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Lexikalisch-semantische Graduonymie

2016
978-3-8233-7959-1
Gunter Narr Verlag 
Nofiza Vohidova

Dieser Band befasst sich mit der Problematik gradueller Bedeutungsbeziehungen in der Sprache und verfolgt das Ziel, die aufgrund der graduellen Opposition in Paradigmen formierten Wörter als eigenständigen Relationstyp der lexikalischen Semantik zu unterscheiden, ihn theoretisch herauszuarbeiten und empirisch zu fundieren. Diese Relation wird analog der terminologischen Tradition der "-nymie"-Relationen als Graduonymie bezeichnet. Mit verschiedenen empirischen Methoden wie der webbasierten Sprecherbefragung, Korpusanalysen, systematischen Tests und Kontrastierung mit dem Usbekischen werden die Validität und Stabilität der Daten überprüft. Der Vergleich der Methoden hat sich als erfolgreich erwiesen.

Nofiza Vohidova Lexikalisch-semantische Graduonymie Eine empirisch basierte Arbeit zur lexikalischen Semantik STUDIEN ZUR DEUTSCHEN SPRACHE FORSCHUNGEN DES INSTITUTS FÜR DEUTSCHE SPRACHE STUDIEN ZUR DEUTSCHEN SPRACHE 69 Herausgegeben von Arnulf Deppermann, Stefan Engelberg und Angelika Wöllstein Band 69 STUDIEN ZUR DEUTSCHEN SPRACHE FORSCHUNGEN DES INSTITUTS FÜR DEUTSCHE SPRACHE Nofiza Vohidova Lexikalisch-semantische Graduonymie Eine empirisch basierte Arbeit zur lexikalischen Semantik Redaktion: Melanie Steinle Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http: / / dnb.dnb.de abrufbar. © 2016 · Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG Dischingerweg 5 · D-72070 Tübingen Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Gedruckt auf säurefreiem und alterungsbeständigem Werkdruckpapier. Internet: www.narr.de E-Mail: info@narr.de Satz und Layout: Sonja Tröster Druck und Bindung: Laupp & Göbel, Gomaringen Printed in Germany ISSN 0949-409X ISBN 978-3-8233-6959-2 DANK Ganz herzlich möchte ich allen danken, die mir beim Anfertigen der vorliegenden Arbeit behilflich waren. Mein besonderer Dank gilt Herrn Prof. Stefan Engelberg für seine Betreuung und für viele wertvolle fachliche Anregungen. Ebenso möchte ich mich bei Frau Prof. Beate Henn-Memmesheimer für ihre konstruktiven Anmerkungen bedanken. Angeregt wurde diese Arbeit durch Herrn Prof. Hamid Ne’matov von der Universität Buchara in Usbekistan. Ihm danke ich für seine zahlreichen Hinweise und Ratschläge. Den Mitarbeitern des Arbeitsbereiches Allgemeine Sprachwissenschaft & Computerlinguistik der Universität Tübingen, insbesondere Claudia Kunze, Dr. Heike Zinsmeister, Dr. Lothar Lemnitzer, Dr. Holger Wunsch und Dr. Thomas Zastrow bin ich für ihre tatkräftige Unterstützung in der Prä-Promotionszeit (10/ 2006 - 07/ 2007) sehr dankbar. Die Arbeit kam in der Bibliothek des Instituts für Deutsche Sprache zustande, die umfangreiche Recherchemöglichkeiten und ein internationales Arbeitsklima bietet. Den freundlichen und hilfsbereiten Mitarbeitern der Bibliothek unter der Leitung von Frau Monika Pohlschmidt gilt auch mein herzlicher Dank. Zu jeder Zeit und bei jeder Frage standen mir die wissenschaftlichen Mitarbeiter des Instituts zur Verfügung. Dr. Annette Klosa, Christine Möhrs, Prof. Hardarik Blühdorn, Rainer Perkuhn, Alexander Koplenig und vielen anderen möchte ich für ihre Unterstützung meinen Dank aussprechen. Diese Arbeit wäre nicht zustande gekommen ohne das Stipendium, das mir von der Konrad-Adenauer-Stiftung gewährt wurde. Besonders bedanken möchte ich mich bei Herrn Berthold Gees, dem für mich zuständigen Referenten in der KAS, für seine ständige Betreuung, Beratung und ermutigenden Worte. Bei der KAS hatte ich auch Möglichkeit, an vielfältigen studienbegleitenden Seminarprogrammen, in denen eine breite Palette an Themen aus dem sozialen und politischen Bereich Deutschlands und anderer Länder angeboten wird, teilzunehmen. Dankbar bin ich auch meiner Stipendiatengruppe in Mannheim, Dank 6 die mir Mitarbeit, Erfahrungs- und Gedankenaustausch mit anderen Stipendiaten ermöglicht und mich mit der Teilnahme an der Befragung unterstützt hat. Ebenso bin ich allen deutschen und usbekischen Probanden, die mir ihre sprachliche Intuition zur Verfügung gestellt haben, zu Dank verpflichtet. Für moralische Unterstützung und Aufmunterung in Zeiten der Verzweiflung bin ich meinen Freunden Monika, Alina, Jolanta, Dilja, Gertrud, Maria, Vera, Ulli, Cornelia, Berndt, Mariola, Mohammed und Hamid sehr dankbar. Mein herzlicher Dank gehört Annette, Berthold, Claudia und Gertrud für das geduldige und gründliche Korrekturlesen. Stolz bin ich auf meine Freundschaft mit Birgit und Richard aus Tübingen. Sie waren am Anfang eine Gastfamilie für mich, woraus sich eine echte Familie entwickelt hat. Ihre fürsorgliche Unterstützung war für uns eine große Hilfe. Zu tiefem Dank bin ich meinen Eltern verpflichtet, die zu meiner Reise für die Erfüllung akademischer Ziele ihren Segen gegeben haben. Sie haben mir die ganzen Jahre Mut gemacht und mich stets motiviert. In den ersten drei Jahren meines Aufenthalts in Deutschland haben sie sich um meine Kinder in Buchara gekümmert. Rakhmon und Aziz genossen viel Liebe, Zuneigung und Geborgenheit bei den Großeltern. Leider kam der unerwartete Tod meines Vaters gegen Ende meiner Promotion. Mit ihm habe ich einen engen Freund und Ratgeber verloren. Er fehlt mir sehr. Auch meinen lieben Geschwistern möchte ich für ihre Aufmunterung aus großer Entfernung danken. Zu guter Letzt gilt mein herzlicher Dank meinen beiden Söhnen Rakhmon und Aziz, deren Liebe mir viel Kraft und Energie gibt. Sie kamen ohne Deutschkenntnisse nach Deutschland und haben binnen kurzer Zeit die schulischen und sozialen Herausforderungen sehr gut bewältigt. Von Anfang an haben sie mich unterstützt. Dank 7 Boshni fido ayla ato qoshig’a, Jismni qil sadqa ano boshig’a. Tunu kunungg’a aylagali nur fosh, Birisin oy angla, birisin quyosh. (Mir Alisher Navoiy) Für deinen Vater dich zu opfern sei dein Glück, das Leben hinzugeben für der Mutter Blick. Dir strahle Tag und Nacht hell ihrer Liebe Schein; Die Eltern mögen Sonne dir und Mond stets sein. (übersetzt von Johann Warkentin) Ushbu ishimni meni ilm yo’liga boshlagan, har bir ishimda qo’llabquvvatlagan, farzandlarimni bag’riga bosib mehr bergan, orzularimning amalga oshishida madadkorim va har bir ishda maslahatchim bo’lgan dadajonim, filologiya fanlari doktori, professor Rahimjon Vohidovning porloq xotirasiga bag’ishlayman. Dadajon, Sizning samarali va ibratli hayot yo’lingizni bosib o’tish biz farzandlarga ham nasib etsin! Ollohdan ruhi pokingizni hamisha shod aylashini so’rayman! meinem Vater INHALT 1. Einleitung ...................................................................................... 15 1.1 Graduonymie als lexikalisch-semantische Relation................. 15 1.2 Zielsetzung und Methode............................................................ 18 1.3 Aufbau der Arbeit ......................................................................... 20 2. Lexikalische Semantik im Umfeld graduonymischer Relationen...................................................................................... 23 2.1 Lexikalische Semantik und ihr begriffliches Instrumentarium ........................................................................... 23 2.2 Paradigmatische Bedeutungsbeziehungen ............................... 26 2.3 Oppositionstypen in Paradigmen............................................... 28 2.4 Wortfelder und andere semantische Organisationseinheiten ......................................................................................... 29 2.5 Graduonymie und Merkmalssemantik...................................... 32 2.6 Skalarität der Graduonymiereihungen...................................... 40 2.6.1 Skalen bei Lyons............................................................................ 41 2.6.2 Skalen bei Cruse ............................................................................ 43 2.6.3 Skalen bei van Os .......................................................................... 47 2.7 Dimension der Skala und Klassifizierung von Graduonymiereihungen nach ihrer Dimension ....................... 50 2.8 Skalentypen bei der Graduonymie............................................. 56 2.9 Hypergraduonym - der Oberbegriff einer Graduonymiereihung ................................................................... 57 2.10 Graduonymie in der Lexikografie .............................................. 60 3. Graduonymie und andere lexikalisch-semantische Relationen...................................................................................... 65 3.1 Synonymie...................................................................................... 68 3.2 Plesionymie .................................................................................... 73 Inhalt 10 3.3 Hyperonymie/ Hyponymie .......................................................... 84 3.4 Holonymie/ Meronymie................................................................ 88 3.5 Antonymie...................................................................................... 89 3.6 Antonymie (i.e.S.).......................................................................... 91 3.7 Komplementarität ......................................................................... 93 3.8 Konversität ..................................................................................... 94 3.9 Direktionale Opposition............................................................... 95 3.10 Heteronymie .................................................................................. 96 3.11 Inkompatibilität............................................................................. 97 3.12 Troponymie.................................................................................. 103 3.13 Graduonymie............................................................................... 106 3.14 Zusammenfassung ...................................................................... 110 4. Sprecherbefragungen ................................................................ 113 4.1 Umfrage für das Deutsche ......................................................... 113 4.1.1 Probanden .................................................................................... 114 4.1.2 Durchführung.............................................................................. 114 4.2 Umfrage für das Usbekische ..................................................... 117 4.2.1 Probanden .................................................................................... 119 4.2.2 Durchführung.............................................................................. 119 4.2.3 Auswahl des Umfragematerials ................................................ 120 4.2.3.1 Durchgang I ...................................................................... 120 4.2.3.2 Durchgang II ..................................................................... 124 4.3 Methodischer Vergleich.............................................................. 125 4.4 Statistische Auswertung: Deutsch............................................. 125 4.4.1 Aufbereitung der Daten ............................................................. 126 4.4.2 Page test for ordered alternatives ............................................. 128 4.4.3 Wilcoxon-Vorzeichen-Rang-Test............................................... 129 4.4.4 Zusammenfassung der Testergebnisse .................................... 130 Inhalt 11 4.5 Linguistische Interpretation der deutschen Umfragedaten .............................................................................. 132 4.5.1 Typ I .............................................................................................. 133 4.5.2 Typ II............................................................................................. 135 4.5.3 Typ III............................................................................................ 145 4.5.4 Zusammenfassung ...................................................................... 151 4.6 Umfrage für Usbekisch............................................................... 153 4.6.1 Aufbereitung der Daten ............................................................. 153 4.6.2 Page test for ordered alternatives ............................................. 155 4.6.3 Wilcoxon-Vorzeichen-Rang-Test............................................... 156 4.6.4 Zusammenfassung der Testergebnisse .................................... 156 4.7 Linguistische Interpretation der usbekischen Umfragedaten .............................................................................. 158 4.8 Zusammenfassung der usbekischen Umfrageergebnisse ....... 174 4.9 Zusammenfassung und Ausblick ............................................. 175 5. Korpusanalysen zu graduonymischen Reihen..................... 177 5.1 Einführung in die Methodik...................................................... 177 5.2 DeReKo und elexiko als empirische Grundlage ...................... 182 5.3 COSMAS -Recherche..................................................................... 184 5.3.1 Suchanfrage.................................................................................. 184 5.3.2 Kookkurrenzanalyse................................................................... 185 5.3.3 KWIC -Ansicht............................................................................... 191 5.3.4 Volltext-Funktion ........................................................................ 192 5.3.5 Frequenzen................................................................................... 192 5.4 Statistische Assoziationsmaße für Ko-Vorkommen der Graduonyme ................................................................................ 193 5.5 Die Analyse der Paradigmatik von Kind.................................. 202 5.6 Die Analyse der Paradigmatik von Wind................................. 216 5.7 Die Analyse der Paradigmatik von sprechen ........................... 234 5.8 Zusammenfassung ...................................................................... 257 Inhalt 12 6. Operationale Verfahren ............................................................ 261 6.1 Theoretische Hintergründe........................................................ 261 6.2 Einführung in die Methodik...................................................... 265 6.3 Auswahl von Testsätzen bzw. Verknüpfungsmitteln ............ 272 6.3.1 Die Konstruktionen in der Wind-Reihe .................................... 273 6.3.1.1 Verstärkende Graduierungspartikeln in der Wind-Reihe ........................................................................ 274 6.3.1.2 Abschwächende Graduierungspartikeln in der Wind-Reihe ........................................................................ 275 6.3.2 Die Konstruktionen in der Kind-Reihe ..................................... 277 6.3.2.1 Verstärkende Graduierungspartikeln in der Kind-Reihe ......................................................................... 278 6.3.2.2 Abschwächende Graduierungspartikeln in der Kind-Reihe ......................................................................... 280 6.3.3 Die Konstruktionen in der sprechen-Reihe............................... 281 6.3.3.1 Verstärkende Graduierungspartikeln in der sprechen-Reihe .................................................................... 281 6.3.3.2 Abschwächende Graduierungspartikeln in der sprechen-Reihe .................................................................... 282 6.4 Durchführung.............................................................................. 282 6.4.1 Probanden .................................................................................... 284 6.4.1.1 Geschlechtsverteilung ....................................................... 284 6.4.1.2 Altersverteilung ................................................................ 285 6.4.1.3 Höchster Bildungsabschluss ............................................. 285 6.4.1.4 Berufsstand ........................................................................ 286 6.4.1.5 Studium Sprachwissenschaft ............................................ 287 6.4.1.6 Sprachwissenschaftler/ in ................................................... 288 6.5 Auswahl der Ratingskala ........................................................... 289 6.6 Auswertung des Umfragematerials.......................................... 290 6.6.1 Deskriptive Analyse - Teil I ....................................................... 290 Inhalt 13 6.6.2 Deskriptive Analyse - Teil II...................................................... 293 6.6.2.1 Wind-Reihe ........................................................................ 294 6.6.2.2 Kind-Reihe ......................................................................... 298 6.6.2.3 sprechen-Reihe .................................................................... 304 6.6.3 Statistische Analyse und Überprüfung von Hypothesen .................................................................................. 305 6.6.3.1 Variable: „Nachbarschaft“ ................................................. 306 6.6.3.2 Variable: „Nachbarschaft_2“ (Zusatzhypothese) .............. 316 6.6.3.3 Variable: „Hypergraduonym_1“ ....................................... 323 6.6.3.4 Variable: „Hypergraduonym_2“ (WKS) ........................... 333 6.6.3.5 Variable: „Partikeln“ .......................................................... 337 6.6.3.6 Variable: „Sprachwissenschaftler vs. Nicht- Sprachwissenschaftler“ ..................................................... 343 6.7 Zusammenfassung ...................................................................... 345 7. Zusammenfassung und Fazit................................................... 349 8. Literatur........................................................................................ 359 8.1 Sekundärliteratur ........................................................................ 359 8.2 Wörterbücher und Lexika .......................................................... 368 8.3 Internetressourcen....................................................................... 369 9. Abkürzungsverzeichnis ............................................................ 371 10. Abbildungsverzeichnis ............................................................. 373 11. Tabellenverzeichnis ................................................................... 377 12. Diagrammverzeichnis ............................................................... 381 Anhang ...................................................................................................... 383 Anhang 1: Aufgabenstellung zu der deutschen Umfrage (Kap. 4) ..... 383 Anhang 2: Material für die usbekische Umfrage .................................. 383 Anhang 3: Häufigkeitstabelle für die deutsche Umfrage..................... 385 Anhang 4: Häufigkeitstabelle für die usbekische Umfrage ................. 393 1. EINLEITUNG 1.1 Graduonymie als lexikalisch-semantische Relation Die vorliegende Dissertation befasst sich mit der Problematik wortsemantischer gradueller Relationen in der Sprache. Die Erforschung semantischer paradigmatischer Beziehungen zwischen Wörtern ist von den Ursprüngen bis zu jüngsten computergestützten lexikologischlexikografischen Arbeiten nach wie vor relevant. Neben klassischen Sinnrelationen wie Synonymie und Antonymie haben weitere Arten von Inhaltsbeziehungen zwischen Wörtern wie Hyperonymie/ Hyponymie, Holonymie/ Meronymie (auch: Parteronymie/ Partonymie), Inkompatibilität, Komplementarität, Konversonymie, Reversität, Plesionymie, Heteronymie, Troponymie, Pertinenzrelationen den Status einer Sinnrelation des lexikalischen Systems. Untersuchungen weisen darauf hin, dass sich die semantischen Relationen im lexikalischen System der Sprache nicht nur auf die bislang entdeckten und erforschten paradigmatischen Relationen beschränken. Die vorliegende Dissertation verfolgt das Ziel, die aufgrund der graduellen Opposition in Paradigmen formierten Wörter als eigenständiger Relationstyp der lexikalischen Semantik zu unterscheiden, ihn theoretisch herauszuarbeiten und empirisch zu fundieren. Das Thema der Graduierungsrelationen zwischen Wörtern der lexikalischen Semantik hat bisher in der Linguistik wenig Beachtung gefunden. Die Graduierung bezieht sich dabei auf die Relation zwischen semantisch eng beieinanderliegenden lexikalischen Einheiten, welche die Stärke oder Schwäche eines spezifischen Merkmals in ihrer lexikalischen Bedeutung akzentuieren und sich auf der Skala durch ein mehr als- oder weniger als-Verhältnis aneinanderreihen. Diese Relation wird analog der terminologischen Tradition der -nymie-Relationen als Graduonymie bezeichnet. Das Phänomen der Graduierung in der Sprache ist weit verbreitet und vielfältig. Unter Graduierung bzw. Gradation (lat. gradus - Rang, Stufe) wird Steigerung bzw. Verminderung, stufenweise Erhöhung bzw. Verringerung, Aneinanderreihung steigernder oder abschwächender Ausdrucksmittel verstanden. Die Graduierungserscheinungen in der Sprache kommen durch verschiedene Mittel zum Vorschein, indem sie Lexikalisch-semantische Graduonymie 16 sich auf der lexikalischen, morphologischen und syntaktischen Ebene widerspiegeln und unterschiedlich bezeichnet werden wie Graduierung, Gradation, Komparation, Potenzierung, Steigerung, Verstärkung, Augmentation, Intensivierung. 1 Im Folgenden werden Beispiele zu den erwähnten Graduierungsfällen angeführt: - Komparation (Positiv, Komparativ, Superlativ): klein - kleiner - am kleinsten; - Morphologische Graduierung: Affenhitze, riesenstark; - Lexikalische Graduierung: außerordentlich begabt, eminent wichtig; - Syntaktische Graduierung: Buch der Bücher (Metzler Lexikon Sprache 2000). In dieser Arbeit wird das Graduierungsphänomen der Sprache auf einer weiteren Ebene ergänzt und aus einer anderen Perspektive untersucht, nämlich als eine eigenständige Art semantischer Relationen in der lexikalischen Semantik. Auf der lexikalischen Ebene der Sprache existieren lexikalisch-semantische Wortgruppen, deren Elemente hinsichtlich der graduellen Ausprägung eines Bedeutungsbestandteils in Opposition zueinander stehen und kleine bis mittelgroße Wortreihen konstituieren. Sie unterscheiden sich von den in der aktuellen Linguistikforschung gängigerweise betrachteten Arten der lexikalisch-semantischen Relationen: 1) die Pforte < die Tür < das Tor 2) die Lache < der Teich < der See <das Meer < der Ozean 3) rieseln < rinnen < laufen < fließen < strömen < fluten 4) tapfer < mutig < kühn < verwegen Welche Relation vereint diese Wörter in eine Reihe? Wie sind derartige Wortreihen strukturiert? Worin bestehen die Gemeinsamkeiten mit anderen Sinnrelationen und wodurch unterscheiden sie sich voneinander? In der vorliegenden Dissertation wird diesen und anderen Fragen sowohl von einem theoretischen als auch von einem empirischmethodischen Standpunkt aus ausführlich nachgegangen. Die oben angeführten graduonymischen Paradigmen (1-4) werden als Wortreihen oder Wortreihungen bezeichnet. Die Lexeme einer Wortreihe lassen sich aufgrund skalarer Anordnung der Wortbedeutungen 1 Eine umfassende Darstellung der Graduierung findet sich in Flores (2004). Einleitung 17 reihen und dementsprechend mit Bezug auf Skalen beschreiben: In einer Wortreihe vereinigen sich Lexeme aufgrund einer für alle Glieder gemeinsamen Bedeutung wie z.B. Vorrichtung zum Verschließen eines Durchgangs (1), stehendes Gewässer (2), die Fortbewegung von flüssigen Stoffen, bes. Wasser (3), unerschrockenes, mutiges Verhalten (4). In der Bedeutung von Lexemen ist eine graduierbare Eigenschaft unterschiedlich stark ausgeprägt und die Lexeme stehen durch diese graduelle Eigenschaft in Kontrast zueinander. Die je nach Richtung der Skala steigende oder abnehmende Eigenschaft bestimmt die Dimension der jeweiligen Skala. So haben beispielsweise die obigen graduonymischen Skalen die Graduierungsdimensionen Größe (1-2), Geschwindigkeit (3) und Grad an courage (4). Oft fungiert in einer Graduonymiereihung ein Wort als Oberbegriff, wofür die vorliegende Arbeit den Terminus Hypergraduonym einführt. Das Hypergraduonym umfasst mit seiner allgemeineren Bedeutung die Bedeutung der anderen Lexeme auf der Skala, die durch spezifischere Semantik aufgrund unterschiedlicher Ausgeprägtheit der graduellen Eigenschaft gekennzeichnet sind. Zugleich tritt das Hypergraduonym als gleichberechtigtes Graduonym auf, d.h. als kontrastiver Partner zu anderen Skalenmitgliedern. Zur Illustration siehe Abbildung 1. „Vorrichtung zum Verschließen eines Durchgangs“ Hypergraduonym die Pforte die Tür das Tor „Größe“ nimmt ab „Größe“ nimmt zu Abb. 1: Graduonymisches Paradigma von Tür Für die Diskussion herangezogen werden zudem besondere Verhältnisse zwischen der semantischen Relation der Graduonymie und anderen semantischen Relationen der lexikalischen Semantik wie Hyperonymie/ Hyponymie, Antonymie, Inkompatibilität, Synonymie, Plesionymie und Troponymie. Anhand von vergleichenden Beispielen wird der Versuch unternommen, zu zeigen, inwiefern diese mit der Graduonymie Lexikalisch-semantische Graduonymie 18 am engsten verwandten Sinnrelationen und eine Reihe von inkompatiblen Inhaltsrelationen miteinander zusammenhängen, worin ihre Gemeinsamkeiten, Ähnlichkeiten und Unterschiede bestehen. Die Untersuchungen zum Forschungsstand machen deutlich, dass das graduelle bzw. intensivierbare Verhältnis zwischen lexikalischen Einheiten in der Sprachwissenschaft nicht unbekannt ist. Lyons (1980) definiert Skalen innerhalb von seriellen inkompatiblen Mengen {heiß, warm, kühl, kalt }, die als graduonymisch aufgefasst werden können (Kap. 2.6.1). Cruse (1986) untersucht aufeinander graduell bezogene lexikalische Einheiten unter verschiedenen Aspekten: 1) Plesionyme sind Paare einer binären Opposition (killed : murdered, foggy : misty), die als benachbarte Elemente längs einer Skala eingeordnet werden können; 2) degree-terms (baby, child, adolescent, adult) und grad-terms (minuscule, tiny, (small), (big), huge, gigantic), die kontinuierliche Skalen bilden, zählen zu Graduonymen (mehr dazu in Kap. 2.6.2). Van Os (1989) beschäftigt sich näher mit dem umfangreichen Phänomen der Intensivierung, zu dem auch Graduonyme gehören, und hebt dabei Aspekte wie wortartenbezogene Skalarität und Dimension hervor, die für die theoretische Grundlage der vorliegenden Arbeit von Bedeutung sind (siehe Kap. 2.6.3). Coseriu (1978) überträgt die graduellen Oppositionen vom phonologischen ins lexikalische System der Sprache (Kap. 2.5). Die Graduonymiereihungen entstehen hierbei aufgrund gradueller Oppositionen. In der strukturalistischen Wortsemantik wird jedoch diese Oppositionsart in Bezug auf eine lexikalisch-semantische Relation, die eigenständige Paradigmen/ Wortfelder bildet, nicht weiter untersucht. Hier kann die usbekische Sprachwissenschaft anhand strukturalistischer Herangehensweise ein theoretisches Konzept der graduell ausgeprägten wortsemantischen Relationen liefern (Kap. 2.5). An geeigneten Stellen wird auf diese Untersuchungen eingegangen. 1.2 Zielsetzung und Methode Trotz der Arbeiten in der linguistischen Forschung haben die aufeinander graduell bezogenen lexikalischen Einheiten in der lexikalischsemantischen Forschung bisher nicht den Status einer anerkannten Sinnrelation erlangt. Diese Arbeit untersucht die Graduierung unter lexikalisch-semantischen Aspekten und zielt darauf, das sprachliche Graduonymie-Phänomen zu erforschen. Dieser forschungsleitenden Frage wird nicht nur von einem theoretischen, sondern vor allem von einem empirischen Standpunkt aus nachgegangen. Einleitung 19 Bei der theoretischen Herausarbeitung der Problematik liegt ein besonderes Augenmerk auf relevanten Aspekten der Graduonymie wie terminologische Feststellung, Skalarität, Rolle der Dimension und des Oberbegriffes, woraus das Wesen und eine breite Definition des Phänomens der Graduonymie geschöpft wird. Durch die exemplarische und definitorische Beschreibung gängiger Bedeutungsbeziehungen der lexikalischen Semantik einerseits und mithilfe der vergleichenden Analysen der mit der Graduonymie am engsten verwandten Sinnrelationen Synonymie, Plesionymie, Hyponymie, Antonymie, Troponymie und einer Reihe von inkompatiblen Inhaltsrelationen andererseits werden ihre Abgrenzungskriterien herausgearbeitet. Dem empirischen Teil der Dissertation liegen unterschiedliche Datenerhebungen zugrunde. Mit verschiedenen empirischen Methoden wie der webbasierten Sprecherbefragung, Korpusanalysen, systematischen Tests und Kontrastierung mit dem Usbekischen werden die Validität und Stabilität der Reihen überprüft und somit Erkenntnisse zum Phänomen der Graduonymie gewonnen. Dies bildet den Kernpunkt der Untersuchung. Dabei werden unterschiedliche Aspekte der Graduonymie betrachtet und analysiert; der Vergleich der Methoden erbringt interessante Einsichten zu den semantischen Relationen. Diese Vorgehensweise hat sich methodisch als erfolgreich erwiesen. Zur Graduonymie wurden 71 graduonymische Reihen, deren Elemente Substantive, Verben, Adjektive und Adverbien sind, in einer Web-Umfrage mit deutschen Muttersprachlern untersucht. Die Reihen wurden daraufhin überprüft, inwiefern und wie oft Wörter als Graduonyme erkannt werden und wie stabil die Stellung von Wörtern innerhalb einer Reihe ist. Mithilfe der Korpusmethoden auf der Grundlage des Deutschen Referenzkorpus (kurz: DeReKo) des Instituts für Deutsche Sprache (IDS) in Mannheim werden Bedeutungs- und Verwendungsmöglichkeiten der Elemente der ausgewählten graduonymischen Reihen Kind, Wind und sprechen ermittelt und ausführlich analysiert. In systematischen Tests (z.B.: Das ist kein richtiger Orkan, höchstens ein Sturm oder Das ist kein Kleinkind, sondern nur ein Neugeborenes oder Er schreit nicht, er brüllt regelrecht) werden die Graduonyme der Gruppen Kind, Wind und sprechen im Satzkontext auf ihre Kontrastfähigkeit hin untersucht. Die Kontrastierung mit dem Usbekischen anhand einer Umfrage zeigt, ob die ermittelten Eigenschaften der Graduonymie-Relation sprachspezifische Besonderheiten des Deutschen sind oder sprachübergreifende Prinzipien widerspiegeln. Lexikalisch-semantische Graduonymie 20 1.3 Aufbau der Arbeit Kapitel 2 setzt sich mit der Behandlung der theoretischen Grundlagen der lexikalischen Semantik auseinander, die für die Untersuchung der Graduonymie-Relation relevant sind. Zunächst wird der Phänomenbereich dargestellt. Anschließend konzentriert sich das Kapitel auf die Behandlung der Graduonymie als wortsemantische Relation. Die Untersuchungen, welche die wichtigsten Fragestellungen der graduellen Relationen zwischen Wörtern ansprechen, werden in diesem Kapitel vorgestellt, und basierend auf diesen Arbeiten die Besonderheiten der Graduonymie herausgearbeitet. Kapitel 3 beschäftigt sich mit der Beschreibung von prominenten Arten lexikalisch-semantischer Relationen, die definiert und exemplarisch veranschaulicht werden. Diese Darstellung ist für diese Arbeit aus zwei Gründen relevant: Erstens war eine Diskussion semantischer Relationen erforderlich, um zu prüfen, ob die ursprünglich von der Autorin erstellten vermeintlichen graduonymischen Wortreihen (etwa über 300), die keiner systematischen empirischen Analyse unterzogen wurden, graduonymischer Natur sind. Es hat sich herausgestellt, dass den Reihen nicht immer graduonymische Ordnungsprinzipien zugrunde liegen. Zweitens existieren heterogene Auffassungen und Darstellungen sowohl in der linguistischen Theorie als auch in der lexikografischen Praxis zu wortsemantischen Relationen, die im Rahmen dieser Arbeit als graduonymisch interpretiert werden. Insofern ist die Beschreibung und Analyse semantischer Relationen in dieser Arbeit für deren präzise Abgrenzung angebracht. Kapitel 4 liegen die Datenerhebungen auf der Grundlage der Sprecherbefragungen für das Sprachenpaar Deutsch-Usbekisch zugrunde. Das Heranziehen der usbekischen Sprache (der Muttersprache der Autorin) für die Datenanalyse hat zum Ziel, zu ermitteln, ob und inwiefern die für das Deutsche festgestellten Graduonymie-Besonderheiten in den usbekischen Daten reflektiert werden können. Die Datengewinnung in beiden Sprachen erfolgt auf der gleichen Basis: Die Muttersprachler werden aufgefordert, für die vorgelegten Wörter eine Rangordnung zu bestimmen. Dadurch wird der angenommene graduonymische Status der Wörter und die Stabilität und Validität der Reihenfolgen überprüft. Die Berücksichtigung der usbekischen Sprache für methodische Zwecke ist lediglich in diesem Kapitel vorgesehen. Einleitung 21 Eine durchgehende kontrastive Analyse der Sprachen wird nicht beabsichtigt. Dies hat seinen Grund unter anderem darin, dass die nächste empirische Methode der Arbeit - die Korpusanalyse -, die als Schlüssel zu deutschen Umfragedaten figuriert und als methodisches Verfahren für die Untersuchung der Graduonymie eine eminente Rolle spielt, für das Usbekische nicht umsetzbar ist. Da für das Usbekische keine sprachlichen Korpora existieren, besteht für die usbekische Sprache keine Vergleichsmöglichkeit der Ergebnisse der Umfrage mit denen der Korpusanalyse. Erwartungsgemäß zeigen sich in beiden Sprachen ähnliche Vorkommnisse, die durch bestimmte Merkmale gekennzeichnet sind. Kapitel 5 befasst sich mit der Untersuchung der Wortreihen Wind, Kind und sprechen mithilfe korpuslinguistischer Verfahren. Zunächst wird eine statistische Analyse zur Überprüfung der Assoziationen der Nachbar-Graduonyme der zu analysierenden Reihenfolgen im Korpus herangezogen. Die Ergebnisse der Assoziationsmaße haben statistisch signifikante Assoziationen zwischen Graduonymen dokumentiert. Im Korpus treten also die Graduonyme häufig gemeinsam auf und es bestehen starke Assoziationen zwischen ihnen, woraus sich auf die starke semantische Verbindung zwischen Graduonymen schließen lässt. Um herauszufinden, in welchen Bedeutungsbeziehungen die Wörter stehen, werden die Gebrauchsmöglichkeiten von Graduonymen in Korpora analysiert. Besonderes Augenmerk richtet sich hierbei auf die Beleganalyse zur Verwendung der Graduonyme der erwähnten Reihen in authentischen Texten, die in Korpora zusammengefasst sind. Die Rolle der Korpusverfahren besteht hierbei darin, die semantischen Verhältnisse der Wörter zueinander zu ermitteln und zu dokumentieren. Es wird überprüft, ob die Wörter im Sprachgebrauch graduonymisch verwendet werden. Aus den Daten geht hervor, dass mithilfe der angewendeten Methode die angenommenen Reihen nach ihrem semantischen Status herausgefiltert und mit neuen Elementen ergänzt werden können. Kapitel 6 stellt eine weitere empirische Methode dar, indem die Einheiten der Graduonymiereihungen Wind, Kind und sprechen in gegensatzbildenden diagnostischen Satzmustern auf ihre auf Gradualität beruhende Kontrastfähigkeit hin überprüft werden. Durch die explizite Kontrastierung von Graduonymen wie z.B. Brise und Wind im Satzrahmen Das ist keine Brise, sondern geradezu ein Wind soll gezeigt wer- Lexikalisch-semantische Graduonymie 22 den, inwiefern die Bedeutungen von Graduonymen (Brise und Wind) distinkt und kontrastfähig sind. Die unter Zuhilfenahme von Partikeln zusammengestellten Testsätze werden muttersprachlichen Probanden vorgelegt, die die Sätze nach ihrer Akzeptabilität bewerten. Zuvor werden unter Berücksichtigung der Theorie skalarer Implikaturen theoretische Hintergründe der Problematik erörtert. Abschließend werden in Kapitel 7 die wesentlichen gewonnenen Erkenntnisse dieser Arbeit zusammengefasst und weiterer Forschungsbedarf formuliert. Die Ergebnisse der Arbeit bieten neue Einsichten nicht nur in den Phänomenbereich der Graduonymie, sondern ergänzen den aktuellen Stand der lexikalischen Semantik sowohl in theoretischer Hinsicht als auch durch die methodenpluralistische Behandlung semantischer Relationen. 2. LEXIKALISCHE SEMANTIK IM UMFELD GRADUONYMISCHER RELATIONEN 2.1 Lexikalische Semantik und ihr begriffliches Instrumentarium Die Untersuchung der lexikalischen Semantik hat in der Linguistik eine lange Tradition innerhalb von diversen Semantikströmungen. Die Bedeutungsuntersuchung und -beschreibung lexikalischer Einheiten wurde vor allem von strukturalistischen Ansätzen geprägt, die dem Phänomenbereich der lexikalischen Semantik wichtige Erkenntnisse lieferten. Obwohl in der linguistischen Debatte in Bezug auf strukturalistische Ansätze oft Kritik geäußert wird, sind doch die Verdienste der strukturellen Linguistik bzw. Semantik nicht zu bestreiten. Für neuere linguistische Ansätze wie etwa die kognitive Linguistik, die formale Pragmatik und die Korpuslinguistik, welche den struktural-semantischen Theorien gegenübergestellt werden, dienen die von Strukturalisten gewonnenen Erkenntnisse als Grundlage. Im Fokus dieses Kapitels steht der Gegenstand der vorliegenden Arbeit - die Graduonymie - als eigenständige semantische Relation zwischen lexikalischen Einheiten. Dabei orientiert sich diese Arbeit vor allem am relevanten begrifflichen Instrumentarium der traditionellen Semantik (Kap. 2.1-2.4). Die Kapitel 2.5 bis 2.9 beschäftigen sich mit der Beschreibung der Graduonymie. Durch die Untersuchung der relevanten Aspekten der Graduonymie wie die Behandlung der graduellen Bedeutungsbeziehungen in der Merkmalssemantik, skalare Besonderheiten von Graduonymen und dabei die Rolle der Dimension und des Oberbegriffes in der Skala sowie die Inkompatibilität bei Graduonymie wird eine umfassende Beschreibung der Relation der Graduonymie gegeben. Kapitel 2.5 gibt unter anderem einen Überblick über die strukturalistische Behandlung der Graduonymie in der usbekischen Sprachwissenschaft. Kapitel 2.10 zeigt praktische Beispiele aus der Lexikografie. Es wird veranschaulicht, inwiefern und wie Graduonyme in den lexikografischen Ressourcen gehandhabt und repräsentiert werden. Die lexikalische Semantik (auch Wortsemantik genannt) ist ein Teilbereich der Linguistik und hat die Untersuchung der Bedeutungen von lexikalischen Einheiten zur Aufgabe. Generell ist hierbei von Lexemen Lexikalisch-semantische Graduonymie 24 oder Lexikoneinheiten (Löbner 2003, S. 54) oder Lexien (Blank 2001, S. 6 nach Wunderli 1989, S. 15) die Rede, zu denen als Einheiten des Lexikons Morpheme, Einzelwörter und feste Wortverbindungen gehören. Diese Arbeit setzt sich mit Bedeutungen von Einzelwörtern auseinander. An dieser Stelle muss zudem erwähnt werden, dass man aufgrund zahlreicher Arbeiten innerhalb verschiedener Semantikströmungen auf eine heterogene Terminologie stößt. Diese Arbeit hat nicht zum Ziel Fachbegriffe zu diskutieren. In Einführungen in die Linguistik und Semantik sowie in linguistischen Wörterbüchern finden sich diesbezüglich umfassende Informationen und Literaturhinweise (siehe dazu z.B. Geckeler 1971; Lyons 1980; Cruse 1986; Blank 2001; Schippan 2002; Löbner 2003; Heusinger 2004; Timmermann 2007; Bußmann 2002; Metzler Lexikon Sprache 2010 etc.). De Saussure (2001) unterscheidet in der Konzeption des sprachlichen Zeichens zwischen langue und parole, d.h. zwischen dem Sprachsystem und dem Sprachverhalten. Langue wird als System von Regeln und Zeichen betrachtet und der Wert eines Zeichens wird in der Beziehung und Opposition mit anderen Zeichen deutlich. Parole ist individuell und wird als Realisierungsebene der langue aufgefasst. Manche Linguisten befürworten diesen Dualismus (z.B. Leisi 1985, S. 27). Viele Wissenschaftler sehen jedoch den Zusammenhang zwischen langue und parole als kompliziert und etwas umstritten an. Nach Lyons betone Saussure den überindividuellen und sozialen Charakter des Sprachsystems (z.B. Lyons 1980, S. 250f., 1989, S. 52ff.). Andere heben den Zusammenhang der Begriffe langue und parole hervor, wie z.B. Filipec 2 speziell im Bereich der Synonymik: Gegenüber dem Dualismus von parole und langue betont meine Arbeit den Zusammenhang beider Begriffe, der sowohl durch den stilistischsprachlichen Charakter der Synonymik als auch durch die Wortauffassung (einerseits im Kontext eines Textganzen, in Verwendung, andererseits im sprachlichen System) bestätigt wird. In diesem Sinne wird die Grundopposition von Sprache und Text betont. (Filipec 1961, S. 327) Diese Arbeit knüpft an Filipecs Auffassung an, dass die semantischen Relationen zwischen Lexemen sprachsystem- und kontextbedingt sind. 2 Marková (2007) setzt sich in ihrer Diplomarbeit mit der Synonymie-Auffassung von Filipec ausführlich auseinander. Lexikalische Semantik im Umfeld graduonymischer Relationen 25 Postup, který jsem si zvolil, [...] ukazuje jazyk v procesu, v dynamice, ukazuje, jak se lexikální jednotky vskutku konstituují, budují z jazykového dění, a mezi projevy a systémem není pak vykonstruovaný předěl, nýbrž obojí je navzájem spjato. [Das von mir ausgewählte Verfahren zeigt die Sprache im Prozess, in der Dynamik, es zeigt, wie die lexikalischen Einheiten konstituiert und aus dem Sprachgeschehen gebildet werden. Zwischen den Äußerungen und dem System gibt es dann keine künstliche Trennungslinie, sondern beides hängt miteinander zusammen.] (ebd., S. 17 nach Marková 2007, S. 9) 3 Das heißt, bestimmte lexikalische Einheiten aus dem System werden in sprachlichen Äußerungen konkretisiert. Die Wortbedeutungen existieren folglich sowohl auf der Ebene der lexikalischen Abstraktion wie auch in konkreten Verwendungen. Speziell für den Fall der Synonymie gilt Folgendes: Wichtig sind für Filipec folglich beide Seiten dieser Auffassung, und zwar Synonyme als konkrete Realisierungen und zugleich als lexikalische Einheiten im System, die man in Sprachäußerungen verwendet. Es sei darauf hingewiesen, dass Filipec hier das Zusammenspiel von langue als Sprachsystem und parole als aktualisierter Rede für notwendig hält und die Untersuchung der Synonyme nur in einer Hinsicht - nur in Verwendung (parole) oder nur im sprachlichen System (langue) - ablehnt. (Marková 2007, S. 9) Für den Untersuchungsgegenstand der vorliegenden Arbeit gilt auch, dass zwei oder mehr lexikalische Einheiten im Sprachsystem miteinander paradigmatisch graduell verbunden sind und durch die Auswahl aus diesem Paradigma in bestimmten kontextuellen Zusammenhängen als solche realisiert werden. Darüber hinaus schließt diese Arbeit die Dynamik der Sprache, die Flexibilität der Wortbedeutungen im aktualisierten Kontext nicht aus, so dass Wörter auf der parole-Ebene innerhalb derselben Lesart zueinander verschiedene semantische Relationen eingehen können. Die Bedeutung eines Wortes ist nicht isoliert, sondern durch seine Relation zu anderen Wörtern im Sprachsystem bestimmt. Die Beziehungen zwischen sprachlichen Elementen unterscheidet de Saussure (2001, S. 147ff.) in syntagmatische (anreihende) und assoziative. Später wurde ein Begriffswechsel für die von de Saussure als assoziativ bezeichneten Beziehungen zwischen sprachlichen Einheiten vorgenom- 3 Die deutschen Übersetzungen der tschechischen Originaltexte stammen von Marková. Lexikalisch-semantische Graduonymie 26 men: Hjelmslev (1938, S. 140 nach Model 2010, S. 7; Lewandowski 1990, S. 774ff.) hat assoziativ durch paradigmatisch ersetzt. 4 Die Syntagmatik bildet die horizontale Ebene der Sprache und wird durch das Nebeneinander sprachlicher Einheiten bestimmt, die in grammatischer und semantischer Beziehung zueinander stehen (vgl. Model 2010, S. 5ff.). Als syntagmatische Beziehungen führen Kunze/ Lemnitzer (2007, S. 40) „die Kollokation (z.B. Tisch decken, Antrag stellen, gelber Sack), Funktionsverbgefüge (z.B. zum Abschluss bringen) und typische Verb-Komplement-Beziehungen wie Apfel essen“ an. Das Wesen, d.h. die Bedeutung einer lexikalischen Einheit im lexikalischen System der Sprache, wird durch ihre paradigmatische Beziehung zu anderen lexikalischen Elementen festgestellt. So formieren sich die Wörter im Wortschatz aufgrund ihrer gemeinsamen Merkmale zu bestimmten Gruppen und Mengen, die als Paradigmen bezeichnet werden. Die Paradigmatizität lexikalischer Einheiten setzt voraus, dass sie potenziell in ein und demselben Kontext auftreten können, wodurch die Notwendigkeit gleicher syntagmatischer Umgebung postuliert wird. In Bezug auf bestimmte bedeutungsunterscheidende Merkmale schließen sie sich aber im aktuellen Kontext gegenseitig aus (vgl. Bußmann 2002, S. 504). Beispielsweise können die Farbwörter rot, blau und gelb gleichberechtigt im Kontext eingesetzt werden: X ist rot/ blau/ gelb. Zugleich gilt aber: x ist rot impliziert x ist nicht blau, x ist blau impliziert x ist nicht rot, usw. Paradigmatik und Syntagmatik bedingen also einander. 2.2 Paradigmatische Bedeutungsbeziehungen Zwischen Elementen eines Paradigmas existieren semantische Relationen irgendeiner Art. Lexikalisch-semantische Relationen sind Bedeutungsbeziehungen (auch: Sinnrelationen, Inhaltsrelationen 5 oder paradigmatisch-semische Beziehungen 6 ) zwischen lexikalischen Zeichen (Lexemen, Lexien, lexikalischen Einheiten) innerhalb eines Paradigmas. 4 Es soll hierbei nicht um den rein terminologischen Ersatz gehen, sondern um den wissenschaftshistorischen Wandel des Konzepts der Paradigmatik (mehr darüber bei Model 2010, S. 6ff.). 5 Vgl. Blank (2001, S. 29). Eine weitere Diskussion in Bezug auf Terminologie findet sich in Anstatt (2009, S. 907). 6 Nach Heusinger sind die Grundrelationen im lexikalischen System der Sprache sowohl formal als auch semisch angelegt. Paradigmatisch-semische Beziehungen sind Lexikalische Semantik im Umfeld graduonymischer Relationen 27 Ein Lexem kann über eine oder mehrere Bedeutungen verfügen. Ein Lexem, das mehrere Bedeutungen signalisiert, ist polysem. Die Einzelbedeutungen eines polysemen Lexems werden Sememe oder Lesarten (vgl. Lewandowski 1990, S. 996; Lutzeier 1995, S. 164; Heusinger 2004, S. 22) 7 genannt. In semantische Relation treten die Lexeme hinsichtlich ihrer Inhaltsseite und konstituieren ihre Paradigmatik aufgrund ihrer einzelnen Lesarten. Das heißt, ein und dasselbe Wort kann aufgrund seiner Mehrdeutigkeit Element unterschiedlicher Paradigmen sein. Schippan (1992) und Löbner (2003) stellen diese Auffassung folgendermaßen dar: Weiterhin gehen wir davon aus, dass auch paradigmatische semantische Beziehungen nicht schlechthin zwischen Lexemen, sondern zwischen lexisch-semantischen Varianten bestehen. Ein und dasselbe Wort kann Glied unterschiedlicher paradigmatischer Gruppen sein. (Schippan 1992, S. 203) Da sich Bedeutungsbeziehungen auf Lesarten beziehen und nicht auf die Ausdrücke selbst, kann ein polysemer Ausdruck in zwei Bedeutungsvarianten zwei verschiedenen Wortfeldern angehören, zum Beispiel {alt, neu} und {alt, jung}. Genau genommen bestehen Wortfelder nicht aus Lexemen, sondern aus Lexemen-in-einer-Lesart. (Löbner 2003, S. 131) Im Folgenden wird die Paradigmenzugehörigkeit einzelner Lesarten am Beispiel des Ausdrucks Kind grafisch veranschaulicht (siehe Abb. 2): Abb. 2: Synonymisches und antonymisches Paradigma von Kind semisch angelegte Relationen innerhalb eines Wortfeldes: laufen, gehen, eilen, rennen, hasten, rasen, spurten (vgl. Heusinger 2004, S. 18). 7 Auch: lexikalische Einheiten („lexical unit“, Cruse 1986, S. 76) oder auch Bedeutungsvarianten, lexisch-semantische Varianten (Barz et al. 2004/ 2005, S. 6). Lexikalisch-semantische Graduonymie 28 Kind bildet anhand der Lesart ‘jemandes Sohn oder Tochter’ seine synonymische Gruppe gemeinsam mit den Ausdrücken wie Nachkomme, Spross und Nachfahre, die sich voneinander konnotativ unterscheiden und somit stilistisch in Opposition zueinander stehen. Aufgrund der Lesart ‘junger Mensch’ strukturiert Kind seine antonymische Relation mit dem Wort der/ die Erwachsene. Unter der lexikalisch-semantischen Relation von Wörtern muss also die Beziehung zwischen konkreten Lesarten verstanden werden. 2.3 Oppositionstypen in Paradigmen Semantische Relationen zwischen Wörtern und die daraus konstituierten Paradigmen sind sehr heterogen. Die Paradigmenmitglieder weisen aufgrund einer für alle Elemente charakteristischen Bedeutung semantische Gemeinsamkeiten und zugleich distinktive Unterschiede auf, wodurch zwischen ihnen bestimmte semantische Oppositionen bestehen. Die in der strukturalistischen Semantik zunächst im Rahmen der Phonologie der Prager Schule entwickelten Oppositionstypen fanden später ihre Verwendung auch auf der Semantikebene, insbesondere bei der Untersuchung der Sinnrelationen zwischen lexikalischen Einheiten. Die Hypothese über die Existenz der phonologischen Oppositionstypen wurde von Coseriu (1978, S. 64) auf das lexikalische System der Sprache übertragen. Diese Oppositionstypen, die sich zwischen lexikalischen Einheiten in Bezug auf ihre differenziellen semantischen Merkmale manifestieren, sind folgende : - Graduelle Oppositionen (verschiedene Abstufungen derselben Eigenschaft): eisig - kalt - kühl - lau - warm - heiß 8 - Äquipollente Oppositionen (logische Gleichberichtigung der Glieder): rot - gelb - blau - grün - Privative Oppositionen (Vorhandensein- : Nichtvorhandensein eines Merkmals): 9 lang - kurz (Satz 1: Der Vortrag war lang/ kurz. Satz 2: Der Vortrag war 15 min lang/ ? kurz. Satz 3: Die Länge/ *Kürze des Vortrags betrug 15 min.) 8 Graduonyme stehen in gradueller Opposition zueinander. Ausführlicher zu gradueller Opposition siehe Kapitel 2.5. 9 Zu weiteren phonologischen Oppositionen siehe Lewandowski (1990, S. 766; Lexikon der Linguistik unter Berücksichtigung der Nachbardisziplinen: „Opposition“). Lexikalische Semantik im Umfeld graduonymischer Relationen 29 2.4 Wortfelder und andere semantische Organisationseinheiten Die Theorie des sprachlichen Feldes geht auf Jost Trier (1931) zurück und wurde von Weisgerber (1962) weiter ausgebaut. Ausdrücke, die semantische Gemeinsamkeiten haben und aufgrund irgendeines Oppositionstyps einander gegenüberstehen, wurden in strukturalistischen Ansätzen in Wortfeldern zusammengefasst. Ein W o r t f e l d ist in struktureller Hinsicht ein lexikalisches Paradigma, das durch die Aufteilung eines lexikalischen Inhaltkontinuums unter verschiedene, in der Sprache als Wörter gegebene Einheiten entsteht, die durch einfache, inhaltsunterscheidende Züge in unmittelbarer Opposition stehen. (Coseriu 1967, S. 293) Die Wortfeldtheorie 10 bzw. Untersuchung der Bedeutungsbeziehungen im Rahmen von Wortfeldern ist der zentrale Ansatz in der strukturellen Erforschung des Wortschatzes. Wortfelder 11 sind Paradigmen, lexikalisch-semantische Gruppen/ Mengen, die aus lexikalischen Einheiten bestehen, deren Bedeutungen über lexikalisch-semantische Relationen verknüpft sind. Nach strukturalistischen Ansätzen existieren paradigmatische Bedeutungsbeziehungen auf der Ebene des Sprachsystems. Als grundlegendes Verfahren bei der Beschreibung der Bedeutung lexikalischer Zeichen und der inneren Struktur des Lexikons wurde in der Wortfeldtheorie die Komponentenanalyse 12 angewendet. Wortfelder sind dadurch gekennzeichnet, dass sich in ihnen einzelne semantische Relationstypen manifestieren; so können z.B. Synonyme, Hyponyme oder antonymische Paare Wortfelder bilden. Heutzutage werden semantische Netze 13 unterschieden, die durch Zusammentreffen 10 Lutzeier (1993) bietet eine umfangreiche Bibliografie zur Wortfeldforschung an. 11 Es gibt zudem in der Literatur andere Bezeichnungen für Wortfeld, nämlich „Wortfeld- und Wortklasse“ (Coseriu 1970, S. 111) oder allgemeiner „lexikalisches Feld“, „semantisches Feld“, „Bedeutungsfeld“ (Bußmann 2002, S. 753; Baranov/ Dobrovol’skij 1993, S. 422). Schippan diskutiert die z.T. homonym oder polysem verwendeten Feldmodelle (1992, S. 219ff.). 12 Ein Fallbeispiel zu dieser Analysemethode ist in Kapitel 2.5 dargestellt. 13 „Semantische Netze sind als Vorläufer der Ontologien aufzufassen, welche seit Quillian im Rahmen der künstliche-Intelligenz-Forschung und Informatik kognitiv inspirierte formale Modelle zur Repräsentation von Konzepten und Relationen bereitstellen. Semantische Netze sind daher eng mit dem Kontext der Wissensrepräsentation verbunden. Sie bestehen aus Knoten (Konzepten) und Kanten (Beziehungen zwischen Knoten), deren Zahl und Semantik in spezifischen Modellen festzulegen ist. John F. Sowa hat das Szenario semantischer Netze über einen langen Zeitraum entscheidend mitgeprägt.“ (Kunze/ Lemnitzer 2007, S. 327) Lexikalisch-semantische Graduonymie 30 hyperonymisch/ hyponymischer, synonymischer, antonymischer, komplementärer und sonstiger Beziehungen auf verschiedenen Ebenen ein komplexes Paradigma bilden. In dieser Datenstruktur werden also mehrere einzelne Wortfelder über bestimmte Verknüpfungen aufgrund lexikalisch-semantischer Relationen zusammengefasst. Auch syntagmatische Beziehungen, die durch Assoziationen und Nachbarschaftsbeziehungen mit dem Kernwort syntaktisch verknüpft sind, werden in das semantische Netz einbezogen. Die Organisation des Wortschatzes nach solch einem Modell aufgrund lexikalisch-semantischer Prinzipien spielt bei der Zusammenstellung sogenannter computerbzw. webgestützter lexikalisch-semantischer Ressourcen 14 eine eminente Rolle. Zu den lexikalisch-semantischen Datenbanken gehören beispielsweise WordNet, EuroWordNet, GermaNet; zu den ein-und mehrsprachigen Wortschatz-Informationssystemen, die sich unter anderem mit der Paradigmatik und Syntagmatik der Ausdrücke näher beschäftigen, gehören das Wortschatz-Portal der Universität Leipzig, elexiko des Instituts für Deutsche Sprache in Mannheim, DWDS (Digitales Wörterbuch der deutschen Sprache) der Berlin- Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften und ordnet.dk der Gesellschaft für Dänische Sprache und Literatur, ANW (Algemeen Nederlands Woordenboek) des Instituts für Niederländische Lexikologie in Leiden, ELDIT 15 (Elektronisches Lernerwörterbuch Deutsch - Italienisch) der Europäischen Akademie Bozen ( EURAC ) etc. Im Folgenden werden Beispiele zu semantischen Umgebungen der Stichwörter WETTER (Abb. 3 und 4) und KIND (Abb. 5) aus DWDS und ELDIT angeführt. Die Abbildungen 3 und 5 stellen paradigmatische Netze dar und Abbildung 4 repräsentiert ein syntagmatisches Netz. 14 Mehr über die erwähnten Datenbanken und lexikografischen Informationssysteme siehe in Roth (2006), Kunze/ Lemnitzer (2007), Michaelis (2007) und Klosa (Hg.) (2008). 15 http: / / dev.eurac.edu: 8081/ MakeEldit1/ Eldit.html. Lexikalische Semantik im Umfeld graduonymischer Relationen 31 Abb. 3: Lexikalisch-semantische Relationen zum Stichwort Wetter in DWDS Tag sagen ganz ika Muttar furzlau wehen Regen Wind blasen gehen Laune schlecht Gewissen trocken schön gut Frau Brot Boden warum naß Zylinderkontakt Whiskey-Marke Butter-Fachgeschäft Wetter Abb. 4: Kollokationsgraph zum Stichwort Wetter in DWDS Lexikalisch-semantische Graduonymie 32 Abb. 5: Grafische Darstellung der Paradigmatik von Kind in ELDIT 16 2.5 Graduonymie und Merkmalssemantik Untersuchungen in der traditionellen Wortfeldtheorie in Bezug auf die Graduierung auf der lexikalischen Ebene der Sprache zwischen den Wörtern mit ähnlicher denotativer Bedeutung innerhalb eines Wortfeldes gehen, wie bereits erwähnt, auf Coseriu (vgl. 1978) zurück, der die zunächst im phonologischen System entwickelten Oppositionsarten 17 in das lexikalische System der Sprache eingeführt hat. Graduelle Oppositionen liegen dann vor, wenn bei beteiligten Einheiten dieselbe Eigenschaft in verschieden hohem Grad vorhanden ist. Als Beispiel führt Coseriu (ebd.) die adjektivischen Temperaturbezeichnungen an: 16 Die Graustufen signalisieren bestimmte Sinnrelation. Siehe URL: http: / / dev.eurac. edu: 8081/ MakeEldit1/ Html/ Explanations/ FieldColorExpl_de.html. 17 Siehe dazu Kapitel 2.3. Lexikalische Semantik im Umfeld graduonymischer Relationen 33 eisig — kalt — kühl — lau — warm — heiß Diese Auffassung von Coseriu wurde in der Wortfeldtheorie bei der Bedeutungsbeschreibung der Feldelemente umgesetzt. Ein Beispiel bietet Schippan (1992, S. 220) an, indem sie das Wortfeld Wasserlauf mithilfe der semantischen Merkmalsanalyse beschreibt. Seme fließend natürlich groß klein kleiner als 1 Kanal - - +/ - +/ - - 2 Strom + + +/ - - - 3 Fluß + + +/ - +/ - 2 4 Flüßchen + + - + 3 5 Bach + + - + 3 6 Bächlein + + - + 5 7 Rinnsal + + - + 3-6 Die Merkmalanalyse zeigt auf, welche gemeinsamen Bedeutungskerne und relevanten bedeutungsunterscheidenden Merkmale die Feldelemente haben. Versuchen wir nach dieser semanalytischen Bedeutungsbeschreibung eine graduonymische Reihe zu konstruieren. „Das Merkmal ‘fließend’ ist relevant für die Abgrenzung von ‘stehendem Gewässer’, wie Pfütze, Teich, See, Meer, Ozean“ (ebd., S. 219). Allein Kanal unterscheidet sich von den anderen Feldpartnern durch das Merkmal ‘natürlich’, weshalb Schippan (ebd., S. 220) in einer (anderen) Abbildung zur Feldstruktur Kanal getrennt darstellt. Kanal hat im Unterschied zu anderen Wörtern das Merkmal ‘künstlich angelegt’. Aufgrund dieser Tatsache wird Kanal in die graduonymische Reihung nicht integriert. Kanal bildet mit anderen künstlich angelegten Fließgewässern seine eigene Graduonymiereihung. Die Wörter Strom, Fluß, Flüßchen, Bach, Bächlein und Rinnsal werden auf der Grundlage der unterscheidenden Merkmale ‘groß’, ‘klein’ und ‘kleiner als’ nach ihrer Größe abgestuft. Fluß ist nach Schippan’s bereits erwähnter Abbildung nach dem Merkmal ‘Größe’ neutral und Flüßchen und Bach haben die gleiche Position/ Rangordnung auf der Skala. Lexikalisch-semantische Graduonymie 34 Rinnsal Bächlein Bach/ Flüsschen Fluss Strom 1 2 3 4 5 Diese auf der graduellen Opposition basierende Art der Bedeutungsbeschreibung wird z.B. für die Wortfelder der Dimensions- und Geräuschbenennungen oder Verben der Fortbewegung angewendet. Ein kritischer Punkt besteht darin, dass die feldbezogene Komponentenanalyse ihre Grenzen sichtbar macht, weswegen sie als „statisch, kontext- und variationsfrei“ (Metzler Lexikon Sprache 2010, S. 605) 18 kritisiert wird. Zur Merkmalanalyse führt Busse (2007) auf, dass sich nicht alle Feldbeziehungen semanalytisch erfassen lassen: Nur ein Teil der feldsemantischen Beziehungen (und damit Kontextualisierungen) lässt sich merkmalsemantisch (bzw. sem-analytisch) ausdrücken, z.B. in Isotopie-Ketten oder anderen Formen der Sem-Rekurrenz 19 . Andere Feldbeziehungen, wie z.B. die zuletzt genannten Kollokationen, aber auch die semantischen Relationen der Gegensätzlichkeit (Antonymie, Komplementarität, Konversen usw.) lassen sich mit der Suchstrategie der Sem-Rekurrenz meist nicht erfassen. (Busse 2007, S. 98) In Kapitel 5 wird der Frage des Gebrauchs der lexikalischen Einheiten im Kontext nachgegangen und gezeigt, wie und inwiefern die der Komponentenanalyse gegenübergestellte Korpusanalyse das Bedeutungsspektrum lexikalischer Einheiten erfassen kann, und welche Perspektive diese Analysemethode bei der Bedeutungsbeschreibung eröffnet. Dennoch hat die Komponentenanalyse für semantische Beschreibungsmodelle der generativen, formalen und kognitiven Semantiken als Basis gedient (vgl. Bußmann 2002, S. 360; Metzler Lexikon Sprache 2010, S. 347f.) und die semantischen Merkmale bleiben theoretisch und praktisch-lexikografisch „unverzichtbare Bestandteile der semantischen Beschreibung“ (Metzler Lexikon Sprache 2010, S. 605). 18 Die auf Semantik bezogenen Artikel der Metzler Lexikon Sprache stammen von Helmut Rehbock. 19 „Isotopie beruht nach Greimas auf der semantischen Äquivalenz (i.w.S.) zwischen bestimmten Lexemen eines Textes, die durch Semrekurrenz, dem wiederholten Vorkommen von Semen in unterschiedlichen lexikalischen Einheiten des Textes, erklärbar wird.“ (Heinemann/ Heinemann 2002, S. 72) Lexikalische Semantik im Umfeld graduonymischer Relationen 35 Die Graduonymie-Untersuchung in der usbekischen Sprachwissenschaft beruht auf den merkmalsbasierten Ansätzen im Rahmen der strukturalistischen Bedeutungstheorie. Die ursprünglichen Überlegungen zu den graduellen Inhaltsrelationen auf der lexikalischen Ebene der usbekischen Sprache werden Ende der 1980er Jahre dargelegt. Der Terminus Graduonymie (anfänglich als Graduonomie) kommt erstmals im Aufsatz „Lexikalisches Mikrosystem und seine Untersuchungsmethodik (Die Thesen der Systemlexikologie)“ von Begmatov et al. (1989) vor. Basierend auf strukturalistischen Ansätzen stellen die Autoren die These auf, dass in der usbekischen Sprache die Wörter aufgrund ihrer Bedeutungsbeziehungen unterschiedlichen assoziativen Gruppen zugeordnet werden, die bezüglich ihrer hierarchischen Struktur und ihres Umfangs in lexikalische Mikro- oder Makrosysteme eingeteilt werden. Je nach zugrunde liegender Oppositionsart zwischen Wörtern treten verschiedene semantische Relationen auf. Die Autoren zählen neben der gängigen Synonymie- und Antonymie-Relation die Hyperonymie/ Hyponymie, Parteronymie/ Partonymie, Funktionymie (Relation zwischen Wörtern, die sich auf die gleichfunktionalen Gegenstände bzw. Sachen beziehen: Bleistift, Füller, Pinsel; Stuhl, Hocker, Schemel, Sessel) in der Lexik der usbekischen Sprache auf. Weiterhin unterscheiden sie Graduonymie analog zu diesen Relationen als einen auf der graduellen Opposition basierenden Relationstyp. Später werden diese Auffassungen in anderen größeren Arbeiten weiterentwickelt, in denen die Eigenschaften dieser Relationsarten, ihre innere Struktur und Position im lexikalischen System der usbekischen Sprache etc. aus theoretischer Sicht behandelt werden (vgl. Ne’matov/ Rassulov (1995), siehe Safarova (1990) zu Hyperonymie/ Hyponymie-Relation, Qilichev (1997) zu Parteronymie/ Partonymie-Beziehung, Aripzhonova (1994) und Bozorov (1995) zu Graduonymie im Usbekischen). Aripzhonova und Bozorov behandeln die Problematik der Graduonymie im Rahmen der usbekischen substanziellen (formal-funktionalen) Sprachwissenschaft. 20 Anhand von Beispielen zu allen Wortarten inkl. Interjektionen und Präpositionen beschreibt Aripzhonova auf der Grundlage strukturalistischer Analysemethoden charakteristische Merk- 20 Diese Richtung der Linguistik wird auch usbekischer Substanzialismus oder dialektische Sprachwissenschaft genannt. Über die Strömungen der usbekischen Sprachwissenschaft und deren Ziele, Aufgaben und Analysemethoden siehe Ne’matov (2009). Lexikalisch-semantische Graduonymie 36 male der Graduonymie-Relation. Dabei steht die Paradigmatizität der Graduonyme im Vordergrund, wodurch die typischen Eigenschaften der Graduonymie anhand von Wortreihen darcha (die Pforte) ~ eshik (die Tür) ~ darvoza (das Tor) (Tür-Reihe) und gulobi (zartrot) ~ pushti (rosa) ~ qizg’ish (rötlich) ~ qizil (rot) ~ ol (blutrot)~ qirmizi (hochrot) (Rot- Reihe) gezeigt werden. 21 Die Graduonyme einer Reihe haben eine gemeinsame Bedeutung und unterscheiden sich zugleich durch eine bestimmte semantische Eigenschaft voneinander. Dieses allgemeine Ordnungsprinzip eines (graduonymischen) Paradigmas wird in der vorliegenden Arbeit mehrmals erwähnt, unter anderem wird es unter dem Aspekt der Inkompatibilität-Relation bei Graduonymen ausführlicher diskutiert. Die usbekische Beispielreihe darcha ~ eshik ~ darvoza ist äquivalent zu der deutschen Graduonymiereihung die Pforte < die Tür < das Tor, deren Wörter sich aufgrund der gemeinsamen Bedeutung „Vorrichtung zum Verschließen eines Durchgangs“ zu einer Reihe formieren, sich aber durch unterschiedlich starke Ausprägung der Eigenschaft ‘Größe’ bei jedem der Lexeme voneinander unterscheiden (siehe Abb. 1). Anhand der differenzierenden Merkmale [±klein], [±groß], [kleiner als] und [größer als] im Rahmen der Semanalyse versucht Aripzhonova die Bedeutung der Graduonyme zu beschreiben und ihre semantischen Differenzen zu zeigen. Die vorliegende Dissertation vertritt den Standpunkt, dass die Komponentenanalyse für die Bedeutungsuntersuchung bedingt geeignet ist und die Graduonymie merkmalssemantisch nicht umfassend dargestellt werden kann. In einem graduonymischen Paradigma gibt es ein Lexem, dessen Bedeutung allgemeiner ist und eine größere Extension hat, während andere Paradigmaglieder durch spezifischere Bedeutungen charakterisiert sind. Aripzhonova bezeichnet dieses Lexem als Dominante. Die Dominante bildet den Kern, das Zentrum des graduonymischen Paradigmas und von diesem Lexem aus werden andere Lexeme in die Richtung Steigerung oder Verringerung gradweise abgestuft. Die Bedeutung von anderen Lexemen der Reihe wird evident, wenn sie mit diesem Lexem expliziert werden: darcha = eshik + kichik (das Türchen = die Tür + klein); darvoza = eshik + katta (das Tor = die Tür + groß). Aripzhonova betont die Rolle der Dominate in einer Graduonymiereihung, die Stellung dieses Lexems als gleichwertiges Graduonym in der Reihe zieht sie jedoch nicht in Betracht. Auch potenzielle Über- 21 Aripzhonova verwendet als Zeichen gradueller Opposition zwischen Lexemen die Tilde „~“. Lexikalische Semantik im Umfeld graduonymischer Relationen 37 und Unterordnung-Relationen (in der vorliegenden Arbeit wird diese Erscheinung als Mehrebenenhypergraduonymie definiert) zwischen anderen Lexemen einer graduonymischen Gruppe bleibt in Arziphonovas Untersuchung außer Acht. Graduonyme können potenziell in ein und demselben Kontext auftreten. Diese Gesetzmäßigkeit eines Paradigmas setzt die gleiche syntagmatische Umgebung von Graduonymen voraus: Bu darcha/ eshik/ darvoza (Das ist eine Pforte/ eine Tür/ ein Tor). In einer konkreten Redesituation schließen sie einander jedoch aufgrund einer graduellen Eigenschaft aus, die bei Graduonymen in unterschiedlich starkem Maße/ Grade ausgeprägt ist. Aripzhonova charakterisiert die Graduonymie als die mit der Synonymie, Antonymie und Hyponymie verwandte Relation und zeigt anhand von Beispielen deren Gemeinsamkeiten und Unterschiede. Synonymie und Graduonymie überlappen sich in hohem Maße, verfügen jedoch über ein bestimmtes Maß an Differenzen, die die Behandlung der Graduonymie als eigenständige Relation rechtfertigen. Aripzhonova betont, dass Graduonyme oft aufgrund ihrer semantischen Ähnlichkeit im Rahmen der Synonymie behandelt werden. Nach ihrer Ansicht überwiegen zwischen benachbarten Einheiten einer Graduonymiereihung synonymische Verhältnisse. Die vorliegende Arbeit geht davon aus, dass sich auf der Skala in Nachbarschaftsverhältnissen stehende Graduonyme in der Tat durch eine gewisse Bedeutungsüberlappung auszeichnen, indem sie gegeneinander kontextuell ausgetauscht werden. Diese Verwendung fällt jedoch nicht unter die Relation, die in dieser Arbeit als Synonymie betrachtet werden. Kontextuell austauschbare Wörter sind nicht zwingend Synonyme (weder totale noch partielle). Graduonymie hat auch mit der Hyponymie gewisse Gemeinsamkeiten, vor allem bezüglich des vorherrschenden Wortes als Oberbegriff im Paradigma. In der Hyperonymie/ Hyponymie ist die Bedeutung des Oberbegriffs in dem des Unterbegriffs enthalten (Baum hyperonym - Tanne hyponym ) und das Hyponym wird durch zusätzliche Merkmale ergänzt. In der Bedeutung von Hyponymen (Tanne, Kiefer, Fichte, ...) bleibt die Bedeutung des Hyperonyms (Baum) unverändert. In der Graduonymie vereinigen sich auch Wörter, die z.B. verschiedene Schattierungen von Rot ausdrücken, aufgrund des Merkmals „Rot“ in Lexikalisch-semantische Graduonymie 38 eine Gruppe (zartrot - rötlich - rot - blutrot - hochrot). Durch den unterschiedlichen Grad von „Farbsättigung“ stehen sie in Opposition zueinander. Bei der Hyperonymie/ Hyponymie handelt es sich um eine inhaltliche qualitative Spezifizierung und bei der Graduonymie um graduelle Abstufungen derselben Eigenschaft. Aripzhonova deutet auch eine sehr enge Verwandtschaft zwischen der Graduonymie und der Antonymie an. Sie geht auf einige offene Fragen im Antonymie-Bereich bzw. im Bereich der Gegensatzrelationen ein und auch auf solche, die speziell mit der Graduonymie zusammenhängen. Die Wörter in den äußersten Punkten einer Graduonymiereihung betrachtet sie als Antonyme. Auch die Wörter einer mehrgliedrigen graduonymischen Reihe (mehr als drei), die sich auf der linken und rechten Seite eines Mittelbereichs befinden, können nach Aripzhonova als Antonyme interpretiert werden. Die durch einen starken Kontrast gekennzeichneten Gegenpole der graduonymischen Skala können nach der Graduonymie-Auffassung der vorliegenden Arbeit als Antonyme bezeichnet werden. Am meisten zu treffen sind Antonyme unter adjektivischen Graduonymiereihungen: kalt vs. heiß, groß vs. klein; es gibt derartige Fälle aber auch bei anderen Wortarten: Kind vs. Erwachsene, flüstern vs. schreien, kurzlebig vs. ewig. In Kapitel 3.6 werden die Verhältnisse zwischen der Antonymie und Graduonymie diskutiert und unterstrichen, dass lediglich konträre Oppositionspartner, die sich gegenseitig ausschließen, als Antonyme betrachtet werden können. Die Monografie von Bozorov (1995) befasst sich mit den Graduierungserscheinungen in der Sprache ausgehend von Gesetzen der dialektischen Logik. Er analysiert Graduierungen auf den Ebenen der Phonologie (Graduierung in Konsonanten und im Vokalsystem, innerhalb von Phonemen und in der Prosodie), der Lexik (bei Lexemen nach ihren denotativen und konnotativen Bedeutungskomponenten und Phrasemen) und der Grammatik (morphologische Graduierung, Graduierung in Wortarten und in Syntax) und konstatiert die Dialektik als methodologische Basis zur Untersuchung sprachlicher Graduierungen. Sowohl Aripzhonovas als auch Bozorovs Arbeiten gründen auf den Ansätzen der usbekischen substanziellen Sprachwissenschaft, die die Sprache basierend auf den methodologischen Grundsätzen und Prinzipien der funktionalen Linguistik (des Prager Strukturalismus) unter Berücksichtigung der Kategorien und Entwicklungsgesetze dialekti- Lexikalische Semantik im Umfeld graduonymischer Relationen 39 scher Logik untersucht. Substanzialismus unterscheidet dabei an jedem Ding der Wirklichkeit bzw. in der Sprache als Teil deren Manifestation Allgemeines, Wesen, Möglichkeit, Ursache vs. Einzelnes, Erscheinung, Wirklichkeit, Wirkung. Die erste Kategoriengruppe wird als Invarianz in der Sprachstruktur betrachtet und die letztere als Varianz bzw. als Realisierung der ersteren im Sprachgebrauch. Speziell im Fall der Graduonymie vertreten die Autoren die Ansicht, dass sich in jeder Graduonymiereihung die drei eng miteinander zusammenhängenden Entwicklungsgesetze der Dialektik widerspiegeln: - Gesetz des Umschlagens von Quantität in Qualität und umgekehrt, - Gesetz der Negation der Negation, - Gesetz vom Kampf und von der Einheit der Gegensätze. In der graduonymischen Reihe steigert oder verringert sich ein bestimmtes Merkmal innerhalb des Bedeutungsbestandes mehrerer Wörter stufenweise graduell, d.h. quantitativ und verursacht allmählich qualitative Veränderungen, so dass der Zustand eines Objekts in einen anderen übergeht. Eine Graduonymiereihung kommt folglich durch den Umschlag von Quantität in Qualität und umgekehrt zustande. Beide Autoren geben zum Ausdruck der Gesetze des dialektischen Materialismus in der Graduonymie keine genaue Erläuterung und keine Beispiele an. Um diese Auffassungen verständlich zu machen, werden sie hier anhand von Beispielen verdeutlicht. So drückt sich, um das obige Beispiel nochmals aufzunehmen, in den Graduonymen darcha ~ eshik ~ darvoza das Merkmal „Größe“ unterschiedlich stark aus. Ein Gegenstand (eine Vorrichtung zum Verschließen eines Durchgangs), z.B. eshik, hat eine bestimmte Größe. Durch die Zunahme (darvoza) oder Abnahme (darcha) der Größe ändert sich der Gegenstand und es entsteht eine neue Qualität, die eine spezifischere Bedeutung hat. In der Graduonymiereihung kommt das Grundgesetz der Negation der Negation zum Ausdruck, indem im Prozess der Entwicklung eine Qualität negiert wird, die dadurch neu entstehende Qualität wird aber auch negiert. In der Graduonymiereihung darcha ~ eshik ~ darvoza negiert jeder Ausdruck den anderen bezüglich des differierenden Merkmals ‘Größe’. Das Lexem darcha wird durch das Lexem eshik negiert, in dem ‘Größe’ stärker auftritt. Auf der nächsten Stufe wird das Lexem eshik durch die stärkere Ausprägung von ‘Größe’ von darvoza negiert. Lexikalisch-semantische Graduonymie 40 Bei dem dritten Grundgesetz der Dialektik in Bezug auf die Graduonymie wird von der Annahme ausgegangen, dass die Wörter, die miteinander unverträglich sind und sich negieren, sich einander gleichzeitig bedingen und eine Einheit bilden. Die Graduonyme darcha ~ eshik ~ darvoza sind hinsichtlich der graduellen Eigenschaft ‘Größe’ miteinander inkompatibel, bedingen sich aber aufgrund ihrer gemeinsamen Bedeutung notwendigerweise und vereinen sich zu einer graduonymischen Wortreihe. Die Graduonyme werden in diesen Arbeiten in Bezug auf dialektische Grundgesetze keiner umfassenden empirischen Untersuchung unterzogen und die Aussagen sind unzureichend argumentiert. In der Theorie begnügt man sich oft mit guten und wenigen prototypischen Beispielen, die die breite Palette von Möglichkeiten von vielfältigen Graduonymie-Erscheinungen nicht abdecken können. Sie stellen i.d.R. Idealfälle dar. Dennoch spielen für die Untersuchung der Graduonymie des Deutschen die aufgeführten Arbeiten eine wichtige Rolle und dienen als Ausgangspunkt theoretischer Überlegungen. 2.6 Skalarität der Graduonymiereihungen In der Linguistik liegen zum Thema der graduell-kontrastiven Bedeutungsbeziehungen zwischen Ausdrücken vereinzelte Untersuchungen vor, die sich auf den einen oder anderen Aspekt des Themas beziehen. Sie werden in den folgenden Kapiteln 2.6.1 bis 2.6.3 eingehender diskutiert. Im engen Sinne liegt einer Graduonymiereihung eine Skala zugrunde, auf der sich Lexeme hinsichtlich der graduellen Ausprägung eines Merkmals aneinanderreihen. Skalen spielen insbesondere in der Implikaturentheorie eine Rolle (siehe darüber Kap. 6). In Bezug auf Skalierbarkeit muss erwähnt werden, dass die Skalen in diesem Zusammenhang nicht nur wie im vorliegenden Fall solche der Graduonymie einschließen. Für die Entstehung einer Quantitätsimplikatur werden die Elemente einer Menge nach dem Grad ihrer Informativität skaliert. Es lassen sich also nach ihrer Informativität Skalen mit beliebigen inkompatiblen lexikalischen Einheiten bilden. Entscheidend ist für die Skalarität der Graduonyme die Zugehörigkeit zu derselben Merkmalsdimension einerseits und die Auszeichnung ei- Lexikalische Semantik im Umfeld graduonymischer Relationen 41 nes Bedeutungsbestandteils jeweils in unterschiedlichem Grad und die darauf basierende Werteskala andererseits. Letztere bietet eine Differenzierungsmöglichkeit von anderen Informativitätsskalen. Die mit der Graduonymie-Struktur im engsten Zusammenhang stehenden Skalentheorien bieten Lyons (1980), Cruse (1980) und van Os (1989). Im Folgenden wird auf wichtige Aspekte aus deren Untersuchungen eingegangen. In der Literatur kommen in der Regel, wenn es um die Skalarität der Ausdrücke geht, vor allem Adjektive in Frage. Lyons (1980) bildet seine Skalentheorie auf der Grundlage adjektivischer Beispiele. Auch Cruse (1980) analysiert die Skalarität von graduierbaren komplementären, die als „Entdeckung einer besonderen Art Kategorie komplementärer Adjektive“ (Kastovsky (Hg.) 1980, S. 7) bezeichnet wird. Ein weiterer Aspekt von Cruse’ Skalarität bezieht sich auf nicht verzweigende Hierarchien bei lexikalischen Konfigurationen, die auch Nomen einschließen. Van Os (1989) hebt neben adjektivischen zudem die Existenz von substantivischen und verbalen Skalen hervor und versucht, sie zu etablieren. 2.6.1 Skalen bei Lyons Wie bereits erwähnt, besteht die Relation der Inkompatibilität nach Lyons innerhalb einer Menge von Ausdrücken, die der Art ihrer Anordnung nach in Serien (serielle Anordnung) und Zyklen (jedes Lexem wird zwischen zwei anderen angeordnet: {Frühling, Sommer, Herbst, Winter}) unterteilt werden (vgl. Lyons 1980, S. 297ff. nach Lehrer 1974). Relevant ist für diesen Kapitel Lyons’ Serien-Ansicht. Serien sind Mengen mit zwei äußersten Lexemen (wenn die Menge geschlossen ist) und die übrigen Mitglieder befinden sich jeweils zwischen zwei anderen. Bei seriell geordneten Mengen unterscheidet Lyons weiterhin in Bezug auf die Graduierbarkeit 22 der konstituierenden Lexeme Skalen und Grade (siehe Abb. 6). {heiß, warm, kühl, kalt } und {ausgezeichnet, gut, mittelmäßig, dürftig, schlecht, miserabel} sind Beispiele für Skalen. Die Menge {General, ... Unteroffizier, Soldat} zählt zu Graden. Die definitorischen Unterschiede zwischen Skalen und Graden bestehen darin, dass Skalen bezüglich weiterer Lexeme offen und die Ska- 22 Lyons nennt das grading; es ist mit der Komparation (Vergleich) verknüpft (vgl. Lyons 1989, S. 473). Lexikalisch-semantische Graduonymie 42 lenelemente gradierbar, d.h. komparativfähig sind. Die Lexeme in Graden sind ungraduierbar und jedes Lexem hat eine feste Stellung innerhalb der Menge. Nicht-binäre Kontraste seriell zyklisch Skalen Grade Zyklen Abb. 6: Semantische Relation der Inkompatibilität bei nicht-binären Kontrasten (nach Lyons 1980) Obwohl Lyons seine Skalen-Auffassung auf adjektivische Beispiele beschränkt, treffen die kennzeichnenden Merkmale seiner Skalen ebenso auf Graduonymiereihungen zu, und zwar nicht nur auf adjektivische, sondern auch auf Graduonymieskalen anderer Wortarten. Er bezeichnet Skalen wie {ausgezeichnet, gut, mittelmäßig, dürftig, schlecht, miserabel} als indeterminiert, denn noch weitere Wörter wie hervorragend, furchtbar könnten hinzugefügt werden. Das heißt, eine Skala ist in Bezug auf weitere Mitglieder offen. Die Ausdrücke gut : schlecht bestimmt Lyons innerhalb der Menge als Antonyme, die als stilistisch neutraler und als allgemeiner anwendbar als die anderen identifiziert werden können. Die Skala {heiß, warm, kühl, kalt } im Deutschen hält er für ungewöhnlich, weil sie ein äußeres und ein inneres Antonympaar enthält: heiß : kalt und warm : kühl. Diese Skala kann durch die äußersten Elemente eiskalt und kochend erweitert werden. In der Menge {kochend, heiß, warm, kühl, kalt, eiskalt} können eiskalt und kochend als skalare Gegenteile beschrieben werden (vgl. Lyons 1980, S. 299). Die Grade haben eine strengere Anordnung als Skalen. Die Bewertungsskala für Examenskandidaten fällt beispielsweise in diese Kategorie: {ausgezeichnet, gut, durchschnittlich, mittelmäßig, dürftig}. Sie sind im Falle der erwähnten Leistungsbewertung als seriell geordnete Menge von inkompatiblen und ungraduierbaren Ausdrücken aufzufassen. „[...] die Bedeutung eines jeden Lexems wird durch seine Stellung innerhalb der Grade determiniert.“ (Lyons 1980, S. 299). Weitere Beispiele für Grade zeigen sich innerhalb der militärischen Ränge wie {Gene- Lexikalische Semantik im Umfeld graduonymischer Relationen 43 ral, ... Unteroffizier, Soldat} oder Numeralia {eins, zwei, ... zwölf, ... hundert...} (Lyons 1980, S. 299f.). Die von Lyons genannten Eigenschaften von Skalen und Graden sind auch für Graduonyme spezifisch und die gewonnenen Graduonymiereihungen schließen nach der bisherigen Graduonymie-Auffassung Lyons’ Skalen und Graden ein. 2.6.2 Skalen bei Cruse Skalen und das Prinzip der Skalarität sind in Cruse’ Arbeiten (1980, 1986, 2002, 2004) ein wichtiger Themenbereich. Er behandelt unterschiedliche Bedeutungsbeziehungen und lexikalische Konfigurationen mit einem skalaren Ordnungsprinzip. Darunter zählen Antonyme, graduierbare Komplementäre, rank-, degree- und grade-terms innerhalb von „non-branching hierarchies“ (nicht-verzweigenden Hierarchien). Die Skalarität der Antonyme ist ein weit verbreitetes Phänomen. Darauf wird an geeigneter Stelle noch eingegangen. Hier werden zunächst gradable complementaries und die Untertypen von non-branching hierarchies diskutiert. Hierarchien bei lexikalischen Konfigurationen haben spezifische Typen wie taxonomische Hierarchien (taxonomic hierarchies), Teil-Ganzes Hierarchien (part-whole hierarchies) und nicht-verzweigende Hierarchien (non-branching hierarchies) (vgl. Cruse 1986, S. 112). Für das Ziel dieser Arbeit sind Cruse’ non-branching hiearchies von Interesse. Es gibt viele Mengen von lexikalischen Einheiten, die eine nicht-verzweigende Hierarchie bilden. Das Prinzip einer nicht-verzweigenden Hierarchie ermöglicht eine Ordnung der Mengenelemente aufgrund einer besonderen Reihenfolge mit einem ersten und letzten Element (d.h. nicht in einem Zyklus). Die Relation innerhalb dieser Menge ist asymmetrisch (asymmetric) und kettenbildend (catenary). Eine derartige Ordnungsrelation muss in gewissem Sinne den Bedeutungen von Elementen oder mindestens von einigen Elementen innerhalb der geordneten Menge inhärent sein. Die Differenzen zwischen inhärenten und nicht-inhärenten Ordnungen illustrieren folgende Beispiele: 1) mound, hillock, hill, mountain 2) mouse, dog, horse, elephant Lexikalisch-semantische Graduonymie 44 Beide Mengen könnten in Bezug auf Größe geordnet werden: 1) A mountain is bigger than a hill. A hill is bigger than a hillock. A hillock is bigger than a mound. 2) An elephant is bigger than a horse. A horse is bigger than a dog. A dog is bigger than a mouse. Doch, trotz der Gemeinsamkeit hat nur die Menge 1) eine inhärente Ordnungsrelation. 1) und 2) weisen wichtige semantische Unterschiede auf und diese Differenzen werden ersichtlich, wenn die Gruppenelemente attribuiert werden: a) We saw a dwarf elephant which was smaller than a horse. b) ? Behind the house is a dwarf mountain, smaller than a hill. Das semantische Merkmal „relative size“ in der Menge 1) nennt Cruse criterial und in der Menge 2) expected. Dieses Merkmal wird im Rahmen eines Implikationstests festgestellt: It’s a mountain entails It’s bigger than a hill It’s an elephant does not entail It’s bigger than a horse Die Elemente in 1) bilden nicht nur eine geordnete Reihenfolge, sondern sie stellen auch die Grade der abgestuften Eigenschaft, nämlich der Größe, vor. Bei mehreren geordneten Mengen bezeichnen die konstituierenden lexikalischen Einheiten unterschiedliche Werte von zugrundeliegenden Eigenschaften. Cruse konstatiert hierbei zwei bestimmte Typen von Skalen: solche, die kontinuierlich variieren, und solche, die sich in diskreten Sprüngen verändern (vgl. Cruse 1986, S. 192). - Lexikalische Einheiten, die auf einer diskontinuierlichen Skala angeordnet werden, werden rank-terms (..., colonel, lieutenant-colonel, major, captain, ...) genannt. Solche Begriffe eignen sich nicht für Graduierung durch Komparation. Die Merkmale von rank-terms ändern sich nicht kontinuierlich: Weder kann ein major auf einem höheren Rang als ein anderer major, noch kann man normalerweise sagen: ? John is only just a major - Bill is nearly a lieutenant-colonel. Lexikalische Semantik im Umfeld graduonymischer Relationen 45 Neben Bezeichnungen für militärische Ränge sind natürliche Zahlen die wichtigsten Beispiele für rank-terms. - Begriffe, die eine kontinuierliche Skala bilden, können graduierbar oder nicht graduierbar sein; die nicht graduierbaren Begriffe werden degree-terms, die graduierbaren werden grad-terms genannt. Die Prüfungsbewertungen fail, pass, credit, distinction sind Beispiele für degree-terms. Zwischen diesen degree-terms und den typischen rank-terms besteht ein Unterschied: Während ein major keinen höheren Rang als ein anderer major haben kann, kann eine Bewertung mit pass höhere akademische Verdienste bedeuten als eine andere Bewertung mit pass. Daher ist es normal zu sagen: John just scraped a pass, but Bill nearly got a credit. Weitere Beispiele für degree-terms sind: baby, child, adolescent, adult; parr, smolt, grilse, kelt; egg, caterpillar, chrysalis, butterfly. - Grade-terms unterscheiden sich von degree-terms durch ihre Graduierbarkeit anhand des Komparativs. Es sind hauptsächlich Adjektive: freezing, (cold), cool, warm (hot), scorching atrocious, (bad), indifferent, average, fair, (good), excellent minuscule, tiny, (small), (big), huge, gigantic Die in Klammern gesetzten Wörter sind nach Cruse nicht strikt inkompatibel mit ihren Nachbarn, decken aber Skalenbereiche ab, die andere Elemente nicht erfassen. Die Grenzen zwischen grade-terms sind typischerweise vage, aber die Vagheit ist weniger ausgeprägt, wenn die Ausdrücke miteinander explizit kontrastiert werden. Cruse’ und Lyons’ Skalen-Auffassungen überschneiden sich in hohem Maße. Cruse’ Angaben zu Charakteristika von unterschiedlichen Skalentypen sind noch detaillierter und gehen mit denen von graduonymischen Skalen konform. Im Rahmen dieser Arbeit werden noch keine Untertypen graduonymischer Skalen unterschieden. Aber wie schon in Bezug auf Lyons’ serielle inkompatible Mengen erwähnt wurde, inkludiert die Graduonymie alle drei Skalentypen innerhalb von nichtverzweigenden Hierarchien. Sowohl streng geordnete rank-terms (major, colonel, ... ; first, second, ... ) als auch degree-terms (baby, child, adolescent, adult; mound, hillock, hill, mountain) als auch grad-terms (freezing, (cold), cool, warm, (hot), scorching; minuscule, tiny, (small), (big), huge, gigantic) werden graduonymischen Skalen zugerechnet. Lexikalisch-semantische Graduonymie 46 Weitere Ausführung Cruse’ zu Skalen betreffen graduierbare Komplementäre. Er unterscheidet als Untertyp der Antonymie (i.w.S.) gradable complementaries innerhalb der Gegensätze clean - dirty, safe - dangerous. Sie sind antonyme Adjektive, die einerseits komplementär und andererseits steigerbar sind. Komplementär deswegen, weil zwischen ihnen eine logisch-kontradiktorische Opposition besteht: x is clean ⇒ x is not dirty x is not clean ⇒ x is dirty Die Aussagen x is clean und x is dirty können weder beide wahr noch beide falsch sein. Im Unterschied zu Komplementären, die durch das Prinzip tertium non datur gekennzeichnet und nicht steigerbar sind, ist den komplementären Adjektiven genauso wie Antonyme die Eigenschaft der Steigerung spezifisch: a) It’s half-clean. b) It’s almost clean. c) It’s clean. Anhand eines Vergleichs von Antonymen (i.e.S.) und komplementären Adjektiven konstatiert Cruse ihre verschiedenartige Skalarität. Hier werden sie nicht weiter diskutiert, denn gradable complementaries weisen zu Graduonymen angesichts der angeführten Tatsachen grundsätzliche Unterschiede auf. Wie Graduonyme werden auch Komplementäre als Inkompatible betrachtet, nämlich als Elemente von twoterm inkompatible sets (vgl. Lyons 1968, S. 461; Cruse 1980, S. 14f.; Geckeler 1979, S. 459). Auf den ersten Blick ähneln sie also einander. Jedoch, hinsichtlich der zugrundeliegenden Opposition im Rahmen ihrer Inkompatibilitätsrelation unterscheiden sie sich voneinander: Komplementäre stehen in einer kontradiktorischen Opposition zueinander; Graduonyme beruhen hingegen auf einem konträren Gegensatz wie Antonyme (i.e.S.). Anders als gradable complementaries bestehen Graduonyme zwischen mindestens drei Lexemen, d.h., sie sind Elemente eines Mehrgliedparadigmas und aufgrund des Prinzips tertium datur bestimmt (vgl. Nigmatov 1976; Geckeler 1979, S. 459). Komplementäre bzw. komplementäre Adjektive sind hingegen Elemente in einem Zweierparadigma. Aus diesen Tatsachen ergibt sich, dass es zwischen der Skalarität von Graduonymen und der von Antonymen Lexikalische Semantik im Umfeld graduonymischer Relationen 47 aufgrund ihrer wesenhaften Gemeinsamkeiten Übereinstimmungen gibt, nicht aber mit der von gradable complementaries. 2.6.3 Skalen bei van Os Van Os (1989) unterscheidet das Phänomen der Intensivierung als funktional-semantische Kategorie der Verstärkung und der Abschwächung, die nicht nur zwischen Einzellexemen oder Lexemgruppen vorliegt, sondern auch weitere Vorkommnisse umfasst. Als Erscheinungsformen der Intensivierung führt van Os (1989, S. 1) folgende Beispiele an: 1.1) Er ist blau wie ein Veilchen. 1.2) Er ist stockbesoffen. 1.3) Er lügt, dass sich die Balken biegen. 1.4) Ich finde ihn gut, ja sogar großartig. 1.5) Ich bin KRANK ! 1.6) Das wäre vielleicht die Chance meines Lebens. 1.7) ... ich sei zu Tode erschrocken. 1.8) ... da ich die Gewissenhaftigkeit in Person bin. 1.9) Die Kinder waren so blöd, dass sogar der Vater es bemerkte. 1.10) Er machte einen fürchterlichen Krach. Er schlägt den Terminus ‘Intensivierung’ als übergreifende Bezeichnung für alle Erscheinungsformen der Ausdrucksverstärkung und -abschwächung vor, die in der Literatur terminologisch unter verschiedene Begriffe fallen. Unter Intensivierung fasse ich alle Erscheinungsformen der Ausdrucksverstärkung und -abschwächung. Weil die Erscheinungsformen der Intensivierung quer durch die grammatischen Kategorien verlaufen, nehme ich eine invariante Funktionsbedeutung an, die durch sprachliche Mittel verschiedener Ebenen ausgedrückt werden kann und die eine Bedingung für eine einheitliche Erfassung und für eine zusammenhängende Beschreibung ist. ‘Intensivierung’ wird hier als übergreifender Terminus vorgeschlagen. In der Literatur findet man dafür eine ganze Reihe von Bezeichnungen wie ‘Steigerung’, ‘Grad’, ‘Graduierung’, ‘grading’, ‘gradation’, ‘scaling’ u.ä. (van Os 1989, S. 1) Van Os befasst sich mit einer weiten Auffassung des Intensivierungsphänomens, das zudem die Erscheinungen einschließt, die Gegenstand der vorliegenden Arbeit sind. In 1.4) in der Beispielliste wird Lexikalisch-semantische Graduonymie 48 auch die lexikalische Intensivierung am Beispiel gut und großartig im Rahmen eines Suspendierungstests 23 präsentiert: Ich finde ihn gut, ja sogar großartig. Zu den zentralen Begriffen, die zur Definition der Intensivierung unabdingbar sind, zählt van Os Begriffe des Vergleichs, der Wertung, der Skalierung, der Dimension und der Quantifikation, die aufeinander beziehbar sind. Wertung und Skalierung sind ohne Vergleich nicht möglich, für die Skalierung ist der Begriff Dimension eine notwendige Bedingung und Quantifikation ist gewissermaßen der Oberbegriff, so dass die Intensivausdrücke im Rahmen der natürlichsprachlichen Quantifikation beschrieben werden können. (van Os 1989, S. 82) Ausschlaggebend ist van Os’ Auffassung zu Skalarität und Skalen, die er basierend auf Untersuchungen in diesem Bereich (Jacobs 1983; Cruse 1980; Rusiecki 1985; Hübler 1983; Bolinger 1977 etc.) behandelt. Ausgehend von van Os’ Typologie der Skalen werden hier die relevanten Aspekte von Skalen dargestellt und anschließend wird nach diesen Aspekten in einer Auflistung ein allgemeiner Überblick über 71 Graduonymieskalen präsentiert, in der sie entsprechend klassifiziert werden. Bewertende Rangfolgen bezeichnet van Os als Skalen. Die Adjektive {riesig, groß, klein, winzig} haben eine lineare Anordnung, denen nach van Os (1989, S. 59) eine Skala zugeordnet werden kann. Van Os nennt Adjektive, Substantive oder Verben in solchen Reihungen „skalare Prädikate“. Die Rangfolge der Punkte (oder: Bereiche) auf der Skala ist nach van Os eine der wichtigsten Eigenschaften der Skala (vgl. ebd., S. 24f.). Nach Atlas (1984, S. 350) und Jacobs (1983, S. 131ff.) vertritt van Os den Standpunkt, dass mehrere Lexeme auf derselben Skalenstufe eingeordnet werden können. Dabei „bekommt jede Stufe eine Rangnummer, wobei 1 die niedrigste ist“ (1989, S. 25). In der von Atlas angeführten adverbialen Skala <quite/ wholly/ entirely, just not, all but, almost, nearly, mostly/ mainly, rather, partly> sollten dementsprech- 23 Bei dem Suspendierungstest handelt es sich um eine Methode, mithilfe derer Intensitätsstufen von Lexemen festgestellt und folglich in eine Rangfolge gebracht werden. Zum Beispiel werden in der Satzkonstruktion Er war ziemlich, wenn nicht sehr zufrieden die Lexeme ziemlich und sehr gegenübergestellt (vgl. Horn 1969; van Os 1989). Lexikalische Semantik im Umfeld graduonymischer Relationen 49 end quite/ wholly/ entirely als [<quite,8>, <wholly,8>, <entirely,8>] erfasst werden (vgl. ebd., S. 24f.). Dies wäre eventuell eine Lösung der Problematik, weil auch bei der Graduonymie-Relation das Problem der Rangfolge der Graduonyme in den Fokus gerät. Die nach dem Merkmal ‘Temperatur’ oder ‘Kälte’ formierte adjektivische Reihenfolge involviert etwa Elemente wie frisch < kühl < kalt < eiskalt. Diese Ausdrücke sind stilistisch neutral. Für jedes Element der Reihe finden sich zudem im Wortschatz mehrere sinnverwandte Partner, durch welche die Reihe erweitert werden könnte oder diese Wörter, nach Atlas’ und Jacobs’ Auffassung (vgl. van Os 1989, S. 23ff.), auf denselben Skalenstufen eingeordnet werden sollten. Im Wortschatz sind beispielsweise zahlreiche Wörter vertreten, die den höchsten Grad der ‘Kälte’ ausdrücken und emotional verstärkende Eigenschaft haben sowie umgangssprachlich, salopp konnotiert sind: frostig, eisig, hundekalt, saukalt, arschkalt, scheißkalt, mordskalt etc. Sie sind mit dem Supremum 24 eiskalt partiell synonym. Auch im Graduonymie-Fall wird bezüglich der Rangordnung der Wörter mit zusätzlichen stilistischen Wirkungen einer stilistisch neutraler Skaleneinheit die Entscheidung getroffen, dass sie als gleichrangige Graduonyme auf denselben Skalenpunkt eingeordnet werden können: frisch < kühl < kalt < eiskalt/ frostig/ eisig/ hundekalt/ saukalt/ arschkalt/ scheißkalt/ mordskalt. Allerdings unterscheiden sich diese Wörter durch ihre Verwendungsbedingungen voneinander. Skalarität der lexikalischen Einheiten stellt zudem in den formal-semantischen Ansätzen den Gegenstand zahlreicher Untersuchungen dar. Die auf der Grundlage von Grice’ konversationaler Implikaturentheorie entwickelte Theorie der skalaren Implikaturen (vgl. Horn 1972, 1989; Gazdar 1979; Hirschberg 1991) beschäftigt sich mit Intensivierungsstufen von sprachlichen Elementen. Mithilfe der von Horn (1972) vorgeschlagenen Suspendierungstests können Ausdrücke in eine Rangfolge gebracht werden: Ich mag dich, ich liebe dich sogar. Weitere Klassifizierungsversuche in Bezug auf Intensivierungsstufen in der Literatur wird von van Os (vgl. 1989, S. 94ff.) ausführlicher diskutiert. Diese Arbeit setzt sich in Kapitel 6 im Rahmen von operationalen Verfahren mit Hornschen skalaren Ausdrücken eingehender auseinander. 24 Supremum ist der höchste Wert der Skala; der niedrigste Wert der Skala wird als Infimum bezeichnet (vgl. van Os 1989, S. 27). Lexikalisch-semantische Graduonymie 50 2.7 Dimension der Skala und Klassifizierung von Graduonymiereihungen nach ihrer Dimension Einen weiteren Anknüpfungspunkt bietet van Os, indem er das Verhältnis zwischen skalaren Prädikaten bzw. Abstände zwischen ihnen sowie Ursprung und Nullpunkt der Skala als wichtigste Eigenschaften der Skala unterstreicht. Auch die Rolle der Dimension innerhalb einer Skala hebt er hervor: Intensivausdrücke finden sich nicht nur in Sätzen, sondern auch im Lexikon und zwar in Form von Lexemen, die jeweils in Bezug auf eine spezifische Dimension in einem ‘mehr als’- oder ‘weniger als’-Verhältnis aufeinander beziehbar sind. So gesehen ist die Intensivierbarkeit auch im Lexikon gegeben und beschreibbar. (van Os 1989, S. 82) Zwischen Graduonymen besteht ebenfalls eine „> - oder < - Relation“ (ebd., S. 59) und die Dimension ist genauso „eine notwendige Bedingung“ (ebd., S. 82) für die Skalierung von Graduonymen. Was die Dimension der Skala ist, gibt van Os nicht explizit an. Es findet sich bei Geckeler eine Definition der Dimension, die er für die Wortfeldanalyse aus F.G. Lounsburys (1964) Instrumentarium übernommen hat und die m.E. der Dimension von van Os entspricht, wenn er schreibt: Unter einer Dimension wollen wir einen „Gliederungsgesichtspunkt“ [...] verstehen, der in einem Wortfeld wirksam ist und der sozusagen die Skala für die Oppositionen zwischen bestimmten Lexemen dieses Wortfeldes abgibt [...]. (Geckeler 1971, S. 246) Basierend darauf, dass der Begriff ‘Dimension’ für Skalen von grundlegender Bedeutung ist (vgl. van Os 1989, S. 24), werden im Folgenden für die ausgewählten 71 graduonymischen Reihungen Dimensionen bestimmt und dementsprechend typisiert. Jede Reihe ist dabei durch ein Merkmal/ eine Eigenschaft (oder mehrere Merkmale oder Eigenschaften) und eine Wortart charakterisiert. Zuvor wird darauf eingegangen, wie diese Reihen zustande gekommen sind. Der Untersuchung des Graduonymie-Phänomens des Deutschen liegt eine umfangreiche Datensammlung als empirische Basis zugrunde. Bei dieser Datensammlung handelt es sich um ca. 300 vermeintliche 25 nominale, verbale, adjektivische, adverbiale, pronomina- 25 Die Autorin kommt nach der Untersuchung semantischer Relationen zu der Auffassung, dass sich innerhalb dieser Datensammlung abgesehen von den graduonymi- Lexikalische Semantik im Umfeld graduonymischer Relationen 51 le, präpositionale und interjektionelle Graduonymiereihungen, worunter substantivische, verbale und adjektivische Reihen am meisten vertreten sind. Die Ausgangsdaten basieren auf der Auswertung von Wörterbüchern des Deutschen und auf Intuition (der Autorin sowie muttersprachlicher Informanten). Die auf Intuition basierenden Graduonymiereihungen wurden zum Teil zusätzlich mit Wörterbuchangaben überprüft. Bei der Datenauswahl wurden sowohl Printwörterbücher wie Wahrig (1986), Duden Bedeutungswörterbuch (1986), Wörterbuch Synonyme (Görner/ Kempcke 2005) und Nemeckorusskij sinonimiceskij slovar’ (Rachmanov 1983) als auch die elektronischen Wörterbücher Duden Synonymwörterbuch (2004b), Duden Deutsches Universalwörterbuch neu (2004c) der Software PC-Bibliothek (1993- 2001) verwendet. Eine Mehrzahl der Graduonymiereihungen wurde innerhalb von Synonymgruppen und sinnverwandten Wörtern der Synonym- und Bedeutungswörterbücher „entdeckt“. Ein Teil der Daten wurde zudem aus den allgemeinen Definitionswörterbüchern des Deutschen herausgefiltert, in denen sie ohne Berücksichtigung ihrer Bedeutungsbeziehungen isoliert behandelt werden. Bei den im Folgenden aufgeführten 71 Graduonymiereihungen handelt es sich um die Daten, die im Rahmen der vorliegenden Dissertation als Umfragematerial genutzt wurden (siehe Kap. 4). Nicht alle angeführten Graduonymiereihen sind unstrittig. Von daher unterstreiche ich hier, dass es sich hierbei um noch nicht empirisch umfassend analysierte Reihungen und ihre erste vorläufige Klassifizierung handelt. Klärungsbedürftig sind in einigen Fällen die Festlegung der Dimensionen der Reihen sowie die Fragen, ob Augmentativbildungen (Gluthitze, bitterkalt, glühend heiß), Diminutiva (Bächlein, Flüsschen) und Mehrwortausdrücke (zweistöckiges Haus, mehrstöckiges Haus) in die Reihen miteinbezogen werden sollen. Dimension ALTER (wie alt? ) 1) das Neugeborene < der Säugling < das Kleinkind < das Kind < das Vorschulkind < das Schulkind < der/ die Jugendliche < der/ die Erwachsene schen zudem Paradigmen mit anderen Ordnungsprinzipien (z.B. zyklische Anordnungen und/ oder direktionale Oppositionen) befinden. Lexikalisch-semantische Graduonymie 52 2) der Junge/ das Mädchen < der Mann/ die Frau < der/ die Alte < der Greis/ die Greisin 3) die Saat < der Keim < der Halm 4) der Setzling < der Spross < der Baum 5) das Ei < das Küken < das Huhn 6) das Ei < die Larve < die Libelle 7) das Ei < die Raupe < die Puppe < der Schmetterling 8) das Ei < der Engerling < der Maikäfer 9) das Fohlen < das Enter < das Pferd 10) der Laich < die Kaulquappe < der Frosch 11) das Kalb < die Färse/ der Farre < der Stier/ die Kuh 12) der Frischling < der Überläufer < der Keiler 13) geboren werden < reifen < erwachsen werden < in die Jahre kommen < altern < vergreisen 14) alt < steinalt < uralt Dimension TEMPERATUR (wie kalt/ warm? ) 15) der Frost < die Kälte < die Wärme < die Hitze < die Gluthitze 16) frisch < kühl < kalt < bitterkalt 17) frostig < kalt < mild < warm < heiß < glühend heiß 18) gefrieren < erkalten < (sich) abkühlen < (sich) erwärmen < (sich) erhitzen Dimension GRÖSSE (wie groß? ) 19) die Pforte < die Tür < das Tor 20) das Dorf < die Kleinstadt < die Stadt < die Großstadt < die Metropole 21) die Lache < der Teich < der See < das Meer < der Ozean 22) das Rinnsal < das Bächlein < der Bach < das Flüsschen < der Fluss < der Strom 23) der Hain < der Wald < die Waldung < der Dschungel 24) die Hütte < das Haus < der Palast < das Schloss 25) winzig < klein < mittelgroß < groß < riesig < gigantisch Lexikalische Semantik im Umfeld graduonymischer Relationen 53 Dimension HÖHE (wie hoch? ) 26) der Bungalow < zweistöckiges Haus < mehrstöckiges Haus < das Hochhaus < der Wolkenkratzer 27) der Hügel < der Berg < das Gebirge Dimension INTENSITÄT (wie sehr? / wie intensiv? ) - VORGÄNGE / HANDLUNGEN 28) achten < schätzen < ehren < verehren 29) rumoren < poltern < lärmen < toben 30) kichern < gackern < lachen < sich totlachen 31) nachdenken < reflektieren < sinnieren < grübeln < brüten < sich den Kopf zerbrechen 32) balgen < zanken < streiten 33) erblicken < betrachten < mustern < (an)starren 34) wimmern < weinen < heulen 35) glühen < schwelen < brennen < flammen < lohen < lodern 36) glimmen < schimmern < scheinen < leuchten < strahlen 37) flüstern < sprechen < rufen < schreien < brüllen 38) sich freuen < strahlen < triumphieren 39) mögen < lieben < anbeten < anhimmeln 40) die Brise < der Wind < die Bö < der Sturm < der Orkan 41) die Ausdauer < die Geduld < die Engelsgeduld 42) der Anfänger < der Fortgeschrittene < der Profi - ZUSTAND (wie intensiv ist der Zustand? ) 43) der Schlummer < der Schlaf < der Tiefschlaf 44) heiter < freudig < glücklich < überglücklich < selig 45) muffig < übelriechend < stinkig 46) einsam < verlassen < mutterseelenallein 47) gebraucht < abgenutzt < alt 48) unpässlich < krank < todkrank Lexikalisch-semantische Graduonymie 54 - EIGENSCHAFT (wie intensiv ist die Eigenschaft? ) 49) die Eignung < die Befähigung < die Begabung 50) gut aussehend < hübsch < schön 51) rosa < zartrot < rötlich < rot < blutrot < hochrot 52) nett < reizend < entzückend 53) tapfer < mutig < kühn < verwegen 54) weich < mild < gnädig < gerecht < streng < hart 55) ausdauernd < hartnäckig < stur 56) begabt < hochbegabt < genial 57) keck < frech < dreist < unverschämt 58) arbeitsscheu < faul < stinkfaul Dimension MENGE (wie viel? ) 59) jemand < viele < alle 60) etwas < viel < alles 61) einer < beide < viele < alle 62) mehrere < viele < alle 63) einigermaßen < ziemlich < größtenteils < vollends 64) leer < halbvoll < voll 65) nichts < kaum < wenig < teilweise < einigermaßen < ziemlich < fast < beinahe < ganz Dimension DAUER (wie lang? ) 66) kurzlebig < vorübergehend < dauerhaft < ewig 67) gelegentlich < häufig < ständig < ewig Dimension GESCHWINDIGKEIT (wie schnell? ) 68) rieseln < rinnen < laufen < fließen < strömen < fluten 69) trippeln < laufen < sausen < rennen < rasen Dimension WAHRSCHEINLICHKEIT (wie wahrscheinlich? ) 70) möglicherweise < vermutlich < wahrscheinlich < sicher 71) kaum < wohl < sicherlich Lexikalische Semantik im Umfeld graduonymischer Relationen 55 Die Frage zur Feststellung der Dimensionsbezeichnung und die damit zusammenhängenden Begriffe „Markiertheit“ bzw. „Unmarkiertheit“, „Neutralisierbarkeit“ und „Polarität“ werden hier nicht weiter diskutiert. 26 Diskutiert wird die Entwicklung gemeinsamer Merkmale von Elementen der Skalen, die in der Kategorisierung auffällt. Es zeigen sich hierbei Erscheinungen semantischer Kombinationen, die von zweierlei Art sind. Bei dem ersten Typ der semantischen Kombination handelt es sich um die Verschmelzung zweier oder mehrerer denotativer Merkmale, mit anderen Worten: Innerhalb einer Reihung werden zwei oder mehrere Dimensionen sichtbar. Die Gruppe das Neugeborene < der Säugling < das Kleinkind < das Kind < das Vorschulkind < das Schulkind < der/ die Jugendliche < der/ die Erwachsene ist durch Altersabstufungen geprägt. Biologische Eigenschaften der Entwicklungs-Kapitel eines Menschen werden zudem von Merkmalen zur kognitiven (geistigen) und seelischen Reifung begleitet, die als redundante Merkmale 27 bezeichnet werden. Relevant ist bei der Zusammenstellung der Reihe das primäre distinktive, also bedeutungsunterscheidende Merkmal ‘Alter’. In der Reihenfolge das Gehölz < der Wald < die Waldung < der Dschungel steigert sich zusammen mit der Vergrößerung des Waldes auch der Begriff der Üppigkeit von Flora und Fauna. Diese Merkmale haben sich in den Bedeutungen der Wörter miteinander vermischt und entwickeln sich gemeinsam: Mit der Ausdehnung des Waldes vermehrt sich die Pflanzen- und Tierwelt im Gehölz, in der Waldung oder im Dschungel. Als differenzierendes Merkmal wird jedoch vor allem ‘Größe’ sichtbar. Anders als im obigen Beispiel ist die Reihenfolge rieseln < rinnen < laufen < fließen < strömen < fluten 28 so strukturiert, dass sowohl die Dimension ‘Geschwindigkeit’ als auch die Dimension ‘Menge’ für die Skalierung relevant sind. 26 Vgl. Coseriu (1988); Lyons (1980); Cruse (1980); van Os (1989); Eggs (2006). 27 Die Dichotomie „distinktiv vs. redundant“ ist ein von der Phonologie in die Lexikologie übertragenes Phänomen. Für die Bedeutungsunterscheidung relevante Merkmale werden distinktive Merkmale genannt, und die nicht bedeutsamen Merkmale redundante (vgl. Ernst 2008, S. 92). 28 Mehr zu diesem Beispiel siehe in Kapitel 3.2. Lexikalisch-semantische Graduonymie 56 2.8 Skalentypen bei der Graduonymie Van Os (1989, S. 57ff.) diskutiert zudem unterschiedliche Skalentypen, die für die vorliegende Arbeit von Bedeutung sind. Adjektive, die in antonymischer oder komplementärer Opposition zueinander stehen, können linear entlang von Skalen angeordnet werden. Skalen sind kontinuierlicher oder diskontinuierlicher Art. Diskontinuierliche Skalen beziehen sich ausschließlich auf echte binäre Oppositionen, d.h. auf nicht intensivierbare komplementäre Adjektive. Für die Bestimmung der kontinuierlichen Skalen werden zwei Kriterien aufgestellt: 1) die Extension der Skala und 2) der neutrale Bereich der Skala (Bolinger 1977, S. 27ff.). Basierend darauf legt Hübler (1983, S. 40f.) vier Skalentypen fest. Hübler unterscheidet zwischen einer unendlichen und einer begrenzten Extension mit absoluten Extremen. Der neutrale Bereich der Skala kann fest oder flexibel sein oder auch nicht bestimmt werden. Nach van Os soll der Begriff ‘Neutralität’ eine andere Verwendung finden. Daher schlägt er anstatt der Begriffe ‘neutraler Punkt’ bzw. ‘neutraler Bereich’ die Termini ‘Übergangsbereich’ oder ‘Extensionslücke’ vor. Im Folgenden werden die Skalentypen von van Os vorgestellt. 1) Skalen mit einem festen neutralen Bereich, zu beiden Seiten offen. Viele Adjektive können entlang einer solchen Skala geordnet werden. 2) hässlich schön ... ... ... Skalen mit einem festen neutralen Bereich, auf einer Seite geschlossen. klein groß ... ... 3) Skalen ohne neutralen Bereich, auf einer Seite geschlossen. sauber schmutzig ... Lexikalische Semantik im Umfeld graduonymischer Relationen 57 4) Skalen ohne neutralen Bereich, zu beiden Seiten geschlossen. leer voll Van Os ergänzt diese Liste mit einem weiteren Skalentyp, der oben und unten geschlossen ist, aber einen neutralen Bereich hat: 5) Nach van Os ist diese Klassifikation nicht vollständig: Die von Hübler vorgeschlagene Einteilung muss aber stark erweitert und verfeinert und hinsichtlich der mengentheoretischen Beschreibung uminterpretiert werden, um den sprachlichen Fakten gerecht werden zu können. (van Os 1989, S. 58) Diese Einteilung von Skalen ist für Graduonymie insofern von Belang, um eine Anordnung nach der Struktur der erstellten oder zu erstellenden Graduonymiereihungen vornehmen zu können. Die Graduonymiereihungen können folglich nach unterschiedlichen Kriterien strukturiert werden: nach dem semantischen Merkmal bzw. der Dimension, nach dem Skalentyp oder nach Wortarten. 2.9 Hypergraduonym - der Oberbegriff einer Graduonymiereihung Die Glieder eines graduonymischen Paradigmas formieren sich oft um ein dominantes Wort (Zentrum, Kern) herum, welches die Bedeutung anderer Wörter subsumiert und den neutralen Grad des steigerungsrelevanten Merkmals aufweist. Generell wird in der Literatur das Kernwort des lexikalischen Paradigmas als Oberbegriff bezeichnet, und es werden je nach der Art des Paradigmas der Sinnrelationen spezielle Termini verwendet. Zum Beispiel wird ein Oberbegriff (übergeordneter Begriff) für untergeordnete Begriffe einer Hyponymiebeziehung als Hyperonym oder Superordinat (Lyons 1980, S. 301) bezeichnet. Für die Gesamtheit einer hierarchischen Partonymie- oder Meronymie-Relation, in der einige Teile in ein Ganzes eingeschlossen werden, wird der Terminus Parteronym (Lutzeier 1995, S. 76) oder Holonym unzufrieden zufrieden ... Lexikalisch-semantische Graduonymie 58 (Cruse 1986, S. 162) verwendet. Ein Wort mit stilistisch neutralen Nebenbedeutungen einer Synonymgruppe wird Grundsynonym, Leitsynonym oder Dominante (Agricola 1982, S. 19; Filipec 1966, S. 270; Schippan 2002, S. 212) genannt. Unter Berücksichtigung der Existenz eines vorherrschenden Wortes auch in einer Graduonymiereihung führt diese Arbeit einen speziellen Fachausdruck ein: Für das Wort, das in einer graduonymischen Reihe als Oberbegriff fungiert, wird der Terminus Hypergraduonym verwendet. Das Hypergraduonym ist aufgrund der Oberbegriff-Funktion durch einen mittleren Grad des zu graduierenden Merkmals gekennzeichnet. In graduonymischer Funktion deckt es ein bestimmtes Spektrum einer steigerungsrelevanten Eigenschaft ab. Die umgebenden Elemente einer graduonymischen Reihenfolge werden je nach dem Steigerungsgrad des Merkmals dem Hypergraduonym zugeordnet. Während die Wörter auf der rechten Seite des Hypergraduonyms die Steigerung eines Merkmals signalisieren, zeigen die Wörter auf der linken Seite die Verringerung dieses Merkmals auf (Abb. 7). In der Hyperonymie-/ Hyponymie-Beziehung spricht man in diesem Fall von der Autohyponymie. Autohyponyme sind Lexeme, die zu sich selbst hyponym sind: Zum Beispiel ist Katze das Hyperonym von Katze und Kater. Autohyponyme sind doppeldeutig: Sie haben eine allgemeinere und eine spezifischere Bedeutung. Das Lexem Rechteck kann zwar auch ein Quadrat bezeichnen, wird aber meistens in der engeren Bedeutung ’ungleichseitiges Rechteck’ verstanden und verwendet und schließt dann Quadrate aus. (Klein 2001, S. 5) Auch in der Graduonymie-Relation können Autograduonyme differenziert werden, die unterschiedlich evident sind: 1) es gibt ein Hypergraduonym/ Autograduonym für alle Skalenelemente; 2) zusätzlich tritt zwischen bestimmten anliegenden Elementen der Skala ein Element als Hypergraduonym/ Autograduonym hervor. Hypergraduonym WIND Brise Sturm Orkan Verringerung der ‘Windstärke’ Steigerung der ‘Windstärke’ Abb. 7: Stellenwert von Wind als Hypergraduonym in der Gruppe Lexikalische Semantik im Umfeld graduonymischer Relationen 59 Die Wörter die Brise, der Wind, der Sturm und der Orkan haben die gemeinsame Bedeutung der spürbaren Bewegung oder Strömung der Luft im Freien. Die Differenz zwischen diesen Ausdrücken zeigt sich im unterschiedlichen Grad der ‘Windstärke’. Dieses Merkmal ist beim einen Wort mehr und beim anderen weniger ausgeprägt. Wind befindet sich im Mittelbereich, so dass die Stärke der Luftbewegung bei diesem Wort neutral ist und damit als Hypergraduonym der Gruppe hervortritt. Die Brise ist der linke Partner des Hypergraduonyms auf der Skala, der durch die Verringerung des Merkmals ‘Stärke’ gekennzeichnet ist, und bei den rechten Partnern Sturm und Orkan steigert sich das Merkmal. Das Hypergraduonym ist gleichzeitig ein gradueller (inkompatibler) Partner zu den anderen Elementen einer graduonymischen Reihe. Es fungiert je nach Kontext sowohl als Oberbegriff, als auch als Graduonym. Die folgenden Korpusbeispiele zeigen diese spezifische Eigenschaft eines Hypergraduonyms am Beispiel von Wind, wo es als Hypergraduonym (1) und als gleichrangiges Graduonym zu Brise (2) auftritt. (1) Wind kann selbst dann Schrecken verbreiten, wenn er als laues Lüftchen säuselt. Als Ende Februar in Großbritannien die Maul- und Klauenseuche ausbrach, konnte schon eine leichte Brise Landwirte ängstigen, deren Höfe nahe bei verseuchten Tierherden lagen. (Mannheimer Morgen, 4.10.2001, Ressort: Welt und Wissen, Der Wind bringt Bewegung in die Natur - aber das ist nicht immer ein Grund zur Freude) (2) Ja, das Problem kennen wir. Ihr Pop-Up Reflektor ist zu wabbelig, als dass Sie ihn bei einer Brise, geschweige denn bei Wind benutzen können. Er beult und biegt sich und produziert daher sogenannte „ COLD - oder auch HOT SPOTS . (www.sunbounce.com/ support/ faq) Für eine graduonymische Reihe ist aber ein Oberbegriff in Form eines Lexems (lexikalisiertes Wort) nicht obligatorisch (vgl. Lyons 1980; Ne’matov/ Rassulov 1995; Blank 2001). Das heißt, eine Graduonymiereihung kann auch ohne Hypergraduonym existieren. Im Falle solcher lexikalischer Lücken werden die Paradigmen durch andere sprachliche Mittel gefüllt. Neben einem für alle Skalenelemente gemeinsamen Hypergraduonym besteht auch zwischen benachbarten Wörtern der Reihe eine Hypergraduonymie-Beziehung. Aufgrund der durchgeführten Datenerhebungen in folgenden Kapiteln wird das hypergraduonymische Ver- Lexikalisch-semantische Graduonymie 60 hältnis beispielsweise von Säugling zu Neugeborenes (in der Kind-Reihe), von Sturm zu Orkan (in der Wind-Reihe) sowie von brüllen zu schreien (in der sprechen-Reihe) bestätigt. 2.10 Graduonymie in der Lexikografie Wie in der Linguistik gibt es bisher auch in der Lexikografie für untereinander graduell verbundene Wörter keinen eigenständigen Relationstyp (siehe Vokhidova 2010b). Im Folgenden werden aus den ein- (deutsch) und zweisprachigen (deutsch-italienisch) Wörterbüchern Beispiele zu Graduonymen angeführt. Es soll sich hierbei nicht um eine systematische Wörterbuchanalyse handeln, sondern um Illustrationen aus Wörterbüchern, die zeigen sollen, welche Position die Graduonyme innerhalb dieser Informationssysteme besitzen. In Printwörterbüchern, in denen in Bezug auf Paradigmatizität vor allem synonymische und antonymische Beziehungen der Wörter in Betracht gezogen werden, werden die Wörter mit gradueller Bedeutungsbeziehung innerhalb einer Synonymgruppe (1, 2) und als Antonyme, die Zwischenbereiche signalisieren (3, 4, 5), repräsentiert: 1) TÜR : Pforte, Tor, Portal (Duden 2004b) 2) LAUFEN : rennen, rasen, sausen (Görner/ Kempcke 2005) 3) hell : [dämmrig] : dunkel (Agricola/ Agricola 1992) 4) beginnen : [andauern] : enden (Agricola/ Agricola 1992) 5) glühend : kochend : heiß: warm : lau : kühl : kalt : eiskalt (Agricola/ Agricola 1992) In computer- und webverfügbaren lexikalisch-semantischen Ressourcen, in denen die Paradigmatik von Wörtern ausführlich behandelt wird, sind die graduell aufeinander bezogenen Wörter innerhalb einer synonymischen (6, 7) oder einer hypero-/ hyponymischen Relation (8) angegeben: 6) LACHEN : kichern, totlachen (Wortschatz-Portal) 7) WEINEN : wimmern, heulen (Wortschatz-Portal) 8) KIND : Neugeborenes, Säugling, Kleinkind, Schulkind (GermaNet) Besonders interessant ist die Beschreibung der Paradigmatik im deutsch-italienischen Lernwörterbuch ELDIT . Die verbalen Graduony- Lexikalische Semantik im Umfeld graduonymischer Relationen 61 me werden in diesem Informationssystem als Troponyme behandelt und innerhalb einer hypero-/ hyponymischen Relation präsentiert, welche die spezielle Art eines Hyperonyms beschreiben. Die nominalen Graduonyme werden in die synonymische (Bedeutungsgleichheit), quasi-synonymische (Bedeutungsähnlichkeit), hyponymische oder antonymische (als Gegenpole) Gruppe integriert. Zudem werden sie nach bestimmten semantischen Merkmalen systematisiert und farblich differenziert dargestellt sowie anhand von Kommentaren und Belegen dokumentiert. Zum Beispiel werden neben den Gruppen VIEL_ SPRECHEN, UNDEUTLICH_SPRECHEN, UNNATÜRLICH_SPRECHEN zum Hyperonym SPRECHEN auch zwei Gruppen ( LAUT_SPRECHEN 9) und LEISE_SPRECHEN 10)) angelegt, die sich auf die Intensität der Lautstärke beziehen. 9) LAUT_SPRECHEN : schreien, brüllen, rufen 10) LEISE_SPRECHEN : flüstern, wispern, murmeln, zischen, brummen ( ELDIT -Wörterbuch) Erwähnenswert ist zudem die Repräsentation von Graduonymen im Online-Wörterbuch elexiko. 29 elexiko teilt den Standpunkt, dass aufgrund der Variabilität von Sinnrelationen lexikalische Ausdrücke in unterschiedliche Beziehungen zueinander treten (vgl. Lutzeier 1995 und Storjohann 2006). Aus diesem Grund werden sie innerhalb einer synonymischen Gruppe behandelt (3): Wind und Sturm stehen in der Relation der Synonymie elexiko-Beleg: (3) In den Einfallsschneisen dieser alles austrocknenden Stürme wurden Hecken gepflanzt, endlose grüne Mauern, die aber die Gewalt der Winde und das Vordringen der Dünen nicht aufhalten. (die tageszeitung, 10.11.2006, S. 1, 6-7, Spätes Erwachen im Treibhaus China) Im Kapitel 5 zur korpuslinguistischen Analyse wird derartige referenzidentische Verwendung von Graduonymen oft beobachtet. Bei dem referenzidentischen Gebrauch von Wörtern geht diese Arbeit von einer Oberbegriff-Relation aus. In Bezug auf den Synonymiebegriff lehnt sich elexiko an das allgemeine lexikografische Verständnis von Synonymie an, in dem unter Synonymie jegliche Form der Bedeu- 29 In Kapitel 5 wird ein systematischer Wörterbuchabgleich zu drei Paradigmen (Kind, Wind und sprechen) anhand von elexiko durchgeführt. Lexikalisch-semantische Graduonymie 62 tungsgleichheit im Text subsumiert wird. Bei der Synonymie-Relation steht somit für elexiko die kontextuelle Verwendung von Ausdrücken im Vordergrund: Während man im Zuge theoretisch-semantischer Überlegungen eine Graduierung semantischer Nähe vorgenommen hat, bleibt in der Lexikografie ein alltagssprachliches Verständnis von Synonymie präsent, für dessen Beibehaltung auch Gründe der Benutzerfreundlichkeit sprechen. Nicht die Art der zugrunde liegenden Synonymie ist für Nachschlagende in Situationen der Textproduktion relevant, wichtig ist vielmehr, unter welchen Umständen die angegebenen Ausdrücke bedeutungsgleich verwendet werden können. [...] Vielmehr sollen die Formen semantischer Äquivalenz und deren sinnrelationales Changieren im Text näher betrachtet und es soll auch nach lexikografischen Lösungsmöglichkeiten bezüglich der Erarbeitung und Integration von Gebrauchsbedingungen gesucht werden. Für diese Zwecke wird im Folgenden vereinfachend und zusammenfassend von Synonymie gesprochen. In Anlehnung an das allgemeine lexikografische Verständnis wird daher nachfolgend unter Synonymie jegliche Form der Bedeutungsgleichheit verstanden, auch losere Formen der semantischen Äquivalenz (kognitive Synonyme und Plesionymie) werden darunter subsumiert. (Storjohann 2006, S. 5f.) Das elexiko-Wörterbuch folgt einem Synonymie-Konzept, in dem der Synonymie-Begriff sehr weit aufgefasst wird. Variablität der Bedeutungen von lexikalischen Einheiten zeigt sich unter anderem in einer Parteronymie/ Partonymie-Relation (4): Wind zu Sturm. elexiko-Beleg: (4) Zu technischen Problemen kam in der Nacht zum Sonntag ein Sturm mit Winden von bis zu 120 Stundenkilometern hinzu, der auch andernorts in Frankreich Opfer forderte. (die tageszeitung, 13.12.1999, S. 5, Tankerunglück vor der Bretagne) Eine weitere Relation, namentlich, die Inkompatibilität tritt zwischen Kind und den Asdrücken Neugeborenes, Säugling, Jugendlicher und Erwachsener auf (5). elexiko-Beleg: (5) Felix H. Sennhauser, Ärztlicher Direktor, appellierte denn auch an der gestrigen Jubiläumsfeier an die Nachbarschaft, „den dringlichen Neubau mitzutragen, um auch Neugeborenen, Säuglingen und Kindern die zeitgemässe medizinische Betreuung in kindergerechter Atmosphäre zu ermöglichen“. (Züricher Tagesanzeiger, 20.1.1999, S. 15, Der Kantönligeist schränkt Kinder ein) Lexikalische Semantik im Umfeld graduonymischer Relationen 63 Bedeutungsbeziehungen, die dem traditionellen Klassifikationssystem der Sinnrelationen nicht zugeordnet werden können, werden unter „Sonstige Beziehung(en)“ 30 zusammengefasst: Wind: Sturm, Orkan (6) oder lieben: mögen/ gern haben (7). elexiko-Belege: (6) Nach langem Hin und Her haben Fis-Renndirektor Kurt Hoch und -Sicherheitschef Jan Tischhauser gestern Mittwoch entschieden, das Programm in Mammoth zu ändern und den Slalom [...] vorzuziehen. Laut Wetterprognosen soll heute ein Sturm (mit wenig Schneefall) hereinbrechen. Für morgen Freitag sind nur noch leichte Winde vorausgesagt. (Züricher Tagesanzeiger, 3.12.1998, S. 56, Zwischen Versäumnissen und positiven Zeichen) (7) Ich weiß nicht, wen er mag oder gar liebt - entscheidender scheint mir jedoch seine glühende Bereitschaft zur Hassliebe zu sein. Oder sollte man besser zum Liebhassen sagen? (die tageszeitung, 20.12.2003, S. VIII) 30 Die elexiko-Erläuterung in Bezug auf „Sonstige Beziehungen“ lautet folgendermaßen: „Unter der Bezeichnung „Sonstige Beziehungen“ sind in elexiko diejenigen Sinnrelationen aufgeführt, die dem traditionellen Klassifikationssystem der Sinnrelationen nicht zugeordnet werden können. Es handelt sich dabei um verschiedene Beziehungen zwischen Ausdrücken gleicher Wortart, die kontextuell bestimmte konzeptuell-semantische Aspekte betonen. So setzen Sprecher beispielsweise Ausdrücke in Relation zueinander, die kausale (z.B. zwischen Ursache [Lesart ‘Auslöser’] und Wirkung) oder konditionale Zusammenhänge lexikalisieren (z.B. Risiko [Lesart ‘Wahrscheinlichkeit einer Bedrohung’] - Gefahr [Lesart ‘Bedrohung’], bevölkern [Lesart ‘sich versammeln’] - beleben), die eine Beziehung der semantischen Steigerung bzw. Graduierung akzentuieren (z.B. Entlassung [Lesart ‘Kündigung’] - Suspendierung) oder einen modalen Gegensatz zum Ausdruck bringen (z.B. Bitte - Aufforderung [Lesart ‘Aufruf’]). Darüber hinaus sind auch solche Relationen in dieser Rubrik dokumentiert, die verschiedenartige Folgebeziehungen verdeutlichen, beispielsweise resultative Relationen (z.B. zwischen Entdeckung und Erkenntnis [Lesart ‘Wissen’]) oder die responsive Beziehungen darstellen (z.B. zwischen fragen [Lesart ‘sich erkundigen’] - antworten [Lesart ‘sich äußern’] oder aufzwingen [Lesart ‘aufdrängen’] - hinnehmen). Da in dieser Gruppe verschiedene Beziehungen zusammengefasst werden, wird jede einzelne Relation mit einem lexikografischen Kommentar näher erläutert (vgl. das Beispiel): Erkenntnis ‘Wissen’ Sonstige Beziehung(en): Entdeckung, Erfahrung, Ergebnis, Forschungsergebnis, Untersuchungsergebnis Kommentar: Die Beziehungen zwischen diesen Partnerwörtern und Erkenntnis sind resultativer Art. Eine als Erkenntnis bezeichnete Feststellung ist dabei das Resultat eines Sachverhaltes, der beispielsweise mit Ergebnis oder Forschungsergebnis bezeichnet wird.“ Lexikalisch-semantische Graduonymie 64 Die Beziehung der semantischen Steigerung bzw. Graduierung wird neben kausalen und konditionalen Beziehungen innerhalb der Gruppe „Sonstige Beziehung(en)“ eingeordnet und anhand der Kommentare erläutert. Aus den oben angeführten Beispielen wird deutlich, dass die Graduonymie in der Lexikografie in verschiedenen anderen Bedeutungsbeziehungen dargestellt ist. Die Untersuchung der Graduonymie ist deshalb ein Desiderat, diese als eine Art paradigmatischer Bedeutungsrelation zu etablieren. Hierfür wurden korpusbasierte und operationale Verfahren sowie kontrastive Methoden entwickelt, um die Charakteristika der Graduonymie näher zu erforschen und empirisch zu fundieren. Die Differenzierung der Graduonymie als eine Art der Sinnrelation ermöglicht die Erweiterung der Paradigmatik von Wörtern und ihre präzise Strukturierung im lexikalischen System der Sprache. Auch die Wörterbücher können davon profitieren, die aufgrund eines graduierbaren Merkmals abgestuften Wörter durch eine eigenständige Sinnrelation zu unterscheiden und damit eine präzisere Strukturierung der Informationssysteme zu gewinnen. 3. GRADUONYMIE UND ANDERE LEXIKALISCH- SEMANTISCHE RELATIONEN Vor dem Hintergrund der obigen Ausführungen zu den theoretischen Grundlagen des Graduonymie-Phänomens (Kap. 2) stellt sich nun die Frage, wie sich diese Relation von anderen wortsemantischen Relationen unterscheidet bzw. wie sie mit diesen interagiert. Wenn auch die linguistische Theorie zu graduell ausgeprägten lexikalischen Einheiten relevante Erkenntnisse liefert, werden sie doch als eigenständige wortsemantische Relation nicht konstituiert, und wie die Beispiele aus der lexikografischen Praxis zeigen (Kap. 2.11), werden miteinander graduell verbundene Wörter anderen semantischen Relationen zugeordnet. Das Ziel dieses Kapitels ist es, den Zusammenhang der Graduonymie mit anderen Sinnrelationen der lexikalischen Semantik darzustellen. Hierbei geht die Arbeit auf gängige Bedeutungsbeziehungen ein und erläutert anhand von Definitionen und Beispielen das Wesentliche der Sinnrelationen. Die Beschreibung der semantischen Relationen zeigt, dass das Thema der semantischen Relationen in der Wortsemantik kontrovers behandelt wird. Die Überblicksdarstellung der Bedeutungsbeziehungen verfolgt vor allem das Ziel, den Unterschied zwischen der Graduonymie und der anderen semantischen Relationen zu zeigen. Wie die Graduonymie im System der Inhaltsrelationen gehandhabt wird und welchen Stellenwert die Graduonymie in diesem System tatsächlich besitzt, erläutert zudem ein Vergleich der Graduonymie mit den grundlegenden und miteinander eng zusammenhängenden Relationen der Synonymie, Plesionymie, Hyponymie, Antonymie, Inkompatibilität und Troponymie näher. Lutzeier unterscheidet für semantische Relationen zwischen lexikalischen Einheiten zwei Arten paradigmatischer Gegliedertheiten, nämlich die „vertikale“ und die „horizontale“. Nach Lutzeier führen die „vertikalen“ Strukturprinzipien auf hierarchieähnliche Gebilde im Wortschatz. Die „horizontalen“ Gliederungen involvieren hingegen eine Gegenüberstellung im Sinne eines Gegensatzes, einer Opposition (vgl. Lutzeier 2002, S. 8ff.; 1995, S. 75). Die Einteilung in strukturgebende horizontale und vertikale Relationen innerhalb von Hierarchien bei lexikalischen Konfigurationen stammt ursprünglich von Cruse (1986, S. 112ff.). Cruse bezeichnet die vertikalen Relationen als Relation der Lexikalisch-semantische Graduonymie 66 Dominanz (relation of dominance). Sie ist die grundlegende strukturelle Relation jeder Hierarchie, ohne welche es keine Hierarche geben kann. Bei verzweigenden Hierarchien konstatiert Cruse die Relation der Differenz (relation of difference) als horizontale Relation. Die „vertikale“ Struktur umfasst die Hyponymie- und Partonymie-Relationen und zu den „horizontalen“ Strukturen gehören die Relationen der Inkompatibilität, Antonymie, Komplementarität, Konversonymie, Reversität und Synonymie (Lutzeier 2002, S. 9ff; 1981, S. 136; 1995, S. 75). Des Weiteren wurden in der Forschung bespielsweise Plesionymie, Heteronymie, Troponymie, Pertinenzrelationen und Kollektivum-Individuum-Beziehungen differenziert, denen u.a. eine „horizontale“ oder „vertikale“ Struktur paradigmatischer Muster zugrunde liegt. Die semantischen Beziehungen zwischen Ausdrücken auf der lexikalischen Ebene sind nicht nur auf die hier erwähnten Relationstypen beschränkt. Sandra Roth betont zu Recht, dass kein Konsens darüber besteht, wie viele solcher Relationen es gibt (vgl. Roth 2006, S. 8). Durch die Entwicklung moderner sprachtechnologischer Anwendungen werden im Bereich der lexikalischen Semantik bedeutsame Fortschritte erzielt: Mithilfe elektronischer Textkorpora und der darauf basierenden diversen methodischen Ansätze werden in Wortnetzen und elektronischen Wörterbüchern semantische Relationsarten präzisiert und diese Informationssysteme durch weitere neuere semantische Relationstypen bereichert. 31 In den nachfolgenden Kapiteln werden Synonymie und andere Arten der Bedeutungsbeziehungen systematisch anhand logischer Definitionen beschrieben. Es muss erwähnt werden, dass sich die angeführten logischen Definitionen auf Lexeme auf der Ebene des Sprachsystems beziehen. Dieser Ansatz spielt auch bei der Unterscheidung vielfältiger verwandter semantischer Relationen zwischen Wörtern eine entscheidende Rolle. Die Erkenntnisse werden jedoch zeigen, dass die logische Herangehensweise an Bedeutung trotz ihrer Funktion als „ein sehr ergiebiges Instrument für die Semantik“ (vgl. Löbner 2003, S. 113) Einschränkungen bei der Bedeutungsbeschreibung zeigt. 31 Im Online-Wörterbuch elexiko werden manche paradigmatischen Relationen, die mithilfe der elektronischen Textkorpora ermittelt werden, in der Gruppe „Sonstige Beziehungen“ herangezogen. Denn sie sind in der traditionellen lexikalischen Semantikforschung nicht klassifiziert: „Die Arbeit mit einem umfangreichen Korpus machte schnell deutlich, dass Ausdrücke eine Vielzahl von Sinnrelationen eingehen, die keiner herkömmlichen Kategorie zugeordnet werden können. Für alle diejenigen Beziehungsarten, die keiner klassischen Gruppe angehören, wurde daher zunächst eine Kategorie „Sonstige Beziehungen“ eingeführt“ (Storjohann 2008, S. 69). Graduonymie und andere lexikalisch-semantische Relationen 67 Als Beispiel nehmen wir die vielfältigen Erscheinungsformen partieller Synonymie. Geht man von Differenzen aus, die sich zwischen partiellen Synonymen fokussieren, wird man mit verschiedenartigen Oppositionen (aufgrund expressiver, stilistischer, sozialer, regionaler und fachsprachlicher Bedeutungsunterschiede) konfrontiert, die logisch nicht unter einer Relation zusammengefasst werden können. Die differenzierenden Züge bzw. die zusätzlichen begleitenden Bedeutungsanteile, durch die sich als synonym angenommene Wortpaare unterscheiden, werden im Rahmen logischer Definition nicht erfasst, da logische Eigenschaften in diesem Fall sehr begrenzt sind: Ausdrücke mit derselben deskriptiven, aber unterschiedlicher expressiver oder sozialer Bedeutung lassen sich mit logischen Begriffen nicht unterscheiden. (Löbner 2003, S. 112) Wenn man partielle Synonyme ausgehend von ihren Differenzen definiert, so bleibt die in bestimmten Kontexten auftretende Bedeutungsidentität bzw. Austauschbarkeit ohne Bedeutungsveränderung innerhalb einer Lesart außer Acht. Überdies darf das Verhältnis der Synonyme zu einem Grundsynonym innerhalb einer Synonymgruppe nicht unerwähnt bleiben. Der Einklang der widersprüchlichen Aspekte - Bedeutungsgleichheit und Bedeutungsgegensatz - von partiellen Synonymen ist im Rahmen einer logischen Definition nicht möglich. Trotzdem ist der logische Ansatz ein einfaches Instrument und eine wichtige Sonde für die Bedeutungsanalyse. Liegt zwischen Lexemen irgendeine Relation vor, so ist das „ein Faktum, das die semantische Analyse erklären muss“ (vgl. ebd., S. 113). Den in der Literatur bereits behandelten Relationstypen und ihrer historischen Entwicklung ist eine Vielzahl von Arbeiten gewidmet, weshalb hier auf eine nochmalige Wiederholung ihrer Darlegung verzichtet wird. Im Rahmen der exemplarischen Darstellung von Sinnrelationen wird auf diesbezüglich relevante Literatur verwiesen. Konzentrieren werden wir uns auf die Beschreibung einzelner semantischer Relationen und vor allem auf die wichtigen Aspekte bestimmter Bedeutungsbeziehungen, die mit dem Gegenstand dieser Arbeit - der Graduonymie - eng zusammenhängen. Lexikalisch-semantische Graduonymie 68 3.1 Synonymie Das theoretische Konzept der lexikalisch-semantischen Synonymie ist umstritten, so dass man in diesem Gebiet immer noch auf zahlreiche offene Fragen stößt. In Bezug auf die Existenz lexikalischer Synonyme teilen die Linguisten unterschiedliche Ansichten. In dieser Arbeit wird entweder von Bedeutungsidentität oder Bedeutungsähnlichkeit von lexikalischen Einheiten gesprochen, deren Vorkommen auf den Ebenen der langue und der parole angesiedelt ist. Zahlreiche Sprachwissenschaftler halten die absolute Bedeutungsidentität, die die Substituierbarkeit von Wörtern in allen denkbaren Kontexten voraussetzt, für unwahrscheinlich und gehen von Bedeutungsähnlichkeit sowohl auf der Ebene der lexikalischen Abstraktion (langue) und der aktualisierten Rede (parole) aus. Die Frage, ob Synonymie auf der Basis der Bedeutungsgleichheit oder der Bedeutungsähnlichkeit zu definieren ist, wird in verschiedenen semantischen Ansätzen unterschiedlich betrachtet. Während in den strukturalistischen und wahrheitswertsemantischen Arbeiten bei der Synonymie von Relation der Gleichheit ausgegangen wird, verstehen kognitive und korpuslinguistische Untersuchungen sowie traditionelle lexikografische Arbeiten die Synonymie als Ähnlichkeitsrelation (vgl. Hümmer 2009, S. 23f.). In der Literatur herrscht also in Bezug auf die Verwendung des Terminus ‘Synonymie’ keine Einigkeit; der Begriff wird sowohl für die Relation der Bedeutungsgleichheit wie auch der Bedeutungsähnlichkeit eingesetzt. Anhand der aussagenlogischen Synonymiedefinition und von Beispielen werden in diesem Kapitel Besonderheiten der bedeutungsgleichen und bedeutungsähnlichen Relationen zwischen Wörtern veranschaulicht. Grundsätzlich werden zwei Arten der Synonymie, namentlich totale und partielle Synonymie unterschieden. Totale Synonymie (auch: absolute/ reine/ strikte/ wirkliche/ echte Synonymie) setzt eine vollständige Bedeutungsidentität voraus, welche sich auf alle Bedeutungskomponenten (deskriptive, soziale und expressive Bedeutung) der Ausdrücke bezieht. Totale Synonyme beziehen sich also sowohl auf denotative als auch konnotative Bedeutungselemente und sind in jeglichem Kontext austauschbar. Beispiele: Zündholz - Streichholz, anfangen - beginnen, Beerdigungsunternehmen - Bestattungsinstitut. Graduonymie und andere lexikalisch-semantische Relationen 69 Für L1 und L2 als Variablen für Lexeme, für x als Variable für eine Entität gilt: SYNONYMIEDEFINITION : L1 ist mit L2 synonym genau dann, wenn sich L1 und L2 in ihrer Form, nicht aber in ihrer Bedeutung unterscheiden, also bedeutungsgleich sind. Das heißt, L1 ist synonym zu L2 genau dann, wenn für jede Entität x gilt, dass (a), wenn L1 auf sie zutrifft, auch L2 zutrifft, und (b) wenn L2 auf sie zutrifft, auch L1 auf sie zutrifft. Beispiel: Apfelsine ↔ Orange Wenn x eine Apfelsine ist und y eine Orange, dann gilt, dass Orange auch auf x zutrifft und Apfelsine auch auf y. Daraus folgt, dass Apfelsine und Orange Synonyme sind. In jedem beliebigen Äußerungskontext können Apfelsine und Orange gegeneinander ausgetauscht werden, ohne dass sich die Bedeutung des Satzes ändert. Trotz der uneingeschränkten Austauschbarkeit totaler Synonyme in allen Kontexten lässt das Prinzip der Sprachökonomie totale Synonymie nicht bei allen Lexemen zu: anfangen - beginnen, Anfang - Beginn aber: Anfänge - *Beginne (vgl. Bußmann 2002, S. 673f.). Partielle Synonymie (auch: Teilsynonymie, Pseudosynonymie, so genannte Synonymie, vgl. Schippan 1992, S. 212) 32 liegt zwischen Wortpaaren vor, die über die gleiche Denotation verfügen, aber aufgrund unterschiedlicher Konnotation in Opposition zueinander stehen. Als Oppositionsmerkmale treten beispielsweise folgende Unterschiede 33 hervor: 32 Ullmann (1972, S. 102) nennt solche Synonyme Pseudosynonyme oder Homoionyme. Bei Cruse (2004, S. 155) wird diese Art der Synonymie als propositionale oder kognitive Synonymie bezeichnet (siehe Kap. 3.2). 33 Aufzuzählen sind beispielsweise auch politische und kulturelle Besonderheiten sowie Unterschiede, die durch die Übernahme von Fremdwörtern (Bücherfreund vs. Bibliophile) entstehen (siehe Lexikon der Linguistik und Nachbardisziplinen: Synonymie). Lexikalisch-semantische Graduonymie 70 - regionale Unterschiede: Samstag/ Sonnabend 34 - soziodialektale Unterschiede: Geld/ Kies/ Zaster - stilistische Unterschiede: Visage/ Fresse/ Gesicht/ Antlitz - fachsprachliche Unterschiede: Bildschirm/ Monitor (vgl. Bußmann 2002, S. 674) Im Vergleich zu totalen Synonymen sind partielle Synonyme durch pragmatische Verwendungsbedingungen (z.B. stilistische, fachsprachliche und regionale Markierungen) gekennzeichnet. Die genannten Unterschiede zwischen partiellen Synonymen beschränken zwar die Substituierbarkeit in gewisser Weise, beeinträchtigen aber nicht unbedingt die gegenseitigen semantischen Implikationen aus der obigen Synonymiedefinition. Beispiel: Bildschirm ist synonym zu Monitor, weil man unabhängig vom Äußerungskontext für jedes Ding, von dem man sagen kann, dass es ein Bildschirm ist, auch sagen kann, dass es ein Monitor ist. Die Grundvoraussetzung sowohl für die totale als auch partielle Synonymie bleibt immer die Denotatsgleichheit, d.h. die Übereinstimmung im Kern der Bedeutung. Häufig werden sowohl partielle Synonyme, die in ihrer Konnotation kontrastieren, wie auch andere sinnverwandte Wörter, zwischen denen einen Unterschied denotativer Art vorliegt, unter der Bezeichnung Bedeutungsähnlichkeit subsumiert. Partielle Synonymie ist aber ein anderer Fall als Bedeutungsähnlichkeit und ist als reine Synonymie in Ergänzung pragmatischer Verwendungsbedingungen zu verstehen. Der Begriff Bedeutungsähnlichkeit ist hingegen sehr vage und umfasst verschiedene andere Relationen (z.B. Plesionymie), die zwischen Wörtern aufgrund ihrer denotativen Unterschiede bestehen. Sie werden nicht von der Synonymiedefinition erfasst. Es wird somit festgehalten, dass Bedeutungsähnlichkeit und Synonymie (totale und partielle) nicht gleichgesetzt werden dürfen. Um Wörter auf Synonymie zu testen, können sie anhand der Austauschprobe in den Testsätzen operationalisiert werden. Bei der Subs- 34 Für Synonyme mit regionalem Aspekt verwendet Schippan (1992, S. 207) den Terminus ‘Heteronyme’: „Mundart- oder Dialektwörter mit gleichem Denotatsbezug bezeichnen wir als H e t e r o n y m e. Sie können zu Synonymen werden, wenn sie als regionale Dublette außerhalb ihres Subsystems in der Literatursprache Verwendung finden. So gelten heute als Synonyme Samstag/ Sonnabend, Brötchen/ Semmel, Schornsteinfeger/ Essenkehrer“. Graduonymie und andere lexikalisch-semantische Relationen 71 tituierbarkeit müssen die als synonym angenommenen Wortpaare bestimmte Bedingungen erfüllen, nämlich: Im Kontext muss die Wahrheitsbedingung, die Gesamtbedeutung und die Normalität 35 der Aussage unverändert bleiben (vgl. Hümmer 2009, S. 22). a) Der Monitor/ Bildschirm meines Laptops ist defekt. b) Der Vater schreit/ brüllt. Beide Varianten des Satzes a) sind identisch, d.h., dass in jeder Situation, in der die Aussage Der Monitor meines Laptops ist defekt wahr bzw. falsch ist, der Satz Der Bildschirm meines Laptops ist defekt auch wahr bzw. falsch ist. Man kann sagen, dass Monitor und Bildschirm die Bedingungen der Substituierbarkeit erfüllen. Es ist normal, dass in Satz b) schreien und brüllen gegeneinander ausgetauscht werden. Bei der Austauschbarkeit von schreien und brüllen haben die Sätze jedoch nicht die gleichen Wahrheitsbedingungen, denn in der denotativen Bedeutung der Wörter existieren gewisse auf Lautstärke bezogene Unterschiede. Wenn der Vater schreit, so folgt daraus, dass der Vater nicht brüllt. Wenn der Vater nicht schreit, so folgt daraus aber nicht, dass er brüllt. Er könnte z.B. rufen. So stehen schreien, brüllen und rufen in Opposition zueinander. Die folgenden Aussagen machen die Unterschiede zwischen Synonymen und Nicht-Synonymen erkennbar. c) ? Der Monitor und Bildschirm meines Laptops sind defekt. d) Der Vater schreit und brüllt. e) ? Der Monitor, nein der Bildschirm meines Laptops ist defekt. f) Der Vater schrie, nein er brüllte. Während in Sätzen c) und e) die Verbindung mit und sowie die Gegenüberstellung anhand der Negation nein Widersprüche ergeben, lassen sich schreien und brüllen in d) und f) ohne Widersprüche normal kollokieren. Im nachfolgenden Kapitel (3.2) wird diese Problematik weiter diskutiert. In der Linguistik gibt es Analysemethoden zur Ermittlung von Synonymen wie z.B. die Ersatzprobe (= Austauschbarkeit der synonymen 35 Was unter Normalität zu verstehen ist, erläutert Hümmer nicht. Vermutlich ist hier die Akzeptanz der Aussage gemeint. Lexikalisch-semantische Graduonymie 72 Lexeme in Sätzen mit identischer syntaktischer Struktur; Substitution), die Distributionsanalyse (= Verteilungsbeschränkung in bestimmten Kontexten) und die Komponentenanalyse (Beschreibbarkeit durch identische Bündel semantischer Merkmale) (vgl. Bußmann 2002, S. 674; Schippan 1992, S. 208; Batteux 2000). Am aktuellsten sind Analyseverfahren mithilfe der Korpusmethode zur Ermittlung der Synonymie, aber auch anderer Inhaltsrelationen anhand ihrer Verwendung im tatsächlichen Sprachgebrauch. Diskutiert wird in der Synonymiekonzeption die Grenze zwischen Denotation und Konnotation, d.h. die Frage, welche Bedeutungsmerkmale als denotativ und welche als konnotativ zu bezeichnen sind. Denn konnotative Bedeutungsbestandteile von lexikalischen Einheiten können in bestimmten Kontexten denotative Relevanz besitzen (vgl. Hümmer 2009). Darüber hinaus ist strittig, ob registerspezifische, diachrone, dialektale und fachsprachspezifische Unterschiede als konnotative Merkmale betrachtet werden können (vgl. Batteux 2000; Hümmer 2009). In Bezug auf die Denotation ist für diese Arbeit vor allem die Einbeziehung von Wörtern mit denotativen Unterschieden in die Synonymiebehandlung interessant. Handelt es sich wie etwa bei schreien vs. rufen vs. brüllen um auf der graduellen Opposition basierende denotative Unterschiede (der unterschiedliche Grad der Lautstärke), zieht diese Arbeit eine strikte Grenze zwischen solchen lexikalischen Einheiten und Synonymen, die in ihrer Konnotation kontrastieren. Die genannten Wörter sind trotz ihrer partiellen Bedeutungsüberlappung nach dem Verständnis der vorliegenden Arbeit keine Synonyme. Sowohl in der Literatur als auch in der Lexikografie werden häufig Wörter wie schreien vs. rufen vs. brüllen, denen „geringfügige“ und „minimale“ denotative Unterschiede zugrunde liegen, als Synonyme betrachtet (vgl. Hümmer 2009, S. 35). Wörter mit graduellen und anderen denotativen bedeutungsunterscheidenden Merkmalen werden in der Literatur häufig unter einer anderen Art der Synonymie, nämlich Plesionymie (near-synonyms) oder Quasi-Synonymie, dargestellt. Diese Begriffe werden zum einem terminologisch der partiellen Synonymie gleichgesetzt (vgl. Heupel 1973, S. 237; Kunze/ Lemnitzer 2007, S. 41 nach Edmonds/ Hirst 2002, S. 105- 144), zum anderen werden sie für Synonymie mit semantisch kontrastierendem Charakter (Cruse 1986, 2004; Storjohann 2006, (Hg.) 2010; Roth 2006) verwendet. Für den Schwerpunkt der vorliegenden Arbeit ist das begriffliche Verständnis von Plesionymie von Interesse. Graduonymie und andere lexikalisch-semantische Relationen 73 3.2 Plesionymie Die auf Plesionymie bezogenen Arbeiten orientieren sich vor allem an Cruse’ Auffassungen zum Synonymie-Phänomen (Cruse 1980, 1986, 2002, 2004, 2011). Edmonds/ Hirst (2002) befassen sich mit englischen Plesionymen und Arbeiten zu deutschen Plesionymen liegen vor von Storjohann (2006, 2009) und Marková (2010). Zunächst betrachten wir Cruse’ Synonymie-Definitionen. Als Synonyme bezeichnet Cruse Wörter, in denen semantische Ähnlichkeiten deren Differenzen überwiegen: „[...] synonyms are words with construals whose semantic similarities are more salient than their differences“. Er konstatiert dabei eine Abstufung der Synonymie („degrees of synonymy“) nach Grad der Synonymität von lexikalischen Einheiten und unterscheidet zwischen „absoluter Synonymie“, „propositionaler (oder: kognitiver) 36 Synonymie“ und der „Plesionymie“. Die Kategorien der Synonymie gehen auf der Skala von absoluter Synonymie mit abnehmender Ähnlichkeit graduell in die Nicht-Synonymie über (siehe Abb. 8). Grade der Synonymie absolute Synonymie propositionale Synonymie Plesionymie abnehmende Ähnlichkeit Abb. 8: Grade der Synonymie nach Cruse Auch Cruse (2011, S. 142f.) teilt in Bezug auf „absolute Synonymie“ die Ansicht, dass Kandidaten für „absolute Synonymie“, die sich auf die komplette Identität der Bedeutung beziehen, in der Sprache kaum zu finden sind. Absolute Synonymie wäre lediglich ein Bezugspunkt einer gedachten Skala der Synonymität. We shall define absolute synonyms as words which are mutually substitutable in all contexts without change of normality. That is to say, for two lexical items X and Y, if they are to be recognized as absolute synonyms, in any context in which X is fully normal, Y is, too; in any context in which X is slightly odd, Y is also slightly odd, and in any context in which X is totally anomalous, the same is true of Y. This is a very severe requirement, and few pairs, in any, qualify. (Cruse 2011, S. 142) 36 In seiner früheren Arbeit nennt Cruse diese Art der Synonymie „kognitive Synonymie“ (1986, S. 270ff.). Lexikalisch-semantische Graduonymie 74 Die folgenden Satzkontexte illustrieren, dass es schwierig ist, absolute Synonympaare zu finden, ohne dass sich dabei die Normalität der Aussagen ändert: 1) brave : courageous Littly Billy was so brave at the dentist’s this morning. („relatively more normal“) Littly Billy was so courageous at the dentist’s this morning. („relatively less normal“) 2) calm : placid She was quite calm just a few minutes ago. („relatively more normal“) She was quite placed just a few minutes ago. („relatively less normal“) Zwei lexikalische Einheiten sind propositional synonym, wenn sie ohne Auswirkung auf ihre Wahrheitsbedingungen ersetzt werden können. Propositional synonymy can be defined, as its name suggests, in terms of entailment. If two lexical items are propositional synonyms, they can be substituted in any expression with truth-conditional properties without effect on those properties. Put in another way, two sentences which differ only in that one has one member of a pair of propositional synonyms where the other has the other member of the pair are mutually entailing: John bought a violin entails and is entailed by John bought a fiddle; I heard him tuning his fiddle entails and is entailed by I heard him tuning his violin; She is going to play a violin concerto entails and is entailed by She is going to play a fiddle concerto. Notice that fiddle is less normal in the last example, while leaving truth conditions intact, which shows that fiddle and violin are not absolute synonyms. (Cruse 2004, S. 155) Als unterscheidende Aspekte von propositionalen Synonymen bezeichnet Cruse (ebd., S. 155) folgende: 1) differences in expressive meaning, 2) differences of stylistic level (on the colloquial-formal dimension), 3) differences of presupposed field of discourse. So werden z.B. violin : fiddle durch stilistische (violin - gehoben, fiddle - umgangssprachlich) Eigenschaften und shin : fibula durch ihren diskursiven Gebrauch (shin - gemeinsprachlich, fibula - fachsprachlich) miteinander kontrastiert (vgl. ebd.). Graduonymie und andere lexikalisch-semantische Relationen 75 Bei der Plesionymie (engl.: plesionymy; auch: near-synonymy, parasynonymy) handelt es sich um die Relation zwischen semantisch dicht beieinander liegenden lexikalischen Einheiten, welche durch bestimmte semantische Unterschiede gekennzeichnet sind (Cruse 1986, 2002, 2004). Im Unterschied zu propositionalen (kognitiven) Synonymen hat der Austausch von Plesionymen in bestimmten Kontexten wahrheitskonditionale Folgen. Durch die Behauptung des einen plesionymen Ausdrucks im Kontext wird der andere plesionyme Oppositionspartner ausgeschlossen. Plesionyms are distinguished from cognitive synonyms by the fact that they yield sentences with different truth-conditions: two sentences which differ only in respect of plesionyms in parallel syntactic positions are not mutually entailing [...]. There is always one member of a plesionymous pair which it is possible to assert, without paradox, while simultaneously denying the other member. It wasn’t foggy last Friday - just misty. She isn’t pretty, but in her way she is quite handsome. He is by no means fearless, but he’s extremely brave. (Cruse 1986, S. 285) Die in den Beispielsätzen angeführten Ausdrücke foggy : misty, pretty : handsome und fearless : brave sind Plesionyme. Die möglichen Differenzen, die sich zwischen Plesionymen zeigen, sind nach Cruse entweder „minor“ („geringfügig“) oder „backgrounded“ („im Hintergrund stehend“) oder beides (vgl. Cruse 2004, S. 157). Zu den „minor“-Unterschieden zwischen Plesionymen zählen folgende: 1) adjacent position on scale of ’degree’ 2) certain adverbial specializations of verbs 3) aspectual distinctions 4) difference of prototype centre Der erste Aspekt 1) bezieht sich auf die Plesionyme, die eine benachbarte Position auf einer Graduierungsskala haben: fog : mist, laugh : chuckle, hot : scorching, big : huge, disaster : catastrophe, pull : heave, weep : sob. Verben 2), die bestimmte implizite adverbiale Spezialisierungen 37 37 Durch „adverbiale Spezialisierung“ eines Verbs der tieferen Ebene wird die Handlung des Oberbegriff-Verbs auf spezielle Art und Weise ausgeführt (vgl. Aitchison 1997, S. 133). So bedeutet schlendern „gemütlich, lässig spazieren gehen“. Diese Re- Lexikalisch-semantische Graduonymie 76 aufweisen wie z.B. amble : stroll, chuckle : giggle und drink : quaff, sind nach Cruse ebenfalls plesionym zueinander. Für derartige Oppositionspaare gibt es in der Linguistik einen eigenständigen Relationstyp - die Troponymie -, der ausschließlich für Verben charakteristisch ist (siehe unten). Der nächste Unterschied 3) innerhalb von Plesionymen besteht zwischen lexikalischen Einheiten wie calm : placid („state vs. disposition“). Die letzte Art von Differenzen 4) zwischen Plesionymen besteht in ihrem prototypischen Kern: brave („prototypically physical“) : courageous („prototypically involves intellectual and moral factors“). Für „backgrounded“-Unterschiede zwischen Plesionymen können die Ausdrücke pretty („female“ presupposed) vs. handsome („male“ presupposed) angeführt werden, deren propositionale Bedeutung als „good-looking“ erläutert werden kann. (Wenn die geschlechtsspezifischen Unterschiede in den Vordergrund gestellt werden, wie in man : woman, sind die daraus resultierenden Bedingungen nicht synonym.) Cruse (1986, S. 288) bringt eine skalare Darstellung von Plesionymen hervor, indem er die benachbarten Elemente einer Skala als Plesionyme ansieht, die dazu tendieren, als Synonyme (sofern sie nicht entgegengesetzte Polaritäten aufweisen) wahrgenommen zu werden. Die nicht benachbarten Einheiten der Skala werden dahingegen als Nicht- Synonyme empfunden. We have already noted that plesionymy shades gradually into non-synonymy; it would therefore be a step forward if we could identify scales of variation of specific properties along which neighbouring lexical items would be plesionyms, and distant ones non-synonyms, with possibly an indeterminate zone in between. [...] adjacent items in a string tend to be perceived as synonyms, (provided they are not of opposite polarity), whereas non-adjacent items are generally felt to be non-synonymous. For instance, fog and mist, and mist and haze, are plesionyms, but fog and haze are not; mound and hillock, hillock and hill, and hill and mountain, or even hill and mound, or hillock and mountain; giggle and laugh are plesionyms, but not giggle and guffaw - and so on. (Cruse 1986, S. 288) Um nochmals zu explizieren, wodurch sich Plesionyme von (propositionalen/ kognitiven) Synonymen unterscheiden: Synonyme beziehen sich auf das gleiche Denotat, sind aber durch verschiedenartige konlationsart zwischen Verben wird zudem als ‘Troponymie’ (siehe unten) oder als semantische Relation der Spezifizierung bezeichnet (Heusinger 2004, S. 192). Graduonymie und andere lexikalisch-semantische Relationen 77 notative Nebenbedeutungen (expressive, stilistische und diskursive) gekennzeichnet, wodurch sie sich voneinander unterscheiden. Plesionyme beziehen sich auf ähnliche Denotate. Die semantischen Unterschiede hängen jedoch wie bei propositionalen Synonymen nicht mit ihrer Konnotation/ Nebenbedeutung zusammen, sondern sie zeigen sich innerhalb ihrer denotativen Bedeutungen. Plesionyme haben mehrere gemeinsame und bestimmte differenzierende Bedeutungsbestandteile in ihrer Grundbedeutung. Cruse (1986, S. 286) testet die semantischen Unterschiede zwischen kognitiven Synonymen und Plesionymen anhand von more exactly und not exactly. Die kognitiven Synonyme wie kick the bucket : die und daddy : father lassen sich durch more exactly und not exactly nicht kollokieren. ? He kicked the bucket - or, more exactly, he died. A: Is that your daddy? B: ? Not exactly - it’s my father. Bei lexikalischen Einheiten mit relativ geringfügigen (nach Cruse „minor“ oder „backgrounded“) Unterschieden, also bei Plesionymen wie fog : mist und execute : murder, funktionieren derartige Kombinationen mit more exactly und not exactly jedoch: A: Was there a fog that day? B: Not exactly - more of a mist. He was executed - murdered, more exactly. Überschreiten die Bedeutungsunterschiede einen bestimmten Grad, führt das Ko-Vorkommen lexikalischer Einheiten in Sätzen mit more exactly und not exactly zu merkwürdigen Ergebnissen: ? My father’s a policeman - or, more exactly, a butcher. ? Our dog - or, more exactly, our cat - died yesterday. Im letzten Fall handelt es sich um Inkompatible bzw. Kohyponyme (policeman : butcher; dog : cat), die unten ausführlicher diskutiert werden (Kap. 3.11 und 3.12). Folglich werden semantisch nahe beieinander liegende lexikalische Einheiten mit bestimmten semantischen Unterschieden innerhalb ihrer Grundbedeutung als Plesionyme charakterisiert (adjacent position Lexikalisch-semantische Graduonymie 78 on scale of ‘degree’, certain adverbial specializations of verbs, aspectual distinctions, difference of prototype centre). Cruse bezeichnet deshalb nur die benachbarten Lexeme einer Graduierungsskala als Plesionyme (also als near-synonyms), in denen semantische Ähnlichkeiten deren Unterschiede überwiegen. Weder ein völlig zufälliges Oppositionspaar wie Goldfisch : Autobus, noch semantisch verwandte Wörter wie Messer : Gabel, die aufgrund ihrer Gemeinsamkeiten innerhalb des Paradigmas „Essbesteck“ als Kohyponyme auftreten, sind Plesionyme. Denn sie bezeichnen unterschiedliche Denotate. Da es sich bei bedeutungsgleichen Synonymen (absoluten und propositionalen) und bedeutungsähnlichen Plesionymen grundsätzlich um unterschiedliche sprachliche Erscheinungen handelt, gilt für die vorliegende Arbeit, dass Plesionyme nicht unter der Kategorie der Synonymität behandelt werden dürfen. Graduonymie und Synonymie bzw. Plesionymie Nach der Graduonymie-Behandlung in der usbekischen Sprachwissenschaft hängt die Graduonymie mit der Synonymie eng zusammen. Der Synonymie-Ansatz von Cruse zeigt, dass eine Gruppe von Plesionymen Einheiten einer Graduierungsskala sind. An dieser Stelle wird das grundlegende Abgrenzungskriterium der Synonymie bzw. Plesionymie und der Graduonymie anhand von Beispielen aus Duden (2007) diskutiert. Der wichtigste Aspekt bei der Differenzierung der Synonyme und deren Anordnung in synonymische Gruppen besteht in der Identität bzw. Ähnlichkeit der denotativen Seite der Sememstrukturen. Zugleich zeigen die Synonyme verschiedenartige Konnotationen 38 sowie Unterschiede im Anwendungsbereich. Um einen ersten Eindruck zu gewinnen, inwiefern sich im Duden (2007) als „Synonyme“ bezeichnete Wörter in der Tat zueinander synonymisch verhalten, werden zwei Beispielfälle analysiert: 38 In Übereinstimmung mit Bußmann verstehe ich unter Denotation und Konnota-tion Folgendes: „Denotation bezeichnet die kontext- und situationsunabhängige, konstante begriffliche Grundbedeutung eines sprachlichen Ausdrucks. Konnotation [Auch: Affektive/ Assoziative/ Okkasionelle Bedeutung, Nebensinn] bezeichnet individuelle (emotionale) stilistische, regionale u.a. Bedeutungskomponenten eines sprachlichen Ausdrucks, die seine Grundbedeutung überlagern und die - im Unterschied zur konstanten begrifflichen Bedeutung - sich meist genereller, kontextunabhängiger Beschreibung entziehen“ (Bußmann 2002, S. 152, 368). Graduonymie und andere lexikalisch-semantische Relationen 79 (1) Gesicht: 1. [Gesichts]züge; (geh.): Angesicht, Antlitz; (bildungsspr.): Physiognomie; (ugs., oft abwertend): Fassade; (salopp): Schnauze; (derb): Fresse; (salopp abwertend): Visage; (salopp, oft abwertend): Fratze; (südd., österr. ugs. abwertend): Gfrieß. Die Wörter in (1) fallen unter die erste Lesart von Gesicht „der vordere Teil des (menschlichen) Kopfes“ und sind Elemente einer Synonymreihe. Sie unterscheiden sich durch ihre vielfältigen stilistischen, regionalen, emotionalen Konnotationen, die im Wörterbuch entsprechend markiert sind. Es fällt auf, dass die Unterschiede in der Expressivität von Wörtern zwei Richtungen aufweisen, nämlich die positive und die negative Expressivität. Das heißt, der Sprecher drückt mithilfe der genannten Wörter ein positives oder ein negatives Verhältnis zum Denotat aus. Bei den expressiven Bezeichnungseinheiten 39 zeigen sich Unterschiede der p o s i t i v e n (a) und der n e g a t i v e n (b) Expressivität [a) allgemein expressive Einheiten, expressive Deminutive, verhüllende Euphemismen und scherzhafte Einheiten und dagegen b) ironische pejorative, derbe, vulgäre Einheiten und Schimpfwörter]. (Filipec 1961, S. 329) Der Grad der Positivität und der Negativität spiegelt sich zudem in den Wörtern unterschiedlich wider. In diesem Zusammenhang könnte man sich bei den Wörtern Gesicht, Angesicht, Antlitz, Fresse, Visage und Fratze eine Art der konnotativen Graduierung vorstellen, wobei sich die Positivität vom Gesicht bis zum Antlitz und die Negativität vom Gesicht bis zur Fresse steigern (siehe Abb. 9). Das Gesicht als Grundsynonym ist ein merkmalloses und neutrales Wort und ist Mitglied sowohl der positiv nuancierten als auch der negativ markierten Gruppe. Positivität 0 Gesicht +1 Angesicht +2 Antlitz Negativität 0 Gesicht +1 Fratze +2 Visage +3 Fresse Abb. 9: Skala der Positivität und der Negativität im Paradigma Gesicht 39 Unter Bezeichnungseinheiten versteht Filipec Synonyme (Bußmann 2002, S. 329). Lexikalisch-semantische Graduonymie 80 In diesem rein stilistischen Sinne sind die semantischen Unterschiede von Synonymen präzise zu erfassen; es gibt zudem keine Schwierigkeiten in der Abgrenzung von der Graduonymie. Es wäre es in manchen Fällen schwer, eine klare Grenze zu ziehen, wenn in einer Synonymreihe sowohl Wörter mit denotativen Unterschieden als auch konnotativ aufgeladene Gruppenelemente mit verstärkender oder abschwächender Wirkung aufträten. Auf einen Lösungsansatz bezüglich der Differenzierung und Strukturierung derartiger Fälle wurde oben (Kap. 2.6.3) hingewiesen; diese Wörter auf können derselben Skalenstufe eingeordnet werden. Es kann somit festgehalten werden, dass die Gesicht-Gruppe einen Fall der partiellen Synonymie darstellt. Der zweite Eintrag aus Duden (2007) repräsentiert ganz andere semantische Verhältnisse zwischen folgenden Wörtern. (2) fließen: 1. a) ausfließen, dahinfließen, herausfließen, herausquellen, heraussprudeln, herausströmen, heraustropfen, laufen, plätschern, quellen, rieseln, rinnen, sprudeln, strömen, tropfen; (geh.): fluten. Die Einheiten dieser verbalen Wortgruppe drücken „die Fortbewegung von flüssigen Stoffen, bes. Wasser“ aus. Bei genauer Betrachtung wird sichtbar, dass diese als Synonyme angenommenen Wörter nicht durch stilistische Unterschiede 40 kontrastiert werden, wie es beim ersten Beispiel der Fall war, sondern es liegen Unterschiede in ihrer Denotation vor. Die aus der Reihe ausgewählten Wörter laufen, rieseln, rinnen, strömen zeigen trotz ihrer Ähnlichkeiten einen deutlichen Kontrast, der sich auf die Grundbedeutung der Wörter bezieht. Der Kontrast liegt dann an der Menge von Flüssigkeit und an der Geschwindigkeit ihrer Fortbewegung. Diese Merkmale sind den Wörtern in unterschiedlichem Grad inbegriffen: Beim einen wenig und langsam, beim anderen viel und schnell. Die Kontrastierungsmerkmale ‘Größe’ und ‘Schnelligkeit’ werden beim Vergleich der Gruppenelemente mit dem Oberbegriff fließen evident, wobei sie sich von diesem Kernwort aus in zwei Richtungen allmählich steigern oder verringern (siehe Abb. 10). In dem auch hier vorliegenden Falle, dass sich bei Wörtern der (mit Gradualität verbundene) Kontrast stärker zeigt als die semantische Similarität, sprechen wir von Graduonymen. 40 Es besteht laut Duden (2007) lediglich für fluten eine Stilangabe. Graduonymie und andere lexikalisch-semantische Relationen 81 Menge/ Geschwindigkeit wenig/ langsam viel/ schnell rieseln < rinnen < laufen < fließen < strömen Abb. 10: Skala des Verbparadigmas fließen Die Wörter des zweiten Beispielfalls aus DS sind somit miteinander nicht synonymisch, sondern graduonymisch verbunden. Aus dem Vergleich zweier Beispiele aus DS ergibt sich, dass man bei der bisherigen Synonymie-Auffassung in der Lexikografie auf verschiedenartige Phänomene stößt, die einer entsprechenden Interpretation bedürfen. Ausgehend von den vorgestellten Eigenschaften zweier unterschiedlicher Synonymie-Typen aus DS wird behauptet, dass eine Differenzierungsmöglichkeit anhand des Kategorienpaars „Zentrum und Peripherie“ (vgl. Filipec 1966; Schippan 2002) für diese Problematik angebracht ist. Das Kategorienpaar „Zentrum und Peripherie“ ist nach Vertretern der Prager strukturalistischen Schule im ganzen Sprachsystem anzuwenden. Ein lexikalisches System hat ein Zentrum, eine Übergangssphäre, eine Peripherie und eine Grenzsphäre. Auf der Grundlage ihrer semantischen Merkmale besitzen lexikalische Einheiten eine der genannten Positionen innerhalb des Systems (vgl. Filipec 1966). Ein Zentrum einer synonymischen Gruppe ist ein Leit- oder Grundsynonym „mit der invarianten Bedeutung, die meistens stilistisch merkmallos ist und umfangreiche Distribution und relativ größte Häufigkeit aufweist“ (Schippan 2002, S. 212). In die Übergangssphäre, Peripherie und Grenzsphäre werden andere Synonympartner nach bestimmten Kriterien eingeordnet. Gemeinsam mit dem Zentrum bilden sie eine Skala innerhalb dieses Systems. Da es sich oben um einen paarweisen Vergleich von Ausdrücken handelt, beschränken wir uns auf „Zentrum und Peripherie“, indem Peripherie einen beliebigen Vergleichspartner bezeichnet, der sich aber entweder in der Übergangssphäre oder Peripherie oder Grenzsphäre befinden könnte. Lexikalisch-semantische Graduonymie 82 Die Besonderheiten zwischen unterschiedlichen Arten der Synonymie und der Zusammenhang der Graduonymie mit den vorgestellten Synonymie-Typen können u.E. unter der Annahme einer Peripherie und eines Zentrums anhand einer einfachen Konstruktion konkretisiert werden. Denn „Synonymgruppen haben den Charakter von Teilsystemen und sind damit im Sinne der Prager Schule durch Zentrum und Peripherie gekennzeichnet [...]; die Annahme von Peripherie und Zentrum hat auch im Bereich der Synonymik volle Gültigkeit“ (Schippan 2002, S. 211f.). Wiederholt greifen wir an dieser Stelle auf die Definitionen von drei Synonymie-Arten zurück, um diese im Hinblick auf Zentrum und Peripherie systematisch beschreiben zu können. Absolute Synonymie liegt dann vor, wenn zwei Ausdrücke bei gleichbleibender Bedeutung in allen Kontexten austauschbar sind. Wie schon oben erwähnt, wird die Existenz absoluter Synonymie oft bestritten. „Zentrum und Peripherie“ hat hier keine Gültigkeit: Wenn zwischen zwei Ausdrücken absolute Synonymie vorliegt, dann haben beide Ausdrücke ohne Funktion eines Zentrums und einer Peripherie die gleiche Position in der Gruppe: Lexem1 und Lexem2 sind semantisch identisch. Bei den partiellen Synonymen fungiert ein Lexem mit stilistisch neutralen Nebenbedeutungen, umfangreicher Distribution und größerer Häufigkeit als Zentrum (Dominante) der Gruppe. Als peripheres Synonym wird ein Wort mit unterschiedlichen konnotativen, regionalen, historischen, sozialen Bewertungen bezeichnet (vgl. Schippan 2002, S. 212). - Peripherie = Zentrum (Grundsynonym) + Konnotation. Dementsprechend: [Antlitz = Gesicht + gehoben]. Aufgrund der überwiegend semantischen Ähnlichkeiten behandelt Cruse Plesionyme als Spezialfall der Synonymie. Die semantischen Unterschiede in der denotativen Bedeutung von Plesionymen nennt Cruse „minor“ oder „bachgrounded“ (vgl. Cruse 2004, S. 157). Storjohann (2006) stellt aufgrund der korpusbasierten Untersuchung zur kontextuellen Variabilität synonymer Relationen in Frage, ob die Unterschiede zwischen Plesionymen tatsächlich im Hintergrund stehen. Sie stellt fest, dass bei Plesionymen in ihrer Verwendung trotz ihrer Gemeinsamkeiten und Ähnlichkeiten Kontraste evident werden. Graduonymie und andere lexikalisch-semantische Relationen 83 Obwohl Plesionyme viele semantische Eigenschaften teilen, ist im Korpus nachweisbar, dass ihre im Hintergrund stehenden Merkmale, die den semantischen Unterschied zwischen zwei plesionymen Ausdrücken manifestieren, nicht so hintergründig sind [...]. Korpusgestützte Analysen bezeugen, dass Plesionyme, die aufgrund ihrer semantischen Nähe häufig als Synonyme in Synonymwörterbüchern gebucht sind, kontextuell häufig nur sekundär synonymisch gebraucht werden. (Storjohann 2006, S. 13) Allein die Tatsache, dass Plesionyme im Kontext einander ausschließen (siehe das Zitat von Cruse oben zur Plesionymie), deutet auf einen eindeutigen Kontrast zwischen ihnen hin. Dessen ungeachtet ordnet Cruse Plesionyme einem Synonymie-Phänomen zu. Der Bedeutungsgegensatz zwischen Plesionymen ist oft mit Intensivierung verbunden. Diese Relation unterscheidet sich eindeutig von absoluten und propositionalen Synonymen. In dieser Arbeit werden solche Einheiten nicht als Synonyme angesehen, sondern es werden auf Intensivierung bezogene Plesionyme als Graduonyme interpretiert. - Peripherie = Zentrum (Hypergraduonym) + Grad der Eigenschaft. Dementsprechend: [Sturm = Wind + Stärke]. Es wird also lediglich eine Gruppe von Plesionymen als Graduonyme verstanden. Obwohl Graduonyme durch graduelle Abstufungen einer speziellen Eigenschaft in ihrer denotativen Bedeutung kontrastieren, überwiegt in bestimmten Fällen die semantische Nähe zwischen Graduonymen. Dies ist vor allem für Nachbar-Graduonyme der Skala charakteristisch. Die Beobachtung, dass benachbarte Graduonyme im tatsächlichen Sprachgebrauch in bestimmten Kontexten gegeneinander ausgetauscht werden, führt zur Annahme, dass sie Synonyme seien. Die Beschreibung semantischer Relationen der Synonymie zeigt jedoch, dass sie nicht unter das fallen, was hier als Synonyme definiert wird. Das semantisch enge Verhältnis der Nachbar-Graduonyme verknüpft diese Arbeit mit der Hypergraduonymie-Graduonymie-Relation, in der das eine Nachbar-Graduonym für das Graduonym in direkter Nachbarschaft als Hypergraduonym fungiert. Lexikalisch-semantische Graduonymie 84 3.3 Hyperonymie/ Hyponymie Unter Hyperonymie/ Hyponymie 41 versteht man das wechselseitige Verhältnis zwischen einer Gattung (Genus) und seinen Arten (Spezies) oder einem Allgemeinen und einem Besonderen/ Einzelnen. Für L1 und L2 als Variablen für Lexeme, für x als Variable für eine Entität gilt: HYPERONYMIEDEFINITION: L1 ist Hyperonym zu L2 genau dann, 1) wenn aus dem Zutreffen von L2 auf eine Entität x das Zutreffen von L1 auf x folgt, und 2) aus dem Zutreffen von L1 auf x aber nicht das Zutreffen von L2 auf x. 1) L2 (x) ⇒ L1(x) x ist eine Rose ⇒ x ist eine Blume 2) L1(x) ⇏ L2(x) x ist eine Blume ⇏ x ist eine Rose 1) Wenn x eine Rose ist, so folgt daraus, dass x eine Blume ist; 2) daraus, dass x eine Blume ist, folgt aber nicht, dass x eine Rose ist. 41 Für untergeordnete Ausdrücke eines übergeordneten Begriffs führt Lyons den analog zu ‘Antonymie’ und ‘Synonymie’ gebildeten Terminus ‘Hyponymie’ ein, der angemessener zu sein scheint als die in der Linguistik und Logik zudem in anderen Bedeutungen verwendeten Termini ‘Inklusion’ oder ‘Subordination’. Für die konverse Relation, die eine Überordnung bildet, bestimmen Mulder/ Hervey (1972) den Terminus ‘Hyperonymie’, wofür aber Lyons vorschlägt: „Der entsprechende, aus dem Griechischen stammende Terminus für die konverse Relation, ‘Hyperonymie’ (cf. Mulder/ Hervey, 1972), ist leider der Form nach ‘Hyponymie’ allzu ähnlich und könnte leicht Verwirrung hervorrufen. Stattdessen werden wir den Terminus ‘Superordination’ verwenden, der im Unterschied zu ‘Subordination’ in der Linguistik als Terminus technicus nicht so oft mit einer entgegengesetzten Bedeutung verwendet wird“ (Lyons 1980, S. 301). „[...] den naheliegenden, vom Griechischen abgeleiteten Ausdruck <Hyperonym> vermeiden wir wegen der akustischen Verwechslungsmöglichkeit mit <Hyponym>“ (Lyons 1989, S. 465). In der deutschsprachigen Literatur haben sich anstatt der ‘Superordination’ und ‘Hyponymie’ für die Beziehung der Über- und Unterordnung als Terminus technicus ‘Hyperonymie’ und ‘Hyponymie’ durchgesetzt. In der englischsprachigen Literatur sind hingegen die von Lyons vorgeschlagenen Termini gängig geworden: „One oft he most important structuring relations in the vocabulary of a language is hyponymy. This is the relation between apple and fruit, car and vehicle, slap and hit, and so on. We say that apple is a hyponym of fruit, and conversely, that fruit is a superordinate (occasionally hyperonym) of apple” (Cruse 2004, S. 148). Graduonymie und andere lexikalisch-semantische Relationen 85 Aus der Definition folgt, dass Blume ein Hyperonym zu Rose ist. Rose impliziert stets Blume, weil jede Rose eine Blume ist, aber nicht umgekehrt, so dass nicht jede Blume eine Rose ist. HYPONYMIEDEFINITION : L2 ist Hyponym zu L1 genau dann, wenn L1 Hyperonym von L2 ist. Die Bedeutung von L2 enthält weitere zusätzliche Merkmale zu der von L1, die sie spezifischer machen. Beispiele: Hyperonym : Hyponyme Möbel : Stuhl, Tisch, Schrank Säugetier : Pferd, Kuh Mensch : Mann, Frau Säugetier ist beispielsweise ein Hyperonym von Pferd und Kuh; Pferd und Kuh sind Hyponyme von Säugetier. Die Bedeutungen von Pferd und Kuh enthalten alle Bedeutungsmerkmale von Säugetier. Dies gilt aber nicht umgekehrt: Nicht jedes Säugetier ist ein Pferd oder eine Kuh. Bei Hyponymen handelt es sich um eine Spezifizierung eines Hyperonyms. Zum Beispiel werden innerhalb der Familie der Pferde verschiedene Typen unterschieden, die neben den allgemeinen Bedeutungskomponenten eines Pferds/ Hauspferds durch spezifische Merkmale gekennzeichnet werden: Stute, die = [weiblich + geschlechtsreif], Hengst, der = [männlich], Schimmel, der = [weißes Fell], Rappe, der = [schwarzes Fell + schwarzes Langhaar], Fohlen, das = [neugeborenes bzw. junges Pferd]. Hyperonymie/ Hyponymie ist eine transitive Relation und verleiht dem Wortschatz eine hierarchische Struktur (vgl. Lyons 1980, S. 302ff.). Die Hyponyme eines gemeinsamen Hyperonyms stehen in einer Kohyponymie-Relation und sind inkompatibel zueinander (mehr über Kohyponyme siehe unten). Graduonymie und Hyponymie Graduonymie steht auch mit Hyponymie in einem besonderen Zusammenhang. Die Hyponymie konkretisiert und spezifiziert den de- Lexikalisch-semantische Graduonymie 86 notativen Kern eines Wortes (die Einzelbedeutung eines Wortes) in Bezug auf den Umfang und die Qualität: Als Gattungsname ist Pferd Hyperonym für die Hyponyme Schimmel, Klepper, Mähre. Die Graduonymie konkretisiert und kompliziert den denotativen Kern eines Wortes in Bezug auf die Intensivierung: Pferd fungiert als Hypergraduonym, das Fohlen < das Enter < das Pferd als graduelle Steigerung des Alters, wobei nach Duden (2004c) Fohlen „neugeborenes bzw. junges Pferd“, Enter „einjähriges Pferd“ bedeuten. Gattungs-Art-Beziehungen basieren nicht auf irgendwelchen graduierbaren Eigenschaften von Lexemen. In der Literatur und der Lexikografie werden jedoch aufeinander graduell bezogene Wörter unter anderem einer Hyperonymie-/ Hyponymie-Relation zugeordnet. Diese betrifft sowohl Graduonyme, in denen graduelle Eigenschaften nicht stark hervortreten, so dass aufgrund der semantischen Nähe zwischen Wörtern eine hyperonymisch-/ hyponymische Relation angenommen wird (siehe dazu die Beispiele aus der Lexikografie in Kap. 2.10), als auch Graduonyme, deren semantische Unterschiede evident sind. Letzteres bezieht sich auf die Augmentativbildungen, die vor allem wegen der Wortfamilienzugehörigkeit als solche interpretiert werden. Die Augmentativbildung ist „eine Wortbildungskonstruktion, die aus einer substantivischen oder adjektivischen Ausgangseinheit (oder: Basis), die frei vorkommen kann, und einem Augmentationsmorphem oder einer augmentativen Erstkonstituente besteht“ (Wiegand 2001, S. 104). Sie dienen zur Verstärkung des ursprünglich bezeichneten Gegenstandes. Zur Semantik von Augmentativbildungen behauptet Wiegand (ebd.), dass die inhaltliche Spezifizierung einer Augmentativbildung mit der Größe, dem Ausmaß und dem hohen Grad der Ausgeprägtheit einer Eigenschaft zusammenhängt, und verbindet das sinnrelationale Verhältnis zwischen der Basis und der Augmentativbildung durch Hyperonymie/ Hyponymie: Zur Semantik von Augmentativbildungen kann zunächst folgende allgemeine Charakteristik gegeben werden: Augmentativbildungen sind einschätzungsbekundende Lexikoneinheiten, mit denen eine bestimmte Sprechereinschätzung lexikalisiert ist; diese besteht darin, daß beim Äußern einer Augmentativbildung das Bezugskonzept, auf das mit der zugehörigen Ausgangseinheit usuell Bezug genommen werden kann, so zur Sprache gebracht wird, daß mindestens eine seiner Eigenschaften als so stark ausgeprägt gekennzeichnet wird, daß die Ausprägung nicht mehr im Standardbereich liegt, der durch die je geltenden, kulturgebundenen Normen pragmatisch eingespielt ist. Jede Äußerung einer Graduonymie und andere lexikalisch-semantische Relationen 87 Augmentativbildung beinhaltet daher auch einen impliziten Vergleich mit den Bezugsobjekten im Standardbereich. Eine Augmentativbildung ist zur Ausgangseinheit meistens hyponym. Betrachten wir ein Beispiel. Äußert jemand: (1) Diesen Heidenlärm vor meinem Arbeitszimmer ertrage ich keinen weiteren Tag, dann referiert er mit diesen Heidenlärm nicht nur, sondern er bringt die Einschätzung zur Sprache, daß eine Eigenschaft von Lärm, nähmlich die, daß Lärm laut ist, so stark ausgeprägt ist, daß übliche Maβ überschritten ist. Heidenlärm ist hyponym zum Lärm. (Wiegand 2001, S. 104f.) Innerhalb der von der Autorin zusammengestellten graduonymischen Wortreihen finden sich zudem Augmentativa wie Gluthitze, bitterkalt, glühend heiß. In dieser Arbeit wird in Bezug auf augmentative Lexikoneinheiten der Standpunkt vertreten, dass die Wörter wie Lärm vs. Heidenlärm hypergraduonymisch/ graduonymisch verbunden sind. Denn bei Heidenlärm handelt es sich nicht um irgendeine Art von Lärm wie z.B.: Verkehrslärm, Fluglärm, Baustellenlärm, Freizeitlärm, Nachbarschaftslärm etc., sondern um dessen Intensivierung. Lärm und Heidenlärm stehen im Unterschied zu den Artbegriffen von Lärm in einer graduellen Opposition zueinander. Betrachtet man Hyponymie und Graduonymie im Hinblick auf „Zentrum und Peripherie“, so zeigen sie folgende semantischen Unterschiede: - Peripherie = Zentrum (Hyperonym) + inhaltliche Spezifizierung. Dementsprechend: [der Wallach = das Pferd + männlich + kastriert] - Peripherie = Zentrum (Hypergraduonym) + graduelle Ausgeprägtheit. Dementsprechend: [das Fohlen = das Pferd + neugeborenes, jung]. Jede lexikalische Einheit einer hypero-/ hyponymischen Gruppe kann bezüglich eines Aspekts in ihrer Bedeutung mit anderen semantisch verwandten Wörtern in Bezug auf denselben Aspekt eine eigene synonymische oder graduonymische Reihe bilden. Das heißt, Hyponymie konstituiert größere lexikalische Systeme, innerhalb welcher sich zudem graduonymische Systeme befinden können (siehe Abb. 16). Lexikalisch-semantische Graduonymie 88 3.4 Holonymie/ Meronymie Die Beziehung, die zwischen einem Wort fürs Ganze und einem Wort für einen Teil oder alle Teile besteht, wird als Teil-Ganzes-Beziehung (Lyons 1980) oder Parteronymie/ Partonymie (Lutzeier 1995, S. 76) oder auch als Holonymie/ Meronymie (Cruse 1986) bezeichnet. Die Wörter Finger - Hand zeigen solch eine Beziehung zueinander, in der der Finger als Meronym und die Hand als Holonym auftritt. Für L1 und L2 als Variablen für Lexeme gilt: HOLONYMIE-/ MERONYMIEDEFINITION : L1 ist ein Meronym (griech. „Teilname“) von L2 und L2 ist ein Holonym (griech. „Name des Ganzen“) von L1 genau dann, wenn die Entität, die L1 bezeichnet, ein echter Teil der Entität ist, die L2 bezeichnet. Nase (L1)/ Gesicht (L2): Nase ist ein Meronym zu Gesicht, weil die Nase ein echter Teil des Gesichts ist. Lehne (L1)/ Stuhl (L2): Lehne ist ein Meronym zu Stuhl, weil eine Lehne ein echter Teil des Stuhls ist. Roger Chaffin unterscheidet sieben Unterrelationen der Teil-Ganzes- Relation. 42 - Object: Component (z.B. Tasse : Griff ) - Event: Feature (z.B. Stierkampf : Torero) - Collection: Member (z.B. Wald : Baum) - Mass: Portion (z.B. Brot : Scheibe) - Process: Phase (z.B. Begräbnis : Aussegnung) - Area: Place (z.B. Wald : Lichtung) - Object: Stuff (z.B. Fenster : Glas) Die Holonymie/ Meronymie-Relation ist transitiv 1), aber nicht durchwegs transitiv 2), so dass die transitive Kette an einem bestimmten Punkt abreißt 2c). Dies hängt davon ab, welche Art der Unterrelationen der Holonymie/ Meronymie-Beziehung zwischen Ausdrücken besteht. 42 Vgl. Tabelle 10.5 (Chaffin 1992, S. 263 nach Kunze/ Lemnitzer 2007, S. 42). Graduonymie und andere lexikalisch-semantische Relationen 89 1) a) Der Vergaser ist Teil des Motors. b) Der Motor ist Teil des Autos. c) Der Vergaser ist Teil des Autos. Bei 1a) und 1b) handelt es sich um den gleichen Typ der Unterrelation Component, was zu der gültigen Schlussfolgerung in 1c) geführt hat. 2) a) Der Kopf ist Teil der Statue. b) Die Statue ist Teil der Etruskischen Sammlung. c) ? Der Kopf ist Teil der Etruskischen Sammlung. Im Beispiel 2) zeigen sich verschiedene Arten der Holonymie/ Meronymie-Relation, so dass die Unterrelationen Component und Member vermischt wurden. Bei 2a) handelt es sich um eine Relation zwischen einem Teil und eines Ganzen und bei 2b) um das Mitglied einer Kollektion. Die Vermischung der Unterrelationen Component und Member führt in 2c) zu der ungültigen Schlussfolgerung. Es besteht ein besonderer Zusammenhang zwischen der Relation der Holononymie/ Meronymie und der Graduonymie. Die Untersuchung von Korpusbefunden in Kapitel 5 zeigt, dass die Wörter einer Graduonymiereihung in ihrer Verwendung unter anderem holonymische/ meronymische Verhältnisse manifestieren. Das heißt, ein Graduonym wird als Teil oder als Ganzes eines anderen Graduonyms verwendet. Zur Illustration wird ein Beleg aus COSMAS II aufgeführt, in dem Brise als Teil des Windes vorkommt (3). (3) Der Wind rauscht mit einer steifen Brise vom Ozean her durch die Sanddünen, geschmeidig biegen sich die hohen verdorrten Grasbüschel. Die Wellen laufen auf dem flachen Sandstrand aus. (Frankfurter Allgemeine, 13.3.1997; Kein Zirkusspektakel mit Pinguinen Auf der Otago-Halbinsel in Neuseeland) 3.5 Antonymie Die semantische Beziehung der Antonymie 43 , bei der oft auf ihre deutlichere Verankerung in der lexikalischen Strukturbildung im Vergleich zu anderen semantischen Relationsarten hingewiesen wird, ist in der Linguistik am meisten erforscht. 43 Eine ausführliche Antonymie-Diskussion bietet Geckeler (1980) an. Lexikalisch-semantische Graduonymie 90 Die Ordnung der Wörter von der Antonymie aus anzupeilen hat gewiss seine Tücken, vor allem wegen der oft beklagten problematischen Vielfalt der Gegensatzrelationen (vgl. Cruse 1976, 1980, 1986; Lehrer/ Lehrer 1982, Lehrer 1985, Müller 1989, Rachidi 1989), aber auch seine Vorteile. Antonymie nämlich ist eine semantische Beziehung, die weitaus deutlicher als andere Sinn-Relationen wie Hyponymie oder Synonymie - (a) genuin und (b) explizit in der lexikalischen Strukturbildung verankert ist. (Lang 1995, S. 31) Der Terminus Antonymie wird im weiteren und engeren Sinne verwendet. Bei der Antonymie im weiteren Sinne handelt es sich im Allgemeinen um die Relation des Bedeutungsgegensatzes zwischen Ausdrücken. Dem Bedeutungsgegensatz zwischen Lexemen liegen unterschiedliche Arten der paradigmatischen Oppositionen zugrunde. Lyons (vgl. 1980, S. 281ff.) unterscheidet hierin ‘Antonymie’ (im engeren Sinne: klein vs. groß), ‘Komplementarität’ (männlich vs. weiblich), ‘Konversheit’ (kaufen vs. verkaufen) sowie ‘direktionale’ (hinauf vs. hinunter), ‘orthogonale’ (Norden vs. Osten, Norden vs. Westen) und ‘antipodale (‘diametrale’) Oppositionen’ (Norden vs. Süden, Norden vs. Osten, Norden vs. Westen). Die Opposition bezieht sich hierbei auf dichotome oder binäre Kontraste. Innerhalb des Bedeutungsgegensatzes unterscheidet Lyons zudem die Relation der ‘Inkompatibilität’ {Sonntag, Montag, ... Samstag}, die aufgrund eines nicht-binären Kontrasts innerhalb einer Menge von Lexemen existiert (ebd., S. 298). Nach Lutzeier sind die Antonymie-Relation, die Konversen-Relation und die Komplementaritäts-Relation Sonderfälle der Inkompatibilitäts-Relation (vgl. Lutzeier 1981, S. 136). Obwohl die Antonymie als deutlicher als andere semantische Relationstypen angesehen wird, gibt es auch auf diesem Gebiet verschiedene Ansichten sowie terminologische Uneinheitlichkeiten (vgl. Lyons 1989). Cruse (vgl. 2004, S. 166) differenziert die für Verben typische Relation der ‘Reversität’ (reversives) (steigen vs. fallen, betreten vs. verlassen), die zu einer breiteren Kategorie der direktionalen Oppositionen gehört. Löbner (2003, S. 128) unterscheidet die Relation der ‘Heteronymie’ für die Mengen von Lexemen, die ein Spektrum gleichrangiger Alternativen aufspannen (z.B. Wochentagsbezeichnungen und Zahlwörter) und logisch inkompatibel sind. Die letztere wird von Lyons aufgrund erwähnter Tatsachen (1980) als Relation der ‘Inkompatibilität’ bezeichnet. Graduonymie und andere lexikalisch-semantische Relationen 91 Im Folgenden wird auf die Darstellung einzelner Oppositionsarten anhand von Beispielen eingegangen. 3.6 Antonymie (i.e.S.) Antonymie im engeren Sinne (auch: Kontrarität oder konträre Antonymie genannt (Linke et al. 2004; Lang 1995)) besteht zwischen gradierbaren Gegenteilen wie groß : klein, hoch : niedrig etc., die sich entweder auf implizite oder explizite Gradierung 44 beziehen (vgl. Lyons 1980, S. 289). In der Regel werden entgegengesetzte Extreme auf einer Skala von Möglichkeiten als Antonyme behandelt (vgl. Löbner 2003, S. 123f.). Jedoch gibt es „ungewöhnliche“ Skalen, in denen auch innere Lexeme als Antonyme bezeichnet werden können. In der Temperaturskala {heiß, warm, kühl, kalt} treten heiß : kalt als äußere Antonyme und warm : kühl als inneres Antonympaar hervor (vgl. Lyons 1980, S. 299; siehe Kap. 2.6.1). Es gibt folglich Zwischenbereiche auf der Skala, d.h. die Antonyme sind nicht dichotomisch aufgeteilt. Antonyme sind logisch inkompatibel. Für L1 und L2 als Variablen für Lexeme, für x als Variable für eine Entität gilt: A N T O N Y MI E D E F INITI O N (i.e.S .): L1und L2 sind antonym genau dann, wenn 1) L 1 und L2 entgegengesetzte Extreme auf einer Skala bezeichnen und wenn aus dem Zutreffen von L1 auf eine Entität x das Nicht-Zutreffen von L2 auf x folgt und 2) aber aus dem Nicht-Zutreffen von L1 nicht das Zutreffen von L2 folgt. 1) L1(x) ⇒ - L2(x) x ist klein ⇒ x ist nicht groß 2) -L1(x) ⇏ L2(x) x ist nicht klein ⇏ x ist groß Wenn ein Zimmer klein ist, so folgt daraus, dass es nicht groß ist. Wenn das Zimmer nicht klein ist, so folgt daraus aber nicht, dass es groß ist. 44 Dabei basiert Lyons (1980) auf dem von Sapir stammenden Terminus ‘Gradieren’ (grading), der mit Komparation (Vergleich) verknüpft ist. Die Komparation ist entweder explizit oder implizit. Explizite Komparation hat zwei Typen. „(1) Zwei Dinge können unter Bezug auf eine bestimmte <Eigenschaft> verglichen werden, und diese <Eigenschaft> wird dem einen in größerem Ausmaß zugesprochen als dem anderen: z.B. Unser Haus ist größer als eures. (2) Es können zwei <Zustände> desselben Dings unter Bezug auf die betreffende Eigenschaft verglichen werden: z.B. Unser Haus ist größer als früher.“ Lexikalisch-semantische Graduonymie 92 Das Zimmer könnte auch mittelgroß sein. Somit bezeichnen klein und groß entgegengesetzte Extreme einer Skala von Möglichkeiten. Diese Skala enthält einen neutralen Mittelbereich, 45 der durch den Ausdruck mittelgroß gedeckt wird. In der Regel sind antonymische Adjektive graduierbar, denn sie bilden relative Gegensätze (groß - größer - am größten). Neben graduierbaren adjektivischen Paaren (vgl. Lyons 1980; Lutzeier 1995) führen Lang (1995) und Löbner (2003) zudem Beispiele zu verbalen (lieben : hassen), nominalen (Krieg : Frieden), pronominalen (alles : nichts), adverbialen (immer : nie) Wortarten sowie Fälle aus dem Bereich der Expressive (leider : Gott sei Dank) an. Graduonymie und Antonymie (i.e.S.) Sowohl Antonyme als auch Graduonyme stützen sich auf das Prinzip des Kontrasts, der unterschiedlich stark ausgeprägt ist. Wo bei antonymischen Paaren von lexikalischen Einheiten im Allgemeinen an Endpolen einer Skala ausgegangen wird, wird mit Graduonymen die gesamte Skala mit Übergangsbereichen und/ oder einem Neutralpunkt repräsentiert. In einer Skala mit einem Neutralbereich (siehe Abb. 11) stehen L -2 (Lexem -2 ) und L -1 sowie L +1 und L +2 in unterschiedlich ausgeprägter Opposition zueinander. Wenn das Verhältnis zwischen L -2 und L +2 aufgrund der größeren semantischen Differenzen als ein stärkeres Oppositionspaar angesehen wird, so zeigen L -1 und L +1 aufgrund minimaler gradueller Unterschiede eine schwächere Opposition. (...) L −2 __________ L −1 __________ 0 __________ L +1 __________ L +2 (...) Abb. 11: Skalare Darstellung der Antonymie-Relation Wie oben erwähnt, hält Lyons die deutsche Temperaturskala {heiß, warm, kühl, kalt} für ungewöhnlich, in der nicht nur die Gegenpole heiß : kalt, sondern auch die inneren Lexeme warm : kühl als antonymische Oppositionspartner hervortreten. Derartige strikt abgrenzbare Oppositionspartner sind vor allem für adjektivische Skalen typisch. Die konträren Verhältnisse zwischen den Lexemen der Temperaturskala können anhand der Implikationsanalyse verdeutlicht werden. Es 45 Nicht immer existieren für den Mittelbereich spezielle Ausdrücke. Graduonymie und andere lexikalisch-semantische Relationen 93 ist heiß impliziert Es ist nicht kalt und Es ist kalt impliziert Es ist nicht heiß, aber Es ist nicht heiß impliziert nicht Es ist kalt und Es ist nicht kalt impliziert nicht Es ist heiß. Heiß und kalt können nicht beide zugleich zutreffen, aber beide können zugleich nicht zutreffen. Es könnte auch warm, lauwarm, mild oder kühl sein. Die aus mehreren extremen antonymischen Paaren bestehenden Graduonymiereihungen kommen allerdings nicht häufig vor. Weitere Beispiele zu graduonymischen Reihen mit mehr als einem Antonympaar sind das Neugeborene < der Säugling < das Kleinkind < das Kind < das Vorschulkind < das Schulkind < der/ die Jugendliche < der/ die Erwachsene (Kind vs. Jugendlicher, Kind vs. Erwachsener), winzig < klein < mittelgroß < groß < riesig < gigantisch (winzig vs. groß, klein vs. groß, winzig vs. riesig, winzig vs. gigantisch, klein vs. riesig, klein vs. gigantisch). 3.7 Komplementarität Komplementarität (auch: Kontradiktion oder kontradiktorische Antonymie (Lang 1995)) besteht zwischen Oppositionspaaren wie wahr vs. falsch, tot vs. lebendig, männlich vs. weiblich, treffen vs. verfehlen (ein Ziel), Tante vs. Onkel, Frau vs. Mann, Inland vs. Ausland etc. Bei semantisch komplementären Gegenteilen impliziert die Negation des einen die Assertion des anderen und umgekehrt. Nach Lyons (1989) und Lutzeier (1981) sind Komplementäre Spezialfälle der Inkompatibilität. Sie haben identische Bedeutungen bis auf ein binäres Entweder-Oder- Merkmal, in dem sie sich unterscheiden (vgl. Löbner 2003, S. 127). Komplementäre bilden in einem eingegrenzten Bereich eine erschöpfende Alternative. Für L1 und L2 als Variablen für Lexeme, für x als Variable für eine Entität gilt: K O M P L E M E N TA R ITÄT S D E F INITI O N : L1 und L2 sind komplementär genau dann, wenn 1) aus dem Zutreffen von L1 auf eine Entität x das Nicht-Zutreffen von L2 auf x folgt und 2) aus dem Nicht-Zutreffen von L1 das Zutreffen von L2. 1) L1(x) ⇒ - L2(x) x ist tot ⇒ x ist nicht lebendig 2) - L1(x) ⇒ L2(x) x ist nicht tot ⇒ x ist lebendig Lexikalisch-semantische Graduonymie 94 Wenn jemand tot ist, so folgt, dass er nicht lebendig ist; ist jemand nicht tot, so folgt, dass er lebendig ist (ähnlich anwesend vs. abwesend). Daraus folgt, dass tot und lebendig Komplementäre sind. Da die Komplementäre absolute Gegensätze bilden, sind sie weder graduierbar noch komparierbar (*töter, *verheirateter). Die Zwischenstufen bei komplementären Paaren sind ausgeschlossen. 3.8 Konversität Die Relation der Konversität (auch: Konversion, Konversonymie, Konversheit) besteht zwischen Lexemen, die dieselbe Bedeutung mit vertauschten Rollen ausdrücken. Die konversen Paare bezeichnen also den gleichen Sachverhalt von zwei unterschiedlichen Bezugspunkten. Die konversen Ausdrücke finden sich als Komparative von antonymischen Adjektiven (größer vs. kleiner), Verben, die menschliche Tauschverhältnisse beschreiben (kaufen vs. verkaufen), Präpositionen (über vs. unten) und Verwandtschaftsbezeichnungen (Vater vs. Sohn). Bei konversen Antonymen existiert das eine nicht ohne das andere. Für L1 und L2 als Variablen für Lexeme, für x und y als Variablen für Entitäten gilt: K O N V E R S ITÄT S D E F INITI O N : L1 und L2 sind konvers genau dann, wenn 1) aus dem Zutreffen von L1 auf das Paar von Entitäten <x, y> das Zutreffen von L2 auf <y, x> folgt und umgekehrt. L1 und L2 betrachten dieselbe Beziehung aus verschiedenen Perspektiven. 1) L1 (x, y) ⟺ L2 (y, x) x ist über y ⟺ y ist unter x Wenn das Bild über dem Schreibtisch hängt, steht der Tisch unter dem Bild: über und unter sind konvers. Weitere Beispiele: x leiht y z ⟺ y leiht sich z von x x ist ein Elternteil von y ⟺ y ist ein Kind von x x impliziert y ⟺ y folgt aus x Nach Löbner beruhen die konversen Antonyme nicht auf einer einheitlichen logischen Beziehung. Es können zwischen ihnen logisch inkompatible (über vs. unten oder jmdm. leihen vs. sich leihen) oder komple- Graduonymie und andere lexikalisch-semantische Relationen 95 mentäre (Ehemann vs. Ehefrau) Beziehungen bestehen. Zwischen ein und demselben Paar von Ausdrücken können zudem unterschiedliche Oppositionen existieren, wie z.B. das Wortpaar kaufen vs. verkaufen, das sowohl direktional entgegengesetzt als auch konvers ist (vgl. Löbner 2003, S. 129). 3.9 Direktionale Opposition Eine von der Antonymie (i.e.S.) getrennte Oppositionsart wird direktionale Opposition genannt, welche für Paare gilt, die sich auf einer gegebenen Achse auf entgegengesetzte Richtungen beziehen. Da direktionale Oppositionen semantisch die gleichen Strukturen wie die konträr antonymischen Oppositionen fokussieren und eine Unterklasse der Antonyme darstellen, gilt aussagenlogisch dieselbe Definition. Für L1 und L2 als Variablen für Lexeme, für x als Variable für Entitäten gilt: D E F INITI O N DI R E K TI O N A L E R O P P O S ITI O N E N : L1und L2 befinden sich in direktionaler Opposition genau dann, wenn sie antonym zueinander sind und sich von einem Bezugspunkt auf einer gegebenen Achse (Raum-/ Zeitachse) auf entgegengesetzte Richtungen beziehen. L1(x) ⇒ -L2(x) x ist vorne ⇒ x ist nicht hinten - L1(x) ⇏ L2(x) x ist nicht vorne ⇏ x ist hinten So stehen Ausdrücke oben : unten, vorne : hinten, rechts : links in einer direktionalen Opposition zueinander (vgl. Lyons 1980, S. 291ff.; Löbner 2003, S. 125f.). Sie haben einen gemeinsamen Bezugspunkt, der einem neutralen Bereich auf einer Antonymieskala entspricht. Löbner (2003, S. 126) unterscheidet hierbei unterschiedliche Achsentypen: vertikale Raumachse: oben vs. unten, hoch vs. niedrig, steigen vs. fallen primäre horizontale Raumachse: vorne vs. hinten, vorwärts vs. rückwärts, vorrücken vs. sich zurückziehen sekundäre horizontale Raumachse: rechts vs. links Zeitachse: vor vs. nach, gestern vs. morgen, Vergangenheit vs. Zukunft, betreten vs. verlassen Lexikalisch-semantische Graduonymie 96 Unter diesen Relationstypen fällt zudem die von Cruse (2004, S. 166) differenzierte Relation der ‘Reversität’, die für Verben charakteristisch ist. Die reversiven Verbpaare bezeichnen eine Bewegung oder Veränderung in entgegengesetzte Richtungen: steigen vs. fallen, betreten vs. verlassen. Da es sich bei direktionalen Oppositionen um nicht-abstufbare Gegensätze handelt, zählen sie nicht zu Graduonymen. 3.10 Heteronymie Der Begriff ‘Heteronymie’ hat im Bereich der semantischen Relationen eine sehr divergente Verwendung. 46 Löbner (2003, S. 128) verwendet ‘Heteronymie’ für die Relation zwischen mehr als zwei zueinander inkompatiblen Lexemen, die gleichrangige Alternativen einer Menge bilden. Die Definition dieses Relationstyps lautet folgendermaßen: H E T E R ONYMI E D E FINITION : Lexeme L1, L2, ..., Ln sind heteronym (griech. „ungleichnamig“) bzw. Heteronyme genau dann, wenn L1, L2, ..., Ln ein Spektrum von Alternativen (gleichberechtigte Alternativen innerhalb einer Kategorie) abdecken. Für zwei beliebige Elemente aus L (als die Menge der Alternativen) L1, L2, ..., Ln gilt, dass L1 und L2 falsch ist. Das heißt, L1 und L2 können nicht gleichzeitig zutreffen. Beispiele: Montag, Dienstag, Mittwoch, … Sonntag eins, zwei, drei, … rot, blau, grün, … gestern, heute, morgen, … Wenn jemand am Montag Geburtstag hat, hat er nicht auch am Dienstag Geburtstag. Als typische Beispiele für Heteronyme führt Löbner (vgl. ebd.) die Wochentagsbezeichnungen, die Grundfarbwörter, die Zahlwörter, die Bezeichnungen für Kleidungsstücke, Nahrungsmittel, Fahrzeuge und Musikinstrumente, Verben der Fortbewegung, des Sprechens oder Aktivitätsverben an. Die von Löbner genannten Beispiele für Heteronyme können aufgrund ihrer Inkompatibilität innerhalb einer Gruppe be- 46 Für welche Aspekte Heteronymie in der Linguistik verwendet wird, stellt Bußmann (2002, S. 276) dar. Graduonymie und andere lexikalisch-semantische Relationen 97 handelt werden. Unter genauer Betrachtung wird jedoch ersichtlich, dass die Lexeme trotz ihres Inkompatibilität-Verhältnisses unterschiedliche Ordnungsprinzipien aufweisen, welche eine ihrem Wesen entsprechende Kategorisierung voraussetzen. Die Verben des Sprechens (sprechen, schreien, flüstern, rufen) verbindet beispielsweise eine graduelle Relation, woraus hervorgeht, dass sie Graduonyme sind. 3.11 Inkompatibilität Zwei Wörter sind inkompatibel, wenn sie nicht gleichzeitig auf dieselbe Entität zutreffen können. Verschiedenartige semantische Relationen in der Sprache gehen mit der logischen Inkompatibilität einher. Obwohl zwischen Lexemen auf den ersten Blick die Inkompatibilität als grundlegende Relation zum Vorschein kommt, manifestieren sie spezifische Fälle von Inkompatibilität. In der Literatur liegen zu diesem Forschungsbereich zahlreiche Untersuchungen vor (vgl. Lyons 1980; Lutzeier 1981; Cruse 1986; Löbner 2003). Die Definition der Inkompatibilität lautet wie folgt: L1 und L2 als Variablen für Lexeme, für x als Variable für eine Entität gilt: D E F INITI O N V O N IN K O M PATI B ILITÄT : L1 und L2 sind inkompatibel genau dann, wenn 1) aus dem Zutreffen des einen auf eine Entität x das Nicht-Zutreffen des anderen folgt, und 2) aus dem Nicht- Zutreffen des einen weder das Zutreffen noch das Nicht-Zutreffen des anderen folgt. Beispiel: 1) L1 ⇒ - L2 x ist ein Tisch ⇒ x ist keine Rose L2 ⇒ - L1 x ist eine Rose ⇒ x ist kein Tisch 2) - L1 ⇏ L2 x ist kein Tisch ⇏ x ist eine Rose - L1 ⇏ - L2 x ist kein Tisch ⇏ x ist keine Rose - L2 ⇏ L1 x ist keine Rose ⇏ x ist ein Tisch - L2 ⇏ - L1 x ist keine Rose ⇏ x ist kein Tisch Lexikalisch-semantische Graduonymie 98 Diese Definition bezieht sich auf zwei beliebige lexikalische Einheiten, die keine gemeinsame semantische Grundlage und keinen gemeinsamen Oberbegriff haben. Lyons bezeichnet die Bedeutungsbeziehung zwischen Lexemen in Mengen, die sich durch nicht-binäre Kontraste aufeinander beziehen (siehe Kap. 2.6.1), als ‘Inkompatibilität’ und deutet darauf hin, dass „es schwierig ist, diesen Begriff so präzise zu machen, wie den Begriff der Opposition“ (Lyons 1980, S. 298). Eine Definition von Inkompatibilität gibt Lyons nicht. Er deutet jedoch auf die Schwierigkeit hin, dass „die Inkompatibilität als strukturelle Relation zumindest vortheoretisch nicht immer klar unterscheidbar ist von dem, was wir geneigt wären, als Unverbundenheit der Bedeutung zu beschreiben.“ Als signifikantes Merkmal von Inkompatibilität behauptet Lyons Folgendes: Wichtig ist, daß die Inkompatibilität als lexikalische Relation ebenso wie die Opposition auf einem Kontrast innerhalb von Ähnlichkeit beruht: ,Rose’ und ,Schwein’ sind kontradiktorische Gegensätze, aber es hat wenig Sinn, ihren Status als Inkompatibilia zu diskutieren, da ersteres eine Blume und letzteres ein Tier denotiert; man kann kaum sagen, daß die Bedeutung des einen die Bedeutung des anderen begrenzt. (Lyons 1980, S. 298) Lyons betont, dass Inkompatibilität von bloßer Sinnverschiedenheit (wie z.B. zwischen Rose und Schwein) zu unterscheiden ist. Lyons’ Sinnunterschied/ Sinnverschiedenheit entspricht der oben angeführten Definition von Inkompatibilität. Zwei beliebige Wörter, die keine semantischen Gemeinsamkeiten haben, sind von verschiedenem Sinn, aber nicht inkompatibel: karmesinrot und weich können unkontradik-torisch für dasselbe Objekt gebraucht werden; dahingegen sind karmesin und purpurn ähnlich im Sinn (karmesin und purpurn sind Kohyponyme des Hyperonyms rot), aber inkompatibel (vgl. Lyons 1989, S. 469). In der Literatur wird Inkompatibilität im Sinne von Lyons für semantisch verwandte Wörter mit kontrastierendem Charakter gebraucht. Relevant sind hierbei bei inkompatiblen Ausdrücken die Existenz eines gemeinsamen superordinierten Ausdrucks und eine bestimmte Dimension, im Rahmen welcher sie sich unterscheiden. Diese notwendigen Kriterien der Inkompatibilität sind für alle unten aufgeführten Unterklassen (in Tab. 1) dieser Relation charakteristisch. Graduonymie und andere lexikalisch-semantische Relationen 99 Weit verbreitet ist in der Linguistik die Auffassung von Inkompatibilität unter der Bezeichnung Kohyponymie. Diese Relation ist für Hyponyme eines gemeinsamen Hyperonyms reserviert. Die Definition der Kohyponymie involviert dabei den ersten Teil der obigen Inkompatibilitätsdefinition. L1, L2 und L3 als Variablen für Lexeme, für x als Variable für eine Entität gilt: KOHYPONYMIEDEFINITION : L1 ist kohyponym zu L2 genau dann, wenn 1) aus dem Zutreffen des einen auf eine Entität x das Nicht-Zutreffen des anderen folgt, und 2) es ein L3 gibt, das in Bezug auf eine Entität x ein gemeinsames Hyperonym zu L1 und L2 ist. 1) L1(x) ⇒ - L2(x) x ist ein Hund ⇒ x ist keine Katze L2(x) ⇒ - L1(x) x ist eine Katze ⇒ x ist kein Hund 2) L1(x)/ L2(x) ⇒ L3(x) x ist ein Hund/ eine Katze ⇒ x ist ein Haustier L3(x) ⇏ L1(x)/ L2(x) x ist ein Haustier ⇏ x ist ein Hund/ eine Katze Hund und Katze sind Kohyponyme, weil sie ein gemeinsames Hyperonym Haustier haben. Hund und Katze verhalten sich zueinander inkompatibel und schließen sich gegenseitig aus. Diese Auffassung von Inkompatibilität setzt voraus, dass beide Wörter innerhalb einer bestimmten Dimension von Bedeutungsähnlichkeiten einen unmittelbaren gemeinsamen Oberbegriff haben. Mit der Erfüllung dieser Bedingung und weiterer zusätzlicher Spezifizierungen fallen verschiedene semantische Relationen unter Inkompatibilitäts-Relation (siehe unten). Insgesamt gehen Antonyme, Komplementäre, direktionale Oppositionen, Kohyponyme, Heteronyme und Graduonyme mit der logischen Inkompatibilität einher. Jede der genannten Relationsarten soll eine spezifische Form von Inkompatibilität manifestieren. Im Folgenden werden die substanziellen Unterschiede inkompatibler Ausdrücke an Beispielen anhand einer Tabelle 47 (Tab. 1) gezeigt. 47 Diese Tabelle wurde analog zu Löbner (vgl. 2003, S. 130) erstellt. Lexikalisch-semantische Graduonymie 100 INKOMPATIBILITÄT FORMEN DEFINITION BEISPIELE Antonymie Gegenpole auf derselben Skala groß - klein Komplementarität Erschöpfende Alternative tot - lebendig Direktionale Oppositionen Entgegengesetzte Richtungen auf einer Achse über - unter Kohyponymie mehrere Alternativen eines gemeinsamen Hyperonyms Fahrrad, Auto, Schiff (Fahrzeug) Heteronymie gleichrangige Alternativen einer Menge Montag vs. Dienstag Graduonymie verschiedene Abstufungen derselben Eigenschaft die Pforte < die Tür < das Tor Tab. 1: Arten der Inkompatibilität bei den semantischen Relationen Auch zwischen Elementen skalarer Reihungstypen wie Serien (Skalen und Grade) und Zyklen herrscht die Relation der Inkompatibilität. INKOMPATIBILITÄT FORMEN DEFINITION BEISPIELE Zyklen Zyklische Ordnung, d.h. jedes Lexem ist zwischen zwei anderen Montag, Dienstag, ..., Sonntag Serien Lexeme sind zwischen zwei äußersten Elementen Skalen Die konstituierenden Lexeme sind gradierbar {heiß, warm, kühl, kalt} Grade Die konstituierenden Lexeme sind nicht gradierbar {General, ..., Unteroffizier, Soldat} Tab. 2: Arten der Inkompatibilität bei den skalaren Ordnungen Der folgende Abschnitt diskutiert die Verhältnisse inkompatibler Ausdrücke innerhalb von Zyklen, Kohyponymen und Graduonymen und zeigt exemplarisch, wodurch sie sich unterscheiden. Graduonymie und andere lexikalisch-semantische Relationen 101 Graduonymie und Inkompatibilität Die in Tabelle 2 präsentierten Beispiele stammen aus dem Online-Wörterbuch elexiko und werden alle unter der Relation der Inkompatibilität behandelt. Auch wenn sich lexikalische Einheiten, wie sich aus den Beispielen erkennen lässt, zueinander inkompatibel verhalten, so ist die semantische Inkompatibilitätsbeziehung zwischen ihnen doch anderer Natur. Stichwort Inkompatible Partner 1 Auto [Lesart ‘Fortbewegungsmittel’] Bahn, Bus, Flugzeug, Schiff, ... 2 Mittwoch [Lesart ‘Tag’] Montag, Dienstag, Donnerstag, ... 3 Kind [Lesart ‘sehr junger Mensch’] Neugeborenes, Säugling, Jugendlicher, Erwachsener Tab. 3: Beispiele für die Relation der Inkompatibilität in elexiko Die Beispielreihe 1 in der Tabelle stellt ein Muster für eine Kohyponymie-Relation dar. Die Ausdrücke Auto, Bahn, Bus, Flugzeug, Schiff sind Kohyponyme zueinander und Hyponyme des Hyperonyms Transportmittel. Die Kohyponyme eines Hyperonyms weisen „eine inhaltsmäßige Spezifizierung“ (Bußmann 2002, S. 287) auf. Im Beispiel 2 der Tabelle handelt es sich um eine Menge von Lexemen - Wochentagsbezeichnungen -, die keine äußeren Punkte aufweisen. Jedes Element hat seine feste Stellung innerhalb der Menge. Das heißt, jedes Gruppenmitglied hat genau einen Partner, dem es nachgeordnet ist und genau einen, dem es vorgeordnet ist. Mengen mit einer solchen Art des Bedeutungsgegensatzes bezeichnet Lyons (1980, S. 297ff.), wie bereits erwähnt, als Subtyp der Inkompatibilität, nämlich als Zyklen. Im Beispiel 3 der Tabelle werden Einheiten einer graduonymischen Gruppe aufgeführt, die durch verschiedene Altersstufen eines jungen Menschen einander gegenübergestellt werden. Auch sie verhalten sich zueinander inkompatibel. Es besteht jedoch ein wesentlicher Unterschied zwischen diesen drei Typen inkompatibler Ausdrücke: 1) Der Unterschied zwischen kohyponymischen Begriffen hängt mit der qualitativen Spezifizierung zusammen. Lexikalisch-semantische Graduonymie 102 2) Bei zyklischen Anordnungen, wie etwa Wochentagsbezeichnungen, existieren weder qualitative noch graduelle Merkmale. 3) Im Gegensatz zu anderen inkompatiblen Relationen bestehen zwischen Graduonymen Verhältnisse, die sich auf die graduelle Ausprägung eines spezifischen Merkmals beziehen. Den Unterschied zwischen den drei inkompatiblen Typen kann die Inhaltsanalyse deutlich machen (vgl. Lyons 1980, S. 297). Zwei Elemente aus den jeweiligen Gruppen werden miteinander kontrastiert, um ihre inkompatiblen Verhältnisse zueinander und somit Unterschiede innerhalb der drei Gruppen zu erkennen. Bei der Bedeutungserklärung der Stichwörter werden die jeweiligen Oberbegriffe eingesetzt und durch die relevanten unterscheidenden Merkmale spezifiziert (im ersten Fall), spezifiziert und angeordnet (im zweiten Fall), spezifiziert und graduiert (im dritten Fall): 1) AUTO = [+ Transportmittel], [+ durch einen Motor angetrieben], [+ mit vier Rädern], [- auf dem Wasser] 2) versus SCHIFF = [+ Transportmittel], [± durch einen Motor angetrieben], [- mit vier Rädern] [+ auf dem Wasser] 3) MITTWOCH = [+ Wochentag], [+ zwischen Dienstag und Donnerstag] versus DONNERSTAG = [+ Wochentag], [+ zwischen Mittwoch und Freitag] 4) JUGENDLICHER = [+ Mensch], [- erwachsen], [ca. zwischen dem 14. und 18. Lebensjahr] versus ERWACHSENER = [+ Mensch], [+ erwachsen], [ab dem 18. Lebensjahr]. Die inkompatiblen Besonderheiten in der lexikalischen Bedeutung von Wörtern lassen sich zudem in bereits oben (vgl. Kap. 3.1 zur Synonymie) verwendetem Testrahmen präzisieren. An dieser Stelle wird exemplarisch gezeigt, inwiefern mithilfe der Satzkonstruktion Das ist kein X, sondern ein Y verschiedene Inkompatibilitätsrelationen zu differenzieren sind. Graduonymie und andere lexikalisch-semantische Relationen 103 Die aus Negation und dem adversativen Konnektor sondern bestehende Satzkonstruktion 48 setzt voraus, dass die zu kontrastierenden Einheiten die Eigenschaft der Unverträglichkeit haben. 1) Das ist kein Auto, sondern ein Schiff. 2) Heute ist nicht Montag, sondern Dienstag. 3) Das ist kein Jugendlicher, sondern ein Erwachsener. Hier gibt es eine Ähnlichkeit zum Verhalten aller inkompatiblen Elemente in entsprechenden Satzmustern: Der Test funktioniert mit allen Vergleichspaaren. Dennoch liegt bei diesem Verfahren ein signifikanter Unterschied vor. Für die Graduonyme können die Satzmuster mit Gradpartikeln (hier: fast schon) angereichert werden, während dies für die Kohyponyme und zyklischen Anordnungen nicht angewendet werden kann: 1) ? Das ist kein Auto, das ist fast schon ein Schiff. 2) ? Heute ist nicht Montag, heute ist fast schon Dienstag. 3) Das ist kein Jugendlicher, das ist fast schon ein Erwachsener. Anhand solcher diagnostischer Satzmuster oder, wie oben gezeigt, einfach mithilfe der Inhaltsanalyse können die Charakteristika jeder inkompatiblen Sinnrelation ermittelt werden. Die Untersuchungen belegen, dass auf Inkompatibilität verschiedene semantische Relationen basieren. Aber jeder der genannten Relationstypen weist eigenständige Ordnungsprinzipien auf, so dass sie entsprechend behandelt werden müssen. Wie die obigen exemplarischen Abgrenzungsmöglichkeiten und zudem in nächsten Kapiteln vorgestellten Methoden veranschaulichen, sind sie empirisch verifizierbar. 3.12 Troponymie Nach Lyons können Verben, Adjektive und andere Wortarten nicht wie die Elemente einer nominalen Hyperonymie-/ Hyponymiebeziehung in die Formel „x ist eine Art von y“ ohne vorherige Nominalisierung eingefügt werden (vgl. Lyons 1980, S. 303ff.). Es wird angenommen, dass die Hyperonymie/ Hyponymierelation wie bei Nomina, bei denen es sich um ein Genus-Spezies-Verhältnis han- 48 Zur Negation - sondern-Verknüpfung siehe Kapitel 6.2. Lexikalisch-semantische Graduonymie 104 delt, bei Verben nicht möglich ist. Ein Testrahmen wie Eine Katze ist ein Säugetier ginge also bei Verben nicht. Daher spricht man bei Verben von Troponymie: V1(z.B..: murmeln) ist eine bestimmte Art und Weise von V2 (reden). Eingeführt wurde diese Relation erstmals in WordNet (vgl. Fellbaum 1990). Die Troponymie (vgl. Fellbaum 1990; Aitchison 1997; Heusinger 2004; ELDIT ) wurde ausschließlich für die für Verben typische Relation differenziert. Troponyme bezeichnen eine spezielle Art und Weise eines allgemeineren Oberbegriff-Verbs. Trotz der Unterscheidung zwischen nominalen und verbalen wie adjektivischen Ober- und Unterbegriff-Relationen gilt für alle eine identische Definition. Für V1 und V2 als Variablen für Verben und für x als Variable für eine Entität gilt: T R O P O N Y MI E D E F INITI O N : V2 ist Troponym zu V1 genau dann, 1) wenn aus dem Zutreffen von V2 auf eine Entität x das Zutreffen von V1 auf x folgt, und 2) aus dem Zutreffen von V1 auf x aber nicht das Zutreffen von V2 auf x. 1) V2(x) ⇒ V1(x) x murmelt ⇒ x redet 2) V1(x) ⇏ V2(x) x redet ⇏ x murmelt 1) Murmeln bezeichnet eine bestimmte Art und Weise von reden. Wenn jemand murmelt, so folgt daraus, dass jemand redet; 2) daraus, dass jemand redet, folgt aber nicht, dass jemand murmelt. Das heißt, dass murmeln ein Troponym zu reden ist. Im Folgenden werden einige Beispiele zu Troponymen aus dem ELDIT - Wörterbuch angeführt: TRINKEN : schlürfen, nippen (in kleinen Mengen trinken); hinunterstürzen/ hinuntergießen, zischen (hastig trinken). SINGEN : schmettern, grölen, plärren (laut singen); knödeln, brummen (schlecht singen). SPRECHEN : säuseln, flöten (unnatürlich sprechen); nuscheln, lispeln, stottern, brabbeln (undeutlich sprechen). Graduonymie und andere lexikalisch-semantische Relationen 105 Graduonymie und Troponymie Zudem bestehen Gemeinsamkeiten zwischen Graduonymie und Troponymie, weshalb innerhalb der Troponymie-Kategorie verbale Graduonyme zu finden sind. Fellbaum (1990) unterscheidet bei der relationalen Analyse von englischen Verben 15 semantische Gruppen von Verben und weist an entsprechenden Stellen auf die Gradualität und Intensität (auf den Grad der Intensität von bestimmten Aspekten) zwischen Troponymen hin: Some verbs refer to different degrees of INTENSITY of the action or state (drowse, doze, sleep) (ebd., S. 285). [...] Many troponyms are derived via a manner relation encoding the force, intensity, or iteration of the action (ebd., S. 296). [...] Some troponyms express kinds of reasoning (deduce, induce) or degrees of certainty (infer, guess, assume, suppose). (Fellbaum 1990, S. 297) Auch van Os geht auf den Aspekt der Intensivierbarkeit von Verben angesichts der Diskussion von Ballmer/ Brennenstuhl (1986, S. 34) ein. Die Verben schleichen, zuckeln, gehen, trotten, marschieren, rennen, sprinten haben die gemeinsame Kernbedeutung ‘sich zu Fuß von einem Ort nach einem anderen Ort bewegen’. Der Unterschied zwischen diesen Verben bezieht sich teils auf die Art, teils auf die Geschwindigkeit der Fortbewegung [Hervorhebung von mir, N.V.]. Ballmer/ Brennenstuhl paraphrasieren diese Verben folgendermaßen: extrem langsam, langsam, Ø, gemütlich, tüchtig vorankommend, schnell, maximal schnell. Es fällt auf, dass gehen die neutrale Position einnimmt. Sonst zeigt sich eine Opposition einerseits zwischen Verben, die eine langsame, und andererseits Verben, die eine schnelle Fortbewegung bezeichnen. Daraus ergibt sich eine Skala langsam/ schnell, und zwar eine Skala, die zu beiden Seiten offen ist. (van Os 1989, S. 72) Diese Arbeit knüpft an die Unterscheidung von van Os an, dass sich die angeführten Verben teils auf die Art, teils auf die Geschwindigkeit der Fortbewegung beziehen, und unterscheidet somit zwischen Troponymen, die eine Art und Weise bezeichnen, und Graduonymen, die eine Intensivierung bzw. Gradualität kennzeichnen. In dieser Arbeit werden folglich die auf Intensivierung bzw. Gradualität bezogenen Troponyme als Graduonyme bezeichnet und sie werden als zwei substanziell verschiedene Phänomene angesehen. Lexikalisch-semantische Graduonymie 106 3.13 Graduonymie Nachdem in den vorangegangenen Kapiteln die Charakteristika der Graduonymie, die gängigen semantischen Relationen der lexikalischen Semantik und deren Zusammenhänge zur Graduonymie diskutiert wurden, werden in diesem Kapitel die Besonderheiten der Graduonymie-Relation zusammengefasst. Wie andere Sinnrelationen manifestiert sich Graduonymie zwischen lexikalischen Einheiten im Wortschatz und strukturiert lexikalische Paradigmen, deren Elemente aufgrund gradueller Unterschiede in ihrer Bedeutung kontrastieren. Diesem semantischen Unterschied liegt eine stufenweise Steigerung oder Verringerung eines spezifischen Merkmals in der semantischen Struktur der Wörter zugrunde. Eine sprachsystembezogene Definition der Graduonymie lautet folgendermaßen: Für L1 und L2 als Variablen für Lexeme, für x und y für Entitäten und für P als Variable für eine graduierbare Eigenschaft zwischen Lexemen gilt: GRADUONYMIEDEFINITION : L1 ist graduonym zu L2 genau dann, wenn aus dem Zutreffen von L1 auf x und L2 auf y folgt, dass x die Eigenschaft P zu einem anderen Grade hat als y. Die Graduonymierelation zwischen Lexemen wird durch ein „mehr als“- oder „weniger als“-Verhältnis formuliert: x < P y oder x > P y. Zum Beispiel: x < Windstärke y . x ist eine Brise < Windstärke y ist ein Orkan. Wenn x eine Brise ist und y ein Orkan, dann hat y die Eigenschaft Windstärke zu einem höheren Grad als x. Daraus folgt, dass Brise und Orkan Graduonyme sind. Aufgrund gradueller Ausprägungen von semantischen Merkmalen der Wörter werden graduelle Ketten systematisiert. In Anlehnung an Aripzhonova entscheidet sich diese Arbeit bei den lexikalischen graduellen Ketten für die Bezeichnung graduonymische Wortreihe oder Wortreihung (vgl. Aripzhonova 1994). Der graduonymischen Wortreihe liegt das skalare Ordnungsprinzip zugrunde. Die Glieder eines graduonymischen Paradigmas werden Graduonyme genannt. Graduonyme einer Wortreihe stehen also paarweise laut der Definition bezüglich der gleichen Eigenschaft in graduonymischer Relation. Von einer Wortreihe oder einer Wortreihung wird gesprochen, wenn sie mindes- Graduonymie und andere lexikalisch-semantische Relationen 107 tens aus drei Graduonymen besteht: klein < mittelgroß < groß oder die Pforte < die Tür < das Tor. Eine graduonymische Wortreihe kann aber auch mehr als drei Glieder umfassen: das Neugeborene < der Säugling < das Kind < der Jugendliche < der Erwachsene. Die Graduonymie ist die Relation zwischen zwei graduonymisch verbundenen Wörtern: die Brise < der Orkan. Das Zeichen „<“ signalisiert die Relation der Grade zwischen Lexemen, die bezüglich einer konkreten graduellen Eigenschaft charakterisiert sind (z.B.: ein bestimmtes Alter, eine bestimmte Größe, eine bestimmte Eigenschaft etc. (siehe Kap. 2.7)) und durch unterschiedliche Ausprägung dieser Eigenschaft in Kontrast zueinander stehen. Um dies zu explizieren: Für den Fall x < y bedeutet das, dass y die zu graduierende Eigenschaft in höherem Grade als x und umgekehrt x die gleiche Eigenschaft in geringerem Grade als y hat. Die Wörter einer Graduonymiereihung stehen inkompatibel gegenüber. Eine Ausnahme bezüglich der Inkompatibilität stellt das Hypergraduonym der Reihe dar. Die Besonderheiten der sich zueinander inkompatibel verhaltenden Wörter wurden in einigen Kapiteln des Kapitels 3 erörtert. Die dort genannten Eigenheiten der Inkompatibilität treffen auch für Graduonyme zu: Ein graduonymisches Paradigma wird aufgrund einer für alle Glieder gemeinsamen Bedeutung konstituiert. Es bestehen spezielle Unterschiede zwischen den Gliedern eines Paradigmas neben ihren identischen/ ähnlichen Bedeutungskomponenten. Diese Besonderheit eines gradonymischen Paradigmas wird im Folgenden am Beispiel der Gewässer-Gruppe in Abbildung 12 veranschaulicht: ‘Stehendes natürliches Gewässer’ Lache Teich See Meer Ozean ‘Größe/ Umfang’ Abb. 12: Inkompatibles Verhältnis der Wörter in der Wortmenge Stehendes natürliches Gewässer Lexikalisch-semantische Graduonymie 108 Die Wörter Lache, Teich, See, Meer und Ozean haben die gemeinsame Bedeutung „Stehendes natürliches Gewässer“. Die speziellen Verschiedenheiten der Wörter bestehen in dem differenten Grad ihrer „Größe“ oder ihres „Umfangs“. Dieses Merkmal ist für diese Gruppe steigerungsrelevant, und es steigert sich stufenweise von der Lache bis zum Ozean. Aufgrund der bedeutungsunterscheidenden graduellen Merkmale stehen die Wörter in einer entgegengesetzten Relation zueinander. Durch die Behauptung des einen Graduonyms wird das andere Graduonym ausgeschlossen. Denn Graduonyme können, einerseits, im konkreten kontextuellen Zusammenhang nebeneinander angereiht werden und andererseits werden sie aufgrund ihrer partiellen Bedeutungsüberlappung kontextbedingt ausgetauscht. Eine Graduonymiereihung zeichnet sich zudem dadurch aus, dass ein Lexem aus dieser Reihe eine formgleiche Variante haben kann, für welche gilt, dass sie zu einem oder mehreren Lexemen der Reihe in einer hyperonymischen Relation steht. Für das Lexem, das zu einem oder mehreren Lexemen eine übergeordnete Relation der Gradualität aufzeigt, führt diese Arbeit die Bezeichnung Hypergraduonym ein. HYPERGRADUONYMIE-DEFINITION: Für eine Menge von Lexemen L {L1, L2, ..., Ln-1, Ln} gilt: Lx ist ein Hypergraduonym zu L genau dann, wenn (i) Lx Element von L ist, (ii) Lx in hyperonymischer Relation zu jedem Element in L steht und (iii) für jedes Paar von Elementen aus L <Ly, Lz> gilt, dass Ly Graduonym zu Lz ist. Daraus folgt, dass Lx zwei Lesarten hat: eine hypergraduonymische und eine graduonymische. Die hypergraduonymischen und graduonymischen Verhältnisse werden im Folgenden grafisch veranschaulicht (Abb. 13). In Abbildung 14 wird das hypergraduonymische und graduonymische Verhätlnis anhand der konkreten Wind-Reihe dargestellt. Zu unterscheiden sind hier allerdings zwei Fälle: Erstens, es gibt meistens ein Lexem, das für alle andere Lexeme als Hypergraduonym auftritt. In der Wind-Skala hat das Lexem Wind diese Funktion. Zweitens, es gibt noch weitere Graduonyme, die oft zu ihren Nachbargraduonymen eine Oberbegriff-Funktion zeigen. Beispielsweise tritt das Lexem Graduonymie und andere lexikalisch-semantische Relationen 109 Sturm zu Orkan als Hypergraduonym auf. In diesem Fall wird von einer Mehrebenenenhypergraduonymie in einer Graduonymiereihung gesprochen. Zur Illustration siehe Abbildung 15. Ly Lx graduonym Lz Ln Lx hypergraduonym Abb. 13: Hypergraduonymie- und Graduonymie-Verhältnis nach der Definition Brise Wind graduonym Sturm Orkan Wind hypergraduonym Abb. 14: Hypergraduonymie- und Graduonymie-Verhältnis in der Wind-Reihe WIND Brise Wind Sturm Orkan STURM Abb. 15: Mehrebenenhypergraduonymie in der Wind-Reihe Lexikalisch-semantische Graduonymie 110 3.14 Zusammenfassung Die bisherigen Beobachtungen haben gezeigt, dass die semantischen Relationen des lexikalischen Systems eng miteinander zusammenhängen, indem manche Typen von Bedeutungsbeziehungen eine relativ enge Verwandtschaft indizieren und in bestimmten Kontexten gleichzeitig zutreffen können. Mit einer paarweisen Analyse semantischer Relationen (Synonymie vs. Graduonymie, Plesionymie vs. Graduonymie etc.) wurde der Versuch unternommen, signifikante Zusammenhänge der Relationen zu konstatieren. Dabei sind ein wichtiger Aspekt der semantischen Relationen und der damit zusammenhängende Ausgangspunkt ihrer Untersuchung evident geworden. Dieser existenzielle Aspekt von Sinnrelationen bezieht sich darauf, dass bei jedem semantischen Relationstyp 49 von einem Kontrast auszugehen ist. Die Art des Kontrasts und das Maß an Kontrast kommen jedoch in jeder Sinnrelation anders zum Ausdruck. Demzufolge lässt sich bei eng verwandten grundlegenden semantischen Relationen eine präzise Abgrenzung schwer feststellen und führt zudem zu variierenden Interpretationen. Um die Art und Weise des Kontrasts zu bestimmen und dadurch die Natur jedes einzelnen Relationstyps näher zu erschließen, soll jede semantische Relation nicht isoliert, sondern unter Berücksichtigung anderer eng zusammenhängender Relationen analysiert werden. Die Definitionen semantischer Relationen haben gezeigt, dass bestimmte Wörter gleichzeitig auf dieselbe Entität zutreffen können und bestimmte nicht. Vor diesem Hintergrund können zwei Hauptgruppen der Inhaltsrelationen unterschieden werden: Wörter, die auf eine Entität zutreffen können, können unter ‘Kompatibilia’ zusammengefasst werden und die, auf eine Entität nicht zutreffen können, unter ‘Inkompatibilia’. So gehen semantische Relationen der Synonymie und Hyperonymie mit Kompatibilität einher und solche der Antonymie, Komplementarität, Kohyponymie, Graduonymie sowie direktionale Oppositionen und Zyklen mit Inkompatibilität. Nach diesen Auffassungen wird der Zusammenhang verschiedener Sinnrelationen auf der Grundlage eines semantischen Netzes vorge- 49 Bei allen Typen semantischer Relationen außer bei totaler Synonymie ist der Kontrast evident. Bei der partiellen Synonymie ist von einem nicht auf die Denotation bezogenen Kontrast auszugehen. Graduonymie und andere lexikalisch-semantische Relationen 111 stellt (Abb. 16), allerdings ohne Berücksichtigung der syntagmatischen Umgebung der Stichwörter. Am Beispiel des Paradigmas PFERD wird veranschaulicht, wie die von Synonymwörterbücher (z.B. Duden 2007) in einer Gruppe zusammengefassten Wörter (außer der meronymischen Gruppe) in der Tat zu systematisieren sind und welche Verhältnisse sie zueinander aufweisen und speziell welche Position Graduonyme innerhalb dieses Systems besitzen. Pferd ist neben Rind, Schwein, Schaf, Ziege eines der Hyponyme des Hyperonyms Tier. Die Hyponyme von Tier stehen untereinander in einer Kohyponymie-Relation. Jedes Element dieses Systems kann weiter seine eigene paradigmatische Umgebung bilden. An dieser Stelle wird die Paradigmatik von Pferd illustriert. In der nächsten Ebene übernimmt Pferd die Oberbegriff-Funktion, d.h. Pferd ist Hyperonym, dem die Art-Bezeichnungen Hengst, Stute, Rappe, Schimmel, Wallach etc. untergeordnet werden. Die Unterbegriffe sind wiederum untereinander kohyponymisch verbunden. Konnotativ ausgeprägte Begriffe wie Gaul, Mähre, Klepper, Ross etc. modellieren die synonymische Gruppe des Grundsynonyms Pferd. Die verschiedene Altersstufen des Pferdes bezeichnenden Wörter Fohlen, Enter, Hengst/ Stute sind graduonymische Partner des Hypergraduonyms Pferd. Jedes Element der graduonymischen Gruppe kann seine Synonyme haben: Füllen ist z.B. ein konnotativ gehobener Ausdruck für Fohlen. Eine weitere Paradigmatik bildet sich anhand der Teil-Ganzes-Beziehung: die Körperteile des Pferds wie Mähne, Schweif, Hals, Rücken bilden die meronymischen Relationspartner des Holonyms Pferd. Jedes Element dieses komplexen Paradigmas steht mit anderen Elementen in Beziehung: „mit einigen in einer spezifischen direkten, mit anderen in einer spezifischen indirekten Beziehung“ (Schippan 1992, S. 222 nach Viehweger (Hg.) 1977, S. 342). Jedes einzelne Paradigma/ Wortfeld als Subsystem des Wortschatzes ist für weitere Paradigmenmitglieder/ Wortfeldelemente offen (vgl. Schippan 1992, S. 213). Lexikalisch-semantische Graduonymie 112 Hengst Stute Rappe Schimmel Wallach Klepper Ross Gaul Mähre Fohlen Enter Hengst/ Stute Mähne Schweif Hals Rücken Hyponyme Kohyponyme Meronyme Graduonyme Synonyme Rind Schwein Schaf Ziege PFERD Kohyponyme Hyponyme Hyperonym TIER Hyperonym Grundsynonym Hypergraduonym Holonym Abb. 16: Semantisches Netz von Pferd 4. SPRECHERBEFRAGUNGEN Dieser Kapitel befasst sich mit Sprecherbefragungen zum Deutschen und Usbekischen. Die Befragung in deutscher Sprache, die online durchgeführt wurde, strebt die Überprüfung der Stabilität und Validität von Graduonymiereihungen an und dient als empirische Grundlage für weitere Methoden. Das heißt, die im Rahmen dieser Arbeit angewendeten Korpus- und operationalen Verfahren beruhen auf den durch die Sprecherurteile evaluierten Daten. Insofern ist die deutsche Web-Umfrage als methodischer Einstieg in die Problematik zu betrachten. Mit der Heranziehung des Usbekischen wird keine „kontrastive“ Untersuchung im eigentlichen Sinne anvisiert. Eine Analyse im Hinblick auf die strukturelle Kontrastierung der beiden Sprachen wird nicht vorgenommen. Anhand des Usbekischen, einer genetisch und typologisch mit dem Deutschen nicht verwandten Sprache, sollen Erkenntnisse zu der Frage gewonnen werden, inwiefern die im Deutschen ermittelten Eigenschaften der Graduonymie-Relation typische distinktive Merkmale des Deutschen sind oder sprachübergreifende Prinzipien widerspiegeln. Dieser Teil der Arbeit besteht aus drei Teilkapiteln, nämlich Organisatorisches, Auswertung der Umfrageergebnisse und linguistische Interpretation der Daten. Nach jedem Teilkapitel werden die Ergebnisse systematisch sprachbezogen und -vergleichend zusammengefasst. 4.1 Umfrage für das Deutsche Anhand von 71 ausgewählten nominalen, verbalen, adjektivischen, pronominalen und adverbialen Wortreihen aus dem Gesamtmaterial, die als graduonymisch eindeutig angenommen wurden, wurde eine internetbasierte Sprecherbefragung durchgeführt. Die Liste der für die Umfrage ausgewählten Reihen findet sich in Kapitel 2.7 und in Anhang 3. Ziel der Befragung ist es zu prüfen: - inwiefern und wie oft die Wörter im Bewusstsein der deutschen Muttersprachler als Graduonyme wahrgenommen werden; - wie stabil die als graduonymisch angenommenen Wortreihungen sind. Lexikalisch-semantische Graduonymie 114 Die Überprüfung der Graduonyme erfolgt im Rahmen der beiden Studien isoliert, ohne ihre kontextuelle Einbettung. Es ist interessant zu beobachten, inwiefern die Sprecher die kontextfreien Wortbedeutungen erkennen und sie aus dem Gedächtnis abrufen sowie mit anderen verwandten Wörtern in eine Rangfolge bringen. Bei den Ergebnissen der Umfragen werden wir mit vielfältigen und interessanten Phänomenen zu tun haben. Der Vergleich der Umfrageresultate mit denen der anderen Methoden, in denen eine kontextbezogene Untersuchung der Graduonymie im Vordergrund steht, liefert für die Graduonymie- Untersuchung relevante Erkenntnisse. 4.1.1 Probanden Bei der Gewinnung der Versuchspersonen wurde die Studie von dem Sonderforschungsbereich 441 der Universität Tübingen unterstützt. Der SFB 441 erstellte eine Kartei mit potenziellen Versuchsteilnehmern - Muttersprachlern diverser Sprachen -, die zustimmten, an den Untersuchungen im Rahmen der SFB-Projekte teilzunehmen. Mittels einer Rundmail wurden Studierende mit der Muttersprache Deutsch zu dieser Befragung eingeladen. Den Probanden wurden keine Fragen zu ihren soziodemografischen Daten (Alter, Geschlecht, Beruf etc.) gestellt. An der Befragung nahmen insgesamt 120 Probanden teil. Es standen zum Schluss jedoch nur die Urteile von 43 Versuchsteilnehmern für die Auswertung zur Verfügung. Wegen einer Störung während der Datenübertragung ist die Mehrzahl der Daten nicht korrekt abgespeichert worden und verloren gegangen. 4.1.2 Durchführung Die Web-Umfrage wurde im Rahmen des Sonderforschungsbereichs 441 (SFB 441) „Linguistische Datenstrukturen: Theoretische und empirische Grundlagen der Grammatikforschung“ der Eberhard-Karls- Universität Tübingen durchgeführt. 50 Verfügbar war sie unter der Webadresse www.sfb441.uni-tuebingen.de/ ~wunsch/ nv/ release/ . 50 Für die Unterstützung bei der Organisation, Durchführung und Auswertung der Umfrage möchte ich mich an dieser Stelle bei den Mitarbeitern des Seminars für Sprachwissenschaft, Abteilung Computerlinguistik, der Universität Tübingen, Claudia Kunze, Dr. Holger Wunsch und Dr. Heike Zinsmeister, dem Mitarbeiter des SFB 441 der Universität Tübingen, Oliver Bott, und den Mitarbeitern des Instituts für Deutsche Sprache in Mannheim, Christian Simon, Caren Brinckmann und Dr. Noah Bubenhofer, bedanken. Sprecherbefragungen 115 Vor dem offiziellen Start wurde die Befragung mit einer kleinen Gruppe von deutschen Muttersprachlern getestet und die Versuchspersonen wurden um Kommentare zu inhaltlichen und technischen Aspekten der Umfrage gebeten. Anschließend wurde die überarbeitete Endversion der Umfragedaten online gestellt. Auf der ersten Seite der Befragung wurde eine kurze Beschreibung des Phänomens der Graduonymie dargestellt, die Aufgabe erklärt und exemplarisch gezeigt. Die Probanden hatten die Aufgabe, innerhalb verschiedener Wortmengen alphabetisch angeordnete nummerierte Wörter nach dem Grad eines Merkmals einzuordnen. Hierzu sollten sie die Rangfolge der Wörter anhand der Nummer angeben. Diese Situation wird in Abbildung 17 grafisch veranschaulicht. Die Wörter die Lache, das Meer, der Ozean, der See und der Teich haben eine alphabetische Anordnung. Ordnet ein Proband die Wörter in der Reihenfolge an, wie es anhand der Abbildung zu sehen ist, so entsteht eine graduonymische Reihenfolge: die Lache < der Teich < der See < das Meer < der Ozean. Zu der genauen Aufgabenstellung siehe Anhang 1. Abb. 17: Ein Screenshot zur Wortmenge Stehendes natürliches Gewässer aus der Web-Umfrage Es wurde weiterhin erklärt, dass die Probanden ein Wort oder einige Wörter ignorieren könnten, d.h., die Nummer weglassen könnten. Dies war in folgenden Fällen umzusetzen: - wenn ein Wort oder einige Wörter unbekannt sind, d.h. deren Verwendung den Probanden nicht klar ist; - wenn die Wörter gleichbedeutend sind und/ oder man sie keiner gemeinsamen Gruppe zuordnen kann. Lexikalisch-semantische Graduonymie 116 Insgesamt wurden den Probanden 71 Wortmengen für die Auswertung zur Verfügung gestellt. Die Wortmenge besteht in diesem Zusammenhang aus Wörtern (Graduonymen), die innerhalb einer semantischen Dimension gewisse graduelle Unterschiede aufweisen. Sie haben noch keine graduonymische Anordnung. Die 71 Wortmengen waren unterschiedlichen Umfangs: dreibis achtgliedrige Wortmengen innerhalb von verschiedenen semantischen Dimensionen bildeten das gesamte Umfragematerial. Die Probanden sollten diese Wörter in eine graduelle Reihenfolge bringen. In der Befragung wurde nicht expliziert, nach welchem Kriterium oder in welche Graduierungsrichtung die Wörter einzuordnen waren. Auch das zu steigernde Merkmal wurde nicht genannt, d.h. die Probanden mussten das Merkmal selbst herausfinden. Die Wörter wurden von den Probanden hauptsächlich nach zunehmender Stärke eines Merkmals eingeordnet. Insgesamt 56 Mal innerhalb von 27 Wortmengen wurden allerdings die Wörter nach zunehmender Schwäche eines Merkmals sortiert. Die Steigerung und die Verringerung des Grades wurden als gleichbedeutend betrachtet und die Ergebnisse derartiger Fälle mitgerechnet, wenn es sich hierbei um eine identische Reihenfolge von zwei entgegengesetzten Richtungen handelte. Die in der obigen Abbildung 17 dargestellten Wörter die Lache, das Meer, der Ozean, der See und der Teich wurden z.B. von 38 Versuchspersonen in Richtung der Vergrößerung des Gewässers geordnet: die Lache < der Teich < der See < das Meer < der Ozean. Ein Proband entschied sich für die entgegengesetzte Richtung nach steigender „Kleinheit“ des Gewässers: der Ozean > das Meer > der See > der Teich > die Lache. Diese Bewertung wird mit den Bewertungen von 38 Probanden als identisch zusammengerechnet. Insgesamt wurde 61 Mal innerhalb von 32 Wortmengen ein einzelnes Wort oder einige Wörter ignoriert. Darüber hinaus wurde 33 Mal innerhalb von 23 Wortmengen keine Bewertung durch die ganze Wortmenge vorgenommen. Bei der Auswertung wurden zudem einige Tippfehler festgestellt. Das heißt, die gleiche Nummer (somit das gleiche Wort) wurde doppelt eingegeben und dagegen wurde eine andere Nummer (d.h. ein anderes Wort) ausgelassen. Derartige Fälle werden als eigenständige Variante behandelt. Mit Tabelle 4 wird eine Übersicht über die erwähnten Fälle bei der Bewertung der Gesamtumfrage gegeben. Sprecherbefragungen 117 Anzahl von Nennungen von 43 Probanden für 71 Wortmengen Insgesamt 3053 Mal (100%) Anordnung nach zunehmender Stärke eines Merkmals 2964 Mal (97%) 61 Mal (2%) innerhalb von 32 Wortmengen wurde ein einzelnes Wort oder einige Wörter ignoriert 8 Mal (0,2%) Tippfehler innerhalb von 5 Wortmengen Anordnung nach zunehmender Schwäche eines Merkmals 56 Mal (1,8%) innerhalb von 27 Wortmengen Keine Bewertung durch die ganze Reihe 33 Mal (1,08%) innerhalb von 23 Wortmengen Tab. 4: Deskriptive Statistiken zur deutschen Umfrage 4.2 Umfrage für das Usbekische Die deutsche Umfrage diente für die usbekische Befragung grundsätzlich als Muster. Ein wesentlicher Unterschied der Befragung in usbekischer Sprache besteht darin, dass ihr zwei Durchgänge zugrunde liegen. Zunächst wird an dieser Stelle ein kurzer Überblick über die usbekische Sprache gegeben. Usbekisch ist neben dem Türkischen und Aserbaidschanischen die größte und am weitesten verbreitete Sprache der Turkfamilie mit von ca. 27 Millionen Sprechern (siehe Diagramm 1). Usbekisch ist offizielle Amtssprache in Usbekistan und wird unter anderem in den Nachbarländern Tadschikistan, Kasachstan, Kirgisistan, Turkmenistan, Afghanistan sowie in der Türkei und in China (Xinjiang) gesprochen. Die Grundlage des Wortschatzes der usbekischen Sprache bilden Wörter gemeintürkischen Ursprungs. Stark beeinflusst ist das Usbekische von den persisch-tadschikischen und arabischen Sprachen, so dass über ca. 40% des usbekischen Wortschatzes aus Wörtern der genannten Sprachen besteht. Erheblich ist zudem der Einfluss des Russischen auf den Wortschatz der usbekischen Sprache. Lexikalisch-semantische Graduonymie 118 Einige typologische Merkmale: - hat einen agglutinierenden Sprachbau, z.B.: uy (Haus) → uylar (Häuser) → uylarimiz (unsere Häuser) → uylarimizda (in unseren Häusern) - es gibt keine Artikel - es gibt kein grammatisches Geschlecht - Das Verbum steht am Satzende, z.B.: Men ma’ruza qilyapman. (Ich halte einen Vortrag.) Turkish 70.000.000 43% The rest 1.000.000 Karachay-Balkar 400.000 Afshar 600.000 Karakalpak 412.000 Chuvash 1.330.000 1% Bashkir 1.400.000 1% Qashqai 1.500.000 1% Kyrgyz 3.130.000 2% Tatar 5.350.000 3% Turkmen 6.000.000 4% Uyghur 10.000.000 6% Kazakh 12.000.000 7% Uzbek 23.500.000 14% Azeri 25.000.000 15% Crimean Tatar 300.000 Sakha/ Yakut 363.000 Diagramm 1: Verteilungsdiagramm der Turksprachen in Einzelsprachen 51 51 Nach: http: / / de.wikipedia.org/ wiki/ Turksprachen. Sprecherbefragungen 119 4.2.1 Probanden Für diese Umfrage wurde die Teilnahme usbekischer Muttersprachler vorausgesetzt. So nahmen an der Befragung insgesamt 100 usbekische Studierenden unterschiedlichen Semesters der Universität Buchara teil. Ihr Alter liegt zwischen 19 und 26 Jahren. An den zwei Durchgängen nahmen zwei Probandengruppen mit jeweils 50 Studierenden teil. Der Grund für die Heranziehung von zwei Probandengruppen bestand darin, dass die Teilnehmer des ersten Durchgangs für das Material sensibilisiert waren. Um spontane Urteile der Sprecher zu gewinnen, wurden für den zweiten Durchgang andere Muttersprachler befragt. Unterstützt wurde die Umfrage darüber hinaus von einer dritten Gruppe von Muttersprachlern, die an der Umfrage nicht direkt teilnahmen. Sie sortierten die Ergebnisse der Datensammlung vom ersten Durchgang und stellten sie in Form von Wortmengen für den zweiten Durchgang bereit. 4.2.2 Durchführung Im Unterschied zur deutschen Web-Umfrage umfasste die usbekische Fragebogen-Untersuchung zwei Durchgänge. Der erste Durchgang bestand aus einer Datensammlung seitens der Probanden. Den 50 Probanden wurden Ziele und Aufgabestellung der Befragung ausführlich erklärt. Im Unterschied zu deutschen Graduonymiereihungen, die auf der Wörterbuchselektion und -revision oder auf subjektiver Wortschatzkompetenz beruhen, wurden die potenziellen usbekischen Graduonyme von Muttersprachlern nach eigenem Sprachgefühl gesammelt. Für die Datensammlung im ersten Durchgang hatten die Probanden zwei Wochen Zeit. Danach wurden die ausgeteilten Fragebögen gesammelt und elektronisch gesichert. Anschließend wurden die Ergebnisse der Datenerhebung sortiert und, wo erforderlich, mit anderen Elementen ergänzt. Der zweite Durchgang wurde mit weiteren 50 Studierenden in einem Seminarraum durchgeführt. Hierbei hatten die Testpersonen die Aufgabe, die von der ersten Probandengruppe gesammelten und von der dritten Probandengruppe sortierten Daten innerhalb der Wortmengen jeweils nach angegebener Anweisung in eine Rangfolge zu bringen. Lexikalisch-semantische Graduonymie 120 4.2.3 Auswahl des Umfragematerials Als empirisches Material für die Befragung dienten 20 von mir ausgewählte Items, 52 die entweder als Oberbegriffe für die sich aus dieser Befragung ergebenden Graduonymiereihungen figurieren sollten und/ oder als Bezeichnungen der Reihen verwendet werden können. Anders gesagt, es wurden 20 Merkmale/ Dimensionen ausgewählt, auf deren Basis als Resultat dieser Befragung 20 graduonymische Wortfelder entstehen sollten. Diese sind elf nominale, sechs verbale und drei adjektivische Gruppen: „ KIND “, „ MENSCH “, „ WIND “, „ TEMPERA- TUR “, „ BACH “, „ SEE “, „ TEICH “, „ TÜR “, „ WOHNGEBÄUDE / UMFANG “, „ WOHNGEBÄUDE / PRUNK “, „ SCHLAF “, „ SPRECHEN “, „ SCHLAFEN “, „ LAUFEN “, „ WEINEN “, „ LIEBEN “, „ LACHEN “, „ SCHÖN “, „ BEGABT “, „ HÖHE “. 4.2.3.1 Durchgang I Die Probanden wurden aufgefordert, semantische Mitspieler zu einem bestimmten Item anzugeben, die entweder aufgrund ihrer semantischen Nähe oder der kontrastiven Beziehung der Graduierung eine potenzielle semantische Umgebung dieses Items darstellen. Für alle 20 Items wurden die Fragen in gleicher Weise formuliert, wobei jeder Satz sich selbstverständlich auf das jeweilige Item bezog. Im Folgenden werden hierzu Beispielfragen angeführt: - Nennen Sie Wörter, die sich auf den Verstärkungsbzw. Verringerungsgrad des Alters eines Kindes beziehen. - Nennen Sie Wörter, die sich auf den Grad der Zu- und Abnahme von Windgeschwindigkeit beziehen. Nachdem die Probanden die Fragebögen ausgefüllt zurückgegeben hatten, wurden die Wortmengen nach folgenden Kriterien sortiert: - die Wörter sollten hohe Frequenz haben, d.h. sie sollten von Muttersprachlern häufig genannt werden; - die Wörter sollten weder Dialektwörter noch dialektale Synonyme sein; - die Wörter sollten neutrale stilistische Färbung haben. 52 Der Begriff ‘Item’ wird für den Oberbegriff oder das Kernmerkmal für die jeweilige Wortreihe verwendet. Sprecherbefragungen 121 Mit der Aussortierung der Wörter in den letzten zwei Kriterien in Bezug auf Dialekt- und Stilzugehörigkeit wurde bewusst eine „strenge“ Auswahl vorgenommen. Im theoretischen Teil der Arbeit wurde konstatiert, dass synonymische Varianten von Graduonymen die gleiche Rangordnung auf der Skala besitzen. Diese Ansicht wird weiterhin vertreten. Die Sortierung der stilistisch neutralen Graduonymen in dieser Umfrage hatte das Ziel, den Versuchspersonen die Einordnung der Wörter innerhalb von Wortmengen zu erleichtern, die ohnehin bis zu acht Wörter enthielten. Nach den erwähnten Kriterien wurden für 20 Gruppen passende Wörter aussortiert, die als mögliche Mitglieder graduonymischer Reihen für die Bewertung im 2. Durchgang den Probanden vorgelegt wurden. Die selektierten Wortmengen enthielten unterschiedlich viele Wörter, min. vier bis max. acht. Ein Auswahlprocedere veranschaulicht Tabelle 5 anhand der Kind- Gruppe. Insgesamt wurden von den Probanden als altersbezogene semantische Partner eines Kindes 36 Wörter gesammelt. Ausgewählt wurden vom Gesamtmaterial die Wörter chaqaloq (dt.: das Neugeborene), go’dak (dt.: der Säugling), bola (dt.: das Kind), o’smir (dt.: der/ die Jugendliche), o’spirin (dt.: junger Erwachsene). 53 Das oft genannte Wort ninni (36 Mal), das auch ein Neugeborenes bezeichnet, wurde nicht in die Reihe einbezogen, da es sich bei diesem Wort um eine regional konnotierte (in den tadschikischsprachigen Städten Buchara und Samarkand verwendete) Bezeichnung des standardsprachlichen Ausdrucks chaqaloq handelt. Die meisten Wörter in Tabelle 5 sind mundartlich geprägte Begriffe für ein Neugeborenes (ninnicha, mitti, mitticha, chaqacha, chaqaloqcha etc.), und für ein Kind (bachcha, bolakay, jo’juq, bolacha), die hauptsächlich Diminutiva bezeichnen und viel mehr als Koseform gebraucht werden sowie emotionale Konnotationen aufweisen (vgl.: Duden Fremdwörterbuch neu). Es sind zudem Wörter genannt, die einzelne semantische Bedeutungsbestandteile der Wörter zeigen und entweder attributiv oder selbständig verwendet werden können, wie z.B. yosh (dt.: jung), mo’ylovi sabza urgan (dt.: mit Oberlippenflaum), murg’ak (dt.: blutjung), norasida (dt.: unreif). Yigit/ qiz (dt.: der Junge/ das Mädchen) und erkak/ ayol (dt.: der Mann/ die Frau) werden in die Gruppe der Wör- 53 Die ausgewählten Wörter sind in Tabelle 5 unterstrichen. Lexikalisch-semantische Graduonymie 122 ter herangezogen, die das Alter eines Menschen bezeichnen. O’g’lon bezeichnet einen Kerl und wird in die Reihe ebenfalls nicht aufgenommen. Gesammelte Wörter Häufigkeit Gesammelte Wörter Häufigkeit (1) Chaqaloq 38 (19) Mo’ylovi sabza urgan 4 (2) Go’dak 37 (20) Mitticha 4 (3) Ninni 36 (21) Qizaloq 3 (4) Bola 29 (22) Chaqacha 2 (5) O’spirin 22 (23) Erkak 2 (6) O’smir 18 (24) Ayol 2 (7) Bachcha 16 (25) Miton 2 (8) Bolakay 9 (26) Chaqaloqcha 2 (9) Mitti 8 (27) Norasida 1 (10) Ninnicha 8 (28) O’g’lon 1 (11) Yosh 7 (29) Chacha 1 (12) Bachacha 7 (30) Bolacha 1 (13) Murg’ak 6 (31) Mittijon 1 (14) Yigit 6 (32) Po’ticha 1 (15) Qiz 6 (33) Mittivoy 1 (16) Maydacha 5 (34) Jo’juq 1 (17) Chaqa 4 (35) Papa 1 (18) Murti 4 (35) Chaqqi 1 Tab. 5: Datensammlung zum usbekischen Paradigma Kind Ein weiteres Beispiel illustriert Tabelle 6 anhand der Wind-Gruppe. Hierfür sollten die Probanden auf die Windstärke bezogene Wörter sammeln. Ausgewählt wurden fünf Wörter von insgesamt 19. Auch in der Wind-Gruppe manifestieren sich die in der Kind-Gruppe aufgetretenen Phänomene. Sabo, nasim und shabboda sind stilistisch gehobene Bezeichnungen für shabada (dt.: die Brise). Dovul bedeutet ‘das Unwet- Sprecherbefragungen 123 ter’. Jinto’palang, to’palang, changlav, junshamol sind dialektale Bezeichnungen für einen kleinräumigen Luftwirbel. Die Ausdrücke quyun, tornado, girdob sind Wirbelstürme. Yelvizak drückt eine Zugluft (die Luftzirkulation) aus und garmsel steht für einen Wüstenwind. Das Wort yel wurde trotz mehrfacher Nennung (37 Mal) nicht berücksichtigt, da dieses Wort zu shamol (dt.: Wind) in synonymischem Verhältnis steht. Auf der Graduierungsskala würde yel den gleichen Rang wie shamol besitzen. Aufgrund der hier genannten Bedeutungsunterschiede zwischen den Wörtern wurden die neutralen Wörter bo’ron (dt.: der Sturm), to’zon (dt.: die Staubwolke), to’fon (dt.: der Orkan), shabada (dt.: die Brise) und shamol (dt.: der Wind) in Betracht gezogen. Gesammelte Wörter Häufigkeit (1) Shamol 39 (2) Yel 37 (3) Shabada 37 (4) To’zon 20 (5) Nasim 17 (6) Bo’ron 16 (7) To’fon 16 (8) Dovul 13 (9) Shabboda 13 (10) Yelvizak 11 (11) Sabo 8 (12) Jinto’palang 5 (13) To’palang 3 (14) Quyun 3 (15) Changlav 2 (16) Garmsel 2 (17) Tornado 2 (18) Girdob 2 (19) Jinshamol 1 Tab. 6: Datensammlung zum usbekischen Paradigma Wind Lexikalisch-semantische Graduonymie 124 Auf diese Weise wurden die Daten für den zweiten Durchgang sortiert und für alle 20 Gruppen „adäquate“ Wörter ausgewählt, die dem Anhang 4 zu entnehmen sind. 4.2.3.2 Durchgang II Die Fragebögen vom zweiten Durchgang wurden von 50 Testpersonen in einem Seminarraum ausgefüllt. Die Aufgabenstellung wurde anhand von Beispielen gründlich erläutert. Hierzu hatten die Versuchspersonen die Aufgabe, die innerhalb von 20 Wortmengen alphabetisch geordneten und nummerierten Wörter nach vorgegebener Anweisung zu bewerten. Die Probanden durften Fragen stellen, falls ihnen etwas unklar sein sollte. Bei der Bewertung durften sie, genauso wie in der ersten deutschen Online-Umfrage, ein Wort ignorieren, wenn es unbekannt oder schwer einzuordnen und insofern keine Graduierung möglich sei. Die Anweisungen wurden in Klammern gesetzt. Eine klare Richtung der Graduierung wurde in der Anweisung nicht erkenntlich, es wurde vielmehr eher allgemeiner formuliert wie z.B. „Ordnen Sie die Wörter nach dem Alter eines Kindes“ oder „Ordnen Sie die Wörter nach dem Umfang eines Gewässers“ etc. Tabelle 7 veranschaulicht deskriptive Statistiken über die aufgetretenen Fälle in der usbekischen Befragung. Sie beinhaltet Angaben über die Richtung der Anordnung von Graduonymen (Steigerung oder Verringerung des Merkmals), Tippfehler und darüber, wie häufig einzelne Graduonyme oder Reihen ausgelassen wurden. Anzahl von Nennungen der 50 Probanden für 20 Wortmengen Insgesamt 1000 (100%) Mal Anordnung nach zunehmender Stärke eines Merkmals 961 Mal (96,1%) 167 Mal (17%) innerhalb von 112 Varianten wurde ein einzelnes Wort ignoriert 19 Mal (2%) innerhalb von 19 Varianten wurde ein Wort doppelt genannt (Tippfehler). Sprecherbefragungen 125 Anordnung nach zunehmender Schwäche eines Merkmals 38 Mal (3,8%) innerhalb von 27 Varianten Keine Bewertung durch die ganze Reihe 1 Mal (0,1%) Tab. 7: Deskriptive Statistiken zur usbekischen Umfrage 4.3 Methodischer Vergleich Wie es die obige Beschreibung der deutschen und usbekischen Umfragen darstellt, bestehen bei der Durchführung der Studien einige Unterschiede. Als erstes fällt auf, dass die Umfragen technisch unterschiedlich durchgeführt wurden: Die deutsche Befragung wurde internetbasiert durchgeführt und die usbekische Datenerhebung beruhte auf der klassischen Papierumfrage. Die Online-Umfrage hat gegenüber der herkömmlichen Papierumfrage viele Vorteile. Die Papierumfrage ist z.B. mit viel Aufwand verbunden. Es zeigte sich jedoch ein Manko in unserer Online-Befragung, da wegen Störungen während der Datenübertragung die Mehrzahl der Bewertungen verloren ging. Der Datenumfang, d.h., die Anzahl der herangezogenen Reihen und zudem der Inhalt der Daten sind in beiden Umfragen variierend. Es gibt aber vergleichbare äquivalente Reihungen in beiden Umfragen. Die nächste Differenz der Umfragen besteht im Verfahren der Datensammlung. Die deutschen Probanden hatten die Aufgabe, zuvor bestimmte Wörter im Hinblick auf ihren Grad abzustufen. Den usbekischen Muttersprachlern wurde die Möglichkeit gegeben, graduonymische Wortmengen persönlich nach eigenem Sprachgefühl zu erheben. Bei dem Entwurf der beiden Umfragen war kein Kommentarfeld vorgesehen. Interessant wäre aber zu erfahren, ob Kommentare einzelner Muttersprachler zu deutlicheren Hinweisen und neuen Erkenntnissen zu Graduonymen beitragen würden. 4.4 Statistische Auswertung: Deutsch Bei der statistischen Überprüfung sowohl der deutschen als auch der usbekischen Umfrageergebnisse werden die gleichen statistischen Verfahren verwendet: Es werden die gleichen Hypothesen aufgestellt, die Daten auf die gleiche Art und Weise aufbereitet und mit den glei- Lexikalisch-semantische Graduonymie 126 chen Tests überprüft. Zur Überprüfung der Hypothesen wurden der „Page test for ordered alternatives“ und der „Wilcoxon-Vorzeichen- Rang-Test“ verwendet, die mithilfe der Statistik-Software SPSS und des Tabellenkalkulationsprogramms Excel durchgeführt wurden. 4.4.1 Aufbereitung der Daten Im Folgenden wird anhand der deutschen Umfragedaten die Aufbereitung der Daten für die Analyse der Sprecherurteile vorgestellt, deren Ablauf auch für die usbekische Befragung gilt. - 43 Versuchspersonen. - 71 Wortmengen, für die gemäß der Vermutung eine Reihenfolge aufgestellt wurde, z.B. zum nominalen Paradigma „Temperatur“: der Frost < die Kälte < die Wärme < die Hitze < die Gluthitze. Die vermutete Reihenfolge enthält also pro Wortpaar Informationen über: • Nachbarschaft: direkter Nachbar (z.B. der Frost und die Kälte) vs. nicht direkter Nachbar (z.B. der Frost und die Wärme); • Reihenfolge: im Graduierungsmerkmal zunehmend (z.B. der Frost < die Kälte) vs. im Graduierungsmerkmal abnehmend (z.B. die Kälte < der Frost). - Den Versuchspersonen wurde jede Wortmenge in alphabetischer Sortierung vorgelegt, und sie sollten sie nach einer Graduierungsrichtung sortieren. - Manchmal führten die Versuchspersonen ein Wort nicht auf (fehlender Wert). - Die Wortmengen enthalten unterschiedlich viele Wörter (min. 3, max. 8). Für jedes Wortpaar wird angegeben, wie viele Versuchspersonen die Nachbarschaft und die Reihenfolge „A < B“ (der Vermutung entsprechend) vs. „B < A“ (der Vermutung nicht entsprechend) angegeben haben. Die Vermutung basiert hierbei auf der Abfolge und den Nachbarschaftverhältnissen von Graduonymen in den ursprünglich erstellten Graduonymiereihungen (siehe Kap. 2.7). Die Urteile, die mit dieser Vermutung übereinstimmen, werden als „der Vermutung entsprechend“ markiert. Die Probandenurteile, die eine entgegengesetzte Rei- Sprecherbefragungen 127 henfolge bzw. andere Nachbarschaftsverhältnisse für eine Wortmenge bestimmen, werden als „der Vermutung nicht entsprechend“ gekennzeichnet. Ein Beispiel für die fünf Wörter (und damit vier Wortpaare) zum nominalen Paradigma „Temperatur“ veranschaulicht Tabelle 8: Reihenfolge A < B B < A Fehlende Werte Nachbarschaft direkt nicht direkt direkt nicht direkt (1) A: der Frost, B: die Kälte 41 0 2 0 0 (2) A: die Kälte, B: die Wärme 41 2 0 0 0 (3) A: die Wärme, B: die Hitze 40 3 0 0 0 (4) A: die Hitze, B: die Gluthitze 40 0 3 0 0 Summe 162 5 5 0 0 Tab. 8: Aufbereitung der deutschen Umfragedaten am Beispiel des Paradigmas Temperatur Die Einteilungen in „A < B“ und „B < A“ und deren Untergliederungen „direkt“ und „nicht direkt“ beziehen sich auf die vorher definierte Reihenfolge nach der Erwartung. „A < B“ signalisiert dabei eine Übereinstimmung der Reihenfolge entsprechend der Vermutung zwischen den Wörtern Frost (A) und Kälte (B); Frost drückt auf der Temperaturskala eine absolute Kälte aus. „B < A“ steht für eine der „A < B“ entgegenstehende Reihenfolge; d.h., Kälte ist bezüglich des Graduierungsmerkmals stärker als Frost. „Direkt“ und „indirekt“ beziehen sich auf die direkte oder indirekte Nachbarschaft von Wörtern. Für jedes Wortpaar wurde notiert, ob die Wörter - direkt benachbart sind; - nicht direkt benachbart sind. Für jedes Wortpaar wurde notiert, ob - die Reihenfolge „A < B“ (der Vermutung entsprechend) ist, - die Reihenfolge „B < A“ (der Vermutung nicht entsprechend) ist. Lexikalisch-semantische Graduonymie 128 Insgesamt kamen folglich vier Vergleichsgruppen zustande: - „A < B“-Reihenfolge + direkte Nachbarschaft („A < B“_dir) - „A < B“-Reihenfolge + nicht direkte Nachbarschaft („A < B“_ndir) - „B < A“-Reihenfolge + direkte Nachbarschaft („B < A“_dir) - „B < A“-Reihenfolge + nicht direkte Nachbarschaft („B < A“_ndir) Es gibt fehlende Werte; diese werden bei der Analyse weggelassen. 4.4.2 Page test for ordered alternatives Der „Page test for ordered alternatives“ (vgl. Sheskin 2007, S. 1088- 1093) ist ein nicht-parametrischer Test zum Vergleich von drei oder mehr gepaarten Stichproben, für die eine bestimmte Reihenfolge der Werte vorhergesagt wird. In dem vorliegenden Fall überprüft der Test, ob die Reihenfolge der Graduonyme in den Antworten der erwarteten Richtung entspricht. Mit dem Page-Test lassen sich die Daten daraufhin untersuchen, ob die Häufigkeiten der vier Gruppen gleich sind (Nullhypothese), oder ob sich mindestens eine Gruppe hinsichtlich der Häufigkeiten von anderen unterscheidet (Alternativhypothese). - Nullhypothese über Medianwerte: „A < B“-Reihenfolge + direkte Nachbarschaft = „A < B“-Reihenfolge + nicht direkte Nachbarschaft = „B < A“-Reihenfolge + direkte Nachbarschaft = „B < A“-Reihenfolge + nicht direkte Nachbarschaft - Alternativhypothese über Medianwerte: „A < B“-Reihenfolge + direkte Nachbarschaft > „A < B“-Reihenfolge + nicht direkte Nachbarschaft > „B < A“-Reihenfolge + direkte Nachbarschaft > „B < A“-Reihenfolge + nicht direkte Nachbarschaft Zur Berechnung der Statistik L werden die Werte in Ränge umgewandelt, und für jede Anordnungsmöglichkeit wird eine Rangsumme berechnet. Hier stellt sich jedoch ein Problem, das behoben werden muss, bevor die Daten in eine Rangordnung gebracht werden. Diese betrifft die unterschiedliche Anzahl der Wörter innerhalb der Gruppen (min. 3 und max. 8). Dies spielt bei der statistischen Auswertung eine entscheidende Rolle. Derartige Probleme lassen sich durch Gewichtung 54 lösen, mithilfe derer verzerrte Stichproben ausgeglichen werden. Hier- 54 www.statistik-tutorial.de/ tutorials/ gewichten-von-faellen.html. Sprecherbefragungen 129 für wird jeder Wortmenge ein Gewichtungsfaktor zugeteilt, mit dem die erhobenen Daten dieser Wortmenge multipliziert werden. Danach wird für jede Vergleichsgruppe auf Basis der gewichteten Daten eine Rangsumme berechnet (siehe Tab. 9). Anschließend wird der L-Wert berechnet. L ist die Summe aus allen Produkten Rangsumme*Rang der Rangsumme: L = 4 x 283,5 + 3 x 185,5 + 2 x 152,5 + 1 x 88,5 = 2084. Wortpaare Rangsumme Erwarteter Rang der Rangsumme gewichtet „A < B“-direkt 283,5 4 gewichtet „A < B“-nicht direkt 185,5 3 gewichtet „B < A“-direkt 152,5 2 gewichtet „B < A“-nicht direkt 88,5 1 Tab. 9: Gewichtung und Rangsumme der deutschen Umfragedaten Da n = 71 relativ groß ist, wird die Page-Test-Statistik durch die Normalverteilung approximiert: z = 4,23. Die kritischen Werte bei gerichteten Hypothesen sind z .05 = 1,65 und z .01 = 2,33. Da 4,23 > 2,33, kann die Nullhypothese verworfen werden. Somit weist das Ergebnis einen hochsignifikanten p-Wert auf (pm < 0,01). Das heißt, die Probanden haben die Wörter mit einer statistisch signifikanten Häufigkeit in der von mir angenommenen Richtung angeordnet. 4.4.3 Wilcoxon-Vorzeichen-Rang-Test Der Wilcoxon-Vorzeichen-Rang-Test (Sheskin 2007, S. 791-803) ist ein nicht-parametrischer Test und überprüft, ob es signifikante Unterschiede zwischen zwei gepaarten Stichproben gibt. Dieser Test wird für 210 Wortpaare durchgeführt. Die Auswertung von 71 Wortmengen mithilfe des Wilcoxon-Vorzeichen-Rang-Tests erfolgt auch auf der Grundlage der gewichteten Daten. Der Test vergleicht die Mittelwerte der Häufigkeiten der Vermutung entsprechenden („A < B“) und der Vermutung nicht entsprechenden („B < A“) Antworten innerhalb der 210 Wortpaare. Bei den „A < B“-Antworten handelt es sich um die Reihenfolge eines Wortpaares nach der Erwartung unabhängig von der Nachbarschaft der Wörter. Dieses Prinzip gilt genauso für die „B < A“-Gruppe, so dass Lexikalisch-semantische Graduonymie 130 „B < A“-direkte und „B < A“-nicht direkte Antworten zusammengerechnet werden. Mithilfe des Wilcoxon-Vorzeichen-Rang-Tests wird überprüft, ob die Mittelwerte der „A < B“-Antworten signifikant von den „B < A“-Antworten abweichen. Es zeigt sich, das die Mittelwerte der Häufigkeiten der „A < B“-Antworten signifikant höher sind als die der „B < A“-Antworten: T = 7850, z = -12.495, p < 0,001, r = -0,61 (starker Effekt). Der Testwert weist einen hochsignifikanten p-Wert (p<0,001) auf. Das heißt, der Unterschied der Anzahl der „A < B“- und „B < A“-Antworten ist statistisch hochsignifikant. Die Effektstärke ist mit r = - 0,61 relativ hoch, d.h. der Unterschied zwischen den Vergleichsgruppen ist bedeutend. Fazit: Die Versuchspersonen haben damit statistisch signifikant häufiger in der erwarteten Reihenfolge geantwortet als in der nicht erwarteten Reihenfolge. 4.4.4 Zusammenfassung der Testergebnisse Laut der statistischen Auswertung steht fest, dass die aufgestellten Hypothesen bezüglich der gewonnenen Graduonyme, ihrer Reihenfolge und Nachbarschaft bestätigt und die Ergebnisse als statistisch hochsignifikant dokumentiert wurden. Bevor auf die linguistische Interpretation der Sprecherurteile eingegangen wird, wird im Folgenden ein Beispiel aus der Häufigkeitstabelle in Anhang 3 vorgestellt. Die Wortmenge in Tabelle 10 besteht aus den nominalen Temperaturbezeichnungen der Frost, die Gluthitze, die Hitze, die Kälte, die Wärme, für welche nach Temperaturerhöhung (Richtung: Gluthitze) eine Reihenfolge der Wörter vorausgesagt wird. Es wird überprüft, inwiefern die Sprecherurteile mit der vorausgesagten Reihenfolge der Wörter übereinstimmen. Für die fünf Wörter der Gruppe bestehen vier Wortpaare: der Frost - die Kälte, die Kälte - die Wärme, die Wärme - die Hitze und die Hitze - die Gluthitze. Wie die Daten in Tabelle 10 veranschaulichen, wurden die Wortpaare von den Probanden mit hohen Prozentsätzen einheitlich in der erwarteten Reihenfolge angeordnet. Für diese Gruppe gibt es keine fehlenden Werte. Sprecherbefragungen 131 Nr. Wortpaare A < B B < A (1) A: der Frost, B: die Kälte 41  (95%) 2 (5%) (2) A: die Kälte, B: die Wärme 43 (100%) 0 (3) A: die Wärme, B: die Hitze 43 (100%) 0 (4) A: die Hitze, B: die Gluthitze 40  (93%) 3 (7%) Tab. 10: Beispiel zur Aufbereitung der Daten/ Wortreihe Temperatur Eine andere Situation stellt sich beispielsweise für die graduonymische Gruppe die Eignung < die Befähigung < die Begabung, in der Häufigkeiten der Akzeptabilität von zwei Wortpaaren zu prüfen sind: die Eignung - die Befähigung und die Befähigung - die Begabung (Tab. 11). Die Reihenfolge des Wortpaares die Eignung - die Befähigung wurde von nur 21 (49%) Versuchspersonen in der gegebenen Richtung angeordnet. In 20 (46%) Fällen haben sich die Probanden für die entgegengesetzte Reihenfolge der Wörter entschieden. Die Ergebnisse für das Wortpaar die Befähigung - die Begabung sind signifikant: 41 (95%) Probanden ordneten die Wörter in der vermuteten Reihenfolge an. Für beide Wortpaare bestehen zudem jeweils zwei (5%) Fälle für fehlende Werte. Nr. Wortpaare A < B B < A Fehlende Werte (1) A: die Eignung, B: die Befähigung 21 (49%) 20 (46%) 2 (5%) (2) A: die Befähigung, B: die Begabung 41 (95%) 0 2 (5%) Tab. 11: Beispiel zur Aufbereitung der Daten/ Wortreihe Geistige Fähigkeit Über die Sprecherurteile, in denen die Häufigkeit der Antworten, die der Vermutung nicht entsprechen, höher als 10% beträgt, wurde eine subjektive Entscheidung getroffen, so dass solche Fälle als auffallend und problematisch angesehen werden. Innerhalb der insgesamt 210 Wortpaare fallen 57 mit mehr als 10% der Erwartung nicht entsprechenden Antworten unter diese Kategorie; sie werden in der erwähnten Häufigkeitstabelle in Anhang 3 farblich markiert. Derartigen Wortpaaren wird unter anderem im Verlauf der linguistischen Analyse nachgegangen. Es wird versucht, die Ursachen und Hintergründe dieser Erscheinungen ans Licht zu bringen. Lexikalisch-semantische Graduonymie 132 4.5 Linguistische Interpretation der deutschen Umfragedaten In diesem Kapitel werden nähere Details zu den Sprecherurteilen auf der Grundlage linguistischer Interpretation behandelt. Wir werden sehen, dass die Sprecherurteile eine vielfältige und interessante Datensituation zu Graduonymiereihungen manifestieren. Da jedoch der Datenbestand für die Analyse sehr umfangreich ist, so dass eine tief schürfende Behandlung von 71 Graduonymiereihungen aus Platzgründen nicht möglich ist, werden im Folgenden Einblicke in die Bewertungssituation graduonymischer Gruppen gegeben und es wird auf deren wichtige Aspekte eingegangen. An dieser Stelle muss jedoch betont werden, dass jede graduonymische Reihe an sich einen besonderen, interessanten Fall repräsentiert, so dass jede Reihe den Gegenstand einer eigenständigen Untersuchung darstellen könnte. Die bewerteten Wortmengen mit ihren möglichen Varianten werden hier zunächst nach Typen und innerhalb dieser Typen je nach aufgetretenen Fällen zwischen Bewertungsvarianten nach Abweichungsfaktoren definiert, indem ein Gesamtüberblick über die Umfrageergebnisse gegeben und allgemeine Wahrnehmungstendenzen dargestellt werden. Die ermittelten Abweichungsfaktoren sind Auffälligkeiten bei der Reiheneinordnung und beziehen sich auf bestimmte Aspekte der Graduonymierelation. Verschiedene Aspekte, die im theoretischen Teil diskutiert wurden, spiegeln sich in den Ergebnisse wider. - Typ I involviert die Graduonymiereihungen, bei deren Beurteilungen sich die Probanden (mit hohen Prozentpunkten) einig sind. - Typ II umfasst die Reihenfolgen, in denen ein Wort eine variierende Stellung aufweist und somit verschiedene Varianten verursacht. - Typ III beinhaltet die graduonymischen Reihenfolgen, in denen mehrere Wörter abweichend eingeordnet werden, wodurch mehrere Varianten zustande kommen. Bei der Beschreibung der Sprecherurteile nach konstatierten Typen wird systematisch auf die Daten der Häufigkeitstabelle in Anhang 3 verwiesen und die angemerkten Fälle werden anhand von Beispielen belegt. Bei der Analyse sowohl der deutschen als auch der usbekischen Graduonyme wird auf ihre Definitionen und paradigmatische Behandlung in Wörterbüchern rekurriert. Sprecherbefragungen 133 4.5.1 Typ I Eine Entscheidung hinsichtlich der Zugehörigkeit graduonymischer Reihenfolgen zu dieser Gruppe wird auf der Grundlage der Häufigkeiten von Nennungen getroffen. Sie sind Wortmengen, für deren Einordnung die Versuchspersonen einheitlich positive Bewertungen gegeben haben und deren Prozentwerte bei über 90% liegen. Dazu gehören insgesamt 21 graduonymische Gruppen verschiedener Wortarten, die 29% des Gesamtumfragematerials bilden (siehe Diagramm 2 in Kap. 4.5.4). Am meisten vertreten sind darunter nominale graduonymische Reihen (12). Im Folgenden werden Beispiele zu diesem Typ der Bewertung angeführt. Wortreihe: „Stehendes natürliches Gewässer“ Erwartete Reihenfolge: die Lache < der Teich < der See < das Meer < der Ozean Nr. Varianten von Reihenfolgen Probanden (43) V1 55 die Lache < der Teich < der See < das Meer < der Ozean 39 (91%) V2 die Lache < der Teich < der See < der Ozean < das Meer 3  (7%) V3 die Lache < der See < der Teich < das Meer < der Ozean 1  (2%) 39 (91%) Versuchspersonen plädieren für die vorhergesagte Reihenfolge (V1). Es bestehen drei Abweichungen (7%) zwischen Meer und Ozean, wo Meer größer als Ozean angegeben wird (V2), und es gibt einen Fall (2%) mit einem Unterschied bei der Anordnung zwischen Teich und See, bei dem Teich größer als See erfasst wird. Die Übereinstimmungen bei der Wahrnehmung als Graduonyme zeigen zudem die Wörter, die Entwicklungsphasen von Menschen, Tieren und Pflanzen bezeichnen (siehe Anh. 3). Wortreihe: „Entwicklungsphasen des Menschen“ Erwartete Reihenfolge: der Junge/ das Mädchen < der Mann/ die Frau < der/ die Alte < der Greis/ die Greisin 55 <V> steht hier und an anderen Stellen für <Variante>. Durch Nummerierung wird auf die Anzahl der entstandenen Varianten für die jeweilige Wortgruppe hingewiesen. Lexikalisch-semantische Graduonymie 134 Nr. Varianten von Reihenfolgen Probanden (43) V1 der Junge/ das Mädchen < der Mann/ die Frau < der/ die Alte < der Greis/ die Greisin 40 (93%) V2 der Junge/ das Mädchen < der Mann/ die Frau < der Greis/ die Greisin < der/ die Alte 3  (7%) Mit V1 kommt eine deutlich erkennbare Abstufung der graduonymischen Reihe mit dem Merkmal „Alter“ zum Vorschein. In V2 tritt eine Abweichung zwischen der/ die Alte und der Greis/ die Greisin auf, so dass der/ die Alte älter als der Greis/ die Greisin befunden wird. Das ist der in der Umfrage am weitaus häufigsten vorkommende Fall zwischen benachbarten Wörtern einer Graduonymiereihe. Ein Wörterbuchabgleich in Bezug auf diese Wörter dokumentiert, dass sie in Synonymwörterbücher einheitlich gegenseitig als gleichbedeutend gebucht werden. Dennoch liefern die Sprecherurteile interessante Belege dafür, dass die Probanden die Wörter der/ die Alte und der Greis/ die Greisin in Bezug auf altersbedingte Unterschiede mehrheitlich semantisch voneinander abgrenzen. Wortreihe: „Entwicklungsphasen des Maikäfers“ Erwartete Reihenfolge: das Ei < der Engerling < der Maikäfer Nr. Varianten von Reihenfolgen Probanden (43) V1 das Ei < der Engerling < der Maikäfer 39 (91%) V2 das Ei < der Maikäfer 2  (5%) V3 der Engerling < das Ei < der Maikäfer 1  (2%) V4 Nicht bearbeitet 1  (2%) Eine interessante Erscheinung zeigt sich in der Wortmenge „Maikäfer“. Obwohl der überwiegende Teil der Probanden (39 VP 56 - 91%) die Wörter der Gruppe gemäß der Erwartung eingeordnet hat, sind noch weitere drei Varianten entstanden. Es fällt auf, dass das Wort Engerling die Abweichungen in V2 und V3 verursacht hat. Ein Proband hat diese Gruppe nicht bewertet (V4). Als Grund dieser Bewertungssituation, dass drei Probanden Engerling bei der Abstufung ausgeschlossen haben und ein Proband dieses Wort vor Ei eingesetzt hat, kann man festhalten, dass Engerling für manche Muttersprachler unbekannt ist (Untertyp: „unbekannt“). Als Belegergänzung werden an dieser Stelle die 56 VP = Versuchspersonen. Sprecherbefragungen 135 unterschiedlichen Häufigkeitszahlen für Maikäfer und Engerling im Korpus (DeReKo, Stand: 29.6.2012) herangezogen: Maikäfer - 3266 Treffer vs. Engerling - 1383 Treffer. Diese Korpusangaben geben über die Gebrauchshäufigkeit bzw. den Bekanntheitsgrad der Wörter einen Überblick. Mit diesem Fall beobachten wir eine Überschneidung zwischen dem Typ I und den Typen II und III, welchen eine Analyse nach festgestellten Besonderheiten einschlägiger Reihen zugrunde liegt. Aber da sich in diesem Fall die Mehrheit der Versuchspersonen bei der Einordnung einig ist, wird diese Gruppe dem Typ I zugeordnet. 4.5.2 Typ II Zu diesem Typ von Bewertungen werden die Wortmengen herangezogen, deren Prozentwerte unter 90% liegen, und in denen ein Wort oder ein Wortpaar (bei geschlechtsbezogenen Graduonymen wie die Färse/ der Farre) abweichende Positionen innerhalb der Varianten besitzt. Mit 44% des Umfragematerials bilden 31 Graduonymiereihungen des Typs II die größte Gruppe. Da es sich bei den sich ergebenden Varianten des Typs II um keinen zufälligen „Ausrutscher“, sondern um vielfältige semantische Erscheinungen handelt, wird bei dem Typ II und dem nachfolgenden Typ III versucht, mögliche Differenzmerkmale vorhandener Bewertungen zu konstatieren und sie zu rechtfertigen. Die aufgetretenen Fälle signalisieren bestimmte Abweichungsfaktoren bei der Reihenanordnung. Mit im Folgenden ausgeführten Abweichungsfaktoren werden generelle Fälle zusammengefasst, die in den Bewertungen der Testpersonen vorkommen. In vielen Fällen gehen abweichende Reihungen darauf zurück, dass benachbarte Graduonyme auf die Skala abweichend positioniert werden. Mit dem Abweichungsfaktor „Nachbar-Graduonyme“ wird untersucht, inwieweit Muttersprachler eine Grenze zwischen eng beieinanderliegenden Graduonymen ziehen und ob es eine mehrheitliche Tendenz dazu besteht, sie eindeutig als Graduonyme wahrzunehmen. Dieser Faktor markiert sich bei der Reiheneinordnung auffallend häufig.  Abweichungsfaktor „Nachbar-Graduonyme“ Wortreihe: „Wasserlauf“ Erwartete Reihenfolge: das Rinnsal < das Bächlein < der Bach < das Flüsschen < der Fluss < der Strom Lexikalisch-semantische Graduonymie 136 Nr. Varianten von Reihenfolgen Probanden (43) V1 das Rinnsal < das Bächlein < der Bach < das Flüsschen < der Fluss < der Strom 36 (84%) V2 das Rinnsal < das Bächlein < das Flüsschen < der Bach < der Fluss < der Strom 3 (7%) V3 das Rinnsal < der Bach < das Bächlein < das Flüsschen < der Fluss < der Strom 1 (2%) V4 das Rinnsal < das Bächlein < das Flüsschen < der Bach < das Bächlein < der Strom 1 (2%) V5 das Bächlein < der Bach < das Flüsschen < der Fluss < das Rinnsal < der Strom 1 (2%) V6 das Flüsschen < das Bächlein < der Bach < das Flüsschen < der Fluss < der Strom 1 (2%) Für die Wortmenge „Wasserlauf“ haben sich insgesamt sechs Varianten ergeben. Die Bewertung in V1 bildet die Mehrheit (36 VP - 84%) und entspricht der erwarteten Einordnung. In den weiteren Varianten (V2, V3, V4) wird eine instabile Position von Bach ersichtlich, die Bach gegenüber seinem rechten (Flüsschen) und linken (Bächlein) Nachbar zeigt. Dass Bach größer als Bächlein ist, wird in allen Varianten mit Ausnahme von V3 (eine VP - 2%) notiert. Aber das Verhältnis von Bach und Flüsschen ist sehr vage, weswegen sich unter anderem unterschiedliche Varianten ergeben haben. An dieser Stelle ist es sinnvoll, auf Schippans in Kapitel 2.5 des Kapitels 2 angeführte Auffassung hinsichtlich der Wörter Bach und Flüsschen zurückzugreifen. Schippan diskutiert das Wortfeld „Wasserlauf“ mithilfe der semantischen Merkmalanalyse und ordnet den Ausdrücken Bach zu Flüsschen in Bezug auf ihre Größe gleiche Position innerhalb des Feldes zu: das Rinnsal < das Bächlein < der Bach/ das Flüsschen < der Fluss < der Strom. Die Auffassung von Schippan wird in diesem Fall abermals bestätigt (wenn auch nicht mit hohen Prozentsätzen). Interpretiert man diese Situation dementsprechend, so könnten die entstandenen Bewertungen als gleichbedeutende Lösungsvarianten betrachtet werden. Die anderen Wörter der Gruppe weisen eine relativ feste Stellung innerhalb der Reihenfolge auf. Zudem fallen aufgrund der Tippfehler Doppelnennungen auf: so wird z.B. in V4 das Wort Bächlein und in V6 das Wort Flüsschen doppelt genannt. Da diese Wörter zweifach angegeben wurden, fehlen in V4 Fluss und in V6 Rinnsal. Sprecherbefragungen 137 Häufig treten derartige Fälle unter adjektivischen Graduonymiereihungen auf, für deren Einordnung die Probanden verschiedene Ansichten vertreten. Als Beispiel wird die adjektivische Wortmenge „Geistige Fähigkeit“ angeführt. Wortreihe: „Geistige Fähigkeit“ Erwartete Reihenfolge: begabt < hochbegabt < genial Nr. Varianten von Reihenfolgen Probanden (43) V1 begabt < hochbegabt < genial 36 (84%) V2 begabt < genial < hochbegabt 6 (14%) V3 begabt < hochbegabt 1  (2%) Die Mehrheit der Testteilnehmer (36 VP - 84%) plädiert für die vorausgesagte Reihenfolge (V1). Dass begabt in der nächsten Stufe durch das Augmentativpräfix hochintensiviert wird, erkennen die Probanden einstimmig. Das deutet darauf hin, dass - ähnlich wie bei Bach - Bächlein - morphologische Gradierungsmerkmale immer eindeutig sind. Variierend ist die Stellung von genial, das von sechs Versuchspersonen als Zwischenstufe zwischen begabt und hochbegabt wahrgenommen wird (V2). Ein Proband hat dieses Wort bei der Bewertung nicht berücksichtigt (V3). Die Schwierigkeit bei der Verortung von genial und hochbegabt ist insofern nachvollziehbar, dass beide Wörter den höchsten Grad der erbrachten Leistung ausdrücken. Genial unterscheidet sich aber von hochbegabt dadurch, dass es sich dabei um eine natürliche und angeborene Begabungskonstellation mit einer außergewöhnlichen und einzigartigen Leistung handelt. 57 Dieser Bedeutungsunterschied in Bezug auf den Grad der Leistung zwischen Wörtern zeigt sich in der mehrheitlichen Entscheidung der Testteilnehmer in V1. Was die Synonymwörterbücher des Deutschen betrifft, werden alle drei Wörter der Reihe gegenseitig als Synonyme gebucht. 58 Unsere empiri- 57 „Das Genie im kantischen, rational ästhetischen Sinne ist ausführlich in der 1790 beendeten Kritik der Urteilskraft als ein ‘Talent (Naturgabe)’ beschrieben: ‘Genie ist die angeborene Gemütslage (ingenium), durch welche die Natur der Kunst die Regel gibt.’“ (Krebs 2001) 58 begabt - befähigt, begnadet, berufen, genial, hochbegabt, talentiert. hochbegabt - äußerst befähigt, begnadet, genial, genialisch, hoch talentiert; (emotional): gottbegnadet. genial - a) bahnbrechend, begabt, befähigt, begnadet, berufen, einfallsreich, erfindungsreich, geistreich, geistvoll, genialisch, hell, hochbegabt, ideenreich, Lexikalisch-semantische Graduonymie 138 schen Daten zeigen jedoch die Tendenz, dass begabt, hochbegabt und genial von Sprechern überwiegend graduell abgestuft werden. Aus den Sprecherurteilen gehen hervor, dass Wörter aus bestimmten Fachbereichen den Versuchspersonen unbekannt sind. Die Wortreihen, deren abweichenden Varianten vor allem durch die Wörter aus dem Fachvokabular zustande kamen, werden unter dem Abweichungsfaktor „unbekannt“ („fachsprachlich“) zusammengefasst. In manchen Fällen gehen abweichende Reihungen nicht auf semantisches oder Fachwissen, sondern auf Weltwissen zurück. Auch derartige Fälle werden unter dem Abweichungsfaktor „unbekannt“ untersucht.  Abweichungsfaktor: „unbekannt“ („fachsprachlich“) Wortreihe: „Entwicklungsphasen des Rindes“ Erwartete Reihenfolge: das Kalb < die Färse/ der Farre < der Stier/ die Kuh Nr. Varianten von Reihenfolgen Probanden (43) V1 das Kalb < die Färse/ der Farre < der Stier/ die Kuh 26 (60%) V2 das Kalb < der Stier/ die Kuh 8 (19%) V3 die Färse/ der Farre < das Kalb < der Stier/ die Kuh 5 (12%) V4 die Färse/ der Farre < der Stier/ die Kuh < das Kalb 1  (2%) V5 Nicht bearbeitet 3  (7%) Auf der Grundlage der folgenden Wörterbuchdefinition, welche über die Lebensphasen des Rindes hinsichtlich seiner Geschlechtsreife informiert, können die folgenden Wörter längs einer Skala eingeordnet werden: - das Kalb - ein noch nicht geschlechtsreifes junges Rind - die Färse - ein weibliches Rind, das noch nicht gekalbt hat - der Farre - ein junger Stier - der Stier - ein geschlechtsreifes männliches Rind - die Kuh - ein weibliches Rind, das schon gekalbt hat intelligent, produktiv, originell, schöpferisch, talentiert; (bildungsspr.): ingeniös, kongenial, kreativ, mit Esprit; (ugs.): mit Köpfchen, pfiffig; (emotional): gottbegnadet; (landsch., bes. berlin.): helle. (Duden 2004b [CD-ROM]) (Hervorhebung NV). Sprecherbefragungen 139 Obwohl mehr als die Hälfte der Testteilnehmer Bewertungen entsprechend der Erwartungen gegeben hat, wie es V1 veranschaulicht, werden in weiteren vier Varianten Abweichungen ersichtlich. Die Abweichungen bestehen vor allem bei der Einordnung der Wörter die Färse/ der Farre. Diese Wörter werden im alltäglichen Sprachgebrauch nicht häufig verwendet bzw. zählen nicht zum aktiven Wortschatz der Probanden (der Farre hat regionale, landschaftliche Markierung). Zum Vergleich der Gebrauchsfrequenz der Wörter der Reihe ziehen wir die Häufigkeitsangaben zu diesen Wörtern aus DeReKo (Stand: 29.6.2012) heran. COSMAS II ergibt für Kalb 21630 Treffer, für Kuh 73620 Treffer, für Färse 1039 Treffer und für Farre 50 Treffer, wobei für Farre von insgesamt 50 Treffern nur elf relevante Belege ermittelt wurden. Die anderen 39 Belege sind falsche Positive (siehe Kap. 5.7). Im Vergleich zu Kalb und Kuh haben die Wörter Färse und Farre im Korpus niedrige Frequenz. Aus den genannten Gründen wird festgehalten, dass die Wörter die Färse/ der Farre den Testteilnehmern unbekannt sind. V2 dokumentiert beispielsweise, dass acht Probanden (19%) diese Wörter ignorieren. Die Unsicherheiten bei der Verortung zeigen sich zudem in V3 und V4, in denen die Färse/ der Farre auf unterschiedlichen Rängen der Skala aufgestellt werden. Drei VP (7%) haben diese Reihe nicht bewertet. Die kompakte Darstellung der Nachbarschaftsverhältnisse der Mitglieder der Gruppe macht die folgende statistische Tabelle 12 deutlicher. Insgesamt gibt es elf Fälle, in denen das Wortpaar Färse/ Farre als Nachbar von Kalb und Stier/ Kuh ausfällt (unter Fehlende Werte). Sechs Versuchspersonen (14%) entscheiden sich für die Reihenfolge Färse/ Farre < Kalb, die als „der Vermutung nicht entsprechend“ betrachtet werden muss. Für die Färse/ Farre < Stier/ Kuh-Nachbarschaft gibt es (außer fehlenden Angaben für die Färse/ der Farre) keine falschen Antworten. Da es sich bei diesem Fall um die Einheiten des Fachwortschatzes mit genauen Angaben zu Entwicklungsphasen eines Tieres handelt, kann man den Wörtern die Färse/ der Farre einen festen Platz auf der Skala zuweisen. Fakt ist jedoch, dass Fachwörter kein von allen Sprechern geteiltes Sprachgut sind. Jedoch decken sie die Skalenbereiche ab, für welche es in der Gemeinsprache keine Alternativen gibt. Lexikalisch-semantische Graduonymie 140 Wortpaare A < B_ dir A < B_ ndir B < A_ dir B < A_ ndir Fehlende Werte A < B B < A (1) A: Kalb, B: Färse/ Farre 26 0 5 1 11 (26%) 26 (60%) 6 (14%) (2) A: Färse/ Farre, B: Stier/ Kuh 27 5 0 0 11 (26%) 32 (74%) 0 Tab. 12: Aufteilung der Rind-Wörter Es gibt auch andere Wortmengen, deren Elemente als „unbekannt“ charakterisiert werden können. Sie sind Ausdrücke für Tierbezeichnungen, die zum Fachwortschatz gehören und nicht für alle Sprecher im erwarteten Sinne bekannt sind (z.B. der Überläufer und das Enter). Ähnliche Situationen manifestieren die Wortmengen „Schmetterling“ und „Baum“, in denen die Ausdrücke die Raupe und der Spross Abweichungen innerhalb der Reihen hervorbringen. Obwohl diese Wörter den Sprechern im Unterschied zu den Wörtern die Färse/ der Farre, der Überläufer und das Enter bekannt sind, haben die Versuchspersonen bei ihrer Abstufung Schwierigkeiten, wie es die folgenden Daten veranschaulichen. Wortreihe: „Entwicklungsphasen des Schmetterlings“ Erwartete Reihenfolge: das Ei < die Raupe < die Puppe < der Schmetterling Nr. Varianten von Reihenfolgen Probanden (43) V1 das Ei < die Raupe < die Puppe < der Schmetterling 33 (77%) V2 das Ei < die Puppe < die Raupe < der Schmetterling 9 (21%) V3 Nicht bearbeitet 1  (2%) Mehrheitlich (33-77%) ordnen die Versuchspersonen die Entwicklungsstadien des Schmetterlings adäquat ein. Bei den Bewertungen von neun (21%) Probanden werden Abweichungen zwischen Raupe und Puppe ersichtlich. Ein Testteilnehmer (2%) gibt für diese Wörter keine Bewertung. Kein Wort aus der Reihe gehört dem Fachwortschatz an, manchen Sprechern ist es lediglich nicht bekannt, wie ein Schmetterling entsteht. In diesem Fall handelt sich nicht um semantisches Wissen, sondern um Weltwissen. Sprecherbefragungen 141 Wortreihe: „Entwicklungsphasen des Baumes“ Erwartete Reihenfolge: der Setzling < der Spross < der Baum Nr. Varianten von Reihenfolgen Probanden (43) V1 der Setzling < der Spross < der Baum 27 (63%) V2 der Spross < der Setzling < der Baum 15 (35%) V3 der Setzling < der Baum < der Spross 1  (2%) Die Urteile von 27 (63%) Testteilnehmern gehen mit der vermuteten Reihenfolge konform (V1). 15 (35%) Probanden setzen Spross als erste Entwicklungsphase des Baumes ein und eine Versuchsperson (2%) gibt Spross als letzte Entwicklungsphase des Baumes an. Das der Setzling < der Baum-Verhältnis ist bei allen Varianten stabil, liegt also bei 100%. Der Grund der Abweichungen in dieser Gruppe liegt in dem Wort Spross. In die Analyse ziehen wir das Duden Universalwörterbuch (2004c) heran. Spross wird in diesem Wörterbuch wie folgt definiert: (4) Spross, der: 1. a) [junger] Trieb einer Pflanze; Schössling: der Baum treibt einen neuen S.; b) (Bot.) meist über der Erde wachsender, Sprossachse u. Blätter einschließender Teil einer Sprosspflanze. 2. <Pl. -e> (geh.) Nachkomme, Abkömmling, bes. Sohn [aus vornehmer, adliger Familie]: der letzte S. eines stolzen Geschlechts. 3. <Pl. -en> (Jägerspr.) Sprosse (3); (Duden Universalwörterbuch 2004) Die primäre Bedeutung von Spross bezieht sich also laut Wörterbuchdefinition nicht auf eine bestimmte Entwicklungsphase des Baumes, sondern auf einen neu wachsenden Teil (Trieb oder Ast) von ihm. In diesem Sinne besteht eine Teil-Ganzes-Beziehung (Holonymie/ Merononymie) zwischen Baum und Spross. Interessant ist jedoch zu beobachten, dass eine Mehrheit von Probanden Spross als Zwischenstufe zwischen Setzling und Baum interpretiert. Das heißt, Sprecher bilden aus den vorgelegten Wörtern eine Graduonymiereihung. Das Vorlegen der Wörter mit einer Teil-Ganzes-Relation war selbstverständlich keine Absicht, denn nicht alle ursprünglichen Graduonymiereihungen wurden aus den Wörterbüchern gewonnen oder nach Wörterbuchangaben überprüft. Auch in diesem Fall repräsentieren Wörterbücher andere Informationen über die Wortbedeutungen als im Bewusstsein und in der Sprachwirklichkeit der Sprecher. Die unabhängig von dieser Umfrage durchgeführten Gespräche mit deutschen Muttersprach- Lexikalisch-semantische Graduonymie 142 lern haben die Urteile in V1 (häufig) und V2 (selten) bestätigt. Sie sehen Setzling, Spross und Baum als Entwicklungsstufen des Baumes ein. In vielen Fällen gehen die abweichenden Reihungen auch darauf zurück, dass ein Wort innerhalb der Reihe unterschiedlich positioniert wird. Es wird hierbei von der Oberbegriff-Relation des Wortes ausgegangen und derartige Fälle werden unter dem Abweichungsmerkmal „Hypergraduonym“ subsumiert.  Abweichungsfaktor „Hypergraduonym“ Wortreihe: „Größe der Siedlung“ Erwartete Reihenfolge: das Dorf < die Kleinstadt < die Stadt < die Großstadt < die Metropole Nr. Varianten von Reihenfolgen Probanden (43) V1 das Dorf < die Kleinstadt < die Stadt < die Großstadt < die Metropole 37 (86%) V2 das Dorf < die Stadt < die Kleinstadt < die Großstadt < die Metropole 1 (2%) V3 das Dorf < die Großstadt < die Kleinstadt < die Stadt < die Metropole 1 (2%) V4 das Dorf < die Kleinstadt < die Großstadt < die Metropole < die Stadt 1 (2%) V5 das Dorf < die Kleinstadt < die Großstadt < die Stadt < die Metropole 1 (2%) V6 das Dorf < die Kleinstadt < die Stadt < die Großstadt < die Stadt 1 (2%) V7 das Dorf < die Kleinstadt < die Stadt < die Kleinstadt < die Metropole 1 (2%) 37 Gewährspersonen (86%) geben für die Mitglieder der Wortmenge, die sich auf eine Siedlung 59 beziehen und sich voneinander durch ihre Größe unterscheiden, eine Reihenfolge nach der Erwartung (V1) an. In Varianten 2, 3, 4 und 5, die jeweils von einem Probanden bewertet wurden, wird eine variierende Rangordnung von Stadt auffällig. Diese Belege stellen keine zufälligen Fälle dar, sondern sind auf die Oberbegriff-Funktion von Stadt zurückzuführen, indem die Bedeutung von 59 „Unterscheidung nach der Größe der Siedlung: Am einfachsten ist es natürlich, die Art der Siedlung nach ihrer Größe zu unterscheiden. Kleine Siedlungen werden Dörfer genannt, mittlere und große Siedlungen Stadt, riesige Siedlungen Metropolen.“ (http: / / de.wikipedia.org/ wiki/ Siedlung) Sprecherbefragungen 143 Stadt als übergeordneter Begriff die Bedeutungen der Ausdrücke Kleinstadt, Großstadt und Metropole involviert. Durch die Bestimmungswörter klein und groß zum Grundwort Stadt innerhalb der Komposita Kleinstadt und Großstadt wird eine explizite Rangordnung dieser Wörter erzielt. Auch das Wort Metropole, das eine sehr große Stadt, eine Millionenstadt bezeichnet, hat eine stabile Position. Dorf wurde in allen Varianten einheitlich als Infimum erkannt. In den vorletzten (V6) und letzten (V7) Varianten treten für Stadt und Kleinstadt Doppelnennungen und somit das Fehlen der Ausdrücke Metropole und Großstadt auf, die separat gerechnet werden. Vergleichbar sind die Konstellationen in der Kind-Gruppe, was im nächsten Teil der Arbeit zur Korpusuntersuchung anhand eines Vergleichs der Umfrageergebnisse mit denen der Korpusanalyse ausführlich dargestellt wird (Kap. 5). Aufgrund der Oberbegriff-Funktion mit allgemeinerer umfassender Bedeutung findet Kind in der Reihe Neugeborenes < Säugling < Kleinkind < Kind < Vorschulkind < Schulkind < Jugendlicher < Erwachsener zwischen Säugling und Jugendlicher unterschiedliche Einordnungen (siehe Tab. 35). In manchen Fällen gehen abweichende Reihungen bei den Bewertungen darauf zurück, dass bestimmte Wörter der Reihe den anderen Wörtern gegenüber denotative Unterschiede in der Bedeutung demonstrieren. Unter dem Abweichungsfaktor „denotative Unterschiede“ wird im Folgenden ein Fallbeispiel vorgestellt.  Abweichungsfaktor „denotative Unterschiede“ Wortreihe: „Intensität des Lachens“ Erwartete Reihenfolge: kichern < gackern < lachen < sich totlachen Nr. Varianten von Reihenfolgen Probanden (43) V1 kichern < gackern < lachen < sich totlachen 32 (74%) V2 kichern < lachen < gackern < sich totlachen 6 (14%) V3 gackern < kichern < lachen < sich totlachen 4  (9%) V4 kichern < lachen < sich totlachen 1  (2%) Es wird angenommen, dass die Ausdrücke kichern, gackern, lachen und sich totlachen mit der Spezifizierung hinsichtlich der Intensität des Lachens zusammenhängen. Infolge der schwankenden Position von gackern sind insgesamt vier Varianten von Reihenfolgen entstanden. Die Lexikalisch-semantische Graduonymie 144 erste Variante (V1) manifestiert ein Indiz für die Übereinstimmung mit der vorhergesagten Version mit positiven Urteilen von 32 Probanden (74%). Als ein möglicher Grund der Abweichungen (in V2 und V3) und des Fehlens (in V4) von gackern wird laut eines Wörterbuchabgleichs angenommen, dass sich gackern als polysemes Wort mit seiner ersten Bedeutung 60 im Wörterbuch zu den anderen Gruppenmitgliedern in keiner unmittelbaren Nachbarschaft befindet, und in diesem Sinne keine gemeinsamen Sememe mit ihnen teilen kann. Die Kookkurrenzanalyse des Wortes im Korpus hat diese Annahme unterstützt. Die CCDB -Datenbank des IDS in Mannheim 61 ermöglicht es, statistisch zu ermitteln, zu welchen Wörtern gackern als Kookkurrenzpartner auftritt. In Tabelle 13 werden zehn nach Kohäsion sortierte signifikant häufige Kookkurrenzpartner von gackern dargestellt. 62 Das Textwort gackern tritt als Kookkurrenzpartner bei folgenden Analysewörtern und -typen auf: Wort Häufigkeit 1. Huhn 2246 2. Ei 795 3. krähen 158 4. scharren 150 5. Henne 148 6. wiehern 120 7. albern 118 8. kichern 111 9. drängeln 103 10. Biene 98 Tab. 13: Kookkurrenzpartner von gackern 60 ga·ckern; gackerte, hat gegackert; [Vi] 1 ein Huhn gackert ein Huhn gibt die Laute von sich, die für seine Art typisch sind. gackern 2 gespr; (meist in Bezug auf junge Mädchen verwendet) unwichtige Dinge (sehr aufgeregt) sagen (und dabei kichern); schnattern. (Langenscheidt 1999) 61 Für Informationen zu dieser Datenbank siehe Kapitel 5. 62 Die Kookkurrenzanalyse kann auch im Korpusrecherche- und -analysesystem COSMAS II durchgeführt werden. Sprecherbefragungen 145 Wie die Tabelle veranschaulicht, kommt als Kookkurrenzpartner aus der Graduonymiereihung lediglich kichern vor (Zeilennummer 8). Die anderen Wörter in Tabelle 13 haben keine semantischen Ähnlichkeiten, die sich auf die Intensität des Lachens beziehen. Ein weiterer möglicher Grund für die Abweichungen liegt darin, dass unter der zweiten Bedeutung von gackern „unwichtige Dinge sagen und dabei kichern“ verstanden wird, die umgangssprachliche, landschaftliche und negativ konnotierte Bedeutungszüge aufweist. Die Nachbarschaftsverhältnisse der Wörter veranschaulicht zudem die folgende Tabelle: Wortpaare A < B_ dir A < B_ ndir B < A_ dir B < A_ ndir Fehlende Werte A < B B < A (1) A: kichern, B: gackern 32 6 4 0 1 (2%) 38 (89%) 4   (9%) (2) A: gackern, B: lachen 32 4 6 0 1 (2%) 36 (84%) 6 (14%) (3) A: lachen, B: sich totlachen 37 6 0 0 0 43 (100%) 0 Tab. 14: Aufteilung der lachen-Wörter Tabelle 14 zeigt auf, wie sich gackern zu seinem linken Nachbarn kichern und seinem rechten Nachbarn lachen verhält. Die Ergebnisse der Sprecherurteile einerseits und die des Wörterbuchabgleichs andererseits stellen den Status von gackern als Graduonym in Frage. 4.5.3 Typ III Typ III umfasst Graduonymiereihungen, für welche infolge der Sprecherurteile mehrere Varianten bestehen. Die Varianten haben sich infolge der abweichenden Positionen mehrerer Wörter ergeben. Insgesamt wurden 19 (27%) Wortmengen mit überwiegendem Anteil verbaler Graduonyme untersucht (11). Bei der Erstsortierung nach Typen fällt auf, dass die zu Typ III gehörenden Wortmengen bis auf eine aus vier bis sechs Gliedern bestehen. Es ist insofern nachvollziehbar, weswegen sich die Graduonyme vom Typ III durch abweichende Aussagen auszeichnen: Probanden haben weniger Schwierigkeiten, sich mit Lexikalisch-semantische Graduonymie 146 dreigliedrigen Wortreihen zu befassen, als mit vier- oder mehrgliedrigen, für die sich bis zu 24 diverse Varianten bilden lassen (z.B. Wortreihe „sinnieren“). In Anlehnung an die Beschreibung für Typ II wird im Folgenden ein exemplarischer Überblick über die aufgetretenen Fälle anhand von typischen Abweichungsfaktoren gegeben.  Abweichungsfaktor „Nachbar-Graduonyme“ Wortreihe: „fließen“ Erwartete Reihenfolge: rieseln < rinnen < laufen < fließen < strömen < fluten Nr. Varianten von Reihenfolgen Probanden (43) V1 rieseln < rinnen < laufen < fließen < strömen < fluten 15 (35%) V2 rieseln < rinnen < laufen < fließen < fluten < strömen 15 (35%) V3 rieseln < rinnen < fließen < laufen < fluten < strömen 5 (12%) V4 rinnen < rieseln < fließen < laufen < fluten < strömen 2  (5%) V5 rieseln < rinnen < fließen < laufen < strömen < fluten 2  (5%) V6 rinnen < rieseln < laufen < fließen < fluten < strömen 1  (2%) V7 rieseln < rinnen < laufen < fluten < fließen < strömen 1  (2%) V8 rieseln < laufen < fließen < rinnen < strömen < fluten 1  (2%) V9 Nicht bearbeitet 1  (2%) Mit diesem Beispiel wird ein typischer Fall verbaler Graduonymiereihungen vom Typ III dargestellt. Eine semantische Beschreibung der Wörter wurde in Kapitel 3.2 gegeben. Die Gruppenmitglieder haben als gemeinsame Bedeutung „die Fortbewegung von flüssigen Stoffen, bes. Wasser“. Die Menge der Flüssigkeit, die sich in eine bestimmte Richtung in einer bestimmten Geschwindigkeit bewegt, prägt jedoch die Grundbedeutung der Wörter wesentlich mit und spielt eine entscheidende bedeutungsunterscheidende Rolle, aufgrund derer sich die erwähnten Wörter in eine graduonymische Reihe formieren lassen. 15 (35%) Testteilnehmer treffen mit der Erwartung übereinstimmende Aussagen (V1). Bei der Einordnung von ebenso vielen Probanden in V2 (15-35%) fällt auf, dass sie sich bei strömen und fluten für die entgegengesetzte Richtung entscheiden. In den nachfolgenden Varianten (V3-V8) werden zudem Abweichungen von den angrenzenden Elementen sichtbar. Die markanten Abweichungen, die systematisch zwischen anliegenden Elementen einer Graduonymiereihung vorkommen, treten auf zwischen Nachbar-Graduonymen laufen vs. fließen Sprecherbefragungen 147 und strömen vs. fluten. Im vorliegenden Fall sind es insgesamt drei direkt benachbarte Oppositionspaare (1, 3, 5 in Tab. 15), die laut Sprecherurteilen zueinander folgende Häufigkeitsverhältnisse zeigen: Wortpaare A < B_ dir A < B_ ndir B < A_ dir B < A_ ndir Fehlende Werte A < B B < A (1) A: rieseln, B: rinnen 38 1 3 0 1 (2%) 39 (91%) 3 (7%) (2) A: rinnen, B: laufen 31 10 0 1 1 (2%) 41 (96%) 1 (2%) (3) A: laufen, B: fließen 32 1 9 0 1 (2%) 33 (77%) 9 (21%) (4) A: fließen, B: strömen 16 26 0 0 1 (2%) 42 (98%) 0 (5) A: strömen, B: fluten 18 0 24 0 1 (2%) 18 (42%) 24 (56%) Tab. 15: Aufteilung der fließen-Wörter Obwohl die Mehrheit der Versuchspersonen die Reihenfolge erwartungsgemäß bewertet (außer fluten < strömen), bestätigen die Umfrageergebnisse wiederholt die Annahme, dass zwischen anliegenden Wörtern einer graduonymischen Reihung schwankende Verhältnisse vorliegen. In Bezug auf die abweichende Positionierung von laufen vs. fließen wird vermutet, dass sich laufen primär nicht auf die Fortbewegung von Flüssigkeit bezieht. Für das strömen - fluten-Verhältnis könnte der Bedeutungsunterschied darin liegen, dass strömen langsamer ist als fluten, aber mehr Wasser involviert. Es könnte auch der stilistische Unterschied zwischen diesen Ausdrücken eine Rolle spielen, wobei fluten der gehobenen Stilschicht angehört (laut Duden Deutsches Universalwörterbuch (2004c) und Duden Synonymwörterbuch (2004b)). Wortreihe: „mutig“ Erwartete Reihenfolge: tapfer < mutig < kühn < verwegen Nr. Varianten von Reihenfolgen Probanden (43) V1 tapfer < mutig < kühn < verwegen 14 (33%) V2 kühn < mutig < tapfer < verwegen 7 (16%) Lexikalisch-semantische Graduonymie 148 V3 mutig < tapfer < kühn < verwegen 5 (12%) V4 kühn < tapfer < mutig < verwegen 4  (9%) V5 tapfer < kühn < mutig < verwegen 3  (7%) V6 mutig < tapfer < verwegen < kühn 1  (2%) V7 mutig < kühn < tapfer < verwegen 1  (2%) V8 tapfer < verwegen < mutig < kühn 1 (2%) V9 kühn < mutig < verwegen < tapfer 1  (2%) V10 kühn < verwegen < mutig < tapfer 1  (2%) V11 verwegen < kühn < mutig 1  (2%) V12 Nicht bearbeitet 4  (9%) Mit dem vorliegenden Beispiel wird eine weitere aus dem Synonymwörterbuch ausgewählte graduonymische Reihenfolge repräsentiert. Insgesamt werden elf unterschiedliche Aussagen zur Graduierung der Ausdrücke gegeben. Vier (9%) Versuchspersonen haben sich hierzu der Stimme enthalten (V12). Dass die Gruppenelemente keine konstante Stellung auf der Skala aufzeigen, deutet darauf hin, dass die semantische Similarität für alle Gruppenmitglieder charakteristisch ist und sie in hohem Maße auftritt. Tabelle 16 illustriert nochmals die Wahlhäufigkeit von Graduonymen. Wortpaare A < B_ dir A < B_ ndir B < A_ dir B < A_ ndir Fehlende Werte A < B B < A (1) A: tapfer, B: mutig 18 4 14 2 5 (12%) 22 (51%) 16 (37%) (2) A: mutig, B: kühn 16 6 12 5 4 (9%) 22 (51%) 17 (40%) (3) A: kühn, B: verwegen 20 16 2 1 4 (9%) 36 (84%) 3 (7%) Tab. 16: Aufteilung der mutig-Wörter Es scheint in diesem Zusammenhang angebracht, die oben in Kapitel 3.2 angeführten Plesionymie-Beispiele von Cruse für die tapfer - mutig- Relation zu verwenden. Cruse fasst die englischen Ausdrücke brave und courageous als Plesionyme auf, zwischen welchen bestimmte semantische Differenzen hervortreten. Er stellt fest, dass der Bedeutungsunterschied zwischen brave und courageous mit dem prototypischen Kern zu tun hat, wobei brave eine prototypisch physische Bedeutung Sprecherbefragungen 149 hat, courageous hingegen intellektuelle und moralische Faktoren einschließt. Es kann davon ausgegangen werden, dass diese bedeutungsunterscheidenden Aspekte genauso auf ihre deutschen Äquivalente tapfer und mutig zutreffen können. Aus den Definitionen in den Wörterbüchern gehen in Bezug auf die von Cruse genannten Faktoren keine genauen Angaben und keine semantischen Differenzierungen der Wörter hervor und sie werden gegenseitig als Synonyme kodifiziert. Für die eigentliche Bedeutung der Begriffe Tapferkeit und Mut gibt das Historische Wörterbuch der Philosophie interessante Erklärungen, die womöglich mit denen von Cruse vergleichbar sind: Im Deutschen wird neben <T 63 .> (von ahd. <taphar> ’fest’, ’hart’) seit dem 16.Jh. zunehmend <Mut> (von ahd. <muot> ’animus’, ’Herz’, ’innere Empfindung’, ’Verlangen’, ’Wille’, ’gehobene seelische Stimmung’) gebraucht, wobei unter diesem Begriff hauptsächlich das ’beherzte’ innere Verhalten angesichts drohender Gefahren verstanden wird, während <T.> eher die soldatische Tugend kämpferischer Stärke und Unerschrockenheit bezeichnet. (Historisches Wörterbuch der Philosophie, S. 895) Also: Während Tapferkeit kämpferische Stärke und Unerschrockenheit bezeichnet (Faktor: physisch, körperlich), bezieht sich Mut auf das beherzte innere Verhalten (Faktor: psychisch, seelisch). Aristoteles, der alle Tugenden als das Mittelmaß zwischen zwei Extremen betrachtet, sieht Tapferkeit in der Mitte zwischen den Extremen Angst und Verwegenheit (ebd., S. 894). Das Adjektiv verwegen ist auch in unserem Fall ein Extrem, genauer, ein Supremum. Tatsächlich wird dieses Element von den Testteilnehmern 34 Mal eindeutig als solches erkannt. Wortreihe: „rot“ Erwartete Reihenfolge: rosa < zartrot < rötlich < rot < hochrot < blutrot Nr. Varianten von Reihenfolgen Probanden (43) V1 rosa < zartrot < rötlich < rot < hochrot < blutrot 12 (28%) V2 rosa < rötlich < zartrot < rot < hochrot < blutrot 11 (26%) V3 rötlich < zartrot < rosa < rot < hochrot < blutrot 4   (9%) V4 rötlich < rosa < zartrot < rot < hochrot < blutrot 2   (5%) 63 Tapferkeit. Lexikalisch-semantische Graduonymie 150 V5 zartrot < rosa < rötlich < rot < blutrot < hochrot 2   (5%) V6 zartrot < rötlich < rosa < rot < hochrot < blutrot 2   (5%) V7 rosa < rötlich < zartrot < rosa < hochrot < blutrot 1   (2%) V8 rosa < rötlich < zartrot < hochrot < blutrot 1   (2%) V9 rötlich < zartrot < rosa < rot < blutrot < hochrot 1   (2%) V10 rötlich < rosa < zartrot < rot < blutrot < hochrot 1   (2%) V11 rosa < rot < hochrot < blutrot 1   (2%) V12 rötlich < zartrot < rosa < blutrot < hochrot 1   (2%) V13 rötlich < zartrot < rot < hochrot < blutrot 1   (2%) V14 zartrot < rosa < rötlich < rot < blutrot 1   (2%) V15 zartrot < rosa < rötlich < rot < hochrot < blutrot 1   (2%) V16 rosa < zartrot < rötlich < rot < blutrot < hochrot 1   (2% ) Es wird davon ausgegangen, dass die Rot-Wörter nach der Farbintensität geordnet werden. Die Aussagen von zwölf (28%) Probanden gehen mit der vorausgesagten Reihe konform (V1). Elf (26%) Versuchspersonen entscheiden sich für dieselbe Reihenfolge mit einer Abweichung von zartrot und rötlich (V2). Insgesamt fallen folgende Bewertungen auf: 1) Die benachbarten Graduonyme zartrot - rötlich und hochrot - blutrot werden abweichend bewertet; 2) rosa hat eine instabile Stellung; (3) rot wird grundsätzlich als Grenzbereich zwischen unteren und oberen Skalenbereichen betrachtet, die sich auf die Abschwächung und Verstärkung der Eigenschaft ‘Rot’ beziehen. Tabelle 17 veranschaulicht die Häufigkeiten über die Graduierungsrichtung und die Nachbarschaftsverhältnisse der Ausdrücke: Wortpaare A < B_ dir A < B_ ndir B < A_ dir B < A_ ndir Fehlende Werte A < B B < A (1) A: rosa, B: zartrot 16 13 10 2 2 (5%) 29 (67%) 12 (28%) (2) A: zartrot, B: rötlich 15 4 20 3 1 (2%) 19 (44%) 23 (53%) (3) A: rötlich, B: rot 17 22 0 0 4 (9%) 39 (91%) 0 (4) A: rot, B: hochrot 34 5 0 0 4 (9%) 39 (91%) 0 Tab. 17: Aufteilung der Rot-Wörter Sprecherbefragungen 151 Es gibt zwei Bemerkungen von Probanden, die nach dem Pretest im Zusammenhang mit der Rot-Reihe angegeben wurden. Die erste Versuchsperson schreibt: „Probleme hatte ich auch mit Varianten von Rot. Bei manchen Wörtern steigert sich die Intensität von Rot, bei manchen wird das Rot qualitativ beschrieben. Das sind für mich zwei unterschiedliche Dinge. Auch hier habe ich einen Teil der Wörter ignoriert.“ Darüber, welche Wörter sie genau in Betracht zieht, macht die Versuchsperson 1 keine genauen Angaben. Proband 2 stellt fest: „Rosa ist für mich eine andere Farbe als Rot und kann daher nicht mit Rot abgestuft werden.“ Rosa wird von den Probanden trotzdem relativ eindeutig in der unteren Hälfte der Skala eingeordnet, d.h., es wird als Teil der Rot-Intensitätsskala wahrgenommen. Das sind Fakten, die für eine Graduonymiereihung von ausschlaggebender Bedeutung sind und sich durch die Sprecherurteile auch in den Bewertungen offenbaren. 4.5.4 Zusammenfassung Die Bewertungssituation in Bezug auf deutsche Daten hat es ermöglicht, die Umfrageergebnisse nach Häufigkeiten und Art der Abweichungen in Typen zu differenzieren. Diagramm 2 illustriert die Prozentwerte der erwähnten Bewertungstypen. In 29% der Graduonymiereihungen des Typs I zeigt sich die einhellige Übereinstimmung der Meinungen der Versuchspersonen. In Bezug auf die Graduierungsrichtung und die Nachbarschaftsrelationen der Wörter sind die Standpunkte der Probanden konform. Der Bewertungstyp II beträgt 44% des Gesamtmaterials. In dieser Gruppe ist ein Gruppenmitglied durch eine instabile Position gekennzeichnet. Typ III umfasst Graduonymiereihungen, in denen mehrere Wörter vage eingeordnet werden. Zu diesem Typ gehören 27% der Reihen (siehe Diagramm 2). Es wurde hinsichtlich der Bewertungstypen II und III der Versuch unternommen, die Gründe der Bewertungsunterschiede zu klären. Bei den Schlussfolgerungen, die wir gezogen haben, ist Vorsicht geboten. Denn es lassen sich über konkrete semantische Verhältnisse von Graduonymen ohne ihre umfassende kontextuelle Untersuchung keine fundierten Aussagen machen. Es wird angenommen, dass die Abweichungen bei den Einordnungen aufgrund diverser Bedeutungsunterschiede zwischen den Ausdrücken zustande gekommen sind. Eine Tendenz zu abweichenden Reiheneinordnungen besteht, wenn: Lexikalisch-semantische Graduonymie 152 1) Sprecher bei der Verortung anliegender Graduonyme unsicher sind bzw. Abgrenzungsschwierigkeiten in Bezug auf den Grad des zu steigernden Merkmals zwischen Nachbar-Graduonymen haben. Dieser am häufigsten vorkommende Fall wird unter dem Abweichungsfaktor „Nachbar-Graduonyme“ untersucht. Der graduelle Kontrast kommt nicht evident zum Vorschein und Probanden schwanken bei der Bewertung zwischen Nachbar-Graduonymen. Der mögliche Grund hierfür liegt an der Oberbegriff-Beziehung des einen Graduonyms höherer Stufe zu seinem Nachbar in der unteren Stufe auf der Skala wie z.B.: Neugeborenes < Säugling Hypergraduonym . Es gibt aber Beispiele für den umgekehrten Fall: Sturm Hypergraduonym < Orkan. 2) ein Graduonym je nach Skalenbereich entweder für die ganze Skala (z.B.: Brise < Wind Hypergraduonym < Sturm < Orkan) oder für einige Graduonyme der Skala (Kind ist in der Skala Neugeborenes < Säugling < Kleinkind < Kind Hypergraduonym < Vorschulkind < Schulkind < Jugendlicher < Erwachsener von Neugeborenes bis Schulkind ein Hypergraduonym) als Hypergraduonym hervortritt. Da das Hypergraduonym in Bezug auf die gemeinsame Kernbedeutung allgemeiner und umfassender und in der graduonymischen Bedeutung von mittlerer Stärke ist, deckt es die Bedeutung von Gruppenmitgliedern ab. Folglich wird das Hypergraduonym von Muttersprachlern auf der Skala variierend positioniert. Die abweichenden Reiheneinordnungen aufgrund eines Hypergraduonyms werden unter dem Abweichungsfaktor „Hypergraduonym“ subsumiert. 3) bestimmte Graduonyme aus der Reihe dem Fachwortschatz angehören. In anderen Fällen gehören die Graduonyme nicht dem Fachvokabular an, trotzdem ist die Entstehung der Reihenfolge den Probanden nicht bekannt. Es handelt sich hierbei nicht um semantisches Wissen, sondern um Weltwissen. Derartige Fälle werden unter dem Abweichungsmerkmal „unbekannt“ zusammengefasst. 4) bestimmte Graduonyme aufgrund zusätzlicher Bedeutungsbestandteile Verschiedenheiten in ihren Grundbedeutungen zeigen, weshalb sie sich nicht einer gemeinsamen Gruppe zuordnen lassen. Es kommt auch vor, dass ein Graduonym ein polysemes Wort ist und nicht anhand seiner primären Bedeutung den anderen Gruppenelementen gegenübergestellt werden kann. Derartige Fälle umfasst der Abweichungsfaktor „denotative Unterschiede“. Sprecherbefragungen 153 Die herangezogenen lexikografischen Informationen in Bezug auf die Bedeutugsbeschreibung mancher Wörter lassen sich dahingehend zusammenfassen, dass Sprecher die Bedeutung von Wörtern anders wahrnehmen als deren Darstellung in Wörterbüchern. Typ I Typ II Typ III Prozentwerte der Bewertungen nach Typen 27 % 29 % 44 % Diagramm 2: Prozentuelle Ergebnisse von Bewertungstypen 4.6 Umfrage für Usbekisch 4.6.1 Aufbereitung der Daten Wie bereits erwähnt, erfolgt die Aufbereitung der usbekischen Umfragedaten und ihre statistische Auswertung nach dem gleichen Verfahren wie die deutsche Umfrage: Die Graduonyme innerhalb der 20 Reihungen werden nach ihrer Nachbarschaft und der Richtung der Einordnung nach entsprechenden Gruppen sortiert. Diejenigen Ergebnisse, die mit der vorhergesagten Reihenfolge konform gehen, werden als „A < B“ (der Vermutung entsprechend) betrachtet. Umgekehrt werden die Sprecherurteile, die der Erwartung nicht entsprechen, als „B < A“ (der Vermutung nicht entsprechend) interpretiert. Dies wird anhand der Kind-Reihe, deren Elemente nach der Eigenschaft ‘Alter’ sortiert werden, verdeutlicht: chaqaloq < go’dak < bola < o’smir < o’spirin (dt. Neugeborenes, Säugling, Kind, Jugendlicher, junger Erwachsener) (siehe Tab. 18). Lexikalisch-semantische Graduonymie 154 Reihenfolge A < B B < A Fehlende Werte Nachbarschaft direkt nicht direkt direkt nicht direkt (1) A: chaqaloq, B: go’dak 47 1 2 0 0 (2) A: go’dak, B: bola 47 3 0 0 0 (3) A: bola, B: o’smir 18 29 1 1 1 (4) A: o’smir, B: o’spirin 18 0 30 0 2 Summe 130 33 33 1 3 Tab. 18: Aufbereitung der usbekischen Umfragedaten am Beispiel des Paradigmas Bola (‘Kind’) Im Folgenden werden die Aufbereitung der Daten für die Analyse der usbekischen Sprecherurteile vorgestellt: - 50 Versuchspersonen. - 20 Wortmengen, für die gemäß der Vermutung eine Reihenfolge aufgestellt wurde, z.B. chaqaloq < go’dak < bola < o’smir < o’spirin. Die vermutete Reihenfolge enthält also pro Wortpaar Informationen über • Nachbarschaft: direkter Nachbar (z.B. chaqaloq und go’dak) vs. nicht direkter Nachbar (z.B. chaqaloq und bola); • Reihenfolge: im Graduierungsmerkmal zunehmend (z.B. chaqaloq < go’dak) vs. im Graduierungsmerkmal abnehmend (z.B. go’dak < chaqaloq). - Den Versuchspersonen wurde jede Wortmenge in alphabetischer Anordnung vorgelegt, und sie sollten sie nach einer Graduierungsrichtung sortieren. - Manchmal führten die Versuchspersonen ein Wort nicht auf (fehlender Wert). - Die Wortmengen enthalten unterschiedlich viele Wörter (min. 3, max. 8). Nach der Datenaufbereitung werden die aufgestellten Hypothesen anhand des „Page test for ordered alternatives“ und des „Wilcoxon-Vorzeichen-Rang-Test“ überprüft. Sprecherbefragungen 155 4.6.2 Page test for ordered alternatives Der „Page test for ordered alternatives“ überprüft, ob die Reihenfolge der Graduonyme der erwarteten Richtung entspricht. - Nullhypothese über Medianwerte: „A < B“-Reihenfolge + direkte Nachbarschaft = „A < B“-Reihenfolge + nicht direkte Nachbarschaft = „B < A“-Reihenfolge + direkte Nachbarschaft = „B < A“-Reihenfolge + nicht direkte Nachbarschaft - Alternativhypothese über Medianwerte: „A < B“-Reihenfolge + direkte Nachbarschaft > „A < B“-Reihenfolge + nicht direkte Nachbarschaft > „B < A“-Reihenfolge + direkte Nachbarschaft > „B < A“-Reihenfolge + nicht direkte Nachbarschaft Nachdem für jede Vergleichsgruppe auf Basis der gewichteten Daten eine Rangsumme berechnet wurde (siehe Tab. 19), wird anschließend der L-Wert berechnet. L ist die Summe aus allen Produkten Rangsumme*Rang der Rangsumme: L = 4 x 80 + 3 x 46,5 + 2 x 51 + 1 x 22,5 = 584. Wortpaare Rangsumme Erwarteter Rang der Rangsumme gewichtet „A < B“-direkt 80 4 gewichtet „A < B“-nicht direkt 46,5 3 gewichtet „B < A“-direkt 51 2 gewichtet „B < A“-nicht direkt 22,5 1 Tab. 19: Gewichtung und Rangsumme der usbekischen Umfragedaten Da n = 20 relativ groß ist, wird die Page-Test-Statistik durch die Normalverteilung approximiert: z = 6,50. Die kritischen Werte bei gerichteten Hypothesen sind z .05 = 1,65 und z .01 = 2,33. Da 6,50 > 2,33, kann die Nullhypothese verworfen werden. Das Ergebnis zeigt somit einen hochsignifikanten p-Wert (p < 0,01). Das heißt, die usbekischen Probanden haben die Wörter mit einer statistisch signifikanten Häufigkeit in der von mir angenommenen Richtung angeordnet. Lexikalisch-semantische Graduonymie 156 4.6.3 Wilcoxon-Vorzeichen-Rang-Test Um zu sehen, inwieweit sich die „A < B“ (der Vermutung entsprechend) und „B < A“ (der Vermutung nicht entsprechend) Antworten voneinander unterscheiden, werden zunächst alle Bewertungen mit „A < B“ und alle Bewertungen mit „B < A“ unabhängig von ihrer Nachbarschaft zusammengerechnet und danach getestet. Es wird erwartet, dass die Mittelwerte der „A < B“-Antworten signifikant höher sind als die der „B < A“. Der Test zeigt einen hochsignifikanten p-Wert (p < 0,001). Die Unterschiede der „A < B“- und der „B < A“-Antworten sind statistisch hochsignifikant, T = 403,50, z = -6,966, und aufgrund der Effektstärke mit r = -0,51 (starker Effekt) relativ hoch. Fazit: Die usbekischen Probanden haben die Graduonyme statistisch häufiger in die erwartete „A < B“-Reihenfolge eingeordnet. 4.6.4 Zusammenfassung der Testergebnisse Statistisch gesehen haben die angewendeten Tests die Hypothesen auch in Bezug auf usbekische Sprecherurteile bestätigt. Doch trotz des hohen Signifikanzniveaus zeigen die usbekischen Daten im Vergleich zu den deutschen Umfrageergebnissen ganz andere Konstellationen des Auftretens von Wörtern als Graduonyme hinsichtlich ihrer Häufigkeiten. Betrachtet man die Prozentwerte der „B < A“-Antworten, die mehr als 10% betragen (siehe Anh. 4), so fallen 59 Wortpaare (von insgesamt 95 Wortpaaren; dies bildet 62% des Gesamtmaterials) darunter. Die Trennung anhand grauer Markierung in Anhang 4 (wie auch in Anh. 3) basiert auf der subjektiven Entscheidung der Autorin und hängt mit den oben durchgeführten statistischen Auswertungen nicht zusammen. Die Vielfalt der Wahrnehmung und Akzeptanz von Ausdrücken als Graduonyme hängt mit unterschiedlichen Faktoren zusammen, worauf im nachfolgenden Kapitel eingegangen wird. Anhang 4 gibt eine Übersicht über die Wortpaare der gesamten usbekischen Umfrage und ihre deskriptiv-statistische Darstellung. An dieser Stelle werden die Angaben in Anhang 4 in der Tabelle 20 an einem Beispiel erläutert. Sprecherbefragungen 157 Wortpaare A < B_ dir A < B_ ndir B < A_ dir B < A_ ndir Fehlende Werte A < B B < A (1) A: shivirlamoq, B: pichirlamoq 29 0 15 1 5 10%) 29 (58%) 16 (32%) (2) A: pichirlamoq, B: gapirmoq 33 15 0 0 2 (4%) 48 (96%) 0 (3) A: gapirmoq, B: baqirmoq 22 27 0 0 1 (2%) 49 (98%) 0 (4) A: baqirmoq, B: dodlamoq 24 7 16 2 1 (2%) 31 (62%) 18 (36%) (5) A: dodlamoq, B: hayqirmoq 17 14 9 9 1 (2%) 31 (62%) 18 (36%) (6) A: hayqirmoq, B: o’kirmoq 23 16 5 5 1 (2%) 39 (78%) 10 (20%) Tab. 20: Aufteilung der usbekischen Umfragedaten am Beispiel der Wortreihe Lautstärke beim Sprechen Die Wörter in Tabelle 20 beziehen sich auf die Lautstärke des Sprechens. Die erwartete Reihenfolge der Ausdrücke ist folgendermaßen: shivirlamoq < pichirlamoq < gapirmoq < baqirmoq < dodlamoq < hayqirmoq < o’kirmoq (dt.: säuseln < flüstern < sprechen < rufen < schreien < aufschreien < brüllen). Für sieben Glieder der Gruppe bestehen sechs Wortpaare. Lediglich die zwei Wortpaare pichirlamoq - gapirmoq und gapirmoq - baqirmoq zeigen hohe Prozentwerte der Übereinstimmung mit ihrer erwarteten Reihenfolge (Spalte: A < B): pichirlamoq (flüstern) < gapirmoq (sprechen) < baqirmoq (rufen). Allerdings werden sie nicht systematisch direkt benachbart eingeordnet. Das Wortpaar pichirlamoq - gapirmoq wird 15 Mal in indirekter Nachbarschaft angegeben und gapirmoq - baqirmoq zeigt 27 Mal keine direkte Nachbarschaft (Spalte: A < B_ndir). Wie die Bewertungskonstellation dieser Gruppe in den entstandenen Varianten aussieht, wird unten eingehend diskutiert. Das folgende Teilkapitel setzt sich mit der linguistischen Interpretation der usbekischen Umfrageergebnisse auseinander. Lexikalisch-semantische Graduonymie 158 4.7 Linguistische Interpretation der usbekischen Umfragedaten Wie bereits angedeutet, zeigen sich zwischen den Ergebnissen der Auswertungen usbekischer und deutscher Graduonyme evidente Unterschiede. Der Anteil der Probanden, die die häufigste Reihe gewählt haben, ist in der deutschen Umfrage größer als in der usbekischen Befragung. Aus diesem Grund lassen sich die Ergebnisse der usbekischen Sprecherurteile nicht wie die deutschen Umfrageergebnisse nach ihrer Häufigkeit und der Art der Abweichung Typen zuordnen. Es werden, wie in der deutschen Umfrage, aufgetretene Abweichungsfaktoren innerhalb von Wortreihen analysiert. Die zu jeder usbekischen Reihe gegebene deutsche Reihe dient als Glossierung der usbekischen Wörter.  Abweichungsfaktor „Nachbar-Graduonyme“ Wortreihe: „Alter des Menschen“ Erwartete Reihenfolge: yigit/ qiz < erkak/ ayol < chol/ kampir < keksa < qariya Dt.: der Junge/ das Mädchen < der Mann/ die Frau < der Alte/ die Alte <der Senior/ die Seniorin < der Greis/ die Greisin Nr. Varianten von Reihenfolgen Probanden (50) V1 yigit/ qiz < erkak/ ayol < chol/ kampir < keksa < qariya 13 (26%) V2 yigit/ qiz < erkak/ ayol < keksa < qariya < chol/ kampir 12 (24%) V3 yigit/ qiz < erkak/ ayol < chol/ kampir < qariya < keksa 6 (12%) V4 yigit/ qiz < erkak/ ayol < keksa < chol/ kampir < qariya 3  (6%) V5 yigit/ qiz < erkak/ ayol < chol/ kampir 3  (6%) V6 yigit/ qiz < erkak/ ayol < qariya < chol/ kampir < keksa 2  (4%) V7 qariya < yigit/ qiz < erkak/ ayol < chol/ kampir < keksa 2  (4%) V8 yigit/ qiz < erkak/ ayol < qariya < keksa < chol/ kampir 2  (4%) V9 yigit/ qiz < erkak/ ayol < chol/ kampir < qariya 1  (2%) V10 erkak/ ayol < yigit/ qiz < keksa < qariya < chol/ kampir 1  (2%) V11 yigit/ qiz < erkak/ ayol < qariya < chol/ kampir 1  (2%) V12 yigit/ qiz < erkak/ ayol < keksa < chol/ kampir 1  (2%) V13 yigit/ qiz < erkak/ ayol < keksa < qariya 1  (2%) V14 yigit/ qiz < keksa < chol/ kampir 1  (2%) V15 yigit/ qiz < erkak/ ayol 1  (2%) Sprecherbefragungen 159 Die vorliegende Wortmenge repräsentiert einen typischen, häufig vorkommenden Fall usbekischer Sprecherurteile, der hier, analog zum Deutschen, unter dem Abweichungsmerkmal „Nachbar-Graduonyme“ markiert wird. Die durch einen Schrägstrich getrennten Ausdrücke yigit/ qiz, erkak/ ayol und chol/ kampir bezeichnen die jeweils männliche und weibliche Person verschiedener Altersabschnitte wie ihre deutschen Äquivalente der Junge/ das Mädchen, der Mann/ die Frau und der Alte/ die Alte. Keksa und qariya, die einen alten, betagten Menschen bezeichnen, sind in Bezug auf das Geschlecht unmarkiert. Die altersbezogene Verschiedenheit zwischen yigit/ qiz und erkak/ ayol wird von den Probanden mehrheitlich erkannt (siehe die obigen Reihenfolgen in Varianten und in Tab. 21). Sie stehen 48 Mal (96%) in erwarteter Reihenfolge und direkter Nachbarschaft. Problematisch ist die Stellung von drei sehr nah beieinander liegenden Partnern mit nicht erheblichen altersbezogenen graduellen Unterschieden, namentlich chol/ kampir, keksa und qariya, die innerhalb der Gruppe abweichende Varianten verursacht haben: Sie werden variierend eingeordnet und zum Teil bei der Bewertung nicht berücksichtigt. Jeder dieser Ausdrücke bezieht sich auf den letzten Lebensabschnitt, das Alter. Im Definitionswörterbuch der Synonyme des Usbekischen (Hojiev 1974, S. 224-225) befinden sich die Wörter chol, qariya und keksa innerhalb einer Synonymgruppe. Angaben zu ihrer Stilzugehörigkeit oder ihren Verwendungsunterschieden gibt es allerdings nicht. Auch im Definitionswörterbuch des Usbekischen werden die Ausdrücke qariya und keksa unter dem Lemma chol aufgeführt (Bd. 4, 2008, S. 505), und auf ihre Bedeutungs-und Verwendungsunterschiede hingewiesen. Es finden sich jedoch Angaben hinsichtlich des stilistischen Unterschieds und der Variationen im kontextuellen Gebrauch der Adjektivformen (keksa und qari) dieser Substantive: Dem Adjektiv qari wird eine negative (stilistische) Wertung zugeschrieben, weshalb in bestimmten Kontexten keksa für qari nicht eingesetzt werden kann. Dem Substantiv keksa wird ein neutraler Stil, qariya hingegen eine negative Konnotation zugewiesen. Eine Google-Recherche zum gemeinsamen Auftreten der Wörter ergibt, dass keksa und qariya einen ähnlichen thematischen Kontext ihrer Verwendung aufweisen und in vielen Suchergebnissen einander ersetzen. Es gibt zudem Belege, in denen sie einen inkompatiblen Gebrauch zeigen. Es treten außerdem noch Fälle zu ihrer tautologischen Verwendung auf: Dies ist eine für Synonyme charakteristi- Lexikalisch-semantische Graduonymie 160 sche Erscheinung des Usbekischen, indem zwei bedeutungsähnliche Wörter durch Bindestrich getrennt geschrieben werden (qariya-keksa) und eine Verstärkungsfunktion signalisieren oder gruppierenden Charakters sind. Einen eindeutigen Verwendungsunterschied weisen chol/ kampir auf, denn sie gehören der umgangssprachlichen Stilebene an und weisen eine leicht abwertende Konnotation auf. So sind sie beispielsweise Figuren traditioneller usbekischer Volksmärchen. Da zwischen den Wörtern chol/ kampir, keksa und qariya kein starker gradueller Kontrast vorliegt und die Wörter Bedeutungs- und Gebrauchsunterschiede aufweisen, zeigen die Probanden bei deren Einordnung Uneinheitlichkeiten. Wortpaare A < B_ dir A < B_ ndir B < A_ dir B < A_ ndir Fehlende Werte A < B B < A (1) A: yigit/ qiz, B: erkak/ ayol 48 0 1 0 1 (2%) 48 (96%) 1 (2%) (2) A: erkak/ ayol, B: chol/ kampir 25 22 0 0 3 (6%) 47 (94%) 0 (3) A: chol/ kampir, B: keksa 17 6 7 13 7 (14%) 23 (46%) 20 (40%) (4) A: keksa, B: qariya 27 3 8 4 8 (16%) 30 (60%) 12 (24%) Tab. 21: Aufteilung der usbekischen Wortreihe Alter des Menschen Wortreihe: „Kind“ Erwartete Reihenfolge: chaqaloq < go’dak < bola < o’smir < o’spirin Dt.: das Neugeborene < der Säugling < das Kind < der/ die Jugendliche < der/ die Heranwachsende Nr. Varianten von Reihenfolgen Probanden (50) V1 chaqaloq < go’dak < bola < o’spirin < o’smir 28 (56%) V2 chaqaloq < go’dak < bola < o’smir < o’spirin 16 (32%) V3 chaqaloq < go’dak < o’spirin < o’smir < bola 1  (2%) V4 chaqaloq < o’smir < o’spirin < go’dak < bola 1  (2%) Sprecherbefragungen 161 V5 go’dak < chaqaloq < bola < o’spirin < o’smir 1  (2%) V6 go’dak < chaqaloq < bola < o’smir < o’spirin 1  (2%) V7 chaqaloq < go’dak < bola 1  (2%) V8 chaqaloq < go’dak < bola < o’smir 1  (2%) Die Elemente der vorliegenden Graduonymiereihung beziehen sich auf unterschiedliche Altersabschnitte des jungen Menschen von der Geburt bis zum Erwachsenenalter. Dabei sind die vier Gruppenmitglieder chaqaloq, go’dak, bola und o’smir geschlechtsneutral, d.h. sie werden sowohl für die weiblichen als auch männlichen Gruppenangehörigen verwendet. Das geschlechtsspezifische Merkmal von o’spirin wurde bei der Zusammenstellung der Reihe vor der Umfrage außer Acht gelassen. O’spirin wird in dieser Form nur für den männlichen jungen Erwachsenen verwendet, wie es auch das Definitionswörterbuch des Usbekischen dokumentiert (Bd. 4, 2008, S. 174). Da für weibliche junge Erwachsene in diesem Sinne das geschlechtliche Gegenstück im Usbekischen nicht existiert, könnte o’spirin durch qiz/ yigit (das Mädchen/ der Junge) ergänzt werden: o’spirin qiz/ o’spirin yigit. Die Suche nach Texten im Internet liefert zu diesen Verbindungen mehrere Belege. Bei der Auswertung der Muttersprachler zu dieser Reihe zeigt sich ein interessantes Phänomen. Da die Aneinanderreihung der Ausdrücke chaqaloq < go’dak < bola von den Probanden gemäß der Erwartung überwiegend einheitlich beurteilt wird (siehe die Varianten und Tab. 22), zeigen o’smir und o’spirin Abweichungen. Die Mehrheit der Versuchspersonen (30-60%) entscheidet sich für die Richtung o’spirin < o’smir, also der/ die Heranwachsende < der/ die Jugendliche. Wortpaare A < B_ dir A < B_ ndir B < A_ dir B < A_ ndir Fehlende Werte A < B B < A (1) A: chaqaloq, B: go’dak 47 1 2 0 0 48 (96%) 2 (4%) (2) A: go’dak, B: bola 47 3 0 0 0 50 (100%) 0 (3) A: bola, B: o’smir 18 29 1 1 1 (2%) 47 (94%) 2 (4%) (4) A: o’smir, B: o’spirin 18 0 30 0 2 (4%) 18 (36%) 30 (60%) Tab. 22: Aufteilung der usbekischen Wortreihe Kind Lexikalisch-semantische Graduonymie 162 Diese Ausdrücke, die in der Entwicklungspsychologie verwendet und eindeutig abgegrenzt werden, sind im allgemeinen Sprachgebrauch (im Vergleich zu anderen Gruppenmitgliedern) nicht geläufig. Sowohl o’smir als auch o’spirin gehören in die Phasen des Jugendalters. Das Definitionswörterbuch des Usbekischen (2009, S. 174) beschreibt o’smir als Kind, das sich im Übergangsstadium von der Kindheit ins Jugendalter befindet (zwischen 12. und 16. Lebensjahr). O’spirin wird als junger Bursche, der sich noch in der Pubertät befindet, bezeichnet, wird aber nicht mit genauen Altersangaben versehen. Laut Definitionen stehen also o’smir und o’spirin altersgemäß sehr nah beieinander. Der Form nach sehen o’smir und o’spirin ähnlich aus, denn beide sind Zusammensetzungen aus dem gleichen Wortstamm „o’s“ (usb. „o’smoq“ - wachsen). Aus den Kompositionszweitgliedern -mir und -pirin geht auch ein altersbezogenes Spezifikum der Wörter nicht explizit hervor. Dass die Mehrheit der Versuchspersonen zwischen o’smir und o’spirin anders als ihre Handhabung in der Lexikografie und ihre Verwendung im Fachwortschatz differenziert, zeigt ein interessantes Faktum über die Sprachwirklichkeit. Wortreihe: „Natürliches Gewässer“ Erwartete Reihenfolge: halqob < ko’lmak < ko’l < dengiz < okean Dt.: die Lache < die Pfütze < der See < das Meer < der Ozean Nr. Varianten von Reihenfolgen Probanden (50) V1 ko`lmak < halqob < ko’l < dengiz < okean 19 (38%) V2 halqob < ko’lmak < ko’l < dengiz < okean 10 (20%) V3 ko’lmak < ko’l < dengiz < okean 10 (20%) V4 ko’lmak < halqob < ko’l < okean < dengiz 3  (6%) V5 ko’lmak < ko’l < halqob < dengiz < okean 2  (4%) V6 ko’lmak < ko’l < okean < dengiz 1  (2%) V7 halqob < ko’lmak < ko’l < okean < dengiz 1  (2%) V8 halqob < ko’lmak < ko’lmak < dengiz < okean 1  (2%) V9 ko’l < ko’lmak < halqob < dengiz < okean 1  (2%) V10 ko’lmak < ko’l < dengiz < halqob < okean 1  (2%) V11 ko’lmak < halqob < ko’l < dengiz < okean 1  (2%) Die Elemente der vorliegenden Wortmenge haben die Bedeutung eines natürlichen stehenden Gewässers und differieren durch ihre un- Sprecherbefragungen 163 terschiedliche Größe. Insgesamt bestehen für diese Gruppe elf verschiedene Varianten. Die Ursache für die Entstehung der variierenden Bewertungen ist das Wort halqob. Halqob ist ein Kompositum, das in der usbekischen Sprache aus dem Persischen/ Tadschikischen durch die Wörter halqa (pers. ; dt. der Ring; der Kreis) und ob (pers. ; dt. das Wasser) entlehnt ist. Das Definitionswörterbuch involviert dieses Wort als eigeständiges Lemma nicht, jedoch wird das in die Reihe integrierte Wort ko’lmak durch halqob definiert bzw. präzisiert. Das ist ein Indiz für die semantische Ähnlichkeit dieser Ausdrücke. Beobachtet man die Sprecherurteile, so wird halqob in unterschiedlichen Variationen zu ko’lmak und ko’l verortet: halqob hat den usbekischen Muttersprachlern aufgrund semantischer Nähe zu ko’lmak und dem gleichstämmigen ko’l bei der Einordnung Schwierigkeiten bereitet. Zum Teil wird halqob bei der Auswertung ausgelassen (11 Mal). Nicht zuletzt hängt dies stark von der Gebräuchlichkeit des Wortes halqob ab, das im Vergleich zu ko’lmak eine niedrigere Frequenz aufweist. Es spielt also der Worthäufigkeitseffekt eine relevante Rolle. Eine kleine Abweichung zeigen zudem die Wörter dengiz und okean, wie es bei ihren deutschen Entsprechungen das Meer und der Ozean zu beobachten war (siehe in Kap. 4.6.1). So könnte man aufgrund der Sprecherurteile und der Datenanalyse zusammenfassen, dass sich die vorliegende Gruppe ohne Miteinbeziehung des Ausdrucks halqob als stabile Graduonymiereihung zeigt. Die Häufigkeiten ihrer Einordnung sind zudem Tabelle 23 zu entnehmen. Wortpaare A < B_ dir A < B_ ndir B < A_ dir B < A_ ndir Fehlende Werte A < B B < A (1) A: halqob, B: ko’lmak 12 0 24 3 11 (22%) 12 (24%) 27 (54%) (2) A: ko’lmak, B: ko’l 25 23 1 0 1 (2%) 48 (96%) 1 (2%) (3) A: ko’l, B: dengiz 41 8 0 0 1 (2%) 49 (98%) 0 (4) A: dengiz, B: okean 44 1 5 0 0 45 (90%) 5 (10%) Tab. 23: Aufteilung der usbekischen Wortreihe Natürliches Gewässer Lexikalisch-semantische Graduonymie 164 Wortreihe: „Lautstärke beim Sprechen“ Erwartete Reihenfolge: shivirlamoq < pichirlamoq < gapirmoq < baqirmoq < dodlamoq < hayqirmoq < o’kirmoq Dt.: säuseln < flüstern < sprechen < rufen < schreien < aufschreien < brüllen Nr. Varianten von Reihenfolgen Probanden (50) V1 shivirlamoq < pichirlamoq < gapirmoq < baqirmoq < dodlamoq < hayqirmoq < o’kirmoq 10 (20%) V2 pichirlamoq < shivirlamoq < gapirmoq < dodlamoq < baqirmoq < hayqirmoq < o’kirmoq 4  (8%) V3 shivirlamoq < pichirlamoq < gapirmoq < hayqirmoq < dodlamoq < baqirmoq < o’kirmoq 4  (8%) V4 pichirlamoq < shivirlamoq < gapirmoq < baqirmoq < hayqirmoq < dodlamoq < o’kirmoq 3 (6%) V5 shivirlamoq < pichirlamoq < gapirmoq < dodlamoq < baqirmoq < hayqirmoq < o’kirmoq 3  (6%) V6 shivirlamoq < pichirlamoq < gapirmoq < dodlamoq < baqirmoq < hayqirmoq < o’kirmoq 3  (6%) V7 shivirlamoq < pichirlamoq < gapirmoq < baqirmoq < dodlamoq < o’kirmoq < hayqirmoq 2  (4%) V8 pichirlamoq < shivirlamoq < gapirmoq < baqirmoq < dodlamoq < hayqirmoq < o’kirmoq 2 (4%) V9 pichirlamoq < shivirlamoq < gapirmoq < hayqirmoq < baqirmoq < dodlamoq < o’kirmoq 2 (4%) V10 o’kirmoq < shivirlamoq < gapirmoq < baqirmoq < dodlamoq < o’kirmoq < hayqirmoq 1 (2%) V11 shivirlamoq < pichirlamoq < gapirmoq < baqirmoq < hayqirmoq < dodlamoq < o’kirmoq 1 (2%) V12 shivirlamoq < pichirlamoq < gapirmoq < baqirmoq < hayqirmoq < o’kirmoq < dodlamoq 1 (2%) V13 shivirlamoq < pichirlamoq < gapirmoq < baqirmoq < o’kirmoq < dodlamoq < hayqirmoq 1 (2%) V14 pichirlamoq < shivirlamoq < gapirmoq 1 (2%) V15 pichirlamoq < gapirmoq < baqirmoq < dodlamoq < hayqirmoq < o’kirmoq 1 (2%) V16 pichirlamoq < gapirmoq < o’kirmoq < baqirmoq < dodlamoq < hayqirmoq 1 (2%) Sprecherbefragungen 165 V17 pichirlamoq < gapirmoq < o’kirmoq < dodlamoq < baqirmoq < hayqirmoq 1 (2%) V18 shivirlamoq < gapirmoq < dodlamoq < baqirmoq < hayqirmoq < o’kirmoq 1 (2%) V19 pichirlamoq < gapirmoq < o’kirmoq < shivirlamoq < hayqirmoq < baqirmoq < dodlamoq 1 (2%) V20 pichirlamoq < shivirlamoq < gapirmoq < dodlamoq < baqirmoq < o’kirmoq < hayqirmoq 1 (2%) V21 pichirlamoq < shivirlamoq < gapirmoq < hayqirmoq < dodlamoq < baqirmoq < o’kirmoq 1 (2%) V22 pichirlamoq < shivirlamoq < gapirmoq < hayqirmoq < o’kirmoq < baqirmoq < dodlamoq 1 (2%) V23 shivirlamoq < pichirlamoq < gapirmoq < dodlamoq < baqirmoq < o’kirmoq < hayqirmoq 1 (2%) V24 shivirlamoq < pichirlamoq < gapirmoq < dodlamoq < hayqirmoq < baqirmoq < o’kirmoq 1 (2%) V25 shivirlamoq < pichirlamoq < gapirmoq < hayqirmoq < baqirmoq < o’kirmoq < dodlamoq 1 (2%) V26 shivirlamoq < pichirlamoq < gapirmoq < o’kirmoq < dodlamoq < hayqirmoq < baqirmoq 1 (2%) Die aufgeführten sieben Verben vereint ihre Kernbedeutung „sich artikulieren“. Der Unterschied zwischen diesen Verben besteht in der Intensität der Lautstärke, wobei gapirmoq (sprechen) in Bezug auf die Lautstärke neutral ist. Die linken Nachbarn von gapirmoq - shivirlamoq und pichirlamoq - beziehen sich auf „leise sprechen“ und seine rechten Nachbarn - baqirmoq, dodlamoq, hayqirmoq, o’kirmoq - sind durch das Merkmal „laut sprechen“ gekennzeichnet. So stehen die Gruppenmitglieder durch den unterschiedlichen Grad der Lautstärke in Opposition zueinander. Wie es die Ergebnisse der Sprecherurteile veranschaulichen, sind die Verhältnisse der Ausdrücke zueinander nicht unproblematisch, weswegen 26 unterschiedliche Variationen ihrer Reihung zustande gekommen sind. Die Abweichungen bestehen zwischen benachbarten Partnern: shivirlamoq ↔ pichirlamoq und baqirmoq ↔ dodlamoq ↔ hayqirmoq ↔ o’kirmoq (siehe Tab. 24). Das Merkmal „Lautstärke“ drückt sich in den Wörtern aus, es ist jedoch nicht einfach, eine klare Grenze zwischen ihnen zu ziehen und sie dementsprechend abzustufen. Neben der Bedeutungsverschiedenheit aufgrund der „Lautstärke“ zeigen sich zudem andere Merkmale differenzieren- Lexikalisch-semantische Graduonymie 166 den Charakters in der Bedeutungsstruktur der Ausdrücke. Shivirlamoq und pichirlamoq bezeichnen sehr leises Sprechen, wobei pichirlamoq nur für die menschliche Stimme verwendet wird und shivirlamoq für jegliche Art von Laut oder Geräusch. So sind beispielsweise typische Kollokatoren von shivirlamoq der Regen, der Herbst/ der Frühling, die Knospen, das Laub, der Baum, der Wind etc. Auch die auf den höheren Grad der Lautstärke bezogenen vier Ausdrücke baqirmoq, dodlamoq, hayqirmoq und o’kirmoq liegen eng nebeneinander und überlappen sich in ihren Bedeutungen (siehe Abb. 18). Lautliche und inhaltliche Bedeutung verschmelzen miteinander, so dass es auch hier dem Muttersprachler schwerfällt, sie deutlich voneinander zu trennen. Unter genauer Betrachtung zeigen sich geringe graduelle Unterschiede, die aber durch die dominante semantische Nähe verdeckt wird. Besondere Nähe zeigen wieder die benachbarten Elemente, nämlich baqirmoq ↔ dodlamoq und hayqirmoq ↔ o’kirmoq. Im theoretischen Teil der Arbeit wird die Entscheidung getroffen, dass Wörter mit Abgrenzungsschwierigkeiten wegen eines schwächeren graduellen Kontrasts in ihrer Bedeutung und einer überwiegend semantischen Überlappung auf dem gleichen Skalenrang eingeordnet werden. Das gleiche Prinzip gilt zudem für partiell synonymische semantische Mitspieler der Graduonyme. Die 26 Bewertungsvarianten veranschaulichen, dass gapirmoq (sprechen) zwischen den Wörtern, die sich auf die Merkmale „leise sprechen“ und „laut sprechen“ beziehen, eine stabile mittlere Position in der Reihe besitzt. Obwohl die Wörter der Reihe unter dem Wortfeld „sprechen“ kategorisiert werden, zeigt das Verb gapirmoq wie andere Oberbegriffe (wie Wind und Kind) keine Hypergraduonymie-Relation. Auch in der deutschen sprechen-Reihe zeigt sich laut Sprecherurteile das gleiche Phänomen: Mit einer einzigen Abweichung zwischen schreien und brüllen wird die Reihenfolge flüstern < sprechen < rufen < schreien < brüllen von deutschen Muttersprachlern einstimmig ausgewählt (siehe Kap. 5.7). Sprecherbefragungen 167 Wortpaare A < B_ dir A < B_ ndir B < A_ dir B < A_ ndir Fehlende Werte A < B B < A (1) A: shivirlamoq, B: pichirlamoq 29 0 15 1 5 (10%) 29 (58%) 16 (32%) (2) A: pichirlamoq, B: gapirmoq 33 15 0 0 2 (4%) 48 (96%) 0 (3) A: gapirmoq, B: baqirmoq 22 27 0 0 1 (2%) 49 (98%) 0 (4) A: baqirmoq, B: dodlamoq 24 7 16 2 1 (2%) 31 (62%) 18 (36%) (5) A: dodlamoq, B: hayqirmoq 17 14 9 9 1 (2%) 31 (62%) 18 (36%) (6) A: hayqirmoq, B: o’kirmoq 23 16 5 5 1 (2%) 39 (78%) 10 (20%) Tab. 24: Aufteilung der usbekischen Wortreihe Lautstärke beim Sprechen shivirlamoq pichirlamoq gapirmoq baqirmoq dodlamoq hayqirmoq o’kirmoq Überlappungsbereich Überlappungsbereich Überlappungsbereich Überlappungsbereich Abb. 18: Uneinheitlichkeiten in der Bewertung zwischen Wortpaaren in der usbekischen sprechen-Reihe Ähnliche Phänomene zeigen sich zudem in anderen verbalen Graduonymiereihungen wie „lieben“, „lachen“ und „weinen“.  Abweichungsfaktor „denotative Unterschiede“ Wortreihe: „Temperatur“ Erwartete Reihenfolge: jazirama < issiq < iliq < salqin < sovuq < izg’irin < ayoz < qahraton Dt.: die Gluthitze < die Hitze < die Wärme < die Kühle < die Kälte < der Frost < die Eiseskälte Lexikalisch-semantische Graduonymie 168 Nr. Varianten von Reihenfolgen Probanden (50) V1 jazirama < issiq < iliq < salqin < sovuq < izg’irin < ayoz < qahraton 13 (26%) V2 jazirama < issiq < iliq < salqin < sovuq < ayoz < izg’irin < qahraton 11 (22%) V3 jazirama < issiq < iliq < salqin < sovuq < ayoz < qahraton 4 (8%) V4 jazirama < issiq < iliq < salqin < sovuq < izg’irin < qahraton < ayoz 3 (6%) V5 jazirama < issiq < iliq < salqin < ayoz < izg’irin < sovuq < qahraton 3 (6%) V6 jazirama < issiq < iliq < salqin < sovuq < qahraton < ayoz 2 (4%) V7 jazirama < issiq < iliq < salqin < izg’irin < sovuq < ayoz < qahraton 2 (4%) V8 iliq < salqin < issiq < izg’irin < jazirama < ayoz 1 (2%) V9 salqin < iliq < sovuq < ayoz < izg’irin < qahraton 1 (2%) V10 iliq < issiq < ayoz < jazirama < salqin < sovuq < qahraton 1 (2%) V11 jazirama < issiq < iliq < salqin < sovuq < izg’irin < ayoz 1 (2%) V12 jazirama < issiq < iliq < salqin < izg’irin < sovuq < ayoz 1 (2%) V13 jazirama < issiq < iliq < ayoz < salqin < izg’irin < sovuq < qahraton 1 (2%) V14 jazirama < issiq < iliq < ayoz < salqin < sovuq < izg’irin < qahraton 1 (2%) V15 jazirama < issiq < iliq < salqin < sovuq < qahraton < izg’irin < ayoz 1 (2%) V16 iliq < issiq < salqin < sovuq < jazirama < qahraton < ayoz < izg’irin 1 (2%) V17 izg’irin < iliq < issiq < ayoz < jazirama < salqin < sovuq < qahraton 1 (2%) V18 jazirama < iliq < issiq < salqin < sovuq < izg’irin < ayoz < qahraton 1 (2%) V19 iliq < issiq < salqin < sovuq < jazirama < qahraton < ayoz < izg’irin 1 (2%) Die nominale Temperatur-Reihe besteht aus acht Elementen. Wie es die Ergebnisse veranschaulichen, sind insgesamt 19 unterschiedliche Abstufungsmöglichkeiten entstanden. Die Urteile von 13 (26%) Versuchspersonen entsprechen der Erwartung (V1). Weitere elf (22%) Pro- Sprecherbefragungen 169 banden entscheiden sich für dieselbe Reihenfolge mit einer Abweichung zwischen izg’irin und ayoz, indem sie diese Wörter in die entgegengesetzte Richtung einordnen. Wie es die Varianten und Tabelle 25 zeigen, haben fünf anliegende Gruppenmitglieder jazirama > issiq > iliq > salqin > sovuq (dt.: die Gluthitze < die Hitze < die Wärme < die Kühle < die Kälte) eine relativ stabile Stellung innerhalb der Gruppe: Die Probanden entscheiden sich mehrheitlich für die vermutete Reihenfolge und direkte Nachbarschaft. Es zeigen sich bei diesen Wörtern nur kleine Abweichungen zwischen issiq (die Hitze) und iliq (die Wärme) sowie salqin (die Kühle) und sovuq (die Kälte). Die Unterschiede in der Wahrnehmung entstehen durch die Einordnung der Wörter izg’irin, ayoz und qahraton. Im Definitionswörterbuch des Usbekischen wird izg’irin als eiskalter stürmischer Wind definiert (Bd. 2, 2006, S. 184). Ayoz bezeichnet laut des erwähnten Wörterbuches eine strenge, bittere Kälte im Spätherbst und -winter sowie frühen Frühjahr (Bd. 1, 2006, S. 42) und qahraton wird ohne irgendwelche zusätzliche Komponenten (z.B.: Kälte + Sturm, Kälte + Spätherbst etc.) als sehr starke, extreme Kälte angegeben (Bd. 5, 2008, S. 272). Ins Synonymwörterbuch des Usbekischen (Hojiev 1974) wird keines der Gruppenmitglieder aufgenommen. Wortpaare A < B_ dir A < B_ ndir B < A_ dir B < A_ ndir Fehlende Werte A < B B < A (1) A: jazirama, B: issiq 43 1 0 5 1 (2%) 44 (88%) 5 (10%) (2) A: issiq, B: iliq 43 0 5 1 1 (2%) 43 (86%) 6 (12%) (3) A: iliq, B: salqin 42 7 1 0 0 49 (98%) 1 (2%) (4) A: salqin, B: sovuq 41 8 0 0 1 (2%) 49 (98%) 0 (5) A: sovuq, B: izg’irin 19 15 7 1 8 (16%) 34 (68%) 8 (16%) (6) A: izg’irin, B: ayoz 16 8 17 2 7 (14%) 24 (48%) 19 (38%) (7) A: ayoz, B: qahraton 20 19 7 1 3 (6%) 39 (78%) 8 (16%) Tab. 25: Aufteilung der usbekischen Wortreihe Temperatur Lexikalisch-semantische Graduonymie 170 Tabelle 25 zeigt, dass die Häufigkeitsverhältnisse von izg’irin zu seinem linken (sovuq) und rechten (ayoz) Nachbarn auf der Skala im Vergleich zu anderen Skalenpartnern eine verhältnismäßig niedrige Frequenz aufweisen. Laut Wörterbuchdefinition werden izg’irin und ayoz durch eine zusätzliche Bedeutungsebene überlagert, was eine kontextbezogene Untersuchung in Bezug auf ihre Zugehörigkeit zu dieser Gruppe erforderlich macht.  Abweichungsfaktor „Nachbar-Graduonyme + denotative Unterschiede“ Wortreihe: „Begabung“ Erwartete Reihenfolge: layoqatli < qobiliyatli < iqtidorli < iste’dodli < zukko < daho Dt.: befähigt < talentiert < begabt < hochbegabt < intelligent < genial Nr. Varianten von Reihenfolgen Probanden (50) V1 layoqatli < qobiliyatli < iqtidorli < iste’dodli < zukko < daho 12 (24%) V2 layoqatli < iste’dodli < iqtidorli < qobiliyatli < zukko < daho 5 (10%) V3 layoqatli < qobiliyatli < iste’dodli < iqtidorli < zukko < daho 5 (10%) V4 layoqatli < iste’dodli < qobiliyatli < iqtidorli < zukko < daho 5 (10%) V5 iqtidorli < iste’dodli < layoqatli < qobiliyatli < zukko < daho 3  (6%) V6 qobiliyatli < layoqatli < iqtidorli < iste’dodli < zukko < daho 2  (4%) V7 iqtidorli < layoqatli < iste’dodli < zukko < daho 1  (2%) V8 iste’dodli < layoqatli < iqtidorli < zukko < daho 1  (2%) V9 layoqatli < iqtidorli < iste’dodli < qobiliyatli < daho 1  (2%) V10 layoqatli < iqtidorli < iste’dodli < zukko < daho 1  (2%) V11 qobiliyatli < iste’dodli < iqtidorli < zukko < daho 1  (2%) V12 qobiliyatli < layoqatli < iste’dodli < iqtidorli < zukko 1  (2%) V13 iqtidorli < layoqatli < iste’dodli < qobiliyatli < zukko < daho 1  (2%) V14 iste’dodli < layoqatli < iqtidorli < qobiliyatli < zukko < daho 1  (2%) V15 iste’dodli < layoqatli < qobiliyatli < iqtidorli < zukko < daho 1  (2%) V16 layoqatli < iqtidorli < iste’dodli < qobiliyatli < zukko < daho 1  (2%) V17 layoqatli < iqtidorli < qobiliyatli < iste’dodli < zukko < daho 1  (2%) V18 layoqatli < qobiliyatli < iste’dodli < iqtidorli < zukko < iqtidorli 1  (2%) V19 layoqatli < qobiliyatli < zukko < iqtidorli < iste’dodli < daho 1  (2%) V20 layoqatli < qobiliyatli < zukko < iste’dodli < iqtidorli < daho 1  (2%) V21 layoqatli < zukko < iqtidorli < iste’dodli < qobiliyatli < daho 1  (2%) Sprecherbefragungen 171 V22 qobiliyatli < iqtidorli < layoqatli < iste’dodli < zukko < daho 1  (2%) V23 qobiliyatli < layoqatli < iste’dodli < iqtidorli < zukko < daho 1  (2%) V24 zukko < layoqatli < qobiliyatli < iste’dodli < iqtidorli < daho 1  (2%) Die Einheiten der vorliegenden Wortgruppe sind arabischer Herkunft und haben die gemeinsame Bedeutung „die Fähigkeit oder die Qualifikation, eine bestimmte Tätigkeit auszuüben“ und differieren voneinander durch ein unterschiedliches Niveau der vollbrachten Leistung des jeweiligen Fähigkeitsgrades. Die Sprecherurteile bestätigen die vorhergesagte Reihenfolge und somit das graduonymische Verhältnis der Ausdrücke nicht mehrheitlich. Lediglich die Urteile von 12 Versuchspersonen (24%) zeigen eine Übereinstimmung mit der Vermutung (V1). Zwei Oppositionspartner zukko < daho dokumentieren einen evidenten Kontrast, als Graduonyme erkannt zu werden (siehe Tab. 26), bei den anderen Gruppenmitgliedern layoqatli < qobiliyatli < iqtidorli < iste’dodli sind dagegen konträre Ergebnisse zu beobachten, die eine explizite Graduierungsbeziehung der Ausdrücke nicht absichern. Bei ihrer Bedeutungsbeschreibung im Definitionswörterbuch des Usbekischen werden die Wörter layoqatli, qobiliyatli und iste’dodli aufeinander verwiesen. Im Definitionswörterbuch der Synonyme im Usbekischen befinden sie sich innerhalb einer Synonymgruppe, nämlich unter dem Lemma qobiliyatli (Hojiev 1974, S. 256). Iqtidorli bezeichnet die Fähigkeit und das erworbene Vermögen, etwas [Besonderes] zu leisten. Obwohl dieses Wort zu layoqatli, qobiliyatli und iste’dodli sinnverwandt ist, wird es für die synonymischen Relationen der genannten Wörter nicht herangezogen. Es gibt jedoch laut Google-Recherche mehrere Kontexte zum gemeinsamen Vorkommen dieser Wörter in diversen Bedeutungsbeziehungen (siehe Tab. 26). Die bereits erwähnten, von den Probanden mehrheitlich als Oppositionspartner bewerteten zukko und daho teilen in ihren Bedeutungen ähnliche Sememe: zukko hat Bedeutungskomponenten wie „Denkvermögen“, „Intellekt“ und „Scharfsinn“; daho verfügt neben den genannten Bedeutungsbestandteilen zusätzlich, wie das deutsche Äquivalent genial, über die Bedeutung „angeborene überragende schöpferische Begabung und Geisteskraft“ (siehe Kap. 4.5.2), wodurch sie zueinander in Kontrast gestellt werden. Der Kontrast gilt aber nicht nur dem Ausdruck zukko gegenüber, auch daho tritt durch „erbrachte Höchstleistung“ zu anderen Gruppenmitgliedern als Supremum der Skala hervor. Zukko und daho können genauso mit Wörtern, die sich auf die Lexikalisch-semantische Graduonymie 172 Klugheit, Schlauheit, Intelligenz, Auffassungsgabe etc. beziehen, in eine graduonymische Reihe gestellt werden. Daho tritt in diesem Fall für beide Reihen als Extreme des höchsten Grades in Erscheinung. Wortpaare A < B_ dir A < B_ ndir B < A_ dir B < A_ ndir Fehlende Werte A < B B < A (1) A: layoqatli, B: qobiliyatli 25 16 4 1 4 (8%) 41 (82%) 5 (10%) (2) A: qobiliyatli, B: iqtidorli 19 14 7 7 3 (6%) 33 (66%) 14 (28%) (3) A: iqtidorli, B: iste’dodli 22 4 16 8 0 26 (52%) 24 (48%) (4) A: iste’dodli, B: zukko 18 27 1 3 1 (2%) 45 (90%) 4 (8%) (5) A: zukko, B: daho 43 4 0 0 3 (6%) 47 (94%) 0 Tab. 26: Aufteilung der usbekischen Wortreihe Begabung  Abweichungsfaktor „unbekannt“ („veraltet“) Wortreihe: „Tür“ Erwartete Reihenfolge: darcha < eshik < darvoza < qopqa Dt.: das Türchen < die Tür < das Tor < das Stadttor Nr. Varianten von Reihenfolgen Probanden (50) V1 darcha < eshik < darvoza 17 (34%) V2 qopqa < darcha < eshik < darvoza 9 (18%) V3 darcha < qopqa < eshik < darvoza 7 (14%) V4 darcha < eshik < qopqa < darvoza 6 (12%) V5 darcha < eshik < darvoza < qopqa 4  (8%) V6 eshik < darcha < darvoza 2  (4%) V7 qopqa < eshik < darcha < darvoza 2  (4%) V8 darcha < qopqa < darvoza 1  (2%) V9 qopqa < eshik < darvoza 1  (2%) V10 eshik < darcha < qopqa < darvoza 1  (2%) Sprecherbefragungen 173 In den Sprecherurteilen zu den durch die unterschiedliche Größe einer Tür in Opposition stehenden Wörtern darcha, eshik, darvoza und qopqa zeigen sich Uneinheitlichkeiten, die mit verschiedenen Phänomenen zusammenhängen. Die erste Reihenfolge (V1), die nach ihrer Häufigkeit dominant ist, entspricht nicht der Erwartung, denn das Wort qopqa fällt in dieser Reihe aus. Mit der Erwartung gehen hingegen die Bewertungen von vier Versuchspersonen (8%) in V5 konform. Bei den weiteren neun Varianten der Bewertungen (V2-V10) nimmt qopqa auf der Skala immer einen unterschiedlichen Rang ein und wird zum Teil bei der Bewertung nicht berücksichtigt (V1 und V6). Insgesamt wird dieses Wort 19 Mal ignoriert (siehe Tab. 27 unter „Fehlende Werte“). Laut des Definitionswörterbuchs bedeutet qopqa ein Tor oder ein Stadttor. Gerade aus diesem Grund, dass qopqa als Stadttor ein größeres Tor (größer z.B. als ein normales Haustor) bezeichnet, wird dieses Wort bei der Umfrage einbezogen. Jedoch gilt dieses Wort im gegenwärtigen Usbekischen als Archaismus, der nur in literarischen Werken vorkommt. Die Bewertungen in Bezug auf qopqa sind insofern definitiv nicht auf irgendwelche semantischen Ähnlichkeiten der Wörter zurückzuführen, sondern auf den Grad der Bekanntheit dieses Wortes. Es ist ein veraltetes Wort, weshalb dieses Wort und dessen Bedeutung den Probanden unbekannt ist. Wortpaare A < B_ dir A < B_ ndir B < A_ dir B < A_ ndir Fehlende Werte A < B B < A (1) A: darcha, B: eshik 36 7 5 0 2 (4%) 43 (86%) 5 (10%) (2) A: eshik, B: darvoza 38 11 0 0 1 (2%) 49 (98%) 0 (3) A: darvoza, B: qopqa 4 0 8 19 19 (38%) 4 (8%) 27 (54%) Tab. 27: Aufbereitung der usbekischen Wortreihe Tür Darcha und darvoza 64 sind persisch-tadschikische Entlehnungen, die in Bezug auf das usbekische Wort eshik als neutralem Punkt zwei extreme Pole der Skala darstellen. Die Stellung von darvoza wird von den Ver- 64 Die persischen Wörter darcha (das Türchen) und darvoza (das Tor) gehören derselben Wortfamilie an und sind vom persischen Lexem dar (usb. eshik, dt. die Tür) herzuleiten. So sind für das Persische darcha < dar < darvoza etymologisch verwandte graduonymische Partner. Die ursprünglichen Bedeutungen der Wörter darcha und darvoza sind im Usbekischen erhalten geblieben. Lexikalisch-semantische Graduonymie 174 suchspersonen eindeutig und einheitlich als Supremum bestimmt. Das Verhältnis darcha < eshik zeigt in fünf Fällen (10%) eine entgegengesetzte Richtung (siehe Tab. 27), wobei sich darcha in direkter Nachbarschaft von darvoza befindet. Dies kann zwei Gründe haben: Zum einen liegt es an der Hypergraduonym-Funktion von eshik, indem eshik als Oberbegriff für alle Gruppenmitglieder variierend eingeordnet werden kann. Zum andern ist diese Situation auf die etymologische Verwandtschaft von darcha und darvoza bzw. die Ähnlichkeit dieser Wortformen zurückzuführen. Darcha und darvoza treten folglich mitunter als Oppositionspaar in den Vordergrund. 4.8 Zusammenfassung der usbekischen Umfrageergebnisse Obwohl die Ergebnisse der usbekischen Befragung nach der Häufigkeit der Akzeptabilität von Bewertungen im Vergleich zu denen der deutschen andere Verhältnisse zeigten und demzufolge nicht nach drei Typen kategorisiert wurden, dokumentieren sie doch das Auftreten ähnlicher Phänomene wie in den deutschen Sprecherurteilen. Eine Tendenz zu abweichenden Reiheneinordnungen in der usbekischen Befragung besteht, wenn 1) Probanden bezüglich der Positionierung benachbarter Graduonyme schwanken (Abweichungsfaktor „Nachbar-Graduonyme“). In den hier ausgeführten usbekischen Beispielreihen tritt jedoch zwischen Nachbargraduonymen keine ausgeprägte Hypergraduonymie-Beziehung wie bei den deutschen Graduonymie-Reihungen auf. Die Abweichungen werden viel mehr durch die bedeutungsunterscheidenden Merkmale wie stilistische Färbung, Häufigkeit und Gebräuchlichkeit der Wörter verursacht. 2) Ausdrücke, die aufgrund der diachronischen Markierung als Archaismus oder der Zugehörigkeit zum Fachwortschatz den Muttersprachlern nicht bekannt sind. Derartige Fälle wurden unter dem Abweichungsmerkmal „unbekannt“ subsumiert. 3) Ausdrücke, die Unterschiede in ihrer Grundbedeutung zeigen: Abweichungsmerkmal „denotative Unterschiede“. Die Umfrageergebnisse belegen niedrigere Werte für die Häufigkeiten der einheitlichen Entscheidungen für Graduonymiereihungen im Ver- Sprecherbefragungen 175 gleich zu den deutschen Umfrageergebnissen. Die Probanden geben häufiger individuelle Bewertungen. Die grundsätzliche Ursache für die Entstehung der Einzelnennungen ist der Umfang der jeweiligen Graduonymiereihung, deren Beurteilung durch das Heranziehen von vielen Einträgen (Wörtern) den Testteilnehmern Schwierigkeiten bereitet hat. 4.9 Zusammenfassung und Ausblick Angesichts der Ergebnisse aus der Datengewinnung für das genetisch miteinander nicht verwandte Sprachenpaar Deutsch-Usbekisch liegt die Vermutung nahe, dass es sich bei der Graduonymie um ein sprachübergreifendes Phänomen handelt. Sowohl die deutschen als auch die usbekischen Sprecherurteile liefern vergleichbare Ergebnisse, in denen gleiche Merkmale der Wahrnehmungsbzw. Vorkommensmöglichkeiten von Graduonymen festgestellt wurden. Da in der Graduonymie sich graduelle Relationen zwischen Objekten, Erscheinungen, Eigenschaften, Prozessen etc. der Wirklichkeit widerspiegeln, ist davon auszugehen, dass dieses Phänomen für viele Sprachen charakteristisch ist. Im Rahmen der vorliegenden Studie hat die intuitions-, wörterbuch- und umfragegestützte Analyse der Bedeutung von Wörtern die Annahme bestärkt, dass der in einer Sprache vorhandene Typ paradigmatischer Bedeutungsbeziehungen auch für eine andere Sprache typisch sein kann. In Kapitel 2 und 3 zum theoretischen Hintergrund der Graduonymie, aber auch anderer verwandter Sinnrelationen wurde erörtert, dass sich in der Literatur kontroverse Auffassungen zu der Behandlung und den Ordnungsprinzipien von semantischen Relationen finden. Es wurde dabei von der These ausgegangen, dass Graduonymie als eigenständiger Relationstyp zwischen graduell ausgeprägten lexikalischen Einheiten in der Sprache existiert. Anhand von Sprecherurteilen haben wir versucht, die ersten Annahmen zur Existenz der Graduonymie- Relation zwischen Wörtern empirisch zu untermauern. Die gewonnenen Erkenntnisse haben sowohl zu theoretischen als auch methodischen Aspekten der Untersuchung der Graduonymie nützliche Hinweise erbracht. Durch die Umfragen wurden nicht nur die Reihen daraufhin überprüft, ob und inwiefern sie graduonymisch sind, es sollten auch Erkenntnisse darüber gewonnen werden, inwieweit die beobachteten Einschränkungen bei der Reihenbildung sprachübergreifend Lexikalisch-semantische Graduonymie 176 ähnlich sind. Insgesamt manifestieren sich in beiden Sprachen ähnliche Phänomene, die die im theoretischen Teil der Arbeit (Kap. 2 und 3) erörterten Auffassungen zu Graduonymie-Besonderheiten bestätigen. Die schwankenden Konstellationen zwischen anliegenden Graduonymen der Skala ist ein für beide Sprachen charakteristischer und in der Umfrage am häufigsten auftretender Fall. Der graduelle Kontrast zwischen bestimmten direkt benachbarten Graduonymen ist in diesem Fall nicht stark ausgeprägt. Die ermittelten Abweichungen in beiden Sprachen verweisen nicht nur auf den minimalen Grad des Kontrasts zwischen Wörtern oder auf die Hypergraduonymie-Beziehung von Wörtern, sondern sie signalisieren innerhalb derselben Lesart andere Bedeutungsnuancen, die in die Bedeutung der Wörter einfließen und bei der Bedeutungsunterscheidung eine wichtige Rolle spielen. Diese Bedeutungsaspekte gehen mit Unterschieden in stilistischer Markierung, Häufigkeit und Gebräuchlichkeit der Wörter einher, die den Probanden Schwierigkeiten bereiten, zwischen den vielfältigen Bedeutungskomponenten zu differenzieren. Die Muttersprachler sowohl des Deutschen als auch des Usbekischen zeigen den gleichen Umgang mit Wörtern des seltenen Gebrauchs, Archaismen oder Graduonymen aus dem Fachwortschatz. Es wird festgehalten, dass in beiden Sprachen die gleichen Faktoren zu Unsicherheiten und Abweichungen bei der Kosntituierung der Reihen führen. In Bezug auf die Umfrage kann festgehalten werden, dass sich angesichts ihrer Ergebnisse in vielen Fällen Angaben zu semantischen Relationen in Wörterbüchern als falsch erweisen. 5. KORPUSANALYSEN ZU GRADUONYMISCHEN REIHEN 5.1 Einführung in die Methodik Die Untersuchung sprachlicher Erscheinungen anhand korpuslinguistischer Analysemethoden gewinnt immer mehr an Bedeutung. Korpuslinguistik bietet als sprachwissenschaftliche Methode umfangreiche Möglichkeiten, Sprache in ihrem Gebrauch mithilfe von authentischen Texten qualitativ und quantitativ zu analysieren. Das wissenschaftliche Programm der Korpuslinguistik ist es, geleitet durch die explorative Analyse von sehr großen Sammlungen natürlichsprachlicher Daten neue Einsichten in die Strukturen, Gesetzmäßigkeiten, Eigenschaften und Funktionen von Sprache zu erlangen. 65 Zum Thema Grundlagen und Möglichkeiten der Korpuslinguistik wird an dieser Stelle auf wichtige Literatur verwiesen: Für das Deutsche gibt es aktuell Einführungen von Lemnitzer/ Zinsmeister (2006), Scherer (2006) und den Online-Kurs von Bubenhofer (2006-2011), Perkuhn et al. (2012); als englischsprachige Literatur sind die Werke von McEnery/ Wilson (2001), Tognini-Bonelli (2001) und Lüdeling/ Kytö (2008/ 2009) zu nennen. Die Hypothese, dass es in der Sprache Wörter gibt, die durch ein spezifisches Merkmal in ihrer semantischen Struktur graduell kontrastiert werden, wurde durch die Erstellung der graduellen Reihenfolgen mittels in Wörterbüchern kodifizierten Wissens und dessen Evaluierung durch die Angaben der Muttersprachler im Rahmen der Probandenbefragungen im Sprachenpaar Deutsch-Usbekisch bestätigt. Inwieweit die gewonnenen semantischen Relationen stabil sind, ist noch klärungsbedürftig. Korpusverfahren als empirische Basis für die linguistische Forschung ermöglichen es, Phänomene in umfangreichen Datenbanken zu überprüfen und anhand der gewonnenen Ergebnisse aufgestellte Hypothesen zu einem Phänomen zu verifizieren oder zu widerlegen. In dieser Hinsicht stellt sich die Frage, was Korpusverfahren für die Verifizierung bzw. Falsifizierung der Graduonyme leisten können. Die hier angewandten Verfahren sollten als Ergänzungsme- 65 Was ist „Korpuslinguistik“? Programmbereich Korpuslinguistik: www.ids-mannheim.de/ kl/ . Lexikalisch-semantische Graduonymie 178 thode für die bisher durch andere Methoden erhobenen Daten dienen. In diesem Zusammenhang sind diese Verfahren analog zum angloamerikanischen korpuslinguistischen Ansatz als „corpus-based“ (vgl. Storjohann 2005, S. 252) oder als „korpusgestützter, qualitativer Ansatz“ (vgl. Lemnitzer/ Zinsmeister 2006, S. 32 ff.) zu bezeichnen. Bei diesem Verfahren handelt es sich in Bezug auf Graduonymie nicht um die Entdeckung neuer graduonymischer Reihungen, sondern um die Überprüfung und statistische Auswertung der existierenden Daten sowie ihre Illustrierung durch Korpusbelege (vgl. Storjohann 2005, S. 252ff.). Zu erwarten sind von den Ergebnissen der korpusbasierten Untersuchung die empirische Fundierung der bereits vorhandenen Datensammlung einerseits und die Ergänzung dieser Reihen durch Elemente, die der bisherigen Datenerhebung entgangen sind, oder Heranziehen der „echten“ Graduonyme in der Reihe andererseits. 66 Die hier angewandten Korpusmethoden sollen helfen, die Stabilität der graduonymischen Reihungen zu überprüfen. Die Korpusanalyse wird in dieser Arbeit mit den drei in der deutschen Befragung von Muttersprachlern beurteilten Wortreihen Kind, Wind und sprechen durchgeführt: 1) das Neugeborene < der Säugling < das Kleinkind < das Kind < das Vorschulkind < das Schulkind < der/ die Jugendliche < der/ die Erwachsene 2) die Brise < der Wind < die Bö < der Sturm < der Orkan 3) flüstern < sprechen < rufen < schreien < brüllen Das primäre Ziel der Untersuchung besteht darin, festzustellen, ob die Graduonyme der obigen Wortreihen in extrahierten Korpusbelegen des authentischen Sprachgebrauchs miteinander in graduonymischen Relationen stehen und inwieweit die im theoretischen Teil der Arbeit angeführten Auffassungen in Korpusbefunden ihre Bestätigung finden. Logische Definitionen und exemplarische Darstellungen semantischer Relationen (Kap. 3) sind systemhafter Natur. Sie beziehen sich also auf die Lexeme auf der Systemebene. Wie bereits erwähnt, hebt die vorliegende Arbeit bei den konkreten Realisierungen semantischer Relationen zwischen Wörtern die Relevanz des Kontextes hervor. Es wird davon ausgegangen, dass sich die Bedeutung der sprachlichen Ausdrücke in der alltäglichen Sprachwirklichkeit viel heterogener mani- 66 Zur korpuslinguistischen Analyse von Graduonymen siehe Vokhidova (2009, 2010a). Korpusanalysen zu graduonymischen Reihen 179 festiert als man von ihnen auf der Systemebene annimmt. Der Kontext spielt also für die Erfassung und Interpretation von Ausdrucksbedeutungen eine wichtige Rolle. Durch die korpuslinguistische Analyse von Texten der geschriebenen Sprache des Deutschen werden vielfältige semantische Relationen zwischen Lexemen innerhalb derselben Lesart entdeckt. Storjohann (2006, S. 7) hebt speziell über die Variabilität synonymer Ausdrücke hervor, dass in Korpora zu beobachten ist, wie zwei Ausdrücke je nach Kontext verschiedene paradigmatische Relationen zueinander eingehen können. Es handelt sich hierbei nicht um einen Wechsel der Lesart, sondern um kontextuelle Variabilität semantischer Relationen, nämlich kontextuelle Anpassungen oder Fokussierungen innerhalb einer Lesart. Lutzeier schreibt diesbezüglich: Es ist ferner eine interessante Erscheinung, daß im Sprachgebrauch offensichtlich mit den Sinnrelationen relativ flexibel umgegangen werden kann. (Lutzeier 1995, S. 85 nach Storjohann 2006, S. 7) Durch die Einbindung zweier Graduonyme aus einer graduonymischen Reihe kann man in einem Kontext zwischen einer graduonymischen Verwendung und einer Oberbegriff-Relation unterscheiden. In (5) zeigen Wind und Sturm einen graduellen Kontrast und in (6) wird die Stärke von Sturm ahnand des Hypergraduonyms Wind beschrieben. (5) Die warme Luft stieg auf und begann sich zu drehen wie in allen Tiefdruckgebieten gegen den Uhrzeigersinn. Wind entstand und verstärkte sich zum Sturm.“ (Mannheimer Morgen, 19.1.2007, Ressort: Welt & Wissen; „Kyrill“ kommt aus Amerika) (6) Es braut sich was zusammen: Heute ist an der Nordsee und auf den Bergen nur mit einzelnen stürmischen Böen zu rechnen. Doch schon morgen stehen die Zeichen auf Sturm: Wind bis Stärke 10 ist angesagt. Im Norden und in der Mitte regnet es. Weiter südlich lässt sich auch mal die Sonne blicken bei Temperaturen zwischen 10 bis 15 Grad. (die tageszeitung, 12.12.2000, S. 2, Ressort: Aktuelles; das wetter) In derartigen Korpusbeispielen gibt es in den meisten Fällen sprachliche Kennzeichen für das Vorliegen synonymischer, graduonymischer, hypergraduonymischer und inkompatibler Beziehungen zwischen den Wörtern. Die Analyse der extrahierten Belege verdeutlicht, dass zwischen den untersuchten Graduonymen das semantische mit (impliziter Lexikalisch-semantische Graduonymie 180 oder expliziter 67 ) Gradualität verbundene Inkompatibilitätsverhältnis dominierend vorliegt. Nach Beobachtungen in Korpora manifestiert sich die bedeutungskontrastierende (inkompatible bzw. graduonymische) Relation zwischen Graduonymen auf unterschiedliche Art und Weise. Es sind diverse gegensatzbildende Indikatoren, die inkompatible Beziehungen zwischen Wörtern als solche zum Vorschein bringen. Die häufigsten Fälle, die in Korpora zwischen Graduonymen auftreten, werden in Tabelle 28 zusammengefasst. X und Y in der Tabelle signalisieren zwei einander gegenübergestellte Graduonyme im selben Satzkontext. durch Komma getrennte Aneinanderreihung X, oder gar Y X, fast Y X und Y X und sogar Y X, auch mal Y X oder Y X oder sogar Y X, schon Y X, ja Y X, zum Teil Y mal X, mal Y von X, zu Y X, fast noch Y X, nein Y X, auch Y nicht nur X, sondern auch Y X, geradezu Y X, beziehungsweise Y nicht X, sondern Y X, beinahe Y sowohl X, als auch Y X, noch kein Y X, keinesfalls Y X, sowie Y X, aber auch Y X, allenfalls Y nicht X, eher Y nicht richtig X, sondern Y X, höchstens Y kein X, sondern nur noch Y kein X, sondern schon ein richtiger Y Tab. 28: Sprachliche Indikatoren zu Ko-Vorkommen von Graduonymen im Korpus Diese Korpusbefunde, insbesondere die Gegenüberstellung zweier (oder mehrerer) Graduonyme anhand verschiedener Modifikatoren, sind für die Graduonymie von größter Bedeutung. Sie liefern überzeu- 67 Das implizite und explizite graduonymische Verhältnis zwischen Wörtern hat mit der in Fußnote 46 dargestellten Lyons’schen impliziten und expliziten Graduierung nichts zu tun. Es bezieht sich auf Vorkommensmöglichkeiten von Graduonymen im Korpus, in denen eine semantisch implizite Graduierung oder explizite Verwendung mit deutlichen sprachlichen Indikatoren dokumentiert wird. Korpusanalysen zu graduonymischen Reihen 181 gende Hinweise dafür, dass mithilfe diverser sprachlicher Mittel die graduonymische Natur von Ausdrücken besonders hervorgehoben werden kann. Das Auftreten von Graduonymen innerhalb verschiedenartiger syntagmatischer Muster bildet einen eigenständigen Untersuchungsgegenstand, mit dem sich das nächste Kapitel der Arbeit befasst. Dabei werden zwei Graduonyme innerhalb einer Reihe anhand von reihenspezifischen Graduierungspartikeln in operationalen Testsätzen systematisch miteinander kontrastiert. Im Laufe der Analyse werden die folgenden Hypothesen zu Graduonymie überprüft: 1) Die Graduonyme der ausgewählten Reihen stehen innerhalb einer Lesart durch unterschiedlichen Grad eines bestimmten steigerungsrelevanten Merkmals in Opposition (in einer mehr als- oder weniger als-Relation) zueinander: - Wind-Wörter innerhalb der Lesart „Luftbewegung“ durch den unterschiedlichen Grad des steigerungsrelevanten Merkmals [+Windstärke], - Kind-Wörter innerhalb der Lesart „Entwicklungsstadium des Menschen von der Geburt bis zum Erwachsenenalter“ durch den unterschiedlichen Grad des steigerungsrelevanten Merkmals [+Alter], - sprechen-Wörter innerhalb der Lesart „sich äußern“ durch den unterschiedlichen Grad des steigerungsrelevanten Merkmals [+Lautstärke]. 2) Wind, Kind und sprechen haben simultan hypergraduonymische Funktion zu anderen Gruppenmitgliedern. 3) Bestimmte Graduonyme verhalten sich zu Nachbar-Graduonymen hypergraduonymisch und werden aus diesem Grund in speziellen Kontexten gegeneinander ausgetauscht. 4) Neben einem dominanten kontrastiven graduonymischen Verhältnis treten die Graduonyme miteinander in synonymische, hyperonymische, holonymisch-meronymische Relationen ein. Lexikalisch-semantische Graduonymie 182 5.2 D e R e K o und elexiko als empirische Grundlage Die empirische Grundlage dieser Arbeit bildet das Deutsche Referenzkorpus (kurz: DeReKo) des Instituts für Deutsche Sprache ( IDS ) in Mannheim, das über das Programm COSMAS II 68 (Corpus Search, Management and Analysis System) zugänglich ist. Es umfasst über 36,5 Milliarden laufende Wortformen (Stand 1.7.2016) aus geschriebenen deutschsprachigen Texten der Belletristik, Sach- und Fachsprache, eine große Zahl von Zeitungstexten und weiterer Textsorten, die kontinuierlich ergänzt werden. Damit ist DeReKo „die weltweit größte linguistisch motivierte Sammlung elektronischer Korpora mit geschriebenen deutschsprachigen Texten aus der Gegenwart und der neueren Vergangenheit“. 69 Bevor die Überprüfung der graduonymischen Reihenfolgen in Korpora erfolgt, werden sie zunächst mit den Angaben des Online-Wörterbuchs der deutschen Gegenwartssprache elexiko 70 des Portals für wissenschaftliche, korpusbasierte Lexikografie OWID (Online-Wortschatz- Informationssystem Deutsch) 71 des IDS abgeglichen. Die Beobachtung graduonymischer lexikalisch-semantischer Gruppen in computer- und webverfügbaren lexikografischen Ressourcen zeigt, dass das elexiko- Wörterbuch mit seiner ausführlichen Behandlung paradigmatischer Bedeutungsbeziehungen Hinweise auf graduelle Relationen (Stärke/ Schwäche des Merkmals, Intensivierung) zwischen Wörtern in Belegen und Kommentaren gibt. Die Graduonymie wurde in elexiko nicht als eigenständiger Relationstyp etabliert, sondern innerhalb verwandter Sinnrelationen oder als „Sonstige Beziehungen“(vgl. Kap. 2.10) beschrieben. Durch Abgleich der graduonymischen Reihenfolgen mit den elexiko-Angaben wird ermittelt, welche Arten der Sinnrelationen für miteinander graduonymisch verbundene Wörter in elexiko repräsentiert sind. Im Anschluss daran werden sowohl die ausgewählten Graduierungsreihen als auch die elexiko-Daten in authentischen Textsammlungen daraufhin überprüft, inwieweit sie miteinander überein- 68 Es wurde für diese Untersuchung die betriebssystemunabhängige WWW-Applikation COSMAS II web benutzt. COSMAS II ist unter www.ids-mannheim.de/ cosmas2/ aufrufbar. 69 Siehe die DeReKo-Seite: www.ids-mannheim.de/ kl/ projekte/ korpora/ . 70 www.owid.de/ wb/ elexiko/ start.html. 71 www.owid.de/ . Korpusanalysen zu graduonymischen Reihen 183 stimmen, und worin die Unterschiede bestehen. Diese Vorgehensweise kann als eine Form der Wörterbuchkritik aufgefasst werden. Das elexiko-Projekt beschäftigt sich mit der Beschreibung von Bedeutungen, Verwendungen und semantischen Relationen der Stichwörter. Zu den Stichwörtern finden sich daneben Angaben zur Orthografie, Worttrennung und grammatische Informationen. Die elexiko-Wortartikel verfügen über eine Bedeutungserläuterung (semantische Paraphrase), die mithilfe eines vollständigen Satzes formuliert wird und verschiedene begleitende Informationen in Form von Belegen, Hinweisen, Kommentaren und Abbildungen aufweist. Für die Erarbeitung der Wortartikel wird in elexiko das spezielle elexiko-Korpus genutzt, das nach formalen und inhaltlichen Kriterien aus dem Deutschen Referenzkorpus des IDS zusammengestellt wurde. Das elexiko-Korpus verfügt über 2,7 Milliarden Textwörter (Stand 4.7.2016) aus Zeitungs- und Zeitschriftentexten zwischen 1949 und 2012, die regelmäßig erweitert werden. Für die Analyse und Extrahierung der graduonymischen Reihen wurde, wie oben erwähnt, das Deutsche Referenzkorpus mit allen öffentlichen Korpora des Archivs der geschriebenen Sprache (das Hauptarchiv) genutzt. Es besteht also ein wesentlicher Unterschied zwischen der empirischen Grundlage des elexiko-Wörterbuchs und der für diese Arbeit genutzten Korpora in Hinblick auf den Umfang. Insofern können die hier aufgeführten Frequenzdaten von den Angaben im elexiko-Korpus abweichen. Zum Schluss werden die Ergebnisse der Korpusverfahren mit denen der Sprecherbefragung verglichen. Durch den Methodenvergleich soll ermittelt werden, inwieweit die Resultate verschiedener Verfahren übereinstimmen oder ob sie ergänzenden Charakter haben oder gar zu anderen Schlussfolgerungen führen. Im Folgenden werden die in dieser Arbeit vorgenommenen Analyseschritte dargestellt: - Wörterbuchabgleich • COSMAS -Recherche • Suchanfrage • Statistische Assoziationsmaße für Kookkurrenzen; unter anderem exemplarische Beispiele zu Kookkurrenzprofilen von Graduonymen unter CCDB Kookkurrenzdatenbank Lexikalisch-semantische Graduonymie 184 • KWIC -Ansicht • Volltext-Funktion • Frequenzen und Auswertung - Interpretation - Methodenvergleich: Korpusanalyse vs. Sprecherbefragung Es muss erwähnt werden, dass diese Analyseschritte gemäß der graduonymischen Natur und der Vorkommensmöglichkeiten der jeweiligen Reihe in Korpustexten, aber auch gemäß ihrer Behandlung in elexiko variieren. Im Folgenden werden die Thesen zur Leistung von korpuslinguistischen Verfahren zur Ermittlung graduonymischer Reihen formuliert: 1) Ausgehend vom theoretischen Hintergrund graduonymischer Bedeutungsbeziehungen zwischen Wörtern und in Übereinstimmung mit den Ergebnissen der durchgeführten Sprecherbefragungen wird erwartet, dass die Korpusanalyse ausreichend Indizien zur Bestätigung der Annahme zu graduellen lexikalisch-semantischen Relationen liefert. 2) Die Korpusanalyse dient zur Entdeckung und Enthüllung des semantischen Potenzials der Wörter, die durch vielfältige Verwendungsmöglichkeiten im Sprachgebrauch realisiert werden. Es wird erwartet, dass die als graduonymisch angenommenen Wörter kontextbedingt auch in andere semantische Beziehungen treten. 3) Korpusverfahren ermöglichen es, die untersuchten graduonymischen Wortreihen zu ergänzen und zu vervollständigen oder bestimmte Wörter aus der Reihe, die sich nicht als Graduonyme qualifizieren, herauszufiltern. 5.3 COSMAS-Recherche 5.3.1 Suchanfrage Für die Überprüfung der ausgewählten graduonymischen Reihenfolgen wurden treffereinschließende Abstandsoperatoren, nämlich Wortabstands- (/ w) und Satzabstandsoperatoren (/ s), angewendet. Die kontrastive (graduelle) Verwendung von Wörtern im Korpus kommt häufig anhand einer Aneinanderreihung in engen Abständen vor. In Korpusanalysen zu graduonymischen Reihen 185 diesem Fall werden bei der Suche die Wortabstandsoperatoren in Betracht gezogen. Außerdem treten zwei Graduonyme in größeren Wortabständen anhand verschiedener syntagmatischer Indikatoren innerhalb eines Satzes auf. Bei der Extrahierung der Belege wird hierfür der Satzabstandsoperator / s verwendet. Die Suchanfrage in größeren Kontexten im Abstand von bis zu zwei oder drei Sätzen liefert zudem interessante Belege zu Verwendungsmöglichkeiten von Graduonymen. Mit der Suchanfrage &Fluss / s0 &Strom werden Belege gefunden, in denen die Wörter Fluss und Strom mit sämtlichen Flexionsformen 72 in beliebiger Reihenfolge innerhalb eines Satzes vorkommen. Bei der genauen Reihenfolge der Suchbegriffe kann der 0-Satzabstand mit + (Pluszeichen) oder - (Minuszeichen) eingesetzt werden: &Fluss / +s0 &Strom. Es wird in diesem Fall nach Belegen gesucht, in denen Strom im Satz nach Fluss vorkommt. Wie beim Satzabstandsoperator können auch beim Wortabstandsoperator Abstand und Reihenfolge von Wörtern nach bestimmten Kriterien gesetzt werden: &Fluss / +w5 &Strom. 5.3.2 Kookkurrenzanalyse Die COSMAS -Kookkurrenzanalyse stellt Angaben über das Kookkurrenzprofil 73 eines Suchwortes bereit. 74 Bei der Extrahierung der graduonymischen Relationen von lexikalischen Ausdrücken in Korpora ist zu beobachten, welche Partner mit einem Suchwort überzufällig häufig gemeinsam vorkommen. Die Daten können hierbei nach Kookkurrenzstärke angeordnet werden (siehe Abb. 19). Darüber hinaus ermöglicht die Kookkurrenzanalyse einen Überblick über die kontextuellen Gebrauchsbesonderheiten des Schlüsselworts und darüber, in welcher diskursiven Umgebung es vorkommt. 72 Die Flexionsformen der Suchbegriffe werden durch die Verwendung des Grundformoperators <&> ausgegeben. Hierbei ist die Großschreibung von Substantiven in der Grundform sehr wichtig. 73 „Die Gesamtheit aller quantitativen Ergebnisse der Kookkurrenzanalyse zu einem gegebenen Analyseobjekt (einem Lexem, einer Wortverbindung usw.) wird als Kookkurrenzprofil des Objektes bezeichnet und stellt - informell gesagt - ein Kondensat seines Gebrauchs dar.“ (Belica 2011) 74 Eine kurze Einführung in die Kookkurrenzanalyse findet sich in www.ids-mannheim.de/ kl/ misc/ tutorial.html. Lexikalisch-semantische Graduonymie 186 Abb. 19: Screenshot einer Kookkurrenzanalyse zu Säugling Eine weitere Möglichkeit zur Untersuchung der Kookkurrenzprofile der Wörter bietet die Kookkurrenzdatenbank CCDB - V3.2 75 . Die „korpuslinguistische Denk- und Experimentierplattform für die Erforschung und theoretische Begründung von systemisch-strukturellen Eigenschaften von Kohäsionsrelationen zwischen den Konstituenten des Sprachgebrauchs“ (Belica 2001-2007) wurde von den Mitarbeitern des Programmbereichs Korpuslinguistik des Instituts für Deutsche Sprache auf der Grundlage eines Korpus der Gegenwartssprache von ca. 2,7 Milliarden laufenden Textwörtern (Stand: 4.7.2016) entwickelt. Diese Kookkurrenzdatenbank funktioniert unabhängig von COSMAS , aber jede CCDB -Kookkurrenz kann über das COSMAS -System online rekonstruiert werden (vgl. Belica 2011). Die Analyseverfahren in dieser Datenbank konzentrieren sich auf vier Module: 76 1) Untersuchung der Ähnlichkeit von Kookkurrenzprofilen (Modul Related Collocation Profiles); dieses Modul untersucht Ähnlichkeit 75 http: / / corpora.ids-mannheim.de/ ccdb/ . 76 Eine tiefgehende Anwendung der Analysemethoden der CCDB-Kookkurrenzdatenbank für die Untersuchung semantischer Relationen zwischen Wörtern bietet Markova (2010, 2012). Zu Zielen und Grundideen der CCDB-Module siehe überdies Keibel (2008), Belica (2011), Perkuhn et al. (2012). Korpusanalysen zu graduonymischen Reihen 187 von Kookkurrenzprofilen und liefert eine absteigend nach Verwandtschaftsgrad sortierte Liste der ähnlichsten Vergleichswörter zum Suchwort (siehe Abb. 20). Folgende verwandte Kookkurrenzprofile zu Säugling wurden gefunden (anklickbar, absteigend nach Verwandtschaftsgrad sortiert): Baby Kleinkind Frühgeburt neugeboren Mutter Geburt Muttermilch Mutterleib Lebensmonat Frühchen Kind Fötus Schwangere Fehlgeburt Kaiserschnitt Brutkasten gebrechlich Bub Kindstod Herzfehler Meningitis Stichverletzung Jungtier schwerkrank Abb. 20: Säugling-ähnliche Profile (Ausschnitt) Lexikalisch-semantische Graduonymie 188 2) Modellierung semantischer Verwandtschaft (Modul Modelling Semantic Proximity); dieses Modul analysiert Verwendungsaspekte eines Wortes anhand ähnlicher Kookkurrenzprofile und stellt die Ergebnisse als einen hierarchischen Baum dar (siehe das Säugling- Beispiel). Säugling click on arrows to expand/ collapse - Baby Kleinkind Frühgeburt Geburt Mutter Kind Stichverletzung Schwangere Schußverletzung Schussverletzung Vater Herzfehler Hirnblutung Meningitis Gehirnblutung Vorschulalter Patient Stichwunde Rauchvergiftung Brandverletzung Frau Kopfverletzung Rauchgasvergiftung Schädelbruch Großeltern Unterkühlung Immunschwäche Fehlbildung Blutkrebs Tochter Eltern Blutung Leberzirrhose 3) Ermittlung und Visualisierung von relevanten Gebrauchsaspekten (Modul SOM : Self-Organizing Maps); bei dieser Analyse werden Wörter anhand von selbstorganisierenden Karten auf einem zweidimensionalen Gitternetz angeordnet. Dabei liegen ähnliche Wörter im Gitter nahe beieinander, und weniger ähnliche Wörter weiter entfernt (siehe Abb. 21). 4) Kontrastierung von Beinahe-Synonymen (Modul Contrasting Near- Synonyms); diesem Modul liegt Visualisierung und Exploration der gemeinsamen und der kontrastierenden Gebrauchsaspekte eines Bezugswortes und eines Vergleichswortes (siehe Abb. 22 zu Säugling vs. Kleinkind) zugrunde. Die Analysemethoden der CCDB -Datenbank wurden im Rahmen dieser Arbeit nicht systematisch angewendet, sondern für die Verifizierung bestimmter Graduonyme exemplarisch in Betracht gezogen (siehe Schulkind vs. Schüler-Beispiel im Paradigma Kind, Kap. 5.4). Korpusanalysen zu graduonymischen Reihen 189 erwürgt erwürgen verstümmelt erdrosselt erdrosseln verstümmeln erstickt Tiefkühltruhe Messerstich Kopfschuß Kopfschuss verwundet verblutet zerquetschen verwunden zerquetscht Stichverletzung Schußverletzung Schussverletzung Schußwunde Schusswunde Stromschlag schwerverletzt lebensgefährlich Unfallopfer Rauchvergiftung Schädelbruch Rauchgasvergiftung Kopfverletzung Notoperation Brandverletzung Wohnungsbrand misshandelt Ehefrau Ehemann Lebensgefährtin misshandeln mißhandeln vergewaltigen Lebensgefährte verhungert verhungern Gitterbett Mann verdursten verdurstet Bub Mensch obduziert obduzieren Ertrinken Vierjährige qualvoll Hungertod sterben erblindet Hirnblutung Gehirnblutung Herzattacke Einlieferung Atemstillstand Unterkühlung Überdosis Herzanfall Mutter Vater Bube Großmutter Frau Großvater Sohn Junge Baby Kleinkind neugeboren Findelkind Bettchen gebar weinen Zwillingspaar schwerkrank krank kranken hirntot wohlauf unversorgt wog kerngesund beatmen Patientin beatmet herzkrank Pflegefall Kranker Patient Blutung gestorben Herzinfarkt Herzstillstand Herzversagen seelisch Blutvergiftung Kinderwagen Babysitter Großeltern hochbetagt großgezogen großziehen Teenager minderjährig Schnuller Windel Drilling unehelich schwanger Fohlen Frühgeburt Geburt Frühchen Kaiserschnitt Brutkasten Entbindung Kreißsaal Babyklappe Kindstod Herzfehler unterernährt transplantiert transplantieren Körper Organentnahme Meningitis Immunschwäche Lungenentzündung psychisch Leukämie Blutkrebs Krebspatient Lungenkrebs Kind gebrechlich schwerstbehindert Welpe Vorschulalter behindert Sprössling Sprößling Jungtier Kalb untergewichtig Fläschchen Wochenbett Muttermilch Mutterleib Fötus Schwangere Fehlgeburt abgetrieben Schwangerschaftswoche ungeboren Lebensmonat Tier Missbildung Mißbildung Gewebeprobe Fehlbildung Masern Maser Säuglingsalter Typhus Unterernährung Risikogruppe Kindesalter Darmkrebs © Cyril Belica: Modelling Semantic Proximity - Contrasting Near-Synonyms (version: 0.21, init tau: 0,4, dist: x, iter: 10000 Säugling Leiche Leich verwesen ersticken verwest Leichnam aufgefunden auffinden Abb. 21: SOM des Wortes Säugling Lexikalisch-semantische Graduonymie 190 beatmen beatmet Einlieferung Atemstillstand Schädelbruch Hirnblutung Notoperation Herzanfall Stichverletzung Schussverletzung Schußverletzung lebensgefährlich Stichwunde Brandverletzung Schusswunde Schußwunde Bub schwerverletzt Vierjährige Besatzungsmitglied Matrose bewusstlos bewußtlos Wohnungsbrand Messerstich verhungert verwundet Mann Kopfschuss Kopfschuß blutüberströmt verwunden verstümmeln Leiche Leich misshandelt verstümmelt erwürgt verwesen Ehefrau Menengitis Patient Patientin Lungenentzündung Herzinfarkt psychisch seelisch Leukämie Ertrinken herzkrank Überdosis obduziert obduzieren sterben qualvoll Hungertod wiederbelebt Rettungsauto geborgen Sauerstoffmangel erblinden wiederbeleben überleben Wiederbelebungsversuch Erdloch Gitterbett abmagern Tiefkühltruhe verdursten Ehebett eingewickelt verdurstet neugeboren hochschwanger verhungern Achtjährige umbringen umgebracht Mädchen siebenjährig Masern Maser Immunschwäche Säuglingsalter Typhus Risikogruppe Kindesalter Darmkrebs Kindstod Lebensmonat transplantiert Gewebeprobe transplantieren Fehlbildung Körper Herzfehler Geburt Kaiserschnitt Frühgeburt Entbindung Frühchen Kreißsaal Babyklappe hirntot schluchzen todkrank kuscheln quengeln plärren aufwachen wimmern schlief Töchterchen Geschwister Waisenkind Tochter Enkelkind Pflegeeltern Söhnchen Mama Mutterleib Schwangere Fötus abgetrieben Schwangerschaftswoche Fehlgeburt Nabelschnur vorgeburtlich ungeboren abtreiben Stillzeit Ultraschalluntersuchung Hebamme Geburtsvorbereitung Geburtstermin Niederkunft Windel Erdenbürger Schhnuller Drilling Zwilling Kinderwagen Babynahrung gebar Kleinkind Mutter Kind Findelkind Bube Großmutter Sprößling Sprössling My Single Want Album To Out Debütalbum Honey Ferkel Tier Jungtier Jesuskind Welpe Kalb Dolly Kälbchen Teenager schwerkrank behindert Schulkind krank Kranke hochbetagt pflegebedürftig gesund © Cyril Belica: Modelling Semantic Proximity - Contrasting Near-Synonyms (version: 0.21, init tau: 0,4, dist: x, iter: 10000 Säugling Baby Abb. 22: Kontrastierung der Wörter Säugling vs. Baby Korpusanalysen zu graduonymischen Reihen 191 Vor dem Hintergrund der Annahme, dass Graduonyme, insbesondere Nachbar-Graduonyme im Korpus häufig gemeinsam auftreten, wird die Stärke der Zusammenhänge ihres gemeinsamen Vorkommens einer statistischen Analyse unterzogen. Hierbei werden die anliegenden Graduonyme der zu analysierenden Reihungen daraufhin getestet, wie statistisch assoziiert sie sind und wie stark diese Assoziation ist. Aus der Stärke der Assoziation kann man schließen, dass zwei Graduonyme häufig gemeinsam in denselben Texten vorkommen und semantisch verwandt sind. Die genauen Informationen über ihre semantische Verbundenheit liefern jedoch ihre statistischen Assoziationen nicht. 5.3.3 KWIC-Ansicht KWIC - Key Word in Context - ist eine Darstellung einer Suchanfrage, in der Treffer mit dem Suchwort zentriert angeordnet und farblich markiert werden. Anhand einer KWIC -Ansicht ist bei den Graduonymen zu sehen, anhand welcher syntagmatischen Indikatoren die Wörter in kurzem Abstand innerhalb eines Kontextes in Kontrast zueinander stehen (siehe Abb. 23). Abb. 23: Screenshot der KWIC-Ansicht zu Säugling und Kleinkind Lexikalisch-semantische Graduonymie 192 5.3.4 Volltext-Funktion Einen Blick auf die KWIC -Ansicht vom Ko-Vorkommen der Graduonyme zu werfen, heißt noch nicht, dass dadurch die Bedeutungsbeziehungen von Suchwörtern festgestellt werden können. Manche feinen semantischen Unterschiede zwischen den Wörtern, die durch eine KWIC -Ansicht nicht eindeutig zum Vorschein kommen, lassen sich in einem Gesamt-Volltext erkennen. Graduonyme befinden sich zudem nicht immer in kontextuell unmittelbarer Nähe zueinander. Sie tauchen häufig in einer Umgebung auf, die bis zu drei Sätzen umfasst. Auch für solche Fälle ist die Untersuchung der Volltexte mit größerem Kontext wichtig. 5.3.5 Frequenzen Um zu ermitteln, wie oft die Wörter im Korpus als Graduonyme vorkommen und welche semantische Relation zwischen Ausdrücken im Vordergrund steht, ist die Angabe von Frequenzen wichtig. In den umfangreichen Treffermengen müssen die Belege gründlich unter die Lupe genommen und entsprechend sortiert werden. Aufgrund der sehr großen Datenmenge sollten die Belege auf eine bestimmte Anzahl reduziert werden. Die Analyse der Wind-Wörter wird beispielsweise auf der Grundlage von 100 durch Zufallsauswahl extrahierter Belege durchgeführt. Für die Überprüfung des gemeinsamen Vorkommens der Suchwörter Brise und Wind ergaben sich 260 Treffer, von denen 100 Belege für die Analyse herangezogen werden. Nachdem die relevanten Belege herausgefiltert wurden, müssen zwei Graduonyme hinsichtlich ihres semantischen Verhältnisses überprüft werden. Die Auswertung zu Vorkommensmöglichkeiten der Suchwörter nach der Art irgendeiner semantischen Relation erfolgt nicht automatisch, sondern manuell. Das heißt, in den Treffermengen werden die Graduonyme daraufhin analysiert, welche semantische Relation sie miteinander verbindet. Die Angaben werden anschließend manuell errechnet. An dieser Stelle muss erwähnt werden, dass die quantitative Auswertung der Daten nicht immer möglich ist. Es lässt sich nicht immer eindeutig feststellen, welche semantische Relation zwischen Zielwörtern vorliegt. Denn nicht in allen Belegen sind sprachliche Mittel in syntagmatischen Verknüpfungen (solche wie in Tab. 28) vorhanden, um semantische Beziehungen zwischen Wörtern Korpusanalysen zu graduonymischen Reihen 193 zu indizieren. In den folgenden Belegen (7 und 8) steht nicht fest, ob Sturm und Wind synonymisch verbunden sind, oder ihre referenzidentische Verwendung an der Oberbegriff-Funktion von Wind liegt. (7) Der Sturm verwüstete die «Wall Street des Westens» genannte Wirtschaftsmetropole mit durchschnittlich 200, in Böen bis zu 300 Kilometern pro Stunde. Der Wind riss im Hafen vertäute Schiffe los, hob Dächer ab, drückte Hauswände ein und wirbelte Ziegel und Bretter durch die Luft. Noch verheerender als der Wind war die mehr als vier Meter hohe Flutwelle, die der Sturm vor sich hertrieb. (dpa, 12.9.2008; (Hintergrund) Der Galveston-Sturm - die schlimmste Naturkatastrophe der USA) (8) Wie groß die Beeinträchtigung der Wetterkapriolen auf die Natur ausfallen, hänge davon ab, wie lange es kalt bleibe und ob es noch zu Regenfällen und Stürmen komme. Wind und Regen setzten Blüten und Tieren zu. Die Schwalben hätten sich in günstige Lagen zurückgezogen. (Rhein-Zeitung, 22.4.1999; Wetterkapriolen haben Folgen für Fauna und Flora) Wegen der Schwierigkeiten bei der Ermittlung der Bedeutungsbeziehungen zwischen Wörtern werden bei den Wind-Wörtern beispielsweise keine Häufigkeitsangaben gemacht. Das heißt, die quantitative Analyse erfolgt nur für zwei der drei Reihen. 5.4 Statistische Assoziationsmaße für Ko-Vorkommen der Graduonyme Durch die COSMAS - oder CCDB -Kookkurrenzanalyse werden nach Signifikanz sortierte Kookkurrenzpartner des Suchwortes ermittelt und die Zusammenhänge der erwarteten und beobachteten Häufigkeiten mithilfe des LLR -Tests berechnet. In diesem Sinne eignen sie sich als statistisches Verfahren für die Analyse des Kookkurrenzprofils eines Wortes sehr gut. Es wird aber für die Ermittlung der Signifikanz des gemeinsamen Auftretens zweier Wörter in einem Korpus bewusst zugunsten der Assoziationsmaße entschieden. Dies hat bestimmte Gründe: 1) Die Graduonyme der ausgewählten Reihungen tauchen nicht immer auf der Kookkurrenzliste ihrer Nachbargraduonyme auf, und sie stehen nicht immer als signifikanteste Kookkurrenzpartner. Es besteht also nicht für alle ausgewählten Graduonyme eine Möglichkeit der Datenauswertung in CDDB oder COSMAS . Lexikalisch-semantische Graduonymie 194 2) Wenn wir zwei Graduonyme in bestimmten Abständen in COSMAS II suchen und die Kookkurrenzanalyse durchführen, werden signifikante Kookkurrenzpartner für diese zwei Graduonyme gefunden und ausgehend von den Häufigkeiten deren LLR -Werte berechnet. Das heißt, die Suche ermittelt die häufigsten Wörter, die mit diesen zwei Graduonymen gemeinsam im Kontext vorkommen. Diese Werte spiegeln nicht wider, wie zwei gesuchte Graduonyme zueinander stehen, sondern in welchen Verhältnissen die anderen ermittelten Kookkurrenzpartner zu diesen Graduonymen stehen. 3) Die Stärke der Assoziiertheit von Suchwörtern, die anhand von PMI (siehe unten) ermittelt wird, wird in COSMAS II und CCDB nicht berechnet. Es gibt unter anderem einen technischen Grund bei der Suche der Wörter in CCDB und COSMAS II . Die Flexionsformen von ermittelten Kookkurrenzpartnern werden in beiden Korpuswerkzeugen nicht zusammengefasst und dementsprechend getrennte LLR -Werte der Ergebnisse angezeigt („Kleinkinder“ und „Kleinkindern“ getrennt) (siehe Abb. 19). Wird aber bei den Einstellungen die Lemmatisierung-Option eingeschaltet, bekommt man Treffer zu möglichen Wortformen des Suchwortes (wie „Kleinkindes“, „Kleinkindalter“, „Kleinkinderpflege“, „Kleinkinderpflege“ etc. bei „Kleinkind“). Darüber hinaus sind die Suchmöglichkeiten der CCDB -Datenbank beschränkt: Das Nomen Neugeborenes ist nicht integriert (sondern neugeboren); bei Jugendlicher und Erwachsener kann man nur nach einer bestimmten Flexionsform suchen. Unter Berücksichtigung des Untersuchungszwecks und der Möglichkeiten von erwähnten Korpuswerkzeugen wird im Folgenden anhand von aus dem Korpus extrahierten Daten eine einheitliche Analyse mithilfe von Assoziationsmaßen durchgeführt. Unabhängig von Kookkurrenzprofilen der Graduonyme werden auf der Grundlage der Korpusfrequenzen ihre statistischen Assoziationen berechnet. Anhand der vorgenommenen auf der Beleganalyse basierenden Korpusverfahren werden die semantischen Besonderheiten von Graduonymen hinsichtlich ihrer Verwendung in großen Textmengen untersucht. Die Analyse wird zeigen, dass die Angaben über Frequenzen, wie häufig welche semantische Relation zwischen Suchwörtern im Korpusanalysen zu graduonymischen Reihen 195 Vordergrund steht, an vielen Stellen ermittelt werden kann, an einigen Stellen jedoch nicht. Denn es ist nicht immer erkennbar, welche Bedeutungsbeziehung die Wörter miteinander verbindet (siehe Belege 3 und 4). Das ist ein allgemein methodisches Problem bei der Ermittlung sprachlicher Indikatoren, die bestimmte semantische Relationen zwischen Wörtern anzeigen. Interessant und relevant ist dennoch festzustellen, wie stark die Zusammenhänge des gemeinsamen Vorkommens von Graduonymen im Korpus sind. Die in der Kollokationsforschung weit verbreiteten Verfahren zur Bestimmung von Kollokationspartner als Assoziationspaare sind für das Ziel dieses Kapitels geeignet. Die benachbarten Graduonyme einer Graduonymie-Reihung werden in diesem Zusammenhang als Kookkurrenzpartner angesehen, wobei anhand des Korpus geprüft wird, erstens, ob es statistisch betrachtet eine Assoziation zwischen den beiden Graduonymen gibt und, zweitens, wie stark diese Assoziation ist. Ein Assoziationspaar ist ein Paar aus zwei Wörtern bzw. Wortformen, die statistisch assoziiert sind, d.h. deren statistischer Assoziationswert einen bestimmten Schwellenwert (gleich welches Assoziationsmaß vorliegt) überschreitet. Dieser Begriff bezieht sich damit nicht auf Instanzen von Wortpaaren, sondern stets auf die Eigenschaft eines Wortpaars in einem Korpus. (Langer 2009) In unserem Fall werden die Nachbar-Graduonyme gemäß ihrer Rangordnung auf der Skala als mögliche Assoziationspaare betrachtet und die Häufigkeit ihres gemeinsamen Auftretens statistisch getestet. Die Stärke der Assoziiertheit von Graduonymen und die Werte statistischer Häufigkeiten von Kookkurrenzen werden anhand statistischer Assoziationsmaße ermittelt. „Ein mit statistischen Assoziationsmaßen ermittelter Wert gibt eine andere Art der Information an, als die einfache Frequenz der Kookkurrenz“ (Stadler 2006, S. 11). Es steht jedoch fest, dass die durch Assoziationsmaße ermittelten Werte keine Informationen über die zugrundeliegenden semantischen Beziehungen zwischen Assoziationspaaren liefern. Das Interpretieren der gewonnenen Daten bleibt weiterhin die exklusive Aufgabe des Sprachwissenschaftlers. Dieser stochastische Begriff [Assoziationspaar] ist linguistisch neutral - d.h. er sagt nicht über die linguistischen Phänomene aus, die dieser Assoziiertheit zugrunde liegen könnten. (Langer 2009) Lexikalisch-semantische Graduonymie 196 Zur Berechnung statistischer Assoziation in Textkorpora werden folgende Assoziationsmaße am häufigsten verwendet: T-Test (T-Score) 77 , Log-Likelihood-Ratio, Chi-Quadrat-Test und punktweise Mutual Information. Diese statistischen Tests dienen zur Ermittlung der Signifikanz des gemeinsamen Auftretens zweier Wörter im Korpus. Für die Datenaufbereitung in Bezug auf die Anwendung der oben genannten Tests werden neben der Größe des verwendeten Korpus folgende Werte benötigt, die aus dem Korpus extrahiert werden: - Frequenz jedes Wortes (Wort 1 (W1) und Wort 2 (W2)) - Trefferzahl zum Ko-Vorkommen von W1 und W2 Anhand des Beispiels für die Wörter Neugeborenes und Säugling aus der Graduonymiereihung das Neugeborene < der Säugling < das Kleinkind < das Kind < das Vorschulkind < das Schulkind < der/ die Jugendliche < der/ die Erwachsene werden diese Angaben veranschaulicht: W1 W2 Korpusgröße Frequenz W1 Frequenz W2 Trefferzahl zum gemeinsamen Vorkommen von W1 und W2 Neugeborenes Säugling 5400000000 17364 26032 110 Tab. 29: Häufigkeitsangaben zu Neugeborenes und Säugling In COSMAS II werden zurzeit etwa 36,5 Mrd. laufende Wortformen (Stand: 4.7.2016) in 345 Korpora verwaltet. Bei der Extrahierung der Suchwörter werden wie in der obigen Beleganalyse lediglich ihre Flexionsformen berücksichtigt. Neugeborenes kommt im Korpus insgesamt 17.364 Mal vor. Für Säugling liefert die Suche 26.032 Treffer. Angesichts der Beobachtungen, dass die Kind-Wörter in den Korpustexten häufig sehr nah aneinander auftreten, werden Neugeborenes und Säugling im Abstand von bis zu drei Wörtern gesucht (Suchanfrage: (Neugeborenen ODER Neugeborenes ODER Neugeborene ODER Neugeborener ODER Neugeborenem) / w3 &Säugling). Das Wortpaar Neugeborenes und Säugling ist folglich 110 Mal belegt. Bei der Suche wird die Position der Wörter als Neugeborenes < Säugling nicht festgelegt. Das heißt, es wird nach den Belegen gesucht, in denen die Wörter Neugebo- 77 „Der T-Wert (T-Score) ist ein Maß für die Signifikanz einer Abweichung eines Werts vom Erwartungswert.“ (Langer 2002, S. 4.) Korpusanalysen zu graduonymischen Reihen 197 renes vor Säugling unabhängig von ihrer Reihenfolge im Kontext gemeinsam vorkommen. Diese Bestimmung basiert auf den Beobachtungen im Korpus. Die Belege in den nachfolgenden Kapiteln werden zeigen, dass im Korpus bei der Graduonymie-Beziehung zwischen zwei Wörtern ein graduell stärkeres Wort nach einem graduell schwächeren Wort anhand verschiedener sprachlicher Indikatoren gemäß ihrer Rangordnung in der Skala auftritt. Da es sich bei dieser statistischen Analyse nicht um die Überprüfung der Gradualität der Wortpaare, sondern um die Berechnung der Stärke ihrer statistischen Assoziation handelt und darüber hinaus die analysierenden Wortpaare im Sprachgebrauch auch andere Relationen zueinander eingehen und dabei ihre Abfolge variiert, wird bei der Datenextrahierung die strenge Rangordnung der Wörter nicht berücksichtigt. Die sprechen-Wörter werden im Abstand von bis zu fünf Wörtern gesucht. Für die Wind-Wörter wird der Suchabstand erweitert; das gemeinsame Vorkommen der Wortpaare wird hierbei anhand des Satzabstandsoperators (/ s1) innerhalb eines Satzes gesucht. Tabelle 30 gibt die für drei Graduonymie-Reihungen aufbereiteten Daten an. Nr. W1 W2 Frequenz W1 Frequenz W2 Trefferzahl zum gemeinsamen Vorkommen von W1 und W2 1. Neugeborenes Säugling 17364 26032 110 2. Säugling Kleinkind 26032 44254 1765 3. Kleinkind Kind 44254 3431918 760 4. Kind Vorschulkind 3431918 7098 101 5. Vorschulkind Schulkind 7098 32711 90 6. Schulkind Jugendlicher 32711 909410 238 7. Jugendlicher Erwachsener 909410 96034 26508 8. Brise Wind 5180 216635 474 9. Wind Sturm 216635 217905 3057 10. Sturm Orkan 217905 10236 363 11. flüstern sprechen 18210 1918564 58 Lexikalisch-semantische Graduonymie 198 Nr. W1 W2 Frequenz W1 Frequenz W2 Trefferzahl zum gemeinsamen Vorkommen von W1 und W2 12. sprechen rufen 1918564 510565 1612 13. rufen schreien 510565 92172 871 14. schreien brüllen 92172 29183 437 Tab. 30: Vorkommenshäufigkeiten der Suchwörter im Korpus Für die Datenanalyse wird zunächst der Chi-Quadrat-Test verwendet. Ein weit verbreitetes Mass, um Zusammenhänge in Kontingenztabellen zu beschreiben, ist der χ 2 - Koeffizient. Die Konstruktion des χ 2 - Koeffizienten folgt der Idee einen Vergleich zu ziehen zwischen (a) den empirisch beobachteten Häufigkeiten in einer Kreuztabelle und (b) den bei statistischer Unabhängigkeit zu erwartenden Häufigkeiten. Es wird also ermittelt, wie die Häufigkeiten in der Tabelle verteilt wären, wenn keinerlei Zusammenhang zwischen den beiden betrachteten Merkmalen bestünde, und das Ergebnis mit der tatsächlichen Situation verglichen. (Jann 2002, S. 68) Anhand des Chi-Quadrat-Tests lassen sich die Daten daraufhin untersuchen, ob die tatsächlichen Werte zum gemeinsamen Vorkommen zweier Wörter im Korpus von den Erwartungswerten signifikant abweichen. Es wird ermittelt, ob zwischen den erwarteten und beobachteten Häufigkeiten ein Zusammenhang besteht (Alternativhypothese), oder es sich bei der Verteilung der Wörter im Korpus um eine Zufallsverteilung handelt (Nullhypothese). - Nullhypothese: Das gemeinsame Vorkommen von W1 und W2 im Korpus durch Zufall bedingt, es besteht kein Zusammenhang zwischen W1 und W2. - Alternativhypothese: Das gemeinsame Vorkommen von W1 und W2 im Korpus ist nicht durch Zufall bedingt, es besteht (irgend)ein Zusammenhang zwischen W1 und W2. Korpusanalysen zu graduonymischen Reihen 199 Anhand des von Michael Mann entwickelten Online-Werkzeugs 78 zur „Ermittlung der Signifikanz des gemeinsamen Auftretens zweier Wörter in einem Corpus“ wurden die Chi-Quadrat-Werte aller in Tabelle 30 angegebenen Wortpaare berechnet. Da die erwartete Häufigkeit in mindestens einer Zelle weniger als fünf beträgt, gilt der Chi-Quadrat- Test für unsere Analyse als nicht verlässlich. Im Vergleich zum Chi-Quadrat-Test gilt der Log-Likelihood-Ratio-Test als Assoziationsmaß bei kleineren Häufigkeiten verlässlicher und robuster. Log-Likelihood-Ratio ( LLR ) vergleicht die Wahrscheinlichkeit zweier Hypothesen. Für die Berechnung der LLR -Werte werden die in Tabelle 30 aufbereiteten Daten verwendet. In Tabelle 31 werden die Werte aus der Kreuztabelle dargestellt. Spalte A steht für Wort1 und Spalte B beinhaltet Wort2. In Spalte C wird die Zahl der Treffer von Wort1 ohne Berücksichtigung seines Ko-Vorkommens mit Wort2 angegeben. In D werden die Häufigkeiten von Wort2 ohne gemeinsames Auftreten mit Wort1 errechnet. In Spalte E werden von der Korpusgröße (hier: 54.000.000.00) die Treffer mit Wort1 subtrahiert. Spalte F zeigt die Zahl der Treffer im Gesamtkorpus, in denen Wort1 und Wort2 ausgeschlossen werden. In G wird von der Korpusgröße die Trefferzahl von Wort2 abgezogen. Mit diesen errechneten Werten muss der Log-Likelihood-Ratio-Test die statistische Signifikanz des gemeinsamen Vorkommens der zwei untersuchten Wörter ermitteln. Die kritischen Werte der Chi-Quadrat- Verteilung (df = 1) 79 zur Ermittlung der Signifikanz können auch für den Log-Likelihood-Ratio-Test verwendet werden. Als kritische Werte für df = 1 gelten folgende: 384,146 (Signifikanzniveau 0,05), 663,490 (Signifikanzniveau 0,01), 10,828 (Signifikanzniveau 0,001), 15,137 (Signifikanzniveau 0,0001) (Bortz 2005, S. 818). 78 Das Werkzeug ist unter http: / / mmmann.de/ Sprache/ signifikanz-kollokation.htm aufrufbar. 79 „Der Begriff der Freiheitsgrade (df) ist in der schliessenden Statistik oft anzutreffen. Freiheitsgrade stehen - wie es der Name eigentlich schon sagt - für den Grad an Freiheit in der Variation einer Grösse. Ist etwa der empirische Mittelwert einer Variable in einer Stichprobe von Umfang n bekannt, so können nur n - 1 Beobachtungen »frei variieren«“. (Jann 2002, S. 121). Lexikalisch-semantische Graduonymie 200 Nr. A B C D E F G 1. Neugeborenes Säugling 17254 25922 5399982636 5399956714 5399973968 2. Säugling Kleinkind 24267 42489 5399973968 5399931479 5399955746 3. Kleinkind Kind 43494 3431158 5399955746 5396524588 5396568082 4. Kind Vorschulkind 3431817 6997 5396568082 5396561085 5399992902 5. Vorschulkind Schulkind 7008 32621 5399992902 5399960281 5399967289 6. Schulkind Jugendlicher 32473 909172 5399967289 5399058117 5399090590 7. Jugendlicher Erwachsener 882902 69526 5399090590 5399021064 5399903966 8. Brise Wind 4706 216161 5399994820 5399778659 5399783365 9. Wind Sturm 213578 214848 5399783365 5399568517 5399782095 10. Sturm Orkan 217542 9873 5399782095 5399772222 5399989764 11. flüstern sprechen 18152 1918506 5399981790 5398063284 5398081436 12. sprechen rufen 1916952 508953 5398081436 5397572483 5399489435 13. rufen schreien 509694 91301 5399489435 5399398134 5399907828 14. schreien brüllen 91735 28746 5399907828 5399879082 5399970817 Tab. 31: Datenberechnung zur Ermittlung der LLR-Werte Korpusanalysen zu graduonymischen Reihen 201 Die Ergebnisse zeigen in allen Fällen einen hochsignifikanten Assoziationswert auf (Spalte LLR-Werte in Tab. 32). Die Nullhypothese, dass das gemeinsame Vorkommen der Wörter im Korpus durch Zufall bedingt ist, kann folglich abgelehnt werden. Dass zwischen W1 und W2 im Korpus eine statistisch bewiesene Assoziation besteht, hat zur Folge, dass die Alternativhypothese gültig ist. Nr. W1 W2 LLR-Werte PMI 1. Neugeborenes Säugling 1361,12941 10,3598617 2. Säugling Kleinkind 28507,581 13,014246 3. Kleinkind Kind 3559,49699 4,75606398 4. Kind Vorschulkind 436,277924 4,48474323 5. Vorschulkind Schulkind 1197,83764 11,0314803 6. Schulkind Jugendlicher 1329,31046 5,43307044 7. Jugendlicher Erwachsener 348305,78 10,6786235 8. Brise Wind 6428,43618 11,1554123 9. Wind Sturm 29799,5542 8,4499665 10. Sturm Orkan 4209,68267 9,77943379 11. flüstern Sprechen 151,509156 3,16425449 12. sprechen Rufen 4186,81873 3,15161771 13. rufen Schreien 6306,23098 6,64306512 14. schreien Brüllen 5058,59081 9,77692022 Tab. 32: LLR- und PMI-Werte für Wortpaare Die letzte Spalte in Tabelle 32 stellt vor, wie stark die Assoziation der Wortpaare ist. Diese Werte werden anhand punktweiser Mutual Information (pointwise Mutual Information: PMI ) berechnet. Die hohen bis sehr hohen PMI -Werte signalisieren die Stärke der Assoziation der analysierten Wortpaare. Das heißt, dass das Ko-Vorkommen aller graduonymischen Wortpaare im Korpus statistisch auffällig ist, woraus hervorgeht, dass sie häufig im Kontext als semantisch eng verwandte Wörter gemeinsam auftreten. Über die zugrundeliegenden Relationen ihrer semantischen Verbundenheit sagen diese Werte jedoch nichts aus. Die in den folgenden Kapiteln durchgeführte Beleganalyse zum Lexikalisch-semantische Graduonymie 202 Ko-Vorkommen der Graduonyme im Korpus gibt tiefere Einsichten in die Bedeutungsstruktur von Graduonymen. 5.5 Die Analyse der Paradigmatik von Kind Die Elemente der ersten in der Analyse herangezogenen Reihe das Neugeborene <der Säugling < das Kleinkind < das Kind < das Vorschulkind < das Schulkind < der/ die Jugendliche < der/ die Erwachsene stehen sich hinsichtlich des Merkmals „Altersstufe“ gegenüber. Laut Wörterbuchabgleich werden die Wörter in elexiko folgendermaßen behandelt: Das Stichwort Kind hat in elexiko drei Lesarten. Von Interesse ist für uns die erste Lesart „sehr junger Mensch“, wodurch auch die Mitglieder der zu analysierenden Reihe gruppiert werden. Diese Lesart verfügt in elexiko über eine Spezifizierung 80 „Säugling“. Säugling ist in elexiko sowohl als synonym zu Kind (zum Synonymie- Konzept in elexiko siehe Kap. 2.10), als auch als inkompatibler Partner zu Kind behandelt. Die Inkompatibilität von Säugling zu Kind wird unter der Lesart „sehr junger Mensch“ dargestellt. Die bedeutungsnahe Verwendung von Säugling und Kind wird als Spezialfall der Lesart „sehr junger Mensch“ unter der Spezifizierung „Säugling“ aufgeführt. Auch das Wort Baby, das unter der Spezifizierung „Säugling“ als synonymischer Partner von Kind behandelt wird, könnte aufgrund einer hohen Frequenz als inkompatibler Partner zu Kind hinzugefügt werden. Aber Baby ist in elexiko zur Paradigmatik der Inkompatibilität von Kind nicht miteinbezogen, sondern lediglich als synonymer Partner. An dieser Stelle vergleichen wir die Häufigkeiten semantischer kontrastiver Relationen zwischen Wörtern. Die Analyse zwischen Säugling und Kind sowie Baby und Kind im Abstand von nur einem Wort ergab folgende Ergebnisse zur kontrastiven Verwendung der Ausdrücke: 80 „In elexiko wird neben der Darstellung der Lesart eine zweite Ebene der Bedeutungsbeschreibung genutzt. Dabei handelt es sich um so genannte Spezifizierungen (oder auch Lesartenspezifizierungen). Grund dafür ist, dass in den Texten des elexiko-Korpus gelegentlich Verwendungen beobachtet werden können, die einen Spezialfall einer Lesart darstellen. Diese Spezialfälle werden durch das Thema oder den Diskurs bestimmt. Genau wie Lesarten auch, erhalten Spezifizierungen eine Kurzetikettierung. Das folgende Beispiel soll die Zwei-Ebenen-Darstellung des Bedeutungsspektrums verdeutlichen. Beispiel mobil: Lesart ‘nicht gebunden’ Spezifizierung ‘ortsungebunden einsatzbereit’ Lesart ‘beweglich’Spezifizierung ‘motorisiert’ Spezifizierung ‘beruflich flexibel’ Spezifizierung ‘agil’“ (www.owid.de/ wb/ elexiko/ glossar/ Spezifizierung.html). Korpusanalysen zu graduonymischen Reihen 203 Säugling vs. Kind = 31 Treffer; Baby vs. Kind = 36 Treffer. Zur Illustration siehe die folgenden Belege (9 und 10): (9) «Frühere Studien legen nahe, dass die Basis für den Ausbruch einer Zivilisationskrankheit schon bei Kindern oder gar Säuglingen gelegt wird», sagte Antje Körner. (dpa, 9.6.2011; Leipziger Großstudie sucht Ursachen für Volkskrankheiten) (10) Bei uns ist jedes Alter vertreten. Das heißt, wir haben Babys, Kinder, Jugendliche, junge Erwachsene, alte Erwachsene und dann auch ganz Alte. (Braunschweiger Zeitung, 31.3.2011; „Ich hab nichts von der Gabi, aber die Gabi hat viel von mir“) Das Vorkommen von Baby in dem ausgewählten Korpus weist eine signifikant höhere Frequenz als Säugling auf (mit Baby - 53.465 Treffer, mit Säugling - 11.085 Treffer). Es muss einen wesentlichen Grund geben, dass Baby nur als synonymischer Partner von Kind unter der Spezifizierung „Säugling“ aufgenommen wurde, aber nicht als inkompatibler unter „sehr junger Mensch“. Die beiden Wörter - Säugling und Baby - weisen im typischen Sprachgebrauch ein synonymisches Verhältnis zueinander auf. Das Ko-Vorkommen von Säugling und Baby innerhalb eines Satzes ist 221 (100%) Mal belegt. In 195 (88,2%) Belegen davon werden die beiden Wörter synomym verwendet. Das Prinzip, dass synonymische Partner eines Graduonyms auf derselben Skalenstufe eingeordnet werden können, gilt auch für Baby und Säugling. In der folgenden Analyse wird jedoch nur Säugling berücksichtigt. Die weiteren vier Wörter der graduonymischen Reihenfolge, und zwar Erwachsener, Jugendlicher, Neugeborenes und Säugling sind in elexiko als inkompatible Partner zu Kind aufgeführt und die kontrastive (inkompatible) Beziehung der Ausdrücke ist mittels der Korpusbelege dokumentiert. (11) Was Kinder und viele Erwachsene wahrscheinlich nicht wissen, ist die Tatsache, dass für die fehlenden Zentimeter die Bandscheiben verantwortlich sind, die wie kleine Polster zwischen den einzelnen Wirbeln der Wirbelsäule klemmen. (Berliner Zeitung, 9.3.2006, S. 27, Probleme mit den Puffern) (12) Für Kinderfreund Jürgen Klinsmann ein Dorn im Auge: „Die Kinder und Jugendlichen sind die Zukunft unseres Fußballs. Daran sollten wir denken. Die Kids wollen auch unsere Spiele sehen können.“ (Hamburger Morgenpost, 2.6.2005, S. 26, Nationalelf kompakt) Lexikalisch-semantische Graduonymie 204 (13) Felix H. Sennhauser, Ärztlicher Direktor, appellierte denn auch an der gestrigen Jubiläumsfeier an die Nachbarschaft, „den dringlichen Neubau mitzutragen, um auch Neugeborenen, Säuglingen und Kindern die zeitgemässe medizinische Betreuung in kindergerechter Atmosphäre zu ermöglichen“. (Züricher Tagesanzeiger, 20.01.1999, S. 15, Der Kantönligeist schränkt Kinder ein) Achtet man auf die semantische Struktur und die Beziehung der Wörter zueinander, so wird deutlich, dass zwischen den Wörtern gewisse graduelle Unterschiede bestehen, die die verschiedenen Altersmerkmale signalisieren. Die anderen Gruppenelemente das Kleinkind, das Vorschulkind und das Schulkind werden in elexiko weder als eigenständige Stichwörter noch innerhalb der Paradigmatik sinnverwandter Wörter aufgeführt. Das hängt damit zusammen, dass im elexiko-Projekt redaktionell festgelegt ist, dass Komposita, die das Stichwort als Komponente haben (also Komposita zum Grundwort, wie z.B. Fahrrad zu Rad, Schulkind zu Kind), nicht für paradigmatische Relationen der Wörter berücksichtigt werden. Wie bereits erwähnt, werden die Reihenfolgen aufgrund der jeder Reihe eigenen Besonderheiten korpuslinguistisch analysiert. So ergaben sich beispielsweise für die Kind-Reihe je nach ihrer Komplexität drei potenzielle graduonymische Paradigmen, die hier als Varianten der Kind-Reihe bezeichnet werden: 1) Neugeborenes < Säugling < Kind < Jugendlicher < Erwachsener 2) Neugeborenes < Säugling < Kleinkind < Kind < Vorschulkind < Schulkind 3) Neugeborenes < Säugling < Kleinkind < Kind < Kindergartenkind < Vorschulkind < Schulkind < Jugendlicher < Erwachsener Die variantenweise Überprüfung hängt einerseits mit der ursprünglich erstellten Graduonymiereihung von Kind zusammen, andererseits mit den dem Wörterbuchabgleich zugrundeliegenden elexiko-Angaben. Diese Reihung wurde unter anderem in der Sprecherbefragung inklusive Komposita überprüft. a) erste Variante: Neugeborenes < Säugling < Kind < Jugendlicher < Erwachsener Korpusanalysen zu graduonymischen Reihen 205 Die in elexiko als inkompatible Partner von Kind angegebenen Wörter sind hier nach dem Steigerungsgrad des Merkmals [+ Alter] in einer graduellen Kette angeordnet. Das kontrastierende Verhältnis der inkompatiblen Partner zu Kind ist in elexiko mit Beispielen belegt. Beleg (14) veranschaulicht ebenfalls den kontrastiven Gebrauch der Wörter anhand einer Aneinanderreihung von Graduonymen. (14) Die intensivpflegerische Betreuung von Neugeborenen, Säuglingen, Kindern und Jugendlichen ist Schwerpunkt eigner Fortbildungstagung. Diese endet bis Samstag in Innsbruck statt. (Tiroler Tageszeitung, 21.9.2000, Kinder benötigen spezielle intensivmedizinische Pflege) Da sowohl Neugeborenes als auch Säugling zum Entwicklungsstadium der Kindheit gehören, subsumiert Kind diese Begriffe. Das heißt, in diesem Zusammenhang kommt die Hypergraduonym-Funktion von Kind zum Vorschein (15): (15) Der Herzfehler soll so schnell als möglich und in nur einem Eingriff korrigiert werden. 55 Prozent der operierten Kinder waren Säuglinge, 21 Prozent Neugeborene. (Salzburger Nachrichten, 28.12.1996, Rasche Korrektur: 114 Kinder in Linz am Herzen operiert) Dahingegen weisen die Wörter Jugendlicher und Erwachsener höhere Altersstufen auf. Insofern figuriert Kind in dieser Gruppe nicht als Hypergraduonym, sondern als gleichrangiger inkompatibler Partner (als Graduonym) (16): (16) Drei Musiker brachten mit ihren rhythmischen Klängen Bewegung in den Raum. Kinder, Jugendliche und Erwachsene wippten und klatschten zur Musik. (St. Galler Tagblatt, 16.9.1997, Alpsaison abgeschlossen) Es fehlt also in dieser Reihenfolge ein Oberbegriff für die ganze Gruppe in Form eines Lexems (ein lexikalisiertes Wort), so dass es alle Wörter der Gruppe vereinen könnte. Man könnte die Gruppe unter „Entwicklungsstadium des Menschen von der Geburt bis zum Erwachsenenalter“ zusammenfassen (mehr darüber siehe unten in c)). Abbildung 24 illustriert das Verhältnis der Wörter entsprechend der Korpussituation: Lexikalisch-semantische Graduonymie 206 Neugeborenes < Säugling < Kind < Jugendlicher < Erwachsener KIND ‘Entwicklungsstadium eines Menschen von der Geburt bis zum Erwachsenenalter’ Abb. 24: Graduonymisches Paradigma von Kind (erste Variante) b) zweite Variante: Neugeborenes < Säugling < Kleinkind < KIND < Vorschulkind < Schulkind Die zweite Variante für die Kind-Reihe ist mit ihren Zwischenstufen noch differenzierter und involviert auch Komposita. Bei dieser Variante der Kind-Reihe wird sich auf die Wörter beschränkt, für welche Kind als Hypergraduonym fungiert. Obwohl elexiko aus redaktionellen Gründen die Zusammensetzungen wie Kleinkind, Vorschulkind und Schulkind für die Paradigmatik des Stichwortes Kind nicht einschließt, wird hier dennoch versucht, deren graduonymischen Status innerhalb der graduonymischen Reihenfolge mit dem Hypergraduonym Kind im Korpus zu überprüfen. Denn bei der Online-Befragung (Kap. 4) wurden diese Komposita als Elemente der Kind-Reihe miteinbezogen. Obwohl man von den Wörtern Vorschulkind und Schulkind annimmt, dass sie primär auf die Bildungsbiografie und nicht auf das Alter Bezug nehmen, finden die Wörter im Korpus häufig in den altersbezogenen thematischen Kontexten ihre Verwendung (siehe unten). Die im Laufe der Analyse extrahierten Belege (in der ersten Variante) sowie elexiko-Angaben dokumentieren einen durch Gradualität gekennzeichneten Bedeutungsgegensatz zwischen den Wörtern Neugeborenes, Säugling und Kind in den Korpora. Das Ziel ist, weiter zu ermitteln, wie Komposita mit steigerungsrelevantem Merkmal [+Alter] in einer Reihe anzuordnen sind. Weitere Wörter, wie z.B. Zusammensetzungen, in die Reihe miteinzubeziehen ist nicht unproblematisch. Erstens kann man intuitiv auch andere Wörter involvieren, die gewisse (sei es starke oder schwache) graduelle Unterschiede zeigen und somit sich als Bestandteil einer graduonymischen Reihe zuordnen lassen. Zweitens fällt es schwer, innerhalb der Reihe eine präzise Rangordnung festzulegen (vgl. dazu Lyons Skalen-Auffassung in Kap. 2.6.1). Korpusanalysen zu graduonymischen Reihen 207 Je mehr Elemente in die Reihe integriert werden, desto schwieriger ist es, eine stabile Stellung der Wörter zu erreichen. Diese Tatsache bestätigen die Ergebnisse der Sprecherbefragungen zum Deutschen (siehe Rot-Reihe in Kap. 4.5.3) und Usbekischen (siehe sprechen- oder Temperatur-Skala in Kap. 4.7). Die Korpuswerkzeuge ermöglichen in den meisten Fällen die Ermittlung des semantischen Verhältnisses der Wörter zueinander und speziell in Hinblick auf die Graduonymie auch deren Reihenfolge. Dazu ein Beispiel: Das Wahrig Synonymwörterbuch belegt Säugling und Kleinkind als Synonyme (vgl. Wahrig 2002). Die Suchanfrage zum gemeinsamen Vorkommen der Wörter Säugling und Kleinkind ergibt, dass sie sowohl bedeutungsunterscheidend (17) als auch referenzidentisch (18) gebraucht werden, wobei die kontrastive Verwendung der Wörter stärker belegt wird. 81 (17) An vier Tagen, Dienstag und Donnerstag dieser und nächster Woche, versuchen Claudia Kraus und Elke Höpfel vom DRK den Mitarbeitern des Kindergartens in jeweils vier Stunden besondere Erste-Hilfe-Maßnahmen für Säuglinge, Kleinkinder und Kinder näher zu bringen. (Mannheimer Morgen, 13.10.1999, „Kinder sind sensibler“) (18) Wird bei einem Säugling vom Arzt ein mögliches Risiko für SIDS festgestellt, lässt man den Schlaf des Kleinkindes mit einem elektronischen Monitor überwachen, der die Atmung registriert und bei einem Atemstillstand Alarm gibt, damit dem Baby sofort geholfen werden kann. (Kleine Zeitung, 25.9.1996, Hilfe für Säuglinge und Eltern kommt auch ins Haus) Die Suchanfrage innerhalb eines Satzes liefert 521 Belege zum gemeinsamen Vorkommen der Wörter (siehe Tab. 33). Lediglich in 14 Belegen werden Säugling und Kleinkind referenzidentisch gebraucht: „Kleinkind“ in (18) referiert auf die gleiche Person wie „Säugling“ in (17). Alle anderen 507 Belege dokumentieren den kontrastiven Gebrauch von Säugling und Kleinkind. Die häufige Aneinanderreihung der Wörter in Richtung Säugling < Kleinkind macht deutlich, dass ein Kleinkind älter als ein Säugling ist, also Kleinkind auf einer Altersskala rechts vom Säugling steht. 81 Storjohann analysiert ausführlich die Problematik der Synonymie in den Wörterbüchern und ihre Dokumentation anhand einer korpusbasierten Untersuchung im Sprachgebrauch. Sie kommt zur Schlussfolgerung, dass die Synonymeinträge der Wörterbücher im Sprachgebrauch häufiger in anderen semantischen Relationen stehen (vgl. Storjohann 2006). Lexikalisch-semantische Graduonymie 208 Ko-VorkommenvonSäuglingvs.Kleinkind (Abstand innerhalb eines Satzes) Trefferzahl kontrastiv 507 referenzidentisch  14 Tab. 33: Häufigkeiten von kontrastiven und bedeutungsähnlichen Relationen zwischen Säugling und Kleinkind Die Bestimmungswörter zum Grundwort Kind innerhalb der Komposita Kleinkind, Vorschulkind und Schulkind signalisieren Altersmerkmale explizit, so dass damit eine Reihenfolge der Wörter Kleinkind < Vorschulkind < Schulkind festgelegt werden könnte. Während der Untersuchung des Kookkurrenzprofils von Vorschulkind wurde als statistisch nicht signifikanter Kollokationspartner Kindergartenkind festgestellt, das mit Vorschulkind sowohl hypergraduonymisch als auch inkompatibel verwendet wird. Es besteht zwischen Kindergartenkind und Vorschulkind eine Relation zwischen Graduonym und Hypergraduonym, so dass jedes Vorschulkind (das den Kindergarten besucht) ein Kindergartenkind ist, aber nicht jedes Kindergartenkind unbedingt ein Vorschulkind (siehe Beleg 19). (19) Förster Thomas Haas führt Kindergartenkinder von St. Hildegard durch die Natur Viernheim. Die Vorschulkinder der Kindertagesstätte von St. Hildegard hatten gestern viel Glück mit dem tollen Spätsommerwetter, und so freuten sich alle riesig, als ein zukünftiger Vater sie zu einem Natur-Erlebnistag in den Viernheimer Wald einlud. (Mannheimer Morgen, 16.9.1999, Kleine ‘Forscher’ erkunden den Wald) Darüber hinaus werden Kindergartenkind und Vorschulkind in Aneinanderreihungen miteinander kontrastiv (graduell) verwendet (20 und 21): (20) Die Musikclips erzählen Geschichten aus der Erlebniswelt von Kindergartenkindern und Vorschülern. Die kleinen Zuschauer werden darin zum Tanzen, Singen und Mitmachen aufgefordert, um mit guter Laune und viel Bewegung in den Tag zu starten. Info: Telefon 06781/ 563 910 Cowboys und Indianer. (Rhein-Zeitung, 6.12.2010, S. 28) (21) Die Idee und die Hoffnung geht dahin, einen Brückenschlag zu machen zwischen Kindergarten, Grundschule und weiterführenden Schulen. Kindergarten- oder Vorschulkinder sollen so gefördert werden, dass sie im Grundschulbereich sagen: Wir wollen unbedingt weitermachen. (die tageszeitung, 22.2.2005, S. 15, „Jugendkultur braucht mehr Facetten“) Korpusanalysen zu graduonymischen Reihen 209 Im Korpus werden Kindergartenkind, Vorschulkind und Schulkind 82 nicht aneinandergereiht, sondern sie kommen in selbständigen Sätzen innerhalb eines größeren Kontextes vor, in denen diese drei Wörter inkompatibel gebraucht werden (22): (22) Die Kindergartenkinder hatten ihre Kuscheltiere mitgebracht, die sie stolz auf ihrem Rücken balancieren konnten. Einen Spaziergang in den Zoo machten die Vorschulkinder. In den passenden Farben der Tiere angezogen, zogen sie trompetend und kriechend durch den Raum. Die älteren Schulkinder zeigten am Kasten, dass sie schon viele Jahre aktiv im Verein turnen. (Rhein-Zeitung, 17.12.2001, So viele wie diesmal - kamen noch nie) Schulkind tritt häufiger in Einzelkombinationen „Kindergartenkind - Schulkind“ und „Vorschulkind - Schulkind“ auf mit fast der gleichen Anzahl an Belegen für beide Kombinationen (Tab. 34). Ko-Vorkommen der Wörter (Abstand innerhalb eines Satzes) Trefferzahl Vorschulkind - Schulkind 140 Vorschul- und Schulkinder 30 Kindergartenkind - Schulkind 112 Kindergarten- und Schulkinder 54 Tab. 34: Ko-Vorkommen der Suchwörter 82 Von der Verwendung der Begriffe Kindergartenkind und Vorschulkind und der Frage ob es die genaue Trennung zwischen diesen Ausdrücken besteht, könnte man davon ausgehen, dass es von Bundesland zu Bundesland abweichend ist. Nach der Korrespondenz mit Kultusministerien von zwei Bundesländern in Deutschland wurde klar, dass sowohl das Kultusministerium Baden-Württemberg als auch das Niedersächsische Kultusministerium laut Gesetz über die Betreuung und Förderung von Kindern in Kindergärten, anderen Tageseinrichtungen und der Kindertagespflege (Kindertagesbetreuungsgesetz - KiTaG) nichtdie Begriffe „Kindergartenkind“ und „Vorschulkind“ verwenden. Die Kultusministerien verwenden Begriffe wie „Kinder im Kindergarten“ oder „Bildung und Erziehung im Elementarbereich“ oder auch „im vorschulischen Bereich“. Es gibt also offiziell keine „Vorschulen“ und somit auch keine „Vorschulkinder“. Beide Kontaktpersonen betonen, dass es in der Praxis wohl anders aussieht: Viele Kindergärten fassen diejenigen Kinder, die ein Jahr vor dem Schulbesuch stehen, in einer extra Kindergartengruppe zusammen, mit dem Ziel, diese Kinder auf den Übergang in die Schule besonders vorzubereiten. Einige Verlage haben für die Phase des bevorstehenden Übergangs Materialien für „Vorschulkinder“ auf den Markt gebracht. Möglicherweise ist der Begriff „Vorschulkind“ daher ein „Gebrauchs-Begriff“, der im offiziellen Schulsystem so nicht verwendet wird. Lexikalisch-semantische Graduonymie 210 Als inkompatibler Partner zu Schulkind findet sich zudem in den Belegen (innerhalb eines Satzes 36 Belege) der regional markierte (Schweiz) synonymische Partner von Kindergartenkind - Kindergärtler (Kindergärtler findet sich in den Korpora insgesamt 1625 Mal) (23): (23) Wenn die Schulkinder singen, hören dies die Kindergärtler, und wenn diese mit Düften experimentieren, haben auch die Schülerinnen und Schüler etwas zu schnuppern. (St. Galler Tagblatt, 4.7.2000, Schulhaus als „Haus der Sinne“) Als Kookkurrenzpartner von Kindergartenkind und Vorschulkind ist auch das dem Schulkind semantisch nahe stehende Wort Schüler häufiger vertreten. Die feinen semantischen Unterschiede in der Verwendung von bedeutungsnahen Wörtern können mit Analyseverfahren der Kontrastierung von Beinahe-Synonymen (Modul Contrasting Near-Synonyms) der Kookkurrenzdatenbank CCDB sehr gut ermittelt werden. Durch die Erstellung einer kombinierten Merkmalskarte für Schulkind und Schüler wurde festgestellt (siehe Abb. 25), dass beide Wörter häufig Überlappungen in ihrem Gebrauch aufweisen, sich aber dennoch durch ihre Verwendung in spezifischen thematischen Kontexten unterscheiden: Schüler wird als mit Bezug auf das Schulsystem typisches Wort gebraucht (häufige Kookkurrenzpartner sind z.B. Notendurchschnitt, Abitur, schulisch, Lehramt etc.); Schulkind zeigt deutliche Kontexte auf, die sich auf das Alter beziehen und Schulkind als Kookkurrenzpartner mit den Elementen der hier analysierten Paradigmatik von Kind verbinden (z.B. Kleinkind, Krabbelstube, Hort, Betreuungsangebot, Tagesmutter, Säugling etc.). Die anhand der Beleganalyse erzielten Ergebnisse haben die auf dem graduellen Kontrast basierenden graduonymischen Beziehungen der ursprünglich erstellten Graduonymiereihung bestätigt. Grafisch dargestellt (siehe Abb. 26) kommt dabei eine Reihe mit dem Hypergraduonym Kind zustande. Korpusanalysen zu graduonymischen Reihen 211 Verkehrsteilnehmer Radfahrer Fußgänger Tourist Zweiradfahrer Fahrgast Kugelhagel Fahrradfahrer Schulform Realschule gymnasial Gesamtschule Förderstufe Leistungsgruppe Orientierungsstufe Realschulklasse Abgänger berufsbildend Berufsschule Bildungsgang Handelsschule Realgymnasium Lehranstalt Handelsakademie Maturant Abiturient Abschlußprüfung Abschlussprüfung Absolvent Reifeprüfung Notendurchschnitt Abschlusszeugnis Bube Knirps Säugling Bub Mädchen Junge Schulmädchen Spielkamerad Mitschüler Klassenkamerad Schulkamerad Knabe Mitschülerin Schülerin Unterstufe Grundschule Schulstufe Schule Schülergruppe Schulbank Klasse Realschüler Hauptschüler Berufsschüler Gymnasiast schulisch Schulzeit Abschlußklasse Abschlussklasse Betriebspraktikum Projektarbeit Student Lehramt Hauptfach Hauswirtschaft Allgemeinbildung büffeln Kleinkind behindert behindern übergewichtig schwerstbehindert Lebensmonat Senior gehörlos Eltern Kind Grundschulkind verhaltensauffällig schulpflichtig Vorschulalter Einschulung Jugendliche Integrationsklasse Deutschunterricht Unterrichtszeit Vorschule Förderunterricht muttersprachlich sonderpädagogisch Regelklasse unterrichten Schulstunde unterrichtet Sekundarstufe Schuljahr Unterricht Jahrgangsstufe Musikunterricht Fachlehrer Leistungskurs Unterrichtsfach Wahlpflichtfach Pflichtfach Arbeitslehre Latein Fächer Kindergärtnerin Tagesmutter Erzieherin Sprößling Sprössling berufstätig Erzieher betreuen Hortkind ganztags körperbehindert Grundschulalter Flüchtlingskind Kindergartenalter beaufsichtigt Vorschulkind Grundschüler Volksschüler Grundschulklasse Schulklasse eingeschult einschulen Schulanfänger Schulalltag Oberstufenschüler Mittelstufe Viertklässler Lehrperson Lehrerin Primarschule Schultag Oberstufe Schulversuch Schülerzahl Stundentafel Klassenverband musisch Waldorfschule Musiklehrer Lehrstoff Krabbelstube Betreuungsangebot Hort Krippe Kinderkrippe Kindergarten Mittagstisch Kindertagesstätte Hausaufgabenhilfe Deutschkursus nachmittags Schulsozialarbeit Sprachförderung ganztägig Hausaufgabenbetreuung Freizeitgestaltung Schulweg nichtdeutsch Verkehrserziehung Fahrschüler Herbstferien Schularbeit Heilpädagogin Einmaleins Musikschüler Primarschüler Schulrat Zweitklässler Hauswart Drittklässler Schulhaus Seminarist Kollegium Schulfest Schulleitung Schulleiter Schülerschaft Elternbeirat Pausenhof Elternverein © Cyril Belica: Modelling Semantic Proximity - Contrasting Near-Synonyms (version: 0.21, init tau: 0,4, dist: x, iter: 10000 Schulkind Schüler Abb. 25: Lexikalische Merkmalskarte für das Wortpaar Schulkind/ Schüler Lexikalisch-semantische Graduonymie 212 KIND Neugeborenes < Säugling < Kleinkind < Kind < Kindergartenkind < Vorschulkind < Schulkind KINDERGARTENKIND Abb. 26: Graduonymisches Paradigma von Kind (zweite Variante) Das Korpusverfahren hat die von uns vorgeschlagene zweite Variante der Graduonymiereihung von Kind um ein weiteres Mitglied Kindergartenkind erweitert, das gegenüber Vorschulkind einen hypergraduonymischen Status hat. Als regionaler synonymischer Partner von Kindergartenkind wurde Kindergärtler gewonnen. Auf diese Weise können die Graduonymiereihungen semantisch und strukturell anhand von gezielten Suchabfragen und Überprüfung der Kookkurrenzprofile der Wörter analysiert werden. c) dritte Variante: Neugeborenes < Säugling < Kleinkind < Kind < Kindergartenkind < Vorschulkind < Schulkind < Jugendlicher < Erwachsener Die nächste Alternative der graduonymischen Paradigmatik von Kind wäre die ausführlichere Reihenfolge inklusive Komposita, die in authentischen Texten des Sprachgebrauchs ausreichend belegt ist. Die kontrastive Verwendung der Reihenmitglieder basiert auf der Aneinanderreihung, die sich gemäß ihrer graduonymischen Natur durch die Kennzeichnung verschiedener Abschnitte des Lebens manifestiert. Zum kontrastiven Gebrauch der Ausdrücke siehe die Korpusbelege in (24) und (25): (24) Mit Farbe, Papier, Ton und allem was Spaß und Freude bringt, gibt das Team der Kreativität von Kindergarten- und Schulkindern, Jugendlichen, Eltern und Erwachsenen Raum. (Mannheimer Morgen, 23.9.2004, Kunst für Klein und Groß) (25) Eine Sprachberatung für Vorschul- oder Schulkinder, Jugendliche und Erwachsene mit Sprachschwierigkeiten findet im Gesundheitsamt des Main-Taunus-Kreises, Am Kreishaus 1-5 am nächsten und übernächsten Montag von 14.30 bis 16 Uhr statt. (Frankfurter Allgemeine Tageszeitung, 24.3.2001) Korpusanalysen zu graduonymischen Reihen 213 Die gesamte Gruppe wird wie in der ersten Variante der Kind-Reihe unter „Entwicklungsstadium des Menschen von der Geburt bis zum Erwachsenenalter“ subsumiert (Abb. 27). Neugeborenes < Säugling < Kleinkind < Kind < Kindergartenkind < Vorschulkind < Schulkind < Jugendlicher < Erwachsener ‘Entwicklungsstadium eines Menschen von der Geburt bis zum Erwachsenenalter’ GRADUONYMIE S Y N O N Y M I E Baby Kindergärtler Schüler INKOMPATIBILITÄT Abb. 27: Graduonymisches Paradigma von Kind (dritte Variante) Im vorliegenden Fall sind drei synonymische Paare Säugling - Baby, Kindergartenkind - Kindergärtler und Schulkind - Schüler aufgeführt, die an genau der gleichen Stelle in der graduonymischen Reihe stehen. Laut der durchgeführten Frequenz- und Beleganalyse in COSMAS hinsichtlich der Wörter Säugling und Baby wurde festgestellt, dass beide Wörter durch eine dominante synonymische Verwendung gekennzeichnet sind. Durch die Überprüfung der Kookkurrenzprofile der Wörter wurde Kindergartenkind entdeckt und als regional markierter synonymischer Partner zu diesem Wort Kindergärtler extrahiert. Auch die Unterschiede zwischen Schulkind und Schüler konnten mithilfe des Moduls Contrasting Near-Synonyms innerhalb der Kookkurrenzdatenbank CCDB gezeigt werden. Noch eine für die Kind-Reihe typische relevante Erscheinung ist, dass die Wörter am häufigsten in Bezug auf das Ko-Vorkommen im Korpus in Aneinanderreihungen auftreten. Zum Schluss werden die gewonnenen Korpusdaten zu den Ergebnissen der durchgeführten Online-Befragung zur Graduonymie des Deutschen in Beziehung gesetzt. Die Kind-Reihe ist eine der 71 Reihungen, die von 43 Versuchspersonen bewertet wurden. Die Probanden wurden aufgefordert, die in alphabetischer Reihenfolge vorgelegten acht Wörter Erwachsener, Jugendlicher, Kind, Kleinkind, Neugeborenes, Säugling, Schulkind, Vorschulkind in eine Reihenfolge zu bringen. Die Lexikalisch-semantische Graduonymie 214 erwartete Reihe der Graduonyme war: Neugeborenes < Säugling < Kleinkind < Kind < Vorschulkind < Schulkind < Jugendlicher < Erwachsener. Tabelle 36 veranschaulicht die Varianten von Anordnungen, die sich nach den Wahrnehmungen von Testpersonen ergeben haben. Der Tabelle kann man entnehmen, ob und inwiefern die hypothetische Skala, Probandenurteile und Korpusergebnisse konform gehen. Varianten & Probanden (43) (%) Anordnung der Wörter nach der Beurteilung von Probanden V1 (33) (76,9%) Neugeborenes Säugling Kleinkind Kind Vorschulkind Schulkind Jugendlicher Erwachsener V2 (4) (9,3%) Neugeborenes Säugling Kleinkind Vorschulkind Kind Schulkind Jugendlicher Erwachsener V3 (1) (2,3%) Neugeborenes Säugling Kleinkind Vorschulkind Schulkind Kind Jugendlicher Erwachsener V4 (1) (2,3%) Neugeborenes Säugling Kleinkind Kind Schulkind Vorschulkind Jugendlicher Erwachsener V5 (1) (2,3%) Säugling Kleinkind Vorschulkind Schulkind Kind Jugendlicher Erwachsener V6 (1) (2,3%) Säugling Kleinkind Kind Vorschulkind Schulkind Jugendlicher Erwachsener V7 (1) (2,3%) Neugeborenes Säugling Kleinkind Vorschulkind Schulkind Jugendlicher Erwachsener V8 (1) (2,3%) Neugeborenes Kleinkind Kind Vorschulkind Schulkind Jugendlicher Erwachsener Tab. 35: Sprecherurteile für die Paradigmatik von Kind Korpusanalysen zu graduonymischen Reihen 215 Mehrheitlich entscheiden sich 33 Probanden (76,7%) für die Reihenfolge in V1. Diese Reihe stimmt genau mit der vorausgesagten Reihenfolge überein, deren Validität die Korpusbefunde dokumentiert haben. In V2 wird Kind von vier Testpersonen (9,3%) zwischen Vorschulkind und Schulkind angeordnet. Die Anordnung in V3 und V5 unterscheidet sich von der in V1 und V2 auch durch die Stellung von Kind, indem Kind nach Schulkind, sozusagen an der Endphase der Kindheit und vor dem Jugendlichen eingestuft wird. In V5 wird zusätzlich das Wort Neugeborenes bei der Bewertung nicht berücksichtigt. Das Urteil in V4 könnte sowohl als Tippfehler angenommen werden als auch als variierende Verwendung des Wortes Vorschulkind im konkreten Sprachgebrauch. Sollte ein Vorschulkind in der Schule sein, könnte eine graduonymische Reihe mit dem Oberbegriff Schulkind folgenderweise lauten: Vorschulkind < Grundschulkind < Mittelschulkind < Oberschulkind. In den Bewertungsvarianten V5-V8 wird jeweils einmal ein Wort ignoriert. Die Sprecherurteile in V5, V6 und V8 legen die Vermutung nahe, dass auf der Skala Neugeborenes < Säugling < Kleinkind sowohl Neugeborenes als auch Kleinkind mit Säugling in einer semantisch nahen Beziehung stehen, weswegen die Probanden sich nur für das eine Wort entschieden haben. Das sind lediglich einzelne Bewertungen; insgesamt gibt es keine Nennung, die der vermuteten Abfolge Neugeborenes < Säugling < Kleinkind widerspricht. Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass die Ergebnisse der Befragung mit den Korpusdaten übereinstimmend sind. Die kleinen Differenzen beziehen sich hauptsächlich auf die Stellung von Kind auf der Skala und hängen mit seiner übergreifenden Bedeutung für die Wörter in den bestimmten Phasen der Kindheit zusammen. Kind schwankt bei der Einordnung zwischen Kleinkind und Jugendlicher. Das ist ein interessanter und nachvollziehbarer Aspekt der Graduonymie, die auch bei den anderen in Korpus zu analysierenden Wörtern zu beobachten ist. Insgesamt haben die Umfrageergebnisse die Ergebnisse der Beleganalyse bestätigt. Die Korpusanalyse hat zusätzlich die durch die Probanden evaluierte Reihenfolge erweitert: Die Lücke zwischen Kleinkind und Vorschulkind wurde durch Kindergartenkind ergänzt. Für manche Wörter der Gruppe wurden im Laufe der Analyse synonymische Partner gewonnen. Lexikalisch-semantische Graduonymie 216 So kann aufgrund der Korpusanalyse und der Befragung mit positiven Bewertungen von Probanden die folgende Reihenfolge als stabile graduonymische Reihenfolge betrachtet werden: Neugeborenes < Säugling < Kleinkind < Kind < Kindergartenkind < Vorschulkind < Schulkind < Jungendlicher < Erwachsener. Insgesamt lassen sich für Kind-Wörter je nach Komplexität drei unterschiedliche Reihen bilden, die miteinander kompatibel sind. Die aufgestellten Hypothesen zur Realisierung des Graduonymie-Phänomens in der Kind-Reihe haben sich in der Korpusuntersuchung hauptsächlich bestätigt. Zwischen den Wörtern der Kind-Reihe besteht überwiegend die semantische Relation der Gradualität. Sie bezeichnen verschiedene Altersstufen und stehen folglich in einer „älter als- oder jünger als“-Relation zueinander. Kind übernimmt für die Reihenmitglieder je nach Bedeutungsdimension involvierter Einheiten die Hypergraduonym-Funktion. Darüber hinaus liefert die Kind-Reihe deutliche Hinweise, die die Auffassungen aus dem theoretischen Teil der Arbeit und den Ergebnissen der Sprecherbefragungen zum Verhältnis der Nachbar-Graduonyme bestätigen. Die Korpusbeispiele zeigen eine referenzidentische Verwendung zwischen benachbarten Graduonymen, die sich auf die Oberbegriff-Funktion eines Graduonyms zu seinem Nachbar bezieht. 5.6 Die Analyse der Paradigmatik von Wind Zu den erstellten Graduonymiereihungen gehört eine graduonymische Reihe mit dem Hypergraduonym Wind mit gemäß den Vermutungen folgender Struktur: Brise < Bö < Wind < Sturm < Orkan. Das Stichwort Wind ist in elexiko mit drei Lesarten ausführlich bearbeitet. Die Bedeutungserläuterungen zu den einzelnen Lesarten sind in elexiko folgenderweise dargestellt: - Lesart ‘bewegte Luft’: Mit Wind bezeichnet man Luft (im Freien), die sich spürbar (aus einer bestimmten Richtung in eine andere Richtung) bewegt. - Lesart ‘entweichendes Gas’: Mit Wind bezeichnet man meist unangenehm riechende Gase, die aus dem Darm durch den After entweichen. 83 83 „Die Lesart ‘entweichendes Gas’ ist eine Euphemisierung der Lesart ‘bewegte Luft’.“ (Siehe in elexiko den Wind-Artikel.) Korpusanalysen zu graduonymischen Reihen 217 - Lesart ‘Familienname’ - Wind ist ein Familienname. Die Wörter der oben genannten Reihenfolge Brise < Bö < Wind < Sturm < Orkan werden innerhalb der Lesart ‘bewegte Luft’ in unterschiedlichen paradigmatischen Beziehungen repräsentiert (siehe elexiko- oder DeReKo-Belege zur Paradigmatik Wind). • Brise und Sturm sind synonymische Partner von Wind: (26) Die Brise in der Bucht von Essaouira ist immer frisch, selbst wenn im 180 Kilometer entfernten Marrakesch das Thermometer auf über 40 Grad steigt. „Der Wind wird auch frisch sein für die anvisierten Golfspieler, denen Investoren ein ‘unvergessliches Erlebnis’ prophezeien“, führt Dona an, die mit Nachbarn dem Großprojekt auf den Grund gehen will. (die tageszeitung, 15.10.2005, S. 14, Arganöl macht frei) (27) In den Einfallsschneisen dieser alles austrocknenden Stürme wurden Hecken gepflanzt, endlose grüne Mauern, die aber die Gewalt der Winde und das Vordringen der Dünen nicht aufhalten. (die tageszeitung, 10.11.2006, S. 1, 6-7, Spätes Erwachen im Treibhaus China) • Sturm ist Parteronym von Wind: (28) Bei dem Fischerort Majahual rund 50 Kilometer nördlich der Stadt Chetumal an der Grenze zwischen Mexiko und Belize war der Sturm mit Winden von bis zu 300 Stundenkilometern um 4.30 Uhr (Ortszeit) an Land geprallt. (dpa, 21.8.2007, (Zusammenfassung 1715) Hurrikan «Dean» erreicht mexikanische Halbinsel Yucatán) • Bö ist Partonyme von Wind: (29) Die 60. Hahnenkamm-Rennen in Kitzbühel begannen mit einer Absage. Wegen starkem Wind [sic! ] mit Böen über 100 km/ h und Regen wurde gestern das erste Abfahrtstraining abgesagt. (Vorarlberger Nachrichten, 19.1.2000, S. 1, In Kitzbühel heißt es: Bitte warten) • Bö, Orkan und Sturm sind innerhalb von „Sonstigen Beziehung(en)“ von Wind: (30) Der starke Wind hatte das Auto regelrecht von der Fahrbahn gefegt. In der Gegend erreichten die Böen Spitzengeschwindigkeiten von 150 Kilometern in der Stunde. (Vorarlberger Nachrichten, 9.12.2000, S. D12, Tote und mehrere Verletzte bei schweren Unwettern in Spanien) (31) Wegen des Orkans an der westfranzösischen Küste hat sich Ölpest [sic! ] nochmals verstärkt. Stürmische Winde verteilten das Öl aus dem am 12. Dezember zerbrochenen Tanker „Erika“ über mehr als 400 Kilometer der bretonischen Küste. (die tageszeitung, 29.12.1999, S. 7, Regierung kann das Öl nicht stoppen) Lexikalisch-semantische Graduonymie 218 (32) Laut Wetterprognosen soll heute ein Sturm (mit wenig Schneefall) hereinbrechen. Für morgen Freitag sind nur noch leichte Winde vorausgesagt. (Züricher Tagesanzeiger, 3.12.1998, S. 56, Zwischen Versäumnissen und positiven Zeichen) Wie aus den elexiko-Angaben hervorgeht, kann ein und dasselbe Wort (z.B. Bö oder Sturm) innerhalb einer Lesart ein semantisch verschiedenartiges Verhältnis zu Wind haben. Im Unterschied zum Paradigma von Kind ist eine strikte Aneinanderreihung des gemeinsamen Auftretens der Wind-Wörter in den Textsammlungen sehr selten anzutreffen. Da die Analyse durch die KWIC -Ansicht von Suchwörtern in kleinen Abständen in diesem Zusammenhang weniger informativ ist, wurde die Verifikation der Daten mithilfe der Satzabstandsoperatoren durch die Überprüfung von Gesamtvolltexten durchgeführt. Die relevanten Erscheinungen zwischen den Wörtern werden anhand von Belegen illustriert. Aus diesem Grund werden die Elemente der Wind-Gruppe systematisch paarweise analysiert, um präzise Erkenntnisse über das Verhältnis der Wörter zueinander zu gewinnen. Jedes Wort der Reihe wird mit jedem nächststehenden Wort verglichen. Ein Vergleich bzw. eine Suchabfrage in der umgekehrten Reihenfolge wird nicht durchgeführt, denn die Suchanfrage bezieht sich auf eine beliebige Reihenfolge der Suchwörter. Es handelt sich folglich um folgende Wortpaare: - Brise - Wind - Brise - Sturm - Brise - Orkan - Brise - Bö - Bö - Wind - Bö - Sturm - Bö - Orkan - Sturm - Wind - Sturm - Orkan - Orkan - Wind Angesichts des Umfangs der Datenmengen wird die Analyse von hochfrequenten Ausdrücken jeweils aufgrund 100 durch Zufallsauswahl extrahierter Belege durchgeführt, denn ihr Vorkommen muss in unterschiedlichen Quellen und Jahrgängen überprüft werden. Eine statistische Angabe zur Ermittlung der Häufigkeit der dominanten se- Korpusanalysen zu graduonymischen Reihen 219 mantischen Relation zwischen Ausdrücken, wurde für das Paradigma von Wind nicht durchgeführt, da es sich oftmals nicht einfach feststellen lässt, um welche semantische Relation zwischen Ausdrücken es sich überhaupt handelt. Dies betrachtet auch Storjohann als Problem bei der Wortartikelbearbeitung in elexiko: Während der Wortartikelbearbeitung standen die LexikografInnen immer wieder dem Problem der klaren Relationsabgrenzung gegenüber. Bestimmte Relationen, wie z.B. Synonymie und Inkompatibilität oder Synonymie und Hyperonymie lassen sich u.U. im kontextuellen Gebrauch nur schwer voneinander abgrenzen. Hierfür muss künftig nach zusätzlichen Differenzierungskriterien gesucht werden, um eine leichtere Einordnung zu ermöglichen. (Storjohann 2005, S. 262f.) BRISE Analyse von Brise und Wind &Brise/ s1 &Wind (260 Treffer; Stand: 12.8.2008) Wie bereits erwähnt, ist Brise in elexiko als Synonym zu Wind repräsentiert. Wie bereits oben mehrmals erwähnt, wird bei den auf der Skala in einer engen Nachbarschaft stehenden Wörtern neben einer deutlichen Differenzierung auch ein äquivalenter Gebrauch beobachtet. Diese Arbeit unterscheidet diese Erscheinung von der Synonymie und konstatiert, dass nah aneinander liegende Wörter einer Graduonymie- Skala in bestimmten Kontexten gegeneinander ausgetauscht werden können. In den meisten Fällen hängt dies mit der Hypergraduonym- Funktion des einen Graduonyms zu dem anderen zusammen. In den Korpora finden sich mehrere Belege, in denen Brise zu Wind nicht nur synonym, wie es in elexiko behandelt wird (33), sondern aufgrund gradueller Ausprägung der Windstärke graduonymisch (34) verwendet wird. (33) Denn manchmal haben wir hier ganz komische Winde.“ Diese merkwürdigen Brisen bekommen dann auch die Passagiere zu spüren. (Frankfurter Rundschau, 11.9.1999, S. 4, Ressort: REISE, Auf dem Ijsselmeer lockt der herrlich altmodische Charme der Braunen Flotte) (34) Hier bläst ständig eine frische Brise, oft ein scharfer Wind aus immer wieder wechselnden Richtungen, der die Bälle in weitem Bogen vom Kurs abtreibt. Und hier bestimmt der Caddie, wie das Spiel gespielt wird. (Die Zeit, 19.7.1985, S. 42, Ein Birdie an Loch sechs) Lexikalisch-semantische Graduonymie 220 Die Belegsammlungen dokumentieren zudem, dass Brise als Teil (Partonym) von Wind auftritt (35). (35) Der Wind rauscht mit einer steifen Brise vom Ozean her durch die Sanddünen, geschmeidig biegen sich die hohen verdorrten Grasbüschel. Die Wellen laufen auf dem flachen Sandstrand aus. (Frankfurter Allgemeine, 13.3.1997, Kein Zirkusspektakel mit Pinguinen Auf der Otago-Halbinsel in Neuseeland) Im folgenden Textteil (36) fungiert Wind als Oberbegriff zu Brise: (36) Wind kann selbst dann Schrecken verbreiten, wenn er als laues Lüftchen säuselt. Als Ende Februar in Großbritannien die Maul- und Klauenseuche ausbrach, konnte schon eine leichte Brise Landwirte ängstigen, deren Höfe nahe bei verseuchten Tierherden lagen. (Mannheimer Morgen, 4.10.2001, Ressort: Welt und Wissen, Der Wind bringt Bewegung in die Natur - aber das ist nicht immer ein Grund zur Freude) Eine seltene Verwendung demonstriert darüber hinaus Brise Wind als „Portion“, 84 bei der Brise eine Funktion als Quantor hat (37) (Gesamtanzahl in Korpora 13 Mal; Stand: 12. August 2008). (37) „Sankt Peter-Ording ist ideal für Strandsegler. Ein vierzehn Kilometer langer Sandstrand und ständig eine Brise Wind. Was will man mehr? “ (Frankfurter Allgemeine, 6.9.1999, Gegen den Wind) Die Korpusbelege illustrieren überdies die zahlreiche figurative Verwendung der Suchwörter. In den Texten aus Politik, Kunst und sozialem Leben zeigen Wind und Brise eine metaphorische graduonymische (38) Beziehung zueinander. Sie werden aber auch in bestimmten Kontexten gegeneinander ausgetauscht (39). (38) Und wenn man natürlich befriedigt zur Kenntnis nimmt, dass der ausrichtende SWR auch künftig auf Sponsorengelder setzen kann, das Festival also mittelfristig nicht gefährdet ist, würde man sich doch wünschen, dass ab und an mal das Fenster aufgeht und ein frischer, aufmunternder Wind in die Residenzstadt auf der Baar weht. Keinen Wind, aber ein paar Brisen gab’s immerhin doch. (Mannheimer Morgen, 25.10.2002, Ressort: Feuilleton, Die Klangbaustelle oder im Affenhaus gibt’s Spiegelei) (39) Da braucht es schon etwas frischeren Wind im nationalen Unhöflichkeits-Wettbewerb. Und diese Brise weht mal wieder aus Ost/ Nordost. (Berliner Zeitung, 28.8.2002, S. 24, Ressort: Lokales, Wer hier klaut, stirbt) 84 Wie z.B. Prise Salz, Zucker etc. Korpusanalysen zu graduonymischen Reihen 221 Analyse von Brise und Sturm &Brise / s1 &Sturm (52 Treffer; Stand: 23.3.2009) Das gemeinsame Auftreten der Suchwörter Brise und Sturm ist in den Korpora in gegebenem Suchabstand als paradigmatische Relationspartner nicht sehr frequent. Fast in allen gelieferten Kontexten sind die Ausdrücke durch eine kontrastive Verwendung gekennzeichnet, die innerhalb unterschiedlicher syntagmatischer Indikatoren als solche klar zum Vorschein kommen. Diese sind z.B.: - Der wilde Sturm wird zur leichten Brise - Dem anfänglichen Sturm folgte eine schwache Brise - Das war eine milde Brise, jetzt ist Sturm angesagt - Von der sanften Brise bis zum heftigen Sturm - Nur leichte Brise, aber keinen Sturm - Mal brausend wie ein Sturm, mal klingelnd wie eine sanfte Brise - Statt rauher Stürme, nur leichte Brise Die Gegenüberstellung anhand von „werden“ zeigt evident, dass zwischen Brise und Sturm nicht nur irgendeine Inkompatibilität vorliegt; es präsupponiert, dass es eine Dimension geben muss, entlang der eine Veränderung stattfindet, und diese Dimension interpretiert man hier als eine der Intensität des Windes. Derartige Kombinationen, die eine eindeutige Opposition zwischen den Partnerwörtern signalisieren, werden nicht nur in direkter Bedeutung (40) verwendet, sondern es tauchen mehrere Kontexte auf, in denen ein figurativer Gebrauch (41) sichtbar wird. (40) Wird aus der steifen Brise ein ordentlicher Sturm, geht nichts mehr. Zuerst wird die Brücke für Motorradfahrer und Wohnwagen-Gespanne gesperrt, bei Windgeschwindigkeiten von 25 Meter pro Sekunde schalten die Ampeln auch für Pkw auf Rot. (Berliner Zeitung, 1.7.2000, S. 103, Ressort: Reise, Schneller nach Schweden) (41) Plötzlich schlagen die Dinge um, der wilde Sturm wird zur leichten Brise. Arnulf Rainer, ehemals Freund von Rudolf Schwarzkogler und Mitinitiator des Wiener Aktionismus der 60er Jahre, beschäftigt sich heutzutage mit Blumenbildern im Stil der Romantik und nennt es „Blatt-Malerei“. (die tageszeitung, 3.5.1997, S. 28, Ressort: Kultur, Wie Uwe Johnsons „Jahrestage“ in Pillenform) Lexikalisch-semantische Graduonymie 222 Analyse von Brise und Orkan &Brise / s1 &Orkan (7 Treffer; Stand: 12.8.2008) In insgesamt sieben gelieferten Belegen zeigen die Suchwörter eine kontrastive (graduelle) Verwendung, drei von ihnen zum metaphorischen kontrastiven Gebrauch der Ausdrücke. Eine wörtliche (42) und eine metaphorische Verwendung (43) der Partnerwörter Brise und Orkan veranschaulichen folgende Beispielsätze. (42) „Na, das ist keine steife Brise mehr“, meint Käpt’n Blaubär, „das ist schon fast ein ausgewachsener Orkan! Wir Seefahrer geben die Windstärke in Zahlen an. 1 ist die niedrigste und 13 die höchste Windstärke, aber Windstärke 13 habe ich nur einmal erlebt, nämlich im Polarmeer. Nur dort gibt’s Orkane mit Windstärke 13.“ (Berliner Zeitung, 28.8.1998, S. VI, Ressort, Freizeit, Windstärke 13) (43) Ein italienisches Sprichwort sagt: Den guten Seemann zeigt das schlechte Wetter. Mit Interesse wurde daher beobachtet, wie sich Jörg Haider in Jesolo und Udine den angekündigten Proteststürmen stellte. Wobei es höchstens steife Brisen gab, keinen Orkan: 100 Demonstranten zählte man Samstag in Jesolo, 40 gestern in Udine. (Kleine Zeitung, 11.7.2000, Ressort: Lokal, Wetterlage) Analyse von Brise und Bö 85 &Brise / s1 &Böe (9 Treffer; Stand: 23.3.2009) Die extrahierten Belege zu Brise und Bö zeigen eine figurativ-graduelle Beziehung (4 Mal, siehe den Beispielsatz in (44)) und eine Beziehung der Art „Ist-Teil-Von“ (hier: Bö als Teil der Brise; 1 Mal, siehe den Beispielsatz in (45)). In vier Belegen stehen die Suchwörter einander inkompatibel gegenüber (46). (44) Aus der Brise wird eine Böe, auf dem Zuschauerpodest kommt Stimmung auf. Vorsorglich verteilt das Einlasspersonal viereckige Plastepäckchen. Die sind umsonst, das Publikum greift zu. Könnte es nicht sein, dass der Wind die Wolken vertreibt? (Berliner Zeitung, 14.7.2001 , S. 9, Ressort: Feuilleton, FREILUFT ) 85 Für Bö gibt es auch die Schreibweise Böe. Bei der Suchabfrage wurde hier Böe verwendet. Zum einen gibt es in den Korpora wenige Kontexte, in denen Bö mit einem Partnerwort zusammen vorkommt, wie z.B. Bö - Wind=32 Treffer, Bö - Sturm = 15 Treffer; dahingegen Böe - Wind = 462 Treffer, Böe - Sturm = 378 Treffer etc. Bö gehört im elexiko-Korpus der Frequenzschicht V (101-500 Mal belegt) an, Böe der Frequenzschicht VII (1.001-5.000 Mal belegt). Zum anderen treten viele homographe Wortformen von Bö auf, die das Vorkommen der „falschen Positive“-Treffer verursachen (vgl. hierzu über das Problem von Homographie und Polysemie von Textwörtern Scherer 2006, S. 42-45). Korpusanalysen zu graduonymischen Reihen 223 (45) Dem südafrikanischen Weltranglistenzweiten Ernie Els verdarb die steife Brise mit Böen bis zu 50 Stundenkilometern fast schon die Titelverteidigung. Nach 78 Schlägen und Platz 101 muß er bangen, die Qualifikation für die beiden Schlußrunden zu überstehen. (FrankfurterAllgemeine, 18.7.2003, Woods sucht den Ball und die Bestform SANDWICH ) (46) Heute, Freitag, erwartet Woods, so die Vorhersagen, wieder schlechtes Wetter mit steifen Brisen und starken Böen in den Nachmittagsstunden - dann, wenn er abschlägt. (Die Presse, 17.7.1998, Ressort: Sport, Der Tiger zeigt wieder Zähne) BÖ Analyse von Bö und Wind &Böe / s1 &Wind (461 Treffer; Stand: 12.8.2008) Bö ist in elexiko als Parteronym von Wind behandelt. In den DeReKo- Textsammlungen zeigt sich ein häufiger Indikator einer Teil-Ganzes- Beziehung zwischen diesen Ausdrücken in den Verknüpfungen wie Wind mit Böen ... 47) oder Wind in Böen ... (48). (47) Es weht kräftiger Wind mit stürmischen Böen aus Südwest bis West. Die Temperaturen erreichen wieder 15 bis 20 Grad. Der Mittwoch startet neblig, danach scheint zeitweise die Sonne und es bleibt meist trocken. Die Höchstwerte liegen bei 14 bis 19 Grad. (dpa, 23.10.2006, Die Woche beginnt in Deutschland unbeständig und windig) (48) Er steht da, vor dem Denkmal der Toten, das den ehemaligen Fischereihafen Muynak beherrscht, und sagt gar nichts mehr. Der Wind jagt in Böen auf die Dünen nieder, die sich bis zum Horizont angehäuft haben. (die tageszeitung, 20.1.1996, S. 20, Ressort: Reise, Der letzte Kapitän vom Aralsee) Parallel zu seiner partonymischen Beziehung zu Wind wird Bö in elexiko in der Gruppe der „Sonstigen Beziehung(en)“ damit repräsentiert, dass sich Bö (neben anderen Partnerwörtern) durch das Merkmal „Stärke“ von Wind unterscheidet. Bö bezeichnet einen besonders starken und plötzlichen Windstoß. Man kann sich insofern eine graduelle Opposition zwischen diesen Wörtern vorstellen (49). Hierbei werden vor Bö verstärkende Adjektive wie stürmisch, orkanartig, heftig, schwer, stark, kräftig attributiv eingesetzt. (49) Seit dem Wochenende zieren Standbilder seiner EU-Kandidatin Ursula Stenzel das Wiener Straßenbild. Sie sind so lebensecht, daß man erschrickt. Denn bei leichtem Wind wackelt der Kopf, wie man das von Lexikalisch-semantische Graduonymie 224 der einstigen TV-Moderatorin Ursula Stenzel in Erinnerung hat. Freilich bleibt es nicht bei leichtem Wind. Stärkere Böen haben dazu geführt, daß Stenzel-Bilder zwar ohne Kopf, aber mit EU-Slogans die Straßen zieren. (Oberösterreichische Nachrichten, 7.10.1996, Ressort: Politik; Kopflose Spitzenkandidatin) Eine statistische Analyse zur Ermittlung semantischer Beziehungen von Bö und Wind war nur hinsichtlich einer Teil-Ganzes-Beziehung möglich, bei der die Indikatoren eine Rolle spielen; in 63 Fällen von insgesamt 100 Belegbeispielen wird Bö als Teil (Portion, Maßeinheit) des Windes verwendet. Analyse von Bö und Sturm &Böe / s1 &Sturm (375 Treffer; Stand: 12.8.2008) In fast allen der 100 erhobenen Belegbefunden zu Bö und Sturm steht eine Beziehung der Art ‘Ist-Teil-Von’ (nach elexiko) im Vordergrund. Bö bezeichnet einen starken Windstoß und wird insofern in der Sprachverwendung als Teil (als Partonym) des Sturms (des Parteronyms) gebraucht. Im ausführlich bearbeiteten Wind- und Sturm-Artikel in elexiko wird Bö laut Belegbeweisen als Teil von Wind und Sturm repräsentiert. Im Folgenden werden Beispielsätze (50 und 51) zu diesen Auffassungen angeführt: (50) Der Fahrzeugverkehr brach teilweise zusammen, sagte Polizeisprecher Helmut Hahs. Stellenweise waren Sturm und Regen so stark, daß sie Fensterscheiben in Häusern eindrückten. Böen deckten die Dächer einiger Häuser ab. (Berliner Zeitung, 7.7.1999, S. 29, Ressort: Lokales; Frankfurt versank in Unwetterfluten) (51) Der Regen soll langsam nachlassen. An der Nordsee droht jedoch eine Sturmflut. Über Norddeutschland fegte am Montag ein Sturm mit Böen bis Stärke 12 hinweg. (Zeitung, 29.1.2002, S. 8, Ressort: Vermischtes; Hochwasser überflutet Altstadt von Sonneberg) Analyse von Bö und Orkan &Böe / s1 &Orkan (57 Treffer; Stand: 12.8.2008) Alle extrahierten Belege weisen darauf hin, dass zwischen Bö und Orkan ebenfalls eine Teil-Ganzes-Beziehung besteht (siehe Beispiele in 52 & 53), wie es bei Wind und Sturm vs. Bö zu beobachten war. Korpusanalysen zu graduonymischen Reihen 225 (52) Der Orkan hatte in Böen beispielsweise in Cuxhaven bis zu 12 Windstärken erreicht. Eine Sturmflut an der Nordseeküste und auf Sylt sowie Föhr und den Halligen wollte das Hamburger Seewetteramt nicht ausschließen. (die tageszeitung, 2.4.1994, S. 33, Ressort: Hamburg Aktuell, Gnädiger „Kundry“, trübe Aussichten) (53) Ein schwerer Orkan mit Böen von rund 150 Kilometern pro Stunde ist am Wochenende über Westeuropa hinweggefegt und hat mindestens zwölf Menschen den Tod gebracht. (die tageszeitung, 28.10.2002, S. 2, Ressort: Aktuelles, Tödliche Herbststürme) STURM Analyse von Sturm und Wind &Sturm / s1 &Wind (1.586 Treffer; Stand: 12.8.2008) Unter den Elementen der oben angeführten graduonymischen Wind- Gruppe unterscheidet sich Sturm durch wesentlich häufigeres Ko-Vorkommen mit Wind. In elexiko erfolgt für beide Wörter eine detaillierte Klassifizierung hinsichtlich ihrer Bedeutungsbeziehungen: a) sie werden zueinander synonymisch belegt (54); b) sie werden innerhalb einer Teil-Ganzes-Beziehung ausgeführt (Wind als Teil von Sturm (55)); c) die Relation zwischen ihnen wird innerhalb der sonstigen Beziehungen dargestellt (Sturm als Partnerwort zu Wind, das besonders starken Wind bezeichnet (56)). (54) In den Einfallsschneisen dieser alles austrocknenden Stürme wurden Hecken gepflanzt, endlose grüne Mauern, die aber die Gewalt der Winde und das Vordringen der Dünen nicht aufhalten. (die tageszeitung, 10.11.2006, S. 1, 6-7, Spätes Erwachen im Treibhaus China) (55) Zu technischen Problemen kam in der Nacht zum Sonntag ein Sturm mit Winden von bis zu 120 Stundenkilometern hinzu, der auch andernorts in Frankreich Opfer forderte. (die tageszeitung, 13.12.1999, S. 5, Tankerunglück vor der Bretagne) (56) Grimmig und von Geiz gequält gab ich mich geschlagen. Am späten Abend schlug dafür das Wetter um. Der Wind steigerte sich zum Sturm, die Blitze lagen waagerecht in der Luft und die Piniennadeln wurden zu Blasrohrgeschossen, die unter die Haut gingen. (die tageszeitung, 12.9.2006 , S. 20, das wunder der italienischen zigaretten von REINHARD UMBACH ) Lexikalisch-semantische Graduonymie 226 Die Belegsituation in COSMAS hat die elexiko-Angaben bezüglich der Wörter Wind und Sturm grundsätzlich bestätigt. Die in elexiko als synonymisch behandelte Erscheinung zwischen Wind und Sturm wird im Rahmen dieser Arbeit mit der hypergraduonymischen Funktion von Wind zu Sturm verknüpft, indem sie einander kontextbedingt häufiger ersetzen. Die 100 extrahierten Belege zeigen, dass die kontextuelle Austauschbarkeit und die graduelle Relation zwischen den beiden Ausdrücken in ihrer eigentlichen Bedeutung gleichermaßen präsent sind. Die figurative Gradualität ist zudem stark belegt und zeigt sich vor allem in der Redensart „Wer Wind sät, wird Sturm ernten“ in unterschiedlichen Varianten (57). (57) Der Bundesvorstand der NPD hatte die Anschläge zwar pflichtgemäß verurteilt. Zugleich erinnerte er aber daran, dass die USA „seit ihrer Gründung eine imperialistische Politik” betrieben hätten. „Wer Wind sät, wird Sturm ernten”, so der NPD-Parteivorstand. (die tageszeitung, 15.9.2001, S. 6, Ressort: Themen des Tages, NPD fordert Abzug der „US- Besatzer“) Analyse von Sturm und Orkan &Sturm / s1 &Orkan (578 Treffer; Stand: 27.3.2009) Die Korpuspräsenz des Ko-Vorkommens von Sturm und Orkan ist mit der von Wind und Sturm vergleichbar. In den gewonnenen Textbelegen ist die gemeinsame kontextuelle Verwendung von Sturm und Orkan vorwiegend durch Austauschbarkeit gekennzeichnet, weswegen sie in elexiko als synonymisch verwandte Wörter behandelt werden (58). (58) Zahllose zum Teil schwer Verletzte, viele Tote und Schäden in -zig Millionenhöhe das ist die vorläufige Bilanz des vierten Orkans innerhalb von vier Wochen, der am Montag über Westeuropa hinweggerast ist. Mit Windgeschwindigkeiten bis zu 150 Stundenkilometern hinterließ der Sturm von der bretonischen über die niederländische bis zur bundesdeutschen Nordseeküste und auf dem Festland eine breite Spur der Verwüstung und legte Straßen- und Schiffsverbindungen lahm. (die tageszeitung, 28.2.1990, S. 16, Orkan wütete schwer) Die gegenseitige Austauschbarkeit von Sturm und Orkan in bestimmten Kontexten hängt jedoch mit der Hypergraduonym-Funktion von Sturm zu Orkan zusammen. Es gibt hierfür sprachliche Indikatoren, welche diese Beziehung zwischen Wörtern hervorheben (59 und 60). Hinzu Korpusanalysen zu graduonymischen Reihen 227 kommt noch die Definitionsfunktion des Hypergraduonyms Sturm, welches anhand von Attributen die Eigenschaften von Orkan beschreibt. (59) Wenn es auf der Sonne stürmt. Es gibt viele Arten von Stürmen: Schneestürme, Sandstürme, Orkane und Tornados. (Rhein-Zeitung, 10.6.2011, S. 10, Wenn es auf der Sonne stürmt) (60) Hat der Wind eine höhere Geschwindigkeit als 74 Stundenkilometer, nennt man ihn Sturm. Schwere Stürme heißen hier zu Lande Wirbelstürme oder Orkane. (Braunschweiger Zeitung, 19.1.2007, Ein schwerer Sturm wird auch Orkan genannt) Außerdem sind zahlreiche Kontexte vorhanden, in denen Sturm und Orkan einen evidenten graduellen Kontrast zeigen (61 und 62). (61) Windstärke zehn bedeute „schwerer Sturm“, der bereits Bäume entwurzeln könne. Ebenfalls starker Wind herrsche im äußersten Westen Deutschlands. In Berlin und Brandenburg erwartete man gestern Nachmittag ebenfalls Sturm, jedoch keinen Orkan. (die tageszeitung, 31.10.2000, S. 23; Ressort: Berlin, Orkanwarnung abgeblasen) (62) „Im September und Oktober waren die Hochdrucklagen bestimmend. Das deutet daraufhin, dass es im Winter wenig Westwindlagen geben wird.“ Mit gelegentlichen Stürmen oder gar einem Orkan muss aber gerechnet werden. (Hamburger Morgenpost, 30.10.2006, S. 9, Land unter auf vielen Straßen) ORKAN Analyse von Orkan und Wind &Orkan / s1 &Wind (135 Treffer; Stand: 27.3.2009) Die semantischen Relationen zwischen Orkan und Wind sind hauptsächlich durch graduelle (63), hypergraduonymische (64) und figurativ-graduelle (65) Beziehungen gekennzeichnet. (63) Sie bäumen sich in langen Reihen auf, türmen sich übereinander wie riesige Gebirgszüge. Der Wind bläst immer heftiger und wächst sich zum Orkan aus. (die tageszeitung, 22.7.2000, S. 15, Ressort: Reise, Der Tribut des Eismeers) (64) Jeanett gehört zur Familie der Orkane. Diese Familienmitglieder haben eines gemein: Sie sind Winde, die auf der Beaufortskala den höchsten Stärkegrad zwölf erreichen und damit Geschwindigkeiten von 117 Stundenkilometern und mehr. Alle Orkane sind außertropische Wirbelstürme oder Sturmtiefs. (die tageszeitung, 29.10.2002, S. 13, Ressort: Meinung und Diskussion, Die schreckliche Jeanett) Lexikalisch-semantische Graduonymie 228 (65) Wie schnell sich der Wind zu einem gefährlichen Orkan entwickeln würde, der nicht nur verkrustete Strukturen, sondern auch Tausende Arbeitsplätze wegfegen würde, ahnte kaum jemand. (Die Presse, 2.12.1998, Ressort: Economist, Der „bestgehaßte Mann des Jahres“) Anhand von Korpusbelegen wurden alle oben erwähnten Wortpaare auf ihre Vorkommensmöglichkeiten hin untersucht. In Tabelle 28 wurden die sprachlichen Indikatoren, aufgrund derer die Graduonymie- Relation im Kontext in kleinen Abständen realisiert wird, dargestellt. Gemäß der Natur der Wind-Wörter manifestiert sich die Graduonymie-Beziehung auch anhand anderer sprachlicher Mittel, die eine explizite Steigerung oder Verringerung der Windstärke bezeichnen. Handelt es sich um eine graduelle Steigerung, wird zuerst A und dann B angeführt: A < B. Bezeichnet Sturm einen starken Wind, so kommt im Kontext zuerst Wind, dann Sturm: Wind < Sturm. Unter bestimmten Bedingungen kann auch in der Wind-Reihe auf hypergraduonymische Beziehungen geschlossen werden. Ist ein Wort A vermutlich ein Hypergraduonym, wenn die Belege eine referenzidentische Verwendung von A und B, bei der erst A (Sturm) dann B (Orkan) angeführt wird, aufzeigen (66). (66) Sturm fegt die Gymnasien leer.Orkan sorgt für Schulschluss nach 5. Stunde - Rettungskräfte früh vorbereitet Von unserer Redaktion. (Braunschweiger Zeitung, 19.1.2007, Sturm fegt die Gymnasien leer) In den Kontexten, in denen die Reihenfolge umgekehrt, also zuerst B (Orkan) und dann A (Sturm) angeführt wird, hat Sturm einen allgemeinen und Orkan einen spezifischen Charakter (67). (67) Saisonstart am Buchenberg WAIDHOFEN/ E s war dieses Mal leider kein Winterschlaf, sondern emsiges Arbeiten nach den Verwüstungen, die Orkan Kyrill im Jänner im Waidhofner Natur- und Wildpark verursacht hat. Trotz der enormen Schäden, die der Sturm angerichtet hat, konnten alle Einrichtungen wiederbzw. völlig neu errichtet werden. (Niederösterreichische Nachrichten, 3.4.2007, S. 10, Saisonstart am Buchenberg) Die Belege für Hypergraduonymie-Beziehung wie in der Kind-Reihe („Kind, darunter ein Neugeborenes“ oder „Kind (ein Säugling)“) konnte man in Korpusbeispielen zur Wind-Reihe selten beobachten. Die Parteronymie-/ Partonymie-Relation ist für Wind-Wörter charakteristisch. Auf Parteronymie-/ Partonymie lassen sich sprachliche Indikatoren X in Y und X mit Y schließen: Wind jagt in Böen, Sturm mit Winden. Korpusanalysen zu graduonymischen Reihen 229 In Tabelle 36 werden die semantischen Relationen (in direkter Bedeutung) aufgeführt, die mithilfe der paarweisen Analyse der Wind-Wörter in den Korpora ermittelt wurden. Wortpaare & Beleganzahl 87 Graduonymie Parteronymie/ Partonymie Hypergraduonymie Brise - Wind (100 aus 260) + + + Brise - Sturm (52) + - - Brise - Orkan (7) + - - Brise - Bö (9) + + - Bö - Wind (100 aus 461) + + - Bö - Sturm (100 aus 375) - + - Bö - Orkan (57) - + - Sturm - Wind (100 aus 1586) + + + Sturm - Orkan (100 aus 578) + - + Orkan - Wind (100 aus 135) + - + Tab. 36: Die in den Korpora zwischen den Wortpaaren ermittelten Relationen Aufgrund der durchgeführten Analyse hinsichtlich des Paradigmas von Wind wurden folgende Beobachtungen gemacht: Es hat sich gezeigt, dass die Wind-Wörter auch andere paradigmatische Beziehungen zueinander eingehen können. Im tatsächlichen Sprachgebrauch zeigt sich diesbezüglich teilweise eine erhebliche Variabilität. Auffällig ist jedoch die Tendenz, dass graduonymische Relationen stärker ausgeprägt sind. Tabelle 36 macht deutlich, wie sich die Elemente der Gruppe zueinander verhalten bzw. welche paradigmatischen Beziehungen sie zueinander eingehen können, und wie oft sie kontextuell gemeinsam auftreten. Es zeigt sich, dass die Gruppenmitglieder eine relativ hohe Frequenz des gemeinsamen Vorkommens mit Wind haben (siehe Häufig- 86 Bei (100) in Tabelle 36 handelt es sich, wie oben erwähnt, um die von der Gesamtbeleganzahl durch Zufallssortierung gewonnenen Daten; alle anderen Zahlen signalisieren die in den Korpora zu den angeführten Zielwörtern zum angegebenen Zeitpunkt in toto vorhandenen Belege. Lexikalisch-semantische Graduonymie 230 keiten in der ersten Spalte in Tab. 36). Wind schließt mit seiner allgemeineren Bedeutung die anderen Gruppenelemente ein und figuriert in der Reihe als Hypergraduonym. Wind wird allein (68) oder durch die attributive Verwendung (69) gegen andere Partnerwörter ausgetauscht: (68) In Basel war es sogar über 13 Grad warm. Bern verzeichnete 2 Grad, Zürich über 6 Grad. Wind beschädigte Fahrleitung. Der Sturm beeinträchtigte auch den Bahnverkehr: Auf der Simplonstrecke verloren die Loks zweier Züge zwischen St. Maurice VS und Aigle VD wegen Wind und Kälte die Stromabnehmer. (St. Galler Tagblatt, 23.12.2009, S. 8, Warme Temperaturen im Norden - 30 Zentimeter Neuschnee im Tessin) (69) Auch die AFG Arena wurde durch den Sturm beschädigt. Wie Center- Manager Marc Schäfer auf Anfrage bestätigte, wurden beim Büro- und Freizeitgebäude durch den heftigen Wind Dachelemente beschädigt. (St. Galler Tagblatt, 11.2.2009, S. 42, Sturm Quinten knickt Bäume) Relativ häufiges Vorkommen zeigen auch die benachbarten Elemente der Reihe Sturm und Orkan oder Brise und Wind, die kontextbedingt gegeneinander flexibel ausgetauscht werden. Aripzhonova (1994) weist in ihrer Arbeit zur usbekischen Graduonymie darauf hin, dass zwischen den benachbarten Gliedern einer graduonymischen Reihe häufig aufgrund eines schwächer ausgeprägten graduierbaren Merkmals auch eine Synonymie-Beziehung existiert (Kap. 2.10). Im elexiko- Wörterbuch werden die Einheiten der Wind-Reihe auch als Synonyme erfasst. Diese Arbeit interpretiert die semantische Relation zwischen benachbarten Graduonymen nicht als Synonymie. Die kontextuelle Austauschbarkeit ist auf die Hypergraduonymie-Beziehung zwischen Nachbarwörtern zurückzuführen. Unsere Analysen haben belegt, dass die Ausdrücke in ihrer Verwendung durch den unterschiedlichen Grad der Variabilität oder Flexibilität ihrer Bedeutung gekennzeichnet sind. Flexible Austauschbarkeit zweier Graduonyme in Kontexten lässt sich in der Tat keine scharfe semantische Abgrenzung zwischen Zielwörtern. Beleg (70) zeigt nicht eindeutig auf, ob es sich bei dem Verhältnis zwischen Wind und Orkan eine Partonymie- oder eine Hypergraduonymie-Beziehung handelt. (70) Nur das pfeifende Geräusch des Windes ist an den weißen Bettenburgen Westerlands zu hören, als der Orkan «Kyrill» auf die Nordseeinsel Sylt trifft. Sonst ist es fast still - kein Mensch spaziert auf der normaler- Korpusanalysen zu graduonymischen Reihen 231 weise mit Touristen bevölkerten Promenade, und auch kein Auto belebt die Straßen. (dpa, 18.1.2007, Kyrill erreicht Sylt. Sandverluste und Dünenabbrüche erwartet.) Mit Bezug auf die obigen Belege werden die Partnerwörter Bö, Sturm, Orkan etc. in elexiko in der Gruppe der „Sonstigen Beziehung(en)“ repräsentiert und an einem Kommentar expliziert: Die Partnerwörter Bö, Hurrikan, Sturm usw. bezeichnen besonders starken Wind 1). Dies zeigt sich in den Kontexten des elexiko-Korpus daran, dass Wind mit Attributen wie stark, mit Geschwindigkeiten bis zu 300 Kilometer pro Stunde usw. verwendet wird 2). Wie die Belege zeigen, wird sprachlich nicht eine Beziehung der Über-/ Unterordnung ausgedrückt (also z.B. „Hurrikan ist eine Art von Wind“) 3), sondern Wind mit den entsprechenden Attributen wird eher mit erläuterndem Charakter bzw. quasi synonym verwendet 4). [Nummerierung durch NV.] Dass die Ausdrücke Bö, Sturm und Orkan (neben Hurrikan, Wirbelsturm und Tornado) einen starken Wind bezeichnen 1), und dass Wind oft mit Attributen 2) verwendet wird, wurde auch im Laufe unserer Korpusanalyse bestätigt. Die Argumentationen in den Punkten 3) und 4), dass dabei „sprachlich nicht eine Beziehung der Über-/ Unterordnung ausgedrückt wird“, sondern Wind „eher mit erläuterndem Charakter bzw. quasi-synonym verwendet“ wird, erscheinen aber fragwürdig. Zu unterscheiden ist im Punkt 3) zwischen einer Über- und Unterordnung als qualitative Spezifizierung im Rahmen einer Gattungs-Art-Beziehung (Hyperonymie/ Hyponymie) und einer auf Gradualität basierender Über- und Unterordnungsrelation innerhalb einer Hypergraduonymie-/ Graduonymie-Beziehung. Wind tritt auch als Oberbegriff für nach unterschiedlichen Merkmalen systematisierte andere Wortgruppen auf, z.B. nach Richtung: Nordwind, Ostwind, Südwind, Westwind; regionale Winde: Monsun, Tornado, Hurrikan, Taifun etc. Ein analoges Beispiel anhand der Paradigmabildung Pferd wird in Abbildung 16 dargestellt. Wie die gewonnenen Daten im Korpus zeigen, hat Wind in der Gruppe eine Hypergraduonym-Funktion. Die Verwendung von Wind mit Attributen hat in der Tat einen erläuternden Charakter, der häufig belegt wird. Gerade unter dieser Bedingung wird auf die hypergraduonymische Rolle von Wind zu den anderen Gliedern in der Gruppe geschlos- Lexikalisch-semantische Graduonymie 232 sen. Durch die semantischen Paraphrasen wie starker Wind, Wind mit Geschwindigkeiten bis zu 300 Kilometer pro Stunde usw. werden kontextuelle Partner von Wind umschrieben und definiert, denn „In der Paraphrase erscheinen linguistisch relevante Seme, wenn man das Hyperonym attribuiert“ 87 (Schippan 1992, S. 211) oder gar umgekehrt; mithilfe der Umschreibungen können die Hyperonyme durch Hyponyme erklärt werden (ebd.). Wie bereits mehrmals erwähnt, hält diese Arbeit fest, dass es sich dabei nicht um eine Synonymie oder Quasi-Synonymie handelt, sondern um eine Hypergraduonymie-/ Graduonymie, aufgrund dessen Relationspartner im Kontext flexibel ausgetauscht werden. Von besonderem Interesse sind das Verhältnis und der Gebrauch von Bö zu anderen Kontextpartnern. Dass Bö einen sehr starken Windstoß von kurzer Dauer bezeichnet, zeigt in der Verwendung eine bedeutungskontrastierende Relation zu anderen Paradigmagliedern; überproportional häufig kommt Bö aber in einer Partonymie-Relation vor. Dafür gibt es zahlreiche und aussagekräftige Belege, in denen Bö als Teil von Winden, Stürmen und Orkanen auftritt. Der eindeutig partonymische Gebrauch von Bö stellt seine Position als Graduonym in der Gruppe in Frage. Um eine klare Aussage diesbezüglich machen zu können, werden unter anderem die Umfrageergebnisse in Betracht gezogen (siehe unten). Nicht unerwähnt bleiben soll die Verwendung der Wörter in Fachtexten. In den Korpora tauchen mehrere meteorologische Texte zur Beschreibung von Wörtern der Wind-Gruppe auf. Das elexiko-Wörterbuch bietet für bestimmte Artikel zusätzliche enzyklopädische Angaben zur Bedeutungserläuterung an. Diese werden in Form von Hinweisen auf zusätzliche Sachinformationen aus anderen Nachschlagewerken präsentiert (vgl. elexiko-Seite). Enzyklopädische Angaben dienen dazu, durch den Hinweis auf Hintergrundwissen die Bedeutungserläuterung im elexiko-Wortartikel verständlicher zu machen und Sachzusammenhänge, die auch bei der Verwendung des jeweiligen Lexems im elexiko-Korpus eine Rolle spielen, deutlich werden zu lassen. Dabei soll die allgemeinsprachliche Bedeutung und Verwendung des Lexems nicht durch den Hinweis auf die fachsprachliche Bedeutung korrigiert werden. 87 Im vorliegenden Fall handelt es sich bei den linguistisch relevanten Merkmalen um die Eigenschaften der Kontextpartner von Wind. Korpusanalysen zu graduonymischen Reihen 233 „Zur meteorologischen Erklärung von Wind wie zu Erklärungen zu Windsystemen und regionalen Winden“ wird in elexiko auf das Geografie-Tutorium der Universität Duisburg und den Artikel in Wikipedia verwiesen. Im Folgenden wird der Wikipedia-Beleg angeführt, der aus dem Korpus gewonnen wurde (71): (71) Dieser Artikel befasst sich mit dem meteorologischen Begriff Wind. Weiteres siehe: Wind (Begriffsklärung). Als Wind wird in der Meteorologie eine gerichtete Luftbewegung in der Atmosphäre bezeichnet. Winde mit Windstärken zwischen 2 und 5 haben die Bezeichnung Brise. Winde mit Windstärken zwischen 6 und 8 bezeichnet man als Wind mit den Abstufungen starker, steifer und stürmischer Wind. Bei Windstärken ab 9 spricht man von Sturm. Winde mit der Windstärke 12 bezeichnet man als Orkan. Eine heftige Luftbewegung von kurzer Dauer bezeichnet man als Bö. (Saperaud; Bertonymus; Martin-vogel; u.a.: Wind, In: http: / / de.wikipedia.org: Wikipedia, 2005) Die Verwendung der Wind-Wörter im Fachtext stimmt also mit der in diesem Kapitel durchgeführten Analyse überein: 1) Wind verfügt in der Gruppe über zwei Funktionen - Hypergraduonym und Graduonym; 2) Brise, Sturm und Orkan kontrastieren innerhalb der Skala Wind mit steigerungsrelevantem Merkmal [+Windstärke]; 3) Bö wird außerhalb dieser Skala definiert. Dessen ungeachtet beruht diese Arbeit bei der Überprüfung der Hypothesen nicht nur auf den Fachtexten. Auch für diese Arbeit ist „die allgemeinsprachliche Bedeutung und Verwendung des Lexems“ von Relevanz, wie es in elexiko betont wird. Nachdem die Korpusverfahren aufgrund der Beleguntersuchung verfolgt wurden, werden im Folgenden die Ergebnisse der Sprecherurteile zum Paradigma von Wind mit den Korpusergebnissen verglichen. Tabelle 37 zeigt, dass Bö von den Informanten an sehr unterschiedlichen Stellen in die Reihe eingefügt oder nicht in der Bewertung berücksichtigt wurde (V4), während die Wörter Brise, Wind, Sturm und Orkan von der großen Mehrzahl der Probanden in der gleichen Reihenfolge angeordnet wurden. Eine kleine Ausnahme macht nur die Variante 6, in der die Reihenfolge von Sturm und Orkan umgekehrt wird. In Variante 7 wurde von einem Probanden nur für Brise und Orkan (die Endpunkte der Reihe) eine Bewertung gegeben. Wenn man die Ergebnisse zusammenrechnet, so ist die Reihe Brise < Wind < Sturm < Orkan am häufigsten (39 Mal) mit hohem Prozentsatz (91%) bestätigt worden. Lexikalisch-semantische Graduonymie 234 Varianten & Probanden (43) (%) Anordnung der Wörter nach der Beurteilung von Probanden V1 (20) (47%) Brise Bö Wind Sturm Orkan V2 (15) (35%) Brise Wind Bö Sturm Orkan V3 (2) (5%) Bö Brise Wind Sturm Orkan V4 (1) (2%) Brise Wind Sturm Orkan V5 (1) (2%) Brise Wind Sturm Orkan Bö V6 (2) (5%) Brise Wind Bö Orkan Sturm V7 (1) (2%) Brise Orkan V8 (1) (2%) Nicht bearbeitet Tab. 37: Sprecherurteile für die Paradigmatik von Wind Basierend auf den Ergebnissen der Korpusanalyse und aufgrund der Beleg-Interpretationen und Nutzerbefragungen sowie der elexiko-Angaben haben sich die Eingangsvermutungen über das Verhältnis der Elemente zueinander und ihre Stellung in der Wind-Gruppe im Wesentlichen bestätigt. Die Untersuchungen haben belegt, dass Bö trotz seiner semantischen Ähnlichkeit nicht in die graduonymische Paradigmatik von Wind gehört. 5.7 Die Analyse der Paradigmatik von sprechen Das vorliegende Kapitel befasst sich mit der Analyse einer verbalen Graduonymiereihe, nämlich mit der Paradigmatik von sprechen. Sie umfasst folgende Elemente: flüstern < sprechen < rufen < schreien < brüllen. Es wird angenommen, dass zwischen den Paradigmengliedern auf der Grundlage des steigerungsrelevanten Merkmals [+Lautstärke] eine bedeutungskontrastierende Relation vorliegt. In diesem Zusammenhang ist es hilfreich, einen Blick ins „Handbuch deutscher Kommunikationsverben“ von Harras et al. (2004, 2007) zu werfen, in dem Verbparadigmen, unter anderem die hier zu analysierende Paradigmatik von sprechen behandelt werden. Sprechen gehört zum Paradigma der allgemeinen verba dicendi, dem unter anderem die Lemmata sagen und (sich) äußern zugerechnet werden. Zu den Einträgen finden sich im Handbuch acht Arten von Informationen: Korpusanalysen zu graduonymischen Reihen 235 1) syntaktische Umgebung 2) lexikalische Bedeutung 3) Verwendungsspezifik 4) paradigmatische Einordnung, d.h. Feldzugehörigkeit 5) mögliche Synonyme 6) Antonyme 7) synonymische Beziehungen im Synonymenkommentar 8) Beispiele und Belege Jeder Lexikoneintrag wird aufgrund der genannten Positionen korpusbasiert umfassend behandelt (vgl. Harras et al. 2004, S. 20). Die primäre Funktion von sprechen als allgemeines verbum dicendi ist: „jemand äußert (gegenüber jemandem) sprachlich etwas“ (ebd., S. 29). Reden und sagen zählen zu Synonymen von sprechen. Die weiteren Graduonyme flüstern, rufen, schreien, brüllen gehören dem Untertyp des Bezugssituationstyps verba dicendi, namentlich modalen verba dicendi, an. Mithilfe der modalen Kommunikationsverben realisieren sich solche Situationen, in denen eine Person etwas auf eine bestimmte Art und Weise äußert. Der Art der Modalität nach werden sie den Unterparadigmen des Modus des Äußerns „Lautstärke“, „Artikulation“, „Intona-tion“, „Stimmqualität“, „Rhythmus“, „Iterativität“ zugeordnet. Die Graduonyme werden innerhalb des Verbparadigmas des Modus des Äußerns „Lautstärke“ etabliert. Unter der Rubrik Feldzugehörigkeit stehen für die Paradigmenglieder folgende Informationen: Feldzugehörigkeit: v.dic.mod.lautstärke Bezugssituationstyp: verba dicendi Untertyp: modale verba dicendi Untertyp: Lautstärke Die Gruppe modaler Kommunikationsverben involviert insgesamt 22 Verben. Sie finden sich innerhalb des anschreien-Paradigmas. Linguistische Angaben sind für die Lemmata anschreien, überschreien, flüstern/ zuflüstern, grölen/ (he)rumgrölen, kreischen/ (he)rumkreischen, schreien/ (he) rumschreien/ zuschreien und tuscheln vorhanden. Die anderen Gruppen- Lexikalisch-semantische Graduonymie 236 elemente werden entsprechend als deren Synonyme betrachtet. Brüllen und rufen werden z.B. als Synonyme des Stichworts schreien gebucht. Der Grad der Lautstärke wird unter der Position Bedeutung angegeben: - flüstern: leise sprechen - schreien: laut sprechen (vgl. Harras et al. 2004, S. 429ff.; 2007, S. 317ff.) Für dieses Paradigma als Graduonymiereihung ist vor allem die verbum-dicendi-Funktion von Verben und dadurch die semantischen Gemeinsamkeiten der Paradigmenglieder relevant, dass sie sich auf Situationen beziehen, in denen eine Person etwas auf bestimme Art und Weise äußert, und ihre Opposition durch den unterschiedlichen Grad des Merkmals [+Lautstärke] relevant. Sprechen hat einen normalen Grad der Lautstärke und ist insofern in der Reihe zwischen den Verben, die sich auf „leise sprechen“ und „laut sprechen“ beziehen, durch einen mittleren Grad des Merkmals [+Lautstärke] gekennzeichnet. Genauso gut könnten für diese Reihe die Sprechaktverben mit in Bezug auf Lautstärke allgemeinerer Bedeutung sagen, (sich) äußern oder reden als Hypergraduonyme hervortreten und ihre eigenständigen Graduonymiereihungen konstituieren. Im Folgenden wird auf die Handhabung von Graduonymen der sprechen-Reihe in elexiko eingegangen. Der systematische Wörterbuchabgleich durch elexiko hat gezeigt, dass die Graduonyme unter den Beziehungen des Bedeutungsgegensatzes, nämlich als auf die Lautstärke der Sprechhandlungen bezogene inkompatible Partner der allgemeinen verba dicendi sprechen, sagen und reden repräsentiert werden. Da die ursprüngliche graduonymische Reihe mit sprechen formiert wurde, wird an dieser Stelle der anfängliche Standpunkt beibehalten und in der anschließenden Korpusanalyse nur sprechen berücksichtigt. Das elexiko-Wörterbuch dokumentiert sieben vollständig bearbeitete Lesarten 88 von sprechen. Die ursprünglich erstellte graduonymische Reihenfolge bezieht sich auf die erste Lesart ‘sich äußern’. Eine Bedeutungserläuterung zu dieser Lesart wird nach elexiko folgenderweise formuliert: „Mit sprechen bezeichnet man eine Sprechhandlung, bei 88 Lesarten: ‘sich äußern’; ‘eine Sprache beherrschen’; ‘referieren’/ Spezifizierung ‘vortragen’; ‘erwähnen’; ‘sich unterhalten’; ‘beweisen’; ‘sehen’. (www.owid.de/ artikel/ 142366). Korpusanalysen zu graduonymischen Reihen 237 der sich eine Person in bestimmter Weise (einer anderen Person gegenüber) äußert.“ Nur die zwei Mitglieder der sprechen-Reihe flüstern und schreien werden ins elexiko-Wörterbuch in die Paradigmatik von sprechen involviert (neben murmeln). Sie finden sich unter den inkompatiblen Partnern von sprechen, die auch Ausdrücke für Sprechhandlungen erfassen, die sich auf die Lautstärke beziehen: elexiko-Beleg: (72) In einer finsteren und trübseligen Unterwelt, bevölkert von den Gestorbenen, den Rephraim. Sie sind nur noch Schatten ihrer vorherigen Existenz, sie können nur flüstern und murmeln, und auch wenn sie sprechen oder schreien könnten, würde sie Jahwe nicht hören, denn er ist ein Gott der Lebendigen. (die tageszeitung, 27.3.2007, S. 16, Wut tanzt auf dem Tisch) Rufen und brüllen werden in elexiko als sinnverwandte Wörter zu sprechen nicht berücksichtigt. Interessant sind aber Kommentare für die Stichwörter reden (Lesart ‘sich äußern’) und sagen (Lesart ‘mitteilen’) innerhalb der Relation der Inkompatibilität (Sprechhandlungen, die sich auf die Lautstärke beziehen), in denen auf die Mitglieder der graduonymischen sprechen-Reihe rufen und brüllen Bezug genommen wird: Die hier angegebenen Relationspartner [rufen und brüllen] sind im elexiko-Korpus statistisch nicht signifikant, sie illustrieren nur einige Möglichkeiten. Es gibt noch viele andere Verben, die sich durch die Art des Äußerns von sagen unterscheiden, wie z.B. rufen, brüllen, lallen, stottern, stammeln. (hier: elexiko-Kommentar für den Artikel sagen; Derselbe Kommentar erfolgt für reden) Diese Anmerkung zu den Stichwörtern sagen und reden könnte u.E. auch für das Lexem sprechen gelten. Die Wörter brüllen, flüstern, rufen und schreien tauchen im elexiko-Korpus in der Kollokationsliste als signifikante Kookkurrenzpartner von sprechen (auch von anderen Sprechaktverben) nicht auf. Dieses Ergebniss bestätigen zudem die Analyse in der Kookkurrenzdatenbank - CCDB , nämlich die Module Related Collocation Profiles und SOM : Self-Organizing Maps sowie eine Kookkurrenzanalyse in COSMAS , die angesichts des Umfangs der Textwörter wesentlich größer als das elexiko-Korpus sind. Um dem Nutzer eine Bandbreite an zusätzlichen Informationen über mögliche inkompatible Partner von Wörtern zu geben, wurden in elexiko mit Lautstärke des Lexikalisch-semantische Graduonymie 238 Äußerns verbundene Wörter unabhängig von der Kollokationsliste geliefert und dabei auch auf das „Handbuch deutscher Kommunikationsverben“ Bezug genommen. Das Lemma rufen ist in elexiko auch ausführlich bearbeitet. Dieses Lexem verfügt wie sprechen über ausführliche semantische und grammatische Informationen (Bedeutungserläuterung, semantische Umgebung und lexikalische Mitspieler, sinnverwandte Ausdrücke, typische Verwendungen, Besonderheiten des Gebrauchs, Grammatik). Man stößt bei der Bedeutungsbeschreibung der Lesart „sich lautstark äußern“ hinsichtlich der Graduonyme der sprechen-Reihe auf interessante und maßgebende Hinweise: 89 die Einheiten der graduonymischen Wortreihe sind unter diesem Stichwort zu finden. • brüllen und schreien sind synonymische Partner von rufen elexiko-Belege: (73) Den Anweisungen des Bühnenpersonals ist unbedingt Folge zu leisten. Sie können ruhig einmal zwischendurch » PAAARDIIE « brüllen, notfalls auch, wenn es Sie während eines Solos überkommt. Wenn aber von der Bühne die Aufforderung ertönt »We gonna have a house party tonight« und daraufhin mehrere Personen gleichzeitig » PAAARDIIE « rufen - machen Sie mit und denken Sie an die Eingangsübung. (die tageszeitung, 25.3.1991, S. 25, Altneue Chefallüren.) (74) Vater rief, es sei alles unsere Schuld, warum hätten wir den Baum auch in den Keller stellen wollen. Mami schrie auch ein bisschen, aber schließlich fielen wir uns in die Arme und sangen, weil ja Weihnachten war, zusammen mit James Last „Fröh-hö-liche Weihnacht überall ...“. (Braunschweiger Zeitung, 23.12.2008, Besenstil mit Tannenzweigen) • flüstern ist Antonym zu rufen elexiko-Beleg: (75) Verliert einer der Akteure den Faden, dann muß Betti das Stichwort manchmal eher rufen als flüstern. (Berliner Zeitung, 3.4.1999, S. 20, Manchmal muß sie eher rufen statt flüstern) • flüstern (Bezeichnung für leise sprachliche Äußerungen), brüllen und schreien (Bezeichnungen für laute sprachliche und nichtsprachliche Äußerungen) sind Inkompatiblen von rufen 89 In elexiko werden neben den erwähnten Wörtern auch andere Wörter miteinbezogen. Für den Abgleich wird sich aber auf die Graduonyme der sprechen-Reihe beschränkt. Korpusanalysen zu graduonymischen Reihen 239 (76) Zu den eindringlichsten Momenten ihres Auftritts gehört der gesungene Dialog mit dem Tod, geschrieben von Jacques Brel. „J’arrive“, ich komme, flüstert, ruft und raunt sie, die langen weißen Finger abwehrend ausgestreckt. (Rhein-Zeitung, 31.1.1996, Legende in schwarzem Satin) (77) Die Kaufleute rufen und schreien, sie brüllen Angebote über den Platz, erfragen Preise, bekunden Interesse. (Die Zeit (Online-Ausgabe), 9.10.2008, S. 86, Das große Geld) • flüstern, sprechen und schreien gehören zu „Sonstigen Beziehungen“ von rufen (78) An dieser Art zu lesen beteiligen sich alle Interpreten, indem sie flüstern, sprechen, singen, rufen oder gar schreien, so dass eine äusserst vielschichtige Sprachklangebene entsteht. (St. Galler Tagblatt, 3.9.1997, Magnolien und Klangsteine) Die „Sonstigen Beziehungen“ werden überdies durch einen Kommentar ergänzt: Die Relationspartner flüstern, sprechen, singen und schreien stehen in graduierendem Verhältnis zu rufen. Auf einer gedachten Skala von leise nach laut lässt sich folgende Reihung darstellen: flüstern - sprechen - singen - rufen - schreien. Der Relationspartner singen fällt aus dieser Reihung ein wenig heraus, weil es sich hier nicht um eine Graduierung nach Lautstärke handelt, sondern um eine andere Form der Lautäußerung, die aber auch mit einer Veränderung der Lautstärke zu tun haben kann. Die paradigmatische Klassifikation und deren Etablierung anhand von Belegen und Kommentaren bestätigen das graduierende Verhältnis der erwähnten Sprechaktverben. Bei den sprechen-Wörtern zeigt sich im Hinblick auf ihr Vorkommen im Sprachgebrauch eine Ähnlichkeit mit den Graduonymen der Wind-Reihe. Sowohl sprechen-Wörter als auch Wind-Wörter zeigen in ihrer Verwendung variierende semantische Relationen. Bei der Repräsentation der Sprechaktverben in elexiko treten folgende semantische Beziehungen hervor: - die anliegenden Wörter zeigen kontextbedingt synonymische Relation zueinander (rufen, schreien, brüllen); - bestimmte Wörter der Reihe treten in eine Antonymierelation ein (flüstern vs. rufen); Lexikalisch-semantische Graduonymie 240 - sie sind zueinander inkompatibel (flüstern, rufen, schreien, brüllen); - aufgrund ihrer Inkompatibilität, die mit Graduierung zusammenhängt, gehören sie zu „Sonstigen Beziehungen“ (flüstern, sprechen, rufen, schreien). Im Folgenden wird die gezielte Korpusanalyse der sprechen-Gruppe nach ihrem graduonymischen Status durchgeführt. Für die Überprüfung der Paradigmatik von sprechen wird wie bei der Analyse der Wind-Gruppe vorgegangen: Das Verhältnis der Wörter zueinander wird in den Textsammlungen paarweise überprüft. Bei der Belegsuche wird evident, dass das Ko-Vorkommen der sprechen-Wörter in den Korpora schon zahlreiche Texte liefert. Insofern wird die Suchabfrage anhand von Wortabstandsoperatoren durchgeführt. Überprüft werden hierbei 300 von der Gesamttrefferanzahl unsortiert extrahierte Textbelege zu den jeweiligen Wortpaaren. Für manche Wortpaare haben sich aber im Korpus unter gegebener Suchoption unter 300 Belege ergeben. Für alle anderen Wortpaare werden jeweils 100 durch Zufallssortierung erhobene Belege in Betracht gezogen. Auch hier zeigen manche Wortpaare eine niedrige Frequenz (siehe Tab. 38). Wortpaare Suchabstand/ w5 Gesamtbeleganzahl 91  (1) sprechen - flüstern 290l  (2) sprechen - rufen 1301  (3) sprechen - schreien 453  (4) sprechen - brüllen 159  (5) flüstern - rufen 77l  (6) flüstern - schreien 521  (7) flüstern - brüllen 84  (8) rufen - schreien 649  (9) rufen - brüllen 131 (10) schreien - brüllen 358 Tab. 38: Beleganzahl zum paarweisen Vorkommen der Wörter 90 Der Zeitpunkt der durchgeführten Suchanfrage wird unten bei der Analyse des jeweiligen Wortpaars angegeben. Korpusanalysen zu graduonymischen Reihen 241 Es wird nach der ersten Aufgliederung eine Sortierung durchgeführt: Hierbei werden die extrahierten Belege in relevante Treffer, denen Inhaltsrelationen irgendeiner Art zugrunde liegen, und in nicht relevante, die sich auf falsche Positive (false positives) beziehen, kategorisiert. Bei den falschen Positiven handelt es sich um „Treffer, die zwar der Suchanfrage entsprechen, aufgrund unzureichender Operationalisierung aber nicht das zu erforschende Phänomen widerspiegeln“ (vgl. Engelberg 2008/ 09). Berücksichtigt werden bei der Analyse nur die wahren Positive, d.h., relevante Treffer. Ein Überblick über falsche Positive wird lediglich bei der Analyse des Wortpaares flüstern - sprechen gegeben. Für andere Wortpaare wird sich in Bezug auf den Anteil falscher Positive innerhalb der Gesamttrefferanzahl auf den Verweis in der Fußnote beschränkt. flüstern Analyse von flüstern und sprechen &flüstern / w5 &sprechen (290 Treffer; Stand: 28.5.2009) Insgesamt handelt es sich um sieben Typen von ermittelten Relationen zum gemeinsamen Auftreten von flüstern und sprechen. Insgesamt 170 von rund 290 Belegbeispielen umfassen die für die Analyse relevanten Belege und werden als 100% betrachtet. Im Folgenden wird tabellarisch zusammengefasst (Tab. 39), welche Phänomene die relevanten Belege repräsentieren. Phänomene zum gemeinsamen Vorkommen zu flüstern vs. sprechen Häufigkeit Prozentsatz (1) Inkompatible Relation 68 40% (2) Graduonymische Relation 32 19% (3) Nominalisierte Verben 14 8% (4) Partizipien 9 5% (5) Hypergraduonymische Relation 19 11% (6) Flüsternd sprechen 28 17% Summe 170 100% Tab. 39: Die relevanten Treffer für das Wortpaar flüstern vs. sprechen Lexikalisch-semantische Graduonymie 242 Den überwiegenden Teil der semantischen Relationen zwischen sprechen und flüstern bilden inkompatible Beziehungen. In allen 68 überprüften Textbelegen reihen sich sprechen und flüstern aneinander und kontrastieren in unterschiedlicher Art und Weise: a) Im Kontext sind nicht nur Sprechaktverben beteiligt, sondern auch andere Verben, die sich auf unterschiedliche Handlungen beziehen und sich zueinander inkompatibel verhalten (79). Ihr inkompatibles Verhalten bezieht sich jedoch nicht auf den graduellen Kontrast zwischen ihnen. (79) Die Schauspieler, die den Kanidaten begleiten, nehmen Rollen ein wie „Leitende Angestellte”, „Konsumierter Konsument” oder „Spiegel des Vergessens”. Wer geht hier mit wem: Genau darum geht es: um das Verhältnis von Zuschauer und Schauspieler im Theater. Ganz nah kommen sie. Sprechen, riechen, flüstern, spucken, tanzen, spielen. Exklusiv. (die tageszeitung, 3.6.2002, S. 23, Ressort: Kultur, Hautnah und weit weg) b) Im Kontext werden nur Sprechaktverben inkompatibel verwendet, aus dem Kontext geht aber nicht explizit hervor, welche Stellung jedes Element innerhalb einer graduonymischen Reihe besitzen könnte (80). (80) Assoziativ hat Wuttke Passagen ausgewählt, Textfragmente aus dem Wortstrom gerissen, die er sechs Schauspieler sprechen, schreien und flüstern lässt, als seien es Theorielawinen von René Pollesch. Spengler bildet mit dem Kölner Urgestein Traute Hoess das erdenschwere Zentrum der Inszenierung, ein zärtliches, graziöses und bulliges Paar, das sich eingespielt Satzfetzen zuwirft und dabei Komik und Kopfrasen entstehen lässt. (die tageszeitung, 27.3.2007, S. 16, Wut tanzt auf dem Tisch) c) Die Reihenfolge der Elemente im Text stimmt mit der vermuteten Abfolge überein. Ein Indikator für eindeutige Gradualität existiert aber nicht (81). (81) Vor einem Jahr präsentierte der Schauspieler Rolf Bidinger sein erstes Stück für Kinder: „Leo, der kleine Löwe“. Er ließ sich für seine Puppen- Box extra eine Drehbühne zimmern, die den rasanten Szenenwechsel ermöglicht. Bidinger selbst spielt mittendrin alle Rollen, er flüstert, spricht, schreit, brummt. (Rhein-Zeitung, 7.12.2006, Schatzsuche des einbeinigen Piraten) Korpusanalysen zu graduonymischen Reihen 243 Unter „Graduonymische Relation“ wurden solche Fälle subsumiert, in denen eine explizite Gradualität zum Vorschein kommt. Eine wichtige Rolle spielen dabei die sprachlichen Indikatoren (in 82 und 83 allenfalls und beinahe). (82) Wenige Stunden vor dem gestrigen Rückflug von Tel Aviv nach Frankfurt besuchte die deutsche Delegation die Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem. Die Führung durch die Anlage beeindruckte die junge Mannschaft tief. Kein Wort wurde gesprochen, allenfalls geflüstert. (Hamburger Morgenpost, 7.6.2005, S. 28, Käpt’n Toto zwischen Party und Gedenken) (83) Er fährt sich mit der Hand durch den Schnauzer, dann sagt er: »Hallo Wisconsin. Mein Name ist Del Sandusky. Ich habe zusammen mit Leutnant Kerry gedient. Im Mekong-Delta, Republik Südvietnam.« Er spricht leise, flüstert beinahe, wenige Sätze nur. Gegen Ende sagt er, fast ohne jede Betonung, John Kerry sei »ein nationales Heiligtum«. (Die Zeit (Online-Ausgabe), 26.2.2004, S. 55, Kamerad Kandidat) Nominalisierte Formen von Verben (84) und Partizipien (I) (85) liefern zudem für die Reihe gute Indizien durch inkompatible Verwendung mit sowohl impliziter, als auch expliziter Gradualität. (84) Romantisches Tremolo visionärer Nächtigkeit entringt sich vielen Aufführungen. Zu der Nachtversessenheit tritt als stimmliche Ergänzung tonloses Sprechen, das ins Flüstern absinkt. (Nürnberger Nachrichten, 4.1.1990, S. 24, Düstere Bühnenträume - Streifzug durch Pariser Theater - Deutsches Repertoire von Goethes „Tasso“ bis Büchners „Woyzeck“) (85) Dazwischen die anklagenden Schreie qualvoller „Nuits“ („Nächte“) für zwölf Solostimmen, die Iannis Xenakis in den Jahren 1967/ 68 den politischen Häftlingen und Tausenden vergessenen Opfern von Diktaturen in aller Welt widmete, und Friedrich Cerhas Horror-“Verzeichnis“ von 1969, in dem 16 singende, sprechende, flüsternde und schreiende Solisten Hunderte Opfer der Würzburger Hexenprozesse von 1629 beklagen. (Tiroler Tageszeitung, 28.10.1997, Ressort: Kultur, Schreckensvisionen und Glaubenstrost) Die Hypergraduonymie-Beziehung von sprechen zu flüstern kommt sowohl explizit als auch implizit zum Vorschein. Eine explizite Hypergraduonym-Verwendung indizieren bestimmte Konstruktionen wie in (86) und (87): (86) Aber wir lassen die Schauspieler nicht im Wald den Jambus deklamieren, wenn Sie das meinen. Im Film können Sie die Dialoge viel privater sprechen. Sie können flüstern, nuscheln, halbe Worte verschlucken. Lexikalisch-semantische Graduonymie 244 Dadurch wird sich der Brecht auch für die Theatergänger anders anhören. (Berliner Zeitung, 8.8.2003, S. 12, Ein zerbrechlicher Macho) (87) Irgendwann würden sie sich vom Schock erholen - »aber es wird dauern«. Lakshita flüstert, wenn er spricht. »Als ich die große Welle kommen sah, bekam ich Angst und bin auf einen Baum geklettert«, sagt er. (Nürnberger Nachrichten, 6.1.2005, Waisenkinder vor einer unsicheren Zukunft - Manche Buben und Mädchen reden immer noch kein Wort) Ähnlich wie Wind hat sprechen als Hypergraduonym einen erläuternden Charakter. Die Erläuterung „mit extrem leiser Stimme sprechen“ macht durch die typische Definitionsform genus proximum (sprechen) und differentiae specifica (mit extrem leiser Stimme sprechen) von der Oberbegriffsrelation Gebrauch (88): (88) Einerseits, weil der Dribbler Yildiray Bastürk so wichtig zu sein scheint, andererseits, weil der türkische Nationalspieler von Hertha BSC Berlin mit extrem leiser Stimme spricht. Er flüstert seine Kommentare und man wundert sich, dass solch ein leiser Typ auf dem Rasen häufig Großes vollbringt. (Berliner Zeitung, 6.5.2006, S. 19, Wider die Welle) Die Fälle mit „Flüsternd sprechen“ werden auch als hypergraduonymische Beziehung betrachtet, denn die Art und Weise des Hypergraduonyms sprechen wird durch die Modalität von flüstern in einer Partizipialform attributiv konkretisiert (89). Darüber hinaus spielt die semantische Nähe der Wörter eine Rolle. (89) Heute sind die Knirpse mit Förster Rudi Hahn auf der Suche nach Tieren, und sie haben gelernt, dass man ganz leise sein muss, um Hase, Reh und Fuchs nicht zu erschrecken. Deswegen schleichen sie auf Samtpfoten und sprechen nur flüsternd. (Rhein-Zeitung, 12.4.2003, Zur Frühstücksrast - in den Habichthorst) Falsche Positive bilden 41% der Gesamtbeleganzahl. Falsche Positive werden an dieser Stelle im engen und weiten Sinne verwendet: Zum einen ist der Begriff als Oberbegriff für alle fehlerhaften Erscheinungen wie „andere Lesart“, „keine semantische Relation“ und „figurative Verwendung“, zum andern werden darunter Belege subsumiert, in denen hauptsächlich ein Teil von Suchwörtern, mitunter beide Teile zu einer anderen Wortart mit einer anderen Lesart gehören (Tab. 40). Korpusanalysen zu graduonymischen Reihen 245 Falsche Positive für flüstern vs. sprechen Häufigkeit Prozentsatz (1) Falsche Positive 40 33% (2) Andere Lesart 18 15% (3) Keine Relation 48 40% (4) *Figurative Verwendung 14 12% Summe 120 100% Tab. 40: Anteil der „Falschen Positive“ für das Wortpaar flüstern vs. sprechen Zum letzteren Fall der „Falschen Positive“ gehört z.B. Beleg (90): (90) Ich saß auf einer Bank, ein paar Menschen in Anstaltskleidung neben mir; einer flüsterte mir etwas in fremder Sprache zu. (Victor Klemperer: [Tagebücher 1941], In: Ich will Zeugnis ablegen bis zum letzten, Bd. 1. Berlin, 1995, S. 606) Unter „andere Lesart“ werden Fälle zusammengefasst, in denen die Suchwörter trotz ihrer inkompatiblen Beziehung in einer für diese Analyse nicht relevanten Lesart vorkommen. In Beleg (91) geht es um das konkrete Sprechen: (91) Auf einigen Tischen liegen polnisch-deutsche Wörterbücher. Im Unterricht wird deutsch gesprochen. Geflüstert wird auf polnisch, denn das versteht die Lehrerin nicht. So sitzen die Schüler seit einem halben Jahr zusammen im Unterricht. In der Freizeit trennen sich die Wege von Polen und Deutschen. (Berliner Zeitung, 24.3.1998, S. 23, „Grenzenlos zu denken“ klappt nicht immer) Ein Teil der Belege der „andere Lesart“-Gruppe könnte darüber hinaus in die Gruppe „keine Relation“ integriert werden: zum einen signalisieren die Ausdrücke eine andere Lesart, zum anderen besteht zwischen ihnen keine semantische Beziehung (92). (92) „Wenn ich nicht weiter weiß, dann spreche ich Englisch mit Hugo“, flüstert Mitja. Sein ehrgeiziges Ziel: „Ich möchte in den nächsten Wochen noch besser Englisch lernen.“ Denn im Juni steht der Gegenbesuch nahe Paris an. (Braunschweiger Zeitung, 16.2.2006, Wenn Worte fehlen, helfen Gesten) Die Gruppe „keine Relation“ bezieht sich auf Kontexte, in denen die Wortpaare ohne gegenseitigen semantischen Zusammenhang als selbständige Lexeme gebraucht werden (93). Lexikalisch-semantische Graduonymie 246 (93) Wer sagt noch „Hab dich lieb“ (hdl), wer entschuldigt sich noch mit „Mein Mund ist voll, kann grad’ nicht sprechen“ (mif), flüstert zärtlich ein „Ich brauch’ dich“ (nu) oder ruft „Wir sehen uns“ (cu)? Keiner bildet mehr lange Vier-Wort-Sätze wie „Was meinst du damit? “ (wdymbt), sondern wird auf das Internet verweisen: „Ich spreche später im Chat mit dir“ (cwyl). (Rhein-Zeitung, 11.11.2006, Fasse dich kurz - und das ganz schnell ...) In der verbalen und partizipialen „figurativen Verwendung“ von flüstern und sprechen spiegelt sich ebenfalls Inkompatibilität wieder. Als relevante Belege werden sie jedoch nicht betrachtet (94). (94) Vorschlag: Fahren Sie zum Alten Bahnhof in Puderbach. Dort spricht die Musik zu Ihnen. Trommeln sprechen, Saiten singen, Klangzungen flüstern. Ob der Auftakt des zweiten Puderbacher Kulturwochenendes wirklich ganz narrenfrei ist? (Rhein-Zeitung, 25.1.2008, Karnevalisten hui Für Karnevalisten hui ...) Analyse von flüstern und rufen &flüstern / w5 &rufen (77 Treffer; Stand: 5.6.2009) Bei der Datenerhebung wurden für flüstern und rufen insgesamt 77 Treffer 91 und davon 46 relevante Belege mit den unten beschriebenen Fällen mit beiden Ausdrücken geliefert (Tab. 41). Phänomene zum gemeinsamen Vorkommen zu flüstern vs. rufen Häufigkeit Prozentsatz (1) Inkompatible Relation 34 74% (2) Graduonymische Relation 6 13% (3) Nominalisierte Verben 3 7% (4) Partizipien 2 4% (5) Flüsternd rufen 1 2% Summe 46 100% Tab. 41: Die relevanten Treffer für das Wortpaar flüstern vs. rufen 91 Der Anteil der „Falschen Positive“ ist 40% (31 Belege) des Gesamtmaterials: darunter „Falsche Positive - 8% (6 Mal), „Keine Relation“ - 16% (12 Mal), „Andere Lesart“ - 9% (7 Mal), „Zusammengesetzte Verben“ - 5% (4 Mal), „Figurative Verwendung“ - 2% (2 Mal). Korpusanalysen zu graduonymischen Reihen 247 Aus Tabelle 41 geht hervor, dass zwischen flüstern und rufen die Inkompatibilität als bedeutungskontrastierende Relation dominiert. Im Folgenden wird ein Beispielbeleg zu den einzelnen Phänomenen angeführt (95). (95) Aber in einer Kirche ruft man nicht. Man flüstert, besser noch, man schweigt. Wegen der Wunder. Wegen der Ergriffenheit und der Andacht und dem Rest. (Berliner Zeitung, 27.5.2004, S. 29, KIRCHGANG ) Beispiele zu der nominalisierten (96) und partizipialen (I) Form (97) von Verben: (96) Deklamieren, Singen, Stottern, Flüstern, Rufen, Schreien - alles gibt Verdi vor mit Interpretationsforderungen wie „Äußerst leise, mit düsterer Stimme und sehr traurig“. (die tageszeitung, 19.4.1995, S. 19, Ressort: Kultur, Flüstern, Schreien, Stottern) (97) „Steter Tropfen höhlt den Stein“, sagt jemand in lethargischem Ton immer und immer wieder. Von überall erklingen die flüsternden, mahnenden und rufenden Stimmen. (Berliner Zeitung, 29.7.1999, S. 20; Ein Walfisch im Pumpwerk? ) Einen okkasionellen Gebrauch zeigt flüsternd rufen in einem literarischen Werk, wo ein expressiver Effekt erzielt werden soll (98): (98) Daß sich der Vater von der Unterredung erhoben und angefangen habe zu suchen, meldete ihr eine kleine Dienerin, die sie zum Spähen gesandt hatte und die, um schneller zu rennen, den Saum ihres Rockes zwischen die Zähne nahm, so daß sie vorne ganz bloß war beim Laufen. „Laban sucht! “ rief sie flüsternd. (T. Mann: Joseph und seine Brüder, [Roman], (1. Buchausgaben 1933-1943), In: [Gesammelte Werke in zwölf Bänden mit einem Ergänzungsband], Bd. 4/ 5. Frankfurt a.M., 1960, S. 371) Analyse von flüstern und schreien &flüstern / w5 &schreien (521 Treffer (überprüft 100); Stand: 5.6.2009) Phänomene zum gemeinsamen Vorkommen zu flüstern vs. schreien Häufigkeit Prozentsatz (1) Inkompatible Relation 71 71% (2) Partizipien 16 16% (3) Nominalisierte Verben 13 13% Summe 100 100% Tab. 42: Die relevanten Treffer für das Wortpaar flüstern vs. schreien Lexikalisch-semantische Graduonymie 248 Die semantischen Beziehungen zwischen flüstern und schreien beziehen sich ausschließlich auf die inkompatible kontrastive Verwendung der Ausdrücke, wie es Tabelle 42 illustriert. In allen 100 Textbelegen (100%) beobachtet man im Vergleich zu anderen Wortpaaren dieser Reihe einen einheitlichen kontrastiven Gebrauch (99, 100 und 101). (99) Sie atomisiert die Sprache, zerstört die Semantik und läßt die Musiker Wortfetzen schreien oder sprechen oder flüstern. Und genauso wie ihre Sätze oft akustisch unverständlich enden, genauso enden viele ihrer Stücke auf einem gehauchten Buchstaben oder einer nicht zu Ende gesprochenen Silbe eines Wortes. (die tageszeitung, 23.3.1991, S. 33, Die Fluktuation in den inneren Räumen) (100) Party im Tresor/ Globus, Leipziger Straße 126a, Mitte, 23 Uhr. GELOBT. Seine Stimme kann ein Flüstern oder ein Schreien sein - oder beides gleichzeitig! Bilal gelingt es, eine Art Rhythm & Blues zu kreieren, der bannt und bewegt. Seine Musik klingt warm und rein und doch angenehm rau. (Berliner Zeitung, 8.11.2001, S. 32) (101) Der Narr im klassischen Drama ist ein Kläger, der flüsternd oder - seltener - schreiend auf jene tragischen Dimensionen der Geschichte aufmerksam macht, die den Handelnden selbst verborgen bleiben. (die tageszeitung, 5.10.1994, S. 9, Ressort: Ausland, Militärs an der Macht) Analyse von flüstern und brüllen &flüstern / w5 &brüllen (84 Treffer; Stand: 5.6.2009) Phänomene zum gemeinsamen Vorkommen zu flüstern vs. brüllen Häufigkeit Prozentsatz (1) Inkompatible Relation 56 70% (2) Nominalisierte Verben 12 15% (3) Partizipien 12 15% Summe 80 100% Tab. 43: Die relevanten Treffer für das Wortpaar flüstern vs. brüllen Korpusanalysen zu graduonymischen Reihen 249 Als relevante Ergebnisse für das Verhältnis von flüstern und brüllen werden 80 Belege (95% des Gesamtmaterials 92 ) gewertet (Tab. 43). Die Ausdrücke zeigen einen starken Kontrast in ihrem Gebrauch (102, 103 und 104), wie es auch zwischen flüstern und schreien der Fall war. (102) Das junge Paar tritt hinter einem Busch vor, als ich in den Park komme. Beide tragen Baseball-Kappen, die Schilder tief ins Gesicht gezogen. S. flüstert, zwischendurch brüllt er jedoch. Seine Frau bleibt stumm. (Nürnberger Nachrichten, 27.10.2007, S. 3, Sieben Jahre Streit und Leid - Eine Gerichtsreporterin schildert ihren Alltag) (103) Ist dieser Henry Rollins ein mystisches Wunder? Sprechend, flüsternd, schreiend, brüllend, wispernd, greinend und tobend tummelt er sich ohne Punkt und Komma drei Stunden lang unter sengendem Scheinwerferlicht. (Frankfurter Allgemeine, 15.1.2005, Neues von Big Ugly Mouth Henry Rollins im Festsaal der Frankfurter Universität) (104) Sein so starker, auch hier charakteristisch präsenter Ton wandert durch die Staumauer wie durch eine gotische Kathedrale. Darin, so Lüdi in einem trefflichen Essay, „erfahre ich, wie einfach es ist, vom Brüllen ins Stöhnen ins Flüstern ins Atmen zu gelangen. Und umgekehrt“. (Salzburger Nachrichten, 27.4.1996, Monumente in Klang-Architektur) rufen Analyse von rufen und sprechen & rufen / w5 &sprechen (1301 Treffer (überprüft 100); Stand: 29.5.2009) Phänomene zum gemeinsamen Vorkommen von rufen vs. sprechen Häufigkeit Prozentsatz (1) Inkompatible Relationen 11   46% (2) Graduonymische Relation  9 37,5% (3) Nominalisierte Verben  3 12,5% (4) Partizipien  1    4% Summe 24 100% Tab. 44: Die relevanten Treffer für das Wortpaar zu rufen vs. sprechen 92 Nur vier Belege bilden die Gruppe der „Falschen Positive“: „Keine Relation“ - 2 Mal, „Figurative Verwendung“ - 2 Mal. Lexikalisch-semantische Graduonymie 250 Aus Tabelle 44 geht hervor, dass die hier präsentierten Treffer eine niedrige Frequenz aufweisen. 276 Belege (92%) von insgesamt 300 indizieren falsche Positive. 93 Darunter ist der Anteil von zusammengesetzten Verben (Partikelverben wie anrufen, aufrufen, hervorrufen; Redensarten wie „ins Leben rufen“ und „in Erinnerung rufen“) des Basisverbs rufen sehr groß. Sie zu vermeiden bereitete bei der Suchabfrage großen Aufwand. In den gelieferten Belegen zu den inkompatiblen Relationen wird sowohl der Aspekt einer impliziten (105), als auch expliziten Gradualität (106 und 107) sichtbar. (105) Immer ist was los. Die Chöre flüstern, sprechen, rufen. Die excellente Sopranistin Franziska Hirzel singt auch mal nur Vokale, ganz instrumental. Akustische Echo- und Wander-Effekte verblüffen ebenso wie die hörspielartigen Szenen von Volkes Tratsch mit hochwogender Empörung. (Rhein-Zeitung, 7.4.1999, 60 Minuten, die den Atem raubten) (106) Er hörte es sofort an Sabines Stimme, daß das ein Anruf besonderer Art war. Sie sprach nicht, sie rief. Sie rief, daß sie ihren Mann holen werde. Die gar nicht so ferne Stimme - Sabine hatte einfach gerufen, weil Kalifornien so weit weg ist - gehörte Rainer Mersjohann. (Walser, Martin: Brandung. Frankfurt a.M., 1985, S. 7) (107) Er sagt nur wenige Sätze. Sein häufigster Satz ist mehr ein Rufen denn ein Sprechen: „In der Strafsache gegen X, die Prozeßbeteiligten bitte eintreten.“ In dem kirchenschiffgroßen Innenraum des Berliner Landgerichts in Moabit wird dieser Satz zu einem schallenden Dröhnen. (die tageszeitung, 24.4.1993, S. 11, Die Herren der Säle und ihre Schlüssel) Analyse von rufen und schreien &rufen / w5 &schreien (649 Treffer (überprüft 100); Stand: 2.6.2009) Phänomene zum gemeinsamen Vorkommen von rufen vs. schreien Häufigkeit Prozentsatz (1) Inkompatible Relationen 37  71% (2) Graduonymische Relation  2   4% (3) Nominalisierte Verben 12  23% (4) Partizipien  1   2% Summe 52 100% Tab. 45: Die relevanten Treffer für das Wortpaar rufen vs. schreien 93 Die „Falsche Positive“-Gruppe umfasst folgende Fälle: „Falsche Positive“ - 73 Mal, „Zusammengesetzte Verben“ - 117 Mal, „Keine Relation“ - 45 Mal, „Andere Lesart“ - 37 Mal, „Figurative Verwendung“ - 4 Mal. Korpusanalysen zu graduonymischen Reihen 251 Insgesamt 52 relevante Belege 94 dokumentieren inkompatible Beziehungen zwischen rufen und schreien (Tab. 45). Diese Relation ist somit die dominante Relation zwischen den Ausdrücken (108). (108) Mit Stöpseln in den Ohren schlafe ich bald ein. Irgendwann in der Nacht werde ich wach und höre im vorderen Raum Stimmen. Es klingt deutsch. Zwei Kollegen, wie ich auf der Durchreise. Zuerst sagen sie, hätten sie gerufen, dann geschrien, da ich aber nicht reagierte, mußten sie die Türe eintreten. (Salzburger Nachrichten, 6.3.1993, Nach 26 Stunden bin ich in Manila. Welch ein Unterschied zu meiner) Analyse von rufen und brüllen &rufen / w5 &brüllen (131 Treffer (überprüft 100); Stand: 5.6.2009) Phänomene zum gemeinsamen Vorkommen von rufen vs. brüllen Häufigkeit Prozentsatz (1) Inkompatible Relationen 22 63% (2) Graduonymische Relation  7 20% (3) Nominalisierte Verben  3 8,5% (4) Partizipien  3 8,5% Summe 35 100% Tab. 46: Die relevanten Treffer für das Wortpaar rufen vs. brüllen 35 Treffer zu den Suchausdrücken rufen vs. brüllen werden als relevante Belege 95 herausgefiltert (Tab. 46). Es sind folgende Relationen zum gemeinsamen Vorkommen der Wörter zu beobachten. Inkompatible Relation (109): (109) Sie brüllten und riefen, riefen und brüllten, ohne dass ihnen die Hüte von den Köpfen flogen (die tageszeitung, 8.11.2002, S. 20, Ressort: Die Wahrheit, Der Himmelarsch-Beweis) 94 Die restlichen Belege gehören der Gruppe „Falsche Positive“ an, davon „Keine Relation“ - 22 Mal, „Falsche Positive“ - 15 Mal, „Zusammengesetzte Verben“ - 7 Mal, „Andere Lesart“ - 5 Mal. 95 Anteil der „Falschen Positive“ zum Wortpaar rufen - brüllen ist folgendermaßen: „Keine Relation“ - 45 Mal, „Falsche Positive“ - 8 Mal, „Zusammengesetzte Verben“ - 7 Mal, „Andere Lesart“ - 5 Mal. Lexikalisch-semantische Graduonymie 252 Graduonymische Relation (110): (110) Es gebe da „durchaus den einen oder anderen“, der das Konzept aushöhlen wolle, „aber hier wünsche ich mir die laute Stimme des BDS, der ruft `Finger weg! ’“ Bauer kann ihn beruhigen: „Wir rufen, ja wir brüllen sogar.“ (Mannheimer Morgen, 27.11.2002, Von Sorgen und Sehnsüchten der Selbstständigen) schreien Analyse von schreien und sprechen &schreien / w5 & sprechen (453 Treffer (überprüft 300); Stand: 29.5.2009) Phänomene zum gemeinsamen Vorkommen zu schreien vs. sprechen Häufigkeit Prozentsatz (1) Inkompatible Relation  71 56,5% (2) Graduonymische Relation  27 21,5% (3) Nominalisierte Verben  13  10% (4) Partizipien  15  12% Summe 126 100% Tab. 47: Die relevanten Treffer für das Wortpaar schreien vs. sprechen Die Analyse von semantischen Beziehungen zwischen sprechen und schreien hat aussagekräftige Belege geliefert. In 126 Fällen 96 steht der kontrastive Gebrauch der Ausdrücke in unterschiedlicher Art und Weise im Vordergrund (Tab. 47). Die Verben und ihre nominalisierten und partizipialen Formen zeigen im Sprachgebrauch ein eindeutiges graduonymisches Verhältnis zueinander (siehe Belege 111, 112 und 113). (111) Mit einer ehrlichen, kraftvollen Stimme, die auch ohne effekthascherische Tremolos von der ersten Sekunde an bezaubert, wird sie über zwei Stunden flüstern, sprechen, schreien und vor allem singen. (St. Galler Tagblatt, 6.4.1998, Ressort: AT-HER (Abk.), Fahrende durch musikalische Welten) 96 Die restlichen 174 Belege gehören der Gruppe der „Falschen Positive“ an, darunter: „Falsche Positive“ - 88 Mal, „Keine Relation“ - 68 Mal, „Zusammengesetzte Verben“ - 9 Mal, „Andere Lesart“ - 7 Mal, „Figurative Verwendung“ - 2 Mal. Korpusanalysen zu graduonymischen Reihen 253 (112) Er lässt die Schauspieler meist in derselben angehobenen Phonstärke sprechen, ja schreien. Damit verwischt er die durchaus vorhandene Fallhöhe des Stücks. (die tageszeitung, 7.7.2003, S. 16, Ressort: Kultur, Tief sitzende Hosen) (113) Kirk als sein eigener MC, mehr schreiend als sprechend. Erzählte von Träumen, die er ausmalte, von Spirits, die ihn umgeben. (die tageszeitung, 12.1.2000, S. 16, Ressort: Kultur, Seelenarbeit) Analyse von schreien und brüllen &schreien / w5 &brüllen (358 Treffer (überprüft 100); Stand: 2.6.2009) Relationen zum gemeinsamen Vorkommen zu schreien vs. brüllen Häufigkeit Prozentsatz (1) Inkompatible Relation 54  73% (2) Graduonymische Relation  3   4% (3) Nominalisierte Verben  6   8% (4) Partizipien  9  12% (5) Brüllendes Schreien  2   3% Summe 74 100% Tab. 48: Die relevanten Treffer für das Wortpaar schreien vs. brüllen 74 Belege demonstrieren die relevanten semantischen Relationen zwischen schreien und brüllen 97 (siehe Tab. 48). Die folgenden Belegbeispiele sollen ihre graduonymischen (114) und inkompatiblen (in einer nominalisierten Form) (115) Relationen veranschaulichen. (114) „Hör auf, hör auf - hör auf! “ Die Worte schallen und schneiden durch den Raum - erst gesprochen, dann geschrien, schließlich fast gebrüllt. Und zwar von allen. Wer die Worte selbst jetzt nicht hören kann, der sieht sie: energische Gesten, Schritte nach vorn, blitzende Blicke. (die tageszeitung, 11.4.1998, S. 10, Ressort: Frauen; Wer Schritte hinter sich nicht hört...) (115) Schreien, Brüllen, so entschieden sprechen, dass der eigene Aufruhr beim anderen ankommt - das Wuttraining soll Raum bieten, Frust einmal rauszulassen. (die tageszeitung, 2.3.2002, S. 32, Ressort: Schlagseite; „Entscheide dich für Wut“) 97 Davon „Falsche Positive“ - 9 Mal, „Keine Relation“ - 12 Mal, „Zusammengesetzte Verben“ - 5 Mal. Lexikalisch-semantische Graduonymie 254 brüllen Analyse von brüllen und sprechen & brüllen / w5 & sprechen (159 Treffer; Stand: 29.5.2009) Relationen zum gemeinsamen Vorkommen zu brüllen vs. sprechen Beleganzahl von insgesamt 159 Prozentsatz (1) Inkompatible Relation 40 49% (2) Graduonymische Relation 25 31% (3) Nominalisierte Verben 3 4% (4) Partizipien 4 5% (5) Hypergraduonymische Relation 7 9% (6) Brüllend sprechen 2 2% Summe 81 100% Tab. 49: Die relevanten Treffer für das Wortpaar brüllen vs. sprechen In 81 Belegen 98 zu brüllen und sprechen kommen verschiedene semantische Relationen zum Vorschein (siehe Tab. 49). Auch diese Wörter zeigen in ihrem Gebrauch eine graduonymische Verwendung als vorherrschende Relation (116 und 117). (116) Die SPD habe ein Wahlergebnis erreicht, das viele der professionellen Beobachter für völlig unmöglich gehalten hätten. Und dann sprach, nein, brüllte der Kanzler voller Wut, dass „Medienmacht und Medienmanipulation” die demokratische Kultur des Landes nicht zerstören könnten. (tageszeitung, 19.9.2005, S. 3, Schröder ist los) (117) Mit meinem Bruder plane ich, einen Produktionsbetrieb für Parkettböden aufzubauen», erzählt er mehr brüllend als sprechend. (Galler Tagblatt, 29.12.1997, Ressort: TB-OST (Abk.), Halbes Jahr für eine neue Existenz) Anhand des Attributs laut figuriert sprechen als Hypergraduonym zu brüllen (118): (118) „Ich will helfen, daß Fehler, die schon mal jemacht wurden, nich nochmal jemacht werden. Ich hab ja schon einjes mitjemacht in meinem Le- 98 Davon „Falsche Positive“ - 39 Mal, „Keine Relation“ - 34 Mal, „Andere Lesart“ - 5 Mal. Korpusanalysen zu graduonymischen Reihen 255 ben.“ Er sagte es nicht, er brüllte es. Auch Sabine Christiansen sprach sehr laut. (Berliner Zeitung, 10.2.1998, S. 9, Der Tod des Popstars im Brechtjahr) Sprechen tritt als Hypergraduonym gegenüber der partizipialen Form von brüllen auf (119): (119) Dahinter sitzt ein deutscher Synchronsprecher, der mit monotonem Ausdruck alle Rollen spricht: brüllend laut, ohne die Akzente der vier Auslandsfranzosen, ohne den Rhythmus, der die Bewegungen der Tänzer akzentuiert. (Frankfurter Allgemeine, 10.11.1999, Unter Sprachdruck) Im Folgenden werden die paradigmatischen Beziehungen zwischen Wortpaaren allein in ihrer verbalen Form (nicht einbegriffen sind die nominalisierten und partizipialen Formen sowie „Falsche Positive“) in einer Tabelle (Tab. 50) dargestellt (sie werden als 100% betrachtet). Die zweite Spalte umfasst die Gesamtbeleganzahl semantischer Relationen (inkompatible, graduonymische und hypergraduonymische) der Ausdrücke. Die dritte Spalte dokumentiert nur die kontrastierende inkompatible Beziehung sowohl mit impliziter als auch expliziter Gradualität (die Gruppen „Inkompatible Relation“ und „Graduonymische Relation“ in den oben angeführten Tabellen) von Wortpaaren. Wortpaare Gesamtbeleganzahl zu semantischen Relationen Davon kontrastiv  (1) flüstern - sprechen 119 100 (84%)  (2) flüstern - rufen  42 40 (95%)  (3) flüstern - schreien  71 71 (100%)  (4) flüstern - brüllen  56 56 (100%)  (5) rufen - sprechen  20 20 (100%)  (6) rufen - schreien  42 39 (93%)  (7) rufen - brüllen  36 29 (81%)  (8) schreien - sprechen 102 100 (98%)  (9) schreien - brüllen  61 57 (93%) (10) brüllen - sprechen  72 65 (90%) Tab. 50: Beleganzahl zu semantischen Relationen zwischen den Wortpaaren Lexikalisch-semantische Graduonymie 256 Die Korpusanalyse hat hinsichtlich der Paradigmatik von sprechen das vermutete gegenseitige kontrastive Verhältnis der Elemente grundsätzlich bestätigt (120 und 121). (120) Der entscheidende Moment: Silvio T. muß, in der gleichen Lautstärke wie damals, seine Worte: „Eh, da liegt einer! “ äußern. Flüstern, rufen, schreien oder brüllen, hörbar oder nicht hörbar, das ist die Frage. (die tageszeitung, 11.6.1994, S. 4, Ressort: Inland, Noch mal: „Eh, da liegt einer! “) (121) An dieser Art zu lesen beteiligen sich alle Interpreten, indem sie flüstern, sprechen, singen, rufen oder gar schreien, so dass eine äusserst vielschichtige Sprachklangebene entsteht. (Galler Tagblatt, 3.9.1997, Ressort: TB-ARB (Abk.), Magnolien und Klangsteine) Im Unterschied zur Wind-Reihe bereitete die Analyse nach Belegfrequenzen in der sprechen-Reihe keine Schwierigkeiten. Trotz der Repräsentation vielfältiger semantischer Relationen zwischen den Wörtern konnte die Art und folglich der Anteil der jeweiligen Relation innerhalb des Datenbestandes ermittelt werden. Die durch die Beleganalyse gewonnenen Erkenntnisse gehen mit der Behandlung semantischer Relationen der sprechen-Wörter in elexiko konform. Die Fälle, die in elexiko aufgrund des graduellen Verhältnisses der Wörter zueinander unter „Sonstige Beziehungen“ angegeben werden, werden in dieser Arbeit als graduonymische Beziehung interpretiert. Die systematische Überprüfung der Position von sprechen gegenüber anderen Partnerwörtern hat ergeben, dass sprechen sowohl für ein Graduonym wie auch ein Hypergraduonym typische Eigenschaften manifestiert, weswegen es als Hypergraduonym der Gruppe bestimmt werden kann. Vergleicht man in diesem Zusammenhang die Sprecherurteile in der Web-Umfrage bezüglich der Präsenz dieser Wörter in den Köpfen der deutschen Muttersprachler, so wird deutlich, dass die Ergebnisse eine offensichtlich einheitliche Wahrnehmung der Wörter aufzeigen, die wiederum die aufgestellte Hypothese verifizieren. Korpusanalysen zu graduonymischen Reihen 257 Varianten & Probanden (43) (%) Anordnung der Wörter nach der Beurteilung von Probanden V1 (42) (98%) flüstern sprechen rufen schreien brüllen V2 (1) (2%) flüstern sprechen rufen brüllen schreien Tab. 51: Sprecherurteile für die Paradigmatik von sprechen Aus Tabelle 51 geht hervor, dass sich 42 Testpersonen (98%) bei der Anordnung der Wörter für eine identische Reihenfolge entschieden haben. Bei einem Probanden gab es eine Abweichung bei der Bewertung zwischen schreien und brüllen. Im Vergleich zu den analysierten Paradigmen Kind und Wind wurde innerhalb der Gruppe kein Wort ignoriert. Aufgrund ausreichender Nachweise bleibt die Graduonymiereihung flüstern < sprechen < rufen < schreien < brüllen unverändert und wird als stabiles graduonymisches Paradigma betrachtet. 5.8 Zusammenfassung Die intuitions-, kompetenz- und wörterbuchgestützt erstellten Graduonymiereihungen wurden in den vorangegangenen und vorliegenden Kapiteln zur empirischen Analyse herangezogen. Mithilfe der Korpusanalyse wurden die Graduonyme auf ihr Vorkommen in authentischen Texten des aktuellen Sprachgebrauchs hin überprüft. Die drei analysierten graduonymischen Wortreihen haben hierbei reihenspezifische und reihenübergreifende Besonderheiten der Graduonymieerscheinung gezeigt. In Bezug auf die reihenübergreifenden Merkmale der Graduonymie verifizieren die Korpusverfahren die im ersten theoretischen Kapitel der Arbeit aufgeführten Auffassungen des Graduonymie-Phänomens in gewissem Grade und erbringen zudem neue Erkenntnisse über die Bedeutungsstrukturen der Wörter. Anhand statistischer Assoziationsmaße wurden statistisch signifikante Assoziationen aufgrund der Häufigkeit der Kookkurrenzen benachbarter Graduonyme ermittelt. Die sich ergebenden Werte signalisieren eine starke semantische Verbundenheit von Nachbar-Graduonymen im Korpus. Die Ergebnisse geben jedoch keine Informationen über die zugrundeliegenden semantischen Relationen zwischen Wortpaaren. Diese Angaben wurden anhand von Beleganalysen gewonnen. Lexikalisch-semantische Graduonymie 258 Die Analyse der extrahierten Belege verdeutlicht, dass zwischen den untersuchten Graduonymen das semantische mit (impliziter und/ oder expliziter) Gradualität verbundene Inkompatibilitätsverhältnis dominiert. Nach Beobachtungen in Korpora manifestiert sich die bedeutungskontrastierende Relation zwischen Graduonymen auf unterschiedliche Art und Weise. Es sind diverse gegensatzbildende Indikatoren wie X oder sogar Y, X, noch kein Y, X, geradezu Y, X, beinahe Y, die inkompatible Beziehungen zwischen Wörtern als solche zum Vorschein bringen. Die häufigsten Fälle, die in Korpora zwischen Graduonymen auftreten, wurden zu Beginn dieses Kapitels in Tabelle 28 zusammengefasst. Es wurden auch weitere reihenspezifische sprachliche Kennzeichen in Korpusbeispielen dokumentiert, die auf inkompatible, graduonymische, hypergraduonymische, partonymische Beziehungen zwischen Wörtern hinweisen. Die Korpusanalyse wurde durch den Wörterbuchabgleich anhand des Internet-Wörterbuchs elexiko, das korpusgestützt erarbeitet wird, ergänzt und anschließend wurden die Ergebnisse mit den Ergebnissen der Sprecherbefragung zum Vergleich herangezogen. Sowohl elexiko- Angaben als auch Methodenvergleich - Korpusanalyse vs. Sprecherbefragung - haben im Hinblick auf den graduonymischen Status der Wörter überwiegend Übereinstimmungen gezeigt. Die Korpusverfahren haben die aufgestellten Hypothesen zur Relation der Graduonymie bei den analysierten Wortreihungen bestätigt. Die Graduonyme der Wind-Reihe innerhalb der Lesart „Luftbewegung“, der Kind-Reihe innerhalb der Lesart „Entwicklungsstadium des Menschen von der Geburt bis zum Erwachsenenalter“ und der sprechen- Reihe innerhalb der Lesart „Lautstärke“ zeigen graduonymische Beziehungen. Die Korpusanalyse hat einen Beitrag zur Vervollständigung und Präzisierung von Graduonymiereihungen geleistet. Die Kind-Reihe wurde mit Kindergartenkind ergänzt; in der Wind-Reihe wurde der graduonymische Status von Bö nicht bestätigt Das graduonymische Verhältnis und die Rangordnung von sprechen-Wörtern haben sich in Textkorpora ebenso verifiziert. Korpora ermöglichten die Beobachtung des simultanen Auftretens von Graduonymen Kind, Wind und sprechen als Hypergraduonyme. Manche Wörter in Reihen drücken sowohl eine graduelle Abstufung zu anderen Wörtern der Reihe aus als auch eine Oberbegriffsrelation. In Korpustexten wird die Oberbegriffsbeziehung zwischen Wörtern an- Korpusanalysen zu graduonymischen Reihen 259 hand bestimmter sprachlicher Kennzeichnen explizit aufgezeigt. Oft wird ein Graduonym durch sein Hypergraduonym definiert und präzisiert. Im Satz wird das Graduonym-Wort verwendet. In einem anderen Satz 99 wird zum Zweck der sprachlichen Variation das Graduonym durch sein Hypergraduonym sowie charakteristische Eigenschaften des Graduonyms ersetzt (Graduonym vs. Hypergraduonym + spezifische Eigenschaften des Graduonyms). Diese Konstellation trifft nicht nur bei den Graduonymen und ihrem gemeinsamen Hypergraduonymen in der Reihe zu. Auch manche Nachbar-Graduonyme drücken eine Oberbegriffsrelation aus. 99 Hinsichtlich der Reihenfolge der Sätze, in denen Hypergraduonym und Graduonyme vorkommen, lassen sich keine genauen Angaben machen. 6. OPERATIONALE VERFAHREN 6.1 Theoretische Hintergründe Im Verlauf dieses Kapitels werden weitere Sprecherbefragungen sowie die daraus abgeleiteten Ergebnisse vorgestellt. Den Sprecherbefragungen liegen operationale Testverfahren zugrunde, die zur Ermittlung der Kontrastivität zwischen den Gliedern ausgewählter Graduonymiereihungen mithilfe von Satzkonstruktionen wie Das ist keine Brise, sondern geradezu ein Wind dienen. Die hier zu erörternden Probleme des Phänomens der Graduonymie sind engstens verknüpft mit anderen linguistischen Phänomenen wie der Implikaturentheorie. Mithilfe einer Überblicksdarstellung soll in diesem Kapitel zunächst versucht werden, die Zusammenhänge zwischen dieser Studie und den erwähnten Phänomenen zu zeigen. Anschließend wird das Ziel dieses Kapitels - die Analyse von Graduonymen in Testsätzen - weiter verfolgt. Graduonyme weisen Ähnlichkeiten mit skalaren Implikaturen der formalen Semantik/ Pragmatik auf. Skalare Implikaturen sind ein Spezialfall von Implikaturen und die Theorie der skalaren Implikaturen wurde auf der Grundlage von Grice’ konversationaler Implikaturentheorie entwickelt (vgl. Horn 1972, 1989, 2004; Gazdar 1979; Hirschberg 1991). So bilden Reihen wie die folgende: <wenige, viele> eine Skala. Während z.B. im Kontext des Satzrahmens „Ich habe _____ Gäste persönlich begrüßt.“ der Satz (1) Ich habe viele Gäste persönlich begrüßt. den Satz (2) Ich habe wenige Gäste persönlich begrüßt. logisch impliziert, ist es unter den Bedingungen skalarer Implikaturen nicht der Fall, dass Satz (1) Satz (2) implikatiert. Die Konversationsmaxime der Quantität (nach Grice 1975) besagt, dass man so informativ wie möglich, aber nicht informativer als nötig sein soll. Lexikalisch-semantische Graduonymie 262 Wenn ein Sprecher zum Ausdruck bringt, dass er wenige Gäste begrüßt hat, implikatiert er in einer Äußerung wie in Satz (2) zugleich, dass es nicht der Fall ist, dass er viele (1) Gäste begrüßt hat. Die Ausdrucksalternativen, die sich im Umfeld der Implikaturen wechselseitig ausschließen, sind auf der Skala <wenige, viele> angeordnet. Das Konzept der skalaren Implikaturen geht auf Laurence Horn zurück, der die Grice’sche Implikaturentheorie im Rahmen skalarer Implikaturen weiterentwickelt und das Problem als erster dargelegt hat. Dementsprechend werden derartige Skalen nach ihm als „Horn-Skalen“ benannt. Horn (1972) und Gazdar (1979) haben für sprachliche Skalen eine „strenge Bedingung“ vorgeschlagen (vgl. Dölling 2010/ 2011, S. 3). Levinson definiert nach Horn und Gazdar eine Skala folgenderweise: Eine sprachliche Skala besteht aus einer Menge sprachlicher Alternativen oder kontrastiver Ausdrücke derselben grammatischen Kategorie, die sich nach ihrer Informativität oder semantischen Stärke linear anordnen lassen. Eine solche Skala hat im allgemeinen die Form einer (durch spitze Klammern gekennzeichneten) geordneten Menge sprachlicher Ausdrücke oder skalarer Prädikate, e 1 , e 2 , e 3 ... e n wie in < e 1 , e 2 , e 3 ... e n >. (Levinson 2000, S. 145). Die Definition der Horn-Skala trifft auf die Struktur einer graduonymischen Skala zum Teil zu, denn eine Hornsche Skala umfasst nur einen Teil oder eine Richtung einer Graduonymiereihe. Das heißt, in einer graduonymischen Skala z.B. frostig < kalt < mild < warm < heiß < glühendheiß implizieren heiß oder glühendheiß nicht frostig oder kalt. Sie stehen vielmehr in einer antonymischen Opposition zueinander: frostig vs. glühendheiß, kalt vs. heiß oder kalt vs. warm. Insofern bestehen graduonymische Reihen zum Teil aus mehreren Horn-Skalen <frostig, kalt>, <warm, mild>, <glühendheiß, heiß>. Die Paradebeispiele für Horn-Skalen wie die folgenden könnten zu Recht zu Elementen von Graduonymiereihungen gezählt werden: <ausgezeichnet, gut>, <heiß, warm>, <kalt, kühl>. In der Forschung sind die wesentlichen Eigenschaften der skalaren Implikaturen, ihre Arten, Unterschiede von Prässupositionen und logischen Folgerungen ausführlicher untersucht worden. Nach Grice ist eines der Hauptunterscheidungsmerkmale der Implikaturen die Tilg- Operationale Verfahren 263 barkeit (oder Aufhebbarkeit) 100 der Implikaturen. Dies ist ein wichtiger Faktor, wodurch sich die Wörter in Skalen systematisieren lassen (bzw. sich als Elemente einer Skala erkennen lassen). Dieser Aspekt der skalaren Implikaturen ist auch für diese Studie von Bedeutung. Betrachten wir folgende Beispiele: (3) Das Wasser ist heiß. (4) Das Wasser ist warm. Aus Satz (3) folgt Satz (4). So sind heiß und warm die Einheiten der Horn-Skala <heiß, warm>, denn „für eine beliebige Skala der Form < e 1 , e 2 , e 3 ... e n > gilt: Behauptet ein Sprecher A(e 2 ), so [implikatiert] 101 er ~ A(e 1 ), behauptet er A(e 3 ), so [implikatiert] er ~ A(e 2 ) und ~ A(e 1 ) und allgemein gesagt, behauptet er A(e n ), so [implikatiert] er ~ (A(e n - 1)), ~ (A(e n - 2)) usw. bis zu ~ (A(e 1 ))“ (Levinson 2000 , S. 146) . „Das Wasser ist heiß“ impliziert „Das Wasser ist warm“. Da heiß und warm eine Horn-Skala <heiß, warm> bilden, kann vorhergesagt werden, dass „Das Wasser ist warm“ die Äußerung „Das Wasser ist nicht heiß“ konversationell implikatiert. Dies ist eine skalare Implikatur; sie ist jedoch, wie alle Implikaturen, aufhebbar. Die Äußerung in (5) kann formuliert werden, ohne dass ein Widerspruch entsteht: (5) Das Wasser ist warm, ja sogar heiß. Folglich wird die Implikatur von der Behauptung in (5), X sei nicht heiß, getilgt (vgl. Levinson 2000, S. 150). Such an account can become a general claim about the meaning of items in linguistic scales: in general such items (when embedded in statements) entail their lower bounds (warm in a statement will entail ’at least warm’) but merely implicate their upper bounds (warm implicate ’not hot’). (Levinson 1983, S. 138) 100 Die Termini ‘Tilgbarkeit’ und ‘Aufhebbarkeit’ werden hier synonym verwendet. 101 In der zitierten deutschen Auflage des Buches wird eigentlich anstatt „implikatiert“ das Verb „impliziert“ verwendet: „Das Wasser ist warm“ impliziert konversationell „Das Wasser ist nicht heiß“ (Levinson 2000, S. 150). Da in dieser Hinsicht zwischen Verben „implikatieren“ und „implizieren“ unterschieden wird und zudem auch in der Originalausgabe des Buches zu Recht das Verb „implicate“ und nicht „imply“ gebraucht wird (X is warm conversationally implicates ’X is not hot’) (Levinson 1983, S. 138), wird an dieser Stelle das Beispiel gemäß dem Original zu „implikatiert“ geändert. Lexikalisch-semantische Graduonymie 264 Durch den Faktor der Aufhebbarkeit der skalaren Implikaturen kann gezeigt werden, ob zwischen den Einheiten einer angenommenen Skala Kontrastverhältnisse vorliegen und wie sie sich manifestieren. Interessant wäre in diesem Zusammenhang zu beobachten, durch welche Sprachmittel angezeigt wird, dass eine Implikatur getilgt werden soll. Für das Entstehen von skalaren Implikaturen müssen die Einheiten von Skalen in einem Satzkontext eingebettet sein. Hierbei werden die Elemente von Horn-Skalen vor allem mit Konnektoren (z.B. geradezu, höchstens, fast noch, fast schon etc.) verknüpft, die bei der Wirksamkeit einer Beziehung zwischen Graduonymen mit oder ohne Berücksichtigung der Negation eine wichtige Rolle spielen. Doch hat bisher dieser wichtige Aspekt bei der Verifizierung der skalaren Implikaturen zwischen lexikalischen Einheiten in der Implikaturen-Forschung kaum Beachtung gefunden. Die Sprachmittel mit verknüpfender Funktion sind das Untersuchungsobjekt der Konnektoren-Forschung. Auch dieser Teilbereich der Linguistik liefert zur Semantik von Konnektoren, vor allem in Bezug auf ihr Verhältnis zu bestimmten Wortarten und auf die Rolle, dies sie für die Untersuchung semantischer Relationen spielen, kein aussagekräftiges Material. Diese Studie stellt eine sowohl theoretische als auch methodische Herausforderung dar in der Hinsicht, dass anhand der für die Analyse herangezogenen Verknüpfungsmittel, für welche in der Forschung noch eine Reihe von offenen Fragen bestehen, semantische kontrastive Relationen von Graduonymen im Rahmen der Satzkonstruktionen empirisch überprüft werden sollen. Die Analyse hat zum Ziel, die Kontrastfähigkeit zweier in strengen Satzkonstruktionen einander gegenübergestellten Graduonymen zu ermitteln. Eine derartige Untersuchung semantischer Relationen liegt bisher nicht vor. Insofern betritt diese Arbeit wissenschaftliches Neuland, indem faktisch getestet wird, inwieweit diese Methode zur Überprüfung der Annahmen beiträgt. Es ist allerdings wichtig zu erwähnen, dass der Schwerpunkt dieser Studie weder in der gezielten Implikaturennoch in der Konnektoren-Forschung liegt. Die semantische Explikation der ausgewählten Konnektoren ist jedoch für die Analyse unvermeidlich. Hierfür wird die relevante einschlägige Literatur verwendet. Generell strebt diese Studie an, zu zeigen, wie die Graduonyme in kontrastierenden Satzkontexten operationalisiert werden, welche Beziehungen sie folglich fokussieren und welche Rolle dabei die verwendeten Konnektoren spielen. Operationale Verfahren 265 6.2 Einführung in die Methodik In der Literatur zu Implikaturen wird betont, dass das Erkennen genereller Quantitätsimplikaturen zur Vereinfachung der Semantik beitragen kann. Die Implikaturen-Forschung bietet Methoden an, mit denen präzise Erkenntnisse zu Bedeutungsbeziehungen zwischen Wörtern gewonnen werden können: Die Implikatur bietet eine attraktive Lösung an - Wörter haben häufig eine einzige zentrale Bedeutung, die abhängig vom Kontext und demnach wieder aufhebbar durch verschiedenartige systematische Implikaturen erweitert werden kann. (Levinson 2000, S. 150) (siehe dazu das obige warm-vs.-heiß-Beispiel) Eine exemplarische Analyse verschiedener Bedeutungsbeziehungen bringt im Rahmen der Satzkontexte aufschlussreiche Ergebnisse. Mittels Aussagen wie „Das ist kein X, sondern ein Y“ werden X und Y einander gegenübergestellt und ihr Verhältnis zueinander getestet. Es lässt sich dadurch die Diskretheit der referenzierten Gegenstände X und Y ermitteln. Im Satzmodel „Das ist kein/ nicht X, sondern ein Y“ wird sondern dafür verwendet, um Alternativen einzuführen. Zum adversativen Konnektor sondern liegen einige Untersuchungen vor (vgl. u.a. Lang 1977; Asbach-Schnitker 1979; Abraham 1975). Lang (1977) analysiert die Semantik der nicht-sondern-Verknüpfung sehr detailliert. Nach Lang (ebd., S. 237ff.) beinhaltet nicht - sondern korrigierende Zurückweisungen. In Beispielsatz (6) wird im ersten Konjunkt (schlafen) durch das Negationselement eine Negationsdomäne eröffnet, die im zweiten Konjunkt (wachbleiben) expliziert wird. In den Konstruktionen, denen der Interpretationstyp Korrektur zugrunde liegt, tritt das erste Konjunkt als Korrigendum (die zu korrigierende Äußerung) hervor und das zweite Konjunkt als Korrigens (die korrigierende Äußerung). Korrigens und Korrigendum müssen genau aufeinander passen, so dass sie Instanzen derselben semantischen Domäne darstellen. Die Analyse der Verknüpfungen zeigt die möglichen Minimal- und Maximaldifferenzen zwischen Korrigendum und Korrigens, wobei Korrigens und Korrigendum semantisch kontrastfähige Einheiten sein müssen. Dadurch wiederum wird die uns ohnehin bei der Koordination ständig beschäftigende Eigenschaft der Kontrastfähigkeit zweier Konstituenten oder Konstituententeile verdeutlicht (= Minimaldifferenz) und das Lexikalisch-semantische Graduonymie 266 Konzept der GEI 102 -Formel als Rahmen, innerhalb dessen die Korrektur stattfindet, wird bestätigt (= Maximaldifferenz) (Lang 1977, S. 238). (6) Peter muss nicht schlafen, sondern er kann wachbleiben. Die Konjunktion nicht - sondern erfordert hierbei die primär postulierte Eigenschaft der Unverträglichkeit des Verhältnisses zwischen den Konjunkten schlafen und wachbleiben. Lang gibt eine Definition für die nicht sondern-Verknüpfung an: Die Bedeutung von nicht - sondern enthält die Anweisung: „(1) betrachte die durch SB 1 und SB 2 repräsentierten Sachverhalte als nicht ZU- GLEICH GELTEND innerhalb von GEI (obwohl sie Alternativen sind innerhalb von GEI ), (2) WÄHLE den durch SB 2 repräsentierten Sachverhalt als GÜLTIG aus, (3) ersetze in deinem Kenntnissystem den durch SB 1 repräsentierten Sachverhalt durch den von SB 2 ! (Lang 1977, S. 72) Im Folgenden werden anhand der Negation sondern-Verknüpfung verschiedene Arten der Paradigmen semantischer Re-lationen Hyperonymie/ Hyponymie, Synonymie, Antonymie und Kohyponymie überprüft, um zu ermitteln, ob und inwiefern die Gegenüberstellung der Elemente der jeweiligen Bedeutungsbeziehungen im Satzkontext plausibel ist. Die Analyse soll zeigen, welche Sinnrelationen auf dem Kontrast basieren und wie die kontrastfähigen semantischen Relationen voneinander zu unterscheiden sind. In jedem Satz zu einer semantischen Relationsart treten für X und Y (innerhalb des Musters „Das ist kein/ nicht X, sondern ein Y“) systematisch zwei Wörter zur erwähnten Relation auf. 1) Für die Elemente einer Hyperonymie-/ Hyponymiebeziehung ist der o.g. Test inadäquat. Man kann nicht sagen: (7) ? Das ist kein Pferd, sondern ein Rappe. Bei Pferd und Rappe handelt es sich nicht um zwei Alternativen aus der gleichen Oberbegriffskategorie, sondern Pferd ist ein Hyperonym von 102 Der Begriff GEI (Gemeinsame Einordnungsinstanz der Konjunktbedeutungen) ist bei Lang relevant: „Die GEI ist das Integrationsmoment für die Konjunkte, sie stellt den für alle Konjunktionen gemeinsamen Aspekt der koordinativen Verknüpfung auf der semantischen Ebene dar. So daß man sagen kann, zwei (oder mehr) Konjunkte sind dann semantisch verknüpft, wenn aus ihnen eine GEI deduziert werden kann gemäß der in der jeweiligen Konjunktionsbedeutung angewiesenen Folge von Operationen über den Konjunktbedeutungen“ (Lang 1977, S. 66). Operationale Verfahren 267 Rappe, und Rappe ist ein Hyponym von Pferd. Sie bilden somit Ober- und Unterbegriffskategorien. Die Konjunktbedeutungen stehen so also in einer Beziehung der semantischen Inklusion, 103 dass aus der Konjunktbedeutung Rappe die Konjunktbedeutung Pferd (der Konjunktbedeutung 2 die Konjunktbedeutung 1) ableitbar ist. Wenn auch bei der semantischen Inklusion die Konjunktbedeutungen semantisch distinkt sind, führen sie nur unter bestimmten Bedingungen zu akzeptablen koordinativen Verknüpfungen (vgl. Lang 1977, S. 106). Der Grund dafür ist einfach der, daß, wie auch bei semantisch nichtdistinkten Konjunkten, in solchen Fällen eine die Konjunktbedeutungen übergreifende und von ihnen verschiedene GEI nicht konstituiert werden kann. Sie fällt hier meist zusammen mit dem Konjunkt, das von dem jeweils spezielleren impliziert wird. Entsprechend treten auch die Konflikte mit den in den Konjunktionsbedeutungen postulierten Zusammenhängen auf: Vögel oder Tiere ist keine echte Wahl, Vögel aber Tiere enthält nicht den nötigen Gegensatz usw. (Lang 1977, S. 106) Es gibt aber okkasionelle Fälle bei der Inklusionsbeziehung, die abhängig von der Abfolge der Konjunkte und der verwendeten Konjunktionen zu akzeptablen Schlussfolgerungen führen können. Es entstehen in diesem Fall „gerichtete“ Koordinationen (vgl. ebd., S. 109). Wird beispielsweise die speziellere Bedeutung von Rappe durch schwarzes Pferd paraphrasiert, 104 ist die Verknüpfung mit denn angemessen: (8) Das ist ein Rappe, denn es ist ein schwarzes Pferd. Da sich die aktuelle Analyse auf die gegensatzbildende Negation-sondern-Verknüpfung bezieht, werden hier Satzmuster mit anderen Konjunktionen nicht weiter diskutiert. 2) Bei der Synonymie scheint dieser Test ebenfalls nicht adäquat zu sein: (9) ? Das ist kein Zündholz, sondern ein Streichholz. 103 Die Beziehungen zwischen den Konjunktbedeutungen bzw. zwischen den Komponenten der Konjunktbedeutungen sind nach Lang folgende: „Synonymie (semantische Nicht-Distinktheit), Enthaltensein (semantische Inklusion), Kompatibilität (semantische Unabhängigkeit), Kontrarität, Kontradiktorischer Gegensatz und eventuell weitere“ (Lang 1977, S. 68f.). 104 Derartige Erscheinungen werden im Buch allerdings nicht unter der Kategorie der ‘Inklusion’, sondern der ‘Nicht-Diskretheit’ behandelt (vgl. Lang 1977, S. 97). Lexikalisch-semantische Graduonymie 268 An dieser Stelle ist zunächst eine terminologische Erläuterung erforderlich. Wie es der erste Fall der Inklusion illustriert, verwendet Lang für Bedeutungsbeziehungen zwischen Konjunkten logische Termini. Lang bevorzugt für die „Synonymie“ den Begriff „semantische Nicht- Distinktheit“, der für die Semantiktheorie und für die Zwecke seiner Analyse wesentlich geeigneter sei (vgl. ebd., S. 89). Langs Nicht-Distinktheit wird an zwei Beispielen erläutert. Zündholz und Streichholz beziehen sich auf das gleiche Denotat; sie sind nicht die zwei Alternativen aus der gleichen Oberbegriffskategorie. Damit die Verknüpfungen nicht befremdlich wirken und als akzeptabel gelten sollen, müssen die Konjunktbedeutungen semantisch distinkt sein. Die Definition der semantischen Disktinktheit gibt Lang folgendermaßen an: Zwei Ausdrücke C 1 und C 2 sind semantisch distinkt, nur wenn C 1 und C 2 sind referenziell distinkt u n d C 1 und C 2 sind konzeptuell distinkt. Sie sind semantisch nicht-distinkt sonst. (Lang 1977, S. 90) Die überwiegende semantische Ähnlichkeit zwischen Zündholz und Streichholz 105 geht in Bedeutungsgleichheit über, wodurch sich diese beiden Wörter als nicht kontrastfähig bzw. semantisch nicht distinkt auszeichnen. Mit ihnen können im Rahmen koordinativer Verknüpfungen anhand gegensatzbildender Konjunktionen keine akzeptablen Aussagen getroffen werden. Lang greift hinsichtlich der Akzeptabilität semantisch nicht distinkter Sätze das oben erwähnte und auf Grice zurückzuführende Prinzip der Konversationsmaximen auf und unterstreicht, dass die Sätze wie im vorliegenden Fall dem Prinzip sprachlicher Kommunikation zuwiderlaufen: Etwas enger gefaßt, könnte man schon sagen, daß solche Satzfolgen gegen die guten Sitten der Kommunikation verstoßen, wie sie etwa GRICE (1975, S. 46) in seinen Konversationsmaximen (‘Conversational maxims’) zuerst codifiziert hat, besonders gegen die Maximen Be relevant! und Be brief! , insofern, als die Aneinanderreihung identischer oder semantisch nicht-distinktiver Sätze kaum mehr an Mitteilung hervorbringt als einer der Konjunkte allein und darüber hinaus eher Verwirrung stiftet. (Lang 1977, S. 92) 105 Nach Wörterbüchern existieren regionalbedingte Unterschiede zwischen Zündholz und Streichholz. Operationale Verfahren 269 Sie sind nicht akzeptabel, denn die durch Nicht-Distinktheit der Konjunktbedeutungen verursachte Identitätsrelation der genannten Sachverhalte gerät mit der in der Konjunktionsbedeutung postulierten Relation in Konflikt (vgl. ebd., S. 94). Einen ganz anderen Fall präsentiert jedoch die Satzfolge mit den Wörtern Gesicht vs. Fratze, die in Wörterbüchern ebenfalls als Synonyme erfasst werden. Der Test zeigt, dass die Wörter ohne Widerspruch durch Negation - sondern verknüpft werden können: (10) Das ist kein Gesicht, sondern eine Fratze. Es bestehen zwischen Gesicht und Fratze konnotative Unterschiede, wobei Gesicht als „neutral“ und Fratze als „salopp“ und „abwertend“ registriert wird. Aufgrund der Differenzen zwischen diesen Wörtern sind Sätze wie Das ist kein Gesicht, sondern eine Fratze durchaus möglich. Trotz seiner Grundsynonym-Funktion zu weiteren sinnverwandten Wörtern der Gruppe (Angesicht, Antlitz, Fresse, Visage etc.) steht Gesicht als neutraler Ausdruck zu Fratze in Opposition (mehr zu diesem Beispiel siehe oben in Kap. 3.2). Trotz der Akzeptanz ihrer Gegenüberstellung in Das ist kein Gesicht, sondern eine Fratze ist ihr Vorkommen in Sätzen wie Sein Gesicht war eine hässliche Fratze durchaus möglich. Denn die stilistischen Synonyme sind Variationsmöglichkeiten bei gleichem Denotatsbezug. Die folgenden drei Beispielfälle zur Antonymie, Kohyponymie und Graduonymie haben Gemeinsamkeiten, denn sie stellen kontrastfähige Exemplifizierungen eines gemeinsamen Oberbegriffs dar. Die Wortpaare innerhalb der erwähnten Relationstypen sind unverträglich. Da die nicht sondern-Verknüpfung unverträgliche Konjunktbedeutungen postuliert (ebd., S. 140), führt ihre Gegenüberstellung zu akzeptablen Aussagen. Konträre und kontradiktorische Gegensätze gehören nach Lang zum Typ der semantischen Beziehung der Unverträglichkeit (vgl. ebd., S. 110, 199). Kontradiktorische Gegensätze beziehen sich auf Komplementäre, die hier nicht behandelt werden. Zu konträren Gegensätzen gehören Antonyme wie schlafen vs. wachbleiben. Zu dieser Gruppe können zudem aufgrund ihrer Inkompatiblität kohyponyme und graduonyme Wörter gezählt werden. Diese drei Relationen verbindet der Faktor der Kontrastfähigkeit und die Kontrastfähigkeit der Konjunkt- Lexikalisch-semantische Graduonymie 270 bedeutungen ist eine notwendige Bedingung für das Funktionieren der Interpretationsmechanismen (vgl. ebd., S. 30). 3) Für antonymische Paare gilt die Aussage „Das ist nicht/ kein X, sondern (im Gegenteil) (ein) Y“: (11) Das ist nicht weiß, sondern (im Gegenteil 106 ) schwarz. Da weiß und schwarz Alternativen innerhalb der Farbkategorie sind, ist eine derartige Gegenüberstellung mit nicht - sondern geeignet. 4) Für Kohyponyme ist dieses Satzmuster ebenfalls anwendbar: (12) Das ist kein Dackel, sondern ein Pudel. Die Kohyponyme sind also aufgrund ihrer Inkompatibilität und Diskretheit zueinander in solchen Satzmustern produktiv. Dackel und Pudel bilden Alternativen des Hyperonyms Hund. Hier liegt eine Ähnlichkeit zum Verhalten der graduonymischen Elemente einer Reihe in entsprechenden Satzmustern vor. 5) Bei Graduonymen ist die Satzfolge akzeptabel: (13) Das ist kein Bach, sondern ein Fluss. (aber auch anders herum) Die Graduonyme Bach und Fluss sind Elemente des Feldes „natürlicher Wasserlauf“ und stellen genauso wie Antonyme und Kohyponyme Alternativen dar. Mithilfe des Negation sondern-Tests werden die Graduonyme der in die Analyse herangezogenen Wortreihen Wind (Kap. 6.3.1.1), Kind (Kap. 6.3.2.2) und sprechen (Kap. 6.3.3.2) ausführlich analysiert. Darüber hinaus können allerdings die Satzmuster für Graduonyme mit Gradpartikeln angereichert werden. Das ist ein Unterschied zur Ermittlung von Kohyponymen, bei denen dieser Test nicht angewendet werden kann: (14) ? Das ist kein Dackel, das ist geradezu ein Pudel. Aber (15) Das ist kein Fluss, das ist geradezu ein Strom. 106 Im Falle eines maximalen Kontrasts wie im vorliegenden Beispiel ist die Ergänzung durch im Gegenteil möglich. Operationale Verfahren 271 Für Graduonyme sind also die Satzkonstruktionen mit unterschiedlichen, den graduellen Kontrast signalisierenden Konnektoren sehr produktiv. Angesichts der obenstehenden wenigen Beispielsätze zu unterschiedlichen semantischen Relationsarten kann man zusammenfassen, dass Graduonyme spezielle distinktive Merkmale aufweisen, die sie von anderen semantischen Relationen unterscheiden. Durch die ausgewählte Konjunktion nicht - sondern werden die Elemente der Gruppen kontrastiert, die einander ausschließende Alternativen der gemeinsamen Oberbegriffskategorie bilden. Anders formuliert: Diejenigen Wörter, die die semantische Eigenschaft der Unverträglichkeit haben, sind im Rahmen der gegensatzbildenden Verknüpfungen akzeptabel. Die für die vorliegende Studie ausgewählten Verknüpfungsmittel und ihre Funktion werden in Kapitel 6.3 dargestellt. Ziel der vorliegenden Studie ist es, die folgenden grundlegenden Fragestellungen näher zu beleuchten: 1) Wie verhalten sich einzelne Elemente der Reihungen im Rahmen der Satzmuster zueinander? 2) Inwiefern sind derartige Satzrahmen zum Testen unterschiedlicher Graduonymiereihungen geeignet? 3) Welche Konnektoren (Partikeln) tragen dazu bei, die Gradualität zwischen Elementen von Reihen zu zeigen? Auf die konkreten phänomenbezogenen Hypothesen wird im Rahmen der statistischen Analyse unten noch ausführlich eingegangen (Kap. 6.9). Im Folgenden werden die einzelnen Analyseschritte zur Datenerhebung aufgrund der Sprecherurteile beschrieben; außerdem wird dargelegt, wie die Umfrage durchgeführt wurde, wer daran teilgenommen hat und wie die Testsätze ausgewählt wurden. Zunächst werden die Ergebnisse deskriptiv beschrieben, danach werden die erhobenen Daten nach aufgestellten Hypothesen statistisch ausgewertet und anschließend interpretiert. Lexikalisch-semantische Graduonymie 272 6.3 Auswahl von Testsätzen bzw. Verknüpfungsmitteln Für die operationalen Tests wurden die drei graduonymischen Reihungen Wind, Kind und sprechen, deren graduonymischer Status in der ersten deutschen Umfrage und in der Korpusanalyse ermittelt wurde, ausgewählt. Die Analyse der Reihen in der vorliegenden Studie basiert auf der Reihenfolge der Wörter, die sich infolge der vorigen empirischen Untersuchungen herausgestellt hat. Also dienten die gewonnenen Erkenntnisse der ersten Sprecherbefragungen und der Korpusanalyse als Basis für diese Umfrage. Zu bewerten waren 68 Sätze anhand von Elementen zweier nominaler (Wind und Kind) Reihen und einer verbalen (sprechen) Reihe. Für jede Gruppe wurden unterschiedliche reihenspezifische Konstruktionen und Konnektoren verwendet. Was für eine Konstruktion für die Reihen anwendbar sein sollte, hängt einerseits davon ab, aufgrund welchen semantisch graduierbaren Merkmals die Reihen in Kontrast zueinander stehen, und zum andern von der Semantik der Verknüpfungsmittel, die den Kontrast zwischen Graduonymen zulassen bzw. hervorheben. An dieser Stelle muss zunächst ein terminologischer Aspekt der Untersuchung geklärt werden. Bei der bisherigen Darstellung war als Verknüpfungs- und Kontrastierungsmittel für die Satzmuster von Konnektoren, aber auch von Partikeln die Rede. Für jede Reihe werden hinsichtlich ihrer reihenbildenden Merkmale (Wind-Reihe: ‘Windstärke’, Kind-Reihe: ‘Alter’ und sprechen-Reihe: ‘Lautstärke’) spezifische Mittel verwendet. Da es in der Konnektorenbzw. Partikelforschung trotz zahlreicher Arbeiten bisher keine einheitliche Klassifikation dieser Mittel gibt, so dass z.B. eine und dieselbe Partikel innerhalb von Grad-, Intensitäts- oder Abtönungspartikeln behandelt wird, wird sich im Rahmen der vorliegenden Untersuchung für den Terminus ‘Graduierungspartikel’ entschieden, der konstant verwendet wird. Die in dieser Studie verwendeten Graduierungspartikeln sind folglich fast, geradezu, höchstens, noch, nur, regelrecht, schon, sogar, sondern. Eine angenommene Reihenfolge von Graduonymen ist bereits vorhanden. Gemäß dieser Abfolge werden jeweils entsprechende Graduierungspartikeln sowohl für die Richtung der Steigerung wie auch Verringerung des Merkmals eingesetzt. Es werden also entweder nach Operationale Verfahren 273 oben (Steigerung) oder nach unten (Verringerung) zeigende Partikeln in Erwägung gezogen. Sie besitzen eine verstärkende oder abschwächende Funktion. Aus den unten angeführten Definitionen der ausgewählten Partikeln geht hervor, dass sie unter ihrer skalierenden Funktion in einer Bewertungsskala dem Bezugsglied einen niedrigen oder höheren Platz zuweisen. Jedes Skalenelement wird in vorgegebener Richtung dem anderen gegenübergestellt. Mithilfe der Graduierungspartikeln, die Steigerung signalisieren, wird die Reihe nur in die Richtung der Steigerung und nicht in die umgekehrte Richtung getestet. In gleicher Weise werden die Graduierungspartikeln mit abschwächender Funktion angewendet. Die Wörter Fluss und Strom haben in der hypothetischen Skala „Wasserlauf“ eine direkt benachbarte Position: das Rinnsal < das Bächlein < der Bach < das Flüsschen < der Fluss < der Strom. Die Partikel geradezu deutet beispielsweise auf eine Graduierung auf die nächst höhere Stufe hin: Das ist kein Fluss, das ist geradezu ein Strom. Mit der Partikel bestenfalls wird auf die nächst niedrigere Stufe verwiesen und somit in die entgegengesetzte Richtung graduiert: Das ist kein Strom, das ist bestenfalls ein Fluss. Bei der semantischen Erläuterung der Partikeln orientiert sich diese Arbeit an zwei Nachschlagewerken und zuweilen an einzelnen wissenschaftlichen Arbeiten. Die Definitionen entstammen vor allem dem „Lexikon deutscher Partikeln“ von Helbig (1988) und ergänzend dem „Wörterbuch deutscher Partikeln“ von Métrich/ Faucher (2009). Manche Partikeln haben gemäß ihrer Semantik und Funktion mehrere Lesarten. Bei den Definitionen wird insofern nur die für die Zwecke dieser Arbeit relevante Lesart von Partikeln in Betracht gezogen. 6.3.1 Die Konstruktionen in der Wind-Reihe Die Wind-Reihe besteht aus vier Elementen: die Brise < der Wind < der Sturm < der Orkan. Der Kontrast zwischen den Wörtern wird anhand vier unterschiedlicher Satzkonstruktionen geprüft. Lexikalisch-semantische Graduonymie 274 6.3.1.1 Verstärkende Graduierungspartikeln in der Wind-Reihe 1) Das ist kein X, sondern geradezu ein Y Anhand des Verknüpfungsmittels Negation - sondern geradezu sollen die Wind-Wörter auf die Steigerungsrichtung hin getestet werden. Die Funktion von sondern wurde oben bereits ausführlich dargestellt. Neben der Einführung von Alternativen durch sondern werden die Graduonyme mithilfe von geradezu verstärkt. Im „Lexikon deutscher Partikeln“ wird geradezu folgenderweise definiert: geradezu (Steigerungspartikel) Verstärkt die im Bezugswort bezeichnete Eigenschaft, die in so hohem Grade nicht erwartet wurde (= direkt; tatsächlich, wahrhaftig). Die Entdeckung war geradezu sensationell. (Helbig 1988, S. 155) 2) Das ist ein X, oder sogar ein Y sogar (Gradpartikel) Behauptet, daß ein bestimmter (extrem hoher) Wert auf einer Skala gilt, impliziert, daß auch die tieferen Werte auf der Skala gelten (daß auch auf sie die Aussage zutrifft), und präsupponiert, daß eine Erwartung nicht nur erfüllt, sondern sogar überboten wird (für das Bezugsglied ist Zutreffen vorher nicht erwartet worden) (= selbst auch8). Skalierend, inklusiv und hervorhebend. Er hat sogar den ersten Preis bekommen. Der Student ist sogar genial. (Helbig 1988, S. 218) Das „Wörterbuch deutscher Partikeln“ (Métrich/ Faucher 2009) bestätigt und ergänzt diese Definition: sogar: Fokuspartikel Funktion: drückt aus, dass die Bezugseinheit unter allen in Frage kommenden die unerwarteste und somit argumentativ die signifikateste ist. [...] Liegt der Schwerpunkt auf dem Unerwartetsein, so ergibt sich eine konzessive Nebenbedeutung (sogar A = normalerweiswe nicht A); liegt er auf der argumentativen Relevanz, kommt eher ein Steigerungseffekt zustande (sogar A = nicht nur B oder C). (Métrich/ Faucher 2009, S. 820) Du bist scharf auf Kazimierz Gerhart. Ach du lieber Gott, sagte ich, er könnte mein Vater sein, vielleicht sogar mein Großvater. (SRJ 233/ 191) (ebd., S. 822) Operationale Verfahren 275 Die Konstruktionen 1) und 2) dienen also dazu, das Verhältnis von Graduonymen der Wind-Reihe zu legitimieren, hervorzuheben und zu verstärken. Als zweites Wort muss in der Konstruktion eines auftreten, das einen Punkt weiter oben auf der Skala bezeichnet. Bei dem sogar- Test soll sich das erste Wort nicht weit vom zweiten Wort entfernt auf der Skala befinden. Die Verstärkung anhand der verwendeten Konnektoren beginnt mit dem schwächeren Element der Reihe, also mit Brise und stufenweise erhöht sie sich bis zum stärkeren Element der Gruppe, also bis Orkan. Hierbei werden nicht nur benachbarte Elemente miteinander kontrastiert, sondern ein Element mit jedem anderen, das ihm nachgeordnet ist. - Das ist keine Brise, sondern geradezu ein Wind. - Das ist keine Brise, sondern geradezu ein Sturm. - Das ist keine Brise, sondern geradezu ein Orkan. - Das ist kein Wind, sondern geradezu ein Sturm. - Das ist kein Wind, sondern geradezu ein Orkan. - Das ist kein Sturm, sondern geradezu ein Orkan. - Das ist eine Brise, oder sogar ein Wind. - Das ist eine Brise, oder sogar ein Sturm. - Das ist eine Brise, oder sogar ein Orkan. - Das ist ein Wind, oder sogar ein Sturm. - Das ist ein Wind, oder sogar ein Orkan. - Das ist ein Sturm, oder sogar ein Orkan. 6.3.1.2 Abschwächende Graduierungspartikeln in der Wind-Reihe 3) Das ist kein richtiger X, sondern nur ein Y Die Konstruktion Negation - sondern nur dient der Graduierung zwischen Wind-Wörtern in die entgegengesetzte Richtung. Signifikant ist bei der Einschränkung bzw. Abschwächung die Rolle von nur. nur 6 (Gradpartikel) Restriktiv und exklusiv, signalisiert das Zutreffen des Sachverhalts nur auf das Bezugsglied, schließt andere typengleiche Bezugsglieder aus (bei quantifizierender Interpretation) oder weist dem Bezugsglied einen niedrigen Platz in einer Bewertungsskala zu (bei skalierender Interpretation) Lexikalisch-semantische Graduonymie 276 Er erhielt nur einen Trostpreis. (keinen ersten Preis) Ist der Schüler nur fleißig? (oder auch begabt? ) (Helbig 1988, S. 192) nur6 kann (da es einen niedrigen Platz zuweist) nicht bei solchen Bezugswörtern stehen, die aufgrund ihrer lexikalischen Bedeutung keine Einschränkung zulassen: x Die Arbeit war nur ausgezeichnet. x War er nur Staatsoberhaupt? (ebd., S. 192) nur6 bezieht sich auf Mengen oder Skalen und zeigt an, daß ein erwarteter (höherer) Wert (entweder ein quantitativer Wert oder ein Wert auf einer Werteskala) nicht erreicht wurde; der real erreichte Wert steht im Bezugsglied von nur (ebd., S. 193). 4) Das ist kein richtiger X, höchstens ein Y höchstens (Gradpartikel) Signalisiert in einer Skala den oberen Grenzwert, der nicht nach oben hin überschritten, wohl aber nach unten hin überschritten werden kann (= nicht mehr als, im äußersten Fall) Der Junge ist höchstens 10 Jahre alt (10 Jahre oder weniger, keinesfalls mehr) Er bekommt in der Prüfung höchstens die Note 2. (nicht die Note 1, aber möglicherweise die Note 3) (Helbig 1988, S. 160) Erwähnenswert ist in diesem Zusammenhang der Aufsatz von Lötscher (1989) zu der Rolle von höchstens bei skalaren Implikaturen. Diese Arbeit teilt die im Folgenden und an anderen Stellen der Arbeit dargestellten Auffassungen von Lötscher hinsichtlich der Funktion von höchstens und hebt die Relevanz der gegensatzbildenden sprachlichen Mittel wie höchstens bei der Erforschung skalarer Implikaturen wie auch Graduonyme hervor. Eine erste Komplikation, die wir bei höchstens, wenigstens, immerhin und jedenfalls antreffen, besteht darin, daß die implikativen Gegensätze nicht komplementärer Art sind, so daß das eine Element des Gegensatzpaares die direkte Negation des anderen Elements darstellt, sondern eher graduell antonymischer Art, indem eine Implikatur auf einer Skala, die in der Regel eine Polarität zwischen einem tiefen und einem hohen Wert aufweist, tiefer oder höher eingestuft werden kann. (Lötscher 1989, S. 215) Operationale Verfahren 277 [...] Ein Sprecher, der zwei Sätze mit höchstens oder jedenfalls verbindet, behauptet damit nicht, daß notwendigerweise beide Sätze gleichzeitig wahr sind, sondern nur, daß einer wahr ist, vorzugsweise der zweite. (ebd., S. 221) Innerhalb der beiden Konstruktionen hat richtig (kein richtiger X) eine verstärkende Funktion. Anhand des paarweisen Vergleichs innerhalb der Konstruktionen 3) und 4) werden die Kontrastverhältnisse der Wind-Wörter auf die stufenweise zunehmende Schwäche hin, d.h. von Orkan bis Brise, überprüft. - Das ist kein richtiger Orkan, sondern nur ein Sturm. - Das ist kein richtiger Orkan, sondern nur ein Wind. - Das ist kein richtiger Orkan, sondern nur eine Brise. - Das ist kein richtiger Sturm, sondern nur ein Wind. - Das ist kein richtiger Sturm, sondern nur eine Brise. - Das ist kein richtiger Wind, sondern nur eine Brise. - Das ist kein richtiger Orkan, höchstens ein Sturm. - Das ist kein richtiger Orkan, höchstens ein Wind. - Das ist kein richtiger Orkan, höchstens eine Brise. - Das ist kein richtiger Sturm, höchstens ein Wind. - Das ist kein richtiger Sturm, höchstens eine Brise. - Das ist kein richtiger Wind, höchstens eine Brise. 6.3.2 Die Konstruktionen in der Kind-Reihe Die Kind-Reihe besteht aus neun Wörtern: das Neugeborene < der Säugling < das Kleinkind < das Kind < das Kindergartenkind < das Vorschulkind < das Schulkind < der Jugendliche < der Erwachsene. Basierend auf der Meinung von Probanden im Pretest, dass bei der Bewertung sich wiederholender Testsätze innerhalb der Kind-Reihe die Unsicherheit anstieg, um Irritationen zu vermeiden, hat man sich lediglich für die Überprüfung der Elemente Neugeborenes, Säugling, Kleinkind und Kind in angegebener Reihenfolge entschieden. Die anderen Mitglieder der Gruppe, die ihre Stellung nach Kind haben, werden im Rahmen der Testsätze nicht berücksichtigt. Darüber hinaus sind die Wörter das Kindergartenkind, das Vorschulkind, das Schulkind, der Jugendliche und Lexikalisch-semantische Graduonymie 278 der Erwachsene in ihrer Reihenfolge eindeutiger als die Graduonyme, die sich vor Kind befinden. Auch für die Kind-Reihe werden vier Konstruktionen mit diversen Graduierungspartikeln ausgewählt. Die Gegenüberstellung der Elemente der Kind-Reihe erfolgt nach dem gleichen Prinzip wie bei der Wind-Gruppe. 6.3.2.1 Verstärkende Graduierungspartikeln in der Kind-Reihe 1) Das ist kein X, das ist fast schon ein Y Anhand der Verknüpfung Negation - fast schon soll die Graduierung der Eigenschaft ‘Alter’ zwischen den Kind-Wörtern in Steigerungsrichtung gezeigt werden. Die semantische Funktion von fast und schon wird in Helbig (1988) folgenderweise beschrieben: fast (Gradpartikel) Drückt eine Einschränkung des Bezugsglieds aus (= beinahe, nahezu), zeigt an, daß die mit dem folgenden Bezugswort bezeichnete Norm nur annähernd, aber nicht vollständig erreicht wird. Fast hundert Personen waren zu dem Konzert gekommen. (etwas weniger als hundert) (Helbig 1988, S. 147) Hier und in der folgenden Konstruktion wird duch fast eine Einschränkung ausgedrückt, um auf den graduellen Übergang von einem Zustand zum anderen zu fokussieren. schon 10 (Gradpartikel) Drückt aus, daß zu einem bestimmten zeitlichen Bezugspunkt ein größerer Wert auf einer gedachten Skala erreicht wird, als ursprünglich erwartet wurde (Dieser Wert wurde erst für einen späteren Zeitpunkt erwartet) (= bereits3; mehr, länger als erwartet) Er hat schon 3 Briefe bekommen. Er ist schon 6 Jahre alt. (Helbig 1988, S. 208) Bei schon10 handelt es sich um eine Skala von Quantitäten. Zu schon10 müssen auch solche Fälle gerechnet werden, in denen als Bezugsglied kein Quantor (Mengenangabe), sondern andere skalierbare Elemente (in einer Hierarchie von Werten) stehen (Gegensatz: erst5): Operationale Verfahren 279 Er ist schon Meister. (nicht erst Lehrling) Er ist schon in der Schule. (nicht erst im Kindergarten) In diesem Falle wird eine bestimmte Erwartungsnorm (z.B. Lehrling, Assistent) nicht nur erreicht, sondern übertroffen. Im Bezugsglied (Skopus) wird der real erreichte Wert angegeben, der über der bei Hörer und/ oder Sprecher vorausgesetzten niedrigeren Erwartung liegt. (ebd., S. 208f.) In Métrich/ Faucher (2009, S. 740ff.) wird schon unter anderem als Fokuspartikel gebucht, die in diversen Verbindungen mit Partnern wie fast (fast schon/ schon fast), gar (schon gar), immer (schon immer) etc. auftritt. Deren Vorkommen wird mit Korpusbelegen dokumentiert. 2) Das ist ein X, noch kein Y Diese Konstruktion funktioniert im Vergleich zur oben angeführten etwas anders: Das Negationselement kein befindet sich im zweiten Satzteil, und zwar vor dem im späteren Zeitpunkt erwarteten Wert der Skala (Neugeborenes → Säugling). Durch die Verbindung noch kein wird auf die höhere Stufe der Skala hingewiesen und eine Korrektur wird angekündigt. Die Definition von noch nach Helbig (1988) lautet folgendermaßen: noch 1 (Gradpartikel) Ordnet einen Sachverhalt zeitlich so ein, daß der Endpunkt seines Zutreffens später liegt, als ursprünglich erwartet wurde, korrigiert also einen erwarteten Zeitpunkt (= später als erwartet). Die Aussage gilt für die Vergangenheit und (wider Erwarten) auch für den angegebenen Zeitpunkt. Der korrigierende Endpunkt einer Periode der Erwartung des Sachverhalts liegt nach dem vorher erwarteten Endpunkt, das Geschehen dauert an (temporale Interpretation). Sie sind noch jung. Er ist noch Lehrling. Er geht jetzt noch in den Kindergarten. (Helbig 1988, S. 185) Anhand der aufgeführten Konstruktionen (1) und (2) wird die Kontrastivität der Kind-Wörter in der Richtung der Steigerung des Alters überprüft. Dabei wird jedes Wort mit dem Nachbarwort verglichen. Lexikalisch-semantische Graduonymie 280 - Das ist kein Neugeborenes, das ist fast schon ein Säugling. - Das ist kein Neugeborenes, das ist fast schon ein Kleinkind. - Das ist kein Neugeborenes, das ist fast schon ein Kind. - Das ist kein Säugling, das ist fast schon ein Kleinkind. - Das ist kein Säugling, das ist fast schon ein Kind. - Das ist kein Kleinkind, das ist fast schon ein Kind. - Das ist ein Neugeborenes, noch kein Säugling. - Das ist ein Neugeborenes, noch kein Kleinkind. - Das ist ein Neugeborenes, noch kein Kind. - Das ist ein Säugling, noch kein Kleinkind. - Das ist ein Säugling, noch kein Kind. - Das ist ein Kleinkind, noch kein Kind. 6.3.2.2 Abschwächende Graduierungspartikeln in der Kind-Reihe 3) Das ist kein X, das ist fast noch ein Y 4) Das ist kein X, sondern nur ein Y Die semantischen Eigenschaften der in den Konstruktionen 3) und 4) beteiligten Graduierungspartikeln wurden oben bereits im Zusammenhang mit anderen Konstruktionen erörtert. Innerhalb dieser Konstruktionen haben die beteiligten Graduierungspartikeln eine abschwächende Funktion. - Das ist kein Kind, das ist fast noch ein Kleinkind. - Das ist kein Kind, das ist fast noch ein Säugling. - Das ist kein Kind, das ist fast noch ein Neugeborenes. - Das ist kein Kleinkind, das ist fast noch ein Säugling. - Das ist kein Kleinkind, das ist fast noch Neugeborenes. - Das ist kein Säugling, das ist fast noch ein Neugeborenes. - Das ist kein Kind, sondern nur ein Kleinkind. - Das ist kein Kind, sondern nur ein Säugling. - Das ist kein Kind, sondern nur ein Neugeborenes. - Das ist kein Kleinkind, sondern nur ein Säugling. - Das ist kein Kleinkind, sondern nur ein Neugeborenes. - Das ist kein Säugling, sondern nur ein Neugeborenes. Operationale Verfahren 281 6.3.3 Die Konstruktionen in der sprechen-Reihe Die sprechen-Gruppe involviert fünf Einheiten, nämlich flüstern < sprechen < rufen < schreien < brüllen, in dieser Reihenfolge. Für operationale Tests wurden alle Elemente miteinbezogen. Im Vergleich zu den anderen beiden oben beschriebenen Gruppen (Wind und Kind) wurde in der sprechen-Gruppe das Verhältnis der Wörter zueinander anhand zweier Konstruktionen überprüft, nämlich mithilfe einer nach oben 1) und einer nach unten 2) zeigenden Partikel. Da diese Gruppe aus fünf Wörtern besteht und allein mit zwei Konstruktionen 20 Testsätze zustande gekommen sind, wurde auf weitere Konstruktionen verzichtet. Die Gegenüberstellung der Wörter wurde analog zu anderen Wortgruppen vorgenommen. Im Folgenden werden die Sätze aufgelistet. 6.3.3.1 Verstärkende Graduierungspartikeln in der sprechen-Reihe 1) Er V1-t nicht, er V2-t regelrecht 107 Die Negation-regelrecht-Verknüpfung wird verwendet, um den stärkeren Ausdruck innerhalb der Reihe zu legitimieren. Regelrecht bezieht sich häufig auf Verben. regelrecht Graduierungspartikel Funktion: drückt aus, dass die Bezugseinheit nicht gemäß ihrer lexikalischen Definition gebraucht wird, sondern mehr „ihrem (tieferen) Sinne nach“. Der gewählte Ausdruck ist einerseits nicht wirklich bzw. nicht völlig adäquat, trifft andererseits aber im Grunde doch zu. Die Partikel hat somit im Grunde eine metasprachliche Funktion: Sie dient nicht eigentlich dazu, das Prädizierte zu verstärken, sondern den gewählten starken Ausdruck zu legimitieren. (Métrich/ Faucher 2009, S. 722) - Er flüstert nicht, er spricht regelrecht. - Er flüstert nicht, er ruft regelrecht. - Er flüstert nicht, er schreit regelrecht. - Er flüstert nicht, er brüllt regelrecht. - Er spricht nicht, er ruft regelrecht. - Er spricht nicht, er schreit regelrecht. - Er spricht nicht, er brüllt regelrecht. 107 <V> steht für das „Verb“, wodurch die Verben der sprechen-Gruppe kodiert wurden. Lexikalisch-semantische Graduonymie 282 - Er ruft nicht, er schreit regelrecht. - Er ruft nicht, er brüllt regelrecht. - Er schreit nicht, er brüllt regelrecht. 6.3.3.2 Abschwächende Graduierungspartikeln in der sprechen-Reihe 2) Er V1-t nicht, sondern er V2-t nur Durch die Negation-sondern nur-Verknüpfung werden die Graduonyme, wie mehrmals betont, auf die Graduierung in die entgegengesetzte Richtung hin getestet. - Er brüllt nicht, sondern er schreit nur. - Er brüllt nicht, sondern er ruft nur. - Er brüllt nicht, sondern er spricht nur. - Er brüllt nicht, sondern er flüstert nur. - Er schreit nicht, sondern er ruft nur. - Er schreit nicht, sondern er spricht nur. - Er schreit nicht, sondern er flüstert nur. - Er ruft nicht, sondern er spricht nur. - Er ruft nicht, sondern er flüstert nur. - Er spricht nicht, sondern er flüstert nur. Wie bereits oben erwähnt, hatten die Probanden jeweils per Zufall sortierte 13 Sätze zu bewerten. Es wurde eine Randomisierung der Daten vorgenommen, aufgrund derer den Probanden systematisch 13 unterschiedliche Sätze aus drei Gruppen zugeteilt wurden. 6.4 Durchführung Die Umfrage wurde zwischen dem 2. und 9. Februar 2010 online durchgeführt und war über den Link www.unipark.de/ uc/ Graduonymie_Umfrage_Vokhidova/ 108 aufrufbar. Das Gesamtmaterial der Umfrage bestand aus 68 Sätzen zu drei Graduonymiereihungen. Die Teilnehmer hatten jeweils 13 durch Zufalls- 108 Die Online-Befragungssoftware wurde mir von der Abteilung „Lexik“ des Instituts für Deutsche Sprache in Mannheim zur Verfügung gestellt, wofür ich mich bei den zuständigen Personen, vor allem Alexander Koplenig, für ihre Unterstützung bedanke. Operationale Verfahren 283 auswahl sortierte Sätze zu bewerten. Die Sätze sollten dahingehend bewertet werden, wie akzeptabel sie für die Probanden klingen. Aufgrund der Fragestellung richtete sich diese Umfrage ausschließlich an Muttersprachler des Deutschen. Per E-Mail wurden Freunde, Bekannte und Constipendiaten, 109 die deutsche Muttersprachler sind, zur Teilnahme an der Umfrage eingeladen. Darüber hinaus wurden die Mailempfänger darum gebeten, dass sie die Mail mit dem Link zur Umfrage an Freunde und Bekannte, die auch deutsche Muttersprachler sind, weiterleiten. Der Link zur Umfrage wurde insgesamt 138 Mal aufgerufen. Zur Verfügung standen am Ende die vollständigen Bewertungen von 107 Probanden, und nur sie wurden bei der Auswertung berücksichtigt. Auf der ersten Umfrageseite wurden die Ziele der Befragung vorgestellt sowie die Aufgabe der Befragten an Beispielen exemplarisch gezeigt. Die Erläuterung zur Graduonymie wurde möglichst einfach dargestellt, so dass die Fragestellung der Studie jedem Laien und Nicht-Linguisten verständlich war. Es wurde hierbei auf Fachbegriffe verzichtet. Die Probanden wurden auf die maximale Dauer der Befragung (ca. 5 Minuten) aufmerksam gemacht und darauf hingewiesen, dass für die Teilnahme die Aktivierung des Java-Programms im Browser vorausgesetzt wird. Zuvor wurden die Probanden um ihr Einverständnis gebeten mit dem Hinweis auf die Freiwilligkeit der Teilnahme, auf Zeitdauer, Anonymität und Datenschutz. Erst mit Bestätigung der Einverständniserklärung wurde mit der Umfrage begonnen. Alle Testsätze und Akzeptabilitätsurteile wurden im Vorfeld der Studie mit muttersprachlichen Linguisten mehrmals diskutiert. In unterschiedlichen Varianten wurden die Fragebögen sowohl Sprechern des Deutschen, die linguistische Laien waren, als auch Sprechern mit linguistischen Kenntnissen vorgelegt. Sie bearbeiteten die Sätze und anschließend gaben sie Auskunft über ihre Schwierigkeiten bei der Bewertung, über bestimmte Konstruktionen und Konnektoren, die für bestimmte Graduonyme nicht passten, zur Skala der Antwortmöglichkeiten und über die Anzahl der Testsätze, die jeder Proband zu bewerten hatte. Nach mehrmaligen Voruntersuchungen wurden die Daten zum letzten Mal überarbeitet und in der endgültigen Form ins Internet gestellt. 109 Auch den Constipendiaten der Konrad-Adenauer-Stiftung bin ich für ihre Teilnahme an der Umfrage dankbar. Lexikalisch-semantische Graduonymie 284 6.4.1 Probanden Wie bereits oben angedeutet wurde für diese Umfrage muttersprachliche Kompetenz vorausgesetzt. Alle Probanden, die an der Umfrage teilnahmen, sollten das Niveau ihrer Deutschkenntnisse angeben. Auch wenn der Link zur Umfrage bewusst an deutsche Muttersprachler geschickt wurde, wurden die Probanden dennoch dazu aufgefordert, zwischen „Muttersprachler“ und „Nicht-Muttersprachler“ zu wählen. Nur diejenigen, die „Muttersprachler“ ankreuzten, konnten die Bewertung von Sätzen starten. Am Ende der Befragung wurden die Probanden zu bestimmten soziodemografischen Angaben befragt. Diese Fragen bezogen sich auf das Geschlecht, Geburtsjahr, den höchsten Bildungsabschluss und den Berufsstand. Zwei Fragen, nämlich die, ob sie Sprachwissenschaft studieren und ob sie Sprachwissenschaftler sind, waren insofern wichtig, um zu vergleichen, inwiefern die Bewertungen von Linguisten und Nicht-Linguisten voneinander abweichen. Dieses Kriterium wird an einem Fallbeispiel analysiert. Fragen zur regionalen Herkunft von Probanden wurden nicht gestellt. Die soziodemografischen Angaben werden hier in tabellarischer Form im Überblick dargestellt. 6.4.1.1 Geschlechtsverteilung Diagramm 3 veranschaulicht die Geschlechtsverteilung der Probanden: 43 % 57 % weiblich männlich Geschlecht Diagramm 3: Geschlechtsverteilung (n = 107) Unter den insgesamt 107 Probanden sind 61 Frauen und 46 Männer. Operationale Verfahren 285 6.4.1.2 Altersverteilung Die Datenerhebung wurde unter deutschen Erwachsenen durchgeführt. Der jüngste Proband ist 21 und der älteste 68 Jahre alt. 62 Probanden sind zwischen 21 und 30 Jahren alt, 23 Personen sind zwischen 31 und 40 Jahren, 11 Befragte sind in der Altersgruppe zwischen 41 und 50, 6 der Versuchspersonen sind im Alter zwischen 51 und 60 und 4 Personen sind über 60 Jahre alt. Ein Proband gab sein Alter nicht an. Der Schwerpunkt der Verteilung liegt auf der Altersgruppe der 21bis 30-Jährigen (siehe Diagramm 4). 0 10 20 30 40 50 60 21-30 31-40 41-50 51-60 über 60 fehlend 70 58 21 10 6 4 1 Alter (in %) Diagramm 4: Altersverteilung (n = 107) 6.4.1.3 Höchster Bildungsabschluss 74 Testpersonen weisen einen universitären Abschluss auf, 28 Probanden haben Abitur, zwei Personen verfügen über einen Fachhochschulabschluss, zwei Befragte über einen Hauptschulabschluss und zwei Versuchspersonen über das Fachabitur. Die vorgegebenen Einteilungen in „Kein Schulabschluss“, „Volksschulabschluss“, „Realschule/ Mittlere Reife“, „Weiß nicht/ Keine Angabe“ wurden keinmal genannt. Die Verteilung veranschaulicht Diagramm 5. Lexikalisch-semantische Graduonymie 286 0 10 20 30 40 50 60 70 80 Höchster Bildungsabschluss (in %) Abitur Fachhochschulabschluss Fachabitur Hauptschulabschluss Universitätsabschluss 69 26 2 2 1 Diagramm 5: Höchster Bildungsabschluss (n = 107) 6.4.1.4 Berufsstand 43 Testpersonen sind berufstätig, 39 Probanden Studierende und 19 Personen promovieren. Diese drei Gruppen bilden den Hauptanteil der Teilnehmer bei der Erhebung. Zudem nahmen an der Befragung zwei Auszubildende, ein/ e Rentner/ in und eine Hausfrau/ ein Hausmann teil. Eine Versuchsperson wählte die Kategorie „Sonstiges“, und eine Person machte keine Angabe. Die Antwortkategorie „Schüler- (in)“ wurde nicht genannt (siehe Diagramm 6). Operationale Verfahren 287 0 5 10 15 20 25 30 35 40 40 36 18 2 1 1 1 1 45 Berufstätig Student(-in) Promovierende(-r) Auszubildende(-r), Lehrling Rentner(-in) Hausfrau(-mann) Sonstiges Weiß nicht/ Keine Angabe Berufsstand (in %) Diagramm 6: Berufsstand (n = 107) 6.4.1.5 Studium Sprachwissenschaft Auf die Frage, ob sie Sprachwissenschaft studieren, antworteten 28 Probanden mit „Ja“, 79 Personen hingegen mit „Nein“ (siehe Diagramm 7). Lexikalisch-semantische Graduonymie 288 Studium Sprachwissenschaft (in %) ja nein 26 % 74 % Diagramm 7: Studium Sprachwissenschaft (n = 107) 6.4.1.6 Sprachwissenschaftler/ in Mit einem geringen Unterschied zur Frage 5 weichen die Antworten von Probanden auf die Frage 6 ab, ob sie Sprachwissenschaftler/ in sind. Es stimmten 27 Probanden zu, 80 Personen verneinten (siehe Diagramm 8). ja nein 25 % 75 % Sprachwissenschaftler(-in) (in %) Diagramm 8: Sprachwissenschaftler/ in (n = 107) Operationale Verfahren 289 6.5 Auswahl der Ratingskala Bei diesem Test handelte es sich nicht um die Überprüfung der Grammatikalität, sondern um die Überprüfung der Akzeptabilität der Sätze. Die Akzeptabilität reflektiert die Sprecherurteile über die Annehmbarkeit von sprachlichen Äußerungen in der Sprachverwendung. Dabei steht die semantische gegenüber der syntaktischen Angemessenheit. Eine von einem Grammatik-Modell als grammatisch ausgewiesene sprachliche Äußerung kann in der Sprachverwendung inakzeptabel sein, die in einem Sprach-Modell als ungrammatisch ausgewiesene sprachliche Einheit kann demgegenüber akzeptabel sein. So ist zum Beispiel der Satz „Er brüllt nicht, sondern er spricht nur“ grammatisch richtig, war aber für manche Befragten im Rahmen der Voruntersuchung inhaltlich nicht akzeptabel. Insofern erfolgten bei der Bewertung der Testsätze die Antwortskalen mit expliziter Verwendung des Wortes „akzeptabel“, und zwar „vollkommen akzeptabel“, „eher akzeptabel“, „eher nicht akzeptabel“ und „überhaupt nicht akzeptabel“. Die Frage lautete für alle 68 Testsätze in gleicher Weise: „Wie akzeptabel klingt der folgende Satz für Sie? “. Auch die Auswahl einer adäquaten Skala von Bewertungshinweisen wurde im Vorfeld diskutiert. Es gibt zahlreiche Varianten von Ratingskalen wie z.B. die 4-Punkte-Skala, die 5-Punkte-Skala, die 7-Punkte- Skala, die 9-Punkte Skala und „Thermometerskalen“ mit Zahlenwerten von 0 bis 100. Die Frage, welche Skala „richtig“ ist, ist sowohl in der empirischen Sozialforschung als auch in der Linguistik Gegenstand von Diskussionen (Porst 2008, S. 76; Featherston 2006, S. 3; Diekmann 1995, S. 404). Porst (2008) setzt sich mit unterschiedlichen Skalentypen und Skalenstrukturen, ihren Vor- und Nachteilen ausführlich auseinander. Er erläutert und illustriert, wann, warum und wie bestimmte Skalen einzusetzen sind. Porst betont, dass es eine „richtige“ Skala nicht gibt. Der Einsatz der jeweiligen Skala hängt jeweils von der Fragestellung der Studie ab. Die Diskussion um die „richtige“ Skala ist so alt wie die moderne Umfrageforschung selbst, und wir können schon jetzt den Schluss ziehen, dass es diese „richtige“ Skala gar nicht gibt. Vielmehr muss bei jeder einzelnen Frage und bei jeder Item-Batterie (so nennt man die Auflistung mehrerer Items zur Bewertung vermittels einer Skala) von neuem überlegt werden, welche Skala man wirklich zum Einsatz bringen muss und damit ist nicht nur die richtige Benennung der Skalenpunkte gemeint, sondern auch die Art und die Struktur der Skala. (Porst 2008, S. 76) Lexikalisch-semantische Graduonymie 290 Einen weiteren Aspekt von Skalen problematisiert Featherston: die mangelnde Quantifizierbarkeit von Urteilen. Featherston erwähnt die von unterschiedlichen Autoren differenzierten Urteile, nämlich von binären (gut und schlecht) bis zu 7-er Skalen. Er stellt in Frage, inwieweit diese Urteile einander entsprechen können. Sprecher haben ein intuitives Gefühl dafür, was absolut grammatisch oder ungrammatisch ist, aber man kann bezweifeln, ob das ? ? -Urteil von Lakoff dem ? ? -Urteil von Wurmbrand entspricht, wenn man bedenkt, dass ? ? von Lakoff die drittbeste von sechs Stufen ist und ? ? von Wurmbrand die zweitschlechteste von sieben Stufen. (Featherston 2006, S. 3) In den Probeuntersuchungen im Rahmen der vorliegenden Studie wurden die Akzeptabilitätsurteile mittels einer 5-Anwortskala getestet. Die 5-er Skala bestand aus den Werten „akzeptabel“, „eher akzeptabel“, „ich weiß nicht“, „eher nicht akzeptabel“ und „nicht akzeptabel“. Zwei Testpersonen von insgesamt neun haben jeweils bei der Bewertung von zwei (unterschiedlichen) Sätzen (von insgesamt 34) den mittleren „ich weiß nicht“-Wert ausgewählt; das sind lediglich vier (1,3%) von insgesamt 306 (100%) Fällen. Für diese Studie scheint ein mittlerer Wert nicht relevant zu sein. Porst schreibt bezüglich eines mittleren Werts Folgendes: Andere Versuche, z.B. den mittleren Wert mit „keine Meinung“ oder „weiß nicht“ zu verbalisieren, schießen noch weiter am Ziel vorbei: Diese Formulierungen sind nicht nur inadäquat, sondern zerstören zusätzlich auch noch den ordinalen Charakter der Skala. (Porst 2008, S. 80) Aus den oben genannten Gründen wurde in der endgültigen Version der Online-Befragung die verbalisierte 4-er Skala in Betracht gezogen: „vollkommen akzeptabel“, „eher akzeptabel“, „eher nicht akzeptabel“, „überhaupt nicht akzeptabel“. 6.6 Auswertung des Umfragematerials 6.6.1 Deskriptive Analyse - Teil I Bevor eine statistische Analyse zu den aufgestellten Hypothesen erfolgt, wird in diesem Kapitel zunächst eine grobe deskriptive Analyse durchgeführt. Es wird auf einfache Weise grafisch dargestellt, welche Konstellationen die Bewertungen der Muttersprachler manifestieren. Operationale Verfahren 291 Diagramme 9 (zu Wind), 10 (zu Kind) und 11 (zu sprechen) zeigen die Verteilung der Urteile auf alle getesteten Sätze innerhalb der jeweiligen Gruppe. 0 10 20 30 40 50 49 26 18 7 vollkommen akzeptabel eher akzeptabel eher nicht akzeptabel überhaupt nicht akzeptabel Akzeptabilitätsurteile zur Wind-Gruppe (in %) Diagramm 9: Akzeptabilitätsurteile zur Wind-Reihe 210 Mal (49%) wurden die Wind-Sätze von Probanden als „vollkommen akzeptabel“ bewertet. 113 Nennungen (26%) wurden für „eher akzeptabel“ angegeben. 75 Mal (18%) wurden die Sätze als „eher nicht akzeptabel“ befunden und 30 Mal (7%) wurden sie als „überhaupt nicht akzeptabel“ bewertet. 0 5 10 15 20 25 30 35 22,4 22,2 29,2 26,2 vollkommen akzeptabel eher akzeptabel eher nicht akzeptabel überhaupt nicht akzeptabel Akzeptabilitätsurteile zur Kind-Gruppe (in %) Diagramm 10: Akzeptabilitätsurteile zur Kind-Reihe Lexikalisch-semantische Graduonymie 292 Die Kind-Sätze zeigen in Bezug auf ihre Akzeptabilität ganz andere Verhältnisse als die Wind-Sätze. 96 Mal (22,4%) von insgesamt 428 Fällen wurden sie als „vollkommen akzeptabel“ bewertet. In 95 Fällen (22,2%) wurden die Sätze als „eher akzeptabel“ empfunden. Die Bewertungen von „eher nicht akzeptabel“ bilden mit 125 Nennungen (29,2%) die Mehrheit, und die Sätze, die als „überhaupt nicht akzeptabel“ bewertet wurden, bilden die zweitgrößte Gruppe in die Richtung „nicht akzeptabel“ und auch insgesamt. vollkommen akzeptabel eher akzeptabel eher nicht akzeptabel überhaupt nicht akzeptabel Akzeptabilitätsurteile zur sprechen-Gruppe (in %) 0 10 20 30 40 50 44,1 27,5 20,4 8 Diagramm 11: Akzeptabilitätsurteile zur sprechen-Reihe In der sprechen-Gruppe werden ähnliche Konstellationen dokumentiert wie in der Wind-Gruppe (Diagramm 11). 236 Nennungen (44,1%) von insgesamt 535 Fällen sind Bewertungen für „vollkommen akzeptabel“. 147 Mal (27,4%) wurden die sprechen-Sätze als „eher akzeptabel“ gefunden. Als „eher nicht akzeptabel“ wurde 109 Mal (20,4%) bewertet und lediglich 43 Fälle sind „überhaupt nicht akzeptabel“. Summiert man die Ergebnisse der oberen ersten und zweiten Reihe der in den Diagrammen 9, 10 und 11 als „akzeptabel“ bewerteten Antworten, so hat man folgende Ergebnisse (Diagramm 12): Operationale Verfahren 293 0 10 20 30 40 50 60 70 80 Wind-Sätze Kind-Sätze sprechen-Sätze 75 44,6 71,6 90 100 Akzeptable Antworten in drei Gruppen (in %) Diagramm 12: Prozentwerte akzeptabler Antworten in drei Gruppen Die ersten Ergebnisse einer groben Analyse ermöglichen die Schlussfolgerung, dass die Semantik der Partikeln/ Testsätze in der Wind- und sprechen-Gruppe (siehe Diagramm 9 und 11) zu mehr akzeptablen Sätzen führt als in der Kind-Gruppe. Die Sprecherurteile bezüglich der Wind- und sprechen-Sätze sind positiv, die Kind-Sätze wurden hingegen am häufigsten als eher nicht akzeptabel bewertet. Welche Fälle und Phänomene hinter den angeführten Prozentangaben in den Diagrammen versteckt sind, soll im Folgenden in einer feineren Analyse herausgearbeitet werden. Anschließend folgt eine statistische Analyse. 6.6.2 Deskriptive Analyse - Teil II Die Präsentation der Daten wird immer auf der Grundlage der jeweiligen Skala dargestellt. Es werden hierfür die Ergebnisse der „vollkommen akzeptablen“ und „eher akzeptablen“ Bewertungen addiert und in Prozentsätzen dargestellt und die „eher nicht akzeptablen“ und „überhaupt nicht akzeptablen“ Bewertungen ausgelassen. Die aufbereiteten Daten werden jeweils auch grafisch präsentiert. Lexikalisch-semantische Graduonymie 294 6.6.2.1 Wind-Reihe Abbildung 28 zeigt eine Kontrastierung der Elemente der Wind-Reihe in der Konstruktion „X ist kein Y, sondern geradezu ein Z“. Durch dieses Satzmuster wurde ein Graduonym jedem nächstliegenden stärkeren Graduonym gegenübergestellt, wie z.B. Wind ist mehr als Brise, Sturm ist mehr als Wind und Brise, Orkan ist mehr als Sturm, Wind und Brise. Wie die Abbildung veranschaulicht, wurde die Gegenüberstellung anhand dieser Konstruktion sowohl zwischen benachbarten als auch nicht benachbarten Gliedern der Skala maßgeblich als akzeptabel bewertet. Eine einzige Ausnahme ist die Akzeptabilität des Satzes „Das ist keine Brise, sondern geradezu ein Wind“, der mit verhältnismäßig geringen Prozentsätzen (54,6%) als akzeptabel erkannt wurde. X ist kein Y, sondern geradezu ein Z (in %) 95 die Brise < der Wind < der Sturm < der Orkan 89,4 100 54,6 83,3 94,5 Abb. 28: Die erste Konstruktion zur Richtung „mehr“ in der Wind-Reihe Die Konstruktion „X ist ein Y, oder sogar ein Z“ (Abb. 29) funktioniert aufgrund des gleichen Prinzips wie die erste. Die gelieferten Ergebnisse zeigen jedoch einige Abweichungen. Ein Unterschied wird vor allem zwischen den indirekten Nachbarn der Reihe erkennbar. Brise vs. Sturm-Kontrastierung zeigt lediglich 20% Akzeptabilität. In den Wind vs. Orkan -Verhältnissen zeigt sich hingegen ein stärkerer Kontrast mit 60% positiver Zustimmung, der jedoch nicht stärker ist als in der ersten Konstruktion. Die Randelemente der Skala Brise vs. Orkan werden mit geringer Akzeptabilität beurteilt, nämlich mit 14,3 Prozentsätzen. Die Nachbarelemente der Skala zeigen hohe Zustimmungswerte, die sich stärker als in der ersten Konstruktion manifestieren. Der Zusammenhang von Wind vs. Sturm ist konstant geblieben (83,3%), er stimmt also mit dem Ergebnis aus der obigen Konstruktion überein. Die Sturm-vs.-Orkan-Kontrastierung wurde mit 100% höchst akzeptabel Operationale Verfahren 295 erkannt. Ebenso ist bei dem Zusammenhang zwischen Brise und Wind im Vergleich zur ersten Konstruktion eine hohe Zustimmung zu erkennen; das Ergebnis ist um 10,1 Prozentpunkte gestiegen. X ist ein Y, oder sogar ein Z (in %) 14,3 die Brise < der Wind < der Sturm < der Orkan 20 60 64,7 83,3 100 Abb. 29: Die zweite Konstruktion in Richtung „mehr“ in der Wind-Reihe Die durchschnittlichen Zusammenhänge zwischen Graduonymen der Wind-Reihe aus beiden Konstruktionen zeigt Abbildung 30. Insgesamt wurden die Sätze mit kontrastierenden Graduonymen in Richtung der Steigerung mit mehr als 50 bis 100 Prozent als akzeptabel erkannt. Die Ergebnisdaten zeigen eindeutig, dass zwischen den Elementen der Wind-Reihe eine Graduierung besteht, deren Manifestation allerdings von Partikeln beeinflusst wird: Die erste Konstruktion „X ist kein Y, sondern geradezu ein Z“ funktioniert bei allen Graduonymen (im Unterschied zu anderen Wortpaaren zeigen jedoch Brise vs. Wind geringe Akzeptabilität, siehe darüber unten), d.h. auch nicht-benachbarten; die zweite Konstruktion „X ist ein Y, oder sogar ein Z“ kontrastiert eher die benachbarten Elemente der Wind-Gruppe. So erlaubt geradezu große Sprünge bei der Kontrastierung der Elemente der Wind-Skala. Dahingegen lässt sogar eher kleinere Sprünge zu. 54,6 die Brise < der Wind < der Sturm < der Orkan 54,7 80 59,6 83,3 97,5 Abb. 30: Gesamtergebnis in Richtung „mehr“ in der Wind-Reihe (in %) Lexikalisch-semantische Graduonymie 296 Abbildung 31 stellt die Relation zwischen Wind-Wörtern im Satzrahmen „X ist kein richtiger Y, sondern nur ein Z“ dar, der eine zunehmende Schwäche von Orkan bis Brise zwischen anliegenden und nicht anliegenden Wörtern fokussieren soll. Die Ergebnisse zeigen eine klare Evidenz für die Graduierung zwischen allen Mitgliedern der Gruppe in die entgegengesetzte Richtung: Sowohl die Paare in indirekter als auch unmittelbarer Nähe, ebenso Randelemente wurden mit höherer Akzeptabilität bestimmt. Interessant ist vor allem zu beobachten, wie sich das Verhältnis zwischen Wind und Brise manifestiert: mit 90,5% Akzeptabilität dominiert ihre Kontrastierung unter allen Paaren in der Gruppe. X ist kein richtiger Y, sondern nur ein Z (in %) 63,2 die Brise > der Wind > der Sturm > der Orkan 88,9 71,5 90,5 83,3 83,3 Abb. 31: Die erste Konstruktion in Richtung „weniger“ in der Wind-Reihe Anhand der gleichen Verfahrensweise wie in der vorigen Konstruktion (Abb. 31) wurden die Wind-Wörter im Satzmuster „X ist kein richtiger Y, höchstens ein Z“ (Abb. 32) überprüft. Bei der Kontrastsituation sind mittelstarke bis starke Zusammenhänge zu erkennen. Auch in diesem Fall wurde das graduelle Verhältnis zwischen Wind und Brise hoch akzeptabel bewertet, und zwar mit 100%. Bei den nicht anliegenden Elementen Brise - Sturm, Wind - Orkan und Brise - Orkan sind die Akzeptabilitätsurteile im Vergleich zu den Ergebnissen von der oben beschriebenen Konstruktion um geringe Prozentpunkte gesunken. Operationale Verfahren 297 X ist kein richtiger Y, höchstens ein Z (in %) 52,6 die Brise > der Wind > der Sturm > der Orkan 81,9 68,2 100 82,3 71,4 Abb. 32: Die zweite Konstruktion in Richtung „weniger“ in der Wind-Reihe In Abbildung 33 wurden die Ergebnisse der letzten zwei Gruppen summiert. 57,9 die Brise > der Wind > der Sturm > der Orkan 85,4 69,8 95,2 82,8 77,3 Abb. 33: Gesamtergebnis für die Richtung „weniger“ in der Wind-Reihe (in %) Die Sprecherurteile liefern insgesamt klare Einsichten, dass zwischen den Elementen der Wind-Reihe die semantische Eigenschaft der Unverträglichkeit existiert. Die Gegenüberstellung in zwei Richtungen hat zu ähnlichen Gesamtergebnissen geführt. Dies betrifft Nachbarelemente wie auch indirekte Nachbarn der Skala. Eine Ausnahme durch geringe Akzeptabilität stellt die Gegenüberstellung in Richtung der Steigerung der Windstärke zwischen den indirekten Einheiten Brise vs. Sturm, Brise vs. Orkan in der Konstruktion „X ist ein Y, oder sogar ein Z“ dar. Dies könnte an der Partikel sogar liegen, so dass sie für die Kontrastierung der Skalenelemente in größeren Abständen nicht geeignet ist. Abweichungen kommen zudem in den Zusammenhängen von Brise und Wind zum Vorschein: Abschwächende Graduierungspartikeln zeigen mehr Akzeptabilität als die verstärkende, d.h., dass Brise schwächer als Wind ist, wurde mehr akzeptiert als dass Wind stärker als Brise ist. Dies könnte man einerseits auf die verwendeten Partikeln, andererseits auf Lexikalisch-semantische Graduonymie 298 die Oberbegriff-Funktion von Wind zurückführen. Bei den auf aufsteigender Reihenfolge basierenden Tests (geradezu- und sogar-Test) zeigt sich, dass das Hypergraduonym von unten schlecht zu erreichen ist. Wie es auch im Wörterbuch definiert ist (siehe oben), verlangt z.B. geradezu vom Bezugswort einen hohen Grad auf der Skala. Deswegen sind die Werte von den Paaren links zu den Paaren rechts gestiegen. Insgesamt kann festgehalten werden, dass die Testfälle, die im Schnitt zu mehr als 50% zu „Akzeptabel“-Urteilen führen, die Argumentation unterstützen, dass die getestete Graduonymie-Relation zwischen Wind- Wörtern präsent ist. 6.6.2.2 Kind-Reihe Wie bereits oben erwähnt zeigen sich in der Kind-Reihe ganz andere Konstellationen als in der Wind-Reihe. Beim ersten Test zum Vergleich der Graduonyme in dieser Reihe mit ihren nächstliegenden Graduonymen wurden folgende Ergebnisse erzielt (siehe Abb. 34): X ist kein Y, X ist fast schon ein Z (in %) 28,6 das Neugeborene < der Säugling < das Kleinkind < das Kind 66,7 47,1 11 94,4 50 Abb. 34: Die erste Konstruktion in Richtung „mehr“ in der Kind-Reihe Beobachtet man die Ergebnisse zwischen den anliegenden Elementen, so zeigen Säugling und Kleinkind unter allen Vergleichspaaren die höchste positive Zustimmung. Über die Akzeptabilität der Gegenüberstellung von Säugling und Kleinkind waren die sich Muttersprachler mit einem Wert von 94,4% einig. Einen altersbezogenen graduellen Unterschied zwischen ihnen sieht man dadurch deutlich. Auch die Verhältnisse zwischen Neugeborenes und Kleinkind sind einleuchtend; es besteht also zwischen diesen Wörtern laut den Sprecherurteilen mit 66,7% eine erkennbare Bedeutungsabstufung. Mit 50% wurde der Zusammenhang Operationale Verfahren 299 zwischen Kleinkind und Kind als akzeptabel erkannt. Das Verhältnis zwischen Säugling und Kind zeigt mit 47,1% eine geringe Akzeptabilität. Besonders niedrige Akzeptabilität weist das Verhältnis von Neugeborenes zu Säugling und Kind auf: Neugeborenes < Säugling = 11%; Neugeborenes < Kind = 28,6%. Wir schauen uns noch die Ergebnisse der Kontrastierung der Kind-Elemente anhand des nächsten Testsatzes an, um genaue Schlüsse diesbezüglich ziehen zu können. Die Ergebnisse der zweiten Konstruktion mit gleicher Funktion veranschaulicht Abbildung 35. Die Unterschiede zur ersten Konstruktion sind nicht ganz so groß, es gibt dennoch bei bestimmten Verhältnissen auffällige Abweichungen. Zusammenhänge von Neugeborenes zu Säugling und Kleinkind sind jeweils um 19,7 Prozentpunkte gestiegen, die vom Kleinkind zu Kind hingegen um 26,2 Prozentpunkte gesunken. Geringe Unterschiede treten zwischen Säugling vs. Kleinkind (um 6,9 Prozentpunkte gesunken), zwischen Säugling vs. Kind (um 2,9 Prozentpunkte gestiegen), zwischen Neugeborenes vs. Kind (um 2 Prozentpunkte gesunken) auf. X ist Y, noch kein Z (in %) 26,6 das Neugeborene < der Säugling < das Kleinkind < das Kind 86,4 50 30,7 87,5 23,8 Abb. 35: Die zweite Konstruktion in Richtung „mehr“ in der Kind-Reihe Die Durchschnittswerte des Gesamtergebnisses der beiden obigen Konstruktionen zur Kind-Gruppe werden in Abbildung 36 präsentiert. Ein eindeutiger Kontrast, der über 50% Akzeptabilität zeigt, ist nur zwischen Säugling und Kleinkind sowie Neugeborenes und Kleinkind zu erkennen. Die Ergebnisse der Kind-Reihe könnten nach dem Akzeptabilitätsgrad in Stufen (erste, zweite und dritte Stufe) eingeteilt werden; d.h., es bilden sich innerhalb der Gruppe drei Kategorien, und zwar die Vergleichspartner mit hoher, mittlerer und niedriger Akzeptabili- Lexikalisch-semantische Graduonymie 300 tät. 1. Stufe: Säugling vs. Kleinkind; Neugeborenes vs. Kleinkind. 2. Stufe: Säugling vs. Kind; Kleinkind vs. Kind. 3. Stufe: Neugeborenes vs. Säugling; Neugeborenes vs. Kind. 27,6 das Neugeborene < der Säugling < das Kleinkind < das Kind 76,5 48,5 20,8 90,9 36,9 Abb. 36: Gesamtergebnis in Richtung „mehr“ in der Kind-Reihe Ähnliche Zusammenhänge manifestieren sich zwischen den Kind- Wörtern im Satzmuster in die entgegengesetzte Richtung. Die Überprüfung von Kind-Sätzen in die entgegengesetzte Richtung, die von Kind bis Neugeborenes sukzessive eine Tendenz der Steigerung des Merkmals „kleiner oder jünger“ anzeigt, liefert ähnliche Ergebnisse wie in den oben geschilderten Fällen. In Abbildungen 37 und 38 werden die Konstruktionen „X ist kein Y, X ist fast noch ein Z“ und „X ist kein Y, sondern nur ein Z“ dargestellt. Mit geringen Abweichungen wiederholen sich ähnliche Phänomene wie für die Richtung der Steigerung des Merkmals „größer oder älter“. Das heißt, der Akzeptabilitätsgrad der kontrastierenden Wörter in die Gegenrichtung ist nicht gestiegen. Die gegensätzliche Beziehung der Vergleichspartner ist vor allem in der zweiten Konstruktion erheblich geringer geworden. Das Verhältnis zwischen Kleinkind und Kind im Satz „Das ist kein Kind, sondern nur ein Kleinkind“ wurde einheitlich als inakzeptabel bewertet, wobei die Effekte der Determinativkomposition zu beachten sind. Operationale Verfahren 301 X ist kein Y, X ist fast noch ein Z (in %) 25 das Neugeborene > der Säugling > das Kleinkind > das Kind 50 56 28,6 86,4 40 Abb. 37: Die erste Konstruktion in Richtung „weniger“ in der Kind-Reihe X ist kein Y, sondern nur ein Z (in %) 8,3 das Neugeborene > der Säugling > das Kleinkind > das Kind 37,5 37,5 15,8 66,6 0 Abb. 38: Die zweite Konstruktion in Richtung „weniger“ in der Kind-Reihe Mit Abbildung 39 wird das Gesamtergebnis der Konstruktionen „X ist kein Y, X ist fast noch ein Z“ und „X ist kein Y, sondern nur ein Z“ dargestellt. 16,6 das Neugeborene > der Säugling > das Kleinkind > das Kind 43,7 46,7 22,2 76,5 20 Abb. 39: Gesamtergebnis für Richtung „weniger“ in der Kind-Reihe Lexikalisch-semantische Graduonymie 302 Die gewonnenen Ergebnisse zur Kind-Gruppe werden an dieser Stelle auf der Grundlage paarweiser Analyse der Wörter nochmals zusammengefasst. Neugeborenes vs. Säugling wurde insgesamt durch geringe Akzeptabilität gekennzeichnet (22,6%). Es liegt wohl daran, dass die Bedeutung von Säugling die von Neugeborenes einschließt (umgekehrt impliziert Neugeborenes die Bedeutung von Säugling aber nicht) und dadurch für Neugeborenes eine Oberbegriff-Funktion aufweist. Aus diesem Grund lässt sich zwischen diesen Ausdrücken im Rahmen der Aussagen keine scharfe Grenze ziehen. Die Korpusanalyse hat hingegen eine andere Situation manifestiert, nämlich dass es im Sprachgebrauch zwischen diesen Ausdrücken eine klare (kontrastive) Abgrenzung gibt. Auch eine einfache Google-Recherche liefert zahlreiche Belege für die kontrastive Verwendung von Neugeborenes und Säugling, aber auch anderen Mitgliedern der Gruppe. Stärker als die Korpusdaten reflektiert dieser Test also die Hypergraduonymie-Verhältnisse. Die Testsätze sind so formuliert, dass mit der Affirmation des einen Wortes das andere explizit negiert wird und so einen klassifikatorischen Ausschluss verlangt. Genau zwischen zwei Graduonymen, bei denen das eine als Hypergraduonym für das andere Graduonym auftritt und dessen Bedeutung inkludiert, funktionieren die Tests im Rahmen der strengen entweder-oder-Sätze nicht. Die Tests decken also hypergraduonymische Strukturen auf. Eine hohe Akzeptabilität zeigten die Sätze zur graduonymischen Abstufung von Säugling und Kleinkind. Unabhängig von der Kontrastierungsrichtung waren bei diesen Wörtern positive Bewertungen häufig, wobei beim Vergleich in die Gegenrichtung geringe Unterschiede sichtbar wurden. Der Durchschnittswert der Akzeptabilität von Kleinkind vs. Kind liegt bei 29,6%. Bei dem Verhältnis zwischen ihnen handelt es sich offensichtlich um eine hypergraduonymische Funktion von Kind zu Kleinkind, denn Kleinkind enthält als Kompositum Kind und verstärkt dadurch die Hypergraduonym-Position von Kind. Dennoch wurde die Kontrastierung Kleinkind vs. Kind bis zu 50% als akzeptabel erkannt. Konstruktionsabhängig wurde ihre Akzeptabilität teilweise sogar vollständig ignoriert (siehe Abb. 38). Auf den ersten Blick scheinen Neugeborenes und Kleinkind deutliche Kontrastverhältnisse zu zeigen. Wenn man die Fälle im Einzelnen beobachtet, so stellt man fest, dass ihr Akzeptabilitätsgrad von der Rich- Operationale Verfahren 303 tung der Graduierung abhängt. Die Gegenüberstellung der Wörter Neugeborenes und Kleinkind in die Steigerungsrichtung des Alters wurde häufiger akzeptiert (Abb. 36) als in die entgegengesetzte Graduierungsrichtung (Abb. 39). Ähnliche Verhältnisse wie zwischen Neugeborenes und Säugling kommen zudem zwischen Neugeborenes und Kind vor. Die Akzeptabilitätsurteile diesbezüglich sind verhältnismäßig sehr gering. Dahingegen zeigt Säugling vs. Kind einen höheren Akzeptabilitätsgrad, so dass zwischen ihnen ein klar abgegrenzter Kontrast vorliegt. In Bezug auf die verwendeten Partikeln führen die Ergebnisse der Testkonstruktionen zu der Erkenntnis, dass die Tests, in denen fast (X ist kein Y, X ist fast schon ein Z und X ist kein Y, X ist fast noch ein Z) und nur (X ist kein Y, sondern nur ein Z) eingebettet wurden, möglicherweise ohne diese Partikeln besser funktionieren würden. Mit fast schon ein Säugling (Richtung: Verstärkung) oder fast noch ein Säugling (Richtung: Abschwächung) wird der Sachverhalt negiert: fast ein Säugling ist kein Säugling. Die schlechten Ergebnisse des Tests „X ist kein Y, sondern nur ein Z“ könnten an der pejorativen Funktion von nur liegen, so dass mit jeweiligem Bezugswort etwas Schlechtes gemeint wird. Insofern könnte erst statt nur besser passen. Aufgrund der durchgeführten Analyse kann man zusammenfassen, dass die Kind-Wörter semantisch dicht beieinander liegen und somit Überlappungen in ihrer Bedeutung aufweisen. Trotz seines altersspezifischen Merkmals ist jedes Element mit seinem rechten Nachbar auf der Skala durch eine Inklusionsbeziehung aufgrund einer Über- und Unterordnungsstruktur verbunden. Kind übernimmt eine Einschließungsfunktion für alle Mitglieder der Gruppe. Das Verhältnis der Wörter zueinander könnte man grafisch folgenderweise darstellen (Abb. 40): Lexikalisch-semantische Graduonymie 304 Neugeborenes Säugling Kleinkind Kind KIND Inklusionsbeziehung in der Kind-Reihe Abb. 40: Die Inklusionsbeziehung in der Kind-Reihe 6.6.2.3 sprechen-Reihe Getestet wurden die sprechen-Wörter mithilfe von zwei Konstruktionen, in zwei Richtungen der Graduierung. Als Erstes schauen wir uns an, inwiefern die Kontrastverhältnisse in Bezug auf die Steigerung der Lautstärke zwischen ihnen realisiert werden (siehe Abb. 41). Die sprechen-Wörter verhalten sich bei der Abfrage in gegebenen Satzkontexten zueinander überwiegend kontrastiv. Beim Vergleich mit der Gegenrichtung fällt jedoch auf, dass die Ergebnisse im Unterschied zur ersten Konstruktion niedrigere Akzeptabel-Urteile liefern. Ein abweichender Zusammenhang zeigt sich allerdings zwischen flüstern und sprechen; bei diesen Vergleichspartnern sind die Prozentpunkte in die Gegenrichtung gestiegen: Das Ergebnis liegt bei 56,6% (Abb. 42). Das heißt, der Satz „Er flüstert nicht, er spricht regelrecht“ weist niedrigere Akzeptabilitätsurteile auf als der Satz „Er spricht nicht, sondern er flüstert nur“. Erstens wird, wie oben angedeutet, das Hypergraduonym (hier: sprechen) von unten schlecht erreicht. Zweitens hat das mit der Bedeutung von regelrecht (wie z.B. geradezu) zu tun, so dass diese Partikel vom Bezugswort einen hohen Grad verlangt. Hier wiederholt sich das Ergebnis von Brise vs. Wind und Neugeborenes vs. Säugling. Grundsätzlich weisen sowohl anliegende Wörter der Skala, als auch nicht anliegende Vergleichspaare mit im Schnitt mehr als 50% Akzeptabel-Urteilen gute Indizien für einen eindeutigen Gegensatz auf. Operationale Verfahren 305 flüstern < sprechen < rufen < schreien < brüllen 76,3 88,5 100 86,4 96,3 64 22,3 68,8 96,3 87 Er V1-t nicht, er V2-t regelrecht (in %) Abb. 41: Die Konstruktion in Richtung „mehr“ in der sprechen-Reihe flüstern > sprechen > rufen > schreien > brüllen 58,7 73,9 56 76 80 67,6 56,6 45,8 74,2 50 Er V1-t nicht, sondern er V2-t nur (in %) Abb. 42: Die Konstruktion in Richtung „weniger“ in der sprechen-Reihe 6.6.3 Statistische Analyse und Überprüfung von Hypothesen Nachdem die Ergebnisse der Sprecherurteile deskriptiv ausgewertet wurden, werden sie in diesem Kapitel aufgrund der unten vorgestellten Hypothesen zur statistischen Analyse herangezogen. Für die Analyse wurde die Statistiksoftware SPSS 18 verwendet. Es wurde ein t-Test mit unabhängigen Stichproben durchgeführt. Analysiert wurden 68 Sätze aus den Wortreihen Wind, Kind und sprechen. In Lexikalisch-semantische Graduonymie 306 jedem Satz traten immer zwei Graduonyme auf. Die Sätze wurden mit Akzeptabilitätsurteilen bewertet. Es gibt keine fehlenden Werte. Auf der Grundlage der wichtigsten Graduonymie-Besonderheiten in Bezug auf die Nachbarschaftsverhältnisse der Graduonyme und des Auftretens eines Graduonyms auf der Skala als Hypergraduonym sowie die in der Studie verwendeten Partikeln, die bei der Hervorhebung der Graduierungsbeziehungen eine wichtige Rolle spielen, werden drei Haupthypothesen und zwei Zusatzhypothesen (zu den ersten zwei Haupthypothesen) aufgestellt. Im Folgenden werden die Ergebnisse der Auswertung nach den einzelnen Hypothesen dargestellt. 6.6.3.1 Variable: „Nachbarschaft“ Mit der Variable „Nachbarschaft“ wurden zwei Hypothesen aufgestellt: eine Haupthypothese und eine Zusatzhypothese. Die Bestimmung des Nachbarschaftsgrads basierte auf den oben aufgezeichneten Skalen, die als Ergebnisse sowohl der ersten Online-Umfrage als auch der Korpusanalyse zustande gekommen waren. Es geht also um folgende Reihenfolgen: 1) die Brise < der Wind < der Sturm < der Orkan 2) das Neugeborene < der Säugling < das Kleinkind < das Kind 3) flüstern < sprechen < rufen < schreien < brüllen Variable „Nachbarschaft_1“ (Haupthypothese) Hypothese: Wenn die in den Satzkonstruktionen verwendeten Graduonyme direkt benachbart sind, dann sind die Akzeptabilitätsurteile anders, als wenn sie nicht direkt benachbart sind. Es wird also vermutet, dass die Nachbarn und die Nicht-Nachbarn bezüglich ihrer Akzeptabilität unterschiedliche Ergebnisse zeigen. Zum Vergleich herangezogen wurden zwei Gruppen: die Sätze mit Graduonymen in direkter und indirekter Nachbarschaft auf der Skala. Für jeden Satz wurde notiert, ob Graduonyme: - direkt benachbart sind (kodiert mit „1“) - nicht direkt benachbart sind (kodiert mit „0“) Hierfür wurden zwei Tests durchgeführt: für die Gesamtgruppe der Sätze (68 Sätze) und für jede Gruppe (Wind, Kind und sprechen) separat. Operationale Verfahren 307 Auswertung für die Gesamtgruppe Gegenübergestellt wurden in Bezug auf die erste Hypothese zum Gesamtmaterial 32 Sätze zur direkten Nachbarschaft (638 Nennungen) und 36 Sätze zur nicht direkten Nachbarschaft (753 Nennungen). Der statistische Test (t-Test) hat zum Verhältnis der benachbarten und nicht benachbarten Graduonyme keine signifikanten Zusammenhänge gezeigt (p = 0,21). Das heißt, dass hinsichtlich der Akzeptabilitätsurteile zwischen Graduonymen in direkter und indirekter Nähe auf der Skala keine großen Unterschiede bestehen. Diese Verhältnisse veranschaulicht Diagramm 13. Die Kodierungen 1, 2, 3 und 4 im Diagramm signalisieren die vier Bewertungsskalen, die neben der Y-Achse des Diagramms nochmals konkretisiert wurden. Die Werte auf den Spalten (hier: 2,13 und 2,06) sind Mittelwerte für zwei Vergleichsgruppen. Je niedriger die Werte sind, desto höher ist die Akzeptabilität der Testsätze. Dies gilt für alle nachfolgenden Diagramme. Der Mittelwert von benachbarten Elementen der Gesamtgruppe liegt bei 2,13 und der von nicht benachbarten bei 2,06. Es liegt damit keine signifikante Differenz zwischen beiden Gruppen vor. Die Akzeptabilität der Testsätze der zwei Gruppen ist nicht unterschiedlich. Dies trifft allgemein für das Gesamtmaterial zu. Um reihenspezifische Besonderheiten von Graduonymen zu betrachten, wurden nach dieser Hypothese innerhalb der drei Gruppen (Wind, Kind und sprechen) getrennte Tests durchgeführt, worauf im Folgenden eingegangen wird. Man kann annehmen, dass die Tests, die genauer geprüft werden müssen, reihenspezifisch und konstruktionsbedingt unterschiedlich auf die Nachbarschaft reagieren. Eine allgemeine Schlussfolgerung auf der Grundlage der statistischen Ergebnisse von drei unterschiedlichen Reihenfolgen und verschiedenen Satzkonstruktionen, so dass die Zusammenhänge zwischen Graduonymen in direkter und indirekter Nähe auf der Skala voneinander nicht stark abweichen, ist inakzeptabel. Lexikalisch-semantische Graduonymie 308 Mittelwerte der direkten und indirekten Nachbarn in der Gesamtgruppe 4 (= überhaupt nicht akzeptabel) 3 (= eher nicht akzeptabel) 2 (= eher akzeptabel) 1 (= vollkommen akzeptabel) 1 2 3 4 Nachbarschaft direkt Nachbarschaft nicht direkt 2,13 2,06 Diagramm 13: Mittelwerte der Hypothese Nachbarschaft_1 Auswertung der Wind-Reihe nach der Hypothese Nachbarschaft_1 Die Sätze zur Wind-Gruppe (insgesamt 24 Sätze) wurden insgesamt 428 Mal bewertet, und zwar 203 Fälle zu den Sätzen mit Graduonymen in direkter Nachbarschaft und 225 Fälle zu den Sätzen mit Graduonymen in nicht direkter Nachbarschaft. Der Mittelwert der Nachbar-Graduonyme liegt bei 1,67 und der von Nicht-Nachbar-Mitgliedern bei 1,97. Ein Vergleich der Mittelwerte der Aussagen zur Wind-Gruppe zeigte einen statistisch hochsignifikanten Zusammenhang (T(426) = 3,315. p < 0,001). Es liegen wesentliche Unterschiede in Bezug auf ihre Akzeptabilität zwischen Mittelwerten der zwei Gruppen von Sätzen vor (siehe Diagramm 14). Operationale Verfahren 309 Mittelwerte der direkten und indirekten Nachbarn in der Wind-Gruppe 4 (= überhaupt nicht akzeptabel) 3 (= eher nicht akzeptabel) 2 (= eher akzeptabel) 1 (= vollkommen akzeptabel) 1 2 3 4 Nachbarschaft direkt Nachbarschaft nicht direkt 1,67 1,97 Diagramm 14: Mittelwerte der Hypothese Nachbarschaft_1 in der Wind-Reihe Die Ergebnisse zeigen, dass die Annehmbarkeit der Testsätze, in denen benachbarte Elemente der Wind-Reihe auftreten, höher ist als die der Sätze mit indirekten Nachbarwörtern. Die Einzelheiten zu jedem Vergleichspartner in den zwei Gruppen machen die Abbildungen 43 und 44 auf der Grundlage einer Skala anschaulich. Die skalare Darstellung von Daten in diesem Kapitel erfolgte analog zu den Skalen im 2. Teil der deskriptiven Analyse. Da es sich dabei um Nachbarschaft handelt, werden die Bewertungen der beiden Richtungen der Graduierung (sowohl die Steigerung als auch die Verringerung der „Windstärke“) mitberücksichtigt. die Brise der Wind der Sturm der Orkan Wind-Gruppe: „Nachbarschaft direkt“ (in %) 75,6 83,1 87,9 Abb. 43: Das Verhältnis der Nachbarwörter in der Wind-Reihe Lexikalisch-semantische Graduonymie 310 Die Gegenüberstellung von Wind vs. Sturm und Sturm vs. Orkan ist in allen Satzrahmen unabhängig von der Graduierungsrichtung durch hohe Akzebtabilitätswerte gekennzeichnet. Beim Verhältnis Brise vs. Wind manifestieren sich andere Phänomene: In Richtung Verstärkung der Windstärke ist ihre Gegenüberstellung weniger adäquat; in Richtung Abschwächung der Windstärke ist jedoch ihre Opposition höchst akzeptabel. Ihr Durchschnittswert beträgt 75,6%. die Brise der Wind der Sturm der Orkan 59,7 72,9 75,9 Wind-Gruppe: „Nachbarschaft nicht direkt“ (in %) Abb. 44: Das Verhältnis der Nicht-Nachbarn in der Wind-Reihe Auch bei den nicht benachbarten Wörtern ist eine erkennbar hohe Akzeptabilität zu beobachten: Brise vs. Sturm und Wind vs. Orkan zeigen einen stärkeren Gegensatz und Brise vs. Orkan einen insgesamt verhältnismäßig schwächeren, aber konstruktionsbedingt schwankend zwischen 95% und lediglich 14,3% Akzeptanz. Generell gilt, dass die Kontrastierung unmittelbarer Paare der Skala mehr Akzeptabilität aufweist, als die der indirekten Nachbarn. Das indiziert, dass das ein Effekt des Tests ist. Sowohl der theoretische Teil der Arbeit als auch die Kapitel zu Sprecherbefragungen und Korpusanalysen haben gezeigt, dass die auf Gradualität bezogenen Kontrastverhältnisse zwischen eng beieinanderliegenden Paaren nicht so stark ausgeprägt sind, als bei nichtbenachbarten Paaren. Die Nachbar-Graduonyme weisen mehr semantische Nähe auf, die durch ihren semantischen Überlappungsbereich bedingt ist. Die hohe Zustimmung der Gegenüberstellung bestimmter Nachbar-Graduonyme in dieser Studie ist ein Effekt der Graduierungspartikeln bzw. der Tests. Bestimmte Partikeln sind besonders gut geeignet, die gegensätzlichen Verhältnisse zweier benachbarter Graduonyme auf der Skala hervorzuheben. Daraus lässt sich aber nicht unbedingt auf die Stärke des Kontrasts zwischen Graduonymen schließen. Dass laut Ergebnissen Brise und Orkan als Extreme der Windskala Operationale Verfahren 311 schwächer kontrastieren (z.B. im Testsatz „X ist ein Y, oder sogar ein Z“, siehe Abb. 29), wäre eine widersinnige Behauptung. Die hohen Akzeptabilitätsurteile weisen vielmehr darauf hin, dass bestimmte Testsätze bzw. Graduierungspartikeln die nahe beieinanderliegenden Wörter präferieren oder manche Konstruktionen unabhängig von der Position auf der Skala zwischen beliebigen Graduonymen gut funktionieren. Aus den Ergebnissen geht hervor, dass die aufgestellte Hypothese in der Wind-Gruppe hinsichtlich der höheren Akzeptabilität von Sätzen, die benachbarte Graduonyme kontrastieren, bestätigt wurde. Auswertung der Kind-Reihe nach der Hypothese Nachbarschaft_1 Von den insgesamt 428 Nennungen zu 24 Sätzen der Kind-Gruppe sind 223 Fälle zu benachbarten Graduonymen, 205 Fälle zu nicht benachbarten Graduonymen. Die Mittelwerte zwischen diesen Gruppen illustriert Diagramm 15: Bei den Graduonymen in direkter Nachbarschaft liegt das Mittel bei 2,65 und der Durchschnittswert von indirekten Nachbarn beträgt 2,53. Der t-Test zeigt also keinen signifikanten Zusammenhang zwischen zwei Vergleichsgruppen in Bezug auf ihre Nachbarschaftsbeziehungen (p = 0,286). Diagramm 15 macht deutlich, dass die Akzeptabilität der Kind-Wörter stark von der der Wind-Wörter abweicht. Im 2. Teil der deskriptiven Analyse wurden die Kind-Fälle ausführlicher diskutiert, mit dem Ergebnis, dass die Kind-Wörter keine starken Kontrastierungen gegeneinander zulassen. Es wird angenommen, dass die Ergebnisse mit den Hypergraduonym-Funktionen von Säugling (für Neugeborenes) und Kind (für alle Reihenmitglieder) zusammenhängen. Lexikalisch-semantische Graduonymie 312 Mittelwerte der direkten und indirekten Nachbarn in der Kind-Gruppe 4 (= überhaupt nicht akzeptabel) 3 (= eher nicht akzeptabel) 2 (= eher akzeptabel) 1 (= vollkommen akzeptabel) 1 2 3 4 Nachbarschaft direkt Nachbarschaft nicht direkt 1,67 1,97 2,65 2,53 Diagramm 15: Mittelwerte der Hypothese Nachbarschaft_1 in der Kind-Reihe Die Prozentsätze der Akzeptabilität zu den jeweiligen oppositionellen Partnern in direkter und indirekter Nachbarschaft zeigen die Abbildungen 45 und 46 anhand von Skalen. das Neugeborene der Säugling das Kleinkind das Kind Kind-Gruppe: „Nachbarschaft direkt“ (in %) 22,6 85,3 29,6 Abb. 45: Das Verhältnis der Nachbarwörter in der Kind-Reihe Unter benachbarten Oppositionspaaren zeigen Säugling und Kleinkind einen eindeutigen, von der Graduierungsrichtung unabhängigen stabilen Kontrast auf. Demgegenüber sind bei Neugeborenes vs. Säugling und Kleinkind vs. Kind die Akzeptabilitätsgrade nicht hoch. Operationale Verfahren 313 das Neugeborene der Säugling das Kleinkind das Kind Kind-Gruppe: „Nachbarschaft nicht direkt“ (in %) 22,9 61,4 48,6 Abb. 46: Das Verhältnis der Nicht-Nachbarn in der Kind-Reihe Unter Nicht-Nachbarn dominieren Neugeborenes vs. Kleinkind-Zusammenhänge mit 61,4% Akzeptabilität. Die Annehmbarkeit der Gegenüberstellung von Säugling vs. Kind liegt bei 48,6%, die von Neugeborenes vs. Kind ist wiederum nicht hoch (22,9%). Laut dem Ergebnis der Mittelwerte liegen zwischen den beiden Gruppen (Nachbarn und Nicht-Nachbarn) hinsichtlich ihrer Akzeptabilität keine erheblichen Differenzen vor (siehe Diagramm 15). In der Gruppe benachbarter Graduonyme gibt es zwei Vergleichspaare (Neugeborenes vs. Säugling und Kleinkind vs. Kind), die niedrigere Akzeptabilität aufweisen, und unter nicht benachbarten Graduonymen findet sich ein oppositionelles Paar mit geringer Akzeptabilität (Neugeborenes vs. Kind). Statistisch gesehen wurde in der Kind-Gruppe die Annahme über die differente Akzeptabilität von Graduonymen hinsichtlich ihrer Nachbarschaftspositionen nicht bestätigt. Auswertung der sprechen-Reihe nach der Hypothese Nachbarschaft_1 Insgesamt gibt es zur sprechen-Gruppe 20 Satzkonstruktionen, die mit insgesamt 535 Nennungen zwischen den drei Wortreihen (Wind, Kind und sprechen) am meisten zur Bewertung herangezogen wurden. Die Auswertung zum Vergleich der Annehmbarkeit von Nachbarn (212 Nennungen) und Nicht-Nachbarn (323 Nennungen) lieferte in dieser Gruppe einen hochsignifikanten Unterschied (T(533) = -2,484; p < 0,01). Die Mittelwerte der Akzeptabilitätsurteile illustriert Diagramm 16. Lexikalisch-semantische Graduonymie 314 Mittelwerte der direkten und indirekten Nachbarn in der sprechen-Gruppe 4 (= überhaupt nicht akzeptabel) 3 (= eher nicht akzeptabel) 2 (= eher akzeptabel) 1 (= vollkommen akzeptabel) 1 2 3 4 Nachbarschaft direkt Nachbarschaft nicht direkt 1,67 1,83 2,04 Diagramm 16: Mittelwerte der Hypothese Nachbarschaft_1 in der sprechen-Reihe Aus dem Diagramm ist zu ersehen, dass die Wortpaare in indirekter Nähe höhere Akzeptabilität (Mittelwert: 1,83) widerspiegeln als die Graduonyme in direkter Nähe (Mittelwert: 2,04) auf der Skala. Im I. Teil der deskriptiven Analyse wurde erwähnt, dass die Wind- und sprechen- Gruppen auf den ersten Blick in Bezug auf ihre Annehmbarkeit einen gleichen Eindruck machen. Wie es die Daten an dieser Stelle klar zum Vorschein bringen, sind die aufgetretenen Phänomene in beiden Wortreihen jedoch andere. Die sprechen-Gruppe weist damit einen zur Kind- Gruppe ähnlichen Aspekt auf, so dass die Akzeptabilität der nicht benachbarten Graduonyme höher ist. Allerdings ist in der sprechen- Gruppe der Unterschied zwischen Nachbarn und Nicht-Nachbarn deutlich höher. Die Einzelheiten des Diagramms 16 werden in den folgenden Abbildungen (47 und 48) vorgestellt. Operationale Verfahren 315 flüstern sprechen rufen schreien brüllen 44,7 58,9 84,4 66,6 sprechen-Gruppe: Nachbarschaft direkt (in %) Abb. 47: Das Verhältnis der Nachbarwörter in der sprechen-Reihe flüstern sprechen rufen schreien brüllen 68,6 81,6 66,1 75 80,8 87,7 sprechen-Gruppe: Nachbarschaft nicht direkt (in %) Abb. 48: Das Verhältnis der Nicht-Nachbarn in der sprechen-Reihe Zusammenfassung zur Hypothese Nachbarschaft_1 Die Ergebnisse der Analyse haben gezeigt, dass bei der Überprüfung von Graduonymen nach ihrer Nachbarschaft insgesamt ein statistisch nicht signifikanter Zusammenhang festgestellt wurde. Eine getrennte Analyse der jeweiligen Gruppe hat zu unterschiedlichen Ergebnissen geführt. Die Reihen zu Wind und sprechen zeigen hinsichtlich der Nachbarschaft signifikante Konstellationen, in der Kind-Gruppe besteht hingegen kein statistisch signifikanter Unterschied. In den drei Wortreihen haben sich drei unterschiedliche Phänomene enthüllt: Die Wind- Wörter waren durch eine hohe Zustimmung der Gegenüberstellung von Nachbar-Graduonymen charakterisiert und die Ergebnisse konnten als statistisch signifikant dokumentiert werden. In der Kind-Gruppe war die Akzeptabilität der Tests mit nicht benachbarten Wörtern höher, aber es liegen keine signifikanten Unterschiede zwischen den zwei Lexikalisch-semantische Graduonymie 316 Gruppen vor. In der sprechen-Gruppe waren die Bewertungen von Nicht-Nachbarn positiv und die Zusammenhänge hoch signifikant. Die Ergebnisse der Tests hängen stark von den verwendeten Partikeln ab und zeigen, wie die Tests funktionieren. Aufgrund ihrer Semantik präferieren bestimmte Partikeln nah beieinanderliegende Wörter. Durch Partikeln wie sogar wird die Graduonymierelation zwischen benachbarten Wörtern besonders betont, wie an der hohen Akzeptabilität der Ergebnisse zu sehen ist. Die Partikel geradezu verlangt dagegen von ihrem Bezugswort einen hohen Grad ihres Abweichungsmerkmals. Anhand dieser Partikeln wurden Wörter in nicht unmittelbarer Nachbarschaft mehrheitlich als akzeptabel bewertet. In den Tests wird mit der Behauptung des einen Testworts das andere explizit negiert. Man könnte hier davon ausgehen, dass vermeintliche Hypergraduonyme besonders schlecht abschneiden, wenn sie auf der negierten Seite des Tests auftauchen. Diese Aussage kann man jedoch nicht allgemein unterstützen. Das Brise < Wind- und flüstern < sprechen-Verhältnis zeigt mehr Akzeptabilität als das Brise > Wind- und flüstern > sprechen- Verhältnis. In der Kind-Reihe ergeben die Verbindungen mit den Hypergraduonymen Säugling (für Neugeborenes) und Kind (für die Gesamtgruppe) unabhängig von der Graduierungsrichtung (d.h. unabhängig davon, welches der Wörter negiert wird) niedrige Zustimmung. 6.6.3.2 Variable: „Nachbarschaft_2“ (Zusatzhypothese) Als Voraussetzung für die Variable Nachbarschaft_2 dient die Behauptung, die wir für die Variable Nachbarschaft_1 aufgestellt haben, welche besagt, dass, wenn die in den Satzkonstruktionen verwendeten Graduonyme direkt benachbart sind, die Akzeptabilitätsurteile anders sind, als wenn sie nicht direkt benachbart sind. Diese Hypothese wird jedoch an dieser Stelle spezifiziert: Da sich die Graduonyme der Gruppen zu den jeweiligen Oberbegriffen anders verhalten als zueinander, werden die Sätze mit den Oberbegriffen Kind, Wind und sprechen ausgelassen und nur die Nachbarn und Nicht-Nachbarn miteinander verglichen. Für jeden Satz wurde notiert, ob Graduonyme: - direkt benachbart sind (kodiert mit „1“) - nicht direkt benachbart sind (kodiert mit „0“) Operationale Verfahren 317 Getestet wurden 36 Sätze für alle Gruppen insgesamt, und für jede Gruppe (Wind, Kind und sprechen) jeweils 12 Sätze separat. Auswertung der Gesamtgruppe Es gibt 319 Nennungen für 16 Testsätze zur direkten Nachbarschaft und 438 Nennungen für 20 Testsätze zur nicht direkten Nachbarschaft. Die Testergebnisse zeigen einen knapp nicht signifikanten Zusammenhang (p = 0,06) zwischen den beiden Vergleichsgruppen bei einem Signifikanzwert von p = 0,05. Diagramm 17 macht die Zusammenhänge anschaulich. Mittelwerte der direkten und indirekten Nachbarn in der Gesamtgruppe 4 (= überhaupt nicht akzeptabel) 3 (= eher nicht akzeptabel) 2 (= eher akzeptabel) 1 (= vollkommen akzeptabel) 1 2 3 4 Nachbarschaft direkt Nachbarschaft nicht direkt 1,67 1,99 2,06 Diagramm 17: Auswertung der Variable „Nachbarschaft_2“ gesamt In den in Diagramm 17 aufgezeichneten beiden Gruppen sind die Sätze, in denen Wind, Kind und sprechen mit einem Gruppenmitglied kontrastiert werden, ausgeschlossen. Die sonstigen Sätze wurden hinsichtlich ihrer (unmittelbaren oder mittelbaren) Nachbarschaft in zwei Gruppen eingeordnet und diese wurden dann daraufhin überprüft, inwieweit ihre Kontrastierung voneinander abweicht. Im Vergleich zu der obigen Hypothese (Variable Nachbarschaft_1) inklusive Oberbegriffe ist in dieser Analyse der Akzeptabilitätsgrad der Testsätze signifikant gestiegen (vgl. Diagramm 13 und Tab. 52). Lexikalisch-semantische Graduonymie 318 Vergleichsgruppen Nachbarschaft_1 Nachbarschaft_2 Nachbarschaft direkt 2.13 2.06 Nachbarschaft nicht direkt 2,06 1,99 Tab. 52: Variablen im Vergleich Auswertung der Wind-Reihe nach der Hypothese Nachbarschaft_2 Zu bewerten waren in der Wind-Gruppe vier Sätze (58 Nennungen) zu benachbarten Elementen und acht Sätze (146 Nennungen) zu nicht benachbarten Elementen. Die Unterschiede zwischen Nachbarn und Nicht-Nachbarn ohne Wind-Element sind nach dem t-Test höchstsignifikant (T(202) = 3,993; p < 0,00). Wie aus Diagramm 18 hervorgeht, zeigen die Kontrastgruppen mit einer Abweichung von 0,62 erhebliche Unterschiede. Mittelwerte der direkten und indirekten Nachbarn in der Wind-Gruppe 4 (= überhaupt nicht akzeptabel) 3 (= eher nicht akzeptabel) 2 (= eher akzeptabel) 1 (= vollkommen akzeptabel) 1 2 3 4 Nachbarschaft direkt Nachbarschaft nicht direkt 1,41 2,03 Diagramm 18: Auswertung der Variable „Nachbarschaft_2“ in der Wind-Reihe Bei den unmittelbaren Paaren handelt es sich um den Sturm-vs.-Orkan- Kontrast (siehe Abb. 49). Ihre wechselseitige Kontrastierung wird mit 87,9 Prozent hoch bewertet. Operationale Verfahren 319 Wind-Gruppe: „Nachbarschaft direkt“ (in %) die Brise der Wind der Sturm der Orkan 87,9 Abb. 49: Das Verhältnis der direkten Nachbarn in der Wind-Reihe Die Bewertungen von Sturm vs. Orkan wurden den Urteilen der in Abbildung 49 dargestellten Paare Brise vs. Sturm und Brise vs. Orkan gegenübergestellt. In der Wind-Gruppe bestehen, wie es sich aus der Hypothese 1 ergab, zwischen Nachbarn und Nicht-Nachbarn unabhängig von ihrem Verhältnis zu Wind gewisse Unterschiede, die aber unter der Nachbarschaf_2-Hypothese noch deutlicher hervortreten. Das heißt, die unmittelbaren Paare weisen hohe Zustimmung auf als die Wörter indirekter Nachbarschaft. Dadurch bestätigt sich die Vermutung zu den Partikeln, so dass sie zwischen benachbarten Graduonymen eher besser funktionieren. die Brise der Wind der Sturm der Orkan 59,7 72,9 Wind-Gruppe: „Nachbarschaft nicht direkt“ (in %) Abb. 50: Das Verhältnis der nicht direkten Nachbarn in der Wind-Reihe Auswertung der Kind-Reihe nach der Hypothese Nachbarschaft_2 Für die Überprüfung das Verhältnis zwischen Wörtern in direkter Nachbarschaft und nicht direkter Nachbarschaft standen auch in der Kind-Gruppe 12 Sätze zur Bewertung bereit. Acht Sätze (152 Nennungen) zu benachbarten Graduonymen wurden mit vier Sätzen (70 Nennungen) zu nicht benachbarten Graduonymen verglichen. Der Mittelwert der ersten Gruppe liegt bei 2,51 und der der zweiten Gruppe bei Lexikalisch-semantische Graduonymie 320 2,2. Die Zusammenhänge von Mittelwerten zwischen zwei Gruppen sind laut t-Test statistisch signifikant (p = 0,04). In Diagramm 19 wird diese Konstellation dokumentiert. Mittelwerte der direkten und indirekten Nachbarn in der Kind-Gruppe 4 (= überhaupt nicht akzeptabel) 3 (= eher nicht akzeptabel) 2 (= eher akzeptabel) 1 (= vollkommen akzeptabel) 1 2 3 4 Nachbarschaft direkt Nachbarschaft nicht direkt 1,41 2,2 2,51 Diagramm 19: Auswertung der Variable „Nachbarschaft_2“ in der Kind-Reihe Aus den Ergebnissen geht hervor, dass die Akzeptabilität der Gruppe mit nicht benachbarten Graduonymen relativ höher ist als die Gruppe der Nachbar-Graduonyme. Bei den benachbarten Paaren handelt es sich um die Paare Neugeborenes vs. Säugling und Säugling vs. Kleinkind (siehe Abb. 51). Trotz hoher positiver Übereinstimmung im Säugling- Kleinkind-Kontrast (85,3%) ist das Verhältnis von beiden Kontrastpaaren in der Gruppe wegen geringer Akzeptabilität von Neugeborenes vs. Säugling in negativer Richtung gestiegen. Die geringen Zustimmungswerte liegen, wie bereits oben erwähnt, an dem Hypergraduonym Säugling. Operationale Verfahren 321 das Neugeborene der Säugling das Kleinkind das Kind Kind-Gruppe: „Nachbarschaft direkt“ (in %) 22,6 85,3 Abb. 51: Das Verhältnis der direkten Nachbarn in der Kind-Reihe Bei der indirekten Nachbarschaft geht es um das Paar Neugeborenes vs. Kleinkind, dessen gegenseitige Kontrastierung 61,4 Prozent beträgt (siehe Abb. 52). das Neugeborene der Säugling das Kleinkind das Kind 61,4 Kind-Gruppe: „Nachbarschaft nicht direkt“ (in %) Abb. 52: Das Verhältnis der nicht direkten Nachbarn in der Kind-Reihe Die Daten zeigen deutlich, wie sich die Graduonyme der Kind-Gruppe zueinander verhalten. Neben Kind, das für die ganze Gruppe als Oberbegriff figuriert, zeigt auch Säugling zu Neugeborenes eine dominante Oberbegriffsrelation. Ihre Gegenüberstellung liefert niedrige Akzeptabilität. Diese in diesem und den vorigen Kapiteln oft erwähnte Behauptung wurde jedoch bei der Sortierung der Sätze hinsichtlich des Oberbegriffs von Säugling nicht berücksichtigt. Da die semantische Distanz zwischen Elementen einer graduonymischen Reihe unterschiedlich repräsentiert wird, variiert somit ihre Gradualität zueinander. Die Graduonyme, denen semantische Ähnlichkeitsrelationen zugrunde liegen, zeigen Überschneidungen in ihrer Bedeutung und Verwendung auf. Bei der Kind-Gruppe ist dieses Überlappungs-Phänomen noch stärker ausgeprägt als bei der Wind- oder der sprechen-Gruppe. Lexikalisch-semantische Graduonymie 322 Auswertung der sprechen-Reihe nach der Hypothese Nachbarschaft_2 Insgesamt waren zu benachbarten Graduonymen vier Sätze (109 Nennungen) und zu nicht benachbarten Graduonymen acht (222 Nennungen) zu verzeichnen. Der Mittelwert der ersten Gruppe liegt bei 1,76 und der der zweiten bei 1,9. Der t-Test zeigt somit, dass zwischen den beiden Gruppen keine relevanten Unterschiede existieren (p = 0,23). Die Ergebnisse werden in Diagramm 20 veranschaulicht. Mittelwerte der direkten und indirekten Nachbarn in der sprechen-Gruppe 4 (= überhaupt nicht akzeptabel) 3 (= eher nicht akzeptabel) 2 (= eher akzeptabel) 1 (= vollkommen akzeptabel) 1 2 3 4 Nachbarschaft direkt Nachbarschaft nicht direkt 1,41 1,9 1,76 Diagramm 20: Auswertung der Variable „Nachbarschaft_2“ in der sprechen-Reihe Beide Vergleichsgruppen zeigen hohe Prozentsätze zwischen ihren Vergleichspaaren und dadurch höhere Akzeptabilität in der Gegenüberstellung. Das Paar rufen vs. schreien repräsentiert ein höheres Kontrastverhältnis als das Paar schreien vs. brüllen. In Bezug auf die Partner schreien und brüllen kann angenommen werden, dass zwischen ihnen eine schwache Hyperonymie-/ Hyponymiebeziehung vorliegt, indem man brüllen auch als eine Art schreien verstehen kann, aber nicht umgekehrt (siehe Abb. 53). Operationale Verfahren 323 flüstern sprechen rufen schreien brüllen sprechen-Gruppe: Nachbarschaft direkt (in %) 84,4 66,6 Abb. 53: Das Verhältnis der direkten Nachbarn in der sprechen-Reihe Zwischen Graduonymen in indirekter Nachbarschaft kommen zudem klare Gegensätzlichkeiten zum Vorschein (siehe Abb. 54). flüstern sprechen rufen schreien brüllen 68,6 81,6 66,1 80,8 sprechen-Gruppe: Nachbarschaft nicht direkt (in %) Abb. 54: Das Verhältnis der nicht direkten Nachbarn in der sprechen-Reihe 6.6.3.3 Variable: „Hypergraduonym_1“ In der oben vorgestellten zweiten Hypothese Nachbarschaft_2 wurde betont, dass sich die zusammengehörigen Elemente einer Graduonymiereihung zu ihren Hypergraduonymen anders verhalten als zueinander. Es gibt in jeder Gruppe ein Mitglied, das innerhalb einer Lesart zwei Funktionen ausübt: einerseits, gleichberechtigtes Graduonym, andererseits, Hypergraduonym. Als Oberbegriff/ Hypergraduonym umfasst es die Bedeutung der untergeordneten Begriffe/ Graduonyme. Aufgrund dessen wird vermutet, dass zwischen dem Hypergraduonym und anderen Graduonymen in gegensatzbildenden Testsätzen Lexikalisch-semantische Graduonymie 324 kein strikter Kontrast zugelassen wird. Während die Differenzierung zwischen graduonymischer und hypergraduonymischer Bedeutung im Kontext, also auch in den Korpusbeispielen, leichter erfolgen kann, ist sie in kontextfreien Testsätzen wegen mangelnder Ambiguitätsauflösung problematisch. Darüber hinaus wird angenommen, dass die Hypergraduonyme reihenspezifisch unterschiedlich auftreten. Das heißt, die semantische Relation der Oberbegriffe zu den jeweiligen Gruppenelementen manifestiert sich unterschiedlich, das eine Hypergraduonym ist als Oberbegriff stärker ausgeprägt, das andere nicht. An dieser Stelle wird dieser Faktor differenziert überprüft. In den vorliegenden Satzkonstruktionen sind Wind , Kind und sprechen Hypergraduonyme. In 32 Sätzen von insgesamt 68 Testsätzen treten sie als gegenübergestelltes Element zu den anderen Graduonymen der Skala hervor. In den übrigen 36 Sätzen ist ihr Vorkommen ausgeschlossen und zwei andere Mitglieder der Gruppe werden miteinander kontrastiert. Verglichen wird z.B. der Satz aus der Wind-Gruppe „Das ist keine Brise, sondern geradezu ein Wind“ mit dem Satz aus derselben Gruppe „Das ist keine Brise, sondern geradezu ein Sturm“. Es wird geprüft, welche Phänomene sich auf den Zusammenhang Brise vs. Wind gegenüber Brise vs. Sturm fokussieren. Hypothese: Die Akzeptabilität der Sätze, in denen ein Hypergraduonym vorkommt, ist anders als die der Sätze, in denen kein Hypergraduonym integriert ist. Für jeden Satz wurde notiert, ob er: - ein Hypergraduonym enthält (kodiert mit „1“) - kein Hypergraduonym enthält (kodiert mit „0“) Getestet wurden 68 Sätze für alle Gruppen insgesamt, und für jede Gruppe ( Wind , Kind und sprechen) separat. Auswertung der Sätze insgesamt nach der Hypothese Hypergraduonym_1 Die 68 Sätze wurden daraufhin sortiert, ob sie eines der Hypergraduonyme ( Wind , Kind und sprechen) enthalten. So kamen zwei Vergleichsgruppen zustande: die erste Gruppe mit 32 Sätzen mit einem Hypergraduonym im Bestandteil und die zweite Gruppe mit 36 Sätzen ohne Hypergraduonyme. 32 Sätze mit Hypergraduonym wurden von den Operationale Verfahren 325 Probanden 634 Mal bewertet, für 36 Sätze ohne Hypergraduonyme gab es 757 Nennungen. Die Mittelwerte der ersten Gruppe liegen bei 2,19 und die der zweiten Gruppe bei 2,02. Der statistische Signifikanztest für Mittelwerte ergab signifikante Unterschiede zwischen den genannten Gruppen (p < 0,003). Diese Zusammenhänge macht Diagramm 21 deutlich. Die Ergebnisse zeigen, dass die Testsätze ohne Hypergraduonyme mit der Gegenüberstellung zweier Kontrastpaare auf der Skala mehr Akzeptabilität zeigen als die Aussagen, bei denen einer der Oberbegriffe integriert war. Die Differenz der Mittelwerte in den Gruppen beträgt 0,17. Beim Zusammenhang der Graduonyme mit ihrem Hypergraduonym spielt neben dem Oberbegriff-Sein des Hypergraduonyms auch ein anderer Faktor, nämlich die Position und der damit zusammenhängende Nachbarschaftsgrad der Wörter innerhalb der Reihung eine Rolle. Die Tests haben belegt, dass die Graduonyme, die sich in direkter Nachbarschaft zu ihrem Hypergraduonym befinden, oft bei den Tests schlecht abschneiden. Dies betrifft vor allem linke Partner von Hypergraduonymen (Brise → Wind, Kleinkind → Kind (auch: Neugeborenes → Säugling), flüstern → sprechen), bei denen die Inklusionsrelation stärker hervortritt. Je nach Richtung der Graduierung, verwendeten Partikeln und Testkonstruktionen sind die Ergebnisse zwischen Wortpaaren in den drei Reihen unterschiedlich hoch. Lexikalisch-semantische Graduonymie 326 Mittelwerte von Sätzen mit einem Oberbegriff und ohne Oberbegriffin der Gesamtgruppe 4 (= überhaupt nicht akzeptabel) 3 (= eher nicht akzeptabel) 2 (= eher akzeptabel) 1 (= vollkommen akzeptabel) 1 2 3 4 Sätze mit einem Oberbegriff Sätze ohne Oberbegriff 1,41 2,02 1,76 2,19 Diagramm 21: Ergebnisse der Variable „Hypergraduonym_1“ gesamt Um gruppenspezifische Besonderheiten in Bezug auf das Verhältnis der Graduonyme zu ihrem Oberbegriff zu ermitteln, wird im Folgenden innerhalb jeder Reihe eine individuelle Analyse durchgeführt. Auswertung der Wind-Reihe nach der Hypothese Hypergraduonym_1 12 Sätze mit einer Wind-Komponente und 12 Sätze ohne Wind wurden miteinander verglichen. Die erste Gruppe ergibt 224 Nennungen; ihr Mittelwert liegt bei 1,85. Für die zweite Gruppe ergaben sich 204 Fälle, deren Mittelwert bei 1,8 liegt. Laut t-Test sind die Unterschiede der Gruppen nicht signifikant (p = 0,56). (Zur Illustration siehe Diagramm 22.) Operationale Verfahren 327 Mittelwerte von Sätzen mit einem Oberbegriff und ohne Oberbegriffin der Wind-Gruppe 4 (= überhaupt nicht akzeptabel) 3 (= eher nicht akzeptabel) 2 (= eher akzeptabel) 1 (= vollkommen akzeptabel) 1 2 3 4 Sätze mit einem Oberbegriff Sätze ohne Oberbegriff 1,41 1,8 1,85 Diagramm 22: Ergebnisse der Variable „Hypergraduonym_1“ in der Wind-Reihe Im Einzelnen ging es um die in den Abbildungen 55 und 56 dargestellten Kontrastpaare. Verhältnis der Graduonyme zu Wind (in %) die Brise der Wind der Sturm der Orkan 75,9 75,6 83,1 Abb. 55: Das Verhältnis der Graduonyme zu Wind Als semantische Mitspieler von Wind zeigen Brise, Sturm und Orkan bei einer Gegenüberstellung mit Wind eine deutlich erkennbare Opposition. Die Vermutung, dass ein Oberbegriff gegenüber seinen Unterbegriffen keine oder geringe Gegensätzlichkeit zulässt, bestätigt sich für Wind nicht. Lexikalisch-semantische Graduonymie 328 die Brise der Wind der Sturm der Orkan Verhältnis der Graduonyme zueinander ohne Berücksichtigung von Wind (in %) 59,7 72,9 87,9 Abb. 56: Das Verhältnis der Graduonyme zueinander ohne Wind Die Kontrastierung der Gruppenelemente ohne Berücksichtigung von Wind hat zu ähnlichen Ergebnissen geführt wie ihr Verhältnis zu Wind. Insgesamt zeichnet sich die Wind-Gruppe durch höhere Akzeptabilität aus. Die Rolle von Wind als gleichrangiges Graduonym der Skala ist mit hoher Gegensätzlichkeit zu anderen Gruppenmitgliedern stark. Auswertung der Kind-Reihe nach der Hypothese Hypergraduonym_1 Zu den 12 Satzkontexten mit Kind ergaben sich 206 Nennungen, die den sonstigen 12 Sätzen (mit 222 Bewertungen) ohne Kind-Element gegenübergestellt wurden. Der Mittelwert der Sätze mit Kind liegt bei 2,78 und derjenige der Sätze ohne Kind bei 2,41. Die Differenzen der Mittelwerte führen hinsichtlich der Akzeptabilität der Testsätze in zwei Gruppen zu einem statistisch hochsignifikanten Ergebnis (p = 0,001). Operationale Verfahren 329 Mittelwerte von Sätzen mit einem Oberbegriff und ohne Oberbegriffin der Kind-Gruppe 4 (= überhaupt nicht akzeptabel) 3 (= eher nicht akzeptabel) 2 (= eher akzeptabel) 1 (= vollkommen akzeptabel) 1 2 3 4 Sätze mit einem Oberbegriff Sätze ohne Oberbegriff 1,41 1,8 1,85 2,78 2,41 Diagramm 23: Ergebnisse der Variable „Hypergraduonym_1“ in der Kind-Reihe Die Kontrastierung der Wörter Neugeborenes, Säugling und Kleinkind mit Kind zeigt insgesamt geringe Akzeptabilität (siehe Abb. 57). Einzelne Fälle zum Verhältnis der Kind-Wörter zueinander wurden oben ausführlich diskutiert. Diagramm 23 veranschaulicht noch einmal genau, wie hoch die Akzeptabilität der Kind-Sätze ist und wie diese sich von den Sätzen ohne Kind-Komponente unterscheiden. Lexikalisch-semantische Graduonymie 330 das Neugeborene der Säugling das Kleinkind das Kind Verhältnis der Graduonyme zu Kind (in %) 22,9 48,6 29,6 Abb. 57: Das Verhältnis der Graduonyme zu Kind Die Ergebnisse der Kontrastierungen der Skalenmitglieder ohne Berücksichtigung von Kind sind im Vergleich zu der obigen Gruppe deutlich unterschiedlich (siehe Abb. 58). Ihre Akzeptabilität ist signifikant hoch. das Neugeborene der Säugling das Kleinkind das Kind Verhältnis der Graduonyme zueinander ohne Berücksichtigung von Kind (in %) 61,4 85,3 22,6 Abb. 58: Das Verhältnis der Graduonyme zueinander ohne Kind Aus den Ergebnissen lässt sich schließen, dass die Oppositionsverhältnisse der Wörter zu Kind nicht stark sind. Kind präsentiert vor allem eine Hypergraduonym-Rolle. Als kontrastiver Partner ist Kind weniger dominant. Operationale Verfahren 331 Auswertung der sprechen-Reihe nach der Hypothese Hypergraduonym_1 Urteile zu den acht Satzkontexten mit sprechen (204 Nennungen), in denen sprechen den Graduonymen flüstern, rufen, schreien und brüllen gegenübergestellt wurde, wurden mit den Urteilen von 12 Sätzen (331 Nennungen) ohne Miteinbeziehung von sprechen verglichen. Mithilfe des statistischen Signifikanztests wurde festgestellt, dass zwischen den Mittelwerten von beiden Gruppen keine statistisch signifikanten Unterschiede vorliegen (p = 0,07). Der Mittelwert der Akzeptabilität von Sätzen inklusive sprechen liegt bei 2,01 und der von Sätzen ohne sprechen liegt bei 1,85 (siehe Diagramm 24). Mittelwerte von Sätzen mit einem Oberbegriff und ohne Oberbegriffin der sprechen-Gruppe 4 (= überhaupt nicht akzeptabel) 3 (= eher nicht akzeptabel) 2 (= eher akzeptabel) 1 (= vollkommen akzeptabel) 1 2 3 4 Sätze mit einem Oberbegriff Sätze ohne Oberbegriff 1,41 1,85 2,01 Diagramm 24: Ergebnisse der Variable „Hypergraduonym_1“ in der sprechen-Reihe Abbildung 59 illustriert die Verhältnisse der Gruppenelemente zu sprechen. Sie zeigt, dass die Testsätze, in denen sprechen zu anderen Graduonymen gegenübergestellt wird, hohe Zustimmung finden. Lexikalisch-semantische Graduonymie 332 Verhältnis der Wörter zu sprechen (in %) flüstern sprechen rufen schreien brüllen 75 58,9 44,7 87,7 Abb. 59: Das Verhältnis der Graduonyme zu sprechen In der zweiten Gruppe mit Sätzen, in denen sprechen nicht integriert ist, werden im Vergleich zu der ersten Gruppe noch höhere Akzeptabilitätsurteile gewonnen (siehe Abb. 60). Verhältnis der Graduonyme zueinander ohne Berücksichtigung von sprechen (in %) flüstern sprechen rufen schreien brüllen 80,8 66,6 84,4 66,1 81,6 68,6 Abb. 60: Das Verhältnis der Graduonyme zueinander ohne sprechen Laut Signifikanztest unterscheiden sich aber die Ergebnisse der beiden Vergleichsgruppen nicht signifikant voneinander. Die Sprecherurteile führen zu der Erkenntnis, dass sich sprechen sowohl als Hypergraduonym als auch als Kontrastpartner auszeichnet. Die Überprüfung der Graduonyme Wind, Kind und sprechen hinsichtlich ihrer Hypergraduonym-Position in der Gruppe hat gezeigt, dass sich die Wörter in dieser Funktion unterschiedlich manifestieren. Bei Wind steht gegenüber anderen Gruppenmitgliedern das graduell-kontrastive Ver- Operationale Verfahren 333 halten im Vordergrund. Kind tritt stark als Oberbegriff auf. Sprechen liefert gute Indizien sowohl als Hypergraduonym als auch als Kontrastpartner. 6.6.3.4 Variable: „Hypergraduonym_2“ (WKS) Im Rahmen der 4. Hypothese werden die Auffassungen der Hypothese 3 (Hypergraduonym_1) präzisiert. Anhand des t-Tests wird das Verhältnis der Hypergraduonyme zueinander nach ihrem Signifikanzniveau geprüft. Hypothese: Die Akzeptabilitätsurteile bezüglich der Sätze, die einen Oberbegriff enthalten, innerhalb der drei Gruppen sind unterschiedlich hoch. Zu den Sätzen mit Oberbegriffen wurden notiert, ob sie: - das Graduonym Wind enthalten (kodiert mit „W“) - das Graduonym Kind enthalten (kodiert mit „K“) - das Graduonym sprechen enthalten (kodiert mit „S“) Verglichen wurden 12 Sätze aus der Wind-Gruppe mit 12 Sätzen aus der Kind-Gruppe und acht Sätze aus der sprechen-Gruppe sowie 12 Sätze aus der Kind-Gruppe mit acht Sätzen aus der sprechen-Gruppe. Es entstanden folglich drei Vergleichsgruppen: - Wind-Sätze vs. Kind-Sätze - Wind-Sätze vs. Sprechen-Sätze - Kind-Sätze vs. Sprechen-Sätze Auswertung Wind-Sätze vs. Kind-Sätze Der Mittelwerttest zeigte beim Vergleich der Sätze aus der Wind- und Kind-Gruppe, in denen Wind und Kind integriert waren, einen höchstsignifikanten Zusammenhang zwischen diesen Gruppen (p = 0,000). Die Akzeptabilität der Sätze, in denen Wind einem anderen Graduonym aus der Gruppe gegenübergestellt wurde, ist deutlich höher (der Mittelwert liegt bei 1,8) und unterscheidet sich erheblich von den Bewertungen der Kind-Sätze (deren Mittelwert bei 2,78 liegt), in denen Kind mit einem anderen Gruppenmitglied kontrastiert war. Wie die bisherigen Ergebnisse gezeigt haben, wurde die Kind-Reihe insgesamt Lexikalisch-semantische Graduonymie 334 schlechter als die Wind-Reihe bewertet. Zur Illustration werden in Diagramm 25 die Zusammenhänge von Wind- und Kind-Sätzen gezeigt. Mittelwerte von Wind- und Kind-Sätzen 4 (= überhaupt nicht akzeptabel) 3 (= eher nicht akzeptabel) 2 (= eher akzeptabel) 1 (= vollkommen akzeptabel) 1 2 3 4 Wind-Sätze Kind-Sätze 1,41 1,85 1,8 2,78 Diagramm 25: Ergebnisse von Windvs. Kind-Sätzen Auswertung Wind-Sätze vs. sprechen-Sätze Auch zwischen Wind- und Sprechen-Sätzen liegen statistisch signifikante Unterschiede vor (p = 0,02). Mit einer erkennbaren Differenz (siehe Diagramm 26) zwischen den beiden Gruppen zeigt Wind ein dominantes Kontrastverhältnis zu seinen Gruppenmitgliedern. Operationale Verfahren 335 Mittelwerte von Wind- und sprechen-Sätzen 4 (= überhaupt nicht akzeptabel) 3 (= eher nicht akzeptabel) 2 (= eher akzeptabel) 1 (= vollkommen akzeptabel) 1 2 3 4 Wind-Sätze sprechen-Sätze 1,41 2,01 1,8 Diagramm 26: Ergebnisse von Windvs. sprechen-Sätzen Auswertung Kind-Sätze vs. sprechen-Sätze Zwischen Kind- und sprechen-Sätzen bestehen ebenfalls statistisch höchstsignifikante Unterschiede (p = 0,000). Die Gegenüberstellung von sprechen zu den anderen Graduonymen der Gruppe weist mehr Akzeptabilität auf als von Kind. Diese Unterschiede veranschaulicht Diagramm 27. Lexikalisch-semantische Graduonymie 336 Mittelwerte von Kind- und sprechen-Sätzen 4 (= überhaupt nicht akzeptabel) 3 (= eher nicht akzeptabel) 2 (= eher akzeptabel) 1 (= vollkommen akzeptabel) 1 2 3 4 Kind-Sätze sprechen-Sätze 1,41 2,01 1,8 2,78 Diagramm 27: Ergebnisse von Kindvs. sprechen-Sätzen Die Analyse hat deutlich gemacht, inwiefern die Verhältnisse von Wind, Kind und sprechen zu den jeweiligen Gruppenmitgliedern repräsentiert werden und inwieweit sich diese drei Gruppen voneinander unterscheiden. Wenn man die Ergebnisse in Bezug auf der Hypergraduonym-Funktion der Wörter aufgrund einer angenommenen Skala darstellt (siehe Abb. 61), so hat Kind einen höheren Rang, sprechen besitzt den zweiten Rang und als Letztes tritt Wind auf. Skalare Darstellung hinsichtlich der Oberbegriff-Funktion Wind sprechen Kind 3 2 1 Abb. 61: Die Rangordnung von Wind, Kind und sprechen als Hypergraduonyme Operationale Verfahren 337 Abbildung 61 illustriert, wie stark die Wörter als Oberbegriffe in den jeweiligen Gruppen fungieren. Dieses Ergebnis deutet andererseits auch darauf hin, welches Wort am besten als gleichrangiges Graduonym auftritt. Die Akzeptabilität der Kontrastierung von Wind mit seinen Gruppenmitgliedern wurde dabei am häufigsten belegt. 6.6.3.5 Variable: „Partikeln“ Die deskriptive Analyse in Teil II hat deutlich gezeigt, dass die gewonnenen Ergebnisse zu den jeweiligen Reihen zudem von den Konstruktionen, d.h. zu den in den Satzrahmen verwendeten Partikeln abhängig erscheinen. Hypothese: Die Akzeptabilität der Sätze hängt nicht nur von der Relation der Graduonyme ab, sondern auch von den verwendeten Partikeln. Die Akzeptabilität der ersten verstärkenden und abschwächenden Partikeln in der Wind- und Kind-Gruppe ist anders als die der zweiten verstärkenden und abschwächenden Partikeln. Durch diese Hypothese wird überprüft, inwieweit die Gegenüberstellung zweier Graduonyme in einem Testsatz und die damit zusammenhängende Akzeptabilität ihrer Gegenüberstellung von verwendeten Partikeln abhängt. Die bisherigen Ergebnisse haben belegt, dass die Partikeln bzw. Tests unterschiedlich auf Nachbarschaftsverhältnisse von Graduonymen reagieren. Gemäß ihrer Semantik präferieren bestimmte Partikeln nah beieinanderliegende Graduonyme, manche aber funktionieren eher bei der Hervorhebung gradueller Unterschiede von Wortpaaren in nicht direkter Nachbarschaft. Um herauszufinden, ob diesbezüglich zwischen den Partikelgruppen mit verstärkender Natur und den mit abschwächender Funktion statistisch signifikante Unterschiede vorliegen, werden die Testsätze im Rahmen der vorliegenden Hypothese getestet. Diese Hypothese ist nur für die Wind- und Kind-Sätze charakteristisch, denn nur diese Gruppen haben jeweils zwei Konstruktionen anhand von Partikeln mit einem verstärkenden und abschwächenden Charakter. Getestet wurden in den Wind- und Kind-Gruppen jeweils zwei Konstruktionen miteinander, die sich auf die gleiche Graduierungsrichtung beziehen und zwei differente verstärkende oder abschwächende Partikel enthalten. Lexikalisch-semantische Graduonymie 338 Vergleichsgruppen sind: 0 vs. 1, 2 vs. 3, 4 vs. 5, 6 vs. 7. Für die Sätze in der Wind-Gruppe wurde notiert, ob sie - eine erste verstärkende Partikel enthalten (kodiert mit „0“) - eine zweite verstärkende Partikel enthalten (kodiert mit „1“) Vergleichsgruppen sind: „X ist kein Y, sondern geradezu ein Z“ vs. „X ist ein Y, oder sogar ein Z“ Für die Sätze in der Wind-Gruppe wurde notiert, ob sie - eine erste abschwächende Partikel enthalten (kodiert mit „2“) - eine zweite abschwächende Partikel enthalten (kodiert mit „3“) Vergleichsgruppen sind: „X ist kein richtiger Y, sondern nur ein Z“ vs. „X ist kein richtiger Y, höchstens ein Z“ Für die Sätze in der Kind-Gruppe wurde notiert, ob sie - eine erste verstärkende Partikel enthalten (kodiert mit „4“) - eine zweite verstärkende Partikel enthalten (kodiert mit „5“) Vergleichsgruppen sind: „X ist kein Y, X ist fast schon ein Z“ vs. „X ist Y, noch kein Z“ Für die Sätze in der Kind-Gruppe wurde notiert, ob sie - eine erste abschwächende Partikel enthalten (kodiert mit „6“) - eine zweite abschwächende Partikel enthalten (kodiert mit „7“) Vergleichsgruppen sind: „ X ist kein Y, X ist fast noch ein Z“ und „X ist kein Y, sondern nur ein Z“ Auswertung der verstärkenden Partikeln in der Wind-Reihe In den Satzkontexten „X ist kein Y, sondern geradezu ein Z“ und „X ist ein Y, oder sogar ein Z“ wurden die Wind-Wörter auf ihre Steigerungsfunktion hin überprüft. Obwohl es um die gleiche Richtung der Graduierung geht (siehe oben: Abb. 28 und 29), zeigen die gelieferten Ergebnisse große Abweichungen zwischen den beiden Konstruktionen. Statistisch gesehen ist die Differenz der Mittelwerte zwischen dem ersten (1,57) und dem zweiten (2,32) Satzmuster höchstsignifikant (p = 0,00) (siehe Diagramm 28). Operationale Verfahren 339 Mittelwerte der direkten und indirekten Nachbarn in der Wind-Gruppe 4 (= überhaupt nicht akzeptabel) 3 (= eher nicht akzeptabel) 2 (= eher akzeptabel) 1 (= vollkommen akzeptabel) 1 2 3 4 Nachbarschaft direkt Nachbarschaft nicht direkt 1,41 2,03 Diagramm 28: Die verstärkenden Konstruktionen im Vergleich: Wind-Reihe Auswertung der abschwächenden Partikeln in der Wind-Reihe Anhand der beiden Satzmuster „X ist kein richtiger Y, sondern nur ein Z“ und „X ist kein richtiger Y, höchstens ein Z“ wurde in der Wind- Gruppe die Graduierung in die Gegenrichtung (Verringerung des Merkmals „Windstärke“) abgefragt. Mittelwerte von Konstruktionen in der Wind-Gruppe 4 (= überhaupt nicht akzeptabel) 3 (= eher nicht akzeptabel) 2 (= eher akzeptabel) 1 (= vollkommen akzeptabel) 1 2 3 4 X ist kein richtiger Y, sondern nur ein Z X ist kein richtiger Y, höchstens ein Z 1,86 1,64 Diagramm 29: Die abschwächenden Konstruktionen im Vergleich: Wind-Reihe Lexikalisch-semantische Graduonymie 340 Der Mittelwert des Satzkontexts „X ist kein richtiger Y, sondern nur ein Z“ liegt bei 1,64 und weist damit eine höhere Akzeptabilität auf als das zweite Satzmuster mit gleicher Funktion „X ist kein richtiger Y, höchstens ein Z“, dessen Mittelwert bei 1,86 liegt (siehe Diagramm 29). Die Unterschiede zwischen den Mittelwerten der beiden Konstruktionen sind nicht signifikant (p = 0,07). Die Hypothese hinsichtlich der in den Satzrahmen verwendeten Partikeln, dass der Akzeptabilitätsgrad der Testsätze in der Wind-Gruppe von den Partikeln beeinflusst wird, wurde bei der Überprüfung der verstärkenden Partikeln bestätigt. Die Testkonstruktion „X ist kein Y, sondern geradezu ein Z“ funktioniert bei der Kontrastierung der Wind- Wörter miteinander adäquat. Eine kleine Ausnahme machen Brise und Wind, die im Vergleich anderer Wortpaare der Gruppe schwächer kontrastieren. Das hat mit der Partikel geradezu zu tun, die von Vergleichspaaren einen hohen Grad des Kontrasts verlangt. Das Satzmuster „X ist ein Y, oder sogar ein Z“ ist hingegen nur für die Kontrastierung der angrenzenden Graduonyme geeignet und die Nicht-Nachbarn schneiden dabei schlecht ab. Die zwei abschwächenden Partikeln der Wind-Gruppe liefern zudem sichtbare Differenzen, die Ergebnisse sind jedoch statistisch nicht signifikant. Die Unterschiede zwischen den Satzkonstruktionen „X ist kein richtiger Y, sondern nur ein Z“ und „X ist kein richtiger Y, höchstens ein Z“ zeigen sich insbesondere bei der Gegenüberstellung nicht benachbarter Elemente. Bei der Kontrastierung durch höchstens sind die Prozentpunkte niedriger als durch sondern nur (siehe oben: Abb. 31 und 32). Auswertung der verstärkenden Partikeln in der Kind-Reihe Bei den Satzkontexten mit verstärkenden Partikeln handelt es sich in der Kind-Gruppe um „X ist kein Y, X ist fast schon ein Z“ und „X ist Y, noch kein Z“. Der Mittelwert des ersten Satzmusters liegt bei 2,44 und der des zweiten bei 2,49 (siehe Diagramm 30). Es liegen zwischen den Mittelwerten der beiden Vergleichsgruppen fast keine Unterschiede vor, insofern sind die Ergebnisse laut t-Test auch nicht signifikant (p = 0,75). Die vermutete Erwartung, dass verschiedene Partikel verschiedene Zusammenhänge manifestieren, wurde in der Kind-Gruppe für die Graduierungsrichtung der Steigerung nicht bestätigt. Operationale Verfahren 341 Mittelwerte von Konstruktionen in der Kind-Gruppe 4 (= überhaupt nicht akzeptabel) 3 (= eher nicht akzeptabel) 2 (= eher akzeptabel) 1 (= vollkommen akzeptabel) 1 2 3 4 X ist kein Y, X ist fast schon ein Z X ist ein Y, noch kein Z 1,86 1,64 2,44 2,49 Diagramm 30: Die verstärkenden Konstruktionen im Vergleich: Kind-Reihe Auswertung der abschwächenden Partikel in der Kind-Reihe Bei der Graduierung in die Gegenrichtung anhand der Konstruktionen „ X ist kein Y, X ist fast noch ein Z“ und „X ist kein Y, sondern nur ein Z“ werden klare Unterschiede sichtbar. Die Mittelwerte der Akzeptabilität der ersten Konstruktion liegen bei 2,53, die der zweiten bei 2,97 (siehe Diagramm 31). Die Differenz der Mittelwerte zeigt einen signifikanten Unterschied (p = 0,02). So weisen die Testsätze anhand des Satzmusters „ X ist kein Y, X ist fast noch ein Z“ höhere Akzeptabilität auf als die Sätze im Satzrahmen „X ist kein Y, sondern nur ein Z“. Lexikalisch-semantische Graduonymie 342 Mittelwerte von Konstruktionen in der Kind-Gruppe 4 (= überhaupt nicht akzeptabel) 3 (= eher nicht akzeptabel) 2 (= eher akzeptabel) 1 (= vollkommen akzeptabel) 1 2 3 4 X ist kein Y, X ist fast noch ein Z X ist kein Y, sondern nur ein Z 1,86 1,64 2,44 2,49 2,53 2,97 Diagramm 31: Die abschwächenden Konstruktionen im Vergleich: Kind-Reihe Die Vermutung, dass das Verhältnis von Graduonymen zueinander von Partikeln beeinflusst wird, wurde teilweise bestätigt. Statistisch signifikante Unterschiede in ihren Mittelwerten zeigten die zwei verstärkenden Partikeln der Wind-Reihe und die zwei abschwächenden Partikeln der Kind-Reihe. Die zwei verstärkenden Partikeln der Kind- Gruppe und die zwei abschwächenden Partikeln der Wind-Gruppe zeigten hingegen keine statistisch signifikanten Differenzen hinsichtlich ihrer Mittelwerte. In Helbig (1988) werden die in den Satzkonstruktionen verwendeten Partikeln bis auf geradezu unter Gradpartikeln klassifiziert. Mit Gradpartikeln werden, aufgrund ihrer spezifischen semantischen Bedeutung, dem Satz eine quantifizierende und/ oder skalierende Interpretation hinzugefügt und bestimmte Präsuppositionen bzw. Implikationen markiert (vgl. Helbig 1988, S. 34ff.). Die hier verwendeten Partikeln lassen eine skalierende Interpretation zu, bei der „der Skopus-Konstituente ein bestimmter Platz (der Grad) in einer Skala mit Angabe der Richtung der Skala zugewiesen wird“ (ebd., S. 44). Die Angabe der Richtung der Skala, die die Partikeln postulieren, wurde im Test in allen Konstruktionen berücksichtigt. Das heißt, mit einer nach oben zei- Operationale Verfahren 343 genden Partikel wurden die Graduonyme auf die Gegenrichtung hin nicht getestet. Die Definitionen einzelner Partikeln spezifizieren zudem, dass die Partikeln dem Bezugsglied einen hohen oder niedrigen/ tieferen Platz, einen unteren oder oberen Wert sowie einen zeitlich späteren oder früheren Bezugswert in der Skala zuweisen. Inwieweit die Partikeln zwischen Graduonymen in verschiedener Entfernung (d.h. zwischen benachbarten und nichtbenachbarten Graduonymen) zu verwenden sind, demonstrieren die Testergebnisse. Die Graduonyme zeigen unterschiedliche Akzeptabilität des Kontrasts ihres Ko-Vorkommens. Insgesamt gesehen wird also deutlich, dass die gewonnenen Ergebnisse von zwei wichtigen Faktoren beeinflusst werden, die miteinander eng verbunden sind und einander bedingen. Erstens ist die Graduonymie-Beziehung zwischen einzelnen Wörtern der analysierten Reihen unterschiedlich stark ausgeprägt und diese Erscheinung variiert zudem von Reihe zu Reihe. Zweitens ist dies auf unterschiedliche Bedeutungen und Funktionen der Partikeln zurückzuführen, nämlich dass sie bei der Kontrastierung der Graduonyme divergent figurieren, woraus wiederum zu schließen ist, wie sich die Skalenelemente graduonymisch zueinander verhalten. Überdies deuten die Ergebnisse darauf hin, dass die Partikeln nicht immer reihenspezifisch verwendet werden können. Um stärkeren Kontrast herzustellen, muss jedes Kontrastpaar mit speziellen Partikeln konfrontiert werden. 6.6.3.6 Variable: „Sprachwissenschaftler vs. Nicht-Sprachwissenschaftler“ Als Letztes wird ein t-Test der Bewertungen von Sprachwissenschaftlern und Nicht-Sprachwissenschaftlern an zwei Fallbeispielen aus der Wind-Gruppe durchgeführt. Zur Teilnahme an der Umfrage wurden speziell die Muttersprachler mit sprachwissenschaftlicher Kompetenz herangezogen. Es wäre interessant zu beobachten, inwieweit sich die Urteile von Linguisten von denen von Nicht-Linguisten unterscheiden. Analysiert wurden zwei Satzmuster mit verstärkendem Charakter aus der Wind-Gruppe „X ist kein Y, sondern geradezu ein Z“ und „X ist ein Y, oder sogar ein Z“. Zur linguistischen Kompetenz gab es zwei Fragen, nämlich, ob die Probanden Sprachwissenschaft studieren oder ob sie Sprachwissenschaftler sind. Bei der Auswertung wurden die Urteile von diesen beiden Gruppen addiert. Lexikalisch-semantische Graduonymie 344 Auswertung von „X ist kein Y, sondern geradezu ein Z“ Dieser Satzkontext wurde von den Sprachwissenschaftlern 37 Mal bewertet. Die Nicht-Sprachwissenschaftler gaben für dieses Satzmuster 81 Nennungen an. Wie Diagramm 32 illustriert, liegen die Mittelwerte der Nennungen der Linguisten bei 1,65 und die der Nicht-Linguisten bei 1,53. Der t-Test zeigt, dass der Unterschied zwischen den Mittelwerten in den beiden Gruppen statistisch signifikant ist (p < 0,026). 4 (= überhaupt nicht akzeptabel) 3 (= eher nicht akzeptabel) 2 (= eher akzeptabel) 1 (= vollkommen akzeptabel) 1 2 3 4 Sprachwissenschaftler Nicht- Sprachwissenschaftler 1,53 1,65 Mittelwerte von Bewertungen der Sprachwissenschaftler und Nicht-Sprachwissenschaftler für die Konstruktion „X ist kein Y, sondern geradezu ein Z“ Diagramm 32: Bewertungen der Sprachwissenschaftler vs. Nicht-Sprachwissenschaftler Die beiden Gruppen weisen eine hohe Akzeptabilität der Testsätze auf, jedoch ist die Annehmbarkeit in der Gruppe der Nicht-Sprachwissenschaftler mit einem signifikanten Unterschied höher als die von Sprachwissenschaftlern. Auswertung von „X ist ein Y, oder sogar ein Z“ 25 Mal wurde dieser Satzkontext von Sprachwissenschaftlern bewertet und es gab 68 Fälle zu Urteilen von Nicht-Sprachwissenschaftlern. Der Mittelwert für die Bewertungen der Sprachwissenschaftler liegt bei 2,12 und der der Nicht-Sprachwissenschaftler bei 2,4 (siehe Diagramm 33). Operationale Verfahren 345 Auch in diesem Fall sind zwischen den beiden Vergleichsgruppen signifikante Unterschiede festzusetellen (p < 0,055). 4 (= überhaupt nicht akzeptabel) 3 (= eher nicht akzeptabel) 2 (= eher akzeptabel) 1 (= vollkommen akzeptabel) 1 2 3 4 Sprachwissenschaftler Nicht- Sprachwissenschaftler 1,53 1,65 Mittelwerte von Bewertungen der Sprachwissenschaftler und Nicht-Sprachwissenschaftler für die Konstruktion „X ist ein Y, oder sogar ein Z“ 2,12 2,4 Diagramm 33: Bewertungen der Sprachwissenschaftler vs. Nicht-Sprachwissenschaftler Wie bereits mehrfach erwähnt wurde, lieferte der Satzkontext „X ist ein Y, oder sogar ein Z“ insgesamt niedrigere Akzeptabilität. Diagramm 33 zeigt noch einmal denselben Fall. Was die Bewertungen der Linguisten und Nicht-Linguisten anbelangt, beobachtet man hier ein anderes Phänomen im Vergleich zu obiger Konstruktion „X ist kein Y, sondern geradezu ein Z“. Die Urteile der Sprachwissenschaftler dominieren mit höherer Akzeptabilität über die Bewertungen der Nicht- Sprachwissenschaftler. 6.7 Zusammenfassung In diesem Kapitel wurden die Graduonyme der Reihen Wind, Kind und sprechen im Rahmen operationaler Tests empirisch überprüft. Die deutschen Muttersprachler wurden nach der Akzeptabilität von Satzkonstruktionen, in denen systematisch zwei Graduonyme gegenübergestellt werden, befragt. Die durchgeführte Studie ist mit zwei Forschungsbereichen der Linguistik, mit der Theorie der konversationellen Lexikalisch-semantische Graduonymie 346 bzw. skalaren Implikaturen in der formalen Pragmatik und der Partikelforschung eng verbunden. In einem Überblick wurden in Kapitel 6.1. Zusammenhänge der besagten Forschungsbereiche zur Graduonymie dargestellt. Die exemplarische Analyse in diagnostischen Satzmustern, in denen die Ausdrücke mithilfe der Verknüpfungsmittel Negation - sondern eingebettet werden, hat gezeigt, inwiefern die Methode für unterschiedliche semantische Relationen anwendbar ist. Dabei zeichnete sich ab, dass die vergleichende Analyse der Bedeutungsbeziehungen in heuristischen Tests zu interessanten semantischen Erkenntnissen führt. Bislang sind Horn-Skalen jedoch nicht umfassend auf lexikalisch-semantischer Ebene untersucht worden. Die Sprecherurteile belegen, dass die Ergebnisse hauptsächlich von drei Faktoren beeinflusst werden: Partikeln, Nachbarschaftsverhältnisse der Graduonyme in der Reihe und die Hypergraduonymie- Funktion des Wortes (eventuell mit dem Faktor „Mehrebenenhypergraduonymie“). Aufgrund der genannten Faktoren werden die oben beschriebenen Ergebnisse innerhalb der jeweiligen Reihe zusammengefasst, um zu zeigen, wie sich diese zentralen Faktoren in den Daten widerspiegeln. Für die Kontrastierung der Graduonyme wurden gegensatzbildende und skalierende Partikeln ausgewählt. Sie bedingen die Eigenschaft der Unverträglichkeit zwischen Ausdrücken. Die Ausdrücke müssen dementsprechend semantisch distinkt sein und einen für den Kontrast nötigen Gegensatz enthalten. Sie führen zu nicht widersprüchlichen Aussagen erst, wenn diese Kriterien erfüllt werden. Die Aussagen innerhalb der drei graduonymischen Reihen haben unterschiedliche Akzeptabilitätsurteile geliefert, die die unterschiedliche Natur jeder Graduonymiereihung und die unterschiedliche Semantik der Partikeln signalisieren. Die Testsätze der Wind- und sprechen-Reihe sind generell durch höhere Akzeptabilitätsgrade gekennzeichnet. Dies weist auf die Kontrastfähigkeit der Gruppenelemente hin, was in den Daten fokussiert wird. Sie bilden kontextuell relevante Alternativen einer gemeinsamen Oberbegriffskategorie, die nach dem Grad der Wind- (bei den Wind- Wörtern) und Lautstärke (bei den sprechen-Wörtern) skaliert werden. Die wortsemantischen Bedeutungsinklusionen bieten hingegen für Operationale Verfahren 347 skalenbasierte Ansätze ein Problem, indem die Quantitätsmaxime verletzt und nicht die gewünschte Information geliefert wird: Man kann festhalten, daß die klaren skalaren Informativitätsverhältnisse, an denen Unter- und Oberbegriff beteiligt sind, nicht ausreichen, um qq-Implikaturen 110 auszulösen. Ausschlaggebend ist die Zugänglichkeit und Diskursrelevanz des Oberbegriffs als Alternative zum Unterbegriff. (Primus 1997, S. 270) Aufgrund der Daten hinsichtlich der Kind-Reihe kann man davon ausgehen, dass zwischen den Elementen der Reihe bis auf das Säugling-vs.kleinkind-Verhältnis stärker ausgeprägte Bedeutungsinklusionen vorliegen. Das gegenübergestellte Wort ist nicht informativer bzw. stärker, so dass sie sich nicht (gut) koordinieren lassen. Demzufolge werden derartige Aussagen nicht mehrheitlich als plausibel empfunden. In einer Graduonymiereihung tritt häufig ein Graduonym simultan als Hypergraduonym hervor. In den analysierten Reihen sind Wind, Kind und sprechen Hypergraduonyme (siehe oben: Hypothese Hypergraduonym). Darüber hinaus fällt auf, dass auch zwischen anderen Elementen einer graduonymischen Reihe Hypergraduonymie-/ Graduonymie- Beziehung auftritt wie etwa zwischen Sturm (Hypergraduonym) vs. Orkan (Graduonym), Säugling (Hypergraduonym) vs. Neugeborenes (Graduonym), schreien (Hypergraduonym) vs. brüllen (Graduonym). Diese Besonderheit der Graduonymie zeigt sich in der Kind-Reihe stärker: einerseits durch die ausgeprägte Präsenz von Kind als Hypergraduonym und andererseits durch die Mehrebenenhypergraduonymie zwischen den anderen Skalenwerten. Dass skalare Implikaturen schwächere Alternativen nicht negieren können, erklärt sich erstens daraus, dass diese von der stärkeren Aussage logisch impliziert werden - die Entstehung einer Implikatur in Bezug auf die schwächeren Alternativen wird also blockiert. (Klein 2001, S. 49) Die Ergebnisse strikter Gegenüberstellung von Kind-Wörtern bestätigen das angeführte Zitat. Die Satzteile, in denen Wörter vorkommen, die in Bezug auf Gradualität eine höhere Position auf der Skala haben, treten als stärkere Alternativen auf. Die Wörter in unteren Skalenpositionen gelten als schwächere Alternativen und werden von den stärkeren logisch impliziert. Diese Auffassung zur Kind-Reihe wurde in Abbildung 40 grafisch dargestellt. 110 Kurz für quantitäts- und qualitätsbasierte Implikaturen (vgl. Primus 1997, S. 265). Lexikalisch-semantische Graduonymie 348 Die Daten illustrieren, dass die Ergebnisse der Sprecherurteile zudem von Partikeln beeinflusst werden, die, zum einen 1) innerhalb der Skala in Bezug auf die Nachbarschaftsverhältnisse und zum andern, 2) hinsichtlich der Richtung der Graduierung unterschiedlich zum Vorschein kommen. 1) Es gibt Partikeln, die entweder zwischen direkt angrenzenden (sogar in der Wind-Reihe) oder indirekten Skalenwerten (geradezu in der Wind-Reihe oder sondern nur in der sprechen-Reihe) adäquat Anwendung finden. Allerdings lässt sich die letzte Aussage nicht verallgemeinern. Denn sie bezieht sich nicht auf jedes benachbarte oder nicht benachbarte Kontrastpaar der Skala: Es gibt häufig einen oder zwei Kontrastpartner auf der Skala, der mit derselben Partikel deutlich inakzeptabler bewertet wird, während die anderen hohe Akzeptabilität zeigen (sondern nur und noch in der Kind-Reihe). 2) Es stellt sich heraus, dass die Akzeptabilität von verstärkenden und abschwächenden Partikeln innerhalb einer Reihe unterschiedlich hoch ist. Das heißt, Graduierung und Degradierung der Werte weichen ab. In der Wind-Reihe wird z.B. die Degradierung deutlich mehr akzeptiert als die Gradierung der Wind-Wörter. In der Kind- und sprechen-Reihe ist ein anderer Fall ersichtlich: Mit abschwächenden Partikeln sinken die Prozentpunkte nämlich deutlich. Zu beachten ist zudem, wie ein und dieselbe abschwächende Partikel sondern nur innerhalb der zwei Wortreihen funktioniert (siehe Abb. 31 und 38). Die Mittelwerte ihrer Akzeptabilität zeigen einen erheblichen Unterschied: Wind-Wörter = 1,64 vs. Kind-Wörter = 2,97. Die Ermittlung der Kontrastverhältnisse zwischen Graduonymen anhand heuristischer Vorgehensweisen hat für das Graduonymie-Phänomen zu wichtigen Erkenntnissen geführt. Die entwickelte Methode stellt damit ein Verfahren dar, durch das die Graduonyme empirisch analysiert werden können. Die gewonnenen Erkenntnisse machen deutlich, dass die Untersuchung der Graduonyme in diagnostischen Satzkonstruktionen mit Graduierungspartikeln eine implikaturenbasierte Analyse auf lexikalisch-semantischer Ebene voraussetzt. 7. ZUSAMMENFASSUNG UND FAZIT Die Diskussionen in Kapitel 2 und 3 der Arbeit, die sich mit der Analyse des Forschungsstandes der Graduonymie befassen, machen deutlich, dass bisher in der lexikalischen Semantik graduell ausgeprägte Bedeutungsbeziehungen als eigenständige paradigmatisch-semantische Relationen wenig erforscht worden sind. In der Literatur wird nur auf die graduell kontrastierenden Bedeutungsbeziehungen zwischen Wörtern innerhalb verschiedener verwandter sprachlicher Erscheinungen Bezug genommen oder sie werden in die lexikalisch-semantische Paradigmatik nicht miteinbezogen. Zum theoretischen Ansatzpunkt des Forschungsbereichs liegen z.B. innerhalb von verschiedenen Semantiktheorien die Untersuchungen von Coseriu (1978), Lyons (1980), Cruse (1986), Horn (1989) und van Os (1989) vor, die für die vorliegende Arbeit eine zentrale Bedeutung haben. In der strukturalistischen Semantik, deren Kernaufgabe in der Erforschung von Wortbedeutungen im Rahmen paradigmatischer Bedeutungsbeziehungen besteht, wurde das Phänomen in der traditionellen Wortfeldtheorie nur am Rande behandelt. Die auf der graduellen Opposition basierenden Wortfelder gehen auf Coserius Hypothese (1978) zurück, indem er die zunächst im phonologischen System entwickelten Oppositionsarten auf das lexikalische System der Sprache übertragen hat. Lyons (1980) differenziert Skalen innerhalb der inkompatiblen Mengen wie {ausgezeichnet, gut, mittelmäßig, dürftig, schlecht, miserabel} und konstatiert ihre relevanten Eigenschaften. Diese treffen auch auf Graduonyme zu. Cruse (1986) behandelt lexikalische Ausdrücke mit Graduonymie- Eigenschaft im Rahmen deskriptiv-formaler Ansätze als Plesionyme, die zum Teil aus Graduonymen bestehen. Des Weiteren unterscheidet er bei lexikalischen Konfigurationen Mengen von lexikalischen Einheiten mit kettenbildender Ordnungsrelation, welche sich in kontinuierliche (grade-terms und degree-terms) und diskontinuierliche Skalen (rankterms) einordnen lassen. Lexikalisch-semantische Graduonymie 350 Graduonyme spielen zudem für Horn-Skalen (Horn 2004) wie {alle, die meisten, viele, einige, wenige} im Rahmen der skalaren Implikaturen der formalen Pragmatik eine wichtige Rolle. Eine umfassende Behandlung des Intensivierungsphänomens in der Sprache bietet van Os (1989), indem er die wesentlichen Aspekte nominaler, verbaler und adjektivischer skalarer Prädikate hervorhebt, die bei der Untersuchung der Graduonymie von Bedeutung sind. Es hat sich herausgestellt, dass trotz der Arbeiten in der linguistischen Forschung die aufeinander graduell bezogenen lexikalischen Einheiten in der lexikalisch-semantischen Forschung bisher nicht den Status einer anerkannten Sinnrelation erlangt haben. Durch die Darstellung der bisher erforschten semantischen Relationen und durch die paarweise vergleichende Analyse mancher dieser Relationstypen mit der Graduonymie wurden Einblicke in ihre wesentlichen substanziellen Eigenschaften gegeben, woraus ihre strukturellen Gemeinsamkeiten, Ähnlichkeiten und Unterschiede ersichtlich werden. Dabei wurden für den Bereich der Sinnrelationen zwei grundlegende Erkenntnisse gewonnen: - Bei jeder Art semantischer Relation außer bei Synonymie ist von Kontrast in der Denotation auszugehen, der verschiedenartig und unterschiedlich stark ausgeprägt ist; - die semantischen Relationen sollen nicht isoliert, sondern durch Heranziehen anderer verwandter Relationen untersucht werden. Da Skalarität einer der zentralen Begriffe für die Graduonymie ist, wurden auf der Grundlage einschlägiger Literatur, vor allem basierend auf van Os (1989), die skalaren Eigenschaften von lexikalischen Einheiten dargestellt, die auch auf Graduonyme zutreffen. Weiterhin wurden die Inkompatibilität von Graduonymen und die Rolle des Hypergraduonyms in der Skala anhand von Beispielen erörtert und Besonderheiten der Graduonymie herausgearbeitet. Dabei treten als wichtigste Faktoren der Graduonymie-Relation folgende hervor: - skalare Verhältnisse aufgrund der auf dem graduellen Kontrast basierenden Inkompatibilität der Graduonyme; - unterschiedliche Manifestation der Inkompatibilität und dementsprechend unterschiedlich ausgeprägte Nachbarschaftsverhältnisse; Zusammenfassung und Fazit 351 - bei den benachbarten Graduonymen kontextuelle Austauschbarkeit aufgrund einer Oberbegriff-Beziehung; - simultane Auszeichnung eines Elements in graduonymischen Reihen auch als Oberbegriff, welches als Hypergraduonym bezeichnet wird; - mögliche Mehrebenenhypergraduonymie zwischen Elementen einer Reihe. Hierbei figuriert nicht nur ein Graduonym für ganze Reihenelemente gleichzeitig als Hypergraduonym, sondern es kann auch zwischen anderen Graduonymen eine Hypergraduonymie-Relation bestehen. Abbildung 62 illustriert, dass in der Kind-Reihe Kind für die ganze Gruppe simultan als Hypergraduonym hervortritt. Säugling zeigt unter anderem seinem linken Nachbarn auf der Skala Neugeborenes eine Oberbegriff-Relation. Neugeborenes Säugling Kleinkind Kind SÄUGLING KIND Abb. 62: Mehrebenenhypergraduonymie in der Kind-Reihe Die Analyse von Wörterbüchern zur Ermittlung der Handhabung von Graduonymen hat zu interessanten Ergebnissen geführt. Zu den Bedeutungsbeziehungen zwischen Wörtern existieren Wörterbücher der Antonyme bzw. Gegenwörter und Synonym- oder Bedeutungswörterbücher entweder in Print- oder CD-ROM -Version. In diesen Nachschlagewerken werden Graduonyme entweder bei stärkerer Dominanz des Kontrasts als Antonyme (häufig Extreme der Skala) behandelt oder als Synonyme, die auf der graduonymischen Skala eine Nachbarschaftsposition besitzen können. Die Online-Informationssysteme, in denen nicht nur antonymische und synonymische Sinnrelationen, sondern ein breites Spektrum der möglichen Bedeutungsbeziehungen zwi- Lexikalisch-semantische Graduonymie 352 schen lexikalischen Einheiten repräsentiert werden, zeigen eine andere Situation. Bei den in der vorliegenden Arbeit erwähnten computer- und web-verfügbaren lexikalisch-semantischen Ressourcen steht das methodische Prinzip der Korpusbasiertheit im Zentrum. Sie dokumentieren, dass Wörter in der Sprache in unterschiedlichen semantischen Relationen flexibel verwendet werden können. Graduonyme werden z.B. als synonymische, antonymische, parteronym-partonymische, hypero-hyponymische, troponymische und inkompatible Relationspartner gebucht. Zum Teil sind sie innerhalb der Gruppe „Sonstige Beziehungen“ zu finden, die keiner traditionellen semantischen Relation zuzuordnen sind. Denn sie beziehen sich auf die Beziehung der semantischen Steigerung bzw. Graduierung. Dass in der Sprache mit semantischen Relationen flexibel und dynamisch umgegangen wird, bestätigt zudem die durchgeführte Korpusanalyse. Kapitel 4, 5 und 6 haben zum einen das Ziel, die in Kapitel 3 dargestellten Auffassungen über die Existenz der Graduonymie-Relation und Überlegungen zu einigen Aspekten der Graduonymie anhand der deutschen Beispielen empirisch zu fundieren, zum andern Methoden vorzustellen, mithilfe derer Graduonymie überprüft werden kann. Kapitel 4 setzte sich mit den Sprecherbefragungen zum Sprachenpaar Deutsch-Usbekisch auseinander. Es erfolgte hierbei keine kontrastive Analyse der Sprachen, sondern es wurde versucht, anhand der gewonnenen Ergebnisse sprachspezifische und sprachübergreifende Merkmale der Graduonymie-Relation zu ermitteln. Den Probanden wurden Gruppen von Wörtern in alphabetischer Anordnung vorgelegt. Sie wurden aufgefordert, die Wörter in eine Rangordnung zu stellen. Für jede Gruppe war eine Rangordnung vorhergesagt worden. Mithilfe von Signifikanztests wurden die Bewertungen der Probanden daraufhin überprüft, ob die Reihenfolge inkl. der Nachbarschaft der Wörter mit der erwarteten Richtung konform geht. Nach den Testergebnissen wurden die Zusammenhänge als statistisch signifikant eingestuft und somit wurde die aufgestellte Hypothese über die angenommene Skalarität der vorgelegten Graduonyme in beiden Sprachen bestätigt. Das hohe Signifikanzniveau der Statistik besagt jedoch nicht, dass das ganze Umfragematerial von den Probanden mit hohen Prozentsätzen bewertet wurde. Die deskriptive Analyse der Daten ermöglichte es, mehr über die Bewertungssituation zu erfahren. Zusammenfassung und Fazit 353 Die deutschen Umfrageergebnisse ließen sich in drei Typen einteilen: mehrheitlich positiv bewertete Reihen (29%), Reihen, in denen ein Wort Bewertungsvarianten verursacht (44%) und schließlich Reihen, in denen zwei oder mehr Wörter variierend eingeordnet werden (27%). Die usbekischen Umfrageergebnisse ließen sich hingegen nicht nach Typen einteilen. Dies hing vor allem mit dem häufigen Auftreten von Einzelnennungen in allen Reihen zusammen. Weiterhin wird angenommen, dass aufgrund des erheblichen Unterschieds im Umfang der Umfragematerialien für die usbekischen Umfrageergebnisse keine große Möglichkeit besteht, sie zu typisieren: deutsche Reihen = 71 vs. usbekische Reihen = 20. Bei der Interpretation der aufgetretenen Fälle innerhalb der Reihen in beiden Sprachen wurden folgende spezifische Abweichungsmerkmale bei entstandenen Bewertungsvarianten festgestellt, die je nach eingeteilten Typen (Typ II und III) unterschiedlich frequent belegt sind. - Wortreihen, in denen Abweichungen zwischen benachbarten Graduonymen vorkommen: Abweichungsfaktor „Nachbar-Graduonyme“; - Wortreihen, in denen Abweichungen aufgrund eines für Gruppenmitglieder gemeinsamen Hypergraduonyms vorkommen: Abweichungsfaktor „Hypergraduonym“; - Wortreihen, deren Einheiten einen nicht auf Gradualität bezogenen Bedeutungsunterschied aufweisen: Abweichungsfaktor „denotative Unterschiede“; - Wortreihen, in denen sich Wörter aus fachspezifischem Wortschatz, aus den Ebenen von Regionalismen und Archaismen befinden, darüber hinaus Wörter, die mit der Sprachkompetenz bzw. dem Weltwissen der Sprecher zusammenhängen: Abweichungsfaktor „unbekannt“. Bei dem Abweichungsfaktor „Nachbar-Graduonyme“ handelt es sich um die Fälle, in denen benachbarte Einheiten der Reihe häufiger abweichend platziert werden. Beispiele: das Meer vs. der Ozean, der Alte vs. der Greis, strömen vs. fluten, chol/ kampir vs. keksa vs. qariya, shivirlamoq vs. pichirlamoq, baqirmoq vs. dodlamoq vs. hayqirmoq vs. o’kirmoq. Lexikalisch-semantische Graduonymie 354 Der Abweichungsfaktor „Hypergraduonym“ wird sichtbar, indem vor allem ein Element der Reihe unterschiedlich eingeordnet wird. Es handelt sich dabei um das Hypergraduonym, das im Vergleich zu anderen Gruppenmitgliedern über einen größeren Bedeutungsumfang verfügt und deren Bedeutungen umfasst. Je nach Skalentyp bzw. -dimension tritt dieses Wort als Hypergraduonym auf. Beispiele: Stadt, Kind. Unter dem Abweichungsfaktor „denotative Unterschiede“ werden Ausreißer ersichtlich, die einen anderen Bedeutungskern (Grundbedeutung) haben als andere Gruppenmitglieder und sich deswegen nicht in die Reihe einordnen lassen. Beispiele: gackern, halqob, izg’irin, ayoz. Der nächste Abweichungsfaktor wird mit „unbekannt“ bezeichnet, denn es wird vermutet, dass bestimmte Wörter den Versuchspersonen nicht bekannt sind. Festgestellt wurden hierbei Wörter aus dem Fachwortschatz und Archaismen. Zudem gibt es unter dieser Gruppe Wortreihen, deren mit dem Weltwissen zusammenhängende Entstehung trotz der Bekanntheit derer Einheiten den Probanden nicht bekannt ist. Beispiele: die Färse/ der Farre, Schmetterling-Reihe, qopqa. Grundsätzlich steht fest, dass die Bedeutung der Wörter von den Sprechern subjektiv empfunden wird. Die Sprecherurteile sollen dazu beitragen, die allgemeinen Tendenzen der Bedeutungswahrnehmung zu ermitteln. Die Ergebnisse der Befragung belegen, dass in den Sprachen Skalen von graduell kontrastierten lexikalischen Einheiten existieren. Es kann konstatiert werden, dass die wichtigsten Merkmale bei der Reihenbildung sprachübergreifenden Charakters sind. In beiden Umfragen werden zudem methodische Probleme sichtbar. Während der Datenbewertung war es für Probanden nicht möglich, Anmerkungen und Kommentare abzugeben. Sowohl bei der Online- Umfrage als auch bei der Papierumfrage waren keine zusätzlichen Kommentarfelder eingefügt. Des Weiteren hatten Probanden keine Möglichkeit, die Reihe nach eigener Kompetenz/ eigenem Sprachgefühl zusammenzustellen oder sie zu verändern. Das heißt, sie konnten keine Wörter hinzufügen oder eigene Reihen erstellen. Die Datengewinnung in Kapitel 5 beruht auf der Analysemethode anhand der Korpora des Deutschen Referenzkorpus (DeReKo). Dabei wurden die drei Graduonymiereihungen Kind, Wind und sprechen in authentischen Texten auf ihre Vorkommensmöglichkeiten hin über- Zusammenfassung und Fazit 355 prüft. Zunächst wurde zwischen benachbarten Graduonymen der Reihen Kind, Wind und sprechen eine quantitative Analyse nach ihren statistischen Assoziiertheit im Korpus durchgeführt. Die Ergebnisse der Analyse anhand von Assoziationsmaßen haben sich als statistisch signifikant erwiesen und auf die starken Assoziationen zwischen den Wörtern in direkter Nachbarschaft auf der Skala hingedeutet. Aus den statistisch starken Assoziationen der Nachbar-Graduonyme der Skala lassen sich auf ihre starken semantischen Zusammenhänge im Korpus schließen. Ob und welche semantischen Relationen die Nachbar-Graduonyme miteinander verbinden, geben jedoch die berechneten Werte der Statistik nicht an. Um Angaben über semantische Verhältnisse der Suchwörter herauszufinden, wurde anschließend die Datenüberprüfung anhand von Beleganalysen durchgeführt. Die methodische Ergänzung durch den Wörterbuchabgleich anhand des elexiko-Wörterbuchs, das bei der Wörterbucharbeit innovative Korpusmethoden anwendet, zielte darauf ab, festzustellen, inwiefern die Graduonyme in diesem Informationssystem repräsentiert werden. Die Einheiten der analysierten Paradigmen sind in Korpora als Graduonyme präsent, aber sie manifestieren sich auf unterschiedliche Art und Weise. Während durch das strikte Vorkommen der Kind-Wörter als Aneinanderreihung das inkompatible (bedingt durch die Graduierung) Verhältnis dominiert, fokussieren die Wind- und sprechen-Wörter 111 vielfältige semantische Relationen in ihrer Verwendung. Die Graduonymie-Relation ist die vorherrschende Beziehung zwischen den Wörtern, kontextbedingt gehen sie überdies andere semantische Beziehungen zueinander ein. Die angenommene Hypergraduonym-Funktion der Wörter Wind, Kind und sprechen hat sich auch in der Korpusanalyse bestätigt. In Korpora konnte man beobachten, dass bestimmte Indikatoren - sprachliche Mittel - die aufgetretenen Relationen erkennbar machen. Eine Reihe der den graduellen Kontrast signalisierenden sprachlichen Mittel zeigt Tabelle 28. Das Vorkommen der Indikatoren wird hauptsächlich bei den Wörtern dokumentiert, die sich in kleiner Entfernung 111 Für sprechen-Wörter ist unter anderem das Ko-Vorkommen anhand der Aneinanderreihung typisch. Lexikalisch-semantische Graduonymie 356 zueinander innerhalb eines Satzes befinden. Weitere graduonymiesowie reihenspezifische Indikatoren, aber auch sprachliche Mittel zur Realisierung von anderen semantischen Relationen zwischen Wörtern in der Sprache zeigen die ausgewählten Korpusbeispiele auf. Das Ko-Vorkommen der Zielwörter in größeren Abständen, wo sie in eigenständigen Sätzen innerhalb eines vorgegebenen Suchkontextes auftauchen und in einer bestimmten semantischen Beziehung zueinander stehen, bereitete mitunter Schwierigkeiten, bestimmte Arten semantischer Relationen abzugrenzen. Für derartige Fälle gibt es keine sprachlichen Anzeichen zum Erkennen vorhandener semantischer Relation zwischen Wörtern. Am häufigsten kommen gemeinsame Hypergraduonyme mit entsprechenden Graduonymen aus der Reihe in den Zusammenhängen vor, in denen durch die attributive Verwendung des Hypergraduonyms, die einen erläuternden und definierenden Charakter hat, der andere Relationspartner im Kontext ausgetauscht wird. Eine analoge Erscheinung ist auch bei den Nachbar- Graduonymen, zwischen denen ebenso eine Oberbegriff-Relation bestehen kann, zu beobachten. Die kontextuelle Austauschbarkeit von benachbarten Graduonymen führt zu ihrer Behandlung als Synonyme vor allem in der lexikografischen Praxis. Paradigmatische Relationen von Kind, Wind und sprechen in elexiko gehen mit ihrem Vorkommen in der Beleganalyse im Rahmen der vorliegenden Untersuchung meistens konform. Die Behandlung der Paradigmatik der Wörter im Hinblick auf die Graduonymie-Relation ermöglicht jedoch für elexiko, aber auch für andere lexikografische Ressourcen, die eine detaillierte Klassifizierung der Sinnrelationen vornehmen, eine präzisere Bedeutungsdifferenzierung bei lexikalischen Einheiten zu leisten, die ansonsten als Synonyme bzw. Quasi-Synonyme, Hyponyme, Kohyponyme etc. behandelt werden. Die Berücksichtigung der Graduonymie eröffnet für die praktische lexikografische Arbeit bei der Bedeutungsbeschreibung neue Perspektiven und bietet Lösungswege für die in diesem Bereich vorhandenen Probleme, die zu einer genaueren Strukturierung der paradigmatischen Relationen von Wörtern beitragen. Die Korpusbefunde haben zudem die Interpretation der Umfrageergebnisse unterstützt. Zusammenfassung und Fazit 357 An bestimmten Stellen der Analyse wurde die Kookkurrenzdatenbank CCDB eingesetzt. Diese korpuslinguistische Denk- und Experimentierplattform bietet für die Erforschung der Graduonymie vielfältige empirische Möglichkeiten, die bei zukünftigen Arbeiten berücksichtigt werden sollen. Kapitel 6 hatte die Verifizierung der Graduonyme aufgrund der Datenerhebung in heuristischen Satzmustern zum Gegenstand. Dabei wurden die angenommenen kontrastiven Verhältnisse der Graduonyme der Reihen Kind, Wind und sprechen mithilfe kontrastierender Partikeln überprüft. Enge Zusammenhänge zeigt diese Studie mit der skalaren Implikaturenforschung, in der die satzverknüpfenden sprachlichen Mittel eine relevante Rolle spielen. Die Verknüpfungsmittel mit vielfältiger Semantik und Funktion bilden den Untersuchungsgegenstand der Konnektorenforschung, zu der auch die für dieses Experiment ausgewählten Partikeln gehören. Die Forschungssituation in beiden linguistischen Bereichen macht deutlich, dass in der Implikaturenforschung auf satzverknüpfende bzw. kontrastierende Sprachmittel kein besonderer Akzent gesetzt wird und ebenso in der Konnektorenforschung die Rolle dieser Mittel für die skalaren Implikaturen wenig Beachtung findet. Arbeiten, die diese Aspekte im Zusammenhang diskutieren, gibt es kaum. Anhand einer exemplarischen Demonstration für verschiedenartige semantische Relationen wurde gezeigt, dass eine derartige Verfahrensweise bei der Bedeutungsdifferenzierung und Relationsabgrenzung eine wichtige Rolle spielt. Mithilfe der skalierenden Partikeln wurden die Graduonyme daraufhin überprüft, ob sie kontrastfähig und skalierbar sind. Die Sprecherurteile haben vielfältige Aspekte der semantischen Relationen zwischen Graduonymen manifestiert, die oben nach ihrer deskriptiven und statistischen Auswertung ausführlich dargestellt und linguistisch interpretiert wurden. Die Daten reflektieren Erkenntnisse, die auf folgenden Faktoren beruhen: - Faktor „Nachbarschaft“ - Faktor „Hypergraduonym“ - Faktor „Partikeln“ Lexikalisch-semantische Graduonymie 358 Die Einflüsse der Faktoren „Nachbarschaft“ und „Hypergraduonym“ wurden auch in der ersten Sprecherbefragung und Korpusanalyse beobachtet. Die Varianz bei der Reihung von Nachbarwörtern in graduonymischen Reihen (Neugeborenes vs. Säugling, Sturm vs. Orkan, schreien vs. brüllen) kam in der ersten Umfrage durch das Auslassen eines Wortes oder durch unterschiedliches Positionieren der Wörter zum Vorschein. Die Korpusanalyse lieferte Evidenz dafür, dass die Wörter von Sprechern im tatsächlichen Sprachgebrauch in diversen Bedeutungsbeziehungen verwendet werden und sich bestimmte Wörter zu anderen Gruppenmitgliedern hypergraduonymisch oder manche nicht graduonymisch verhalten. In Tests mit diagnostischen Satzmustern manifestierten sich diese Faktoren durch nicht signifikante Akzeptabilitätsurteile bei der Gegenüberstellung von Graduonymen. Die Nachbarschaftsverhältnisse und die Repräsentation des Hypergraduonyms sind in den drei Graduonymiereihungen unterschiedlich ausgeprägt, was sich in den Ergebnissen in unterschiedlicher Art und Weise zeigt. 8. LITERATUR 8.1 Sekundärliteratur Abraham, Werner (1975): Deutsch aber, sondern und dafür und ihre Äquivalente im Niederländischen und Englischen. In: Bátori, István et al. (Hg.): Syntaktische und semantische Studien zur Koordination. (= Studien zur deutschen Grammatik 2). Tübingen: Narr. S. 105-136. 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Diagramm DS Duden Synonymwörterbuch dt. deutsch DU Duden Universalwörterbuch engl. englisch griech. griechisch KWIC Key Word In Context lat. lateinisch OWID Online-Wortschatz-Informationssystem Deutsch pers. persisch usb. usbekisch V Variante/ Verb VP Versuchsperson(en) 10. ABBILDUNGSVERZEICHNIS Abb. 1: Graduonymisches Paradigma von Tür ................................. 17 Abb. 2: Synonymisches und antonymisches Paradigma von Kind ..................................................................................... 27 Abb. 3: Lexikalisch-semantische Relationen zum Stichwort Wetter in DWDS ........................................................................ 31 Abb. 4: Kollokationsgraph zum Stichwort Wetter in DWDS ........... 31 Abb. 5: Grafische Darstellung der Paradigmatik von Kind in ELDIT .................................................................... 32 Abb. 6: Semantische Relation der Inkompatibilität bei nicht-binären Kontrasten......................................................... 42 Abb. 7: Stellenwert von Wind als Hypergraduonym in der Gruppe ................................................................................ 58 Abb. 8: Grade der Synonymie nach Cruse ......................................... 73 Abb. 9: Skala der Positivität und der Negativität im Paradigma Gesicht..................................................................... 79 Abb. 10: Skala des Verbparadigmas fließen .......................................... 81 Abb. 11: Skalare Darstellung der Antonymie-Relation ...................... 92 Abb. 12: Inkompatibles Verhältnis der Wörter in der Wortmenge Stehendes natürliches Gewässer.......................... 107 Abb. 13: Hypergraduonymie- und Graduonymie-Verhältnis nach der Definition................................................................. 109 Abb. 14: Hypergraduonymie- und Graduonymie-Verhältnis in der Wind-Reihe ................................................................... 109 Abb. 15: Mehrebenenhypergraduonymie in der Wind-Reihe.......... 109 Abb. 16: Semantisches Netz von Pferd ................................................ 112 Abb. 17: Ein Screenshot zur Wortmenge Stehendes natürliches Gewässer aus der Web-Umfrage......................... 115 Abb. 18: Uneinheitlichkeiten in der Bewertung zwischen Wortpaaren in der usbekischen sprechen-Reihe ................. 167 Abb. 19: Screenshot einer Kookkurrenzanalyse zu Säugling ........... 186 Abb. 20: Säugling-ähnliche Profile (Ausschnitt)................................. 187 Abbildungsverzeichnis 374 Abb. 21: SOM des Wortes Säugling...................................................... 189 Abb. 22: Kontrastierung der Wörter Säugling vs. Baby ..................... 190 Abb. 23: Screenshot der KWIC-Ansicht zu Säugling und Kleinkind ................................................................................... 191 Abb. 24: Graduonymisches Paradigma von Kind (erste Variante) ........................................................................ 206 Abb. 25: Lexikalische Merkmalskarte für das Wortpaar Schulkind/ Schüler ..................................................................... 211 Abb. 26: Graduonymisches Paradigma von Kind (zweite Variante) ..................................................................... 212 Abb. 27: Graduonymisches Paradigma von Kind (dritte Variante)....................................................................... 213 Abb. 28: Die erste Konstruktion zur Richtung „mehr“ in der Wind-Reihe............................................................................... 294 Abb. 29: Die zweite Konstruktion in Richtung „mehr“ in der Wind-Reihe............................................................................... 295 Abb. 30: Gesamtergebnis in Richtung „mehr“ in der Wind-Reihe (in %) ................................................................... 295 Abb. 31: Die erste Konstruktion in Richtung „weniger“ in der Wind-Reihe ................................................................... 296 Abb. 32: Die zweite Konstruktion in Richtung „weniger“ in der Wind-Reihe ................................................................... 297 Abb. 33: Gesamtergebnis für die Richtung „weniger“ in der Wind-Reihe (in %)........................................................ 297 Abb. 34: Die erste Konstruktion in Richtung „mehr“ in der Kind-Reihe .................................................................... 298 Abb. 35: Die zweite Konstruktion in Richtung „mehr“ in der Kind-Reihe .................................................................... 299 Abb. 36: Gesamtergebnis in Richtung „mehr“ in der Kind-Reihe .................................................................... 300 Abb. 37: Die erste Konstruktion in Richtung „weniger“ in der Kind-Reihe .................................................................... 301 Abb. 38: Die zweite Konstruktion in Richtung „weniger“ in der Kind-Reihe .................................................................... 301 Abbildungsverzeichnis 375 Abb. 39: Gesamtergebnis in Richtung „weniger“ in der Kind-Reihe .................................................................... 301 Abb. 40: Die Inklusionsbeziehung in der Kind-Reihe ....................... 304 Abb. 41: Die Konstruktion in Richtung „mehr“ in der sprechen-Reihe.......................................................................... 305 Abb. 42: Die Konstruktion in Richtung „weniger“ in der sprechen-Reihe.......................................................................... 305 Abb. 43: Das Verhältnis der Nachbarwörter in der Wind-Reihe............................................................................... 309 Abb. 44: Das Verhältnis der Nicht-Nachbarn in der Wind-Reihe............................................................................... 310 Abb. 45: Das Verhältnis der Nachbarwörter in der Kind-Reihe................................................................................ 312 Abb. 46: Das Verhältnis der Nicht-Nachbarn in der Kind-Reihe................................................................................ 313 Abb. 47: Das Verhältnis der Nachbarwörter in der sprechen-Reihe.......................................................................... 315 Abb. 48: Das Verhältnis der Nicht-Nachbarn in der sprechen-Reihe.......................................................................... 315 Abb. 49: Das Verhältnis der direkten Nachbarn in der Wind-Reihe............................................................................... 319 Abb. 50: Das Verhältnis der nicht direkten Nachbarn in der Wind-Reihe............................................................................... 319 Abb. 51: Das Verhältnis der direkten Nachbarn in der Kind-Reihe................................................................................ 321 Abb. 52: Das Verhältnis der nicht direkten Nachbarn in der Kind-Reihe................................................................................ 321 Abb. 53: Das Verhältnis der direkten Nachbarn in der sprechen-Reihe.......................................................................... 323 Abb. 54: Das Verhältnis der nicht direkten Nachbarn in der sprechen-Reihe.......................................................................... 323 Abb. 55: Das Verhältnis der Graduonyme zu Wind .......................... 327 Abb. 56: Das Verhältnis der Graduonyme zueinander ohne Wind ................................................................................ 328 Abb. 57: Das Verhältnis der Graduonyme zu Kind ........................... 330 Abbildungsverzeichnis 376 Abb. 58: Das Verhältnis der Graduonyme zueinander ohne Kind ................................................................................. 330 Abb. 59: Das Verhältnis der Graduonyme zu sprechen ..................... 332 Abb. 60: Das Verhältnis der Graduonyme zueinander ohne sprechen ........................................................................... 332 Abb. 61: Die Rangordnung von Wind, Kind und sprechen als Hypergraduonyme ........................................................... 336 Abb. 62: Mehrebenenhypergraduonymie in der Kind-Reihe........... 351 11. TABELLENVERZEICHNIS Tab. 1: Arten der Inkompatibilität bei den semantischen Relationen ................................................................................ 100 Tab. 2: Arten der Inkompatibilität bei den skalaren Ordnungen .............................................................................. 100 Tab. 3: Beispiele für die Relation der Inkompatibilität in elexiko.................................................................................... 101 Tab. 4: Deskriptive Statistiken zur deutschen Umfrage ................ 117 Tab. 5: Datensammlung zum usbekischen Paradigma Kind......... 122 Tab. 6: Datensammlung zum usbekischen Paradigma Wind........ 123 Tab. 7: Deskriptive Statistiken zur usbekischen Umfrage ............ 125 Tab. 8: Aufbereitung der deutschen Umfragedaten am Beispiel des Paradigmas Temperatur .................................... 127 Tab. 9: Gewichtung und Rangsumme der deutschen Umfragedaten ......................................................................... 129 Tab. 10: Beispiel zur Aufbereitung der Daten/ Wortreihe Temperatur ................................................................................ 131 Tab. 11: Beispiel zur Aufbereitung der Daten/ Wortreihe Geistige Fähigkeit ...................................................................... 131 Tab. 12: Aufteilung der Rind-Wörter .................................................. 140 Tab. 13: Kookkurrenzpartner von gackern ......................................... 144 Tab. 14: Aufteilung der lachen-Wörter................................................ 145 Tab. 15: Aufteilung der fließen-Wörter ............................................... 147 Tab. 16: Aufteilung der mutig-Wörter ................................................ 148 Tab. 17: Aufteilung der Rot-Wörter .................................................... 150 Tab. 18: Aufbereitung der usbekischen Umfragedaten am Beispiel des Paradigmas Bola (‘Kind’) ................................. 154 Tab. 19: Gewichtung und Rangsumme der usbekischen Umfragedaten ......................................................................... 155 Tab. 20: Aufteilung der usbekischen Umfragedaten am Beispiel der Wortreihe Lautstärke beim Sprechen................. 157 Tab. 21: Aufteilung der usbekischen Wortreihe Alter des Menschen ................................................................... 160 Tabellenverzeichnis 378 Tab. 22: Aufteilung der usbekischen Wortreihe Kind ...................... 161 Tab. 23: Aufteilung der usbekischen Wortreihe Natürliches Gewässer................................................................ 163 Tab. 24: Aufteilung der usbekischen Wortreihe Lautstärke beim Sprechen.......................................................... 167 Tab. 25: Aufteilung der usbekischen Wortreihe Temperatur............ 169 Tab. 26: Aufteilung der usbekischen Wortreihe Begabung .............. 172 Tab. 27: Aufbereitung der usbekischen Wortreihe Tür.................... 173 Tab. 28: Sprachliche Indikatoren zu Ko-Vorkommen von Graduonymen im Korpus ..................................................... 180 Tab. 29: Häufigkeitsangaben zu Neugeborenes und Säugling .......... 196 Tab. 30: Vorkommenshäufigkeiten der Suchwörter im Korpus ...................................................................................... 198 Tab. 31: Datenberechnung zur Ermittlung der LLR-Werte............. 200 Tab. 32: LLR- und PMI-Werte für Wortpaare ................................... 201 Tab. 33: Häufigkeiten von kontrastiven und bedeutungs- ähnlichen Relationen zwischen Säugling und Kleinkind.... 208 Tab. 34: Ko-Vorkommen der Suchwörter.......................................... 209 Tab. 35: Sprecherurteile für die Paradigmatik von Kind ................. 214 Tab. 36: Die in den Korpora zwischen den Wortpaaren ermittelten Relationen............................................................ 229 Tab. 37: Sprecherurteile für die Paradigmatik von Wind ................ 234 Tab. 38: Beleganzahl zum paarweisen Vorkommen der Wörter................................................................................ 240 Tab. 39: Die relevanten Treffer für das Wortpaar flüstern vs. sprechen ............................................................................... 241 Tab. 40: Anteil der „Falschen Positive“ für das Wortpaar flüstern vs. sprechen ................................................................. 245 Tab. 41: Die relevanten Treffer für das Wortpaar flüstern vs. rufen .................................................................................... 246 Tab. 42: Die relevanten Treffer für das Wortpaar flüstern vs. schreien ................................................................................ 247 Tab. 43: Die relevanten Treffer für das Wortpaar flüstern vs. brüllen ................................................................................. 248 Tabellenverzeichnis 379 Tab. 44: Die relevanten Treffer für das Wortpaar rufen vs. sprechen ............................................................................... 249 Tab. 45: Die relevanten Treffer für das Wortpaar rufen vs. schreien ................................................................................ 250 Tab. 46: Die relevanten Treffer für das Wortpaar rufen vs. brüllen ................................................................................. 251 Tab. 47: Die relevanten Treffer für das Wortpaar schreien vs. sprechen ............................................................................... 252 Tab. 48: Die relevanten Treffer für das Wortpaar schreien vs. brüllen ................................................................................. 253 Tab. 49: Die relevanten Treffer für das Wortpaar brüllen vs. sprechen ............................................................................... 254 Tab. 50: Beleganzahl zu semantischen Relationen zwischen den Wortpaaren ...................................................................... 255 Tab. 51: Sprecherurteile für die Paradigmatik von sprechen ........... 257 Tab. 52: Variablen im Vergleich........................................................... 318 12. DIAGRAMMVERZEICHNIS Diagramm 1: Verteilungsdiagramm der Turksprachen in Einzelsprachen................................................................ 118 Diagramm 2: Prozentuelle Ergebnisse von Bewertungstypen ........ 153 Diagramm 3: Geschlechtsverteilung (n = 107) .................................... 284 Diagramm 4: Altersverteilung (n = 107) .............................................. 285 Diagramm 5: Höchster Bildungsabschluss (n = 107) ......................... 286 Diagramm 6: Berufsstand (n = 107) ...................................................... 287 Diagramm 7: Studium Sprachwissenschaft (n = 107) ........................ 288 Diagramm 8: Sprachwissenschaftler/ in (n = 107) ............................... 288 Diagramm 9: Akzeptabilitätsurteile zur Wind-Reihe ........................ 291 Diagramm 10: Akzeptabilitätsurteile zur Kind-Reihe......................... 291 Diagramm 11: Akzeptabilitätsurteile zur sprechen-Reihe................... 292 Diagramm 12: Prozentwerte akzeptabler Antworten in drei Gruppen................................................................... 293 Diagramm 13: Mittelwerte der Hypothese Nachbarschaft_1 ............ 308 Diagramm 14: Mittelwerte der Hypothese Nachbarschaft_1 in der Wind-Reihe ........................................................... 309 Diagramm 15: Mittelwerte der Hypothese Nachbarschaft_1 in der Kind-Reihe ............................................................ 312 Diagramm 16: Mittelwerte der Hypothese Nachbarschaft_1 in der sprechen-Reihe ...................................................... 314 Diagramm 17: Auswertung der Variable „Nachbarschaft_2“ gesamt .............................................................................. 317 Diagramm 18: Auswertung der Variable „Nachbarschaft_2“ in der Wind-Reihe ........................................................... 318 Diagramm 19: Auswertung der Variable „Nachbarschaft_2“ in der Kind-Reihe ............................................................ 320 Diagramm 20: Auswertung der Variable „Nachbarschaft_2“ in der sprechen-Reihe ...................................................... 322 Diagramm 21: Ergebnisse der Variable „Hypergraduonym_1“ gesamt .............................................................................. 326 Diagrammverzeichnis 382 Diagramm 22: Ergebnisse der Variable „Hypergraduonym_1“ in der Wind-Reihe ........................................................... 327 Diagramm 23: Ergebnisse der Variable „Hypergraduonym_1“ in der Kind-Reihe ............................................................ 329 Diagramm 24: Ergebnisse der Variable „Hypergraduonym_1“ in der sprechen-Reihe ...................................................... 331 Diagramm 25: Ergebnisse von Windvs. Kind-Sätzen ........................ 334 Diagramm 26: Ergebnisse von Windvs. sprechen-Sätzen .................. 335 Diagramm 27: Ergebnisse von Kindvs. sprechen-Sätzen ................... 336 Diagramm 28: Die verstärkenden Konstruktionen im Vergleich: Wind-Reihe.................................................... 339 Diagramm 29: Die abschwächenden Konstruktionen im Vergleich: Wind-Reihe.................................................... 339 Diagramm 30: Die verstärkenden Konstruktionen im Vergleich: Kind-Reihe..................................................... 341 Diagramm 31: Die abschwächenden Konstruktionen im Vergleich: Kind-Reihe..................................................... 342 Diagramm 32: Bewertungen der Sprachwissenschaftler vs. Nicht-Sprachwissenschaftler ........................................ 344 Diagramm 33: Bewertungen der Sprachwissenschaftler vs. Nicht-Sprachwissenschaftler ........................................ 345 ANHANG Anhang 1 : Aufgabenstellung zu der deutschen Umfrage (Kap. 4) Anhang 2 : Material für die usbekische Umfrage (hier: in alphabetischer Reihenfolge) 1) 1. bola 2. go’dak 3.o’smir 4. o’spirin 5. chaqaloq (bolaning yoshiga ko’ra) 2) 1. erkak/ ayol 2. keksa 3. qariya 4. yigit/ qiz 5. chol/ kampir (odamning yoshiga ko’ra) 3) 1. bo’ron 2. to’zon 3. to’fon 4. shabada 5. shamol (shamolning kuchiga ko’ra) 4) 1. ayoz 2. iliq 3. issiq 4. izg’irin 5. jazirama 6. qahraton 7. salqin 8. sovuq (harorat darajasiga ko’ra) 5) 1. anhor 2. ariq 3. daryo 4. irmoq 5. jilg’a 6. soy (oqar suv havzasining katta/ kichikligiga ko’ra) Anhang 384 6) 1. darvoza 2. darcha 3. eshik 4. qopqa (eshikning katta/ kichikligiga ko’ra) 7) 1. basseyn 2. hovuz 3. quduq 4. sardoba 5. suv ombori (sun’iy suv havzasining katta/ kichikligiga ko’ra) 8) 1. dengiz 2. halqob 3. ko’l 4.ko`lmak 5.okean (tabiiy suv havzasining katta/ kichikligiga ko’ra) 9) 1. hovli 2. uy 3. xona 4. xonadon 5. saroy (uyning hajmiga ko’ra) 10) 1. koshona 2. kulba 3. qasr 4. uy 5. xaroba (uyning hashamiga ko’ra) 11) 1. mizg’ish 2. mudroq 3. pinak 4. uyqu 5. g’aflat (uyquning qattiqligiga ko’ra) 12) 1. baqirmoq 2. dodlamoq 3. hayqirmoq 4. gapirmoq 5. pichirlamoq 6. o’kirmoq 7. shivirlamoq (gapirganda ovozning kuchiga ko’ra) 13) 1. ko’zi ilinmoq 2. mizg’imoq 3. mudramoq 4. pinakka ketmoq 5. uxlamoq 6. dong qotmoq (uyquning qattiqligiga ko’ra) 14) 1. imillab yurmoq 2. odimlamoq 3. yelmoq 4. yugurmoq 5. yurmoq 6. g’izillamoq 7. chopmoq 8. chopqillamoq (yurganda harakat tezligiga ko’ra) 15) 1. ko’ziga yosh to’lmoq 2. ho’ngramoq 3. uvvos solmoq 4. yig’lamoq 5. yig’lamsiramoq (yig’i kuchiga ko’ra) 16) 1. ko’ngil bermoq 2. maftun bo`lmoq 3. sevmoq 4. suymoq 5. yaxshi ko’moq 6. yoqtirmoq (sevishning kuchiga ko’ra) 17) 1. jilmaymoq 2. kulimsiramoq 3. kulmoq 4. qah-qah urmoq 5. qiqirlamoq 6. tabassum qilmoq 7. xandon urmoq (kulguning kuchlilik darajasiga ko’ra) 18) 1. go’zal 2. istarali 3. kelishgan 4. sohibjamol 5. yoqimtoy 6. chiroyli (kishining tashqi ijobiy belgisiga ko’ra) 19) 1. daho 2. iqtidorli 3. iste’dodli 4. layoqatli 5. qobiliyatli 6. zukko (qobiliyat darajasiga ko’ra) 20) 1. baland 2. katta 3. kichik 4. osmono’par 5. past 6. o’rtacha (binoning balandligiga ko’ra) Anhang 385 Anhang 3 : Häufigkeitstabelle für die deutsche Umfrage Wortpaare A < B _dir A < B _ndir B < A _dir B < A _ndir Fehlende Werte A < B B < A 1. A: Frost - Kälte 41 0 2 0 0 41 (95%) 2 (5%) 2. A: Kälte - Wärme 41 2 0 0 0 43 (100%) 0 3. A: Wärme - Hitze 40 3 0 0 0 43 (100%) 0 4. A: Hitze - Gluthitze 40 0 3 0 0 40 (93%) 3 (7%) 1. A: Lache - Teich 42 1 0 0 0 43 (100%) 0 2. A: Teich - See 42 0 1 0 0 42 (98%) 1 (2%) 3. A: See - Meer 39 4 0 0 0 43 (100%) 0 4. A: Meer - Ozean 40 0 3 0 0 40 (93%) 3 (7%) 1. A: Rinnsal - Bächlein 40 1 0 1 1 (2,3%) 41 (95,4%) 1 (2,3%) 2. A: Bächlein - Bach 38 4 1 0 0 42 (98%) 1 (2%) 3. A: Bach - Flüsschen 38 1 4 0 0 39 (91%) 4 (9%) 4. A: Flüsschen - Fluss 39 3 0 0 1 (2%) 42 (98%) 0 5. A: Fluss - Strom 41 1 0 0 1 (2%) 42 (98%) 0 1. A: Hain - Waldung 31 1 7 1 3 (7%) 32 (74%) 8 (19%) 2. A: Waldung - Wald 32 7 1 0 3 (7%) 39 (91%) 1 (2%) 3. A: Wald - Dschungel 39 2 0 0 2 (5%) 41 (95%) 0 1. A: Bungalow - zweistöckiges Haus 42 1 0 0 0 43 (100%) 0 2. A: zweistöckiges Haus - mehrstöckiges Haus 39 3 1 0 0 42 (98%) 1 (2%) 3. A: mehrstöckiges Haus - Hochhaus 39 1 3 0 0 40 (93%) 3 (7%) 4. A: Hochhaus - Wolkenkratzer 40 3 0 0 0 43 (100%) 0 1. A: Eignung - Befähigung 21 0 14 6 2 (5%) 21 (49%) 20 (46%) 2. A: Befähigung - Begabung 27 14 0 0 2 (5%) 41 (95%) 0 1. A: Kalb - Färse/ Farre 26 0 5 1 11 (26%) 26 (60%) 6 (14%) 2. A: Färse/ Farre - Stier/ Kuh 27 5 0 0 11 (26%) 32 (74%) 0 Anhang 386 Wortpaare A < B _dir A < B _ndir B < A _dir B < A _ndir Fehlende Werte A < B B < A 1. A: Frischling - Überläufer 27 2 3 0 11 (26%) 29 (67%) 3 (7%) 2. A: Überläufer - Keiler 26 3 2 1 11 (26%) 29 (67%) 3 (7%) 1. A: Neugeborenes - Säugling 40 0 0 0 3 (7%) 40 (93%) 0 2. A: Säugling - Kleinkind 42 0 0 0 1 (2%) 42 (98%) 0 3. A: Kleinkind - Kind 36 6 0 0 1 (2%) 42 (98%) 0 4. A: Kind - Vorschulkind 35 1 4 2 1 (2%) 36 (84%) 6 (14%) 5. A: Vorschulkind - Schulkind 38 4 1 0 0 42 (98%) 1 (2%) 6. A: Schulkind - Jugendlicher 40 3 0 0 0 43 (100%) 0 7. A: Jugendlicher - Erwachsener 43 0 0 0 0 43 (100%) 0 1. A: Junge/ Mädchen - Mann/ Frau 43 0 0 0 0 43 (100%) 0 2. Mann/ Frau - Alte/ Alter 40 3 0 0 0 43 (100%) 0 3. Alte/ Alter - Greis/ Greisin 40 0 3 0 0 40 (93%) 3 (7%) 1. Hütte - Haus 43 0 0 0 0 43 (100%) 0 2. Haus - Schloss 32 11 0 0 0 43 (100%) 0 3. Schloss - Palast 32 0 11 0 0 32 (74%) 11 (26%) 1. Saat - Keim 40 0 2 0 1 (2%) 40 (93%) 2 (5%) 2. Keim - Halm 40 2 0 0 1 (2%) 42 (98%) 0 1. Setzling - Spross 27 1 15 0 0 28 (65%) 15 (35%) 2. Spross - Baum 27 15 1 0 0 42 (98%) 1 (2%) 1. Schlummer - Schlaf 41 1 0 0 1 (2%) 42 (98%) 0 2. Schlaf - Tiefschlaf 42 0 1 0 0 42 (98%) 1 (2%) 1. Ausdauer - Geduld 36 0 0 5 2 (5%) 36 (84%) 5 (11%) 2. Geduld - Engelsgeduld 32 0 0 11 0 32 (74%) 11 (26%) Anhang 387 Wortpaare A < B _dir A < B _ndir B < A _dir B < A _ndir Fehlende Werte A < B B < A 1. Ei - Küken 43 0 0 0 0 43 (100%) 0 2. Küken - Huhn 41 0 0 2 0 41 (95%) 2 (5%) 1. Ei - Larve 41 0 2 0 0 41 (95%) 2 (5%) 2. Larve - Libelle 41 2 0 0 0 43 (100%) 0 1. Ei - Raupe 33 9 0 0 1 (2%) 42 (98%) 0 2. Raupe - Puppe 33 0 9 0 1 (2%) 33 (77%) 9 (21%) 3. Puppe - Schmetterling 33 9 0 0 1 (2%) 42 (98%) 0 1. Ei - Engerling 39 0 1 0 3 (7%) 39 (91%) 1 (2%) 2. Engerling - Maikäfer 39 1 0 0 3 (7%) 40 (93%) 0 1. Fohlen - Enter 14 1 9 0 19 (44%) 15 (35%) 9 (21%) 2. Enter - Pferd 14 9 1 0 19 (44%) 23 (54%) 1 (2%) 1. Laich - Kaulquappe 43 0 0 0 0 43 (100%) 0 2. Kaulquappe - Frosch 42 0 0 1 0 42 (98%) 1 (2%) 1. Pforte - Tür 18 0 10 15 0 18 (42%) 25 (58%) 2. Tür - Tor 33 10 0 0 0 43 (100%) 0 1. Dorf - Kleinstad 41 2 0 0 0 43 (100%) 0 2. Kleinstadt - Stadt 40 2 1 0 0 42 (98%) 1 (2%) 3. Stadt - Großstadt 38 1 1 2 1 (2%) 39 (91%) 3 (7%) 4. Großstadt - Metropole 39 2 0 0 2 (5%) 41 (95%) 0 1. Brise - Bö 20 18 2 0 3 (7%) 38 (88) 2 (5%) 2. Bö - Wind 20 2 17 1 3 (7%) 22 (51%) 18 (42%) 3. Wind - Sturm 24 17 0 0 2 (5%) 41 (95%) 0 4. Sturm - Orkan 39 0 2 0 2 (4,7%) 39 (90,6%) 2 (4,7%) 1. Anfänger - Fortgeschrittene 43 0 0 0 0 43 (100%) 0 2. Fortgeschrittene - Profi 43 0 0 0 0 43 (100%) 0 1. Hügel - Berg 41 2 0 0 0 43 (100%) 0 2. Berg - Gebirge 41 0 2 0 0 41 (95%) 2 (5%) Anhang 388 Wortpaare A < B _dir A < B _ndir B < A _dir B < A _ndir Fehlende Werte A < B B < A 1. Fremde - Bekannte 41 0 1 0 1(2%) 41(95%) 1 (2%) 2. Bekannte - Freund 42 1 0 0 0 43 (100%) 0 1. gut aussehend - hübsch 22 2 17 0 2 (5%) 24 (56%) 17 (40%) 2. hübsch - schön 23 17 2 0 1 (2%) 40 (93%) 2 (5%) 1. frisch - kühl 36 2 5 0 0 38 (88%) 5 (12%) 2. kühl - kalt 36 5 2 0 0 41 (95%) 2 (5%) 3. kalt - bitterkalt 41 2 0 0 0 43 (100%) 0 1. frostig - kalt 39 0 1 1 2 (4,7%) 39 (90,6%) 2 (4,7%) 2. kalt - mild 38 2 0 1 2 (5%) 40 (93%) 1 (2%) 3. mild - warm 41 0 1 0 1 (2%) 41 (95%) 1 (2%) 4. warm - heiß 39 2 0 0 2 (5%) 41 (95%) 0 5. heiß - glühendheiß 40 1 0 0 2 (5%) 41 (95%) 0 1. rosa - zartrot 16 13 10 2 2 (5%) 29 (67%) 12 (28%) 2. zartrot - rötlich 15 4 20 3 1 (2%) 19 (44%) 23 (53%) 3. rötlich - rot 17 22 0 0 4 (9%) 39 (91%) 0 4. rot - hochrot 34 5 0 0 4 (9%) 39 (91%) 0 5. hochrot - blutrot 36 0 6 0 1 (2%) 36 (84%) 6 (14%) 1. heiter - freudig 34 4 3 1 1 (2,3%) 38 (88,4%) 4 (9,3%) 2. freudig - glücklich 35 5 2 0 1 (2%) 40 (93%) 2 (5%) 3. glücklich - überglücklich 27 16 0 0 0 43 (100%) 0 4. überglücklich - selig 18 0 14 11 0 18 (42%) 25 (58%) 1. nett - reizend 26 17 0 0 0 43 (100%) 0 2. reizend - entzückend 24 0 17 2 0 24 (56%) 19 (44%) 1. muffig - stinkig 33 9 0 0 1 (2%) 42 (98%) 0 2. stinkig - übel riechend 28 0 9 5 1 (2%) 28 (65%) 14 (33%) 1. tapfer - mutig 18 4 14 2 5 (12%) 22 (51%) 16 (37%) 2. mutig - kühn 16 6 12 5 4 (9%) 22 (51%) 17 (40%) 3. kühn - verwegen 20 16 2 1 4 (9%) 36 (84%) 3 (7%) Anhang 389 Wortpaare A < B _dir A < B _ndir B < A _dir B < A _ndir Fehlende Werte A < B B < A 1. weich - mild 39 2 2 0 0 41 (95%) 2 (5%) 2. mild - gnädig 32 4 3 4 0 36 (84%) 7 (16%) 3. gnädig - gerecht 33 5 2 1 2 (5%) 38 (88%) 3 (7%) 4. gerecht - streng 29 9 1 1 3 (7%) 38 (88%) 2 (5%) 5. streng - hart 31 0 9 0 3 (7%) 31 (72%) 9 (21%) 1. ausdauernd - hartnäckig 37 0 2 2 2 (5%) 37 (86%) 4 (9%) 2. hartnäckig - starr 40 2 0 0 1 (2%) 42 (98%) 0 1. winzig - klein 42 0 0 1 0 42 (98%) 1 (2%) 2. klein - mittelgroß 40 1 1 0 1 (2,3%) 41 (95,4%) 1 (2,3%) 3. mittelgroß - groß 40 1 1 0 1 (2,3%) 41 (95,4%) 1 (2,3%) 4. groß - riesig 42 1 0 0 0 43 (100%) 0 5. riesig - gigantisch 42 1 0 0 0 43 (100%) 0 1. begabt - hochbegabt 37 6 0 0 0 43 (100%) 0 2. hochbegabt - genial 36 0 6 0 1 (2%) 36 (84%) 6 (14%) 1. einsam - verlassen 27 0 11 5 0 27 (63%) 16 (37%) 2. verlassen - muttersallein 32 11 0 0 0 43 (100%) 0 1. alt - uralt 24 18 0 0 1 (2%) 42 (98%) 0 2. uralt - steinalt 24 0 18 0 1 (2%) 24 (56%) 18 (42%) 1. arbeitsscheu - faul 38 0 3 1 1 (2,3%) 38 (88,4%) 4 (9,3%) 2. faul - stinkfaul 40 3 0 0 0 43 (100%) 0 1. leer - halbvoll 42 0 0 1 0 42 (98%) 1 (2%) 2. halbvoll - voll 43 0 0 0 0 43 (100%) 0 1. unpässlich - krank 37 0 5 0 1 (2%) 37 (86%) 5 (12%) 2. krank - todkrank 37 2 0 0 4 (9%) 39 (91%) 0 1. keck - frech 31 8 3 0 1 (2%) 39 (91%) 3 (7%) 2. frech - dreist 30 3 8 1 1 (2%) 33 (77%) 9 (21%) 3. dreist - unverschämt 33 9 0 0 1 (2%) 42 (98%) 0 1. gebraucht - abgenutzt 29 14 0 0 0 43 (100%) 0 Anhang 390 Wortpaare A < B _dir A < B _ndir B < A _dir B < A _ndir Fehlende Werte A < B B < A 2. abgenutzt - alt 26 0 14 3 0 26 (60%) 17 (40%) 1. jemand - viele 39 3 1 0 0 42 (98%) 1 (2%) 2. viele - alle 39 1 3 0 0 40 (93%) 3 (7%) 1. etwas - vieles 42 1 0 0 0 43 (100%) 0 2. vieles - alles 42 0 1 0 0 42 (98%) 1 (2%) 1. einer - beide 42 0 0 0 1 42 (98%) 0 2. beide - viele 40 2 0 0 1 (2%) 42 (98%) 0 3. viele - alle 41 0 2 0 0 41 (95%) 2 (5%) 1. mehrere - viele 42 1 0 0 0 43 (100%) 0 2. viele - alle 42 0 1 0 0 42 (98%) 1 (2%) 1. einigermaßen - ziemlich 34 6 3 0 0 40 (93%) 3 (7%) 2. ziemlich - größtenteils 34 3 6 0 0 37 (86%) 6 (14%) 3. größtenteils - vollends 36 6 1 0 0 42 (98%) 1 (2%) 1. kaum - wohl 35 8 0 0 0 43 (100%) 0 2. wohl - sicherlich 35 0 8 0 0 35 (81%)) 8 (19%) 1. kurzlebig - vorübergehend 29 0 14 0 0 29 (67%) 14 (33%) 2. vorübergehend - dauerhaft 27 16 0 0 0 43 (100%) 0 3. dauerhaft - ewig 41 0 2 0 0 41 (95%) 2 (5%) 1. möglicherweise - vermutlich 31 5 5 2 0 36 (84%) 7 (16%) 2. vermutlich - wahrscheinlich 32 5 4 2 0 37 (86%) 6 (14%) 3. wahrscheinlich - sicher 35 8 0 0 0 43 (100%) 0 1. gelegentlich - häufig 42 1 0 0 0 43 (100%) 0 2. häufig - ständig 41 1 1 0 0 42 (98%) 1 (2%) 3. ständig - ewig 39 1 1 0 2 (5%) 40 (93%) 1 (2%) 1. gefrieren - erkalten 40 3 0 0 0 43 (100%) 0 Anhang 391 Wortpaare A < B _dir A < B _ndir B < A _dir B < A _ndir Fehlende Werte A < B B < A 2. erkalten - abkühlen 40 0 3 0 0 40 (93%) 3 (7%) 3. abkühlen - erwärmen 35 7 0 0 1 42 (98%) 0 4. erwärmen - erhitzen 37 0 4 0 2 (5%) 37 (86%) 4 (9%) 1. achten - schätzen 31 1 11 0 0 32 (74%) 11 (26%) 2. schätzen - ehren 29 12 1 0 1 (2,3%) 41 (95,4%) 1 (2,3%) 3. ehren - verehren 40 1 1 0 1 (2%) 41 (95%) 1 (2%) 1. rumoren - poltern 23 16 2 1 1 (2%) 39 (91%) 3 (7%) 2. poltern - lärmen 21 2 14 5 1 (2%) 23 (54%) 19 (44%) 3. lärmen - toben 19 19 1 2 2 (5%) 38 (88%) 3 (7%) 1. kichern - gackern 32 6 4 0 1 (2%) 38 (89%) 4 (9%) 2. gackern - lachen 32 4 6 0 1 (2%) 36 (84%) 6 (14%) 3. lachen - sich totlachen 37 6 0 0 0 43 (100%) 0 1. trippeln - laufen 38 1 3 0 1 (2%) 39 (91%) 3 (7%) 2. laufen - sausen 12 28 1 1 1 (2%) 40 (93%) 2 (5%) 3. sausen - rennen 12 3 18 9 1 (2%) 15 (35%) 27 (63%) 4. rennen - rasen 23 18 1 0 1 (2,3%) 41 (95,4%) 1 (2,3%) 1. sinnieren - reflektieren 18 6 11 4 4 (9%) 24 (56%) 15 (35%) 2. reflektieren - nachdenken 14 5 9 11 4 (9%) 19 (44%) 20 (47%) 3. nachdenken - grübeln 20 18 2 0 3 (7%) 38 (89%) 2 (5%) 4. grübeln - brüten 30 7 4 0 2 (5%) 37 (86%) 4 (9%) 5. brüten - sich den Kopf zerbrechen 31 5 1 4 2 (5%) 36 (84%) 5 (12%) 1. rieseln - rinnen 38 1 3 0 1 (2%) 39 (91%) 3 (7%) 2. rinnen - laufen 31 10 0 1 1 (2,3%) 41 (95,4%) 1 (2,3%) 3. laufen - fließen 32 1 9 0 1 (2%) 33 (77%) 9 (21%) 4. fließen - strömen 16 26 0 0 1 (2%) 42 (98%) 0 5. strömen - fluten 18 0 24 0 1 (2%) 18 (42%) 24 (56%) 1. balgen - zanken 21 19 2 0 1 (2%) 40 (93%) 2 (5%) Anhang 392 Wortpaare A < B _dir A < B _ndir B < A _dir B < A _ndir Fehlende Werte A < B B < A 2. zanken - streiten 21 2 19 0 1 (2%) 23 (54%) 19 (44%) 1. erblicken - betrachten 36 6 1 0 0 42 (98%) 1 (2%) 2. betrachten - mustern 36 1 6 0 0 37 (86%) 6 (14%) 3. mustern - anstarren 37 6 0 0 0 43 (100%) 0 1. geboren werden - erwachsen werden 36 7 0 0 0 43 (100%) 0 2. erwachsen werden - reifen 27 10 4 1 1 (2%) 37 (86%) 5 (12%) 3. reifen - in die Jahre kommen 20 10 8 4 1 (2%) 30 (70%) 12 (28%) 4. in die Jahre kommen - altern 21 8 11 3 0 29 (67%) 14 (33%) 5. altern - vergreisen 28 14 0 0 1 (2%) 42 (98%) 0 1. wimmern - weinen 36 3 0 4 0 39 (91%) 4 (9%) 2. weinen - heulen 40 0 3 0 0 40 (93%) 3 (7%) 1. schwelen - glühen 24 6 10 0 3 (7%) 30 (70%) 10 (23%) 2. glühen - brennen 14 21 2 4 2 (5%) 35 (81%) 6 (14%) 3. brennen - flammen 17 3 19 2 2 (5%) 20 (46%) 21 (49%) 4. flammen - lodern 17 16 5 2 3 (7%) 33 (77%) 7 (16%) 1. glimmen - schimmern 25 1 16 0 1 (2%) 26 (61%) 16 (37%) 2. schimmern - leuchten 14 27 1 0 1 (2,3%) 41 (95,4%) 1 (2,3%) 3. leuchten - scheinen 22 1 19 0 1 (2%) 23 (54%) 19 (44%) 4. scheinen - strahlen 23 19 0 0 1 (2%) 42 (98%) 0 1. flüstern - sprechen 43 0 0 0 0 43 (100%) 0 2. sprechen - rufen 43 0 0 0 0 43 (100%) 0 3. rufen - schreien 42 1 0 0 0 43 (100%) 0 4. schreien - brüllen 42 0 1 0 0 42 (98%) 1 (2%) 1. freuen sich - strahlen 36 2 4 0 1 (2%) 38 (89%) 4 (9%) 2. strahlen - triumphieren 35 4 2 0 2 (5%) 39 (90%) 2 (5%) Anhang 393 Wortpaare A < B _dir A < B _ndir B < A _dir B < A _ndir Fehlende Werte A < B B < A 1. mögen - lieben 25 17 0 0 1 (2%) 42 (98%) 0 2. lieben - anhimmeln 19 5 12 5 2 (5%) 24 (56%) 17 (39%) 3. anhimmeln - anbeten 24 11 6 1 1 (2%) 35 (82%) 7 (16%) Die Anordnung der Wortpaare in der Tabelle erfolgt nach der Wortart von Graduonymen: Zunächst werden nominale graduonymische Wortpaare, anschließend adjektivische und adverbiale, und zum Schluss verbale graduonymische Paare verortet. In der ersten Spalte werden die in der zweiten Spalte angegebenen Wortpaare nach erwarteter Reihenfolge nummeriert und jede neue Gruppe fängt mit einer neuen Nummerierung an. Die weiteren Spalten präsentieren die Häufigkeiten von vier Vergleichsgruppen („A < B“-dir, „A < B“-ndir, „B < A“-dir, „B < A“-ndir). In der Spalte „Fehlende Werte“ werden die fehlenden Werte mit ihren Prozentsätzen aufgeführt. In der vorletzten („A < B“) und letzten („B < A“) Spalte werden die Werte von den „A < B“-dir und „A < B“-ndir sowie „B < A“-dir und „B < A“-ndir summiert und mit prozentualen Häufigkeiten ergänzt. Anhang 4 : Häufigkeitstabelle für die usbekische Umfrage Wortpaare richtig _dir richtig _ndir falsch _dir falsch _ndir Fehlende Werte RICHTIG FALSCH 1. chaqaloq - go’dak 47 1 2 0 0 48 (96%) 2 (4%) 2. go’dak - bola 47 3 0 0 0 50 (100%) 0 3. bola - o’smir 18 29 1 1 1 (2%) 47 (94%) 2 (4%) 4. o’smir - o’spirin 18 0 30 0 2 (4%) 18 (36%) 30 (60%) 1. yigit/ qiz - erkak/ ayol 48 0 1 0 1 (2%) 48 (96%) 1 (2%) 2. erkak/ ayol - chol/ kampir 25 22 0 0 3 (6%) 47 (94%) 0 3. chol/ kampir - keksa 17 6 7 13 7 (14%) 23 (46%) 20 (40%) 4. keksa - qariya 27 3 8 4 8 (16%) 30 (60%) 12 (24%) 1. shabada - shamol 48 0 2 0 0 48 (96%) 2 (4%) 2. shamol - to’fon 35 11 0 0 4 (8%) 46 (92%) 0 Anhang 394 Wortpaare richtig _dir richtig _ndir falsch _dir falsch _ndir Fehlende Werte RICHTIG FALSCH 3. to’fon - to’zon 35 0 2 9 4 (8%) 35 (70%) 11 (22%) 4. to’zon - bo’ron 47 1 2 0 0 48 (96%) 2 (4%) 1. jazirama - issiq 43 1 0 5 1 (2%) 44 (88%) 5 (10%) 2. issiq - iliq 43 0 5 1 1 (2%) 43 (86%) 6 (12%) 3. iliq - salqin 42 7 1 0 0 49 (98%) 1 (2%) 4. salqin - sovuq 41 8 0 0 1 (2%) 49 (98%) 0 5. sovuq - izg’irin 19 15 7 1 8 (16%) 34 (68%) 8 (16%) 6. izg’irin - ayoz 16 8 17 2 7 (14%) 24 (48%) 19 (38%) 7. ayoz - qahraton 20 19 7 1 3 (6%) 39 (78%) 8 (16%) 1. jilg’a - ariq 11 29 1 7 2 (4%) 40 (80%) 8 (16%) 2. ariq - anhor 21 18 9 1 1 (2%) 39 (78%) 10 (20%) 3. anhor - soy 22 7 12 7 2 (4%) 29 (58%) 19 (38%) 4. soy - irmoq 2 6 9 32 1 (2%) 8 (16%) 41 (82%) 5. irmoq - daryo 2 44 1 3 0 46 (92%) 4 (8%) 1. halqob - ko’lmak 12 0 24 3 11 (22%) 12 (24%) 27 (54%) 2. ko’lmak - ko’l 25 23 1 0 1 (2%) 48 (96%) 1 (2%) 3. ko’l - dengiz 41 8 0 0 1 (2%) 49 (98%) 0 4. dengiz - okean 44 1 5 0 0 45 (90%) 5 (10%) 1. quduq - sardoba 12 17 5 1 15 (30%) 29 (58%) 6 (12%) 2. sardoba - hovuz 7 10 14 8 11 (22%) 17 (34%) 22 (44%) 3. hovuz - basseyn 18 3 20 7 2 (4%) 21 (42%) 27 (54%) 4. basseyn - suv ombori 14 28 2 1 5 (10%) 42 (84%) 3 (6%) 1. darcha - eshik 36 7 5 0 2 (4%) 43 (86%) 5 (10%) 2. eshik - darvoza 38 11 0 0 1 (2%) 49 (98%) 0 3. darvoza - qopqa 4 0 8 19 19 (38%) 4 (8%) 27 (54%) 1. xona - xonadon 9 39 1 0 1 (2%) 48 (96%) 1 (2%) 2. xonadon - uy 7 1 23 18 1 (2%) 8 (16%) 41 (82%) 3. uy - hovli 25 22 3 0 0 47 (94%) 3 (6%) 4. hovli - saroy 31 19 0 0 0 50 (100%) 0 Anhang 395 Wortpaare richtig _dir richtig _ndir falsch _dir falsch _ndir Fehlende Werte RICHTIG FALSCH 1. xaroba - kulba 40 2 7 1 0 42 (84%) 8 (16%) 2. kulba - uy 40 6 2 0 2 (4%) 46 (92%) 2 (4%) 3. uy - qasr 13 34 0 0 3 (6%) 47 (94%) 0 4. qasr - koshona 13 0 36 0 1 (2%) 13 (26%) 36 (72%) 1. pinak - mizg’ish 15 13 17 4 1 (2%) 28 (56%) 21 (42%) 2. mizg’ish - mudroq 10 6 24 10 0 16 (32%) 34 (68%) 3. mudroq - uyqu 9 34 1 6 0 43 (86%) 7 (14%) 4. uyqu - g’aflat 35 5 3 6 1 (2%) 40 (80%) 9 (18%) 1. shivirlamoq - pichirlamoq 29 0 15 1 5 (10%) 29 (58%) 16 (32%) 2. pichirlamoq - gapirmoq 33 15 0 0 2 (4%) 48 (96%) 0 3. gapirmoq - baqirmoq 22 27 0 0 1 (2%) 49 (98%) 0 4. baqirmoq - dodlamoq 24 7 16 2 1 (2%) 31 (62%) 18 (36%) 5. dodlamoq - hayqirmoq 17 14 9 9 1 (2%) 31 (62%) 18 (36%) 6. hayqirmoq - o’kirmoq 23 16 5 5 1 (2%) 39 (78%) 10 (20%) 1. ko’zi ilinmoq - pinakka ketmoq 15 26 5 3 1 (2%) 41 (82%) 8 (16%) 2. pinakka ketmoq - mizg’imoq 13 7 14 15 1 (2%) 20 (40%) 29 (58%) 3. mizg’imoq - mudramoq 18 2 15 14 1 (2%) 20 (40%) 29 (58%) 4. mudramoq - uxlamoq 12 33 0 3 2 (4%) 45 (90%) 3 (6%) 5. uxlamoq - dong qotmoq 38 6 3 0 3 (6%) 44 (88%) 3 (6%) 1. odimlamoq - imillab yurmoq 5 2 29 14 0 7 (14%) 43 (86%) 2. imillab yurmoq - yurmoq 15 26 6 0 3 (6%) 41 (82%) 6 (12%) Anhang 396 Wortpaare richtig _dir richtig _ndir falsch _dir falsch _ndir Fehlende Werte RICHTIG FALSCH 3. yurmoq - chopqillamoq 5 37 0 2 6 (12%) 42 (84%) 2 (4%) 4. chopqillamoq - chopmoq 23 6 14 4 3 (6%) 29 (58%) 18 (36%) 5. chopmoq - yugurmoq 7 8 11 18 6 (12%) 15 (30%) 29 (58%) 6. yugurmoq - g’izillamoq 10 16 6 8 10 (20%) 26 (52%) 14 (28%) 7. g’izillamoq - yelmoq 19 12 5 6 8 (16%) 31 (62%) 11 (22%) 1. ko’ziga yosh to’lmoq - yig’lamsiramoq 26 0 24 0 0 26 (52%) 24 (48%) 2. yig’lamsiramoq - yig’lamoq 22 28 0 0 0 50 (100%) 0 3. yig’lamoq - ho’ngramoq 44 2 4 0 0 46 (92%) 4 (8%) 4. ho’ngramoq - uvvos solmoq 44 4 2 0 0 48 (96%) 2 (4%) 1. yoqtirmoq - yaxshi ko’rmoq 21 18 5 4 2 (4%) 39 (78%) 9 (18%) 2. yaxshi ko’rmoq - maftun bo’lmoq 5 16 3 24 2 (4%) 21 (42%) 27 (54%) 3. maftun bo’lmoq- ko’ngil bermoq 18 18 9 5 0 36 (72%) 14 (28%) 4. ko’ngil bermoq - suymoq 13 20 7 8 2 (4%) 33 (66%) 15 (30%) 5. suymoq - sevmoq 26 13 6 3 2 (4%) 39 (78%) 9 (18%) 1. tabassum qilmoq - kulimsiramoq 11 3 11 24 1 (2%) 14 (28%) 35 (70%) 2. kulimsiramoq - jilmaymoq 23 3 15 9 0 26 (52%) 24 (48%) 3. jilmaymoq - kulmoq 6 42 1 0 1 (2%) 48 (96%) 1 (2%) 4. kulmoq - qiqirlamoq 19 3 24 3 1 (2%) 22 (44%) 27 (54%) 5. qiqirlamoq - xandon urmoq 14 32 0 0 4 (8%) 46 (92%) 0 6. xandon urmoq - qah-qah urmoq 23 0 19 2 6 (12%) 23 (46%) 21 (42%) Anhang 397 Wortpaare richtig _dir richtig _ndir falsch _dir falsch _ndir Fehlende Werte RICHTIG FALSCH 1. istarali - yoqimtoy 27 14 5 4 0 41 (82%) 9 (18%) 2. yoqimtoy - kelishgan 20 7 14 9 0 27 (54%) 23 (46%) 3. kelishgan - chiroyli 15 21 4 7 3 (6%) 36 (72%) 11 (22%) 4. chiroyli - go’zal 31 9 5 2 3 (6%) 40 (80%) 7 (14%) 5. go’zal - sohibjamol 31 8 8 2 1 (2%) 39 (78%) 10 (20%) 1. layoqatli - qobiliyatli 25 16 4 1 4 (8%) 41 (82%) 5 (10%) 2. qobiliyatli - iqtidorli 19 14 7 7 3 (6%) 33 (66%) 14 (28%) 3. iqtidorli - iste’dodli 22 4 16 8 0 26 (52%) 24 (48%) 4. iste’dodli - zukko 18 27 1 3 1 (2%) 45 (90%) 4 (8%) 5. zukko - daho 43 4 0 0 3 (6%) 47 (94%) 0 1. past - kichik 27 1 17 0 5 (10%) 28 (56%) 17 (34%) 2. kichik - o’rtacha 24 16 2 2 6 (12%) 40 (80%) 4 (8%) 3. o’rtacha - katta 37 6 0 0 7 (14%) 43 (86%) 0 4. katta - baland 40 0 4 0 6 (12%) 40 (80%) 4 (8%) 5. baland - osmono’par 44 4 0 0 2 (4%) 48 (96%) 0 Studien zur Deutschen Sprache Forschungen des Instituts für Deutsche Sprache herausgegeben von Arnulf Deppermann, Stefan Engelberg und Angelika Wöllstein Aktuelle Bände: Frühere Bände finden Sie unter: http: / / www.narr-shop.de/ reihen/ s/ studien-zurdeutschen-sprache.html 43 Manfred W. Hellmann Das einigende Band? Beiträge zum sprachlichen Ost-West-Problem im geteilten und im wiedervereinigten Deutschland. Herausgegeben von Dieter Herberg 2008, 563 Seiten €[D] 98, - ISBN 978-3-8233-6385-9 44 Ludwig M. Eichinger / Meike Meliss / Maria José Dominguez Vázquez (Hrsg.) Wortbildung heute Tendenzen und Kontraste in der deutschen Gegenwartssprache 2008, 356 Seiten €[D] 72, - ISBN 978-3-8233-6386-6 45 Heidrun Kämper / Annette Klosa / Oda Vietze (Hrsg.) Aufklärer, Sprachgelehrter, Didaktiker Johann Christoph Adelung (1732-1806) 2008, 293 Seiten €[D] 72, - ISBN 978-3-8233-6401-6 46 Ludwig M. Eichinger / Albrecht Plewnia (Hrsg.) Das Deutsche und seine Nachbarn Über Identitäten und Mehrsprachigkeit 2008, 184 Seiten €[D] 72, - ISBN 978-3-8233-6437-5 47 Lorenza Mondada / Reinhold Schmitt (Hrsg.) Situationseröffnungen Zur multimodalen Herstellung fokussierter Interaktion 2010, 386 Seiten €[D] 78, - ISBN 978-3-8233-6438-2 48 Hardarik Blühdorn Negation im Deutschen Syntax, Informationsstruktur, Semantik 2012, 482 Seiten €[D] 98, - ISBN 978-3-8233-6444-3 49 Wolf-Andreas Liebert / Horst Schwinn (Hrsg.) Mit Bezug auf Sprache Festschrift für Rainer Wimmer 2009, 584 Seiten €[D] 98, - ISBN 978-3-8233-6470-2 50 Daniela Heidtmann Multimodalität der Kooperation im Lehr-Lern-Diskurs Wie Ideen für Filme entstehen 2009, 340 Seiten €[D] 78, - ISBN 978-3-8233-6471-9 51 Ibrahim Cindark Migration, Sprache und Rassismus Der kommunikative Sozialstil der Mannheimer „Unmündigen“ als Fallstudie für die „emanzipatorischen Migranten“ 2010, 283 Seiten €[D] 72, - ISBN 978-3-8233-6518-1 52 Arnulf Deppermann / Ulrich Reitemeier / Reinhold Schmitt / Thomas Spranz-Fogasy Verstehen in professionellen Handlungsfeldern 2010, 392 Seiten €[D] 88, - ISBN 978-3-8233-6519-8 53 Gisella Ferraresi Konnektoren im Deutschen und im Sprachvergleich Beschreibung und grammatische Analyse 2011, 350 Seiten €[D] 78, - ISBN 978-3-8233-6558-7 54 Anna Volodina Konditionalität und Kausalität im Deutschen Eine korpuslinguistische Studie zum Einfluss von Syntax und Prosodie auf die Interpretation komplexer Äußerungen 2011, 288 Seiten €[D] 78, - ISBN 978-3-8233-6559-4 55 Annette Klosa (Hrsg.) elexiko Erfahrungsberichte aus der lexikografischen Praxis eines Internetwörterbuchs 2011, 211 Seiten €[D] 72, - ISBN 978-3-8233-6599-0 56 Antje Töpel Der Definitionswortschatz im einsprachigen Lernerwörterbuch des Deutschen Anspruch und Wirklichkeit 2011, 432 Seiten €[D] 98, - ISBN 978-3-8233-6631-7 57 Ludwig M. Eichinger / Albrecht Plewnia / Melanie Steinle (Hrsg.) Sprache und Integration Über Mehrsprachigkeit und Migration 2011, 253 Seiten €[D] 72, - ISBN 978-3-8233-6632-4 58 Inken Keim / Necmiye Ceylan / Sibel Ocak / Emran Sirim Heirat und Migration aus der Türkei Biografische Erzählungen junger Frauen 2012, 343 Seiten €[D] 49, - ISBN 978-3-8233-6633-1 59 Magdalena Witwicka-Iwanowska Artikelgebrauch im Deutschen Eine Analyse aus der Perspektive des Polnischen 2012, 230 Seiten 72, - ISBN 978-3-8233-6703-1 60 Kathrin Steyer (Hrsg.) Sprichwörter multilingual Theoretische, empirische und angewandte Aspekte der modernen Parömiologie 2012, 470 Seiten €[D] 98, - ISBN 978-3-8233-6704-8 61 Ludwig M. Eichinger / Albrecht Plewnia / Christiane Schoel / Dagmar Stahlberg (Hrsg.) Sprache und Einstellungen Spracheinstellungen aus sprachwissenschaftlicher und sozialpsychologischer Perspektive. Mit einer Sprachstandserhebung zum Deutschen von Gerhard Stickel 2012, 370 Seiten €[D] 88, - ISBN 978-3-8233-6705-5 62 Heiko Hausendorf / Lorenza Mondada / Reinhold Schmitt (Hrsg.) Raum als interaktive Ressource 2012, 400 Seiten €[D] 88, - ISBN 978-3-8233-6706-2 63 Annette Klosa (Hrsg.) Wortbildung im elektronischen Wörterbuch 2013, 279 Seiten €[D] 78, - ISBN 978-3-8233-6737-6 64 Reinhold Schmitt Körperlich-räumliche Aspekte der Interaktion 2013, II, 334 Seiten €[D] 88, - ISBN 978-3-8233-6738-3 65 Kathrin Steyer Usuelle Wortverbindungen Zentrale Muster des Sprachgebrauchs aus korpusanalytischer Sicht 2014, II, 390 Seiten €[D] 88, - ISBN 978-3-8233-6806-9 66 Iva Kratochvílová / Norbert Richard Wolf (Hrsg.) Grundlagen einer sprachwissenschaftlichen Quellenkunde 2013, 384 Seiten €[D] 88, - ISBN 978-3-8233-6836-6 67 Katrin Hein Phrasenkomposita im Deutschen Empirische Untersuchung und konstruktionsgrammatische Modellierung 2015, 510 Seiten €[D] 98, - ISBN 978-3-8233-6921-9 68 Stefan Engelberg / Meike Meliss / Kristel Proost / Edeltraud Winkler (Hrsg.) Argumentstruktur zwischen Valenz und Konstruktion 2015, 497 Seiten €[D] 128, - ISBN 978-3-8233-6960-8 69 Nofiza Vohidova Lexikalisch-semantische Graduonymie Eine empirisch basierte Arbeit zur lexikalischen Semantik 2016, ca. 340 Seiten €[D] ca. 88, - ISBN 978-3-8233-6959-2 70 Marek Konopka / Eric Fuß Genitiv im Korpus Untersuchungen zur starken Flexion des Nomens im Deutschen 2016, 283 Seiten €[D] 108, - ISBN 978-3-8233-8024-5 71 Eva-Maria Putzier Wissen - Sprache - Raum Zur Multimodalität der Interaktion im Chemieunterricht 2016, 282 Seiten €[D] 108, - ISBN 978-3-8233-8032-0 72 Heiko Hausendorf / Reinhold Schmitt / Wolfgang Kesselheim Interaktionsarchitektur, Sozialtopographie und Interaktionsraum 2016, 452 Seiten €[D] 138, - ISBN 978-3-8233-8070-2 Dieser Band befasst sich mit der Problematik gradueller Bedeutungsbeziehungen in der Sprache und verfolgt das Ziel, die aufgrund der graduellen Opposition in Paradigmen formierten Wörter als eigenständigen Relationstyp der lexikalischen Semantik zu unterscheiden, ihn theoretisch herauszuarbeiten und empirisch zu fundieren. Diese Relation wird analog der terminologischen Tradition der „-nymie“-Relationen als Graduonymie bezeichnet. Mit verschiedenen empirischen Methoden wie der webbasierten Sprecherbefragung, Korpusanalysen, systematischen Tests und Kontrastierung mit dem Usbekischen werden die Validität und Stabilität der Daten überprüft. Der Vergleich der Methoden hat sich als erfolgreich erwiesen.