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Manifestationen der Mehrsprachigkeit und Ausdrucksformen des 'Fremden' in deutschsprachigen literarischen Texten

2016
978-3-8233-9013-8
Gunter Narr Verlag 
Bianka Burka

Der Band beschäftigt sich mit Manifestationen der Mehrsprachigkeit und Ausdrucksformen des 'Fremden' in deutschsprachigen literarischen Texten - am Beispiel von Terézia Moras Werken. Dem interdisziplinären Charakter entsprechend werden dabei neben linguistischen auch literaturwissenschaftliche Aspekte miteinbezogen. Im Bereich der Mehrsprachigkeit werden Erscheinungsformen verschiedener Sprach(varietät)en in den Werken "Seltsame Materie", "Alle Tage" und "Der einzige Mann auf dem Kontinent" im Hinblick auf die dargestellten Situationen bzw. die deutschsprachigen Textkontexte untersucht und ihre möglichen Funktionen bzw. Wirkungen beschrieben. Dabei wird auch darauf eingegangen, wie bestimmte intertextuelle Aspekte mit interkulturellen Aspekten in Verbindung gebracht werden können. Am Beispiel von "Seltsame Materie" und "Alle Tage" wird überdies gezeigt, mit welchen sprachlichen Mitteln das Anderssein oder die Fremdheit ausgewählter Figuren und bestimmter Sprachen veranschaulicht wird.

Beiträge zur Interkulturellen Germanistik Herausgegeben von Csaba Földes Band 6 Bianka Burka Manifestationen der Mehrsprachigkeit und Ausdrucksformen des ,Fremden‘ in deutschsprachigen literarischen Texten Exemplifiziert am Beispiel von Terézia Moras Werken Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie, detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http: / / dnb.d-nb.de abrufbar. © 2016 · Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG Dischingerweg 5 · D-72070 Tübingen Das Werk ist einschließlich aller seiner Teile urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Internet: www.narr.de E-Mail: info@narr.de Druck: Universitätsdruckerei der Pannonischen Universität Veszprém Arbeitsnummer: 2016/ 3 Printed in Hungary ISSN: 2190-3425 ISBN: 978-3-8233-8013-9 Inhalt Vorwort des Herausgebers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IX Danksagung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XI 1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 1.1 Abgrenzung des Themas . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 1.2 Forschungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 1.2.1 „Seltsame Materie“ − Konzepte in der Forschungsliteratur . . . . . . 3 1.2.1.1 Die Themenbereiche Andersheit und Fremdheit . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 1.2.1.2 Erzählweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 1.2.1.3 Sprachliche Aspekte und Aspekte der Rezeption . . . . . . . . . . . . . . . . 5 1.2.2 „Alle Tage“ − Konzepte in der Forschungsliteratur . . . . . . . . . . . . . . 6 1.2.2.1 Die Andersheit der Hauptfigur und Fragen ihrer Identität . . . . . . . 6 1.2.2.2 Großstädtische Gewalt und Orientierungslosigkeit . . . . . . . . . . . . . 9 1.2.2.3 Erzählweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10 1.2.2.4 Sprachliche Aspekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 1.2.3 „Der einzige Mann auf dem Kontinent“ − Konzepte in der Forschungsliteratur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 1.3 Zielsetzung und Forschungsfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 1.4 Aufbau der Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 THEORETISCH-METHODOLOGISCHE FUNDIERUNG 2 Methoden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 3 Untersuchung der Mehrsprachigkeit in literarischen Texten: Möglichkeiten und Konzepte . . . . 23 3.1 Terminologischer Hintergrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 3.2 Begriffe in der Forschungsgeschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 3.3 Das interkulturelle Potenzial in literarischen Texten . . . . . . . . . . . . . 33 3.3.1 Konzepte von Interkulturalität in der Sprache und in der Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 Inhalt VI 3.3.2 Darstellungsweise als interkultureller Aspekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 3.3.3 „Interkulturelle Erfahrungen“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 3.3.4 Interkulturelle Aspekte im Thema und in der Sprache . . . . . . . . . . . 36 3.3.5 „Interkulturelles Gedächtnis“ und „Sprachlatenz“ . . . . . . . . . . . . . . . . 38 3.3.6 Das Motiv und die Bedeutung der Reise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 3.3.7 Narrative Texte und Interkulturalität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 3.3.8 Interkulturelle Aspekte auf verschiedenen Ebenen . . . . . . . . . . . . . . . 40 3.4 Wahl der literarischen Sprache - zur Sprachwahl mehrsprachiger Autor(inn)en . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 3.5 Sprach(varietät)en in literarischen Texten - Erscheinungsformen und Funktionen in Textkontexten . . . . . . . . . . 44 3.5.1 Verschiedene Sprachen in der Literatur weltweit . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 3.5.2 Elemente der Mehrsprachigkeit auf verschiedenen Ebenen . . . . . . 46 3.5.3 Aufnahme und Funktionen verschiedener Sprach(varietät)en in Textkontexten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 3.5.4 Typographische Hervorhebungen und ihre Funktionen . . . . . . . . . . 57 3.5.5 Auftreten und Funktion von Varietäten der angewandten Sprache . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 4 Die Termini ‚Eigenes‘, ‚Anderes‘ und ‚Fremdes‘ . . . . . . . . . . . 61 4.1 Einstellungen aus der Sicht der Sozialpsychologie und der Psychologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 4.2 Sprache und Identität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 4.3 ‚Fremdes‘ in literarischen Texten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 5 Terminologische Abgrenzungen für die Analyse . . . . . . . . . . 73 6 Textgrundlage: Die Autorin Terézia Mora und die Thematik ihrer Texte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 6.1 Terézia Mora - die Autorin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 6.2 Die Erzählungen von „Seltsame Materie“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 6.3 Der Roman „Alle Tage“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 6.4 Der Roman „Der einzige Mann auf dem Kontinent“ . . . . . . . . . . . . . . 80 Inhalt VII EMPIRISCHE BEFUNDE 7 Manifestationen der Mehrsprachigkeit in den ausgewählten Texten - Erscheinungsformen und Funktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 7.1 Fremdsprachige Elemente zur Veranschaulichung des Fremdsprachenlernens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 7.2 Elemente anderer Sprachen zur Veranschaulichung von Vermittlungssprachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 7.2.1 Die Suche nach einer Vermittlungssprache ‒ der Einsatz mehrerer Sprachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 7.2.2 Das Englische als Vermittlungssprache ‒ Darstellung der mündlichen Kommunikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 7.2.3 Das Englische in imaginären Gesprächen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 7.2.4 Das Englische als Vermittlungssprache ‒ Darstellung der schriftlichen Kommunikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 7.2.5 Das Deutsche als Vermittlungssprache in der Darstellung der schriftlichen Kommunikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 7.2.6 Missverständnis in der Kommunikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 7.2.7 Englische Ausdrücke als sprachliche Manifestationen im Berufsleben und in der Alltagskommunikation . . . . . . . . . . . . . . . 104 7.3 Das Englische in Nachrichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 7.4 Termini nach auftretenden Sachbereichen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 7.4.1 Termini der Computersprache . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 7.4.2 Fachspezifische Termini aus dem sozioökonomischen Bereich . . . 113 7.4.3 Termini der Anatomie und der Linguistik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 7.4.4 Termini der Botanik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 7.4.5 Lateinische Wörter im Zusammenhang mit der Kirche . . . . . . . . . . . 117 7.4.6 Termini der Gastronomie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 7.5 Elemente anderer Sprachen zur Darstellung des mehrsprachigen Hintergrundes und der Sprachkenntnisse von Figuren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 7.5.1 Sprachliche Manifestationen der Expressivität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 7.5.2 Häufig vorkommende Elemente aus dem Englischen im deutschen Kontext . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 7.5.3 Konstantin und das Französische . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 7.5.4 Abel Nemas Mehrsprachigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 7.5.4.1 Elemente anderer Sprachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 7.5.4.2 Künstliche Sprachenmischung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 Inhalt VIII 7.5.5 Verschiedene Orte ‒ verschiedene Sprachen Sprachwahl im Hinblick auf die dargestellten Orte . . . . . . . . . . . . . . . 133 7.5.6 Französische Elemente als Verweis auf den Aufenthaltsort des Gesprächspartners . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 7.5.7 Träger der sprachlichen Andersheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 7.6 Fremdsprachige Elemente zur Veranschaulichung der Distanzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 7.7 Manifestationen der Mehrsprachigkeit in Form von Liedtiteln, Liedbzw. Gedichtzeilen und Zitaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 7.7.1 Intertextuelle Elemente − Auftreten auf Deutsch . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 7.7.2 Lieder als fremdsprachige Elemente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 7.8 Personennamen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 8 Sprachliche Ausdrucksformen von ‚Anderem‘ und ‚Fremdem‘ in den ausgewählten Texten . . . . . . . . . . . . . . 163 8.1 Sprachliche Manifestationen von Einstellungen gegenüber Figuren mit anderer Herkunft und gegenüber ihrer Muttersprache . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 8.2 Sprachliche Merkmale der Entgrenzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 8.2.1 Vermeidung der Angabe von Toponymen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 8.2.2 Vermeidung von Zeitangaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 8.2.3 Vermeidung der Angabe von Sprachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 9 Zusammenfassung und Forschungsergebnisse . . . . . . . . . . . . 187 10 Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 11 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195 12 Anhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 12.1 Weitere kulturspezifische Elemente in den Texten . . . . . . . . . . . . . . . 215 12.2 Interview mit der Schriftstellerin und Übersetzerin Terézia Mora (geführt von Bianka Burka in Berlin, am 15. November 2010) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 Vorwort des Herausgebers Die vorliegende Monographie von Frau Dr. Bianka Burka, wiss. Assistentin am Institut für Germanistik und Translationswissenschaft der Pannonischen Universität Veszprém (Ungarn), stellt die überarbeitete und erweiterte Fassung ihrer gleichnamigen Dissertation dar, die sie unter meiner Betreuung im Dezember 2011 im Rahmen des Sprachwissenschaftlichen Graduiertenkollegs in Veszprém abgeschlossen hat. Ihre Arbeit ist inhaltlich im Rahmen der interkulturellen Linguistik zu verorten, dabei weist sie jedoch auch in hohem Maße interdisziplinären Charakter auf, indem sie das Vorkommen verschiedener Sprach(varietät)en in ausgewählten literarischen Werken mit einem doppelten Erkenntnisziel untersucht: (1) Zum einen will die Arbeit aufzeigen, wie sich das Kulturphänomen Mehrsprachigkeit in Terézia Moras Texten „Seltsame Materie“, „Alle Tage“ und „Der einzige Mann auf dem Kontinent“ manifestiert. Dazu beschreibt sie, welche Funktionen bzw. Wirkungen Erscheinungsformen der Mehrsprachigkeit in diesen Texten ausüben können. (2) Zum anderen werden sprachliche Ausdrucksformen von ,Fremdem‘ empirisch ermittelt und analysiert. Dabei wird vor allem auf lexikalische Mittel fokussiert, mit denen die ,Andersheit‘ oder die ,Fremdheit‘ ausgewählter Figuren und bestimmter Sprachen zum Ausdruck kommt. In Bezug auf die erste Zielsetzung wird anhand von Beispielen präzise herausgearbeitet, wie verschiedene Sprach(varietät)en in den ausgewählten Werken im Hinblick auf die dargestellten Situationen und Textkontexte erscheinen und welche sprachlich-thematische Rolle sie jeweils in ihrem textuellen Umfeld einnehmen. Bezüglich der zweiten Zielsetzung wird zudem empirisch erschlossen, wie das ,Andere‘ oder das ,Fremde‘ durch die Identifizierung und Beschreibung sprachlicher Manifestationen von Einstellungen erfasst werden kann. Material und Ergebnisse der Arbeit können für mehrere Disziplinen von Interesse sein: Einerseits trägt die konzeptionell und methodologisch sorgfältig durchgeführte Analyse zum internationalen Forschungsdialog über die Mehrsprachigkeit bzw. den Einsatz verschiedener Sprach(varietät)en in literarischen Texten bei. Anderseits leistet die Untersuchung speziell zur Erforschung sprachlich-thematischer Aspekte von Werken der Autorin Terézia Mora einen Beitrag. Vorwort des Herausgebers X Sowohl als Doktorvater wie auch als Herausgeber der Beiträge zur Interkulturellen Germanistik freue ich mich sehr, den Leser(inne)n als Band 6 der Reihe eine mehrperspektivische Abhandlung von Bianka Burka empfehlen zu können, die nicht nur im Hinblick auf die Erforschung von Details, sondern auch zum Gesamtkontext des inhaltlich-literarischen Horizonts der behandelten Texte manch relevanten Impuls liefert. Erfurt, im Dezember 2015 Csaba Földes Danksagung Die vorliegende Arbeit stellt eine überarbeitete und erweiterte Fassung meiner Dissertation dar, die im Dezember 2011 an der Pannonischen Universität Veszprém verteidigt wurde. An dieser Stelle möchte ich mich bei all denen bedanken, die mit ihren Anmerkungen und Ratschlägen zu meiner Untersuchung beigetragen haben. Vor allem möchte ich mich bei meinem Doktorvater, Prof. Dr. Dr. Csaba Földes (Erfurt/ Veszprém), dafür bedanken, dass er in konstruktiven Gesprächen mit seinen Fragen, Bemerkungen und Ratschlägen meine Untersuchung immer gefördert hat. Hiermit danke ich ihm auch für die Aufnahme meiner Arbeit in die Reihe Beiträge zur Interkulturellen Germanistik. In Bezug auf die Forschungsarbeit waren ebenso die Stipendien- und Forschungsaufenthalte in Deutschland sehr hilfreich. In diesem Zusammenhang gilt mein besonderer Dank der Fritz Thyssen Stiftung für die Förderung meines Forschungsaufenthalts an der Universität Erfurt zum Thema „Sprach(varietät)en in deutschsprachigen literarischen Texten anhand ausgewählter Beispiele“, in dessen Rahmen ich auch an der Erweiterung meiner Dissertation arbeiten konnte. Dank gebührt den Gutachterinnen meiner Dissertation, Dr. habil. Zsuzsanna Gácsi-Iványi (Debrecen), Dr. Erika Kegyes (Miskolc) und Dr. Anikó Zsigmond (Veszprém) für ihre Gutachten und für ihre Vorschläge. Für Vorschläge danke ich des Weiteren Dr. Attila Németh (Veszprém), Dr. László V. Szabó (Veszprém), Dr. Anikó Szilágyi-Kósa (Veszprém) und Dr. László Katona (Budapest). Bei Dr. Attila Németh möchte ich mich auch für seine Hilfe bei der Formatierungsarbeit bedanken. Für die sprachlich-stilistischen Hinweise geht mein Dank an Johanna Backes (Veszprém). An dieser Stelle bedanke ich mich bei der Autorin Terézia Mora für das Interview, das ich mit ihr führen durfte. Besonders dankbar bin ich auch meinen Eltern, meinem Verlobten und meinen Freunden, die mich immer unterstützen ‒ so auch während dieser Untersuchung. Veszprém, im Dezember 2015 Bianka Burka 1 Einleitung 1.1 Abgrenzung des Themas Die vorliegende Arbeit ist die überarbeitete und erweiterte Fassung meiner gleichnamigen Dissertation, deren Gegenstand Manifestationen der Mehrsprachigkeit und sprachliche Ausdrucksformen des ,Fremden‘ in deutschsprachigen literarischen Texten sind. Sie werden anhand von drei Werken der zweisprachigen, deutsch schreibenden Autorin Terézia Mora exemplifiziert: „Seltsame Materie“, „Alle Tage“ und „Der einzige Mann auf dem Kontinent“. In Bezug auf die Mehrsprachigkeit wird hier auf die Verwendung von Elementen verschiedener Sprach(varietät)en in den untersuchten deutschsprachigen Werken eingegangen, für deren Untersuchung die oben genannten Werke in ihrer sprachlich-thematischen Gestaltung besonders geeignet sind: Mora verwendet nämlich 1. Elemente aus anderen Sprachen (u.a. der französischen, englischen, russischen und ungarischen) innerhalb eines deutschsprachigen Textkontextes und übersetzt 2. Elemente aus Texten anderer Sprachen im Sinne von Intertextualität ins Deutsche. Beide Formen werden hier als Phänomene der Mehrsprachigkeit behandelt. Da sie in literarischen Texten vorkommen, werden sie vor der Folie thematischer Aspekte der erzählten Geschichten untersucht, in denen sie auftreten. Ferner werden die unter 2. genannten intertextuellen Elemente in „Seltsame Materie“ und „Alle Tage“ anhand von Beispielen vorgestellt und mit ihren ungarischen Übersetzungen verglichen, wobei gezeigt wird, wie Aspekte einer anderen Sprachkultur innerhalb der beiden auf Deutsch verfassten Werke erscheinen. In der Arbeit sollen Elemente verschiedener Sprach- (varietät)en in den untersuchten Texten im Hinblick auf ihr Funktionspotenzial und auf ihre mögliche Wirkung beschrieben werden. Dementsprechend wird darauf fokussiert, welche sprachlich-thematische Funktion die untersuchten Elemente in ihrer jeweiligen Textumgebung einnehmen. Diese Untersuchung der oben skizzierten sprachlichen Aspekte wird an relevanten Stellen auch mit möglichen Wirkungen ergänzt, die bestimmte Sprach(varietät)en in den deutschsprachigen Texten ausüben können. Es fällt auf, dass es immer mehr Publikationen gibt, in denen verschiedene Sprach(varietät)en in literarischen Texten analysiert werden und somit Aspekte der Mehrsprachigkeit ins Blickfeld geraten (siehe z.B. Ayad 1980, Gelber 1986, Richter 1995, Heinemann 1998, Hein-Khatib 1998, Riatsch 1998, Stiehler 2000, Einleitung 2 Knauth 2004, Gymnich 2007, Cornejo 2010b, Straňáková 2010, Zierau 2010, Kilchmann 2012b, Schneider-Özbek 2012). Bezüglich von Moras Texten ist zu sehen, dass in ihrer bisherigen Erforschung verschiedenen thematischen Aspekten, den in den Texten verwendeten Erzählverfahren und der Intertextualität große Aufmerksamkeit gewidmet wurde. Daneben wurden auch Elemente anderer Sprachen in ihnen von Szabó (2001), Tatasciore (2009, 2012), Kegelmann (2010) und Lengl (2012) thematisiert, wobei hier in erster Linie der Einfluss des Ungarischen bzw. bestimmte Elemente des Ungarischen im Fokus standen. Neben diesen Verweisen auf die ungarische Sprache wird von Lengl (2012: 49) in Moras Roman „Alle Tage“ auch die Miteinbeziehung von Aspekten des „literarische[n] Gedächtnis[ses] mittel- und osteuropäischer Sprachen“ behandelt. In der vorliegenden Arbeit werden neben den ungarischen Elementen diese Aspekte mit Manifestationen anderer Sprach(varietät)en in den drei oben genannten Werken erweitert, die hier mit Fokus auf ihre Erscheinungsformen und auf die von ihnen erfüllten inhaltlichen Rollen, möglichen Funktionen bzw. Wirkungen untersucht werden sollen. Einen weiteren wichtigen Teil bildet die empirische Analyse sprachlicher Ausdrucksformen des ,Fremden‘ in den untersuchten Texten. Dabei werden in erster Linie zwei Trägertypen des ,Fremden‘ fokussiert: Zum einen werden sprachliche Ausdrucksformen des ,Fremden‘ in deutschen Wortformen untersucht, die u.a. die Andersheit oder Fremdheit von Figuren bzw. ihrer Sprachen veranschaulichen. Zum anderen wird ,Anderes‘ bzw. ,Fremdes‘ als mögliche Wirkung von einigen Manifestationen der Mehrsprachigkeit untersucht und somit im Bereich von Erscheinungsformen verschiedener Sprach(varietät)en in den Texten behandelt. 1.2 Forschungsstand Werke der Autorin wurden in der in erster Linie literaturwissenschaftlichen Forschungsliteratur bereits unter verschiedenen Gesichtspunkten untersucht, wobei sowohl inhaltliche als auch erzähltechnische und sprachliche Aspekte berücksichtigt wurden. Als Schwerpunkte fallen die Themen Anderssein, Außenseitertum, Fremdheit, Sprache, Identität und Gewalt auf, die sowohl im Hinblick auf die Kurzgeschichten des Erzählbandes „Seltsame Materie“ als auch im Roman „Alle Tage“ untersucht wurden. 1 Hierzu lässt sich feststellen, dass die __________ 1 Die Themen „Gewalt“ und „Fremdheit“ sind in den ersten beiden Werken auch laut der Autorin „dominant“: „[…] [I]nsbesondere bei ,Seltsame Materie‘ musste ich noch diesen Schock verwinden, neunzehn Jahre lang irgendwo gelebt zu haben, wo ich Forschungsstand 3 letzten drei der genannten Themenkomplexe in enger Verbindung mit der Darstellung von Anderssein und Fremdheit von Figuren bzw. von Schauplätzen stehen und dementsprechend auch einen Beitrag zur Analyse von Anderssein und Fremdheit auf der thematischen Ebene leisten können. 1.2.1 „Seltsame Materie“ − Konzepte in der Forschungsliteratur 1.2.1.1 Die Themenbereiche Andersheit und Fremdheit Mehrere Beiträge behandeln die Themen Andersheit und Fremdheit in den Erzählungen des Bandes im Hinblick auf die Andersheit und das Außenseitertum von Figuren und ihrer Familien. Dabei wird ihre Ausgrenzung und oft aussichtslose Situation anhand inhaltlicher Bezüge dargestellt (vgl. z.B. Straňáková 2003, Mansbrügge 2005, Albrecht 2009, Schlicht 2009, Meixner 2011). Im Hinblick auf die Darstellung ihrer Situation wird der in den Kurzgeschichten entworfenen Gewalt, Provinzialität, Kleingeistigkeit und dem Gefühl des Außenseitertums Aufmerksamkeit geschenkt. 2 In diesem Zusammenhang beschäftigen sich die verschiedenen Analysen auch mit Gewaltstrukturen in den erzählten Geschichten bzw. mit der Gewalt in den Familien (siehe dazu Straňáková 2003). 3 Neben der Kleingeistigkeit und Provinzialität erscheint auch das Motiv der Grenze als ein zentrales thematisches Element (siehe Prutti 2006 und Propszt 2007). Allerdings wird unter Grenze hier nicht nur eine Grenze im Sinne einer Staatsgrenze verstanden (Propszt 2007). Das Motiv der Grenze bezieht sich auch auf die Ausgrenzung des Anderen oder Fremden seitens der Dorfbewohner, was laut Tatasciore eine Form von „psychischer“ Gewalt darstelle und mit dem Motiv Grenze assoziiert im Text erscheine (Tatasciore 2012: __________ überhaupt nicht hinpasste, und wo ich um mein Leben fürchtete. Und wenn das die ersten neunzehn Jahre im Leben eines Menschen sind, dann wird das bleiben, fürchte ich, bis zum Schluss. Bei ,Alle Tage‘ ist es eben so, dass im Hintergrund der Geschichte oder der Figur, die erzählt wird, ein Krieg steht. Dann gehört Gewalt einfach zum Thema.“ („Schriftstellerin zu sein und in seinem Leben anwesend sein, ist für mich ein“. Ein Gespräch mit Terézia Mora von Anke Biendarra. http: / / www. literaturkritik.de/ public/ rezension.php? rez_id=11845, letzter Zugriff am 13.03.2014). 2 Siehe z.B. die Publikationen von Straňáková (2003), Geier (2006), Schlicht (2009). 3 Diesbezüglich wird anhand inhaltlicher Aspekte aufgezeigt, dass die Figuren in den meisten Fällen auch in ihrer Familie keine Geborgenheit finden (vgl. Straňáková 2003: 69), die aufgrund der Argumentation von Straňáková (2003: 69) als „Zweckgemeinschaft[en]“ fungieren, sie erscheinen an bestimmten Stellen in der Interpretation von Schlicht als „Orte ohne Liebe“ (Schlicht 2009: 84). Einleitung 4 223). Diese Art der Ausgrenzung, 4 die Dimensionen des Andersseins, der Gewalt oder der Abhängigkeit der Figuren untereinander werden nicht nur als für den gesamten Band charakteristische thematische Elemente angesprochen, sondern auch im Kontext einzelner Erzählungen hervorgehoben. 5 Dabei behandelt Albrecht Bilder der Fremdheit im Zusammenhang mit „interkulturelle[n] Erfahrungen“ (Albrecht 2009: 263), die mögliche Aspekte bilden, anhand derer inhaltliche Verbindungen mit anderen Werken aufgezeigt werden. 6 So erläutert Hermann gemeinsame Züge und Unterschiede des Erzählbandes mit Herta Müllers „Niederungen“ und Zsuzsa Bánks „Der Schwimmer“ hinsichtlich der Gestaltung von Fremdheit und Provinzialität. Dabei zieht sie auch die Rezeption von „Seltsame Materie“ im Rahmen des deutschen Literaturbetriebs mit ein (siehe Hermann 2007). Im Hinblick auf die Fremdheit wird sich ferner der Sprache in der Thematik der untersuchten Texte angenähert (siehe z.B. Kegelmann 2008 und Albrecht 2009). Die in der Forschungslandschaft unter mehreren Gesichtspunkten angenäherte Thematik der Geschichten wird in der vorliegenden Arbeit in die Untersuchung von Elementen verschiedener Sprachen in ihnen nach zwei Hauptaspekten miteinbezogen: Zum einen werden hier die Sprachen, die sich in Form fremdsprachiger Elemente manifestieren, in Bezug auf ihre Integration in ihre deutschsprachige Textumgebung untersucht. Zum anderen werden die jeweiligen deutschsprachigen Bezeichnungen untersucht, mit denen Einstellungen gegenüber bestimmten Sprachen bzw. ihren Sprechern ausgedrückt werden, bei deren Beschreibung auch ihre Wortarten und syntaktische Positionen berücksichtigt werden. 1.2.1.2 Erzählweise Zur Darstellung von inhaltlichen Elementen (z.B. von Fremdbildern) trägt nicht nur bei, wie das Thema in den Text Eingang findet und gestaltet wird, sondern auch der verwendete Erzählstil, wie bereits aus verschiedenen Analysen hervorgeht. Mit Hilfe einer „lakonisch-distanzierte[n] Erzählhaltung“ wird eine Art der Beschreibung ermöglicht, durch die die Erzähler(innen) der Kurzgeschichten „eher als Zeugen denn als Opfer“ von Gewalt erscheinen (Geier __________ 4 Die Marginalität bestimmter Figuren kann auf verschiedene Ursachen zurückgehen (siehe dazu auch Prutti 2006, Tatasciore 2012). 5 Wie z.B. bei Mansbrügge (2005), Albrecht (2009), Kegelmann (2008), Heinemann (2011). 6 Unter interkulturellem Gesichtspunkt bzw. aus der Sicht einer interkulturellen oder transkulturellen Literaturwissenschaft werden Moras Erzählungen ferner bei Straňáková (2003) und Tráser-Vas (2004) behandelt. Forschungsstand 5 2008: 128). Die Distanzierung bezüglich der Erzähltechnik kommt u.a. in den Selbstbeschreibungen von Ich-Erzählerinnen zum Ausdruck. 7 Dabei erfüllt der Tempuswechsel in den erzählten Geschichten verschiedene nicht nur inhaltlich, sondern auch erzähltechnisch relevante Funktionen (siehe z.B. Stopka 2001, Tatasciore 2012: 229). Im Bereich des Erzählstils werden ferner bestimmte syntaktische Merkmale des „lakonische[n], nominale[n] Stil[s]“ aufgezeigt und interpretiert (Tatasciore 2012: 230). 8 1.2.1.3 Sprachliche Aspekte und Aspekte der Rezeption In engem Zusammenhang mit den inhaltlichen Aspekten sind auch sprachliche Gestaltungsmittel in Moras Erzählungen ins Blickfeld des Interesses geraten. In diesem Rahmen wird u.a. die Rolle deutscher Übersetzungen von ungarischen Elementen und von bestimmten intertextuellen Elementen in Moras Texten dargestellt (siehe Tatasciore 2009, 2012). Sprachliche und intertextuelle Bezüge werden in diesem Zusammenhang mit der Zweisprachigkeit der Autorin in Verbindung gebracht 9 und finden auch im Rahmen der Rezeption des Erzählbandes und dessen ungarischer Übersetzung Berücksichtigung. Einige Untersuchungen werfen die Frage auf, wie die Texte vom deutschsprachigen und vom __________ 7 Vgl. z.B. die Untersuchung von Stopka (2001), in der sie auch bestimmte Ähnlichkeiten im Erzählstil von Terézia Mora und Judit Hermann anhand der Erzählungen „Seltsame Materie“ und „Die Lücke“ bzw. „Sommerhaus später“ und „Sonja“ aufzeigt. In ihrer Studie werden die erzählten Geschichten im Hinblick auf „die eigenartig befremdende Atmosphäre und de[n] unaufgeregte[n] und lakonische[n] Ton“ (Stopka 2001: 151) behandelt. 8 Die Distanz wird erzähltechnisch laut Albrechts Studie durch die Konzentration „auf das Beschreiben […] [der - B.B.] Figuren“ ohne ihre „moralische Wertung“ erreicht (Albrecht 2009: 265). Zu weiteren erzähltechnischen Aspekten siehe auch Szabó (2001) und Prutti (2006). 9 Siehe dazu z.B. die Untersuchung von Szabó (2001), Tatasciore (2009, 2012) und Kegelmann (2010). In Bezug auf die in „Seltsame Materie“ verwendeten intertextuellen Elemente äußert sich die Autorin folgendermaßen: „Es geht darum, dass ich ein Idiom, Redewendung - z.B. ‚az isten háta mögötti falu‘ - durch Spiegelübersetzung in den Text integriere, oder ich schreibe auf Deutsch ‚elvadult tájon gázolok‘, ‚dolgozni csak pontosan, szépen‘ - über diese weiß nur ich, dass sie Zitate sind. Sie wirken den Lesern einfach fremd, sie schmücken das Schreiben aus. Und für diejenigen, die den ungarischen Hintergrund erkennen, sind sie ‚insider Witze‘“. (Übersetzt von B.B.) („Mutassam, hogy írok“ - Terézia Mora író. In: Narancs XXIII. évf. 22. szám, 2011.06.02. http: / / www.mancs.hu/ index.php? gcPage=/ public/ hirek/ hir. php&id=23839, letzter Zugriff am 13.03.2014). Einleitung 6 ungarischen Publikum aufgenommen werden bzw. inwieweit die sprachliche Gestaltung der ungarischen Übersetzungen zur unterschiedlichen Rezeption der Texte in Ungarn im Vergleich zur Rezeption vom deutschsprachigen Publikum beiträgt (vgl. Kegelmann 2010). Dazu betrachtet Kegelmann (2010) die ungarische Übersetzung „Különös anyag“ als eine Rückübersetzung bzw. Rückübertragung, da in der „Bearbeitung des ,ungarischen Themas‘ in deutscher Sprache bereits ein erster Transfer“ vorliegt (Kegelmann 2010). 10 1.2.2 „Alle Tage“ − Konzepte in der Forschungsliteratur 1.2.2.1 Die Andersheit der Hauptfigur und Fragen ihrer Identität Viele Analysen von Terézia Moras erstem Roman beschäftigen sich mit dem Protagonisten Abel Nema und mit seiner Andersheit bzw. Fremdheit. 11 Dabei werden Bezüge der Fremdheit auch in Zusammenhang mit der Hintergrundgeschichte aufgezeigt. Hier wird eine Entfernung der „Reflexionsflächen“ festgestellt, „die Fremdheit als kulturelle, politische, intellektuelle oder ästhetische Fremdheit beschrieben ließen […]“ (Czeglédy 2008: 300). Am Protagonisten werden Merkmale hervorgehoben, aus deren Zusammenspiel sich unterschiedliche Aspekte seiner Andersheit erschließen lassen. Komponenten, die seine Andersheit bzw. Fremdheit konstruieren, werden zum einen im Hinblick auf seine Figurencharakterisierung, zum anderen auf seine Beziehung zu den anderen Figuren bzw. auf sein Verhalten untersucht. Während bezüglich seines Äußeren u.a. seine Kleidung als Komponente der Andersheit angesehen wird (vgl. z.B. Kegelmann 2009: 256f.), wird sich in Bezug auf sein Verhalten in erster Linie auf seinen Umgang mit Sprachen bzw. auf die Rolle von Sprachen in der erzählten Geschichte fokussiert. Die Sprache spielt dabei in der Auseinandersetzung mit Abels Identität eine wichtige Rolle, wie das von Propszt (2010) gezeigt wird, die die Bedeutung der Sprache im Roman durch die Darstellung der Identitätskonstruktion des Protagonisten analysiert. In diesem Bereich wird die Sprachverwendung seitens der Hauptfigur als eine inhaltliche Komponente identifiziert, die zu Abels persönlicher Fremdheit beiträgt. Durch das Erlernen der Sprachen im Sprachlabor entwickelt er eine __________ 10 Zur deutschen Rezeption siehe auch Tráser-Vas (2004), zum Vergleich der deutschen und der ungarischen Version des Erzählbandes Szabó (2001). 11 Siehe z.B. die Publikationen von Schlicht (2006), Hammer (2007), Hammer (2010), Czeglédy (2008), Geier (2008), Wilhelm (2010). Zu weiteren Aspekten der Alterität im Roman siehe auch Kraft (2007). Forschungsstand 7 perfekte Aussprache, was als eine Komponente seiner Andersheit interpretiert wird (vgl. Kegelmann 2009). 12 Bezüglich Abels Beziehung zu anderen Figuren ist auf der inhaltlichen Ebene zu beobachten, dass er mit ihnen wenig kommuniziert. Daraus wird auf die Bedeutung von Sprachen in seinem Leben gefolgert 13 : Er lernt die Sprachen als „mathematische Formeln“ (Czeglédy 2008: 294f.) mechanisch, wodurch in seinem Fall ‒ so Czeglédy ‒ „alle möglichen identitätsstiftenden oder -sichernden Funktionen“ der Sprache verschwinden (Czeglédy 2008: 296). 14 Die Sprache fungiert infolgedessen in seinem Leben nicht „als Medium der Selbsterkundung“ (Hammer 2010: 522). Ferner folgert Propszt ebenso, dass die Sprache im Falle der Hauptfigur keine „identitätskonstitutive Rolle“ spielt, indem sie die Möglichkeit nicht ausnutzt, „über das Medium der Sprache die Welt und sich selbst zu konstruieren, eine soziale und/ oder personale Identität zu stiften, und an gemeinschaftlichen soziokulturellen Identitäten teilzuhaben“ (Propszt 2010). Der Frage von Abels Außenseitertum und seiner Identitätsproblematik wird sich ferner im Hinblick auf seine Beziehung zu den anderen Figuren „unter dem Gender-Gesichtspunkt“ (Distefano 2010: 89) angenähert. Dazu wird sein Verhältnis zu männlichen und weiblichen Figuren bzw. seine Ähnlichkeit mit „[k]nabenhafte[n] androgyne[n] Figuren“ (Distefano 2010: 98) untersucht. In Distefanos Interpretation erscheint Abel als eine Grenzfigur, die sowohl männliche als auch weibliche Züge habe (Distefano 2010: 101), wodurch weitere Fragen bezüglich seiner Identität aufgeworfen werden. 15 Obwohl er ein Migrant ist, wird die Spezifik seiner Fremdheit in vielen Analysen in erster Linie nicht als ein Ergebnis der im Roman dargestellten Exilsituation gesehen, sondern als ein Grundzug seines Charakters (vgl. Schlicht 2006: 56). Das zeigt sich laut Wilhelm (2010) auch in der Wahrnehmung seiner Figur aus der Perspektive von einheimischen Figuren und von anderen Migrantenfiguren. Da Abel aus dem Blickwinkel beider Figuren-Gruppen als ein Fremder geschildert wird, ist laut Wilhelm seine Fremdheit „nicht nur eine Eigenschaft des Migranten oder Flüchtlings, sondern eine elementar menschliche Eigenschaft, die ihn von Geburt an im Ausnahmezustand leben lässt“ (Wilhelm 2010). Er erscheint als eine „displaced person“ (vgl. Wilhelm 2010), die laut ihr sowohl über eine existenzielle als auch über eine „kulturelle“ Fremdheit verfügt. Ebenso fasst __________ 12 Im Zusammenhang mit Abels akzentfreiem Sprechen wird von Kraft (2011: 201) der Ausdruck „Delokalisation der Sprache“ verwendet [Hervorhebung im Original]. Zu Abels Aneignung von Sprachen siehe auch die Untersuchung von Willner (2007), die die Rolle der Sprache im Text unter inhaltlichen Gesichtspunkten analysiert. 13 Siehe dazu die Untersuchung von Hammer (2007) und Czeglédy (2008). 14 Zu diesem Punkt siehe auch noch Hammer (2010: 523). 15 Zum Gender-Aspekt siehe auch Lengl (2012: 78f.). Einleitung 8 Hammer seine grundsätzliche Fremdheit als eine Eigenschaft auf, die für sein Menschsein charakteristisch ist (Hammer 2010: 518). 16 Die Fremdheit erhält auch dadurch eine „existenzielle Dimension“ (Terminus nach Czeglédy 2008: 300) 17 , seine Figur sei auch „sich selbst fremd“ (Schlicht 2006: 56). 18 Seine Fremdheit wird ferner mit seiner Mobilität in Verbindung gebracht (vgl. Hammer 2007, Hammer 2010), indem er als der „potentiell Wandernde“ aufgefasst wird (Hammer 2008: 36). 19 Bezüglich seiner Reisen bzw. seiner Mobilität erscheint er laut Siblewski (2006: 217) als ein „romantische[r] Winterreisende[r]“, dessen Reise mit der Zurückweisung seiner Liebe anfängt. 20 Anhand der im Roman erscheinenden Reisethematik werden ferner in der Forschungslandschaft gewisse Ähnlichkeiten und Unterschiede zwischen Moras Protagonisten und Odysseus dargestellt (vgl. Hammer 2007), in dessen Rahmen auch das Vorhandensein „antiker Strukturfolien“ aufgezeigt wird (Fröhlich 2006). 21 In engem Zusammenhang mit der Ablehnung seiner Gefühle von seinem Freund wird der politischen Hintergrundsituation, nämlich dem Ausbruch des Krieges in Abels ehemaliger Heimat, als einem Grund für die Fortsetzung seiner Fahrt Aufmerksamkeit geschenkt, der laut Chiarloni den „ursprünglichen narrativen Kern des Romans“ bildet (Chiarloni 2008: 42). Außer den obigen inhaltlichen Aspekten wird in Bezug auf die Darstellung des Protagonisten auf die im Werk immanente christlich-religiöse Metaphorik eingegangen, die in verschiedenen Analysen anhand von Zitaten veranschaulicht wird. 22 __________ 16 Zum Grenzgängertum von Abel und zu seiner Migrationssituation siehe Marven (2009), zum Thema Migration in der erzählten Geschichte siehe Kegelmann (2009). Ferner wird Abels Geschichte von Albrecht (2009) im Hinblick auf „interkulturelle Erfahrungen“ auf der thematischen Ebene untersucht. In Bezug auf Abels Verhältnis zu seiner Umwelt und auf die Verwendung der Sprache(n) seitens des Protagonisten wird jedoch von Czeglédy (2010) das Ausbleiben interkultureller Begegnungen festgestellt. 17 Bei Czeglédy wird Moras Schaffen im Kontext „der kulturellen Globalisierung der Jahrtausendwende“ betrachtet (Czeglédy 2008: 292). 18 Seine Erscheinung und Darstellung aus dem Blickwinkel anderer Figuren trägt laut Hammers Studie zur „Manifestation des Dunklen und Unheimlichen, […] [des] latent Fremden“ bei (Hammer 2007: 89). 19 Zur Auffassung von Abel als Wandernder siehe auch Czeglédy (2008). 20 Zur Zurückweisung seiner Liebe und deren Folgen siehe auch Kraft (2011: 182) und (Lengl 2012: 119f.). 21 In diesem Zusammenhang wird auch auf die Sprunghaftigkeit des Erzählens eingegangen (siehe Fröhlich 2006). 22 Neben Abels Namen werden u.a. sein letzter Satz „Das ist gut“ (Schlicht 2006: 55), die Position, in der er am Anfang des Romans geschildert wird (vgl. Schlicht 2006: 55), Forschungsstand 9 1.2.2.2 Großstädtische Gewalt und Orientierungslosigkeit Auf die Mobilität der Hauptfigur wurde in bisherigen Untersuchungen auch im Kontext der Rauminszenierung im Roman eingegangen. Dabei erwies sich die Untersuchung der Darstellung der westeuropäischen Metropole „B“, in der Abel sich aufhält, sowohl aus inhaltlicher als auch aus erzähltechnischer Perspektive als ein konstruktiver Aspekt. 23 Diesem Themenbereich nähert sich Sieg (2010) aus vergleichendem Blickwinkel an, indem er die Darstellung der Stadt im Zeitalter der Globalisierung in Moras Werk mit der Darstellung von Berlin in Döblins „Berlin Alexanderplatz“ (1929) vergleicht. Im Mittelpunkt der Studie steht dabei die Deterritorialisierung. Die Stadt, die in großen Teilen des Romans als Schauplatz fungiert, erscheint nach Hammer (2007: 88) als „Paradigma des Fremden“, zwischen der und der Hauptfigur eine Parallelität entdeckt werden kann 24 (vgl. Hammer 2006) und das Modell eines Labyrinthes hervorruft (vgl. Hammer 2007: 90). Ihre Schilderung trägt auch zu der ‒ von Czeglédy für die erzählte Geschichte festgestellten ‒ „Entsubjektivierung“ (Czeglédy 2008: 300) bei, da sie im Roman ‒ ebenso wie andere Schauplätze ‒ nicht eindeutig genannt wird und „somit stellvertretend für jede beliebige europäische Großstadt“ steht (Lengl 2012: 101). Diese Art der Darstellung von Orten wurde ferner mit der Versinnbildlichung von Abels Orientierungslosigkeit in Verbindung gebracht, die von Wilhelm als ein wichtiges „Merkmal des Ausnahmezustandes“ (Wilhelm 2010) angesehen wird und durch die laut Kraft ein „vielschichtige[s] Verlusttrauma“ zum Ausdruck kommt (Kraft 2012: 166). 25 __________ sein Alter (vgl. z.B. Distefano 2010: 91, Lengl 2012: 85) und sein Aussehen (vgl. z.B. Lengl 2012: 85) als Teile der religiösen Metaphorik hervorgehoben. Christliche Motive erscheinen neben der Darstellung von Abel auch in anderen Kontexten bzw. in Ereignissen der Handlung, die mit ihm zusammenhängen, wie z.B. in der Situation, als er vom Jungen Omar „ausgewählt“ wurde (siehe Lengl 2012: 61). Zu weiteren Elementen der christlichen Symbolik siehe Siblewski (2006) und Lengl (2012: 86- 88). 23 Zu diesem Aspekt siehe z.B. die Untersuchung von Chiarloni (2008), Sieg (2010), Kegelmann (2011) und Lengl (2012). 24 Diese Parallelität wird in erster Linie in Bezug auf die Bahnhöfe der Stadt exemplifiziert (siehe Hammer 2007: 92). 25 In dieser Technik zeige sich seiner Ansicht nach ein „amnesische[s] Erzählen“ (Kraft 2012: 166) [Hervorhebung im Original], das gleichzeitig Abels Orientierungslosigkeit veranschaulicht (vgl. Kraft 2012: 166). Zur Darstellung der Großstadt aus Abels Perspektive siehe auch Wilhelm (2010). Einleitung 10 1.2.2.3 Erzählweise Für den Roman ist eine polyphone Erzählweise charakteristisch, die sich in der Multiperspektivität 26 (vgl. Geier 2008: 130) bzw. in den im Werk immanenten Stimmen zeigt. Mit dem verwendeten Erzählstil und den Erzählperspektiven haben sich u.a. Geier (2006), Müller-Dannhausen (2006), Tatasciore (2009), Kraft (2011) und Lengl (2012) beschäftigt. Der Aufbau des Romans wird oft als „labyrinthisch“ bezeichnet (vgl. z.B. Müller-Dannhausen 2006: 200f. und Hammer 2010: 528), was auch auf der Handlungsebene beobachtet werden kann. Ein charakteristisches Merkmal dafür ist die Vielfalt der Perspektiven, aus denen Abel Nema nie als „Ganzes“ erfasst werden kann, sein Inneres und seine Perspektive werden nur im Kapitel „Zentrum Delirium“ in Form eines inneren Monologs dargestellt (siehe auch Müller-Dannhausen 2006 und Propszt 2008). 27 Demzufolge wird seine Identität laut Propszt (2008: 307) überwiegend von verschiedenen „Stimme[n] konstruiert“. Diesen Prozess bezeichnet sie allerdings als „ein[en] enorme[n] Konstruktionsaufwand - ohne Erkenntnisgewinn“ (Propszt 2008: 307). 28 Die Vielfalt der Perspektiven ist ein wichtiges Merkmal des im Roman verwendeten Erzählstils, die u.a. in der Verwendung verschiedener homodiegetischer Erzählinstanzen besteht - wie z.B. Abel Nema und andere Figuren -, die „in die Erzählung einer heterodiegetischen Erzählinstanz integriert“ werden (Geier 2006: 175). Dieses Erzählverfahren „ist durch __________ 26 Die Verwendung verschiedener Perspektiven und deren Wechsel hängt mit dem Erzählen in der Realität zusammen. Dazu äußert sich die Autorin in einem Interview: „Und es ist mir aufgefallen, dass wir, wenn wir z.B. ein Ereignis nacherzählen, permanent die Perspektive ändern. Mal sagen wir ich, dann du, dann man etc. Manchmal handelt es sich dabei um verschiedene Blickwinkel, aus denen wir das Ereignis betrachten, manchmal arbeiten wir einfach mit sprachlichen Panels. […] Dieses ,Durcheinanderreden‘ schien mir als die geeignete Form, eine - jetzt kommt wieder das Wort - komplexe Welt darzustellen. Wenn es in einem Text um Desorientierung und Fragmentarität geht, ist es gut, wenn die sprachliche Form das auch widerspiegelt.“ (Terézia Mora im Gespräch mit Thomas Combrink „Man muss die eigene Kleingläubigkeit überwinden“ 24.10.2005, http: / / www.titel-magazin.de/ artikel/ 19/ 2576.html, letzter Zugriff am 5.03.2014). 27 In diesem Kapitel spricht „das Ich, das sich Abel nennt […]“ (Terézia Mora im Gespräch mit Thomas Combrink „Man muss die eigene Kleingläubigkeit überwinden“ 24.10.2005, http: / / www.titel-magazin.de/ artikel/ 19/ 2576.html, letzter Zugriff am 5. 03.2014). 28 Zu weiteren Aspekten des narrativen Diskurses siehe Propszt (2008). Die Technik, dass Abel aus der Perspektive anderer dargestellt wird und „das Narrativ […] unfassbar [sic] [bleibt]“ wird bei Lengl mit einem Aspekt der interkulturellen Literatur in Beziehung gesetzt (Lengl 2012: 109). Forschungsstand 11 mehrfache Rückblenden auf dasselbe Ereignis und vielfache Wechsel zwischen Erzählstimmen und im Falle des heterodiegetischen Erzählers zusätzlich zwischen Fokalisierungstypen charakterisiert“ (Geier 2006: 171). 29 Während auf diese Erzähltechnik in engem Zusammenhang mit der Analyse inhaltlicher Elemente eingegangen wurde, wurde sie auch mit den Erzählverfahren im Erzählband „Seltsame Materie“ im Hinblick auf die Veranschaulichung bestimmter Effekte verglichen: Dabei stellt Geier (2006: 175) fest, dass durch die unterschiedlichen Erzählverfahren „ähnliche Effekte zwischen Innensicht und Distanz“ hervorgerufen werden. Das zeige sich in der Darstellung von Fremd- und Selbstbildern: Während in den Erzählungen die Ich-Erzähler(innen) „mit ihren lakonischen Erzählhaltungen eine starke Selbstdistanz [zeigen] und […] in ihrer Rede vielfach die Fremdbilder Anderer erkennen [lassen]“ (Geier 2006: 175), werden die über den Protagonisten von „Alle Tage“ entworfenen Bilder aus der Perspektive anderer Figuren dargestellt (vgl. auch Geier 2006: 169). 1.2.2.4 Sprachliche Aspekte In der Fachliteratur hat man sich auch mit der Verwendung bestimmter Sprachen im Text beschäftigt. 30 Seine Mehrsprachigkeit zeigt sich laut Lengl (2012: 110) in der Sprachlatenz: Die angewandte Sprache des Werkes (Deutsch) steht mit einer latenten Sprache im Dialog. Während nämlich Abels Geschichte auf Deutsch erzählt wird, gibt es im Werk Stellen, an denen die zur Darstellung verwendete Sprache „mit dem Ort bzw. der Zeit der Handlung“ nicht übereinstimmt, 31 was anhand thematischer Elemente festgestellt werden kann. 32 Unter den im Roman verwendeten Sprachen wird das Ungarische ‒ neben Elementen __________ 29 Zum diskursiven Aufbau und zur zeitlichen Struktur des Romans siehe ausführlicher Kraft (2011: 183 ‒ 186). In diesem Zusammenhang kann Kraft (2012: 168) zufolge von einem „unzuverlässige[n] Erzählen“ die Rede sein, das von der „amnesische[n] Wahrnehmung der Welt“ durch Abel Nema „provoziert“ werde. 30 Siehe z.B. die Untersuchung von Tatasciore (2009), (2012) und Lengl (2012). 31 Die Sprachlatenz ergebe sich laut Lengl „überdies daraus, dass die latent mitwirkende Sprache immer wieder zu einem kulturellen Gedächtnis der Protagonisten führt“ (Lengl 2012: 112). Diese Sprachlatenz wird von ihr als „das stärkste Merkmal der Interkulturalität“ angesehen, die „die Kommunikation zweier Sprachen [ermöglicht], […] zur ungarischen Literaturtradition [führt], […] zweierlei literarische Erben [sic] [reflektiert] und […] dadurch die interkulturellen Figuren des Buches [definiert]“ (Lengl 2012: 113). 32 Aufgrund dieser Mehrsprachigkeit und der Erzählperspektive bezeichnet Lengl Moras Werk als „interkulturellen Roman“. Einleitung 12 der ungarischen Sprache ‒ mittels der deutschen Übersetzung bzw. Übertragung von ungarischen Schimpfwörtern und Ausdrücken veranschaulicht, durch deren Bildlichkeit nach Lengl (2012: 49) „eine Interkulturalität [erreicht]“ wird. 33 Zur Erforschung der sprachlichen Gestaltung des Textes kann ferner der Vergleich mit seiner ungarischen Übersetzung Neues leisten, wobei der kontrastive Aspekt in die bisherige Forschung nur am Rande miteinbezogen wurde. Diesbezüglich stellt Nádori (2006), die Übersetzerin des Romans, anhand ausgewählter Beispiele Fragen vor, die während der Übertragung des Originalen ins Ungarische auftauchten. 1.2.3 „Der einzige Mann auf dem Kontinent“ - Konzepte in der Forschungsliteratur Die verschiedenen Publikationen zu Moras zweitem Roman befassen sich in erster Linie mit der Darstellung des Schauplatzes und mit dem Protagonisten Darius Kopp bzw. seiner Beziehung zu anderen Figuren. In diesem Rahmen fokussiert sich Shafi (2013) auf thematische Aspekte, wie die Arbeit, das Essen und das Geschlecht, anhand derer Verhaltensweisen von Kopp und seiner Frau Flora vor der Folie des gesellschaftlich-wirtschaftlichen Hintergrundes behandelt werden. 34 Der Roman sei eine „Großstadtgeschichte“ (Meixner 2011: 80), die auch mit dem Roman „Alle Tage“ verglichen wurde. Ein Vergleich zwischen Moras zwei Romanen hinsichtlich der Hauptfiguren liegt bei Kegelmann (2012) vor, der in seiner Studie Abel Nema mit der Figur von Darius Kopp vergleicht. Die zwei Texte werden bei Kraft (2012: 156) anhand des Aspekts der Globalisierung in Verbindung gebracht, indem sie sich ihm zufolge einem „Realismus der Globalisierung“ zuordnen lassen. Diese Zuordnung erfolgt anhand von thematischen Aspekten und ihrer literarischen Darstellung. Thematische Elemente des Romans werden auch in die Analyse von Ramshorn-Bircsák (2012) __________ 33 Zu intertextuellen Elementen im Roman siehe neben Lengl (2012) auch Tatasciore (2009), durch die laut Lengl (2012: 127) eine „Vereinigung kultureller Gedächtnisse“ entsteht. Sie erzeuge ein „interkulturelles Gedächtnis - als Ergänzung und Erweiterung zu einem zweikulturellen Gedächtnis - in der deutschen Sprache“. [Hervorhebung im Original] Im Hinblick auf intertextuelle Bezüge bekommt der Zusammenhang zwischen Moras und Ingeborg Bachmanns Werk bei Lengl eine hervorgehobene Rolle. Zum intertextuellen Charakter des Romantitels siehe auch z.B. Brüns (2009). 34 Zur Darstellung der Stadt und bestimmter Aspekte des beruflichen Kontextes siehe auch Höfler (2012). Forschungsstand 13 miteinbezogen, die sich mit im Text vorkommenden Dialogformen beschäftigt. 35 Aus den oben dargestellten Untersuchungen geht hervor, dass die ausgewählten Texte in erster Linie in Bezug auf thematische Aspekte (wie z.B. die Fremdheitsthematik), die Gestaltung der Erzählperspektiven und ausgewählte intertextuelle Aspekte analysiert wurden. In den Studien, die sich auch mit der sprachlichen Gestaltung der Texte beschäftigten, galt die Forschungsaufmerksamkeit vor allem dem Einfluss des Ungarischen auf die deutschsprachigen Textkontexte. Eine Auseinandersetzung mit verschiedenen Elementen des „kulturelle[n] literarische[n] Gedächtnis[ses] mittel- und osteuropäischer Sprachen“ (Lengl 2012: 49) auch in Form anderer Sprachen befindet sich bei Lengl im Roman „Alle Tage“ im Hinblick auf Intertextualität. Diese mit der Mehrsprachigkeit zusammenhängenden Bezüge werden in der vorliegenden Arbeit mit weiteren Manifestationen anderer Sprach(varietät)en in Moras drei oben genannten Werken erweitert. Dabei werden Elemente anderer Sprach(varietät)en gezielt bezüglich ihrer Textkontexte untersucht, weil eine Beschreibung ihrer Funktionen sowohl die Berücksichtigung sprachlicher und inhaltlicher Aspekte der Textkontexte als auch ihrer Erscheinungsweise in den Textkontexten benötigt. Durch diese Beschreibung möchte die vorliegende Arbeit zu den bisherigen Ergebnissen mit weiteren Erkenntnissen über graphematisch, morphologisch, lexikalisch und syntaktisch relevante Manifestationsformen anderer Sprach(varietät)en in Moras Werken beitragen. 1.3 Zielsetzung und Forschungsfragen Das Ziel der vorliegenden Arbeit ist ein doppeltes: Erstens möchte sie aufzeigen, wie sich die Mehrsprachigkeit in deutschsprachigen literarischen Texten manifestieren kann. Das wird an ausgewählten Texten, hier an Terézia Moras Werken „Seltsame Materie“, „Alle Tage“ und „Der einzige Mann auf dem Kontinent“ exemplifiziert. Dazu wird beschrieben, welche Funktionen bzw. Wirkungen Erscheinungsformen der Mehrsprachigkeit in den ausgewählten Texten erfüllen können. Zweitens werden in der Arbeit die sprachlichen Ausdrucksformen von ‚Fremdem‘ anhand ausgewählter Beispiele identifiziert und analysiert. Das ‚Fremde‘ kann dabei sprachlich in zwei Formen erscheinen: (1) Zum einen in Form einiger anderssprachiger Elemente, d.h. Elemente, die sich von dem __________ 35 Der Text wird „durch innere imaginäre, reale oder gemischte Dialogformen strukturiert“ (Ramshorn-Bircsák 2012: 130), in denen „sowohl indirekte Rede als auch direkte Rede vorhanden“ sind (Ramshorn-Bircsák 2012: 135). Einleitung 14 deutschsprachigen Textkontext unterscheiden. (2) Zum anderen kann die Kategorie ‚Fremdes‘ in deutschsprachigen Elementen zum Ausdruck kommen, mit denen die ‚Andersheit‘ bestimmter Sprachen oder bestimmter Figuren in den Texten bezeichnet wird. Bei der Feststellung sprachlicher Manifestationen des ‚Fremden‘ werden zugleich auch sprachliche Realisierungsformen der Kategorien ,Eigenes‘ und ,Anderes‘ identifiziert und beschrieben, um Ausdrucksformen des ,Fremden‘ in Bezug auf das Beziehungsgeflecht zwischen den Kategorien ,Eigenes‘, ,Anderes‘ und ,Fremdes‘ beschreiben zu können. Im Hinblick auf sprachliche Ausdrucksmöglichkeiten des ,Fremden‘ stützt sich nämlich die Zielsetzung darauf, dass ‚Eigenes‘ und ,Fremdes‘ Kategorien sind, die einander gegenseitig bedingen. Das Verhältnis zwischen ihnen soll in der Analyse erfasst werden, indem sprachliche Manifestationen von Einstellungen gegenüber bestimmten Figuren und Sprachen identifiziert und beschrieben werden. Dieser Zielsetzung entsprechend sollen folgende Fragen beantwortet werden: 1. Welche Erscheinungsformen der Mehrsprachigkeit und des ‚Fremden‘ können in den ausgewählten Texten festgestellt werden? Dabei soll zum einen gezeigt werden, durch welche Elemente sich andere Sprach(varietät)en in den jeweiligen Texten manifestieren. Zum anderen sollen Manifestationen der im Inhalt auftretenden Andersheit oder Fremdheit durch die sprachliche Realisierung von Einstellungen beschrieben werden. 2. Welche Funktionen können Manifestationen der Mehrsprachigkeit erfüllen? 3. Inwieweit tragen intertextuelle Elemente zum interkulturellen Potenzial und zur sprachlichen Manifestation des ‚Fremden‘ in den ausgewählten Texten bei? 4. Inwieweit können Unterschiede zwischen den intertextuellen Elementen in den Originaltexten und ihren Übersetzungen als kulturspezifisch betrachtet werden? 5. Inwieweit können deutsche Übersetzungen bzw. Erläuterungen die Funktionen fremdsprachiger Elemente in den untersuchten Texten im Hinblick auf den Inhalt beeinflussen? Diese Frage richtet sich auch danach, welche Rolle die deutschen Übersetzungen in der Vermittlung anderssprachiger Inhalte für andere Figuren oder für die Leser spielen. 1.4 Aufbau der Arbeit Nach der Darstellung der verwendeten Methoden in Kapitel 2 widmet sich Kapitel 3 Konzepten und Erkenntnissen der Erforschung von Sprach(varietät)en in der Literatur. Als Teil dieser Konzepte werden in Unterkapitel 3.1 Termini Aufbau der Arbeit 15 vorgestellt, die in der Forschungsliteratur für Erscheinungsweisen der Mehrsprachigkeit in Texten verwendet werden. Dem Überblick über die Begriffsvielfalt folgt die Darstellung einiger Bezeichnungen, die in bisherigen Forschungsarbeiten im Zusammenhang mit Texten verwendet wurden, in denen Bezüge der Mehrsprachigkeit und bestimmte thematische Aspekte mit Interbzw. Transkulturalität in Verbindung gebracht wurden. Da in der Arbeit bestimmte sprachliche Manifestationen auch als mögliche Träger eines interkulturellen Potenzials geprüft werden, wird in Unterkapitel 3.3 anhand der Forschungslandschaft behandelt, welche Aspekte der Literatur als Beitrag zum interkulturellen Potenzial aufgefasst werden. In Bezug auf das Thema der Mehrsprachigkeit in der Literatur fokussiere ich mich auf zwei Hauptrichtungen der Forschung: In Unterkapitel 3.4 werden Aspekte der Sprachwahl von Autor(inn)en kurz dargestellt. Die Skizzierung dieses Forschungsaspektes ist aus der Perspektive der vorliegenden Arbeit relevant, da der Umgang von Autor(inn)en mit Sprache(n) und ihre sprachliche Biographie auf Manifestationen dieser Sprachen in ihren Werken einen großen Einfluss haben können. In Unterkapitel 3.5 richtet sich der Blick auf Manifestationen verschiedener Sprach(varietät)en in literarischen Werken anhand literaturwissenschaftlicher und interdisziplinärer Ansätze der Forschungsliteratur. Neben dem Auftreten anderer Sprachen behandelt meine Arbeit ‒ der Zielsetzung entsprechend ‒ auch, wie sich Einstellungen von Figuren gegenüber anderen Sprachen bzw. ihren Sprechern in Moras Texten sprachlich realisieren. Da diese Einstellungen mit sprachlichen Manifestationen des ,Eigenen‘, des ,Anderen‘ und des ,Fremden‘ im Zusammenhang stehen, werden auch diese Kategorien aus verschiedenen Perspektiven dargestellt: Während der Terminus ,Fremdes‘ in Kapitel 4 in seinem Verhältnis zu den Begriffen ,Eigenes‘ und ,Anderes‘ aus der Sicht der kulturwissenschaftlichen Xenologie erläutert wird, werden seine Erscheinungsweisen ‒ unter Miteinbeziehung einiger forschungsliterarischer Konzepte ‒ in Unterkapitel 4.3 in literarischen Texten dargestellt. Ferner werden in diesem Kapitel sozialpsychologische Erkenntnisse über Einstellungen angeführt (vgl. Unterkapitel 4.1), da sie zu ihrer Identifizierung in der sprachlich-thematischen Gestaltung der untersuchten Texte beitragen können. Einleitend zur Untersuchung werden in diesem Zusammenhang ferner einige Gedanken über die Rolle der Sprache im Hinblick auf die Identität dargestellt (vgl. Unterkapitel 4.2). In der Analyse von 1) Elementen anderer Sprachen in Texten und in der Identifizierung von 2) Einstellungen gegenüber diesen Sprachen ist nämlich relevant, wie diese Sprachen aus dem Blickwinkel verschiedener Figuren erscheinen und welche Rolle sie in ihrem Leben erfüllen. Die für die Analyse einschlägigen Termini und ihre Bedeutungen werden in Kapitel 5 präsentiert, dem eine inhaltliche Darstellung der untersuchten Werke folgt (Kapitel 6). Anschließend werden in Kapitel 7 Manifestationen der Mehr- Einleitung 16 sprachigkeit im Hinblick auf die von ihnen erfüllten Funktionen identifiziert und beschrieben. Dabei werden die situativen Kontexte berücksichtigt, in denen sie auf der Ebene des Inhalts in den Werken auftreten. Während diese Elemente nach den von ihnen erfüllten 1) Verwendungszwecken und den in den Werken dargestellten 2) Situationen klassifiziert werden, werden Elemente der Mehrsprachigkeit, die in Form intertextueller Elemente vorkommen, nach ihren 3) Erscheinungsformen klassifiziert und innerhalb dieser Klassifikation ebenso in Bezug auf ihre Funktionen geprüft. Hier ist m.E. die Klassifikation der Belege nach ihren Erscheinungsformen von Vorteil, da sie, wo es sinnvoll erscheint, kontrastiv (deutsch-ungarisch) behandelt werden (vgl. Unterkapitel 7.7.1). Diesem Kapitel folgt der zweite Teil der empirischen Analyse: die Darstellung sprachlicher Ausdrucksformen des ,Anderen‘ und ,Fremden‘ (Kapitel 8), in die ebenso thematische bzw. funktionale Aspekte miteinbezogen werden. 2 Methoden Die qualitative Analyse zur Mehrsprachigkeit fokussiert anhand von Beispielen in erster Linie die in Moras Texten verwendeten Elemente aus anderen Sprachen, deutsche Übersetzungen und inhaltliche Übertragungen intertextueller Elemente aus anderen Sprachen sowie Elemente der „künstlichen Sprachenmischung“. 36 Da diese Elemente in den Texten wichtige sprachlich-thematische Rollen in den jeweiligen Textkontexten einnehmen, wird bei der Feststellung ihrer Funktionen auch der jeweilige Kontext berücksichtigt. Um die Erscheinungsweisen und Funktionen verschiedener Sprach(varietät)en im Zusammenhang mit der Zielsetzung und den früher dargestellten Forschungsfragen zu erfassen und zu beschreiben, werden folgende Verfahren verwendet: (1) Um Erscheinungsformen und Funktionen verschiedener Sprach(varietät)en und der deutschen Übertragung intertextueller Elemente aus anderen Sprachen zu beschreiben, werden neben dem Inhalt ‒ wo es relevant erscheint ‒ auch Funktionen deutschsprachiger Elemente mitberücksichtigt, die in der Umgebung fremdsprachiger Elemente vorkommen und ihre Funktionen beeinflussen können. Dabei wird auch darauf eingegangen, wie sie in die Erzählerrede oder die Figurenrede integriert werden. Ihr Funktionspotenzial wird unter thematischen und/ oder sprachlichen Gesichtspunkten festgestellt, wobei an relevanten Stellen auch ihre stilistische Wirkung (wie z.B. der Ausdruck einer gewissen sprachlichen Andersheit) dargestellt wird. Im Hinblick auf Funktionen und stilistische Wirkungen von Textelementen oder ganzen Texten haben in erster Linie die Disziplinen Stilistik und Textlinguistik Konzeptionen und Annäherungsweisen erarbeitet. Während aber in der Textlinguistik meistens der „Satz als minimale Texteinheit“ (Vater 2001: 64) angenommen wird, 37 wird in der Stilistik auf die Wirkung von Phänomenen der Lexik in größerem Maß fokus- __________ 36 Weitere mögliche Formen der Mehrsprachigkeit siehe bei Tatasciore (2009) und Lengl (2012). Lengl (2012: 62) beschäftigt sich in ihrer Untersuchung u.a. auch mit den deutschen Übersetzungen ungarischer Schimpfwörter und Redensarten als Teile der Sprachlatenz in „Alle Tage“ und betrachtet sie als Aspekte der Interkulturalität. 37 Siehe dazu z.B. die Publikation von Brinker (2001) über die grammatischen und thematischen Bedingungen der Textkohärenz und über die Analyse der Textfunktion und die Publikation von Stede (2007). Methoden 18 siert. Die Stilistik hat sich als „Nachfolgerin der alten Rhetorik […] im 18. Jahrhundert entwickelt und hat als Haupterscheinungsweise die literaturwissenschaftliche Stilistik ausgeprägt“, wobei die Linguistik die Stilistik laut Gansel (2009: 1908) „erst zu Beginn des 20. Jahrhunderts“ entdeckt hat. Innerhalb der linguistischen Stilistik kommt es am Ende der 1970er-Jahre zu einer Differenzierung zwischen Mikro- und Makrostilistik, die sich auf verschiedene Strukturen von Texten fokussieren. Während die Mikrostilistik sich mit „lexikalischen und grammatisch-syntaktischen Einzelelemente[n] […]“ befasst, wurde die Aufgabe der Makrostilistik von Riesel/ Schendels in „der Erforschung des Stils als Komplexerscheinung und Organisationsprinzip von Ganzheitsstrukturen (1975, 12)“ gesehen (zit. nach Gansel 2009: 1908). Zur Makrostruktur gehören auch nach Van Dijk (1980: 42) die „übergreifenden, Sinnzusammenhänge schaffenden Relationen […]. Makrostrukturen sind […] laut ihm semantisch; sie liefern eine Vorstellung des globalen Zusammenhangs“ (zit. nach Vater 2001: 70). Jedoch kann der Untersuchungsgegenstand von Mikro- und Makrostilistik - d.h. von stilistischen „Mikro- und Makroeinheiten“ - in der Forschungsliteratur nicht immer eindeutig abgegrenzt werden (Hoffmann 2009: 1532). Innerhalb der stilistischen Textanalyse, die sich auch mit der Analyse des Stils literarischer Texte befasst hat, sind verschiedene Richtungen und Konzepte entwickelt worden, um Stilphänomene zu beschreiben (siehe Spillner 2009b). In einigen Konzepten stützt sich die Textanalyse auf die Meinung der Autoren, andere fokussieren ausschließlich die sprachliche Gestaltung der Texte. 38 Stilistisch relevante Elemente und ihre Wirkungen wurden in verschiedenen Bereichen, wie z.B. in der Wortbildung (vgl. Handler 2009), der Lexik (vgl. Ludwig 2009), der Wortarten (vgl. Eroms 2008), der regionalen Varianten und Dialektalismen (vgl. Eroms 2008), der Fachsprachen (vgl. Eroms 2008), der „zeitverschobenen Ausdrücke“ (vgl. Eroms 2008: 70), der Syntax (vgl. Eroms 2009), der Grammatik 39 und auf der Textebene (Heinemann 2009) aufgezeigt. Die stilistische Wirkung von Fremdwörtern und Entlehnungen wird im Bereich der lexikalischen Stilmittel behandelt (vgl. z.B. Sowinski 1999), wo Fremdwörter „als effekterzielende Mittel“ betrachtet werden (vgl. Eroms 2008: 66). In der Untersuchung der sprachlichen Gestaltung literarischer Texte können laut Fix/ Poethe/ Yos „[t]extgestalterische oder formal-strukturelle Auffälligkeiten als Analyseansatz [gelten], d.h. vom Textproduzenten mehr oder weniger bewusst eingesetzte __________ 38 Eine Forschungsrichtung, die sich bisher mit der Untersuchung von sprachlichen Merkmalen von Texten beschäftigt hat, ist z.B. die literary stylistics, wobei sprachliche Merkmale „hinsichtlich ihrer inhaltlichen und ästhetischen Implikationen untersucht“ werden (Gymnich 2007: 46). 39 Im Zusammenhang mit der Textlinguistik vgl. Gansel/ Jürgens (2009). Methoden 19 kommunikativ auffällige, signalhaft wirkende Mittel, die in systematische Beziehung gesetzt werden zum Umfeld anderer Textelemente“ (Fix/ Poethe/ Yos 2001: 50). Hier wird davon ausgegangen, dass „jedes sprachliche Mittel […] aufgrund seiner Funktion im Text zum Stilelement werden [kann]“ (Fix/ Poethe/ Yos 2001: 51). In der vorliegenden Monographie werden die Wirkung und die möglichen Funktionen von Elementen anderer Sprachen bzw. Sprachvarietäten in den ausgewählten Werken untersucht. Mit Wirkung ist hier der Effekt gemeint, den die Elemente anderer Sprach(varietät)en auf die Figuren oder in bestimmten Fällen auf die Leser ausüben können. Dabei werden dem engen Zusammenhang von Sprache und Inhalt entsprechend sowohl ihr sprachliches Verhältnis zu der deutschsprachigen Textumgebung als auch ihre inhaltliche Dimension im Hinblick auf die Textumgebung und auf das Textganze in Betracht gezogen: Ihre Rolle wird dementsprechend zum einen in Bezug auf ihren unmittelbaren Textkontext, zum anderen auf die inhaltliche Dimension der Werke festgestellt. In Terézia Moras Werken kann eine Vielfalt von Stilmitteln gefunden werden, die je nach dem Kontext verschiedene Wirkungen ausüben. Zu ihnen gehören u.a. (1) die Aufzählungen, (2) die deutsche Übersetzung intertextueller Elemente aus anderen Sprachen, (3) im Roman „Alle Tage“ die Vermeidung der Benennung konkreter Zeit- und Ortsangaben. Da im ersten Teil der vorliegenden Arbeit Erscheinungsformen und mögliche Funktionen anderer Sprachen bzw. Sprachvarietäten im Fokus stehen, wird hier die stilistische Wirkung anderssprachiger Elemente die inhaltlichen Funktionen ergänzend miteinbezogen. Im zweiten Teil werden auch die Wirkungen der deutschsprachigen Elemente einbezogen, die z.B. die Andersheit oder Fremdheit bestimmter Figuren ausdrücken. (2) Phänomene der Mehrsprachigkeit werden hier auch auf graphematische Auffälligkeiten untersucht, z.B. Schriftzeichen aus anderen Sprachen oder die typographische Markierung bestimmter Elemente. Dazu werden Konzepte der Phono- und Graphostilistik (Spillner 2009a: 1547) verwendet. In diesem Bereich werden hier Laut- und Schriftzeichen auch beachtet, indem sie „eine eigene textsemantische Leistung vollbringen können“ (Spillner 2009a: 1547) und „über ihre bedeutungskonstituierende Funktion hinaus obendrein stilistische Wirkung haben können“ (Spillner 2010: 282). In der Forschungsliteratur werden zum Untersuchungsgegenstand der Graphostilistik aber nicht nur die Schrift- Methoden 20 zeichen, sondern auch die typographische Darstellung von Textteilen gezählt. 40 Diesbezüglich wird in meiner Arbeit zum einen die Wirkung und Funktion solcher Schriftzeichen analysiert, die sich von dem Schriftsystem unterscheiden, in dem die ausgewählten Texte verfasst wurden. Bei der Feststellung von möglichen Funktionen der Elemente aus anderen Sprachen und der deutschen Übersetzung intertextueller Elemente anderer Sprachkulturen wird zum anderen - wo es relevant ist - ihre typographische Darstellung (z.B. Kursivschrift) und deren Einfluss auf ihre Funktion berücksichtigt. In diesem Bereich fokussiert sich die Graphostilistik auf die graphische Vermittlung und typographische Darstellung von Informationen, wie z.B. „Konnotationen durch typographische Mittel […], […] graphisch vermittelte[r] Ausdruck von Expressivität, Hervorhebung etc., […] visualisierte Abbildung von lexikalischen Textelementen […], eigenständige Sinnkonstitution durch graphische und drucktechnische Verfahren“ (Spillner 2009a: 1547). In der Analyse werden ferner graphisch abgebildete Aussprachemerkmale unter Gesichtspunkten der Phonostilistik erläutert. Auf diesem Gebiet werden von der Forschungsliteratur als phonostilistisch bedeutsam u.a. folgende Phänomene angesehen: „intratextuelle Beziehungen jenseits von syntaktischen und semantischen Relationen […], die phonetische Abbildung lexikalischer Inhalte, die lautsymbolische Sinnkonstitution, […] die Wiedergabe regionaler, individueller, soziolektaler, nationalsprachlicher Sprechermerkmale“ (Spillner 2009a: 1547). Von Spillner werden ferner als Untersuchungsgegenstand der Phonostilistik Aussprachemerkmale bezeichnet „(auch wenn sie in geschriebenen Texten graphisch abgebildet)“ werden (Spillner 2009a: 1547). Da Aussprachemerkmale in literarischen Gattungen über relevante Funktionen im Hinblick auf den Textsinn (wie z.B. Authentizität und Lokalkolorit vgl. Spillner 2009a: 1549) verfügen können, werden sie in der hier durchgeführten Analyse mitberücksichtigt. Lautliche Phänomene werden im Bereich der Literaturwissenschaft als Phonoästhetik (Spillner 2009a: 1550) bezeichnet. In einschlägigen Untersuchungen wurden in Bezug auf lautliche Phänomene in literarischen Texten bisher u.a. Erscheinungsformen und mögliche Funktionen des Lautschmucks (Spillner 2009a: 1550), der Lautimitation - Onomatopoesie - (Spillner 2009a: 1552) und __________ 40 Zu den typographischen Mitteln siehe auch Stöckl (2004). Erscheinungsformen und Funktionen typographischer Verfahren wurden auch von Gymnich (2007) in die Analyse postkolonialer und interkultureller Texte einbezogen. Zur typographischen Hervorhebung ausgewählter anderssprachiger Elemente siehe auch Kilchmann (2012a: 11) und Kilchmann (2012b) bzw. die im Unterkapitel 3.5.4 vorgestellten Untersuchungen. Methoden 21 der Lautexpressivität (Spillner 2009a: 1553) behandelt. 41 Da in dieser Arbeit aus dem Blickwinkel der Graphostilistik und der Phonostilistik nur bestimmte Elemente der Mehrsprachigkeit als relevant betrachtet werden, bilden sie einen Teilaspekt der Analyse. Dabei werden die Erscheinungsweise und Funktionen 1) bestimmter Schriftzeichen, 2) der Darstellung von Aussprachemerkmalen in den ausgewählten Texten und 3) die typographische Darstellung von Elementen aus anderen Sprachen fokussiert. (3) Bei der Feststellung sprachlicher Ausdrucksformen der Kategorien ‚Eigenes‘, ‚Anderes‘ und ‚Fremdes‘ und des zwischen ihnen bestehenden Beziehungsgeflechts wird davon ausgegangen, dass die Kategorien ‚Eigenes‘ und ‚Fremdes‘ als „wechselseitige Bezugsgrößen“ (Terminus nach Wierlacher/ Albrecht 2008: 284) aufgefasst werden können. Dementsprechend werden sie hier in ihrem Verhältnis zueinander dargestellt. 42 (4) Einstellungen von Moras Figuren einerseits und von den Erzähler(inne)n andererseits gegenüber Figuren mit anderer Herkunft und gegenüber ihrer Muttersprache werden analysiert, um das Beziehungsgeflecht zwischen ‚Eigenem‘ und ‚Anderem‘ oder ‚Fremdem‘ sichtbar und beschreibbar zu machen. Hierzu werden Konzepte der Sozialpsychologie miteinbezogen. 43 (5) Die vorliegende Untersuchung ist interdisziplinär angelegt. Kombiniert werden daher sowohl linguistische als auch literaturwissenschaftliche Annäherungsweisen, wie es auch Gymnich (2007) bei der Analyse sprachlicher Gestaltungsmittel in postkolonialen und interkulturellen Texten betont. Aus der Literaturwissenschaft spielen hier Konzepte über interkulturelle Aspekte in literarischen Texten eine große Rolle, da diese in der bisherigen Forschungsliteratur in vielen Fällen mit Manifestationen von Mehrsprachigkeit in Verbindung gebracht werden können. Ferner wird im Hinblick auf die Verwendung bestimmter Sprachen von Figuren 1) auf die Rolle dieser Sprachen in ihrem Leben und 2) auf Einstellungen diesen Sprachen bzw. ihren Sprechern gegenüber eingegangen. __________ 41 Zu Untersuchungen im Bereich der Phonostilistik und der Graphostilistik siehe auch Spillner (1984) und Pfeiffer-Rupp (1984). 42 Eine Beschreibung über das Verhältnis dieser Kategorien zueinander befindet sich im Kapitel 4. 43 Die Darstellung von Einstellungskonzepten siehe im Unterkapitel 4.1. 3 Untersuchung der Mehrsprachigkeit in literarischen Texten: Möglichkeiten und Konzepte In der Forschungsliteratur wird Mehrsprachigkeit in der Literatur v.a. unter zwei Aspekten untersucht. Diese sind zum einen die sprachliche Biographie der Autor(inn)en und zum anderen die Erscheinungsweise von Elementen verschiedener Sprach(varietät)en in Texten. Im ersten Fall wird die Wahl der Literatursprache, der Sprachwechsel von Autor(inn)en bzw. ihr Umgang mit den von ihnen verwendeten Sprachen im Laufe ihres literarischen Schaffens untersucht. Es wird u.a. der Beziehung zu verschiedenen Sprachen und ihrer Verwendung vor der Folie ihrer Zwei- oder Mehrsprachigkeit bzw. ihrer „mehrsprachigen […] Lebensläufe[]“ (Schweiger 2010: 23) große Aufmerksamkeit gewidmet. Dabei werden verschiedene politische (sprachenpolitische), soziale, individuelle etc. Aspekte miteinbezogen, die bei der Sprachwahl bzw. bei Sprachwechseln mitspielen konnten/ können (siehe dazu ausführlich Kremnitz 2004: 120-239). In diesem Bereich diskutieren Forscher z.B. Fragen, die sich auf die „sprachliche[…] Umgebung“ von Schriftsteller(inne)n (Kremnitz 2004: 221), auf das Verfassen von Werken im Hinblick auf die „gesellschaftliche[…] kulturelle[…] Infrastruktur“ (Kremnitz 2004: 136) oder auf die persönlichen Motivationen 44 der Wahl der Literatursprache beziehen (vgl. Kremnitz 2004: 221). Im zweiten Fall steht die Mehrsprachigkeit in den Texten (im Inhalt und/ oder in der sprachlichen Gestaltung) im Mittelpunkt und wird im Hinblick auf Erscheinungsformen unterschiedlicher Sprachen bzw. Sprachvarietäten auf der textuellen Ebene untersucht. Beide Aspekte werden in Untersuchungen zur Mehrsprachigkeit behandelt ‒ allerdings mit einer gewissen Akzentverschiebung. Ein Teil dieser Untersuchungen kann auch der Erforschung interkultureller Aspekte in Texten zugeordnet werden, da in bestimmten Analysen das Vorhandensein verschiedener Sprachen in Texten mit dem Konzept der Interbzw. Transkulturalität in Verbindung gebracht wird (vgl. Unterkapitel 3.3). Im Bereich der Mehrsprachigkeit beginnt dieses Kapitel mit einem Überblick über einschlägige Termini zur Mehrsprachigkeit in Texten (siehe Unterkapitel 3.1). Darauf folgt eine Darstellung ausgewählter Termini in Bezug auf __________ 44 Wie z.B. die Wahl des Englischen als Literatursprache bei Joseph Conrad (siehe Kremnitz 2004: 222-224). Untersuchung der Mehrsprachigkeit in literarischen Texten 24 literarische Texte in der Forschungsliteratur, in denen u.a. Elemente verschiedener Sprachen untersucht wurden/ werden. Die Forschung interessiert sich vor allem in den letzten Jahrzehnten durch die Globalisierung, die transkulturellen Prozesse und Migartionsbewegungen immer stärker für die Mehrsprachigkeit in literarischen Texten. Auch in dieser Hinsicht wurden in immer mehr Analysen Aspekte der Mehrsprachigkeit in Werken vor der Folie kultureller Konstellationen bzw. dem Kontakt von Kulturen untersucht. Um darzustellen, wie Mehrsprachigkeit in literarischen Texten erforscht wurde, sollen dementsprechend einige Begriffe kurz angeführt werden, mit denen bisher untersuchte Texte bezeichnet wurden. Dabei werden manche Begriffe miteinbezogen, die u.a. wegen ihrer Bedeutungszuschreibungen heute in der Forschungslandschaft nicht mehr verwendet werden oder deren Verwendung aus verschiedenen Perspektiven diskutiert wird, die aber zur Darstellung der Veränderung von Begriffen erwähnt werden müssen (vgl. Unterkapitel 3.2). Da Elemente der Mehrsprachigkeit in vielen Texten in bisherigen Forschungsarbeiten mit dem Konzept von Interbzw. Transkulturalität in Beziehung gesetzt wurden, werden auch thematische und sprachliche Aspekte in Texten anhand von Beispielen der Forschungsliteratur vorgestellt, die zugleich als interkulturelle Aspekte aufgefasst wurden/ werden können (vgl. Unterkapitel 3.3.). Ferner werden einleitend zur Untersuchung Analysen im Bereich des Vorhandenseins verschiedener Sprach- (varietät)en in literarischen Texten in zwei Unterkapiteln (in Unterkapitel 3.4 und 3.5) behandelt. Während im Unterkapitel 3.4 Aspekte der Sprachwahl von zwei- oder mehrsprachigen Autor(inn)en anhand von Beispielen dargestellt werden, bietet Unterkapitel 3.5 eine Übersicht über Untersuchungen, die sich mit der Mehrsprachigkeit in literarischen Texten und mit den von ihnen erfüllten Funktionen befassen. 3.1 Terminologischer Hintergrund Bezüglich der Begriffe, die in der Forschungsliteratur für Erscheinungsformen von Mehrsprachigkeit in Texten angewandt werden, lässt sich eine Vielfalt feststellen. Diese Vielfalt der Termini betrifft sowohl die verschiedenen Formen des Vorkommens von Sprach(varietät)en in Texten als auch den Wechsel zwischen Sprach(varietät)en. Im Zusammenhang mit Texten, in denen unterschiedliche Sprachen oder Sprachvarietäten erscheinen, werden in der Forschungslandschaft Begriffe, wie z.B. „Heterolingualität“, „Heteroglossie“, „Multilingualismus“, „Sprachlatenz“, „evidente“ und „latente Dialogizität“, „Polyphonie“, „Stimmenvielfalt“, „Redevielfalt“, „Anderssprachigkeit“, „Exophonie“, „sprachliche Hybridität“ etc. benutzt, die für unterschiedliche Formen des Vorkommens von Sprachen und Sprachvarietäten bzw. die Mehrsprachigkeit in der Terminologischer Hintergrund 25 Literatur verwendet werden und deren Verwendung von innertextuellen Aspekten (Thema, Sprache) bzw. von außertextuellen Kontexten abhängt. Zu diesen sprachlich-thematischen Aspekten gehört u.a. das Verhältnis der verwendeten Sprach(varietät)en zueinander im aktuellen literarischen Textkontext oder zur dominanten Sprache des Textes, die Art der Verwendung von Sprach(varietät)en in der Rede von Figuren oder in der Erzählerrede, ihre sprachlich-thematische Beziehung mit den dargestellten Hintergründen bzw. Situationen, ihre Beziehung mit außertextuellen sprachlichen Kontexten sowie mit der Zwei- oder Mehrsprachigkeit von Autor(inn)en. Der von Chiellino (2002: 43) gebrauchte Begriff der „Sprachlatenz“ schließt zwei Arten von Verhältnis ein: zum einen das Verhältnis von Elementen verschiedener Sprachen zur Sprache, in der ein Text verfasst ist (nach Chiellino 2002: 43 „angewandte Sprache“), zum anderen ihr Verhältnis zu den Protagonisten bzw. zu den dargestellten Situationen. Dabei wird unter einer „latenten Sprache“ entweder „die Sprache der kulturellen Herkunft der Protagonisten“ verstanden oder „die Sprache der Raum/ Zeit-Konstellation, in der das Werk zum Teil angesiedelt ist“ (Chiellino 2002: 43). Während die „Sprachlatenz“ für das Vorkommen einer anderen Sprache oder verschiedener Sprachen in bestimmten Werken verwendet wird, hängt die Verwendung dieses Begriffes auch mit thematischen Elementen und mit der Zwei- oder Mehrsprachigkeit der Autor(inn)en zusammen: Die Sprachlatenz zeige sich nämlich im „,Auftreten der Herkunftssprache der Protagonisten oder des Schriftstellers in einem Werk, das in der Landessprache geschrieben wird‘ und eine anderssprachige Erfahrung in sich trägt“ (zit. nach Lengl 2012: 42). Während im Hinblick auf das Vorkommen von Elementen anderer Sprach(varietät)en sowohl im Erzähltext als auch in der Figurenrede auch die Termini „Heteroglossie“ (Mühleisen 2007: 195, 201) und „Stimmenvielfalt“ (Gerhard 2002: 205) verwendet werden, unter denen „eine Vielfalt von Stimmen und Sprachvarietäten“ (Mühleisen 2007: 201) verstanden wird, drücken andere Begriffe, wie z.B. Exophonie (Mühleisen 2007: 195), neben der Verwendung anderer Sprachen auch das Verhältnis der fremdsprachigen Elemente zur Sprache des Werkes aus. Dabei wird in Zusammenhang mit bestimmten Werken auch der Begriff „Anderssprachigkeit“ (Arndt/ Naguschewski/ Stockhammer 2007) verwendet, mit dem u.a. das Phänomen bezeichnet wird, dass die „Sprache der Repräsentation und die repräsentierte Sprache […] nicht identisch [sind]“ (Naguschewski 2007: 88). Auch für Formen des Wechsels zwischen Sprach(varietät)en und der Sprache des Textkontextes werden spezifische Termini verwendet. Während für den Wechsel zwischen zwei oder mehreren Sprachen innerhalb eines Textes die Termini „Sprachwechsel“, „Code-switching“ (Heinemann 1998) oder „code switching“ (Gymnich 2007: 68) benutzt werden, wird die Mischung von Elementen verschiedener Sprachen oder die Mischung von Sprachen mit den Be- Untersuchung der Mehrsprachigkeit in literarischen Texten 26 griffen „Sprachenmischung“ (Schumann 2003), „Sprachmischung“ (Riatsch 1998) und „code mixing“ (Gymnich 2007: 68) bezeichnet. 45 Dabei ist der Unterschied zwischen einem „Sprachwechsel“, d.h. „code switching“, und der Mischung verschiedener Kodes von quantitativer Natur, indem es beim „code switching“ um den „Wechsel in eine andere Sprache für einen längeren Redeanteil“ (Gymnich 2007: 68) geht und bei „code mixing“ dieser Wechsel zwischen Sprachen auch innerhalb von Sätzen erfolgen kann, d.h. kürzere Teile des Textes betrifft. Unter dem Begriff „Sprachmischung“ kann aber in bestimmten Untersuchungen neben der Mischung von Elementen verschiedener Sprachen in Sätzen oder in Wortformen auch die Verwendung von Elementen zumindest zweier Sprachen in Texten verstanden werden (wie z.B. bei der Untersuchung von Lamping 2000 und Wittbrodt 2001). Die Terminologie differenziert sich weiter aus, abhängig davon, ob sich die Mehrsprachigkeit in der Literatur auf das Verfassen von Texten in unterschiedlichen Sprachen oder auf die Verwendung verschiedener Sprachen innerhalb einzelner Werke bezieht. Dementsprechend macht Knauth zwischen den Termini „intertextuelle[r] […] Multilingualismus“ und „innertextliche[r] Multilingualismus“ einen Unterschied: Der Begriff „innertextliche[r] Multilingualismus“ (Knauth 2004: 266) wird ähnlich wie die Ausdrücke sprachliche Heterogenität in Texten (Heinemann 1998: 109), „hybride[r] Text“ (Gymnich 2007: 36), „mehrsprachige[r] Text“ (Schmeling 2004: 223) und das Adjektiv „heterolingual“ 46 (Kilchmann 2012a: 11) in der Forschungsliteratur im Zusammenhang mit Texten verwendet, die verschiedene Sprachen und/ oder Sprachvarietäten enthalten. Bezüglich der innertextlichen und der intertextuellen Dimension der Mehrsprachigkeit werden von Vlasta (2010: 339) auch Ausdrücke, wie „inhärent mehrsprachig“ und „tatsächlich mehrsprachig“ verwendet. Laut ihr sind „Texte mehrsprachiger AutorInnen […] (oft) mehrsprachige Texte - inhärent mehrsprachig aufgrund der Spracherfahrung der SchriftstellerIn und/ oder tatsächlich mehrsprachig, wenn die AutorInnen in mehreren Sprachen schreiben.“ Ein weiterer Begriff der literaturwissenschaftlichen Terminologie, der in Bezug auf die Verwendung verschiedener „Stimmen“ bzw. der Redevielfalt in literarischen Texten in vielen Untersuchungen vorkommt, ist die „Polyphonie“. Deren Kon- __________ 45 Für dieses Phänomen tauchen/ tauchten auch solche Bezeichnungen auf, wie „Mischsprachigkeit“ (Knauth 2004: 267) und „Mix-language“ oder „Mix Language“ (Roth 2009) bzw. Interlingualismus (Knauth 2004: 267). 46 Das Adjektiv „heterolingual“ wird bei Kilchmann (2012a: 11) für deutschsprachige Texte verwendet, in denen verschiedene Sprachen „in Form einzelner Wörter und Sätze oder an andere Sprachen angelehnter grammatischer Strukturen“ verwendet werden (Kilchmann 2012a: 11). Damit zusammenhängend wird von ihr das Deutsche auch als eine „heterogene Literatursprache“ angesehen (Kilchmann 2012c: 71). Terminologischer Hintergrund 27 zept umfasst „von der Kopräsenz verschiedener Sprachen (= ‚Sprachvielfalt‘), über die Repräsentation unterschiedlicher sprachlicher Varietäten, darunter Dialekte, Sozio-, und Funktiolekte (= ‚Redevielfalt‘), bis hin zu Idiolekten (= ‚Stimmenvielfalt‘) und der situationsadäquaten Registerwahl eine sehr breite Palette an sprachlichen Äusserungen“ (Baumberger 2006: 20) und kann somit sowohl auf die Verwendung von Sprach(varietät)en in der Erzählerrede als auch in der Rede von Figuren verweisen. Die in Texten vorhandene Mehrsprachigkeit kann laut Amodeo (1996: 121) sowohl explizit als auch implizit erkannt werden. Sie sei explizit erkennbar, wenn mehrere Sprachen in einem Text vorhanden sind. Um eine implizite Erkennbarkeit von Mehrsprachigkeit handele es sich in deutschsprachigen Texten, wenn „eine andere Sprache im Hintergrund präsent ist und mit dem Deutschen dialogisiert“ (Amodeo 1996: 121). Der erste Fall kann als eine „evidente Dialogizität“ („wenn die Strukturen der Erstsprache im sprachlichen Erscheinungsbild des deutschsprachigen Textes bemerkbar sind“) und der zweite als eine „latente Dialogizität“ („latente Präsenz einer anderen Sprache im deutschsprachigen Text“) bezeichnet werden (Cornejo 2010b: 171). Diese Auffassung der „latenten Dialogizität“ kann mit dem von Chiellino verwendeten Begriff der „Sprachlatenz“ in Verbindung gebracht werden, indem durch beide Bezeichnungen das Verhältnis zwischen der angewandten Sprache und einer anderen, latenten Sprache zum Ausdruck kommt. Dieses Verhältnis ist für Schmeling (2004) bedeutsam, insofern er unter Multilingualität in der Literatur die Verwendung verschiedener Sprachen innerhalb eines Textes versteht. Mehrsprachigkeit bezieht sich dementsprechend bei ihm auf die innertextliche Dimension, d.h. seine Auffassung über Multilingualität in der Literatur „zielt auf Produktionen, die innerhalb der materiellen Grenzen eines abgeschlossenen Textes, sei es implizit oder explizit, zwei- und mehrsprachig sind“ (Schmeling 2004: 221f.). Unter impliziter Mehrsprachigkeit versteht er dabei, dass in einem Text eine „Vermittlungssprache lexikalisch durchgehend dominiert, jedoch Wirkungen sprachlicher Fremdbestimmtheit zumindest strukturell ablesbar sind“ (Schmeling 2004: 222). Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass für die Verwendung verschiedener Sprach(varietät)en in literarischen Texten oder für deren Mischung eine Vielfalt von Termini existiert, aus denen einige in der Forschungsliteratur auch in Form von Adjektiven im Zusammenhang mit bestimmten Werken angewandt werden, wie z.B. „polyphon“, „multilingual“, „heterolingual“, „polyglott“, „globoglott“, „mehrsprachig“ etc. Die oben dargestellten Begriffe und ihre Gebrauchskontexte in der Forschungslandschaft weisen darauf hin, dass die Beschreibung verschiedener Sprach(varietät)en in literarischen Werken wichtige Beiträge zur Erforschung von deren sprachlichen Kontexten leistet, die eng mit thematischen Aspekten verwoben sind. Diese Verbindung thematischer Elemente mit Manifestationen der Mehrsprachigkeit lässt sich u.a. darin Untersuchung der Mehrsprachigkeit in literarischen Texten 28 feststellen, wenn zur Schilderung der Figurenrede, von Kommunikationssituationen oder von Schauplätzen andere Sprach(varietät)en in Werken beitragen. Die Termini, die in der vorliegenden Arbeit spezifisch im Hinblick auf die Mehrsprachigkeit in Terézia Moras Werken verwendet werden, befinden sich mit ihren Bedeutungsangaben im Kapitel 5 „Terminologische Abgrenzungen für die Analyse“. 3.2 Begriffe in der Forschungsgeschichte Obwohl „das Phänomen mehrsprachiger AutorInnen bzw. migrierter AutorInnen […] kein neues [ist]“ (Schweiger 2012: 24) und Erscheinungsformen der Mehrsprachigkeit bzw. Multilingualismus auch in Texten früherer Epochen (siehe dazu z.B. Knauth 2004) aufgezeigt wurden sowie in Texten neuerer Epochen, wie in der „modernistischen Avantgarde zu Beginn des 20. Jahrhunderts, im Futurismus und Simultaneismus, in der weltweiten konkreten Poesie (nach 1945), dem supranationalen und translingualen Spatialismus, dem totalen Roman […] oder in der mischsprachigen modernen Liedkultur“ (Esselborn 2010: 66) untersucht wurden, ist die Mehrsprachigkeit in literarischen Texten vor allem in den letzten Jahrzehnten ins Zentrum des wissenschaftlichen Interesses gerückt. Dabei wurde die Verwendung anderer Sprachen in der bisherigen Forschung mit Migrationskontexten, mit Grenzüberschreitungen im weiteren Sinne, mit Zwei- oder Mehrsprachigkeit bzw. mit interkulturellen Erfahrungen von Autor(inn)en in Verbindung gebracht. Durch die Globalisierung und die vielfältigen Möglichkeiten der Mobilität sind Texte in den Mittelpunkt des Interesses gerückt, in denen thematische und sprachliche Aspekte von der Forschungsliteratur mit den „transnationalen Lebensläufen“ bzw. „transnationalen Lebensgeschichten“ (Terminus nach Schweiger 2012: 13) ihrer Autor(inn)en in Verbindung gebracht wurden/ werden. Diese „transnationalen Lebensläufe“, für die in vielen Fällen eine Grenzüberschreitung in sprachlichem Sinne (vgl. Schweiger 2012: 15) charakteristisch ist, und die Zwei- oder Mehrsprachigkeit der jeweiligen Autor(inn)en sind in der Forschungslandschaft auch im Hinblick auf die Interpretation von literarischen Texten von Bedeutung. Das zeigt sich auch darin, dass die Mehrsprachigkeit von Texten und/ oder Elemente ihrer Thematik mit Aspekten von Interbzw. Transkulturalität verknüpft werden. Interkulturelle Elemente können aber auch in früheren Texten zum Vorschein kommen, weil - wie es auch Blioumi betont - auch Interkulturalität „kein neues Phänomen“ ist, sondern ein Phänomen, das „im Zeitalter der modernen Globalisierung einen neuen Status gewonnen hat“ (Blioumi 2002: 39). In der bisherigen Forschung wurden verschiedene Begriffe für Werke von Autor(inn)en verwendet, in denen Aspekte von zwischen- und interkulturellen Begriffe in der Forschungsgeschichte 29 Erfahrungen auf der thematischen und/ oder sprachlich-ästhetischen Ebene auftreten. Diese Begriffsvielfalt ergibt sich zum einen daraus, dass durch einige Begriffe außertextuelle, durch andere textbezogene Aspekte zum Ausdruck kommen. Zum anderen kann die Vielfalt der Bezeichnungen darauf zurückgeführt werden, dass in der Forschungsliteratur auch Termini gebraucht wurden/ werden, zwischen deren Verwendung nicht immer scharfe Grenzen liegen, wie z.B. in bestimmten Kontexten im Falle der Begriffe interkulturell und transkulturell oder transkulturell und transnational. Im Folgenden wird neben diesen Begriffen auch die frühere Verwendung des Begriffs Gastarbeiterliteratur und der Begriffe Migranten- oder Migrationsliteratur anhand einiger Beispiele veranschaulicht, da auch sie in Zusammenhang mit Texten erwähnt wurden, in deren thematischer und/ oder sprachlich-ästhetischer Gestaltung Aspekte verschiedener Kulturen vorkommen. Für deutschsprachige Literatur von Autor(inn)en, die Deutsch nicht als Erstsprache gelernt haben und/ oder aus anderen Ländern stammten, wurden früher verschiedene Bezeichnungen verwendet, wie z.B. „Gastarbeiterliteratur“, „Ausländerliteratur“, „Gastliteratur“, „eine nicht nur deutsche Literatur“, „Minderheiten-Literatur“, „mehrkulturelle Literatur“, „Literatur der Fremde - Literatur in der Fremde“ (Esselborn 1997: 49), „ausländerdeutsche Literatur“ (Esselborn 2010: 108) usw. Die Mehrsprachigkeit und verschiedene Phänomene der Sprachenmischung wurden bereits in mit dem Begriff „Gastarbeiterliteratur“ bezeichneten Texten aufgezeigt. Dieser Ausdruck wurde in den 1970er- und noch am Anfang der 1980er-Jahre in Bezug auf Werke von Autor(inn)en benutzt, die das Deutsche nicht als Muttersprache oder Erstsprache gelernt haben und in Deutschland Arbeit gefunden haben. Zu den Autor(inn)en gehörten „Gastarbeiter“ und auch solche Personen, die „eher einer jüngeren, meist schon deutsch sprechenden Migrantengeneration [angehörten] und […] die ‚Gastarbeiter‘-Themen eher stellvertretend für ihre sprachlosen Landsleute [gestalteten] […] “ (Esselborn 1997: 51). Da im Bereich dieser Werke u.a. auch Formen von „Gastarbeiterdeutsch“ vorkamen, wurden sie in bestimmten literaturwissenschaftlichen Untersuchungen auch im Hinblick auf ihre Sprache behandelt. Statt dieses „negativ besetzten“ Begriffs (Esselborn 1997: 54), dessen problematischer Charakter sowohl seitens von Autor(inn)en als auch seitens der Forschung mehrfach zum Ausdruck gebracht wurde, wurden in der ersten Hälfte der 1980er-Jahre andere Begriffe, wie z.B. „Gastliteratur“, „deutsche[] Literatur von außen“ oder „Ausländerliteratur“ benutzt (Esselborn 1997: 54). Jedoch lenkte auch diese Begriffsverwendung die Aufmerksamkeit in erster Linie immer noch auf das Herkunftsland bzw. auf die Herkunft von Autor(inn)en (vgl. Koiran 2009: 75). Später wurden im Zusammenhang mit der Literatur „zugewanderter“ Autor(inn)en, die „Deutsch nicht als Mutter- oder Erstsprache kennengelernt haben“ (Nell 1997: 35) die Begriffe Migranten- oder Untersuchung der Mehrsprachigkeit in literarischen Texten 30 Migrationsliteratur verwendet. Auch diese Begriffe werden in der Forschungsliteratur immer wieder diskutiert. Sie könn(t)en nämlich die Aufmerksamkeit auf die Herkunft von Autor(inn)en lenken und dadurch die mit diesen Begriffen bezeichneten Texte auf der begrifflichen Ebene in einem gewissen Sinne von einer „deutschen Literatur“ abgrenzen. Auf die Herkunft bzw. auf den Aspekt der Migration verweist z.B., dass der Begriff Migrantenliteratur in bestimmten Fällen für Texte von Autor(inn)en verwendet wurde, die aus verschiedenen (z.B. aus politischen, soziokulturellen oder anderen) Gründen in ein anderes Land gefahren sind und dort schreiben. Viele Autor(inn)en sind zudem nicht damit einverstanden, wenn ihre Texte mit diesen Termini bezeichnet werden. In diesem Zusammenhang verweist u.a. Schweiger darauf, dass diese Bezeichnungen dazu führen können, „dass AutorInnen einem Sonderbereich zugeordnet werden“ (Schweiger 2012: 19). Die Verwendung der Begriffe kann neben außertextuellen Faktoren, wie den Umständen der Migration, auch auf der Sprache der von den Autor(inn)en verfassten literarischen Texte beruhen. Demzufolge wird der Begriff Migrantenliteratur von Nell (1997) z.B. für literarische Texte von Autor(inn)en verwendet, deren Literatursprache deutsch ist, die sich aber die deutsche Sprache nicht als Mutter- oder Erstsprache angeeignet haben. Bei einer Bestimmung des Begriffes Migrantenliteratur können neben den außertextuellen Komponenten auch textbezogene Faktoren in Betracht gezogen werden. Laut Nell kann aber die Thematik von Texten nicht die einzige Komponente bei einer Begriffsbestimmung sein, da Fremdheits- und Migrationserfahrungen, „Probleme und Aspekte interkulturellen Lernens, interkultureller Begegnungen und Konflikte“ auch in der „traditionell als deutsch angesehenen Literatur“ behandelt wurden (Nell 1997: 37f.). Demzufolge dient z.B. bei ihm der Begriff Migrantenliteratur der „Beschreibung und Thematisierung von politischen, sozialen und kulturellen Aspekten des Migrationsprozesses im Rahmen einer ästhetisch-kulturellen Praxis […], die zwar eng an die Geschichte der Einwanderung und der Arbeitsmigration in (West-)Deutschland geknüpft ist, zugleich aber in ihrer individualistischen und ästhetischen, die Fiktionalisierung der Realität umfassenden Dimension weit über diese hinauszugehen vermag und dies - dem Anspruch einzelner KünstlerInnen folgend - auch soll“ (Nell 1997: 41). In der Forschungsliteratur werden die Begriffe Migranten- und Migrationsliteratur unterschiedlich gebraucht. Der zweite Begriff wird z.B. von Rösch in Bezug auf den thematischen Bereich von Texten verwendet, wodurch er laut Koiran „die Thematik der Migration in den Vordergrund“ stelle und „damit auf die Literatur selbst [verweist], weniger auf die Biographien ihrer Produzenten“ (Koiran 2009: 76): Begriffe in der Forschungsgeschichte 31 „Der Begriff ,Migrationsliteratur‘ impliziert wie ,Gastarbeiter- und ,Ausländerliteratur‘ die Erfahrung des Fremden, Fremdseins und der Fremde. Diese Erfahrungen können jedoch von allen Autoren unabhängig von ihrer Herkunft und ihrem Status gemacht werden. ,Migrationsliteratur‘ führt daher im Gegensatz zu den beiden anderen, eher einengenden Begriffen, eine erweiternde Dimension für das Verständnis der anderen deutschsprachigen Literatur ein.“ (Koiran 2009: 76) [Hervorhebung im Original] Jedoch weist in der hier zitierten Stelle bei Koiran die deklinierte Form „anderen“ auf die besondere Stelle der erwähnten Literatur hin, wodurch diese wieder einer bestimmten Kategorie zugeordnet wird. Auch die Verwendung des Begriffes Migrationsliteratur wird in der Forschungslandschaft viel diskutiert „vor allem dann, wenn für [eine] […] Einordnung nur die Herkunft als entscheidendes Kriterium genannt wird. Würde die Etikettierung [nach Schweigers Auffassung ‒ B.B.] zum Beispiel aus den Themen der Texte abgeleitet, müsste sie auch auf nicht zugewanderte AutorInnen angewandt werden, die sich in ihren Texten mit Migrationserfahrungen beschäftigen […]“ (Schweiger 2012: 20). Ein Teil der Texte, in denen Manifestationen der Mehrsprachigkeit mit verschiedenen Kulturen bzw. mit ihrer Begegnung und Beziehung in Verbindung gebracht wurden, wurde später mit den Begriffen interkulturelle oder transkulturelle Literatur bezeichnet. Diese Begriffe werden in der Forschung jedoch jeweils unterschiedlich verwendet. Einen Unterschied zwischen den Bezeichnungen Migrationsliteratur und interkulturelle Literatur sieht Schmitz (2009: 9) in der Thematik von Texten: „Während ‚Migrationsliteratur‘ eindeutig über den in ihr verhandelten Erfahrungsgehalt der Migration definiert wird, trifft das auf den Begriff ‚interkulturelle Literatur ᾿ bereits nicht mehr zu“ (Schmitz 2009: 9). Ein weiterer möglicher Unterschied in der Verwendung des Attributs interkulturell kann auf die Bedeutung des Präfixes inter zurückgeführt werden, da durch dieses Präfix sowohl ein zwischen als auch ein miteinander in Bezug auf kulturelle Aspekte ausgedrückt werden kann. Dieses Adjektiv kann dementsprechend sowohl in Bezug auf einen „dritten Raum“ in der Handlung von Texten als auch auf verschiedene Erscheinungsweisen der Beziehung von Kulturen und Sprachen in Texten verwendet werden. Ein weiterer Begriff, der neben dem Adjektiv interkulturell immer häufiger ins Blickfeld literaturwissenschaftlicher Untersuchungen gelangt ist, ist das Adjektiv transkulturell. Dieses Adjektiv wird in Zusammenhang mit Texten verwendet, für die eine Vermischung und/ oder Aufhebung kultureller Grenzen charakteristisch sind. Die Bezeichnung transkulturell und Transkulturalität werden nicht nur im Bereich der Analyse deutschsprachiger literarischer Texte, sondern auch für „postkoloniale“ und für in anderen Sprachen verfasste Werke verwendet (siehe auch z.B. Zierau 2009). Transkulturelle Aspekte können auf verschiedenen Ebenen Untersuchung der Mehrsprachigkeit in literarischen Texten 32 zum Vorschein kommen, wie es auch Iljassova-Morger (2009) betont, laut der „[t]ranskulturelle Elemente und Tendenzen in literarischen Texten […] sich sowohl auf der formalen Ebene der literarischen Mittel und ‚Werkzeuge‘ (Erzähltechniken, -strukturen, -perspektiven u.a.) als auch auf der inhaltlichen Ebene […] analysieren [lassen].“ (Iljassova-Morger 2009: 47). Die Schwierigkeit einer klaren Trennung einer interkulturellen von einer transkulturellen Literatur ist aber daran zu erkennen, dass die Attribute interkulturell und transkulturell auch zusammen, durch einen Schrägstrich getrennt inter/ transkulturell vor dem Substantiv Literatur verwendet werden (z.B. bei Esselborn 2009: 43), wodurch in bestimmten Fällen die Vertauschbarkeit beider Termini versinnbildlicht wird. Neben den obigen Begriffen wird ferner mit dem Begriff transnational operiert, der laut Seyhan (2001: 10) als „a genre of writing that operates outside the national canon“ verstanden werden kann, da diese Bezeichnung schon sprachlich einen Gegenpol zu den sog. „nationalen Literaturen“ markiert, d.h. der Thematik der Transkulturalität entspricht. Die obigen Termini wurden ausgeführt, um die Vielfalt der Bezeichnungen im Zusammenhang mit literarischen Texten zu veranschaulichen, in denen Erscheinungsformen der Mehrsprachigkeit in den letzten Jahrzehnten mit kulturellen, interkulturellen bzw. transkulturellen Elementen in Verbindung gebracht wurden. Obwohl im Hinblick auf die Mehrsprachigkeit von Texten in der Forschungsliteratur auch Bezüge zur Biographie von Autor(inn)en eine Rolle spielen, sollte daraus insbesondere Aspekten ihrer Zwei- oder Mehrsprachigkeit und ihrem Umgang mit Sprachen und Kulturen Aufmerksamkeit geschenkt werden (vgl. Schweiger 2012: 17). Davon ausgehend sollten laut Schweiger die „Vielstimmigkeit“ (vgl. Schweiger 2012: 24) und die ästhetischen und thematischen Qualitäten von Werken im Mittelpunkt von Analysen stehen (vgl. auch Schweiger 2012: 24 ‒ 27). In diesem Sinne werden hier Texte der Autorin Terézia Mora, die wichtige Teile der deutschsprachigen Literatur sind, im Hinblick auf die Mehrsprachigkeit in engem Zusammenhang mit thematischen, stilistischen und literarischen Qualitäten untersucht, um die Rolle von Manifestationen der Mehrsprachigkeit in ihrem komplexen Kontext beschreiben zu können. Das interkulturelle Potenzial in literarischen Texten 33 3.3 Das interkulturelle Potenzial in literarischen Texten 3.3.1 Konzepte von Interkulturalität in der Sprache und in der Literatur Das Konzept ‚Interkulturalität‘ ist in den letzten Jahrzehnten infolge der kulturwissenschaftlichen Wende in den Fokus verschiedener Disziplinen, Subdisziplinen und Forschungsorientierungen geraten, was in erster Linie mit der gewichtigen Rolle kultureller (Austausch)Prozesse in der Gesellschaft, in der Literatur und in der Sprache begründet werden kann. Ähnlich wie in der Literaturwissenschaft, wird auch in der Linguistik Interkulturalität nicht als etwas „,Fertiges‘, ,Vorgegebenes‘“ betrachtet, sondern stellt eine „Interpretationsleistung“ dar (Földes 2009: 512). Ein Verhältnis kann laut Hausstein (2005) dann als interkulturell betrachtet werden, „wenn es (a) Begriffe nicht als binäre, sondern als relationale auffaßt, (b) in das Verstehen des Anderen das Verstehen des Eigenen (der eigenen Position, des eigenen Blickwinkels) miteinschließt, (c) jede Beziehung also auch zu einer Selbstaufklärung durch Selbstdistanzierung führen muß, (d) diese Selbstaufklärung gleichzeitig eine Selbstkritik und Selbstveränderung implizieren muß, (d) diese Selbstveränderung zu einem qualitativ neuen Verhältnis zwischen den Kulturen führt“ (zit. nach Földes 2009: 512). In der Linguistik kann Interkulturalität laut Földes (2007a: 48) auf der Objekt-Ebene als „ein P h ä n o m e n “ bezeichnet werden, und „bedeutet eine Art Beziehung“. Auf der Meta-Ebene erscheint hingegen Interkulturalität als „ein dynamisches und disziplinenübergreifendes K o n z e pt, das sich auf eine Erschließung von Bedingungen, Möglichkeiten und Folgen einer Interaktion zwischen Kulturen richtet“ (Földes 2007a: 48f.) [Hervorhebungen im Original]. Interkulturalität kann auch nach Raster (2002) auf zwei Ebenen festgestellt werden: auf der Ebene der Sprache und auf der Ebene der Sprachwissenschaft. Demzufolge unterscheidet er zwei Forschungsrichtungen: „die Linguistik, die sich auf die Interkulturalität der Sprachen bezieht, und die Linguistik, die sich auf die Interkulturalität der Sprachwissenschaft selbst bezieht“, die zwei Formen einer interkulturellen Linguistik sind (Raster 2002: 9) [Hervorhebungen im Original]. Während die Linguistik der Interkulturalität die „interkulturelle[] Variation der Sprache“ und die „interkulturelle[] Variation des Sprechens“ erforscht (Raster 2008: 120), bezieht sich die Interkulturalität der Linguistik auf „die kulturbedingte Verschiedenheit von Sprachwissenschaften“ (Raster 2002: 13). Laut Hermanns (2003: 363) kann diese Art der Linguistik im Hinblick auf ihren Interessenkreis beschrieben werden, insofern bei ihm „alle Linguistik, insofern sie interkulturell interessiert ist“ als interkulturelle Linguistik gilt. Die Linguistik kann laut ihm dann als interkulturell bezeichnet werden, Untersuchung der Mehrsprachigkeit in literarischen Texten 34 „wenn sie bei Bestimmung und Beschreibung ihres Gegenstandes Sprache a) auf die Kulturgebundenheit von Sprachen, b) auf Unterschiede und Gemeinsamkeiten verschiedener Sprachkulturen achtet“ (Hermanns 2003: 363f.). Die Kulturgebundenheit von Sprachen und sprachlicher Interaktionen spielt in der Linguistik u.a. im Bereich der Kommunikation (siehe z.B. Földes 2007b), der Semantik (siehe z.B. Kühn 2006), der Pragmatik (siehe z.B. Herrlitz/ Koole/ Loos 2003), der Grammatik (siehe z.B. Traoré 2008) etc. eine zentrale Rolle, was auf die Wichtigkeit der Beschreibung kultureller Einflüsse im sprachlichen Bereich hindeutet. Wie von der Linguistik wird kulturellen Aspekten der Sprache auch von der Literaturwissenschaft Wichtigkeit beigemessen. Dies zeigt sich u.a. in der Erforschung von Werken, in denen sich ‒ neben thematischen und erzähltechnischen Gesichtspunkten ‒ in der sprachlichen Gestaltung interkulturelle Aspekte bieten. Dementsprechend ist eine wichtige Aufgabe der Forschungsorientierung „interkulturelle Literaturwissenschaft“ die Auseinandersetzung mit interkulturellen Aspekten der Literatur, zu denen laut Esselborn u.a. „Themen und Motive von Kulturbegegnungen und -konflikten und die literarischen Formen der Mehrsprachigkeit, der Interkulturalität, der Intertextualität und Hybridität“ gezählt werden können (Esselborn 2007: 15). 47 Dabei erscheint der Begriff Interkulturalität im Kontext von Elementen mehrerer Kulturen, deren Manifestationen in Texten identifiziert werden können und als eine Bereicherung angesehen werden. Dazu wird von verschiedenen Forschern hervorgehoben, dass diese Interkulturalität „kein neues Phänomen bezeichnet“, da sich Kulturen „schon immer im gegenseitigen Kontakt und Austausch“ befanden (Blioumi 2002: 39). Dieser Austausch kann auch im Begriff von Interkulturalität zum Ausdruck kommen, die demzufolge als ein dynamischer Prozess aufgefasst werden kann (vgl. Lengl 2012). Diese „Dynamik“ zeigt sich z.B. in Werken zwei- oder mehrsprachiger Autor(inn)en, in denen „ihre beiden - oder mehrere - Sprachen in ständigem Dialog sind“ (Lengl 2012: 17). __________ 47 Während sich der auch in diesem Zitat anzutreffende Begriff „Hybridität“ bei Blioumi auf „die Koexistenz und Interaktion mehrerer Kulturen“ im Hinblick „auf die Konturierung der personalen und der kollektiven Identität“ (Blioumi 2002: 31) bezieht, wird sie bei Zierau in Bezug auf sprachliche Aspekte als „eine[] partielle[] Übersetzung verschiedener Identitäten ineinander“ benutzt (Zierau 2009: 68). Sowohl bezüglich inhaltlicher als auch sprachlicher Aspekte kann sie sich also auf den Austausch und Interaktion kultureller Aspekte beziehen. Auch das Konzept von Interkulturalität kann in der Literaturwissenschaft auf den Austausch kultureller Aspekte beruhen. Laut Esselborn kann das auch „auf ein intermediäres Feld“ zielen, „das sich im Austausch der Kulturen als Gebiet wechselseitiger Differenzerfahrung wie zugleich Identifikationsmöglichkeiten herausbildet“ (Esselborn 2009: 57). Das interkulturelle Potenzial in literarischen Texten 35 Zu interkulturellen Aspekten literarischer Texte, in denen sich das Interkulturelle laut Blioumi „aus dem Spannungs- oder Wechselverhältnis zwischen dem ‚Fremden‘ und dem ‚Eigenen‘“ (Blioumi 2002: 30) ergeben kann, werden von ihr neben „Hybridität“ Kategorien wie der „dynamische Kulturbegriff“, die „Selbstkritik“ und eine „[d]oppelte Optik“ gezählt (Blioumi 2002: 31). Das interkulturelle Potenzial eines literarischen Textes kann nach Esselborn ferner in der speziellen Art der Darstellung von Fremdheit bestehen (siehe Esselborn 2009: 53f.). Über ein interkulturelles Potenzial von literarischen Texten kann folglich sowohl in Bezug auf inhaltliche als auch in Bezug auf sprachliche Aspekte gesprochen werden, die miteinander in enger Verbindung stehen. Diese Manifestation interkultureller Aspekte auf verschiedenen Ebenen wird von Lamping auch für die jüdische Literatur betont. Hier sei die sprachliche Ausdrucksform von Interkulturalität u.a. in der Sprachmischung, d.h. im Vorhandensein von mindestens zwei Sprachen in Texten erfassbar (vgl. Lamping 2000). Während dieser systematischen Beschäftigung mit interkulturellen Aspekten in Texten wurde in der Forschungsliteratur auch der Begriff interkultureller Text entwickelt. Bei der Verwendung des Terminus können aber - wie selbst im Falle von Interkulturalität - Unterschiede zwischen den Bestimmungen von Forschern beobachtet werden, da im Mittelpunkt der Bestimmung des Begriffes interkultureller Text bei einigen Forschern die Thematik literarischer Texte, bei anderen außersprachliche Faktoren und/ oder die sprachliche Gestaltung von Texten stehen. Darüber hinaus gibt es auch Abgrenzungen, in denen jeder der obigen Faktoren in Betracht gezogen wird. Im Folgenden werden die diesbezüglichen Ansätze bzw. Bestimmungen von Durzak (2004), Esselborn (2007), Pérez Alvarez (2004), Chiellino (2002), Lengl (2012) Gutjahr (2008) und Kindt (2004) kurz dargestellt, um einen Überblick über die Vielfalt möglicher Annäherungen an die Begriffsbestimmung in der Forschungslandschaft zu geben. 3.3.2 Darstellungsweise als interkultureller Aspekt In den von Durzak als „interkulturell“ bezeichneten Texten können nach seiner Meinung „Momente der ästhetischen Form und der Tradition des Erzählens und Schreibens“ erkannt werden, „die auf […] [das − B.B.] Ursprungsland [von Autoren − B.B.] zurückweisen“, wodurch die Möglichkeit „ästhetischer Überkreuzungen und Darstellungsweisen“ (Durzak 2004: 34) in Texten bestehe. Sie werden bezüglich der Gestaltung als eine Bereicherung angesehen. In der Auffassung von Durzak über „interkulturelle Texte“ wird der Integration „unterschiedliche[r] Erzählweisen“ eine hohe Bedeutung beigemessen (Durzak 2004: 35). Jedoch kann in dieser Auffassung eine gewisse Abgrenzung „interkultu- Untersuchung der Mehrsprachigkeit in literarischen Texten 36 reller Texte“ von Texten einer sog. „deutschen Binnenliteratur“ (Durzak 2004: 34) in Bezug auf die in ihnen verwendeten ästhetischen Mittel gesehen werden, wobei deren Gebrauch als Teil der literarischen Kreativität angesehen werden kann. 3.3.3 „Interkulturelle Erfahrungen“ Ähnlich wie Durzak verweist auch Esselborn darauf, dass neben textbezogenen auch außersprachliche Faktoren, d.h. die Biographie von Autor(inn)en bei interkulturellen Aspekten der Literatur einbezogen werden können. Interkulturalität könne sich ihm zufolge auch im Lebenslauf, in den Erfahrungen von Autor(inn)en widerspiegeln, so etwa wenn Autor(inn)en „an mehreren Kulturen partizipieren bzw. in kulturellen Zwischenräumen leben“ (Honnef-Becker 2006: 66). Die Vielfalt möglicher Formen einer interkulturellen Biographie wird von Esselborn anhand einiger Beispiele aufgezeigt, wie „[…] Migration, Exil in der Fremde“ (s. Behring 2004); „Leben in Grenz- oder in Minderheitenräumen/ in Zwischenräumen der Kulturen“; „Leben in internationalen Zentren der Globalisierung (global people)“ oder „individuelle interkulturelle Erfahrungen einzelner Migranten, Exilanten usw. vs. kollektive Erfahrungen fremder Kultur und eines Minderheitenstatus“ (Esselborn 2007: 11). Im Zusammenhang mit diesen Biographien kann laut ihm interkulturelle Literatur als eine Literatur aufgefasst werden, die „im Einflussbereich verschiedener Kulturen und Literaturen entstanden und auf diese durch Übernahmen, Austausch, Mischung usw. bezogen ist“ (Esselborn 2007: 10). Durch diese Bestimmung werden die Merkmale verschiedener Kulturen in der Literatur also auch mit solchen außertextuellen Merkmalen in Verbindung gebracht, wie den Erfahrungen der Verfasser(innen). 3.3.4 Interkulturelle Aspekte im Thema und in der Sprache Im Hinblick auf die textbezogenen Faktoren kann laut Esselborn (2007: 10) zwischen einer (1) „sprachliche[n], literarische[n]“ und einer (2) „thematische[n]“ Interkulturalität unterschieden werden. Während die erste Art sprachliche Aspekte von Interkulturalität in literarischen Texten bezeichnet (Mehrsprachigkeit, Sprachmischung und Sprachwechsel), bezieht sich die zweite Art auf Manifestationen von Interkulturalität im Inhalt. Die thematische Interkulturalität kann z.B. in der Darstellung interkultureller Kommunikation, der Wahrnehmung anderer Kulturen etc. zum Ausdruck kommen (Honnef-Becker 2006: 66). Thematische Interkulturalität wird in der Forschungsliteratur ferner Das interkulturelle Potenzial in literarischen Texten 37 mit Texten in Verbindung gebracht, in denen Migrations- und Exilerfahrungen oder „kulturelle Selbst- und Fremdbilder, Stereotypen und Fragen der kulturellen Identität“ auf der thematischen Ebene angesprochen werden (Honnef- Becker 2006: 69). Daneben gibt es auch Untersuchungen, die sich im Hinblick auf Manifestationen der Interkulturalität in Texten in erster Linie nicht auf die Biographie (z.B. Herkunft) von Autor(inn)en konzentrieren, sondern darauf fokussieren, inwieweit sich im Thema bzw. in der sprachlichen Gestaltung interkulturelle Aspekte zeigen können. In diesem Sinne dehnte Weigel (1992) ihre Interkulturalitätsauffassung aus und zog in Bezug auf das Thema auch solche Texte in Betracht, in denen es um „Fremdheitserfahrungen deutscher Autoren zu Hause wie auf Reisen“ geht (zit. nach Esselborn 2007: 19). In Verbindung mit der literarisch-ästhetischen Qualität von Werken sollte auch laut Schweiger nicht der Herkunft von Autor(inn)en, sondern ihren „transnationalen Lebensläufen“ und dem Umgang mit Sprachen einzelner Autor(inn)en Aufmerksamkeit gewidmet werden (vgl. Schweiger 2012). 48 Neben thematischen Elementen richten verschiedene Untersuchungen den Blick auch auf die Erscheinung interkultureller Aspekte in der Sprache von Texten, wie beispielsweise Pérez Alvarez (2004). Er konzentriert sich auf sprachliche Manifestationen von Interkulturalität in ausgewählten, auf Deutsch verfassten Werken, die im Exil geschrieben wurden. Hier wird die kulturelle Übertragung sowohl im Inhalt als auch in der Sprache als Element der Konstruktion interkultureller Texte angesehen. Das Wesen solcher Texte wird bei ihm in der „Zusammenfügung zweier unterschiedlicher Kulturen in einem Text“ (Pérez Alvarez 2004: 75) gesehen. Segmente anderer Kulturen können dabei auch in der sprachlichen Gestaltung ausgedrückt werden. Demzufolge lassen sich nach Pérez Alvarez solche Texte als interkulturell interpretieren, in denen durch die Sprache zwei Kulturen (in seiner Untersuchung die deutsche und die mexikanische Kultur) in Verbindung gebracht werden. In den von ihm untersuchten Texten wird einerseits Mexiko „als Thema behandelt, andererseits ist der Text in deutscher Sprache an deutschsprachige Leser gerichtet. D.h., zwei unterschiedliche kulturelle Welten sind durch den Text verknüpft“ (Pérez Alvarez 2004: 76). Hier wirkt also die Sprache des Textes im Hinblick auf dessen Thematik interkulturell vermittelnd. __________ 48 Auch von Lengl wird betont, dass Werke in Bezug auf ihren „interkulturell-universalistischen Standpunkt“ analysiert werden sollten bzw. in Bezug „darauf, wie die Mehrsprachigkeit in den Werken zutage tritt und die Weiterentwicklung der Sprachen und transnationalen Lebensräume darstellt.“ (Lengl 2012: 18) [Hervorhebung im Original] Untersuchung der Mehrsprachigkeit in literarischen Texten 38 3.3.5 „Interkulturelles Gedächtnis“ und „Sprachlatenz“ Neben den bisherigen Bestimmungen wie „interkulturelle Literatur“ bzw. „interkultureller Text“ sind bereits auch spezifische Unterkategorien zu finden. Demzufolge spricht Chiellino (2002) von einem „interkulturellen Roman“, während Gutjahr (2008) Grundzüge eines „interkulturellen Bildungsromans“ beschreibt. Als eine wichtige Ausdrucksform von Interkulturalität in Texten wird von Chiellino das „interkulturelle Gedächtnis“ bezeichnet, das zu deren interkulturellem Potenzial beiträgt. Als Ausgangsposition des interkulturellen Romans bestimmt er „de[n] Wunsch oder de[n] Drang nach Zusammenfügung von Erfahrungen aus Lebensabschnitten, die sich in unterschiedlichen Kulturen zugetragen haben“ (Chiellino 2002: 41). Die Grundzüge der Gattung „interkultureller Roman“ bilden bei ihm die „Erzählperspektive und ihre Gestaltung“ und die „Sprachlatenz“, unter der das Phänomen verstanden wird, dass im Werk auch solche Sprachen verwendet werden, die sich von der „angewandten Sprache“ unterscheiden. Die Hauptfiguren des interkulturellen Romans „handeln in einem sprachlichen Kontext, der sich aus einer angewandten und mindestens einer latenten Sprache zusammensetzt“ (Chiellino 2002: 43). Dabei wird unter „angewandter Sprache“ die Sprache verstanden, „in der das Werk abgefaßt ist“ (Chiellino 2002: 43). Die latente Sprache bzw. die Sprachlatenz wird laut Chiellino für die „Aufdeckung oder Herausbildung eines interkulturellen Gedächtnisses“ (Chiellino 2002: 44) verwendet. Der Dialog zwischen diesen zwei Sprachen ist auch in der Untersuchung von Lengl (2012) zentral, wie die Erläuterung des Begriffs „interkulturelle Literatur in deutscher Sprache“ zeigt: Bei ihr bezieht sich das Adjektiv „interkulturell“ „auf den Dialog zwischen geschriebener und latent mitwirkender Sprache“. Dabei ist für die Entstehung eines interkulturellen Textes das Gespräch zwischen „Sprachen des Autors bzw. der Autorin oder der literarischen Figuren“ wichtig (Lengl 2012: 24). Der Zusammenhang dieser sprachlichen mit thematischen Aspekten besteht laut ihr in Werken von „interkulturelle[n] AutorInnen“ u.a. darin, wie in der dargestellten Geschichte „die Teile der Biographie [von] […] Figuren“ vereint werden (Lengl 2012: 23). Dadurch hänge die Lebensgeschichte der Figuren mit den verwendeten Sprachen eng zusammen. Das interkulturelle Potenzial in literarischen Texten 39 3.3.6 Das Motiv und die Bedeutung der Reise Über ein interkulturelles Potenzial können laut der Forschungsliteratur auch Bildungsromane verfügen. Während unter dem Gattungsbegriff „Bildungsroman“ Texte verstanden werden, die über eine „epochenübergreifende“ Grundstruktur verfügen und die Entwicklung der Protagonisten darstellen, können als interkulturelle Bildungsromane laut Gutjahr Romane angesehen werden, in denen das Motiv der Reise nicht nur „die innere Entwicklung [des Protagonisten] verdeutlicht“. Die Reise erscheint in diesen Texten als eine Herausforderung bezüglich der Auseinandersetzung „mit fremden Kontexten und Wertvorstellungen“, wobei „[d]ie Überwindung eines Lebensmodells, das durch die Herkunft vorherbestimmt scheint, […] zumeist die Erinnerung an die Kindheit in einer anderen Kultur [impliziert]“ (Gutjahr 2008: 127-131.). 49 Diese Art der Reise kann somit verschiedene Lebensabschnitte von Figuren verbinden, die in unterschiedlichen Kulturen spiel(t)en. 3.3.7 Narrative Texte und Interkulturalität Konzepte von Interkulturalität wurden in der Forschungslandschaft auch spezifisch für narrative Texte behandelt. In diesem Bereich kann laut Kindt (2004) „im Hinblick auf eine Textpassage […] von ›interkultureller Narration‹“ gesprochen werden, wenn „die Textpassage […] narrativ [ist], […] in ihr […] auf (mindestens) zwei Kulturen Bezug genommen [wird]“, und bei der die „Verwendung des Prädikats ›interkulturell‹ angemessen erschein[t]“ (Kindt 2004: 132). Kindt (2004) macht in diesem Zusammenhang auch einen Unterschied zwischen „polykulturellen Texten“ und „interkulturellen Texten“. Während polykulturelle Texte „Elemente der axiologischen und/ oder historischen Komponente von mindestens zwei Kulturen denotativ und/ oder exemplifikatorisch zum Thema“ machen, kann ein Text laut Kindt dann mit dem Attribut „interkulturell“ verknüpft werden, wenn der Text „nicht nur (mindestens) zwei Kulturen, sondern zudem auch deren Beziehung zueinander denotativ und/ oder exemplifikatorisch zum Thema“ macht (Kindt 2004: 138). Somit bekommt in dieser Beschreibung auch der Aspekt der Beziehung zwischen den Kulturen eine zentrale Rolle. 50 __________ 49 Zum Motiv der Reise in Erzähltexten siehe auch z.B. Orosz (2014) und Fulda (2014). 50 Zu interkulturellen Aspekten in Erzähltexten siehe auch die Untersuchung von Orosz (2014) und die von Fulda (2014). Untersuchung der Mehrsprachigkeit in literarischen Texten 40 3.3.8 Interkulturelle Aspekte auf verschiedenen Ebenen Anhand der oben dargestellten Untersuchungen lässt sich feststellen, dass der Kontakt kultureller Aspekte in vielfältigen Kontexten der Literatur erfasst werden kann. Diesem Kontakt wird in der vorliegenden Monographie sowohl auf der Ebene des Inhalts als auch auf der Ebene der Sprache Aufmerksamkeit gewidmet. Dabei können interkulturelle Aspekte auf der Ebene des Inhalts erscheinen, wenn in Texten die Beziehung (wie z.B. Begegnung, Austausch, Zusammenleben, Konflikt usw.) von zwei bzw. mehreren Kulturen bzw. ihren Aspekten thematisch erscheint oder das ‚Andere‘ in kultureller Hinsicht ausgedrückt wird. Interkulturelle Aspekte können sich auch in der sprachlich-ästhetischen Gestaltung von Texten manifestieren, indem die Manifestation von Mehrsprachigkeit die Veranschaulichung von Segmenten von zwei bzw. mehreren Kulturen und deren Beziehung zueinander ermöglicht. In Bezug auf Interkulturalität können neben diesen auch zwei weitere Komponenten erwähnt werden, zu denen die Mehrsprachigkeit und kulturelle Identität von Autor(inn)en und die Rezipienten von Texten gezählt werden können. Im Hinblick auf die Interpretation von Texten spielen auch die Sprachkenntnisse der Leser eine wichtige Rolle, wenn sie z.B. bei interkulturellen Romanen „die latent mitwirkende Sprache verstehen und demnach GesprächspartnerInnen des Textes […]“ sind (Lengl 2012: 72). Für diejenigen Leser, die sowohl die Sprache eines Werkes als auch die Bedeutungen verstehen, die aus einer anderen Sprachkultur durch Übersetzung in die Sprache des Werkes vermittelt werden, erschließen sich auch weitere Bedeutungen, die zugleich als interkulturelle Aspekte von Werken interpretiert werden können. 3.4 Wahl der literarischen Sprache - zur Sprachwahl mehrsprachiger Autor(inn)en Wie in der Einleitung des Kapitels 3 bereits angegeben, wird in viele Untersuchungen die Sprachwahl bzw. die Mehrsprachigkeit der Autor(inn)en miteinbezogen, da ihre Zwei- oder Mehrsprachigkeit auch auf ihr literarisches Schaffen einen Einfluss hat. Dieser Einfluss kann sich in verschiedenen Bereichen, wie z.B. in der sprachlichen Gestaltung, in den ästhetischen Verfahren und/ oder in Bedeutungsdimensionen von Ausdrücken zeigen. Aus diesem Grund werden im Folgenden auch einige Aspekte der diesbezüglichen Untersuchungen skizziert. Dadurch wird es möglich, Zusammenhänge zwischen der außertextuellen Ebene, d.h. der individuellen Zwei- oder Mehrsprachigkeit, und der textuellen Ebene, hier explizit der Verwendung verschiedener Sprachen innerhalb eines Werks, zu zeigen. Die Miteinbeziehung dieses Aspektes ist auch für Wahl der literarischen Sprache 41 die Analyse relevant: Da bestimmte, in der Arbeit behandelte Elemente der Mehrsprachigkeit in Terézia Moras Werken mit ihrer Zweisprachigkeit zusammenhängen (siehe auch Lengl 2012), muss dieser Aspekt bei der Interpretation dieser Elemente mitberücksichtigt werden. Durch die Zwei- oder Mehrsprachigkeit besteht nämlich die Möglichkeit, dass die Autor(inn)en in ihren Texten neben der Sprache, die für die Verfassung eines Textes gewählt wurde, auch Ausdrücke, Bilder etc. einer anderen oder mehrerer Sprachen mitklingen lassen. Dabei können verschiedene Sprachkulturen auch dadurch in Texten präsent sein, dass es innerhalb eines Textes zum Sprachwechsel kommt. Aspekte der Zwei- oder Mehrsprachigkeit können neben der sprachlich-ästhetischen Gestaltung ferner im Inhalt vorkommen, wie z.B. in der Darstellung des Umgangs mit verschiedenen Sprachen und Kulturen. Weiterhin kommt der Zwei- oder Mehrsprachigkeit von Autor(inn)en eine gewichtige Rolle zu, wenn sie ihre Texte selbst oder Texte anderer Autor(inn)en übersetzen. In diesen Fällen übertragen sie Elemente einer Sprachkultur in eine andere, wodurch auch ein Kulturtransfer ermöglicht wird. Bei dieser Übertragung bieten sich in Bezug auf den sprachlichen und inhaltlichen Kontext verschiedene Möglichkeiten, bei deren Wahl bzw. kreativer Anwendung die sprachlich-literarische Kreativität des Übersetzers/ der Übersetzerin von großer Bedeutung ist. Die Mehrsprachigkeit von Autor(inn)en kann aber nicht nur in Form von innertextlicher Mehrsprachigkeit, die auch in dieser Arbeit im Mittelpunkt steht, zum Ausdruck kommen. Es gibt auch Autor(inn)en, die ihre Texte parallel in mindestens zwei Sprachen verfass(t)en, d.h. deren Literatursprachen unterschiedlich sind oder im Laufe ihrer literarischen Tätigkeit die Sprache ihrer bisherigen Texte gewechselt haben, und später ihre Texte in dieser anderen angewandten Sprache geschrieben haben. Im Falle dieses Sprachwechsels verwendet Schweiger den Begriff „Kosmopolitismus“, der laut ihm „ein Denken des Sowohl-als-auch anstatt des Entweder-oder [meint], etwa wenn es um Identitäten oder Beziehungen geht“ (Schweiger 2010: 36). Die Beziehung zwischen den Sprachen von zweibzw. mehrsprachigen Autor(inn)en soll auch im Falle eines Sprachwechsels betont werden, wie es u.a. aus der Feststellung von Schweiger hervorgeht: Auch wenn Autor(inn)en nach einem Sprachwechsel ihre Werke in einer anderen Sprache verfassen, „,schreiben‘ die anderen Sprachen, ,schreibt‘ z.B. die Erstsprache häufig mit“ (Schweiger 2010: 36). Eine literarische Mehrsprachigkeit liegt also u.a. bei Autor(inn)en vor, die „dauerhaft zwischen den Sprachen stehen, sei es, [1] daß sie mehrere Sprachen beherrschen und abwechselnd in der einen und der anderen schreiben […], sei es, [2] daß sie im Laufe ihres Lebens einmal die Schreib-Sprache gewechselt haben […], sei es, [3] daß sie durch zwei Sprachen und Kulturen geprägt sind und dies in ihren Werken zum Ausdruck bringen“ (Schmitz-Emans 2004a: 13). Diese Art der Mehrsprachigkeit hängt dementsprechend in vielen Fällen mit ihren Untersuchung der Mehrsprachigkeit in literarischen Texten 42 „mehrsprachigen […] Lebensläufen“ (Schweiger 2010: 23) bzw. „transnationalen Lebensgeschichten“ (Schweiger 2010: 27) zusammen, d.h. mit solchen „Lebensgeschichten, die mehrere Ländergrenzen und häufig auch sprachliche Grenzen überschreiten“ (Schweiger 2010: 23) und bei deren Behandlung laut Schweiger „Transfer- und Austauschprozesse[n]“ und der Mehrsprachigkeit der Autor(inn)en eine große Aufmerksamkeit geschenkt werden muss (vgl. Schweiger 2010: 36). Bezüglich der Sprachwahl von Autor(inn)en bekommt in der Forschungsliteratur u.a. die Beschäftigung mit katalanischen Autor(inn)en eine große Aufmerksamkeit, was auch mit der Sprachenvielfalt bzw. der Situation der Sprachen in Spanien zusammenhängt. 51 Vor der Folie der Mehrsprachigkeit literarischer Texte werden katalanische Autor(inn)en nach der Wahl der Literatursprache in der Studie von Tietz vorgestellt. Dabei werden verschiedene Faktoren mitberücksichtigt, wie z.B. (a) der Sprachwechsel in ihren Werken, (b) Einflüsse der Umwelt (wie z.B. politische Faktoren oder Erwartungen des Publikums), (c) Funktion der verwendeten Sprachen (z.B. die Rolle katalanischer Einschübe in auf Kastilisch verfassten Werken oder die Verwendung des Kastilischen als „Dialogsprache“ (Tietz 2004: 212)) [Hervorhebung im Original], (d) die zeitliche Dimension in Bezug auf den Wechsel zwischen dem Katalanischen und dem Kastilischen als Sprache bestimmter Texte. 52 Die Faktoren, unter deren Einfluss es zu einem Wechsel der Literatursprache kommen kann, werden nach Kremnitz (2004) in zwei Gruppen, und zwar in „objektive“ und „subjektive“ Kriterien geteilt. Unter „objektiven“ Kriterien werden in diesem Zusammenhang „die ‚äußeren‘ sprachlichen Bedingungen […] unter denen Autoren (eventuell) schreiben“ verstanden. Bei diesen Kriterien spielen auch der „Status“, das „Prestige“ und der „Gebrauchswert“ von Sprachen (Kremnitz 2004: 121) eine Rolle. Zu den „subjektiven“ Kriterien werden „[b]iographische Aspekte“ gezählt, zu denen die „Bildungssozialisierung“ (Kremnitz 2004: 170) und die „Motivation des Schreibens“ (Kremnitz 2004: 176) gehören. Hierzu werden u.a. das „Zielpublikum“ und die Sprachwahl nach „literari- __________ 51 Zu diesem Thema siehe die Publikationen von Berkenbusch/ Heinemann (1995), Heinemann (1998), Kremnitz (2004) und Tietz (2004). 52 Zur Vorstellung der Sprachwahl von Autoren anhand der obigen Aspekte siehe Tietz (2004: 208 ‒ 216). Zur Situation und Sprachwahl von zweisprachigen Autoren in Katalonien siehe auch Heinemann (1995). Wahl der literarischen Sprache 43 sche[n] Textsorten“ erwähnt (Kremnitz 2004: 177). Im Themenbereich der Sprachwahl und deren möglichen Gründen wird von Kremnitz auch die Migration von Autor(inn)en genannt. Neben der Wahl von „Vehikularsprache[n]“ (Kremnitz 2004: 202) und von „Kleinsprache[n]“ (Kremnitz 2004: 212) wird auch auf die „persönliche Sprachwahl“ (Kremnitz 2004: 221) anhand ausgewählter Beispiele eingegangen. Obwohl die Sprachwahl von Autor(inn)en von individuellen, soziologischen, politischen etc. Faktoren beeinflusst werden konnte/ kann, können bei Autor(inn)en, die außerhalb des eigenen Landes leben, auch andere Aspekte - z.B. „künstlerische, sprachphilosophische und psycholinguistische“ - zur Geltung kommen (Heinemann 1998: 93). Heinemann geht davon aus, dass die „Einflußmomente“ auf die Sprachwahl der Autor(inn)en „biographisch[]“ und „biographie-extern[]“ sein können (Heinemann 1998: 93). Daneben werden solche als „sprachintern[]“ bezeichnete Faktoren genannt, wie das „Sprachgefühl“ oder der „Klang einer Sprache und emotionale Bindung an sie“ (Heinemann 1998: 95). Individuelle und äußere Gründe der Sprachwahl und des Sprachwechsels thematisiert auch Hein-Khatib (1998). Sie befasst sich u.a. mit den Fragen, warum bestimmte Autor(inn)en ihre literarische Sprache gewechselt haben und wie sie mit den Sprachen beim Schreiben umgehen. Damit zusammenhängende Formen der Mehrsprachigkeit und das Thema des Spracherwerbs von Autor(inn)en bilden auch bei Thüne einen Forschungsschwerpunkt im Hinblick auf „literarische[] Sprachbiographien“. Dazu zählt sie u.a. Texte, „in denen sich AutorInnen nicht nur punktuell, sondern umfassend mit dem Thema Sprache auseinandersetzen und ihre Erinnerungen und Einstellungen dazu sowie die Veränderungen des sprachlichen Verhaltens darstellen“ (Thüne 2010: 70). 53 Die Darstellung dieser Erinnerungen und Einstellungen lässt sich neben der Beschäftigung mit der Sprachwahl von Autor(inn)en auch in die Beschäftigung mit Elementen verschiedener Sprach(varietät)en in ihren Werken einbeziehen und kann demzufolge zu ihrer Erforschung auf der textuellen Ebene einen Beitrag leisten, der das folgende Unterkapitel gewidmet wird. __________ 53 Zum Thema „Mehrsprachigkeit (in) der Biographie“ siehe auch Schweiger (2010: 30). Untersuchung der Mehrsprachigkeit in literarischen Texten 44 3.5 Sprach(varietät)en in literarischen Texten - Erscheinungsformen und Funktionen in Textkontexten Mit der Mehrsprachigkeit von Autor(inn)en und mit Elementen weiterer Sprachen befasst sich die Forschungsliteratur auch im Hinblick auf ihre Werke. Da als Untersuchungsobjekte meiner Arbeit Elemente verschiedener Sprachen bzw. Varietäten in ausgewählten Texten gelten, wird vor der eigenen Analyse anhand von bisherigen Untersuchungen ein Überblick darüber gegeben, wie vielfältig die Palette der Erscheinungsformen und Rollen anderer Sprach(varietät)en in literarischen Werken ist. Damit haben sich neben literaturwissenschaftlichen Untersuchungen auch sprachwissenschaftlich orientierte interdisziplinäre Arbeiten befasst, die im Folgenden zu Wort kommen. Da in der Forschungsliteratur im Rahmen der literarischen Mehrsprachigkeit nicht nur Elemente aus anderen Sprachen, sondern auch verschiedene Varietäten der Sprache, in der ein Text verfasst wurde, behandelt werden, werden in diesem Unterkapitel neben der Verwendung anderer Sprachen und ihren Funktionen auch Varietäten der angewandten Sprache und ihre Funktionen in Texten betrachtet. 3.5.1 Verschiedene Sprachen in der Literatur weltweit Während Elemente verschiedener Sprachen heute in einer Vielzahl literarischer Werke beobachtet werden können, waren sie auch in Texten früherer Epochen präsent und wurden für verschiedene Ziele verwendet. 54 Im Hinblick auf diese in Texten verwendeten Sprachen kann laut Knauth der „mehr[sprachige] Diskurs“ als ein wichtiges Merkmal „der neuen Weltliteratur“ angesehen werden (Knauth 2004: 265), dessen Herausbildung auch mit inter-, transkulturellen und globalisierenden Konzepten zusammenhängt (vgl. Knauth 2004: 265). 55 Die Konzepte von Interkulturalität, Transkulturalität oder Globalisierung, die mit dem für die Welt charakteristischen Austausch von Kulturen zusammenhängen, werden auch in Bezug auf die thematische und sprachliche Gestaltung von Texten aufgezeigt, in denen Elemente verschiedener Sprachen zu deren Vielstimmigkeit beitragen können. So erscheint die Mehrsprachigkeit __________ 54 Zu diesem Thema siehe Knauth (2004). 55 Das Vorkommen verschiedener Sprachen in Werken ist u.a. für eine in der Forschungsliteratur als „multilingual“ bezeichnete Literatur charakteristisch, die ‒ wie es Knauth (2004: 265) feststellt ‒ „vor allem ein Phänomen des 20. Jahrhunderts [ist] […]“. Sprach(varietät)en in literarischen Texten 45 u.a. bei Schmeling (2004) im Zusammenhang mit interkulturellen Aspekten. 56 Ähnlich wie bei Schmeling (2004) wird von Chiellino (2002) die Verwendung einer latenten Sprache in Texten als ein interkulturelles Element gesehen. Das Vorhandensein verschiedener Sprachen in Werken fasst auch Esselborn (2010) als einen interkulturellen Aspekt in Verbindung mit der Biographie von Autor(inn)en auf. Die literarische Mehrsprachigkeit wird dabei als eine Ausdrucksform der Kulturbegegnungen betrachtet. Das Phänomen, dass sich verschiedene Sprachen innerhalb von vielen Werken zeigen, hängt u.a. mit der literarischen Kreativität von zwei- und mehrsprachigen Autor(inn)en zusammen und kann als ein wichtiger Beitrag zur in Texten konstruierten Dialogizität gesehen werden: Auch dadurch, dass zwei- und mehrsprachigen Autor(inn)en die Möglichkeit zur Verfügung steht, verschiedene Sprachen (bei vielen Autor(inn)en ihre Erstsprache) in ihren Texten zu benutzen, können sie auch in der sprachlichen Gestaltung dieser Texte einen Dialog zwischen diesen Sprachen veranschaulichen (siehe dazu auch Cornejo 2010a). Die Anwesenheit verschiedener Sprachen in Texten „im Sinne einer Durchquerung von Sprachen“ (Kilchmann 2012a: 12f.), d.h. die „Translingualität“ (Kilchmann 2012a: 12) ist laut Kilchmann aber nicht nur in solchen Werken feststellbar, die in ihrer Thematik eine „Überschreitung von Nationen und Sprachgrenzen explizit“ darstellen. Das Vorkommen anderer Sprachen kann „im gesamten Korpus der neueren deutschen Literatur“ beobachtet werden (Kilchmann 2012a: 13). In Hinsicht der Verteilung und des Charakters dieser Elemente lassen sich laut Schmitz-Emans unterschiedliche Fragen stellen, die verschiedene Differenzierungsmöglichkeiten ermöglichen: Im Hinblick auf die 1) Verteilung kann z.B. danach gefragt werden, ob die in einem Werk vorkommenden Sprachen „einer Hierarchisierung unterliegen“ (Schmitz-Emans 2004a: 14): Werden fremdsprachige Elemente als Einsprengsel in die Sprache der Darstellung eingefügt oder kann im Text eine „quantitativ und qualitativ ausbalancierte[] Mischung mehrerer Sprachen“ (Schmitz-Emans 2004a: 14) festgestellt werden? Bezüglich des 2) Charakters kann zwischen (a) fremdsprachigen Elementen aus konventionellen Sprachen und (b) Elementen von „Kunst- und Phantasiesprachen“ ein Unterschied gemacht werden. Dabei können Kunst- und Phantasiesprachen sowohl aus __________ 56 Darauf verweist auch der Titel seiner Studie „Multilingualität und Interkulturalität im Gegenwartsroman“, in der Schmeling Merkmale der Gattung „interkultureller Roman“ anhand der Analyse von Sten Nadolnys Roman „Selim oder die Gabe der Rede“ und Patrick Chamoiseaus „Texaco“ darstellt. Die Analyse der Mehrsprachigkeit in den zwei Texten bleibt jedoch auf der Metabene, in der einige Belege aus den untersuchten Texten behandelt werden. Untersuchung der Mehrsprachigkeit in literarischen Texten 46 „neolinguistische[n] Elemente[n]“ als auch aus einer Mischung „heterogener sprachlicher Elemente“ aufgebaut werden (Schmitz-Emans 2004a: 14f.). 57 Diese oben angedeuteten Dimensionen der Mehrsprachigkeit sind auf mehreren Ebenen in Texten zu identifizieren, wie es auch anhand bisheriger Untersuchungen in den nächsten Unterkapiteln zu sehen ist. 3.5.2 Elemente der Mehrsprachigkeit auf verschiedenen Ebenen Als Formen der Mehrsprachigkeit in literarischen Werken werden in der Forschungsliteratur u.a. folgende unterschieden: − Schriftzeichen, die in der Sprache nicht vorkommen, in der ein Text überwiegend verfasst ist: Da sich diese Schriftzeichen von ihrer Textumgebung unterscheiden, können sie in bestimmten Kontexten auch als „Fremdkörper im Text“ aufgefasst werden, wie es Schmitz-Emans über eine Inschrift mit hebräischen Lettern in Droste-Hülshoffs Erzählung „Die Judenbuche“ feststellt (Schmitz-Emans 2004b: 123). − fremdsprachige Elemente „unterhalb der Wortebene, also die Affigierung von gebundenen Morphemen bzw. Partikeln aus einer Fremdsprache“ (Gymnich 2007: 65): Dabei geht es u.a. um Elemente anderer Sprachkulturen in Form „morphologische[r] Markierung[en]“, die von Gymnich anhand von Anredeformen aufgezeigt werden. Die „Partikel -san“ erscheint z.B. in einem englischsprachigen Roman einer japanisch-kanadischen Autorin, welche Partikel „im Japanischen als honorific fungiert, als morphologische Markierung, die eine Respektbezeugung der/ des Sprechenden gegenüber der/ dem Angesprochenen zum Ausdruck bringt.“ (Gymnich 2007: 65) Im Zusammenhang damit erscheinen als Merkmale der Mehrsprachigkeit Phänomene der Sprachenmischung, d.h. die Mischung von Elementen verschiedener Sprachkulturen in vielen Fällen innerhalb von Wortgrenzen. − Wörter, die aus anderen Sprachen in Texte integriert werden: Diese Wörter können zu verschiedenem Zweck in Kontexte aufgenommen werden, deren Sprache sich von diesen Wörtern, die in ihnen als Einsprengsel erscheinen, unterscheidet. Ein Grund ihrer Aufnahme in solche Kontexte kann z.B. darin bestehen, dass diese Wörter solche Bereiche bezeichnen, die sonst keine Bezeichnung in der Sprache der jeweiligen Textkontexte haben. Dieses Phänomen wird von Gymnich anhand der Bezeichnung von Musikinstrumenten __________ 57 Zum Begriff „kunstsprachliches Wort“ vgl. auch Kilchmann (2012c: 71). Zu Elementen von Kunstsprachen siehe auch die Untersuchung von Kurlenina (2010). Sprach(varietät)en in literarischen Texten 47 im Werk von Chinua Achebe „Things Fall Apart“ exemplifiziert, für die es wegen ihrer Unbekanntheit „im angloamerikanischen Kulturkreis“ keinen englischen Begriff gibt (Gymnich 2007: 66). Einen wichtigen Bereich der Verwendung fremdsprachiger Wörter bildet neben der Benennung von Sachverhalten auch die Darstellung bzw. Veranschaulichung unterschiedlicher Elemente der Figurenrede bzw. der Gedanken von Figuren. Auf der Ebene der Lexik wird neben diesen Elementen anderer Sprachkulturen auch eine „Verfremdung“ (Kilchmann 2012b: 113) von Wörtern der angewandten Sprache von Texten als ein Merkmal von „Heterolingualität“ betrachtet. Dieses Phänomen wird von Kilchmann in deutschsprachigen Texten von José F.A. Oliver und Emine Sevgi Özdamar anhand der „Verfremdung“ deutscher Wörter, wie z.B. „Gah ᾽ tawaita“ (Oliver 2007: 36) und „Wonaym“ (Özdamar 1998: 93) gezeigt, in denen sich die „verfremdete[] Wahrnehmung über einen anderen Muttersprachler“ widerspiegelt (Kilchmann 2012b: 113) und dadurch in der inhaltlichen und sprachlichen Gestaltung diese Art der Wahrnehmung versinnbildlicht wird. − Übersetzung von Elementen anderer Sprachen in die dominante Sprache der jeweiligen Texte: Damit ist zum einen eine wortwörtliche Übersetzung von Elementen einer anderen Sprachkultur, zum anderen eine inhaltliche Übertragung von für bestimmte Sprachkulturen charakteristischen Bedeutungen, Redewendungen, Phraseologismen usw. gemeint, durch die auch auf Deutsch formulierte neue Konstruktionen entstehen können, wie es laut Kilchmann im Falle der Konstruktion Reihensitzchen beobachtet werden kann, die die „buchstäbliche Übersetzung“ des rumänischen Lexems rîndunića ist (Kilchmann 2012b: 115). − Kunstsprachen, deren Kreation u.a. durch die Verwendung von Elementen unterschiedlicher Sprachen erfolgen kann, durch die jedoch die Entstehung einer neuen, erfundenen Sprache möglich ist. − fremdsprachige Sätze oder längere Textstellen in einer anderen Sprache, die sowohl im Erzähltext als auch in der Darstellung der Figurenrede vorkommen können: Für diese Art der Manifestation anderer Sprachen erwähnt Gymnich einen Absatz im Roman von Witi Ihimaera „The Whale Rider“, der in Maori verfasst wurde (vgl. Gymnich 2007: 65), während Berkenbusch/ Heinemann im Werk von Juan Marsé „El amante bilingüe“ das Vorhandensein einer anderen Sprache in der Figurenrede anhand katalanischer Dialogteile in einem kastilischsprachigen Text zeigen (vgl. Berkenbusch/ Heinemann 1995: 53). − Interferenzen auf verschiedenen Ebenen, wie z.B. die Nachbildung eines Akzentes in einer anderen Sprache, die in der Untersuchung von Riatsch anhand der Nachbildung eines „deutsche[n] «Akzent[es]» im Romanischen“ Untersuchung der Mehrsprachigkeit in literarischen Texten 48 bzw. eines „romanische[n] «Akzent[es]» im Deutschen“ (Riatsch 1998: 288) festgestellt wird. 3.5.3 Aufnahme und Funktionen verschiedener Sprach(varietät)en in Textkontexten Mögliche Funktionen der oben dargestellten Erscheinungsformen der Mehrsprachigkeit hängen von unterschiedlichen Faktoren ab, zu denen neben inhaltlichen Aspekten der jeweiligen Textkontexte auch die Rezipienten bzw. die Sprachkenntnisse der Rezipienten gehören. Unter Elementen der Mehrsprachigkeit können fremdsprachige Elemente in der Figurenrede, in Äußerungen der Erzählinstanz und in Titeln bzw. Kapitelüberschriften nämlich z.B. für diejenigen Leser als „Marker von Alterität“ (Gymnich 2007: 11), d.h. als fremde Elemente gelten, die die Sprache dieser Elemente nicht verstehen. Demzufolge wurden in der Forschungsliteratur ihre Funktionen je nach Inhalt bzw. Kontext festgestellt, in denen sie verwendet werden. Auch ihrem Verhältnis zu den Textkontexten wurde Aufmerksamkeit gewidmet. Dieses Verhältnis von Elementen anderer Sprachen zur Sprache, in der ein Text überwiegend verfasst wurde, bzw. zur textuellen Umgebung hat bereits in Untersuchungen früherer Texte eine wichtige Rolle gespielt. In Hinsicht auf dieses Verhältnis wurden von Ayad (1980: 189) in einem deutschen Text folgende Arten fremdsprachiger Elemente voneinander unterschieden: (1) Elemente von mit dem Deutschen nahe verwandten Sprachen, (2) Elemente von für Deutsche weiterhin bekannten Fremdsprachen, (3) Elemente von vollkommen fremden Sprachen (4) und Elemente von „Ausländer-Deutsch“. Als ihre Funktionen wurden aufgrund des Kontextes und des Prestiges dieser Fremdsprachen (a) die Darstellung von Inhalten für gebildete Leser, (b) die Markierung des Sprachwechsels von Figuren, (c) die Markierung der sozialen Schicht des Sprechers, (d) die Markierung der mangelnden Beherrschung einer Fremdsprache von Mitgliedern einer sozialen Schicht, (e) die Markierung der individuellen Sprachkenntnisse (f) und die Darstellung einer fremden Welt festgestellt. Sprach(varietät)en in literarischen Texten 49 Dass verschiedene Sprachen in Texten auch in früheren Jahrzehnten und Jahrhunderten eine wichtige Rolle erfüllen, wurde auch von Goetsch (1987) behandelt, der sich mit der Frage befasst hat, wie Fremdsprachen in literarischen Texten (er hat sich in erster Linie auf englischsprachige Werke fokussiert) markiert werden. Zu den möglichen Methoden ihrer Veranschaulichung zählt er neben fremdsprachigen Elementen auch die Einschreibung „eines ersten allgemeinen Eindrucks“ (Goetsch 1987: 46) in die Texte, die durch eine „Nachahmung oder Konstruktion einzelner Merkmale“ erfolgen kann (Goetsch 1987: 47) und eine Markierung anderer Sprachen durch syntaktische Konstruktionen, wie z.B. durch Abweichungen von der Syntax der dominanten Sprache von Texten. Unter Komponenten der Mehrsprachigkeit wurden fremdsprachige Elemente oder Einschübe und die von ihnen erfüllten Rollen in der englischsprachigen Literatur auch im Kontext postkolonialer und interkultureller englischsprachiger Romane untersucht. Als mögliche Funktionen hält Gymnich u.a. die Nachahmung von Kommunikationsstrategien (Gymnich 2007: 63), die Veranschaulichung von sprachlichen Kompetenzen, von Aspekten von sozialen Strukturen (Gymnich 2007: 219) bzw. von Kulturen (Gymnich 2007: 67), der „sprachliche[n] und kulturelle[n] Alterität des Dargestellten“ (Gymnich 2007: 71) fest. Nach dem Verwendungsort können sie sowohl in der Figurenrede als auch im erzählten Text auftreten. Bei ihrer Veranschaulichung in der Figurenrede kann es in der sprachlichen Gestaltung zu einem code switching oder code mixing kommen, wodurch u.a. eine „Nachahmung realen Kommunikationsverhaltens in bilingualen Gesellschaften“ sprachlich ermöglicht werden kann (Gymnich 2007: 68). Während aber bei dem code switching der Wechsel in eine andere Sprache „für einen längeren Redeanteil“ erfolgt (Gymnich 2007: 68), betrifft code mixing „kürzere Redeanteile“ (Gymnich 2007: 68). 58 Diese Funktion der Nachahmung kann ferner bei der literarischen Darstellung einer bestimmten „Sprachrealität“ durch die Verwendung „mischsprachliche[r] Elemente“ (Baumberger 2012: 99f.), d.h. durch eine Mischung von Elementen verschiedener Sprachen erfüllt werden. Diese „Mischsprache“ wird von Baumberger im Werk des deutschschweizer Autors Camenisch dargestellt, in dem auch „eine rätoromanisch-deutsche Mischsprache“ vorhanden ist, die ohne Übersetzung erscheint (Baumberger 2012: 99). Als anderssprachige Elemente treten im __________ 58 Sprachliche Gestaltungsmittel und thematische Aspekte literarischer Texte, in denen mindestens zwei Sprachen vorkommen, werden in der englischsprachigen Forschungsliteratur u.a. von Ashcroft/ Griffiths/ Tiffin (1994), Boehmer (1995), Walder (1998), Sanga (2001), Foulcher/ Day (2002), Reichl (2002), Tabron (2003), Childs/ Weber/ Williams (2006), Döring (2008), Williams (2007) behandelt. Untersuchung der Mehrsprachigkeit in literarischen Texten 50 Text ferner solche „rätoromanische Wendungen“ auf, die innerhalb des Textes übersetzt werden. Während ihre Übersetzung im Fließtext in diesen Fällen „der Verständlichkeit“ dient, wird durch sie laut Baumberger jedoch gleichzeitig der „Realitätseffekt“ gebrochen (Baumberger 2012: 100). Zur Verständlichkeit der Bedeutung fremdsprachiger Elemente können in Werken neben diesen Verdopplungen (Skiba 2010: 327), d.h. der Übersetzung der Elemente im Haupttext, auch die Annotationen 59 (Skiba 2010: 326), die metasprachlichen Einschübe (Skiba 2010: 329), die Übersetzungen 60 (vgl. z.B. Skiba 2010: 330) und die Vermittlung von Informationen in Textkontexten (vgl. auch Skiba 2010: 331) beitragen. Elemente anderer Sprachen können auch in Form von gemischtsprachigen Zitaten vorkommen, die u.a. in solchen Fällen verwendet werden, wenn in einem Text veranschaulicht werden soll, dass der Erzähler oder eine Figur etwas nicht versteht (vgl. Skiba 2010: 331f.). Dabei kommt gleichzeitig auch die Fremdheit fremdsprachiger Elemente zum Ausdruck. Die Bedeutung oder der Gebrauch dieser nicht verstandenen fremdsprachigen Elemente kann den Lesern erläutert werden, indem in der Sprache des Textkontextes erzählt wird, in welchen Kontexten man diese Elemente verwendet (vgl. Skiba 2010: 332). Neben diesen Verfahren der Erläuterung des Inhalts fremdsprachiger Elemente werden in der Forschungsliteratur auch Beispiele für das Phänomen gezeigt, wo auf eine Erklärung fremdsprachiger Elemente verzichtet wird, durch die ebenso Wirkungen hervorgerufen werden wie durch die Übersetzungen. Während nämlich Übersetzungen oder Erläuterungen, die nach einem fremdsprachigen Element, in Fußnoten oder auch in einem Glossar stehen können, als Verständnishilfen gelten und an bestimmten Stellen auch zu einer „kulturelle[n] ‚Aufklärung‘“ (Cornejo 2010b: 176) beitragen können, können die Leser durch das Ausbleiben einer Übersetzung mit Alterität konfrontiert werden (Gymnich 2007: 61). 61 __________ 59 Es geht hier um das Verfahren, dass für den Leser nicht immer verstehbare, fremdsprachige Elemente „in Fuß- oder Endnoten bzw. einem zweisprachigen Glossar“ erklärt werden (Skiba 2010: 326). 60 Als ein möglicher Effekt, der durch Lehnübersetzungen in Texten erzeugt werden kann, wird eine Art Verfremdung identifiziert, die Skiba (2010: 330) an einem Kompositum in Özdamars Text exemplifiziert. Eine Übersetzung fremdsprachiger Elemente sei z.B. nicht erforderlich, wenn eine Alterität (Gymnich 2007: 11) durch die Fremdsprache erreicht werden soll (Skiba 2010: 332f.). Zur Verwendung von Übersetzungen anderssprachiger Wörter in Texten siehe auch Schneider-Özbek (2012). 61 Diese Alterität kann neben nicht übersetzten fremdsprachigen Wörtern auch durch eine Verfremdung der Sprache des Textes entstehen, im Falle deutschsprachiger Texte also in der „Verfremdung deutscher Wörter“ (Kilchmann 2012b: 113). Über „den als fremd inszenierten Blick des Erzählers“ können laut Kilchmann auch deut- Sprach(varietät)en in literarischen Texten 51 Dazu betont auch Cornejo (2010a), dass in der Literatur deutsch schreibender Autor(inn)en „aus anderen Herkunftsländern oder Kulturkreisen“ ihre Erstsprache auf die literarische Sprache und auch auf ihre „literarische Kreativität“ wirkt (Cornejo 2010a: 349). Durch das Miteinbeziehen muttersprachlicher Elemente in die Texte können unterschiedliche Wirkungen hervorgerufen werden. Diese Elemente können in verschiedenen Formen in die Texte Eingang finden, wie z.B. in Jiří Grušas deutschsprachiger Lyrik u.a. in der (1) „Übersetzung […] tschechische[r] Wörter ins Deutsche“, (2) in der „verdeutschte[n] Schreibweise“ tschechischer Ausdrücke, (3) in der „tschechische[n] Schreibweise“ deutscher Ausdrücke (Cornejo 2010a: 358) und (4) in Übersetzungen tschechischer Ausdrücke. Die Dialogizität von Grušas Texten zeige sich dementsprechend u.a. darin, dass er das Deutsche und das Tschechische in Verbindung bringe. Diese Verbindung zwischen zwei Sprachen bzw. die Mehrsprachigkeit in Texten „deutsch schreibende[r] tschechische[r] Autorinnen und Autoren“ wird von Cornejo (2010b) sowohl in einer ‚evidenten‘ als auch in einer ‚latenten‘ Dialogizität gesehen (Cornejo 2010b: 171). Demzufolge werden nicht nur (1) tschechische Elemente in deutschsprachigen Texten, sondern auch (2) die deutsche Übersetzung tschechischer Redewendungen, Sprichwörter, Wortverbindungen, idiomatischer Wendungen etc. und (3) die Übernahme von literarischen Traditionen in tschechischer Sprache als Erscheinungsweisen der Mehrsprachigkeit aufgefasst, da diese neben fremdsprachigen Elementen zur Redevielfalt und Dialogizität der Texte beitragen. Als eine zentrale Funktion der oben genannten Sprachmittel wird die Grenzüberschreitung zwischen dem Deutschen und dem Tschechischen festgestellt. Sie zeige sich ferner in Ausdrücken (Personennamen, tschechische Volkslieder, Buchtitel usw.), die in tschechischer Rechtschreibung angegeben werden und dadurch zur Authentizität der Texte beitragen. Da die Autor(inn)en der von Cornejo untersuchten Texte von tschechischer Herkunft sind, die für ihre literarische Sprache das Deutsche gewählt haben oder ihre Literatursprache gewechselt haben, kann durch tschechische Elemente in den Texten u.a. eine Erinnerung an die Kindheit erreicht werden. 62 Ferner signalisieren sie an bestimmten Stellen die gesteigerte Emotionalität der Figuren. Zu sprachlichen Erscheinungsformen der Dialogizität der Erstsprache (Tschechisch) mit der Zweitsprache (Deutsch) werden auch solche „Neubildungen, Bedeutungsverschiebungen und -änderungen, Paraphrasen und Um- __________ sche Wörter „für den impliziten deutschen Leser als Fremdwort konstruiert werden“ (Kilchmann 2012b: 114). 62 Ein ähnlicher Effekt kann laut Straňáková (2010: 402) in Rakusas Text „Mehr Meer“ durch die Erscheinung des Ungarischen u.a. in Form von Kinderreimen erreicht werden, die „Glücksmomente einer unsteten Kindheit […] markieren“. Untersuchung der Mehrsprachigkeit in literarischen Texten 52 deutungen“ gezählt, die einen kreativen Umgang mit der anderen Sprache aufzeigen. Als weitere Merkmale einer Dialogizität von zwei Sprachen werden „Abweichungen“ auf verschiedenen sprachlichen Ebenen (z.B. lexikalischer, syntaktischer, grammatischer Art) von der Schriftnorm angesehen (Cornejo 2010b: 181). 63 Diese Art der Verwendung von Elementen anderer Sprachen wird in vielen Fällen im Hinblick auf eine „transkulturelle[] deutschsprachige[] Literatur“ (Bürger-Koftis 2010: 320) hervorgehoben, indem ein wichtiges Merkmal des Transkulturellen und Translingualen in der Verbindung und „Querung verschiedener Sprachen und Kulturen“ (Ette 2007: 174) gesehen wird. Die Untersuchung dieser Beziehung zwischen Sprachkulturen in Werken erwies sich anhand bisheriger Forschungsarbeiten auch unter thematischen Gesichtspunkten als eine konstruktive Sichtweise, wie das sich auch in Ettes Studie über Yoko Tawadas und Emine Sevgi Özdamars Texte zeigt. Im Hinblick auf dieses Merkmal verweist Ette auch auf einen Unterschied zwischen „interkultureller“ und „transkultureller“ Literatur: „Die Sprache ihrer Literatur [die Literatur von Özdamar] bildet ein System kommunizierender Röhren in einem zugleich translingualen und transkulturellen Sinne: Denn es geht in ihren Schriften weder vorrangig um ein multikulturelles und multilinguales Nebeneinander verschiedener Kulturen und Sprachen noch um ein interkulturelles und interlinguales Miteinander, innerhalb dessen kulturelle und sprachliche ›Identitäten‹ in eine Kommunikation eintreten, die nicht zu grundlegenden Veränderungen des jeweils ›Eigenen‹ führt.“ (Ette 2007: 174) Im Falle der Mehrsprachigkeit in Texten der Autorinnen Özdamar und Tawada wird darauf fokussiert, wie sich das Verhältnis zu einer anderen Kultur und Sprache in den deutschsprachigen Texten zeigt. Dabei wird die Mehrsprachigkeit auf der inhaltlichen Ebene der untersuchten Werke aufgezeigt, indem deren Bedeutung im literarischen Kontext erläutert wird. Es wird dargestellt, was die Muttersprache und die deutsche Sprache für beide Autorinnen und für die Ich-Erzählerinnen in ihren Texten bedeuten, wobei die Bedeutung von Sprachen in Ettes Studie in Bezug auf die Textinhalte untersucht wird. Ausdrucksformen vom ‚Anderen‘ und von Interkulturalität werden an einigen Lexemen und Sätzen exemplifiziert, indem gezeigt wird, welche Funktion von der „gegen __________ 63 Zu „Abweichungen“ siehe auch Bürger-Koftis (2010), die in literarischen Werken bestimmter Autoren mit interkulturellen Konzepten in Verbindung gebracht werden können. So werden z.B. von Pugliese (2009: 24) Elemente der Mehrsprachigkeit in Franco Biondis Werk, zu denen neben „Wortneuschöpfungen, Verfremdungen“ etc. auch „Abweichungen von Normen der Zweitsprache“ gezählt werden, als sprachliche Manifestationen von Interkulturalität aufgefasst. Sprach(varietät)en in literarischen Texten 53 die deutsche Rechtschreibung verstoßende Fremdschreibung“ deutscher Wörter erfüllt werden kann (Ette 2007: 187). 64 Mit türkischen Redewendungen und Sprichwörtern in Özdamars Texten befasst sich auch Konuk (2001), die sie als „ein palimpsestartiges Gewebe“ betrachtet, in dem das Türkische den „Subtext“ bildet (Konuk 2001: 91). Während diese Art der sprachlichen Gestaltung 65 von Schmeling als eine Art Widerspiegelung kultureller Hybridität angesehen wird (Schmeling 2004: 231), werden von Konuk (1999) diese sprachlichen Effekte als „Sprachdadaismus“ bezeichnet. Darunter wird die Einschreibung eines Akzents in die angewandte Sprache des Textes (hier in das Deutsche) verstanden, wodurch ein verfremdender Effekt hervorgerufen wird. 66 Ausdrucksformen der Mehrsprachigkeit wurden/ werden natürlich neben deutschsprachigen und englischsprachigen Werken auch in auf anderen Sprachen verfassten Texten untersucht, wie z.B. in der spanischen Literatur (siehe z.B. Berkenbusch/ Heinemann 1995), in literarischen Texten auf Kastilisch und/ oder Katalanisch (Heinemann 1998), in der littérature beur (siehe Schumann 2003), in der maghrebinischen Literatur (siehe z.B. Gronemann 2002, Van den Heuvel 1993) etc. In Texten, die in der Studie von Schumann unter dem Begriff littérature beur behandelt werden, spielt die Verwendung verschiedener Sprachen sowohl im Inhalt als auch in der ästhetischen Gestaltung eine große Rolle, da durch die Mischung des Französischen mit Elementen der maghrebinischen Sprache und der Jugendsprache der französischen Vororte laut Schumann „die alltägliche Sprachvielfalt der Immigrantenkinder möglichst genau“ abgebildet werden muss (Schumann 2003: 126). Diese Sprachkontaktphänomene werden dabei von Schumann (2003) als Ausdrucksformen von Identitätsaspekten aufgefasst und analysiert. Dazu werden neben sprachlichen Ausdrucksformen des (1) „Zugehörigkeitsgefühls“ auch Ausdrucksformen der (2) „Distanzierung“ auf- __________ 64 Zur Untersuchung der Mehrsprachigkeit in Werken der zwei Autorinnen siehe auch Zierau (2010). 65 Es geht hier um das Phänomen, dass „redensartliche, poetische, vulgär-umgangssprachliche, metaphorische etc. Sprachelemente aus dem Türkischen von der Autorin wörtlich ins Deutsche übersetzt wurden“ (Schmeling 2004: 231). 66 Im Hinblick auf Özdamars sprachliche Kreativität verwendet Thüne den Ausdruck „hybride[s] Schreiben“, zu dem laut ihr die von der Autorin im Werk „Mutterzunge“ verwendeten „verschiedene[n] stilistische[n] Prinzipien aus dem Deutschen und dem Türkischen […] führen“ (Thüne 2010: 75). Im Zusammenhang auf Biondis und Özdamars Texte wird von ihr auch der Begriff „hybride[r] Text“ (Thüne 2010: 77) gebraucht, woran sich wieder Unterschiede in den in diesem Forschungsbereich angewandten Begriffe zeigen. Zur Untersuchung von Özdamars Texten siehe auch Baumann (2010). Untersuchung der Mehrsprachigkeit in literarischen Texten 54 gezeigt. 67 Die Funktion verschiedener Sprachen in Texten mehrsprachiger Autor(inn)en steht auch in der Untersuchung von Lüdi (2001) im Mittelpunkt, indem er die Funktion der zweisprachigen Rede in Briefen von Peter Ochs analysiert, deren angewandte Sprache Französisch ist. In diesen Briefen werden als Funktionen des Code-switching „denotative“, „referentielle“, „insistierenderklärende“, „zitierende“ und „affektive“ Funktionen festgestellt (Lüdi 2001: 143). Erscheinungsformen und Funktionen fremdsprachiger Elemente sind auch in der Untersuchung von Heinemann (1998) über Autor(inn)en Barcelonas und über ihre Werke eine zentrale Frage. Fremdsprachen in Texten können laut ihr (1998: 109) „handlungsimmanenten“ und „handlungsexternen“ Absichten dienen. Elemente der Mehrsprachigkeit werden laut ihr für die Darstellung von Grenzüberschreitungen und/ oder für die Darstellung von einer „mehrsprachigen und multikulturellen“ Gesellschaft verwendet (Heinemann 1998: 110). Im Hinblick auf die Verwendung fremdsprachiger Elemente werden von ihr drei Hauptanlässe aufgezählt: − Ein Grund für die Anwendung einer Fremdsprache in einem Text, dessen angewandte Sprache sich von dieser Fremdsprache unterscheidet, kann das Problem sein, dass „eine Kultur nicht in den sprachlichen Termini einer anderen Kultur“ beschrieben werden kann (Heinemann 1998: 112). − Eine Fremdsprache kann vom Autor in seinem Text auch verwendet werden, damit die Leser nicht alles aus dem Inhalt des Textes verstehen. Ein Sprachwechsel im Text, der mit der Absicht des „Nichtverstehens“ verwendet wird, kann demzufolge die Funktion „Errichtung einer Grenze“, d.h. „Ausschluß der Leser“ erfüllen (Heinemann 1998: 114). − Ferner kann eine Fremdsprache auch „auf die unauflösbaren Unterschiede zwischen den Kulturen aufmerksam“ machen (Heinemann 1998: 114). Die Manifestation von Zweisprachigkeit in einem Text kann laut Berkenbusch/ Heinemann (1995) des Weiteren als Stilmittel die Stellung von Autor(inn)en zwischen zwei Kulturen (in den von ihnen analysierten Texten zwischen der __________ 67 Hier kommt der Identifizierung der von verschiedenen Sprachvarietäten erfüllten Funktionen eine große Bedeutung zu, indem Funktionen der „französischen Standardsprache“, „umgangssprachliche[r] Ausdrücke“, „regionale[r] und lokale[r] Ausdrücke und Sprechweisen“, „arabische[r] Ausdrücke […]“, „Aussprachefehler, Grammatik- und Wortschatzfehler“, „Verdrehungen und Entstellungen der französischen Sprache, Dekonstruktion nationaler Schlüsselbegriffe“ unterschieden werden (Schumann 2003: 27f.). Sprach(varietät)en in literarischen Texten 55 katalanischen und der kastilischen Kultur) veranschaulichen. Wie in der obigen Untersuchung kann laut Schmitz-Emans (2004a: 14) auch die Widerspiegelung verschiedener Aspekte von Identitäten als eine Funktion der Mehrsprachigkeit in Form von Sprachmischung in bestimmten Texten angesehen werden. 68 Die Mehrsprachigkeit und die Sprachenmischung in Texten stehen auch in der Untersuchung von Riatsch (1998) im Mittelpunkt, in der sprachliche Eigentümlichkeiten der neueren bündnerromanischen Literatur unter linguistischem Gesichtspunkt analysiert werden. Als ein Hauptgebiet der durchgeführten Untersuchung gilt die Analyse von „Sprachkontakt und Sprachwechsel im traditionellen ‚Sprachgedicht‘“ (Riatsch 1998: 61). Sprachkontaktphänomene werden dabei sowohl im Hinblick auf die Themen der Texte als auch unter sprachlichstilistischen Gesichtspunkten untersucht. Als Funktionen von mehrsprachigen und gemischtsprachigen Reim- und Wortspielen werden dabei die „spielerische, poetologische Reflexion und satirisch indirekte bis offen polemische Thematisierung der ‚Sprachfrage‘“ festgestellt (Riatsch 1998: 141). Die Analyse von Funktionen der Mehrsprachigkeit wird auch in zeitgenössischen ‚Regionalromanen‘ durchgeführt, in denen romanische, hoch- und schweizerdeutsche Varietäten sowie Elemente auf Englisch und Italienisch erscheinen und zur Mehrsprachigkeit dieser Texte beitragen (Riatsch 1998: 88). Als Manifestationen der Mehrsprachigkeit erscheinen in den von ihm untersuchten ‚Regionalromanen‘ phonetische Interferenzen, deren Funktion die Darstellung des fragmentarischen Romanischen ist (Riatsch 1998: 89). Zum zwischensprachlichen Bereich der Texte werden ferner Interferenzen aus dem Romanischen im grammatikalisch-syntaktischen Bereich gezählt, die zur Veranschaulichung des „vollständigere[n], aber nicht normgerechte[n] ‚Romanendeutsch‘“ verwendet werden (Riatsch 1998: 89). Als weitere Erscheinungsformen gelten - wie bei Cornejo - die Lehnbildungen und Zitate aus anderssprachigen Texten. Ähnlich wie Gymnich (2007) bezeichnet auch Lauterbach (2002) als eine wichtige Funktion fremdsprachiger Elemente den Ausdruck kultureller Alterität. Mit diesen Elementen kann aber abhängig vom Inhalt auch eine „Abschwächung von Differenz“ (2002: 175) erreicht werden, wie z.B. im Falle der Verwendung muttersprachlicher Elemente der Figuren, durch die Erinnerungen an das Vertraute hervorgerufen werden können. In den letzten Jahrzehnten wurde die Mehrsprachigkeit auch in der Literatur jüdischer Autor(inn)en in den Vordergrund einiger Untersuchungen gestellt, in der laut Wittbrodt (2001) die Sprachmischung, der er eine interkulturelle Dimension zuschreibt, als Träger von Mehrsprachigkeit gilt. Hier __________ 68 Hier erwähnt sie mögliche Widerspiegelungen von „doppelte[n] oder halbe[n] oder auch zerrissene[n] kulturelle[n] Identitäten“ (Schmitz-Emans 2004a: 14). Untersuchung der Mehrsprachigkeit in literarischen Texten 56 kann aber im Gegensatz zu den oben dargestellten Bestimmungen von Sprachmischung eine weite Definition beobachtet werden, da Wittbrodt unter Sprachmischung die Verwendung von zwei oder mehr Sprachen in einem Text versteht (Wittbrodt 2001: 94). In Bezug auf ihre Manifestationen werden von ihm im Hinblick auf deren Form und Rolle zwei Gruppen voneinander unterschieden: Sprachmischungsphänomene können z.B. in der Darstellung der Figurenrede beobachtet werden, mit denen z.B. ihre Sprachprobleme zum Ausdruck gebracht werden können. Übertragungen können neben sprachlichen Elementen ferner in der literarischen Form zum Ausdruck kommen. Dabei werden verschiedene Ausdrucksmittel und Techniken bestimmter Textsorten der Erstsprache bei dem Schreiben von Texten in einer anderen Sprache verwendet. Neben der Manifestation verschiedener Sprachen in sprachlichen Mitteln und literarischen Ausdrucksformen wird von Wittbrodt auch ein Unterschied zwischen Arten der Mehrsprachigkeit gemacht, indem er in seiner Untersuchung die Begriffe ‚existenzielle‘ und ‚künstlerische‘ Mehrsprachigkeit verwendet (Wittbrodt 2001: 45). Der künstlerische Aspekt wird in diesem Kontext u.a. in der Verwendung von Interferenzen als Kunstmittel angesehen. Dementsprechend kann die Sprachmischung (im untersuchten Kontext die Verwendung von mindestens zwei Sprachen in demselben Text) neben einer existenziellen Motivation auch aus ästhetischen Gründen eingesetzt werden. Interkulturalität manifestiert sich auch nach Lamping (2000) in der Sprachmischung, da die ‒ in den von ihm untersuchten Texten verwendeten ‒ fremdsprachigen Elemente laut ihm als Ausdrücke verschiedener Kulturen erscheinen. Durch die Sprachmischung wird dementsprechend „die Begegnung zwischen […] [verschiedenen] Kulturen“ symbolisiert (Lamping 2000: 255). In der Rede jüdischer Figuren können ferner laut Richter (1995) neben authentischen Elementen des Jiddischen auch solche Spracheigentümlichkeiten jüdischer Figuren als Analyseobjekte betrachtet werden, die nicht mit der „tatsächliche[n] von Juden gesprochene[n] Sprache identisch“ sind (Richter 1995: 97). Diese als „spezifisch jüdisch geltenden Spracheigentümlichkeiten“ in Texten, die in der Sprache von Figuren vorkommen, aber primär nicht zum realen Jiddischen gehören, werden in Richters Untersuchung als „Literaturjiddisch“ bezeichnet (Richter 1995: 98). Neben den von Richter festgestellten zwei Grundfunktionen, nämlich (1) der Charakterisierung von Figuren und (2) der Erzielung eines Realitätseffekts, können von den in Texten angewandten Spracheigentümlichkeiten der Figuren noch weitere dominante Funktionen erfüllt werden. Diese stehen mit zwei Faktoren, nämlich mit der „Intensität der Markierung“ und mit der „Ensemblewirkung aller bedeutungskonstituierende[r] Textelemente“ in Zusammenhang (Richter 1995: 129) und tragen zur Veranschaulichung verschiedener Sprach(varietät)en bei. Sprach(varietät)en in literarischen Texten 57 3.5.4 Typographische Hervorhebungen und ihre Funktionen In den Forschungsansätzen wird auch die typographische Hervorhebung fremdsprachiger Elemente betrachtet, da durch Kursivsetzung beispielsweise oder gerade durch die Nicht-Hervorhebung die Funktion dieser Elemente beeinflusst werden kann. In vielen Fällen hat diese Hervorhebung das Ziel, den Leser auf das fremdsprachige Element aufmerksam zu machen oder zu markieren, dass die hervorgehobenen fremdsprachigen Elemente aus anderen Texten stammen 69 oder Übersetzungen fremdsprachiger Sprichwörter, Zitate usw. sind. Die Kursivsetzung kann auch als „visueller Marker der Fremdheit von Lexemen oder komplexen Ausdrücken“ (Gymnich 2007: 74) fungieren und dadurch zugleich Marker der sprachlichen Alterität sein. 70 Die Funktion der typographischen Kennzeichnung fremdsprachiger Einschübe kann variieren. In einigen Werken von Autor(inn)en aus Barcelona wurde z.B. von Berkenbusch und Heinemann festgestellt, dass die Kursivsetzung bei Namen und Begriffen verwendet wird, die „für die katalanische Identität von großer Bedeutung sind“ (Berkenbusch/ Heinemann 1995: 55). Neben der Kursivsetzung, die in vielen Fällen den Leser auf die hervorgehobenen Elemente aufmerksam macht, können in Texten auch Elemente der angewandten Sprache hervorgehoben werden, was wieder unterschiedlichen Zwecken dienen kann. 71 Eine sprachliche Alterität kann aber neben der typographischen Hervorhebung auch durch die Verwendung eines Schriftsystems erreicht werden, das sich vom dominanten Schriftsystem der jeweiligen Texte unterscheidet. Diese fremden Schriftzeichen, die von Schmitz-Emans (2004b) als geschriebene Fremdkörper bezeichnet werden, können u.a. ebenso die sprachliche Alterität in einem Text steigern. Über die Verwendung eines anderen Schriftsystems hinaus ist das Erreichen unterschiedlicher Effekte auch durch die thematische Beschäftigung mit Schriftzeichen der angewandten Sprache möglich. 72 Im Bereich der typographischen Kennzeichnung ist folglich festzustellen, dass sie sowohl im Hinblick auf die Erscheinung anderer Sprachen als auch auf die Erscheinung der Sprache der jeweiligen literarischen Textkontexte zu den Bedeutungsdimensionen beitragen kann. __________ 69 Auch Kilchmann verweist darauf, dass in der „heterolinguale[n] Gegenwartsliteratur“ Wörter aus fremden Sprachen oft durch Kursivschrift hervorgehoben werden (vgl. Kilchmann 2012b: 116). 70 Siehe auch Kilchmann (2012b: 114). 71 Siehe dazu Kilchmann (2012b: 119). 72 Dadurch kann z.B. die „Spiellust“ im Prozess des „kindlichen Schrifterwerb[s]“ veranschaulicht werden, wie es Kilchmann (2012b: 122) im Hinblick auf Tawadas Texte feststellt. Untersuchung der Mehrsprachigkeit in literarischen Texten 58 3.5.5 Auftreten und Funktion von Varietäten der angewandten Sprache In Hinsicht auf die literarische Mehrsprachigkeit wurden in der bisherigen Forschung nicht ausschließlich fremdsprachige Einschübe und deren Übersetzungen untersucht, sondern auch verschiedene Varietäten der Sprachen, in denen Texte im größten Teil verfasst wurden. In einem Teil der Untersuchungen wird dabei die „Entfremdung“ der Sprache in Texten untersucht, da als ihre mögliche Mittel neben anderen Sprachen in einigen Fällen Dialekte gelten. Diese Entfremdung bestimmter Sprachen oder Dialekte wird dadurch erreicht, dass an manchen Stellen in Texten Formen verwendet werden, die einen Regelverstoß gegen die Rechtschreibung der Sprache der Darstellung aufzeigen. Dabei kann zwischen dem Funktionspotenzial regionaler und sozialer Varietäten und dem Funktionspotenzial fremdsprachiger Einschübe laut Gymnich eine Ähnlichkeit aufgezeigt werden, da diese Sprachvarietäten ebenso wie fremdsprachige Elemente auf „materielle oder immaterielle Aspekte der dargestellten Kultur Bezug […] nehmen“ (Gymnich 2007: 98). 73 Ferner können Manifestationen regionaler und sozialer Varietäten je nach dem Inhalt des Textes und je nach dem Kontext verschiedene Funktionen in Bezug auf die Figurenrede erfüllen und deren verschiedene Aspekte veranschaulichen. Als solche Aspekte diatopischer Varietäten (z.B. Dialekt in der Figurenrede) gelten u.a., dass sie (1) die Lebenswahrheit erhöhen, (2) Figuren charakterisieren, (3) „die fremde Herkunft oder die territoriale Angehörigkeit einer Figur“ veranschaulichen, (4) persönliche Eigenschaften und (5) eine regionale Identität ausdrücken (Ayad 1980: 120). Sprachvarietäten können ferner der Darstellung ungebildeter Personen und ihrer sozialen Stellung dienen und je nach dem Inhalt für unterschiedliche Zwecke angewendet werden. Ihr Auftreten in Form „[d]ialektale[r] oder regionale[r] Sprechweise“ in Äußerungen von Figuren wird demzufolge von Eroms als „ein stilistisches Merkmal“ aufgefasst (Eroms 2003: 137), durch das sie charakterisiert werden und das mit der Identität dieser Figuren in Verbindung steht. Dementsprechend kann in Werken „der regionale Sprachgebrauch“ gleichzeitig als „Identifikationskonstante“ fungieren (Eroms 2003: 141). Dass Dialektwörter in vielen Fällen zur Charakterisierung von Figuren eingesetzt werden, wird auch von Baumberger (2012: 95) anhand ausgewählter Beispiele gezeigt (Baumberger 2012: 95). 74 Ferner kann der Kontrast von Dialekt __________ 73 Zu Varietäten und zu ihrer Veranschaulichung in ausgewählten Texten siehe auch Schmeling (2004). 74 Im Hinblick auf die Inszenierung von Stammtischgesprächen in Camenischs Text wird als eine wichtige Funktion dialektaler „Füllwörter“ und „wiederkehrende[r] Sprach(varietät)en in literarischen Texten 59 zur Hochsprache laut Richter (1995: 122f.) in einem literarischen Text eine „realistische, komische, satirische, herrschafts- und sozialkritische, idealisierend-idyllische, antiquarische, pädagogische“ Funktion erfüllen. Dialekte können weiterhin als Indikator der Volksnähe erscheinen, soziale Schichtung, Herkunft, das Lokale usw. darstellen. Varietäten und Varianten der dominanten Sprache von Texten können neben diesen Funktionen aber auch zur „Fingierung“ einer Fremdsprache benutzt werden. 75 Ähnlich wie in den obigen Untersuchungen stellt Mühleisen (2007) fest, dass die in literarischen Texten verwendeten Sprachvarietäten ihre Funktion erst im Verhältnis zur Standardsprache erhalten, wie z.B. das Kreolische im Verhältnis zum Englischen in der karibischen Literatur. Bei Mühleisen wird die Funktion kreolischer Einschübe analysiert, indem die Beziehung zwischen den Varietäten des Englischen und des Kreol in verschiedenen Phasen der karibischen Literatur dargestellt wird. Laut ihren Ergebnissen wird die kreolische Sprache in Texten durch unterschiedliche Methoden markiert. Zu diesen Methoden gehört z.B., dass nur größere Abweichungen vom phonologischen und grammatikalischen Bereich der englischen Orthographie markiert werden. Andere Schreibweisen können aber auch als Mittel zur Vergrößerung der Distanz zwischen Englisch und Kreol benutzt werden (Mühleisen 2007: 202ff.), was neben den oben dargestellten Konzepten ebenso die Vielfältigkeit der Verwendungsmöglichkeiten verschiedener Varietäten in Texten im Hinblick auf ihre Funktionen bzw. Wirkungen zeigt. __________ dialektale[r] Redewendungen“ die Erzeugung von „Realitätseffekte[n] der mündlichen Sprechsituation“ festgestellt (Baumberger 2012: 99). 75 Wie z.B. das „Cockney“, eine Variante des Englischen in englischsprachigen Werken (Goetsch 1987: 64). Eine weitere Möglichkeit dafür besteht laut Goetsch (1987: 64f.) in der „Verwendung älterer Sprachstufen oder […] [der − B.B.] Extrapolation künftiger Entwicklungen“. 4 Die Termini ‚Eigenes‘, ‚Anderes‘ und ‚Fremdes‘ Neben der Analyse von Manifestationen der Mehrsprachigkeit ist es das Anliegen dieser Arbeit, sprachliche Ausdrucksformen des ,Fremden‘ anhand ausgewählter Beispiele zu identifizieren und zu beschreiben. Unter dem Begriff ‚Fremdes‘ wird in diesem Rahmen zum einen (1) die von bestimmten fremdsprachigen Elementen ausgelöste sprachliche Andersheit und zum anderen (2) das Anderssein oder die Fremdheit ausgewählter Figuren und bestimmter Sprachen aus dem Blickwinkel anderer Figuren verstanden. 76 Zur Analyse sprachlicher Manifestationen von ‚Fremdem‘ ist neben der Bestimmung dieses Terminus auch die Bestimmung der Begriffe ‚Eigenes‘ und ‚Anderes‘ unerlässlich, da das ‚Fremde‘ aus einer Interpretation der Andersheit (Weinrich 1990: 26) sowie der „Differenz“ (Mecklenburg 1990: 82) entsteht und dementsprechend als das ‚aufgefasste Andere‘ (Wierlacher 2000) gilt. In diesem Sinne ist aus dem Blickwinkel des ,Eigenen‘ feststellbar, ob das Anderssein als fremd wahrgenommen wird. Da zur Darstellung sprachlicher Ausdrucksformen des ‚Fremden‘ auch der theoretische Hintergrund dieses Terminus kurz dargestellt werden muss, wird in Bezug auf die Kategorien ‚Anderes‘, ‚Fremdes‘ und ‚Fremdheit‘ im Folgenden kurz auf kulturwissenschaftliche, literaturwissenschaftliche und philosophische Konzepte eingegangen, die mit der Fremdheitsforschung in literarischen Texten zusammenhängen. Die kulturwissenschaftliche Xenologie als Forschungsorientierung innerhalb der interkulturellen Germanistik befasst sich schon seit Jahrzehnten mit Erscheinungsformen und Interpretationsmöglichkeiten des ‚Fremden‘. Weiterhin werden Konzepte der literaturwissenschaftlichen Fremdheitsforschung erwähnt. Da aber im Hinblick auf die ausgewählten Texte nur einige bestimmte Aspekte der literarischen Fremdheitsforschung als relevant erscheinen, wird im Unterkapitel 4.3 lediglich ein Überblick über bestimmte Fremdheitskonzepte im literaturwissenschaftlichen Bereich gegeben. Um das ‚Andere‘ und das ‚Fremde‘ anhand der 1) in den Texten dargestellten Verhältnisse und 2) aus der Perspektive der Figuren darzustellen, stützt sich die Analyse in erster Linie auf sozialpsychologische Konzepte von Einstellungen. In diesem Sinne wird hier Andersheit und Fremdheit durch die Darstellung sprachlicher Ausdrucksformen von Einstellungen veranschaulicht. Aus diesem Grund wird auf Einstellungskonzepte bzw. auf den Aufbau von Einstellungen im Unterkapitel 4.1 näher eingegangen. __________ 76 Siehe auch im Kapitel 5 „Terminologische Abgrenzungen für die Analyse“ S. 74. Die Termini ‚Eigenes‘, ‚Anderes‘ und ‚Fremdes‘ 62 Der oben angedeutete relationale Charakter der Kategorie ,Fremdheit‘ und ihre Bestimmtheit im Hinblick auf das Verhältnis der Kategorien ,Eigenes‘ und ,Anderes‘ zeigt sich in bisher erarbeiteten Annäherungen in verschiedenen Forschungsgebieten. Zu diesen Annäherungen gehört in der interkulturellen Germanistik in erster Linie die Interpretation von Wierlacher (2001), laut der die ,Fremdheit‘ als Interpretament der Andersheit und Differenz aufgefasst wird, deren Interpretation im Lichte der Wahrnehmung erfolgt: „Menschen erwerben eine fremde Sprache und sehen eine fremde Kultur immer durch den Filter ihrer eigenkulturellen Vorverständnisse und Vorbilder. Das ‚Fremde‘ ist darum grundsätzlich als das aufgefaßte Andere, als Interpretament der Andersheit und Differenz zu definieren. Es ist mithin keine objektive Größe und Eigenschaft des Fernen, Ausländischen, Nichteigenen, Ungewohnten, Unbekannten, des Unvertrauten oder Seltenen. Als Interpretament ist das Fremde wie alle gesellschaftliche Wirklichkeit aber auch keine nur subjektive Größe. Es besitzt eine mehrwertige Valenz, insofern es um die Andersheit und deren im Fremdheitsprofil der Wahrnehmung erscheinendes Sosein, um Assimilationen zwischen dem Fremden und dem Eigenen sowie darum geht, daß sich beide mit ihrer differenzierenden, Reiz und Spannung setzenden Interrelation (Wahrnehmung, Auffassung) selbst konstituieren und charakterisieren, so daß die Begriffe Andersheit und Fremdheit ihre Stellung wechseln können“ (Wierlacher 2001: 62f.). Die erweiterte Bedeutungsdimension dieser Kategorie ist bereits darin zu sehen, auf welche Verhältnisse, Beziehungen, Objekte, Phänomene usw. das Adjektiv fremd und die damit zusammenhängenden Substantive Fremdes, Fremde und Fremder sich beziehen können: Mit dem Adjektiv fremd können z.B. solche Instanzen charakterisiert werden, die in Bezug auf unsere Normen, Werte, Gewohnheiten, Auffassungen usw. als anders erscheinen. Dementsprechend kann dieses Adjektiv für „ein Nicht-Eigenes oder Anderes“ (Albrecht 2003a: 234) stehen. Während aus den substantivierten Formen das Fremde etwas „Sächlichobjekthaftes oder Unbestimmt-transzendentes“ bezeichnet, steht die Fremde für ein „fernes Land“ und der Fremde für „vorwiegend menschliche Gestalten“ (Wimmer 1997: 1067). Fremdes kann ferner als eine Kategorie aufgefasst werden, das „dem Selbst […] und dem ihm Eigenen“ entgegensteht (Waldenfels 1999: 21), wobei als fremd erstens das bezeichnet werden kann, „was außerhalb des eigenen Bereichs vorkommt […]. Fremd ist zweitens, was einem Anderen gehört […]. Als fremd erscheint drittens, was von fremder Art ist und als fremdartig gilt […]“ (Waldenfels 1999: 20). Mithin gilt in der interkulturellen Germanistik Fremdheit „nicht als Qualität oder Eigenschaft einer jeweiligen anderen Kultur, sondern als ein Interpretament der wechselseitig wahrgenommenen Andersheit. Als relationale und dialektische Kategorie beschreibt die Rede vom Fremden ein komplexes Verhältnis zwischen der jeweils eigenen und anderen Die Termini ‚Eigenes‘, ‚Anderes‘ und ‚Fremdes‘ 63 Kulturen“ (Albrecht 2003b: 541). Der Feststellung zufolge, dass etwas erst von einem bestimmten Standpunkt aus als ‚fremd‘ betrachtet werden kann, wird ,das Fremde‘ in diesem Bereich als eine relationale Kategorie aufgefasst. Das kommt auch in Krusches Formulierung in Bezug auf die feminine Form der Kategorie zur Geltung: „Fremde ist keine Eigenschaft, die ein Objekt für ein betrachtendes Subjekt hat; sie ist ein Verhältnis, in dem ein Subjekt zu dem Gegenstand seiner Erfahrung und Erkenntnis steht“ (Krusche 1990: 143). Dementsprechend wird das Phänomen ‚Fremdes‘ in seinem Verhältnis zur Kategorie des ‚Eigenen‘ bestimmt, da sich beide Kategorien „wechselseitig“ fundieren (Albrecht 2003a: 236), was auch in der Feststellung von Albrecht (2003a: 235f.) bestätigt wird: „Jemanden oder etwas als fremd zu bezeichnen, heißt […], eine Beziehung zu konstituieren, in der sich eine Person gegenüber einer anderen Person, sich selbst, einer Sache oder Situation auffasst. Die Bezeichnung fremd oder Fremde und Fremdheit stellt also eine Beziehung her zwischen dem, was als jeweils Eigenes betrachtet wird, und dem, was als diesem nicht zugehörig bewertet wird. Sie drückt ein komplexes Beziehungsgeflecht aus […]“. [Hervorhebungen im Original] Da das ‚Fremde‘ in diesem Sinne erst aus der Perspektive des ‚Eigenen‘ entsteht, indem das von uns Abweichende, das ,Andere‘ unter bestimmten Bedingungen als fremd interpretiert werden kann, sind das ‚Eigene‘ und das ‚Fremde‘ bzw. im Bereich der Kulturwissenschaften und einer kulturwissenschaftlichen Xenologie das kulturell Eigene und das kulturell Fremde „keine Kontrastphänomene, […] sondern wechselseitige Bezugsgrößen“ (Wierlacher/ Albrecht 2008: 284). ‚Fremder‘, ‚Fremde‘ und ‚Fremdes‘ sind demzufolge keine objektiven Eigenschaften, sondern werden in einem Verhältnis zwischen dem ‚Eigenen‘ und dem ‚Anderen‘ ausgestaltet. Dieses Wechselverhältnis zwischen den Phänomenen ‚Eigenes‘ und ‚Fremdes‘ steht auch in den zeitgenössischen soziologischen Forschungen im Vordergrund, da Fremdheit auch im Hinblick auf die soziale Welt nicht als ein Faktum angesehen wird, das über Eigenschaften verfügt, sondern durch Zuschreibungen ausgestaltet wird (vgl. Reuter 2002: 12). Diesem komplexen Verhältnis zwischen den Bezugsgrößen ‚Eigenes‘ und ‚Fremdes‘ kommt in der Philosophie und in einer interkulturellen Philosophie ebenso eine zentrale Rolle zu wie in der kulturwissenschaftlichen Xenologie. Das ‚Eigene‘ und das ‚Fremde‘ werden dabei jeweils als miteinander verschränkt beschrieben (z.B. Waldenfels 2003: 67): „Wenn wir sie [die Denkfigur der Verschränkung] auf den Gegensatz von Eigenem und Fremdem anwenden, so besagt Verschränkung zum einen, dass Eigenes und Fremdes mehr oder weniger ineinander verwickelt sind, so wie ein Netz sich verdichten oder lockern kann, und es besagt zum anderen, dass zwischen Eigenem Die Termini ‚Eigenes‘, ‚Anderes‘ und ‚Fremdes‘ 64 und Fremdem immer unscharfe Grenzen bestehen, die mehr mit Akzentuierung, Gewichtung und statistischer Häufung zu tun haben, als mit säuberlicher Trennung.“ (zit. nach Földes/ Weiland 2009: 18). Unter ,Fremdheit‘ wird dabei nicht unbedingt eine kulturelle Dimension der Fremdheit verstanden, das ,Fremde‘ kann nämlich auch „für den einen Menschen der andere und andersartige Mensch“ (Bollnow 1982: 94f.) und auch der Mensch für sich selbst sein. Dem Konzept der Verschränkung von ‚Eigenem‘ und ‚Fremdem‘ zufolge stellt Waldenfels (2003: 74) fest, dass „wir sowohl Eigenes im Fremden wie auch Fremdes im Eigenen finden“ (zit. nach Földes/ Weiland 2009). Das deutet ebenso auf die enge Beziehung dieser beiden Kategorien hin, denen in Einstellungskonzepten eine relevante Rolle zukommt. 4.1 Einstellungen aus der Sicht der Sozialpsychologie und der Psychologie Geht man anhand der oben dargestellten Konzepte davon aus, dass ,Fremdes‘ und ,Eigenes‘ in einer starken Beziehung zueinander stehen, insofern ,Fremdes‘ aus einer Interpretation des vom ,Eigenen‘ wahrgenommenen ‚Anderen‘ entstehen kann, kann man auch in Bezug auf ihre sprachlichen Erscheinungsformen voraussetzen, dass zwischen ihnen auch eine relationale Beziehung besteht. Es wird also davon ausgegangen, dass aus sprachlichen Ausdrucksformen des Beziehungsgeflechts zwischen ‚Eigenem‘ und ‚Anderem‘ auf sprachliche Ausdrucksformen des ‚Fremden‘ geschlossen werden kann. In der vorliegenden Arbeit wird dieses Beziehungsgeflecht zwischen ,Eigenem‘ und ,Anderem‘ anhand des Verhältnisses von Moras Figuren zu einigen anderen Figuren und ihren Sprachen untersucht. Die Feststellung sprachlicher Ausdrucksformen des ,Andersseins‘ oder der ,Fremdheit‘ in den ausgewählten Texten wird in diesem Sinne durch die Identifizierung und Beschreibung sprachlicher Manifestationen von Einstellungen erreicht, da durch diese Manifestationen in Texten zugleich auch auf das Beziehungsgeflecht zwischen den Kategorien ‚Eigenes‘ und ‚Anderes‘ (d.h. auf das Beziehungsgeflecht zwischen bestimmten Figuren und ihren Sprachen) gefolgert werden kann. 77 In der Argumentation wird also darauf abgehoben, wie Einstellungen des ‚Eigenen‘ gegenüber dem ‚Anderen‘ sprachlich ausgedrückt werden, wobei hier das Konzept von Einstellungen auf Erkenntnisse der Sozialpsychologie zurückgreift: __________ 77 Zur Beschreibung ausgewählter sprachlicher Manifestationen von Einstellungen in Moras Texten siehe auch Burka (2010). Einstellungen aus der Sicht der Sozialpsychologie und der Psychologie 65 Einstellung ist ein zentraler Begriff der Sozialpsychologie, die sich mit dem Konzept von Einstellungen, mit deren Funktionen, Messung und Änderungen bereits seit mehr als neunzig Jahren befasst. Neben der Sozialpsychologie spielen Konzepte über Einstellungen auch in der Psychologie, in der Soziologie und u.a. in der Soziolinguistik eine wichtige Rolle, da dort jeweils Einstellungen von Individuen gegenüber Einstellungsobjekten Gegenstand zahlreicher Untersuchungen sind. Während im deutschsprachigen Raum die Bezeichnung Einstellung verwendet wird, wird „im anglo-amerikanischen Bereich bevorzugt von attitude gesprochen, was zu ‚Attitüde‘ verdeutscht und oftmals mit Einstellung gleichgesetzt wurde“ (Güttler 2003: 98) [Hervorhebung im Original]. Für Einstellungen wurden bisher verschiedene Definitionen formuliert, laut denen sie als „erlernte Disposition sowie als latente Variable“ gelten (Wiswede 2004: 111). Bei ihrer Bildung spielen die sozialen Erfahrungen des Individuums eine große Rolle. Die über Einstellungen ausgearbeiteten Modelle unterscheiden sich entweder in der Zahl der Komponenten, aus denen Einstellungen bestehen, oder in der Beschreibung der Art und der Stärke der zwischen den Komponenten bestehenden Verhältnisse. Die meisten Definitionen stimmen darin überein, dass in ihnen Einstellungen als „summarische Bewertungen sozialer Sachverhalte (oder Objekte, zu denen dann Personen, Institutionen, Probleme, Gegenstände gezählt werden)“ aufgefasst werden (Six 2000: 361) [Hervorhebung im Original]. Einstellungen enthalten dementsprechend Bewertungen über die Umwelt. Laut Wänke/ Bohner (2006: 404) ist Einstellung ein kognitives Schema, „das evaluatives Wissen einer Person über ein Einstellungsobjekt repräsentiert. Solche Wissensstrukturen beeinflussen Denken, Fühlen und Verhalten von Personen sowohl in Bezug auf das entsprechende Einstellungsobjekt als auch darüber hinaus.“ Obwohl in den meisten Definitionen über Einstellungen eine Differenzierung von kognitiven und affektiven Komponenten gemacht wird, gibt es auch solche frühere Bestimmungen, in denen vor allem ihre Verhaltenskomponente betont wird, wie z.B. bei G. W. Allport (1935: 810). Dementsprechend ist laut ihm eine Einstellung ein „mentaler und neuraler Bereitschaftszustand, der durch die Erfahrung strukturiert ist und einen steuernden und/ oder dynamischen Einfluss auf die Reaktion eines Individuums gegenüber allen Objekten und Situationen hat“ (zit. nach Fischer/ Wiswede 2009: 285). In Bezug auf die Anzahl der ‒ die Einstellungen bildenden ‒ Komponenten wurden sowohl einals auch zweidimensionale Definitionen ausgestaltet. Während in der eindimensionalen Definition von Herkner (1991: 181) die Einstellung „einer Person zu einem Objekt […] ihre (subjektive) Bewertung des Objektes“ ist, werden in zweidimensionalen Definitionen zwei Komponenten, nämlich „Affekt“ und „Kognition“, in Betracht gezogen (zit. nach Fischer/ Wiswede 2009: 286). Neben den obigen wurde auf dem Gebiet der Sozialpsychologie auch ein Drei-Komponenten-Modell entwickelt. In diesem Modell von Rosenberg und Die Termini ‚Eigenes‘, ‚Anderes‘ und ‚Fremdes‘ 66 Hovland (1960) werden Einstellungen als „komplexe intervenierende Variable verstanden, die zwischen situativen Reizen […] einerseits und den messbaren abhängigen Variablen (verbale Äußerungen über Affekte/ Gefühle bzw. Reaktionen des autonomen Nervensystems, Wahrnehmungsurteile über verbal geäußerte Überzeugungen und schließlich offen zutage tretendes bzw. beobachtbares Verhalten) andererseits vermitteln“. In diesem Modell wird davon ausgegangen, dass „alle drei Komponenten […] miteinander korrespondieren“ (zit. nach Fischer/ Wiswede 2009: 285) [Hervorhebung im Original]. Hier werden also neben den affektiven („positive[n] oder negative[n] Gefühle[n] gegenüber einem Einstellungsobjekt“) und den kognitiven („Meinungen über ein Einstellungsobjekt“) Komponenten auch „Verhaltensabsichten oder -tendenzen“ als Komponente berücksichtigt. Soziale Einstellungen werden also als „Korrelate oder Prädiktoren des Verhaltens“ aufgefasst (Stahlberg/ Frey 1990: 144). In diesem Sinne können sie als „Schemata“ gesehen werden, „in denen das gesamte Wissen und die Gefühle gegenüber Einstellungsobjekten abgespeichert und verfügbar sind, konzipiert werden“ (Güttler 2003: 102) [Hervorhebung im Original]. Aus den obigen Feststellungen geht hervor, dass die affektive Komponente „aus der emotionalen Reaktion auf das Einstellungsobjekt“, die kognitive Komponente aus den „Gedanken und Überzeugungen über das Einstellungsobjekt“ und die Verhaltenskomponente aus den „Handlungen oder dem beobachtbaren Verhalten im Hinblick auf das Einstellungsobjekt“ besteht (Aronson/ Wilson/ Akert 2008: 194). Im Hinblick auf deren Einfluss auf die Bewertung des Einstellungsobjektes werden in der Sozialpsychologie drei Arten von Einstellungen unterschieden: (1) die kognitiv basierten, (2) die affektiv basierten und (3) die verhaltensbasierten Einstellungen. Während die kognitiv basierten Einstellungen auf der „objektiven Bewertung von Vor- und Nachteilen“ eines Einstellungsobjektes basieren, beruhen die affektiv basierten Einstellungen „mehr auf Emotionen und Wertvorstellungen“ (Aronson/ Wilson/ Akert 2008: 195). Verhaltensbasierte Einstellungen entspringen demgegenüber „der Beobachtung, wie man sich einem Objekt gegenüber verhält“ (Aronson/ Wilson/ Akert 2008: 196). Bezüglich ihres strukturellen Aufbaus werden sowohl intrastrukturelle als auch interstrukturelle Aspekte untersucht. Während unter intrastrukturellen Aspekten „Strukturen innerhalb einer Einstellung“ verstanden werden, sind mit interstrukturellen Aspekten die „Beziehungen zwischen Einstellungen oder zwischen Einstellung und Verhalten“ gemeint (Wiswede 2004: 120). 78 Dabei __________ 78 In Bezug auf ihre Art kann darüber hinaus zwischen „deliberative[n], ‚explizite[n]‘“ und „automatische[n], ‚implizite[n]‘“ Einstellungen ein Unterschied gemacht werden (Werth/ Mayer 2008: 208). Explizite Einstellungen sind solche, „die wir bewusst Einstellungen aus der Sicht der Sozialpsychologie und der Psychologie 67 können Einstellungsobjekte nicht nur andere Personen, Personengruppen, Institutionen, Sachverhalte etc. sein, sondern auch die eigene Person, der gegenüber die Einstellungen „das Selbstkonzept“ bilden (Güttler 2003: 101) [Hervorhebung im Original]. 79 Die oben genannten Einstellungskonzepte können in der vorliegenden Arbeit produktiv angewandt werden, indem in den ausgewählten Texten Einstellungen gegenüber zwei Einstellungsobjekten, und zwar gegenüber verschiedenen Sprachen (die in den Texten benannt werden) und gegenüber Figuren, die sich von anderen Figuren durch ihre Herkunft, durch bestimmte Eigenschaften und/ oder durch ihre Sprache unterscheiden, untersucht werden. 80 Diese Figuren werden aus der Perspektive anderer Figuren als die ,Anderen‘ betrachtet und durch sprachliche Ausdrucksformen ihrer Darstellung in bestimmten Situationen als fremd wahrgenommen, was durch das Aufzeigen sprachlicher Realisierungen von Einstellungen bestätigt werden kann. Bei der Analyse dieser Einstellungen fokussiere ich mich auf die affektive Komponente, d.h. auf sprachliche Ausdrucksformen von Gefühlen gegenüber den ausgewählten Einstellungsobjekten. __________ hegen und leicht benennen können; sie sind das, was wir als unsere Bewertung angeben“ (Aronson/ Wilson/ Akert 2008: 198). Implizite Einstellungen sind hingegen solche, die „unwillkürlich, unkontrollierbar und mitunter unbewusst sind“ (Aronson/ Wilson/ Akert 2008: 198). 79 Zur Untersuchung von Einstellungen siehe auch z.B. die Publikationen von Six (1998), Fabrigar/ MacDonald/ Wegener (2005), Wegener/ Carlston (2005), Haddock/ Maio (2007) und Banaji/ Heiphetz (2010). 80 Siehe dazu auch Burka (2010). Die Termini ‚Eigenes‘, ‚Anderes‘ und ‚Fremdes‘ 68 4.2 Sprache und Identität In Bezug auf Einstellungen von Figuren zu verschiedenen Sprachen kann die Frage gestellt werden, wie ihr Sprachgebrauch mit ihrer Identität zusammenhängt bzw. welche Rolle verschiedene Sprachen im Hinblick auf ihre Identität spielen. Hier kann nach der Rolle von Sprach(varietät)en sowohl in Bezug auf die personale Identität 81 als auch auf die soziale Identität 82 gefragt werden und 1) aus Einstellungen einer Figur gegenüber ihren Sprach(varietät)en bzw. 2) aus Einstellungen anderer Figuren gegenüber den von dieser Figur verwendeten Sprach(varietät)en auf die Rolle dieser Sprach(varietät)en im Werk geschlossen werden. Die Rolle des Sprachgebrauchs kann neben real existierenden Kontexten auch im Falle literarischer Figuren untersucht werden: Aus dem Inhalt ihrer Äußerungen und metasprachlicher Kommentare lässt sich auf die Bedeutung von Sprach(varietät)en in der Selbstbestimmung von Figuren bzw. auf ihre Einschätzung vom sozialen Umfeld folgern. Die Vielfalt der Aspekte, die bei der Erforschung des Verhältnisses zwischen dem Sprachgebrauch und der Identität berücksichtigt werden müssen, zeigt sich auch darin, dass selbst Komponenten der Identität im Rahmen verschiedener Forschungsgebiete, wie z.B. der Psychologie, Soziologie, Sozialpsychologie, Soziolinguistik behandelt werden. Dabei muss die Rolle des sozialen Umfelds des Individuums mitberücksichtigt werden. Dementsprechend folgern Sebba und Wootton, dass die sozialen Identitäten als „flexible constructs“ anzusehen sind; sie seien „created, negotiated and constantly changed in the course of interaction“ (Sebba/ Wootton 2003: 284). Als eine Komponente dieser Art von Identitäten lassen sich u.a. die in Interaktionen verwendeten Sprach(varietät)en feststellen, die „eine wesentliche Grundlage des Selbstverständnisses […]“ (Thim-Mabrey 2003: 5) __________ 81 Die personale Identität meint laut Müller „jene persönlichen Merkmale (Persönlichkeitsmerkmale, Fähigkeiten, Interessen, Biographie, biopsychosozialen Merkmale), die ein Individuum als einzigartig erscheinen lassen“ (Müller 2011: 90). 82 Die soziale Identität spiegelt „die Position, die man im sozialen Beziehungsgefüge einnimmt, wider. … bildet Gruppenzugehörigkeiten ab. … ist das Bewusstsein darüber, wie man von den anderen gesehen wird und welche Erwartungen diese anderen an die eigene Person adressieren, was in engem Bezug zu den eingenommenen sozialen Rollen steht.“ (Müller 2011: 90) Die „soziale Identität eines Individuums [hängt] von mehreren Aspekten (dem kulturellen und historischen Rahmen, der Sozialstruktur, den sozialen Beziehungen, der Sozialisation und dem moralischen Horizont) ab […] und [steht] mit der personalen sowie mit der Ich-Identität in Wechselwirkung […]. In ihrer Gesamtheit drückt sie die Verortung des Individuums im sozialen Beziehungsgefüge sowie in umfassenderen gesellschaftlichen Einheiten aus.“ (Müller 2011: 83) Sprache und Identität 69 bilden können, indem das „sprachliche[] Verhalten“ eine wichtige Identitätskomponente ist (Kremnitz 2004: 85). Die identitätsstiftende Funktion von Sprachen und Sprachvarietäten zeigt sich darüber hinaus in der Auffassung von Sprache als „Medium der Selbstdarstellung“ (Thim-Mabrey 2003: 3), wodurch eine Sprache u.a. „die Zugehörigkeit [des Individuums − B.B.] zu einer sozialen Gruppe“ markieren kann (Thim-Mabrey 2003: 8). Die Möglichkeiten, die sich aus der Beherrschung verschiedener Sprachen und Sprachvarietäten ergeben, können dabei auf der Ebene der Identität positiv erscheinen, da „die Mehrsprachigkeit auch als positive Erweiterung“ in diesem Bereich erfahren wird (Thim- Mabrey 2003: 9). 83 Die Sprache in dieser identitätsstiftenden Funktion kann auch in literarischen Texten zu Tage treten, wenn der Sprachgebrauch von Figuren sie von „den anderen Figuren abheb[t]“ (Thim-Mabrey 2003: 13) und diese sich selbst durch die von ihnen verwendeten Sprach(varietät)en präsentieren bzw. zu bestimmten sozialen Gruppen zuordnen. Der identitätsstiftende Aspekt von Sprach(varietät)en zeigt sich dabei u.a. in den sprachlichen Kontexten sozialer Verhältnisse: Als Medium der Kommunikation zwischen Mitgliedern einer sozialen Gruppe können sie die Zugehörigkeit des Individuums zu dieser Gruppe symbolisieren (siehe auch Fix 2003: 107). Die Sprache wird bezüglich ihrer Bedeutung im Leben von Individuen und in ihren sozialen Relationen in der Forschungsliteratur als ein Faktor angesehen, der zur „Zuschreibung von und Selbst-Identifikation mit sozialen Kategorien“ beitragen kann, wodurch die Person „als Mitglied[] bestimmter Wir-Gemeinschaften“ auftritt (Treichel/ Bethge 2010: 110). Das Zugehörigkeitsgefühl zu verschiedenen sozialen Gruppen und die Beurteilung des Individuums von anderen Mitgliedern dieser Gruppen oder anderer Gruppen können auch Auswirkungen auf die Entwicklung der Identität der Person haben. Schließlich sei die Identität laut Heller als „a set of practices and representations regarding social categories“, „which are produced and reproduced in social interaction in everyday life“ (Heller 2005: 1584). Identität ist eine komplexe Konstruktion, auf die das Verhältnis zwischen dem Individuum und der/ n sozialen Gruppe(n), zu der/ denen es gehört, einen Einfluss ausübt. Diesem komplexen Verhältnis entsprechend kann sich der Rolle von Sprach(varietät)en im Hinblick auf die Identität literarischer Figuren aus verschiedenen Perspektiven angenähert werden: Verschiedene Sprachen und Varietäten können sowohl 1) im narrativen Teil als auch in der Darstellung von 2) Redebeiträgen und Gedanken literarischer Figuren in mannigfaltigen Formen __________ 83 Zur engen Verbindung zwischen der Mehrsprachigkeit und der Identität siehe auch Hu (2012). Die Termini ‚Eigenes‘, ‚Anderes‘ und ‚Fremdes‘ 70 auftreten und zu ihrer Charakterisierung beitragen. Durch die Darstellung des Sprachgebrauchs von Figuren ist es nämlich möglich, explizit oder implizit Charakterzüge über sie zu vermitteln (siehe auch Unterkapitel 3.5). Ihre metasprachlichen Reflexionen ermöglichen ferner Folgerungen über die Rolle verschiedener Sprach(varietät)en aus ihrer Perspektive, wodurch auch bestimmte Aspekte ihrer Identität zum Ausdruck kommen. 4.3 ‚Fremdes‘ in literarischen Texten Da in der vorliegenden Arbeit Ausdrucksformen des ‚Fremden‘ anhand eines literarischen Korpus identifiziert werden, wird hier kurz vorgeführt, mit welchen Ausdrucksformen des ‚Fremden‘ sich die Forschungsliteratur in erster Linie auseinandersetzt. Die literaturwissenschaftliche Fremdheitsforschung befasst sich mit „literarisch vermittelten Fremdheitserfahrungen, Wahrnehmungsmustern, Darstellungs- und Deutungsmodellen sowie Funktionalisierungen kultureller Fremde und Fremdheitskonstruktionen“ (Albrecht 2003b: 543). Fremdwahrnehmung kann neben der Wirklichkeit auch in literarischen Texten erscheinen, indem ‚Fremdes‘ sowohl im Textgeschehen als auch in der Textkonstitution, in der Gestaltung der Erzählperspektive und in sprachlich-stilistischen Mitteln zum Ausdruck gebracht werden kann. Bei Analysen über Ausdrucksformen des ‚Fremden‘ in literarischen Texten und über dessen Repräsentation muss aber auch - wie in der Soziologie, in der kulturwissenschaftlichen Xenologie usw. - ein Unterschied zwischen den Phänomenen ‚Fremdes‘ und ‚Anderes‘ gemacht werden, da das ‚Andere‘ - wie oben schon dargestellt - nicht in jedem Fall als ‚Fremdes‘ interpretiert werden kann. So stellen auch Büker/ Kammler (2003: 8) fest: „Es gibt einen breiten Spielraum der Andersheit von Personen und Objekten, die trotz ihres Andersseins nicht als fremd wahrgenommen werden. Dabei kann es sich um physiologische, psychische oder auch kulturelle Verschiedenheiten handeln, die lediglich als Unterschied zwischen dem eigenen Ich und dem jeweils anderen Ich aufgefasst werden. Die Frage, ob aus Andersheit Fremdheit wird, entscheidet sich in einem Prozess des Wahrnehmens, Deutens und Interpretierens, in dessen Verlauf das Andere in Beziehung zum Eigenen gesetzt wird.“ Das zwischen den Kategorien ‚Eigenes‘ und ‚Fremdes‘ bestehende Verhältnis ist auch in Untersuchungen im Bereich der Literaturwissenschaft von großer Relevanz, indem die Feststellung von Waldenfels (1997: 73) angewandt wird, laut der beide Bezugsgrößen miteinander verflochten sind: „Eigenes begegnet uns im Fremden und Fremdes im Eigenen.“ (zit. nach Büker/ Kammler 2003: 9). Dabei gilt die Untersuchung von Manifestationen und Darstellungsformen von ‚Fremdes‘ in literarischen Texten 71 ‚Eigenem‘ und ‚Anderem‘ oder ‚Fremdem‘ im Inhalt und in anderen Komponenten literarischer Texte als ein wichtiges Themengebiet der literarischen Fremdheitsforschung und einer Interkulturellen Literaturwissenschaft (vgl. in Burka 2010: 6). Auf dem Gebiet der Literaturwissenschaft ist in den letzten Jahrzehnten die Untersuchung von Fremdwahrnehmung, Fremdheitserfahrungen (von kultureller, sozialer, individueller, ästhetischer, sprachlicher Art usw.), von Exil, von den Phänomenen ‚Eigenes‘ und ‚Anderes‘ oder ‚Fremdes‘ in der Thematik und/ oder in der Gestaltung von Texten (z.B. im Perspektivenwechsel, im Stil des Textes, in der Verwendung von verschiedenen Erzählformen, in der literarischen Polyphonie usw.) ein zentraler Bereich. Dies hängt u.a. mit der großen Aufmerksamkeit für solche Texte zusammen, in denen ,Fremdheit‘ und das Beziehungsgeflecht zwischen den Phänomenen ‚Eigenes‘ und ‚Fremdes‘ thematisch und/ oder unter sprachlichem Gesichtspunkt eine wichtige Rolle spielt und unter bestimmten Bedingungen mit Manifestation des Interkulturellen in Verbindung gebracht werden kann. Demzufolge wurden in Forschungsansätzen, in denen literarische Texte aus interkultureller Sicht analysiert wurden, auch Manifestationen des ‚Fremden‘ im Inhalt der Texte häufig beschrieben. 84 Dabei bildet die Erfassung, Beschreibung und Analyse der Fremdwahrnehmung auch in der Kinder- und Jugendliteratur einen interessanten und ‒ in der Forschungsliteratur von heute ‒ immer wichtigeren Bereich, in der der ‚Fremde‘ bzw. die ‚Fremdheit‘ laut Büker/ Kammler (2003) in fünf Gestalten auftreten kann: (a) als Gast (b) als kulturell fremd, bei dem kulturelle Fremdheit bzw. Andersheit durch andere ethnische, kulturelle oder nationale Zugehörigkeit entsteht (c) als Außenseiter, indem in der Kinder- und Jugendliteratur solche Figuren in der Rolle von Außenseitern auftreten, die aufgrund der Differenz zwischen ihnen und der aufgefassten „Norm“ stigmatisiert und ausgegrenzt werden. Es kann aber auch vorkommen, dass diese Figuren sich selbst ausgrenzen (Büker/ Kammler 2003: 15). 85 __________ 84 Zur Analyse von Fremdheit und Alterität in literarischen Texten siehe z.B. die Veröffentlichungen von Jablkowska/ Leibfried (1996); Guthke (2000); Obendiek (2000); Grabes (2004); Göbel-Uotila (2005); Ervedosa (2006); Balogh/ Vogel (2007); Nyemb (2007); Horváth (2003), (2007); Hammer (2009); Leskovec (2009); Pugliese (2006); Ritz (2009); Zsigmond (2009); Orosz (2014). 85 Zu weiteren Aspekten über die Fremdwahrnehmung in Bezug auf die Figuren siehe Büker/ Kammler (2003: 15). Die Termini ‚Eigenes‘, ‚Anderes‘ und ‚Fremdes‘ 72 (d) als der bzw. das „historisch-genealogisch Fremde“ (e) als der bzw. das „phantastische Fremde“ (Büker/ Kammler 2003: 16) Diese Untersuchung von Fremdem in der Kinder- und Jugendliteratur ist von immer größerer Bedeutung, indem die Repräsentationen von ‚Fremdem‘ und/ oder ‚Anderem‘ in diesen Texten auch in der Entwicklung von Kindern eine wichtige Rolle spielen. 86 __________ 86 Zur Analyse dieser Fremderfahrungen siehe auch z.B. die Veröffentlichungen von Hurrelmann/ Richter (1998); Nassen/ Weinkauff (2000); Büker/ Kammler (2003); Schulz (2005); Dankó-Kovács (2006); Erzse-Boitor (2009). 5 Terminologische Abgrenzungen für die Analyse Nach den in Kapiteln 3 und 4 dargestellten Aspekten der Mehrsprachigkeit und des ,Fremden‘ anhand forschungsliterarischer Konzepte werden unmittelbar vor der Analyse dieser Phänomene in Moras Werken Begriffe behandelt, die in meinem Projekt für ihre sprachlichen Manifestationen verwendet werden. Die für 1) Manifestationen der Mehrsprachigkeit angewandten Begriffe stehen mit bestimmten in den Unterkapiteln 3.1, 3.3 und 3.5 geschilderten Konzepten in engem Zusammenhang, da sich der Begriff der Mehrsprachigkeit in der Analyse sowohl auf verschiedene Sprach(varietät)en in den Texten als auch auf sprachlich-literarische Ausdrucksformen der Interkulturalität bezieht. Ferner hängen die für sprachliche Ausdrucksformen 2) des ,Fremden‘ angewandten Begriffe mit den dargestellten Konzepten über die Kategorien ,Eigenes‘ und ,Fremdes‘ in der Sozialpsychologie zusammen, die auch mit Identitätsaspekten im Hinblick auf den Sprachgebrauch verflochten sind (siehe die Unterkapitel 4.1 und 4.2). Zur Beschreibung von Erscheinungsformen dieser obigen zwei Bereiche werden folgende einschlägige Termini herangezogen: Während in der vorliegenden Arbeit das Vorhandensein mehrerer Sprach- (varietät)en in den behandelten deutschsprachigen Texten mit „Mehrsprachigkeit“ bezeichnet wird, werden in Bezug auf Elemente anderer Sprachen die Bezeichnungen „anderssprachiges Element“, „fremdsprachiges Element“, „fremdsprachiger Einschub“ oder „fremdsprachiges Einsprengsel“ verwendet. Unter fremdsprachigen Elementen bzw. fremdsprachigen Einschüben werden Elemente bzw. Einschübe verstanden, die sich von der Sprache, in der ihre Textkontexte verfasst sind, unterscheiden. Der Begriff „Mehrsprachigkeit“ wird darüber hinaus auch für die deutschen Übersetzungen von Liedtiteln, Liedzeilen und Zitaten aus anderen Sprachen bzw. für bestimmte Anspielungen auf eine Literaturkultur in einer anderen Sprache verwendet, die als intertextuelle Elemente gelten. Bei der Bezeichnung des Wechsels zwischen (1) fremdsprachigen Elementen mit Elementen der angewandten Sprache (Deutsch) und (2) fremdsprachigen Elementen mit Elementen aus einer anderen Fremdsprache in den Texten wird der Terminus „Kode-Umschaltung“ und in bestimmten Fällen „Sprachenmischung“ verwendet: Mit dem Terminus „Kode-Umschaltung“ (Földes 2005: 78) werden solche Fälle des Sprachwechsels bezeichnet, in denen der Wechsel zwischen Sprach(varietät)en im Rahmen von Diskursen oder von Sätzen geschieht. Dementsprechend werden in den ausgewählten Texten unter den Kodeumschaltungsphänomenen auch zwei Arten untersucht, und zwar satzinterne und satzexterne Kodeumschaltungsphänomene. Die satzinterne Terminologische Abgrenzungen für die Analyse 74 Kode-Umschaltung bezeichnet in Bezug auf die Darstellung den Wechsel zwischen (mindestens) zwei Sprachen innerhalb eines Satzes. Satzexterne Kodeumschaltungsphänomene ergeben sich demzufolge aus dem Sprachwechsel zwischen Sätzen in der Darstellung. Im Falle einer Mischung fremdsprachiger Elemente wird die Bezeichnung „Sprachenmischung“ (Földes 2005: 78) verwendet, da in diesem Begriff die Mischung von Elementen von mindestens zwei Sprachen durch die Pluralform -en auch sprachlich ausgedrückt wird. Als eine Subkategorie der Kategorie „Sprachenmischung“ wird hier eine sog. „künstliche Sprachenmischung“ betrachtet, unter der die Verwendung von Elementen verschiedener Sprachen innerhalb von Wortformen verstanden wird, wodurch nicht-authentische Konstruktionen entstehen. Es werden auch solche sprachliche Gestaltungsmittel in den Texten als „künstliche Sprachenmischung“ aufgefasst, die nicht unbedingt realen, wirklich existierenden Sprachen bzw. Sprach(varietät)en entnommen werden, sondern aus inhaltlichen Gründen (z.B. bei der Darstellung der Mischung verschiedener Sprachen im Gehirn des Protagonisten im Roman „Alle Tage“) als ein Durcheinander sprachlicher Zeichen in den Texten erscheinen oder aus der Veränderung der Reihenfolge der Buchstaben von Ausdrücken entstehen. Unter den Begriffen ‚Anderes‘ und ‚Fremdes‘ wird in der vorliegenden Untersuchung keine kulturelle Fremdheit verstanden. Der Begriff ‚Anderes‘ bezieht sich hier zum einen auf die sprachliche Andersheit, die bei bestimmten Elementen (z.B. bodymilk vgl. S. 135) oder bei der deutschen Übertragung intertextueller Elemente aus anderen Sprach- und Literaturkulturen in den deutschsprachigen Texten als Wirkung im Textkontext beobachtet werden kann. Die Begriffe ‚Fremdes‘ oder ‚Anderes‘ beziehen sich zum anderen auf das ,Anderssein‘ oder die ,Fremdheit‘ ausgewählter Figuren und Sprachen, die aus dem Blickwinkel anderer Figuren nach dem Inhalt der Texte als anders oder fremd wahrgenommen werden. Die Begriffe ‚Fremdes‘ und ‚Anderes‘ erhalten demzufolge ihre aktuelle Bedeutung im Hinblick auf die Thematik der Werke „Seltsame Materie“ und „Alle Tage“. 87 Unter dem Beziehungsgeflecht zwischen den Bezugsgrößen ‚Eigenes‘ und ‚Fremdes‘ ist das Beziehungsgeflecht zwischen bestimmten Figuren und zwischen ihren Sprachen zu verstehen, was in der sprachlichen Realisierung von Einstellungen in den Werken festgestellt werden soll. Dabei bezieht sich das ‚Eigene‘ auf die Figuren, aus deren Blickwinkel 1) andere Figuren und 2) andere Sprachen dargestellt werden. __________ 87 Der Roman „Der einzige Mann auf dem Kontinent“ wird in die Analyse sprachlicher Ausdrucksformen dieser Kategorien im Hinblick auf die Figuren nicht einbezogen, da in diesem Werk die „Fremdheitsthematik“ keine Rolle spielt. 6 Textgrundlage: Die Autorin Terézia Mora und die Thematik ihrer Texte 6.1 Terézia Mora - die Autorin Terézia Mora wurde 1971 in Ödenburg/ Sopron (Ungarn) als Kind einer zur deutschsprachigen Minderheit gehörenden Familie geboren. Sie wuchs im Dorf Petőháza (Pöttelshausen), in der Nähe der österreichisch-ungarischen Grenze zweisprachig auf. Zur Sprache ihrer literarischen Werke hat die seit 1990 in Berlin lebende Autorin das Deutsche gewählt. 88 Sie studierte Hungarologie und Theaterwissenschaft in Berlin, ist neben ihrem literarischen Schaffen auch als Übersetzerin aus dem Ungarischen ins Deutsche und als Drehbuchautorin bekannt. Sie hat Werke von Péter Esterházy, István Örkény, Péter Zilahy und Lajos Parti Nagy übersetzt. Als Drehbuchautorin verfasste sie die Drehbücher „Die Wege des Wassers in Erzincan“ (1998), „Boomtown/ Am Ende der Stadt“ (1999) und „Das Alibi“ (2000). Als Prosaautorin wurde Mora für die Erzählungen ihres Erzählbandes „Seltsame Materie“ (1999) und für ihre Romane mit verschiedenen Literaturpreisen ausgezeichnet: Mit der Erzählung „Durst“ hat sie 1997 den Open-Mike-Literaturpreis gewonnen. Die Erzählung „Der Fall Ophelia“ wurde 1999 mit dem Ingeborg-Bachmann-Preis ausgezeichnet. Diese zwei Geschichten sind auch Teile ihres aus zehn Geschichten bestehenden Erzählbandes „Seltsame Materie“, für den sie im Jahre 2000 den Adelbert-von- Chamisso-Förderpreis erhielt. Ihr erster Roman „Alle Tage“ wurde mit dem Preis der LiteraTour Nord (2004), dem Mara-Cassens-Preis (2004), dem Preis der Leipziger Buchmesse (2005) und dem Kunstpreis Berlin (2005) ausgezeichnet. Für ihren zweiten Roman „Der einzige Mann auf dem Kontinent“ erhielt die Autorin 2010 den Adelbert-von-Chamisso-Preis und für ihren neuesten Roman „Das Ungeheuer“, der 2013 erschien, den Deutschen Buchpreis. Der Beschreibung von Erscheinungsformen anderer Sprach(varietät)en und des ,Fremden‘ im Hinblick auf ihre in den Geschichten erfüllten Rollen geht hier zunächst eine kurze Inhaltswiedergabe der von mir untersuchten Werke voraus, die zugleich den Rahmen der im Laufe der Analyse behandelten Situationen darstellt. __________ 88 Zur Wahl des Deutschen als Literatursprache vgl. das Interview mit T.M. S. 221. Textgrundlage: Die Autorin Terézia Mora und die Thematik ihrer Texte 76 6.2 Die Erzählungen von „Seltsame Materie“ Der Erzählband erschien 1999 und bedeutete einen großen Erfolg. Er enthält zehn Erzählungen, die von Ich-Erzähler(inne)n (von acht Mädchen bzw. jungen Frauen und von zwei jungen Männern) erzählt werden. In den Erzählungen wird dargestellt, wie das Leben der Figuren ist, die in der Nähe der österreichisch-ungarischen Grenze auf der ungarischen Seite in kleinen Dörfern leben. Dort werden die Ich-Erzähler(innen) und einige andere Figuren z.B. wegen ihrer Herkunft, Sprache und Fähigkeiten von den anderen Dorfbewohnern als Außenseiter betrachtet und als „die Anderen“ behandelt. Aus der Darstellung wird deutlich, dass die Grenzen, die nicht nur zwischen den Ländern (Österreich und Ungarn), sondern auch zwischen vielen Figuren existieren, nicht überschritten werden können. In allen Erzählungen des Bandes kommen Fremdheitsund/ oder Gewalterfahrungen zum Ausdruck (vgl. Unterkapitel 1.2.1.1). Die Figuren, die unter dem geschilderten gewaltigen, kunstfeindlichen (vgl. Geier 2006: 162) und in vielen Fällen verständnislosen sozialen Umfeld leiden, haben dabei zwei Möglichkeiten: Entweder versuchen sie aus den Strukturen auszubrechen oder sie versuchen unter den bestehenden Bedingungen zu leben und sie zu ertragen (siehe Geier 2006: 163). Sie möchten in vielen Fällen ein anderes Leben, wie z.B. die Ich-Erzählerin der ersten Erzählung „Seltsame Materie“, deren Familie zur deutschsprachigen Minderheit im Dorf gehört und die ihren „Ausbruch“ in der Verwirklichung ihres Traumes sieht: Sie will Schauspielerin werden, obwohl sie auch wegen ihrer Aussprache Schwierigkeiten hat, die aus der Sicht der Dorfbewohner auch ihre Andersheit hervorhebt: „Ein Lehrer sagte einmal zu mir, ich würde lispeln, und er zeigte mir auch gleich, wie man das S bildet: mit der Zunge hinter den Zähnen. Er sagte dann aber auch: Dieses A wird man in seinem Leben nicht mehr los.“ (SM S. 13) 89 Für viele Figuren in der zweiten Erzählung „STILLE.mich.NACHT“ wäre die Überschreitung der Staatsgrenze ein Ausweg, die aber von Grenzsoldaten bewacht wird, die auch viele „Flüchtlinge“ vor dem Erreichen ihres Ziels fangen. Flüchtlinge spielen auch in der dritten Erzählung „Der See“ eine wichtige Rolle. Die Ich-Erzählerin ist hier ein Mädchen, aus dessen Perspektive dargestellt wird, wie ihr Großvater Menschen geholfen hat, die Grenze zwischen den beiden Ländern zu passieren und durch den „See“ heimlich in das westliche Nachbarland zu gelangen. Die Flüchtlinge, die von ihr nur als „die Fremden“ be- __________ 89 SM wird in der Arbeit als Abkürzung für den Titel des Erzählbandes „Seltsame Materie“ verwendet. Siehe „Abkürzungsverzeichnis“ S. 193. Die Erzählungen von „Seltsame Materie“ 77 zeichnet werden, die der Großvater „drüben[bringt]“ (SM S. 57), bezahlen „gut“ für die Hilfe. Die Familie ist auf das Geld angewiesen, weil der Vater der Ich- Erzählerin nicht mehr als Bäcker Geld verdienen kann. Außer der Flucht über Grenzen werden im Erzählband auch andere Wege gezeigt, die Figuren als einen Ausweg aus der bestehenden gewaltsamen Struktur ansehen. So erscheinen z.B. der Mutter des Ich-Erzählers in der Erzählung „Die Lücke“ die Krankheit und später der Selbstmord als letzte Ausweg-Möglichkeit. Allerdings wird auch dargestellt, dass die Mutter auch wegen ihrer Krankheit (sie wurde von den Dorfbewohnern für verrückt gehalten) als anders galt. In der nächsten Erzählung „Der Fall Ophelia“ wird aus der Perspektive eines Mädchens beleuchtet, warum sie und ihre Familie (ihre Mutter und Großmutter) als die „Anderen“ von den übrigen Bewohnern des Dorfes, in dem sie leben, betrachtet werden. In dieser Erzählung, deren Schauplatz ein kleines Dorf mit „[f]ünfhundert Seelen“ (SM S. 120) ist, das „[e]ine Kneipe, ein Kirchturm, eine Zuckerfabrik“ (SM S. 114) hat, ist das Schwimmband ein wichtiger Ort (siehe Mansbrügge 2005). Ophelia geht regelmäßig schwimmen, sie wird von einem betrunkenen Schwimmmeister trainiert. Auch sie erlebt Gewalt, als der Sohn der Krankenschwester versucht sie zu ertränken, was aber scheitert. In der Erzählung „Am dritten Tag sind die Köpfe dran. Langsam. Dann schnell“ wird eine dreitägige Hochzeit dargestellt, an deren dritten Tag der Zigeunermusiker Sasa verhaftet wird. Die Ich-Erzählerin der Erzählung mit dem Titel „Buffet“ ist ein Mädchen, das Lehrerin werden wollte, was sie aber nicht verwirklichen konnte und nun in einem Buffet des Nationalparks arbeitet. Die Hintergrundsituation und die Stimmung der im Band versammelten Geschichten wird in der Erzählung „Die Sanduhr“ u.a. in Form von Liedtexten verdeutlicht, die von der Ich- Erzählerin und von ihrer Schwester gesungen werden. In der Erzählung „Durst“ erinnert sich die Ich-Erzählerin an ihren verstorbenen Großvater und kehrt nur wegen seines Todes für eine kurze Zeit nach Hause, nach der sie aber das Dorf wieder verlässt. In der letzten Erzählung „Ein Schloss“ wird gezeigt, wie die Ich- Erzählerin, die das Land verlassen will, von einem Mann, der als „Holzbein“ bezeichnet wird, aufgehalten wird. Er nimmt ihren Pass weg, und sie muss ihn am dritten Tag töten, um ihr Ziel, nämlich das Land zu verlassen, verwirklichen zu können. Diese Erzählung ist mit der ersten Erzählung sowohl in Bezug auf den Inhalt als auch auf die Figuren verknüpft (Geier 2006: 156f.). Dementsprechend bilden die beiden Erzählungen den Rahmen des Bandes: Die erste Erzählung handelt von einem Mädchen, das Schauspielerin werden möchte, „um sich von seiner Herkunft zu befreien“ (Geier 2006: 157). In der letzten Erzählung ist die Ich-Erzählerin eine „Ausreißerin“, die das Land verlassen will. Die beiden Figuren, die „in der Erfahrung allgegenwärtiger Gewalt [einig] [sind], unter der alle Figuren aus Seltsame Materie leiden“ (Geier 2006: 157), begegnen sich im Schloss, dem Handlungsort der letzten Erzählung. Aber auch zwischen den Textgrundlage: Die Autorin Terézia Mora und die Thematik ihrer Texte 78 anderen Erzählungen des Bandes bestehen Zusammenhänge im Hinblick auf Themen, Motive und Figuren. Darüber hinaus werden sie durch die verschiedenen Fremdheits- und Gewalterfahrungen verknüpft, die die Ich-Erzähler(innen) und andere Figuren erleben (siehe Geier 2006). In dem in den Erzählungen dargestellten sozialen Umfeld ist nämlich „[v]on Ausgrenzung und anderen sozialen Sanktionen […] jeder bedroht, der als ,anders‘ erscheint oder den Anschein erweckt, gar ,anders‘ sein zu wollen“ (Geier 2006: 162). Dabei versuchen manche Figuren auszubrechen, andere versuchen sich den Umständen anzupassen. Die ungarische Übersetzung von neun Erzählungen wurde 2001 unter dem Titel Különös anyag (übersetzt von Erzsébet Rácz) veröffentlicht, in der viele Elemente stehen, die „zurückübersetzt“ wurden, worüber auch die Autorin gesprochen hat. 90 6.3 Der Roman „Alle Tage“ In diesem Werk wird die Geschichte von Abel Nema dargestellt, der als ein Emigrant vor einem Krieg in seiner ehemaligen Heimat in einen westlichen Staat flieht. Seine ursprüngliche Heimat ist wahrscheinlich das ehemalige Jugoslawien und das Land, in das er flieht und in dessen Gesellschaft seine Integration scheitert, ist vermutlich Deutschland. Er wurde bereits in seiner Kindheit von seinem Vater Andor Nema verlassen. Unter anderem deswegen macht Abel sich nach dem Abitur auf den Weg, um den Vater zu suchen. Er fährt zuerst zu einer früheren Geliebten seines Vaters namens Bora, in deren Haus er aber einen Gasunfall erleidet. Durch diesen Gasunfall wird er ein Sprachgenie, der später fähig ist, verschiedene Sprachen im Sprachlabor perfekt zu erlernen (vgl. AT S. 74f.). 91 Diese Sprachen werden aber vom „Zehnspra- __________ 90 „Das Buch ist von jemandem übersetzt worden. Es hat ziemlich lange gedauert, also für meine Begriffe ‒ anderthalb Jahre nämlich ‒ was man nicht braucht für 250 Seiten, aber es war irgendwie schwierig, mein Deutsch ins Ungarische zu bringen, auch deswegen, weil mein Deutsch im ersten Buch mit sehr vielen ungarischen Elementen arbeitet, die natürlich für den deutschen Leser nicht erkennbar sind, aber der Ungar muss sehen, wie er mit den Elementen umgeht, wie er sie zurückübersetzt.“ Ein Gespräch mit Terézia Mora. Berlin, 11. März 2005. In: Kasaty, Olga Olivia (2007): Entgrenzungen. Vierzehn Autorengespräche über Liebe, Leben und Literatur. München: edition text+kritik. S. 253. Zu einem Vergleich intertextueller Elemente im auf Deutsch verfassten Band und in seiner Übersetzung siehe das Unterkapitel 7.7.1. 91 AT wird in der Arbeit als Abkürzung für den Romantitel verwendet, siehe „Abkürzungsverzeichnis“ S. 193. Der Roman „Alle Tage“ 79 chenmann“ nicht zum Gestalten von neuen Beziehungen zu anderen Personen benutzt, sondern als „mathematische“ (Czeglédy 2008: 294f.) Konstruktionen erlernt. Dies kann auch im nächsten Zitat beobachtet werden, in dem beschrieben wird, dass er die Sprachen so perfekt erlernt, dass er keinen Akzent hat und spricht wie einer, „der nirgends herkommt“, wodurch auch seine Ortlosigkeit versinnbildlicht wird: „Letzteres hat er so gelöst, dass er einfach perfekt geworden ist, und das gleich zehnmal, und zwar so, das glaubt man einfach nicht, dass er den Großteil seiner Kenntnisse im Sprachlabor erworben hat, so wie ich es sage: von Tonbändern. Es würde mich nicht wundern, wenn er nie mit einem einzigen lebenden Portugiesen oder Finnen gesprochen hätte. Deswegen ist alles, was er sagt, so, wie soll ich sagen, ohne Ort [Hervorhebung im Original], so klar, wie man es noch nie gehört hat, kein Akzent, kein Dialekt, nichts - er spricht wie einer, der nirgends herkommt.“ (AT S. 13) [Hervorhebungen von B.B.] Sein Sprachtalent hilft ihm, in der Stadt „B“, in die er nach dem Verlassen des Krankenhauses fährt und in der er zuerst bei einem Mann namens Konstantin wohnt, ein Stipendium zu bekommen. Dabei ist ihm auch Professor Tibor B. behilflich, der vor mehreren Jahren aus derselben Stadt wie Abel in die westeuropäische Stadt „B“ gekommen ist und dessen Adresse Abels Mutter dem Protagonisten gegeben hat. Sowohl bei der Angabe seiner Adresse als auch an anderen Stellen des Romans werden Zeit und Ort nicht genau bestimmt. Dies kann bereits am Anfang des Romans gesehen werden, indem die Zeit des Geschehens als jetzt und der Ort als hier bezeichnet wird: „Nennen wir die Zeit jetzt, nennen wir den Ort hier.“ (AT S. 9) [Hervorhebungen im Original]. Es wird auch nicht explizit genannt, aus welcher Stadt der Protagonist stammt, nur der Anfangsbuchstabe der Stadt in der ehemaligen Heimat wird angegeben. 92 Er wird von vielen Figuren als „anders“ oder „fremd“ wahrgenommen. Sein Anderssein und seine gescheiterte Integration ergeben sich jedoch in erster Linie nicht aus seinem Ausländer- und Migrantensein, sondern aus seiner existenziellen Fremdheit. Seine Fremdheit wird von der Autorin auch als ein konstitutives Merkmal des Charakters betrachtet: „Und die Fremdheit der Hauptfigur ist ja auch sehr mannigfaltig. Er ist nicht nur objektiv fremd, also ein Exilant, sondern ist auch ein Charakter, der leider damit geschlagen ist, mit dieser Fremdheit als Konstitution.“ 93 Im Zusammenhang mit seiner Wahrneh- __________ 92 Siehe dazu ausführlicher Unterkapitel 8.2.1. 93 „Schriftstellerin zu sein und in seinem Leben anwesend sein, ist für mich ein“. Ein Gespräch mit Terézia Mora. Von Anke Biendarra.“ http: / / www.literaturkritik.de/ public/ rezension.php? rez_id=11845 (letzter Zugriff am 13.03.2014). Textgrundlage: Die Autorin Terézia Mora und die Thematik ihrer Texte 80 mung als ein „Anderer“ wird an mehreren Stellen des Romans gezeigt, dass er gleichzeitig eine besondere Wirkung auf andere Personen ausübt. 94 Einen Teil seiner Andersheit bildet auch seine Homosexualität, die er aber vor der Außenwelt verheimlichen will. Trotz seiner sexuellen Orientierung schließt er eine Scheinehe mit Mercedes, damit er gültige Aufenthaltspapiere bekommt und im Land bleiben kann. Abel, dessen „Andersheit“ sich auch aus seinem Verhalten, seiner Kleidung und seinem Sprechen bzw. Schweigen ergibt (vgl. Kegelmann 2009: 256f., Czeglédy 2010), erscheint als ein Außenseiter, der nur zu Mercedes ᾿ Sohn, Omar, eine enge Beziehung hat. Am Ende des Romans wird er von einer Gruppe von Jungen geschlagen, wodurch er in eine Aphasie und Amnesie gerät, alle seine Sprachen verliert und nur einige Sätze, am liebsten „Das ist gut.“ (AT S. 430) in der „Landessprache“ aussprechen kann. Die ungarische Übersetzung des Romans ist 2006 mit dem Titel „Nap mint nap“ (übersetzt von Lídia Nádori) erschienen. 6.4 Der Roman „Der einzige Mann auf dem Kontinent“ Die im zweiten Roman erzählte Geschichte spielt in der IT-Branche. Die Hauptfigur Darius Kopp ist ein Fachmann für drahtlose Netzwerke und arbeitet als Vertreter der US-Firma „Fidelis Wireless“ in Berlin. Er wird als ein typischer „Kleinbürger“ 95 charakterisiert, der sich nach der Wende als Gewinner betrachtet. Im Roman wird eine Woche in seinem Leben dargestellt. Dabei wird veranschaulicht, welche Rolle die englische Sprache in seinem Tätigkeitsbereich bzw. in einer globalisierten Welt spielt. Dementsprechend werden auch seine Gedanken im Zusammenhang mit dieser Sprache bzw. seine Schwierigkeiten mit ihr hervorgehoben. Der Roman beginnt damit, dass ein Kunde einen Briefumschlag mit viel Geld für Darius Kopp hinterlegt, ohne dass Kopp weiß, was mit dem Geld geschehen soll. Er versucht mehrmals, seine Chefs in London und Los Angeles zu erreichen, um mit ihnen darüber zu reden, jedoch kann er mit seinem Chef im Londoner Büro nicht sprechen. Am Ende des Romans stellt sich heraus, dass die Firma wegen einer Fusion viele Angestellten entlassen muss. Darius Kopp verliert daher am Ende der Woche seinen Job, aber danach besteht laut der __________ 94 „Dieses Es-gibt-kein-Wort-dafür, diese Provokation, die er ausstrahlt, die in jedem, dem er begegnet, eine Nervosität weckt, den Zwang, mit ihm zu tun haben zu wollen, auf die eine oder andere Weise“ (AT S. 67f.). 95 Interview mit Terézia Mora. Frankfurter Rundschau (23.09.2009): http: / / www.fronline.de/ kultur/ -ich-bin-kein-theoretischer-mensch-/ -/ 1472786/ 3197674/ -/ index.html. Der Roman „Der einzige Mann auf dem Kontinent“ 81 Autorin die Möglichkeit, dass „wieder ein neuer Kreislauf“ beginnt. 96 In der Handlung, die in sieben Tage (Tag und Nacht) gegliedert ist, spielt neben dem beruflichen Kontext auch Kopps Beziehung zu seiner Frau Flora Meier eine wichtige Rolle. Obwohl die beiden - auch wegen Floras Depression - in ihrem gemeinsamen Leben Schwierigkeiten hatten/ haben, lieben sie einander und Darius möchte für die „Liebe seines Lebens“ immer da sein. Die ungarische Übersetzung des Romans ist 2011 mit dem Titel „Az egyetlen ember a kontinensen“ (übersetzt von Lídia Nádori) erschienen. __________ 96 Interview mit Terézia Mora. Frankfurter Rundschau (23.09.2009): http: / / www.fronline.de/ kultur/ -ich-bin-kein-theoretischer-mensch-/ -/ 1472786/ 3197674/ -/ index.html. 7 Manifestationen der Mehrsprachigkeit in den ausgewählten Texten - Erscheinungsformen und Funktionen In den ausgewählten Werken werden Elemente verschiedener Sprachen im deutschsprachigen Kontext an mehreren Stellen und in unterschiedlichen Formen verwendet. Zum einen kommen sie in den deutschsprachigen Texten als einzelne Wörter, d.h. als Einsprengsel, vor. Zum anderen werden in den Texten auch aus mehreren Wörtern bestehende Ausdrücke und an vielen Stellen ganze Sätze oder z.B. im Roman „Der einzige Mann auf dem Kontinent“ längere Textpassagen aus inhaltlichen Gründen in einer anderen Sprache wiedergegeben. Sie erfüllen im Hinblick auf die geschilderten Situationen sowohl auf der sprachlichen als auch auf der thematischen Ebene wichtige Funktionen. Mithin werden sie in der Analyse nach den Situationen, in denen sie vorkommen und nach ihren Verwendungszwecken klassifiziert. Diese Klassifikation liefert den inhaltlichen Rahmen der von verschiedenen Sprach(varietät)en erfüllten Funktionen, die sich neben 1) inhaltlichen Komponenten auch vom 2) sprachlichen Verhältnis der fremdsprachigen Elemente und ihrer Umgebung abhängen. Aus diesem Grund werden bei der Analyse solcher Belege, in denen mehrmals zwischen den Sprachen gewechselt wird und wo dieser Wechsel auch inhaltlich wichtig erscheint, auch die Arten der Kode-Umschaltungen in Betracht gezogen und angegeben. Manifestationen der Mehrsprachigkeit, die in Form von Liedtiteln, Liedzeilen und Zitaten vorkommen, werden hingegen nach ihren Erscheinungsformen dargestellt und in Bezug auf ihre Wirkungen bzw. Funktionen in den inhaltlichen Kontexten geprüft (vgl. Unterkapitel 7.7). 7.1 Fremdsprachige Elemente zur Veranschaulichung des Fremdsprachenlernens Die im Folgenden angeführten fremdsprachigen Elemente (Einschübe und Einsprengsel) werden in „Alle Tage“ inhaltlich motiviert, indem Prozesse und Ergebnisse des Fremdsprachenlernens des Jungen Omar - der bei dem Protagonisten Abel Nema Russisch lernt - an manchen Stellen im deutschsprachigen Kontext durch russische Wörter und Sätze veranschaulicht werden. Als Abel Mercedes’ Sohn Omar kennenlernt, entsteht zwischen ihnen sofort ein besonderes Verhältnis. Es scheint so, als ob Abel, der trotz seiner wundersamen Manifestationen der Mehrsprachigkeit in den ausgewählten Texten 84 sprachlichen Kenntnisse nur wenig spricht, am liebsten mit diesem Kind kommunizieren würde. Die besondere Verbindung zwischen ihnen wird auch von anderen bemerkt und es wird seltsam gefunden, dass der Protagonist seine Zeit auch während einer Party mit einem Elfjährigen verbringt. Omar erscheint als ein besonderes Kind, das seinen neuen Freund bittet, ihm Russisch beizubringen. Auch durch diese Sprache und die Privatstunden wird ihre Beziehung noch stärker. Sie haben nämlich eine wichtige Gemeinsamkeit, das Interesse für Sprachen, das sich auch in den russischen Äußerungen im Text widerspiegelt. Dabei wird das Vorkommen der russischen Sätze im Text in vielen Fällen im Voraus sprachlich-thematisch markiert, wie z.B. bei dem Satz Ja jublju maju matj im Beleg Nr. 1. Hier wird nämlich die Verwendung des Satzes durch den Aufruf von Omars Mutter Dann sag: Ich liebe meine Mutter sprachlich eingeleitet, wobei der russische Ausdruck später als Übersetzung des deutschen Ausdrucks angegeben wird. Die Art der Abbildung des russischen Ausdrucks verweist darauf, dass Omar diese Sprache erst jetzt lernt: (1) „Sag etwas auf Russisch! , sagte Mercedes später, zu Hause, zu ihrem Sohn. Das geht so nicht, sagte Omar. Man kann nicht einfach etwas sagen. Dann sag: Ich liebe meine Mutter. Ja jublju maju matj.“ (AT S. 272) Im Rahmen der mit dem Fremdsprachenunterricht zusammenhängenden Situationen befinden sich im Text hingegen auch solche Stellen, an denen die Verwendung fremdsprachiger Einschübe inhaltlich ebenso wichtig ist, aber deren Vorkommen, d.h. der Übergang zwischen der deutschen Sprache (der Sprache des Textkontextes) und den fremdsprachigen Elementen sprachlich mit keiner Einleitung markiert wird. Dafür kann als Beispiel der Beleg Nr. 2 betrachtet werden, in dem das Fragewort Po tschemu? [sic! ] (auf Deutsch: Warum? ) im deutschsprachigen Textkontext sprachlich nicht eingeleitet wird. In diesem Beleg wird die deutsche Erläuterung der russischen Frage erst nach dem russischen Ausdruck angegeben und ergänzt (Warum hast du das getan? ), damit den Lesern, die Russisch nicht verstehen, der Inhalt der russischen Frage vermittelt wird. In diesem Sinne erfüllt die deutsche Erläuterung der in einer anderen Sprache formulierten Frage folglich die Rolle der Inhaltsvermittlung (vgl. auch Burka 2011: 70), durch die zugleich die sprachliche Andersheit der russischen Frage im Hinblick auf deren Inhalt reduziert wird: Veranschaulichung des Fremdsprachenlernens 85 (2) „Es tut mir Leid, sagte Abel jetzt. […] Schon gut, sagte Mercedes. Omar kam zurück: Was ist? Kleine Pause, dann, das hätte ich, Mercedes, auch nicht erwartet, erzählte es Abel dem Kind. Was vorgefallen war. Ich habe mich als ein anderer ausgegeben. Oh, sagte Omar. Po tschemu? Warum hast du das getan? “ (AT S. 268f.) Im obigen Ausschnitt wird der russische Satz nicht im Rahmen des Privatunterrichts des Jungen verwendet, hängt jedoch mit dem Prozess des Fremdsprachenlernens zusammen. Omar benutzt nämlich die russische Sprache meistens in Gesprächen mit seinem Privatlehrer, weshalb diese russische Äußerung thematisch der Situation des Fremdsprachenlernens zugeordnet werden kann. Abel erzählt hier Mercedes und Omar, dass er den Namen seines Mentors, Tibor B. benutzt hat, als er bei einem Unfall von einem Polizisten nach seinem Namen gefragt wurde. Damals wusste er aber nicht, dass die Person, deren Namen er verwendet hat, inzwischen gestorben ist. Er erklärt, dass er sich darum „als ein anderer ausgegeben“ hat, weil seine damalige Heimat, die er vor mehreren Jahren verlassen hat, durch den Krieg in mehrere Teile gespalten worden ist, und er zurzeit über keine gültigen Papiere und keine Staatsbürgerschaft verfügt (vgl. AT S. 269). Ähnlich wie bei diesem Fall, werden im nächsten Beleg russische Elemente ins Gespräch zwischen dem Schüler und seinem Russischlehrer nicht im Rahmen einer Privatstunde eingefügt. Sie werden nämlich vom Protagonisten gesprochen, als er den Jungen aus der Schule abholt. Durch diese Art der Verwendung fremdsprachiger Elemente im deutschsprachigen Kontext wird auch in dieser Situation an die Lehrer-Schüler- Beziehung der Gesprächspartner erinnert: 97 (3) „Ich habe Hunger. Danke, ich kann die Tasche selbst tragen. Wozu das Taxi? Es sind nur zwei Bushaltestellen. Was ist los? Bist du noch nie Bus gefahren? Nein, sagte Abel. Ja njikagda nje jechal n’avtobuse. Der Junge sah ihn an. Eins: Russisch zu sprechen heißt, an etwas anzuknüpfen, was war, in der Hoffnung, dass es noch da ist. Mit anderen Worten: eine klare Anbiederei. Zwei: Musste das Kind jetzt doch schmunzeln, den Kopf schütteln: Wie kann man so ein … sein.“ (AT S. 261) Die Veranschaulichung, wie Omar sich die Fremdsprache sukzessive aneignet, ist neben Gesprächen zwischen diesen zwei Figuren auch in einem Ausschnitt __________ 97 Zu diesem Beleg siehe auch Burka (2014b: 209). Manifestationen der Mehrsprachigkeit in den ausgewählten Texten 86 aus einem imaginären Gespräch zwischen ihnen zu lesen (Beleg Nr. 4), in dem ebenfalls russische Ausdrücke vorkommen: (4) „(Und? Hast du ihn gefunden? hätte Omar gefragt. Wen? hätte Abel zurückgefragt. Den Bahnhof. Po russki, poschalujsta. Woksal. Im ganzen Satz bitte. Ti… Naschol. Nachadjit, naidtji. … naschol woksal? Da. Willst du verreisen? Abel hätte den Satz auf Russisch niedergeschrieben und ihn vorgesprochen, Omar hätte ihn wiederholt. Willst du verreisen? Njet, ja ne chatschu ujechatj. Nein, ich will nicht verreisen. Wolltest du jemanden abholen? Wolltest du jemanden abholen? Nein. Was wolltest du dann dort? Was wolltest du dann dort? Ich wohne in der Nähe. Ich wohne in der Nähe. Wieso wusstest du dann nicht, wohin du gehen musstest? Wieso wusstest du dann nicht, wohin du gehen musstest? Ich hatte mich verirrt. Ich hatte mich verirrt. Im Park? Nein, schon vorher. Nein, schon vorher. Das verstehe ich nicht, hätte Omar gesagt. Ja nje panjimaju.)“ (AT S. 260f.) Darauf, dass es im Beleg um die Inszenierung eines imaginären Gesprächs geht, verweisen die irrealen Konditionalsätze. Ein großer Teil dieses Gesprächs wird auf Deutsch wiedergegeben, damit der Leser auch ohne Russischkenntnisse den Inhalt des Gesprächs versteht. Demzufolge werden nur einige Sätze auf Russisch wiedergegeben, deren deutsche Übersetzungen in zwei Fällen, nämlich im Falle der Äußerung Njet, ja ne chatschu ujechatj und Ja nje panjimaju neben den russischen Versionen erscheinen. Nach dem russischen Satz Njet, ja ne chatschu ujechatj werden nur die deutschen Versionen der im imaginären Dialog auf Russisch geäußerten Sätze angegeben. Anhand des Kontextes ist er- Veranschaulichung des Fremdsprachenlernens 87 kennbar, dass die ersten Sätze wahrscheinlich auf Russisch gesagt werden und dann auf Deutsch wiederholt werden. Am Ende des Dialogs wird die am Anfang aufgestellte Reihenfolge (Russisch-Deutsch) vertauscht, indem zuerst der deutsche Satz Das verstehe ich nicht verwendet wird und seine russische Übersetzung Ja nje panjimaju der deutschsprachigen Bemerkung des Gesprächspartners folgt. Der Prozess des Erlernens einer anderen Sprache wird m.E. hier einerseits dadurch veranschaulicht, dass Omar eine russische Frage erst stellt, nachdem er drei Formen eines russischen Verbs erprobt hat: Ti… Naschol. Nachadjit, naidtji. …naschol woksal? . Die Form naschol steht für die Vergangenheitsform in der 2. Person Singular, nachadjit für die Präsensform in der 3. Person Singular und naidtji für Infinitiv. Das Ergebnis ist die Realisierung des Fragesatzes Ti naschol woksal? (Ti: Personalpronomen 2. Person Singular, naschol: Vergangenheitsform, 2. Person Singular, woksal: Substantiv). Andererseits verweisen die drei Punkte nach dem russischen Personalpronomen Ti auf Bedenkzeit, da Omar sich überlegen muss, wie er den Satz richtig fortsetzt (vgl. Burka 2014b: 209f.). Im Text finden sich jedoch auch viele Beispiele dafür, dass fremdsprachige Elemente nicht übersetzt werden und/ oder ihre Bedeutung in der Sprache des Textkontextes nicht erklärt wird. In diesen Fällen kann sprachlich eine gewisse Andersheit zum Ausdruck kommen, wenn die Rezipienten oder die Figuren die fremdsprachigen Einschübe ohne eine Erläuterung der Bedeutung oder ohne Übersetzung nicht verstehen. So kann im Beleg Nr. 5 vom russischen Satz I ogurezi i vodku! ein Alteritätsgefühl ausgelöst werden, was hier daraus resultiert, dass die Bedeutung des Satzes ohne Russischkenntnisse nicht verstanden werden kann, da sie sich nicht aus dem Textkontext erschließt. Hierin kann zugleich auch eine Abgrenzungsfunktion der russischen Sprache gesehen werden. Denn die Adressatin, Omars Mutter, versteht den auf Russisch geäußerten Wunsch nicht und erfüllt ihn demzufolge nicht. Dies lässt sich aus den deutschsprachigen Feststellungen schließen, die dem russischen Aufforderungssatz folgen (siehe auch Burka 2011: 71) und die implizit auf eine Nicht- Zugehörigkeit von Mercedes im Hinblick auf die Art der Kommunikation zwischen ihrem Sohn und Abel hindeuten. (5) „Sie tranken Tee. I ogurezi i vodku! rief Omar, was Mercedes nicht verstand. So blieb dieser Wunsch unerfüllt.“ (AT S. 306) Anhand der Analyse der obigen Ausschnitte lässt sich feststellen, dass die russische Sprache thematisch eine wichtige Rolle im Roman einnimmt. Dabei werden ihre thematischen Funktionen durch die Wirkungen ergänzt, die sich aus dem Verhältnis der russischen Äußerungen und ihrem Kontext ergeben. In Be- Manifestationen der Mehrsprachigkeit in den ausgewählten Texten 88 zug auf dieses Verhältnis kann als eine Wirkung des Aufforderungssatzes im Beleg Nr. 5 die Wiedergabe einer sprachlichen Andersheit festgestellt werden, da sich Omar in diesem Fall in einer Sprache äußert, die seine Mutter nicht beherrscht. Russische Elemente erscheinen des Weiteren im Roman neben der Darstellung des Prozesses des Fremdsprachenlernens als ein wichtiges verbindendes Element zwischen Abel und dem Jungen. Anhand der Art der Integration von Elementen dieser gemeinsamen Sprache entsteht nämlich der Eindruck, dass sich die Beziehung der beiden Figuren durch sie verstärkt, was sich u.a. in den Bemerkungen anderer Figuren über ihr Verhältnis widerspiegelt. 7.2 Elemente anderer Sprachen zur Veranschaulichung von Vermittlungssprachen 7.2.1 Die Suche nach einer Vermittlungssprache ‒ der Einsatz mehrerer Sprachen Fremdsprachige Elemente, die wichtige thematische Rollen erfüllen, kommen in den untersuchten Werken oft in Gesprächen vor, in denen die Gesprächsparteien unterschiedliche Muttersprachen haben. In diesen Situationen erscheinen Elemente der möglichen Vermittlungssprachen in vielen Fällen als fremdsprachige Elemente. In Bezug auf die Darstellung dieser Gespräche kommt es aber auch vor, dass 1) ein Teil des in der Vermittlungssprache geführten Gesprächs oder 2) die Gedanken bzw. die metasprachlichen Äußerungen der Gesprächsparteien auf Deutsch wiedergegeben werden. Dieser zweite Fall wird anhand des Belegs Nr. 6 veranschaulicht, in dem fremdsprachige Elemente (englische, französische, rumänische, italienische und russische Wörter und Sätze) in der Darstellung der Kontaktaufnahme eines Soldaten mit einem Befragten verwendet werden. Der dargestellte Dialog stammt aus der Erzählung STILLE.mich.NACHT, deren Schauplatz ein Grenzgebiet zwischen zwei Staaten vor Weihnachten ist. Es wird erzählt, wie verschiedene Flüchtlinge die Grenze zu passieren versuchen, von denen aber viele von den Grenzsoldaten noch vor der Grenze gefangen werden. Diese Situation wird aus der Perspektive des Ich- Erzählers, eines Grenzsoldaten, dargestellt, der einen Flüchtling befragen soll. Der Dolmetscher wurde nämlich von einem Flüchtling verletzt, deshalb muss der Ich-Erzähler, der mehrere Sprachen spricht, die Befragung durchführen. Der Soldat verwendet in dieser Situation verschiedene Sprachen, weil er die Muttersprache des Befragten - Rumänisch - nicht beherrscht, und demzufolge durch die Verwendung anderer Sprachen mit dem Befragten zu kommunizieren versucht. Elemente und Sätze aus diesen Sprachen werden in den deutschsprachigen Kontext integriert, während Bemerkungen des Soldaten, Veranschaulichung von Vermittlungssprachen 89 seine Gedanken und seine Reflexionen über die verwendeten Sprachen auf Deutsch wiedergegeben werden. Obwohl eine deutsche Übersetzung dieser fremdsprachigen Sätze nicht im Rahmen des geschilderten Dialogs angegeben wird, steht sie als eine Art Verständnishilfe in einem Glossar am Ende des Erzählbandes. Ins Glossar wurde die Übersetzung einiger anderssprachiger Ausdrücke aufgenommen, die zum Verständnis des Textes relevant sein können. 98 (6) „Bonjour, sage ich. Je suis le traducteur. Quel est votre nom? […] Eu nu înţeneg [sic! ], sagt er aus dem Graben. Nu vorbesc decît româneşte. Er schaut mich an, mit geringer, fast desinteressierter Hoffnung: Româneşte? Ich schüttle den Kopf. Les langues sont relatives. Vous devriez me comprendre, si je parle lentement. Vorbesc numai româneşte, sagt der Mann. […] Maybe we could try it in English, then? versuche ich es. Der Mann schüttelt den Kopf. Der Diensthabende ebenfalls. Ich werde rot. Der Diensthabende wendet seinen Blick nicht von mir. Ich wende ihm den Rücken zu. Vous venez de quel endroit, denke ich, während ich scheinbar ins Gesicht des Mannes auf dem Stuhl blicke. Ich denke es auch in Italienisch, und dann, ob ich es wohl schaffen würde, es auf spanisch zu sagen. Schließlich sage ich, und die Stimme zittert mir, weil was, wenn das die einzige Sprache ist, die er kann und ich nicht: Kak was sowut? Er reißt die Augenbrauen hoch, schaut mich auf einmal haßerfüllt an. […] Alors, vous venez de la Roumanie, sage ich zum Mann. Romania, da, sagt er. Ich sage ihm, sein Versuch, illegal die Grenze zu passieren, sei gescheitert, und mache mit den Händen eine schneidende Bewegung. C’est la fin de votre voyage, sage ich. Der Mann schaut mir zu, nur der eine Mundwinkel zuckt ganz kurz, ansonsten bleibt sein Gesicht regungslos. Grabengesicht. C’est fini, sage ich. Finito. Pas de chance. Ich spreche chance auf englisch aus. […] Ich zeige mit dem ausgestreckten Arm hinter mich, zu den Zellen, dann wieder auf ihn, auf seine Brust, seine Identität, pour chacun, sage ich und schreibe mit der Hand einen Kreis. Solo una questione di tempo. Diesen letzten Satz sage ich schon, ohne zu erröten, fest und sicher, verleihe meinem Gesicht ein strenges Aussehen. Je pense que vous me comprenez, sage ich.“ (SM S. 31f.) [Hervorhebungen im Original] Im Hinblick auf die Darstellung werden in diesem Ausschnitt Elemente der Mehrsprachigkeit durch satzinterne und satzexterne Kode-Umschaltungen in den deutschsprachigen Textkontext integriert. Die deutschsprachigen Elemente werden hier an vielen Stellen 1) zur Darstellung der Umstände und der __________ 98 Zu den Überlegungen der Autorin zum Glossar siehe das Interview mit T.M. S. 222. Manifestationen der Mehrsprachigkeit in den ausgewählten Texten 90 Ereignisse während der Interaktion sowie 2) der Reflexionen des Soldaten (des Ich-Erzählers) verwendet. Für den Aufbau der im Beleg inszenierten Interaktion ist charakteristisch, dass die Integration fremdsprachiger Elemente in den Textkontext an vielen Stellen durch deutschsprachige Formulierungen erfolgt, die darauf verweisen, dass die Gesprächspartner diese Elemente verbalisieren oder an sie denken, wie z.B. sage ich, sagt der Mann, sagt er, denke ich, worauf auch ihre typographische Hervorhebung verweist. Dabei tragen Elemente anderer Sprachen zur authentischen Darstellung der geschilderten Situation bei. 99 Sie erscheinen als wichtige Teile der sprachlichen Abbildung der Situation, indem durch sie gezeigt wird, wie sich der Dolmetscher mit dem Flüchtling verständigen will. Neben den in verschiedenen Sprachen formulierten Fragesätzen und Aussagesätzen bilden auch metasprachliche Reflexionen des Soldaten einen wichtigen Beitrag zur Veranschaulichung des Kommunikationsprozesses. Seine metasprachliche Reflexion zeigt sich u.a. nach dem französischen Aussagesatz Pas de chance, als der Ich-Erzähler darüber nachdenkt, dass er das französische Substantiv chance auf Englisch, also als / t  nts/ (US: / t  æntts/ ) ausspricht. 7.2.2 Das Englische als Vermittlungssprache ‒ Darstellung der mündlichen Kommunikation Wie oben gezeigt ist eine wichtige Funktion von Elementen aus anderen Sprachen die Darstellung von Authentizität. Das kann auch bei vielen Äußerungen des Romans „Der einzige Mann auf dem Kontinent“ festgestellt werden, in denen Segmente aus Gesprächen in Form englischsprachiger Ausdrücke dargestellt werden. Diese Dialoge werden entweder zwischen einem deutschen Angestellten und seinem englischen oder amerikanischen Chef geführt oder zwischen ihm und seinen Kunden, zwischen denen in bestimmten Fällen ebenfalls Englisch die Vermittlungssprache ist. Das Englische fungiert in diesen Gesprächssituationen als eine Verhandlungs- und Vermittlungssprache, wie im Beleg Nr. 7 zu sehen ist, in dem ein Teil des Gesprächs zwischen Darius Kopp und seinem englischsprachigen Chef, Bill Bower in Kalifornien, dargestellt wird. Kopp ruft hier Bill nach einem Telefongespräch mit seinem anderen Chef an, in dessen Rahmen sie über ein Geschäft mit einem armenischen Kunden des Unternehmens gesprochen haben. Der armenische Kunde hat nämlich Kopp früher angerufen, weil die Waren, die er bestellt hat, noch nicht angekommen sind. Aus dem mit Anthony, dem Chef in London, geführten Gespräch __________ 99 Siehe auch Burka (2014a: 34). Veranschaulichung von Vermittlungssprachen 91 ergibt sich, dass die Bestellung storniert wurde, da die Armenier einen Teil des Preises nicht bezahlt haben. Demzufolge wird Kopp mitgeteilt, dass er die Ware dem Kunden ohne Bezahlung nicht liefern darf. Er will aber diese Frage auch mit seinem anderen Chef Bill besprechen. Dabei wird der größte Teil des mit ihm geführten Gesprächs auf Deutsch wiedergegeben und nur der Abschluss des Gesprächs, das letzte Substantiv im Plural, wird auf Englisch geschrieben. Dadurch wird auch darauf verwiesen, dass die früher zusammengefassten Inhalte laut der Handlung auf Englisch gesprochen wurden, was sich zugleich als eine wichtige thematische Funktion dieses englischsprachigen Elements zeigt: (7) „[…] Danke, Bill, sagte Kopp, etwas beschämt zwischen Nord-, Süd- und Westwand (wie gut, dass die Videotelefonie noch nicht so verbreitet ist), jetzt habe ich es verstanden, und ich gebe dir recht, ich werde es dem Kunden sehr freundlich beibringen, und noch einmal: Thanks, Bill.“ (DeM S. 29) 100 [Hervorhebung von B.B.] Ähnlich wie in diesem Beleg haben im Beleg Nr. 8 der eingeschobene englische Satz in der Klammer [Satz 2] und die anderen englischen Ausdrücke, bei denen in den Sätzen 4, 7, 8 und 9 der Wechsel auf der Darstellungsebene zwischen dem Deutschen und dem Englischen innerhalb von Sätzen beobachtet werden kann, die Funktion, auf die im Gespräch verwendete Sprache zwischen dem deutschen Angestellten und seinem englischsprachigen Chef Anthony Mills zu verweisen: (8) „[1] (Drohst du mir, du Wichser? ) [2] (Anthony, please, don’t talk to me like this.) [3] (Dir werd ich’s zeigen! ) [4] Oh, I am sorry, sagte Kopp mit Zerknirschung in der Stimme. [5] I did not want to hurt you. [6] You did not hurt me. [7] Kopp war abermals sorry, falls das das falsche Wort gewesen sein sollte. [8] Du weißt, Englisch is not my mother tongue. [9] Ich meinte möglicherweise harm you. [10] Nein, das war auch falsch. [11] Ich kann dir gar nicht schaden. [12] Du weißt, was ich meine: Ich drücke ein drittes Mal mein Bedauern aus. [13] Ich verspreche, von nun an, brav zu sein. [14] But please, Anthony, never ever talk to me like this.“ (DeM S. 30) [Hervorhebungen im Original] Während im Satz [4] die englischen Elemente (subject, verb, subject complement) das Gesagte veranschaulichen, erfüllt hier die deutsche Sprache auch eine wichtige Funktion, indem die Umstände des Gesprächs im Text auf Deutsch erscheinen. Im Satz [7] erscheint ferner als Teil der Kommunikation __________ 100 DeM wird in der Arbeit als Abkürzung für den Titel des Romans „Der einzige Mann auf dem Kontinent“ verwendet. Siehe „Abkürzungsverzeichnis“ S. 193. Manifestationen der Mehrsprachigkeit in den ausgewählten Texten 92 eine Transferenz, indem das englische Adjektiv sorry, das auch in der deutschsprachigen Kommunikation oft verwendet wird, in einem deutschen Satz vorkommt. Durch dieses Element in der gegebenen Situation wird hier zugleich ausgedrückt, dass Kopp auf der Handlungsebene das Englische als Vermittlungssprache verwendet. Durch die Darstellung dieser Situation im Hinblick auf die englischen Elemente und die deutschen metasprachlichen Bemerkungen wird ferner seine Unsicherheit bezüglich seiner englischen Sprachkenntnisse veranschaulicht. Diese Unsicherheit spiegelt sich m.E. sprachlich im obigen Ausschnitt in der Verwendung des transitiven Verbs hurt und in Kopps darauffolgenden sprachlichen Reflexionen auf Deutsch. Der Sprecher denkt nämlich nach Anthonys Reaktion (You did not hurt me), dass er mit der Verwendung des englischen transitiven Verbs hurt einen Fehler begangen hat, da es auch „verletzen“ im physischen Sinne bedeuten kann. Aus diesem Grund benutzt er beim zweiten Mal ein anderes transitives Verb harm. (vgl. Burka 2014b: 211) Dieser Selbstkorrektur geht im Satz [8] sogar eine Erklärung voraus, in der das deutsche Personalpronomen (2. Person, Singular), das finite Verb weißt (2. Person, Singular) und das Substantiv Englisch über eine andere spezifische Funktion verfügen: Sie können als Einleitung des auf Englisch Gesagten aufgefasst werden, d.h. als sprachliche Mittel zur Vorbereitung des Satzinhaltes, indem statt des englischen Ausdrucks You know, mit dem englische Sätze eingeleitet werden können, dessen deutsche Entsprechung verwendet wird: Du weißt, Englisch is not my mother tongue. Hier spiegelt die englische Fortsetzung Segmente des auf Englisch geführten Dialogs wider. In diesem Sinne zeigt die Analyse, dass in der Satzstruktur zwei Sprachen auf der Darstellungsebene erscheinen, was hier als eine syntaktisch relevante Erscheinungsform der Mehrsprachigkeit aufgefasst wird. Englische Elemente erscheinen im Weiteren als Teile von in Klammern angegebenen Sätzen, die sich als ein Beitrag zur Dynamik des dargestellten Dialogs feststellen lassen. Sie veranschaulichen dabei die Gedanken des Protagonisten während des Telefongesprächs. Dadurch kommen drei Stimmen in demselben Dialog vor, nämlich neben Anthonys und Kopps Äußerungen auch Kopps Gedanken. Durch letztere wird den Lesern zugänglich gemacht, was Kopp am liebsten sagen würde. Im Falle des Substantivs Wichser und des expressiven Ausrufesatzes Dir werd ich’s zeigen! erscheinen „emotional-wertende Einstellungen“ (Ludwig 2009: 1585) der Figur gegenüber seinem Gesprächspartner. Die anderen Sätze des Belegs werden entweder auf Englisch, d.h. in der Sprache des Gesprächs zwischen den Figuren, oder auf Deutsch, d.h. in der Sprache des Textkontextes, angegeben. Durch die englischsprachigen Elemente, die im Rahmen der Redebzw. Gedankenwiedergabe des Protagonisten und seines Chefs auftreten, wird dabei stilistisch gesehen zugleich eine Unmittelbarkeit des Gesagten erreicht, indem sie Gedanken bzw. Beiträge von Figuren Veranschaulichung von Vermittlungssprachen 93 veranschaulichen (vgl. Fix/ Poethe/ Yos 2001: 66). Im Hinblick auf Kopps Redebeiträge und Gedanken zeigt die Analyse ferner, dass durch die − in Bezug auf die Situation − nicht adäquate Verwendung des englischen Verbs hurt und durch Kopps sprachliche Reflexionen bezüglich seiner Fehler seine Figur charakterisiert wird. Daraus wird auch für den Leser ersichtlich, dass die Figur bestimmte Schwierigkeiten mit dem Englischen hat. Hier tragen seine Reaktionen auf diese Schwierigkeiten zur Veranschaulichung seiner Situation im Hinblick auf den Gebrauch des Englischen bei. Deutschsprachige Elemente erfüllen eine sog. „narrative“ Rolle auch in den Sätzen [1], [2], [4], [6] [13], [14], [16], [18], [19], [20], [22], [25], [27], [31], [37], [39], [40], [44], [47], [51], [52], [53], [54], [55], [56], [57] und [79] des Belegs Nr. 9, da durch die auf Deutsch wiedergegebenen Informationen die Umstände des Dialogs und die Gedanken des Sprechers dargestellt werden und Teile des verbalen Dialogs durch deutschsprachige Aussagen miteinander verknüpft werden. Obwohl das folgende Telefongespräch zwischen Kopp und seinem Chef Bill laut dem Kontext eigentlich auf Englisch stattfindet, werden als Teile der verbalen Kommunikation auch deutsche Elemente neben den englischen verwendet: 101 Dabei kommt es in den Sätzen [17], [21], [23], [24], [29], [33], [34], [40], [41], [43], [65], [67], [77], [78] und [83] jeweils zu einer satzinternen Kode-Umschaltung. Der Wechsel zwischen den zwei Sprachen in der Darstellung des Gesprächs findet ferner auch durch eine satzexterne Kode-Umschaltung zwischen den Sätzen [5] und [6], [6] und [8], [11] und [12], [25] und [26], [26] und [27], [35] und [36], [36] und [37], [41] und [42], [42] und [43], [81] und [82] sowie [82] und [83] statt. Als englischsprachige Elemente erscheinen auch die Eigennamen [8] Därjäss und [9] Börlän. Hier werden im ersten Fall der Vorname des Gesprächspartners Darius und im zweiten der Name der Stadt, in der Darius arbeitet, Berlin in einer Form angegeben, die die englische Aussprache eines Nicht-Muttersprachlers im Text versinnbildlicht. Diese Form hat also die Funktion, die Realisierung der Eigennamen durch den Protagonisten zu veranschaulichen, indem sie als Teile der Figurenrede erscheinen. Im Dialog sind neben englischen und deutschen Elementen ferner Ausdrücke zu finden, in denen der Kontakt der zwei Sprachen explizit zum Ausdruck kommt. Diese Kontakterscheinung lässt sich z.B. bei dem Mischkompositum [33] After-Lunch-Müdigkeit beobachten, bei dem die ersten zwei Elemente englisch und das dritte deutsch sind. Im dargestellten Gespräch kommen neben diesen Konstruktionen auch solche englischen Ausdrücke vor, die auch in der deutschsprachigen Kommunikation immer häufiger verwendet werden, wie z.B. das Substantiv Headset [1] oder cash (im Deutschen Cash) [29]. Dabei können im Hinblick auf die Integra- __________ 101 Vgl. Burka (2014a: 39). Manifestationen der Mehrsprachigkeit in den ausgewählten Texten 94 tion englischer Elemente in den deutschen Text auch morphologisch relevante Merkmale der Mehrsprachigkeit zur Geltung kommen. Dies kann z.B. im Falle der Attribuierung des englischen Substantivs case [78] festgestellt werden. Hier bekommt das Attribut alt die Flexionsendung -er und wird also vor einem von Kopp verwendeten englischen Substantiv dekliniert: (9) „[1] Yes? , sagte Bill, sich mit dem Auto dem Stau annähernd, über das Headset mit seinem Handy telefonierend. [2] Oh, sagte Darius Kopp. [3] Oh, Bill… [4] Yes, sagte Bill. [5] To whom am I talking? [6] Bill! schrie Kopp. [7] Ich bin es! [8] Därjäss! [9] From Börlän! [10] How is it going? [11] How’s the weather in the bay area? [12] Das Wetter? [13] Bill hingegen, als wäre er im Halbschlaf. [14] In der Leitung rauschte es. [15] Das Wetter ist gut. [16] Wie ist es in… (als ob eine kurze Pause, Nachdenken) Berlin? [17] Gut, gut, hervorragend, actually haben wir eine heat wave, seit 8 Wochen by now! [18] Warum, um Gottes willen, bist du jetzt euphorisch? [19] Denn er war euphorisch. [20] In dem Moment, als er Bills Stimme hörte, schaltete Darius Kopp von 0 auf 1, aus einem Zustand der verwirrten Ohnmacht und der müden Wut in einen der Lebendigkeit, Fokussiertheit und Optimismus, er zwitscherte förmlich (so wie ein Mann eben zwitschern kann): [21] Das Wetter, so und so, actually hervorragend, wirklich nicht schlecht, thanks(! ) the global warming, hähähä … ([22] Hör auf, so albern zu sein, erinnere dich, weswegen du überhaupt anrufen wolltest, und dann sag das.) [23] Aber, aber weswegen ich dich anrufe, Bill, da gibt es einiges, also, first of all, a funny thing did happen, the Armenians … [24] Erinnerst du dich an die Armenier, das Armenien-Business? [25] Ja, sagte Bill. [26] Of course. [27] Auch dass Bill sich selbstverständlich erinnerte, entzündete hinter Kopps Augen kleine Feuerwerke, aber ab nun versuchte er zwar heiter, aber professionell zu sprechen. [28] Ja, stell dir vor, die haben jetzt gezahlt. [29] Und zwar cash. [30] Ich habe jetzt 40 000 in bar im Büro zu liegen, stell dir vor. [31] Bill gähnte. [32] Verzeihung. [33] After-Lunch-Müdigkeit. [34] Ah, du hattest gerade Lunch. [35] Ja. [36] With … people. [37] Kopp lachte verständnisvoll. [38] Das kenn’ ich! … [39] (Kleine Pause.) [40] Fine, sagte Bill. [41] Das ist fein. [42] Cash. [43] Nicht ganz üblich, aber fein. [44] Ja, sagte Kopp. [45] Aber da ist was anderes. [46] Es ist so… [47] Er klärte Bill über die wichtigsten Eckpunkte des Geldwäschegesetzes auf. [48] Verstehe, sagte Bill. [49] Verstehe. [50] Warte mal… Veranschaulichung von Vermittlungssprachen 95 [51] Eine längere Pause am Ufer des Pazifiks. [52] Rauschen. [53] Das ist nicht der Pazifik, sondern das Auto. [54] Oder die Entfernung als solche. [55] Darius horchte hinein. [56] Früher konnte man im Telefon alles Mögliche hören. [57] Identifizierbare Geräusche. Heute nur: Ssssssssssssch… [58] Ja, pass auf, sagte Bill, also, ich denke, ich denke, du besprichst das am besten direkt mit der Buchhaltung hier. [59] Sollen die sich was ausdenken. [60] OK, Bill. [61] Danke, Bill. … [62] Kann ich noch etwas für dich tun, Darius? [63] Ja, also, weswegen ich eigentlich anrufe. [64] Es ist so: Ich konnte Anthony in den letzten Tagen nicht erreichen. [65] Habe es mehrfach versucht, vergebens, ich habe zur Zeit unglücklicherweise keine connectivity mit dem Büro London. [66] Ich habe da zwei, drei Sachen an der Hand. [67] Eine, möglicherweise zwei große Unis hier vor Ort und ein OEM-Business in Budapest, und die Leute sind ein wenig nachdenklich, um nicht zu sagen, besorgt, sie wollen wissen, wie es aktuell mit unseren Lieferzeiten aussieht, our period of delivery. Ich habe gesagt: 8 Wochen spätestens. [69] Darüber konnte ich nicht gehen. [70] Jetzt frage ich dich: können wir das halten? [71] Ja, sagte Bill. [72] 8 bis 10 Wochen. [73] Das können wir halten. [74] Gut, das ist gut. … [75] Und dann wollte ich noch was fragen, Bill. [76] Mich hat heute eine Journalistin (! ? ! ? ) angerufen und hat etwas über die »neuesten Entwicklungen bei Fidelis« wissen wollen. [77] Mir ist es - (Nach etwas Hin und Her, nicht wahr, Anthony? ) - erlaubt worden, mit der Presse in DACH zu sprechen und nun frage ich mich, ich frage mich, ob das etwas mit, you know, den Gerüchten um einen Merger mit Opaco zu tun hat. […] [78] Kopp hatte auch dafür Verständnis, aber eine Sache noch, Bill, da wir schon mal reden, und du bist doch im Auto, ist eigentlich Stau oder läuft’s einigermaßen, also, ich wollte was in eigener Sache, ein alter case: Wegen meines Büros. […] [79] Ja, sagte Bill. [80] Verdammt. [81] Ist das vielleicht peinlich. [82] I am sorry, Darius, I really am. […] [83] Ja, Bill, Danke Bill, … nein, … das macht doch nichts, … Hauptsache, … ja, … Danke, … Danke, dir auch … einen schönen Tag, Feierabend … ach, du fährst noch zurück ins Büro, ja dann … see you, Bill.“ (DeM S. 322-326) [Hervorhebungen im Original] Ähnlich wie im vorangehenden Ausschnitt, erscheinen im nächsten Beleg englische Elemente im deutschsprachigen Kontext in der Darstellung eines Telefongesprächs. Hier versucht Kopp wegen einer offiziellen Angelegenheit seinen Chef oder seine Sekretärin in London zu erreichen, jedoch gelingt es ihm aus verschiedenen Gründen mehrmals nicht. Es scheint ihm so, als ob niemand im Londoner Büro des Unternehmens wäre, da niemand den Hörer abnimmt. An Manifestationen der Mehrsprachigkeit in den ausgewählten Texten 96 der im Folgenden zitierten Stelle nimmt endlich jemand den Hörer ab, dessen Stimme Kopp zuerst aber nicht erkennt. Während des Verlaufs des Dialogs stellt sich heraus, dass die Person im Londoner Büro Carl, ein Bekannter von Kopp ist. Entsprechend der darzustellenden Kommunikationssituation werden die verbalisierten Informationen am Anfang des Dialogs noch auf Englisch wiedergegeben, was sich auch anhand der Begrüßung und der darauf gegebenen Antwort zeigen lässt. Später erscheinen hier jedoch deutschsprachige Elemente, durch die zum einen die Reaktion des deutschen Gesprächspartners auf die englische Begrüßung wiedergegeben wird. Zum anderen erscheint die Frage „Sondern wer? “, die Kopp sich selbst stellt, auf Deutsch. Diese deutschen Sätze bilden aber keinen Teil der verbalen Kommunikation, sondern stehen im Satz [2] für die Darstellung der früheren Erwartung des Protagonisten und im Satz [5] für eine nicht verbalisierte Frage, die der Protagonist sich selbst stellt: (10) „[1] Hellou? [2] Oh, sagte Kopp, der auf eine Frauenstimme (Stephanie) vorbereitet war. [3] Oh, Anthony … [4] No, it’s not Anthony. [5] Sondern wer? “ (DeM S. 235f.) Doch werden in der Fortsetzung dieses Dialogs ‒ im Gegensatz zur Einleitung des Gesprächs ‒ nicht bloß die Umstände, unter denen ich die Gedanken des Gesprächspartners und die Darstellung seiner Reaktionen verstehe, auf Deutsch wiedergegeben, sondern auch einige Teile der verbalen Kommunikation. Ein Wechsel zwischen ihnen erfolgt im folgenden Beleg in den Sätzen [6], [8], [9], [17] und [20] satzintern, indem englische und deutsche Wörter innerhalb dieser Sätze abwechselnd zur Anwendung kommen: (11) „[1] Ca…rl! rief Kopp freudig überrascht. [2] Wie geht es dir? ([3] Seine Stimme ist höher geworden. [4] Deswegen habe ich ihn nicht gleich erkannt. [5] Kommt das von der Behandlung? ) [6] Calimero-Carl sagte, ihm ginge es fine, danke. [7] Was…ähm…was machte er im Büro? […] [8] Ah, ja, that’s fine, ähm, ist es bei euch auch so heiß? […] [9] Aber weswegen ich anrufe: Is he there? [10] Who is he? [11] Anthony. [12] Ich müsste mit Anthony sprechen. [13] Nein, es ist keiner da. [14] Stephanie? [15] Nein. [16] Sandra maybe? […] Veranschaulichung von Vermittlungssprachen 97 [17] Ähm, sagte Kopp, was machen die Pubs near the tube? [18] Calimero-Carl besuchte sie immer noch. [19] Indeed. [20] Er hatte neulich einen neuen Laden in Clapham North getestet. [21] The Bierodrome.“ (DeM S. 237f.) [Hervorhebungen im Original] Dabei erscheinen als englischsprachige Elemente im Satz [6] das Adverb fine, in [8] der Ausdruck that’s fine, in [9] die Frage Is he there? . In dieser Frage und in der darauf gegebenen Rückfrage (Who is he? ) wird das Personalpronomen he typographisch (durch Kursivdruck) hervorgehoben, was in diesem Fall auf eine „Zusatzinformation“ hindeuten kann: 102 Im ersten Fall kann die kursive Hervorhebung darauf verweisen, dass Kopp das Personalpronomen betont. Der Leser kann in diesem Fall 1) aus der typographischen Markierung und 2) aus den kontextuellen Informationen darauf schließen, dass mit he Kopps Chef im Londoner Büro, Anthony, gemeint ist. Die kursive Hervorhebung in der Rückfrage „Who is he? “ kann ebenso die Betonung markieren, obwohl Kopps Gesprächspartner noch nicht weiß, wen Kopp mit dem Personalpronomen he gemeint hat. Aus diesem Grund erwähnt der Protagonist in seiner Antwort auch den Namen seines Chefs. Unter den englischen Wörtern ist im Satz [17] auch ein kulturspezifisches Element zu finden: Das Substantiv tube [tju: b], das hier ein Teil des Namens einer Webseite ist, bezeichnet nämlich zugleich die Londoner U-Bahn. Die englischen Elemente im Satz [20] sind weiterhin sowohl unter thematischen als auch unter sprachlichen Gesichtspunkten unerlässlich, da sie Eigennamen sind, was ihre Integration in den deutschsprachigen Text in der originalen Sprache begründet. Neben den oben gezeigten satzinternen Kode- Umschaltungen lassen sich auch satzexterne als wichtige Komponenten der Darstellung von sprachlicher Interaktion in der geschilderten Situation auffassen, da im Falle der Sätze [16], [19] und [21] auf der Ebene der Gesprächsdarstellung aus dem Deutschen ins Englische umgeschaltet wird. __________ 102 Stilistisch können nämlich „[m]it typographischen Mitteln wie der Hervorhebung von Bestandteilen durch verschiedene Schrifttypen […] oder der Wahl einer bestimmten Schriftart […] verschiedene Informationen zugleich bzw. Zusatzinformationen vermittelt werden“ (Fix/ Poethe/ Yos 2001: 194), auf die anhand des Inhalts des Textkontextes geschlossen werden kann. Manifestationen der Mehrsprachigkeit in den ausgewählten Texten 98 7.2.3 Das Englische in imaginären Gesprächen Englische Elemente werden außerdem zur Darstellung von Gesprächen verwendet, die sich die Hauptfigur vorstellt, wie es im Beleg Nr. 12 auch der Fall ist, in dem Kopp erneut das englische Büro des Unternehmens anruft und bevor jemand den Hörer abnimmt, plant, was er auf Englisch sagen möchte: (12) „In London klingelte es, Kopp memorisierte: Hellou, nicht Godday, Stephanie, how is it going, hallo, Anthony, how is it going, I got some interesting news, the Armenians have/ had brought(? ) the money … the Armeniens did actually pay …“ (DeM S. 157) [Hervorhebung im Original] In der hier dargestellten Planung des Telefongesprächs liegt auch eine satzinterne Kode-Umschaltung vor, wenn unter den englischen Elementen das deutsche Negationswort nicht verwendet wird. Dieses deutsche Element fungiert im Beleg als ein Teil der Metasprache, indem der Sprecher in seiner Muttersprache (auf Deutsch) hervorhebt, dass er statt der Begrüßung Godday die englische Begrüßung Hellou verwendet, wobei die englische Begrüßung lautsprachlich wiedergegeben wird. Hier fungiert die Wiedergabe der Aussprache der Begrüßungsformel hello als hellou / hel'  / phonostilistisch dazu, die Aussprache des Sprechers zu veranschaulichen. Dadurch wird, wie es auch im Beleg Nr. 8 festgestellt werden konnte, eine Art Unmittelbarkeit des Dargestellten (vgl. Fix/ Poethe/ Yos 2001: 66) erreicht. In diesem englischen Textteil können darüber hinaus weitere Zeichen von Kopps Unsicherheit im Englischen beobachtet werden. Diese Unsicherheit bezieht sich hier auf die Grammatik, da sich der Sprecher nicht entscheiden kann, ob nach dem Subjekt the Armeniens das Prädikat in „Present Perfect“ (have brought) oder in „Past Perfect“ (had brought) angegeben werden muss. Neben dem Schrägstrich zwischen zwei Formen des englischen Verbs have (primary auxiliary) wird Kopps Unsicherheit auch durch das Fragezeichen veranschaulicht, das nach dem Ausdruck in Klammern steht (vgl. Burka 2014a: 40). Die Analyse der Verwendung dieser Wortformen und Schriftzeichen im Hinblick auf den Inhalt des Kontextes zeigt, dass die Unsicherheit des Sprechers hier auch auf der grammatischen Ebene des Textes veranschaulicht wird. In Folge dieser Unsicherheit formuliert er seine Äußerung lieber um, worauf m.E. auf der typographischen Ebene die kursive Hervorhebung der Verbform did hindeutet. 103 Hierin ähnlich werden im Beleg Nr. 13 englischsprachige Elemente zur Schilderung eines in der Vermittlungssprache geführten imaginären Telefonge- __________ 103 Die Hervorhebung kann in diesem Kontext eine Betonung seitens des Sprechers ausdrücken. Veranschaulichung von Vermittlungssprachen 99 sprächs verwendet. Der Satz, mit dem das Gespräch eingeleitet wird, wird dabei auf Deutsch formuliert. Die Adverbien indeed und always bzw. das Personalpronomen in der dritten Person Singular he werden kursiv hervorgehoben, was auf die Betonung dieser Elemente im Gesprächsverlauf graphisch verweisen kann, wobei sich das Personalpronomen ebenso wie im Beleg Nr. 11 auf den Chef Anthony Mills bezieht: (13) „Stolz, selbstsicher, energiegeladen, optimistisch war Darius Kopp, als er das zweite Mal in London anrief. (How do you do, Stephanie? How ist the weather in London? I am in a good mood, indeed. I am always in a good mood. Is he there? How is it going, Anthony? )“ (DeM S. 229) [Hervorhebungen im Original] Die hier beobachtbare Methode, dass deutschsprachige Elemente für die Bekanntmachung des Kontextes, wie der Umstände bzw. Bedingungen eines Dialogs oder eines Monologs angewandt werden, während Teile des imaginären Gesprächs im Text auf Englisch wiedergegeben werden, wird auch im Beleg Nr. 14 verwendet. Hier wird die Vorgeschichte eines Gesprächs mit einem Englischsprachigen per Telefon auf Deutsch Es klingelte 5x eingeleitet. In diesen Fällen ist die Integration der englischen Gesprächsteile in den deutschsprachigen Kontext eine wichtige Funktion der deutschsprachigen einleitenden Sätze. Bei der Darstellung von Telefongesprächen findet man im Weiteren auch Elemente, die für Gesprächsanfänge zwischen englischsprachigen Kommunikationspartnern als charakteristisch angesehen werden können. Als Elemente des „Smalltalks“ betrachte ich in den geschilderten Gesprächen die Erkundigung nach dem Befinden des Gesprächspartners (How is it going oder How do you do) oder nach dem Wetter (How is the weather in …), die im Werk in diesen Kommunikationskontexten mehrmals verwendet werden und laut der Analyse pragmatische Aspekte der englischsprachigen Kommunikation in die dargestellte Situation miteinbeziehen. (14) „Er überwand die Bereitschaft, gleich wieder ins Internet zu gehen. Er rief sofort an. Die Nummer ist: +1 ‒ 307 ‒ 272 ‒ 6500. Es klingelte 5x, how is it going, Kathryn, Bill, is it allright, es klingelte 2x intern, how is the weather in sunny Sunny … ein Knacken, rasches Tuten, die Verbindung war weg.“ (DeM S. 319) Sie stehen hier für die Veranschaulichung von Kopps Gedanken, durch deren Darstellung der Leser zugleich Einblick in die Planung von Gesprächsinhalten seitens der Figur gewinnen kann. Die Ermöglichung dieses Einblicks ist von großer Relevanz, weil durch die Inszenierung des Planungsprozesses auf Englisch sowohl auf der sprachlichen als auch auf der thematischen Ebene ver- Manifestationen der Mehrsprachigkeit in den ausgewählten Texten 100 deutlicht wird, welche große Rolle diese Sprache in Bezug auf Kopps beruflichen Kontext erfüllt. Einerseits braucht er diese Sprache für die Kommunikation mit seinen Chefs. Andererseits steht das Englische auch für die Veranschaulichung seiner beruflichen Position. Diese gewichtige Rolle des Englischen bezüglich seines Berufs kommt neben den oben angeführten Kommunikationssituationen darin zum Ausdruck, dass er seine Position auch vor seiner Frau auf Englisch angibt: „Ab heute bin ich der einzige Mann auf dem Kontinent, Flora. Sales and regional sales manager Darius Kopp in the D/ A/ CH region and Eastern Europe, in Diensten von Fidelis Wireless, the global pioneer in developing and supplying scalable broadband wireless networking systems for enterprises, governments and service providers. TURN TO US.“ (DeM S. 23) Im Roman werden, wie anhand der vorausgehenden Ausschnitte gezeigt wurde, englische Elemente durch satzinterne und satzexterne Kode-Umschaltungen u.a. mit dem Ziel verwendet, bestimmte Wörter und Sätze englischsprachiger Figuren wiederzugeben. Dies geschieht in den meisten Fällen bei der Darstellung von Gesprächen mit englischsprachigen Personen (vgl. Beleg Nr. 9). Im Zusammenhang mit der Figurenrede liegen ferner englische Ausdrücke im deutschsprachigen Textkontext vor, wenn sich der Protagonist an Wörter seiner englischsprachigen Chefs erinnert oder sich vorstellt, welche Bemerkungen sie in einigen Situationen hätten. In diesen Fällen betrachte ich sie bezüglich ihrer inhaltlichen Rolle ebenso als Elemente, die die Verhandlungssprache veranschaulichen und somit der authentischen Schilderung der beruflichen Kontexte der Hauptfigur dienen. Im Beleg Nr. 15 fungieren entsprechend z.B. das Personalpronomen I, das Verb understand und das Verb relax. Dass diese englischen Elemente Teile imaginärer Aussagen bilden, kann der Leser aus dem deutschsprachigen Textkontext erfahren: Hier verweist die Umschreibung des Konjunktiv II des Verbs sagen mit würde+Infinitiv darauf, dass die englischen Elemente von Bill nicht realisiert werden, sondern in der geschilderten Situation das vertreten, wie er sich zu den früher Gesagten äußern würde, wobei der Inhalt der Aussage I understand im Text auch auf Deutsch wiedergegeben und ergänzt wird. 104 (15) „([…] Die sollen die Macht haben? Über mich? ), von höheren Funktionen wird erwartet, dass sie da sind, wenn schlaflose Kunden um 8 Uhr morgens anrufen, und dass sie da sind, wenn die Amis dort drüben gegen 20 Uhr my time das erste Mal an einen denken könnten - ach, was rede (denke) ich da! (I __________ 104 Zu diesem Beleg siehe auch Burka (2014a: 41). Veranschaulichung von Vermittlungssprachen 101 understand, würde der freundliche Bill sagen. Ich verstehe dich gut, aber: relax.“ (DeM S. 31) [Hervorhebungen im Original] Hinsichtlich der typographischen Darstellung englischsprachiger Dialogteile oder imaginärer Gespräche kann in Kopps Geschichte jedoch festgestellt werden, dass sich ein großer Teil englischer Elemente von den deutschsprachigen Elementen typographisch nicht unterscheidet. Unter den fremdsprachigen Elementen in Gesprächsdarstellungen werden u.a. diejenigen durch eine typographische Markierung hervorgehoben, die entweder aus inhaltlichen Gründen sehr wichtig sind oder die von den Gesprächspartnern betont oder lauter ausgesprochen werden, indem ihre Hervorhebung auf die Art der Realisierung dieser Elemente in der Figurenrede verweist. In diesen Fällen werden entweder fett gedruckte (vgl. Beleg Nr. 9) oder kursiv gedruckte Buchstaben (vgl. z.B. Beleg Nr. 13) verwendet. Durch diese Technik werden ebenso an einigen Stellen Kopps Schwierigkeiten mit dem Englischen stilistisch verdeutlicht. 7.2.4 Das Englische als Vermittlungssprache ‒ Darstellung der schriftlichen Kommunikation Englische Elemente finden im beruflichen Kontext neben den offiziellen Gesprächen auch in Kopps E-Mails Eingang, für deren Darstellung - wie für die Darstellung der Dialoge - der Gebrauch zweier Sprachen, des Deutschen und des Englischen, charakteristisch ist. Englische Einsprengsel werden in diesen Kontexten aus inhaltlichen Gründen bewusst verwendet, durch die die Rezipienten des Textes auch sprachlich daran erinnert werden, in welcher Sprache die E-Mails zwischen dem Protagonisten und seinen Kunden oder englischsprachigen Chefs formuliert sind. 105 Demzufolge erfüllen sie hinsichtlich der Veranschaulichung einer Vermittlungssprache wichtige inhaltliche Funktionen. Als deren Träger treten im Beleg Nr. 16 folgende englische Einsprengsel auf: Die Anredeform Mr. (auf Englisch prefix); die Anrede Dear Anthony, nach der die Bekanntmachung der Inhalte auf Deutsch weitergeht; der Aussagesatz The Armenians did actually pay; die englische Ellipse Cash, die als ein Beispiel für die satzexterne Kode-Umschaltung gilt; der englische Satzanfang There are of course possibilities, dem eine satzinterne Kode-Umschaltung folgt und der Abschluss: __________ 105 Zu Verweisformen auf die Sprache der Kommunikation siehe die Untersuchungen im Unterkapitel 3.5.3. Manifestationen der Mehrsprachigkeit in den ausgewählten Texten 102 (16) „[1] Mr. Kopp berichtet an Mr. Mills. [2] Dear Anthony (cc. Sandra, cc. Bill), hiermit berichte ich über die neuesten Entwicklungen: The Amenians did actually pay. [3] Nicht alles, aber. [4] Cash. [5] Leider gibt es bürokratische Komplikationen. [6] Ich würde gerne die Verantwortung etwas streuen … [7] Nein, und außerdem kannst du das auf Englisch gar nicht ausdrücken. … [8] There are of course possibilities, über diese sollte man reden, ich würde in diesem Fall nicht gerne alleine entscheiden bzw. kann es gar nicht. [9] Schlage vor, die Buchhaltung in The Staates um Rat zu fragen. [10] With kind regards, Darius. (DeM S. 271) Weitere Beispiele für satzinterne und satzexterne Kode-Umschaltungen in E- Mails erscheinen im Beleg Nr. 17. Hier schreibt Kopp der Sekretärin Stephanie eine E-Mail, da es ihn stört, dass er bestimmte geschäftliche Fragen mit dem englischen Büro nicht besprechen kann, das seit einigen Tagen nicht erreichbar ist. Die erste Art der Kode-Umschaltung in der Wiedergabe seiner englischsprachigen E-Mail kann im Satz [2] beobachtet werden, in dem nach der englischen Anrede sofort ins Deutsche gewechselt wird. Der Wechsel zwischen dem Englischen und dem Deutschen ist auch zwischen den Sätzen [3] und [4] bzw. [6] und [7] feststellbar, die zum einen die in der E-Mail beschriebenen Inhalte, zum anderen weitere, außertextuelle Informationen enthalten: (17) „[1] E-Mail-Programm wieder auf, einen Zweizeiler verfasst: [2] Dear Stephanie, ich erreiche euch nicht. [3] Is there anything wrong with the phone? [4] Bitte um Rückruf oder Mail. [5] Er vergaß, die Mail zu unterschreiben, schickte eine zweite hinterher, in der er sich dafür entschuldigte. [6] Und dann noch eine, in der er fragte, ob man die Mail von gestern erhalten habe. [7] With kind regards, Darius“ (DeM S. 230) Dass die Inhalte bzw. Teile von E-Mails, die laut der Handlung auf Englisch verfasst wurden, im deutschen Text nicht unbedingt auf Englisch erscheinen, ist auch im nächsten Beleg ersichtlich, in dem die englische Adverbialbestimmung in simple english diese Sprache explizit bezeichnet. Die in der E-Mail beschriebenen Informationen werden außer dem Ausdruck Armenien-case (compound noun) hingegen auf Deutsch wiedergegeben: (18) „Zurück im Büro rief er nicht noch einmal an, sondern verfasste zwei E-Mails. Eine an Sandra mit cc Anthony: Bitte, mit den besten Grüßen, in simple english, um Information bzgl. Aktueller Lieferzeiten sowie Kontostand. Und eine zweite nur an Anthony: Bitte um Rückruf, wichtige Neuigkeiten im Armenien-case.“ (DeM S. 186f.) Veranschaulichung von Vermittlungssprachen 103 7.2.5 Das Deutsche als Vermittlungssprache in der Darstellung der schriftlichen Kommunikation Wie den obigen Ausschnitten zu entnehmen ist, enthält der Roman sowohl sprachliche als auch metasprachliche Hinweise darauf, dass Darius Kopp das Englische als eine Fremdsprache im Arbeitskontext verwenden muss. Die Verwendung einer anderen Sprache von Nicht-Muttersprachlern wird jedoch nicht nur in seinem Fall, sondern auch in einer deutschsprachigen E-Mail einer anderen Figur im Beleg Nr. 19 angedeutet, in der sich einige Abweichungen wahrscheinlich aus den von seinem Computer angebotenen Möglichkeiten ergeben. (19) „[1] Sehr geehrte Herr Kopp, ich bedauere sehr nicht mehr mit Ihnen unser Geschaeft mit Fidelis weiter fuehren zu koennen. [2] Wir haben unser Project in verschiedenen Banken vorgestellt leider wurden uns keine weiteren Kredite genaemigt [3] Ich will nicht ueber die Details sprechen aber die Brueder Bedrossian sind leider auch mir ein Teil meiner operativen Kosten schuldig geblieben. [4] Bitte finden Sie anbei Ihren Anteil den mir gelungen ist für Sie zu bekommen. [5] Leider geht es mir gesundheitlich nicht gut im Moment ich werde mich eine Weile zurueck ziehen. [6] Ich hoffe in der Zukunft auf weitere gute Zusammenarbeit und verbleibe mfg Sasha Michaelides“ (DeM S. 45) [Hervorhebungen von B.B.] Hier verweisen z.B. grammatische Fehler, Fehler in der Rechtschreibung und der Interpunktion darauf, dass der Text von der Figur vermutlich am Computer schnell geschrieben wurde: - Fehler bei der Adjektivdeklination im Satz [1], in dem das Adjektiv mit dem Substantiv im Genus nicht übereinstimmt, - Fehlen des Kommas (vor Konjunktionen und Relativpronomen bzw. zwischen zwei koordinierend verbundenen Hauptsätzen): [3] Ich will nicht ueber die Details sprechen [,] aber […] [4] Bitte [,] finden Sie anbei Ihren Anteil [,] den mir gelungen ist [,] für Sie zu bekommen. [5] Leider geht es mir gesundheitlich nicht gut im Moment [,] ich werde mich eine Weile zurueck ziehen. - Fehler in der Schreibung des Wortes „genehmigt“ im Satz [2]. - Dass Kopp die hier angegebenen Zeilen als einen gedruckten Brief liest, markieren nicht nur die Thematik des Textkontextes, sondern auch die typographische Hervorhebung der gelesenen Zeilen durch die Verwendung Manifestationen der Mehrsprachigkeit in den ausgewählten Texten 104 eines anderen Buchstabentyps bzw. die Abbildung der Umlaute und der Akzente mit den Buchstabenkombinationen „ae“, „ue“, „oe“: 7.2.6 Missverständnis in der Kommunikation Zu sprachlichen Merkmalen, die für bestimmte, im Roman dargestellte Kommunikationssituationen charakteristisch sind, können im Weiteren Missverständnisse gezählt werden. In der deutschsprachigen Kommunikation zwischen dem Griechen Aris Stavridis und dem deutschen Darius Kopp wird ein solches Missverständnis durch das Substantiv Lead, das im Werk - den deutschen Rechtschreibregeln entsprechend - mit großem Anfangsbuchstaben geschrieben ist, auf der lexikalischen Ebene ausgelöst: Das Substantiv wird von Stavridis nach seiner Aussprache mit dem deutschen Substantiv Lied verwechselt, welches Missverständnis später vom deutschen Gesprächspartner geklärt wird: (20) „Kopp mit Geschenken bepackt, Stavridis mit einer jetzt leeren Umhängetasche mit Werbeaufschrift, schlendernd. Wer soll das sein? Ein Grieche? Dann müsste es »-dis« heißen. Michaelidis. Mit i. Ich kenne ihn mit »-des«. Kennst du ihn anders? Ich kenne ihn gar nicht. Wer soll das sein? Es war also nicht dein Lead? Mein Lied? Kopp erklärte es endlich verständlich. Stavridis sagte, weder der Grieche noch die Armenier seien ihm bekannt. Aber wieso? “ (DeM 179f.) [Hervorhebungen von B.B.] In diesem Fall besteht also die Ursache des Missverständnisses in der Aussprache eines Wortes, die auch im geschriebenen Text im Hinblick auf die pragmatischen Aspekte der Kommunikationssituation abgebildet wird. 7.2.7 Englische Ausdrücke als sprachliche Manifestationen im Berufsleben und in der Alltagskommunikation Die im Roman durch englische Elemente veranschaulichte Verhandlungssprache in Kopps Berufsleben kommt neben Dialogen und E-Mails auch in der Bezeichnung von Unternehmensformen und Ereignissen zum Ausdruck, die zum Geschäftsleben gehören und Teile einer Berufsidentität bilden können. Beispiele hierfür sind die Substantive Dependance (DeM S. 9), Company (DeM S. 29), Business (DeM S. 152), die Pluralformen Meetings (DeM S. 169) und Veranschaulichung von Vermittlungssprachen 105 Enterprises (DeM S. 222), die englischen Komposita Businesscenter (DeM S. 18), Businesslunch (DeM S. 18), Businessnews (DeM S. 133) sales meeting (DeM S. 146) bzw. Sales Meeting (DeM S. 29) und die Mischkomposita Businessmann (DeM S. 17), Meetingraum (DeM S. 195), Datentraffic (DeM S. 222). Diese Ausdrücke gelten im deutschsprachigen Berufsleben als oft verwendete Elemente, deren Gebrauch in der Schilderung des beruflichen Kontextes im Roman sowohl unter inhaltlichem als auch unter stilistischem Gesichtspunkt von Relevanz ist. Viele dieser Elemente können zu fachsprachlichen Markierungen gezählt werden (vgl. Ludwig 2009: 1587) und tragen zur Darstellung des Geschäftslebens bei. Die Verbreitung dieser fachsprachlichen Markierungen im deutschsprachigen Kontext zeigt sich dabei auch darin, dass verschiedene Ausdrücke aus Komponenten von zwei Sprachen bestehen. So ist im Falle der ersten zwei Mischkomposita (Businessmann und Meetingraum) das erste Glied englisch und das zweite Glied deutsch, im Falle des dritten Mischkompositums (Datentraffic) das erste Glied deutsch und das zweite englisch. In Bezug auf die Ausdrücke im Zusammenhang mit dem Berufsleben kann festgestellt werden, dass ein großer Teil von ihnen Anglizismen sind. Darauf verweist auch, dass diese englischen Elemente im Roman an vielen Stellen nach der deutschen Orthographie, d.h. mit großen Anfangsbuchstaben angegeben werden. Die Substantive Business (aus dem Englischen), Center (aus dem Amerikanischen), Sale (Jargon; aus dem Englischen), Meeting (aus dem Englischen), News (aus dem Englischen) und Traffic (aus dem Englischen) sind Internationalismen. Als weitere englische Elemente, die mit der geschilderten Unternehmenskultur in Verbindung stehen, erscheinen die Bezeichnungen von beruflichen Positionen wie z.B. Chief Financial Officer (DeM S. 28), Vice President Global Sales (DeM S. 29), Chief Accountant (DeM S. 48), Legal Assistant (DeM S. 297), System Production Engineer (DeM S. 297), Executive Assistant (DeM S. 297) und Technical Trainer (DeM S. 297). Die Funktion einiger Anglizismen und aus dem Englischen stammenden Lexeme kann in diesem Kontext einerseits in dem Verweis auf die englischsprachigen Chefs oder Kollegen, andererseits in der Veranschaulichung der Berufskontexte gesehen werden. Viele von ihnen haben ferner in die Kommunikation im deutschsprachigen bzw. internationalen geschäftlichen Kontext Eingang gefunden und spiegeln dementsprechend Aspekte der diesbezüglichen Alltagskommunikation wider. Ferner können als Elemente, die der Veranschaulichung der Alltagskommunikation von Kopp bzw. der Kommunikation in seiner Umgebung 106 dienen, z.B. in den folgenden Belegen die Substantive Holiday (Beleg Nr. 21), President (Beleg Nr. 22), smile (Beleg Nr. 23), Legacy (Beleg Nr. 24), und Cranberrys (Beleg Nr. 25), die Ad- __________ 106 Vgl. auch Shafi (2013: 313). Manifestationen der Mehrsprachigkeit in den ausgewählten Texten 106 jektive live (Beleg Nr. 26) und charming (Beleg Nr. 27), das Adverb very (Beleg Nr. 27) und die Mischkomposita Powerfrühstück (Beleg Nr. 28) und durchstyle (Beleg Nr. 29) aufgefasst werden. Dabei können die englischen Ausdrücke in den Belegen Nr. 21, Nr. 22, Nr. 27 und Nr. 28 mittelbar mit dem beruflichen Kontext des Protagonisten in Verbindung gebracht werden, da sie im Zusammenhang mit seinen Chefs bzw. Kollegen vorkommen, die mit ihm auf Englisch sprechen. Im Zusammenhang mit den hier dargestellten Elementen lässt sich aber feststellen, dass die meisten (Holiday, President, smile, live, power, style) Internationalismen sind, deren Verständnis dem Leser keine Schwierigkeiten bereitet und demzufolge ohne eine Übersetzung im Text stehen. Die Verbform downsizen (Beleg Nr. 30) kann als eine weitere Art der Integration englischer Elemente in den deutschsprachigen Text angesehen werden, da das englische Verb downsize nach den Regeln der deutschen Grammatik konjugiert und mit der Endung -n versehen wird. 107 (21) „Anthony ist noch in den Holiday! “ (DeM S. 195) (22) „Und Stavridis, Ken und Anthony werden nicht anwesend sein, auch der King wird nicht anwesend sein, Bill wird der Höchstrangige sein, der anwesend ist, möglicherweise ist er mittlerweile President geworden.“ (DeM S. 197) [Hervorhebung im Original] (23) „Er fand sie, er klingelte, man ließ ihn ein, im Fahrstuhl richtete er sich noch ein letztes Mal, smile, stieg in der dritten Etage aus […]“ (DeM S. 204) (24) „Kopp stimmt zu, ja, Harmony war ein schönes Produkt, damals [Hervorhebung im Original], aber vom Heute aus betrachtet, Herr Aschenbrenner, ist das doch schon Legacy. (DeM S. 222) (25) „Die Mittagspause müsste zu Ende sein. Haltet ihr überhaupt eine Mittagspause? Oder hält nur Anthony eine, Stephanie hat sich auf dem Weg zur Arbeit ein Sandwich mit Frischkäse und Cranberrys geholt und beißt an ihrem Schreibtisch sitzend ab, während sie mit der anderen Hand Arbeiten erledigt, die man mit einer Hand erledigen kann? “ (DeM S. 223) (26) „Oh, auf dieser Seite gibt es sogar einen Service, mit dem man live Erdbeben erleben kann! “ (DeM S. 153f.) (27) „Die unerfüllbaren Vorgaben, für die man dir im Austausch astronomische Boni verspricht, damit du den Rest des Quartals zwischen Panik und gieriger Hoffnung schwanken kannst, bekommst du später sowieso in Memo-Form. __________ 107 Zu diesem Beleg siehe auch Shafi (2013: 313). Veranschaulichung von Vermittlungssprachen 107 Wenn Dan etwas getrunken hat, spricht er übrigens brillant. Very charming und überzeugend.“ (DeM S. 148) (28) „Stavridis hatte, wie schon erwähnt, einen Bärenhunger, wie schon erwähnt, zwei Meetings hinter sich, ein Powerfrühstück, gegessen haben wir natürlich nichts, ich glaube, der Typ war auf Diät […]“ (DeM S. 169) [Hervorhebung im Original] (29) „Ich dachte, unter diesen Umständen wäre es nicht so wichtig, dass ich mich perfekt durchstyle.“ (DeM S. 275) (30) „Wie ich bereits erwähnte, überlege ich, etwas zu downsizen […]“ (DeM S. 16) 7.3 Das Englische in Nachrichten Sowohl im Hinblick auf die sprachliche Gestaltung als auch auf die Thematik erfüllen im Roman englische Ausdrücke von Nachrichten eine bedeutende Rolle, die in der Logik der Handlung durch das Medium Internet erscheinen. Dies ergibt sich zum Teil aus dem in den vorangehenden Unterkapiteln dargestellten beruflichen Kontext des Protagonisten. Viele Segmente der englischsprachigen Nachrichten, die er liest, werden nämlich in den deutschsprachigen Kontexten auf Englisch veranschaulicht. Außer diesen Elementen der Nachrichten, zwischen denen und den deutschen Elementen im Beleg Nr. 31 zweimal gewechselt wird, kommen aber auch Elemente anderer Sprachen zum Einsatz, wie italienische und schwedische Wörter im Rahmen einer Begrüßung. 108 Hier kann die Übernahme von Elementen aus dem Englischen aus inhaltlichen Gründen beobachtet werden, indem die Aufschrift News & Events (im Satz [6]) laut der Handlung bei der Recherche im Internet auf Englisch erscheint. Diese Pluralformen stehen dabei mit großen Anfangsbuchstaben, da es in diesem Fall wieder um Anglizismen geht, die auch in deutschen Kontexten gebraucht werden. Jedoch wird der Fachausdruck „home“ (Substantiv) nicht im Original wiedergegeben, sondern am Anfang des Belegs mit der Verwendung der Präposition „zu“ ins Deutsche als zu Hause (Satz [3]) übersetzt, was hier auf die Startseite des Unternehmens verweist, in dem Kopp arbeitet: __________ 108 Das schwedische Wort „välkommen“ erscheint nicht korrekt auf dem Bildschirm, es wird dort mit einem „m“ veranschaulicht. Manifestationen der Mehrsprachigkeit in den ausgewählten Texten 108 (31) „[1] Zu diesem Zeitpunkt hatte er noch 1 Stunde bis Juris angekündigtem Eintreffen. [2] Er verbrachte diese im Internet. [3] Er begann, wie immer, »zu Hause«. [4] Welcome, Benvenuto, Välkomen, Sulamat datang … auf Ihrer Startseite, welche die Homepage Ihrer Firma ist, the Leader in End-to-End Broadband Wireless Networks, with more then 20 years of experience. [5] WE MAKE YOUR WIFI VISIBLE: TURN TO US. (I will.) [6] Irgendwelche News & Events im Hause? […] [7] Im vorletzten Quartal lagen unsere revenues bei $15.1 million, an increase of approximately 47% in total GAAP revenue from $10.2 million for the quarter ended March 31, and a decrease of approximately 11% from $16.9 million for the quarter ended June 30, last year. (Und was genau bedeutet das? Ich gebe zu: ich habe keine Ahnung.)“ (DeM S. 133) [Hervorhebungen im Original] Die Verwendung englischsprachiger Ausdrücke und Anglizismen im Bereich der Computertechnik und des Internets im Roman sind zur authentischen Darstellung der Arbeit bzw. des beruflichen Kontextes des Protagonisten unerlässlich. Die englischen Ausdrücke gehören zu Kopps Alltag und werden demzufolge an vielen Stellen nicht ins Deutsche übersetzt. Sie haben ferner das Ziel, die schwierigen alltäglichen Situationen von ihm zu veranschaulichen. Er muss sich nämlich wegen seines Berufs sehr gut auf Englisch ausdrücken können, obgleich er Schwierigkeiten mit der englischen Sprache hat. Das Fehlen der deutschen Übersetzungen neben den englischen Elementen hat in diesen Fällen also die Funktion, diese Situation auch sprachlich zu verdeutlichen, wie die Autorin bestätigt. 109 Ein weiterer Grund für die Verwendung englischsprachiger Elemente besteht darin, dass die meisten Begriffe im Bereich der Computertechnik und der Softwareentwicklung auf Englisch gängig sind. Sie sind somit zur authentischen Darstellung dieser Bereiche sowohl unter inhaltlichem als auch unter stilistischem Gesichtspunkt nötig. Fachausdrücke im Zusammenhang mit Computern können in der nächsten Textstelle anhand der hervorgehobenen Ausdrücke (das Adjektiv wireless und das Substantiv network ) veranschaulicht werden, in dem neben den englischen Elementen auch ein Misch- __________ 109 „Na ja, ich habe es [dass bestimmte englische Textpassagen nicht übersetzt werden] aus folgendem Grund gemacht. Es ist klar, dass Darius Kopp Schwierigkeiten mit dem Englischen hat, aber in einem Umfeld arbeitet, wo er das sehr gut können müsste oder wo vorausgesetzt wird, dass jeder englisch sehr gut kann. Das ist ja auch typisch für manche Bereiche des Arbeitslebens und ich wollte, dass der Leser genauso hilflos davorsitzt, wie er, weil es solche Textpassagen sind, dass du entweder alles verstehst oder einen Teil oder eben gar nichts. Und in dem Moment kannst du dich dann selber überprüfen: Wie wäre ich in dieser Situation aufgestellt.“ (vgl. Interview mit T.M. S. 228). Das Englische in Nachrichten 109 kompositum Newslettertag zu lesen ist, dessen Determinatum ein deutsches Substantiv ist. Dadurch wird u.a. auf die häufige Verwendung dieser Ausdrücke in deutschsprachigen Kontexten verwiesen. Sie treten im Text auf, wenn der Protagonist seine E-Mails liest. Die zwei englischen Sätze „ Inspect before you connect. “ und „ How secure is your wireless network? “ ermöglichen es dem Leser u.a. durch ihre typographische Hervorhebung, Kopps Perspektive zu übernehmen, da sie dieselben Sätze im Internet lesen, die laut der Handlung von der Figur gelesen werden. (32) „Das Meiste waren wieder einmal Newsletter - Sonntag ist Newslettertag - darunter 2 allgemeine zu Fragen der Netzwerksicherheit und 3 Pressemitteilungen der Konkurrenz, damit sie uns nicht in Vergessenheit gerät. Inspect before you connect. How secure is your wireless network? Kopp hätte schon hiermit seine Zeit vertun können, up to date zu sein gehört zu den Pflichten eines Profis […]“ (DeM S. 135) [Hervorhebungen im Original] Unter den englischen Elementen in diesem Bereich können zwei Arten unterschieden werden, die anhand des Belegs Nr. 33 präsentiert werden: Während die erste Art von englischen Ausdrücken bzw. Mischkomposita (z.B. Security- Lösungen) gebildet wird, die mit Internet im Zusammenhang stehen, gehören zur zweiten Art englische Ausdrücke und Sätze, die im Internet vom Benutzer gelesen werden, aber keine Fachausdrücke sind. Der Protagonist liest an der zitierten Stelle den Lebenslauf eines Bekannten und vergleicht ihn mit den in seinem eigenen Lebenslauf bisher angegebenen Informationen: (33) „ Von primary school with honors bis zur heutigen Mitgliedschaft in 32 groups , deren Logos die ganze 5te Seite des tabellarischen Lebenslaufs einnahmen. […] Wie kann einer Mitglied in 32, Groups sein? […] Das Minimum: der beiläufig hineinkopierte tabellarische Lebenslauf von der letzten Bewerbung. Biete: Startup-Experiences, IT-Sicherheit, Appliances für Security, Security-Lösungen. Thomas Schatz bietet dasselbe und außerdem hat er sein verdammtes Englisch im verdammten Oxford improved! Er hat 129 bestätigte Kontakte, darunter 4, die eine Recommendation für ihn geschrieben haben. Er selbst beschreibt sich als: An engaging written and oral communicator with a passion for perfection and persuasion. A self-starter who is most comfortable in a fast-paced environment with limited, high level direction-working both independently and in close communication with a team. A self-motivator with passion for winning that is derived from a crisp, thorough understanding of the company vision and related technologies. A crisp, thorough understanding? Was du nicht sagst! (Ich finde dich lächerlich und beneide dich glühend und merke mir die Worte oder merke mir, bei wem ich sie das nächste Mal kopieren kann.) Eine Sportskanone bist du selbstverständlich ebenfalls: especially badminton, tennis, squash, sailing, golf. Aber dir Manifestationen der Mehrsprachigkeit in den ausgewählten Texten 110 liegt auch viel an family, friends, wine and dine . (So sagt man das also.) (DeM S. 136f.) [Hervorhebungen im Original] Da die Informationen über Thomas Schatz im obigen Beleg auf seiner Seite auf Englisch erscheinen, wird der Inhalt der Einträge im Roman auch auf Englisch wiedergegeben, wobei auf eine deutsche Übersetzung verzichtet wird. Auch die typographische Hervorhebung vieler englischen Elemente (kleinere Schriftgröße und andere Schriftart) deutet darauf hin, dass sie Inhalte einer Webseite sind. Während aber die Informationen auf der Webseite auch auf English in den Text integriert werden, werden die Gedanken und die inneren Kommentare des Protagonisten, der die Informationen liest, auf Deutsch wiedergegeben, da das seine Muttersprache ist. Trotzdem können im Beleg auch deutschsprachige Sätze gefunden werden, in die die von Kopp auf Englisch gelesenen Informationen aufgenommen werden. Dies ist z.B. im Satz Thomas Schatz bietet dasselbe und außerdem hat er sein verdammtes Englisch im verdammten Oxford improved! der Fall, in dem eine satzinterne Kode-Umschaltung festgestellt werden kann: Hier besteht das Prädikat aus der konjugierten Form des deutschen Hilfsverbs hat und aus der Vergangenheitsform des englischen transitiven Verbs improved (vgl. Burka 2014b: 212), wodurch diese Konstruktion hier als ein syntaktisch relevantes Merkmal der Mehrsprachigkeit aufgefasst wird. Dieser Kommentar von Kopp hebt wieder die Bedeutung des Englischen in seinem Tätigkeitsbereich hervor. Durch das Ausrufezeichen am Ende des Satzes wird weiterhin auch sein Neid versinnbildlicht, den er fühlt, weil sich eine andere Person in demselben Alter und Bereich viel besser auf Englisch ausdrücken kann als er (vgl. auch das Interview mit T.M. S. 228). Dieses Gefühl wird später auch explizit in seinem Kommentar zum Ausdruck gebracht „(Ich finde dich lächerlich und beneide dich glühend […])“. An dieser Stelle tragen die vom Lebenslauf ausgelösten Reflexionen des Protagonisten zu seiner Charakterisierung bei. Zusätzlich können die Leser durch die Wiedergabe seiner Gedanken auch Kopps Situation besser verstehen. Eine Integration englischer Elemente in deutschsprachige Sätze ist auch im Satz Er hat 129 bestätigte Kontakte, darunter 4, die eine Recommendation für ihn geschrieben haben zu finden, in dem das englische Substantiv Recommendation hinsichtlich seiner textuellen Umgebung auf das Gelesene bzw. auf die Sprache des auf dem Bildschirm Gelesenen verweist. Dies kann auch im Beleg Nr. 34 am Beispiel einer Aussage eines Börsenexperten beobachtet werden, deren typographische Hervorhebung auch auf die Redewiedergabe verweist, d.h. darauf, dass der hervorgehobene englische Satz, der auf dem Bildschirm erscheint, von einer anderen Person früher gesagt wurde: Das Englische in Nachrichten 111 (34) „Unsere Portfolios dümpeln. Schwamm über die Neuer-Markt-Werte, die werden in meinem Leben nicht mehr hochkommen, aber auch unser neuer Versuch, in Wasser zu investieren, hat nicht zum erhofften schnellen Ertrag geführt. Wir können nur hoffen, dass der Börsenexperte recht behält, der behauptet: It’s a pause, not a recession. “ (DeM S. 134) [Hervorhebungen im Original] Ähnlich wie im obigen Kontext befinden sich in den Belegen Nr. 35 und Nr. 36 englische Einschübe in Form von Internetnachrichten im deutschsprachigen Textkontext. Dabei wird im ersten Fall der englischsprachige Einschub - ein Werbetext - durch einen deutschsprachigen Satz eingeleitet, in dem sich das deutsche Substantiv Werbung auf den folgenden englischsprachigen Satz bezieht. Die typographische Hervorhebung der englischen Elemente mit einer anderen Schriftart verweist hier ebenfalls darauf, dass dieser Satz im Internet gelesen wird, wodurch gleichzeitig das Medium dieser Art von Kommunikation graphisch hervorgehoben wird: (35) „Ein letzter Blick auf die E-Mails. Und die Werbung höret niemals auf. Once again Multipack is the preferred partner! “ (DeM S. 187) [Hervorhebungen im Original] Im Beleg Nr. 36 fällt auf, dass der englischsprachige Teil der Beschreibung aus Fachausdrücken und aus Nachrichtenteilen besteht, in deren Rahmen wieder die Rolle des Englischen in Kopps Berufsleben zur Geltung kommt. Hier haben die englischen Elemente - ähnlich wie im Beleg Nr. 35 - das Ziel, auf die Sprache der gelesenen Nachrichten zu verweisen, die aber in diesem Fall auch fachspezifische Begriffe enthalten. Die englischen Einträge, die als Teile von Internetnachrichten erscheinen, sind dabei die Nominalphrase World leader in digital security, der Satz Hongkong Broadband Communications selects Opaco to secure and integrate all digital mpeg-4 cable tv system, der Ausdruck Board of Directors und das Kompositum Executive board. Als Teil des im Internet gelesenen Inhalts erscheint auf Englisch neben diesen Ausdrücken das Mischkompositum Public Access Bereich. Die englische Präpositionalphrase About us und die Pluralformen News und Adresses gelten als häufig verwendete Ausdrücke im Internet, die auf der sprachlich-thematischen Ebene zur authentischen Vorstellung des Tätigkeitsfeldes der Hauptfigur beitragen und Teile der Abbildung seiner beruflichen Identität bilden: (36) „Hier, das sind die Richtigen: World leader in digital security. Er las sich durch About us News und Archive , und fand heraus, was ihm bereits gesagt worden war. Angefangen mit physischen Lösungen im Public Access Bereich. Heute: Komplettlösungen mit modernsten Verschlüsselungstechnologien. Großflug- Manifestationen der Mehrsprachigkeit in den ausgewählten Texten 112 häfen, Sportstadien, Skigebiete, Freizeitparks. News. Vorgestern: Hongkong Broadband Communications selects Opaco to secure and integrate all digital mpeg-4 cable tv system. (Frisst uns der Neid? Beinahe.) Board of Directors. Executive board. Irgendeiner, den wir kennen? Nein. Aber wen kennen wir schon? Der Finanzchef heißt Claude Monet! Addresses. (DeM S. 296f.) [Hervorhebungen im Original] 7.4 Termini nach auftretenden Sachbereichen 7.4.1 Termini der Computersprache Im Roman „Der einzige Mann auf dem Kontinent“ werden unter den englischen Elementen zahlreiche englische Termini der Computersprache verwendet. In erster Linie sind diese Bezeichnungen für unterschiedliche Programme, Geräte oder Produkte bzw. sie sind Fachausdrücke. Da der Protagonist ein Fachmann für drahtlose Netzwerke ist, stehen diese Bezeichnungen für die Kennzeichnung von Sachverhalten, die zu seinem Beruf gehören. Ausdrücke, wie z.B. Orthogonal Frequency Division Multiplexing (DeM S. 78), Internetbrowser (DeM S. 12), Roque Access Points (DeM S. 78), Denial-of-Service (DeM S. 78), Spam (DeM S. 13), Update (DeM S. 135), Mailbox (DeM S. 49), Site (DeM S. 235) und Hotspot (DeM S. 294) gehören somit zu der authentischen Schilderung seines Tätigkeitsbereichs. Sie werden im deutschsprachigen Kontext nach den deutschen Schreibregeln, d.h. mit großen Anfangsbuchstaben wiedergegeben, was auf ihre häufige Verwendung im deutschen beruflichen Kontext verweist. Sie bilden nämlich als mit Computern zusammenhängende Bezeichnungen einen wichtigen Teil der diesbezüglichen deutschsprachigen Kommunikation. Neben ihnen kommen im Werk auf diesem Gebiet ferner sog. Mischkomposita vor, wie z.B. im Beleg Nr. 37, in dem der letzte Teil der kursiv hervorgehobenen Zusammensetzung ein deutsches Substantiv ist: (37) „Was ist eine AES- oder Advanced-Encryption-Standard-Verschlüsselung? “ (DeM S. 78) [Hervorhebung von B.B.] Neben diesen fachsprachlichen Markierungen, die ich sowohl unter inhaltlichem als auch unter stilistischem Gesichtspunkt als Komponenten einer überzeugenden Darstellung von Kopps beruflicher Umgebung betrachte, gehören zu den englischsprachigen Elementen im Bereich der Computertechnik und der drahtlosen Netzwerke Markennamen. Sie dienen ebenfalls der authentischen Schilderung des im Roman inszenierten Berufslebens: Termini nach auftretenden Sachbereichen 113 (38) „Fällt dir nichts mehr ein, kauf dir welche, denen etwas eingefallen ist, oder, nicht so schön, aber manchmal eben auch unvermeidlich: kauf sie einfach vom Markt weg. Noonday Technologies, Miclicor, Mackenzy, Finlay and Peace, und, als neueste Errungenschaft: die Eloxim-Kontrollbox, herzlich willkommen! (DeM S. 149) 110 [Hervorhebungen von B.B.] Aus diesen Beispielen lässt sich schließen, dass unter den im Roman verwendeten englischsprachigen Elementen die fachspezifischen Lexeme eine besondere Funktion bezüglich der thematischen Darstellung von Kopps Tätigkeitsbereich erfüllen und als lexikalische Einheiten „mit […] fachlicher […] Markierung“ (Fix/ Poethe/ Yos 2001: 51) ein „fachsprachlich[es]“ Stilpotenzial (vgl. Eroms 2008: 57) im Kontext erzeugen. Als Elemente fachsprachlicher Varietäten (vgl. Busch-Lauer 2009: 1707) erscheinen dabei viele von ihnen in der Kommunikation von Figuren aus dem IT-Bereich und bilden einen Teil der Schilderung des „berufssprachlichen Textkontext[es]“ (Busch-Lauer 2009: 1717), dessen Bezüge in die Darstellung von Kopps Situationen somit auch in der sprachlichen Gestaltung Eingang finden. 7.4.2 Fachspezifische Termini aus dem sozioökonomischen Bereich Neben den im Werk verwendeten Begriffen der Computertechnik, des Internets und des Berufslebens, die in den Unterkapiteln 7.2.7, 7.3 und 7.4.1 behandelt wurden, treten auch Begriffe auf, die für Phänomene sozioökonomischer Ereignisse kreiert wurden. Als Kunstbegriffe dieser Art gelten u.a. die Ausdrücke New Economy Blase im Beleg Nr. 39 und Venture Capital im Beleg Nr. 40, die ebenso zur gültigen Darstellung von Fachsprachen beitragen, wie die oben gezeigten Termini der Computersprache. Der englische Begriff New Economy Blase steht mit dem Bereich der IT-Branche eng im Zusammenhang. 111 Als __________ 110 Die Autorin hat einen großen Teil des Fachwortschatzes der Computersprache, der im Roman verwendet wird, von ihrem Mann und seinen Bekannten erworben, da sie sich als Experten für drahtlose Netzwerke mit den Fachausdrücken auskennen (vgl. Interview mit T.M. S. 229f.). 111 Terézia Mora erzählte in einem Interview, welchen Einfluss die Ereignisse des Wirtschaftslebens auf die Geschichte des Romans hatten: „Wenn ich bei der Entwicklung des Buches an eine Wirtschaftskrise gedacht habe, dann weniger an die aktuelle als an die von 2001, das Platzen der New Economy Blase, das mein persönliches Umfeld viel direkter, heftiger und wahrnehmbarer getroffen hat, einfach dadurch, dass mein Mann in der IT-Branche gearbeitet hat.“ (Frankfurter Rundschau, Interview mit Terézia Mora http: / / www.fr-online.de/ kultur/ -ich-bin-keintheoretischer-mensch-/ -/ 1472786/ 3197674/ -/ index.html). Manifestationen der Mehrsprachigkeit in den ausgewählten Texten 114 ein weiterer Kunstbegriff des Berufslebens erscheint im Werk u.a. das englische Kompositum Venture Capital, das im Text als Erklärung für einen zuvor gefallenen Ausdruck fungiert: Der englische Ausdruck wird zunächst als Abkürzung V.C. angegeben, wobei er im Kontext als eine Erklärung dieser Abkürzung erscheint. Darauf verweist auch die Bemerkung nach dem Terminus Ach so. (39) „Man stand gerade am Anfang eines wirtschaftlichen Booms, später die New Economy Blase genannt, und Darius Kopp war nach eigenem Empfinden mittendrin.“ (DeM S. 9) [Hervorhebung von B.B.] (40) „Es ist an der Zeit, IT-Händlern eine Transparenz außerhalb der üblichen Channels zu bieten und einen direkten Draht zu neuen Anbietern aufzubauen … und so weiter, im offiziellen Ton, den will ich dir nicht antun, ich hab’s nur heute früh schon den Wießies erzählt. Was sind Wießies? V.C. Venture Capital. Ach so.“ (DeM S. 173) [Hervorhebung von B.B.] 7.4.3 Termini der Anatomie und der Linguistik Während im Roman „Der einzige Mann auf dem Kontinent“ englischsprachige Elemente in erster Linie im Zusammenhang mit dem Computer bzw. mit dem beruflichen Leben des Protagonisten vorkommen, spielen in den Werken „Seltsame Materie“ und „Alle Tage“ Termini anderer Bereiche eine wichtige Rolle. Auch durch sie kommt ein „fachsprachlich[es]“ Potenzial (Eroms 2008: 57) zum Ausdruck: Unter ihnen sind im Roman „Alle Tage“ insbesondere Termini aus dem Bereich der Linguistik inhaltlich von großer Bedeutung, da der Protagonist ein sog. Zehnsprachenmensch ist, der Sprachen in einem Labor erlernt und dessen sprachliche Fähigkeiten und Sprachkenntnisse auch von Forschern untersucht werden. Als linguistische Fachbegriffe werden im Werk deutsche Bezeichnungen der Gesprächsorgane mit lateinischer Herkunft und der englische Ausdruck Voice onset time bezüglich des Erlernens von Fremdsprachen verwendet. Diese diatechnischen Angaben (Ludwig 2009: 1587), die zur Fachsprache der Anatomie und zugleich der Linguistik gehören, verweisen in den jeweiligen Kontexten darauf, dass die Sprachen vom Protagonisten bloß als Konstruktionen betrachtet werden. Er eignet sich die Sprachen nämlich mechanisch an und konzentriert sich nur darauf, wie die Laute in den jeweiligen Sprachen gebildet werden (siehe dazu auch Kegelmann 2009: 258). Viele der im Text vorkommenden Termini in diesem Bereich stammen aus dem Lateinischen: Die Pluralform des Substantivs Alveole im Beleg Nr. 41 kommt von dem lateinischen Substantiv alveolous (bedeutet auf Deutsch: Mulde). Palatum Termini nach auftretenden Sachbereichen 115 stammt von dem lateinischen Substantiv palātum (auf Deutsch: Gaumen). Velum leitet sich von dem lateinischen Substantiv vēlum (auf Deutsch: Segel) ab. Uvula kommt von dem lateinischen Substantiv uva (auf Deutsch: Traube), Lingua von dem lateinischen Substantiv lingua (auf Deutsch: Zunge) und Apex von dem lateinischen Substantiv apex (auf Deutsch: Spitze). Der Begriff Dorsum kommt schließlich von dem lateinischen Substantiv dorsum (auf Deutsch: Rücken) (vgl. Menge 2000): (41) „Früher wollte Abel, oder wer weiß, er schickte sich an, [Hervorhebung im Original] Geographielehrer zu werden, jetzt war das Innere seines Mundes das einzige Land, dessen Landschaften er bis ins Letzte kannte. Die Lippen, die Zähne, die Alveolen, das Palatum, das Velum, die Uvula, die Lingua, der Apex, das Dorsum, die Zungenwurzel, der Kehlkopf. Voice onset time, stimmhaft, stimmlos, Aspiration, distinktiv oder nicht.“ (AT S. 100) [Hervorhebungen von B.B.] Im Erzählband „Seltsame Materie“ können neben fremdsprachigen Elementen, die in Interaktionsformen vorkommen (siehe die Analyse des Belegs Nr. 6), als Beispiele für das Vorkommen anderer Sprachen im Text auch lateinische Bezeichnungen der Anatomie angeführt werden, wie z.B. latissimus dorsi (auf Deutsch: der breite Rückenmuskel) und Musculus transversus abdominis (auf Deutsch: querer Bauchmuskel). Diese fachsprachlichen Elemente kommen in der Erzählung „Die Lücke“ vor, in der der Ich-Erzähler ein Boxer werden möchte. Er ist ein junger Mann, der als jüngster Sohn noch bei seinen Eltern wohnt und dessen Mutter von den Dorfbewohnern für verrückt gehalten wird. Die obigen fachsprachlich markierten Elemente (vgl. Fix/ Poethe/ Yos 2001: 51) können in der Erzählung mit dem Training des Jungen in Verbindung gebracht werden. Der Ich-Erzähler verwendet diese Termini, während er sich selbst bzw. die Reaktionen seines Körpers beobachtet. Jedoch erscheint der Terminus Latissimus in der Erzählung nur einmal in einer Gedankenwiedergabe in Bezug auf das Training. Während im Beleg Nr. 43 die lateinische Bezeichnung auftaucht, als sich der Ich-Erzähler an seiner Arbeitsstelle, der Rezeption eines Hotels, aufhält, kann im Beleg Nr. 44 die Verwendung des lateinischen Fachwortes in einer Situation beobachtet werden, in der der junge Mann zu Hause neben seiner für verrückt gehaltenen Mutter liegt. Dadurch wird die fachsprachliche Bezeichnung aus ihrem üblichen Verwendungskontext in andere inhaltliche Zusammenhänge integriert: (42) „Links, rechts. Ich schlage zu. Zu. Ich schlage ihn. Rechts, rechts. Tanz mit ihm. Schlage ihn. Schlag zu. […] Verdammt stark bin ich geworden. Bizeps, Trizeps, Latissimus.“ (SM S. 72) Manifestationen der Mehrsprachigkeit in den ausgewählten Texten 116 (43) „Aus dem roten Spencer quillt unten das Hemd heraus. Ich kann den untersten Knopf nicht schließen. Stark entwikkelter [sic! ] latissimus dorsi. Sprengt die Livree. Aber wenn ich hinter dem Pult sitze, sieht man es nicht.“ (SM S. 78) [Hervorhebung von B.B.] (44) „Sie legt ihren weichen Schenkel auf meinen Bauch. Noch nie, sagt sie, noch nie in meinem Leben lag ich alleine in einem Bett. Nur in der Klinik. Zweitäglich neue Bettwäsche. Musculus transversus abdominis. Mein warmer Bauch. Ich fühle, wie er unter ihrem Schenkel zu schwitzen beginnt.“ (SM S. 107) [Hervorhebung von B.B.] Zum Stilwert dieser Termini trägt neben ihrer lateinischen Herkunft auch ihre Integration in den Textkontext bei: Im ersten Fall erscheint die Bezeichnung Latissimus als Element einer Aufzählung in einer Ellipse, deren andere Elemente thematisch auch zum Thema „Boxen“ passen. Während im Beleg Nr. 43 der lateinische Ausdruck latissimus dorsi ebenso in einer Ellipse erscheint, tritt er in einem anderen Kontext auf und kann mit dem Thema „Boxen“ nur in Kenntnis der bisherigen Informationen in Zusammenhang gebracht werden. Im letzten Beleg steht der Ausdruck Musculus transversus abdominis bereits als Ellipse allein, wobei er durch seine abgesonderte Position hervorgehoben wird. 7.4.4 Termini der Botanik Ein weiteres Gebiet, das durch fachspezifische Termini in „Alle Tage“ vertreten wird, ist die Botanik. Ihre Segmente werden u.a. durch lateinische Bezeichnungen verschiedener Pflanzenarten und Pilze im Werk veranschaulicht. Eine deutsche Entsprechung wird nur bei der lateinischen Bezeichnung Amanita muscaria im Beleg Nr. 47 angegeben. Die lateinischen Termini werden im Text zur authentischen Schilderung der erzählten Geschichte verwendet, um die von den Figuren Kinga, Halldor Rose und einmal auch von Abel Nema benutzten psychoaktiven Mittel mit adäquaten Begriffen zu benennen: So erscheint der Terminus Cannabionide im Beleg Nr. 45 als Name eines Mittels, mit dem „unangenehme Gefühlserinnerungen“ gelöscht werden können. Diese „Gefühlserinnerungen“ beziehen sich dabei aus der Perspektive der Figuren auf den Krieg und die Ereignisse im Land, dass viele Figuren verlassen mussten. Im Beleg Nr. 46 erfolgt die Integration der lateinischen Termini schon in die Rede von Wanda, von der Schwester von Abels Nachbarn, der psychoaktive Pflanzen eingenommen hat. Ihre asyndetische Verbindung in diesem Ausschnitt deutet darauf hin, dass sie auf einem Plastiksäckchen aufgezählt und von einer Figur vorgelesen werden, was sich anhand des Kontextes bestätigen lässt, laut dem Wanda das Plastiksäckchen gefunden hat, in dem Halldor die Mittel hielt. Im Termini nach auftretenden Sachbereichen 117 Beleg Nr. 48 wird neben dem lateinischen Namen des psychoaktiven Mittels Amanita muscaria auch in den Äußerungen des Erzählers dargestellt, welche Wirkung dieses Mittel ausüben kann und wie es auf Abel Nema wirkte, als er es ausprobierte. So wird auch sein Delirium thematisch eingeleitet: (45) „Jetzt, wo sie nach vier Jahren Ballerei endlich einen Friedensvertrag unterzeichnet haben, schicken sie uns vielleicht wirklich zurück. Habt ihr darüber schon nachgedacht? fragte Kinga. Kontra reichte ihr den Joint. Cannabionide löschen unangenehme Gefühlserinnerungen.“ (AT S. 152) [Hervorhebung von B.B.] (46) „Plastiksäckchen, sie hatte sie in der Küche gefunden, mit was drin? Gewürze? Samen? Sie las von kleinen weißen Aufklebern ab: Acorus, calamus, lophphora williamsii, salvia divinorum, psilocybe cyanescens, amanita muscaria, atropa belladonna. Hä? Ich nehme an, es sind psychoaktive Pflanzen, sagte der Befragte brav.“ (AT S. 351) [Hervorhebungen von B.B.] (47) „Abel saß einige Minuten neben dem Telefon und holte dann erst das Säckchen aus seiner Tasche, das er aufgehoben, aber dann nicht wieder auf H.R.s Tisch gelegt hatte. Amanita muscaria. Gewöhnlicher Fliegenpilz.“ (AT S. 356) [Hervorhebung von B.B.] (48) „Die toxische Wirkung bei einer etwas weniger als tödlichen Dosis Amanita muscaria hält etwa sechsunddreißig Stunden vor. Anschließend verfällt man in einen nicht selten ebenso langen Schlaf. […]“ (AT S. 414) [Hervorhebung von B.B.] 7.4.5 Lateinische Wörter im Zusammenhang mit der Kirche Unter den oben gezeigten lateinischen Ausdrücken kommen ferner Termini im Zusammenhang mit der Kirche vor. Als sprachliche Manifestationen dieses Bereichs werden im Beleg Nr. 49 die von mir kursiv hervorgehobenen Substantive angesehen, die im Monolog des Protagonisten vorkommen. Ihre Verwendung an der genannten Stelle kann u.a. damit in Verbindung gebracht werden, dass es im Falle des Romans um eine Erlösungsgeschichte geht, in der die Autorin verschiedene christliche Motive verwendet (vgl. Interview mit T.M. S. 225f.). 112 __________ 112 Durch die Form des inneren Monologs kann laut der stilistischen Forschungsliteratur im Erzählprozess Unmittelbarkeit erzeugt werden (vgl. Fix/ Poethe/ Yos 2001: 64). Manifestationen der Mehrsprachigkeit in den ausgewählten Texten 118 (49) „Ich lege die Münze hierhin. Wenn du sie noch haben willst und gerade vorbeikommst, kannst du sie dir nehmen. Ich verspreche, dir nichts zu tun. Was anderes kann ich zu meiner Entlastung nicht vorbringen. Kaum habe ich die Münze aus der Hand gelassen, hebt ein Glockengeläut an, oh, mein Gott, muss das sein, so ein schmerzlich peinliches Brimborium. Introitus, Kyrie, Graduale, Tractatus, Sequenz, Offertorium, Sanctus, Sanctus, Sanctus, Sanctus, Gott ist mit uns, mit uns, mit uns, mit uns.“ (AT S. 407) [Hervorhebungen von B.B.] Diese Termini erscheinen im Kapitel „Delirium“ mithin als Elemente, die mit den in der erzählten Geschichte vorhandenen religiösen Aspekten eng zusammenhängen. Dabei kann durch die Wiederholung des Wortes Sanctus und eines Teils des Ausdrucks Gott ist mit uns (Epizeuxis) eine Wirkung erzeugt werden, als ob diese Wörter in den Gedanken des Protagonisten widerhallen würden, wodurch unter stilistischem Gesichtspunkt ferner „Eindringlichkeit“ (Eroms 2008: 185) erzielt werden kann. 7.4.6 Termini der Gastronomie Als weitere Elemente der Mehrsprachigkeit im Roman „Der einzige Mann auf dem Kontinent“ kommen in einer hohen Frequenz Ausdrücke aus anderen Sprachen aus dem Gebiet der Gastronomie vor, unter denen viele als kulturspezifische Elemente im deutschsprachigen Text gelten (vgl. Anhang S. 215), da sie als Manifestationen verschiedener Esskulturen im Roman aufgefasst werden. Da diese Bezeichnungen von Getränken und Gerichten in vielen Ländern bzw. Kulturen verbreitet sind, können sie zum einen zur Veranschaulichung der im Roman dargestellten globalisierten Welt beitragen. Zum anderen erhöhen sie die Authentizität des Inhalts dadurch, dass sie die Bezeichnungen von Speisen sind, die für die Küche der einzelnen Nationen charakteristisch sind, in deren Restaurants der Protagonist und seine Bekannten essen. 113 Zu diesen Elementen können Namen von Getränken, wie z.B. Sex on the Beach, Mai Tai, Manhattan Cooler (Beleg Nr. 50), Sake (Beleg Nr. 51) und Namen von Gerichten, wie z.B.: Sushi, Rib-Eye-Steak mit Chilibutter (Beleg Nr. 52), Porterhouse (Beleg Nr. 53), Focaccia, Artischockencarpaccio, Vitello tonnato, Linguini alla Puttanesca, Peperonata, Chianti, Metochi Cromitsa [sic! ] (Beleg Nr. 54), Krupuk, Makis (Beleg Nr. 55), Wasabi (Beleg Nr. 56), Carot Cake (Beleg Nr. 57) gezählt werden: __________ 113 Dementsprechend kommen dann italienische Bezeichnungen im Text vor, wenn der Protagonist in einem italienischen Restaurant isst. Termini nach auftretenden Sachbereichen 119 (50) „In diesem Sinne soffen sie bis zur Sperrstunde: mehrere Biere, einen Sex on the Beach, zwei Mai Tais, einen Manhattan Cooler […]“ (DeM S. 33) [Hervorhebung von B.B.] (51) „Kopp prostete ihnen freundlich mit dem heißen Sake zu, trank ihn aus und bestellte noch einen.“ (DeM S. 212) [Hervorhebung von B.B.] (52) „Sie aßen (Auswahl): Sushi in einem Imbiß, […] Tagliatelle mit Kalbsleber und Salbei, […] Rib-Eye-Steak mit Chilibutter, Schisch-Kebab, während um sie herum ein Flohmarkt tobte, […].“ (DeM S. 35) [Hervorhebung von B.B.] (53) „Sonntagabend und dieses Fleisch ist mein, ich bin auch nur ein Mensch, dachte Kopp und stürzte sich auf sein Porterhouse.“ (DeM S. 139) [Hervorhebung von B.B.] (54) „Während Stavridis die gesamte Menüfolge für beide bestellte: als Vorspeise: Salami, Käse, Schinken, Focaccia, mit Fleisch gefüllte, panierte Oliven, Artischockencarpaccio, in Zitrone und Öl eingelegte Pfifferlinge, gegrillte Zucchini, Auberginen und Paprika, Vitello tonnato und Salat mit Sardellenpaste, als Pasta: Linguini alla Puttanesca, als Hauptgericht: mit Peperonata überbackenes Kalbsschnitzel. Dazu nehmen wir einen leichten Chianti. Obwohl Stavridis’ Lieblingswein im Moment ein Metochi Cromista war, hier hast du eine Flasche in einer dekorativen Holzkiste.“ (DeM S. 169) [Hervorhebung von B.B.] (55) „Ein asiatischer Imbiss (Knusprig gebratene Ente mit Knoblauch, Cashewnüssen und Reis, scharf, ausgebackener Krupuk in Tüten zum Mitnehmen? ), […] Da sah er den Sushi-Stand. Ein älterer Mann rollte Makis und nickte ihm freundlich zu.“ (DeM S. 211) [Hervorhebung von B.B.] (56) „Er aß den restlichen eingelegten Ingwer, er zog ihn durch den restlichen Wasabi und die restliche Sojasoße.“ (DeM S. 212) [Hervorhebung von B.B.] (57) „Einen Kaffee, nein, einen Latte, ein Glas Sprudel und einen Carot Cake mit Frischkäseglasur, bitte.“ (DeM S. 295) [Hervorhebung von B.B.] Neben ihrem verweisenden Charakter auf Segmente von Esskulturen in der dargestellten globalisierten soziokulturellen Umgebung deuten sie ferner auch Manifestationen der Mehrsprachigkeit in den ausgewählten Texten 120 auf Kopps schwer zu stillenden Hunger hin, der als ein weiteres, für seine Figur charakteristisches Merkmal im Werk erscheint. 114 7.5 Elemente anderer Sprachen zur Darstellung des mehrsprachigen Hintergrundes und der Sprachkenntnisse von Figuren 7.5.1 Sprachliche Manifestationen der Expressivität Elemente anderer Sprachen kommen in Moras Werken ‒ wie aus den bisherigen Beispielen zu sehen ist ‒ in vielen Fällen in Figurenäußerungen vor und kennzeichnen dementsprechend zugleich ihren Sprachgebrauch. Diese Rolle fremdsprachiger Elemente kann in mehreren Situationen des Romans „Alle Tage“ festgestellt werden. Dabei hängen anderssprachige Äußerungen verschiedener Figuren auch mit Hinweisen auf einen mehrsprachigen Hintergrund der erzählten Geschichte zusammen. Auf diesen mehrsprachigen Hintergrund deuten im Werk inhaltliche Aspekte hin: Der Protagonist Abel Nema stammt aus einem Land, in dem ein Krieg ausgebrochen ist, 115 und fährt noch vor dessen Beginn in einen westlichen Staat, in dem er mehrere Jahre verbringt. Zum einen hat er sich auf den Weg gemacht, um seinen Vater zu finden, der seine Familie schon früher verlassen hat. Zum anderen konnte er nicht ertragen, dass seine Liebe von Ilia zurückgewiesen wurde. Er kann nicht mehr in der Stadt bleiben, durch deren Straßen sie zusammen gebummelt haben (siehe auch Siblewski 2006: 215ff., Kraft 2011: 182, Lengl 2012: 119f.). Nach seiner Abreise bricht der Krieg aus und Abel fährt nach einem kurzen Aufenthalt bei einer früheren Liebhaberin seines Vaters weiter in die Stadt „B“. Laut Propszt lebt er „in einem Raum des Dazwischen, als Flüchtling aus Osteuropa in einer westeuropäischen Metropole bzw. in einem entörtlichten Netzwerk“ (Propszt 2010). In dieser Metropole trifft er sich auch mit vielen Migranten, die aus verschiedenen Ländern kommen, und er begegnet auch Leuten, die aus seiner ehemaligen Heimat stammen. Der mehrsprachige Hintergrund, d.h. dass in der Großstadt „B“ viele Figuren eine unterschiedliche Muttersprache haben, wird u.a. mit der Verwendung des Ausdrucks Muttersprache in verschiedenen Kontexten veranschau- __________ 114 Siehe dazu auch Shafi (2013). 115 Aus den Formulierungen im Roman stellt sich nicht explizit heraus, um welchen Krieg es sich handelt (vgl. Interview mit T.M. S. 224). Siehe dazu auch Unterkapitel 8.2.1. Mehrsprachiger Hintergrund und Sprachkenntnisse von Figuren 121 licht. 116 Zur Darstellung des mehrsprachigen Romanhintergrundes, d.h. des multilingualen sozialen Milieus, tragen außerdem Elemente aus verschiedenen Sprachen bei, die von Figuren realisiert werden. Zu diesen Elementen können z.B. der vulgäre Ausdruck kurva und dessen Pluralform kurvák gezählt werden, die mehrmals in den Äußerungen der Migrantin Kinga auftreten. Kinga ist eine Frau, die sich gerne als Patin von Abel bezeichnet. Sie lernen einander in einem Zug kennen, in dem sie ihn mit Alkohol „tauft“: „Sie goss sich etwas Schnaps auf die Finger und, was tut sie da? , besprenkelte den verblüfften Jüngling. Ich taufe dich hiermit feierlich auf den Namen Abel Ausdemdickicht, im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes! “ (AT S. 136) 117 In der Situation, in deren Rahmen das oben dargestellte Ereignis passiert, ist Kinga mit ihren Freunden, den Musikern Janda, Kontra und Andre unterwegs, mit denen sie im Land, in dem auch Abel mehrere Jahre verbringen wird, Auftritte hat. Abel begegnet Kinga ein nächstes Mal ungefähr nach einem Jahr nach dieser Zugfahrt. Er hat inzwischen mit Professor Tibor B.s Hilfe ein Stipendium bekommen, arbeitet als Übersetzer und schreibt seine Dissertation im Bereich der „[k]omparativen Linguistik“ (AT S. 162). In der Darstellung der Situation, in der sie sich wiedersehen, verweist das Substantiv kurva, das in den Belegen Nr. 58 und Nr. 59 in ihre Fragesätze integriert wird, auf Kingas Sprache und ihren persönlichen Stil. Dieses Wort erscheint im Beleg Nr. 58 nämlich als Interjektion im Vorvorfeld des Fragesatzes „Kurva, Abelard, wo warst du so lange? “, der von Kinga realisiert wird, als sie Abel nach langer Zeit auf einer Party wiedersieht. (58) „Jetzt hielt sie inne, schob den verschwitzten Papphelm höher auf der Stirn, um besser zu sehen, wen, ihn, und ihn mit Anlauf anzuspringen: Kurva, Abelard, wo warst du so lange? “ (AT S. 134) [Hervorhebungen im Original] Im Beleg Nr. 59 tritt der Ausdruck kurva in derselben syntaktischen Position auf und dient ebenfalls der Veranschaulichung von Kingas Freude darüber, dass sie Abel wiedersieht. Hier taucht Kinga auf, als Abel mit seinem Stiefsohn Omar und seiner Scheinehefrau Mercedes an der See ist. Abel hat Kinga lange __________ 116 Siehe dazu das Unterkapitel 8.2.3. 117 Zum Namen „Abel Ausdemdickicht“ wurde in der Forschungsliteratur festgestellt, dass er ein intertextueller Bezug zum ungarischen Roman Ábel a rengetegben von Áron Tamási ist (vgl. z.B. Propszt 2010, Lengl 2012: 111, Tatasciore 2012: 233). Manifestationen der Mehrsprachigkeit in den ausgewählten Texten 122 nicht gesehen, deshalb rechnet er nicht damit, dass er ihr im Rahmen eines Freizeitprogramms mit seiner Scheinfamilie begegnet. Kinga wird an dieser Textstelle nicht benannt (am Anfang deuten nur das Personalpronomen sie und das Substantiv Frau auf sie hin), trotzdem kann der Leser aus dem Kontext und vor allem aus der Verwendung des Schimpfwortes kurva als Interjektion im Vorvorfeld des auf Deutsch wiedergegebenen Satzes erschließen, dass sie den Fragesatz Kurva, Abelard, was machst du hier? sagt. Somit trägt dieses Wort in der gegebenen Situation sowohl sprachlich als auch inhaltlich zur Identifizierung von Kingas Figur bei (vgl. auch Burka 2014b: 208). (59) „Mercedes ruinierte weit über die Hälfte der Bilder, weil sie spielte, dass sie eine stürmische Fotografin ist, damit die anderen beiden lachten, und sie lachten auch, weil irgend etwas an Abel Omars Ohr kitzelte. Du kitzelst! Auf die Taucherbrille des Jungen prasselten aufgewirbelte Sandkörner ein. Ein schöner Tag. Plötzlich: He! He! Bist du das? Kurva, Abelard, was machst du hier? […] Fotzedeinermutter, was machst du hier? “ (AT S. 297) [Hervorhebung im Original] Unter graphostilistischem Gesichtspunkt kann die kursive Hervorhebung dieses Lexems in den geschilderten Situationen ‒ wie schon früher gezeigt wurde ‒ über eine spezifische Funktion bzw. Zusatzinformation (Fix/ Poethe/ Yos 2001: 194) verfügen. Im Hinblick auf sprachliche Aspekte der Textumgebung kann die Hervorhebung hier zum einen darauf hindeuten, dass das Wort kurva ein Element einer anderen Sprache ist. Zum anderen kann die kursive Markierung zugleich darauf verweisen, dass dieses Wort von einer Figur realisiert wird und als ein wichtiges Element ihres Sprachgebrauchs erscheint. Demzufolge impliziert es Informationen über die Figur und über ihr soziales Umfeld. Die Pluralform des Lexems kurvák tritt hingegen in den Belegen Nr. 60, Nr. 61 und Nr. 62 bereits als Anredenominativ in Aufforderungssätzen auf, die von Figuren realisiert werden, die in Verbindung mit Kinga gebracht werden können. Sie fahren nämlich mit demselben Zug, mit dem auch Kinga und Abel zum Zeitpunkt ihres Kennenlernens gefahren sind. Dabei erscheint das anderssprachige Element als ein Hinweis auf die gemeinsame Sprache dieser Personen, wodurch eine Verbindung zwischen ihnen durch die Sprache zum Vorschein treten kann. In den Belegen Nr. 60 und Nr. 61 wird der Ausdruck im Zug gebrüllt, wodurch die Aufforderungssätze „KURVÁK, GEBT MIR WAS ZU TRIN- KEN! “ und […] „kurvák, gebt mir was! “ als die von einer Masse realisierten Äußerungen erscheinen, was sich auch aus dem Textkontext herausstellt. Dabei können die typographische Hervorhebung des Ausdrucks im Beleg Nr. 60 mit großen Buchstaben und das Ausrufezeichen als graphische Mittel der Veranschaulichung der Lautstärke interpretiert werden und dadurch in der ge- Mehrsprachiger Hintergrund und Sprachkenntnisse von Figuren 123 schilderten Situation den expressiven Charakter (Spillner 2009a: 1547) dieser Aufforderung betonen: 118 (60) „Die Heizung klemmte auf Volldampf, die Fester auf halbem Wege, von unten kam die Hitze, von oben die Kälte, der Zug ratterte, die Heizung ratterte, der Wind brüllte, alles brüllte, der ganze Zug war ein einziges Brüllen, die Lokomotiven und die Leute, sie feierten, stritten, weinten oder schrien einfach nur so: KURVÁK, GEBT MIR WAS ZU TRINKEN! “ (AT S. 135) [Hervorhebungen im Original] 119 (61) „Alles klebte vom ausgelaufenen Alkohol, man konnte auf der Decke laufen wie die Fliegen, die Finger machten kleine schmatzende Geräusche, wenn man sich über den Köpfen bis zu den sogenannten Toiletten vortastete, in denen es kein Wasser gab, im ganzen Zug gab es keinen Tropfen Wasser, alles war in Bewegung, hin und her, vom Ende des Zugs zum Anfang und wieder zurück, kurvák, gebt mir was! “ (AT S. 135) [Hervorhebung im Original] Die Hervorhebung des Aufforderungssatzes mit großen Buchstaben „KURVÁK, GEBT MIR WAS ZU TRINKEN! “ verweist im Beleg Nr. 62 ebenso darauf, dass diese Äußerung laut realisiert wird, wodurch zugleich visuell die Aufmerksamkeit der Leser auf die Aufforderung und auf das ungarische Element gelenkt wird. Diese Äußerung erscheint hier im Rahmen einer von Kinga und den Musikern veranstalteten Party, in deren Schilderung die Kursivsetzung der ungarischen Pluralform kurvák ebenso darauf deutet, dass es hier um Elemente aus einer anderen Sprache geht, die in Form einer direkten Redewiedergabe, d.h. in Äußerungen von Figuren erscheinen. (62) „Sie hatten sich etwas mehr als ein Jahr, nachdem er aus dem Zug ausgestiegen war, wiedergetroffen, ein Zufall oder nicht. Wie war er in dieses universitätsnahe Kultur-und-Gastronomieobjekt geraten, vielleicht ein Programmhinweis über Radio Konstantin, vielleicht suchte er auch nur eine Toilette. […] Er müsste durch all das hindurch. Jetzt entscheidet es sich, gleich dreht er sich um und geht, als plötzlich: KURVÁK, GEBT MIR WAS ZU TRINKEN! “ (AT S. 140) [Hervorhebungen im Original] __________ 118 Die Aufforderung im Beleg Nr. 61 wird typographisch nur durch ein Komma von den anderen Elementen des Belegs getrennt. Durch diese Art der Integration der Aufforderung in die Beschreibung der Umstände entsteht m.E. gleichzeitig der Eindruck, dass die Geschwindigkeit der Erzählung erhöht wird. 119 Die Verwendung des ungarischen Schimpfwortes verweist nach Lengl darauf, dass Abels Vatersprache Ungarisch ist (vgl. Lengl 2012: 111). Manifestationen der Mehrsprachigkeit in den ausgewählten Texten 124 In die Rede von Kinga und von den Musikern werden neben den oben dargestellten Elementen auch andere vulgäre Ausdrücke und Schimpfwörter integriert, zu denen z.B. die Konstruktion Fotzedeinermutter gehört. Hier integriert die Autorin die deutsche Übersetzung einer Beschimpfung aus einer anderen Sprache in die Redewiedergabe der Figuren (Tatasciore 2009: 59). Ihre Verwendung betreffend ist festzustellen, dass diese Art der Schimpfwörter im Beleg Nr. 59 und Nr. 63 ebenso zur Darstellung des Stils ihrer Sprecher beiträgt. Dabei verweist im ersten Fall das von Kinga realisierte Schimpfwort auf Freude, im zweiten Fall das von Kontra angefangene vulgäre Element auf Wut, d.h. der Ausdruck wird für unterschiedliche Gefühle angewandt: In der Situation, in der Kinga diesen Ausdruck benutzt, freut sie sich darüber, dass sie Abel an der See wieder sieht. In diesem Fall kann ich also diesen Ausdruck als eine sprachliche Manifestation der Überraschung und ihrer Freude interpretieren. Dass aber die Konstruktion Fotzedeinermutter in erster Linie in solchen Kontexten verwendet wird, in denen Wut seitens der Figuren ausgedrückt wird, zeigt sich darin, dass der Musiker Kontra die Konstruktion benutzt, als er wegen des Fehlens seines Sakkos aufgeregt ist. Diese Elemente können ferner bei der Veranschaulichung von Identitätskomponenten von Figuren mitwirken, indem sie auch durch die Verwendung dieser Ausdrücke im Hinblick auf ihren Sprachgebrauch charakterisiert werden: 120 (63) „Später, als es etwas heller wurde, hielten sie an, verbanden endlich Andres Wunde. Anschließend wurde es langsam Zeit für eine Zigarette. Kontra suchte sein Sakko im Kofferraumwust und: Oh, Fotzedeiner… Janda: Was ist? Kontra lieh sich eine Zigarette, bevor er antwortete: Übrigens hat der Junge meine Jacke mitgenommen. Mein Tabak ist drin. Und, ach ja, meine Papiere.“ (AT S. 244f.) Diese Elemente benutzen des Weiteren auch einige Jugendliche, die eine Gruppe bilden. Durch die Integration vulgärer Ausdrücke in ihre Rede erfolgt dabei die Abbildung von Gewalttätigkeit auf der lexiko-semantischen Ebene des Textes; die Ausdrücke charakterisieren zugleich die Sprecher: __________ 120 Siehe auch z.B. Eroms’ (2003) Untersuchung in Bezug auf die Charakterisierung von Figuren mithilfe von dialektalen und regionalen Elementen. Mehrsprachiger Hintergrund und Sprachkenntnisse von Figuren 125 (64) „Fotzedeinermutter, sagte Kosma. Standen da, mit dem Gesicht dicht hinter dem Maschendraht. Leckmichamarsch, sagte Kosma. Ich bin schwer beeindruckt. Er lachte. Haben sie den Perversen in die Soße getunkt! Dann wurde er ernst […]“ (AT S. 194) (65) „Endstation, sagte der Fahrer, und als sie fragten, wann der nächste käme, sagte er, Schwarzfahrern gebe er keine Auskunft. Türen zu. Fotzedeinerhurenmutter, verdammtes Arschloch, ich brech’ dir die Zähne raus und stopf sie dir in den Rachen wie einer beschissenen Gans! “ (AT S. 201) Neben Abel Nema, auf dessen sprachliches Talent im Unterkapitel 7.5.4 fokussiert wird, treten im Roman auch andere Figuren auf, die über besondere sprachliche Kenntnisse verfügen oder verfügten. Eine solche Figur wird ihm eben wegen dieser besonderen Kenntnisse vorgestellt: Abels besondere sprachliche Fähigkeiten haben nämlich neben vielen Figuren in seiner Umgebung auch das Interesse von Forschern erweckt, die sein Gehirn untersuchen möchten. Der Teamleiter, um den Protagonisten über die Mitwirkung bei einer solchen Untersuchung zu überzeugen, stellt ihm einen anderen mehrsprachigen Mann vor, der ebenso im Projekt beteiligt ist. Seine Sprachkenntnisse werden im Text durch eine ungarische Beschimpfung und einen englischen derben Ausdruck fuck you markiert. Im Falle des ungarischen Ausdrucks können Abweichungen in der Schrift festgestellt werden. Der richtig geschriebene Ausdruck wäre „baszd meg“, der die ungarische Entsprechung des englischen Ausdrucks fuck you ist. Dieser ungarische Ausdruck wird jedoch im Roman so wiedergegeben, als ob Herr L. ihn stotternd aussprechen würde, der dabei nach der Aussprache im Text wiedergegeben wird: (66) „Herr L. kommt aus der Schweiz, ein ehemaliger L 5 -Sprecher, davon decken sich vier mit von Ihnen gesprochenen Sprachen. B-b-b-b, sagte Herr L. Seine Augen standen vor Anstrengung weit hervor. B-b-bb. B-b-b-bazmeg, fuck you, mein Sohn. Er nickte, rollte mir den Augen. Verstehst du? Bazzmmm -“ (AT S. 304) [Hervorhebungen im Original] Die englische Formulierung fuck you tritt gegen Ende des Romans in einer ähnlichen Situation auf, in der der Arzt über Abels Aphasie-Situation (vgl. Unterkapitel 6.3) berichtet. Mercedes und ihr Sohn werden hier darüber informiert, was Abel passierte und wie sich sein Zustand in der Zukunft verbessern könnte. Er kann in der geschilderten Situation nur den Satz „Das ist gut! “ aussprechen, dem im folgenden Beleg der englische Ausdruck vorausgeht, der sprachlich auf Aufgeregtheit hindeuten kann: Manifestationen der Mehrsprachigkeit in den ausgewählten Texten 126 (67) „Ein Teil des Sprachvermögens lässt sich mit der Zeit meist wieder herstellen. Allerdings, so etwas wie das hier, eine Zehn-Sprachen-Aphasie, hatten wir noch nie. Das ist eine große Herausforderung für uns. (Fuck you! ) Das ist gut! “ (AT S. 428) Zu den Elementen aus anderen Sprachen, die in der Rede von Figuren vorkommen, kann auch das englische Adjektiv Disgusting gezählt werden, das im Text mit großem Anfangsbuchstaben geschrieben wird und in der geschilderten Situation als ein weiteres sprachliches Merkmal der Aufgeregtheit interpretiert werden kann. Dieses Wort erscheint in der Rede eines Migranten namens Pal, der ebenso wie Abel bei Konstantin wohnt. Das Adjektiv wird dabei in den Beitrag des heterodiegetischen Erzählers integriert, als er über Pal erzählt. Die kursive Hervorhebung und das Ausrufezeichen nach dem englischen Lexem verdeutlichen dabei auch typographisch, dass das Wort von einer Figur mit großer Aufregung realisiert wird: (68) „Das wäre ja noch gegangen, aber diesmal, nach stundenlangem Gemurmel aus dem Wohnzimmer, dass einem sogar das Pissengehen verleidet wird, fand Pal zusätzlich den Abdruck einer fettigen Stirn und einer Nase an der Scheibe vor. Mit einem Disgusting! - er fluchte gerne englisch - verschwand er wieder in seinem Zimmer.“ (AT S. 111) [Hervorhebung im Original] 7.5.2 Häufig vorkommende Elemente aus dem Englischen im deutschen Kontext Als Elemente, die aus der englischen Sprache übernommen wurden, erscheinen im deutschsprachigen Kontext auf der lexikalischen Ebene sowohl umgangssprachliche (wie z.B. die Komposita Pokerface und talking heads) als auch einige der oben aufgezeigten vulgären Ausdrücke (z.B. fuck you). Sie erscheinen sowohl in den Äußerungen des Erzählers als auch in der Gedankenwiedergabe des Protagonisten und in der Darstellung von Figurenäußerungen. Viele werden (das Kompositum Pokerface im Beleg Nr. 69, das Substantiv Air im Beleg Nr. 71, die Pluralform des Substantivs Drink im Beleg Nr. 72, die Pluralform des Substantivs Lover im Beleg Nr. 73 und die Pluralform des Substantivs Song im Beleg Nr. 74) mit großen Anfangsbuchstaben geschrieben. Diese Schreibweise ergibt sich daraus, dass sie Anglizismen sind. Auf ihre häufige Verwendung in der deutschsprachigen Kommunikation deutet auch die Art ihrer Integration in die jeweiligen Kontexte hin. Im Falle der Pluralform des Substantivs Lover kann z.B. die Verwendung der Endung -n beobachtet werden, die den Kasus (Dativ) nach der Präposition mit bezeichnet und durch die das Substantiv morphologisch integriert wird. Mehrsprachiger Hintergrund und Sprachkenntnisse von Figuren 127 (69) „Janda, Pokerface, kostete, klopfte den Löffel am Topf ab, rief: An den Trog! “ (AT S. 138) [Hervorhebung von B.B.] (70) „Er war, außer dem Künstler und einer jungen Frau, die ihre Diplomarbeit darüber schrieb, der einzige Mensch, der sich ausnahmslos jede der Geschichten in einer 42 talking heads umfassenden Installation zu Ende anhörte.“ (AT S. 160) [Hervorhebung von B.B.] (71) „Es war der Geruch des Mannes neben ihr, nicht konkret, eher so etwas wie das Air seiner Anwesenheit, und plötzlich sagte sie leise, und ohne ihn dabei anzuschauen […]“ (AT S. 280) [Hervorhebungen im Original] (72) „Zähle lieber die Drinks, bevor du jemandem einen Heiratsantrag machst.“ (AT S. 281) [Hervorhebung von B.B.] (73) „Nach dem enttäuschenden Sommer, dem Auszug des Kindes und einigen anschließenden unseriösen Versuchen mit jüngeren Lovern, kam Kinga zum Schluss […]“ (AT S. 289) [Hervorhebung im Original] (74) „Die Songs meines Vaters haben meinen Vater erzogen“ (AT S. 371) [Hervorhebung von B.B.] 7.5.3 Konstantin und das Französische Im Roman taucht neben Kinga und ihren Freunden auch Konstantin Tóti als Migrant auf, der Abel nach seiner Ankunft in der Stadt „B“ eine Unterkunft anbietet. Es stellt sich heraus, dass er, obwohl er schon seit einem Jahr in der Stadt bzw. im Land lebt, die „Landessprache“ nicht besonders gut beherrscht. Das wird an der folgenden Stelle auch sprachlich versinnbildlicht, indem in der Redewiedergabe von Konstantin Ellipsen erscheinen: (75) „So lernte Abel Konstantin T. kennen. Er schien eine Vorliebe fürs Französische zu haben, aber abgesehen davon, war von seinem Monolog, ehrlich gesagt, nicht allzu viel zu verstehen. Er sprach, obwohl schon ein Jahr hier, die Landessprache nicht besonders gut. Gerade mal das Wesentliche. Du Hunger? Essen? Eier und das hier? “ (AT S. 96) Im obigen Beleg erläutert die heterodiegetische Erzählerstimme, dass Konstantin die französische Sprache mag. Seine „Vorliebe“ für diese Sprache wird auf der lexiko-semantischen Ebene an weiteren Stellen des Romans durch die Integration französischer Elemente in seine Äußerungen veranschaulicht, die auch typographisch hervorgehoben werden. Durch diese Markierung entsteht Manifestationen der Mehrsprachigkeit in den ausgewählten Texten 128 der Eindruck, dass die Kursivsetzung des französischen Adverbs voilà und des Substantivs monsieur im folgenden Ausschnitt zum einen darauf hindeutet, dass diese Elemente in einer anderen Sprache, also auf Französisch geäußert werden. Sie kann neben der Verwendung von Ihr zum anderen markieren, dass sie von der Figur Konstantin gesprochen werden und die autonome zitierte Rede kennzeichnen: 121 (76) „Der vertrauenswürdige Konstantin trug seit mittlerweile zwei Monaten den Schlüssel für diesen Raum bei sich, hier, in meiner Hosentasche, um ihn gegebenenfalls weiterzugeben, wozu es bis jetzt allerdings nicht gekommen sein konnte. In diesem Sinne: Voilà, Monsieur, Ihr Zimmer.“ (AT S. 95) [Hervorhebungen im Original] 7.5.4 Abel Nemas Mehrsprachigkeit 7.5.4.1 Elemente anderer Sprachen Durch Lexeme aus verschiedenen anderen Sprachen tritt im Roman auch die Mehrsprachigkeit der Hauptfigur zu Tage. Sie erscheint auf der sprachlichen Ebene im Beleg Nr. 77 durch die ungarischen, englischen, französischen und russischen Versionen der Substantive Semmel und Butter sowie durch die ungarischen und englischen Versionen des Substantivs Löffel, durch die seine sprachlichen Fähigkeiten explizit zum Ausdruck kommen (siehe auch Burka 2011: 69). Diese Lexeme sind Teil von Abels Gedankenwiedergabe, als sich Professor Tibor B. nach seinen sprachlichen Kenntnissen erkundigt. Die Art ihrer Integration veranschaulicht dabei ebenfalls inhaltliche Informationen: Ihre asyndetische Verbindung zeigt, dass diese Lexeme für die Sprachen stehen, die Abel beherrscht (vgl. auch Lengl 2012: 111). Er zählt nämlich zuerst nicht die Sprachen auf, die er spricht, sondern diese Sprachen treten durch die Realisierung der Bezeichnungen der Objekte in seiner Gedankenwiedergabe hervor, __________ 121 In der Darstellung von Konstantins Rede kann im Roman an mehreren Stellen beobachtet werden, dass plötzlichen Satzabbrüchen neue Gedanken folgen, deren Inhalte gerafft wiedergegeben werden. Demzufolge werden sie mehrmals nur mit „Schlagwörtern“ markiert. Dadurch wird zum einen veranschaulicht, dass sie Konstantins Rede kennzeichnen. Zum anderen werden die „Schlagwörter“ in der Darstellung von Konstantins Redebeiträgen als Mittel einer ironisierenden Darstellung verwendet (vgl. Interview mit T.M. S. 229). Mehrsprachiger Hintergrund und Sprachkenntnisse von Figuren 129 die er eben sieht. 122 Da er in der dargestellten Situation eben eine Semmel in der Hand hält, werden seine Sprachkenntnisse zuerst durch die Benennung dieses Objektes in verschiedenen Sprachen gezeigt: (77) „Ursprünglich, sagte er schließlich, zu Hause hätte er Lehramt studiert. Was? Geographie und Geschichte ohne besonderes Interesse. Aber das kam nicht mehr in Frage. Ich könnte alles und nichts zum Ersten Weltkrieg sagen. Die Rohstoffvorkommen. Vielleicht lieber etwas mit Sprachen. Aha. Was können Sie? Die Semmel in der Hand des Jungen erzitterte, er legte sie hin, es hatte sowieso alles keinen Wert. Er dachte nach. Er dachte: Semmel, zsemle, roll, petit pain, bulotschka. Dachte vaj, Butter, butter, maslo, beurre. Dachte… Was das mit dieser neuen Fähigkeit war, war noch nicht genau zu wissen. Etwas kulminierte, Worte, Fälle, Syntagmen, aber es ging häufig zwischen den Sprachen hin und her, ich fange russisch an und ende französisch. Das ist noch gar nichts, das wurde ihm jetzt klar, er konnte nichts beweisen oder vorführen, ein großes Durcheinander, das war alles. Und dann sagte er: Die Muttersprache, die Vatersprache sowie drei internationale Konferenzsprachen. Also, sagte Tibor. Das ist doch schon was. Löffel, kanál, spoon. Ich habe keine Sätze, nur Worte.“ (AT S. 89f.) [Hervorhebung im Original] Als Träger der obigen Funktion - der Veranschaulichung von Abels Mehrsprachigkeit - können ferner im nächsten Ausschnitt die englischen, niederländischen, französischen und italienischen Versionen des Adjektivs neu angesehen werden, die ebenfalls in Form einer asyndetischen Aufzählung in seiner Gedankenwiedergabe erscheinen: (78) „Ein Zentrum, wie er es kannte, er hätte dort nach einem Job fragen können - Sicherheitshalber sagst du, du kannst nur vier Sprachen, maximal sechs, damit man dich nicht für einen … hält -, und siehe, wieder eine Möglichkeit, ein neues Leben zu beginnen. New, nieuw, nouvelle, nuovo --- Aber er wollte hier keinen Job haben“ (AT S. 340). __________ 122 Die ungarischen Elemente werden auch in der Untersuchung von Lengl als Beweis für die ungarische Vatersprache des Protagonisten angesehen (vgl. Lengl 2012: 111). Dadurch, dass die Wörter Semmel und Butter in verschiedenen Sprachen angegeben werden, wird veranschaulicht, welche Sprachen Abel „bei seiner Ankunft im deutschsprachigen Raum bereits beherrscht“ (vgl. Lengl 2012: 111). Manifestationen der Mehrsprachigkeit in den ausgewählten Texten 130 Die Mehrsprachigkeit der Hauptfigur wird ferner durch französische Elemente (im Beleg Nr. 79 durch das Personalpronomen je und das finite Verb sais [1. Person, Singular] bzw. im Beleg Nr. 80 durch die Präposition à, das Indefinitpronomen chacun, das Possessivpronomen sa und das Substantiv part) in seiner Rede gekennzeichnet. Der französische Satz steht im ersten Fall für Abels Reaktion auf Omars Frage. Der zweite Satz erscheint hingegen in einem inneren Monolog von Abel und hat neben seiner sprachlichen auch eine intertextuelle Funktion. 123 (79) „Wenn wir schon dabei sind, sagte Omar nach einer Weile: Im Grunde interessiere ich mich nicht für Sprachen. Ich kann sie lernen, aber ich habe keinerlei Gefühl für sie. Je sais, sagte Abel. Das macht nichts. Lächeln.“ (AT S. 347) [Hervorhebung von B.B.] (80) „Du wartest geduldig. Man kann dich nicht mehr beleidigen, noch ist es nötig, sich zu entschuldigen. Du weißt alles über mich. Du hast Recht, ich werde nicht weinen. Ich hole die letzten zwei Münzen aus meiner Tasche. Eine davon gehört dir. À chacun sa part, sage ich und lege sie in deine Hand“ (AT S. 400). [Hervorhebung von B.B.] Ebenso verweist der englische Aussagesatz I᾿m puzzled im Beleg Nr. 81 (Personalpronomen, Verb, Partizip II (past participle)) auf Abels Sprachkenntnisse, durch den im Hinblick auf den Kontext auch seine Zerrissenheit, d.h. in diesem Fall ein Aspekt seines seelischen Zustandes, ausgedrückt werden kann: (81) „Wo ist mein Bein, mein Kopf, meine Hand. Ist dieses versteinerte Glied meins? […] Das ist nicht meine Wade, das sind nicht meine Hoden, diese Brüste nehme ich gern. Wenngleich die meisten Teile mit Styropor ergänzt worden sind. Überall Risse. I’m puzzled.“ (AT S. 359) 7.5.4.2 Künstliche Sprachenmischung Als Erscheinungsformen der Mehrsprachigkeit gelten weiterhin neben den in diesem Kapitel behandelten authentischen Elementen aus anderen Sprachen Ausdrücke, die als künstliche Sprachenmischungsphänomene im Roman „Alle __________ 123 À chacun sa part wird von Lengl (2012: 87) in ihrer Untersuchung als eine „sprichwörtliche Übertragung aus der Bibel“ und demensprechend als Element der christlichen Symbolik behandelt. Mehrsprachiger Hintergrund und Sprachkenntnisse von Figuren 131 Tage“ aufgefasst werden können. Durch sie wird u.a. der Vorgang in Abel Nemas Gehirn geschildert, wie er Elemente unterschiedlicher Sprachen miteinander mischt. Durch diese Mischung entstehen aber in vielen Fällen keine authentischen Ausdrücke. Die künstliche Sprachenmischung manifestiert sich z.B. in Konstruktionen, die Abel nach dem Gasunfall benutzt, den er in Boras Haus erlitten hat. Als er im Krankenhaus wieder zu sich kommt, formuliert er Ausdrücke, die weder die Krankenschwester noch die drei Patienten verstehen, die mit ihm in einem gemeinsamen Zimmer sind. Obwohl aus dem Text hervorgeht, dass die Krankenschwester einige deutsche und russische Wörter in seiner Rede identifizieren kann, versteht sie den Rest nicht. Ferner stellt sie fest, dass der Junge auch Elemente der „Landessprache“ verwendet. Allerdings geht nur aus der ungarischen Übersetzung des Romans explizit hervor, dass die „Landessprache“ für das Ungarische steht. Diese Äußerungen, die aus der Mischung von verschiedenen Sprachen entstehen, veranschaulichen auf der sprachlich-thematischen Ebene das Nebeneinander bzw. die Mischung der Sprachen in Abels Gehirn nach dem Gasunfall. Ihm ist nämlich durch den Unfall ein „Wunder […] widerfahren“ (AT S. 75), er hat sich besondere sprachliche Fähigkeiten verschafft und kann Sprachen sehr schnell erlernen. Die von ihm erzeugten Sprachenmischungsphänomene werden im Text kursiv hervorgehoben, wodurch seine besonderen Äußerungen von den Stimmen der anderen Figuren abgehoben werden. Ihre typographische Markierung verweist in der gegebenen Situation ferner darauf, dass die vom Jungen realisierten Äußerungen aus Elementen verschiedener Sprachen entstehen: (82) „Prime bjen esasa ndeo, sagt der Junge. Prime. Was? Songo. Nekom kipleimi fatoje. Pleida pjanolö. Was sagt er? Hören Sie, Schwester? […] Deutsche, russische Wörter. Die anderen verstehe ich nicht. In der Landessprache ist auch was dabei. […] Manchmal sind Wörter zu verstehen, aber insgesamt… Avju mjenemi blest aodmo. Bolestlju. Ai.“ (AT S. 72) [Hervorhebungen im Original] Sprachenmischungsphänomene verwendet Abel später auch vor Omar, als sie sich kennenlernen. Mercedes’ Sohn möchte nämlich hören, welche Sprachen Abel spricht und bittet ihn, etwas in einer anderen Sprache zu sagen. So werden die kursiv hervorgehobenen Zeilen im Beleg Nr. 83 thematisch eingeleitet: (83) „Und jetzt, sagte Omar, als sie auf seinem Bett saßen, sag was. Njeredko acordeo si jesli nach mortom, sagte Abel. Od kuin alang allmond vi slavno ashol. Manifestationen der Mehrsprachigkeit in den ausgewählten Texten 132 Aha, sagte Omar. Ich möchte Russisch lernen. Kannst du das auch? “ (AT S. 167) [Hervorhebungen im Original] Während im Beleg Nr. 82 das Phänomen von Abels Sprachenmischung durch einen Gasunfall ausgelöst wurde, scheint es im Beleg Nr. 84 so, dass eine Pille dieses Phänomen verursacht hat. Abel ist in einen Nachtklub namens „Klapsmühle“ gegangen, in dem er seine Zeit heimlich gern verbringt. Die kursiv hervorgehobene Äußerung wird von ihm in diesem Klub nach dem Trinken eines Getränks realisiert, in das ein „Lustknabe“ eine Pille fallen ließ (AT S. 33), obwohl er später behauptet, dass sie nur ein Süßstoff war: (84) „Tunne sa belesi houkutenel smutni filds.“ (AT S. 33) [Hervorhebungen im Original] Diese von Abel produzierten Sprachenmischungsphänomene werden vorwiegend aus Elementen der zehn Sprachen zusammengesetzt, die er beherrscht. In dieser Kauderwelsch-Sprache sind auch im Beleg Nr. 85 ungarische Wörter zu finden, wie z.B. die ungarischen Substantive bánat und vér, deren Bedeutung auf Deutsch „Trauer“ und „Blut“ ist: (85) „Min bánat engele for Ki häret sillalla tur On vér quio vivír Mu kor arga kun tier“ (AT S. 407) [Hervorhebungen von B.B.] In diesem Ausschnitt wurde im Weiteren die Konstruktion bánat engele wahrscheinlich aus dem ungarischen Ausdruck bánat angyala (auf Deutsch: „Engel der Trauer“) kreiert (vgl. auch Burka 2011: 73). Meines Erachtens ist hier ein grammatisches Merkmal einer anderen Sprache in der neuen Konstruktion zu bemerken: Das possessive Personalsuffix wird im ungarischen Substantiv angyal (auf Deutsch Engel) mit der Endung -a ausgedrückt. Dementsprechend bedeutet der ungarische Ausdruck angyala auf Deutsch „Engel von etwas“. In der künstlichen Sprachenmischung wird dieses Merkmal, das für die ungarische Sprache charakteristisch ist, auch in der Konstruktion engele in Form der Endung -e verwendet. Demzufolge nehme ich an, dass die Konstruktion bánat engele „Engel der Trauer“ (auf Ungarisch bánat angyala) bedeutet. 124 Im __________ 124 Die Autorin hat bei der Herstellung der künstlichen Sprachenmischungsphänomene bei solchen Sprachen, die sie nicht beherrscht, Wörterbücher benutzt und Sätze „gebastelt“. Sie konnte aber nicht über alle Elemente sagen, aus welchen Sprachen sie sie kreiert bzw. genommen hat (vgl. Interview mit T.M. S. 227). Deshalb Mehrsprachiger Hintergrund und Sprachkenntnisse von Figuren 133 Hinblick auf die typographische Hervorhebung der meisten Konstruktionen (außer im Beleg Nr. 85) gehe ich davon aus, dass die Kursivschrift darauf hindeutet, dass sie künstlich hergestellte Ausdrücke sind, die von Abel realisiert werden. Somit erscheinen sie oft in der Redewiedergabe von ihm. Lengl sieht ferner in dem Vierzeiler, der von Abels Scheinehefrau Mercedes und seiner „Patin“ Kinga vorgetragen wird, die „Vereinigung der zwei weiblichen Figuren [Mercedes und Kinga − B.B.] und ihrer Sprachen bzw. kulturellen Gedächtnisse“ (Lengl 2012: 123). Mercedes stehe gleichsam „stellvertretend für das deutschsprachige kulturelle Gedächtnis“ und Kinga „für das kulturelle Gedächtnis der ungarischen Sprache“ (Lengl 2012: 122). 125 Zu einer besonderen Gruppe von Äußerungen gehören neben den Phänomenen, die die Mischung verschiedener Sprachen veranschaulichen, auch Konstruktionen, die aus der Verwechslung der Reihenfolge von Buchstaben bestimmter Wörter entstehen. Im folgenden Beleg wird als ein Beispiel für dieses Phänomen der Ausdruck Gantetu angeführt, in dem die Buchstaben der Begrüßungsform Guten Tag umgestellt wurden, worauf auch die frühere Verwendung der Begrüßung hindeutet: (86) „Guten Tag. Humtemt. Oder Gantetu.“ (AT S. 304) [Hervorhebungen im Original] 7.5.5 Verschiedene Orte ‒ verschiedene Sprachen Sprachwahl im Hinblick auf die dargestellten Orte Eine andere Form der Mehrsprachigkeit ist im Roman des Weiteren an Stellen festzustellen, an denen „Geschehnisse dargestellt werden, deren Sprachen den national kodifizierten Ort verlassen“ (Lengl 2012: 26). Dementsprechend tragen zum mehrsprachigen Hintergrund der erzählten Geschichte nicht nur Elemente anderer Sprachen bei, die die Sprachenvielfalt in der Darstellung der Gegenwart veranschaulichen, sondern auch die Textstellen, die laut Lengl Abels „anderssprachige Vergangenheit“ in der angewandten Sprache, d.h. auf Deutsch, wiedergeben (Lengl 2012: 27). Darauf, dass der Ort der Handlung in bestimmten Kapiteln „kein deutschsprachiger ist“ (Lengl 2012: 27) bzw. dass „der Ort der Handlung ein anderer Sprachraum ist“ (Lengl 2012: 110), verweisen __________ konzentriere ich mich in der Arbeit im Rahmen der „künstlichen Sprachenmischung“ nur auf die oben genannten ungarischen Elemente. Es wird anhand dieser Elemente aufgezeigt, dass in den künstlich hergestellten Sätzen auch Elemente einer anderen Sprache vorkommen, die Manifestationen der Mehrsprachigkeit sind. 125 Zur „anonyme[n] Sprache“ des Vierzeilers siehe Lengl (2012: 123). Manifestationen der Mehrsprachigkeit in den ausgewählten Texten 134 dabei inhaltliche Aspekte, wodurch in diesem Fall eine andere Sprache unter inhaltlichem Gesichtspunkt im Roman anwesend ist. Hierher gehören u.a. solche Teile des Romans, deren Handlungsort die ehemalige Heimat von Abel ist, in der die Kommunikation der Thematik entsprechend nicht auf Deutsch geschieht. Obwohl diese Stücke der Vergangenheit des Protagonisten auf Deutsch im Werk erscheinen, tragen sie im sprachlich-thematischen Sinne zur Mehrsprachigkeit der dargestellten Geschichte bei: Durch die Sprache der Darstellung (Deutsch) wird Abel Nemas Vergangenheit mit seiner Gegenwart in Beziehung gesetzt (siehe Lengl 2012: 27, 110). 7.5.6 Französische Elemente als Verweis auf den Aufenthaltsort des Gesprächspartners Im Roman „Der einzige Mann auf dem Kontinent“ werden Elemente aus anderen Sprachen sowohl eingeleitet als auch uneingeleitet in die Textkontexte integriert. Neben den von Kopp und seinen Chefs realisierten englischen Ausdrücken tragen auch solche Elemente zur Veranschaulichung einer globalisierten Welt bei, die darauf verweisen, dass verschiedene Figuren mehrere Sprachen beherrschen oder in Zentren der Firma in anderen Ländern arbeiten. So erscheinen auch französische Lexeme in Kopps Äußerungen als Einsprengsel, wenn er mit seinem Kollegen Bernard telefoniert, der in Paris arbeitet. Das französische Verb merci im nächsten Beleg verweist in der gegebenen Situation darauf, dass der Gesprächspartner Bernard in Paris ist. Daneben deutet der auf Französisch ausgesprochene Vorname Dariüs ebenfalls auf die Sprache von Bernard hin, indem diese Form seine Aussprache veranschaulicht, obwohl das Gespräch zwischen den Gesprächsparteien nicht auf Französisch geführt wird: (87) „Ans Telefon ging Bernard, es war sein Handy. Überspringen wir die lange Begrüßungsphase. Wie es Bernard ging, wie es Dariüs ging. Beiden gut, Bernard war gerade dabei, etwas Neues aufzuziehen. Kopp hatte davon gehört. Er wünschte alles Gute. Bernard dankte und hoffte… bzw. war sich sicher, vielleicht kann man einmal kooperieren… Ja, Bernard, Merci, Bernard…“ (DeM S. 281f.) 7.5.7 Träger der sprachlichen Andersheit Zu den Elementen, durch die im deutschsprachigen Text das Französische hervortritt, kann auch der Ausdruck Je t’ai à la bonne im nächsten Beleg gezählt werden, der zugleich auf eine sprachliche Andersheit hinweist. Der franzö- Mehrsprachiger Hintergrund und Sprachkenntnisse von Figuren 135 sische Ausdruck erscheint in Form einer zitierten Redewiedergabe, durch den das von der Figur Stavridis Gesagte veranschaulicht wird. Stavridis ist ein guter Bekannter und Kollege von Kopp, der im folgenden Ausschnitt diese französischen Wörter während eines auf Deutsch geführten Gesprächs realisiert. Die sprachliche Andersheit des französischen Ausdrucks lässt sich dabei inhaltlich darin feststellen, dass im darauffolgenden deutschen Relativsatz Kopps Nichtverstehen des fremdsprachigen Satzes ausgedrückt wird: (88) „Ich kann dich gut leiden, sagte Stavridis. Genauer gesagt sagte er: Je t’ai à la bonne, was Kopp natürlich nicht verstand.“ (DeM S. 150) Die sprachliche Andersheit kann ferner durch die Integration von Elementen eines anderen Schriftsystems in den deutschsprachigen Textkontext hervorgerufen werden. Als Träger dieser sprachlichen Andersheit werden im Beleg Nr. 89 die griechischen Schriftzeichen aufgefasst, deren Bedeutung nicht auf Deutsch, d.h. in der Sprache des Textkontextes, erklärt wird. Neben dieser Wirkung erfüllen die hier angeführten griechischen Elemente die Funktion, die Herkunft der Figur, von der sie realisiert werden, sprachlich zu markieren: (89) „Wenig später bekam er die französische Schweiz dazu, Frankreich und der Mittelmeerraum kamen zu London und das Büro in Paris wurde geschlossen. έτσι είναι η ζωή, sagte Aris Stavridis.“ (DeM S. 150) Als eine weitere lexikalische Manifestation des sprachlich ‚Anderen‘ kann das Kompositum bodymilk im Erzählband „Seltsame Materie“ angesehen werden, indem im deutschen Satz, in dem das Wort vorkommt, die Außergewöhnlichkeit des englischen Kompositums inhaltlich durch die Reflexion der Ich-Erzählerin ausgedrückt wird, wodurch auch die sprachliche Andersheit dieses Ausdrucks aus ihrem Blickwinkel zur Geltung kommt. 126 Obwohl es in diesem Fall nicht um ein Nichtverstehen des Ausdrucks geht, wird seine besondere Art von der Ich-Erzählerin hervorgehoben, die darin besteht, dass sie ein neues Element aus einer anderen Sprache kennenlernt: (90) „Sie ist so groß und laut, man kann sie nicht übersehen oder vergessen, man muß sie immer anstarren, ihren feisten Körper, dem stetig Hitze entströmt und ein Geruch nach Schweiß, Nylonhauskittel und Aprikosen. Und ihre Ellbogen, diese zwei rissigen Kreise in der Mitte ihrer Arme, die so schwarz sind wie der __________ 126 Das englische Kompositum wird in diesem Fall auch von Hermann (2007: 188) als ein „Fremdkörper“ im deutschsprachigen Textkontext interpretiert. Manifestationen der Mehrsprachigkeit in den ausgewählten Texten 136 Teer an meinen Füßen. Die Frau, von der ich das erste Mal in meinem Leben das Wort bodymilk gehört habe“ (SM S. 121) Anhand der hier angeführten Beispiele und deren Deutung unter sprachlichen Gesichtspunkten kann gesehen werden, dass die in Texten verwendeten Elemente anderer Sprachen unterschiedliche Funktionen übernehmen können. Die Analyse bestätigte, dass verschiedene Aspekte darauf einen Einfluss ausüben, unter denen sowohl der Inhalt als auch die sprachliche Veranschaulichung der untersuchten Ausdrücke bzw. ihrer Textkontexte wichtig sind. Es konnte gezeigt werden, dass neben den Situationen, in denen sie vorkommen, es auch von Bedeutung ist, von welchen Figuren die anderssprachigen Wörter und Sätze geäußert werden, weil die Figuren nicht nur durch die Informationen charakterisiert werden, die über sie aus der Perspektive des Erzählers oder anderer Figuren zu lesen sind. Auch ihre Rede- und Gedankenwiedergabe trägt zu ihrer Charakterisierung bei (siehe auch Unterkapitel 3.5.3) und kann veranschaulichen, welche Rolle verschiedene Sprachen in ihrem Leben erfüllen. Bezüglich Abels Mehrsprachigkeit kann z.B. gesehen werden, dass er seine Gabe in erster Linie für seine Arbeit benutzt. Obwohl er dank seiner Sprachkenntnisse viele Menschen aus verschiedenen Ländern verstehen kann, fungieren Sprachen in seinem Leben in erster Linie als Elemente im beruflichen Kontext (vgl. auch Czeglédy 2008, Kegelmann 2009, Propszt 2010). Elemente anderer Sprachen, die in Redebeiträge bestimmter Figuren integriert werden, können zu ihrer Identifizierung nach sprachlichen Merkmalen beitragen, wie es auch z.B. im Fall von Kinga in „Alle Tage“ gesehen werden kann, die u.a. durch den Gebrauch vulgärer Ausdrücke aus einer anderen Sprache auffällt. Dass bestimmte Ausdrücke, wie z.B. Schimpfwörter von Mitgliedern einer bestimmten Gruppe von Figuren verwendet werden, trägt auch zur sprachlichen Manifestation ihrer sozialen Identität bei, indem sie durch den Gebrauch dieser Formulierungen eine Zugehörigkeit zu ihrer Gruppe auf der sprachlichen Ebene versinnbildlichen. Anderssprachige Elemente können ferner als Manifestationen des individuellen Stils auftreten. Zur sprachlichen Realisierung dieses individuellen Stils gehören solche anderssprachigen Elemente, durch die positive Gefühle gegenüber einer anderen Sprache versinnbildlicht werden, wie es auch durch die Verwendung französischer Elemente in der Rede von Konstantin zu Tage tritt. Veranschaulichung der Distanzierung 137 7.6 Fremdsprachige Elemente zur Veranschaulichung der Distanzierung Im Band „Seltsame Materie“ treten fremdsprachige Elemente nicht nur als Mittel auf, mit denen eine Verständigung zwischen Gesprächsparteien erreicht werden soll (vgl. Unterkapitel 7.2, Beleg Nr. 6), sondern sie tragen auch zur sprachlichen Versinnbildlichung der Distanzierung bei. Diese Distanz kommt dabei u.a. im Zusammenhang mit der Sprache zum Ausdruck, die von der Figur Ophelia und den anderen Mitgliedern ihrer Familie verwendet wird. In der Erzählung „Der Fall Ophelia“ wird nämlich in der sprachlichen Gestaltung des Textes die negative Einstellung der Bewohner eines ungarischen Dorfes gegenüber dieser Familie ausgedrückt. 127 Die von Ophelias Familie gesprochene Sprache - Deutsch - wird von den Dorfbewohnern als „fremd“ und damit auch die Mitglieder der Familie als „fremd“ bezeichnet. Auch im Ausdruck „fremde Familie“, mit dem selbst Ophelias Mutter ihre eigene Familie bezeichnet, zeigt sich eine „Nichtzugehörigkeit“ der Familie zur Dorfgemeinschaft bzw. die Ausgrenzung der Familie seitens der Dorfbewohner. Generell kann im Erzählband beobachtet werden, dass die „politische Wertigkeit der einzelnen Sprachen wiederholt zum Thema“ gemacht wird (Prutti 2006: 93), was sich u.a. in der Veranschaulichung von Einstellungen gegenüber einigen Sprachen zeigt. Die negative Einstellung und die Distanzierung gegenüber dem Russischen belegt auf der thematischen Ebene in der nächsten Textstelle die Verwendung des Ausdrucks „die Sprache des Feinds“, den die Putzfrau des örtlichen Schwimmbads in ihrem Dialog mit der Ich-Erzählerin Ophelia in Bezug auf das Russische benutzt. Elemente dieser Sprache erscheinen direkt nach ihrer Bemerkung in Form eines mit lateinischen Buchstaben veranschaulichten Satzes in Ophelias Gedankenwiedergabe, durch den zugleich die sprachliche Veranschaulichung der ‒ aus der Sicht der Figur als ‒ negativ angesehenen Sprache erfolgt. Da der Inhalt dieser russischen Äußerung in Bezug auf den Inhalt des Kontextes wichtig ist, wird die deutsche Übersetzung im Glossar am Ende des Bandes angegeben: (91) „Was ist das, was ihr da sprecht? Kroatisch? Ich sagte ihr, es sei Deutsch, und sie ruft: Das ist wenigstens eine anständige Sprache. Nicht so, wie was meine Kinder lernen müssen: Russisch, die Sprache des Feinds. Mir - eta nadjeschda narodov, denke ich.“ (SM S. 121) [Hervorhebungen im Original] __________ 127 Zu sprachlichen Manifestationen dieser Einstellung siehe ausführlich das Unterkapitel 8.1. Manifestationen der Mehrsprachigkeit in den ausgewählten Texten 138 Die russische Sprache fungiert - wie schon im Kapitel 7.1 gezeigt - im Roman „Alle Tage“ nicht nur als Fremdsprache, die von Omar gelernt wird, sondern auch als Abgrenzung, da durch die Verwendung dieser Sprache der Protagonist Abel Nema und sein Schüler und Stiefsohn Omar einen eigenen Raum schaffen können, in dem nur sie sich auskennen. Aus diesem Raum werden diejenigen Personen ausgeschlossen, die Russisch nicht verstehen oder Russisch nicht sprechen können und demzufolge an ihrer Kommunikation nicht teilnehmen können. Diese Abgrenzungsfunktion erfüllen im Roman aber nicht nur die russische Sprache, sondern auch künstliche Wörter, die in einem Gespräch zwischen Omar und seinem Lehrer und Stiefvater Abel vorkommen. Im Beleg Nr. 92 können als Mittel dieser angedeuteten Abgrenzung die Konstruktionen Tonetidi und Tossise angesehen werden, die sich aus der Umstellung der Buchstaben der Pluralform Idioten und des Ausdrucks So ist es ergeben. Die Abgrenzungsfunktion dieser künstlichen Elemente kann jedoch m.E. in der Situation, in der sie vorkommen, mit der Abgrenzungsfunktion des Russischen gleichgesetzt werden. Unter inhaltlich-sprachlichen Gesichtspunkten betrachtet, wird nämlich durch beide dieselbe Wirkung hervorgerufen: eine Abgrenzung von den anderen und die Verbindung zwischen Abel und Omar durch ein spezielles sprachliches System. So wird durch die Technik der Mischung von Buchstaben bestimmter Wörter erreicht, dass sie aus ihrer Kommunikation die anderen ausschließen. 128 Dementsprechend gelten die obigen Ausdrücke als Elemente einer Geheimsprache, die während des Dialogs von Abel und Omar auf Mercedes’ Geburtstagsparty vorkommen, und im Roman durch Kursivsetzung unter den anderen Elementen des Textkontextes hervorgehoben werden, die auch eine zweifache Rolle erfüllen kann: Zum einen werden in der gegebenen Situation durch die typographische Hervorhebung Ausdrücke gekennzeichnet, die die Gesprächsparteien einander gesagt haben. Zum anderen kann die Kursivsetzung die oben angedeutete besondere Art der verwendeten Sprache markieren. 129 __________ 128 Vgl. Burka (2014b: 213). 129 Geheimsprachen kommen auch in anderen literarischen Werken in verschiedenen Formen vor, wobei auch authentische Sprachen aus der Perspektive bestimmter Figuren oder Erzähler als Geheimsprachen gelten können. Die Funktion einer „geheime[n] Sprache“ bzw. „Zaubersprache“ wird z.B. in Elias Canettis Werk „Die gerettete Zunge“ von der deutschen Sprache erfüllt, da der Autor diese Sprache der Eltern anfangs nicht versteht und demzufolge „er als Nicht-Verstehender von ihrem Gespräch ausgeschlossen bleibt“ (Schneider-Özbek 2012: 22). Später wird aber diese Sprache in seinen Augen die „Sprache der Liebe zwischen Mutter und Sohn“ (Schneider-Özbek 2012: 22), worin die Möglichkeit der Veränderung der Rolle von Sprachen gesehen werden kann. Veranschaulichung der Distanzierung 139 (92) „Guten Tag, das war alles, was man von ihm zu hören bekam. Unterhält sich den ganzen Abend mit einem Zehnjährigen. Elf, sagte Mercedes. Und: Na und? Anscheinend haben sie sich etwas zu sagen. Worüber habt ihr geredet, fragte sie später Omar. Über Eskimos. Ihr habt über Eskimos geredet? Ja. Den ganzen Abend? Nein. Wir sind später abgeschweift. Abgeschweift? Wohin? Wir haben uns auf Russisch unterhalten. […] Tonetidi, hörte Tatjana, die russische Vorfahren hat und auf Abels anderer Seite auf dem Sofa Platz genommen hat, den Jungen sagen. Sein Lehrer nickte. Tossise.“ (AT S. 321) [Hervorhebungen im Original] Die in der Erzählung „Die Lücke“ verwendeten französischen Einsprengsel können als weitere sprachliche Mittel der Distanzierung und Nicht-Zugehörigkeit einer Frau zum dörflichen Milieu betrachtet werden. Hier wird aus der Perspektive ihres jüngsten Sohnes dargestellt, wie seine Mutter krank wurde, und wie schwer es für ihre Umgebung ist, mit ihr zu leben. Die Frau verbrachte eine bestimmte Zeit in einer Klinik und danach ist sie nach Hause, zu ihrer Familie gefahren. Eine Komponente ihres Andersseins bildet ihre Krankheit: Sie wird von den Dorfbewohnern für verrückt gehalten (siehe Unterkapitel 6.2). Aber nicht nur von ihnen wird sie als anders betrachtet. Auch sie selbst hält sich für anders. Ein Unterschied zwischen ihr und den anderen Bewohnern des Dorfes wird z.B. darin gesehen, dass nur sie das Lyzeum besucht hat: Sie hebt diese, durch ihre „Bildung“ definierte Andersheit durch französische Ausdrücke in ihrer Sprache absichtlich hervor (siehe dazu auch Tatasciore 2009: 54). Die Frau verwendet in diesem Sinne an manchen Stellen der Erzählung französische Wörter (im Beleg Nr. 93 die Adjektive officiel, originel, malade und das Adverb très; im Beleg Nr. 94 und Nr. 95 das Demonstrativpronomen ce, das Verb und das Adjektiv idiot im Ausdruck c’est idiot), um ihre Andersartigkeit sprachlich zu signalisieren. Durch die Veranschaulichung dieser Andersartigkeit drücken diese Elemente in der Redewiedergabe zugleich eine Art Distanzierung von den Anderen aus, die sich auch darin zeigt, dass durch die Verwendung der französischen Elemente die höhnische Wirkung des Gesagten seitens der Mutter sprachlich versinnbildlicht wird. Dies wird auch in der Charakterisierung ihrer Äußerungen aus der Perspektive ihres Sohns bestätigt. Dabei kommt die Andersartigkeit ihrer Ausdrucksweise neben den französischen Elementen in den sprachlichen Kommentaren explizit zum Ausdruck, wie z.B. in der Bemerkung „Sie spricht, wie man hier nicht spricht […]“: Manifestationen der Mehrsprachigkeit in den ausgewählten Texten 140 (93) „Nun, schließlich, bin ich also officiel krank, sagte Mutter beim ersten Mal. Ihre Stimme zitterte. Verlegen und stolz. Französisch. Officiel. Mutter liebt es, sich auf diese Weise auszudrücken. Sie liebt es auch zu sagen, etwas sei très originel, und sie hat noch kein einziges Mal das Wort Flittchen gebraucht. […] Sie spricht, wie man hier nicht spricht, nur sie war auf dem Lyceum, und manchmal, wenn man sie zu sehr erbost, drückt sie die Laute durch die Nase, spricht mit Akzent, sollen ruhig alle hören, da ist eine, die ist anders. Und jetzt ist sie anders: officiel krank. Malade.“ (SM S. 83) (94) „Ach was, dieser Schnösel, sagte Mutter mit roten Wangen, c’est idiot, nur leise, vor sich hin, das starke Wort.“ (SM S. 85) (95) „Mutter starrte ihn aus Panikaugen an: C’est idiot.“ (SM S. 87) 7.7 Manifestationen der Mehrsprachigkeit in Form von Liedtiteln, Liedbzw. Gedichtzeilen und Zitaten Neben fremdsprachigen Wörtern liegen in Moras Werken als weitere Aspekte der Mehrsprachigkeit Elemente der Intertextualität vor, unter denen viele mit dem Konzept von Interkulturalität im Sinne einer Beziehung zwischen den Kulturen (vgl. Unterkapitel 3.3.8) in Verbindung gebracht werden können. Als Elemente der Intertextualität erscheinen im Erzählband „Seltsame Materie“ u.a. Titel oder einige Zeilen von Schlagern, Volksliedern oder Gedichten aus anderen Sprachen im deutschsprachigen Text. Außer den Elementen aus anderen Sprachen, die in Form von Liedtiteln und -zeilen in den Texten vorkommen, wird auch die deutsche Übertragung einiger Zeilen ungarischer Schlager der 1960er- und 1970er-Jahre und Volkslieder in die Texte integriert. Dabei werden sie auf jeweils unterschiedliche Arten in die Erzählungen aufgenommen: In vielen Fällen wird im deutschsprachigen Text darauf verwiesen, dass die folgende oder eben vorangegangene Zeile ein Liedtitel oder eine Liedzeile ist. In den Texten können aber auch Beispiele dafür gefunden werden, dass die deutschen Übertragungen sprachlich nicht explizit „eingeleitet“ werden. Im Hinblick auf die Übertragungen kann das deutschsprachige Lesepublikum aus dem Kontext in vielen Fällen aber nicht unbedingt erschließen, dass es sich bei diesen Zeilen z.B. um die Übertragung von ungarischen Liedzeilen handelt, da dies die Kenntnis der ungarischen Texte voraussetzen würde. Da diese in den Texten erscheinenden Liedzeilen, Gedichtzeilen und Anspielungen auf andere Literaturkulturen als Manifestationen der Mehrsprachigkeit gelten, werden sie im Folgenden im Hinblick auf ihre Erscheinungsformen, Rollen und auf die von ihnen hervorgerufenen Wirkungen anhand ausgewählter Beispiele dargestellt. Im Falle deutscher Übertragungen von Liedzeilen und Anspie- Liedtitel, Liedbzw. Gedichtzeilen und Zitate 141 lungen auf die ungarische Literatur werden die von diesen Zeilen erfüllten Rollen bzw. Wirkungen auch mit den der Liedzeilen, Gedichtzeilen und Zitate in den ungarischen Übersetzungen der Werke verglichen, um auf ihre interkulturellen Aspekte einzugehen. 7.7.1 Intertextuelle Elemente − Auftreten auf Deutsch Intertextualität zeigt sich in den untersuchten Texten u.a. an Stellen, an denen Liedzeilen aus dem Ungarischen ins Deutsche übersetzt bzw. übertragen werden, wodurch zugleich Segmente der ungarischen Kultur in den deutschsprachigen Texten erscheinen. So können in den Belegen Nr. 96a, Nr. 97 und Nr. 98 Teile ungarischer Volkslieder, in den Belegen Nr. 96a und Nr. 97 die deutsche Übersetzung des Titels des ungarischen Volksliedes Menyasszony, vőlegény, de szép mind a kettő (siehe dazu auch Szabó 2001, Tatasciore 2009: 63 und Kegelmann 2010), das u.a. zum Anlass von Hochzeiten gesungen wird, und im Beleg Nr. 98 die deutsche Anspielung auf einige Zeilen eines anderen ungarischen Liedes als kulturspezifische Elemente und zugleich als interkulturelles Phänomen angesehen werden. Dadurch, dass ungarische Liedzeilen bzw. deren Inhalt ins Deutsche übertragen werden, kann auf der thematischen Ebene und in der sprachlichen Gestaltung eine Beziehung zwischen zwei Sprachen (zwischen der deutschen und der ungarischen Sprache) entstehen, worauf auch typographisch hingewiesen wird: (96a) „Ich trug eine rote Bluse, sage ich und nehme sofort ihre Farbe an. Aber er, als hätte er es gar nicht gehört. Braut und Bräutigam, wie schön sind sie beide, summt er, oder eher knirscht es mit den Zähnen.“ (SM S. 152) [Hervorhebungen im Original] (96b) „Piros blúz volt rajtam, mondom, és rögtön belepirulok. De ő, mintha meg se hallotta volna. Menyasszony, vőlegény, de szép mind a kettő, dúdolja, vagy inkább csikorogja a fogai között.“ (KA S. 112) 130 [Hervorhebungen im Original] (97) „Sie tanzt zu Braut und Bräutigam, wie schön sind sie beide, das Sasa jeden Abend einmal spielt.“ (SM 139) [Hervorhebungen im Original] (98) „Sasa hält die Geige in der Armbeuge und singt. Auf der Landstraße, der Landstraße kommen zwei Gendarmen. Was, lieber Gott, soll ich nur tun. Wenn ich bleibe, schlagen sie mich, wenn ich laufe, töten sie mich. Was, lieber Gott, soll ich __________ 130 KA wird in der Arbeit als Abkürzung für den Titel der ungarischen Übersetzung „Különös anyag“ verwendet. Siehe „Abkürzungsverzeichnis“ S. 193. Manifestationen der Mehrsprachigkeit in den ausgewählten Texten 142 nur tun. Wenn ich bleibe, fangen sie mich, wenn ich laufe, töten sie mich. Töten sie mich.“ (SM S. 147) [Hervorhebungen im Original] Hinsichtlich der typographischen Darstellung zeigen die oben angeführten Beispiele, dass Zeilen aus ungarischen Volksliedern in bestimmten Fällen graphisch durch Kursivschrift hervorgehoben werden. Diese Art der Hervorhebung kann an diesen Stellen als Hinweis darauf fungieren, dass die hervorgehobenen deutschen Teile Liedtexte sind, was auch durch thematische Einleitungen bestätigt wird. Als solche thematischen Einleitungen identifiziere ich hier den Ausdruck summt er (Beleg Nr. 96a), den Relativsatz das Sasa jeden Abend einmal spielt (Beleg Nr. 97) und das finite Verb singt (Beleg Nr. 98). 131 Im Hinblick auf die von diesen Zeilen hervorgerufene Wirkung sind aber zwischen dem deutschsprachigen Original und seiner ungarischen Übersetzung im Falle der Belege Nr. 96a und Nr. 96b Unterschiede festzustellen: Während im ungarischen Kontext die ungarischsprachigen Leser im Falle der Liedzeile Menyasszony, vőlegény, de szép mind a kettő ein bekanntes Lied als Teil der ungarischen Liedkultur wahrnehmen, kann die deutsche Übersetzung des ungarischen Liedtitels Braut und Bräutigam, wie schön sind sie beide im deutschsprachigen originalen Werk als eine Manifestation des sprachlich ‚Anderen‘ angesehen werden, da viele deutschsprachigen Leser diese auf Deutsch erscheinende Zeile mit keinem bekannten Lied verknüpfen können. Das sprachlich ‚Andere‘ kann sich auch in der kreativen sprachlichen Formulierung zeigen, die durch die Übertragung aus der ungarischen in die deutsche Sprachkultur erfolgt. 132 Der Klang einer anderen Sprache bzw. einer anderen Liedkultur durch Liedtexte kann ferner in den Belegen Nr. 97 und Nr. 98 beobachtet werden, wobei aber auf eine kontrastive Analyse der kursiv hervorgehobenen, sprachlich eingeleiteten Liedzeilen verzichtet werden muss. Denn die Erzählung „Am dritten Tag sind die Köpfe dran Langsam. Dann schnell“, in der beide Liedzeilen vorkommen, nicht ins Ungarische übersetzt wurde. Ähnlich wie in den obigen Ausschnitten wird in den deutschen Belegen Nr. 99a, Nr. 100a, Nr. 101a und Nr. 102a die deutsche Übertragung ungarischer Liedzeilen, hier die inhaltliche Übertragung von Zeilen des ungarischen Schlagers „Homokóra“ (auf Deutsch „Sanduhr“) von Márta Záray und János Vámosi aus dem Jahre 1977, als Träger eines interkulturellen Potenzials angesehen. Die Intertextualität zeigt sich bereits im Titel der Erzählung, da die deutsche Übertragung des ungarischen Liedtitels „Homokóra“ zum Titel der Erzählung gewählt wurde. Diese __________ 131 Siehe auch in Burka (2014b: 214). 132 Kegelmann (2010) bezeichnet das Gefühl, das bei den deutschen Lesern von dieser Liedzeile ausgelöst wird als das „Exotische“. Liedtitel, Liedbzw. Gedichtzeilen und Zitate 143 kulturspezifische Information im Titel „Die Sanduhr“ wird im Glossar des Erzählbandes erläutert. Dort wird mit einem Satz beschrieben, dass „Die Sanduhr“ der Titel eines ungarischen Schlagers aus den 1970er-Jahren ist (vgl. SM S. 252). In der ungarischen Übersetzung wird die Kulturspezifik des Titels „Homokóra“ jedoch nicht erklärt, da dem ungarischen Lesepublikum der ungarische Schlager wahrscheinlich bekannt ist. Die Anspielungen auf dieses Lied kommen an mehreren Stellen der Erzählung in Form von − von der Ich-Erzählerin und ihrer Schwester − gesungenen Liedzeilen vor, die den Inhalt der originalen ungarischen Liedzeilen wiedergeben und in den Belegen Nr. 99a, Nr. 100a und Nr. 102a durch je eine sprachlich-thematische Einleitung in den deutschsprachigen Textkontext integriert werden. Obwohl im Beleg Nr. 101a sprachlich explizit nicht veranschaulicht wird, dass die Zeile Ich möcht so gern die Zeit anhalten, den Sandfluß in der Uhr eine Liedzeile ist, kann jedoch aus dem Kontext auf diese Information geschlossen werden, da später über den ersten Teil dieser Zeile Ich möcht so gern die Zeit anhalten geschrieben steht, dass sie gesummt wird. (99a) „Mutter sagt, ich habe mein Gesangstalent von meinem Vater geerbt, von Pancratio Marcello, der als Schauspieler und Sänger von Sizilien aus durch ganz Europa gewandert ist. Heute lebt er in Frankreich und spielt auf den Straßen von Avignon für die Touristen. Ich heiße nach ihm, Marcella, aber gesehen habe ich ihn noch nie. Die Lieder, die ich singe, habe ich von Mutter und dem Radio gelernt. Ich sitze in meinem Zimmer, traurig und allein, und denke daran, wie es früher war. Unsere Küche riecht nach verkohlten Zwiebelstückchen […]“ (SM S. 191) [Hervorhebungen von B.B.] (99b) „Anya azt mondja, az énektehetségemet apámtól, Pancratio Marcellótól örököltem, aki énekesként és színészként Szicíliából indulva bejárta egész Európát. Most Franciaországban él, és Avignon utcáin játszik a turistáknak. Róla neveztek el Marcellának, de még sohasem láttam őt. A dalokat, amiket énekelek, anyától és a rádióból tanultam. Ülök a szobámban, búsan, egyedül, és a fájó múltra gondolok. Konyhánkban égett hagyma szaga […]“ (KA S. 148) [Hervorhebungen von B.B.] (100a) „Anniña brät Fleischkäse und summt zu einer Schnulze aus dem Radio. Ich sitze in meinem Zimmer, traurig und allein, und denke daran, wie es früher war. Früher hatte Anniña einen kräftigen Mezzo, seitdem sie zwölf ist, reicht es bei ihr nur noch für einen brüchigen Baß. Ich helfe ihr. Ich singe mit ihr. Manifestationen der Mehrsprachigkeit in den ausgewählten Texten 144 Draußen in den Straßen wird es langsam hell, und die Sanduhr bleibt und bleibt nicht stehen.“ (SM S. 192) [Hervorhebungen von B.B.] (100b) „Anniña parizert süt és egy slágert dúdol a rádióból. Ülök a szobámban, búsan, egyedül, és a fájó múltra gondolok. Régen Anniñának erős mezzoszoprán hangja volt, de mióta betöltötte a tizenkettőt, már csak egy repedtfazék basszusra telik tőle. Segítek neki. Énekelek vele. Odakünn az utcán lassan feldereng, és az órán pereg a homok.“ 133 (KA S. 149) [Hervorhebungen von B.B.] (101a) „Sie riecht nach Fleischkäse, Vanille und geronnenem Blut. Sie kratzt sich am Kopf, unter ihren Fingernägeln bleiben weißgelbe Schuppenreste. Sie ist nicht mehr kinderschön. Sie leidet daran. Ich möcht so gern die Zeit anhalten, den Sandfluß in der Uhr.“ (SM S. 198) [Hervorhebungen von B.B.] (101b) „Sült parizer-, vaníliaés alvadtvérszagú. Megvakarja fejét, körme alatt fehéressárga korpa. Már nem gyerekszép. Ettől szenved. Szeretném a homokórát megállítani, szeretném az emlékeim elfelejteni.“ (KA S. 155) [Hervorhebungen von B.B.] (102a) „Der Zuber steht in der Kammer, ich sehe ihn nicht. Ich sehe Anniña nicht, aber ich weiß, wie sie dasitzt, sich selbst umarmend und summend. Ich möcht so gern die Zeit anhalten“ (SM S. 199) [Hervorhebungen von B.B.] (102b) „A sajtár a kamrában áll, nem látom. Nem látom Anniñát, mégis tudom, hogy ott ül, átöleli a testét és dúdol. Szeretném a homokórát megállítani.“ (KA S. 155) [Hervorhebungen von B.B.] Als weitere interkulturelle Aspekte in dieser Erzählung erscheinen im Beleg Nr. 103a die deutsche Übertragung der Anfangszeilen des ungarischen Liedes A börtön ablakába und im Beleg Nr. 104a die Übertragung der Zeile Évek szállanak a nyári fák alatt eines ungarischen Pionierliedes. Dabei werden die Liedzeilen wieder sprachlich-thematisch eingeleitet, 134 jedoch graphisch ‒ wie bei __________ 133 Im Falle dieser Liedzeile kann auch in der ungarischen Übersetzung im Beleg Nr. 100b eine Veränderung des ursprünglichen ungarischen Liedtextes beobachtet werden, da statt des Ausdrucks fény dereng das ungarische Verb feldereng verwendet wird. Beide Ausdrücke haben jedoch die gleiche Bedeutung. 134 Während die deutsche Anspielung auf den Anfang des ungarischen Liedes A börtön ablakába von der Schwester der Ich-Erzählerin Anniña gesungen wird, erscheint die deutsche Übertragung einer Zeile des ungarischen Pionierliedes Vidám úttörő als Liedtitel, Liedbzw. Gedichtzeilen und Zitate 145 den Zeilen des Liedes „Homokóra“ ‒ nicht hervorgehoben, wodurch die Miteinbeziehung von Aspekten einer anderen Sprachbzw. Liedkultur typographisch explizit nicht markiert wird. Jedoch kann diesen Zeilen im deutschsprachigen Kontext eine besondere sprachlich-stilistische Ausdrucksform zugeschrieben werden, in der die deutsche Sprache mit Segmenten einer anderen Sprachkultur in Verbindung gebracht wird. 135 (103a) „Anniña mit dem Holzlöffel kocht und summt. Im Gefängnis scheint keine Sonne, in mein Fenster fällt kein Licht. Jahr um Jahr fliegt vorüber und ist nicht mehr als ein Augenblick.“ (SM S. 197) [Hervorhebungen von B.B.] (103b) „Anniña kezében fakanállal főz és dúdol. A börtön ablakába, soha nem süt be a nap. Az évek tovaszállnak, mint egy múló pillanat.“ (KA S. 153) [Hervorhebungen von B.B.] (104a) „Jahre vergehn unter sonnigen Bäumen. Ich singe den Rentnern, ich singe dem Schuster vor.“ (SM S. 197) [Hervorhebungen von B.B.] (104b) „Évek szállanak a nyári fák alatt. A nyugdíjasoknak, a suszternak énekelek.“ (KA S. 153) [Hervorhebungen von B.B.] Wie die vorangehende Liedzeile Jahre vergehn unter sonnigen Bäumen, erscheint die erste Zeile des Liedes Unsere Heimat im Beleg Nr. 105a ebenso als Teil des Gesangs der Ich-Erzählerin im Rahmen eines Gesangsauftritts, das noch in der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik ein Pionierlied war. In der ungarischen Übersetzung des Erzählbandes steht an dieser Stelle eine Zeile eines ungarischen Pionierliedes mit dem Titel Dal a hazáról (Beleg Nr. 105b), die auf den politischen Hintergrund der Geschichte in Ungarn verweist. (105a) „Ich singe in einem Raum ohne Frucht. Manchmal schaue ich zu der Stelle, wo sie war. Nur noch welke Blätter. Unsere Heimat, das sind nicht nur die Städte und Dörfer. Ich singe ins Mikrophon. Sopran.“ (SM S. 189) [Hervorhebungen von B.B.] __________ Gesang der Ich-Erzählerin. Sie ist nämlich ein Pionier und tritt in Kultursälen der Fabriken und Rentnerheimen der Gegend mit solchen Liedern auf. 135 Neben diesen Verweisen auf ungarische Texte wird die Anspielung auf den ungarischen Dichter Endre Ady bei Szabó (2001), auf Attila József bei Tatasciore (2009: 65f.), Tatasciore (2012: 227) und auf Frigyes Karinthy bei Szabó (2001) und Tatasciore (2009: 61) behandelt. Manifestationen der Mehrsprachigkeit in den ausgewählten Texten 146 (105b) „A teremben, ahol énekelnek, nincs gyümölcs. Néha a hűlt helyére pillantok. Csak néhány fonnyadt levél. Kalásza, virága nékünk terem. Énekelem a mikrofonba. Szoprán.“ (KA S. 147). [Hervorhebungen von B.B.] Derselbe Transfer bzw. Rücktransfer (vgl. Kegelmann 2010) kann in der Übersetzung der Belege Nr.106a und Nr.107a beobachtet werden. Im ersten Fall wird im deutschsprachigen Text ein Teil des Refrains einer deutschen Adaptation Ausgerechnet Bananen verlangt sie von mir verwendet, wobei im ungarischen Text ein Teil des Refrains eines ungarischen Schlagers von „Metró“ mit dem Titel Citromízű banán an der entsprechenden Stelle erscheint. Diese Liedzeile wird ebenfalls von der Ich-Erzählerin gesungen aber in einem anderen Kontext, d.h. nicht im Rahmen von Auftritten, sondern während eines Ausflugs mit ihrer Mutter und Schwester. Jedoch wird im Falle der deutschen Zeile Ausgerechnet Bananen verlangt sie von mir vom deutschen Lesepublikum wahrscheinlich nicht auf das ungarische Lied Citromízű banán assoziiert, obwohl auch in diesem Fall Aspekte einer anderen Liedkultur in dem deutschsprachigen Textkontext erscheinen: (106a) „Auf dem Nachhauseweg muß man bei den Steigungen den Choke ziehen und Mutter runzelt die Augenbrauen. Ausgerechnet Bananen verlangt sie von mir, trällere ich. Nur das Motorheulen begleitet mein Singen.“ (SM S. 200) (106b) „Hazafelé az emelkedőknél ki kell húzni a szívatót, anya a szemöldökét ráncolja. Citrom ízű banán, lallázom. Dalomat csak a motorzúgás kíséri.“ (KA S. 156) Als weitere Intertextualitätsphänomene lassen sich in dieser Erzählung ferner der Vers Komm, ich will dich mit Lust umfassen (Beleg Nr. 107a) und der Titel Ich bete an die Macht der Liebe (Beleg Nr. 107a) im deutschen Original feststellen, die in der erzählten Geschichte als Lieder auftreten. Deren Melodie wird vom Nachbarn der Ich-Erzählerin auf einem Horn gespielt und sie lassen sich als Manifestationen von Segmenten einer anderen Lied- und Literaturkultur interpretieren, nämlich der Zeile Gyere, bújj kedves mellém (Beleg Nr. 107b) und der ersten Zeile des Gedichtes „Tartózkodó kérelem“ des ungarischen Dichters, Mihály Csokonai Vitéz: A hatalmas szerelemnek (Beleg Nr. 107b). Diese Zeile von Csokonais Gedicht wird auch an einer anderen Stelle in der ungarischen Übersetzung des Textes verwendet (siehe Beleg Nr. 108b), an der sie wieder als Übersetzung des Liedtitels Ich bete an die Macht der Liebe (Beleg Nr. 108a) erscheint: (107a) „Aber er spielt auch Komm, ich will dich mit Lust umfassen und Ich bete an die Macht der Liebe.“ (SM S. 195) Liedtitel, Liedbzw. Gedichtzeilen und Zitate 147 (107b) „De olyanokat is játszik, hogy Gyere, bújj kedves mellém, vagy hogy A hatalmas szerelemnek.“ (KA S. 152) (108a) „Ich bete an die Macht der Liebe. Lügen, alles Lügen, scheppert es aus dem Schlafzimmerfenster, eine Dreigroschenkomödie.“ (SM S. 200) (108b) „A hatalmas szerelemnek. Hazugság, szemenszedett hazugság, csörömpöl ki a hálószobaablak mögül, háromgarasos komédia.“ (KA S. 156) Ein weiteres Element, das zur Darstellung von Gesangsauftritten der Ich-Erzählerin gehört, ist die Zeile O wunderbare, geheimnisvolle Nacht, die die deutsche Übersetzung einer ungarischen Weihnachtsliedzeile ist, die von ihr in einem Rentnerheim vor Weihnachten vorgetragen wird und in deren Form sich ebenfalls ein Segment der ungarischen Liedtradition in Verbindung mit diesem Fest manifestiert. In diesem Kontext erscheint ferner die Zeile ’s ist ein Ros’ entsprungen als intertextuelles Element. Dabei handelt es sich um den Titel eines zweistrophigen kirchlichen Weihnachtsliedes, das laut der Handlung in der Aufführung der Ich-Erzählerin zu hören ist: (109) „Seine Augen glänzen. Die Knie meiner Mutter unterm Tisch, über den Stiefelrädern. Schön wie Wachs. O wunderbare, geheimnisvolle Nacht. Freitag ist Auftrittstag.“ (SM S. 201) (110) „Die Zyklamenköpfe nicken mir zu. Es gibt sie in den Kastanienwäldern und sogar im Wappen unserer Stadt. ’s ist ein Ros’ entsprungen. Die alten Frauen klatschen.“ (SM S. 201) Im Erzählband kommen im Rahmen der Intertextualität auch in anderen Erzählungen Verweise auf deutschsprachige Texte vor. Als intertextuelles Element kann in der ersten Erzählung „Seltsame Materie“ z.B. betrachtet werden, dass neben einer thematischen Einleitung „ich mußte […] aufsagen“ der Titel eines Heine-Gedichtes in der Rede der Ich-Erzählerin verwendet wird: (111) „Als Kind stellte mich Tante Magdala immer bei sich auf die Kommode, und ich mußte ihr «Du bist wie eine Blume» aufsagen.“ (SM S. 18). [Hervorhebungen von B.B.] Während sich aber zwischen dem obigen deutschen Zitat und dessen ungarischer Übersetzung kein Unterschied zeigt, können zwischen anderen deutschen Belegen und deren ungarischen Übersetzungen solche Unterschiede festgestellt werden, die an bestimmten Stellen im Hinblick auf ihre Rezeption als kulturell geprägt angesehen werden können. So können in den Belegen Nr. 112a bzw. Nr. 112b und Nr. 113a bzw. Nr. 113b zwischen den Zeilen des im deutsch- Manifestationen der Mehrsprachigkeit in den ausgewählten Texten 148 sprachigen Text erscheinenden Liedes „Seemann, deine Heimat ist das Meer“ und deren ungarischer Übersetzung Unterschiede festgestellt werden. Teile dieses Liedes, die auch durch Kursivschrift ausgewiesen werden, treten in der Erzählung „Der See“ zum einem als von einem Mann (von der Ich-Erzählerin wird er Seemann genannt) gesungenes Lied auf, zum anderen als ein Lied, das die Mutter der Erzählerin auf einer Schallplatte hört: (112a) „Der Seemann lenkt unser Boot aus dem Kanal. Er singt: Seemann, Wind und Wellen rufen dich hinaus und zwinkert mir zu. Ich kenne das Lied. Vor Weihnachten hört unsere Mutter immer eine Schallplatte mit Seemannsliedern. Deine Heimat ist das Meer, deine Freunde sind die Sterne, sage ich dem Seemann. Meine Heimat, sagt er. Meine Freunde. Er lacht wieder. Er rudert mit dem Rücken voran.“ (SM S. 62) [Hervorhebungen im Original] (112b) „A tengerész kikormányozza a csónakunkat a csatornából. Énekel: Tengerész, szólít a szél, hullámok hívnak, légy útra kész, és rám kacsint. Ismerem ezt a dalt. Karácsony előtt anyánk mindig azt a lemezt hallgatja, amin tengerészdalok vannak. Hazád a tenger, társaid csillagok, mondom a tengerésznek. Hazám, mondja. Társaim. Megint nevet. Háttal evez előre.“ (KA S. 50f.) [Hervorhebungen im Original] (113a) „Wir warten nicht, sagt Vater. Mit Stummen kann man nicht reden. Was willst du sonst tun, und es bringt doch nichts. Die Kinder brauchen ihre Weihnacht. Und nur ihnen bist du treu, klingt es in der Küche, ein Leben lang. Diese Nacht ist ohne Sterne. Meine Tochter, sagt Vater zu mir, aber ich bleibe stumm. Idiotin. Deine Sehnsucht ist die Ferne, singt es auf Mutters Platte.“ (SM S. 71) [Hervorhebungen im Original] (113b) „Nem várunk, mondja apa. Néma gyereknek anyja sem érti a szavát. Mit csinálnál, mondd, felesleges bármit is csinálni. A gyerekek várják a Jézuskát. Várok rád, hallani a konyhából, hűségesen egy életen át. Csillagtalan éjszaka. Kislányom, mondja apa, de néma maradok. Idióta. Elmegyek, melyik úton indulok, még nem tudom, éneklik anya lemezén.“ (KA S. 58) [Hervorhebungen im Original] Während aber zwischen den deutschsprachigen Zeilen des Liedes im Beleg Nr. 112a und deren ungarischer Übersetzung (Beleg 112b) kein großer inhaltlicher Unterschied besteht, kann zwischen den deutschsprachigen Liedzeilen und deren ungarischen Übersetzungen im Beleg Nr. 113a bzw. 113b eine inhaltliche Differenz festgestellt werden. Diese Differenz ist bei der Übertragung der deutschen Zeile „Deine Sehnsucht ist die Ferne“ (Nr. 113a) zu sehen: In der ungarischen Übersetzung erscheint an dieser Stelle der Inhalt einer Zeile des Liedtitel, Liedbzw. Gedichtzeilen und Zitate 149 Refrains eines ungarischen Liedes „Elmegyek“ von Péter Máté aus dem Jahre 1984 Elmegyek, melyik úton indulok, még nem tudom. 136 Diese Übertragungsmethode trägt zur Kulturspezifik der Übersetzung bei, indem Zitate aus gut bekannten ungarischen Liedern im ungarischen Textkontext verwendet werden. Diese ungarische Liedzeile wird jedoch vom deutschsprachigen Lesepublikum nicht erkannt, da die im deutschsprachigen Original verwendete Zeile Deine Sehnsucht ist die Ferne als eine Zeile eines deutschen Liedes identifiziert werden könnte, wodurch die intertextuelle Verbindung mit der ungarischen Liedkultur sich in diesem Fall wahrscheinlich nur für Leser der ungarischen Übersetzung erschließt. Als eine Sonderform der im Erzählband verwendeten Lieder, die in den deutschen Erzählungen und deren ungarischen Übersetzungen vorkommen, kann im Weiteren die Stelle betrachtet werden, an der im deutschen Text kein Lied, aber in der ungarischen Übersetzung der Titel eines ungarischen Liedes von Dezső Seress: Szeressük egymást gyerekek zu erkennen ist. Diese Zeile erscheint als eine Aussage der Mutter des Ich-Erzählers in der Erzählung „Die Lücke“. Sie sagt den Satz Wir lieben uns doch alle zur Liebhaberin ihres Mannes, als sie sich daran erinnert, dass sie als Kinder noch in einem gemeinsamen Bett geschlafen haben. Aufgrund des Kontextes wird nicht thematisch auf das Lied verwiesen. Jedoch kann im ungarischen Textkontext diese Aussage der Mutter mit dem oben erwähnten Lied in Verbindung gebracht werden. (114a) „Wir lieben uns doch alle.“ (SM S. 102) (114b) „Szeressük egymást, gyerekek.“ (KA S. 86) Verweise auf ungarische Elemente als Aspekte der Intertextualität enthält neben dem Erzählband auch der Roman „Alle Tage“, wie z.B. den zusammengesetzten Satz Schau, wie die Bäume laufen (Beleg Nr. 115a) und die Zeile Ich könnte viel klagen und noch mehr fluchen (Beleg Nr. 116a). Dabei handelt es sich im Falle des Objektsatzes wie die Bäume laufen um die deutsche Übersetzung des ungarischen Filmtitels Hogy szaladnak a fák…. In diesem Fall geht aber aus dem deutschen Textkontext nicht hervor, dass es sich hierbei um einen Filmtitel handelt. 137 Der Verweis auf diesen Filmtitel wird nämlich in die Rede des Erzählers in einer Beschreibung integriert, in der Segmente aus Abels Fahrt dargestellt werden, nachdem er seine Heimatstadt verlassen hat: 138 __________ 136 Das Originale: Elmegyek, elmegyek, milyen úton indulok még nem tudom. 137 Zu diesem Beleg siehe auch Burka (2014b: 215). 138 Zu weiteren Verweisen auf Filme siehe Lengl (2012: 57). Manifestationen der Mehrsprachigkeit in den ausgewählten Texten 150 (115a) „Er nahm den Zug. Bummelte mit Unbekannten durch unbekannte Provinzen. Schau, wie die Bäume laufen. Manche Dörfer wie festgezurrt zwischen lauter Kabeln.“ (AT S. 65) [Hervorhebungen im Original] (115b) „Vonattal. Ismeretlenekkel együtt zötyögött ismeretlen vidékeken. Nézd, hogy szaladnak a fák. Némelyik falu mintha pókhálóba esett volna, annyi volt a kábel.“ (NN S. 78) 139 [Hervorhebungen im Original] Neben intertextuellen Bezügen, wie Verweise auf Filme können im Roman deutsche Übertragungen von Segmenten der ungarischen Literaturkultur ebenso als Elemente der Intertextualität betrachtet werden, die sowohl in Beiträgen des heterodiegetischen Erzählers als auch in der Figurenrede erscheinen und zur Polyphonie des Textes beitragen, indem hinter den deutschsprachigen Wörtern Anspielungen auf die Literatur einer anderen Sprachkultur erscheinen. So erscheint z.B. die Anspielung auf den ungarischen Schriftsteller Lajos Kassák im Beleg Nr. 116a als Teil der Figurenrede, nämlich als eine Antwort von Kinga: Sie unterhält sich in der geschilderten Situation mit Abel und erkundigt sich nach seinem Wohlbefinden. Als die Frage von Abel erwidert wird, wird in Kingas Antwort die deutsche Übertragung eines Kassák-Zitats aufgenommen, dessen kursive Markierung seinen Anspielungscharakter unterstreicht: 140 (116a) „Nun, inzwischen ist allerhand passiert, wundersame Fähigkeiten, Glück, unter anderem, inklusive Nebenwirkungen. Sage das nicht. Sage einfach: Danke, gut. Und dir? Ich könnte viel klagen und noch mehr fluchen.“ (AT S. 141) [Hervorhebungen im Original] (116b) „Hát, közben történt egy s más, csodálatos képességek, szerencse, többek között, beleértve a mellékhatásokat. Ne ezt mondd. Mondd egyszerűen ezt: Köszönöm jól. És te? Sokat panaszkodhatnék, és még többet káromkodhatnék.“ (NN S. 165) [Hervorhebungen im Original] __________ 139 NN wird in der Arbeit als Abkürzung für den Titel der ungarischen Übersetzung „Nap mint nap“ verwendet. Siehe „Abkürzungsverzeichnis“ S. 193. 140 Zu weiteren intertextuellen Elementen, die auf ungarische Texte verweisen, siehe Lengl (2012). Laut ihr ist z.B. die Kapitelüberschrift „Gottsucher“ ein intertextueller Verweis auf den Titel des Romans von György Dalos „Az istenkereső“ (vgl. Lengl 2012: 60). Liedtitel, Liedbzw. Gedichtzeilen und Zitate 151 Neben den anhand der obigen Textstelle veranschaulichten deutschen Übersetzungen ungarischer Zitate befinden sich in „Alle Tage“ auch deutsche Übertragungen solcher Zitate, die auf in anderen Sprachen verfasste Texte hinweisen, wie z.B. der Ausdruck im Beleg Nr. 117 wenn der Mensch allein ist mit seinen Geistern, der aus einem Text von Jean Genet stammt, und im Beleg Nr. 118 der Satz Das Leben ist voller furchtbarer Zufälle und unzählbarer Ereignisse, der auf Joyce verweist. 141 Bei diesem Verweis auf Joyce kann jedoch im Vergleich zu vielen anderen Verweisen in Bezug auf ihre typographische Hervorhebung eine umgekehrte Vorgehensweise beobachtet werden, indem in diesem Fall nicht der Verweis, sondern seine Textumgebung kursiv markiert ist und der Verweis sich somit durch seine Nicht-Hervorhebung von seinem Textumfeld absondert: (117) „Zur Stunde, wenn der Mensch allein ist mit seinen Geistern und-oder in Gesellschaft, in der Nacht von Sonntag auf Montag, saß im Inneren einer ehemaligen Getreidemühle der Zehnsprachenübersetzer Abel N. am Rande einer Nische an Rande einer Bank.“ (AT S. 32) (118) „Gut, gut, gut. Im Übrigen ist Lügen gar nicht nötig. Das Leben ist voller furchtbarer Zufälle und unzählbarer Ereignisse. Sie verstehen.“ (AT) [Hervorhebungen im Original] Als wichtige Teile der Intertextualität und der Polyphonie erscheinen ferner Zitate aus anderen deutschsprachigen Texten bzw. Anspielungen auf sie. Diese Art der Intertextualität liegt bereits im Titel des Romans „Alle Tage“ vor, der auf das Gedicht mit demselben Titel von Ingeborg Bachmann verweist 142 , oder im Ausdruck Blutwurst sagt, komm, Leberwurst, der ein Zitat aus Büchners Drama „Woyzeck“ ist, das in der Rede einer Figur in einem Dialog erscheint: (119) „Blutwurst sagt, komm, Leberwurst…“ 143 (AT S. 109) [Hervorhebungen im Original] __________ 141 Terézia Mora hat mit diesen Zitaten ihre „Lieblingsautoren, bzw. -werken gehuldigt“ (vgl. Tobias Krafts Interview mit Terézia Mora, Kraft 2007: 107). Zur Integration von Elementen aus anderen Sprachen und Texten vgl. noch das Interview der Verfasserin mit T.M. S. 222f. 142 Zu einer Beschreibung dieser intertextuellen Übernahme siehe auch Brüns (2009) und Lengl (2012: 52). 143 Zu diesem Beleg vgl. auch Lengl (2012: 60). Weitere intertextuelle Elemente, die auf deutschsprachige Texte verweisen, befinden sich bei Lengl (2012). Laut ihr ist der Titel „Was es ist“ eines Abschnitts „eine Anspielung auf Erich Frieds gleichnamiges Gedicht“ (Lengl 2012: 53). Der Untertitel „Verwandlungen“ einer Kapitelüberschrift wird als „eine Parodie auf Franz Kafkas Erzählung Die Verwandlung“ betrachtet Manifestationen der Mehrsprachigkeit in den ausgewählten Texten 152 Ebenso erscheinen intertextuelle Elemente im Rahmen der christlichen Metaphern, zu denen u.a. eine Anspielung auf die Luther-Bibel gezählt werden kann (vgl. auch Lengl 2012: 86). Dabei ist zu sehen, dass während die Autorin im Zitat kleinere Veränderungen vorgenommen hat, der Inhalt des Textes außer einem Personalpronomen und einem Possessivpronomen vor dem Substantiv Munde unverändert blieb. Diese Anspielung tritt im Kapitel „Delirium“ als der Anfang der Urteilsverkündigung seitens eines imaginären Gerichts auf, das über Abel urteilen wird. Die typographische Hervorhebung kann in beiden Fällen zum einen darauf verweisen, dass sie Anspielungen auf andere Texte sind. Zum anderen gehe ich laut kontextueller Informationen davon aus, dass sie als Markierung von Redebeiträgen im Text fungiert. (120) „Würdevoll: Weil du weder kalt bist noch warm, sondern lau, werden wir dich ausspeien aus unserem Munde.“ (AT S. 392) [Hervorhebungen im Original] Der ursprüngliche Text aus der Luther-Bibel heißt folgendermaßen: „Weil du aber lau bist und weder kalt noch warm, werde ich dich ausspeien aus meinem Munde.“ Neben diesem intertextuellen Element werden auch andere biblische Elemente in großem Ausmaß im Roman verwendet. Dabei stehen u.a. die Namen vieler Frauenfiguren, bestimmte Eigenschaften von Abel und einige Äußerungen von ihm bzw. des Erzählers mit der Bibel im Zusammenhang. Die Autorin verwendet diese christlichen Elemente in ihrem Werk, da sie in der christlichen Kultur aufgewachsen ist und die Anwendung solcher Elemente sowohl inhaltlich als auch sprachlich schön findet. Die Verwendung biblischer Motive steht auch mit der Thematik des Textes in Zusammenhang, indem es hier um eine Gottessuche geht (vgl. Interview mit T.M. S. 225f.). Resümierend lässt sich feststellen, dass in den untersuchten Texten auch kulturspezifische Elemente vorkommen, die als Träger anderer Sprach- und Textkulturen in den deutschsprachigen Werken erscheinen. Als solche Elemente gelten z.B. die deutschen Übersetzungen bzw. Übertragungen ungarischer Liedtitel und Liedzeilen in den deutschsprachigen Kontexten. Da in ihrer Formulierung auch eine andere Sprache eine Rolle spielt und durch sie die deut- __________ (Lengl 2012: 53). Lengl stellt über diese von ihr erwähnten „Referenzen zur deutschsprachigen Literatur“ fest, dass sie „visuell nicht markiert“ sind, „aber prägnant genug - durch Hervorhebung als Titel oder Untertitel -, um sie als Intertextualität deuten zu können. Die wenigen Hervorhebungen durch Kursivschrift im Roman sind“ laut ihr „vielmehr als Emotionalisierung des Sprechaktes bzw. als Rückkopplung auf Episoden zu betrachten, die die Montagetechnik unterstreichen.“ Zu weiteren intertextuellen Bezügen und Anspielungen siehe Lengl (2012). Liedtitel, Liedbzw. Gedichtzeilen und Zitate 153 sche und die ungarische Sprache in Verbindung gesetzt werden, können sie als interkulturelle Aspekte der Texte aufgefasst werden. 144 Jedoch wird in den ungarischen Übersetzungen durch diese ungarischen Elemente im ungarischen Textkontext keine sprachliche Andersheit hervorgerufen, wodurch sich ihre Wirkung von der Wirkung ihrer deutschen Übertragungen in den deutschsprachigen Originalen unterscheidet. Bezüglich der typographischen Darstellung der oben analysierten Beispiele kann festgestellt werden, dass ein gemeinsames typographisches Darstellungs- Prinzip bei der Veranschaulichung von Liedtiteln und Zitaten durch deutsche Übertragungen bzw. Anspielungen nicht zu erkennen ist (vgl. Interview mit T.M. S. 222f.). An manchen Stellen wird bei den intertextuellen Elementen Kursivschrift verwendet, an anderen Stellen erscheinen die deutschen Übersetzungen anderssprachiger Textsegmente ohne eine typographische Hervorhebung. Wie sich aus dem Interview herausstellt, hat die Autorin im Roman „Alle Tage“ die deutschen Übersetzungen aus ungarischen Texten bei ganzen Sätzen kursiv markiert, aber es gibt im Text auch Wendungen (keine ganzen Sätze), wie z.B. die Anspielung auf Genet, die typographisch nicht extra hervorgehoben, sondern in die jeweiligen Sätze aufgenommen wurden (vgl. Interview mit T.M. S. 222f.). 145 7.7.2 Lieder als fremdsprachige Elemente In den ausgewählten Texten können als Elemente der Mehrsprachigkeit neben den deutschen Übertragungen von Liedzeilen aus anderen Sprachen bzw. Anspielungen auf Elemente verschiedener Sprach- und Literaturkulturen in den Werken auch Liedtitel und Liedzeilen angesehen werden, die nicht ins Deutsche übersetzt werden, sondern in ihrer originalen Sprache im deutschsprachigen Kontext auftreten. Während aber im ersten Fall auch die in den ungarischen Übersetzungen auftretenden intertextuellen Aspekte in die Untersuchung einbezogen wurden, wird im Folgenden bei der Identifizierung von Liedzeilen in anderen Sprachen auf einen Vergleich mit ihren Entsprechungen in den ungarischen Übersetzungen der Werke verzichtet, da die Liedtitel bzw. Liedzeilen aus anderen Sprachen auch in den ungarischen Übersetzungen der Texte als fremdsprachige Einschübe erscheinen und dieselbe Funktion erfüllen. __________ 144 Durch die intertextuellen Verweise im Roman „Alle Tage“ kann laut Lengl das „Ziel“ verwirklicht werden, „das kulturelle literarische Gedächtnis mittel- und osteuropäischer Sprachen in die deutschsprachige Literatur einzuführen“ (Lengl 2012: 49). 145 Zu weiteren Gedanken zur Markierung vgl. das Interview. Manifestationen der Mehrsprachigkeit in den ausgewählten Texten 154 In diesem Bereich können als Ausdrucksformen der Mehrsprachigkeit und Intertextualität in den Belegen Nr. 121 und Nr. 122 der englische Liedtitel In my life von John Lennon und Paul McCartney, im Beleg Nr. 123 die Liedzeile All those memories lose their meaning, im Beleg Nr. 124 die Zeile The summer of 69, die aus dem Song „Summer of 69“ von Bryan Adams stammt, im Beleg Nr. 125 der Titel New World Symphony. Adagio, im Beleg Nr. 126 die Zeile In heaven everything is fine, 146 im Beleg Nr. 127 der Liedtitel Sweet home Alabama und im Beleg Nr. 128 der Liedtitel When love goes wrong, nothing goes right angesehen werden, aus denen die meisten hinsichtlich ihres Textkontextes mit einer thematischen Einleitung vorkommen. (121) „Der Repeat-Knopf an der Anlage der Bar funktioniert. Immer nur ein Lied. Immer von vorne. Es wird ihr nie langweilig. In my life heißt das Lied.“ (SM S. 108) [Hervorhebungen im Original] (122) „Die Platte ist mit Gelatine übergossen, ihre Finger glänzen. Sie ißt schnell. In my life läuft das zehnte mal von vorne los.“ (SM S. 109) [Hervorhebungen im Original] (123) „Sie hat ein blasses Gesicht. Unter den Augen verschmierte Mascaraflecke. All those memories lose their meaning, singt sie mit Gelatinelippen.“ (SM S. 109) [Hervorhebungen im Original] (124) „Drei Straßenlaternen und dazwischen die geöffneten Garagen, kaputte Autos, oder gar nicht kaputt, aber man repariert sie eben, und überall laut die Radios: The summer of 69, als ich noch gar nicht geboren war.“ (SM S. 171) [Hervorhebungen im Original] (125) „Ein Bohrer, ein aufgehendes Fenster. Männer auf einem Aufmarschplatz in der Nähe, ihren Hunden Plastikringe werfend. Pfiffe über Beton. Eine Gruppe Abiturienten. Körper, Rufe, Lachen. Später ein übendes Orchester. New World Symphony. Adagio.“ (AT S. 69) 147 __________ 146 Laut Lengl (2012: 56) bezieht sich Mora mit Zeilen dieses Liedes „auf drei Vertreter der zeitgenössischen Filmkunst. Das Musikstück, aus dem die Zeilen stammen, ist Teil des Soundtracks zum Film Eraserhead von David Lynch aus dem Jahr 1977.“ Zu weiteren Teilen von Liedtexten siehe Lengl (2012). 147 In diesem Beleg kann gesehen werden, wie an manchen Stellen in „Alle Tage“ Umstände einer Situation mit nebeneinanderstehenden Ellipsen beschrieben werden. Liedtitel, Liedbzw. Gedichtzeilen und Zitate 155 (126) „Irgendwo, als sängen Sirenen: In heaven everything is fine. In heaven everything is fine. In heaven…“ (AT S. 379) [Hervorhebungen im Original] 148 (127) „[…] haben wir in der Karaoke-Lounge Sweet home Alabama gesungen […]“ (DeM S. 29) (128) „Am Strand gab es keinen freien Liegestuhl, er setzte sich trotzig in den Sand, den Rücken lehnte er gegen eine kleine Mauer. Die an der Kollision beteiligte Schulter schmerzte, auch der Ellbogen, der durch das Gewicht des Köfferchens verdreht worden war. When love goes wrong, nothing goes right. Meine Füße sind auch zu heiß. Die Schuhe sind zu eng.“ (DeM S. 31f.) Unter den auf Englisch in den deutschsprachigen Kontexten auftretenden intertextuellen Bezügen kann neben den oben angeführten Liedzeilen auch der Filmtitel „Star Trek“ (Beleg Nr. 129) erwähnt werden, der im Roman „Der einzige Mann auf dem Kontinent“ erscheint: (129) „Nein, man kann Sie durch dieses Netz nicht lokalisieren, so weit wie bei Star Trek sind wir noch nicht (da Sie mir humorlos zu sein scheinen, werde ich diesen Vergleich doch lieber weglassen)“ (DeM S. 208) Außer den hier gezeigten englischen Beispielen liegen in den Werken auch spanische (Beleg Nr. 130), lateinische (Belege Nr. 131 und Nr. 132), italienische (Beleg Nr. 133, eine Zeile aus dem Lied „Bella Ciao“), französische (Beleg Nr. 134) und russische (Beleg Nr. 135) Liedtitel bzw. -zeilen vor, die ebenfalls mit je einer thematischen Einleitung in die Textkontexte eingefügt werden und als anderssprachige Zeilen zugleich als Elemente der Mehrsprachigkeit gelten. Einige Abweichungen von den originalen Liedtexten, auf die Bezug genommen wird, lassen sich nur bei dem Refrain des französischen Liedtextes „Sur le pont d'Avignon“ bemerken, indem statt „Sur le pont d'Avignon l'on y danse, l'on y danse, sur le pont d'Avignon l'on y danse tout en rond“ im Text die folgende Zeile zu lesen ist: Sur les ponts d’Avignon, on y dance […] On y dance tout en rond. Dieses Lied erscheint in der Erzählung „Die Sanduhr“ als Gesang der Ich- Erzählerin, der von ihr mit ihrer Schwester und mit ihrer Mutter in informellem Kontext gemeinsam vorgetragen wird. Neben diesem Lied und den auf die ungarische Liedkultur verweisenden Zeilen gehören zu dieser Erzählung auch die italienische Zeile O partigiano, portami via, die sie ebenfalls singen und das lateinische Il Silencio, das der Schuster auf seinem Horn spielt. __________ 148 Die englischen Liedzeilen veranschaulichen hier den Klang des Gesangs, den Abel in „Delirium“ hört. Manifestationen der Mehrsprachigkeit in den ausgewählten Texten 156 (130) „Die Gäste, betrunken, wie man es am ersten Tag ist, singen mit dem Csicsa- Duo: Qué sera, sera.“ (SM S. 135) [Hervorhebungen im Original] (131) „Am schönsten spielt er Il Silencio.“ (SM S. 195) [Hervorhebung von B.B.] (132) „Verkehrslärm, Sonne, Wind, ein Chor übte Dona nobis pacem, aber das hörte hier nur mehr Mercedes.“ (AT S. 49) [Hervorhebung von B.B.] 149 (133) „Aber Mutter schüttelt nur den Kopf und lächelt: es ist gut so, wie es ist. O partigiano, portami via. Auf dem Nachhauseweg ist es schon dunkel.“ (SM S. 196f.) [Hervorhebungen im Original] (134) „Sur les ponts d’Avignon, on y dance, on y dance. Wir tanzen um den Küchentisch. Wir lassen unsere Holzpantinen auf die Fliesen klatschen und singen aus voller Kehle. Wir drei. On y dance tout en rond.“ (SM S. 200) [Hervorhebung von B.B.] (135) „Nebenan fingen zwei junge Russinnen in Tracht zu singen an, das gefiel ihm ziemlich, sie sangen schön, Kalinka, das konnte er von irgendwoher. (AT S. 204) [Hervorhebung von B.B.] 150 In Bezug auf die in diesem Kapitel behandelten intertextuellen Bezüge lässt sich feststellen, dass sie auf zwei Ebenen zur Manifestation der Mehrsprachigkeit beitragen können: Zum einen gelten sie in den deutschsprachigen Kontexten als Elemente aus anderen Sprachen. Zum anderen können sie durch die Miteinbeziehung von Komponenten u.a. anderer Liedkulturen in den deutschsprachigen Geschichten unter sprachlich-thematischem Gesichtspunkt der Veranschaulichung anderer Stimmen dienen. 7.8 Personennamen Als lexikalische Erscheinungsformen der Mehrsprachigkeit gelten in den ausgewählten Werken neben 1) Komponenten der Veranschaulichung von in anderen Sprachen formulierten Äußerungen bzw. Textauszügen und 2) den intertextuellen Aspekten auch 3) anderssprachige Personennamen, von denen einige zugleich als sprachliche Erscheinungsformen vom ,Anderen‘ angesehen werden können. Dementsprechend soll im vorliegenden Unterkapitel anhand ausge- __________ 149 Durch die lateinische Dona nobis pacem wird der Gesang eines Chors in „Alle Tage“ veranschaulicht, der während des Scheidungsversuchs von Mercedes und Abel singt. 150 Das Lexem Kalinka markiert den Gesang von zwei russischen Frauen, die Abel sieht. Personennamen 157 wählter Personennamen aus verschiedenen Sprachen behandelt werden, 1) welche Rolle bzw. Funktion sie in den Texten einnehmen und 2) Aspekte welcher Sprachkulturen durch sie in die Texte miteinbezogen werden. Mit Funktionen von Eigennamen in literarischen Texten befasst sich die literarische Onomastik. Eigennamen können in ihnen laut Gutschmidt „ihre Trägerin oder ihren Träger […] charakterisieren, ‚indem sie durch ihre innere Form, ihre Motiviertheit auf physische und psychische Merkmale, auf Gewohnheiten und Leidenschaften und auf ihre Tätigkeiten hinweisen‘“ (Gutschmidt 1980: 113; zit. nach Koß 2002: 168). Im Funktionenkatalog der Figurennamen von Lamping (1983) werden neben „Charakterisierung“, „Akzentuierung und Konstellierung“, „Perspektivierung“, „Ästhetisierung“ und „Mythisierung“ die Funktion „Identifizierung“ und „Illusionierung“ festgestellt. „Während [aber] Identifizierung und Illusionierung [als] ganz allgemeine Funktionen [in literarischen Texten betrachtet werden] […], wird durch charakterisierende Namen eine gezielte Kennzeichnung erreicht. [Zu dieser Kennzeichnung] dienen vor allem die sog. ‚redenden‘ oder ‚sprechenden‘ Namen (auch Suggestivnamen, Bauer 1998, 216; zur Typologie literarischer Namen Birus 1987)“ (zit. nach Koß 2002: 168), die auch eine anderssprachige Herkunft aufweisen und dadurch auch zur Charakterisierung von Figuren beitragen können. Die Verwendung solcher Personennamen aus anderen Sprachen nimmt in den Werken der Autorin aus thematischen Gründen eine wichtige Rolle ein. Da im Roman „Alle Tage“ der Schauplatz eine westeuropäische Stadt ist, in der viele Emigranten bzw. Figuren, die aus anderen Ländern gekommen sind, leben, und auch Teile der Vergangenheit des Protagonisten in einem anderen Land dargestellt werden, trägt die Verwendung dieser Namen zur authentischen Darstellung der erzählten Geschichte bei. Zu diesen Namen, die sich sprachlich somit als Träger verschiedener Kulturen feststellen lassen, können u.a. die Vornamen Abdellatif, Amir, Andre, Attila, Carlo, Dave, Danko, Eka, Gavrilo, Gábor, Gabriel, Ilia, Ilona, Konstantin, Janda, Mira, Tibor, Tatjana und Zoltán gezählt werden. Auch Namen im Zusammenhang mit Mitgliedern der Familie von Mercedes, mit der später Abel Nema eine Scheinehe schließt, kommen aus anderen Sprachen: Der von ihrem Vater gewählte Künstlername ist Alegria (AT. S. 167), was ein portugiesischer Vorname ist und auf Deutsch Freude, Fröhlichkeit, Heiterkeit (vgl. Lopes et al. 2007: 31) bedeutet. Als ein über einen anderskulturellen Charakter verfügender Name gilt auch der Vorname von Mercedes ᾿ Sohn Omar (AT S. 167), der ein im 20. Jh. entlehnter Vorname mit arabischem Ursprung ist „(arab. ‘āmir ››blühend‹‹ zu arab. ‘amara ››gedeihen, lange leben‹‹)“ (vgl. Kohlheim/ Kohlheim 2003: 264). 151 Neben diesen __________ 151 Ferner kommt der Name von Mercedes aus dem Spanischen. Manifestationen der Mehrsprachigkeit in den ausgewählten Texten 158 Namen erscheint auch der Nachname des Protagonisten als ein, aus einer anderen Sprache stammendes Element im Roman, der seine Andersheit zugleich sprachlich markiert. Der Nachname Nema verweist nämlich auf eine slawische Herkunft und bedeutet auf Deutsch „der Stumme“. Er ist mit dem slawischen Lexem „nemec“ verwandt, das früher für die nichtslawischen Sprecher verwendet wurde - für die Personen, die die slawischen Sprachen nicht beherrschten: „bulg. […] něméc ‚Stummer‘ […] skr. nijèmac ‚Deutscher, Stummer‘, sloven. némec ‚Stummer; Nordwind; Art Hafer‘, čech. němec ‚Deutscher‘ […]“ (vgl. Vasmer 1955: 211). Dieses Wort steht also im Slawischen für das Schweigen und für die Deutschen. Der Nachname des Protagonisten kann ferner auch mit seiner ungarischen Herkunft in Verbindung gebracht werden, da das ungarische Adjektiv néma auf Deutsch „stumm“ bedeutet: (136) „In der Welt leben und nicht in der Welt leben. So einer ist er. Immer etwas etepetete, so ein Rührmichnichtan, aber du täuschst mich nicht, dein Name verrät dich: Nema, der Stumme, verwandt mit dem slawischen Nemec, heute für: der Deutsche, früher für jeden nichtslawischer Zunge, für den Stummen also, oder anders ausgedrückt: den Barbaren. Abel, der Barbar, sagte eine Frau namens Kinga und lachte. Das bist du.“ (AT S. 14) Der Protagonist nimmt in der Geschichte ferner für bestimmte Situationskontexte andere Namen an. Unter diesen Namen, die im Roman im Kapitel „Delirium“ aufgezählt werden, gibt es sowohl solche, die aus anderen Sprachen stammen, als auch Anagramme: (137) „Dein Name ist, sagt er, während er schon ausbleicht wie alte Filmaufnahmen, dein Name ist: Jitoi. Abel Nema alias El-Kantarah alias Varga alias Alegre alias Floer alias des Prados alias ich: nicke. Jawohl, sage ich. Amen leba.“ (AT S. 410) [Hervorhebungen von B.B.] Unter diesen im Beleg Nr. 137 aufgezählten Namen verweist das Wort Jitoi laut Kraft (2007) auf ein mythologisches Element, indem dieses Wort „in der Tradition der nordamerikanischen Thono O’odham-Indianer der Mann im Labyrinth“ ist (Kraft 2007: 43). 152 Der Name El-Kantarah ist die arabische Bezeichnung für „Brücke“. Dieser Name kommt im Roman vor, als dem Protagonisten am ersten Tag, den er in der Großstadt „B“ verbringt, eine Unterkunft angeboten wird. An diesem Tag lernt er Konstantin T. kennen, der ‒ wie in Unterkapitel 7.5.3 erwähnt ‒ seit mehr als einem Jahr in „B“ lebt, und der ver- __________ 152 Zu dieser Feststellung vgl. auch Lengl (2012: 56). Personennamen 159 schiedenen Ausländern in einem Wohnheim Platz bietet. Er bietet auch Abel ein Zimmer an, das ursprünglich aber einem Algerier Abdellatif El-Kantarah zugedacht war, der aber seit zwei Monaten nicht aufgetaucht ist. Der Nachname Varga kommt im Zusammenhang mit den Musikern vor, die Abel auf einer Tour begleitet: 153 Nach einem Auftritt wird Andre, einer der Musiker, von einem Mann mit Messer verwundet, nach dem die Band das Hotel, in dem sie übernachten wollte, schnell verlassen muss. Als sie kurz mit dem Auto halten, steigt Abel aus und verschwindet, er verlässt die Musiker. Erst später bemerkt er, dass er Kontras Jacke mit seinem Pass und Papieren mitgenommen hat, in dem der Name „Attila V.“ zu lesen ist. 154 Der Buchstabe V steht hier für Varga, was ein ungarischer Nachname ist. Diese Annahme wird auch dadurch bestätigt, dass dieser Name im Roman als Nachname von Attila erscheint, der als ein Landsmann von Nemas Vater bezeichnet wird: (138) „Dann wäre mein bürgerlicher Name jetzt also Attila V. Ich wusste gar nicht, dass er ein Landsmann meines Vaters…Ist auch egal.“ (AT S. 245) Auch die weiteren Namen im Beleg Nr. 137 stehen für verschiedene Zeitperioden, die Abel in „B“ verbracht hat. Aus diesen hat er den Nachnamen Alegre aufgenommen, als er Mercedes geheiratet hat. Nachdem er bei Konstantin, Kinga und neben einer Fleischerei gewohnt hat, vermietet ihm Thanos, der Besitzer einer Sexbar, ein Dachgeschoss, dessen Vormieter vermutlich eine Person mit dem Nachnamen Floer war. Diesen Namen liest auch Mercedes über der Wechselsprechanlage, als sie ihren Scheinehemann erreichen muss. Der Name [Celin] des Prados wird im Kapitel „Delirium“ von einer Stimme als Abels Name angegeben, als das früher erwähnte imaginäre Gericht nach seinem Namen fragt. Dieser Name ist ein Anagramm des Ausdrucks Displaced Person 155 und deutet dementsprechend thematisch auf Nemas Situation hin. Neben Personennamen, die der authentischen Darstellung der Geschichte sowohl inhaltlich als auch sprachlich dienen, und Anagrammen können auch biblische Motive in den Personennamen von Moras Figuren entdeckt werden, wie z.B. im Namen von Mercedes, der Scheinehefrau des Protagonisten, was im Kapitel „Delirium“ auch sprachlich explizit erläutert wird: __________ 153 Zur Thematik des Namenwechsels vgl. z.B. Kraft (2011: 192). 154 Siehe auch Kraft (2007). 155 Siehe das Interview mit Terézia Mora in der Magisterarbeit von Tobias Kraft (2007): Literatur in Zeiten transnationaler Lebensläufe. Identitätsentwürfe und Großstadtbewegungen bei Terézia Mora und Fabio Morábito. Laut Kraft verweise der Ausdruck auf „die geopolitische Dimension von Migration als Kriegsfolge“ (Kraft 2011: 200). Manifestationen der Mehrsprachigkeit in den ausgewählten Texten 160 (139) „Und hier, meine Frau, ihr Name ist Gnade, sie tanzt - Wie freue ich mich! - Wange an Wange mit meiner goldbehelmten Patin.“ (AT S. 407) Im Hinblick auf den Inhalt des obigen Ausschnittes wird mit dem Namen Mercedes auf „Maria voll der Gnade“ verwiesen (siehe dazu auch Kraft 2007, Distefano 2010: 92 und Lengl 2012: 86). Namenvarianten von Maria bekamen ferner auch viele andere Frauenfiguren im Roman (vgl. Interview mit T.M. S. 226). Als ein weiterer Verweis auf die Bibel kann der Vorname des Protagonisten betrachtet werden. Mit ihm wird ‒ neben den oben erwähnten Aspekten ‒ auch auf die ungarische Literatur verwiesen, und zwar auf den ungarischsprachigen Roman „Ábel a rengetegből“ von Áron Tamási, was sich in der Übersetzung des ungarischen Attributs „a rengetegből“ ins Deutsche zeigt (siehe z.B. Propszt 2010, Lengl 2012: 111, Tatasciore 2012: 233). Dieser Name wird von Kinga 156 realisiert, als sie Abel mit diesem Namen den Mitgliedern der Band vorstellt. Ferner enthält sein Vorname − ähnlich wie sein Nachname − einen Verweis auf eine andere Sprache, indem Abel auf Hebräisch „Hauch“, „Nichtigkeit“ bedeutet. 157 Die religiöse Symbolik im Zusammenhang mit seinem Namen zeigt sich im Weiteren an der Stelle, an der die Reihenfolge von dessen Buchstaben umgekehrt wird und demzufolge das Wort Amen im Text erscheint. Als weitere Namen, die über ein „anderskulturelles“ Potenzial in den ausgewählten Werken verfügen, sind u.a. die Nachnamen Bor, Gdansky, Uljanow zu erwähnen, die auch mit der in der erzählten Geschichte immanenten Orientierungslosigkeit zusammenhängen: Die Autorin hat für die Figuren bewusst solche Namen gewählt, die „keine eindeutige Orientierung zulassen“. Durch diese Orientierungslosigkeit in Bezug auf die Personennamen kann dementsprechend auch die heutige Situation in vielen Gesellschaften versinnbildlicht werden (vgl. Interview mit T.M. S. 226). Obwohl im Roman „Alle Tage“ die oben gezeigten ungarischen Vor- und Nachnamen als sprachliche Manifestationen einer „anderen“ Kultur betrachtet werden können, werden in den Erzählungen des Bandes „Seltsame Materie“ die ungarischen Vornamen: Attila, Kelemen, Marika (Diminutivform von Mária) und der Nachname Hornák hier nicht als solche aufgefasst, da deren Verwen- __________ 156 Der Vorname Kinga − die ungarische Form von Kunigunda − wurde nach einer wirklichen Person einer Frauenfigur im Roman vergeben (vgl. Interview mit T.M. S. 226). Zur Herkunft dieses Vornamens siehe Fercsik/ Raátz (2009: 330). Ähnlich wie im Fall von Kinga wurden auch die Männerfiguren nach wahren Personen benannt: „Die Jungs sind alle Personen, die ich im wahren Leben kenne und dann habe ich aus ihren richtigen Namen irgendwas gemacht, was ein bisschen internationaler klingt.“ (vgl. Interview mit T.M. S. 226) 157 Zur Herkunft des Namens siehe auch Lengl (2012: 88). Personennamen 161 dung vom Thema und vom Schauplatz der Erzählungen her unabdingbar ist. Jedoch sind in den Erzählungen auch Vornamen zu finden, die aus anderen Sprachen stammen, wie z.B. die Namen Creszenz, Leonie, Amaryllis, Antonio, Vessela, Marcella, Anniña und Antonio Bueno. Im Roman „Der einzige Mann auf dem Kontinent“ ist wegen des globalisierten Hintergrundes der Geschichte - ähnlich wie bei „Alle Tage“ - die Verwendung von Namen aus anderen Sprachen und Kulturen u.a. unter thematischem Gesichtspunkt wichtig. Als Namen, die zur Darstellung dieses globalisierten Hintergrundes und der darin dargestellten geschäftlichen Beziehungen beitragen, sehe ich in diesem Text u.a. die Vornamen Anthony, Amélie, Warren, Bill, Juri, Vicky, Mathieu, Sascha, Aris, Ken, Irini, Valéry, Kathryn, Shahzana, Tommy und die Nachnamen Lasocka (polnisch), Szilagyi (kommt aus dem ungarischen Nachnamen Szilágyi), Eötvös (ungarisch), Stavridis (griechisch), Messiaen, Lin (chinesisch), Mirza (persisch) und Monkowski (slawisch) an, in denen thematische Elemente der erzählten Geschichte mit der sprachlich-kulturellen Herkunft der jeweiligen Namen verwoben sind. 8 Sprachliche Ausdrucksformen von ‚Anderem‘ und ‚Fremdem‘ in den ausgewählten Texten Bezüglich der Rolle von Elementen aus anderen Sprachen in Moras Werken lässt sich die Frage stellen, mit welchen sprachlich-thematischen Mitteln die Andersheit oder Fremdheit bestimmter Sprachen bzw. Figuren, die diese Sprachen sprechen, dargestellt wird. Entsprechend dieser Fragestellung liegt in diesem Kapitel der Fokus auf sprachlichen Ausdrucksformen der Bezugsgrößen ,Anderes‘ und ,Fremdes‘, die anhand von Beispielen aus den Werken „Seltsame Materie“ und „Alle Tage“ dargestellt werden. Bei der Analyse sprachlicher Erscheinungsformen der oben genannten Kategorien werden auch ihre Wortarten und syntaktische Positionen in den jeweiligen Belegen mitberücksichtigt. Somit fokussiert die Untersuchung neben der thematischen Veranschaulichung von ,Andersheit‘ und ,Fremdheit‘ auch deren Darstellung mit sprachlichen Mitteln. Im Roman „Alle Tage“ kommen das Substantiv Fremdheit und das Adjektiv fremd im Zusammenhang mit dem Protagonisten Abel Nema mehrmals vor, was in erster Linie nicht daraus resultiert, dass er als Emigrant in einen westlichen Staat geflohen ist. Dieses Substantiv und Adjektiv bezeichnen vielmehr seine persönliche Andersheit. Er erscheint aus der Perspektive anderer Figuren als jemand, der keinen Kontakt zu anderen sucht und sich auch durch verschiedene Merkmale von den Anderen in seiner Nähe unterscheidet. Damit kann auch beobachtet werden, dass Abel sich durch sein Verhalten von vielen Figuren abgrenzt. In der Rede- und Gedankenwiedergabe dieser Figuren tritt zum Vorschein, dass es ihnen schwer fällt, genaue Gründe seiner Andersheit zu benennen. Aspekte dieser Andersheit werden auch von Mercedes’ Mutter nur in der Art und Weise seines Verhaltens und seines Äußeren hervorgehoben: „Eigentlich […] ist alles in Ordnung mit ihm. Ein höflicher, stiller, gutaussehender Mensch. Und gleichzeitig ist nichts in Ordnung mit ihm. Wenn man das auch nicht näher benennen kann. Etwas ist verdächtig. Die Art, wie er höflich, still und gutaussehend ist.“ (AT S. 13) [Hervorhebungen im Original] Er erscheint in der erzählten Geschichte „als Figur des Fremden par excellence: Er lebt als Exilant in der Fremde und bleibt dabei ein Außenseiter, der sich fremd fühlt und von seiner Umwelt als andersartig und vielfach als unheimlich wahrgenommen wird […]“ (Geier 2006: 169). Das zeigt sich u.a. an Stellen, an denen über die besondere Art seiner Andersheit geschrieben wird, wie z.B. im Sprachliche Ausdrucksformen von ‚Anderem‘ und ‚Fremdem‘ 164 Folgenden: „In der Welt leben und nicht in der Welt leben. So einer ist er.“ (AT S. 14) Seine von den anderen Figuren wahrgenommene ,Fremdheit‘ kommt durch verschiedene sprachliche Gestaltungsmittel zum Ausdruck. Als ein solches Mittel gilt in den Belegen Nr. 140 und Nr. 141 die Verwendung der Substantive Fremde (syntaktische Position: Genitivattribut) und Fremdheit (syntaktische Position: Akkusativobjekt). 158 Im ersten Fall kommen die Ausdrücke in Mercedes’ Gedankenwiedergabe vor, als Abel fast zu spät zu ihrer Hochzeit kommt. Im zweiten Fall wird das Substantiv Fremdheit von Mercedes’ Bekanntem Erik mit Abels Verhalten verknüpft, wenn Abel Eriks Fragen immer mit kurzen Antworten ausweicht. Diese Verhaltensweise empfindet Erik als außergewöhnlich und irritierend: (140) „[…] etwas Endloses, wofür sie gar keine Worte mehr hat, stieg aus ihm hoch, als trüge er ihn in den Taschen: den Geruch der Fremde. Sie roch Fremdheit an ihm.“ [Hervorhebung im Original] (AT S. 17) (141) „Immer diese Fremdheit vor sich hertragen wie ein … wie ein … Schild.“ (AT S. 323) [Hervorhebung von B.B.] Aspekte der Andersheit von Figuren werden auch im Erzählband „Seltsame Materie“ mit Hilfe verschiedener sprachlich-thematischer Ausdrucksmittel formuliert, wie z.B. mit der Pluralform des Substantivs Fremder. Diese Pluralform steht aber in der Erzählung „Der See“ nicht für eine „existenzielle Dimension“ (Terminus nach Czeglédy 2008: 300), wie in Abel Nemas Fall. Eine sprachlichthematische Annäherung an den Textkontext zeigt, dass sie hier eine „Nicht- Bekanntheit“ bezeichnet, d.h. dass der Ich-Erzählerin die Figuren nicht bekannt sind, die durch den im Titel genannten See in ein anderes Land fliehen wollen und dazu die Hilfe ihres Großvaters in Anspruch nehmen. Zu dieser Bezeichnung der Flüchtlinge trägt auch bei, dass sie in vielen Fällen eine andere bzw. verschiedene Sprachen sprechen, die die Ich-Erzählerin nicht versteht. In diesem Sinne wird durch die Pluralform Fremde (syntaktische Position in den Belegen Nr. 142 und 143 Subjekt, im Beleg Nr. 144 Akkusativobjekt) keine ‚Fremdheit‘, sondern eine ‚Andersheit‘ ausgedrückt, unter der in der gegebenen Erzählung die Nicht-Zugehörigkeit der Flüchtlinge zu der Gemeinde, in der die Ich-Erzählerin lebt, verstanden wird: __________ 158 Zum Ausdruck „fremder Geruch“ als Zeichen Abels Fremdheit vgl. auch Kraft (2011: 199). Sprachliche Ausdrucksformen von ‚Anderem‘ und ‚Fremdem‘ 165 (142) „Der See streckt sich wie eine lange Zunge über die Grenze. Wir nennen ihn See, obwohl uns nur der unterste Zipfel von ihm gehört, wo er eigentlich kein See mehr ist, sondern nur noch Schlamm und Schilf. Die Schilfschnitter fahren Jahr für Jahr Kanäle hinein, durch die sie lange Bootsreihen mit Schilfgarben lenken. Die Kanäle wachsen Jahr für Jahr wieder zu. Wo der Schilfgürtel endet, beginnt das Drüben mit offenem Wasser und Segelschiffen. Die Fremden, die zu uns kommen, wollen alle dahin.“ (SM S. 56) [Hervorhebung von B.B.] (143) „Alles ist hier Grenze, die Fremden könnten auch über die Wiesen gehen, über Land, aber sie wollen nur Großvater und den See, für alle und von allen Seiten gleich undurchschaubar und gefährlich […]“ (SM S. 58) [Hervorhebung von B.B.] (144) „Seitdem Vater nicht mehr bäckt, bringt Großvater wieder Fremde nach drüben.“ (SM S. 57) [Hervorhebung von B.B.] Als ein weiteres Substantiv, das zur Darstellung des im Roman „Alle Tage“ geschilderten Andersseins bestimmter Figuren beiträgt, ist die Singularform Ausländer. Mit diesem Substantiv (syntaktische Position im Beleg Nr. 145: lockere Apposition) wird eine Figur in der Großstadt „B“ bezeichnet, die aus einem anderen Land gekommen ist. Über einige Figuren im Roman erfährt der Leser nur so viel, dass sie Ausländer sind, wie es auch im Folgenden im Beitrag des Erzählers gesehen werden kann. Hier unterhält sich Konstantin, der von Abel zu einem Mittagessen einer Stiftung mitgenommen wurde, mit einem anderen Gast, dessen Herkunft aber verborgen bleibt und der somit nur mit diesem Substantiv bezeichnet wird. Das steht u.a. mit der sprachlichen Manifestation der im Roman angestrebten Orientierungslosigkeit im Zusammenhang. (145) „Oh, tut Ihnen die Hand weh? Sich am Vortrag bei einem Job mit einem elektrischen Messer geschnitten? (Haben Sie Erfahrung? fragte der Mann, auch so ein Ausländer. Ja, ja, sagte Konstantin.“ (AT S. 107) Zu den stilistischen Gestaltungsmitteln des ‚Anderen‘ kann weiterhin die Vorgehensweise gezählt werden, dass die Herkunft des Vaters des Protagonisten durch allgemeine Ausdrücke nicht exakt angegeben wird, wodurch sein Anderssein hervorgehoben wird. Als sprachliche Manifestationen des ‚Anderen‘ (hier des Andersseins Abels Vaters) können im nächsten Ausschnitt der Ausdruck die andere Hälfte ungewiss und das Indefinitum sämtlich, das vor der Pluralform Minderheiten steht, erscheinen. Durch diese sprachlichen Mittel wird die Figur im Beleg Nr. 146 als eine Art „Mischung“ verschiedener Minder- Sprachliche Ausdrucksformen von ‚Anderem‘ und ‚Fremdem‘ 166 heiten dargestellt. Seine Herkunft wird dabei nicht exakt bestimmt und die Andersheit gerät als sein Merkmal ins Blickfeld: (146) „Ein halber Ungar, die andere Hälfte ungewiss [Hervorhebung von B.B.], er sagte, er trüge das Blut sämtlicher Minderheiten der Region [Hervorhebungen im Original] in sich, ein Zugereister, ein Zigeuner, ein Stimmenimitator und Abenteurer, der auf zwei Flöten gleichzeitig und die Balalaika spielen konnte, und wer weiß, was noch alles.“ (AT S. 61) ‚Fremdheit‘ und ,Anderssein‘ kommen ‒ wie am Anfang dieses Kapitels angedeutet ‒ nicht nur in Bezug auf Figuren, sondern auch in Bezug auf Sprachen zum Ausdruck, da die von bestimmten Figuren gesprochenen Sprachen aus dem Blickwinkel anderer Figuren als anders bzw. als fremd wahrgenommen werden. Das gestaltet sich sprachlich z.B. durch die Attribuierung des Substantivs Sprache mit dem Adjektiv fremd. Somit wird durch das Attribut fremd z.B. im Beleg Nr. 147 das Anderssein der von einer Figur gesprochenen Sprachen seitens der Ich-Erzählerin ausgedrückt. Dazu ermöglicht das Possessivpronomen sein gleichzeitig eine Abgrenzung von der Sprache der Zuhörerin: (147) „Er stottert erschrocken in seinen fremden Sprachen […]“ (SM S. 55) Dieses Anderssein der Sprache, d.h. das Phänomen ‚Anderes‘ im Hinblick auf die Sprache, kommt also neben der Bezeichnung fremd auch in der Manifestation von Gegenüberstellungen zum Ausdruck. Dabei kann im Hinblick auf die Verwendung der Possessivpronomina gezeigt werden, dass eine solche Gegenüberstellung in der Verwendung eines exklusiven sein gegenüber einem inklusiven unser zu Tage treten kann, wobei das Possessivpronomen sein im nächsten Beleg als possessives Attribut im Satz erscheint. In der geschilderten Situation wird mit der Präpositionalphrase in seiner Sprache die Sprache eines Gefangenen markiert, die von den Grenzsoldaten in der Erzählung „STILLE.mich. NACHT“ nicht verstanden und demzufolge als ,fremd‘ wahrgenommen wird: (148) „Der Junge sagt hey, und er soll zurückkommen und die Zigarette aufheben, aber dann winkt er nur ab, will die Zigarette noch hinterhertragen, und als er aus der Zelle kommt, dreht sich der Typ zu ihm um, blutet am Mundwinkel, in der Hand hat er eine halbe Rasierklinge, und bevor der Junge irgend etwas machen kann, fängt der Typ in seiner Sprache zu brüllen an, spuckt dabei eine Menge Wasser und Blut und schneidet sich mit der Klinge zweimal in den Arm.“ (SM S. 28). [Hervorhebungen von B.B.] Im Bereich der Adjektive steht im Erzählband für die Veranschaulichung des ‚Anderen‘ auch das Adjektiv ausländisch (im Beleg Nr. 149 Adverbialbestim- Sprachliche Ausdrucksformen von ‚Anderem‘ und ‚Fremdem‘ 167 mung, im Beleg Nr. 150 Prädikativ). Durch dessen Verwendung kann im Beleg Nr. 149 sprachlich eine gewisse Distanz zwischen dem „Inland“ und dem „Ausland“ versinnbildlicht werden, die sich in der Darstellung des Andersseins der Sprache widerspiegelt, d.h. in ihrer Bezeichnung als ausländisch. Dieses Adjektiv wird aber nicht nur für die Charakterisierung einer Sprache verwendet. Im Beleg Nr. 150 erscheint es bereits als eine Eigenschaft des Badeanzuges der Ich- Erzählerin Ophelia, da er im Ausland gekauft wurde. Auch diese Charakterisierung des Badeanzuges drückt einen Teil von Ophelias Andersheit aus. Die Perspektive der Dorfbewohner, von denen ihre Familie als fremd wahrgenommen wird, wird hier in ihre eigene Darstellung aufgenommen: Sie gibt über sich selbst an, dass sie sich von den anderen unterscheidet. Auch die zwei Merkmale des Badeanzugs, nämlich seine Herkunft und seine Farbe, werden in der Erzählung von der Ich-Erzählerin dreimal hervorgehoben. Dabei bringt die Wiederholung dieser Aspekte der ,Andersheit‘ in Form einer Repetition 159 (Beleg Nr. 151) am Anfang von Absätzen gleichzeitig die ,Andersheit‘ der Figur zum Ausdruck: (149) „Der Feldhüter Kelemen fühlt sich den Fahrrädern verbunden, tätschelt sie und zwinkert mit seinem Auge den Touristen zu, die meist nur ausländisch sprechen.“ (SM S. 16). [Hervorhebung von B.B.] (150) „Mein Badeanzug ist ausländisch und lila. Im kalten Schwimmbecken bin ich damit allein.“ (SM S. 118) [Hervorhebungen von B.B.] (151) „Mein Badeanzug ist ausländisch und lila, an meinen Füßen Blasen und Teer.“ (SM S. 120) [Hervorhebungen von B.B.] In den Erzählungen von „Seltsame Materie“ sind die obigen Manifestationen des Andersseins von Figuren mit negativen Einstellungen ihnen gegenüber verflochten. Diese negative Einstellung der Dorfbewohner wird im Folgenden gegenüber zwei Einstellungsobjekten, und zwar (1) gegenüber den Mitgliedern einer Familie von anderer Herkunft sowie (2) gegenüber ihrer Muttersprache dargestellt. __________ 159 Zur Repetition siehe z.B. Brinker (2010: 27). Sprachliche Ausdrucksformen von ‚Anderem‘ und ‚Fremdem‘ 168 8.1 Sprachliche Manifestationen von Einstellungen gegenüber Figuren mit anderer Herkunft und gegenüber ihrer Muttersprache Bei der Darstellung von Einstellungen bestimmter Figuren und/ oder der Ich- Erzähler(innen) gegenüber ausgewählten Einstellungsobjekten wird das Verhältnis zwischen ‚Eigenem‘ und ‚Anderem‘ identifiziert und beschrieben, da das ,Andere‘ ‒ wie im Kapitel 4 dargestellt ‒ aus der Perspektive des ‚Eigenen‘ beurteilt werden kann. Mit sprachlichen Ausdrucksmöglichkeiten des ‚Eigenen‘ kann aber außer der Bezugsgröße ‚Eigenes‘ auch die Distanz zwischen den Kategorien ‚Eigenes‘ und ‚Anderes‘ markiert werden. Sprachliche Realisierungen des Verhältnisses dieser Bezugsgrößen werden im vorliegenden Unterkapitel anhand ausgewählter Beispiele der Erzählung „Der Fall Ophelia“ veranschaulicht. In dieser Erzählung wird dargestellt, wie Ophelias Familie, die aus drei Frauen-Generationen besteht, in dem Dorf, in das sie gezogen ist, von der dortigen Dorfgemeinschaft ausgegrenzt wird (vgl. Unterkapitel 6.2). Die negative Einstellung der Dorfbewohner gegenüber den Mitgliedern der Familie zeigt sich dabei zum einen in der Meinung über ihre Sprache, indem die anderen Bewohner sich von der von der Familie gesprochenen Sprache distanzieren. In der Rede der Ich-Erzählerin Ophelia kann aber auch gesehen werden, dass sie ihre Sprache, das Deutsche, in einigen Situationen auch zur Distanzierung verwendet, wodurch gleichzeitig eine Hervorhebung ihrer Andersheit möglich ist. Diese Sprache erscheint mithin als ein Mittel, mit dem sie den Unterschied zwischen sich selbst und den Anderen zum Ausdruck bringt. Diese Distanz zwischen Ophelias Sprache und der Sprache der Dorfbewohner wird mit verschiedenen Elementen versinnbildlicht. Das wird auch anhand der Belege Nr. 152 und 153 expliziert, in denen eine Kommunikationssituation zwischen Ophelia und dem Priester des Dorfes dargestellt wird. Hier erscheint die Distanz zwischen den in der Situation verwendeten Sprachen darin, dass aus der Perspektive der Ich-Erzählerin bei der Schilderung der Situation vor dem Substantiv Sprache das Possessivpronomen (syntaktische Position: possessives Attribut) in erster Person Plural unser benutzt wird, wodurch sie sich implizit von der Sprache des Priesters, als einem Mitglied der Dorfgemeinschaft, distanziert. 160 Die Distanzierung kommt in diesem Sinne auf zwei Ebenen zum Vorschein, nämlich auf der Ebene der dargestellten Handlung und auf der Beschreibungsebene: Nicht nur der Moment des Gebrauchs einer anderen Sprache versinnbildlicht Distanz, sondern auch die Reflexion der Erzählerin: Während am Anfang der Darstellung dieses Gesprächs mit dem Priester von der Erzählerin __________ 160 Vgl. Burka (2010: 9). Einstellungen gegenüber Figuren mit anderer Herkunft 169 noch geäußert wird, dass sie ihre Sprache bzw. die Sprache der Familie „aus Versehen“ für die Begrüßung verwendet hat, kann am Ende das Fehlen dieser Adverbialbestimmung markieren, dass Ophelia die deutsche Sprache verwendet hat, um ihre Distanz vom Priester sprachlich zu versinnbildlichen. Die Wiederholung der Präpositionalphrase in unserer Sprache kann in diesem Sinne am Ende des Dialogs die Andersheit durch die Verwendung einer anderen Sprache hervorheben. Durch die Verwendung dieser gemeinsamen Sprache mit ihrer Mutter und Großmutter lässt sich ferner Ophelias Zusammengehörigkeit mit ihnen verdeutlichen, wie es sich aus den Erkenntnissen über die Rolle der Sprache im Hinblick auf die Identität ergibt (vgl. Unterkapitel 4.2): (152) „Guten Tag, sage ich zu Herrn Priester, aus Versehen in unserer Sprache.“ (SM S. 117) [Hervorhebungen von B.B.] (153) „Der Teer unter meinen Füßen kocht, die Sonne über mir sehr weiß, Herr Priester trägt sie statt eines Kopfes am Hals, und sein Hals ist kein Hals, nur ein Kragen, um die Soutane gelegt. Ich muß ihn loben dafür. Er drängt darauf. Ich verstehe nicht, sage ich in unserer Sprache. Guten Tag.“ (SM S. 117) [Hervorhebungen von B.B.] Durch Ophelias sprachliche Formulierung des ‚Eigenen‘ im Possessivpronomen unser kommt aber gleichzeitig eine Differenz zwischen dem ‚Eigenen‘ (hier der eigenen Sprache, d.h. der Sprache der Familie) und dem ‚Anderen‘ (der Sprache der Dorfbewohner) zum Ausdruck. Ein weiteres Mittel der Veranschaulichung der negativen Einstellung gegenüber der Sprache dieser Familie erscheint weiterhin in den Belegen Nr. 154 und Nr. 155: (154) In der Geschichtsstunde drehen sich alle um und starren mich an. Die Lehrerin hat es gerade erklärt: Wer spricht, wie man in meiner Familie spricht, ist ein Faschist. Wer bei meiner Mutter in die Privatstunde geht, lernt die Sprache des Feinds. Die muß man doch als erstes wissen, sagt meine Mutter. Und: Mach dir nichts daraus. Wir sind die einzige fremde Familie im Dorf, wenn man das eine Familie nennen kann, diese drei Generationen Frauen, und alle geschieden, erzählt man sich, kommen hierher, Kommunisten wahrscheinlich, christlich auf keinen Fall. Sprechen fremd und beten nicht“ (SM S. 116f.). [Hervorhebungen von B.B.] (155) „Ihr seid Faschisten. Und Kommunisten. Ich habe versprochen, dich zu töten, sagt mein Feind.“ (SM S. 127) [Hervorhebungen von B.B.] Im Rahmen der ersten Textstelle manifestiert sich diese Einstellung sprachlich zum einen darin, dass nach dem Substantiv Sprache das Genitivattribut des Sprachliche Ausdrucksformen von ‚Anderem‘ und ‚Fremdem‘ 170 Feinds verwendet wird. Zum anderen kommen die negative Einstellung und die Distanzierung im Attribut fremd und in der Adverbialbestimmung fremd zum Ausdruck, mit denen die Andersheit der Familie auf zwei Ebenen angesprochen wird: Das Anderssein der Sprache, die von der Familie gesprochen wird, wird mit dem Anderssein der Mitglieder der Familie gleichgesetzt, da das Substantiv Familie durch das Adjektiv fremd attribuiert wird. Die Fremdheit der Familie und die oben veranschaulichte negative Einstellung gegenüber ihren Mitgliedern werden ferner in den Belegen dadurch explizit zum Ausdruck gebracht, dass Ophelia und ihre Familie vom Sohn der Krankenschwester mit der Pluralform der Substantive Faschist und Kommunist bezeichnet werden. Die negative Einstellung gipfelt dabei u.a. in der Verwendung des Verbs töten, was hier nach dem in der Sozialpsychologie verwendeten Einstellungsmodell auf eine mögliche Auswirkung der Einstellung auf die Handlungsabsicht des Jungen hindeuten kann. Das Anderssein oder die ‚Fremdheit‘ der Familie sehen die Dorfbewohner, d.h. die anderen Figuren der Erzählung auch in Verhaltensweisen, in denen sich Ophelia, ihre Mutter und ihre Oma von den anderen Mitgliedern der Gemeinde unterscheiden. Zu diesen Unterscheidungsmerkmalen gehört auch, dass die Mitglieder von Ophelias Familie nicht wie die anderen Dorfbewohner in die Kirche gehen. Dadurch wird ihre Ausgrenzung auch im Hinblick auf bestimmte Verhaltensdomänen noch deutlicher. So kann die Distanz zwischen den Dorfbewohnern und Ophelia im folgenden Beleg in der Verwendung des Personalpronomens sie in dritter Person Plural (syntaktische Position: Subjekt) gesehen werden. Der Gebrauch des Personalpronomens im Hinblick auf den Inhalt impliziert, dass aus der Perspektive der Ich-Erzählerin die anderen Dorfbewohner als eine einheitliche, homogene Gruppe bezeichnet werden. Dabei geschieht die Ausgrenzung der Familie aus der Perspektive der Dorfbewohner, hier des Sohns der Krankenschwester, in demselben Beleg durch die Verwendung des Personalpronomens ihr (syntaktische Position: Subjekt). An dieser Stelle wird das vom Jungen Gesagte in den Text der Ich-Erzählerin integriert: (156) „Sie kommen mit dem Gongschlag, im Puderzuckergeruch, im Laufschritt aus der Fabrik und über das Schienenpaar, ihrem kurzen Abendschatten hinterher. Schnell noch für eine Stunde in die Brühe, bevor das Becken geschlossen wird. Und sonntags nach der Messe in aller Ruhe. Das Wasser frisch eingelassen bis Dienstag, und dann wieder bis Donnerstag. Wenn sie kommen, bin ich schon da und bin fünfzigmal quer geschwommen. Ohne Gebet. Ihr werdet in die Hölle kommen, sagt der Sohn der Krankenschwester und macht den Streichholztest mit mir. Denn nur gottesfürchtigen Menschen ist es gegeben, rotköpfige Streichhölzer an schwarzer Reibefläche zu entzünden.“ (SM S. 118) [Hervorhebungen von B.B.] Einstellungen gegenüber Figuren mit anderer Herkunft 171 Die Distanz zwischen der Familie und den anderen Mitgliedern der Gemeinde kommt des Weiteren darin zum Ausdruck, dass für die anderen Dorfbewohner aus der Perspektive von Ophelia im Beleg Nr. 157 das Indefinitpronomen alle bzw. für die anderen Kinder das indefinite Artikelwort alle stehen, während die Mitglieder ihrer Familie von einem Dorfbewohner erneut mit ihr genannt werden. Dadurch kommt in der sprachlichen Darstellung auch die soziale Identität der Gruppe der Dorfbewohner und eine gewisse Abgrenzung von den Mitgliedern der Familie zum Ausdruck. Die Verwendung des für Ophelias Familie benutzten Personalpronomens ihr kann demzufolge auch in diesem Beleg als ein weiterer sprachlich-stilistischer Ausdruck für die Distanzierung auftreten 161 : (157) Sonntags nach der Messe Picknick am Beckenrand: panierte Hühnerkeulen, saure Gurken und Quittenkompott. Die Männer fassen sich nur an den Fingerspitzen an, um genau einmal, schwingend, die Hand zu schütteln. Für nichts davon steigen sie aus dem Wasserleib. Eine große Familie, eine Familienbadewanne, alle in der Fabrik, alle zur Messe. Abends gehen alle Kinder mit Einkaufsnetzen: aus den Löchern der Netze lugen Bierflaschenhälse. Warum ihr nicht, fragt mich der Junge, mein Feind. Warum müßt ihr alles anders machen, nicht in der Kirche, nicht im Bier, nicht in der Badewanne […]“ (SM S. 118f.) [Hervorhebungen von B.B.] Die Situation der Familie, d.h. ihre Wahrnehmung seitens der Bewohner des kleinen Dorfes, dessen charakteristische Merkmale „Eine Kneipe, ein Kirchturm, eine Zuckerfabrik“ in Form eines stilistischen Parallelismus (vgl. Fix/ Poethe/ Yos 2001: 60, Hoffmann 2009: 1537) am Anfang bestimmter Absätze wiederkehren, wird anhand der oben dargestellten Beispiele in der Erzählung mit vielfältigen sprachlichen Manifestationen der Distanzierung versinnbildlicht, die in den Text der Ich-Erzählerin eingewoben werden. 162 8.2 Sprachliche Merkmale der Entgrenzung Mit der Erscheinung von Sprachen im Roman „Alle Tage“ und mit der Veranschaulichung ihrer Sprecher hängt die Vorgehensweise eng zusammen, dass 1) räumliche und 2) zeitliche Umstände bzw. Grenzen in der Geschichte aufgehoben werden. Im Rahmen dieses Konzepts werden auch 3) Sprachen, die mit der Herkunft von Figuren oder mit den Handlungsorten eindeutig verknüpft __________ 161 Vgl. auch Burka (2010: 10). 162 Zur Wiederkehr bestimmter Elemente in Moras Erzählungen siehe das Interview mit der Autorin. S. 228f. Sprachliche Ausdrucksformen von ‚Anderem‘ und ‚Fremdem‘ 172 werden könnten, nicht explizit genannt. 163 Dadurch wird zum einen das im Roman thematisierte Problem auch für andere Kontexte anwendbar. Diese sprachlich-thematischen Mittel können zum anderen an bestimmten Stellen die Desorientiertheit des Protagonisten veranschaulichen. Durch sie kann außerdem die Versinnbildlichung einer „existenzielle[n] Dimension“ (Czeglédy 2008: 300) von Fremdheit erreicht werden, indem unter dieser existenziellen Dimension verstanden wird, dass die „Reflexionsflächen, die Fremdheit als kulturelle, politische, intellektuelle oder ästhetische Fremdheit beschreiben ließen, [mit Absicht] entfernt [werden]“ (Czeglédy 2008: 300). Dementsprechend kann als ein Mittel zur Versinnbildlichung dieser existenziellen Dimension von Fremdheit im Werk auf der thematisch-stilistischen Ebene die „Entsubjektivierung des Ichs, die durch die Aufhebung der zeitlichen, räumlichen und sozialen Bedingtheit des Protagonisten erreicht wird“ (Czeglédy 2008: 300), betrachtet werden, 164 was im Folgenden anhand ausgewählter Beispiele exemplifiziert wird. Dabei steht zum einen im Fokus, mit welchen Mitteln die genaue Angabe von Raum und Zeit vermieden werden kann, wodurch die räumlichen und zeitlichen Grenzen des behandelten Themas aufgehoben werden. Sprachliche Mittel dieser „Entgrenzung“ werden zum anderen anhand solcher Stellen exemplifiziert, an denen die im Roman erwähnten Sprachen nicht eindeutig benannt werden. Unter den Mitteln, mit denen die Desorientiertheit des Protagonisten bzw. die Aufhebung der räumlichen und zeitlichen Grenzen erreicht wird, werden dementsprechend Folgende behandelt: (1) sprachliche Mittel, mit denen die Vermeidung von Toponymen möglich ist, 165 (2) sprachliche Mittel, mit denen eine Orientierungslosigkeit in Bezug auf die Zeit veranschaulicht werden kann und (3) sprachliche Mittel, mit denen eine genaue Angabe von Sprachen vermieden wird. 8.2.1 Vermeidung der Angabe von Toponymen Als ein wichtiges Prinzip in der Gestaltung der erzählten Geschichte gilt, dass die Angabe der Namen von Ländern und Städten vermieden wird, was auch in den Erzählungen des Bandes „Seltsame Materie“ zu sehen ist. 166 Dieses Prinzip __________ 163 Siehe auch Lengl (2012). 164 Zur Verwendung bzw. Nicht-Angabe von räumlichen und zeitlichen Faktoren in „Alle Tage“ siehe auch Lengl (2012: 100ff.). 165 Zu sprachlichen Mitteln der Vermeidung von Toponymen in „Seltsame Materie“ siehe Prutti (2006) und Tatasciore (2012). 166 Zur „Verdrängung“ von Toponymen in Alle Tage vgl. auch Kraft (2012: 166). Laut ihm gilt dieses Phänomen als „narrative[r] Abdruck eines Traumas, das in der er- Sprachliche Merkmale der Entgrenzung 173 kann auch im ersten Satz des Romans beobachtet werden, in dem für die Zeit des Geschehens das Adverb jetzt und für den Ort das Adverb hier verwendet wird: „Nennen wir die Zeit jetzt, nennen wir den Ort hier“ (AT S. 9). Diese Behandlung der räumlichen Kategorien vollzieht sich im Weiteren im ganzen Werk, was darin zu sehen ist, dass die geographischen Namen statt konkreter Eigennamen mit verallgemeinernden Gattungsnamen oder verweisenden Pronomina ersetzt werden, wodurch − wie auch das Interview im Anhang darlegt − eine Allgemeingültigkeit der Geschichte erreicht werden soll. Demzufolge wird z.B. nicht explizit mitgeteilt, welcher Krieg im Hintergrund der Ereignisse steht: Er wird entweder mit dem Substantiv Krieg oder mit dem Kompositum Bürgerkrieg (AT S. 14) bezeichnet. 167 Ferner kann der Leser nur aus dem Kontext darauf schließen, dass der Schauplatz der späteren Ereignisse eine deutsche Großstadt sein kann, wie es auch die Autorin in dem mit ihr geführten Interview bestätigt: „Das [die Vermeidung der Angaben über Ort und Zeit] hat natürlich einen konzeptionellen Grund, wenn ich eine Figur habe, die displaced ist und herumwandert in der Welt, kein Zuhause hat und orientierungslos ist. Das kann man natürlich auch ausdrücken, wenn ich hinschreibe: Und er wohnte in der Schönhauser Allee 128A, aber es ist trotzdem ein bisschen doof - finde ich - und ich wollte, dass der Leser genauso umherirren muss wie der Protagonist. Da stellt sich ja automatisch ein körperliches Gefühl ein, ein ‚Wo bin ich? ‘, ‚Was passiert? ‘, ‚Wann bin ich? ‘ und ich wollte, dass es dem Leser so ergeht, dass dieses Unbehagen, das Nichtgreifenkönnen eben auch der Leser mitmachen muss. Ich glaube nämlich, dass es etwas anderes ist, wenn ich über einen lese, der desorientiert ist, das kann ich nicht nachvollziehen, wenn für mich als Leser alles exakt festgelegt ist. Dann bleibt das eine Behauptung. Und natürlich haben alle kapiert, dass die Geschichte von dem Balkankrieg und den Leuten inspiriert ist, die demzufolge dann nicht mehr dort leben, wo sie geboren worden sind, das ist auch eine bekannte Situation, ein bekanntes Problem, aber ich wollte es dann trotzdem nicht so eng machen, dass ich sage Sarajevo, Budapest, Berlin, auch wieder aus rezeptionstechnischen Gründen, weil es dann einpaar Leute gibt, die es ganz eng nehmen. Es ist ein Menschheitsproblem und nicht ein lokales und zeitlich begrenztes Problem.“ (vgl. Interview mit T.M. S. 224) __________ zwungenen Vertreibung aus einer verlorenen Heimat seine Wurzel hat.“ (Kraft 2012: 167) 167 Auf die Ereignisse im Zusammenhang mit dem Krieg wird im Roman an mehreren Stellen verwiesen, wobei aber genaue Bezeichnungen vermieden werden. Diese Vorgehensweise lässt sich u.a. am Beispiel des folgenden Satzes gut veranschaulichen, in dem sowohl die Angabe des Ortes als auch des Ereignisses auf diesem Ort in den Relativsätzen vermieden wird: „Erniedrigende, verzweifelte Scham. Dass ich herkomme, wo ich herkomme. Dass passiert ist, was passiert ist.“ (AT S. 406) Sprachliche Ausdrucksformen von ‚Anderem‘ und ‚Fremdem‘ 174 Unter den Mitteln, durch die eine explizite Angabe von Komponenten des politischen, geographischen, zeitlichen Kontextes vermieden wird, sind lexikalische Elemente bedeutsam, die zur Vermeidung der Benennung von Toponymen verwendet werden. Zu diesen Elementen, die im Folgenden vor der Folie ihrer sprachlich-thematischen Aspekte bzw. stilistischer Wirkung expliziert werden, können u.a. folgende gezählt werden: Verwendung der Substantive Heimat, Land, Staat, Stadt und Gegend Im Hinblick auf die Vermeidung von Raumangaben werden in Abels Geschichte an mehreren Stellen die Substantive Stadt und Land gebraucht, die im Beleg Nr. 158 als Akkusativobjekte ohne bestimmte Artikel stehen. Die zwei Lexeme erscheinen hier in der indirekten Redewiedergabe von Abels Freund Ilia. Nach Abels Liebesgeständnis stellt sich heraus, dass Ilia seine Gefühle nicht erwidert und mit Abel jeden Kontakt abbrechen will. Demensprechend wird er ihre gemeinsame Heimatstadt und das Land verlassen. Durch die Form der indirekten Redewiedergabe, die hier mit Konjunktiv 168 markiert wird, wird stilistisch an der genannten Stelle eine „Mittelbarkeit“ versinnbildlicht. Dadurch erscheinen bezüglich des Inhalts m.E. auch Ilias Emotionen Abels Liebesgeständnis gegenüber in „abgeschwächter Form“ (Fix/ Poethe/ Yos 2001: 67), obwohl sie auf der lexikalischen Ebene u.a. durch das Substantiv Ekel gekennzeichnet werden. Diese „distanziert[e]“ Wiedergabe (Eroms 2008: 155) von Ilias Rede und die metasprachliche Bezeichnung seiner Äußerungen mit dem Adjektiv sachlich im gegebenen Kontext betrachte ich dabei als einen sprachlich-thematischen Ausdruck seiner Distanzierung von Abels Gefühlen. Die im Zitat erwähnte Sachlichkeit ist gleichzeitig ein Kennzeichen seiner individuellen Sprechweise: (158) „Ich liebe dich. Ich weiß, sagte Ilia ohne Verzögerung, sachlich, wie er immer alles sagte. So fuhr er fort. Er wisse es, und er lehne es ab. Er empfinde sogar etwas körperlichen Ekel, wenn er daran denke. Deswegen werde er gleich nach dem Abitur Stadt und Land verlassen.“ (AT S. 29f.) [Hervorhebungen von B.B.] Als ein weiteres Merkmal der oben angedeuteten Raumenthobenheit gilt, dass statt dem Namen des Herkunftslandes des Protagonisten das Substantiv Hei- __________ 168 Als eine mögliche Funktion von Konjunktiv I in literarischen Texten lässt sich in der Forschungsliteratur eine distanzierte Wiedergabe der Figurenrede feststellen (siehe Eroms 2008: 155). Sprachliche Merkmale der Entgrenzung 175 mat als Akkusativobjekt mit einem possessiven Attribut in der dritten Person Singular verwendet wird: (159) „Vor zehn, nein, mittlerweile dreizehn Jahren musste A.N. seine Heimat verlassen, das war sicher nicht leicht, seitdem allerdings war alles eher normal.“ (AT S. 14) [Hervorhebung von B.B.] Auf die Vermeidung genauer Raumangaben verweist auch der definite Artikel vor dem Substantiv Staat (syntaktische Position: Akkusativobjekt) in der Redewiedergabe der Richterin, bei der sich Mercedes von Abel scheiden lassen möchte. Sie kann die beiden aber nicht scheiden, da Abel nur einen Pass für seine Identifizierung als Dokument vorlegen kann, der noch von einem Staat ausgestellt wurde, der infolge der Kriegsereignisse in Teile zerfallen ist und in der Form, wie er im Reisepass angegeben ist, nicht mehr existiert 169 : (160) „Den Staat gibt es gar nicht mehr. Sie klappte den Pass auf und zu. […] Und überhaupt, sagte die Richterin. Ich kann niemanden scheiden, der gar nicht existiert.“ (AT S. 48f.) [Hervorhebung von B.B.] Als eine weitere Ausdrucksform des obigen Phänomens kann im Beleg Nr. 161 der Ausdruck in einer kleinen Stadt in der Nähe dreier Grenzen verstanden werden, da dadurch, dass das Substantiv Stadt durch das Adjektiv klein attribuiert und mit einem unbestimmten Artikel versehen wird, wird die Angabe des Namens der Stadt vermieden. Auf die Position der Stadt, in der Abel früher noch mit seinen Eltern gelebt hat, deutet hier nur das Attribut in der Nähe dreier Grenzen hin, wodurch aber auch keine expliziten Angaben vermittelt werden 170 : (161) „Damals, vor fünfzehn, zwanzig Jahren, lebten sie in einer kleinen Stadt in der Nähe dreier Grenzen. Eine Stadt mit Sackbahnhof, Luftlinie etwa gleich weit von den drei nächstgelegenen Hauptstädten entfernt, eine ruhige, dunkle Insel anstelle eines ehemaligen Sumpfgebiets.“ (AT S. 24) [Hervorhebungen von B.B.] __________ 169 Zur Verwendung des Substantivs im Kontext der politisch-geschichtlichen Hintergründe vgl. auch im Roman z.B. S. 269. Auf die damalige Staatsform wird im Text später auch mit dem Ausdruck „untergegangene[] Föderation“ (AT S. 262) verwiesen. 170 Laut Lengl (2012: 94) ist die „geographische Lage der Geburtsstadt Abels […] letztlich aufgrund ihres symbolischen Wertes wesentlich“, da ihrer Meinung nach „sie Assoziationen zu Bachmanns Erzählung »Drei Wege zum See« im Erzählband Simultan hervorruft.“ Sprachliche Ausdrucksformen von ‚Anderem‘ und ‚Fremdem‘ 176 Die Festlegung von Abels Herkunft wird ferner in den Belegen Nr. 162 und 163 durch die deklinierte Form des Demonstrativs dieselbe und durch das possessive Attribut unsere vor den Substantiven Stadt und Gegend im Rahmen der Präpositionalphrasen aus derselben Stadt (Präpositionalobjekt) und aus unserer Gegend (Präpositionalattribut) ohne die Erwähnung von Toponymen vermieden. Im ersten Fall wird dargestellt, dass Abel nach dem Verlassen seines Heimatlandes dem Ratschlag seiner Mutter entsprechend in der neuen Stadt „B“ Professor Tibor B. aufsucht, der aus derselben Stadt kam wie der Junge. Obwohl in Tibors Redewiedergabe erläutert wird, unter welchen Umständen er die Stadt damals verlassen hat, erscheinen in seinem Beitrag wegen des Abbruchs seiner Gedankenfolge keine weiteren Informationen über diese Umstände. Die Aposiopese (Fix/ Poethe/ Yos 2001: 60) kann hier m.E. auch zur Veranschaulichung von Tibors seelischem Zustand beitragen, indem die drei Punkte dafür stehen, dass er über die Vergangenheit wegen seiner emotionalen Berührtheit nicht sprechen will. 171 (162) „[…] Abel N., der daherkommt und meint, weil er aus derselben Stadt stammt, aus der wir damals vertrieben …, egal, Schwamm drüber.“ (AT S. 124) [Hervorhebung von B.B.] Ähnlich wie im obigen Ausschnitt wird im Beleg Nr. 163 auf die gemeinsame Herkunft von Abel und einer anderen Figur verwiesen. Dafür wird der Ausdruck unsere Gegend verwendet: Er begegnet in der Stadt „B“ eine Frau namens Elsa. Der einzige gemeinsame Punkt ist, dass sie aus derselben Gegend kommen, obwohl der Name der Gegend sich nicht aus Elsas Frage „Aus unserer Gegend? “ herausstellt. Mit dem possessiven Attribut unser drückt sie jedoch eine Art Zusammengehörigkeit mit Abel aus, die hier durch einen Ort symbolisiert wird. An dieser Stelle zeigt sich auch, wie wichtig für bestimmte Figuren in einem anderen Land der gemeinsame Herkunftsort und die gemeinsame Sprache mit anderen Figuren sind. Obwohl der kurze Dialogteil zwischen der Frau und dem Protagonisten auf Deutsch wiedergegeben ist, verwenden sie vermutlich die gemeinsame Muttersprache, wodurch auch ein bestimmtes Zugehörigkeitsgefühl seitens Elsas versinnbildlicht werden kann: __________ 171 Ferner erscheint die Aposiopese hier „als Mittel der Figurensprache“ (Fix/ Poethe/ Yos 2001: 59). Das Substantiv Stadt bezeichnet an mehreren Stellen des Romans bestimmte Orte, wobei es sich in erster Linie auf zwei Ortschaften bezieht: Zum einen bezeichnet es bzw. das Kompositum Heimatstadt die Stadt, aus der Abel stammt (vgl. z.B. AT S. 23, 24, 54, 371, 397), zum anderen die Metropole „B“ (vgl. AT S. 41, 96, 158). Sprachliche Merkmale der Entgrenzung 177 (163) „Hast du [Hervorhebung im Original] Kontakt zu anderen Leuten? Zu einpaar. Aus unserer Gegend? Nein.“ (AT S. 239) [Hervorhebung von B.B.] Ebenso trägt das Substantiv Land zur Verheimlichung von Ortsangaben im Hinblick auf die Heimat im Beleg Nr. 164 bei, vor dem bloß die Präposition in steht (syntaktische Position: Adverbialbestimmung), wodurch das Toponym mit einem verallgemeinernden Gattungsnamen ersetzt wird: (164) „Man munkelte, wie schon seit Jahren, über eine latente Krise im Land, wenn auch nicht hier.“ (AT S. 29) [Hervorhebung von B.B.] Vermeidung von Ortsangaben durch die Verwendung von Adverbien und vom Adjektiv hiesig Ortsangaben werden im Roman neben den obigen Möglichkeiten durch die Verwendung der Lokaladverbien da, dort, hier, hierher, zurück, der Ausdrücke zu Hause und im Ausland und des Attributs hiesig vermieden: Dabei kennzeichnen die Lokaladverbien da und dort in den Belegen Nr. 165 und 166 Abels Herkunftsstadt, die ebenfalls die Herkunftsstadt von Tibor B. ist, der sich nach der aktuellen Situation in dieser Stadt erkundigt. (165) „Als ich wegging, war ich noch jünger als Sie. Seit fast fünfzig Jahren nicht mehr da gewesen.“ (AT S. 88) [Hervorhebung von B.B.] (166) „Irgendwie kam immer was [Hervorhebung im Original] dazwischen. Hier lächelte Tibor das erste Mal. Die nächste Frage wollte er gar nicht stellen, stellte sie doch: Wie ist es jetzt dort? “ (AT S. 88) [Hervorhebung von B.B.] Während aber mit den oben genannten Deixis Ortschaften aus einem anderen Land und gleichzeitig aus Abels Vergangenheit bezeichnet werden, dienen die Deixis hier (Nr. 167) und hierher (Nr. 169) der Bezeichnung seines aktuellen Aufenthaltsortes. Im Beleg Nr. 167 werden der aktuelle Ort und die damalige Heimatstadt im Hinblick auf den Auffälligkeitsgrad des Protagonisten miteinander verglichen. Durch die kursive Hervorhebung des Adverbs dort in diesem Beleg wird ferner auf der graphematischen Ebene ausgedrückt, dass diese Deixis auf die Stadt verweist, in der Abel früher gelebt hat. Das Adverb zurück wird im Beleg Nr. 168 in der Redewiedergabe von Kinga auch für die damalige gemeinsame Heimat mit den Musikern verwendet, wobei durch dieses sprach- Sprachliche Ausdrucksformen von ‚Anderem‘ und ‚Fremdem‘ 178 liche Mittel wieder eine Art Zugehörigkeit in Bezug auf die gemeinsame Herkunft zum Ausdruck kommen kann: (167) „er trug immer dieselben Klamotten, die schwarze Altmännerkluft, in der er hier 172 noch mehr auffiel als dort […]“ (AT S. 100) [Hervorhebung im Original] (168) „Jetzt, wo sie nach vier Jahren Ballerei endlich einen Friedensvertrag unterzeichnet haben, schicken sie uns vielleicht wirklich zurück.“ (AT S. 152) [Hervorhebung von B.B.] (169) „Sie sei, erzählt sie weiter, erst vor kurzem, durch Heirat, hierher gekommen.“ (AT S. 237) [Hervorhebung von B.B.] Eine weitere Möglichkeit, genaue Ortsangaben zu vermeiden, besteht in der Verwendung der Adverbialbestimmungen im Ausland und zu Hause. Während Ilia mit dem Substantiv Ausland seinem Freund Abel keine genauere Information über seinen zukünftigen Aufenthaltsort geben will, bezieht sich die Adverbialbestimmung zu Hause auf Abels Herkunftsland, als er von Tibor gefragt wird, womit er sich im neuen Land beschäftigen möchte. 173 In seiner Antwort benennt er zuerst, was er in seiner Heimat gemacht hätte, und während des Dialogs stellt sich heraus, dass Abels sprachliche Fähigkeiten den Kern seiner zukünftigen Tätigkeit bilden werden: Er wird sich in der neuen Stadt mit Sprachen beschäftigen. (170) „Er werde im Ausland studieren und keinen Kontakt zu Abel halten.“ (AT S. 29f.) [Hervorhebung von B.B.] (171) „Ursprünglich, sagte er schließlich, zu Hause hätte er Lehramt studiert.“ (AT S. 89) [Hervorhebung im Original] Die im Roman ausgestaltete Desorientiertheit zeigt sich sprachlich ferner in der Gesprächssituation mit Tibor B. darin, dass auch im Hinblick auf Abels Mentor nicht verraten wird, an der Universität welcher Stadt er unterrichtet, indem vor der Pluralform Universität das Attribut hiesig gebraucht wird: (172) „Der Mann hieß Tibor, er hatte eine Professur an einer der hiesigen Universitäten.“ (AT S. 87) [Hervorhebung von B.B.] __________ 172 Hervorhebung von B.B. 173 Diese Adverbialbestimmung kann an einer anderen Stelle auch die Heimatstadt von Kinga bezeichnen (vgl. AT S. 146). Sprachliche Merkmale der Entgrenzung 179 Anfangsbuchstaben von Städtenamen Die im Roman erzielte Desorientiertheit zeigt sich ebenso in der Verwendung von Buchstaben, die Anfangsbuchstaben von Städten sind und keine eindeutige Orientierung in Bezug auf den Schauplatz der Geschehnisse zulassen. Dieses Phänomen kann u.a. in der indirekten Redewiedergabe von Abels Mutter gesehen werden, in der der Name der Stadt, in der ihr Sohn Tibor B. aufsuchen soll, nur mit dem Anfangsbuchstaben B markiert wird (siehe Beleg Nr. 173). Der Buchstabe S (Beleg Nr. 174) erscheint bereits in der direkten Redewiedergabe von Tibor B. und nimmt auf Abels Herkunftsstadt Bezug. Die zwei Anfangsbuchstaben markieren in diesem Sinne den Anfang und das Ende seiner Fahrt: S steht für Abels Herkunftsstadt und B für die Stadt, in der er später leben wird: (173) „Er wohne in B. Er solle es in B. versuchen.“ (AT S. 74) [Hervorhebungen von B.B.] (174) „Sie kommen also aus S.“ 174 (AT S. 88) [Hervorhebung von B.B.] Vermeidung der Vermittlung von Antworten Die Raumenthobenheit auf der Handlungsebene kommt des Weiteren an Stellen vor, an denen die Antworten auf die Fragen, die in Bezug auf Abels Herkunft gestellt werden, im Text nicht angegeben, d.h. den Lesern nicht vermittelt werden. In den nächsten zwei Belegen werden Eigennamen dadurch vermieden, dass die Antwort der Gesprächspartner auf die gestellten Fragen nicht in der Figurenrede wiedergegeben wird. So wird Abels Antwort im Beleg Nr. 175 auf die Frage des Besitzers der „Klapsmühle“ durch den kommentierenden Satz Darauf antwortete er endlich etwas ersetzt: 175 (175) „Wo kommst du her? Darauf antwortete er endlich was. Verstehe, sagte Thanos.“ (AT S. 258) [Hervorhebungen von B.B.] Ebenso fehlt seine Antwort im Beleg Nr. 176 auf die Frage einer Taxifahrerin Woher kommen Sie? . Dass Abels Antwort den Lesern des Textes nicht angegeben wird, ist in diesem Fall daraus ersichtlich, dass die nächste Aussage im Beleg so erscheint, als ob die Gesprächspartnerin auf ihre Frage eine Antwort __________ 174 Zur Bezeichnung dieser Stadt siehe auch Kraft (2012: 166). 175 Zu diesem Beleg siehe auch Kraft (2012: 166). Sprachliche Ausdrucksformen von ‚Anderem‘ und ‚Fremdem‘ 180 bekommen hätte, obwohl diese Antwort im Text nicht erscheint. Das kann aus der Verwendung des Adverbs vorher im nächsten Satz erschlossen werden. Diese Adverbialbestimmung verweist im Sinne der Pragmatik in diesem Fall darauf, dass eine Antwort auf die gestellte Frage gegeben worden ist: (176) „Das nächste Mal war es eine Taxifahrerin, eine rundliche, blonde Frau, die ihn nach Schichtende mit hinaus aus der Stadt nahm, ich wohne lieber auf dem Dorf. Und Sie? Woher kommen Sie? Nein, ich meine, vorher. Sie haben ja überhaupt keinen Akzent. Wieso ich trotzdem gemerkt habe, dass es nicht lange her ist, dass Sie angekommen sind? Ach, doch schon so lange? Wollen Sie bei mir übernachten und mir alles über sich erzählen? Und so weiter.“ (AT S. 340) [Hervorhebung im Original] 8.2.2 Vermeidung von Zeitangaben Im Roman können auch in Bezug auf die Angaben der zeitlichen Verhältnisse ähnliche Vorgehensweisen beobachtet werden. Während z.B. die Leser aus dem Text darauf schließen könnten, dass der im Roman erwähnte Krieg der Balkankrieg Anfang der 90er-Jahre des 20. Jahrhunderts ist, wird das explizit nicht ausgedrückt. Obwohl auf dem Schauplatz der Geschichte „keine Kampfhandlungen statt[finden]“, beeinflusst er die Gefühle, die Meinung und das Leben vieler Figuren, wie es auch Mora in einem Interview erzählt: „Der Krieg ist ,außerhalb‘ - siehe im Delirium: ,Sie wissen genau, was draußen ist! ‘ -, hier finden keine Kampfhandlungen statt, es wird noch nicht einmal konkret über welche berichtet, dennoch: ,dass geschehen ist, was geschehen ist‘ beeinflusst das Leben der Figuren im Hier und Jetzt.“ 176 Dementsprechend wird dieser Aspekt der politischen Hintergrundsituation in den meisten Fällen auf der lexikalischen Ebene mit dem Substantiv Krieg bezeichnet, das im Beleg Nr. 177 in Kingas Redewiedergabe mit einem bestimmten Artikel versehen wird, womit die Allgemeinbekanntheit dieses geschichtlichen Ereignisses sprachlich versinnbildlicht werden kann. In diesem Fall kann als Funktion des bestimmten Artikels demzufolge die Individualisierung festgestellt werden, da auf den Krieg verwiesen wird, der einen grundlegenden Einfluss auf das Schicksal beider Figuren, Abel und Kinga, ausüben wird: __________ 176 Terézia Mora im Gespräch mit Thomas Combrink „Man muss die eigene Kleingläubigkeit überwinden“ 24.10.2005 http: / / www.titel-magazin.de/ artikel/ 19/ 2576.html (letzter Zugriff am 5.03.2014). Sprachliche Merkmale der Entgrenzung 181 (177) „Kinga winkte aus dem Zugfenster: Bis nach dem Krieg um sechs! Später fragte er sie, ob sie sich erinnern könne, was damals ihre letzten Worte zu ihm waren. Ich rede viel, wenn der Tag lang ist.“ (AT S. 136f.) [Hervorhebungen von B.B.] Die Vermeidung von Zeitangaben kann ferner in den Belegen Nr. 178 und Nr. 179 in einer anderen Form beobachtet werden. Hier steht statt der letzten Nummer der Jahreszahl entweder der Buchstabe x im Genitivattribut oder die ausgesprochene Version dieses Buchstaben als iks in einer Adverbialbestimmung wird verwendet: (178) „Das war in der letzten Nacht des Jahres 199x.“ (AT S. 139) [Hervorhebungen von B.B.] (179) „Wer, eins, behauptet zu wissen, was es ist, und dann, zwei, behauptet, es niemals gewesen zu sein: lügt. So wie ich eben gelogen habe. Ich war zumindest schon einmal im Vorhof von diesem Etwas, und ich werde es nie vergessen, auf den Tag genau am elften Juni neunzehnhundertiks“ (AT S. 370) [Hervorhebungen von B.B.] 8.2.3 Vermeidung der Angabe von Sprachen Als ein weiteres wichtiges Mittel der Gestaltung der erzählten Geschichte gilt, dass die Muttersprache des Protagonisten und die „offizielle Sprache“ des Landes, in dem er sich aufhält, nicht explizit genannt werden. Dies erscheint als eine relevante Komponente der in diesem Kapitel dargestellten künstlerischen Vorgehensweise, indem die nicht-explizite Angabe der Muttersprache bzw. bestimmter anderer Sprachen auch zur Vermeidung einer expliziten Benennung von Staaten und Ortschaften beitragen kann, in denen diese Sprachen gesprochen werden. Das Ausbleiben dieser expliziten Kennzeichnung von Sprachen kann z.B. in der Verwendung des Kompositums Landessprache festgestellt werden, das somit zum − im Werk angewandten − Gestaltungsprinzip der Orientierungslosigkeit beiträgt. Zwischen dem deutschen Text und dessen ungarischer Übersetzung können im Hinblick auf die Übersetzung dieses Kompositums auch einige Unterschiede festgestellt werden, durch die zugleich Unterschiede bei der Informationsvermittlung im deutschen und im ungarischen Text betrachtet werden können. 177 __________ 177 Zur Übersetzung bestimmter Lexeme hat sich auch die Übersetzerin geäußert. Siehe Nádori (2006). Sprachliche Ausdrucksformen von ‚Anderem‘ und ‚Fremdem‘ 182 Die Orientierungslosigkeit in Bezug auf die Sprache kann im Beleg Nr. 180a hinsichtlich der Verwendung des Kompositums Landessprache darin festgestellt werden, dass mit diesem Kompositum nicht explizit ausgedrückt wird, auf welche Sprache das sich bezieht. Die Stelle, an der dieses Kompositum verwendet wird, stellt dar, wie Abel nach seiner Einlieferung ins Krankenhaus nach dem Gasunfall redet. Seine Äußerungen setzen sich aus Elementen mehrerer Sprachen zusammen, aus denen die Krankenschwester einige, wie z.B. Deutsch, Russisch und die „Landessprache“ identifizieren kann. Im Hinblick auf die Verwendung dieses Kompositums erfährt aber der Rezipient des deutschen Textes nur so viel, dass es sich um die offizielle Sprache des Landes handelt, in dem sich Abel aktuell befindet, in dessen Redebeitrag (Sprachenmischung) festgestellt wird, dass er auch Elemente dieser Landessprache beinhaltet. In der ungarischen Übersetzung des Satzes erscheint aber statt des Kompositums Landessprache das Substantiv magyar (auf Deutsch: Ungarisch). Dadurch wird explizit verdeutlicht, um welche Sprache es sich handelt bzw. dass der Protagonist auch Elemente seiner „Vatersprache“ in dieser Szene benutzt: 178 (180a) „Man denkt, man versteht, was er sagt, und dann versteht man’s doch nicht, sagt der eine, der Jüngste, der einen gestreiften Bademantel trägt. Deutsche, russische Wörter. Die anderen verstehe ich nicht. In der Landessprache ist auch was dabei.“ (AT S. 72) [Hervorhebung von B.B.] (180b) „Az ember azt hiszi, érti, amit mond, de aztán mégse, mondja az egyik, a legfiatalabb, aki csíkos fürdőköpenyt visel. Német, orosz szavak. A többit nem értem. Magyar is van benne.“ (NN S. 85) [Hervorhebung von B.B.] Später wird aber das im deutschen Text vorkommende Kompositum Landessprache in der ungarischen Übersetzung als „az ország hivatalos nyelve“ (auf Deutsch: die offizielle Sprache des Landes) wiedergegeben. Der obige ungarische Ausdruck bezieht sich hier nicht mehr auf die Sprache des Landes, in dem Abel nach seinem Gasunfall behandelt wurde, sondern auf die offizielle Sprache des Landes, in dem er sich seit vielen Jahren aufhält. Er fällt nämlich am Ende des Romans in eine Aphasie, infolgedessen er nur einige Wörter und Sätze in der Landessprache realisieren kann, wie das auch die folgende Stelle zeigt: __________ 178 Dazu siehe auch Burka (2014a: 37). Die Autorin findet die Verwendung des Substantivs magyar an der erwähnten Stelle des Textes besser als eine wortwörtliche Übersetzung des Kompositums Landessprache (vgl. Interview mit T.M. S. 225). Sprachliche Merkmale der Entgrenzung 183 (181a) „Entgegen der Erwartungen hat sich nur eine einzige Sprache, die Landessprache, soweit regeneriert, dass er einfache Sätze sprechen kann“ (AT S. 430) [Hervorhebung von B.B.] (181b) „A várakozásokkal ellentétben csupán egyetlen nyelv, az ország hivatalos nyelve regenerálódott annyira, hogy egyszerű mondatokat ki tud mondani.“ (NN S. 511) [Hervorhebung von B.B.] Die Übersetzung des Kompositums Landessprache steht im Beleg Nr. 181b also für die offizielle Sprache des Aufenthaltslandes, wahrscheinlich für die deutsche Sprache, was sich aus dem Kontext erschließt. 179 Ähnlich wie in den obigen Belegen kann der Ausdruck Landessprache auch in den folgenden Sätzen als sprachliches Zeichen der Orientierungslosigkeit aufgefasst werden, da dadurch keine explizite Benennung der jeweiligen Sprache erfolgt. Während in den Belegen Nr. 182a und Nr. 183a mir der Landessprache die Sprache des Landes gemeint ist, in dem sich die Figuren aufhalten, steht für sie in der ungarischen Übersetzung im Beleg Nr. 182b der Ausdruck a nyelv (auf Deutsch: die Sprache) bzw. im Beleg Nr. 183b das Kompositum anyanyelv (auf Deutsch: Muttersprache): (182a) „Er sprach, obwohl schon ein Jahr hier, die Landessprache nicht besonders gut.“ (AT S. 96) [Hervorhebung von B.B.] (182b) „Az itt töltött egy év dacára nem beszélte valami jól a nyelvet.“ (NN S. 112) [Hervorhebung von B.B.] (183a) „In Tibors Kreis verkehrten zwar einige, die der Sprache mehr oder weniger mächtig waren, aber Omar sah keinen Grund, ihnen sein Können vorzuführen. Aber, wechselten die Bekannten zurück in die Landessprache, wozu sonst willst du eine Sprache erlernen, als dich mit anderen zu unterhalten? “ (AT S. 181) [Hervorhebung von B.B.] (183b) „Tibor körül voltak ugyan néhányan, akik többé-kevésbé bírták a nyelvet, de Omar nem látta szükségesnek, hogy bemutassa nekik a tudományát. Na de, tértek vissza az ismerősök az anyanyelvükre, mi másért tanulnál meg egy nyelvet, mint hogy másokkal beszélgess? “ (NN S. 214) [Hervorhebung von B.B.] __________ 179 Zur Orientierungslosigkeit im Hinblick auf die Sprache siehe auch Kraft (2011). Sprachliche Ausdrucksformen von ‚Anderem‘ und ‚Fremdem‘ 184 Im ersten Fall verweist das Kompositum Landessprache auf die Sprache des Landes, in dem Konstantin seit einem Jahr lebt, die er aber laut dem Erzähler noch nicht „besonders gut“ spricht. Im zweiten Fall kommt das Kompositum im Zusammenhang mit den Sprachkenntnissen einiger Figuren vor, die zu Tibor B.s Kreis gehören und beurteilen könnten, wie viel Abel seinem Schüler Omar auf Russisch beigebracht hat, da sie diese Sprache auch auf verschiedenen Niveaus sprechen. In diesem Beleg wird dabei der Wechsel der Erwachsenen aus einer Sprache in eine andere, nämlich in die Landessprache, thematisch ausgedrückt. Als eine weitere sprachliche Realisierung der nicht expliziten Angabe von Sprachen tritt in den Belegen Nr. 184 und Nr. 185 das Kompositum Muttersprache und im Beleg Nr. 184 das Kompositum Vatersprache auf, wobei durch die Verwendung des bestimmten Artikels die vor diesen Komposita eine genaue Bezeichnung von Abels Muttersprache bzw. Vatersprache vermieden wird. Während aber im Beleg Nr. 184 die zwei Komposita Muttersprache und Vatersprache in Abels Antwort erscheinen, als er danach gefragt wird, wie viele Sprachen er beherrscht, bezeichnet im Beleg Nr. 185 das Kompositum Muttersprache die gemeinsame Sprache von Abel und einer Frauenfigur. Diese Sprache fungiert in der geschilderten Situation im Beleg Nr. 185 demzufolge zugleich als das Mittel für die Kontaktaufnahme: (184) „Die Muttersprache, die Vatersprache sowie drei internationale Konferenzsprachen.“ (AT S. 90) (185) „Abel war nur zufällig neben ihr stehen geblieben. […] Sie sprach die Muttersprache. Wo seid ihr her? fragte sie ihn nun direkt.“ (AT S. 236) Der Gebrauch des bestimmten Artikels in dem letzten Beleg kann hier die große Rolle der Sprache in Bezug auf die Identität von Figuren versinnbildlichen, indem durch die Verwendung des Kompositums mit dem bestimmten Artikel die Identifizierung der gemeinsamen Herkunft von der Frau und Abel erfolgen kann. Wie der Beleg zeigt, kommt der Einsatz des Kompositums Muttersprache auch in Bezug auf die Markierung der Sprache anderer Figuren vor, der auch in diesen Fällen dem Prinzip der nicht exakten Bezeichnung folgt. So wird u.a. die Muttersprache von Abels Vater, die Muttersprache von Mercedes und die Muttersprache der Musiker mit diesem Kompositum bezeichnet. Neben diesen Komposita verwendet die Autorin im Falle weiterer Figuren (im Beleg Nr. 186 von Eka) auch das Substantiv Sprache mit einem Possessivpronomen, durch das die anderssprachliche Herkunft der jeweiligen Figuren zwar zum Ausdruck gebracht aber in dessen Rahmen nicht weiter definiert wird: (186) „Jesuschristusimhimmel, sagte sie in ihrer Sprache“ (AT S. 116) Sprachliche Merkmale der Entgrenzung 185 Die Orientierungslosigkeit wird des Weiteren im Beleg Nr. 187 im Ausdruck ohne Ort versinnbildlicht, womit die Sprache des Protagonisten gekennzeichnet wird. Dadurch, dass er die Sprachen nach seinem Unfall akzentfrei erlernen konnte, kann seine Herkunft anhand seiner Aussprache nämlich nicht bestimmt werden. Er spricht „wie einer, der nirgends herkommt“: (187) „Es würde mich nicht wundern, wenn er nie mit einem einzigen lebenden Portugiesen oder Finnen gesprochen hätte. Deswegen ist alles, was er sagt, so, wie soll ich sagen, ohne Ort, so klar, wie man es noch nie gehört hat, kein Akzent, kein Dialekt, nichts - er spricht wie einer, der nirgends herkommt.“ (AT S. 13) [Hervorhebung im Original] Die hier dargestellten Verwendungen der Ausdrücke Landessprache, Muttersprache und Vatersprache tragen auch laut dem mit der Autorin angefertigten Interview dazu bei, keine genauen Informationen über die Herkunft des Protagonisten im Text zu geben. Diese Sprachen werden nicht explizit benannt, damit die Geschichte auf jede beliebige Situation angewandt werden kann (vgl. Interview mit T.M. S. 224f.). In diesem Kapitel wurden lexikalisch relevante Erscheinungsformen in Bezug auf die Kategorien ,Anderssein‘ oder ,Fremdheit‘ in den Texten „Seltsame Materie“ und „Alle Tage“ behandelt. Ausgewählte sprachliche Ausdrucksformen des Andersseins und der Fremdheit wurden im Hinblick auf sprachlich-thematische Aspekte der Texte dargestellt. Dabei wurde gezeigt, dass das Anderssein oder die Fremdheit bestimmter Figuren und bestimmter Sprachen aus dem Blickwinkel anderer Figuren in den Texten wahrgenommen wird. Es konnte anhand der analysierten Belege festgestellt werden, dass sprachliche Manifestationen der Andersheit und einer gewissen Distanzierung in den Texten in folgenden Formen zum Ausdruck kommen: in Form von Substantiven (wie z.B. Fremdheit, Fremder, Ausländer), von Adjektiven (z.B. fremd, ausländisch), von Personalpronomina (z.B. ihr), von Possessivpronomina (z.B. sein) und von Genitivattributen (z.B. des Feinds). 180 Im Unterkapitel 8.2 wurde anhand von ausgewählten Beispielen darauf fokussiert, mit welchen sprachlichen Mitteln die Orientierungslosigkeit bzw. Raumenthobenheit im Roman „Alle Tage“ erreicht wird, die auch zur Darstellung der Desorientiertheit des Protagonisten im Text beitragen. Als Mittel in __________ 180 Sprachliche Manifestationen des ‚Anderen‘ wurden im Unterkapitel 7.7.1 auch in deutschen Übersetzungen ungarischer Liedtitel und Liedzeilen dargestellt, die sich als lexikalisch relevante Merkmale beim Ausdruck einer anderen Liedkultur erwiesen. Sprachliche Ausdrucksformen von ‚Anderem‘ und ‚Fremdem‘ 186 diesem Bereich wurden Substantive (z.B. Heimat), Komposita (z.B. Landessprache), Adverbien (z.B. da, dort), einzelne Buchstaben (z.B. B.) und die Vermeidung von Antworten (Darauf antwortete er endlich etwas) aufgezeigt und im Hinblick auf den Inhalt des untersuchten Textes analysiert. Im Unterkapitel 8.2.3 konnten ferner im Hinblick auf die in der Arbeit gezeigten ungarischen Übersetzungen des deutschen Determinativkompositums Landessprache bestimmte Unterschiede zwischen dem Originalen und der Übersetzung aufgezeigt werden. Die in der ungarischen Übersetzung verwendeten Ausdrücke wie az ország hivatalos nyelve (Beleg Nr. 181b), das Substantiv nyelv (Sprache) (Beleg Nr. 182b) und das Determinativkompositum anyanyelv (Muttersprache) (Beleg Nr. 183b) wurden dabei ebenso zur Ent-Räumlichung der Herkunft des Protagonisten und anderer Figuren verwendet bzw. ließen sich als Mittel einer „nicht konkreten Angabe“ des Schauplatzes identifizieren. 9 Zusammenfassung und Forschungsergebnisse Das Anliegen der Arbeit war, anhand ausgewählter Beispiele zu zeigen, wie sich Mehrsprachigkeit in Terézia Moras Werken „Seltsame Materie“, „Alle Tage“ und „Der einzige Mann auf dem Kontinent“ manifestiert. In die Analyse wurden verschiedene Aspekte der Mehrsprachigkeit einbezogen: Ihre sprachlichen Manifestationsformen in den Texten wurden im Hinblick auf ihre unterschiedlichen thematischen Kontexte bzw. stilistischen Merkmale untersucht. Mithilfe dieser Annäherung konnte festgestellt werden, dass Elemente der Mehrsprachigkeit auf verschiedenen sprachlichen Ebenen der untersuchten Texte auftreten, unter denen Beispiele für graphematisch, morphologisch, lexikalisch und syntaktisch relevante Erscheinungen identifiziert und beschrieben wurden: Im Rahmen dieser Beschreibung wurde unter graphostilistischem Gesichtspunkt die Integration von 1) Elementen eines anderen Schriftsystems in den deutschsprachigen Textkontext und unter phonostilistischem Gesichtspunkt 2) die graphische Abbildung von Aussprachemerkmalen als graphematisch relevantes Merkmal der Mehrsprachigkeit aufgezeigt. Als morphologisch relevantes Merkmal der Mehrsprachigkeit konnte das Phänomen identifiziert werden, dass Elemente aus anderen Sprachen in die deutschsprachigen Textkontexte integriert wurden, indem sie nach Regeln der deutschen Sprache konjugiert oder dekliniert wurden. Es ließ sich feststellen, dass unter den behandelten Elementen Lexeme und Einschübe oder Sätze verschiedener Sprach(varietät)en im Hinblick auf thematische Aspekte wichtig sind. Dies bestätigten die Bedeutungen und Funktionen von 1) Wortformen und Ausdrücken aus anderen Sprachen, von 2) Termini aus bestimmten Bereichen bzw. Fachsprachen und von 3) Personennamen in den ‒ in den Werken ‒ dargestellten Situationen. Ferner erwies sich eine „künstliche“ Sprachenmischung als eine besondere Art der Mehrsprachigkeit. In den untersuchten Beispielen entsteht dieses Phänomen durch die Kombination von Elementen aus unterschiedlichen Sprachen oder durch die Umstellung von Buchstaben bei bestimmten Ausdrücken. Die Analyse konnte ferner syntaxbezogene Merkmale der Mehrsprachigkeit in Sätzen aufzeigen, an deren syntaktischem Aufbau mindestens zwei Sprachen beteiligt sind. Dies war z.B. bei aus zwei Sprachen gebildeten Prädikaten zu sehen. Als weitere Manifestationsformen von Mehrsprachigkeit mit besonderer Bedeutung wurden Verse behandelt, die aus einer anderen Sprachbzw. Lied- und Literaturkultur ins Deutsche übertragen wurden, wie z.B. die deutschen Zusammenfassung und Forschungsergebnisse 188 Übersetzungen ungarischer Liedtexte (vgl. z.B. Szabó 2001, Kegelmann 2010), in denen die deutsche Sprache mit einer anderen Sprache in Verbindung gebracht werden kann. Durch die Integration von Elementen der ungarischen Kultur in die deutschsprachigen Originale erwiesen sie sich als ein Beitrag zum interkulturellen Potenzial der entsprechenden Werke. Jedoch zeigte sich im Laufe der bei diesen intertextuellen Bezügen verwendeten kontrastiven Untersuchung, dass die in der ungarischen Übersetzung „Különös anyag“ verwendeten Liedzeilen im Hinblick auf die referierte Sprachkultur ein anderes Wirkungspotenzial haben als im deutschsprachigen Original „Seltsame Materie“. Dieser Unterschied ließ sich zum einen im Falle deutschsprachiger Liedzeilen und ihrer ungarischen Übersetzungen beobachten: Während im deutschsprachigen Original auf der Darstellungsebene unter den verwendeten Liedern auch deutschsprachige Pionierlieder auftreten, erscheinen in der ungarischen Übersetzung an ihrer Stelle ungarische Pionierlieder. Da durch diese Anwesenheit ungarischer Liedzeilen in „Különös anyag“ zugleich die Integration ungarischer kulturspezifischer Elemente in die ungarische Übersetzung erfolgt, konnten einige der diesbezüglichen Unterschiede zwischen dem deutschen Original und der ungarischen Übersetzung als kulturell geprägt betrachtet werden. Die Verwendung der ungarischen Liedzeilen in der Übersetzung wurde dabei als ein wichtiger Beitrag zur Schilderung des sozialen Kontextes der erzählten Geschichten betrachtet. Zum anderen wurde anhand einiger Beispiele behandelt, wie sich die Wirkung bestimmter deutscher Übertragungen ungarischer Liedzeilen im deutschsprachigen Textkontext von der Wirkung ihrer Erscheinungen im ungarischen Textkontext unterscheiden kann. Dabei zeigte die Analyse, dass die Rezeption dieser Liedzeilen seitens der Leser auch dadurch beeinflusst werden kann, mit welchen thematischen Mitteln sie in die jeweiligen Kontexte eingeführt werden. Das Ungarische erscheint im Roman „Alle Tage“ bereits als eine von mehreren Sprachen und trägt zu der in ihm gestalteten Stimmenvielfalt bei. Diese Rolle konnte dabei anhand einiger ungarischer Lexeme und deutschsprachiger Anspielungen auf ungarische Kontexte gezeigt werden. Neben dieser Form des Dialogs zwischen zwei Sprachen in der deutschsprachigen Übertragung intertextueller Elemente zeigten sich auch Anspielungen auf weitere anderssprachige und deutschsprachige Texte (zu diesem Aspekt siehe auch Lengl 2012) als Aspekte eines literarischen Dialogs und der im Roman gestalteten Polyphonie. Die Feststellung möglicher Funktionen bzw. Wirkungen verschiedener Sprach(varietät)en geschah mit Fokus auf den Zusammenhang von sprachlichstilistischen und thematischen Komponenten der jeweiligen Elemente bzw. ihrer Textkontexte, was die weitgehende Berücksichtigung der Situationen verlangte, in denen sie eingesetzt wurden. Somit wurde in die Beschreibung ihrer Rolle, wie z.B. Veranschaulichung von Vermittlungssprachen, Mittel zu einer Zusammenfassung und Forschungsergebnisse 189 möglichen Verständigung, Ausdrucksformen der Distanzierung oder Abgrenzung, sprachliche Abbildung von Sprachkenntnissen von Figuren miteinbezogen, 1) wie bestimmte Sprach(varietät)en zur Charakterisierung von Figuren beitragen und 2) inwieweit sie als Veranschaulichung von Identitätsaspekten auftreten können. In Bezug auf den ersten Punkt wurde anhand anderssprachiger Elemente und ihrer Kontexte gezeigt, durch welche anderssprachlichen Merkmale Figuren auffallen. In Bezug auf den zweiten Punkt wurde vor dem Hintergrund sozialpsychologischer und identitätsbezogener Konzepte gezeigt, dass während die gemeinsame Sprache bei bestimmten Figuren ein Gefühl der Zusammengehörigkeit implizieren kann, eine andere Sprache gleichzeitig eine Andersheit von Figuren ausdrücken kann, die diese Sprache verwenden. Aspekte der Andersheit konnten in Moras Werken auch mit der Integration einiger Elemente anderer Sprachen verknüpft werden: Dadurch, dass bestimmte Elemente aus anderen Sprachen in den deutschsprachigen Kontexten ohne eine Übersetzung oder Interpretation ihres Inhaltes erscheinen (siehe auch Unterkapitel 3.5), kommt in der sprachlich-thematischen Gestaltung eine gewisse Andersheit zum Ausdruck. Demzufolge konnte beobachtet werden, wie die aktuelle deutschsprachige Textumgebung die Wirkung fremdsprachiger Elemente in den untersuchten Werken beeinflusst. In der Analyse erwies sich neben sprachlichen und inhaltlichen Aspekten die typographische Markierung als ein weiteres Element, das die Funktion anderssprachiger Elemente ergänzt oder verstärkt. Hierzu hat die graphostilistische Annäherung spezifisch in den untersuchten Texten gezeigt, dass in ihnen die Hervorhebung 1) fremdsprachiger Elemente, 2) der „künstlichen“ Sprachenmischungsphänomene und 3) bestimmter deutschsprachiger Verweise mit kursiven Buchstaben der Veranschaulichung verschiedener thematischer und akustischer Informationen bzw. der Kennzeichnung von Intertextualitätsaspekten dient. Es ließ sich feststellen, dass diese Art der Markierung in vielen Fällen nicht nur darauf verweist, dass bestimmte Wörter aus anderen Sprachen in das Werk aufgenommen wurden, sondern in mehreren Fällen auch darauf hindeutet, dass der betroffene Teil im Redebeitrag oder in der Gedankenwiedergabe einer Figur vorkommt und in bestimmten Fällen auch die Betonung der hervorgehobenen Elemente visuell versinnbildlicht. Die Betonung einiger Ausdrücke wurde in einigen Fällen auch durch die Anwendung von Blockschrift veranschaulicht. Sie kann ferner in der Figurenrede oder im Erzähltext auf den Anspielungscharakter des visuell markierten Ausdrucks hindeuten, wie es u.a. im Falle bestimmter Liedzeilen gesehen werden konnte. Jedoch war im Falle vieler Elemente aus anderen Sprachen ersichtlich, dass sie sich durch keine typographische Hervorhebung von ihrer Textumgebung unterscheiden, wie es z.B. bei der Umschrift russischer Elemente in „Alle Tage“ oder bei vielen englischen Elementen in „Der einzige Mann auf dem Kontinent“ Zusammenfassung und Forschungsergebnisse 190 festzustellen ist. Nach thematischen Bereichen ließ sich nur im Hinblick der vom Protagonisten gelesenen Nachrichten feststellen, dass deren Elemente in den meisten Fällen mit einem anderen Buchstabentyp gekennzeichnet werden. Anhand der analysierten Belege wurde in der Arbeit ferner untersucht, welche Rolle die Bezugsgrößen ‚Eigenes‘, ‚Anderes‘ und ‚Fremdes‘ in den Werken „Seltsame Materie“ und „Alle Tage“ im Hinblick auf die Figuren und auf ihren Sprachgebrauch spielen und wie sie sich in den oben erwähnten Werken sprachlich manifestieren. Dabei wurde im Erzählband „Seltsame Materie“ die Beziehung zwischen ‚Eigenem‘ und ‚Anderem‘ oder ‚Fremdem‘ durch eine Analyse sprachlicher Ausdrucksformen von Einstellungen bestimmter Figuren und/ oder der Erzähler(innen) 1) gegenüber anderen Figuren und 2) ihren Sprachen dargestellt. Dementsprechend konnte das Beziehungsgeflecht zwischen diesen Bezugsgrößen in Ausdrücken (z.B. Personalpronomina, Possessivpronomina, Attribute, Adverbialbestimmungen, Substantive) gezeigt werden, die eine ,Andersheit‘ ausgewählter Figuren und/ oder bestimmter Sprachen bezeichnen. Die Beschreibung der im Roman „Alle Tage“ vorhandenen existenziellen Dimension der Fremdheit erfolgte ferner durch die Analyse ausgewählter sprachlicher Ausdrucksformen der ,Andersheit‘ von Figuren und der Desorientiertheit unter Miteinbeziehung inhaltlicher Aspekte. Diesbezüglich wurde darauf fokussiert, wie die Veranschaulichung nicht konkreter zeitlicher und räumlicher Kategorien mit der Bezeichnung von Sprachen im Roman zusammenhängt. Hierzu hat die Analyse auch gezeigt, welche Unterschiede zwischen den Bezeichnungen von Sprachen im deutschsprachigen Original und ihren Realisierungen in der ungarischen Übersetzung des Romans bestehen. Die Untersuchung hatte durch ihre Zielsetzung vor, zu Konzepten der Erforschung von Mehrsprachigkeit in literarischen Texten durch die Analyse von Erscheinungsformen und Funktionen anderer Sprachen am Beispiel ausgewählter Texte beizutragen. Mithin wurde in der Arbeit zum einen untersucht, 1) wie Elemente verschiedener Sprach(varietät)en in Terézia Moras Werken verwendet werden, 2) über welche mögliche Bedeutungen sie im Hinblick auf thematische und sprachliche Aspekte der Geschichten verfügen und 3) wie sie im Hinblick auf die Textganzen interpretiert werden können. Zum anderen war das Ziel, anhand der Analyse von Beispielen aufzuzeigen, 4) wie sich das Beziehungsgeflecht zwischen ‚Eigenem‘ und ‚Anderem‘ bzw. ,Fremdem‘ in der sprachlich-thematischen Gestaltung von Moras Erzählband und in ihrem ersten Roman manifestiert. Wie aus verschiedenen im Unterkapitel 3.5 angeführten Untersuchungen über die literarische Mehrsprachigkeit hervorgeht, hat auch die durchgeführte Analyse bezüglich der untersuchten Texte bestätigt, dass die Elemente anderer Sprachen bei der Veranschaulichung thematischer Aspekte von großer Relevanz sind. Aus der Vielfalt von Aspekten anderer Sprachen in der Literatur konnten in Moras Werken verschiedene Manifestations- Zusammenfassung und Forschungsergebnisse 191 formen identifiziert werden, deren Rolle bzw. Wirkung sich im Zusammenhang mit ihren jeweiligen spezifischen Kontexten feststellen ließ. Diesbezüglich hat die Analyse gezeigt, dass die Phänomene der Mehrsprachigkeit in Form von Elementen aus anderen Sprachen und von Übersetzungen in vielen Fällen „handlungsimmanenten“ (Heinemann 1998: 109) Absichten dienen: Sie veranschaulichen Lernprozesse, Bereiche des Berufslebens, die Mehrsprachigkeit von Figuren, von Figuren gesungene Lieder etc. und erfüllen somit wichtige inhaltliche Funktionen. Ferner tragen die deutschsprachigen Anspielungen auf Segmente anderer Sprachkulturen zur Verbindung sprachlich-literarischer Aspekte bei (siehe auch Lengl 2012) und erscheinen als Manifestationen einer sprachlich-literarischen Kreativität. Die hier durchgeführte Analyse von Elementen verschiedener Sprach(varietät)en und ihren Funktionen hatte des Weiteren vor, zu Untersuchungen einen Beitrag zu leisten, in denen auf die Bedeutung der Sprache(n) in Moras Werken fokussiert wird. In diesem Bereich wollte sie ferner durch die Anwendung sozialpsychologischer Aspekte im Hinblick auf die Sprachverwendung zur Interpretation des Andersseins bestimmter Figuren beisteuern, deren Situation, Verhältnisse und Außenseitertum in mehreren Analysen behandelt wurden (vgl. z.B. Straňáková 2003, Mansbrügge 2005, Albrecht 2009, Schlicht 2009, Meixner 2011). Somit tragen die Untersuchungsergebnisse sowohl zur Untersuchung von Manifestationen verschiedener Sprach(varietät)en in der Literatur als auch zur Erforschung sprachlich-thematischer Aspekte von Werken der Autorin Terézia Mora bei. 10 Abkürzungsverzeichnis AT Alle Tage DeM Der einzige Mann auf dem Kontinent EEK Az egyetlen ember a kontinensen KA Különös anyag NN Nap mint nap SM Seltsame Materie 11 Literaturverzeichnis Primärliteratur Kohlheim, Rosa/ Kohlheim, Volker (bearb.) (2003): Duden. Das große Vornamenlexikon: Herkunft und Bedeutung von über 6000 Vornamen. 2., völlig neu bearbeitete Aufl. Mannheim/ Leipzig/ Wien/ Zürich: Dudenverlag. Lopes, Salomé Farinha/ Kemmler, Rolf/ Massoni, Maria do Carmo/ Pimentel Seixas, Joana Mafalda/ Weber, Antje (bearb.) (2007): Pons Standardwörterbuch: Portugiesisch- Deutsch/ Deutsch-Portugiesisch, 1. Aufl. Stuttgart. Menge, Hermann (2000): Langenscheidts Taschenwörterbuch der lateinischen und deutschen Sprache. Bearbeitung von Ericht Pertsch. 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Während Uschanka, die Bezeichnung einer Kopfdeckung, mit der russischen Kultur in Verbindung gebracht werden kann, steht die Bezeichnung Csárdás mit der ungarischen Kultur im Zusammenhang. Da der Schauplatz der im Erzählband geschilderten Ereignisse ein ungarisches Dorf in der Nähe der österreichisch-ungarischen Grenze ist, ist die Verwendung der Bezeichnung eines ungarischen Tanzes auch inhaltlich begründet. Als ein weiteres kulturspezifisches Element kann die Bezeichnung Graurind (auf Ungarisch: szürkemarha) (SM S. 152) aufgefasst werden, da das Graurind eine für Ungarn charakteristische Hausrindrasse ist. Die Nähe der österreichischungarischen Grenze in den erzählten Geschichten und dadurch auch der österreichische Einfluss in der Sprache der Texte zeigt sich ferner in der Verwendung der Speisebezeichnungen Kakaoknödel und Polenta (SM S. 17). Im Roman „Der einzige Mann auf dem Kontinent“ können als solche kulturspezifischen Essenbezeichnungen die Ausdrücke Schisch-Kebab (DeM S. 36) und Döner (DeM S. 190) als Namen türkischer Speisen, die man auch auf der Straße essen kann und in Deutschland sehr beliebt sind, der Name eines japanischen Reisweines Sake (DeM S. 12), die japanischen Gerichte Sushi (DeM S. 211), Makis (DeM S. 211) und Wasabi (DeM S. 212), die italienischen Speisen Porchetta, Ciabatta (DeM S. 24f.), Vitello tonnato (DeM S. 169), Peperonata (DeM S. 169), Tagliatelle (DeM S. 35), Chianti (DeM S. 107) (Name eines Rotweins aus der Toskana), die Komposita Rindercarpaccio und Artischockencarpaccio (DeM S. 169), deren zweites Glied italienische Lexeme sind, Linguini alla [sic! ] Puttanesca (DeM S. 169), der Name eines griechischen Weins Metochi Cromitsa [sic! ] (DeM S. 169), und die ungarische Speisebezeichnung zuzás kakas töke pörkölt (DeM S. 348) angesehen werden. Unter den kulturspezifischen gastronomischen Bezeichnungen wird im Text ferner Krupuk (DeM S. 211) (Krabbenchips) erwähnt. Anhang 216 Im Roman „Alle Tage“ gilt der Muezzin (AT S. 399) als kulturspezifisches Lexem, das mit der arabischen Kultur im Zusammenhang steht. Die Assoziationen zu bestimmten Kulturen können aber nicht nur durch einzelne Lexeme hervorgerufen werden, sondern die Informationen können auch in Form von Sätzen mitgeteilt werden. Als ein solcher Träger von Informationen über andere Kulturen kann im Roman der folgende Satz angesehen werden: (188) „Mit dem Kopf nach unten zu hängen, führt im Glauben der meisten Völker zur Erleuchtung.“ (AT S. 393) Ähnlich wie im Beleg Nr. 188 wird auch im nächsten Beleg eine Information über eine andere Kultur (hier über die griechische) gegeben, die im Hinblick auf die Handlung als ein kulturspezifisches Element angesehen wird. Diese kulturspezifische Information ist die Feststellung, dass es dem griechischen Kollegen von Darius Kopp eine Ehre ist, wenn er bei einem gemeinsamen Abendessen mit den Freunden bezahlt: (189) „Kopp hatte immer noch Durst, bestellte aber kein Wasser mehr nach, sondern die Rechnung. Das belebte ihn wieder ein wenig. Bezahlen ist des Griechen Ehre, und bis heute war es Kopp noch nie, niemals, bei keiner Gelegenheit gelungen, Stav zu irgendetwas einzuladen.“ (DeM S. 174f.) [Hervorhebungen von B.B.] Als ein weiteres kulturspezifisches Element kann die Bezeichnung akademische Minuten verstanden werden, da mit diesem Ausdruck das Phänomen bezeichnet wird, dass an den Universitäten und Hochschulen in vielen Ländern - u.a. in Deutschland - die Lehrveranstaltungen oft nicht zum angegebenen Zeitpunkt, sondern eine Viertelstunde später beginnen: (190) „Was denken Sie, dass ich den ganzen Tag nichts anderes zu tun habe, als auf Sie zu warten? 15 Minuten, das hätte er noch akzeptiert, obwohl er persönlich auch nichts von diesen 15 so genannten akademischen Minuten halte.“ (DeM S. 206) [Hervorhebungen von B.B.] Ein weiteres kulturspezifisches Element ist die Adverbialbestimmung down under, unter der im Englischen Australien verstanden wird. Die Aussprache dort wird auch graphisch veranschaulicht. Dabei wird eine Frage an der folgenden Stelle in einer Version angegeben, die die Aussprache in Australien nach- Weitere kulturspezifische Elemente in den Texten 217 ahmen soll. In diesem Sinne erscheint die Frage Owsid-goin mate orright? als Veranschaulichung einer Varietät des Englischen. 181 (191) „Wie macht man down under Geschäfte? Am besten am Freitagabend beim Bier. Owsidgoin mate orright? How-is-it-going-mate-all-right? Nicht so schlecht, nicht so schlecht. Es wird besser.“ (DeM S. 296) [Hervorhebungen von B.B.] Kulturspezifische Ausdrücke werden aber nicht nur in den deutschsprachigen Texten verwendet. In der ungarischen Übersetzung „Különös anyag“ des Erzählbandes „Seltsame Materie“ werden von der Übersetzerin an manchen Stellen Ausdrücke angewandt, die in Bezug auf die ungarische Kultur über eine kulturspezifische Bedeutung verfügen, aber im deutschsprachigen Text diese kulturspezifische Dimension nicht hervorrufen. So hat im deutschen Beleg Nr. 192a der Ausdruck Tafelschokolade mit Kühen eine andere kulturspezifische Nebenbedeutung als in der Übersetzung. Anhand einer von der Verfasserin durchgeführten Umfrage, an der 25 Deutsche teilgenommen haben, konnte festgestellt werden, dass viele Deutschen Milkaschokolade assoziieren, wenn sie den Ausdruck Tafelschokolade mit Kühen hören. Auf die Frage Woran denken Sie, wenn Sie den Ausdruck Tafelschokolade mit Kühen hören? haben 21 Befragten Milka, drei lila und eine Befragte Lila Pause geantwortet. (Das Adjektiv lila und der Ausdruck Lila Pause stehen auch mit Milkaschokolade im Zusammenhang, da das Adjektiv die Farbe der Verpackung und der Ausdruck Lila Pause eine Art dieser Schokolade bezeichnet.) Die deutschsprachigen Leser können hier also an die Milkaschokolade denken. In der ungarischen Übersetzung dieser Stelle wird aber statt des Ausdrucks táblacsoki tehenekkel, der das ungarische Äquivalent des deutschen Ausdrucks ist, ein anderer Ausdruck: táblás bocicsoki verwendet. Da bocicsoki ein bekanntes ungarisches Schokoladenprodukt ist und nur in Ungarn verkauft wird, erhält dieses Wort eine kulturspezifische Bedeutung im ungarischen Text, da die ungarischen Rezipienten des Textes genau wissen, dass es sich hier um eine von ihnen gut bekannte Schokolade handelt. Diese kulturspezifische Bedeutung des Ausdrucks erscheint aber im deutschen Text nicht, da hier nicht der Name des Produktes, sondern eine Umschreibung seines Äußeren durch den Ausdruck mit Kühen angegeben wird. __________ 181 Dieser Satz ist auch mit dem Thema „Business“ verknüpfbar, da er der Titel eines Artikels über Business in Australien aus der Manager Magazin ist. http: / / www. manager-magazin.de/ magazin/ artikel/ 0,2828,573455,00.html. Anhang 218 (192a) „Wir schmücken den Baum mit großen Orangen und Tafelschokoladen mit Kühen darauf.“ (SM S. 68) [Hervorhebungen von B.B.] (192b) „Nagy narancsokkal és táblás bocicsokival díszítjük fel a fát.“ (KA S. 56) [Hervorhebungen von B.B.] Ähnlich wie im Beleg Nr. 192b enthält ein Ausdruck im nächsten ungarischen Beleg eine Konnotation, die an der originalen deutschen Textstelle nicht erscheint, da dort ein anderes lexikalisches Mittel verwendet wird. Es handelt sich hier um die Übersetzung des Kompositums Halstuch, das in der ungarischen Übersetzung statt kendő (ungarisches Äquivalent) als kisdobos nyakkendő wiedergegeben wird. Während der Ausdruck Halstuch weder im Deutschen noch im Ungarischen über eine kulturspezifische Bedeutung verfügt, werden bei den ungarischen Rezipienten durch die Verwendung des Ausdrucks kisdobos nyakkendő Assoziationen an die sozialen und politischen Umstände in Ungarn von 1946 bis zur politischen Wende hervorgerufen. Kisdobos war nämlich in der ungarischen Pionierbewegung die Bezeichnung der Kinder von der zweiten bis zur vierten Klasse in der Grundschule. (193a) „Auf dem Nachhauseweg ist es schon dunkel. In den Tälern Dörfer, keine Menschen. Wir singen Mutters Lieblingslied in allen Sprachen, die wir können. Die Fernlichtanzeige leuchtet blau wie ein Halstuch.“ (SM S. 197) [Hervorhebungen von B.B.] (193b) „Hazaúton már besötétedik. A völgyekben falvak, sehol egy teremtett lélek. Anya kedvenc dalát énekeljük az összes általunk ismert nyelven. A műszerfal kéken világít, mint a kisdobos nyakkendő.“ (KA S. 153) [Hervorhebungen von B.B.] Die Bezeichnung kisdobos kommt auch im ungarischen Beleg Nr. 194b vor. Obwohl das ungarische Äquivalent des Substantivs Pionier „úttörő“ ist, wird hier der Ausdruck kisdobos verwendet, da in Ungarn zwei Bezeichnungen für die Teilnehmer der Pionierbewegung verwendet wurden. Als kisdobos wurden die Schüler von der zweiten bis zur vierten Klasse genannt, als úttörő wurden sie erst von der fünften Klasse bis zur achten Klasse bezeichnet. (194a) „Da ich Pionier bin, sind die Auftritte umsonst.“ (SM S. 190) [Hervorhebung von B.B.] (194b)„Mivel kisdobos vagyok, minden fellépés ingyenes.“ (KA S. 148) [Hervorhebung von B.B.] Weitere kulturspezifische Elemente in den Texten 219 Wörter, die mit der ungarischen Kultur und Volkskultur in Zusammenhang gebracht werden können, sind ferner die Substantive vekni und lóca. Während im deutschen Beleg Nr. 195a das Substantiv Brot erscheint, wird in der ungarischen Übersetzung durch das Substantiv vekni eine Konnotation bei den ungarischen Lesern hervorgerufen, da das Wort vekni in erster Linie auf dem Lande verwendet wird: (195a) „Wieso trägst du diese beiden Brote unterm Arm? (SM S. 156) [Hervorhebung von B.B.] (195b) „Hova viszed azt a két hatalmas veknit a hónod alatt? “ (KA S. 116) [Hervorhebung von B.B.] Diese kulturspezifische Bedeutung kann auch bei dem Substantiv lóca festgestellt werden, da dieses Wort eine einfache spezielle Bank ohne Lehne bezeichnet, die in Bauernhäusern zu finden war/ ist. Im Gegensatz dazu wird durch das Kompositum Holzbank im deutschsprachigen Original keine spezifisch ländliche Information vermittelt: (196a) „Ich wende mich von ihnen ab, die sie da in ihren Ballkleidern zwischen Holzbänken und Tischen stehen.“ (SM S. 150) [Hervorhebung von B.B.] (196b) „Elfordulok tőlük, a lócák és asztalok között ácsorgó báli ruhás kislányoktól.“ (KA S. 111) [Hervorhebung von B.B.] Als Verständnishilfen und zugleich kulturspezifische Elemente werden ferner im Glossar zwei Erklärungen angesehen, die zu den Begriffen Kreolin (SM S. 130) und Die Sanduhr (SM S. 188) angegeben werden. Bei der Angabe der Bedeutung dieser Ausdrücke in Bezug auf die ungarische Kultur kann auch eine Kulturvermittlung betrachtet werden, indem für die ungarische Kultur spezifische Begriffe den deutschsprachigen Rezipient(inn)en des Textes erläutert werden. Über die Bezeichnung Kreolin werden dabei den deutschsprachigen Lesern folgende Zusatzinformationen vermittelt: (197) „Bei einer Gemeindesitzung im Komitat Nógrád (Ungarn) wurde der Vorschlag gemacht, die ungarischen Zigeuner in Zukunft Kreolen zu nennen, da die Bezeichnungen ‹Zigeuner› oder ‹Roma› als pejorativ empfunden würden. Der Vorschlag hat sich nicht durchgesetzt.“ (SM S. 252) [Hervorhebung im Original] Im Falle des Ausdrucks Die Sanduhr steht in der Erläuterung, dass es hier um den Titel eines ungarischen Liedes geht - um einen ungarischen Schlager „aus Anhang 220 den siebziger Jahren“ (SM S. 252). In der ungarischen Übersetzung steht jedoch bei dem Ausdruck Homokóra (auf Deutsch: Die Sanduhr) keine solche Erläuterung, da den ungarischen Lesern das Lied vermutlich bekannt ist. Des Weiteren können auch in der ungarischen Übersetzung „Az egyetlen ember a kontinensen“ des Romans „Der einzige Mann auf dem Kontinent“ solche kulturspezifische Elemente beobachtet werden, die im deutschen Original wegen des deutschsprachigen Textkontextes als Elemente bestimmter anderer Sprachkulturen keine Verweisfunktion erfüllen. Als solche Elemente sind die deutschen Anredeformen Herr und Frau zu betrachten. Während nämlich im deutschsprachigen Textkontext die Verwendung deutscher Anredeformen sowohl wegen der Thematik als auch wegen der angewandten Sprache des Textes begründet ist, erhalten diese deutschen Elemente im ungarischen Textkontext eine spezifische Bedeutung. Sie verweisen entweder darauf, dass die Figuren, die mit diesen Anredeformen angesprochen werden, deutsch sind (z.B. Herr Aschenbrenner, Herr Leidl) oder verweisen darauf, dass der Protagonist, der sie anspricht, deutsch ist. (198a) „Auch am Etagenempfang war niemand, keine Frau Bach, kein Herr Lasocka.“ (DeM S. 19) (198b) „Az emeleti recepción se volt senki, Frau Bach sehol, Herr Lasocka sehol.“ (EEK 182 S. 21) (199a) „[…] er gab sich einen Ruck und hämmerte mit seinen dicken Fingern auf die Tastatur: Stadtverwaltung Süddeutschland - Memo an die Buchhaltung. Haben sie schon gezahlt? 16000 2. Budapest, Herr Szilagyi Das kann ich gleich weitergeben.“ (DeM S. 40) (199b) „[…] lendületet vett, és húsos ujjaival beledöngölte a klaviatúrába, hogy: 1.Önkormányzati iroda, délnémet terület - memo a könyvelésnek: fizettek már? 16000 2. Herr Szilágyi, Budapest. Ezt mindjart tovább is passzolhatom.“ (EEK S. 45) __________ 182 EEK wird in der Arbeit als Abkürzung für den Titel der Übersetzung „Az egyetlen ember a kontinensen“ verwendet. Siehe Abkürzungsverzeichnis S. 193. Interview mit der Schriftstellerin und Übersetzerin Terézia Mora 221 12.2 Interview mit der Schriftstellerin und Übersetzerin Terézia Mora (geführt von Bianka Burka in Berlin, am 15. November 2010) Bianka Burka: Frau Mora, warum haben Sie die deutsche Sprache als Ihre Literatursprache gewählt? Terézia Mora: Als ich das getan habe, lebte ich seit sieben Jahren in Deutschland. Davor war Ungarisch meine dominantere Sprache, aber innerhalb dieser sieben Jahre hat sich das dann umgekehrt und ich glaube, dass dabei das Schreiben eine wesentliche Rolle gespielt hat. Als ich beschloss, dass ich jetzt schreiben würde, hat sich das Deutsche als die Sprache herausgestellt, in der mir das möglich war. Ich habe mich bei meiner allerersten Erzählung also „Durst“ hingesetzt und mir gesagt: Mal sehen, wie man Sätze machen kann und die Sätze, die ich machen konnte, waren eben deutsche Sätze. Dazu kam natürlich noch der äußere Umstand, dass die Erzählung für einen Wettbewerb geschrieben worden ist, und der Wettbewerb fand in Berlin statt. Nichtsdestotrotz hätte ich natürlich auch zuerst auf Ungarisch schreiben und dann übersetzen können, was ich jedoch nicht getan habe. Ich habe das Original im Deutschen verfasst und hatte dann sogleich das Gefühl, dass das auch die einzige Sprache sei, die mir die nötige Freiheit dafür verschafft, mich überhaupt äußern zu können. Bianka Burka: Ihr Erzählband „Seltsame Materie“ wurde von Erzsébet Rácz und Ihr Roman „Alle Tage“ von Lídia Nádori ins Ungarische übersetzt. Aber Sie sind auch als Übersetzerin aus dem Ungarischen ins Deutsche bekannt. Warum haben Sie sich entschieden, Ihre Werke nicht selbst zu übersetzen? Terézia Mora: Oh, da gab es hundertundeinen Grund. Grund Nummer eins war, dass ich wusste, dass ich Ungarisch wiederum zu gut beherrsche, um die Bücher einfach zu übersetzen. Das heißt, ich hätte sie neu geschrieben. Das war aber nicht mein Interesse. Ich wollte ja weitergehen und nicht an dem einen Punkt verharren und dasselbe Problem dann mit beiden Sprachen behandeln. Das heißt, ich wollte mich schlicht und ergreifend, mit dem nächsten Buch beschäftigen. Und dann habe ich mir gesagt: Mal sehen, was dabei herauskommt, es ist doch immer wieder interessant, was aus dem Buch durch das Zutun einer Übersetzerin wird. Weil da etwas anderes reinkommt, und dann dachte ich mir, es ist interessant zu sehen, wie dann der Text wird. Und es gab noch einen dritten Grund, das weiß ich jetzt nur im Nachgang, dass es so eine Verwirrung gab, welche meine Muttersprache sei. Ich dachte immer Ungarisch aber mittlerweile denke ich, dass Deutsch meine Muttersprache ist, was sich Anhang 222 auch daran zeigt, dass ich immer ins Deutsche übersetze, weil das die leichtere Richtung ist. Bianka Burka: Ihr Erzählband enthält zehn Erzählungen. Daraus wurden aber nur neun Erzählungen in die ungarische Sprache übersetzt. Warum wurde die Erzählung „Am dritten Tag sind die Köpfe dran Langsam. Dann schnell“ nicht ins Ungarische übersetzt? Terézia Mora: Weil ich, als ich mir überlegt habe, wie soll der Band auf Ungarisch aussehen zum Schluss gekommen bin, dass das nicht so eine gute Erzählung ist. Und dann dachte ich mir, dann kann ich die auch auslassen. Es ist/ war ein reines Qualitätskriterium. Bianka Burka: In Ihren Texten sind Titel und Zitate aus fremdsprachigen oder auch aus deutschsprachigen Texten in vielen Fällen kursiv hervorgehoben. Wollten Sie mit dieser Kursivschrift nur den Leser darauf aufmerksam machen, dass es hier um intertextuelle Elemente geht, oder wollten Sie eben das sprachlich ‚Fremde‘ damit ausdrücken? Terézia Mora: Das ist eine gute Frage. Ich weiß gar nicht, wie konsequent ich damit vorgehe, denn in „Seltsame Materie“ sind sie nicht kursiv, oder? Bianka Burka: Nein, nicht in jedem Fall. Aber dort gibt es im Glossar diese Übersetzungen … Terézia Mora: Ja, das Glossar war aber nicht meine Idee, sondern die des Lektorats. Sie dachten, dass man da irgendwas erklären muss. Ich wollte das nicht tun. Außerdem hätte man da viel mehr noch erklären können. Es gibt ja ganz viele Verweise auf ungarische Literatur, die sich dem deutschen Leser nicht erschließen. Ich bin eigentlich dagegen, diese Sachen hervorzuheben, weil es sinnlos ist. Was würden Sie dann nicht hervorheben wollen in der Literatur? Also es gibt ja sehr-sehr wenige Sachen, die ganz originell sind, und Literatur wird eben aus Literatur gemacht, und man ist ständig im Dialog mit anderen Werken. Dann hätten Sie einen Text, der ständig kursiv ist. Das geht gar nicht. Ich glaube, bei „Alle Tage“ habe ich es an der Stelle gemacht, wo ich wollte, dass man sich sagt: Aha, das ist also ein Zitat und woher wohl, aber ich glaube, ich habe es nicht überall gemacht. Ich bin mir aber nicht sicher, also ich weiß, Joyce habe ich hervorgehoben, aber ich glaube, Jean Genet habe ich zum Beispiel nicht hervorgehoben. Das ist diese Szene, als Abel in der Sexbar ist und dann heißt es „Zur Stunde, wenn der Mensch allein ist mit seinen Geistern“. Das ist ein Jean Genet Text, aber diesen kurzen Abschnitt habe ich nicht her- Interview mit der Schriftstellerin und Übersetzerin Terézia Mora 223 vorgehoben. Warum wohl, keine Ahnung. Ich glaube, ich gehe da nicht besonders konsequent vor, beziehungsweise gerade jetzt übersetze ich einen Text aus dem Ungarischen ins Deutsche und dieser Text hebt sehr klar die Zitate hervor mit Anführungsstrichen und kursiv, und während ich sie übersetze, mache es natürlich so, wie es da steht, aber wenn es nach mir ginge, würde ich sagen: Wozu? Es ist keine wissenschaftliche Arbeit. Bianka Burka: In „Alle Tage“ gibt es auch ein Kassák-Zitat. Terézia Mora: Ja, Kassák ist drin, genau. Ist es kursiv oder nicht? Bianka Burka: Ja, das ist kursiv. Terézia Mora: Ah ja. Vielleicht habe ich das auch so gemacht, dass ich bei vollständigen Sätzen das kursiv gesetzt habe und dort war bei Genet nur „der Mensch mit seinen Geistern“. Es ist kein vollständiger Satz und dann dachte ich mir, dann nehme ich das einfach auf in meinen Satz und fertig. Um es nochmals zu präzisieren: Ich glaube, ich mache das [die Kursivierung] ganz besonders bei ungarischen Zitaten, weil ich will, dass der deutsche Leser sich sagt: Aha, Zitat und wohl woher. Das ist also mein Tribut zum Beispiel an Kassák. Bianka Burka: In „Alle Tage“ erscheinen als intertextuelle Elemente u.a. Teile aus deutschsprachigen und aus ungarischen Texten. Hier spielt aber die ungarische Sprache nicht so eine große Rolle wie in „Seltsame Materie“. Warum haben Sie hier die ungarischen Elemente reduziert? Terézia Mora: Ja, weil es ebenfalls nicht das Thema war. „Seltsame Materie“ ist ein Buch des Übergangs, wo ich den Übergang von der ungarischen in die deutsche Sprache-Umgebung mache und das will ich auch dokumentiert haben. Bei „Alle Tage“ war das eben nicht das Thema. Bei „Alle Tage“ kommen die anderen Sprachen dazu, Abel Nema spricht ja zehn und nichtsdestotrotz bleibt natürlich meine Biographie, auf die ich stolz bin, und wo ich auch nicht nur als Übersetzerin, sondern noch als Autorin dieses Vorhaben habe, der deutschen Leserschaft so viel wie möglich unterzujubeln. Also es ist meinetwegen auch so gut, sie müssen nicht wissen, dass das Kassák ist oder József Attila oder wer auch immer aber das soll sich unbemerkt in der deutschen Sprache etablieren, sodass die Deutschen genauso Kassák sprechen wie wir, das ist doch schön. Das ist einfach auch mein persönliches Spiel. Warum sollte ich das nicht tun, es macht Spaß. Anhang 224 Bianka Burka: In „Alle Tage“ werden Angaben der Zeit, des Ortes und Angaben über die Sprache bewusst vermieden. Was ist der Grund dafür? Zum Beispiel Abel Nema wohnt in der Stadt „B“ und es wird nicht gesagt, woher er kommt. Es wird auch nicht explizit ausgedrückt, welche seine Muttersprache ist. Terézia Mora: Das hat natürlich einen konzeptionellen Grund, wenn ich eine Figur habe, die displaced ist und herumwandert in der Welt, kein Zuhause hat und orientierungslos ist. Das kann man natürlich auch ausdrücken, wenn ich hinschreibe: Und er wohnte in der Schönhauser Allee 128A, aber es ist trotzdem ein bisschen doof - finde ich - und ich wollte, dass der Leser genauso umherirren muss wie der Protagonist. Da stellt sich ja automatisch ein körperliches Gefühl ein, ein „Wo bin ich? “, „Was passiert? “, „Wann bin ich? “ und ich wollte, dass es dem Leser so ergeht, dass dieses Unbehagen, das Nichtgreifenkönnen eben auch der Leser mitmachen muss. Ich glaube nämlich, dass es etwas anderes ist, wenn ich über einen lese, der desorientiert ist, das kann ich nicht nachvollziehen, wenn für mich als Leser alles exakt festgelegt ist. Dann bleibt das eine Behauptung. Und natürlich haben alle kapiert, dass die Geschichte von dem Balkankrieg und den Leuten inspiriert ist, die demzufolge dann nicht mehr dort leben, wo sie geboren worden sind, das ist auch eine bekannte Situation, ein bekanntes Problem, aber ich wollte es dann trotzdem nicht so eng machen, dass ich sage Sarajevo, Budapest, Berlin, auch wieder aus rezeptionstechnischen Gründen, weil es dann einpaar Leute gibt, die es ganz eng nehmen. Es ist ein Menschheitsproblem und nicht ein lokales und zeitlich begrenztes Problem. Bianka Burka: In Zusammenhang mit der Desorientiertheit des Protagonisten kann beobachtet werden, dass Sie das Wort „Landessprache“ mehrmals verwenden, weil Sie natürlich nicht sagen möchten, welche die Muttersprache des Protagonisten ist. Aber in der ungarischen Übersetzung gibt es verschiedene Variationen für dieses Wort. Dort werden die Begriffe „az ország hivatalos nyelve“ und „anyanyelv“ verwendet. Der Ausdruck „magyar“ kommt auch einmal vor. Welche Version wollten Sie in der Übersetzung? Terézia Mora: O! Interessanterweise habe ich mit der Übersetzerin zusammengearbeitet, aber ich kann mich an diese Details gar nicht erinnern. Ja, witzig. „Az ország hivatalos nyelve“ ist sowieso ein dämlicher Begriff, „Landessprache“ ist natürlich einfacher. Da war ich unaufmerksam. Also dann wäre es tatsächlich die „Muttersprache“…? Kommt „Muttersprache“ überhaupt im Original vor? Doch also, weil Abel eine Muttersprache, eine Vatersprache und drei internationale Konferenzsprachen hat. Genau, seine Muttersprache wäre Serbisch, Vatersprache wäre Ungarisch und die drei internationalen Konferenzsprachen Interview mit der Schriftstellerin und Übersetzerin Terézia Mora 225 wären halt Deutsch, Englisch und weiß gar nicht was die dritte wäre, ich weiß nicht, ob er da schon Französisch kann, ich glaube noch gar nicht: Russisch! Ich hatte natürlich alles im Kopf aber ich wollte das nicht aussprechen. Warum? Weil ich wollte, dass man das auf jede beliebige Situation anwenden kann. Auch wenn ich als Franzose in Argentinien lebe, gibt es eine Muttersprache und eine Landessprache und die Landessprache ist dort halt Spanisch. Ja, im Ungarischen ist der Begriff ja so blöd, man kann „Landessprache“ im Ungarischen nicht so benutzen wie im Deutschen, und möglicherweise muss man dann variieren als Übersetzerin. Aber alle Ausdrücke sind irgendwie doof. Bianka Burka: Bei dem „ország hivatalos nyelve“ habe ich sofort daran gedacht, dass es in diesem Fall die deutsche Sprache sei, weil Abel in Deutschland ist. Aber durch die Verwendung des Lexems „magyar“ ist seine Muttersprache gemeint und der ungarische Text gibt mehrere Informationen in diesem Sinne, als der deutsche. Terézia Mora: Ja, warum soll das nicht so sein, das ist doch nett hier an dieser Stelle, weil wie würde sich das dann anhören, das ist total blöd: „Német, orosz szavak. A többit nem értem. Az ország hivatalos nyelve is van benne“. Das hört sich blöd an. Also hier ist die Lösung natürlich viel besser. Und warum soll das nicht „magyar“ sein? Also hier hat zum Beispiel die Übersetzerin auch etwas mitgemacht, was ich auch manchmal mache. Ich nenne es Insiderwissen, dieses Spiel: Jetzt ist schon wieder jemand Ungarisch in diesem Buch, im nächsten auch. Bianka Burka: Sie verwenden auch biblische Elemente in „Alle Tage“ zum Beispiel: „Würdevoll: Weil du weder kalt bist noch warm, sondern lau, werden wir dich ausspeien aus unserem Munde.“ Diese Zeile ähnelt einem Zitat aus der Luther-Bibel. Warum sind diese biblischen Elemente wichtig im Text? Terézia Mora: Insbesondere am Anfang der Arbeit war mir diese christliche Unterfütterung des Ganzen ganz gegenwärtig. Ich dachte mir, ja, es ist im Grunde eine Gottessuche oder eine Passionsgeschichte, und dann habe ich mich einfach selber beobachtet, was für Elemente mir dazu einfallen, und diese waren dann alle sehr deutlich christlich geprägt: Paradiesversprechen, Erlösungsversprechen, letztes Gericht und dann dachte ich mir: Ok, ja das nehme ich alles aus der christlichen Kultur. Warum? Weil ich in einer aufgewachsen bin, eine andere steht mir nicht zur Verfügung also nehme mal die und dann nehme ich natürlich auch - wenn es sein muss - den Grundtext dieser christlichen Kultur, das wäre eben die Bibel. Und damit kann man ziemlich schöne Sachen machen. Was mir wirklich großen Spaß gemacht hat, das war in „Deli- Anhang 226 rium“ dieses, wo die vier Paradiesflüsse sind. Und sie werden dann umgedreht reingesetzt. Das wäre ja Euphrat, Tigris und noch zwei und sie stehen ja umgedreht drin, also der Name ist umgedreht, und wo ist der gläserne Thron, und wo ist das und das, das finde ich sehr schön, weil ich auch glaube, dass das die wenigsten wissen, dass das Paradies so beschrieben ist in der Bibel, nämlich dass dort ein gläserner Thron steht und vier Flüsse fließen. Und wer es kennt, der freut sich das wiederzufinden, und wer es nicht kennt, der ahnt auch, dass das auch aus der Bibel sein müsste, und sagt sich: Aha, da ist ein gläserner Thron! - ist doch schön. Ja, es ist aber natürlich keine reine Dekoration, sondern, wie gesagt, ich habe in mich reingeblickt und habe festgestellt: Oh, du benutzt automatisch christliche Ikonographie. Gut, dann mache das auch bewusst! Bianka Burka: Sie verwenden viele fremdsprachigen Namen in „Alle Tage“ auch wegen der Thematik. Was war das Prinzip, nach dem Sie diese Namen ausgewählt haben? Terézia Mora: Folgendes: Ich wollte insbesondere in dem Buch Namen nehmen, - das gilt aber auch für Darius Kopp -, die keine eindeutige Orientierung zulassen. Wenn jemand Karl Heinz heißt, das ist eindeutig ein Deutscher, aber ich glaube, dass wir heute nicht mehr so leben. Erstens sollten die Namen ausdrücken, dass alle verteilt sind über die Erde, alles kommt durcheinander, orientalische Namen mischen sich mit westlichen usw. und zum anderen - wie gesagt - wollte ich sie nicht so genau festlegen lassen wollen. Bei den Frauen war es einfach, die haben alle bis auf Kinga, zu der ich gleich was sage, eine Abart von Maria als Namen. Das ist wieder so eine christliche Geschichte, also Mercedes, Miriam, Mira usw. Und Kinga ist deswegen Kinga, weil sie einfach einer wahren Person nachempfunden ist, die Kinga heißt, und dann dachte ich mir, warum soll sie nicht so heißen und auch, weil mir völlig klar ist, dass der westliche Mensch nicht weiß, dass es eigentlich Kunigunda ist, die ungarische Form von Kunigunda, sondern es hört sich nach „King“ oder „Königin“ an. Die Jungs sind alle Personen, die ich im wahren Leben kenne und dann habe ich aus ihren richtigen Namen irgendwas gemacht, was ein bisschen internationaler klingt. Wobei Kontras echter Name Attila Varga ist, und der kommt auch vor. Ich dachte mir, das ist schön, weil er Attila heißt, es ist ein Name, den man überall kennt, und Varga kann man auch mit Vargas verwechseln u.ä. Bianka Burka: In „Alle Tage“ kommen auch künstliche Sprachenmischungsphänomene vor, die inhaltlich auch begründet sind. Haben Sie dabei Elemente aus anderen Sprachen verwendet, oder sprachliche Merkmale gemischt? Interview mit der Schriftstellerin und Übersetzerin Terézia Mora 227 Terézia Mora: Es ist eine künstlich hergestellte Kauderwelsch-Sprache, die aus den zehn Sprachen besteht, die Abel Nema beherrscht und diese sind Sprachen, die ich entweder beherrsche oder wo ich Wörterbücher benutzt habe. Ich habe mich wirklich hingesetzt, und habe angefangen, Sätze zu basteln. Diese sind eigentlich richtige Sätze, aber ich habe die meisten vergessen. Das weiß ich noch: „Njeredko acordeo si jesli nach mortom“ ist ein György Petri-Zitat: „Manchmal erwache ich wie nach meinem Tod“. Und wenn man das weiß, kann man die Methode auch nachvollziehen, „njeredko“ heißt „manchmal“ und so weiter. „Esszettbeekaefhaajoto“ besteht aus den Anfangsbuchstaben der S- Bahn-Stationen, und dann habe ich natürlich die S-Bahn genommen, die ich kenne, nämlich die S1 in Berlin. Ich habe aber schon Vieles vergessen. Ich wollte es eigentlich aufschreiben, aber ich weiß nicht mehr, was das war. Bianka Burka: Und ist „bánat“ ungarisch? Terézia Mora: Ja „bánat“ und „vér“ ist natürlich drin. Bianka Burka: Und ist „engele“ vielleicht „angyala“? Terézia Mora: Wahrscheinlich. Ja, das ist das Dumme, dass ich das vergessen habe. „Prime“ ist bestimmt „zuerst“ … keine Ahnung. Bianka Burka: Im Text kommen auch russische Sätze vor, die Abel sagt. Terézia Mora: Diese sind wirklich russisch. Sie sind bloß in lateinischer Umschrift. Bianka Burka: Im Werk werden auch die Ausdrücke „Tonetidi“ und „Tossise“ verwendet. Terézia Mora: Also „Tonetidi“, „Tossise“ bedeutet „Idioten“, „So ist es“. Das ist wiederum gedreht. Es ist die Geheimsprache, die Abel und der Junge reden, es sind umgedrehte Wörter. Die Sprachverfremdungen im Buch folgen mehreren Prinzipien, dem Umdrehen, wie hier oder im Delirium mit den Flüssen oder bei „Amen leba“, an anderen Stellen gibt es aus zehn Sprachen zusammengebastelte Sätze, für die ich leider die Vorlagen vergessen habe. Bianka Burka: Ich habe noch eine Frage in Bezug auf Intertextualität. Abel Nema fährt mit dem Zug und bei der Darstellung seiner Fahrt steht der deutsche Satz: „Schau, wie die Bäume laufen“. Anhang 228 Terézia Mora: „Nézd, hogy szaladnak a fák.“ Bianka Burka: Ist es also der ungarische Filmtitel? Terézia Mora: Ja, genau. Bianka Burka: Im Roman „Der einzige Mann auf dem Kontinent“ gibt es viele Stellen, wo Darius Kopp mit seinen englischsprachigen Chefs redet oder Dialoge auf Englisch in seinem Kopf durchführt. Warum haben Sie diese längeren Textpassagen, die auf Englisch sind, nicht ins Deutsche übersetzt? Terézia Mora: Na ja, ich habe es aus folgendem Grund gemacht. Es ist klar, dass Darius Kopp Schwierigkeiten mit dem Englischen hat, aber in einem Umfeld arbeitet, wo er das sehr gut können müsste oder wo vorausgesetzt wird, dass jeder englisch sehr gut kann. Das ist ja auch typisch für manche Bereiche des Arbeitslebens und ich wollte, dass der Leser genauso hilflos davorsitzt, wie er, weil es solche Textpassagen sind, dass du entweder alles verstehst oder einen Teil oder eben gar nichts. Und in dem Moment kannst du dich dann selber überprüfen: Wie wäre ich in dieser Situation aufgestellt. Und das ganze zum Beispiel wo es um die Webpage seines Bekannten geht, wo er sich selbst auf Englisch beschreibt, dass er ein crisp and thorough understanding of the company hat. Wenn du dann liest, dass ein anderer, der in etwa dasselbe macht wie du und gleich alt ist wie du, das so formulieren kann, fühlst du dich gleich ganz anders. Also so würde es mir gehen, weil ich das zum Beispiel nicht könnte. Ich kann natürlich alles verstehen, aber wenn ich mich jetzt selbst in Englisch beschreiben sollte, wäre es sofort ganz klar, dass ich nicht in England studiert habe. Und genau das ist dasselbe Prinzip wie bei Abel Nema, die Orientierungslosigkeit. Das sollte hier auch so sein, dass du dich sofort vergleichen kannst und dich sofort in der Situation genauso wie der Held zurechtfinden musst. Bianka Burka: In „Seltsame Materie“ kommen viele Wiederholungen vor wie zum Beispiel: „Eine Kneipe, ein Kirchturm, eine Zuckerfabrik.“ oder „Mutter bürstet gerne meine Haare. Sie bürstet sie glänzend.“ Was wollten Sie mit diesen Wiederholungen ausdrücken? Terézia Mora: In „Seltsame Materie“ - als in einem meiner allerersten Texte - war es überhaupt zu erkunden, wie ich mich überhaupt ausdrücken kann. Dabei spielten die Wiederholungen insofern eine Rolle, dass man versucht zu beobachten, wie verhalten sich die Wörter, wenn sie das zweite Mal oder das dritte Mal benutzt werden. Es ist häufig so, wenn ein Wort wiederkehrt, hat es Interview mit der Schriftstellerin und Übersetzerin Terézia Mora 229 sich dann in der Zwischenzeit aufgeladen mit irgendetwas und das war einfach für mich die Methode zu beobachten, wie verhalten sich Wörter und es war natürlich auch ein Prinzip des Aufbaus der Geschichten, dass immer Elemente wiederkehren, und dass ihre veränderte Bedeutung die Geschichte im Grunde am Laufen hält, dass sie eine Entwicklung aufzeigt. Ich weiß nicht, ob es aufgefallen ist, ich bin ja nicht ein Typ, der sehr gut Aktionen beschreibt oder mit Aktionen erzählen kann, sondern eher mit Darstellung der Situation A, Darstellung der Situation B und dazwischen fand eine Aktion statt oder auch nicht. Und natürlich, wenn in Situation A das Wort vorkommt, ist es in Situation B dann mitunter ein anderes geworden. Und natürlich passt es auch thematisch insofern, dass es ja eine relativ enge Welt und eine Kinderwelt ist, und da stehen einem nicht so viele Wörter zur Verfügung, und man muss für verschiedene Sachen oft dasselbe Wort benutzen. Das hat natürlich auch etwas Märchenhaftes: „Sie bürstet meine Haare, sie bürstet…“. Bianka Burka: In „Alle Tage“ werden viele Aufzählungen verwendet. Haben diese die Funktion, die Geschwindigkeit des Erzählens zu steigern? Terézia Mora: Ja, das ist tatsächlich so eine „auf einem kleinen Platz viel unterzubringen“. Es sieht so aus, als würde es kurzzeitig das Tempo erhöhen. Es erhöht auch das Tempo, aber ich möchte nicht für alles vier Seiten in Anspruch nehmen. Das ist einfach nicht mein Zeug. Man könnte das tatsächlich so ausschreiben, aber das ist halt nicht so. Wenn ich etwas nicht ausschreiben will, dann verwende ich Schlagwörter wie zum Beispiel bei Konstantin oft, der den ganzen Tag über alles Mögliche labert, und wenn ich das etwas ironisierend darstellen will, d.h. ihn nicht ernst nehmen will, dann nenne ich nur die Schlagwörter natürlich. Im Übrigen mache ich das auch beim „Einzigen Mann“ mit diesen tabellarischen Lebensläufen und das passt auch zum Thema, weil du in dieser Arbeitswelt ständig einen tabellarischen Lebenslauf von dir abliefern musst, oder Firmengeschichten oder Firmenlegenden zusammenfassen musst. Es gibt sogar auf deren Homepage eine history, die so extrem verkürzt ist. Ich mag diese Aufzählungen. Warum? Weil ich ungerne auserzähle, wenn es nicht unbedingt sein muss. Bianka Burka: Die englische Sprache spielt im Roman „Der einzige Mann auf dem Kontinent“ eine große Rolle auch wegen dem Inhalt. Woher haben Sie diese Fachwortkenntnisse, diesen Wortschatz in Bezug auf die Computersprache? Terézia Mora: Mein Mann ist Computerexperte, er ist Experte für drahtlose Netzwerke, und er hat natürlich einige Freunde, von denen die meisten auch Anhang 230 Ingenieure sind, und ich habe einfach alle interviewt und das aufgenommen. Dann habe ich meinen Mann gefragt, ob es so richtig ist, weil ich davon ehrlich gesagt überhaupt nichts verstehe. Also ich weiß, was ein Access Point ist, damit hört es aber schon auf. Beziehungsweise ich habe bemerkt, dadurch, dass ich mit einem Informatiker zusammenlebe, habe ich nicht so eine Schwierigkeit mit diesen Wörtern umzugehen, weil Sie in meinem Alltag vorkommen, ich höre ja darüber Berichte, ich höre viel mehr als im Buch steht, ich habe mich bemüht, das so zu machen, dass es noch lesbar ist, dass ein bisschen was drin ist, aber dass man nicht völlig daran verzweifeln muss. Leute, die sich mit dem Computer ein bisschen auskennen, haben natürlich ihren Spaß mit dem Buch. An einer Stelle - das war sehr-sehr lustig - habe ich meinen Mann nach einer veralteten Technologie gefragt, die ich benutzen wollte: „Home-RF“ steht jetzt drin. Man dachte, „Home-RF“ wäre das nächste große Ding, aber es wurde nicht das nächste große Ding, und da stand davor eine andere veraltete Technologie und das musste man während der Arbeit dann austauschen, weil die Technologie schon zu veraltet war. Ja, also man muss selbst in der veralteten Technologie mit der Zeit gehen. Das ist aber nicht so schwierig, wenn man seine Quellen hat. Bianka Burka: Woran arbeiten Sie jetzt? Terézia Mora: Jesusmaria. Ich kann das neue Buch erst im Januar anfangen, weil ich bis jetzt alles Mögliche zu tun hatte. Es ist wieder ein Roman und … Wie viel kann ich davon verraten? Im Grunde ist es eine Fortsetzung dieser Geschichte mit denselben Figuren nämlich Darius Kopp und Flora und es ist sehrsehr traurig.