen, bevor wir kurz auf kommunikative Sprachverwendungsstrategien zu sprechen kommen und uns schließlich den Medienkompetenzen zuwenden. Einige in diesen Themenbereich fallende Aspekte werden wir allerdings erst in Einheit 13 (literarisch-ästhetische Kompetenzen) näher betrachten, da sie dort breiter einzubinden sind. Aussparen werden wir hier des Weiteren die „Entwicklung kooperativer Lern- und Arbeitsformen“, da wir sie in Einheit 8 (Interaktion) erwähnt haben. Aufbau von Sprachlernkompetenzen Wie in Einheit 3.2 bereits angemerkt, ist in der Fremdsprachendidaktik unter dem Einfluss kognitivistischer Lernforschung die Bedeutung metakognitiven Wissens für den Erfolg des Sprachenlernens neu bewertet worden. Wer weiß, wie er lernt, lernt besser - auf diese kurze Formel lässt sich die auch in den anderen Fachdidaktiken weitgehend einhellig vertretene Grundüberzeugung bringen. Aus ihr sind vielfältige Initiativen erwachsen, welche Schülerinnen dazu anleiten wollen, „das Lernen zu lernen“ - so ein seit jener Zeit programmatisches Schlagwort. Doch mit ihm entsteht sogleich eine gar nicht so leicht zu beantwortende Frage: Wenn das Lernen lernbar ist, ist es dann auch lehrbar? Einheit 11 201 a u F b au Von s pr achlernkomp e t enzen 11.2.1 deskriptiv vs. normativ Wortursprung Oder ist entsprechend den konstruktivistischen Annahmen (s. Einheit-2.3.2) davon auszugehen, dass Lernen durch Instruktion nicht direkt beeinflussbar ist, sondern eine allenfalls mittelbar zu steuernde autonome Aktivität der Lernenden darstellt? Und was heißt eigentlich „autonom lernen“? Das Konzept der Lernerautonomie Der Begriff der Lernerautonomie kam in den 1980er Jahren auf und hat in der Fremdsprachendidaktik schnell ein breites Echo gefunden, man kann geradezu einen modisch-inflationären Gebrauch feststellen. Auf diese Weise ist der Begriff aber so unterschiedlich verwendet worden, dass eine einheitliche Bedeutung kaum mehr auszumachen ist. Barbara Schmenk (2008) spricht hier treffend von einer „Sloganisierung“. Zunächst ist zwischen einem deskriptiven und einem normativen Gebrauch des Terminus zu differenzieren. In einem konstruktivistischen Verständnis ist Autonomie eine unhintergehbare Bedingung des Lernens, m. a. W. man kann nicht nichtautonom lernen. Wäre dies in Theorie und Praxis des fremdsprachlichen Lernens allgemein anerkannt und respektiert, müsste über Lernerautonomie nicht weiter nachgedacht werden. Die Popularität des Konzepts macht hingegen deutlich, dass dem nicht so ist: Weder ist der Konstruktivismus als Basistheorie des Lernens unumstritten, noch verzichtet man in unterrichtlicher Praxis durchgängig auf die Hoffnung, Lernen ließe sich unmittelbar über Belehrung herstellen. Vor diesem Hintergrund entfaltet sich die normative Dimension des Konzepts der Lernerautonomie. Ihr entsprechend sollten die Anstrengungen von Lernenden und Lehrenden darauf gerichtet sein, Lernen im Sinne einer autonomen Wissenskonstruktion möglich zu machen bzw. zu erleichtern oder zu optimieren. Damit ist jedoch noch nicht gesagt, was „autonom“ konkret meint. Dem Wortursprung nach bedeutet es „selbst-“ bzw. „eigengesetzlich“, von griechisch autós ‚selbst‘ und nómos ‚Gesetz‘. Autonom lernt folglich jemand, der die Gesetze und die Regeln, die Inhalte und Verfahren seines Lernens selbst bestimmt. In einem radikalen (also auf die Wurzeln zurückgehenden) Verständnis impliziert dies die Möglichkeit, etwas auch bewusst nicht zu lernen. Angesichts der spezifischen institutionellen Rahmenbedingungen wird schnell klar, dass schulisches Lernen einer so weiten Fassung des Begriffs nicht folgen kann. Nun sind es aber gerade die äußeren, immer ja auch politisch gesetzten Bedingungen des Lernens, gegen die Henri Holec (1980) sich wandte, als er den Begriff prägte. Er setzt die einzelnen Lerner/ innen ins Zentrum seiner-- allerdings von der Erwachsenenbildung ausgehenden - Überlegungen. Der Unterricht, so seine Überzeugung, müsse sich nach den Spracherwerbsmöglichkeiten und -bedürfnissen der Lernenden richten, nicht umgekehrt. Dass dies eine umfassende Umstrukturierung unterrichtlicher Settings mit sich 202 M e thodische K oMp e t enzen Schlüsselbegriff Verantwortlichkeit Leitbild eines good learner Freiheit drei Dimensionen: eine technische, eine psychologische und eine politische Begründungslinien von Lernerautonomie bringen muss, ist ihm sehr wohl bewusst. Lernerautonomie bedeutet für ihn im Wesentlichen, dass der Einzelne Verantwortung über seinen Lernprozess gewinnen kann. Damit ist die Fähigkeit gemeint, Lernziele, -inhalte und -verfahren zu bestimmen, die Kontrolle über den eigenen Lernprozess auszuüben und die Lernergebnisse zu evaluieren. Lernerautonomie hat insofern eine über das Lernen hinausgehende Bedeutung, als sie zugleich auf eine verantwortliche politische Teilhabe an der Gesellschaft vorbereitet. Demgegenüber verengt Anita Wenden (1991) Lernerautonomie auf die Dimension der Lernverfahren. Ihr geht es lediglich um eine Entwicklung optimierter, individuell angepasster Lernstrategien und somit um das Leitbild eines good learner. David Little (1991) wiederum nimmt im Anschluss an Wygotski die Interaktionsbezüge des Spracherwerbs und des Sprachgebrauchs in den Blick (s. Einheit- 2.3.3). Seiner breit rezipierten Position zufolge kann Lernerautonomie nicht absolut sein, da Lernen immer eingebettet ist in soziokulturelle Kontexte und von diesen folglich mitbestimmt wird. Er versteht unter dem Begriff die Fähigkeit der Lernenden, das Unterrichtsgeschehen distanziert-kritisch zu reflektieren, Entscheidungen zu treffen und umzusetzen, von fremder Kontrolle in bedeutsamem Umfang unabhängig zu werden und so ein hohes Maß an Freiheit zu erlangen. Vor dem Hintergrund dieser Begriffsgeschichte sieht Phil Benson (1997: 25) Lernerautonomie dreifach ausgelegt, nämlich: 1. autonomy as the act of learning on one’s own and the technical ability to do so; 2. autonomy as the internal psychological capacity to self-direct one’s own learning; 3. autonomy as control over the content and processes of one’s own learning. In diesen Zugängen erkennt Benson drei Dimensionen, eine technische, eine psychologische und eine politische. Die technische ist weitgehend identisch mit dem, was auch unter autodidaktischem Lernen oder Sebstinstruktion verstanden wird, d. h. ein Lernen ohne Einbeziehung einer Lehrkraft und außerhalb eines institutionellen Rahmens. Ein solches Lernen ist sehr wohl vereinbar mit einem behavioristischen Lernverständnis, vorausgesetzt, es steht ein Angebot programmierten Lernens bereit wie z. B. ein PC-Selbstlernprogramm. Die psychologische Dimension zeigt sich demgegenüber in der von Holec betonten Verantwortung für den eigenen Lernprozess. Der Kontrollaspekt letztlich ist in Bensons Sicht der politischen Dimension zuzurechnen, da er sich auf die Beeinflussung nicht nur des eigenen Lernens, sondern auch der institutionellen Rahmenbedingungen bezieht. Die Breite und Heterogenität des Begriffsfeldes zeigt sich gut an einer Aufstellung unterschiedlicher Begründungslinien von Lernerautonomie als Erziehungsideal, die Lienhard Legenhausen (1998) herausarbeitet. Er unterscheidet Einheit 11 203 a u F b au Von s pr achlernkomp e t enzen Leitbild mündiger, selbstbestimmter und -verantwortlicher Lernender Leitbild autonomer Lernender Leitbild des natürlichen Spracherwerbs � anthropologische und entwicklungspsychologische Begründungen � lerntheoretisch-konstruktivistische Begründungen � sprachlerntheoretische und didaktische Begründungen � sozialpolitische Begründungen „In anthropologische Begründungen“ - so schreibt er (ebd.: 78) - „wird von den Grundbedürfnissen des Menschen ausgegangen, zu denen der Drang nach Selbstverwirklichung und Gewinnung von Kontrolle über die Lebensumstände gehören“. Wir können hier auch eine Verbindung zum motivationspsychologischen Konzept der Selbstbestimmung nach Deci/ Ryan (1985, 1993) und zu den sozialkonstruktivistischen Ansätzen der Sprachlernmotivation nach Williams/ Burden (1997) ziehen (s. Einheit 3.3). Das Gefühl, Kontrolle über den eigenen Lernprozess zu besitzen bzw. die Gewissheit, Ziele, Inhalte und Verfahren als selbstbestimmt zu erleben, wird hier als ein wichtiger, letztlich auch leistungssteigernder Faktor von Lernmotivation gesehen. Wer in diesem Sinne autonom lernt, wird nahezu zwangsläufig den eigenen entwicklungspsychologisch angelegten Lernneigungen und -möglichkeiten folgen und auf eine Integration von Lern- und Erfahrungswelt bedacht sein. Man könnte diese Argumentationslinie auch humanistisch-emanzipatorisch nennen. Ihr Leitbild ist das eines/ r mündigen, selbstbestimmten und selbstverantwortlichen Lerners/ in. Stärker auf die Ebene kognitiver Verarbeitungsmechanismen bezogen sind die oben bereits angesprochenen Aspekte konstruktivistisch orientierter Lerntheorie. Ihnen zufolge impliziert Lernen immer, dass neue Impulse der externen Realität mit den vorhandenen mentalen Wissensstrukturen abgeglichen und auf diese Weise neue Bedeutungen generiert werden. Das zentrale didaktische Postulat besteht darin, den Lernenden eine reiche Lernumgebung zu verschaffen, damit diese vielfältige Anlässe autonomer Wirklichkeitskonstruktionen erhalten. Diese Richtung entstammt der kognitivistischen Lernforschung, ihr Leitbild ist das eines autonomen Lerners. Die drittgenannte Linie einer sprachlerntheoretischen und didaktischen Begründung knüpft an die spracherwerbstheoretische Hypothese der natürlichen Reihenfolge (natural order hypothesis, s. Einheit 2.2.2) an. Denn Sprachlernprozesse können vor dem Hintergrund dieser Annahme dann als besonders erfolgreich angesehen werden, wenn die Lernenden die Möglichkeit erhalten, in authentischen Situationen sprachlich zu interagieren und dabei ihren eigenen Lern- und Mitteilungsbedürfnissen zu folgen. Das zugrunde gelegte Leitbild ist das von Fremdsprachenlernenden, deren Lernprozess in möglichst hohem Maße dem natürlichen Spracherwerb ähnelt und die sich deshalb verhalten wie Sprachverwender/ innen in zweitsprachlichen Kontexten. Die letztgenannte Begründung ist vor dem Hintergrund der gesellschaftspolitischen Bemühungen um eine stärkere Mitbestimmung des Einzelnen und 204 M e thodische K oMp e t enzen damit um eine breitere Verankerung demokratischer Strukturen in den westlichen Industrienationen zu sehen. „Mehr Demokratie wagen! “ - so lautete beispielsweise das Wahlkampfmotto der SPD unter Willy Brandt. Gleichzeitig zeichnete sich immer mehr ab, dass die Halbwertzeit arbeitsmarktrelevanten Wissens immer mehr schrumpfte und wirtschaftliche Umstrukturierungen dem Einzelnen immer größere Anpassungsleistungen abverlangten. Im Bildungssektor entstanden, nicht zuletzt auch auf der Ebene des Europarates, als Antwort auf beide Herausforderungen vielfältige Initiativen, den Einzelnen zu stärken, ihm größere Entscheidungsfreiräume zu verschaffen, ihn damit vor Fremdbestimmung zu schützen, ihn zugleich aber auch zu befähigen, den äußeren Anforderungen einer Wissensgesellschaft besser gewappnet zu sein. Die doppelte Auslegung der Zielformulierung zeigt schon, dass hier durchaus konfliktträchtige Aspekte zusammengebracht werden. Denn die nunmehr propagierte Zielrichtung eines lebenslangen Lernens und der daraus erwachsenden Notwendigkeit, das Lernen zu lernen, lässt sich zwar als Stärkung des Individuums, aber auch als höhere Anpassungsleistung interpretieren. Selbstverantwortung zeigt hier ihren Januskopf: Die Einzelnen sind zunehmend unabhängig, aber eben auch zunehmend allein angesichts einer wachsenden Zahl von Veränderungsnotwendigkeiten. So lässt sich hier ein ambivalentes Leitbild feststellen, das nämlich von Staatsbürgern/ innen, die Verantwortung für sich und für die Gesellschaft übernehmen, die zugleich aber mit immer weniger Unterstützung durch die Gesellschaft rechnen können. Diese verschiedenen Begründungslinien zusammenführend entwirft Hélène Martinez (2005: 72) folgendes integratives Modell von Lernerautonomie: Lernerautonomie als Fähigkeit, die Verantwortung für den eigenen Lernprozess zu übernehmen (Holec 1980) ↓ ↓ ↓ ↓ Philosophische kritisch-politische Perspektive: Fokus auf den strukturellen Machtverhältnissen der Lehr- und Lernsituation (Independenz der Lerner) → ← Technische (situativ-strukturelle) Perspektive: Fokus auf dem Lernkontext/ der Situation (auf den strukturellen Veränderungen der Lehr- und Lernsituation) → ← Psychologische Perspektive: Fokus auf den internen (kognitivindividuellen) Charakteristika der Lerner → ← Sozio-interaktive Perspektive: Fokus auf der sozialen Interaktion als menschliche Dimension ↑ ↑ ↑ ↑ Lernerautonomie als selbstbestimmte Beziehung zum Lerngegenstand und zum Lernprozess Leitbild von mündigen Staatsbürgern/ innen Abb. 11.1 Lernerautonomie bei Martinez Einheit 11 205 a u F b au Von s pr achlernkomp e t enzen Leitbild eines idealen Informationsverarbeiters Scheinautonomie 11.2.2 language awareness Wenn wir uns die oben dargelegte Breite des Ziel- und Begründungsspektrums von Lernerautonomie vor Augen führen, fällt auf, dass die in den Bildungsstandards vorgenommene Fokussierung auf methodische Kompetenzen und deren inhaltliche Bestimmungen eine erhebliche Reduktion darstellen, die als technizistisch einzustufen ist. Bezeichnenderweise kommt der Begriff Lernerautonomie in den Bildungsstandards an keiner Stelle vor. Stattdessen beschränken sich die Zielformulierungen im Wesentlichen auf den Einsatz von Strategien und Techniken des Lernens, der Textverarbeitung, -erarbeitung und -präsentation sowie auf die Aneignung von kooperativen Formen des Arbeitens und Lernens. Eine solche Verengung autonomen Lernens auf das Leitbild eines idealen Informationsverarbeiters kritisiert auch Barbara Schmenk (2004: 73), wenn sie zugespitzt formuliert, der lernende Mensch werde auf diese Weise zum „Manager der je eigenen Lerner-Ich-AG“. Da Fremdbestimmung in den gegenwärtigen westlichen Gesellschaften zwar nicht an Kraft verliere, jedoch immer unsichtbarer werde, werde lediglich eine Illusion von Autonomie erzeugt, die sie als „Scheinautonomie“ zurückweist (vgl. ebd.: 77 f.) Die hieraus zu ziehende Konsequenz sollte jedoch nicht sein, sich vom Autonomiebegriff zu verabschieden, sondern vielmehr das Spannungsverhältnis von Selbst- und Fremdbestimmung bewusst zu erfahren und zu reflektieren. Hierzu bietet gerade der Fremdsprachenunterricht einen wichtigen Raum, so betont auch Schmenk (vgl. ebd.: 79 f.). Damit sind wir bereits beim Thema „Sprachbewusstheit und Sprachlernbewusstheit“. Sprach(lern)bewusstheit Der Ursprung der didaktischen Diskussionen um Sprachlernbewusstheit geht zurück auf das Prinzip der language awareness und dessen Weiterentwicklung zur language learning awareness. Angestoßen wurde die Entwicklung durch Eric Hawkins und sein viel beachtetes Buch Awareness of Language. An Introduction (1984). Es knüpft an Ergebnisse einer empirischen Erhebung in Großbritannien aus dem Jahre 1975 an, die gravierende sprachliche Mängel bei Abgängern der Primarschule diagnostizierte und zwar besonders bei zweisprachig aufgewachsenen Migrantenkindern. Interessant und weiterführend war jedoch die Erkenntnis, dass diejenigen Migrantenkinder die besten Englischleistungen erbrachten, die intuitiv ihre Erstsprache mit der Zweitsprache verglichen, daraus Hypothesen ableiteten und so eine diffuse Aufmerksamkeit auf die Ebene sprachlicher Kodierungen richtete. Diese Aufmerksamkeit bezeichnete Hawkins als awareness. Eine unmittelbare Entsprechung des Wortes im Deutschen gibt es nicht. Gemeint ist eine Wachheit für bestimmte Zusammenhänge, nicht weit entfernt von dem, was in der Psychoanalyse als „gleichschwebende Aufmerksamkeit“ bezeichnet wird. Sie steht im Gegensatz zur Strukturiertheit und Explizitheit formalisierten Wissens. Während Letztere sich unmittelbar lehren und bewusst lernen lassen, entspricht Erstere eher 206 M e thodische K oMp e t enzen 5 Dimensionen von language awareness einer fragenden Grundhaltung, die der Einzelne über eine Veränderung eigener Lernhaltungen und Wirklichkeitsaneignungen erst langsam entwickeln kann. Man kann hier auch von einer Art „reflexiven Lernens“ sprechen, da der Einzelne den Gegenstand und den Prozess des Lernens einer analysierenden und bewertenden Betrachtung unterzieht. In Awareness-Konzepten stehen die einzelnen Lerner/ innen mit ihren Wahrnehmungen im Zentrum des Interesses, nicht primär die „Sache“, hier also die Sprache. Diese ist implizit mitgegeben als Objekt der Aufmerksamkeit. Entscheidend ist folglich die Art und Weise, wie sich Sprache der/ m Einzelnen darstellt bzw. wie diese/ r sich die Sprache erschließt. Dabei kommen jedoch nicht nur sprachformale Aspekte in Betracht, sondern auch und vor allem eine kognitiv-affektive Ebene in der Wahrnehmung und Bewertung eigenen und fremden Sprachgebrauchs. Mit einer solchen Ausdehnung ist der Begriff natürlich schwer begrifflich und noch schwerer empirisch zu fassen (vgl. u. a. Knapp 2013: 75). Claus Gnutzmann (2010b: 116ff.) unterscheidet insgesamt folgende fünf Dimensionen (oder auch ‚Domänen‘) von Language Awareness: � die affektive Dimension. Sie kommt in der Herausbildung von Einstellungen und Gefühlsäußerungen der Lernenden zu sprachlichen Phänomenen zum Tragen, z. B. zur sog. bad language. � die soziale Dimension. Sie manifestiert sich in der Beziehung von Sprecher/ innen und Hörer/ innen und dem daraus resultierenden Sprachverhalten, z. B. die Differenz von Standardvarietät gegenüber Sozio- und Dialekten. � die politische Dimension. Sie verdeutlicht, dass Sprache auch ein wesentliches Vehikel zur Durchsetzung von Herrschaftsinteressen sowie zur Manipulation von Einstellungen ist, z. B. in politischen und Werbetexten. Dieser Bereich wird auch als critical language awareness gefasst (vgl. Fairclough 1992). � die kognitive Dimension. Sie bezieht sich auf die geistige Durchdringung des Systems Sprache, also auf das Erkennen von sprachlichen Einheiten, von Kontrasten und Regularitäten einschließlich ihrer Funktionen und Verwendungen, dies nicht zuletzt im Rahmen von Fehlerbetrachtung. � Die performative Dimension. Bei ihr geht es laut Gnutzmann (ebd.: 118) darum, „ob und inwieweit Schüler durch Wissen über die Sprache in ihrer Sprachfertigkeit und in ihrer Fähigkeit, Grammatik und Wortschatz in Bezug auf ein Kommunikationsziel möglichst effektiv zu verwenden, gefördert werden können.“ In Bezug auf die in Einheit 3.1 und Einheit 2.2.2 angesprochene Kontroverse um die Beziehungen zwischen Sprachwissen und Sprachkönnen wird hier die Auffassung vertreten, dass sehr wohl eine, wenngleich nicht sehr starke Verbindung bestehe („weak interface“- Hypothese). Alle fünf Dimensionen sind eng miteinander verbunden, keine kommt ganz ohne die anderen aus. Die kognitive Domäne ist uns allen vermutlich am ver- Einheit 11 207 a u F b au Von s pr achlernkomp e t enzen trautesten. In ihr liegt jedoch eben nicht das vordringliche Ziel von language awareness. Statt einer exklusiven Fokussierung der formalen Ebene (focus on forms) geht es vielmehr um die Beziehung zwischen sprachlicher Gestaltung und den Intentionen bzw. Wirkungen mündlicher und schriftlicher Texte (focus on form). Das schließt ein Bewusstwerden kulturspezifischer Kodierungen von Wirklichkeit mit ein. Da Sprache zumindest teilweise dem Denken vorgängig ist, denken wir in bestimmten sprachlichen Mustern, die ihrerseits kulturell geprägt sind. Nach W. v. Humboldt manifestiert sich in Sprache sogar eine spezifische „Weltansicht“ (s. Einheit-1.2). Zu denken ist in diesem Zusammenhang an die Bildhaftigkeit von Sprache in gängigen Metaphern, aber auch an bestimmte Stereotype, mit denen Randgruppen oder Fremde belegt werden (s. hierzu Einheit 12). Darüber hinaus wird neuerdings die Tatsache, dass Sprachbewusstheit stets einen sprachenvergleichenden Zugang impliziert und dies angesichts der wachsenden Mehrsprachigkeit unserer Lebenszusammenhänge zunehmend an Bedeutung gewinnt, auch von Sprachenbewusstheit gesprochen (vgl. Burwitz-Melzer 2012). Das Konzept wurde für den Primarschulunterricht in Englisch als Zweitsprache entwickelt. Über diesen ursprünglichen Rahmen hinaus hat es jedoch schnell auch eine Berücksichtigung in der Fremdsprachendidaktik erfahren und dies in einer schulstufenübergreifenden Perspektive. Die Aktualität dieses Ansatzes zeigt sich u. a. darin, dass - anders als in den Bildungsstandards der Sekundarstufe 1 (KMK 2004, 2005) - in den Abiturstandards (KMK 2012) Sprachbewusstheit und Sprachlernkompetenz als transversale Kompetenzbereiche gesondert aufgeführt werden (s. Einheit 5.4.3), wobei auffälligerweise der Begriffsteil „-bewusstheit“ in Bezug auf das Sprachenlernen durch den Kompetenzbegriff ersetzt wird. Vermutlich folgt diese terminologische Entscheidung dem Bedürfnis, die praktische Nützlichkeit und auch Handhabbarkeit des Konzeptes zu verdeutlichen. So steht bereits für Dieter Wolff (1995: 216) außer Zweifel, dass eine Reflexion über Sprache positiven Einfluss auf den Spracherwerbsbzw. den Sprachlernprozess hat. Dieser Wirksamkeitsthese folgt auch die erweiterte Modellierung, die Ute Rampillon (1997: 176) vorschlägt. Unter dem Oberbegriff Language Awareness differenziert sie linguistic awareness, communicative awareness (bezogen v.a. auf Kommunikationsstrategien) und learning awareness (bezogen v.a. auf die Verwendung von Lernstrategien). Damit wird eine enge Verbindung von Sach- und Metaebene postuliert; gleichzeitig verlagert sich der Schwerpunkt unter dem Gesichtspunkt des Fremdsprachenlernens auf die Aneignungsstrategien. Einfluss auf den Spracherwerbsbzw. den Sprachlernprozess 208 M e thodische K oMp e t enzen Language Awareness: Metakognitive Reflexionen zum Fremdsprachenlernen Linguistic awareness sprachliche Kenntnisse sprachliche Fertigkeiten Communicative awareness Wissen über Funktionsweise von Sprache: - Kommunikationsstrategien - Strategien der Körpersprache - Diskursstrategien - Dominanzstrategien und die Fertigkeit, diese Strategien zu deuten bzw. selber anzuwenden Learning awareness Wissen über Lern-, Denk- und Problemlöseprozesse und die Fertigkeit, diese Strategien zu deuten bzw. anzudeuten - Stützstrategien - Primärstrategien - Instruktionsstrategien Wer als Teil seiner Methodenkompetenz Sprachlernbewusstheit erlangen möchte, wird sich über seine persönlichen Lernstile Rechenschaft geben müssen. Lernstile sind mit Grotjahn (2007: 326 f.) als „intraindividuell relativ stabile, zumeist situations- und aufgabenspezifische Präferenzen (Dispositionen, Gewohnheiten) von Lernern sowohl bei der Verarbeitung von Informationen als auch bei der sozialen Interaktion“ anzusehen. Sie sind dem Einzelnen zumeist nicht bewusst, können auch nicht direkt beobachtet, sondern nur indirekt aus Aspekten des Verhaltens erschlossen werden. Lernstile werden gemeinhin durch Oppositionspaare wie extravertiert vs. introvertiert oder visuell vs. verbal näher bestimmt, wobei jeweils von einem Kontinuum zwischen diesen Polen auszugehen ist (vgl. ebd.: 327). Im Einzelnen unterscheidet Grotjahn (ebd.) 1. einen kognitiven Aspekt, wie z. B. die Neigung zu eher analytischer gegenüber globaler Informationsverarbeitung; 2. einen exekutiven Aspekt, wie z. B. die Vorliebe für sequentielles Lernen; 3. eine affektive Komponente, wie z. B. die Neigung zu impulsivem Verhalten; 4. ein soziales Element, wie z. B. die Vorliebe für kooperative Lernformen; 5. einen physiologischen Aspekt (Bevorzugung verschiedener Wahrnehmungskanäle). (S. auch Einheit 3.1) Lernstile sind per definitionem weder gut noch schlecht, sondern wertneutral. Unter dem Gesichtspunkt des Aufbaus methodischer Sprachlernkompetenzen Tab. 11.1 Language Awareness (nach Rampillon) Definition Einheit 11 209 a u F b au Von s pr achlernkomp e t enzen kann es jedoch hilfreich sein, herauszufinden, in welchen Anforderungssituationen bestimmte Lernstile effizienter sind als andere, um sich im Rahmen der eigenen spezifischen Dispositionen bestmöglich auf die betreffende Aufgabe einzustellen (vgl. ebd.: 330). Gänzlich verändern kann man seine Lernstile hingegen nicht, insbesondere nicht in den stark persönlichkeitsbzw. temperamentsgebundenen Anteilen. Wichtig ist es daher vor allem, seine persönlichen Stile zu erkennen, zu akzeptieren, eigene Stärken bestmöglich auszubauen und situationsspezifisch geeignete Lernstrategien auszuwählen. Die Präferenz von Lernstrategien und Lerntechniken als wichtiges Merkmal eines eigenen Lernstilprofils lässt sich über Fragebögen annähernd erfassen (s.- hierzu Aufgabe 2 unten). Allerdings sollte man sich des hypothetischen Charakters daraus resultierender Schlussfolgerungen bewusst sein, um sich vor vorschnellen Zuweisungen zu schützen und sein Verhalten für Änderungen offen zu halten. Der Einsatz von Lern(er)strategien Es gibt unterschiedliche Definitionen von Lernstrategien. Generell können wir sie als relativ komplexe mentale Konstrukte betrachten, die der Einzelne einsetzt, um Handlungen zu planen, durchzuführen und auszuwerten. Sie sind jedoch aufgabenspezifischen Handlungsplänen untergeordnet und stellen eher Muster der Problemlösung dar, die individuell und situationsspezifisch unterschiedlich eingesetzt werden. Viele Modellierungen gehen von einer Dreiteilung in kognitive, metakognitive und Stützstrategien aus, letztere werden auch als Strategien des Ressourcenmanagements bezeichnet (vgl. Baumert/ Köller 1996: 137 ff.). Dabei ist durchaus strittig, ob mit ‚Strategien‘ lediglich bewusste Verfahren oder auch automatisierte bzw. unbewusste Steuerungsvorgänge erfasst werden sollen. Ein Kompromiss scheint zu sein, Strategien als prinzipiell bewusstseinsfähig anzusehen. Nach Galloway/ Labarca (zitiert in Düwell 1992: 40) handelt es sich um „task-specific tactics or techniques, observable or not observable, that an individual uses to comprehend, store, retrieve, and use information or to plan, regulate, or assess learning.“ Diese Definition fokussiert ausschließlich die rein kognitiven Aspekte der Informationsverarbeitung. Demgegenüber nimmt Rebecca Oxford (1990: 8) eine viel zitierte, da weiter gefasste Definition vor. Ihr zufolge sind Lernstrategien „specific actions taken by the learner to make learning easier, faster, more enjoyable, more selfdirected, more effective, and more transferrable to new situations“. Neben eher technizistischen und utilitaristischen Attributen (easier, faster, more effective, transferrable) finden wir hier also ansatzweise auch den psychologischen Aspekt positiven Prozesserlebens. Wie ihr Schema zur Strukturierung des Feldes allerdings zeigt (vgl. ebd.), sind die affektiven Strategien doch vorrangig auf die Vermeidung bzw. Verringerung von Angst bezogen. Somit bestätigt sich, was wir oben (Einheit 3) zur Berücksichtigung von Emotionen seitens 11.2.3 Lernstrategien 210 M e thodische K oMp e t enzen der kognitivistischen Lernforschung der 1990er Jahre gesagt haben: Affektive Variablen erscheinen in erster Linie als zu eliminierende Störfaktoren, positiv besetzte Emotionen (Neugier, Lust, Freude am Lernen oder am Gegenstand) bleiben weitgehend ausgespart. Lernstrategien sind nach Oxford (1990: 8) „specific actions taken by the learner to make learning easier, faster, more enjoyable, more self-directed, more effective, and more transferrable to new situations“. Direkte Strategien Indirekte Strategien Gedächtnisstrategien - gedankliche Verknüpfungen herstellen - Bildvorstellungen verwenden - Gelerntes in Intervallen überprüfen - Lernstoff mit Handlungen verknüpfen Metakognitive Strategien - Überblick verschaffen, Informationen verbinden - Ziele setzen, Lernplan aufstellen - Ergebnisse (selbst) bewerten Kognitive Strategien - sprachliche Formeln und Muster einüben - folgernd und analytisch vorgehen - Notizen machen - Informationen rasch aufnehmen Affektive Strategien - Gefühle beachten - Angst vermindern (durch Musik, Lachen) - sich Mut machen Kompensationsstrategien - beim Lesen und Hören Wörter aus dem Kontext erraten - beim Sprechen und Schreiben Engpässe überwinden, z. B. durch Wechsel der Sprache, durch Mimik und Gestik Soziale Strategien - um Klärung, Korrektur bitten - mit anderen zusammenarbeiten - sich in andere Kulturen, Gedanken und Gefühle hineindenken Oxfords Systematisierung hat eine weitere Schwachstelle: Sie unterscheidet nicht sauber zwischen Lern- und Gebrauchsstrategien. Denn die aufgeführten Kompensationsstrategien sind eigentlich keine Lern-, sondern Kommunikationsstrategien. Beide Bereiche zusammenführend, wird teilweise auch von Lernerstrategien gesprochen (vgl. Tönshoff 2007: 332). Neben Kompensationsstrategien sind auch Reduktionsstrategien und lernersprachenbezogene Strategien zu den Kommunikationsstrategien fremdsprachlicher Sprecher zu zählen. Mit ersteren sind Verfahren gemeint, die z. B. darauf abzielen, ein Thema, dessen sprachliche Bewältigung man sich nicht zutraut, zu meiden. Man kann z. B. die Kommunikationssituation verlassen, das Thema wechseln oder es auf jene Elemente reduzieren, die mit den begrenzten sprachlichen Mitteln auszudrücken sind. Reduktionsstrategien führen folglich zu mehr oder minder starken inhaltlichen Einschränkungen der Kommunikation. Bei lernersprachenbezogenen Strategien ist dies in der Regel deutlich weniger der Fall. Gemeint sind Versuche, durch Umschreibun- Definition Tab. 11.2 Lernstrategien bei Oxford Lernerstrategien Einheit 11 211 a u F b au Von s pr achlernkomp e t enzen gen und Übertragungen aus der Erst- oder aus Zweitbzw. anderen Fremdsprachen einem Gegenüber Anhaltspunkte des Verstehens zu geben, die im Gespräch ggf. näher erläutert werden können. Ob Kommunikationsstrategien im Unterricht thematisiert und ihr Gebrauch geübt werden soll, ist nicht eindeutig zu beantworten, zumal ein verstärkter Einsatz dem Erwerb der Fremdsprache möglicherweise eher im Wege steht. Generell gelten Strategien als erlernbar, jedoch nicht im engeren Sinne als lehrbar. Dies unterscheidet sie von Lerntechniken, was leicht ersichtlich ist, wenn wir uns die folgende Aufstellung von Rampillon ( 3 1996: 21) ansehen: vorausgesetzte Kenntnisse Verfahren, die den Lernprozess vorbereiten Verfahren, die den Lenprozess steuern Verfahren, die den Lenprozess kontrollieren Verfahren, die die Kommunikation unterstützen Verfahren, die den Lerngegenstand bereitstellen Verfahren, die den Lerngegenstand und das Lernumfeld aufbereiten Beherrschen des Alphabetes Sozialformen Aufgabenformen Classroom Discourse Lautschrift grammatische Terminologie Wörterbuchbenutzung Grammatikbenutzung Erschließungstechniken kombiniertes Lesebzw. Hörverstehen segmentiertes Hören überfliegendes Lesen Gliedern Notizen anfertigen Arbeitsplatzgestaltung Hausheft führen Grammatikheft führen Vokabelheft führen Lernzeitbestimmung Vokabellernen Grammatikregeln lernen Visualisierungstechniken Notizen anfertigen Auswendiglernen Gliedern Fehlerstatistik führen Kontrolllesen Tonbandkontrolle Vermeidungsstrategien (Umschreibungsstrategien) Präsentationstechniken Diskussionstechniken Nachfragetechniken Aufnehmen Verarbeiten Kontrollieren Lerntechniken sind etablierte Handlungspläne, die einzeln gelernt und geübt und als Elemente einer persönlich ausgewählten Lernstrategie verwendet werden können. Wenn Lerntechniken etablierte Handlungspläne sind, die einzeln gelernt und geübt und als Elemente einer persönlich ausgewählten Lernstrategie verwendet werden können, so sind sie Letzteren von der Systematik her nachgeordnet. Entwickelte methodische Kompetenzen, so ließe sich etwas plakativ sagen, zeigen sich vor allem darin, dass die einzelnen Lerner im Rahmen eines situations- und aufgabenspezifisch angepassten Strategieneinsatzes Lerntech- Lerntechniken Tab. 11.3 Lerntechniken bei Rampillon Definition 212 M e thodische K oMp e t enzen niken zieladäquat und den eigenen Lernstilen optimal entsprechend nutzen können. Doch auch wenn Lernstrategien nicht unmittelbar lehrbar sind, erscheint es sinnvoll, Schüler/ innen im Sinne der Sprachlernbewusstheit für die Organisation ihrer Lernprozesse zu sensibilisieren und ihnen Hilfen an die Hand zu geben, ihr Strategienrepertoire zu erweitern und bestmöglich einzusetzen. Dies soll im Folgenden an einem Beispiel exemplarisch konkretisiert werden, um dabei zugleich die Unterscheidung von Lernstrategien und Lerntechniken zu illustrieren. Wie in Einheit 9 schon angekündigt, geht es um das Hörverstehen und zwar genauer um Hörverstehen im Kontext medialer Kommunikation. Zu den einschlägigen Strategien zählt Leupold (2000: 7) die Aufmerksamkeitslenkung auf 1. Raum- und Zeitsignale, 2. Unterscheidung der Sprecher und Hypothesenbildung zu ihrer Identität, 3. Wahrnehmen, Erkennen und Situieren von Geräuschen, 4. Wahrnehmung und Interpretation neutraler bzw. emotionalisierter Sprache. Diese einzelnen Fokussierungen sind zwar im Idealfall zu kombinieren, lassen sich zunächst aber auch isoliert vornehmen. Entsprechend den eigenen lernstilbezogenen Präferenzen kommen die Lernenden mit den einzelnen Aufmerksamkeitslenkungen individuell besser oder schlechter zurecht. Wichtig im Sinne eines Ausbaus individuell optimaler methodischer Kompetenzen wäre es, herauszufinden, ob sich Verstehensleistungen eher über globale oder analytische, bei Hörsehverstehen auch, ob eher über akustische oder visuelle Signale am besten ausbauen lassen. Ferner wäre von jeder/ m Einzelnen zu erproben, inwieweit bestimmte Techniken hilfreich sind (vgl. hierzu die Schülerhandreichung zum Hörverstehen in: Leupold 2000: - 6, einzusehen unter www.bachelor-wissen.de). Da Hörverstehen vielfach in einem mediengestützten Kontext vorkommt, berühren sich hier Methoden- und Medienkompetenzen. Dabei ist der letzte Begriff für sich bereits sehr weit gefasst. Medienkompetenz hat als Leitziel schulischer Bildung nämlich einen fächerübergreifenden Anspruch. Aufbau von Medienkompetenzen So griffig der Terminus auf den ersten Blick wirkt, so etabliert er nicht nur in bildungspolitischen Diskursen, sondern auch in der breiten Öffentlichkeit ist, so problematisch ist er doch hinsichtlich seiner Bestimmung und Eingrenzung. Das gilt bereits für den Begriffsteil ‚Medien‘ (s. Einheit-7.1). Wir schließen uns hier Norbert Groeben (2002: 14) an, der im Kontext der Medienpädagogik für einen „Medienbegriff mittlerer Reichweite“ plädiert und definieren im Anschluss an ihn wie folgt: Beispiel Hörstrategien 8 11.3 Einheit 11 213 a u F b au Von m e D I enkomp e t enzen � Medien besitzen eine materielle Natur. � Medien enthalten aber zugleich kommerzielle, politische und ideologische Implikationen. � Medien sind geprägt durch ästhetische Codes und Konventionen. � Medien sind eine Instanz individueller und kollektiver Wirklichkeitskonstruktionen. Ein solcher Medienbegriff verbindet unter dem Dach einer Kommunikationszentrierung technologische Werkzeugaspekte mit sozial-kulturellen Funktionsaspekten (vgl. ebd.). Doch was bedeutet es konkret, mit Medien kompetent umgehen zu können? In der Medienpädagogik (s. Einheit 7.3) werden auf diese Frage unterschiedliche Antworten gegeben. Sie umfassen ein Spektrum, das von Verstehen über Beherrschen, Verwenden und Gestalten bis hin zum Bewerten von Medien reicht. Unter ‚Beherrschen‘ wird eher der technische (wie? ), unter ‚Verwenden‘ der funktionale Aspekt (wozu? ) der Mediennutzung verstanden. In unterschiedlicher Akzentuierung wird entweder operationalen oder kritisch-kognitiven Dimensionen mehr Gewicht verliehen, generell aber wird eine integrative Perspektive verfolgt, die das Leitbild eines gesellschaftlich handlungsfähigen Subjekts mit dem eines technisch versierten, gestalterisch kreativen Nutzers verbindet. Dies ist z. B. an dem Modell des Medienpädagogen Gerhard Tulodziecki (vgl. ders. 1997, 1998) abzulesen. Für ihn bilden Kenntnisse die unverzichtbare Grundlage aller weiteren Fähigkeiten und Fertigkeiten, aus ihnen leitet er medienpädagogische Aufgaben ab. Medienkompetenz Kenntnisse über Medien, Analyse- und Urteilsfähigkeit Nutzungsvoraussetzungen und -wirkungen von Medien (rezeptiv) Gestaltungsmöglichkeiten von Medien (produktiv) Bedingungen von Medienproduktion und -verbreitung Aufgabenbereiche der Medienpädagogik Auswählen und Nutzen von Medienangeboten Eigenes Gestalten und Verbreiten von Medienbeiträgen Verstehen und Bewerten von Mediengestaltungen Erkennen und Aufarbeiten von Medieneinflüssen Durchschauen und Beurteilen von Bedingungen der Medienproduktion und Medienverarbeitung Das Modell spiegelt einen bestimmten Forschungsstand der Medienpädagogik Ende der 1990er Jahre wider. Im Gegensatz zu frühen Tendenzen einer bewahrpädagogischen Ausrichtung, deren vorrangiges Ziel darin bestand, Kinder und Jugendliche vor realen oder vermeintlichen Gefährdungen Medienpädagogik Tab. 11.4 Medienkompetenz bei Tulodziecki 214 M e thodische K oMp e t enzen Handlungsbzw. Interaktionsorientierung medienästhetische Genussfähigkeit Profil von Medienkompetenz Präsentationskompetenz durch die Massenmedien zu schützen, vertritt es eine Handlungsbzw. Interaktionsorientierung. In ihr stehen Rezeptions- und Produktionskompetenz gleichberechtigt nebeneinander; angestrebt wird auf beiden Ebenen ein selbstbestimmter und situationsangemessener Umgang mit Medien. Aus heutiger Perspektive fällt allerdings auf, dass emotionale bzw. ästhetische Aspekte nur in Ansätzen artikuliert werden. Aktuelle Weiterentwicklungen des Konzepts der Medienkompetenz weisen demgegenüber einer medienästhetischen Genussfähigkeit eine gleichrangige Bedeutung zu wie z. B. kognitiv-kritischen Analysefähigkeiten oder sozialen Handlungsfähigkeiten. Schließlich hat auch das Unterhaltungsbedürfnis seine Berechtigung und seinen Wert in sich. Zudem bietet das Ästhetische durch den Zusammenhang von Sinn und Sinnlichkeit eine eigene Form der Welterfahrung. Dementsprechend kennzeichnet Stefan Aufenanger (2008: 62) das Profil von Medienkompetenz so: Konkret sollen Kinder und Jugendliche Folgendes können, wenn wir sie als medienkompetent bezeichnen: - Medien richtig bedienen können und ihre Funktionsweisen verstehen, - Texte, Symbole, Bilder, Filme und Töne verstehen und in ihren Zusammenhängen interpretieren, - Medien angemessen zur Kommunikation und Information einsetzen, - Inhalte und Botschaften von Medien kritisch bewerten und beurteilen, - mit Medien ästhetisch gestalten, - sich auf den Erlebnischarakter von Medien einlassen, zugleich aber auch sich davon distanzieren. Vor dem Hintergrund des zu Anfang der Einheit aufgezeigten Panoramas methodischer Kompetenzen spielen Aspekte medienästhetischen Gestaltens und Genießens im fremdsprachen didaktischen Rahmen traditionell eine eher untergeordnete Rolle. Im Vordergrund stehen hier vielmehr Fähigkeiten instrumenteller Nutzung von Medien. Zu denken ist vor allem an die Planung und Durchführung eigener Präsentationen; Holtwisch (2006) spricht sogar von einer gesonderten Präsentationskompetenz. Deren spezifisches Merkmal besteht darin, dass sie Fähigkeiten der Sprachverarbeitung und der Mediennutzung miteinander vereint. Denn um ein Referat zu halten, benötigen die Lernenden nicht nur die technischen Mittel und Fertigkeiten einer computergestützten Präsentation, sie müssen zunächst und in erster Linie in der Lage sein, sich Informationen zu besorgen, diese zu selektieren und zu evaluieren und sich dann schließlich überlegen, wie sie sie adressatengerecht in verbaler und visueller Darbietung vorstellen wollen. Was die sprachbzw. sprachlernbezogene Seite eines Referats betrifft, brauchen die Vortragenden Anteile einer language- und language-lerarning-awareness, um einschätzen zu können, über welchen Stand der Sprachrezeptions- und -verarbeitungsfähigkeiten ihr-Publikum verfügt. Andernfalls drohen sie, über deren Köpfe hinweg zu reden. Einheit 11 215 a u F b au Von m e D I enkomp e t enzen media awareness Zusammenfassung Doch neben der verbal-auditiven Ebene müssen sie auch die visuelle mitbedenken und sich fragen, mit welchen optischen Impulsen in welcher Dichte sie die Verarbeitungskapazitäten ihres Publikums am besten nutzen. Die entsprechende Fähigkeit lässt sich auch als media awareness bezeichnen. Sie hilft der Gefahr zu begegnen, eine mündliche Darstellung durch ein Übermaß ggf. auch nicht hinreichend gut ausgesuchter bildlicher oder schriftlicher Materialien zu überfrachten. Dies gelingt in aller Regel nicht von Anfang an, sondern braucht eine früh beginnende kontinuierliche Schulung. Die Rückmeldungen der Lehrkräfte als Experten/ innen der Wissensvermittlung können hier ebenso hilfreich sein wie ein systematisch erhobenes feedback durch die Mitschüler/ innen. Sinnvoll ist es aber auch, den Lernenden zur Vorbereitung einige Leitlinien an die Hand zu geben (s.-Aufgabe 3). Perspektivierungen, die über die Ebene instrumenteller Fertigkeiten und Fähigkeiten im vorliegenden Rahmen hinaus gehen und der ästhetischen Dimension medialer Produktions- und Rezeptionsprozesse mehr Aufmerksamkeit widmen, lassen sich in neueren Schriften der Fremdsprachendidaktik - so unser Eindruck - vermehrt finden. Hierauf werden wir in Einheit- 13 näher eingehen. An dieser Stelle soll der Hinweis genügen, dass in den Abiturstandards (KMK 2012) auf den Ausweis gesonderter Methodenkompetenzen verzichtet wird. Dieser Bereich geht zum einen in einem weitgefassten Konzept von „Text- und Medienkompetenzen“, zum anderen in den Querdimensionen von Sprachbewusstheit und Sprachlernkompetenz auf. Mit Konrad Schröder (2014: 39) darf vermutet werden, dass „dem Fremdsprachenunterricht durch den Einbezug der Sprachbewusstheit ein Stück von seinem Bildungswert zurückgegeben wird, durchaus im Sinne Humboldts, für den […] sprachliche Bildung der Kern von allgemeiner Bildung war“. Vor diesem Hintergrund schlägt Spanhel (2014) zu Recht vor, den Begriff ‚Medienkompetenz‘ durch den der ‚Medienbildung‘ zu ersetzen, „um auszudrücken, dass es nicht um die kleinteilige Differenzierung messbarer Wissens- und Verhaltensbestandteile geht, sondern um die Konzeptionierung des Umgangs mit Medien als ganzheitlichem, lebenslangen Lernprozess“ (Schaumburg i. Vorb.: Kap. 2.2.3) geht. In den 1990er Jahren wurde der Erwerb methodischer Kompetenzen ganz überwiegend als ein „Lernen des Lernens“ verstanden. Im Verlauf der einschlägigen wissenschaftlichen Erörterungen gewannen auch andere Fähigkeiten vor allem im Umgang mit Texten aller Art und damit zugleich mit den „alten“ und „neuen“ Medien zunehmend an Bedeutung. Der erstgenannte Bereich ist auch im heutigen Verständnis enorm wichtig, um das Fremdsprachenlernen effektiver und möglichst selbstbestimmter zu machen und um die Schülerinnen und Schüler auf ein lebenslanges Lernen vorzubereiten. Wir haben in diesem Zusammenhang das Konzept der Lernerautonomie näher erörtert, das in fremdsprachendidaktischen Kontexten eng verbunden ist mit den awareness-Konzepten. Denn autonomes Fremdsprachenlernen erfordert eine erhöhte Aufmerksamkeit für subjektive 216 M e thodische K oMp e t enzen 8 8 8 8 Wahrnehmungen sprachlicher Kommunikation und sprachlichen Lernens. Die angesprochene Wachsamkeit ist zugleich die Schaltstelle, die in Kenntnis eigener Lernstile die Entwicklung von Lernstrategien unter Nutzung von Lerntechniken steuert. Folglich ist die Entwicklung von Medienkompetenz nicht ohne das Moment subjektiver Achtsamkeit zu denken. Denn sie bezieht sich nicht allein auf die Entwicklung technischer Fertigkeiten, sondern ebenso auf die Schulung von Interpretations-, wie auch (ästhetischer) Gestaltungsfähigkeiten und schließlich auf ein kritisches Bewusstsein möglicher Medienwirkungen. Aufgaben 1 Überlegen Sie vor dem Hintergrund der obigen Ausführungen zur Lernerautonomie, inwieweit diese mit den Rahmenbedingungen schulischen Fremdsprachenlernens vereinbar sind. Besprechen Sie das Ergebnis Ihrer Überlegungen mit einem/ r Mitstudierenden. 2 Versuchen Sie, anhand des Fragebogens von Rampillon (2003: 42 f. - einzusehen unter www.bachelor-wissen.de) herauszufinden, welche Lernstrategien Sie persönlich bevorzugen. Ziehen Sie anschließend zur Auswertung die Kommentare zu den Lernverfahren auf www.bachelor-wissen.de heran. Besprechen Sie bei Bedarf Ihre Beobachtungen mit einem/ r Mitstudierenden. 3 Wie würden Sie Leitlinien zur Planung und Durchführung einer mündlichen Präsentation im Fremdsprachenunterricht formulieren? Nutzen Sie die Satzgerüste auf www.bachelor-wissen.de und ergänzen Sie sie nach eigenem Ermessen. Anschließend können Sie Ihre Lösung mit der von Herbert Holtwisch (2006: 40) (einzusehen unter www.bachelor-wissen.de) vergleichen. Zum Weiterlesen Burwitz-Melzer, Eva/ Königs, Frank G./ Krumm, Hans-Jürgen (Hrsg.) (2012): Sprachenbewusstheit im Fremdsprachenunterricht. Tübingen: Narr. Finkbeiner, Claudia (2013): Lernstrategien und Lerntechniken im Kontext neuer Unterrichtsaufgaben. In: Bach, Gerhard/ Timm, Johannes-Peter (Hrsg.): Englischunterricht. Tübingen: Francke, 230-255. Martinez, Hélène (2005): Lernerautonomie - ein konzeptuelles Rahmenmodell für den Fremdsprachenunterricht … und für die Fremdsprachenlehr- und -lernforschung. In: Fremdsprachen Lehren und Lernen (34): 65-82. Volkmann, Laurenz (2012): Förderung von Medienkompetenzen. In: Fremdsprachen Lehren und Lernen (41) 2: 25-39. 217 Einheit 12 Boom in den 1990er Jahren Verbindung von Sprache und Kultur Fremdsprachen und Fremdheit Interkulturelle Kompetenzen - interkulturelles Lernen Wir haben bereits gesehen, dass die KMK-Bildungsstandards neben den funktional-kommunikativen und den methodischen Kompetenzen einen dritten Bereich ausweisen, den der interkulturellen Kompetenzen. Dieser Begriff war bis zur Jahrtausendwende allerdings eher im außerschulischen Bereich etabliert, in Bezug auf schulischen Fremdsprachenunterricht wurde überwiegend der Terminus ‚interkulturelles Lernen‘ bevorzugt. Vor allem in den 1990er Jahren gab es einen wahren Boom von Publikationen zu diesem Thema. Dadurch gewann der Begriff des interkulturellen Lernens zwar an Bedeutung - er wurde sogar zum zentralen Leitbegriff des Fremdsprachenlernens insgesamt erklärt (vgl. Breugnot 2000: 288) -, durch seine inflationäre Verwendung verlor er allerdings auch an Konturen. Wir befassen uns im Folgenden zunächst mit diesem Leitkonzept, bevor wir die Akzentverlagerungen beleuchten, die mit dem Wechsel zum Konzept der interkulturellen Kompetenz einhergehen. Dass Sprache und Kultur in einem engen Zusammenhang stehen, ist in dieser Einführung schon an verschiedenen Stellen, nicht zuletzt auch im Kontext der Language Awareness, deutlich geworden. Die Verbindung von Sprache und Kultur hat in Theorie und Praxis des Fremdsprachenunterrichts eine lange, oft konfliktreiche Tradition. Dies soll ein kurzer historischer Rückblick zu Beginn der folgenden Ausführungen illustrieren, in dem wir an unsere Ausführungen in Einheit 4.4.1 zur Kulturkunde anknüpfen. Anschließend wenden wir uns der Frage zu, was mit ‚Kultur‘ bzw. mit ‚kultureller Differenz‘ gefasst werden kann- - eine Frage, die nicht leicht zu beantworten ist. Kulturverständnis zeigt sich nicht nur dort, wo es explizit thematisiert wird, sondern auch und oft gerade dort, wo implizit, unterschwellig und unhinterfragt bestimmte Weltsichten in die Inhalte des Fremdsprachenunterrichts einfließen. Darauf werden wir im dritten Abschnitt dieser Einheit eingehen. Wie schon auf der Ebene der Begrifflichkeit deutlich wird, haben Fremdsprachen etwas mit Fremdheit zu tun. Und Fremdheit wiederum ist ein Phänomen, das über seine kognitive Erfassung hinaus immer auch mit Einstellungen, Wertungen und Emotionen verknüpft ist, die weit über den Rahmen des einzelsprachlichen Lernstoffes hinausreichen. Damit gelangen wir zu Fragen interkulturellen Lernens, die sowohl in der Allgemeinen Erziehungswissenschaft als auch in der Fremdsprachendidaktik sowohl im fächerübergreifenden Raum schulischer Erziehung und Bildung insgesamt als auch im fremdsprachlichen Klassenzimmer ihren Ort finden. Die Gewichtung affektiver und kognitiver Lernziele 218 I nt erk ulturelle k omp e t enzen - Int erk ulturelle s l ernen 12.1 kulturalistische Tradition Sprache - Kultur - Nation Realienkunde ist dabei sehr umstritten. Das werden wir ansprechen, wenn wir die Ziele interkulturellen Lernens in fremdsprachlichen Lehr-/ Lernprozessen näher erörtern. Neben Überlegungen zum Umgang mit Stereotypen stellen wir dabei die „Didaktik des Fremdverstehens“ und kulturwissenschaftlich orientierte Ansätze gesondert vor. Da Ziele im Feld interkulturellen Lernens - das sei schon jetzt gesagt-- sehr weit gefasst sind, fällt es schwer, ihre Umsetzung in schulischem Unterricht an bestimmten Inhalten und Verfahren festzumachen. Dennoch wollen wir einige unterrichtliche Setzungen und Settings, die einem interkulturellen Lernen bzw. dem Aufbau interkultureller Kompetenzen förderlich sein können, näher kennzeichnen. Im Anschluss beleuchten wir das Leitkonzept der interkulturellen Kompetenz. Wir stellen gängige Modellierungen vor und beleuchten vor deren Hintergrund die Frage nach der empirischen Erfassbarkeit dieser Kompetenz, d. h. konkret, ob bzw. inwieweit und wie sie gemessen oder evaluiert werden kann. Auf diese Frage werden wir in Einheit 14 zurückkommen, in der es um die Überprüfung fremdsprachlicher Lernprozesse und -ergebnisse generell gehen wird. Historische Aspekte der Kultur- und Landeskunde Wie wir in Einheit 4 gesehen haben, wurde bis ins 20. Jahrhundert hinein dem Unterricht in den neueren Fremdsprachen - in Analogie zum altsprachlichen Unterricht - eine Bildsamkeit nicht nur wegen ihres formal-logischen Aufbaus, sondern auch wegen der über sie zu erschließenden Texte und Inhalte der Hochkultur zugeschrieben. Eine solche philologische Legitimation des Fremdsprachenunterrichts nährt sich in Deutschland aus einer kulturalistischen Tradition, die mit der romantischen Sprachphilosophie und dem neuhumanistischen Denken Wilhelm von Humboldts verbunden ist und die sich auch in den neusprachlichen Philologien fest verankert hat. Humboldt zufolge wohnt jeder Sprache eine bestimmte Weltansicht inne - Sprachunterricht ist damit notwendigerweise zugleich auch Kulturunterricht. Vom 19. bis weit ins 20.- Jahrhundert hinein beherrschte dabei die Vorstellung eines durch eine Sprache und eine Kultur identifizierten, geographisch geschlossenen Nationalstaates das Denken in den sprachlichen Unterrichtsfächern. Es erfuhr in dieser Zeitspanne allerdings einige Wandlungen. Die zunächst weitgehend ideengeschichtliche Auseinandersetzung mit der Kultur des Ziellandes wurde in der Reformzeit des ausgehenden 19.-Jahrhunderts in Frage gestellt und neu akzentuiert. Unter der Bezeichnung ‚Realienkunde‘ wurde den Lernenden enzyklopädisches Wissen über die Zielkultur angeboten: Die Schüler sollten Fakten lernen, Wissen über die fremde Nation akkumulieren. Dem Schulwesen lagen die patriotische Gesinnung und die expansionistischen Tendenzen deutscher Großmachtpolitik jener Jahre zugrunde. Der französische und der englische Nachbar wurden als Kulturna- Einheit 12 219 h IstorIsche a sp e k t e D er k ultur unD l a nD e sk unD e Kulturkunde Volkstumskunde Gedanke einer humanistischen Bildung Landeskunde als Bedeutungskunde Politische Landeskunde tionen anerkannt, während sie zugleich auf politischer Ebene als Konkurrenten auf der Weltbühne bekämpft wurden. Ein Zitat aus den Jahren 1903/ 1904 belegt, dass auch von den Neuphilologien erwartet wurde, „im Wettkampf mit den alten Handels- und Industrievölkern dem deutschen Volke den Sieg zu erstreiten“ (Scheffler in Raddatz 1996: 242). Nach dem Ersten Weltkrieg geriet die Realienkunde als Ausdruck einer Fehleinschätzung in die Kritik. Das Faktenwissen über die Kriegsgegner hatte nicht dazu geführt, deren Verhalten einschätzen, geschweige denn verstehen zu lernen. Der nun zur „Kulturkunde“ verpflichtete Fremdsprachenunterricht sollte in Zukunft zweierlei leisten: die „Wesensart“ des Nachbarvolkes vermitteln und dabei das Fremde als Folie für das Verständnis des Eigenen nutzen, d. h. „durch den Kontrast mit dem Ausland […] dem gebildeten Deutschen die Werte seiner vaterländischen Kultur zum Bewusstsein bringen“ (zitiert in Raddatz 1996: 243) (s. auch Einheit 4.4.1). Dem Fremdsprachenunterricht wurde also eine patriotisch-mobilisierende Funktion zugesprochen. Andererseits wurden zugleich aber auch Forderungen nach einem an Völkerverständigung interessierten und für den Frieden in Europa arbeitenden Fremdsprachenunterricht laut. Die in der Weimarer Zeit noch eher offene- - einerseits völkisch-revanchistisch, andererseits europäisch-pazifistisch ausgerichtete - „Kulturkunde“ entwickelte sich später unter der nationalsozialistischen Ägide zu einer propagandistischen „Volkstumskunde“. In den ersten beiden Jahrzehnten der Nachkriegsentwicklung beschränkte man sich in der Bundesrepublik auf eine schlichte Umkehrung der zuvor herrschenden Prämissen und versuchte, unmittelbar an die vorherige Phase anzuschließen. Der Gedanke einer humanistischen Bildung sowie die Überwindung nationaler Selbstbezogenheit in einer positiv wertenden Öffnung gegenüber dem Ausland, insbesondere natürlich gegenüber den Siegermächten, erschienen politisch der sicherste Boden (vgl. Raddatz 1996: 244). Der Wille zu politischideologischer-Enthaltsamkeit ist an den Lehrbüchern und Medien dieser Zeit gut erkennbar. In einer zweiten Phase der Nachkriegsentwicklung traten pragmatische Gesichtspunkte in den Vordergrund. Landeskunde erhält nun zunächst eine dienende Funktion als Bedeutungskunde. Sie liefert Kontextwissen, das für das Gelingen von Kommunikation mit den Angehörigen anderer Sprachgruppen nötig ist. Im Laufe der Zeit setzt sich das Bewusstsein durch, dass Kommunikative Kompetenz als Teil einer umfassenderen Kulturellen Kompetenz zu verstehen ist. Die „von der Pragmalinguistik gestiftete Illusion, die von ihr beschriebenen Sprechakte seien kultur-unabhängige Universalien“ (Breugnot 2000: 293), wird Gegenstand kritischer Debatten. Diese kritische Haltung geht auch ein in die sog. Politische Landeskunde, die in den 1970er/ 80er Jahren eine politisch-weltanschauliche Perspektive in die Fremdsprachendidaktik bringt und parallel zu den emanzipatorischen Ansätzen des kommunikativen Paradigmas gesellschaftskritischen Inhalten den Weg ins Klassenzimmer bah- 220 I nt erk ulturelle k omp e t enzen - Int erk ulturelle s l ernen Interkulturalität 12.2 erfolgreiche Realisierung interkultureller Kommunikation Fremdsprachenunterricht als bevorzugter Ort für interkulturelles Lernen Definition nen will, mit Themen wie Poverty in Britain, Rastafarianism, Centralisme et régionalisme en France, Dictaduras y violencia en Latinoamérica usw. Wenn man landeskundliche Themen und Texte betrachtet, so wird deutlich, dass ihr Interesse ganz der anderen, fremden Kultur gilt. Die Standortgebundenheit der Wahrnehmung wird dabei ausgeblendet, sie wird weder kritisch reflektiert noch Teil des didaktischen Vorhabens. Dass jede Wahrnehmung aber ihrerseits sozial und kulturell bedingt ist, diese Einsicht wird in der Fremdsprachendidaktik erst im Zuge der Auseinandersetzung mit der interkulturellen Debatte rezipiert. Unter dem Signalbegriff der „Interkulturalität“ werden nunmehr die Wechselseitigkeit von Verstehensprozessen und die Dynamik einer handelnden Begegnung mit dem jeweils Fremden betont. Zielformulierungen interkulturellen Lernens Interkulturelles Lernen wird in der Fremdsprachendidaktik überwiegend als Vorbereitung auf die erfolgreiche Realisierung interkultureller Kommunikation verstanden. Wie sich allerdings intervon intrakultureller Kommunikation unterscheidet, liegt nicht unmittelbar auf der Hand. Das grundsätzliche Problem jeder Kommunikation liegt schließlich im Aushandeln von Bedeutungen und ist daher für alle denkbaren Kommunikationssituationen gleichermaßen konstitutiv. Als einziges Unterscheidungsmerkmal ziehen Knapp/ Knapp-Potthoff (1990: 66) die sprachliche Differenz heran, den Umstand nämlich dass sich „einer der an ihr beteiligten Kommunikationspartner typischerweise einer zweiten oder fremden Sprache bedienen muß, die nicht eine Varietät seiner eigenen ist“. Für das Englische als lingua franca ist häufiger noch die Konstellation gegeben, dass keine/ r der Beteiligten die gemeinsame Sprache als Erstsprache spricht (s. Einheit 1.2.1). In beiden Fällen gilt, dass interkulturelle Kommunikation eng an die Zugehörigkeit zu unterschiedlichen Sprachgemeinschaften geknüpft wird. Aus dieser Gedankenführung leitet sich die häufig vertretene Einschätzung ab, der Fremdsprachenunterricht sei ein bevorzugter Ort für interkulturelles Lernen bzw. für interkulturelle Erziehung (vgl. z. B. Buttjes 1991). Wir müssen aber festhalten, dass Interkulturalität keineswegs auf fremdsprachlich geprägte Situationen beschränkt ist. Interkulturelle und intrakulturelle Kommunikation unterscheiden sich durch besondere sprachliche Gegebenheiten, nicht aber prinzipiell voneinander. Prozesse, welche den Einzelnen in der Beziehung zu eigenen wie zu fremden kulturellen Kontexten bestimmen, lassen sich drei Dimensionen zuordnen: der kognitiven, der affektiven und der pragmatischen, also der Verhaltensdimension. Mit anderen Worten, es werden sowohl Kenntnisse als auch Gefühle aktiviert, gemeinsam finden diese ihren Ausdruck in bestimmten symbolischen oder konkreten Handlungen. Einheit 12 221 z I elF ormulI erungen Int erk ulturellen l ernens der ferne und der nahe Fremde ein überflüssiger Begriff? Völkerverständigung Wie ist nun das Präfix „inter-“ zu verstehen? Wird z. B. von Kindern in interkultureller Situation gesprochen, so kann sich der Begriff auf die Zwischenstellung zwischen einer Herkunfts- und einer Zielkultur, auf das Zwischen der kulturellen Prägung durch das Elternhaus einerseits und die Schule andererseits beziehen. Weiter gefasst, richtet sich der Blick auf die Beziehung zwischen Menschen, die in jeweils unterschiedlichen kulturellen Systemen beheimatet sind. Die Fremdsprachendidaktik hat dabei ein bestimmtes Grundarrangement fokussiert: Sie hat für die Fremdsprachenlernenden die Gast-, nicht die Gastgeberrolle als Normalität unterstellt. Die angenommenen Bedürfnisse deutscher Reisender, auch Geschäftsreisender, bestimmten daher weitgehend die Definition von Zielkompetenzen. Weniger hat die Fremdsprachendidaktik - auch in der interkulturellen Diskussion - reflektiert, dass in den Klassenzimmern selbst seit langem oft nicht nur deutsche Kinder und Jugendliche sitzen, sondern dass diese Klassenzimmer selbst in neuer, auch sprachlicher Weise Ort interkultureller Begegnung geworden sind. Hans Hunfeld (1994: 95) stellt fest, dem etablierten Fremdsprachenunterricht sei es stets „mehr um den fernen als um den nahen Fremden“ gegangen. Selbst in der Fremdsprachendidaktik zeigt sich damit der „monolinguale Habitus“ der deutschen Schule (Gogolin 1994). Die Zielsetzungen eines interkulturellen Fremdsprachenunterrichts sind seit jeher umstritten. Edmondson/ House haben in verschiedenen Schriften interkulturelles Lernen sogar zum überflüssigen Begriff in der Fremdsprachendidaktik erklärt. Ihnen sei keine Interpretation für den Begriff Interkulturelle Kommunikation bekannt, die mehr beinhalte als fremdsprachliche Kommunikation. Damit werde die Terminologie tautologisch und unnütz. Suspekt wird ihnen die Debatte dadurch, dass es den Verfechter/ inne/ n der Interkulturalität weniger um sprachliche als vielmehr um affektive Lernziele zu gehen scheine. Das Fremdsprachenlernen hingegen habe frei zu bleiben vom Ballast derartig externer Aufgabenzuschreibungen (vgl. Edmondson/ House 1998: 173). Anders argumentiert Bredella (1999: 102). Er wendet sich gegen eine Reduktion der Ziele auf rein sprachliche Aspekte und betont, dass schulischer Fremdsprachenunterricht immer Teil an dem umfassenden Erziehungsbzw. Bildungsauftrag der Institution Schule insgesamt haben müsse. Dieser Auftrag wird in den Lehr- und Bildungsplänen der Länder mit Zielen wie dem der Völkerverständigung und der Friedenserziehung beschrieben. Knapp/ Knapp-Potthoff (1990: 83) formulieren eine entscheidende Frage wie folgt: Ist das Ziel die Verbesserung der Fähigkeit zur Kommunikation mit Angehörigen einer bestimmten anderen Kultur oder eine Verbesserung der Fähigkeit zur Kommunikation mit Angehörigen beliebiger anderer Kulturen? Schon diese Fragestellung ist problematisch. Die Vorstellung von einer kulturell monolithischen Sprachgemeinschaft, die in diesem Zitat erkennbar ist, 222 I nt erk ulturelle k omp e t enzen - Int erk ulturelle s l ernen Bevorzugung von Kulturkontrastivität 12.3 Abb. 12.1 Nationalstereotypen wird, wie oben gesehen, längst in Frage gestellt. In der Fremdsprachendidaktik lebt sie aber noch. Dort, wo sie vertreten wird, führt sie zur Bevorzugung von Kulturkontrastivität. In der Unterrichtspraxis dominiert sie nicht selten, so z. B. in der Arbeit mit und an Stereotypen. Umgang mit Stereotypen Historisch hat sich, wie oben schon angemerkt, eine Sicht etabliert, die Eigenes und Fremdes nach dem Kriterium nationalstaatlicher Zugehörigkeit unterschied. Sie legt essentialisierende Zuschreibungen nahe wie: „Die Engländer, US-Amerikaner, Franzosen, Spanier usw. sind dem Wesen nach so, wir Deutschen sind anders.“ Derartige Vorstellungen sind Grundlage von Karikaturen in Bild und Schrift, wie die humoristischen Zeichnungen, die Sie auf dieser Seite sehen und wie der folgende Witzspruch: Heaven is where the police is British, the cooks French, the mechanics German, the lovers Italian, and it’s all organized by Swiss. Hell is where the chefs are British, the mechanics French, the lovers Swiss, the police German, and it’s all organized by the Italians. (Anonym) Wir erkennen in dieser Zusammenstellung einige „klassische“ Nationalstereotypen wieder. Ohne diesen Wiedererkennungseffekt wären die Sentenzen nicht komisch. Während in ihnen jeder „Nationalcharakter“ ebenso mit positiven wie negativen Wertungen gekennzeichnet wird, dominiert in anderen Kontexten eindeutig die abwertende und ausgrenzende Dimension von ethnisch-kulturellen Stereotypen. In der Regel dienen negative Stereotypen der diskursiven Herstellung von Gemeinschaft durch Abgrenzung nach außen. Auf weniger leicht erkennbare Weise und zumeist unter positivem Vorzeichen operiert der Fremdsprachenunterricht ebenfalls mit kollektiven Zuschreibungen. Schon der Begriff der „Zielkultur“ verrät eine Tendenz zur Vereinheitlichung (vgl. Hu 2003: 289), desgleichen lässt der Terminus des Interkulturellen die Vorstellung erkennen, bei der Begegnung von Menschen unterschiedlicher Muttersprachen träfen Mitglieder von zwei in sich weitgehend homogenen Kulturgemeinschaften aufeinander. Diese Sichtweise liegt in der Regel der Stereotypieforschung zugrunde, so z. B. bei Gottfried Keller Einheit 12 223 D I Da k tIk D e s F re mD V erst ehens Perspektivenwechsel postmodern-poststrukturalistische Ansätze 12.4 Gefühle von Fremdheit (1994, 1996a, 1996b). Sein Konzept einer Verbindung landeskundlichen und interkulturellen Lernens geht von den Auto- und Heterostereotypen aus, die in Kulturgemeinschaften vorherrschen und die diese wechselseitig in Beziehung zueinander setzen. Der Kontrast zwischen der eigenen Sicht auf Angehörige einer anderen Gemeinschaft und der fremden Sicht auf die eigene Gemeinschaft lädt, so Keller, dazu ein, die umgekehrte Blickrichtung, also die fremde Sicht des Eigenen, probehalber zu übernehmen und sich selbst demzufolge quasi von außen zu sehen. Ein derartiger Perspektivenwechsel wiederum könne zu selbstkritischen Einsichten führen. Stereotypen sind statisch verfasst. Gegen diese Form der Festschreibung-- wie auch gegen jede andere Fixierung - machen postmodern-poststrukturalistische Ansätze die Notwendigkeit unabschließbarer Revisionen und Veränderungen geltend. Sie nehmen daher eine Abkehr von binären Denkstrukturen vor und „dekonstruieren“ Stereotypen. D. h. sie zeigen auf, wie heterogen in sich Gemeinschaften und die in ihnen vorkommenden Selbst- und Fremdeinschätzungen sind (vgl. Jonas/ Schmid Mast 2007). Damit ebnen sie differenzierenden Sichtweisen den Weg. Andererseits spielen Stereotypen und Vorurteile in den Köpfen der Lerner/ innen eine wichtige Rolle. Pädagogisch-didaktische Bemühungen um interkulturelles Lernen kommen daher nicht umhin, sie zunächst einmal ernst zu nehmen, sie aber auch zum Gegenstand kritischer Reflexionen zu machen. Insofern können Vorurteile - so Adelheid Hu (1995)-- im unterrichtlichen Geschehen sehr wohl eine positive Rolle spielen. Halten wir fest: Die vereinfachende Festlegung der anderen auf ein konkretes Bild folgt zumeist der Bequemlichkeit, der Ökonomie und dem Automatismus vorgegebener Wahrnehmungsroutinen. Die Opposition von Eigenem und Fremdem darf nicht zu einem Schematismus statischer Zuweisungen werden. Der Fremdsprachenunterricht, so die einhellige Meinung in der Fremdsprachendidaktik, bietet die Möglichkeit, im Zugang auf fremde Sprachen die prinzipielle Fremdheit des anderen wahrzunehmen, die Relativität eigener Weltsichten zu erfahren, sich zugleich aber auch dem Fremden zu öffnen und es sich annähernd zu erschließen. Voraussetzung hierzu ist allerdings, dass Fremdheitserfahrungen thematisiert und reflexiv erschlossen werden. Einen viel diskutierten Beitrag zu einer Didaktik, die sich diesem Ziel verschreibt, liefern hermeneutische Ansätze. Ihnen sind die meisten Beiträge des 1991 von Lothar Bredella und Herbert Christ ins Leben gerufenen Gießener Graduiertenkollegs „Didaktik des Fremdverstehens“ verpflichtet. Didaktik des Fremdverstehens Nicht zu Unrecht behauptet Schüle (1995: 78), im Grunde sei Fremdsprachenunterricht nie Fremdsprachenunterricht gewesen. Gefühle von Fremdheit sind in der Tat oft unliebsam und werden verdrängt. Jürgen Trabant (1997: 100) meint, die Fremdheit der Sprachen sei „etwas Erschreckendes bzw. eine 224 I nt erk ulturelle k omp e t enzen - Int erk ulturelle s l ernen das Fremde und das Eigene universalistische vs. kulturrelativistische Ansätze Relativierung des eigenen Standpunktes tiefdeprimierende Erfahrung“, „die man nur schwer aushält“. Julia Kristeva sieht dies auch so, sie erweitert das Blickfeld allerdings auf den Aspekt der Selbstfremdheit. In „Étrangers à nous-mêmes“ (1988) legt sie im Zuge psychoanalytischer Überlegungen dar, wie sehr die Abwehr des äußeren Fremden mit der des Fremden in uns selbst korreliert. Ein Annehmen des äußeren Fremden bedingt in ihrer Sicht eine Konfrontation mit den ungeliebten und als fremd und bedrohlich erlebten Anteilen der eigenen Persönlichkeit. Das „Fremde“ verweist notwendig auf seinen Gegenpart, das „Eigene“. Fremdheit kann daher keine absolute, sondern immer nur eine relationale Größe sein: Niemand ist fremd oder vertraut per se, sondern ist dies lediglich aus der Sicht des anderen. Daher geraten einerseits die Individualität und die „Identität“ der Lernenden hier näher in Betracht. Auf der anderen Seite, im Blick nämlich auf die Fremdheit des Fremden, scheiden sich die Geister in jene, die universalistisch und andere, die kulturrelativistisch argumentieren. Für Erstere ist eine gemeinsame Basis des Menschseins grundlegend; alle Menschen sind in ihrer Sicht von Natur aus gleich und haben Anspruch auf dieselben Rechte (Gedanke der Französischen Revolution, UN-Menschenrechts-Charta). Letztere sehen hingegen die sozialisatorischen Prägungen als bedeutsamer an. Jede/ r könne nur aus dem Verständnis des eigenen Kulturkreises und kollektiven Wertesystems heraus urteilen, folglich könne man der Andersartigkeit anderer Wertesysteme nicht wirklich gerecht werden. Dieses Denken birgt die Gefahr in sich, Ausgrenzungen zu provozieren bzw. zu verfestigen. Der andere ist dann eben ganz anders, er kann nicht wirklich zum eigenen Kulturkreis gehören. Wer umgekehrt universelle Maßstäbe postuliert, macht sich verdächtig, Fremdes zu vereinnahmen und dem eigenen Denken allzu leicht anzupassen. Damit kommen wir zu der Frage, ob Fremdverstehen überhaupt möglich ist. Im Rahmen eines Ansatzes kritischer Hermeneutik unterstreicht Hunfeld (1991: 52), dass zwischen dem Eigenen und dem Fremden eine Kluft bestehe, die es zunächst einmal anzuerkennen gelte. Nicht das Verstehen des Fremden, das immer in Gefahr steht, es auf den Begriff des Eigenen zu bringen, sondern die bewußte Anerkennung seiner nicht nach eigenen Begriffen verstehbaren Andersheit würde das Zusammenleben von vielfach Fremden im viel beschworenen Haus Europa orientieren. (Hunfeld 1993: 289) Der Wesenszug hermeneutischer Annäherung an das Fremde liegt jedoch in seinem dialogischen Charakter. Der Prozess des Verstehens ist ohne eine Relativierung des eigenen Standpunktes, d. h. ohne eine Veränderung des Selbst nicht denkbar. Gerade das macht ihn ja so mühsam und so wenig vorhersehbar. Neben lebensweltlichen Erfahrungen stellen literarische Rezeptionsprozesse - so die Grundüberzeugung des oben erwähnten Gießener Ansatzes - ein wichtiges Experimentier- und Lernfeld des Verstehens dar. Einheit 12 225 k ulturw Issensch a F tlIch orI entI ert e z ug ä nge Konzept des Perspektivenwechsels Perspektivenkoordination Vereinnahmung des Fremden 12.5 Aus der Überlegung heraus, dass literarisches Verstehen und interkulturelles Verstehen strukturgleich sind, wird die Wirkannahme abgeleitet, dass sich das eine mithilfe des anderen fördern ließe. Zentrale Bedeutung erhält hierbei das aus Dieter Geulens (1982) Theorie sozialen Handelns entlehnte Konzept des Perspektivenwechsels. Drei Stadien werden angenommen. Auf niedrigster Stufe setzt eine Dezentrierung des eigenen Blickes ein mit einer Identifizierung und Differenzierung anderer Sichtweisen. Perspektivenübernahme bedeutet dann den inhaltlichen Nachvollzug fremder Perspektiven, während die Perspektivenkoordination sich auf einer Meta-Ebene vollzogener Integration unterschiedlicher Perspektiven ansiedelt (s. Einheit 8.2; Burwitz-Melzer 2000). Beim Lesen eines Romans z. B. versetzt sich die Leserin bzw. der Leser in die Figuren der Handlung, sieht die literarisch gestaltete Welt zumindest teilweise mit deren Augen. Da moderne Romane in der Regel nicht von einer monoperspektivischen Erzählweise gekennzeichnet sind, muss der Leser hier schon verschiedene Sichtweisen nachvollziehen. Und je mehr er sich dieser mentalen Prozesse bewusst wird, desto eher wird er sich selbst zum erzählten Geschehen positionieren und verschiedene Perspektiven versuchen zu koordinieren. Hierauf werden wir in der nachfolgenden Einheit näher eingehen. Das skizzierte Ideal des Verstehens und der Verständigung lebt von der Bereitschaft der Einzelnen, eigene Standpunkte zu revidieren oder zumindest zu relativieren und eine symmetrische, nicht von Machtinteressen geprägte Kommunikation zu wagen. Da dies in den gegebenen gesellschaftlichen Strukturen oft illusorisch ist, lässt sich hermeneutischen Verstehensvorstellungen vorwerfen, sie verschleierten reale Macht- und Herrschaftsverhältnisse. Aus Sicht des erkenntnistheoretischen Konstruktivismus ist darüber hinaus jegliche Verstehensbehauptung als Anmaßung zu bewerten, da das individuelle Bewusstsein als informationell geschlossen betrachtet wird. Beide Einwände haben insofern Gewicht, als sie vor einer mentalen Vereinnahmung des Fremden warnen. Sie sollten uns allerdings nicht dazu verleiten, jegliche Verstehensbemühungen zu unterlassen. Kulturwissenschaftlich orientierte Zugänge Das Kulturverständnis, das implizit und explizit in Lehrwerken vermittelt wird, war lange Zeit von Geschlossenheit gekennzeichnet. Weder ethnische noch soziale Differenzen wurden gemeinhin offen gelegt. Die klassischen Lehrwerksfiguren entstammten der Mittelschicht und lebten in einem ethnisch-kulturell homogenen Umfeld. Erst in den 1990er Jahren setzt sich die Einsicht durch, dass z. B. das Französische nicht nur die Sprache Frankreichs und „der Franzosen“, sondern auch die der ehemaligen Kolonien ist. Noch zögerlich allerdings finden Hinweise auf das französischsprachige Kanada und auf frankophone afrikanische Länder Eingang in die gängigen Lehrwerke, offensichtlicher ist demgegenüber die Berücksichtigung ethnischer Vielfalt in 226 I nt erk ulturelle k omp e t enzen - Int erk ulturelle s l ernen Mischungen und Durchdringungen Transkulturalität Kulturverständnisse Kultur als Text französischen Großstädten. Für den Bereich des Englisch- und des Spanischunterrichts lassen sich analoge Tendenzen erkennen. „Unsere Kulturen haben de facto längst nicht mehr die Form der Homogenität und Separiertheit, sondern sind weitgehend durch Mischungen und Durchdringungen gekennzeichnet“, schreibt der Philosoph Wolfgang Welsch (1999: 51) und fährt fort: „Diese neue Struktur der Kulturen bezeichne ich, da sie über den traditionellen Kulturbegriff hinaus- und durch die traditionellen Kulturgrenzen wie selbstverständlich hindurchgeht, als transkulturell.“ Der Begriff der „Transkulturalität“ unterstreicht folglich die wachsende Heterogenität kultureller Sphären. Zur Veranschaulichung transkultureller Strukturen prägt Welsch das Bild von Geweben, die „aus unterschiedlichen Fäden zusammengesetzt und auf unterschiedliche Weise gewebt“ (ebd.: 59) sind. So bleiben zwar Unterschiedlichkeiten erkennbar, doch ist der Blick auf interne Heterogenität gerichtet. Eine ausgrenzende Trennung in Eigenes und Fremdes ist vor diesem Hintergrund kaum mehr möglich. In kulturwissenschaftlicher Forschung finden wir auf diachroner wie auf synchroner Ebene eine nahezu unüberschaubare Anzahl von Definitionen dessen, was ‚Kultur‘ meinen kann. Einige wenige Entwicklungstendenzen wollen wir kurz streifen: Nach einer lange Zeit gültigen Eingrenzung auf die sogenannte hohe Kultur hat sich im 20. Jahrhundert eine Erweiterung auf Phänomene der Alltags- und Massenkultur durchgesetzt. In diesem Rahmen ist nicht zuletzt der ethnologisch-interpretative Ansatz von Clifford Geertz zu verorten, der Kultur als selbst gesponnene Bedeutungsgewebe sieht, in die Menschen verstrickt sind (vgl. Gerbel/ Musner 2002: 13). Von hier ist es nicht weit zur Metapher „Kultur als Text“. Doris Bachmann-Medick (1996: 9 f.) erläutert diese wie folgt: Kultur gilt in der interpretativen Kulturanthropologie nicht mehr nur als einheitliches Gesamtgefüge, das in der Summe von Normen, Überzeugungen, kollektiven Vorstellungen und Praktiken aufgeht. Kultur ist vielmehr eine Konstellation von Texten, die - über das geschriebene oder gesprochene Wort hinaus - auch in Ritualen, Theater, Gebärden, Festen usw. verkörpert sind. […] Ziel ist es, im Horizont der Metapher von Kultur als Text Zugang zu den Selbstbeschreibungsdimensionen einer Gesellschaft zu gewinnen. Erst indem man auch Handlungen, Ereignisse und soziale Situationen als ‚Texte‘ betrachtet, werden sie - über ihre Situationskontingenz hinaus - für den kulturellen Prozeß der Objektivierung von Bedeutungen erschlossen. Die Vorstellung einer textuellen Verfasstheit von Kultur impliziert, dass man sich ihrem Gegenstandsgebiet nur deutend nähern kann. Kulturen sind immer heterogen. In ihnen kreuzen und überlappen sich unterschiedliche Einflüsse bzw. Texte; sie sind stets offen für neue Durchmischungen. Hieraus ergeben sich literaturdidaktische Implikationen, die in Einheit 13 zur Sprache kommen werden. Einheit 12 227 k ulturw Issensch a F tlIch orI entI ert e z ug ä nge der „Dritte Ort“ Identitätskonstruktionen tertiary socialisation Performative Deutungen des Kulturbegriffs unterstreichen zudem, dass die Rede über Kultur bereits als Teilhabe an der Kultur zu verstehen ist. Gerade im Blick auf das Lernen fremder Sprachen hat dieser Aspekt eine besondere Relevanz. Denn indem die fremde Sprache dem Einzelnen die Teilnahme an ursprünglich fremden Diskursgemeinschaften ermöglicht, erscheinen diese nunmehr subjektiv als Teil eigener Lebenswelt. Und umgekehrt integriert die fremdsprachliche Diskursgemeinschaft „fremde“ Stimmen und wandelt sich damit zu einem vielstimmigen, vielschichtigen und hybriden System. Die subjektive Seite dieses Prozesses hat Claire Kramsch im Blick, wenn sie von einem Dritten Ort jenseits der Ausgangs- und Zielkultur spricht, den Fremdsprachenlerner einnehmen. Dieser Dritte Ort ist als mentale Selbstverortung zu verstehen, als Entwurf einer gemischten Identität, so insbesondere die eines „intercultural speaker“. Eine solche Sichtweise ermöglicht es dem Einzelnen, über die Inkorporierung fremder Sprachen die Dichotomie des Eigenen und Fremden zu durchbrechen und - in den Worten Kramschs (1995: 63) - „jemand anderes in der eigenen Sprache und man selbst in der Sprache anderer“ zu sein. Auf der Ebene des Subjekts sind kulturelle Bedeutungszuschreibungen in der Tat eng mit persönlichen Identitätskonstruktionen verknüpft. Geschlossene Kulturmodelle bieten die Grundlage festgefügter und somit stabiler Identitätskonstrukte, wie wir im Kontext der Stereotype versucht haben aufzuzeigen. Diese jedoch verkürzen die Komplexität sozialer Beziehungen und erweisen sich als eher hinderlich bei der Ausbildung von wechselseitiger Akzeptanz und Toleranz, vor allem aber bei der Ausbildung von Verstehen (kognitiv) und Verständnis (kognitiv-affektiv). Der Vielschichtigkeit und Dynamik individueller wie auch kollektiver Identitäten angemessener ist die Vorstellung situationsabhängiger, multipler, sich wandelnder Identitäten, die durch Begriffe wie fluid, situated und shifting identities zum Ausdruck gebracht wird. Diese gehen davon aus, dass wir uns synchron und diachron unterschiedlichen Gruppen zugehörig fühlen und daraus jeweils anders nuancierte Identitätskonstrukte ableiten. In diesem Sinne kann ich mich kontextabhängig z. B. primär über ein berufliches oder genderspezifisches, ein lokales oder nationales oder globales Selbstverständnis definieren, das sich im Diskurs unablässig transformiert. Die deutsche Fremdsprachendidaktik hat - wenngleich nur in begrenztem Umfang - Einflüsse der britischen Cultural Studies verarbeitet. Der von Michael Byram (1989) stammende Begriff der tertiary socialisation verdeutlicht die Untersuchungsperspektive der Cultural Studies. Er geht von dem individuellen Aspekt der Entwicklung menschlicher Sozialisation aus und richtet sich von dort auf fremdkulturelle Kontexte. Diese bilden nach dem familiär-primären und dem eigenkulturell-sekundären Umfeld (Kindergarten, Schule) den Rahmen der bezeichneten dritten Sozialisationsstufe (Eingliederung in eine mehrsprachige Weltgemeinschaft und aktive Teilhabe an ihr) (s. Einheit-1.1.1). 228 I nt erk ulturelle k omp e t enzen - Int erk ulturelle s l ernen das orientierungsstiftende Moment kultureller Konventionen Definitionen Fremdsprachenunterricht als Erfahrungsraum interindividueller Verständigungsprozesse Während die vorgenannten Ansätze vor allem den Aspekt der Durchdringung und Vermischung unterschiedlicher kultureller Einflüsse hervorheben, versuchen andere Kulturwissenschaftler, das orientierungsstiftende Moment kultureller Konventionen wissenschaftlich genauer zu fassen. Zu ihnen gehört Els Oksaar (1988), die den Begriff des Kulturems eingeführt hat. In Analogie zu den linguistischen Kategorien der Phoneme, Morpheme, Lexeme usw. bezeichnet dieser kleinste Einheiten kultureller Kommunikation wie Rituale des Grüßens, des Ablehnens, des Dankens usw. Auf einer höheren Ebene angesiedelt sind die sogenannten Kulturstandards. Diese sind laut Alexander Thomas (1996: 112) zu verstehen als „alle Arten des Wahrnehmens, Denkens, Wertens und Handelns […], die von der Mehrzahl der Mitglieder einer Kultur für sich persönlich und andere als normal, selbstverständlich, typisch und verbindlich angesehen werden“. Zu ihnen zählen z. B. gesellschaftlich etablierte Vorstellungen von Pünktlichkeit oder Muster des Verhaltens der Geschlechter untereinander. Vom Ansatz her ähnlich ist das Konzept der ‚kulturellen Deutungsmuster‘, mit dem Altmayer (2006: 51) „überlieferte, im kulturellen Gedächtnis einer Gruppe gespeicherte und abrufbare Muster von einer gewissen Stabilität“ bezeichnet. Während Kultureme und Kulturstandards in der Regel auf einen nationalstaatlichen Rahmen bezogen werden, sieht Altmayer (ebd.: 52) kulturelle Deutungsmuster bereits auf der Mikroebene gesellschaftlicher Gruppen wie Fußball-Fanclubs und dergleichen angesiedelt. Auch wenn die aufgezeigten kulturwissenschaftlichen Erklärungsmuster untereinander nicht widerspruchsfrei sind, halten wir dennoch als wichtige Eckpunkte Folgendes fest: � Kultur ist ein vielschichtiges Konstrukt mit offenen Rändern, das von Überlappungen, Vermischungen und wechselseitigen Durchdringungen gekennzeichnet ist. � Kultur ist ein diskursiv verfasstes Konstrukt. M. a. W.: Kultur ist kein vorfindliches objektives Phänomen, sondern eine gesellschaftliche Praxis der Bedeutungszuweisung, an der jede/ r Einzelne teilhat. � Gleichwohl sind auf unterschiedlichen Ebenen sozialer Organisation kollektive Deutungsmuster und Verhaltenskonventionen zu beobachten, die Individuen und Gruppen Orientierungsangebote liefern. � Kulturelle Identitäten sind dynamische Selbstverortungen von Individuen und Gruppen, in denen „Eigenes“, „Fremdes“ und „Übergreifend-Gemeinsames“ situationsspezifisch jeweils neu definiert werden (floating identites/ situated identities). Nur wer als Lehrende/ r ein Verständnis für die angesprochene Vielschichtigkeit entwickelt, wird dies in den unterschiedlichsten Kommunikationskontexten auch gegenüber den Lernenden zum Ausdruck bringen und ihnen Anregungen geben können, ihre Sichtweisen zu hinterfragen und zu differenzieren. Differenzierte Betrachtungsweisen sind nötig, um vor schnellen und totalisierenden Abgrenzungen zu schützen und Brücken der Verständigung Einheit 12 229 I nh alt e unD V erFa hren Int erk ulturellen l ernens 12.6 Schüleraustausch Führen eines Lernertagebuchs Sensibilisierung für das „Fremdspezifische“ kommunikationsbzw. handlungsorientierte Ansätze mit dem „Fremden“ offen zu halten. Aufgabe von Fremdsprachenunterricht ist es demzufolge, einen Erfahrungsraum interindividueller Verständigungsprozesse bereitzustellen, in dem sich derartige Positionen jenseits eigener und fremder Perspektiven entfalten können. Inhalte und Verfahren interkulturellen Lernens Ein klassisches Lernfeld für bikulturellen Vergleich und interkulturelles Lernen bildet der Schüleraustausch. Eine Begegnung mit Angehörigen der zielsprachigen Kultur wird meist durch Einüben situationsgerechter Redemittel und kontrastive Inventarisierung von Gebräuchen und Kommunikationsstrategien vorbereitet. Das Vertrauen in die Kontakt-Hypothese, das gegenseitige Kennenlernen führe automatisch zum Abbau von Vorurteilen, ist inzwischen berechtigter Skepsis gewichen. Die Verhältnisse sind zu komplex, als dass sie sich durch unreflektierte Erfahrung annähernd erfassen ließen. Erst die Rückführung gemachter Erfahrungen auf den eigenkulturellen wie auch auf den eigenbiographischen Hintergrund erlaubt eine produktive, d. h. Fragen generierende Annäherung an das Fremde. Zu diesem Zweck empfiehlt sich das Führen eines Lernertagebuchs (vgl. z. B. Fellmann 2006). Zentraler Ort für Hinterfragungen aber ist die Reflexion unterschiedlicher Erfahrungen im Unterrichtsgespräch. Das heißt zugleich, dass die Lehrkraft selbst über ein eigenes Bewussstsein von der Komplexität kultureller Zuschreibungen verfügen sollte, denn nur dann kann sie die Schüler/ innen mit angemessenen weiterführenden Fragen konfrontieren. Ebenfalls komparatistisch angelegt, jedoch mehr auf sozialwissenschaftliche Fragestellungen bezogen, verstehen sich Konzepte landeskundlichen Lernens als Teil einer politischen Bildung. Im Gegensatz zu der früher üblichen Ausrichtung auf fremdkulturelle Institutionen und Fakten („Realienkunde“) erweitert sie ihr Blickfeld nunmehr verstärkt auf Phänomene des Alltagslebens. Die Ziele landeskundlichen Lernens gehen dementsprechend über eine Informationsaufnahme hinaus in Richtung auf eine Sensibilisierung für das „Fremdspezifische“ (Robra 1999). Auch auf der Ebene von Begriffen des Alltagslebens und ihrer unterschiedlichen kulturellen Bedeutungen (Denotationen und Konnotationen) oder auf der Ebene von Konversationsroutinen kann ein Sprachvergleich Einsichten in die Verschiedenheit kultureller Referenzsysteme vermitteln und die Sensibilität für kulturelle Differenz (cultural awareness) fördern (vgl. u. a. Brunzel 2002, Volkmann 2006, Naumann 2006, Küster 2008). Kommunikationsbzw. handlungsorientierte Ansätze versuchen, eine Verbindung kognitiver Lernziele mit denen einer pragmadidaktisch inspirierten Kommunikativen Didaktik herzustellen. Kulturelles und sprachliches Lernen gehen in vielen Feldern Hand in Hand. Hinsichtlich der Lehr- und Lernverfahren muss die kognitive Ausrichtung der Landeskunde zudem keineswegs 230 I nt erk ulturelle k omp e t enzen - Int erk ulturelle s l ernen critical incidents Behandlung von literarischen Werken LACE zu Lehrerzentrierung im Unterricht führen. Sie erlaubt vielmehr eine Methodik des entdeckenden Lernens unter Einschluss projektorientierter Verfahren. An den (mediengestützten) Einsatz dramatischer Techniken ist hier zu denken, aber auch an E-Mail-Korrespondenzen. Ihr Potenzial für interkulturelle Lernprozesse entfalten diese Verfahren und Lernkontexte allerdings erst da, wo sie auf einer metakommunikativen bzw. metakognitiven Ebene reflektiert und zum Anlass von Einstellungsänderungen genutzt werden. Konstruktivistisch gesehen, beschränkt sich die Aufgabe einer interkulturellen Didaktik darauf, geeignete und vielfältige und vor allem irritierende, nicht umstandslos assimilierbare Lernanlässe bereitzustellen, die gleichwohl Verbindungen zu eigenen Erfahrungs- und Gedankenwelten zulassen. Die Arbeit an critical incidents kann in diesem Sinne gestaltet werden. Mit critical incidents oder hotspots sozialer Interaktion sind Fälle kulturell bedingter Missverständnisse und Konflikte gemeint, die oft zum Misslingen bzw. zum Abbruch von Kommunikationsversuchen führen (vgl. Heringer 2 2007: 162 ff.). Unter konstruktivistischem Vorzeichen werden die Lernenden vor die Frage gestellt, wie sie sich selbst in ähnlichen Situationen verhalten würden, worauf im konkreten Fall die Kommunikationsprobleme zurückzuführen sind, wie diese sich vielleicht vermeiden lassen usw. Neben der Förderung einer cultural awareness kann die Arbeit mit solchen Fallvignetten aber auch einem „instruktivistisch“ angelegten Verhaltenstraining dienen, das wesentlich auf die Wahrnehmung und Überwindung von Stereotypen ausgerichtet ist (vgl. Müller-Jacquier 2000). Ein weites Feld interkulturellen Lernens eröffnet sich darüber hinaus in der Behandlung von literarischen Werken, Spielfilmen, Werbespots usw. Darauf wird in Einheit 13 einzugehen sein. Dass gerade auch aufgabenorientierte Verfahren vielfältige Möglichkeiten interkulturellen Lernens offerieren, belegen u. a. Caspari (2010) und Grünewald (2012). Auf die Frage, inwieweit und wie Ziele interkulturellen Lernens realiter in der Praxis des Fremdsprachenunterrichts berücksichtigt werden, gibt eine europäische Studie mit dem Namen „Sprachen und Kulturen in Europa/ Languages and cultures in Europe (LACE)“ (Europublic sca/ cva: 2007) zumindest ansatzweise Aufschluss. Aus einer Online-Erhebung mit 213 sowie aus Telefoninterviews mit weiteren 78 Fremdsprachenlehrer/ innen verschiedener Länder der Europäischen Union geht hervor, dass 80 % der Befragten eigenem Bekunden nach interkulturelles Lernen vorrangig durch mündliche Wissensvermittlung anzuregen versuchen. Simulationen, Rollenspiele, Aktivitäten mit Lernaufgaben und Arbeit mit literarischen Texten, Videos usw. folgen erst auf weiteren Rängen. Insgesamt zeichnet sich ab, dass überwiegend kognitive Aspekte landeskundlichen Lernens als interkulturell relevant eingestuft und vermittelt werden, haltungs- und reflexionsbezogene Schwerpunktsetzungen hingegen sind nur schwer ausfindig zu machen. Da nimmt es nicht wunder, dass 92,5 % der Umfrageteilnehmer/ innen einen Mangel an spezifischen Hilfestellungen zur Vermittlung interkultureller Kompetenzen beklagen (vgl. ebd.: 8). Einheit 12 231 z ur m oD ellI erung Int erk ultureller k omp e t enz ( en ) Zur Modellierung interkultureller Kompetenz(en) Dass sich im Kontext des Fremdsprachenlernens derzeit der Begriff der interkulturellen Kompetenz gegenüber dem des interkulturellen Lernens durchsetzt, hängt offenkundig mit der politisch gewünschten Output- und Standardorientierung des Bildungswesens zusammen (s. Einheit 5.4). Er stellt ein Zielkonstrukt dar, m. a. W. er bezeichnet das Ergebnis von Lernen. Demgegenüber betont der Begriff des interkulturellen Lernens mehr den Prozesscharakter. Da der Kompetenzbegriff vorrangig die Aspekte des Wissens und des Könnens, hier insbesondere des problemlösenden Handelns betont, ist darauf zu achten, dass mit dem Wechsel des Zielkonzepts keine Verkürzung des Verständnisses interkulturellen Lernens einhergeht. Denn als grundlegend für interkulturell reflektiertes Verhalten sind, wie oben dargelegt, neben Wissen auch so schwer zu operationalisierende Faktoren wie Neugier auf andere Menschen, Empathiefähigkeit, Selbstkenntnis, cultural awareness usw. anzusehen. Wie die Diskussion um den Zielbegriff des Fremdverstehens dokumentiert, umfasst interkulturelles Lernen neben kognitiven und wesentlichen auch affektive und attitudinale Aspekte, die eher mit dem Begriff der Persönlichkeitsbildung bezeichnet werden. Ein sehr weites und breit rezipiertes Modell interkultureller Kompetenz hat Michael Byram (1997) vorgelegt. Seine Aufgliederung in 5 savoirs, die später in modifizierter Form auch dem GeR zugrunde gelegt wurde, erlaubt es, die Dimensionen interkultureller Kompetenz so zu fassen, dass ebenfalls Aspekte interkultureller Bildung inbegriffen sind. Intercultural Communicative Competence linguistic competence sociolinguistic competence discourse competence intercultural competence classroom t and l fieldwork (t) and l independent learning l savoirs savoir comprendre savoir apprendre/ faire savoir s’engager savoir être Locations of Learning 12.7 Aspekte des problemlösenden Handelns Abb. 12.2 Interkulturelle kommunikative Kompetenz nach Byram 232 I nt erk ulturelle k omp e t enzen - Int erk ulturelle s l ernen Verständnis der Bildungsstandards Aufzählungscharakter Spezifik der verschiedenen Schulfremdsprachen Mit den savoirs ist kulturelles, auch landeskundliches Wissen gemeint, während savoir être eine persönlichkeitsbezogene Kompetenz bezeichnet, insbesondere die Bereitschaft und Fähigkeit, sich von ethnozentristischen Sichtweisen zu lösen (vgl. ebd.: 54). Allerdings hat Byrams Modell eine kognitivistische Schieflage. Die affektiven Seiten einer interkulturellen Empathiefähigkeit werden in ihm nur ansatzweise berücksichtigt. Gleiches gilt für die Bildungsstandards. Nach einer recht allgemein gehaltenen Zielformulierung, „Schülerinnen und Schüler zu kommunikationsfähigen und damit offenen, toleranten und mündigen Bürgern in einem zusammenwachsenden Europa zu erziehen“, ihnen zu einem „Zuwachs an Erfahrung“ und zu einer „Stärkung der eigenen Identität“ zu verhelfen (KMK 2004: 6), werden einzelne Aufgabenbereiche wie folgt ausgewiesen: - thematisches soziokulturelles Orientierungswissen für fremdsprachliches kommunikatives Handeln in mehrsprachigen Situationen. Die Schülerinnen und Schüler können z. B. Informationen über die englischbzw. französischsprachige Lebenswelt aufnehmen und verarbeiten. - Fähigkeiten im Umgang mit kultureller Differenz: Umgang mit Stereotypen, Erkennen von eigen- und fremdkulturellen Eigenarten, Fähigkeiten zum Perspektivwechsel. Die Schülerinnen und Schüler können z. B. ihren eigenen Lebensbereich mit dem der Zielsprache vergleichen. - Strategien und Fähigkeiten zur praktischen Bewältigung interkultureller Begegnungssituationen - Umgang mit Missverständnissen, mit schwierigen Themen und Konfliktsituationen. Die Schülerinnen und Schüler können z. B. mit unterschiedlichen Normen und Wertvorstellungen, die sich aus verschiedenen kulturellen Hintergründen ergeben, offen und tolerant umgehen bzw. sich kritisch mit ihnen auseinander setzen. (KMK 2004: 10) Diese Ziele sind ohne Zweifel sinnvoll. Zu kritisieren ist allerdings, dass die Vorgaben der KMK an bipolaren Oppositionen des Eigenen und des Fremden festhalten und damit eine wichtige Akzentuierung, welche die Fremdsprachendidaktik aus neuerer kulturwissenschaftlicher Grundlagenforschung gewonnen hat, unberücksichtigt lassen. Des Weiteren sind die aufgelisteten Merkmale recht unpräzise gefasst, was es schwer macht, sie auf konkrete unterrichtliche Handlungen zu beziehen. Durch ihren Aufzählungscharakter erscheinen sie insgesamt zudem eher additiv, d. h. sie lassen eine integrative Perspektive vermissen; vor allem wird nicht deutlich, worin der genuin fremdsprachliche Aspekt der anzustrebenden Kompetenz besteht (vgl. Caspari 2008: 23 f.). Wenn wir uns die verschiedenen Bestimmungen dieser Kompetenz näher ansehen, fällt nämlich auf, dass im Wesentlichen sprachübergreifende Merkmale wie „soziokulturelles Orientierungswissen“, „Umgang mit kultureller Differenz“ und „praktische Bewältigung interkultureller Begegnungssituationen“ ausgewiesen werden. Damit gerät zugleich die Spezifik der verschiedenen Schulfremdsprachen aus dem Blick. So bietet das Englische Einheit 12 233 z ur m oD ellI erung Int erk ultureller k omp e t enz ( en ) durch seine Bedeutung als lingua franca bestimmte Chancen und Grenzen zum Aufbau interkultureller Kompetenz, die sich von denen des Spanischen oder anderer stärker „kulturalisierter“ Fremdsprachen sehr wohl unterscheiden. Auch die Abiturstandards (KMK 2012: 17 f.) sind in dieser Hinsicht etwas spezifischer, wenn sie die allgemeingehaltenen Ziele in folgende Operationalisierungen überführen: Die Schülerinnen und Schüler können - ihr Orientierungswissen über die Zielkulturen in vielfältigen Situationen anwenden: Aspekte der Alltagskultur und Berufswelt, Themen und Probleme junger Erwachsener, gegenwärtige politische und soziale Bedingungen, historische und kulturelle Entwicklungen einschließlich literarischer Aspekte sowie Themen von globaler Bedeutung - ihr Wissen über Kommunikation anwenden und fremdsprachige Konventionen beachten, u. a. zur Signalisierung von Distanz und Nähe - ihre Wahrnehmungen und (Vor-)Urteile erkennen, hinterfragen, relativieren und ggf. revidieren - einen Perspektivenwechsel vollziehen sowie verschiedene Perspektiven vergleichen und abwägen - Werte, Haltungen und Einstellungen ihrer zielsprachigen Kommunikationspartner erkennen und unter Berücksichtigung des fremdkulturellen Hintergrundes einordnen - fremdsprachige Texte und Diskurse in ihrer fremdkulturellen Dimension erfassen, deuten und bewerten - fremde und eigene Werte, Haltungen und Einstellungen im Hinblick auf international gültige Konventionen (z. B. die Menschenrechte) einordnen - ihr strategisches Wissen nutzen, um Missverständnisse und sprachlichkulturell bedingte Konfliktsituationen zu erkennen und zu klären - sich trotz des Wissens um die eigenen begrenzten kommunikativen Mittel auf interkulturelle Kommunikationssituationen einlassen und ihr eigenes sprachliches Verhalten in seiner Wirkung reflektieren und bewerten - auch in für sie interkulturell herausfordernden Situationen reflektiert agieren, indem sie sprachlich und kulturell Fremdes auf den jeweiligen Hintergrund beziehen und sich konstruktiv-kritisch damit auseinandersetzen In der Zusammenstellung fällt auf, dass (selbst)reflexive Prozesse deutlich stärker akzentuiert werden, als dies in den Standards der Sekundarstufe- I der Fall war. Unabhängig vom Kriterium der Adressatenspezifik drückt sich hierin ein vermutlich gewandeltes Verständnis des Phänomens „Interkulturalität“ aus. Dessen Komplexität wird nunmehr umfassender, wenngleich im Vergleich zu den oben skizzierten kulturwissenschaftlich fundierten Ansätzen in nach wie vor vereinfachter Weise erfasst. Insbesondere die Brüchigkeit des 234 I nt erk ulturelle k omp e t enzen - Int erk ulturelle s l ernen Überprüfung interkultureller Kompetenz Lernerportfolios Kulturkonzepts wie auch der Opposition von „fremd“ und „eigen“ werden nicht näher bedacht. Positiv sei demgegenüber festgehalten, dass die stärkere Betonung der Reflexivität zugleich der zentralen Stellung entspricht, welche die Sprachbewusstheit in den Sek. II-Standards einnimmt (s. Einheit-11). Wie Heidi Rösch (2012: 35 f.) zu Recht betont, weist ein Verständnis interkultureller Kompetenz, das den Akzent eindeutig auf Metakognition und Reflexivität legt, eine Nähe zum Bildungsgedanken auf. Wie in den voraus gegangenen Einheiten gesehen, folgt die Kompetenzorientierung dem Ziel, Ergebnisse schulischen Lernens so zu modellieren, dass sie möglichst valide (d. h. gegenstandsadäquat) und objektiv überprüft werden können. Dies zu leisten, fällt im Bereich der interkulturellen Kompetenz hingegen besonders schwer. Bislang verzichten daher die KMK-Bildungsstandards auf Stufenmodelle, mit denen der Grad einer Zielerreichung beschreibbar wäre. Dies kann einerseits als Chance begriffen werden, außerhalb der engen Grenzen einer Überprüfbarkeit auch reflexive und ethische Aspekte sprachlichen Lernens im Unterricht zur Geltung kommen zu lassen. Andererseits wird verschiedentlich die Befürchtung artikuliert, dass Ziele des Fremdsprachenunterrichts, die sich der Kompetenzmessung entziehen, in unterrichtlicher Praxis schlichtweg unberücksichtigt bleiben. Um dieser Gefahr zu entgehen, werden Versuche unternommen, „auch die schwer messbaren Kompetenzen soweit zu operationalisieren, zu stufen und durch Aufgaben zu normieren, dass sie - zumindest teilweise - evaluierbar werden“ (Hu 2008: 11, zum gegenwärtigen Stand der Forschung vgl. Hu/ Byram 2009). In diesem Zusammenhang wird vielfach auf das Stufenmodell von Milton Bennett aus den 1980er und 1990er Jahren verwiesen (vgl. z. B. Papenberg 2010, Eberhardt 2013: 122-138). Es nennt sich Developmental Model of Intercultural Sensitivity und definiert sechs Stufen von Sichtweisen auf die Welt, die eine Entwicklung von Ethnozentrismus zu Ethnorelativismus widerspiegeln. Es gilt aber in der Forschungsliteratur als sehr problematisch, da seine Gültigkeitsannahmen in verschiedenerlei Hinsicht in Frage gestellt werden müssen (vgl. Hu 2010: 68). Als am besten geeignet erscheinen derzeit Evaluationen, die auf Lernerportfolios basieren. Diese erlauben Rückschlüsse auf erreichte Niveaus der Wahrnehmung und der Reflexion interkultureller Zusammenhänge, ohne dass im Interesse einer Vergleichbarkeit Komplexität unbotmäßig reduziert würde. Eine Leistungsbeurteilung und -bewertung im Sinne breit angelegter Lernstandserhebungen ist mit diesem Instrument allerdings nicht möglich. Ob bzw. inwieweit interkulturelle Kompetenzen einer vergleichenden Messung zugänglich zu machen sind, ohne zugleich das Konstrukt unzulässig zu verkürzen, werden die Forschungen und Diskussionen der kommenden Jahre zeigen. Einheit 12 235 z ur m oD ellI erung Int erk ultureller k omp e t enz ( en ) Zusammenfassung In welchem Kontext und mit welcher Zielsetzung auch immer Lehrende versuchen, interkulturelles Lernen zu fördern - das, was wir mit dem Begriff bezeichnen, ist ein äußerst vielschichtiger, oft langwieriger und darüber hinaus schwer steuerbarer Prozess. In ihm fließen Wissens-, Haltungs- und Verhaltensaspekte zusammen (kognitive, emotive und konative Komponenten). Es braucht sowohl Kenntnisse über kulturell Differentes/ Fremdes als auch eine emotionale Öffnung (Empathie) ihm gegenüber, die sich zugleich auf der Verhaltensebene niederschlägt, damit wirklich von ‚Lernen‘ gesprochen werden kann. Es liegt auf der Hand, dass ein Wissenserwerb relativ leicht zu lenken ist, dass aber Haltungsveränderungen und interkulturell wachsames Verhalten nur mittelbar zu induzieren und kaum verlässlich zu überprüfen sind. Dass wir es hier mit Bildungsprozessen und folglich mit den Paradoxien von Bildungsautonomie zu tun haben, schließt nicht aus, dass darüber nachgedacht werden kann und sollte, durch welche Anlässe und Kontextbedingungen derartige Prozesse begünstigt werden können. Interkulturelles Lernen geschieht nur dort, wo vermeintliche Gewissheiten in Frage gestellt und eigene Sichtweisen in der Konfrontation mit anderen relativiert werden, Annäherungen an anderes stattfindet, m. a. W. dort, wo ein echter Dialog (oder Polylog) aufgenommen wird. Diese dialogische oder polylogische Grundstruktur interkulturellen Lernens wiederum legt nahe, dass auch seine Anbahnung dialogisch oder polylogisch ausgelegt sein sollte. Im unterrichtlichen Rahmen kommt dem Lehrenden und den Mitlernenden daher eine besondere Bedeutung zu. Lehrkräfte sollten selbst über ein hohes Maß an cultural awareness verfügen und vor deren Hintergrund weiterführende Fragen aufwerfen, die Lernenden mit neuen Sichtweisen konfrontieren und in ihnen einen kognitiven Konflikt auslösen. Lehrende sollten in diesem Sinne Texte bzw. Materialien auswählen, die von Lernenden als Anlässe eigener Sensibilisierung und Wissenserweiterung genutzt werden können. Sie sollten zudem nach Möglichkeit Begegnungsräume für einen Austausch mit Fremden bereitstellen (Schüleraustausch, E-mail-Partnerschaften, Einladungen an Vertreter anderer Kulturräume usw.) und vor allem die hier gemachten Erfahrungen einer vertieften Reflexion zuführen. Aufgaben 1 Zeichnen Sie ähnlich grobschnittig wie bei einem „Ampelmännchen“ die Umrisse eines menschlichen Körpers. Verorten Sie dann die verschiedenen Sprachen, die Sie sprechen, in dieser Zeichnung, z. B. das Deutsche im Bauch, das Englische an der rechten Hand usw. Tauschen Sie sich dann mit einer/ m Mitstudierenden darüber aus, was diese Symbolisierungen für Sie bedeuten. Dies kann Ihnen und Ihrem Gegenüber Aufschluss über Ihre persönlichen sprachlich-kulturellen Identitätskonstruktionen geben. (Die Anregung zu diesem Verfahren ist Krumm 2003 entnommen.) 2 Überlegen Sie, welche critical incidents Ihnen im Zuge Ihrer persönlichen Erfahrungen in interkultureller Kommunikation begegnet sind. Welche Lösungen verlangten diese incidents, welche Kenntnisse und Haltungen waren zu diesen Lösungen notwendig bzw. wären notwendig gewesen? Welche Aufschlüsse ergaben Ihnen diese Erfahrungen 236 I nt erk ulturelle k omp e t enzen - Int erk ulturelle s l ernen 8 8 über unterschiedliche Kulturstandards oder kulturelle Deutungsmuster? Besprechen Sie Ihre Erfahrungen und deren Deutungen mit einer/ m Mitstudierenden. 3 Lesen Sie den Ausschnitt aus den Schilderungen der japanischstämmigen Autorin Yoko Tawada (1996) auf www.bachelor-wissen.de. Welche Phänomene kultureller Fremdheit beschreibt die Autorin, wie begegnet sie ihnen? Inwieweit gelingt es Ihnen eigener Einschätzung nach, die Perspektive der Autorin nachzuvollziehen? Wodurch wird möglicherweise Ihr Perspektivenwechsels begrenzt? 4 Versuchen Sie, die frei gelassenen Felder in der Matrix von Caspari/ Schinschke (2009: 286 f.), einsehbar unter www.bachelor-wissen.de, auszufüllen. Vergleichen Sie Ihre Einschätzungen mit denen eines/ r Mitstudierenden. Zum Weiterlesen Bredella, Lothar (1999): Zielsetzungen interkulturellen Fremdsprachenunterrichts. In: Bredella, Lothar/ Delanoy, Werner (Hrsg.): Interkultureller Fremdsprachenunterricht, T übingen: Narr, 85-120. Bredella, Lothar/ Christ, Herber t (Hrsg.) (2007): Fremdverstehen und interkulturelle K ompetenz. T übing en: Narr. Caspari, Daniela/ Küster, Lutz (Hrsg.) (2010): Wege zu interkultureller Kompetenz. Fremdsprachendidaktische Aspekte der Text- und Medienarbeit. Frankfurt a. M. u. a.: Lang. Hu, Adelheid/ Byram, Michael (Hrsg.) (2009): Interkulturelle Kompetenz und fremdsprachliches Lernen. Modelle, Empirie, E valuation/ Intercultural competence and foreign language learning. Models, empiricism, assessment. T übing en: Narr. 237 13.1 Beitrag zum Kompetenzerwerb semiotisches Textverständnis Einheit 13 Literarisch-ästhetische Kompetenzen: die Arbeit mit Literatur, Film, Comics, Bildern Texte als Gegenstände des Fremdsprachenunterrichts Kompetenzen gelten als handlungsleitende Dispositionen (s. Einheit 5.4.2). Sie lassen sich zwar fachbezogen ausdifferenzieren, sind jedoch im Wesentlichen inhaltsneutral bzw. inhaltsindifferent, d. h. man kann Kompetenzen an sehr vielen Gegenständen erwerben und zur Geltung bringen. In Bezug auf die Medienkompetenzen, die wir in Einheit 11 besprochen haben, trifft dies allerdings nur in eingeschränktem Maße zu, geht es in ihnen doch um den Umgang mit bestimmten Gegenständen, eben den Medien in ihrer ganzen Bandbreite (s. Einheit 7). Zu den Medien gehört auch die Literatur. Sie hat als Inhalt schulischen Fremdsprachenunterrichts eine lange Tradition, muss im Zuge der aktuellen Kompetenzorientierung allerdings um ihre Daseinsberechtigung kämpfen. Sofern sie zum Einsatz kommen soll, muss nunmehr ersichtlich werden, welches spezifische Potenzial sie im Blick auf den angestrebten Kompetenzerwerb besitzt. Zur Begründung wird vielfach darauf hingewiesen, dass die Auseinandersetzung mit Literatur einen hohen Beitrag zum interkulturellen Lernen (s. Einheit 12) leisten kann. Demgegenüber werden seit einigen Jahren Stimmen laut, die einen eigenen Kompetenzbereich literarischer oder literarisch-ästhetischer Kompetenz/ en einfordern und diesen den bisher benannten an die Seite stellen wollen (vgl. z. B. Mordellet-Roggenbuck 2006). Hierauf werden wir weiter unten näher eingehen. Sehen wir uns aber zunächst das didaktische Potenzial der Gegenstände selbst, also literarischer bzw. im weiteren Sinn ästhetisch verfasster Texte generell, näher an. Wir schildern, welche Bedeutung ihnen in der Vergangenheit zugeschrieben wurde und welche Akzentuierungen die fremdsprachenbezogene Literaturdidaktik in neuerer Zeit erfahren hat und erörtern dann ihren didaktischen Stellenwert unter dem Vorzeichen der Kompetenzorientierung. Wenn wir von Texten sprechen, meinen wir mehr und anderes als der Alltagssprachgebrauch unter ihnen versteht. Gemeinhin werden mit ‚Texten‘ ja lediglich Schriftstücke bezeichnet. In einem wissenschaftlichen Verständnis, das an Studien der Semiotik anschließt, gelten hingegen alle Korpora von Zeichen als ‚Texte‘, welche die Merkmale Kohäsion und Kohärenz aufweisen. ‚Kohäsion‘ meint dabei den oberflächlich-formalen Zusammenhang medienspezifischer Ausdrucksmittel, während mit ‚Kohärenz‘ der beim Sinnerstellen entstehende prozessual-inhaltliche Zusammenhang erfasst wird (vgl. Lörscher 238 L it er arisch ä sthe tische K omp e t enzen Deutungsoffenheit 13.2 13.2.1 1995). Demzufolge fallen Bilder, Comics, Filme, Musikstücke usw. ebenfalls unter den Textbegriff (vgl. Eco 1991, Wendt 1997). Infolgedessen befassen wir uns in dieser Einheit mit kunsthaft verfassten Texten unterschiedlicher medialer Kodierung. Die sogenannte „schöne Literatur“ oder Belletristik gehört seit geraumer Zeit zum festen Kanon fremdsprachenunterrichtlicher Lehr- und Lerninhalte. Doch in jüngerer Zeit haben auch Filme, Comics und Werke Bildender Kunst zunehmend Beachtung gefunden. Ihnen allen ist ein ästhetischer Anspruch gemein und mit ihm - in unterschiedlich intensiver Ausprägung - das Merkmal der Deutungsoffenheit. Um einem Missverständnis vorzubeugen sei allerdings betont, dass das Ästhetische uns nicht nur in kunsthaft verfassten Texten begegnet, sondern auf Schritt und Tritt in unserem Alltagsleben, in der Werbung, im Produktdesign, in vielfältigen Darstellungsformen digitaler Kommunikation. Ästhetik ist also nichts Elitäres im Sinne eines Bildungskanons. Sie ist zudem nicht in erster Linie ein Produktions-, sondern ein Wahrnehmungsmodus. Darauf verweist schon der Begriff, denn „Aisthesis“ bedeutet im Griechischen ursprünglich „Wahrnehmung“ bzw. „Empfindung“. Es geht also essentiell um etwas sehr Subjektives. Dies allerdings wird uns im Umgang mit Kunst besonders bewusst. Entsprechend ihrer historisch gewachsenen Bedeutung nimmt in der vorliegenden Einheit die Literatur eine bevorzugte Stellung ein. Die Funktionszuschreibungen, die Literatur in der Nachkriegszeit erfahren hat, lassen im Rückblick unterschiedliche Grundhaltungen erkennen, die auch in heutigen Kontroversen sichtbar werden. Im ersten Hauptteil unserer Erörterungen geht es um unterschiedliche Verfahren unterrichtlicher Literaturbehandlung, also vorwiegend um methodische Fragen. Allerdings sind methodische Entscheidungen aufs Engste von Inhalten und Zielsetzungen, also von didaktischen Entscheidungen abhängig (s. Einheiten 1 und 6). Diese werden wir daher immer mitreflektieren und beide - die methodische und die didaktische Ebene - aufeinander beziehen. In einem zweiten Hauptteil kommen wir dann auf visuelle, audiovisuelle und akustische Medientexte in ihrer Bedeutung für einen lebendigen Fremdsprachenunterricht zu sprechen, bevor wir mit einem Blick auf die Modellierungen der schon erwähnten literarisch-ästhetischen Kompetenzen schließen. Entwicklungstendenzen fremdsprachenbezogener Literaturdidaktik Ein Rückblick auf die Zeit bis ca. 1990 Die Kontroversen um die Bedeutung von Literatur im schulischen Fremdsprachenunterricht lassen sich auf drei unterschiedliche Referenzsysteme beziehen: � auf Bildungspolitik, � auf Sprachdidaktik und � auf Literaturwissenschaft. Einheit 13 239 e nt w Icklungst enD enzen F re mDspr achenbe zogener l It er aturD I Da k tIk literarische Bildung funktionale Betrachtung von Sprache literaturwissenschaftliche Impulse Unter bildungspolitischem Vorzeichen wird Literatur bis in die fünfziger und sechziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts hinein als unverzichtbarer Kern vor allem des gymnasialen Fremdsprachenunterrichts angesehen. Hierin lassen sich Spuren seiner Geschichte erkennen: Literarische Bildung war im 19.- Jahrhundert den leisure classes vorbehalten, also Adel und Großbürgertum, und dabei besonders den Frauen. Sie war damit Ausweis der Zugehörigkeit zu den herrschenden Schichten. Im Zuge der ideologiekritischen Bestrebungen der 1968er-Bewegung wird der Gebrauch bzw. Missbrauch von Literatur als Ausweis sozialer Überlegenheit entschieden zurückgewiesen. Das Literarische gilt nunmehr als problematischer Zufluchtsort einer spätbürgerlichen Innerlichkeit (vgl. Rück 1990: 7). Dementsprechend wird das Festhalten an einem idealistischen Bildungsbegriff mit Malte Dahrendorf (1970: 38) als „elitär-mittelständisch“ abgelehnt. Sprachdidaktisch bahnen sich zu gleicher Zeit utilitaristische Zielvorstellungen ihren Weg. Zurückzuführen ist dies, wie gesehen (s. Einheit 6.3.3 und 6.4), auf die Einflüsse zunächst strukturalistisch-behavioristischer Theoreme, später der linguistischen Pragmatik. Spätestens mit der sogenannten „Kommunikativen Wende“ gewinnt in den 1970er Jahren eine funktionale Betrachtung von Sprache eine unbestrittene Vorrangstellung in den fremdsprachendidaktischen Publikationen und in den einschlägigen Lehrplänen. Ihr zufolge kann Literatur tendenziell keine Daseinsberechtigung im Fremdsprachenunterricht mehr beanspruchen. Die linguistische Pragmatik legt eine Ausrichtung an der Realisierung von Sprechabsichten nahe. Vor allem aber wird dem Mündlichen eine klare Präferenz gegenüber dem Schriftlichen gegeben und im Bereich des Schriftlichen avancieren Gebrauchstexte wie Werbeanzeigen, Fahrpläne, Speisekarten u. ä. zu bevorzugten Textsorten. Sachtexten hält man ihren unmittelbaren Wirklichkeitsbezug zugute, literarischen Texten hingegen wird ein rein innerliterarischer Verweisungszusammenhang unterstellt. Die Fiktionalität von literarischen Texten gilt als Beweis ihrer Irrelevanz (vgl. Glaap/ Rück 2007: 134). Bildungspolitisches und sprachdidaktisches Denken münden folglich beide in einer Abwehr und Abwertung des Literarischen. Durchgehalten wird diese Abwehr jedoch nie. Die Gegenkräfte bildungsbürgerlicher Ansprüche verhindern im Verbund mit der in weiten Teilen literaturwissenschaftlich geprägten Lehrerbildung einen Siegeszug der Pragmatik und eine Entsorgung der Literatur aus dem Fremdsprachenunterricht. Wichtige Impulse für das Verständnis des Literarischen im Kontext schulischer Allgemeinbildung kommen aus der Literaturwissenschaft. In der Entwicklung der Literaturtheorie lassen sich vereinfacht drei Fokussierungen ausmachen: die auf den Schöpfer des Werks, den großen, genialen Geist; die auf das Werk selbst, den Text; und schließlich die auf den/ die Leser/ in. Für die Literaturdidaktik seit den 1970er Jahren sind vor allem die letzten beiden Akzentsetzungen relevant, d. h. zwei Theorien der Literaturwissenschaft von 240 L it er arisch ä sthe tische K omp e t enzen objektive Literaturwissenschaft Kanon guter Texte Kritik am New Criticism Trennung von Textanalyse und persönlichem Kommentar Lehrerzentriertheit der Verfahren nachhaltiger Wirkung: der New Criticism und, in Opposition zu ihm, die Rezeptionsästhetik (vgl. Bredella 1989). New Criticism bezeichnet eine in den USA seit den 1920er Jahren entstehende und bis in die 1970er Jahre einflussreiche Literaturauffassung. Die Bezeichnung geht auf eine 1941 von John Crowe Ransom herausgegebene Anthologie zurück, die den Namen The New Criticism trug. Die Schule der New Critics richtete sich gegen das vorherrschende Interesse der Literaturkritik des 19.- Jahrhunderts an den Autorenbiographien und der Deutung von Werken im Lichte der Lebensgeschichte ihrer Verfasser. Stattdessen rückten sie den Text in die Mitte ihrer Arbeit und versuchten, ihn unter Ausschluss aller textexternen Faktoren zu beschreiben und so etwas wie eine „objektive Literaturwissenschaft“ hervorzubringen. Im Mittelpunkt ihres Interesses stand die Lyrik, insbesondere die formalen Gesetze eines Gedichts, das sie als ein in sich geschlossenes und unabhängiges Gebilde betrachteten. Der ideale Text war in ihrer Sicht ein formal einheitliches Ganzes, zu dem jedes einzelne Element einen Beitrag leistete. Sie vertraten die Auffassung, dass es eine begrenzte Zahl idealer Texte gebe und dass dieser Kanon guter Texte zeitlos sei, sein Studium die Leser/ innen erbaue, ihre Sensibilität erhöhe und sie von den ungebildeten Massen unterscheide. Hohe und populäre Kultur waren trennscharfe Kategorien. Der New Criticism stieß auf vielfache Kritik: Sein elitärer Anspruch sei undemokratisch, seine Fokussierung auf Lyrik vernachlässige andere Gattungen, er verabsolutiere die Tradition der westlichen Kultur und verkenne die Widersprüchlichkeit und Diversität literarischer Produktion. Dennoch behauptet sich der New Criticism innerhalb der Literaturdidaktik im fremdsprachlichen Kontext bis in die Gegenwart hinein. Auf ihn, insbesondere auf die Ausklammerung des Leserbezugs, ist die z. T. noch immer praktizierte Trennung von Textanalyse und persönlichem Kommentar zurückzuführen. Letzterer wird verstanden als ein außerhalb des Interpretationsaktes angesiedelter Ausdruck von Subjektivität, die ihrerseits keine Rückschlüsse auf Bedeutungsschichten des untersuchten Werks zulasse. Im Verwendungszusammenhang des fremdsprachlichen Literaturunterrichts erwiesen sich die interpretativen Verfahren der strukturalistischen Literaturwissenschaft bzw. des New Criticism bei Lehrkräften als äußerst beliebt. Denn sie erlaubten es ihnen, in der Rolle der Experten/ innen den Interpretationsprozess kleinschrittig zu kontrollieren. Mit vorbereiteten Tafelbildern, die in einem fragend-entwickelnden Unterrichtsgespräch nur scheinbar von den Schüler/ innen (mit) entwickelt wurden, veranschaulichten sie den inneren Zusammenhalt des literarischen Texts. Den Lernenden blieb zumeist nur das Nachvollziehen der „Meisterinterpretationen“. Derartige Verfahren einer Textanalyse sind in der Regel nicht nur monoton, sondern töten auch die Leselust, weil sie mit den Leseerfahrungen der Schülerinnen und Schüler wenig zu tun haben. Sowohl die ältere Auffassung, dass die Bedeutung von Texten sich aus dem Studium ihrer Entstehung und der Autorenabsicht ableiten ließe, als auch die Einheit 13 241 e nt w Icklungst enD enzen F re mDspr achenbe zogener l It er aturD I Da k tIk der „implizite Leser“ Unbestimmtheitsstellen Literatursoziologie Hermeneutik Horizontverschmelzung Textadäquatheit vs. Lernerorientierung (strukturalistische) Auffassung, dass sie in der Immanenz des Textes liege, wird durch die Response Theory und Rezeptionsästhetik bestritten, die nun die Leser/ innen in den Mittelpunkt ihrer Betrachtung rücken. Erst im „Akt des Lesens“ (Iser) werde der ästhetische Gehalt eines Textes erzeugt. Der wirkungsästhetischen „Konstanzer Schule“ um Hans Robert Jauß (1970) und Wolfgang Iser (1972, 1976) zufolge ist der Text als Kommunikation mit einem „impliziten Leser“ angelegt. Er enthalte Leerstellen, Nicht-Determiniertes, Unbestimmtheitsstellen, die ohne Leseraktivität nicht gefüllt werden könnten, die auf den Sinngebungsprozess beim Lesen angewiesen ist. Der/ die Leser/ in ist dieser wirkungsästhetischen Auffassung zufolge also in den Text selbst in gewisser Weise eingeschrieben. Zwar ist eine Vielfalt von Lesarten möglich, aber diese müssen sich am Text legitimieren. Interessanterweise sind das tatsächliche, empirische Lesen und vorhandene Rezeptionsdokumentationen nicht Gegenstand der Rezeptionsästhetik geworden, sondern haben eher die Literatursoziologie beschäftigt. Die Rezeptionsästhetik - und hier zeigt sich deren Nähe zu den New Critics - lehnte die Beschäftigung mit solchen Zeugnissen als eher zufällig und wenig aussagekräftig ab. Insofern ist, angereichert um die textimmanent angelegte Rezeptionsdimension, die Textorientierung auch in dieser Schule manifest. An dem von der Rezeptionsästhetik vertretenen Modell eines Interaktionsprozesses zwischen Text und Leser/ in zeigt sich noch das Erbe der Hermeneutik, wie sie z. B. in Gadamers Wahrheit und Methode ( 6 1990: 311 f.) und seinem Konzept der „Horizontverschmelzung“ dargelegt ist. Ihm zufolge setzt Textverständnis die Rekonstruktion seines Sinnhorizonts in seiner Zeit voraus. Damit erweitern die Lesenden ihren eigenen, von ihrer Zeit und Situation geprägten Horizont. Da das Vorwissen der Lesenden sich immer im Wandel befindet, muss der hermeneutische Verstehensprozess notwendigerweise unabgeschlossen und vielfältig bleiben. Andererseits ist das individuelle Vorwissen in starkem Maße auch historisch und gesellschaftlich geprägt. Verstehen ist keineswegs nur subjektiv und beliebig, es ist aber auch nicht festschreibbar. Im unterrichtlichen Kontext treten die Ansprüche von Textadäquatheit einerseits und von Lernerorientierung andererseits vielfach in Konflikt miteinander. Dieses nach wie vor ungelöste Spannungsfeld prägte lange Zeit einen großen Teil der Publikationen zum fremdsprachlichen Literaturunterricht. Schon 1989 kommt Glaap (1989: 122) zu der Diagnose: Zwei unterschiedliche Zugriffsweisen haben sich als Gegenpole im fremdsprachlichen Literaturunterricht herauskristallisiert: Zum einen die sogenannte Textinterpretation im Anschluß an Verständnis- und Interpretationsfragen, der ein Erkenntnismodell zugrundeliegt, nach dem zunächst das Inhaltsverständnis gesichert und sprachliche Schwierigkeiten geklärt sein müssen, bevor eine persönliche Stellungnahme, also die Subjektivität des Lesers, zugelassen wird. Zum anderen ein Vorgehen, das sich am Verstehens- und Sinnbildungsprozeß 242 L it er arisch ä sthe tische K omp e t enzen 13.2.2 kreative Verfahren Kritik an den kreativen Verfahren orientiert, das auf kreatives Verstehen zielt, bei dem sich der Lernende durch den Text herausfordern und zu unterschiedlichen Deutungen auffordern läßt. Hier geht es nicht um das Identifizieren literarischer und textsortenspezifischer Merkmale, sondern um Selbsterfahrung und Vermutungen, die den Verstehensprozeß anregen und Verständigung über unterschiedliche Deutungen im Gespräch ermöglichen. Leitlinien kreativer Textarbeit Angeregt von den Impulsen der Rezeptionsästhetik haben sich in der schulischen Praxis schülerorientierte Verfahren Geltung verschafft, bei denen nicht mehr die Texte, sondern die subjektiven Sichtweisen der Lernenden, deren Lesereaktionen und deren möglichst kreativer Umgang mit Literatur im Mittelpunkt des Interesses stehen. Die einschlägigen Publikationen entfalten eine breite und bunte Palette von Gestaltungsideen. Das Evozieren von Vorwissen, die Orientierung am Leseprozess und die gemeinschaftliche Auseinandersetzung mit den verschiedenen Reaktionen auf Texte haben zur Entwicklung von sogenannten pre-, while- und post-reading activities Anlass gegeben. Ergänzend zu den in Einheit 10.1.2 präsentierten Konkretisierungen, kommen im besonderen Bezug auf literarische Texte noch kreative Verfahren in Betracht wie Phantasiereisen oder das Anknüpfen an bereits bekannte literarische Texte (pre-reading), die Stimulierung einer subjektiven Reaktion, z. B. durch Spontanäußerungen zum Textbeginn, das eigenständige Fortschreiben eines Textfragments (while-reading) sowie bei narrativen Texten das Erzählen der Geschichte aus einer anderen personalen Perspektive oder das Umschreiben des Textes in eine andere Textsorte bzw. ein anderes Medium wie z. B. Hörspiel oder Theaterstück (post-reading) (vgl. Küster 2003: 97 f.). Die Verfahren kreativer Literaturarbeit haben in den 1990er Jahre in deutschen Klassenzimmern einen wahren Boom erlebt. Sie wurden als Verfahrensvorschläge schnell in Lehrpläne und Handreichungen aufgenommen und haben ganz wesentlich dazu beigetragen, den Unterricht lebendiger zu gestalten. Allerdings ist auch Kritik laut geworden. Beliebigkeit im Umgang mit dem Text, Oberflächlichkeit der Ergebnisse, methodischer Aktionismus-- so resümiert Caspari (2005) einige markante Vorwürfe. Problematisch ist es in der Tat, wenn die literarische Vorlage nur als Impulsgeber fremdsprachlicher Textproduktion herhalten muss, ohne dass das Verständnis von Literatur und einzelner literarischer Werke vertieft würde. Das jedoch ist weder Ziel noch unvermeidbare Folge kreativitätsorientierter Verfahren. Diese können im Gegenteil dazu führen, das Verständnis von Literatur zu vertiefen. „Wenn Schüler auf der Grundlage eines im Unterricht gelesenen Textes im Nachhinein, beispielsweise durch Ummodellieren, Ergänzen, Entflechten oder durch Änderung der (Erzähl-)Perspektive, einen eigenen Text produzieren, dann führen solche post-reading activities zu Kreativität und zum Entdecken von Einheit 13 243 e nt w Icklungst enD enzen F re mDspr achenbe zogener l It er aturD I Da k tIk Verknüpfung fremdsprachlichen und literarischen Lernens 13.2.3 fragende Grundhaltung Textelementen, die womöglich bisher gar nicht erkannt wurden“, bemerkt Glaap (1996: 359). Der Raum, in dem derartige Entdeckungen erfahren und begriffen werden können, ist zwar in den meisten Fällen das Unterrichtsgespräch, kann aber auch darüber hinausgehen und sich z. B. in Inszenierungen, szenischen Lesungen, Illustrationen usw. niederschlagen. Hierin verbinden sich die Prozesse des Sprachlernens mit denen des literarischen Lernens. Darauf haben zahlreiche Autoren, unter ihnen Brusch (1989) mit seinem Konzept von „Literaturals Sprachunterricht“ und Zydatiß (1993: 332) mit seiner Leitvorstellung eines „integrierten Literatur-Sprach-Unterrichts“, hingewiesen. Auf der Grundlage kognitionswissenschaftlicher Erkenntnisse gelangt der Sprachdidaktiker Dieter Wolff (2003) sogar zu der Einschätzung, dass gerade unter den funktionalen Aspekten des Aufbaus sprachlich-kommunikativer Kompetenzen der Beschäftigung mit literarischen Texten eine hohe Bedeutung zukommt. Ein literarischer Text werde nicht automatisiert verarbeitet, er bedinge eine verstärkte Aktivierung vorhandenen deklarativen und prozeduralen Wissens und fördere Prozesse des Inferierens. Die unterrichtliche Behandlung mache zudem den Verarbeitungsprozess bewusster und führe so zu einer tieferen und zugleich nachhaltigeren Sprachaneignung. Dennoch: Literatur im Fremdsprachenunterricht erschöpft sich nicht in einem Sprachunterricht, dessen alleiniges Ziel die Bewältigung von Alltagssituationen wie das Erfragen des Weges oder das Einkaufen wäre. Sie vermag vielmehr einen Eindruck von der Macht, Gestaltungskraft und Wirkung von Sprache - von Sprache als „Tatort“ (Decke-Cornill 1999), von Sprache als Reichtum - zu vermitteln. Dieses Potenzial sollte der Fremdsprachenunterricht nicht ungenutzt lassen. Literatur als Anlass interkulturellen Lernens Am Anfang jeder Beschäftigung mit Literatur steht - vom Theaterbesuch abgesehen - das Lesen. Dass Prozesse literarischer Rezeption nicht den Modus des informationsentnehmenden, sondern den des ästhetischen Lesens verlangen, wurde bereits in Einheit 10.1.2 ausgeführt. Bei dieser Lesart tritt der Text zurück hinter seine Wirkung als Stimulus eigener gedanklicher oder emotionaler Reaktionen. Der/ die Lesende lässt den eigenen Assoziationen freien Lauf und verknüpft das Gelesene mit den eigenen lebensweltlichen Erfahrungen. Auf diese Weise bietet die Lektüre einen Raum der Auseinandersetzung mit eigenen Gefühlen, Gedanken, Erfahrungen und Vorstellungen. Worauf auch immer sich die Aufmerksamkeit der Leser/ innen richtet, entscheidend im Hinblick auf eine autonome Lesekompetenz ist eine fragende Grundhaltung gegenüber dem Text. Die Entwicklung von Hypothesen zu Leerstellen, die Antizipation von Handlungsabläufen und dergleichen benötigen allerdings Zeit und Muße. Vergegenwärtigen wir uns zudem, dass 244 L it er arisch ä sthe tische K omp e t enzen Anleitung zum Perspektivenwechsel literarisches Lesen in der Fremdsprache die Verlangsamung verstärkt, welche das literarische Lesen ohnehin charakterisiert. Was Gadamer ( 6 1990: 391) als einen „gesteigerten Fall von hermeneutischer Schwierigkeit“ bezeichnet (s.-Einheit-10.1.2), bedeutet eine Gefahr und eine Chance zugleich. Die Kombination beider Momente führt zu einer vermehrten Aktivierung bestehender Schemata und entsprechender Verarbeitungsprozesse. Eine nicht zu unterschätzende Gefahr besteht nun einerseits darin, dass fremdsprachige Leserinnen und Leser ein literarisches Werk inadäquat normalisieren, d. h. adäquate kulturelle Skripte, die Muttersprachler in der Regel abrufen können, durch eigene, die literarisch gestaltete Welt jedoch verzerrende Skripte ersetzen. Andererseits können derartige Brüche in der Rezeption einen wertvollen Anlass bieten, die Unterschiedlichkeit kultureller Deutungsmuster im Unterricht zur Grundlage gemeinsamer Reflexion zu machen. Die hier angesprochene Verbindung von Literatur und Kultur ist seit den 1990er Jahren wieder „in“. „Kultur als Text“ - so lautete die bündige Formel, mit der Doris Bachmann-Medick (1996, s. Einheit 12.4) beispielsweise eine „anthropologische Wende in der Literaturwissenschaft“ eingeläutet sieht. Nicht der von strukturalistischer Seite verkündete „Tod des Autors“ beherrscht damit das Zentrum des Interesses, sondern der Mensch in seinen lebendigen Bezügen zum kulturellen Kontext. Damit eröffnet sich ein weites Feld für die Verknüpfung literarischen und interkulturellen Lernens - ein Aspekt, den wir bereits in Einheit 12 angesprochen haben. Dort hatten wir gesehen, dass die Anleitung zum Perspektivenwechsel das zentrale Element der hermeneutisch inspirierten Didaktik des Fremdverstehens war. Aus diesem Grund werden in interkultureller Perspektive im Bereich der Literatur ganz vorwiegend narrative Texte verwendet, möglichst sogar solche, in denen auf der Ebene des Dargestellten selbst Aspekte des Kulturkontakts thematisiert werden. Nur sehr vereinzelt finden lyrische oder dramatische Werke Berücksichtigung. Auch wenn dies der Breite literarischer Gattungen nicht gerecht wird, kommt es den Lesegewohnheiten jugendlicher Lerner/ innen sicher entgegen. In interkultureller Perspektive sollen die Schüler/ innen lernen, sich in unterschiedliche Figuren der Handlung hineinzuversetzen, Empathie für diese und ihre kulturell geprägten Verhaltensweisen zu entwickeln (Perspektivenübernahme), aber auch unterschiedliche fremde und eigene Sichtweisen in Frage zu stellen bzw. miteinander zu verbinden (Perspektivenkoordination). Der Schonraum der Fiktionalität erleichtert es - so die Überlegung -, probeweise Einstellungsänderungen zu vollziehen, die dann auch im lebensweltlichen Kontext zur Anwendung kommen könnten. Während traditionelle Verfahren der Hermeneutik nahezu ausschließlich auf die Ebene der Sinnkonstitution gerichtet sind, beziehen neuere Ansätze Erkenntnisse und Methoden der Erzählforschung (Narratologie) in ihre Überlegungen ein. Der Anglist Ansgar Nünning (2000) z. B. entwirft Modelle eines interkulturell orientierten, zugleich aber auch narratologisch fundierten Einheit 13 245 e nt w Icklungst enD enzen F re mDspr achenbe zogener l It er aturD I Da k tIk Literaturunterrichts. Er unterstreicht zunächst, dass Lerner- und Lehrerperspektive auf den Text in der Regel nicht identisch sind. Die Verständigung über diese Unterschiede sei bereits als Teil eines Fremdverstehens zu deuten. Im Hinblick auf die innerliterarischen Vermittlungsebenen differenziert er zwischen dargestelltem Fremdverstehen und der formal-erzählerischen Inszenierung von Fremdverstehen. Hier liefert die Narratologie, wie Roy Sommer (2000: 33) anschaulich schreibt, einen „‚Werkzeugkasten‘, aus dem sich - je nach Bedarf - kompliziertere oder weniger komplizierte Instrumente entnehmen lassen“. Wichtig ist in diesem Zusammenhang natürlich, dass Schüler lernen, zwischen story und discourse zu unterscheiden und Erzählerfunktionen bzw. Fokalisierungsinstanzen zu erkennen (Who speaks? bzw. Who sees? ; vgl. ebd.) Weitergehend kann es gerade im Blick auf die Bewusstmachung interkultureller Deutungsmuster aufschlussreich sein, einen narrativen Text im Blick auf in ihm zugrunde gelegte gesellschaftsspezifische Deutungsmuster hin zu untersuchen. Umgekehrt, so illustriert Nünning (2000: 96-108), sind in der literarischen Rezeption gewonnene Sichtweisen auf lebensweltliche Kommunikationskontexte übertragbar; auf beiden Ebenen kommt die Fähigkeit zu Perspektivenwechsel und Perspektivenübernahme zum Tragen. In Einheit 12.5 war bereits von Claire Kramschs Verständnis von kultureller Vielstimmigkeit die Rede. Auch in diesem Sinne bietet die Beschäftigung mit literarischen Werken ein anregungsreiches Lernfeld, da sie Lernende mit einer Vielzahl von Stimmen, Charakteren und Deutungsmustern konfrontiert, die ihrerseits unterschiedliche kulturelle Einflüsse widerspiegeln. Für Prozesse interkulturellen Lernens ist es allerdings wichtig, dass die Schülerinnen und Schüler ihre Auseinandersetzung mit den literarisch gestalteten Sinn- und Lebensentwürfen in unterrichtlichen Anschlussgesprächen reflektieren und sie zum Anlass nehmen, Selbstverortungen vorzunehmen bzw. diese zu hinterfragen (Decke-Cornill 2004, 2007b). Denn ohne eine Versprachlichung derartiger Reflexionen droht die Wirkung literarischer Rezeption ohne Nachhall zu verpuffen. Eng mit dem Konzept der Vielstimmigkeit verbunden sind die Konzepte der Intertextualität (Decke-Cornill 1994) und der Intermedialität. In ihnen manifestiert sich ein Zusammengehen vormals getrennter Wissenschaftsdisziplinen. Die Literaturwissenschaft entwickelt sich bekanntlich seit Jahren hin zu einer integrativen Medienwissenschaft. In neueren Erzähltheorien z. B. finden „transgenerische und intermediale Applikationen und Erweiterungen“-- wie Vera und Ansgar Nünning (2002: 11) belegen - eine breite Aufmerksamkeit. Hierauf bezieht sich der Englischdidaktiker Wolfgang Hallet mit seinem 2001 dargelegten Konzept eines „Interplay(s) der Texte und Kulturen“. Der Fremdsprachenunterricht sollte in seiner Sicht einen „realen oder virtuellen interkulturellen und diskursiven Begegnungsraum“ darstellen, aus dem ‚Werkzeugkasten‘ der Narratologie Übertragung auf lebensweltliche Kommunikationskontexte kulturelle Vielstimmigkeit Intertextualität und Intermedialität Interplay der Texte und Kulturen 246 L it er arisch ä sthe tische K omp e t enzen 13.3 Filmerleben in dem Texte, Äußerungen und Stimmen der zielsprachlichen Kultur(en), aber auch der Lehrenden und der Lernenden sowie von diesen bereits früher rezipierte, aber jederzeit verfügbare und evozierbare Texte aller Art, die verschiedenen und verschiedenartigen muttersprachlichen und fremdsprachlichen Diskursen entnommen sind, in ein Zusammenspiel eintreten. (Hallet 2001: 130) Dies legt nahe, literarische und nichtliterarische, schriftliche und audiovisuelle, traditionell-lineare und Hypertexte in ihren wechselseitigen Verknüpfungen auch im Unterricht zur Geltung zu bringen. Ähnliches haben auch die Abiturstandards (KMK 2012) im Blick, wenn sie „Text- und Medienkompetenz“ als einen der drei (von „Sprachlernkompetenz“ und „Sprachbewusstheit“ flankierten) zentralen Kompetenzbereiche prominent ausweisen. In diesem Rahmen nimmt die Filmdidaktik eine aktuell viel beachtete Position ein. Filmdidaktik Seit Anfang der 1980er Jahre haben Spielfilme einen zunächst umstrittenen, inzwischen aber anerkannten Platz im Fremdsprachenunterricht, weil sie fachbezogenen und überfachlichen Zielen - Spracherwerb, landeskundliche, (inter-)kulturelle Kompetenz und Fremdverstehen, Text- und Literaturkompetenz - dienen können. Seit den 1990er Jahren sorgt die Form der DVD mit ihren vielsprachigen Untertitelungen und ihren Zusatzmaterialien aufgrund der neu eröffneten didaktischen und methodischen Möglichkeiten für gestiegene Akzeptanz. Das besondere Potenzial des Films für fremdsprachendidaktische Ziele ergibt sich aus der Komplexität seiner auditiven und visuellen kommunikativen Mittel. Im Fremdsprachenunterricht dienen Filme vor allem: � dem (potenziell bildungswirksamen) Filmerleben, � dem Spracherwerb und landeskundlichen Wissen, � der Filmanalysefähigkeit und � der Identitätsbildung. Die Funktion des Filmerlebens spielt in der medienpädagogischen Diskussion eine große Rolle, nicht aber im Fachunterricht, obwohl es das Filmerleben ist, das die Menschen im Film suchen. Gerade in dem Bedürfnis nach fremder, subjektiver Sicht auf nahe und ferne Welten liegt die Faszination dieses Mediums. Die Filmerzählung vermittelt symbolisch zwischen Welt und Selbst. Und diese Vermittlung zwischen subjektivem Sinnbedürfnis und Darstellungsformen von (hier: fremdsprachlichen) Lebensbereichen und die damit verbundene Ermöglichung eines differenzierteren Selbst- und Weltverhältnisses kann Fremdverstehen und interkulturelle Bildungsprozesse anstoßen helfen (vgl. Bredella 2004, Decke-Cornill/ Luca 2007). Einheit 13 247 F IlmD I Da k tIk Spracherwerb landeskundliches Potenzial Filmanalyse Für das Erreichen der im engsten Sinne fachspezifischen Ziele des Spracherwerbs und des landeskundlichen Wissens sind fremdsprachliche Filme ein herausforderndes Medium: Die fremde Sprache tritt den Lernenden im nativespeaker-Tempo, in Dialekten und Soziolekten, in Andeutungen und Auslassungen und in visuellen und narrativen Kontexten entgegen und zwingt zum global listening, dem Grobverstehen, das für mündliche fremdsprachliche Kommunikation so wichtig ist (vgl. 10.1.1); andererseits können Schlüsselszenen auch Anlass für Übungen im Detailverstehen sein; darüber hinaus bekommt das für die fremdsprachliche Kommunikation so wichtige Sehverstehen Nahrung und das Leseverstehen wird durch die Untertitel und die im Internet für immer mehr Filme bereitgestellten film scripts geschult; Anschlussaufgaben, etwa das Verfassen von Rezensionen, fordern zu gattungsgerechtem Schreiben heraus; DVDs ermöglichen individualisiertes wie kooperatives Erarbeiten eines Films oder einer Sequenz; usw. Das landeskundliche Potenzial von Filmen ist Anlass für viele Lehrende, einen Film in den Unterricht einzubeziehen und neue Perspektiven auf ein Geschehen zu gewinnen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass weder Spielnoch Dokumentarfilme Wirklichkeit unmittelbar spiegeln, sondern mediale Auseinandersetzungen und Konstruktionen sind, die wie alle Wahrnehmung und Darstellung perspektiviert sind. Ein wichtiger Aspekt von Medienkompetenz ist deshalb die Fähigkeit, dem Wirklichkeitsschein von Bildern auch zu widerstehen (vgl. Decke-Cornill 2002). Schließlich spielt die Filmanalyse eine wichtige Rolle im Fremdsprachenunterricht. Sie wurde zunächst als Waffe gegen das Filmerleben eingesetzt. Als z. B. Paul Buchloh und Horst Groene Anfang der 1980er Jahre einen Rückgang des Leseinteresses bei Jugendlichen konstatierten, hofften sie, Schüler/ innen durch Vergleiche zwischen Literatur und Literaturverfilmung gegen die „filmischen Wirkungsmechanismen“ (1983: 258) zu wappnen. Sie sollen den Film als neue Kunstform kennenlernen, zugleich aber auch Einsicht gewinnen in die von ihm ausgehenden negativen Wirkungsmöglichkeiten: Verführung zur geistigen Passivität und zur unreflektierten Aus- und Übernahme des Gesehenen; weitreichende Steuerung der Zuschauerrezeption durch die Art der Präsentation bis hin zur Manipulation; ‚Matrixbildung‘ bei Literaturverfilmungen, welche die Vielschichtigkeit des literarischen Werkes in der Regel auf eine bestimmte Interpretation einengt. (ebd.: 260) Teil dieses Programms, das die Schüler/ innen zu bewussten und damit widerständigen, d. h. nicht manipulierbaren Filmzuschauer/ innen erziehen sollte, war der Einblick in filmische Gestaltungsweisen und der Erwerb fachsprachlicher Kompetenzen, „um die filmischen Gestaltungsmittel bewußt zu machen, mit denen die Schüler unreflektiert-intuitiv aus langjähriger Fernsehpraxis vertraut sind“ (ebd.: 261). Unterbrechen, Auseinandernehmen, Verfremden - diese Verfahren nutzt auch eine weitere Richtung der Filmanalyse, der es nicht um Abwehr geht, 248 L it er arisch ä sthe tische K omp e t enzen Kunst- und Kommunikationscharakter von Film eigenständige Kunstgattung Sprache im Film sondern um den Kunst- und Kommunikationscharakter von Film. Im Mittelpunkt steht dabei die Rekonstruktion seiner Gemachtheit, seine Ästhetik. Wie bei der Filmproduktion so wird auch bei dieser Form der Filmanalyse gewissermaßen geschnitten: Filmanfänge werden untersucht (Decke-Cornill 2010) und ggf. mit Schlusssequenzen konfrontiert; Einzelszenen und Stills verlangsamt und mikroskopisch studiert; wiederkehrende Bilddramaturgien verglichen; Standbilder analysiert; Ton-Bild-Korrelationen rekonstruiert; das Arsenal wiederkehrender, stereotyper oder innovativer Gestaltungsmittel des Erzählkinos erforscht. Zu den Verfahren gehört neben dem Sezieren und genauen Betrachten von Details auch die Beschäftigung mit verschiedenen Verfilmungen des gleichen Stoffs und überhaupt der Filmvergleich, die Untersuchung von Ton- und Musikgestaltung, Farben, Tempo usw. Grundkenntnisse der Fachterminologie sind ebenso Teil der filmästhetisch akzentuierten Filmanalyse, wie auch produktive Verfahren dazugehören: Inszenierungskonzepte entwerfen, Castingvorschläge entwickeln, storyboards gestalten, Drehbuchszenen schreiben oder umgestalten, Szenen nachspielen und videographieren. Immer geht es dabei um den Erwerb filmästhetischer und narratologischer Kenntnisse und Fertigkeiten und die Entwicklung ästhetischer Kriterien. Spielfilme zählen zu den populärsten Erscheinungsformen moderner Unterhaltungsindustrie. Im Laufe ihrer über hundertjährigen Entwicklungsgeschichte haben neben billiger Massenware auch sehr anspruchsvolle Produktionen einen Markt erobern können. Nicht zu Unrecht erhebt der Spielfilm daher den Anspruch, als eigenständige Kunstgattung zu gelten. Gerade zur Erzählliteratur lassen sich viele Parallelen erkennen, was sich nicht zuletzt darin äußert, dass manche Romane mit einer gewissen zeitlichen Verzögerung als Vorlage für Spielfilme genutzt wurden. In didaktisch-methodischer Hinsicht lässt sich nahezu alles, was wir oben zum Umgang mit literarischen Texten gesagt haben, auch auf das Medium Film übertragen. Zu denken ist beispielsweise an das Füllen von Leerstellen, das eigenständige Weitererzählen einer in Ausschnitten gezeigten Filmhandlung, der Entwurf alternativer Handlungsführungen, die Darstellung des Geschehens aus anderer personaler Perspektive oder die Umsetzung von Filmsequenzen in eine andere mediale Form. Im wahrsten Sinne des Wortes „augenfällig“ ist andererseits die Unterschiedlichkeit semiotischer Kodierung. Wo Erzählliteratur Situationen und Ereignisse durch verbale Sprache vor unserem „inneren Auge“ wachruft, operiert der Film weitestgehend mit visuellen Gestaltungsmitteln, welche direkt das „äußere Auge“ ansprechen. Ergänzt werden die visuellen durch auditive Elemente. Zu ihnen zählen diegetische und extradiegetische Geräusche (das sind Geräusche, die zur fiktionalen Wirklichkeit gehören und solche, die - wie die unterlegte Filmmusik - in einem nur indirekten Zusammenhang mit dem Dargestellten stehen) sowie natürlich die gesprochene Sprache. Für Fremdsprachenlernende bedeutet die mehrkanalige Aufnahme eine Erleichterung und Einheit 13 249 F IlmD I Da k tIk eine Erschwernis des Verstehens zugleich. Während die visuelle ebenso wie die nonverbal-auditive Darstellung den Rezeptionsprozess im Vergleich zum literarischen Lesen deutlich entlasten, stellt das Hörverstehen oft eine große Hürde dar. Viele Lerner/ innen sehen sich überfordert, wollen sie dem Tempo, der lexikalischen Breite, der soziolektalen und z. T. auch dialektalen Färbung der Sprecher/ innen folgen. Hinzu kommt, dass die Aufmerksamkeit für das gesprochene Wort durch visuelle Reize oft überlagert wird. Filme gehören zu den sogenannten Prozessmedien, d. h. ihre Rezeption ist an ein vorgegebenes Zeitkontinuum gebunden. Das unterscheidet sie von Produktmedien wie dem Buch, das man in selbstbestimmtem Rhythmus lesen und sogar getrost einmal beiseitelegen kann, ohne in der Zwischenzeit etwas zu verpassen. Die unterrichtliche Arbeit mit Filmen muss diesen Schwierigkeiten Rechnung tragen. Generell empfiehlt sich eine „minimalistische Verstehensdidaktik“ (Overmann 2000), die darauf abzielt, den Umgang mit dem Nicht-Verstandenen und dem Nicht-Verstehen zu üben. Darüber hinaus ist in der Praxis eine Reihe von Verfahren entwickelt worden, mit deren Hilfe die Schwierigkeiten des Hör-Sehverstehens zu meistern sind (vgl. Liebelt 1989). Dem Einsatz von Filmen kommt eine sprachdidaktisch wichtige Funktion zu, da die Nutzung audio-visueller Medien in heutigen Kommunikationskontexten, eben auch den zielsprachigen, einen breiten Raum einnimmt. Ferner bieten sich viele Filme besonders zur Vermittlung landeskundlicher Kenntnisse und zur Sensibilisierung für kulturelle Differenzen an. Aufgrund seiner Popularität gerade unter Jugendlichen kann der Film als Gegenstand unterrichtlicher Fremdsprachenarbeit schließlich ein beträchtliches Motivationspotenzial freisetzen. Last but not least ist schulischer Fremdsprachenunterricht aufgerufen, einen Beitrag zur Förderung von Medienkompetenz zu leisten. Im Anschluss an unsere Ausführungen in Einheit 11.1 betrifft dies u. a. die: � Entwicklung einer sogenannten visual literacy - damit ist die Fähigkeit gemeint, visuelle Medientexte angemessen dekodieren zu können, was wiederum eine Vertrautheit mit filmästhetischen Gestaltungsmitteln einschließt. � Förderung medienkritischen Bewusstseins - die Schüler/ innen sollen lernen, Wirkungsabsichten und -mechanismen zu erkennen und kritisch zu werten. � Kultivierung einer medienästhetischen Genussfähigkeit - als Gegengewicht zur oben genannten kognitiv-kritischen Distanz einerseits und zu suchthaftem Konsum andererseits sollen Schüler/ innen lernen, die hedonistischen Anteile einer Mediennutzung wahrzunehmen. � Einbeziehung des Internet als Informationsquelle und als Kommunikationsmedium. � Erprobung gestalterischer Kompetenzen bei der Herstellung eigener Videoproduktionen. minimalistische Verstehensdidaktik Förderung von Medienkompetenz 250 L it er arisch ä sthe tische K omp e t enzen film literacy 13.4 die Arbeit mit Fotos Für die Gesamtheit dieser Kompetenzen hat sich der Terminus film literacy etabliert. Damit kommen insbesondere die genrespezifischen Gestaltungsmuster mitsamt den auf sie bezogenen Sehgewohnheiten in den Fokus der Betrachtung (vgl. u. a. Surkamp 2004, Leitzke-Ungerer 2009, Lütge 2012), so v. a. die Arbeit mit Kameraeinstellungen und ihren Wirkungsimplikationen zur Förderung bestimmter Aspekte von Medienkompetenz (vgl. Charlton 2004, Nieding/ Ohler 2008). Ferner ist auf fortgeschrittener Stufe aber auch auf die Bedeutung spezifischen Filmwissens zu verweisen. Kenntnisse über die historische Dimension des Kinos können beispielsweise helfen, gegenwärtige Trends von Filmproduktionen besser einzuordnen (vgl. u. a. den Beitrag von Götze/ Lück-Hildebrand 2003 zur histoire du cinéma français). Darüber hinaus bilden Zielsetzungen (inter)kulturellen Lernens oft den Gegenstand einschlägiger Veröffentlichungen (z. B. in Rössler 2009, Boisson-Zaric 2009). Dessen ungeachtet sollte nicht vergessen werden, dass Filme - besonders im Kino, doch auch vor dem digitalen Bildschirm - eine eigene Erlebnisqualität offerieren. Ähnlich wie oben im Bereich der Bildrezeption erwähnt, bietet die filmische Anschlusskommunikation im fremdsprachenunterrichtlichen Klassenzimmer reiche Anregungen für subjektiv belangvolle sprachliche Bedeutungsaushandlungen. Am Beispiel der spezifischen Funktion und Wirkungsweise von Filmmusik macht Carola Surkamp (2010) zudem deutlich, dass sich kognitive und affektive Annäherungen an das Medium Film keineswegs ausschließen, sondern einander oft erst bedingen. Denn wer bewusst hört und sieht, gelangt über ein vertieftes Verständnis zu einer Intensivierung des Rezeptionsgenusses. Visuelle Medientexte Dem Bildhaften wird fälschlicherweise gemeinhin eine Selbstevidenz unterstellt. Arbeiten zur visual literacy (u. a. Chik 2014) machen hingegen deutlich, dass auch das Sehen gelernt sein will, z. B. indem man Darstellungsperspektiven und die von ihnen unterstützten Wirkungsmechanismen analysiert (vgl. hierzu und zum Folgenden auch Küster i. Vorb.: Kap. 2.3.4). Hierzu eignet sich besonders die Arbeit Fotos. So betont Alfred Holzbrecher i. Vorb.: Kap. 3.3.1) die reichen Chancen einer didaktischen Differenzierung, die das „Medium Fotografie in Kombination mit anderen Ausdrucksformen (Sprache/ Text, Ton/ Musik/ Klänge und szenische Darstellung) bietet“, zumal „es sich um ein leicht zu handhabendes Medium handelt und das stehende Bild (im Gegensatz zum Film) zu Konzentration und genauer Analyse zwingt“. Gerade weil die modernen Medienwelten Rezeptionsweisen schneller Signalentzifferung (vgl. Baacke 1997b: 72) nahe legen und besonders junge Menschen diese als Normalität wahrnehmen, kommen in kompensatorischer Absicht Verfahren eines „entschleunigten Sehens“ - wie oben bereits angeführt - eine medienpädagogisch bedeutsame Funktion zu. Insofern kann sich die Arbeit mit Werken Einheit 13 251 V Isuelle m e D I ent e x t e Bildender Kunst auch vor dem Hintergrund elektronisch vermittelter Bilderflut als sinnvoll erweisen (vgl. hierzu u. a. Rymarczyk 1998, 2010, Badstübner- Kizik 2006, 2010). Dies gilt umso mehr, als gerade Werke der Bildenden Kunst sehr unterschiedliche Sichtweisen zulassen und demzufolge in verstärktem Maße deutungsoffen sind. Sie sprechen die Rezipient/ innen zudem vielfach stärker affektiv an als Schrifttexte. Das macht einen Großteil ihres Reizes aus. Sprachdidaktisch vorteilhaft ist zudem, dass diese Impulse nichtsprachlich sind, sehr wohl aber Sprachproduktion freisetzen, so vor allem im deutenden Gespräch, aber auch in „freien Texten“. Im Blick auf übergreifende Bildungsziele ist schließlich hervorzuheben, dass die Vielfalt möglicher Deutungen in Rezeptionsgesprächen oder beim Vergleich der „freien Texte“ zumeist augenfällig wird und so für die gleiche Berechtigung divergierender Sichtweisen sensibilisieren kann. Bewährt haben sich laut Hellwig (1995: 94) Verfahren wie - die Entwicklung eines Assoziogramms unter vorsichtiger Lenkung durch den Lehrer (associating, skimming), - die Formulierung passender Überschriften (headlining), - ein Vergleich der von den Lernern gefundenen Titel mit dem Originaltitel (matching/ comparing), - das Schreiben eines Textes über das Bild (producing/ composing), - das Vorlesen und Vergleichen der Lernertexte im Gespräch (presentation, matching/ comparing, discourse evaluation). Individuelle Wege ins Bild Fensterblick Du bleibst als Beobachterin/ Beobachter draußen stehen und schaust durch den Bilderrahmen wie durch ein Fenster in diese fremde (oder vertraute) faszinierende Welt. Filmblick Du bringst die stillstehende Zeit des Bildes zum Laufen. Alles kann sich bewegen. Du schaust zu, was geschieht. Spaziergang Der Bilderrahmen ist wie eine geöffnete Tür. Du trittst in den Bildinnenraum ein. Du schaust dich um - Du kannst auch hinter die Dinge schauen. Vielleicht fängt manches an, sich zu bewegen. Es war einmal Was du siehst, regt dich an, eine Geschichte zu erzählen. Gespräch Du entdeckst eine Person, die dich interessiert, und beginnst ein Gespräch mit ihr zu führen. Spiegelbild Du erkennst: Die Person dort drinnen, das bin ich. Was nun? Oder bin ich es doch nicht? Aber diese Ähnlichkeit … Traum Es ergeht dir wie im Tagtraum: Du schaust hin, plötzlich kannst du hineinschweben und wunderbare Dinge erleben. Meditation Du schaust solange auf das Bild, bis du ganz darin bist. Hellwach und konzentriert, kommt dir etwas zum Bewußtsein, das dir eigen ist. Deutungsoffenheit bewährte Verfahren Tab. 13.1 Individuelle Wege ins Bild nach Lange 252 L it er arisch ä sthe tische K omp e t enzen kreativitätsfördernde Impulse die Arbeit mit Comics achte Kunstform Eine wichtige Herausforderung für Lehrende besteht darin, kreativitätsfördernde Impulse zu setzen. Denn ohne externe Anregungen bleiben Schülerreaktionen leicht an der Oberfläche eines deskriptiven Zugangs. Allzu präzise Aufgabenstellungen bremsen andererseits die Selbständigkeit und Motivation der Lernenden. Lange (1992: 52) schlägt ein Repertoire von acht „individuellen Wegen ins Bild“ vor. Sie illustrieren, wie facettenreich persönliches Schreiben zu Bildern sein kann (s. Tab. 13.1). So anregungsreich auch Impulse zur kreativen Verarbeitung des Gesehenen sein können, die Gefahr dass sie - entgegen der Titelüberschrift - schnell vom Bild weg führen können, ist nicht von der Hand zu weisen. Aufgabenstellungen sollten daher sowohl darauf gerichtet sein, die Tiefe des Gegenstandes auszuloten als auch die Subjektivität und Emotionalität der Adressaten anzusprechen. Dieses Spannungsfeld gilt es im Blick zu behalten. Wenden wir uns einem Genre zu, das Bild und Sprache integriert und mehr noch als der Film lange Zeit im Rufe der Minderwertigkeit stand - ein Genre, für das wir im Deutschen zwar kein eigenes Wort haben, das aber hierzulande gerade unter Jugendlichen gleichwohl Popularität besitzt: den Comics, alias comic strips, bandes dessinées, fumetti usw. Von der Warte einer Hohen Kultur aus traditionell als „Schund“ gebrandmarkt, erfuhren sie im Zuge einer semiotischen Ausweitung des Textbegriffs in den 1970er Jahren eine Aufwertung. Gestützt wurde diese Entwicklung nicht zuletzt durch die Arbeiten der britischen Cultural Studies, die - vergleichbar den Bemühungen um multiliteracies heute (vgl. 7.5) - eine Öffnung der Literatur- und Kulturwissenschaften hin zu Manifestationen populärer Subkultur forderten und praktizierten. Parallel dazu ist auf der Produktionsseite eine Verfeinerung der Darstellungsmittel zu beobachten, was den Comics wiederum den Zugang zu einem anspruchsvollen Publikum ebnete. Dies gilt in besonderem Maße für Frankreich, wo bandes dessinées (BD) bereits als achte Kunstform gelten und bei sehr unterschiedlichen Altersgruppen und Bildungsschichten Anklang finden. Auf einem sehr breit sortierten Buchmarkt sind immer wieder Innovationen zu beobachten, so z. B. seit wenigen Jahren ein Boom transmedialer Produkte wie Musik- BD, Literatur-BD: Songtexte der Pop-Szene werden ebenso dem Medium anverwandelt wie klassische literarische Stoffe - sogar einzelne Bände von Prousts A- la recherche du temps perdu, Inbegriff eines schwer lesbaren Bildungsguts, sind neuerdings in einer Comic-Fassung zu haben. Hierzu liegt eine Fülle unterrichtspraktischer Vorschläge vor (vgl. u. a. Kahl 1996, Faure 1998, Kolacki 2005, Vignaud 2009, Steffen 2012). Die Popularität dieser Textsorte erfährt derzeit über den Boom von graphic novels in der anglophonen Welt und im Kontext der Englischdidaktik (vgl. u. a. Elsner 2013) eine Steigerung. Für eine Nutzung im Fremdsprachenunterricht sind neben längeren narrativen Comics nicht zuletzt die Zusammenstellungen kürzerer, zumeist einseitiger Sequenzen interessant. In Adaptation der bekannten Verfahren Einheit 13 253 z ur m oD ellI erung lIt er arIsch ä sthe tIscher k omp e t enzen 13.5 die Stellung des Ästhetischen in bildungspolitischen Vorgaben kreativer Textarbeit lässt sich beispielsweise über ein Bilderpuzzle die Handlung (re-)konstruieren, ein zuvor aus den Sprechblasen entfernter Text neu erstellen, ihn auf Passung zur bildlichen Aussage hin überprüfen und vieles mehr. Zur Modellierung literarisch-ästhetischer Kompetenzen Wie eingangs erwähnt, stellen die Bemühungen um die Modellierung literarisch-ästhetischer Kompetenzen einen Versuch dar, die Bedeutung des Literarischen als Gegenstand des Fremdsprachenunterrichts auch in den Zeiten von Standard- und Kompetenzorientierung zu behaupten. Schauen wir nämlich in die KMK-Bildungsstandards, so erscheint die Auseinandersetzung mit ästhetischen Texten durchaus verzichtbar. Eine solche Sicht ist bereits im GeR vorgezeichnet. An ihm wird deutlich, dass Literatur keineswegs mehr gesicherter Teil sprachlichen Lernens ist, dass sie außerhalb des erstbzw. zweisprachlichen Unterrichts nicht zum Kerngeschäft des Sprachunterrichts zählt. In dem rund 260 Seiten umfassenden Referenzrahmen, der die Basis für die Formulierung von fremdsprachbezogenen Rahmenplänen, Richtlinien, Leistungsfeststellungen, Lehrbüchern und Medien in Europa abgibt, findet Literatur praktisch keine Erwähnung. In gerade einmal 11 Zeilen werden „Aesthetic uses of language“ (GeR 4.3.5) aufgelistet, gefolgt von einem abschließenden Lippenbekenntnis zur Bedeutung des Literarischen. Das Verständnis von Sprache und sprachlicher Bildung beschränkt sich im GeR völlig auf funktionales Sprachhandeln. Ähnliches gilt für die Vorgaben nationaler Bildungspolitik. Sowohl in den Bildungsstandards des Mittleren Schulabschlusses (KMK 2003) als auch in den deutlich jüngeren Abiturstandards der weitergeführten Fremdsprache (KMK 2012) findet man das Wort ‚Ästhetik‘ oder ‚ästhetisch‘ jeweils nur an einer einzigen Stelle. In ersteren wird zwar unter der Zielvorgabe einer aktiven „Teilhabe am gesellschaftlichen und kulturellen Leben“ die Notwendigkeit betont, „auch Themen- und Handlungsfelder in ihrer literarischen bzw. ästhetischen/ gestalterischen Qualität erfahrbar“ (KMK 2003: 8) zu machen, ansonsten aber lassen sie vor allem einen utilitaristischen Zugang erkennen. Letzteres zeigt sich u. a. dort, wo die Wichtigkeit internationaler Kooperation und globalen Wettbewerbs hervorgehoben wird. In den Abiturstandards wiederum findet sich ebenfalls nur ein einziger expliziter Hinweis auf die Dimension des Ästhetischen, nämlich in einem Aufgabenbeispiel aus dem Bereich des Französischunterrichts zu Proust, wo in sehr vorsichtiger Formulierung die Möglichkeit aufgezeigt wird, „den ästhetischen Anspruch des Textes [...] im Ansatz zu erkennen“ (KMK 2012: 355). Immerhin wird dort ein im Vergleich zu den Bildungsstandards der Sek. I erweitertes Verständnis von Text- und Medienkompetenz zum Ausdruck gebracht, das auf das „Verstehen und Deuten von kontinuierlichen und diskontinuierlichen - auch 254 L it er arisch ä sthe tische K omp e t enzen Herausforderungen der Output- und Ergebnisorientierung Lesekompetenz- Modell von Burwitz- Melzer (2007) audio- und audiovisuellen- - Texten in ihren Bezügen und Voraussetzungen“ gerichtet ist. Es bleibt insgesamt zu fragen, ob sich das Literarisch-Ästhetische gegen die dominante Zweckrationalität schulischer Standard- und Outputorientierung wird behaupten können. Kann es womöglich sogar eine ‚Ehe‘ mit dieser eingehen? Wolfgang Zydatiß z. B. argumentiert in diese Richtung, wenn er an die Fremdsprachendidaktik appelliert, sich auch im Blick auf die so genannten weichen Kompetenzen auf die Herausforderungen der bildungspolitisch gewollten Output- und Ergebnisorientierung einzustellen. Er schreibt (2005: -279): Die Fremdsprachendidaktik ist aufgerufen, die Leistungsfähigkeit und die Grenzen des real existierenden Fremdsprachenunterrichts empirisch aufzuzeigen: für die sprachlich-kommunikativen Kompetenzen, für das interkulturelle Lernen und die ästhetisch-imaginative Zielkategorie dieser Fächer. Wenn Fragen dazu kommen, sollten wir (empirisch gesehen) nicht nackt dastehen. Ich fürchte, die Literaturdidaktik und die Didaktik des Fremdverstehens müssen sich sehr bewusst auf das outputorientierte Denken einstellen, wenn sie ihre bisherige Rolle im fremdsprachlichen Curriculum behaupten wollen. An der Frage der empirischen Überprüfbarkeit, wie schon im Bereich der interkulturellen Kompetenzen gesehen, scheiden sich allerdings die Geister. Einige Fremdsprachendidaktiker/ innen, zu denen auch wir uns zählen (vgl. Küster 2006, Decke-Cornill 2009), vertreten die Auffassung, dass schulisch vermittelte Bildung und Erziehung sich nicht in dem erschöpfen dürfe, was testbar ist. Andere hingegen sind eher bereit, auf nicht abprüfbare Ziele und Inhalte zu verzichten. Eine dritte Position wiederum wird in dem Versuch deutlich, einen eigenen Kompetenzbereich literarischer oder literarischästhetischer Kompetenzen zu modellieren, ihn in ein Stufenmodell zu überführen und so die Grundlagen für eine kriteriengeleitete Bewertung zu legen. In diesem Sinne sind u. a. die Modelle literarischer Lesekompetenz von Eva Burwitz-Melzer (2007), die Ansätze von Andrea Rössler (2007, 2010) und Carola Surkamp (2012) zu verstehen. Die Absicht ist klar: Es geht darum, literarisch-ästhetischem Lernen auch in der gegenwärtigen bildungspolitischen Landschaft zu eigenständiger Geltung zu verhelfen und sein Abgleiten in die Bedeutungslosigkeit zu verhindern. Diese Initiativen sind darauf gerichtet, einzelne Kompetenzen des Umgangs mit ästhetischen Texten soweit zu bestimmen, dass sie zwar nicht messbar, zumindest aber annähernd evaluierbar sind. Für die literarische Lesekompetenz sieht Eva Burwitz-Melzer (2007, vgl. auch dies. 2005, 2006) folgende Teilkompetenzen als konstitutiv an: � motivationale Kompetenzen, � kognitive und affektive Kompetenzen, Einheit 13 255 z ur m oD ellI erung lIt er arIsch ä sthe tIscher k omp e t enzen Kognition und Emotion � interkulturelle Kompetenzen, � Kompetenzen der Anschlusskommunikation, � Kompetenzen der Reflexion. Diese Kompetenzen werden in Soll-Beschreibungen auf konkrete Handlungen bezogen, die ihrerseits folgenden Aufgabenbereichen des Unterrichts zugeordnet werden: � Erwartungshaltung aufbauen und erhalten, � Sinnkonstitution I [bezogen auf die Ebene der Handlung], � Sinnkonstitution II [bezogen auf die Ebene der Darstellung], � interkulturelle Kompetenzen fördern, � Recherchekompetenzen fördern, � eigene Textproduktion, � Vorträge und Aufführungen. Auch wenn sich bei detaillierterer Betrachtung des Modells der Eindruck aufdrängt, dass der Kompetenzbegriff hier als Passe-partout bildungspolitischer und didaktischer Diskurse etwas überstrapaziert wird, bildet es doch die Vielschichtigkeit unterrichtlich angeleiteten literarischen Lesens in wesentlichen Zügen ab. Bewusst „mehrere Stufen tiefer“ setzt das stärker an den Abläufen gängiger Unterrichtspraxis orientierte Stufenmodell von Blume (2007) an, das analog zu den Niveaus des GeR konzipiert ist. Es zeigt allerdings, wie sehr die Ausrichtung auf ein Raster von can-do-Deskriptoren eine Begrenzung des Blickwinkels auf kognitive Aspekte der Textrezeption nahe legt. Unseres Erachtens nach ist diese Haltung zu defensiv. Vieles von dem, was in schulischem Unterricht angestoßen wird, zeigt und entfaltet sich - im Guten wie im Schlechten-- oft erst mit deutlicher Verzögerung im Rahmen eines lebenslangen Lernens und kann nicht kurzfristig abgerufen werden. Gerade nicht normierbare und daher nicht in engerem Sinne mit der Standardorientierung kompatible Bildungsinhalte und -prozesse haben einen eigenständigen Gültigkeitsanspruch. Es zählt zum Wesen des Ästhetischen insgesamt und von Kunst und Literatur im Besonderen, dass es einen Autonomieanspruch geltend machen kann, der es vor jeder externen Indienstnahme schützt (vgl. Kant 7 1990). „Literarisches Verstehen gelingt dann auf angemessene Weise, wenn subjektives Angesprochensein und genaue Textwahrnehmung in einer Balance sind“, schreibt in diesem Sinn Kaspar Spinner (2005: 89). Literarische Kunstwerke halten „eben nicht nur ein Reflexionsangebot bereit, sondern auch ästhetische Erfahrung, die auf Ergriffenheit, und existentielle Erfahrung, die auf Betroffenheit hinaus will“ (Griesheimer 1991: 378). Rein kognitiv orientierte Aufgaben stellen sich hingegen zwischen den Text und die Leser/ innen. Sie verhindern, dass diese sich vom ihm ansprechen lassen, sich ihm aussetzen, sich von ihm anrühren lassen. Sie sind ein Beleg dafür, wie leicht das stan- 256 L it er arisch ä sthe tische K omp e t enzen dardorientierte Kompetenzverständnis zu einer „Reduktion von Komplexität“ und zu einer „Objektivierung auf Kosten der Subjektivität“ (Spinner 2005: 88 f.) führen kann und damit der bildende, transformative Wert von Literatur beschnitten wird (vgl. Decke-Cornill/ Gebhard 2007). Das derzeit umfassendste Modell fremdsprachlicher literarischer Kompetenz finden wir bei Diehr/ Surkamp (2015: 25). Es bildet die Bandbreite der oben genannten Bereiche im Wesentlichen ab. Durch seinen Verzicht auf eindeutige can-do-Deskriptoren respektiert es zudem die Individualität und Subjektivität aller literarisch-ästhetischer Vorgänge: Im einleitenden Rückblick konnten wir sehen, dass sich zur Frage des Stellenwerts literarischen Lernens im Fremdsprachenunterricht immer wieder - mit jeweils eigenen Akzentuierungen - eher utilitaristisch und eher ästhetisch argumentierende Positionen begegneten. Dies ist bis auf den heutigen Tag so. Das Leitbild, das mit der aktuellen Kompetenzorientierung impliziert ist, lässt sich als das eines homo faber des postindustriellen, global vernetzten Zeitalters bezeichnen. In ihm können sich bildungstheoretisch fundierte, persönlichkeitsbezogene Ansätze und musisch-ästhetische Inhalte nur schwer behaupten. Dass diese gleichwohl wichtige Potenziale auch sprachlichen Lernens bieten, haben wir versucht am Beispiel literarischer Texte, Kunstbilder, Comics und Spielfilme aufzuzeigen. Eine besondere Bedeutung, so war zu beobachten, kommt in diesem Zusammenhang den unterrichtlichen Verfahren zu. Von entscheidender Bedeutung für die Zukunft wird sein, ob sich die Literaturdidaktik dem Druck zur Überprüfbarkeit ihrer intendierten Wirkungen beugen mag, kann und muss. Alle Bemühungen, die Gesamtheit literaturdidaktischer Ziele in ein Modell be- Abb. 13.1 Modell literarischer Kompetenz bei Diehr/ Surkamp Zusammenfassung Einheit 13 257 z ur m oD ellI erung lIt er arIsch ä sthe tIscher k omp e t enzen schreib- und letztlich auch bewertbarer Schülerkompetenzen zu integrieren, sind derzeit noch recht heterogen und geraten immer wieder an Grenzen, die aus der Sperrigkeit ästhetischer Texte gegenüber jeglichen Versuchen der Normierung resultieren. Dies ist ein Fazit, dem - wie wir finden - durchaus positive Seiten abzugewinnen sind. Aufgaben 1 Vielfach ist aus Schülermund zu hören, dass die Behandlung literarischer Texte im Unterricht gerade nicht dazu geführt hat, Lust auf Literatur und das Lesen zu wecken, sondern im Gegenteil eher eine abschreckende Wirkung hatte. Welche Erfahrungen haben Sie persönlich gemacht? An welchen Aspekten unterrichtlicher Arbeit machten sich Ihre Reaktionen fest? Tauschen Sie sich darüber mit Mitstudierenden aus. 2 Versuchen Sie, die von Ihnen erlebten unterrichtlichen Verfahren im Umgang mit ästhetischen Texten (Literatur, Filme, Bilder usw.) auf die unterschiedlichen in der vorliegenden Einheit beschriebenen didaktischen Leitlinien zurückzuführen. 3 Welche Inhalte der von Ihnen besuchten literaturwissenschaftlichen Lehrveranstaltungen bieten aus Ihrer Sicht Anschlussmöglichkeiten an literaturdidaktische Perspektiven? Besprechen Sie auch dies nach Möglichkeit mit einer/ m Mitstudierenden. 4 Wählen Sie einen geeigneten Beispieltext in der Sprache Ihrer Wahl und untersuchen Sie ihn auf Möglichkeiten unterrichtlicher Behandlung hin. Zum Weiterlesen Bachmann-Medick, Doris (Hrsg.) (1996): Kultur als Text. Die anthropologische Wende in der Literaturwissenschaft. Frankfurt a. M.: Fischer. Bredella, Lothar/ Hallet, Wolfgang (Hrsg.) (2007): Literaturunterricht, Kompetenzen und Bildung. Trier: WVT. Hallet, Wolfgang/ Surkamp, Carola/ Krämer, Ulrich (Hrsg.) (2015): Literaturkompetenzen Englisch. Modellierung - Curriculum - Unterrichtsbeispiele. Seelze: Klett Kallmeyer. Rössler, Andrea (2010): Literarische Kompetenz. In: Meißner, Franz-Joseph/ Tesch, Bernd (Hrsg.): Spanisch kompetenzorientiert unterrichten. Seelze: Klett-Kallmeyer, 131-136. 259 14.1 neue Steuerungsverfahren Rechenschaftslegung Leistungsüberprüfung und -bewertung Einheit 14 Einführendes Leistungsüberprüfungen sind schon seit jeher Teil des Schulalltags. Sie reichen von Kurztests zur Bewertung der laufenden Kursarbeit über Klassenarbeiten zur Ermittlung einer versetzungsrelevanten Jahresfachnote bis hin zu Abschlussprüfungen wie Mittlerer Schulabschluss, Abitur etc. Im Zeichen der Kompetenz- und Standardorientierung kommt ihnen jedoch eine veränderte Bedeutung zu. Denn die Kompetenzorientierung hätte nicht den Stellenwert in der Fremdsprachendidaktik, den sie gegenwärtig besitzt, wäre sie nicht eingebettet in einen fächerübergreifenden, in unterschiedlicher Intensität europaweit verbreiteten Trend neuerer Steuerungsverfahren im Bildungssektor. Wie in Einheit 5 gesehen, sind die Bildungsadministrationen im Zuge einer „empirischen Wende“ vor allem seit der PISA-Studie darum bemüht, Ergebnisse schulischen Lernens durch Testverfahren verlässlicher und vergleichbarer abzuprüfen, um so Einfluss auf den vorlaufenden Lehr-/ Lernbetrieb zu nehmen und letztlich zu einer „Qualitätssicherung“ des Schul- und Unterrichtswesens zu gelangen. Nicht zufällig lassen sich hier Verbindungen zu betriebswirtschaftlichen Modellen der Effizienz- und Rentabilitätssteigerung erkennen. Ähnlich wie in der Privatwirtschaft auf der Basis einer Überprüfung von Bilanzen wenig effektiv arbeitende Einheiten umstrukturiert und auf Erfolgskurs gebracht oder aber geschlossen werden, soll sich anhand-flächendeckender Vergleichsuntersuchungen im Schulsektor erweisen, welche Standorte und Abteilungen messbare Erfolge zeitigen. Mit anderen Worten: Es geht darum, die Leistungsfähigkeit bestehender Subsysteme wie einzelner Fachkollegien, einzelner Schulen, der Schulen einzelner Bundesländer etc. dadurch zu erhöhen, dass sie zu höherer Rechenschaftslegung (accountability) verpflichtet werden. Dort, wo Defizite festgestellt werden, ist dies zwar nicht Anlass zu Schließungen, aber doch zu Gegensteuerungsmaßnahmen wie z. B. Lehrerfortbildungen oder der Erstellung von Schulentwicklungsplänen. Über die hier angesprochene systemische Funktion hinaus richten sich die Leistungsüberprüfungen selbstverständlich auch weiterhin auf die Ebene der einzelnen Schülerinnen und Schüler und deren schulischen Fortkommens. Dieser Ebene soll unser Interesse in der vorliegenden Einheit primär gelten. Basierend auf dem Forschungsstand der Pädagogischen Psychologie liegt in 260 L e istungsüberprüfung und be w ertung Fremd- und Selbstbewertung Definitionen 14.2 Selektionsfunktion Rückmeldefunktion der Fremdsprachendidaktik mittlerweile eine Vielzahl von Publikationen zu Funktionen und Formen von Leistungsmessung und -evaluierung vor. Wir werden einige grundlegende Einblicke in dieses Feld vermitteln, darüber hinaus aber auch die mit ihm verbundene Problematik ansprechen, wobei wir nicht verhehlen wollen, dass unsere eigenen Forschungsinteressen eindeutig eher auf die Anbahnung fremdsprachenbezogener Lern- und Bildungsprozesse als auf deren Überprüfung gerichtet sind. Vorab soll jedoch versucht werden, die einschlägige Begrifflichkeit zu klären. Dies ist indes keineswegs einfach. Lange Zeit war mit ‚Bewertung‘ ausschließlich Fremdbewertung gemeint. Unter dem Einfluss kognitiver Lernforschung (s. Einheit 3) und im Interesse einer Förderung von Lernerautonomie und lebenslangen Lernens rückt jedoch auch Selbstbewertung in den Fokus der Betrachtung. Dieser Teilbereich soll am Ende der Einheit kurz zur Sprache kommen. Zunächst konzentrieren wir uns auf die externe Erhebung sprachlicher Leistungsstände. Vorwiegend in diesem Feld werden Begriffe wie ‚testen‘, ‚messen‘, ‚bewerten‘ und ‚evaluieren‘ verwendet, ohne dass allerdings einheitliche Definitionen erkennbar wären. Gemeinhin werden die Verben ‚testen‘ und ‚messen‘ im Kontext quantitativ erfassbarer Vorgänge benutzt. ‚Bewerten‘ bezeichnet hingegen zum einen die Auswertung quantitativer Messergebnisse, zum anderen aber auch Verfahren qualitativer Beurteilungen. Der letztgenannte Aspekt deckt sich im Wesentlichen mit dem semantischen Feld von ‚evaluieren‘. Alle vier weisen das Moment des Vergleichs auf. Sie vergleichen entweder das Verhältnis des Ermittelten zu einer Norm bzw. einem Durchschnitt oder sie beschreiben eine Entwicklung, indem sie einen Vorher-Nachher-Zustand erfassen. Funktionen und Formen der Leistungsbeurteilung Halten wir uns zunächst vor Augen, dass die Institution Schule im gesellschaftlichen Raum unterschiedliche Aufgaben erfüllt, zu denen nicht nur die Bildungs- und Qualifizierungsfunktion, sondern u. a. auch die Selektions- und Allokationsfunktion zählen. Schulische Zeugnisse vermitteln Zugangsberechtigungen zu höheren Bildungsgängen bzw. öffnen den Weg für bestimmte berufliche Laufbahnen. Fordern und Fördern stehen so stets im Kontext von Auswahlentscheidungen. Andererseits geben Lernstandskontrollen auch den Einzelnen selbst Rückmeldungen über den Erfolg bisheriger Anstrengungen und bieten auf diese Weise einen Ausgangspunkt für mögliche Veränderungen eigener Lernstrategien im Sinne der Selbststeuerung (vgl. die Ausführungen zu Sprachlernbewusstheit und Sprachlernkompetenz in Einheit- 11). Eine Rückmeldefunktion erfüllen Leistungsüberprüfungen und -bewertungen darüber hinaus für die Lehrenden, die ggf. ihre Art der Unterrichtsgestaltung überdenken müssen, für die Eltern, die ihre Kinder auf dem richtigen Weg Einheit 14 261 F unk tIonen unD F ormen D er l e Istungsbeurt e Ilung summativ vs. formativ bezugsgruppenvs. kriterienorientiert global vs. analytisch wissen wollen und - wie oben angesprochen - für die bildungspolitisch Verantwortlichen auf einer überindividuellen Ebene. Ob der Prüfungsdruck auf die Schülerinnen und Schüler motivationssteigend wirkt, wie Thaler (2012: 298) annimmt, hängt hingegen von der Persönlichkeitsstruktur des Einzelnen, von situativen Rahmenbedingungen und vielem anderem mehr ab. Prüfungsdruck kann ebenso lähmende Angst wie Anstrengungsbereitschaft auslösen (s. Einheit 3.3). Beide angesprochenen Facetten von Selektion und Förderung spiegeln sich in der Unterscheidung zwischen summativen und formativen Leistungsüberprüfungen. Summativ werden jene Verfahren genannt, die punktuell gegen Ende eines Ausbildungsabschnitts Ergebnisse des Lernens feststellen wollen. Formative Tests hingegen versuchen, über einen längeren Zeitraum den Prozess des Lernens zu erfassen, um ihn im Interesse einer Qualitätssicherung beeinflussen zu können. Wichtig ist weiterhin die Unterscheidung zwischen norm- oder bezugsgruppenorientierter und kriterienorientierter Bewertung. Im erstgenannten Fall werden die individuellen Ergebnisse der Lernenden in ihrem Verhältnis zu den Resultaten einer Referenzgruppe, in der Schule zumeist der Klasse, interpretiert. Das tatsächliche Können jede/ r Einzelnen spielt folglich weniger eine Rolle als vielmehr seine/ ihre Stellung innerhalb des Leistungsspektrums einer Gruppe. Demgegenüber versuchen kriterienbezogene Beurteilungen die Leistungen eines Einzelnen anhand gestufter, vorab festgelegter Kriterien zu bewerten. Einstufungen nach den can-do-Deskriptoren des GeR sind ein Beispiel dieses letztgenannten Beurteilungsmodus. Hierbei wiederum lassen sich globale bzw. holistische von analytischen Bewertungen unterscheiden. Global wäre z. B. die eindimensionale Gesamtbewertung einer fertigkeitsbezogenen Leistung zu nennen, während analytische Bewertungen explizite Aussagen über Teilaspekte der zu messenden Fertigkeit treffen. Neben einer sozialen und einer kriterialen können Leistungsbewertungen aber auch eine individuelle Bezugsnorm zugrunde legen. In diesem Fall werden aktuelle Leistungen der Lernenden an ihren früheren Resultaten gemessen, um so individuelle Entwicklungen diagnostizieren zu können. Traditionelle Formen schulischer Leistungsbewertung wie die Benotung von Klassenarbeiten oder von Referaten, von mündlicher Mitarbeit usw. sind somit in der Regel als bezugsgruppenorientiert und global einzustufen. Informelle Rückmeldungen der Lehrkraft an einzelne Schüler/ innen bedenken häufig auch die individuelle Bezugsnorm. Insofern Klassenarbeiten oder mündliche Leistungsstandserhebungen dazu dienen, Lernfortschritte zu erfassen, können sie als formativ bezeichnet werden. Einen guten Überblick über „Typen der Beurteilung und Bewertung“ liefert der Europäische Referenzrahmens (Europarat 2001: Kap. 9.3), hier in einer von Thaler (2012: 299) um Kommentare ergänzten Version: 262 L e istungsüberprüfung und be w ertung Formen der Beurteilung nach dem GeR Sprachstandstest (achievement test), z. B. Klassenarbeit ↔ Qualifikationsprüfung (profiency text), z. B. Aufnahmeprüfung normorientierte Bewertung (norm-referencing): Vergleich mit anderen Personen → Orientierung an Gaußscher Normverteilungskurve (bell curve) ↔ kriteriumsorientierte Bewertung (criterion-referencing): Bezug auf Lernziele → auch sehr gute oder sehr schlechte Durchschnittsergebnisse möglich kontinuierliche Beurteilung (continuous assessment): Bewertung über eine längeren Zeitraum, z. B. Unterrichtsbeteiligung über zwei Wochen ↔ punktuelle Beurteilung (fixed assessment point): Bewertung einer einzelnen Arbeit, z. B. Stegreifaufgabe formative Beurteilung (formative assessment): fortlaufende Lernfortschrittskontrollen ↔ summative Beurteilung (summative assessment): Lernerfolgskontrolle am Ende einer Einheit Beurteilung der Performanz (performance assessment): Bewertung der tatsächlichen Sprachverwendung ↔ Beurteilung der Kompetenz (knowledge assessment): Bewertung von Kenntnissen/ Wissen subjektive Beurteilung (subjective assessment): &offene Aufgaben, menschlicher Prüfer ↔ objektive Beurteilung (objective assessment): &geschlossene, maschinell auswertbare Aufgaben Einstufung auf einer Skala (rating on a scale): sehr gut bis sehr schlecht ↔ Einstufung anhand einer Checkliste (rating on a checklist): Erfüllung bestimmter Kriterien holistische Beurteilung (holistic assessment): ganzheitlich, global ↔ analytische Beurteilung (analytic assessment): separate Betrachtung verschiedener Aspekte (Kriterienliste) Fremdbeurteilung (assessment by others), z. B. durch Lehrkraft oder Mitschüler ↔ Selbstbeurteilung (self-assessment), z. B. durch Selbstevaluations-Bogen Weiterhin lassen sich Überprüfungsformate nach dem Grad ihrer Öffnung unterscheiden, wie Nold (2014: 58) erläutert: Multiple choice und multiple matching beispielsweise gehören zu den geschlossenen Formaten (selected response), short-answer question, C-Test und gap filling zu den halboffenen Formaten (constructed response) und Summary, report in own words sowie justify zu den offenen Formaten (creative response). Tab. 14.1 Typen der Beurteilung und Bewertung Grad der Öffnung Einheit 14 263 g üt e krIt erI en D e s t e st ens unD p rüF ens 14.3 Kompetenzmodelle als Basis Multiple choice und multiple matching sind z. B. durch populäre Selbsttests in Illustrierten als Verfahren so bekannt, dass sie vermutlich keiner weiteren Erläuterung bedürfen. Für den C-Test kann dies nicht ohne Weiteres vorausgesetzt werden. Das Grundprinzip besteht darin, in einem Text Auslassungen von Wortteilen vorzunehmen und von den Probanden ergänzen zu lassen. Damit können sprachliche Kompetenzen insbesondere auf der lexikalischen und der morphologischen Ebene geprüft werden. Ein Test umfasst in der Regel fünf Texte mit jeweils 20 bis 25 Lücken. Grundsätzlich, so Schröder (ebd.), lassen sich alle Aufgabenformate auf allen Sprachstandsniveaus einsetzen. Es liegt jedoch auf der Hand, dass sie sehr unterschiedlich komplexe Leistungen erfordern und dementsprechend jeweils anders geartete und unterschiedlich umfängliche Einblicke in die Kompetenzstände der zu Prüfenden gewähren. Der Grund, warum vielfach gerne geschlossene Formate verwendet werden, ist darin zu sehen, dass sie einen vergleichsweise geringen Aufwand in der Auswertung verlangen und zudem am ehesten gängigen Gütekriterien zu entsprechen in der Lage sind - dies allerdings zumeist auf Kosten einer Erfassung von Komplexität. Gütekriterien des Testens und Prüfens Für alle Formen der Leistungsüberprüfungen gelten bestimmte Gütekriterien. Dass diese nur in aufwändigen, standardisierten Lernstandserhebungen ganz oder doch zumindest annähernd erreicht werden können, wird schnell deutlich, wenn wir sie uns im Einzelnen näher ansehen. Gerade im Zuge der regionalen und überregionalen Testungen, von denen in Einheit 5 die Rede war, wie beispielsweise VERA 8 (Vergleichsarbeiten der Jahrgangsstufe 8), kommt ihnen ein besonderes Gewicht zu. Zunächst einmal gilt es im Einzelfall zu definieren, was Gegenstand der Überprüfung sein soll. Die derzeit entwickelten Kompetenzmodelle in den verschiedenen Fächern bzw. Fächergruppen wollen genau das leisten: eine Festlegung beobachtbarer und daher auch überprüfbarer Konstrukte. Genau genommen kann es keine Kompetenz-, sondern nur Performanzüberprüfungen geben (vgl. Meißner 2006: 217). Denn, wie in Einheit 5.5 bereits beschrieben, bezeichnen Kompetenzen individuelle Handlungsdispositionen, sind folglich nicht beobacht- und daher auch nicht abprüfbar. Im Zuge der Kompetenz- und Standardorientierung hat sich allerdings eine veränderte Begriffsverwendung durchgesetzt. Für die neueren Fremdsprachen ist man folglich bemüht, einheitliche Modelle zu entwickeln, die einerseits gewünschte Qualifikationen in möglichst großer Breite und innerer Diversifizierung abbilden, die andererseits aber gleichzeitig soweit elementarisiert sind, dass sie die Grundlage operabler Test- und Messverfahren bilden können. Um unterschiedliche Grade der Zielerreichung beschreibbar machen zu können, müssen zu den einzelnen 264 L e istungsüberprüfung und be w ertung Stufenmodelle Objektivität Reliabilität Validität Kompetenzen ferner Skalierungen bzw. Stufenmodelle entwickelt werden. In dieser Hinsicht konnten die Fremdsprachendidaktiken, anders als viele andere Fachdidaktiken, auf erprobte Instrumente zurückgreifen, nämlich auf die Niveaubeschreibungen sprachlich-funktionaler Kompetenzen des GeR. Auch gibt es auf dem Markt der Sprachenzertifikate seit Längerem verschiedene Tests, die als Modelle herangezogen werden können. Zu ihnen zählen der TOEFL-Test (ein Test, der die sprachliche Eignung zur Aufnahme eines Studiums an einer Hochschule der USA feststellen soll), das Cambridge Certificate, die offiziellen Sprachdiplome Frankreichs (DELF und DALF), Spaniens (DELE) oder der deutsche TestDaF, um nur einige der bekanntesten zu nennen. Sie fußen auf Ergebnissen der Testforschung. Zu den in der Testforschung etablierten Gütekriterien zählt in erster Linie die Trias von Objektivität, Reliabilität und Validität, in zweiter Linie sind auch Kriterien wie Authentizität, Transparenz oder Praktikabilität zu beachten (vgl. zum Folgenden Vollmer 2007; Grotjahn 2008, 2010; Hinger 2009). � Das Kriterium der Objektivität bezieht sich auf den Grad der Unabhängigkeit vom jeweiligen Untersucher/ Bewerter. Eine wichtige Voraussetzung für einen hohen Grad an Objektivität wird in der Standardisierung des Testformats gesehen. � Reliabilität hingegen meint die Zuverlässigkeit im Sinne einer Reproduzierbarkeit der Testresultate innerhalb bestimmter Toleranzgrenzen. Dabei ist zwischen der Perspektive der Beurteilten und derjeningen der Beurteiler/ innen zu unterscheiden. Aus der Sicht der Lernenden müsste ein optimal reliables Verfahren unter gleichen Bedingungen bei gleichzeitiger Durchführung (Paralleltestreliabilität) oder bei wiederholter Durchführung (Retest-Reliabilität) zu den gleichen Resultaten führen. Mit Blick auf die Bewerter/ innen lässt sich hingegen zwischen Interrater- und Intrarater- Reliabilität differenzieren. Interrater-Reliabilität ist dann gegeben, wenn unterschiedliche Bewerter/ innen ein und dieselbe Leistung annähernd identisch beurteilen. Intrarater-Reliabilität ist gegeben, wenn ein/ e Bewerter/ in in zeitlich versetzten Beurteilungsdurchgängen zu annähernd identischen Bewertungen der betreffenden Leistung gelangt. � Das Kriterium der Validität oder Gültigkeit bezieht sich darauf, ob das Testverfahren auch das misst, was es zu messen vorgibt. Auch dieses Kriterium lässt sich weiter ausdifferenzieren. Erwähnt seien hier nur drei Aspekte. Die Konstruktvalidität betrifft die Frage, „inwieweit das direkt beobachtbare Verhalten der Testpersonen auf bestimmte zugrunde liegende, nicht direkt beobachtbare Fähigkeiten (sogenannte theoretische Konstrukte) zurückgeführt werden kann“ (Grotjahn 2008: 166). Valide Hörverstehenstest bspw. müssen auf einem wissenschaftlich fundierten Modell dieser Teilkompetenz fußen. Demgegenüber gibt die Inhaltsvalidität an, inwieweit die Testaufgaben geeignet sind, beispielsweise bestimmte Aspekte eines Lernstoffs Einheit 14 265 p roble m atIk e Ine s t e storI entI ert en F re mDspr achenunt errIchts 14.4 Reduktion von Komplexität Beliebigkeit der Inhalte oder bestimmte Verhaltensweisen zu erfassen. Die Augenscheinvalidität letztlich ist kein wissenschaftliches Kriterium im engeren Sinn. Sie gibt an, inwieweit der Test von den Lernenden, von Eltern oder von Kollegen als solcher erkannt und anerkannt wird. Eine geringe Augenscheinvalidität kann - so Grotjahn (2008: 166) - Kandidat/ innen dazu verleiten, den Test nicht hinreichend ernst zu nehmen und deshalb nicht ihre optimale Leistung zu zeigen. � Eine Authentizität von Testaufgaben ist dann gewährleistet, wenn diese eng auf reale Kommunikationsbzw. Anforderungssituationen des außerunterrichtlichen Alltags in zielsprachigen Kontexten ausgerichtet sind. � Das Gütekriterium der Transparenz von Tests und Aufgaben bedeutet vor allem, dass die spezifischen Leistungserwartungen sowie die Kriterien der Leistungsbeurteilung für die Kandidat/ innen leicht erkennbar sind. � Die Praktikabilität letztlich betrifft alle Bedingungen der Durchführung (räumliche, zeitliche Bedingungen) sowie der Reproduzierbarkeit von Tests. Da zentrale Lernstandserhebungen, so v. a. die ländereinheitlichen und länderübergreifenden Vergleichsarbeiten, erheblichen Einfluss auf den schulischen Alltag nehmen, sollten schulische Lehrkräfte mit ihnen vertraut sein und sie auch bei der Erstellung eigener Tests zu berücksichtigen lernen. Gleichzeitig sollten sie sich aber auch der Implikationen bewusst sein. Problematik eines testorientierten Fremdsprachenunterrichts Aus pragmatischen Gründen legen Tests häufig ein enges, auf kognitive Aspekte verkürztes Kompetenzkonzept zugrunde. Das ist verständlich, denn vielschichtig, komplex angelegte Testdesigns bieten zwar eine zufriedenstellende Konstruktvalidität, sind aber im Hinblick auf die Gütekriterien der Objektivität und Reliabilität nur sehr schwer zu handhaben. Allen gegenteiligen Ansprüchen und Bemühungen zum Trotz tendieren standardisierte Tests folglich dazu, die Komplexität sprachlicher Anforderungen durch Segmentierung der Anforderungsfelder zu reduzieren. Somit sind sie meistens nicht in der Lage, z. B. kreative Sprachleistungen zu messen. Dies kann fatale Rückwirkungen auf den vorlaufenden Unterricht haben, den oben (Einheit- 5.5) beschriebenen teaching-to-the-test effect. Er stellt ein gravierendes Problem, wenn nicht das Hauptproblem der gegenwärtigen Output- und Standardorientierung dar. Denn notwendigerweise wird sich das Lehren und Lernen auf die Anforderungen der standardisierten Tests ausrichten. Dies gilt sowohl für die Inhalte als auch für die Verfahren des Unterrichts. Inhalte fremdsprachlichen Lernens scheinen aus dem Blickwinkel der Kompetenzorientierung weitestgehend beliebig zu sein, schließlich geht es ihr ja um die Entwicklung vielseitig einsetzbarer Handlungsfähigkeiten, nicht um themenbezogenes Wissen. Konsequenterweise werden sie in den Standards 266 L e istungsüberprüfung und be w ertung Aussparung ganzer Kompetenzbereiche Rückwirkungen auf den Unterricht Machbarkeitsoptimismus weitestgehend ausgeblendet. Im Blick auf die Ziele des Fremdsprachenunterrichts ist allerdings daran zu erinnern, dass in den KMK-Standards neben den funktionalen kommunikativen Kompetenzen ebenso interkulturelle und methodische Kompetenzen als Zielbereiche genannt werden. Dabei ist zwar deutlich das Bemühen erkennbar, differenzierte Handlungsbereiche auszuweisen. So entscheidende Aspekte wie der einer Reflexionskompetenz, die es den Einzelnen erst gestattet, eigene Einstellungen und Wertungen in Fragen kultureller Differenz zu relativieren, kommen dabei jedoch zu kurz. Die interkulturellen und die Methodenkompetenzen sind naturgemäß schwer zu operationalisieren, vor allem aber kaum standardisiert zu überprüfen. Auffälligerweise gibt es in dem KMK-Dokument zu ihnen keine Aufgabenbeispiele, während die rein sprachpraktischen Komponenten sehr detailliert zur Geltung kommen. Daraus erwächst die Gefahr, dass nur die „harten“, nämlich operationalisierbaren Teilkompetenzen sich als praxisleitend erweisen, während die „weicheren“ als Teil einer politischen Rhetorik abgetan werden. Auch was die Auswahl von Lern-/ Lehrverfahren betrifft, werden in der Fremdsprachendidaktik verschiedentlich Befürchtungen geäußert, dass ein Unterricht, der auf standardisierte Tests im Sinne der Bildungsstandards vorbereiten will, hinter den gegenwärtigen methodisch-didaktischen Entwicklungsstand zurückfällt (s. Küster 2006). Die Gefahr bestehe, dass der Fremdsprachenunterricht zu traditionellen Paukverfahren zurückkehren und darüber hinaus handlungs- und aufgabenorientierte Verfahren selbständigen und kooperativen Lernens vernachlässigen werde. Um ihr zu begegnen, wurden in den vergangenen Jahren im Auftrag der KMK und vom „Institut zur Qualitätsentwicklung im Bildungswesen“ (IQB, s. Einheit 5.4.3) koordiniert, Anstrengungen unternommen, Lern- und Testaufgaben zu entwickeln, die standardbezogen, gleichwohl aber der Komplexität realer Kommunikationssituationen angemessen sind. Hierauf werden wir weiter unten eingehen. Die Ausrichtung fremdsprachlichen Lernens auf standardisierte Tests, so ist zunächst festzuhalten, erscheint nur schwer kompatibel mit den Postulaten einer Lerner- und Prozessorientierung oder Zielen des Fremdsprachenunterrichts wie Fremdverstehen und inter- und transkultureller Kompetenz. Insgesamt drängt sich der Eindruck auf, dass die Standards einen Machbarkeitsoptimismus widerspiegeln, der auf einer irrigen Wirkannahme lehrorientierter („instruktionistischer“) Verfahren basiert. Bei allen Einwänden soll andererseits nicht unterschlagen werden, dass das Reformvorhaben auch positive Seiten hat. Es ist durchaus sinnvoll und weiterführend, auf der Grundlage eines weiter zu entwickelnden Referenzrahmens Ziele zu formulieren, die im nationalen Binnenverhältnis, aber auch im europäischen Rahmen für mehr Transparenz und Vergleichbarkeit sorgen. Ein positiver teaching-to-the-test effect könnte zudem darin bestehen, dass die zuvor wenig beachteten Fertigkeiten des Hör-/ Hörsehverstehens und des Sprechens im Unterrichtsalltag eine Aufwertung erfahren. Insgesamt bleibt indes abzuwägen, wie hoch der Einheit 14 267 z ur u nt ersche I Dung Von l ern unD p rüF ungs au F g a ben 14.5 „harte“ und „weiche“ Kompetenzen Aufgabenpools des IQB Prinzipien der Testerstellung Nutzen im Vergleich zum oft erheblichen zeitlichen Aufwand ist. Denn: „Vom Wiegen wird die Sau nicht fett“, weiß schon eine alte Bauernweisheit. Sie lässt sich mutatis mutandis durchaus auf den Bildungsbereich übertragen. Es ist zu fragen, ob die Konzentration der Investitionen in die Überprüfbarkeit von Leistungen der Königsweg zur Förderung von Bildungsprozessen ist, zumal sich die fremdsprachlichen Kompetenzen, wie oben angedeutet, oft nur schwer evaluieren oder gar messen lassen. Zur Unterscheidung von Lern- und Prüfungsaufgaben Hu/ Leupold (2008) unterscheiden zwischen leicht und schwer messbaren Kompetenzen. Zu ersteren zählen sie die kommunikativen Fertigkeiten des Hör- und des Leseverstehens sowie das Schreiben. Bereits das Sprechen hingegen gilt als schwer messbar. In verstärktem Maße gilt dies für die sogenannten „weichen“ Kompetenzen: die methodischen und Medienkompetenzen, vor allem aber die interkulturellen und literarisch-ästhetischen Kompetenzen. Dies ist in den Ausführungen zu den einzelnen Kompetenbereichen bereits verschiedentlich angeklungen. Um schulischen Lehrkräften die Planung eines kompetenzorientierten und auf zentrale Prüfungen vorbereitenden Unterrichts zu erleichtern, sind vonseiten der Bildungspolitik verschiedene Handreichungen initiiert und veröffentlicht worden. Hierzu zählen die in Einheit-5.4 erwähnten Aufgabenpools des IQB, die Beispielaufgaben zu Vergleichsarbeiten von VERA 8, aber auch die Aufgabenbeispiele in den Bildungsstandards der unterschiedlichen Abschlussarten. Aufgrund ihrer unterschiedlichen Funktionen folgt die Konstruktion von Lernbzw. Prüfungsaufgaben unterschiedlichen Prinzipien. Erstere dienen - wie die Bezeichnungen nahelegen - der Anbahnung, letztere der Erfassung individueller Kompetenzen bzw. Kompetenzstände. Daher sollten Prüfungsaufgaben hinsichtlich ihrer Ziele, Inhalte und Verfahren den vorlaufenden Unterricht widerspiegeln. Mit anderen Worten: Prüfungsaufgaben sind durch Lernaufgaben vorzubereiten. Umgekehrt können Lernaufgaben durchaus für sich stehen, sie bedürfen nicht unbedingt der Überführung in Prüfformate. In ihrem Beitrag zu „Test- und Lernaufgaben“ gehen Caspari/ Grotjahn/ Kleppin (2010: 47) näher sowohl auf das Unterschiedliche als auch auf das Verbindende beider Aufgabenformate ein. Obwohl sich der Aufsatz auf die Aufgabenkonstruktion im Fach Französisch der Sekundarstufe I bezieht, lassen die Angaben zu den Testaufgaben eine deutliche Nähe zum Kontext standardisierter (außerschulischer) Sprachtests erkennen. Manches ist allerdings in der Tat übertragbar. Hinsichtlich der Entwicklung französischer Testaufgaben des IQB werden folgende Prinzipien herausgestellt, „die einerseits testwissenschaftlich abgeleitet sind [...] und die andererseits Vorstellungen von ‚gutem‘ Unterricht widerspiegeln“: 268 L e istungsüberprüfung und be w ertung isolierte vs. integrative Perspektiven Testaufgaben als Lernaufgaben 14.6 - Die Bescheibung von Kompetenzen erfolgt mit Hilfe der Niveauskalen des GeR sowie der Bildungsstandards und damit auf der Basis vorwiegend positiver Kann-Beschreibungen an Stelle von Defizitfeststellungen z. B. in Form von Fehlerquotienten. Die Testaufgaben zielen auf Teilkompetenzen [...], sie werden so weit wie möglich unabhängig voneinander gemessen. - Die Bewertung erfolgt kriteriumsorientiert, d. h., die Testaufgaben erlauben anhand von klar definierten Kriterien [...] eine Einschätzung der Leistung. Dem kommunikativen Erfolg wird damit ein großer Stellenwert zugebilligt. - Die Bewertung orientiert sich an den Gütekriterien [...]. (Ebd. 55 f.) Ziel von Tests ist es somit, möglichst genaue Informationen zu spezifischen Teilkompetenzen zu erhalten (vgl. ebd. 60 f.). Lernaufgaben zielen demgegenüber meist auf die Entwicklung von integrierten Kompetenzen. Dies entspricht der Realität außerunterrichtlicher Kommunikationen, in denen Sprechen in der Regel in Situationen vorkommt, die zugleich ein Hörverstehen erfordern. Während ferner Lernaufgaben, nicht zuletzt im Einklang mit Prinzipien der Lernerautonomie, gemeinhin unterschiedliche Wege der Bearbeitung erlauben, sind formelle Testaufgaben darauf angewiesen, strikte Vorgaben in dieser Hinsicht zu machen, um eine Vergleichbarkeit der Ergebnisse zu gewährleisten (vgl. ebd. 61). Trotz dieser Unterschiede, so betonen die zitierten Autor/ inn/ en (ebd. 62 f.), können „als Testaufgaben konzipierte und intendierte Aufgaben[...] bei entsprechendem Einsatz auch als Lernaufgaben realisiert werden und eine lernförderliche Funktion haben“, ebenso wie auch viele zur Kompetenzentwicklung konzipierte Aufgaben als Testaufgaben eingesetzt werden könnten. Ob eine Aufgabe als Lern- oder Testaufgabe verwendet werde, hänge oft weniger von der Konstruktion der Aufgabe als vom Kontext des Einsatzes ab. Als Beispiel nennen sie den C-Test, also eigentlich ein klassisches Testkonstrukt, das gleichwohl zur Förderung bspw. der Lesekompetenz eingesetzt werden könne, um den Lesestil „globales Lesen“ anzuregen. Durch die testspezifischen Auslassungen im Text könne die Aufgabe dazu dienen, das Augenmerk auf größere Sinnzusammenhänge zu richten, hierbei Ratetechniken einzusetzen und über Unverstandenes hinwegzulesen. Leistungsüberprüfung und -bewertung im schulischen Rahmen - Analyse einer Prüfungsaufgabe für das Abitur Um einen näheren Einblick in die konkrete Gestaltung einer standardbasierten und kompetenzorientierten Prüfung zu geben, werden wir im Folgenden eine der in den Abiturstandards (KMK 2012) veröffentlichten Prüfungsaufgaben in Ausschnitten vorstellen. Auf dieser Grundlage wollen wir erörtern, inwieweit die oben genannten Gütekriterien jeweils in Aufgabenstellung und vorgeschlagenen Bewertungskriterien erfüllt werden. Zunächst jedoch einige Erläuterungen zu den dort vorgenommenen Rahmensetzungen: Einheit 14 269 l e IstungsüberprüF ung unD be w ertung Im schulIschen r a hmen Sprachniveau Grad der Selbstständigkeit einheitliche Struktur der Modellaufgaben Auf der Ebene der Anspruchssetzungen siedeln sich die Aufgaben für die weitergeführte Fremdspache Englische auf dem Niveau B 2/ C 1, für das Französische auf dem Niveau B 2 an. Dabei wird in beiden Sprachen zwischen drei Anforderungsbereichen unterschieden: - Anforderungsbereich I umfasst das Wiedergeben von Sachverhalten und Kenntnissen im gelernten Zusammenhang, die Verständnissicherung sowie das Anwenden und Beschreiben geübter Arbeitstechniken und Verfahren. - Anforderungsbereich II umfasst das selbstständige Auswählen, Anordnen, Verarbeiten, Erklären und Darstellen bekannter Sachverhalte unter vorgegebenen Gesichtspunkten in einem durch Übung bekannten Zusammenhang und das selbstständige Übertragen und Anwenden des Gelernten auf vergleichbare neue Zusammenhänge und Sachverhalte. - Anforderungsbereich III umfasst das Verarbeiten komplexer Sachverhalte mit dem Ziel, zu selbstständigen Lösungen, Gestaltungen und Deutungen, Folgerungen, Verallgemeinerungen, Begründungen und Wertungen zu gelangen. Dabei wählen die Schülerinnen und Schüler selbstständig geeignete Arbeitstechniken und Verfahren zur Bewältigung der Aufgabe, wenden sie auf eine neue Problemstellung an und reflektieren das eigene Vorgehen. (KMK 2012: 23) Alle Anforderungsbereiche sollen jeweils von einer Prüfungsaufgabe abgedeckt werden, wobei der Schwerpunkt auf dem Bereich II zu liegen habe (vgl. ebd.). Wie leicht zu sehen ist, beschreiben die Anforderungsniveaus unterschiedliche Grade der Selbstständigkeit im Umgang mit Sprache und mit den durch sie vermittelten bzw. auszudrückenden Inhalten. Es wird betont (ebd.), dass die Prüfungsaufgabe aus dem vorlaufenden Unterricht erwachsen sein muss. Deswegen werden in zumeist enger Anlehnung an die Themenstellung der Prüfungsaufgabe auch Beispiele von zugehörigen Lernaufgaben entwickelt. Diese folgen denselben Strukturprinzipien. Jede Abituraufgabe enthält verpflichtend einen Teil zur Teilkompetenz des Schreibens. Ein weiterer verpflichtender Teil umfasst zwei Aufgaben zu unterschiedlichen anderen funktional-kommunikativen Teilkompetenzen (also Hörbzw. Hörsehverstehen, Sprechen, Leseverstehen und schriftliche bzw. mündliche Sprachmittlung). Gegliedert wird die Darstellung der vorgestellten Aufgabenbeispiele in einer Übersichtstabelle zu den wesentlichen Merkmalen der betreffenden Aufgabe und Hinweisen zum Standardbezug, bevor die Aufgabenstellungen im Einzelnen aufgeführt und anhand von Hinweisen erläutert werden. Mit Präzisierungen zur Bewertung der Schülerleistungen endet jeder Beispieltext. Gegenstand der nachfolgenden Illustration soll ein Ausschnitt aus der „Illustrierende[n] Prüfungsaufgabe im Fach Englisch“ mit dem Titel „College-- A New Stage of Life“ sein. Die Übersichtstabelle verdeutlicht den Aufbau der gesamten Aufgabe wie folgt: 270 L e istungsüberprüfung und be w ertung Kompetenzen Aufgabe 1: Schreiben, Text- und Medienkompetenz, Leseverstehen, Sprachbewusstheit Aufgabe 2: Schreiben, Text- und Medienkompetenz, Interkulturelle kommunikative Kompetenz, Sprachbewusstheit Aufgabe 3: Sprachmittlung (schriftlich), Text- und Medienkompetenz, Schreiben, Interkulturelle kommunikative Kompetenz Aufgabe 4: Zusammenhängendes monologisches Sprechen, An Gesprächen teilnehmen GeR-Niveau B2 Verpflichtender Prüfungsteil Schreiben Aufgabe 1 Aufgabe 2 Weiterer Prüfungsteil Aufgabe 3 Aufgabe 4 Textvorlagen Aufgaben 1-2: Fiktionaler englischer Text (776 Wörter) Aufgabe 3: Nicht-fiktionaler deutscher Text (408 Wörter) Aufgabe 4: Zwei Cartoons Anforderungsbereiche Aufgabe 1: AFB I / II Aufgabe 2: AFB II / III Aufgabe 3: AFB I / II / III Aufgabe 4: AFB I / II / III Anforderungsniveau Grundlegendes Niveau Bearbeitungszeit Insgesamt: 180 Minuten Aufgabe 1: 60 Minuten Aufgabe 2: 40 Minuten Aufgabe 3: 60 Minuten Aufgabe 4: Durchführung an einem separaten Termin; 20 Min. Prüfungszeit, getrennte Vorbereitungszeit (max. 5 Minuten) Hilfsmittel Aufgaben 1-3: Einsprachiges und zweisprachiges Wörterbuch Quellenangaben Aufgaben 1 und 2: Wolfe, Tom: „I am Charlotte Simmons.“ Vintage, 2005. S. 76-79. Aufgabe 3: „Wie bekomme ich ein Sportstipendium? “ http: / / www. schule-ausland-studium.de/ studium/ wie-bekomme-ich-einsportstipendium.html [30. 03. 2012] Aufgabe 4: Cartoon A: http: / / www.businesscartoons. co.uk/ shop/ extra/ prodImages.php? productId=722 [24.04.2012] Cartoon B: www.offthemark.com/ cartoons/ future/ pg/ 3 [24. 04. 2012] Tab. 14.2 Aufgabenbeispiel „College - A New Stage of Life“ (KMK 2012: 32) Einheit 14 271 l e IstungsüberprüF ung unD be w ertung Im schulIschen r a hmen In den Erläuterungen zum Standardbezug (ebd.: 33 f.) wird der Erwartungshorizont über can-do-Beschreibungen in Bezug auf die in der Tabelle genannten (Teil-)Kompetenzen präzisiert. Die in diesem Rahmen aufgeführten Kriterien bilden die Grundlage für die abschließende Bewertung. Der Kompetenzbereich des Sprechens (in seinen Facetten „Zusammenhängendes monologisches Sprechen“ und „An Gesprächen teilnehmen“) wird mit der Aufgabe 4 erfasst: Does school prepare you for your career and life? You and your partner have received one cartoon each. Ask your partner about his or her cartoon and its message. Comment on the message of your respective cartoon. Does school prepare you for your career and life? Discuss the question with your partner referring to the views presented in the two cartoons. Together with your partner, discuss ways that young people can be successfully prepared for their future. Consider different options and agree on a possible solution. Partner A Die Angaben zur Bewertung (ebd.: 42) weisen aus, dass diese Aufgabe alle drei Anforderungsbereiche abdeckt und mit 20 % in die Geamtbewertung eingeht, wobei der sprachliche Anteil mit 70 % und der inhaltliche mit den restlichen 30 % zu Buche schlägt. Anhaltspunkte der Notenzuweisung der Schülerleistungen gibt das Dokument über eine Aufstellung der Leistungsmerkmale, die der Note „gut“ (11 Punkte) bzw. „ausreichend“ (05 Punkte) zugeordnet werden. Sie finden vorlaufend ihre Entsprechung in analog formulierten Erwartungen an die Schülerleistung. Exemplarisch und in leichter formaler Modifikation seien hier die Angaben zum sprachlichen Anteil einander gegenübergestellt. Erwartungshorizont Aufgabenstellung „Sprechen“ Abb. 14.1 Bildimpuls zum Aufgabenbeispiel „College - A New Stage of Life“ (KMK 2012: 39) Gewichtung der Teilleistungen 272 L e istungsüberprüfung und be w ertung Partner B source: www.offthemark.com/ cartoons/ future/ pg/ 3 [24. 04. 2012] Zunächst bleibt festzuhalten, dass im Gegensatz zur früher üblichen Praxis von Bewertungen nicht die Anzahl und Schwere sprachlicher Fehler, sondern in Positivbeschreibungen der Grad der jeweiligen Kompetenzerreichung erfasst wird. Anhaltspunkte für die Notenzuweisung im Einzelfall liefern kriteriale Eckpunkte einer „guten“ bzw. „ausreichenden“ Leistung, die von den Prüfenden jeweils um Kriterien einer Überbzw. Untererfüllung der gesetzten Normierungen wie auch der Bewertung von Zwischenstufen ergänzt werden müssen. Es entspricht der Komplexität des Konstrukts „Sprechen“, dass eine stärker standardisierte Messung mit Gewähr hoher Objektivität der Bewertung hier nicht möglich ist. Die Konstruktvalidität der Überprüfung hingegen kann durch die enge Bindung an die zugrunde gelegten Kompetenzbeschreibungen in den Feldern des monologischen Sprechens und der Teilhabe an Gesprächen als gegeben betrachtet werden. Inwiefern das Gütekriterium der Reliabilität erfüllt wird, lässt sich wiederum auf der vorliegenden Basis nicht entscheiden, sondern hängt wesentlich von dem Verhalten der Prüfenden ab (Interrater- und Intrarater-Reliabilität). All dies macht bereits deutlich, dass das vorgeschlagene Beispiel (ebenso wie die anderen im selben Dokument veröffentlichten Beispiele) versucht, eine Balance von Objektivierbarkeit und Gegenstandsangemessenheit herzustellen, indem es einerseits den Standardbezug der Prüfungsaufgabe in den Mittelpunkt stellt, gleichwohl aber der Abb. 14.2 Bildimpuls zum Aufgabenbeispiel „College - A New Stage of Life“ (KMK 2012: 39) Kriterien der Bewertung Einhaltung der Gütekriterien Einheit 14 273 l e IstungsüberprüF ung unD be w ertung Im schulIschen r a hmen Bandbreite möglicher Schülerleistungen durch eine gewisse Flexibilität der Bewertungsmaßstäbe Rechnung trägt. Wir können im vorliegenden Rahmen daher eher von Leistungsevaluation als im engeren Sinne von Leistungsmessung sprechen. Leistungen werden mit „gut“ (11 Punkte) bewertet, wenn Leistungen werden mit „ausreichend“ (05 Punkte) bewertet, wenn - die Schülerinnen und Schüler ein weitgehend flexibles, meist souveränes und spontanes Kommunikations- und Interaktionsverhalten zeigen, ggf. unter Nutzung von Umschreibungen und Umformulierungen, um Gedanken klar einzubringen - die Schülerinnen und Schüler über eine weitgehend normgerechte Aussprache und ein angemessenes Sprechtempo und die Fähigkeit, Betonung und Intonation kommunikativ meist wirksam einzusetzen, verfügen - die Schülerinnen und Schüler den Gesprächsverlauf positiv unter Einbeziehung ihrer Gesprächspartner beeinflussen - die Schülerinnen und Schüler über einen umfangreichen, differenzierten und meist funktional angemessenen Wortschatz und einen weitgehend sicheren Umgang mit idiomatischen Wendungen verfügen - die Schülerinnen und Schüler über ein breites Spektrum grammatischer Strukturen verfügen, um die Aufgabe angemessen erfüllen zu können - die Schülerinnen und Schüler unter häufiger Nutzung von Umschreibungen und Umformulierungen kommunizieren, um ihre Gedanken einzubringen, wenig flexibel interagieren, aber aktiv am Gespräch teilnehmen - die Schülerinnen und Schüler über eine beschränkte Fähigkeit, Betonung und Intonation kommunikativ wirksam einzusetzen, verfügen - die Schülerinnen und Schüler teilweise Aussprachefehler machen, die die Verständlichkeit jedoch nur selten beeinträchtigen, und die Schülerinnen und Schüler über eine beschränkte Fähigkeit, Betonung und Intonation kommunikativ wirksam einzusetzen, verfügen - die Schülerinnen und Schüler häufig bei dem Versuch ihre Gedanken zu formulieren zögern - die Schülerinnen und Schüler über einen teilweise eingeschränkten, nur in Ansätzen differenzierten und idiomatischen Wortschatz verfügen, der aber noch funktional angemessen ist - die Schülerinnen und Schüler über einfache grammatische Strukturen verfügen, um die Aufgabe erfüllen zu können Insofern können die Modellaufgaben der Abiturstandards eine Orientierungsfunktion für Lehrende hinsichtlich auch des kleineren Formats von Klassenarbeiten haben und einen Beitrag dazu leisten, die von Jürgen Quetz (2008) diagnostizierte Kluft zwischen Testen und Prüfen, zwischen standardisierten Testformaten und einer weitgehend dem Belieben der einzelnen Lehrkraft überlassenen Gestaltung von Klassenarbeiten zu überbrücken. Karin Vogt (2010) spricht in diesem Zusammenhang von einer assessment literacy, die zu entwickeln eine bislang wenig bewältigte Aufgabe schulisch Lehrender sei. In ähnlicher Richtung äußert sich eine Vielzahl von Schriften, welche die Ausbil- Tab. 14.3 Erwartungshorizont zum Aufgabenbeispiel „College - A New Stage of Life“ (KMK 2012: 51 f.) assessment literacy 274 L e istungsüberprüfung und be w ertung Leistungsdiagnose Selbstevaluation Zusammenfassung dung einer im übergreifenden Sinn diagnostischen Kompetenz auf Seiten der Lehrenden postulieren (vgl. u. a. Grotjahn 2009, Schmelter 2010). Der Begriff Diagnose wird in der Regel nicht so sehr im Kontext von summativer als vielmehr formativer Leistungsüberprüfung verwendet. D. h. es geht zumeist mehr um die Frage, wie die einzelne Schülerin bzw. der einzelne Schüler im Sinne individualisierenden Unterrichts bestmöglich gefördet werden kann (vgl. Caspari/ Holzbrecher i. Vorb.). Entsprechende unterrichtliche Maßnahmen setzen voraus, dass Lehrende wissen, wo der/ die Einzelne spezifische Schwächen oder auch Stärken hat. Hierüber geben standardisierte Tests nur bedingt Aufschluss; sie vermitteln zwar Erkenntnisse über den aktuellen Stand individueller Kompetenzentwicklung, sie sagen jedoch wenig darüber aus, „warum ein Schüler eine Aufgabe erfolgreich gelöst hat oder warum nicht“ (Junghanns/ Schinschke 2009: 15). Hierzu bedarf es einer genaueren Erfassung des Lernprozesses und nicht nur des Lernresultates. Die Einleitung von Verfahren der Selbstevaluation von Lernenden in Bezug auf beides, den Kompetenzstand (auf der Basis von Kann-Beschreibungen) und den Lernprozess (anhand lehrerseitig vorgebener oder schülerseitig entwickelter Kriterien) kann hierbei dienlich sein (vgl. Weskamp 2003, zu den einzelnen Verfahren Karagiannakis 2010). Inwiefern Selbstbeurteilungen sich de facto als lernförderlich erweisen, muss derzeit eine offene Frage bleiben, da es hierzu laut Quetz (2008: 8) kaum aussagekräftige Wirkungsforschung gibt. Anhaltspunkte für eine positive Wirkannahme werden jedoch verschiedentlich zusammengetragen (vgl. z. B. Dlaska/ Krekeler 2009: 148 f.). Es ist aus unserer Sicht unbestreitbar, dass im Feld sprachlicher Leistungsüberprüfungen die Vertrautheit mit Ergebnissen der pädagogisch-psychologischen Diagnostik und Testforschung einen Beitrag zur Qualitätsentwicklung schulischen Unterrichts in seinen Facetten von Fördern und Prüfen leisten kann. Wir lassen dabei jedoch nicht aus den Augen, dass dies nur für den eingegrenzten Bereich sprachlicher Leistungsstände gilt, dass ein bildender Fremdsprachenunterricht hingegen deutlich mehr umfasst und umfassen muss als das, was prüfbar ist (vgl. oben 14.4). Wie in Einheit 5.4 gesehen, stellt die Überprüfbarkeit sprachlicher Leistungen ein Kernstück der Standard- und Kompetenzorientierung dar. Nach einem Blick auf Funktionen, Formen und Gütekriterien des Testens und Prüfens erörterten wir in groben Zügen die Problematik eines testorientierten Fremdsprachenunterrichts. Insbesondere wiesen wir auf die Gefahren von teaching-to-the-test effects hin. Eine Gegenüberstellung der Prinzipien von Lern- und Testaufgaben sollte das Verständnis für Unterschiede, aber auch für Gemeinsamkeiten vertiefen und darlegen. Am Beispiel einer Prüfungsaufgabe aus den „Bildungsstandards für die fortgeführte Fremdsprache (Englisch/ Französisch) für die Allgemeine Hochschulreife“ (kurz: Abiturstandards) illustrierten wir die Prinzipien einer standardorientierten Überprüfung von Lernresultaten im schulischen Kontext. Hieran konnten punktuell auch mögliche positive teaching-to-the-test effects aufgezeigt werden. Einheit 14 275 l e IstungsüberprüF ung unD be w ertung Im schulIschen r a hmen 8 8 Aufgaben 1 Öffnen Sie folgende Internetseite der KMK zu den Bildungsstandards http: / / www. kmk.org/ fileadmin/ veroeffentlichungen_beschluesse/ 2003/ 2003_12_04-BS-erste- Fremdsprache.pdf). Wählen Sie eine der Testaufgaben zum Leseverstehen (KMK 2004: 31 ff.) aus und prüfen Sie, inwiefern sie den Gütekriterien von (Sprach-)Leistungstests entspricht. 2 Sehen Sie sich im Internet die can-do-Deskriptoren des GeR in den einzelnen Fertigkeitsbereichen (Kap. 3.3) (http: / / www.goethe.de/ z/ 50/ commeuro/ 303.htm) an und bestimmen Sie für eine von Ihnen gesprochene Fremdsprache die Niveaus, die Ihrer Selbsteinschätzung nach für Sie zutreffen. 3 Rekapitulieren Sie die Ausführungen zur Modellierung bzw. Evaluation interkultureller (Einheit 12.5) und literarisch-ästhetischer Kompetenzen (Einheit 13.4). Stellen Sie zu einem dieser beiden Kompetenzbereiche die in den jeweiligen Texten genannten Kriterien einer Kompetenzbeschreibung zusammen und überlegen Sie - möglichst in Partnerarbeit mit Ihrer Sitznachbarin bzw. Ihrem Sitznachbarn -, wie eine Stufenskala zu dieser Kompetenz aussehen könnte und auf welche Schwierigkeiten eine solche Einstufung stößt. Zum Weiterlesen Berndt, Annette/ Kleppin, Karin (Hrsg.) (2010): Sprachlehrforschung: Theorie und Empirie. Frankfurt a. M. u. a.: Lang. Hinger, Barbara (2009): Diagnostik, Evaluation und Leistungsbewertung. In: Grünewald, Andreas/ Küster, Lutz (Hrsg.): Fachdidaktik Spanisch. Stuttgart/ Seelze: Klett-Kallmeyer, 269-310. Porsch, Raphaela/ Tesch, Bernd/ Köller, Olaf (Hrsg.) (2010): Standardbasierte Testentwicklung und Leistungsmessung. 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Sie sollte allerdings spätestens zu Beginn der Masterphase auf der Agenda stehen, nicht zuletzt um Ihnen, den Studierenden und zukünftigen Lehrkräften, einen Habitus forschenden Lernens nahe zu bringen. Die Entwicklung eines solchen Habitus’ hatten wir bei der Formulierung der Reflexionsfragen am Ende jeder Einheit bereits im Blick. Er sollte Sie auch in der zweiten und dritten Phase der Lehrerbildung leiten. Mit der „dritten Phase“ ist die tendenziell unabschließbare berufsbegleitende Fort- und Weiterbildung gemeint, die angesichts wachsenden Innovations- und Revisionsbedarfs gewiss auch in Zukunft von immenser Bedeutung für ein qualifiziertes und reflektiertes Lehrerhandeln sein wird. Wir würden uns sehr freuen, wenn unsere Einführung Sie neugierig gemacht hätte auf die nächsten Schritte Ihrer Professionalisierung, d. h. auf die Erweiterung Ihrer Kenntnisse, die Anbahnung Ihrer berufsbezogenen Kompetenzen und die Vertiefung Ihres fachdidaktischen Urteilsvermögens. Hierzu wünschen wir Ihnen viel Erfolg und viel Freude. Helene Decke-Cornill & Lutz Küster 279 Anhang Literaturverzeichnis Abel, Fritz (2000): Interaktion und menschliche Sprachkompetenz. In: Bausch/ Christ/ Königs/ Krumm (Hrsg.), 11-19. Adams, Lillian S. (1964): Audio-Lingual? Yes, but Let’s Think. In: The French Review (38) 2: 233-236. Ahlberg, Allan (1989): Heard it in the Playground. London: Penguin-Puffin. Aitchison, Jean (1997): Wörter im Kopf. Eine Einführung in das mentale Lexikon. Tübingen: Niemeyer. Allwright, Dick (2000a): Contextual Factors In Classroom Language Learning. An Overview. CRILE Working Papers 35. Unter: http: / / www.ling.lancs.ac.uk/ groups/ crile/ workingpapers.htm (06. 07. 2015). - (2000b): Interaction and Negotiation in the Language Classroom: Their Role in Learner Development. CRILE Working Papers 50. Unter: http: / / www.ling.lancs.ac.uk/ groups/ crile/ workingpapers.htm (06. 07. 2015). 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Ästhetik, ästhetisch 55, 64, 213-216, 238, 248, 253 Bedeutungsaushandlung 35, 101, 120, 145, 250 Begegnung 6, 68, 74 f., 77, 133, 181, 220 ff., 229 Behaviorismus 24 f., 32, 34, 36, 40, 52, 111, 145 Bereichsdidaktik 8 Bewertung 54, 57, 81, 101, 102, 151, 206, 254, 259-276 - analytische 261 f. - globale bzw. holistische 261 f. - individuelle Bezugsnorm 261 - kriterienorientierte bzw. -geleitete 254, 261 f. - norm- oder bezugsgruppenorientierte 261 f. Bezugswissenschaften 9, 21 BICS 80 Bikulturalismus-Modell 81 Bilder 61, 128f., 136, 140, 182, 185, 187, 214, 237-257 Bildung 7, 14, 18, 38, 41, 59-67, 69, 94, 101 f., 109, 140, 161, 212, 215, 217, 219, 254 Bildungsreform 13, 63, 72 f. Bildungssprache 16, 60, 80, 82 Bildungsstandards 85-103, 121, 161, 179, 200, 205, 207, 217, 232, 234, 253, 266 ff., 274 f. Bilingualer (Sachfach-) Unterricht 67, 78-83, 115 - Kompetenzerwerb im Bilingualen Unterricht 80 f. - Kompetenzkurse 79 Bottom-up 44, 57, 165, 180, 183 f. Brückensprache 40 CALP 80 Caretaker-Funktion 154 Chunks 37, 168 Cluster 191 Cognitive maps 34 Comics 237 f., 252 f., 256 Critical incidents 230, 235 C-Test 262 f., 268 Cultural awareness 229 ff., 235 Cultural Studies 9, 227, 252 Deskriptoren s. Gemeinsamer Europäischer Referenzrahmen für Sprachen DDR 70 f., 73, 82 Didaktik (fächerübergreifend) 1-9, 21, 61, 105, 110, 168 Didaktik des Fremdverstehens 218, 223 ff., 244, 254 Diskurs 56, 80, 116, 156, 180, 182, 227, 233, 246, 255 Distante Sprachen 40 f. Dossier 91 Dritter Ort 227 Eigene, das 219, 222 ff., 226 ff., 232 Einsprachigkeit 78, 82, 115, 148, 159, 170 Emotion 32, 43, 47-51, 54, 165, 188, 209 f., 217, 255 Emotionale Intelligenz 48 Empirische Wende 194 Englisch 1, 9-14, 16, 19, 21, 40, 61 f., 67, 69-75, 78 f., 82, 86 f., 95-98, 102, 111, 177, 197, 207, 269, 274 Enkulturation 5 ff., 18 Erstsprache 10 ff., 23, 25, 27, 29, 37, 39 f., 57, 73, 109 f., 115, 122, 169 f., 189, 205, 220 Erstspracherwerb 27 ff., 37 Europäische Sprachenpolitik 85-103 Europäisches Sprachenportfolio 90 ff., 100, 102 f. Evaluation, evaluieren 55, 87, 122, 151, 155 f., 158, 183, 185, 202, 214, 234, 260, 267, 275 Fachdidaktik 1, 6 ff., 21, 173, 200, 264 ‚falsche Freunde‘ 171 Feedback 151, 153, 155 f., 215 Fehler 19, 37, 113, 117, 122, 154, 171, 174, 272 (Fehler)Korrektur 26, 30, 210 Film 112, 127, 129, 133, 181, 214, 237 f., 246-250, 257 314 A nh A ng Focus on form/ s 174, 207 Französisch 1, 9 f., 14 ff., 18, 61 f., 64, 67, 69 ff., 73, 78 f., 82, 86, 95-98, 102, 160, 162, 173, 176 f., 191, 197, 225, 267, 269, 274 Fremde, das 5 f., 68, 207, 219-229, 232 f., 235 Fremdverstehen 101, 218, 223 ff., 231, 244 ff., 254, 266 Frühes Fremdsprachenlernen 73, 86 Ganzheitlichkeit 56, 119, 215, 262 Gefühl 47 f., 53, 57, 76, 127, 174, 176, 178, 186, 203, 210, 220, 223, 243 Gemeinsamer Europäischer Referenzrahmen für Sprachen (GeR) 87-90, 92, 96, 100, 102 f., 161, 187, 192, 197, 199 f., 231, 253, 255, 261 f., 264, 268, 270, 275 - Deskriptoren 88, 90, 103, 197, 255 f., 261, 275 - Niveaustufen 88 f., 91, 97, 103 Generative Linguistik 26 Grammatik 44, 55, 57, 65, 95, 110, 161, 163, 172 f., 175-178, 191, 195, 206 - Signal- 175 - Universal- 26 f. Grammatikarbeit 161, 172-178 - deduktive Grammatikerschließung 110, 175 - induktive Grammatikerschließung 110, 175, 177 - grammatische Kognitivierung 43, 57 Gütekriterien (Tests) 263 ff., 268, 272, 274 f. Hamburger Abkommen 71 f., 82 Handlungsorientierung 120 f., 148 Hauptschule 72, 79 Herkunftssprache 8, 28, 39, 41, 91, 118, 170 f. Hör-/ Hörsehverstehen 95 ff., 173, 179-183, 197, 211 f., 249, 266, 268 f. Hotspots 230 Identität 68, 81, 90, 128, 145 f., 169, 193, 212, 224, 227 f., 232 Identitätshypothese 27, 37 Immersion 27, 78 Inferenzen, inferieren 45, 180 f., 183, 243 Informationsverarbeitung 34, 49 f., 165, 208 f. Inhaltsorientierung 30, 120, 122 Input 29-32, 37, 40 f., 132, 154, 159, 181 - comprehensible 29, 32, 168, 174 - mehrkanaliger 167, 248 Interaktion 32 f., 35-38, 41, 49, 51, 88, 95, 109, 118, 120, 137, 143-160, 186, 204, 208, 230 - classroom interaction 148 f., 159 - echte 144, 156 - Interaktionsmuster 150-156, 159 - IRE-Schema 150 ff., 154 Interaktionshypothese 31, 118 Intercultural communicative competence 231 Interferenzen 25, 37, 171, 181 Interkomprehension 39 f., 170 Interkulturelles Lernen 217-236 Interlanguage 37, 175 Interlanguage-Hypothese 37, 41, 172 Interlinguale Transferbasen 170 Internal speech 188 Interplay 245 Inzidentelles Lernen 166 IQB 98, 192, 197, 266 f. Italienisch 10, 14, 62, 69, 78 f., 170, 177 Kognition 34, 43-47, 50, 54, 109, 165, 255 Kognitionswissenschaften 43, 57, 168, 181 Kognitivismus 33 f., 36, 49 Kommunikation - computerbasierte 136 - interkulturelle 220 f. - psychologisches Kommunikationsmodell 50 f. Kommunikationsstrategien 207 f., 210 f., 229 Kommunikative Wende 115 f., 118, 122, 143, 147, 156 f., 159, 172, 239 Kompetenz - funktional-kommunikative 161-178, 179-198, 269 - interkulturelle 95, 217-236, 255 - kommunikative 72, 82, 115-124, 190, 219 - literarisch-ästhetische 161, 200, 237-257, 267, 275 - literarische 237, 254, 256 - Medien- 96, 200, 212-216, 237, 246 f., 249 f., 253, 267, 270 - Methoden- 5, 47, 106, 199-216, 266 - Präsentations- 214 - Reflexions- 9, 266 Kompetenzmodell 94, 161, 179, 192, 196, 263 Kompetenzorientierung 92-101, 180, 197, 234, 237, 253, 256, 259, 265, 274 Konstruktivismus 33, 35, 166, 201, 225 Kontrastivhypothese 25 Konzeptionen des Fremdsprachenunterrichts 43, 105-124 - alternative Methode 56, 115 - audiolinguale Methode 110-115 - audiovisuelle Methode 110-115 - bilinguale Methode 115 - direkte Methode 66, 110 - Grammatik-Übersetzungs-Methode 65, 108 ff. - methodische Großformen 107 f. Kooperatives Lernen 159 Anhang 315 s achregIst er Kreative Textarbeit 242 f., 252 Kulturem 228 Kulturkontrastivität 222 Kulturkunde 67 ff., 82, 217, 219 Kulturstandards 228, 236 Kulturwissenschaft 225-229, 252 Landeskunde 9, 116, 218 f., 229 Language Acquisition Device 26 f. Language awareness, s. Sprachbewusstheit 138, 175, 205-208, 215, 217, 234, 246 Language learning awareness, s. Sprachlernbewusstheit 200, 205, 208, 212, 260 Langzeitgedächtnis 165, 168 Latein 7, 14, 59 ff., 63 f., 67, 69, 71, 82, 108 Lehrbuch/ Lehrwerk 35, 61, 69 f., 73, 130-133, 140, 158, 175, 219, 253 Lehrplan 7, 61, 69, 87, 93, 161, 239, 242 Leistungsmessung 37, 260, 273 Leistungsmotivation 52 Lernaufgaben 120, 195, 197, 230, 267 ff. Lernerautonomie 47, 91, 106, 122, 171, 200 ff., 204 f., 215, 260, 268 Lernerzentrierung 168 Lernmotivation 51 f., 54, 203 Lernprozessorientierung 175 Lernstile 47, 208 f., 212, 216 Lernstrategien 44, 95, 119, 169, 186, 200 f., 207, 209 f., 212, 216, 260 Lerntechniken 199, 209, 211 f., 216 Lerntheorien - behavioristische 23 f., 25, 32, 34, 40, 111 f., 147, 202 - gestaltpsychologische 34 - kognitivistische 33-36, 40, 49 f., 54, 200, 203, 210 - konstruktivistisch orientierte 23, 32 f., 34 ff., 38, 40, 44, 54, 130, 166, 201, 203, 230 Lesekompetenz-Modell 254 Lesen - ästhetisches 243 - informationsentnehmendes 186, 243 - literarisches 186, 244 Leser-Lerner-Tagebuch/ Lesetagebuch 186 f., 136, 191 Lesestile 184, 187 Leseverstehen 79, 95, 97, 101, 179, 182 ff., 186, 190, 192, 197, 247, 267, 269 f. Lingua franca 12 ff., 59 ff., 220, 233 Literacy 137, 179, 249 f., 273 Literatur 54, 62, 64, 66, 109, 133, 237 ff., 242 ff., 247, 252 f., 255 f. Media awareness 215 Medien 19, 40, 113, 125-130, 133, 137-140, 159, 179, 181, 213, 215, 219, 237, 249, 253 - didaktisierte 130 - nichtdidaktisierte 130 Mediendidaktik 129, 140 Medienerziehung 129 Medienkompetenz s. Kompetenz 96, 200, 212-216, 237, 246 f., 249 f., 253, 267, 270 Medienkunde 129 Medienpädagogik 9, 128, 138, 140, 212 ff., 246 Medientexte 238, 249 f. Mehrsprachigkeit 15, 38-42, 75, 85 ff., 100, 164, 169-172, 207 Mehrsprachigkeitsdidaktik 169 ff., 177 Mentales Lexikon 162 ff., 167, 171, 177 Messen, Messbarkeit 122, 260, 264 ff. Metakognition 47, 200, 208 ff., 230, 234 Methoden s. Konzeptionen 19, 43, 53, 91, 105 f., 108, 111 f., 114 f., 123 f., 147, 215 Mindmap 168, 191 Mitteilungsbezug 152 Monitor 28, 30, 175, 188 Motivation 1, 48, 50-56, 76, 94, 183, 187, 203, 252 Motivationstheorien 54 Multiliteralität, multiliteracy, multiliteracies 138, 140, 252 Muttersprache s. Erstsprache 10 ff., 23, 25, 27, 29, 37, 39 f., 57, 75, 109 f., 115, 122, 169 f., 189, 205, 220 Native speaker 12 f., 21, 31, 65, 67, 111, 137 Natural Approach 27 f., 30, 32 - Input-Hypothese 29, 31 - Interface-Position 46 - Learning-Acquisition-Hypothese 27 f. - Monitorhypothese 28 - Natural-Order-Hypothese 28 - Non-Interface-Hypothese 27 f., 46 Neue Medien 128, 134 f. Neuhumanistische Bildungsreform 63 Neurophysiologische Studien 49, 57 Neusprachliche Reformbewegung 66 f., 82 New Criticism 240 Objektivität (Tests) 264 Output-Hypothese 31 f. Output/ Outcome 93 Pedagogic task, real world task 120, 194 Performanz 26, 116 f., 262 Perspektivenwechsel 232 316 A nh A ng Perturbation 35 Phonem-Graphem-Korrespondenz 184 Portfolio, Sprachen 77, 90 ff., 100, 102 f. PPP-Verfahrensdreischritt 121 Praktikabilität (Tests) 264 f. Progression 131, 173, 182 Prototypen 165 f. Psycholinguistik 163, 189 Reading, pre-, while-, post- 186 f., 242 Realienkunde 66 f., 218 f., 229 Regel 9, 27, 36 f., 57, 86, 93 f., 109 f., 117, 146, 163, 172, 174 ff. Reliabilität (Tests) 264 f., 272 Rezeption, rezeptiv 31, 81, 88, 96, 138, 155, 158, 166, 169 f., 180, 182, 194, 197, 213 f., 243 ff. Rezeptionsästhetik 240 ff. Rezeptologie 8 f., 55 Russisch 8, 10, 14, 16, 62, 70 f., 73 Savoirs 199, 231 f. Schema, Schemata 33, 44, 152, 182, 185, 188, 209, 223, 244 Schreiben 190 f. Schülerpartizipation 123 Selbstkonzept 52 f., 169 Signalgrammatik 175 Simulation globale 193 f. Sozialformen 107, 109 f. Spanisch 9, 14, 16 ff., 62, 69, 71, 160, 166, 170, 174, 176, 192, 197, 226, 233 Sprachbewusstheit / Sprachbewusstsein 44, 77, 80, 175, 205,207, 215, 234 Sprachenpass 90 Spracherwerb 23-41, 75 f., 80, 105, 108, 111, 137, 147, 174, 202 f., 207, 246 Spracherwerbsmechanismus 26, 33 Spracherwerbstheorien - behavioristische 23, 24 ff., 32 - kognitivistisch-konstruktivistische 23, 32, 38, 40, 44 - nativistische 23, 25 ff., 32 Sprachformbezug 152 Sprachgefühl 30, 47, 174 Sprachlehr-/ Sprachlernforschung 8, 57 Sprachlernbewusstheit 200, 205, 208, 212, 260 Sprachmittlung 192 Sprachtestforschung 264 ff. Sprachverarbeitung 36, 44 f., 49, 121, 180 ff., 214 Sprechakttheorie 116 Sprechen 187-190 Sprechmodell - paralleles 188 - serielles 188 Staatliche Europaschulen Berlin 79 Stadien geistig-intellektueller Entwicklung 33 Standardorientierung 193, 231, 255, 259, 263 Stationenlernen 193 f. Stereotypen 132, 218, 222 f., 230, 232 Storyline 193 f. Strukturalismus 25, 111, 163, 223, 239 ff., 244 Stützstrategien 209 Task/ Task-based learning - Language Focus 121 - Pre-Task 121 - Task Cycle 121 Teaching-to-the-test effect 265 f., 274 Teilkompetenzen 48, 89, 97, 119, 158, 179, 194, 196f., 254, 266, 268 f. Tertiärspracherwerb 18, 23, 38 ff. Testforschung 264, 274 Tests 20, 88 261, 263-268, 274 Top-down 44 f., 57, 102, 165f., 180f., 183 TOT-Phänomen 163 Transformationswissenschaft 6 ff., 21, 49 Transkulturalität 226 . Transparenz (Tests) 264 ff. Universalgrammatik 26 f. Unterricht - altsprachlicher 65, 82 - neusprachlicher 61, 64-67, 82 Unterrichtsmethoden s. Konzeptionen des Fremdsprachenunterrichts Validität (Tests) 264 f., 272 Vehikularsprachenmodell 81 Viabilität, viabel 35, 166 Volkstumskunde 219 Waldorfschulen, -pädagogik 73 „Weltansicht“/ Weltsicht 18, 60, 207, 217 f., 223 Wesenskunde 69, 82 Wissen - deklaratives 44 ff., 57, 164, 199, 243 - metakognitives 47, 200 - prozedurales 44 ff.,57, 164, 199, 243 - strategisches 43, 180, 233 Wortschatz 161-169., 172, 177, 191, 206, 273 Wortschatzarbeit 113, 161-169 Zweitsprache 8., 10 f., 7, 38ff., 189, 200, 205 Anhang 317 Abbildungs- und Quellenverzeichnis (aufgeführt sind sämtliche nicht eigene und nicht gemeinfreie Abbildungen und Texte, die in den Einheiten selbst nicht belegt wurden. Die exakten Bibliographien entnehmen Sie bitte dem Gesamtliteraturverzeichnis.) Abb.-1.1: nach Cohn/ Terfurth (1997). Tab.-1.2: nach Weskamp (2001: 17). Tab.-1.3: Statistisches Bundesamt, Bildung und Kultur, Allgemeinbildende Schulen, Fachserie 11, Reihe-1, Tabelle 3.6. Text 1.1: http: / / www.bpb.de/ nachschlagen/ zahlen-und-fakten/ globalisierung/ 52515/ weltsprache (14. 08. 2015). Abb.-1.2: Bundeszentrale für politische Bildung (2010). Abb.-1.3: Marko Modiano (1999): „Standard English(es) and educational practices for the world’s lingua franca“, English Today, Volume-15 (4), pp. 3-13, Cambridge University Press. Abb.- 1.4: Wikimedia Commons. Abb.- 1.5: Wikimedia Commons. Abb.- 2.1: B. F. Skinner at the Harvard Psychology Department, circa 1950; aus Wikimedia Commons, Autor: Silly rabbit, lizenziert unter der GNU-Lizenz für freie Dokumentation. Tab.- 2.1: nach Krashen/ Terrell (1983: 29).Abb.-2.3: Lightbown/ Spada, How Languages are Learned ISBN 978-0194422240, Oxford University Press, 2006: 2, 21. Abb.- 3.1: Wolff (1990: 616). Abb.- 3.2: Multhaup (1997: 75). Abb.- 3.4: Friedemann Schulz von Thun, „Miteinander reden 1. Störungen und Klärungen. Allgemeine Psychologie der Kommunikation“ Copyright © 1981 by Rowohlt Taschenbuch Verlag GmbH, Reinbek bei Hamburg. Abb.-4.7: Bernhard (1937: 69). Tab.- 4.2: nach Edelenbos u. a. (2006: 147 ff.). Abb.- 5.2: http: / / www.goethe.de/ z/ 50/ commeuro/ 303.htm, 14. 08. 2015. Abb.- 5.3: www.bildungbrandenburg.de/ fileadmin/ bbs/ unterricht_und_pruefungen/ rahmenlehrplaene/ grundschule/ implementationsmaterial/ fremdsprachen/ Portfolio.pdf, 03. 01. 2010. Portfolio auf S.-151. Tab.-5.1: Hallet/ Müller-Hartmann (2006: 3). Tab.-5.2: KMK (2004: 8). Tab.-5.3: KMK (2012: 12). Tab.- 5.4: KMK (2004: 20). Tab.- 5.5: KMK (2003: 3.1.3.2.). Text 5.1: KMK (2004: 60 ff.). Abb.- 6.1: Meyer, Hilbert (13. Aufl. 2009, 1. Aufl. 1987): Unterrichtsmethoden I: Theorieband. Berlin: Cornelsen Verlag Scriptor, S.- 139. Tab.- 6.1: nach Larsen-Freeman (1986: 9 ff.). Abb.- 6.2: „Passport to English“ Junior Course Bd. 1, hrsg. von G. Capelle, M. Garnier, D. Girare. Verlag Hueber-Didier, Wiesbaden 1965. Text 6.1: Lillian S. Adams (1964): Audio-Lingual? Yes, but Let’s Think. The French Review 38, No. 2, pp. 233-236, p. 233. Abb.- 6.3: Willis (1996: 38). Abb.- 7.1: Loriot’s Heile Welt Copyright © 1973, 1983 Diogenes Verlag AG Zürich. Tab.- 7.1: Thaler (2012: 61). Abb.- 7.2: Gregor, Gertraud u. a.: A plus! Cycle court, Band 4. Berlin: Cornelsen 2007: 87. Abb.-7.3: www.schule.de/ englisch/ sarah/ index.htm, 29. 08. 09. Abb.- 7.4: http: / / lehrerfortbildung-bw.de/ faecher/ englisch/ gym/ neue_medien/ , 08. 05. 2010; mit freundlicher Genehmigung von Kurt Sester. Tab.- 7.2: Thaler (2012: 72 f.). Abb.- 8.2: Seedhouse (2004: 210). Text 8.1: Ahlberg (1989: 18). Abb.- 8.3: Legutke (2013: 110). Tab.- 9.1: Neveling (2004: 196). Abb.- 9.1: Scherfer (1989: 5). Abb.- 9.2: Holtwisch (1998: 218). Tab.- 10.1: Thaler (2007: - 13). Tab.- 10.2: Thaler (2007: 17). Tab.- 10.3: Henseler/ Surkamp (2010: 89). Tab.-10.4: nach Haß (2006: 88 f.). Abb.-10.1: Wolff (2000: 14 bzw. 2002: 211). Abb.- 10.2: Leupold (2008: 7). Abb.- 10.3: Hallet (2012: 11). Abb.- 11.1: Martinez (2005: 72). Tab.- 11.1: Rampillon (1997: 176). Tab.- 11.2: nach Oxford (1990: 8) und Raabe (1998: 8). Tab.- 11.3: Rampillon (1996: 21). Tab.- 11.4: nach Tulodzie- 318 A nh A ng cki (1997, 1998). Abb.- 12.1: Christof (o. J.): Enciclopedia delle razze, mit freundlicher Genehmigung von Bianchi Stampe e Cornici - sienaart. Abb.- 12.2: Byram (1997: 73), wiedergegeben in: Vogt (2007: 8). Tab.- 13.1: Lange (1992: 52). Abb.- 13.1: Diehr/ Surkamp (2015: 25). Tab.-14.1: Thaler (2012: 299). Tab.-14.2: KMK (2012: 32). Abb.-14.1: © www.businesscartoonshop.com . Abb.-14: 2: © Mark Parisi. Permission granted for use, www.offthemark.com. Tab.-14.3: KMK (2012: 51 f.). Inez De Florio-Hansen Fremdsprachenunterricht lernwirksam gestalten Mit Beispielen für Englisch, Französisch und Spanisch narr STUDIENBÜCHER 2014, X, 182 Seiten €[D] 24,99 ISBN 978-3-8233-6870-0 Die Ergebnisse der empirischen Unterrichtsforschung, z.B. die Studien von Hattie (2009, 2012), Marzano (1998) und Wellenreuther (2004, Neubearb. 2013), zeigen, dass alle Schülerinnen und Schüler größere Lernerfolge erzielen können, wenn der Unterricht stärker von der Lehrperson gesteuert wird. Anhand von Beispielen für Englisch, Französisch und Spanisch wird gezeigt, wie sich neuere Forrr schungserkenntnisse auf fremdsprachliches Lehren und Lernen übertragen lassen. Dabei wird praxisnah beschrieben, wie im lernwirksamen Fremdsprachenunterricht lehrer- und lernergesteuerte didaktische Ansätze in Einklang gebracht werden können. Inez De Florio-Hansen Fremdsprachenunterricht lernwirksam gestalten Mit Beispielen für Englisch, Französisch und Spanisch Narr Francke Attempto Verlag GmbH+Co. KG \ Dischingerweg 5 \ 72070 Tübingen \ Germany Tel. +49 (07071) 97 97-0 \ Fax +49 (07071) 97 97-11 \ info@narr.de \ www.narr.de Stand: September 2015 · Änderungen und Irrtümer vorbehalten! JETZT BESTELLEN! Inez De Florio-Hansen Standards, Kompetenzen und fremdsprachliche Bildung Beispiele für den Englisch- und Französischunterricht narr STUDIENBÜCHER 2015, 204 Seiten €[D] 24,99 ISBN 978-3-8233-6937-0 Durch die Veröffentlichung einheitlicher Abiturstandards im Jahre 2012 ist die Standard-Bewegung zu einem vorläufigen Abschluss gekommen. Im Rahmen eines praxisbezogenen Überblicks möchte das Buch Fremdsprachenlehrkräften helfen, die Orientierung an Standards und Kompetenzen in ihrem Unterricht so umzusettt zen, dass grundlegende Ziele des Fremdsprachenunterrichts gut erreicht werden können, und zwar von möglichst vielen Schülerinnen und Schülern. Darüber hinaus sollen weiterrr führende Bildungs- und Erziehungsziele angemessen berücksichtigt werden. Kurze Erläuterungen wichtiger Begriffe mit Blick auf das Lehren und Lernen von Fremdsprachen bilden die Grundlage zahlreicher praxisbezogener Beispiele für den Englisch- und Französischunterricht. Das Ziel des Buches besteht darin, Lehrpersonen in die Lage zu versetzen, vorhandene Konzepte - seien es PISA und DESI, die Vorgaben des Gemeinsamen europäischen Referenzrahmens sowie die KMKBildungsstandards - kritisch zu reflektieren, um daraus besttt mögliche Vorgehensweisen für ihren Fremdsprachenunterricht abzuleiten und die eigene Lehrerpersönlichkeit (wieder) stärker in den Vordergrund treten zu lassen. Narr Francke Attempto Verlag GmbH+Co. KG \ Dischingerweg 5 \ 72070 Tübingen \ Germany Tel. +49 (07071) 97 97-0 \ Fax +49 (07071) 97 97-11 \ info@narr.de \ www.narr.de Stand: September 2015 · Änderungen und Irrtümer vorbehalten! JETZT BESTELLEN! Nancy Grimm, Michael Meyer, Laurenz Volkmann Teaching English bachelor-wissen 2015, XII, 341 Seiten €[D] 24,99 ISBN 978-3-8233-6831-1 Teaching English covers all of the major issues and current trends in language learning and teaching, such as the trends toward empiricism, constructivism, differentiation, learnerand output-orientation, intercultural learning, and the use of multimedia. This book bridges the gap between the suggestions of theoretical approaches to foreign language teaching and the practical needs of both the educators (regardless of the institutions they are teaching and the experiences they have gathered) as well as the students. It will help readers profit from the materials and reflected practices for use in their own classrooms. And lastly, the book offers optimal preparation for exams in university courses and in teacher-training seminars. Narr Francke Attempto Verlag GmbH+Co. KG \ Dischingerweg 5 \ 72070 Tübingen \ Germany Tel. +49 (07071) 97 97-0 \ Fax +49 (07071) 97 97-11 \ info@narr.de \ www.narr.de Stand: September 2015 · Änderungen und Irrtümer vorbehalten! JETZT BESTELLEN! ISBN 978-3-8233-6957-8 www.bachelor-wissen.de www.narr.de Das Buch gibt Lehramtsstudierenden der neusprachlichen Fächer einen Überblick über die Grundlagen der ! " "# $ % - & ' ( ) * ' $ - ' + , .