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Interaktivität beim Fremdsprachenlehren und -lernen mit digitalen Medien

2016
978-3-8233-9042-8
Gunter Narr Verlag 
Tamara Zeyer
Sebastian Stuhlmann
Roger Dale Jones

Dieser Sammelband gibt einen differenzierten Einblick in verschiedene Facetten des interaktiven Fremdsprachenlernens mit digitalen Medien und ist daher für die Fremdsprachenforschung genauso interessant wie für Fremdsprachenlehrkräfte, die mit interaktiven Medien arbeiten. Es werden zunächst relevante Grundbegriffe erklärt und dann exemplarische Anwendungsmöglichkeiten konkret vorgestellt. Die Beiträge sind thematisch vielfältig und decken verschiedene Sprachdidaktiken (z.B. DaF, TEFL) ebenso ab wie unterschiedliche Perspektiven (Hochschullehre, schulischer Unterricht, Lehrerbildung, selbstständiges Lernen).

Giessener Beiträge zur Fremdsprachendidaktik Tamara Zeyer/ Sebastian Stuhlmann/ Roger Dale Jones (Hrsg.) Interaktivität beim Fremdsprachenlehren und -lernen mit digitalen Medien Hit oder Hype? Interaktivität beim Fremdsprachenlehren und -lernen mit digitalen Medien GIESSENER BEITRÄGE ZUR FREMDSPRACHENDIDAKTIK Herausgegeben von Eva Burwitz-Melzer, Wolfgang Hallet, Jürgen Kurtz, Michael Legutke, Hélène Martinez, Franz-Joseph Meißner und Dietmar Rösler Begründet von Lothar Bredella, Herbert Christ und Hans-Eberhard Piepho Tamara Zeyer/ Sebastian Stuhlmann/ Roger Dale Jones (Hrsg.) Interaktivität beim Fremdsprachenlehren und -lernen mit digitalen Medien Hit oder Hype? Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Gedruckt auf säurefreiem und alterungsbeständigem Werkdruckpapier. © 2016 · Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG Dischingerweg 5 · D-72070 Tübingen Internet: www.narr.de E-Mail: info@narr.de Printed in Germany ISSN 0175-7776 ISBN 978-3-8233-8042-9 Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http: / / dnb.dnb.de abrufbar. Inhaltsverzeichnis Tamara Zeyer, Sebastian Stuhlmann und Roger D. Jones Vorwort ..................................................................................................................... 7 Roger D.Jones, Sebastian Stuhlmann und Tamara Zeyer Interaktives Fremdsprachenlernen: Potenziale und Herausforderungen .... 11 Sebastian Kilsbach : Fachsprachliche Termini im Kontrast zwischen alltagssprachlicher Aufladung und medial inszeniertem Marketing ........................................................................................ 43 Dietmar Rösler CALL und CMC - verschwimmen die Grenzen? ............................................. 69 Christine Becker Formen interpersonaler Interaktion in Diskussionsforen zur DaF- Landeskunde ........................................................................................................... 87 Katrin Biebighäuser Immersion und Interaktivität - Fremdsprachenlernen mit Avataren und Agenten ......................................................................................................... 111 Roger D. Jones A Playful Approach to Interactive Media in the Foreign Language Classroom .............................................................................................................. 139 Susanne Krauß Interaktivität beim Wortschatzlernen - Der interaktive Knoten .................. 163 Tamara Zeyer Wie interaktiv ist die Interaktive Grammatik? ................................................ 191 Inke Schmidt und Carolyn Blume Wir müssen reden. Interaktive Anwendungen zum fremdsprachlichen Sprechtraining..................................................................... 211 Inhaltsverzeichnis 6 Simon Falk und Sandra Götz Interactivity in Language Learning Applications: A case study based on Duolingo .......................................................................................................... 237 Nora Benitt und Torben Schmidt Lehrerbildung - besser interaktiv? Videokonferenzen als digitale Brücke zwischen Theorie und Praxis in der Englischlehrerausbildung ................... 259 Über die Autorinnen und Autoren .................................................................... 285 Vorwort Bereits seit dem Jahr 1997 befasst sich die Sektion „Fremdsprachenlernen und lehren mit digitalen Kommunikations - und Distributionsmedien“ des Gießener Graduiertenzentrums Kulturwissenschaften mit verschiedenen Fragestellungen, die im Rahmen der unterrichtlichen Verwendung digitaler Medien von Bedeutung sind. Innerhalb dieser Zeit sind mittlerweile vier Sammelbände in der Reihe Gießener Beiträge zur Fremdsprachendidaktik erschienen. Während sich der erste Band, der von Michael K. Legutke und Dietmar Rösler 2003 herausgegeben wurde, ganz allgemein dem Fremdsprachenlernen mit digitalen Medien widmete, beleuchteten die Folgebände jeweils einzelne Teilaspekte des Themenkomplexes. Vier Jahre später erschien der von Susanne Schneider und Nicola Würffel herausgegebene Band zur Kooperation und Steuerung beim Fremdsprachenlernen und der Lehrerbildung mit digitalen Medien und im Jahr 2012 griffen die Herausgeber Katrin Biebighäuser, Marja Zibelius und Torben Schmidt das vieldiskutierte Thema der Aufgabenorientierung auf und widmeten sich der Frage welche Rolle digitale Medien in Aufgaben spielen können und sollen. Seit dem Erscheinen des Bandes „Aufgaben 2.0 - Konzepte, Materialien und Methoden für das Fremdsprachenlehren und -lernen mit digitalen Medien“ sind mittlerweile bereits vier Jahre vergangen. Innerhalb dieser Zeit ist im Rahmen der Sektion eine neue Projektidee herangereift und in diesem Sammelband gemündet. Hier befasste man sich mit dem Modewort Interaktivität und setzte es in den Kontext des Fremdsprachenunterrichts mit digitalen Medien. Ausgangspunkt ist der immense Einfluss des Medienwandels auf die Lebenswelten moderner Fremdsprachenlernenden, die es unmöglich macht die Potenziale und Grenzen interaktiver Medien für das institutionelle sowie das außerschulische Lernen von Sprachen außer Acht zu lassen. Daher beleuchten die verschiedenen Beiträge in diesem Band das Themenfeld aus den unterschiedlichsten Perspektiven mit dem Ziel den Begriff Interaktivität zunächst anzunähern und dann Impulse für fremdsprachliches Lehren und Lernen zu liefern. Der einleitende Beitrag von Roger D. Jones, Sebastian Stuhlmann und Tamara Zeyer liefert daher zunächst eine theoriegeleitete Auseinandersetzung mit dem Interaktivitätsbegriff. Es wird dargestellt welcher Stellenwert digitalen Medien beim Sprachenlernen beigemessen wird und welche Konsequenzen sich daraus für entsprechende Lernarrangements ableiten lassen. In der Folge wird der Interaktivitätsbegriff definitorisch angenähert und von etymologisch verwandten Termini abgegrenzt. Hauptaugenmerk liegt aber auf der Herausstellung weiterer Variablen, die mit der Interaktivität eines Roger D. Jones , Sebastian Stuhlmann & Tamara Zeyer 8 digitalen Lernangebots einhergehen und in ihrer Komplexität dessen Lernwirksamkeit determinieren. Sebastian Kilsbach untersucht in seinem Beitrag das Wortfeld „interaktiv“ in seiner innersprachlichen Entwicklung. Er schlüsselt die verschiedenen interdisziplinären Auslegungen danach weiter auf, indem anhand etymologischer, lexikographischer und korpusbasierter Methoden die Frequenz und Kontextualisierung des Wortfelds im deutschen Sprachgebrauch nachvollzogen wird. Zielsetzung ist es dabei die mutmaßliche Positivbesetzung des Begriffs Interaktivität im wissenschaftlichen Diskurs wie auch in der Bewerbung von Lehrmaterialien aufzuzeigen und zu erklären. Dietmar Rösler befasst sich mit der Unterscheidung der Begriffe CALL (Computer Assisted Language Learning) und CMC (Computer Mediated Communication). Er beschreibt zunächst einige prototypische Beispiele und diskutiert daraufhin für beide Bereiche die Bandbreite der Ausprägungsmöglichkeiten in der Praxis. Abschließend befasst er sich mit der Frage danach, ob eine klare Grenzziehung beide Begriffe betreffend in der Realität noch durchgehend haltbar ist und sinnvoll erscheint. Der interpersonalen Interaktion in computervermittelter Kommunikation wird meist eine wissenskonstruierende Funktion zugeschrieben. Christine Becker untersucht in ihrem Beitrag anhand asynchroner Online- Diskussionen, die im Rahmen eines kulturwissenschaftlich orientierten universitären Landeskundeseminars entstanden sind, welche Formen der interpersonalen Interaktion sich ausmachen lassen. Die daraus gezogenen Schlussfolgerungen werden mit den Ergebnissen einer nachfolgend durchgeführten Interviewstudie, in denen die Erfahrungen der teilnehmenden Studierenden mit dem Diskussionsforum abgefragt wurden, trianguliert. Der Begriff der Immersion und dessen Zusammenspiel mit dem Faktor Interaktivität steht im Zentrum des Interesses des Beitrags von Katrin Biebighäuser. Immersion wird in zahlreichen Computerspielen durch die Verwendung von Avataren und Agenten erreicht. Daher stellt sie in ihrem Beitrag zunächst unterschiedliche Avatare vor und diskutiert deren Relevanz für das Zustandekommen von Immersion. Hauptaugenmerk liegt auf der Herausstellung der Potenziale von Avataren Interaktion zu ermöglichen. Es wird aber auch generell dargelegt, welche Möglichkeiten der Einsatz von Avataren für das Fremdsprachenlernen mit digitalen Medien bietet. Häufig wird der Interaktivitätsbegriff im Zusammenhang mit Computerspielen verwendet, eine insbesondere für junge Menschen überaus relevante Thematik. Roger Dale Jones stellt in seinem Beitrag daher theoriegestützt dar, auf welche Weise interaktive Systeme zu bedeutsamen Lernerfahrungen führen können. Dabei zeigt er auf welche Rolle sie im Kontext des fremdsprachlichen Unterrichts einnehmen können, wie sie durch die Lehrkraft Vorwort 9 oder durch die Lernenden wirksam integriert werden können und wie man einerseits die Potenziale optimal nutzt und andererseits die Defizite bestmöglich auffangen kann. Am Beispiel des Wortschatzlernens überprüft Susanne Krauß das interaktive Potenzial ausgewählter Medien und Werkzeuge sowie deren Mehrwert in Bezug auf didaktisch-methodische und linguistische Bedürfnisse der Lerner im Kontrast zu nicht-digitalen Lernangeboten. Hierbei legt sie den Schwerpunkt darauf wie für das Wortschatzlernen relevante Aspekte wie Semantisierung, Vernetzung und Reaktivierung potenziell unterstützt werden können und ob sich, der Terminologie Schulmeisters folgend, eine Einteilung in rezipierende vs. konstruierende Formen von Interaktivität positiv auf Lernaktivitäten auswirken. Auch Tamara Zeyer untersucht in ihrem Beitrag die Lernwirksamkeit einer konkreten Sprachlernanwendung, nämlich der Interaktiven Grammatik des Goethe-Instituts für DaF-Lernende. Sie stellt zunächst die Charakteristika heraus, die die Interaktivität der Anwendung kennzeichnen und versucht abzuleiten wie diese auf den Lernprozess der Nutzer zurückwirken. Anhand von Protokollen, die die Denkprozesse der Lernenden während der Nutzung dokumentieren, illustriert sie die Perspektive der beforschten Teilnehmer exemplarisch und leitet Folgerungen ab. Viele Studien haben in den vergangenen Jahren aufgezeigt, dass Fremdsprachenlernende zu wenig in der Zielsprache mündlich interagieren. Anbieter moderner Sprachlernapps werben damit, dass man nun auch digital die Sprechkompetenz entwickeln könne. Inke Schmidt und Carolyn Blume vergleichen in ihrem Beitrag die drei großen Anbieter Babbel, Busuu und Scoyo hinsichtlich der didaktischen Ausrichtung und zeigen auf wie das Versprechen der Möglichkeit zur digitalen Sprechkompetenzförderung in die Praxis umgesetzt wurde. Simon Falk und Sandra Götz widmen sich dem Konstrukt der Interaktivität vor dem Hintergrund des Einsatzes der Sprachlernapp Duolingo. Mittels der quantitativen Auswertung einer durchgeführten Online-Befragung über das Nutzungsverhalten von über 200 Teilnehmern soll aufgezeigt werden, welche interaktiven Elemente Auswirkungen auf den Lernstand haben und welche kontextsensitiven Einflüsse die Nutzung der App bedingen. Abschließend werden unter Rückbezug auf die Resultate Implikationen für die Gestaltung interaktiver Sprachlernsoftwares abgeleitet. Nicht nur beim Fremdsprachenlernen, sondern auch in der fremdsprachlichen Lehrerbildung spielen digitale Medien eine immer größere werdende Rolle. Nora Benitt und Torben Schmidt stellen in ihrem Beitrag ein Videokonferenzsystem vor, das angehenden Lehrkräften die Möglichkeit bietet, im universitären Seminarkontext in Kleingruppen Lehr- und Lern- 10 materialien für die Praxis zu entwickeln, live per Videokonferenz bei dessen Erprobung im Unterricht der Partnerschule dabei zu sein und sich anschließend mit den Lernenden und der Lehrkraft darüber auszutauschen. Dabei stellen sie ein institutions- und ausbildungsphasenübergreifende Form der Interaktion über digitale Medien vor und zeigen auf wie interaktiv Lehrerbildung sein kann. Viele Menschen haben einen Beitrag dazu geleistet, damit der Band in der vorliegenden Form publiziert werden konnte. Wir möchten uns an dieser Stelle daher bei all diesen Menschen herzlich bedanken. Zunächst gilt unser Dank allen Mitgliedern der Sektion „Fremdsprachenlernen und - lehren mit digitalen Kommunikations- und Distributionsmedien“ des Gießener Graduiertenzentrums Kulturwissenschaften für ihre engagierte und motivierte Mitarbeit bei der Entwicklung des Projekts, der Diskussion der Schwerpunktsetzung und der Beiträge sowie der Unterstützung bei der Einwerbung von finanziellen Zuschüssen jeglicher Art. Wir danken Prof. Dr. Dietmar Rösler und Prof. Dr. Michael K. Legutke für ihr großes Engagement und ihre Erfahrung von der wir als Herausgeber in vielfältiger Weise profitieren durften. Auch allen kritischen Freunden, die den Prozess des Entstehens der einzelnen Beiträge sehr fruchtbar gemacht haben, möchten wir herzlich danken. Neben den Autoren der Beiträge sind daher an dieser Stelle Gabriela Marques-Schäfer, Silke Jahns, Marja Zibelius, Sara Dejanovic, Thi Thanh Hien Bui, Thu Huong Nguyen und Prof. Dr. Michael K. Legutke zu nennen. Wir danken auch dem Zentrum für Medien und Interaktivität der Justus-Liebig-Universität Gießen sehr herzlich für seine finanzielle Unterstützung zur Drucklegung des Buches und abschließend dem Gießener Graduiertenzentrum für Kulturwissenschaften für die finanzielle Förderung des Autorentreffens in Rauischholzhausen im Januar 2016. Gießen, im Oktober 2016 Tamara Zeyer, Sebastian Stuhlmann, Roger D. Jones Roger D. Jones , Sebastian Stuhlmann & Tamara Zeyer Interaktives Fremdsprachenlernen: Potenziale und Herausforderungen 1 Roger D. Jones, Sebastian Stuhlmann & Tamara Zeyer 1 Der „interaktive Wandel“, Medien und Fremdsprachenlernen und -lehren Das Leben im 21. Jahrhundert wird durch interaktive Medien stark geprägt. Dieser Wandel betrifft viele Domänen des Lebens. Das Fremdsprachenlernen und -lehren mit digitalen Medien bietet einen klaren Schauplatz für diesen Wandel an, da interaktive Medien eine neue Art von Ausdrucks- und Interaktionsformen anbieten, die mit der Entdeckung neuer fremdsprachlicher Formen und Interaktionsmöglichkeiten einhergeht und sich in den Fremdsprachenunterricht integrieren lässt. Vielleicht ist das der Grund, weswegen der Begriff Interaktivität nicht nur als Qualitätsmerkmal von Lernmedien in der Fremdsprachenforschung dient, sondern auch als (manchmal willkürlich aufgelegtes) Schlagwort in der Werbung für kommerzielle Sprachlernsoftware. So zeigt der Begriff Interaktivität eine gewisse Ambiguität: sie ist gleichzeitig Drohung und Chance. Sie verwirft die „traditionelle“ Form des Fremdsprachenlernen und -lehrens und bietet gleichzeitig Formen der Lernerautonomie und fremdsprachlicher Kommunikation, wie sie vorher nicht möglich waren. Innerhalb dieses „interaktiven Wandels“ (und der sich ergebenden Problematik) ist der folgende Beitrag angesiedelt. Er geht der Frage nach, was den Begriff Interaktivität kennzeichnet, wie er sich von anderen Konzepten abgrenzt und welche Lernpotenziale er für das Fremdsprachenlernen und lehren anbietet. Darüber hinaus befasst sich der Artikel mit den Fragen, was eine starke Fokussierung auf dieses Konzept vernachlässigt und welche anderen Aspekte innerhalb interaktiver Medien ineinandergreifen und Interaktivität ein volleres Potenzial verleihen. Zuvor wird der Blick auf die heutige Medienlandschaft, auf ihre Kontextualisierung im Medienwandel und auf 1 Wir danken den Mitgliedern der TechAG und insbesondere Dietmar Rösler für die kritische Auseinandersetzung mit unserem Text und für die wertvollen Anregungen. Außerdem möchten wir Filippa Buda für die sprachliche Redaktion danken. Roger D. Jones, Sebastian Stuhlmann & Tamara Zeyer 12 ihre Implikationen in Bezug auf das Fremdsprachenlernen und -lehren gerichtet. Man könnte sagen, Jahrzehnte nach dem Erscheinen interaktiver Medien ist es notwendig, einen zeitgemäßen Einblick in die Thematik zu geben, um nicht nur das Konzept und Phänomen von Interaktivität besser zu verstehen, sondern auch um die Kräfte des interaktiven Wandels kompetenter zu steuern. 1.1 Mediennutzung heute und die Rolle der Interaktivität Die Mediennutzung ist eine wesentliche Größe bei der sozialwissenschaftlich-intendierten Charakterisierung verschiedener Generationen. Süss versucht sich auf Basis der Untersuchungen von Fend (1988) und Thalmann- Hereth (2001) an einer tabellarischen Modellierung von Generationslagen und Eigenschaften (vgl. Süss 2004: 48). Dort findet sich auch der Faktor „Neue Medien während der Kindheit“ wieder. Unter Rückbezug auf das Schlagwort Globalisierung wird insbesondere die Generation, deren Kindheit und Jugend in den 1990er- und frühen 2000er-Jahren verortet ist, als pragmatisch und mobil beschrieben. Als Leitmedien dieser Zeit werden Internet, Multimedia und Mobilkommunikation angeführt. In aktuellen Studien zur Mediennutzung bei Heranwachsenden lassen sich Tendenzen erkennen, die neuen Medien eine überaus große Bedeutung im Bereich der Freizeitgestaltung beimessen. So belegt beispielsweise die JIM-Studie (Jugend, Information, (Multi-)Medien) aus dem Jahr 2015, dass annähernd jeder Zwölfbis 19-Jährige ein eigenes Mobiltelefon besitzt (98%) und die große Mehrheit dadurch Zugang zu Apps und allgemein zum Internet hat (92%) (vgl. MPFS 2015: 6-7). Die Implikationen aus solchen Studien sind aus kultureller wie auch aus pädagogischer Sicht in höchstem Maße relevant: Kinder und Jugendliche haben Zugriff auf ein vielfältiges, schwer überschaubares, Informations- und Medienangebot. Die kompetente Nutzung der Medien stellt gewisse Anforderungen an die Heranwachsenden, insbesondere auf der Reflexionsebene, wenn es also darum geht, „Dienste, Inhalte, aber auch das eigene Verhalten bewerten zu können“ (MPFS 2015: 58). Es sollte, so die berechtigte Forderung der Autoren der JIM-Studie, daher zunächst ein Bewusstsein dafür geschaffen werden, dass die omnipräsenten Smartphones eine „multifunktionale Kommunikationszentrale“ darstellen, deren kompetente Nutzung eine große Herausforderung ist (vgl. ibid.). Zudem sollte die, im Lichte sich ständig veränderter Angebote, hochkomplexe Aufgabe, junge Menschen zu kritischen und reflektierten Mediennutzern anzuleiten, angegangen werden. Mikos stellt weiterhin fest, dass sich starke Unterschiede bezüglich der Mediennutzung ins- Interaktives Fremdsprachenlernen: Potenziale und Herausforderungen 13 besondere dann ergeben, wenn neue Medien 2 hinzukommen. So zeigen sich bei Generationen, die mit einem Medium konfrontiert werden, mit dessen Nutzung sie sich nicht in der Kindheit und Jugend vertraut gemacht haben, andere Zugänge zu diesem und es bilden sich auf Basis von Medienerfahrungen gewisse Präferenzen heraus (vgl. Mikos 2012: 51). Medien, die in den außerschulischen Domänen der Lebensgestaltung junger Menschen (aber nicht nur! ) heutzutage eine prägende Rolle spielen (Smartphones, Computer, Internet, Videoportale, digitale Spiele, soziale Netzwerke, Apps u.s.w.), sind mehr als zuvor durch ihren interaktiven Charakter gekennzeichnet. Man kann digitale Medien durchaus als interaktive Medien bezeichnen. Die Bedeutung solcher interaktiven Medien für die Sozialisierung junger Menschen wie auch die Relevanz, die Heranwachsende selbst ihnen beimessen, lassen erkennen, dass wir es hier mit einem Forschungsgegenstand zu tun haben, der von erheblicher Bedeutung für die Bildung (sowohl für schulische als auch für weiterbildende Kontexte) im Allgemeinen, aber auch das Fremdsprachenlernen im Speziellen ist. Im Folgenden soll daher ausgeführt werden, wie der interaktive Medienwandel auf die Lernenden, aber auch auf die Gestaltung von Lernprozessen zurückwirkt. 1.2 Interaktiver Medienwandel im außerinstitutionellen, „informellen“ Bereich Die Forschung befasst sich aufgrund des offensichtlichen Medienwandels bereits seit einigen Jahren mit verschiedenen sich daraus ergebenden Fragestellungen. Prensky geht von einer Veränderung der allgemeinen Denk- und Interaktionsmuster junger Menschen aus, die sich alltäglich mit neuen interaktiven Medien befassen. In seinem Konzept der digital natives 3 referiert er auf ebendiese Generation, charakterisiert sie dabei wie folgt „They have spent their entire lives surrounded by and using computers, videogames, digital music players, video cams, cell phones, and all the other toys and tools of the digital age.” (Prensky 2001a: 1). Bezugnehmend auf Forschung 2 New media verweist in diesem Kontext auf „neue“ digitale, interaktive Medien, s. Cope & Kalantzis 2010. 3 An den Begriff digital natives sollte sich mit Vorsicht angenähert werden, da er zum einen sowohl kulturelle als auch sozio-ökonomische Unterschiede überdeckt, und da er zum anderen irrtümlicherweise einen gewissen kompetenten Umgang mit digitalen Medien suggeriert. Mit anderen Worten, nicht alle Menschen einer Generation haben auf gleiche Weise Zugang zu digitalen Medien. Zugang bedeutet allerdings nicht gleichzeitig den Erwerb von rezeptiven und produktiven Fertigkeiten. Roger D. Jones, Sebastian Stuhlmann & Tamara Zeyer 14 aus der Kognitionswissenschaft (plasticity) sowie der Sozialpsychologie (malleability) führt er weiter aus: Digital Natives are used to receiving information really fast. They like to parallel process and multi-task. They prefer their graphics before their text rather than the opposite. They prefer random access (like hypertext). They function best when networked. They thrive on instant gratification and frequent rewards. They prefer games to ‘serious’ work. (ibid.: 2) Junge Menschen scheinen durch den gewohnheitsmäßigen Umgang mit interaktiven Medien besonders in den Bereichen Informationsverarbeitung und Feedback andere Präferenzen ausgebildet zu haben. Forschung aus dem Bereich der Kognitionswissenschaften liefert auch Belege dafür, dass z.B. digitale Spiele einen messbaren - in Bezug auf Lernfähigkeiten positiven - Einfluss auf die Ausprägung relevanter Hirnstrukturen haben. 4 Des Weiteren trägt der Umgang mit interaktiven Medien zur Entwicklung verschiedenster Kompetenzen bei, die zwar im Kontext des Spielens relevant sind, aber auch außerhalb dessen zur Anwendung kommen. Hier ließen sich nach Prensky (2001b) folgende Kompetenzen nennen: „multidimensional visualspatial skills“, „mental maps“, „inductive discovery“, „attentional deployment“und „responding faster to expected and unexpected stimuli“. Bereits an diesen exemplarischen Ausführungen lassen sich die Veränderungen der Lernenden gut erkennen, dennoch muss davon ausgegangen werden, dass die Kompetenzen weitaus komplexer sind und daher nicht vernachlässigt werden dürfen, wenn es darum geht, adäquate Lernarrangements und angebote für junge Menschen der heutigen Generation zu entwickeln. Es ist von Bedeutung den veränderten Präferenzen Rechnung zu tragen und auf den neuen Kompetenzbereichen aufzubauen. Der Medienwandel wirkt sich aber nicht nur auf die kognitiven Lern- und Denkmuster Heranwachsender aus, sondern bedingt auch die Sozialisierungsprozesse, die viele Menschen durchlaufen und die identitätsstiftend sind. Solche Veränderungen ergeben sich nicht nur aus der Entwicklung und Verbreitung von interaktiven Medien, sondern lassen sich in besonderem Maße auf die breite mediale Vernetzung zurückführen. Im Folgenden sollen daher drei Gründe für die Veränderungen der Sozialisierungsprozesse näher ausgeführt werden. Zuerst lässt sich der einfache Zugang zu einer Bandbreite an interaktiven und vernetzten Medienangeboten nennen. Die- 4 Vgl. Kühn, Gleich, Lorenz, Lindenberger & Gallinat 2014 und Kühn & Gallinat 2014, welche empirische Forschung über Veränderungen der Hirnstrukturen von Videospielern liefern und Eichenbaum, Bavelier & Green 2014, die einen detaillierteren Einblick in die Bereiche Videospiele, Kognition und Lernen ermöglichen. Interaktives Fremdsprachenlernen: Potenziale und Herausforderungen 15 ser reicht von Fotos und Filmen bis zu komplexen interaktiven Programmen. Mit diesen Angeboten werden den Nutzern (implizit oder explizit) Modellierungen der Welt (oder oft eher Teilmodellierungen in verschiedenen Gradierungen) sowie Interaktionsprozesse (oder wie man mit der Welt und mit anderen Menschen interagieren kann) zugänglich gemacht, die auch auf nicht digitale Kontexte übertragbar sind (vgl. Marotzki & Jörissen 2010: 36). Diese Modellierungsfähigkeit von interaktiven Medien bedeutet, dass kulturell-geprägte Vorstellungen der Welt und, wie man darin lebt und handelt, heutzutage in erheblichem Maße durch interaktive Medien geliefert werden. Interaktive Medien bieten zudem verschiedenste Möglichkeiten zur Kommunikation. Hierbei sei nicht nur auf „traditionelle“ Telekommunikationstechnolo-gien wie Telefon und Video, sondern auch auf Video-Anrufe (wie Skype), Instant Messaging und E-Mail verwiesen. Diese Angebote sind oft kostenlos und erlauben eine Quantität (und vielleicht auch Qualität) an Kommunikation, die vor einigen Jahrzehnten undenkbar war. Bezogen auf die Sozialisierungsprozesse bedeuten diese neue Kommunikationsangebote und -nutzung, dass Jugendliche heutzutage in einer stärker vernetzten Welt leben und weitaus intensivere Austauschmöglichkeiten haben (unabhängig davon, ob diese Möglichkeiten tatsächlich genutzt werden oder nicht). Diese Vernetzung hat Auswirkungen auf die Genese des Selbstbilds und die Selbstdarstellung, aber auch auf Faktoren wie kulturelles Lernen und interkulturelle Kommunikation. Als dritter Grund schließlich sollen die nutzerseitigen, individuellen Eingriffs- und Gestaltungsmöglichkeiten thematisiert werden. Im Kontrast zum Einfluss der Massenmedien auf die Sozialisierung im 20. Jahrhundert entscheiden Menschen heute selbstständiger, welche Medienangebote und Kommunikationskanäle sie benutzen wollen. Diese erweiterte Entscheidungsfreiheit geht wiederum mit einem verstärkt individuellen Medienkonsum einher und führt auch zu erhöhten individuellen Sozialisierungsprozessen. Konsequenzen dieser Veränderungen sind nicht nur die von Sutter beschriebene Selbstsozialisierung (vgl. Sutter 2010), sondern auch die Konstruktion und Inszenierung der eigenen Identität durch sogenannte social network sites (vgl. Marotzki & Jörissen 2010: 34) und das Verschwimmen der Trennlinie zwischen Medienkonsumenten und Medienproduzenten. 1.3 Implikationen für die institutionalisierte Bildung und für formelle Fremdsprachenlern- und -lehrangebote Es erscheint sinnvoll zu vermuten, dass die angeführten Veränderungen der informellen Lern- und Sozialisierungsprozesse (mit anderen Worten Prozesse, die außerhalb institutioneller Kontexte wie Schule stattfinden) einen Roger D. Jones, Sebastian Stuhlmann & Tamara Zeyer 16 Einfluss auf die Lernererwartungen in formellen Kontexten mit sich bringen. Diese Lernererwartungen stellen kein Problem dar, solange in Bildungsinstitutionen informelle Lern- und Sozialisierungsprozesse in ihrer Komplexität verstanden, unterstützt und in Lehr- und Lernarrangements aufgenommen werden. Prensky stellt die Hypothese auf, dass die Interaktivität von neuen Medien die Erwartungen von Lernenden beeinflusst und ebenfalls bedingt, wie intensiv Lernende sich mit interaktivem Lernmaterial in formellen Kontexten beschäftigen (Prensky 2010: 12). Cope und Kalantzis argumentieren ähnlich, wenn sie schreiben, dass junge Menschen heutzutage an eine bestimmte agency gewöhnt sind und enttäuscht sind, wenn diese im Klassenzimmer nicht angeboten wird (vgl. Cope & Kalantzis 2010: 91). Genau wie junge Menschen außerhalb der Schulen mit interaktiven Medien umgehen, möchten Lernende aktiv an ihren Lehr- und Lernprozessen beteiligt sein (egal ob mit oder ohne digitale Lernmedien), und erwarten, dass sie nicht nur Konsumenten von Wissen, sondern auch Produzenten werden (vgl. Jenkins, Purushotma, Clinton, Weigel & Robison 2009). Es ist zu erwähnen, dass sich diese Tendenz in den letzten jahren noch intensiviert hat. Es ist problematisch, informelles Lernen zu idealisieren und anzunehmen, dass sich das Potenzial interaktiver Medien und vieler online learning communities alleine durch deren Nutzung offenbart. Wesentlich fruchtbarer erscheint hingegen das Ziel, junge Menschen zu einer kompetenten Mediennutzung anzuleiten und in diesem Zusammenhang von ihren breitgestreuten Vorerfahrungen zu profitieren, auch weil sich bisher gezeigt hat, dass nur wenige diese komplexe Herausforderung selbstständig meistern (vgl. Gee 2007: 138; Jenkins et al. 2009: 14; Sutter 2010: 43). Interaktive Medien sollten daher ihren Weg in den Fremdsprachenunterricht finden und zwar nicht nur als Lern-, Arbeits- und Kommunikationsmedium, sondern auch als allgemeine Lerngrundlage. 5 Interaktive Medien spiegeln die lebensweltliche Realität der Lernenden gewissermaßen wider und gestatten insbesondere die Interaktion mit zielsprachlichen Texten und Nutzern. Als digitale Lernorte können sie Teil des formellen Lernens werden (vgl. Grau & Legutke 2014). 6 5 S. auch Gee 2007: 138, Jenkins 2009: 12 und Moser 2010: 76-77 über die Kluft, die zwischen schulischem und außerschulischem Lernen bezogen auf interaktiven Medien entstehen kann und die Implikationen für Bildungsziele allgemein. 6 Laut einer Studie von Grau (2009) möchten manche Schüler ihre Freizeitaktivitäten nicht in den Fremdsprachenunterricht integrieren. Mögliche Gründe dafür sind Befürchtungen, dass Lehrende sie dafür negativ beurteilen, oder dass sie ihre Vorlieben zum Lernen instrumentalisieren könnten (vgl. Grau 2009: 169-170). Interaktives Fremdsprachenlernen: Potenziale und Herausforderungen 17 In der aktuellen bildungspolitischen Debatte um Standardorientierung wird zudem ebenfalls der Faktor Medienkompetenz aufgegriffen. Dieser ist keinesfalls auf dessen inhärentes Potenzial für das sprachliche Lernen zu reduzieren, sondern bedingt gleichermaßen die Reflexion des (interaktiven) Mediums. Es muss also in der fremdsprachendidaktisch ausgerichteten Interaktivitätsforschung im Wesentlichen darum gehen, die Lernwirksamkeit interaktiver Medien transparent zu machen und konkrete Umsetzungsmöglichkeiten aufzuzeigen. Gerade weil die Lehrergeneration einen anderen Zugang zu interaktiven Medien hat als die Schülergeneration, liegen Desiderate auch im Bereich der Lehrerbildung. In folgenden Kapiteln bieten wir nicht nur einen Überblick über die bisherige Konzeptualisierung von Interaktivität (auch im fremdsprachendidaktischen Diskurs), sondern auch über weitere interaktionsrelevante Aspekte, die uns höchst wichtig scheinen und die bisher weitgehend ignoriert wurden. 2 Interaktivität - ein Modewort mit uneinheitlichen Bedeutungsnuancen Eine Auseinandersetzung mit dem Begriff Interaktivität bedingt eine vorherige Betrachtung des Lexems Interaktion, da sie eine semantische Nähe aufweisen und sich aus denselben Wortfeldern generieren. Interaktion wird wiederum in der Literatur vielfach als etymologische Basis angesehen aus welcher sich der Interaktivitätsbegriff ableiten lässt (vgl. Haack 2002: 128, Schmidt 2007: 37). Dabei ist vor allem auf eine semantische Unschärfe bei der Verwendung der beiden Termini zu verweisen (vgl. Kilsbach in diesem Band: 45ff), welche sich insbesondere dadurch kennzeichnet, dass sie synonym gebraucht werden. Domagk, Schwartz und Plass (2010: 1025) heben hervor, dass die Ursache für den inkonsistenten Gebrauch des Interaktivitätsbegriffs in der Vielzahl der Disziplinen zu vermuten ist, die ihn jeweils unterschiedlich verwenden. Sie leiten aus der breiten Literaturbasis drei Kontexte ab, in denen der Begriff gehäuft auftaucht: (1) in den Sozialwissenschaften bezogen auf menschliche Interaktion und Kommunikation, (2) ebenfalls in den Sozialwissenschaften allerdings bezogen auf computergestützte menschliche Kommunikation und Interaktion sowie (3) in den Medienwissenschaften bezogen auf Mensch-Maschine-Interaktionen (Domagk et al. 2010: ibid.). In dem dritten Verwendungskontext lassen sich dann wiederum die fremdsprachendidaktischen Schriften verorten, die den Begriff gebrauchen. Anhand eines Beispiels soll das angedeutete Verschwimmen der semantischen Grenzen beider Begriffe kurz ausgeführt werden. Haack definiert Interaktion in sozialwissenschaftlicher Tradition als „gegenseitige Beeinflus- Roger D. Jones, Sebastian Stuhlmann & Tamara Zeyer 18 sung“ in Kombination mit dem „Miteinander-in-Verbindung-treten zwischen Individuen und sozialen Gebilden“ (Haack 2002: 128). Interaktion stellt entsprechend ein wechselseitiges soziales Handeln dar. Die zwei Jahre jüngere, ebenfalls sozialwissenschaftlich verortete, Interaktivitätsdefinition des Medienwissenschaftlers Jensen lässt sich auf semantischer Ebene kaum von der Haackschen Interaktionsdefinition unterscheiden. Sinngemäß übersetzt, fasst er Interaktivität als die Beziehung zweier oder mehrerer Menschen auf, die in einer gegebenen sozialen Situation wechselseitig aufeinander reagieren und ihr Verhalten anpassen (vgl. Jensen 1998: 188). Mancherorts lässt die Verwendung des Interaktivitätsbegriffs den Schluss zu, dass sich dieser auf Mensch-Maschine-Kommunikation bezieht, wohingegen der Interaktionsbegriff Mensch-Mensch-Kommunikation abbildet (vgl. Quiring & Schweiger 2006: 8, Schönhagen 2004: 23). Dass eine solche Trennung schwammig ist und sich nicht als uneingeschränkt gültig erweist, verdeutlicht beispielsweise die genauere Betrachtung der Interaktionsdefinition nach Haack, der von einem wechselseitigen sozialen Handeln von Individuen und sozialen Gebilden spricht. Es ist sicher kontrovers zu betrachten, ob man Computer als soziale Gebilde bezeichnen kann, allerdings verschwimmen auch hier die klaren Grenzen. Am Beispiel der computergestützten Kommunikation zweier oder mehrerer Menschen lässt sich dies gut verdeutlichen. Wenn man die oben aufgeführte klare Trennung beider Begriffe anstrebt, gerät man in Erklärungsnot, sobald die Mensch-Maschine- Mensch-Kommunikation zugeordnet werden soll (mehr dazu s. Rösler in diesem Band). Handelt es sich um Interaktion, weil es um soziales Handeln von Menschen untereinander geht oder um Interaktivität, weil eine Maschine in den sozialen Aushandlungsprozess involviert ist? Und was ist mit den Definitionen, die diese Unterscheidung nicht machen wie beispielsweise die oben paraphrasierte von Jensen? Richtet man nun den Blick auf die Entwicklung des Interaktionsbegriffs insbesondere in den 80er Jahren, wird deutlich, dass sich eine Trennung als schwierig erweist. Schmidt setzt sich mit der Entwicklung des Terminus Interaktion im Zusammenhang mit den technologischen Entwicklungen auseinander und stellt heraus, dass Computer zunehmend „nicht nur eine Einwegkommunikation mit dem Nutzer erlaubten, sondern vielmehr eine wechselseitige Kommunikation zwischen Mensch und Maschine ermöglichten“ (Schmidt 2007: 35). Auch wenn Schmidt ausführt, dass es sich bei der erwähnten wechselseitigen Kommunikation um eine stark von der Mensch- Mensch-Kommunikation unterschiedliche Form handelt, wird zur Beschreibung häufig der Interaktionsbegriff gebraucht. Auch Quiring und Schweiger sind sich der unklaren Trennschärfe beider Begriffe bewusst und versuchen sich an einer Abgrenzung der Interaktivität von der Interaktion. Interaktives Fremdsprachenlernen: Potenziale und Herausforderungen 19 Hierzu stellen sie drei Kriterien heraus, anhand derer eine solche Unterscheidung getroffen werden könne: (1) Interaktivität impliziere reale und beobachtbare Interaktionen zwischen Menschen und Maschinen analog zu menschlichem Verhalten, (2) eine technische Komponente nehme eine Schlüsselstellung im Kommunikationsprozess ein und (3) für die jeweiligen Interaktionen sei kein Gerätewechsel vonnöten (Quiring & Schweiger 2006: 8-9). Es erscheint im Lichte der hier aufgegriffenen Begriffsdiskussion sinnvoll, eine Unterscheidung zwischen Interaktivität und Interaktion zu machen, wenn es darum geht, diese im fremdsprachendidaktischen Zusammenhang zu gebrauchen. 2.1 Begriffsdefinition Als Ausgangspunkt für eine solche Definition soll die aus dem sozialwissenschaftlichen Kontext stammende Beschreibung von Interaktivität dienen, die Haack aus dem Interaktionsbegriff ableitet, auch wenn diese sich primär auf „die technischen Eigenschaften des informationsverarbeitenden Systems Computer“ (Schmidt 2007: 37) beziehen. Haack fasst Interaktivität demzufolge als Ausdruck auf, der sich auf die Eigenschaften einer Software bezieht, einem (menschlichen) Benutzer über eine Reihe von Steuerungs- und Eingriffsmöglichkeiten eine Kommunikation mit ebendieser zu ermöglichen (vgl. Haack 2002: 128). Niegemann, Domagk, Hessel, Hein, Hupfer und Zobel (2008: 308) definieren Interaktivität als „das Ausmaß, in dem eine Lernumgebung Interaktionen zwischen dem Lernenden und dem System ermöglicht und fördert“. Mitschian fügt eine weitere Dimension hinzu. Er betrachtet das Begriffspaar Interaktion/ Interaktivität aus der Entwicklerperspektive und erklärt, dass man unterscheiden sollte, wie die Software zum Einsatz kommt. Ermöglicht die Software einen Austausch zwischen den Lernenden und Lehrenden oder Mitlernenden, dann sei sie kein Lern-, sondern ein Kommunikationsmittel. So werden zwar Interaktionen ermöglicht, aber nicht zwangsläufig Interaktivität gewährleistet (vgl. Mitschian 2004: 44). Zur Interaktivität gehören zur Abgrenzung hingegen „alle Aktions- Reaktionsfolgen, die sich ausschließlich zwischen Software und Lernenden abspielen“ (ibid.). Domagk et al. betonen die Wichtigkeit des Faktors Wechselseitigkeit für die Genese einer disziplinangemessenen Interaktivitätsdefinition (vgl. Domagk et al. 2010: 1025). Dabei heben sie hauptsächlich auf die abzubildende Dynamik zwischen Nutzer und Software ab, welche auch die Ausprägungen der (Re)aktionen umfasst und inwieweit sich diese auf die Aufrechterhaltung der Kommunikation auswirken. Entsprechend definieren sie analog Interaktivität im Kontext des mediengestützten Fremdsprachenlernens als Roger D. Jones, Sebastian Stuhlmann & Tamara Zeyer 20 „wechselseitige Handlung zwischen einem Lernenden und einem multimedialen Lernsystem, in welcher die (Re)aktionen des Lernenden die (Re)aktionen des Systems bedingen und umgekehrt“ (ibid.). Vorteil einer solchen Definition ist, dass sie die im Interaktionsbegriff inhärente Wechselseitigkeit auf die Mensch-Maschine-Kommunikation sinngemäß auf den Interaktivitätsbegriff überträgt und so einerseits sowohl deren semantische Verwobenheit abbildet wie auch andererseits einige der oben genannten Kategorisierungsprobleme minimiert. Auch Mitschian betrachtet Interaktivität als Abfolge von Nutzereingaben und Systemreaktionen, betont aber, dass sie dann entstehe, „wenn Lernerhandlungen Folgen haben, die weitere Handlungsoptionen eröffnen“ (Mitschian 2004: 46). Darüber hinaus entsprechen die Reaktionen des Systems methodischen Überlegungen der Programmentwickler (vgl. ibid.: 44ff). Somit könnte die Mensch-Maschine- Kommunikation als Mensch-Maschine/ Mensch-Kommunikation gesehen werden. 2.2 Teilmengen der Interaktivität Die obigen Interaktivitätsdefinitionen tangieren im Wesentlichen zwei Bereiche, die auch Schmidt unter Rückbezug auf Kerres (2001: 100) und Nandorf (2003: 43) aufgreift: Eingriffs- und Steuerungsmöglichkeiten einerseits sowie systemgeneriertes Feedback andererseits (vgl. Schmidt 2007: 37). Interaktive Lernsoftware ist dadurch gekennzeichnet, dass der Nutzer die Freiheit hat, Programmabläufe zu beeinflussen oder verändern zu können und die jeweiligen Reaktionen des Systems auf nutzergenerierte Eingaben zu überprüfen (vgl. ibid.). Schulmeister betont, dass hierbei streng zwischen Interaktivität und Navigation unterschieden werden müsse. Häufig werde Software als besonders interaktiv beworben, die nach strenger Auslegung des Begriffs obigen Kriterien nicht genüge, da sie nur auf der Ebene der Navigation verbleibe (vgl. Schulmeister 2005: 209). Navigation ist kein Gegenpol zur Interaktivität, sondern beschreibt lediglich eine Teilmenge der Interaktivität. Interaktive Lernsoftware enthält entsprechend auch häufig Navigationselemente, dies rechtfertigt allerdings nicht das werbewirksame Prädikat „interaktiv“ und lässt keine Rückschlüsse auf deren Lernwirksamkeit zu. Anders verhält es sich hingegen mit dem Faktor Adaptivität. In der Literatur wird der Adaptivität eine große Bedeutung zugeschrieben, allerdings zugleich darauf verwiesen, dass nur wenige Programme tatsächlich adaptiv seien. So bezeichnen Issing und Strzebkowski diese als wichtigste Komponente der Interaktivität eines Lernprogramms (vgl. 1998: 102). Betrachtet man allerdings die Anforderungen an adaptiven Programmen aus didaktischer Sicht, wird deutlich, Interaktives Fremdsprachenlernen: Potenziale und Herausforderungen 21 dass Adaptivität mehr Wunsch als Wirklichkeit darstellt. Im Optimalfall ermitteln die Programme auf Basis der Nutzereingaben den jeweiligen Kenntnisstand des Lernenden, generieren auf diesen zugeschnittene Aufgaben und Übungen und bieten zudem individualisierte Unterstützungsangebote an, falls auf Lernerseite Probleme auftreten (vgl. Leutner 1997: 141, Issing & Klimsa 2002: 547, Schmidt 2007: 38). Um eine derartige Individualisierung des Lernens im computergestützten Lernen zu gewährleisten, muss ein hoher Programmierungsaufwand betrieben werden, welcher wiederum mit hohen Kosten einhergeht. Überdies benötigen solche Programme eine didaktische Fundierung (vgl. Schmidt 2007: 38). Die Zusammenarbeit mit entsprechenden Experten in Lerntheorie und Aufgabenkonstruktion die vonnöten wäre, ließe die Produktionskosten weiter steigen. Es erscheint vor diesem Hintergrund sinnvoll, den Blick auf die lerntheoretischen Konzepte computergestützter Lernprogramme zu richten und deren Ausprägung an Interaktivität zu thematisieren. Strzebkowski und Kleeberg (2002: 236) definieren Selbststeuerung als Leitziel computergestützten Lernens. Konkret bezieht sich dies auf eine konstruktivistische Sicht des Lernens: Anzustreben ist eine anspruchsvolle Interaktivität zwischen Programm und Nutzer, die kognitive Interaktionen zwischen bereits vorhandenem Wissen auf Lernerseite und neuen Impulsen auf Programmseite initiieren (vgl. ibid.). Lernpsychologisch weniger effektiv sind hingegen reaktive Aufgabenformate, die den Nutzer in behavioristischer Tradition mit Reiz-Reaktions-Strukturen kognitiv stark lenken und in eine passive Rezipientenrolle verbannen (vgl. Haack 2002: 128, Strzebkowski & Kleeberg 2002: 230, Niegemann et al. 2008: 295-296). Hier stoßen wir auf den Aspekt der Lernwirksamkeit. Selbstverständlich lassen sich interaktive Elemente auch in Programmen finden, die hohe passiv-rezeptive Lernkomponenten enthalten, allerdings handelt es sich hierbei nicht um die angestrebte anspruchsvolle Interaktivität, die aktives und exploratives Lernen ermöglicht. Hieraus lässt sich auch ableiten, dass Schulmeisters Kritik an der Pauschalisierung „interaktiv = lernwirksam“ durchaus berechtigt ist. Um Interaktivität lernwirksam werden zu lassen, muss sich der Anteil an proaktiven Elementen erhöhen (vgl. Schulmeister 2005: 225). Dies geht mit der Berücksichtigung und Wertschätzung der aktiven und konstruierenden Lernerrolle und entsprechend einer Individualisierbarkeit bei Lernprozessen einher. Interaktivität kann als „Schlüsselkomponente beim computergestützten Lernen“ (Strzebkowski & Kleeberg 2002: 232) wesentlich dazu beitragen, indem den Nutzern verschiedene Entscheidungs- und Einflussmöglichkeiten gewährt werden. Strzebkowski und Kleeberg zufolge kann dies durch Steuerungsinteraktionen und didaktische Interaktionen geschehen, wobei die Grenzen beider Kategorien redundant fließend ineinander übergehen (vgl. Strzebkowski & Roger D. Jones, Sebastian Stuhlmann & Tamara Zeyer 22 Kleeberg 2002: 232-234). Steuerungsinteraktionen sind auf der Ebene der Navigations- und Systemfunktionen zu verorten und betreffen beispielsweise die Steuerung des Programmablaufs, die Auswahl der Inhalte, die Steuerung von Bild- und Tonelementen, aber auch die Wahl eines eigenen Lernwegs (vgl. ibid.). Sie gewähren dem Lernenden bereits mannigfaltige Einflussmöglichkeiten und involvieren ihn in das Geschehen, allerdings sollten sich die Interaktionsformen nicht ausschließlich auf dieser Ebene bewegen, da die Aktivierung sich hierbei mehr auf die Navigation und kaum auf die Informationserschließung bzw. den Erkenntnisgewinn bezieht. Deshalb sind die didaktischen Interaktionen von großer Bedeutung. Interaktive Lernsoftware sollte, um möglichst lernwirksam zu sein, beispielsweise auch mit komplexeren Eingaben der Nutzer umgehen können, sei es durch entsprechende Verarbeitungssysteme oder aber durch adaptives tutorielles Feedback. Zudem sollten vorhandene Daten und Lernwege modifizierbar und erweiterbar sein, um den Nutzern eine individualisierte Bearbeitung zu ermöglichen (vgl. ibid.). Laut Niegemann et al. sollte die Interaktivität mindestens eine der Grundfunktionen des Lehrens unterstützen (vgl. 2008: 295). Sie beziehen sich hierbei auf die Funktionen nach Klauer 1985, Klauer & Leutner 2007: • Motivieren, • Informieren, • Verstehen fördern, • Behalten fördern, • Anwenden bzw. Transfer fördern und • den Lernprozess organisieren und regulieren (ibid.). Erfüllt das interaktive Lernangebot eine der Lehrfunktionen, ist die Lernwirksamkeit der Interaktivität nicht automatisch gegeben. Das bedeutet exemplarisch, dass wenn der Lernende durch die Interaktivität motiviert wird oder ihm interaktive Übungen zum Wissenstransfer zur Verfügung stehen, die Lernwirksamkeit nicht selbstverständlich ist. Vielmehr haben mehrere Faktoren in Kombination einen Einfluss auf die Effizienz bzw. die Lernwirksamkeit der Interaktivität. Niegemann et al. bilden einige dieser Faktoren in einem Rahmenmodell ab (s. Abb. 1): Interaktives Fremdsprachenlernen: Potenziale und Herausforderungen 23 Zur Erläuterung des funktionellen Zusammenhangs der Variablen bieten Niegemann, Domagk und Hessel ein Modell (NDH-Modell) an (Abb. 2). Dieses Modell soll zeigen, wie der Lernprozess durch Interaktionen des Lernenden und des Systems bzw. durch die Interaktivität einer Lernumgebung (LU) abläuft, in welchem Ausmaß das Arbeitsgedächtnis (AG) belastet wird und wie kognitive Operationen im Langzeitgedächtnis (LZG) initiiert oder verändert werden (vgl. ibid.: 303-304). Abb. 1 Rahmenmodell der relevanten Variablen für effiziente Interaktivität in multimedialen Lehr-/ Lernprozessen (Niegemann et al. 2008: 302) Roger D. Jones, Sebastian Stuhlmann & Tamara Zeyer 24 Dieses Modell könne als Grundlage für weitere Forschung zur Effizienz von Interaktivität dienen (vgl. ibid.). Es stellt sich aber die Frage, inwiefern sich einzelne Variablen hinreichend erfassen lassen. Man kann annehmen, dass die Interaktivität eines Lernangebots für effektiv und lernfördernd zu halten ist, wenn die durch Interaktivität initiierten Aktivitäten mit den Intentionen der Konzeptentwickler übereinstimmen bzw. deren Intentionen entsprechen. Somit kann ein Lernziel erreicht werden. Analog lösen auch Lehrende im Unterricht im Klassenzimmer Aktionen mit einem bestimmten Lernziel aus und beurteilen jene Aktionen, wenn das Lernziel erreicht wird, als entsprechend effektiv. Übertragbar auf ein digitales Lernangebot steht die Effizienz der Interaktivität in starkem Zusammenhang mit dem intendierten Lernziel. Der Lernprozess ist daher keine isolierte Aktions-Reaktionskette zwischen den Lernenden und dem Lehrenden. Lernerfolg wird oft erst im Zusammenspiel vieler einzelner Faktoren erreicht. Darüber hinaus kann man nicht davon ausgehen, dass ein digitales Lernangebot ausschließlich durch seine Interaktivität lernwirksam ist. Genauso wie Unterricht sollte ein mediengestütztes Lernangebot sorgfältig geplant werden, bevor es entwickelt wird. Dabei sei die Ausarbeitung einer mediendidaktischen Konzeption von großer Bedeutung (vgl. Kerres 2013: 215). Während im Unterricht der Lehrende seinen Plan abhängig von der Situation anpassen kann, verfügen vorprogrammierte Lernangebote über keine, und wenn doch, dann eine sehr geringe Flexibilität. „Ein Unter- Abb. 2 NDH-Modell zur Erklärung effizienter Interaktivität in multimedialen Lehr-/ Lernprozessen (Niegemann et al. 2008: 303) Interaktives Fremdsprachenlernen: Potenziale und Herausforderungen 25 schied zur Planung personalen Unterrichts liegt also vor allem darin, dass eine explizit ausformulierte Planung in der Medienkonzeption vorliegen muss“ (ibid.). Dabei sollte man sich genau überlegen, welche Aktion des Systems auf jede einzelne Aktion des Lernenden zu erwarten ist und was im anschließenden Schritt geschieht. Damit der Aktionsaustausch und somit der Lernprozess nicht abgebrochen wird, sind didaktische Entscheidungen hinsichtlich Umfang, Interaktionsformen und Kontext zu treffen. Technische Möglichkeiten ermöglichen eine Vielfalt unterschiedlicher Interaktionsformen. Man sollte sich aber die Frage stellen, worin das Ziel der jeweiligen interaktiven Übung besteht. 3 Interaktivität im Zusammenspiel mit Zielpublikum, interpersonellen Beziehungen und Multimodalität Der Versuch, das Konzept von Interaktivität weiter auszudifferenzieren und vom Konzept der Kommunikation abzugrenzen, führt oft zu einer Vernachlässigung von kommunikationsrelevanten Aspekten, die interaktive Medien in der „realen“ Welt kennzeichnen, ihnen große Potenziale verleihen, und sie so beliebt macht. In diesem Abschnitt werden drei wichtige Bereiche der Kommunikation dargelegt, um weitere lernwirksame Interaktivitätsfaktoren zu integrieren. Diese Bereiche spielen eine bedeutsame Rolle für das fremdsprachliche Lernen und Lehren. Im Vorbereitungsprozess dieses Sammelbandes und auf Grundlage der gelesenen Literatur - inkl. der Beiträge des vorliegenden Bandes - haben sich einzelne Faktoren herauskristallisiert, die im Zusammenspiel mit der Interaktivität wichtig zu sein scheinen. Der erste Bereich bezieht sich auf das Zielpublikum und beinhaltet solche Aspekte wie Zugänglichkeit und Skalierung. Dieser Bereich zeigt seine Relevanz dadurch, dass interaktive Programme auf unterschiedliche Personen und Gruppen zielen, auch in unterschiedlichen Kontexten. Der zweite Bereich betrifft die interpersonale Beziehung, die Teil jedes kommunikativen Akts ist, und die auch zwischen Lernenden und interaktivem Programm entsteht. Wichtige Aspekte dieses Bereichs sind die Adaptabilität, die Benutzerfreundlichkeit und die Gamifizierung. Der dritte Bereich weist auf die Modalität der Kommunikation hin, bringt Neuerungen über die Konzeptualisierung von nichtsprachlichen Modalitäten ins Spiel und ermöglicht eine Diskussion über die Potenziale von interaktiven Programmen für das fremdsprachliche Lernen und Lehren. Roger D. Jones, Sebastian Stuhlmann & Tamara Zeyer 26 3.1 Zielpublikum Nicht alle interaktiven Programme sind für alle Lernenden auf gleiche Art und Weise relevant und lernwirksam. So bieten sie unterschiedliche Zugänglichkeiten in Bezug auf Zeit, Ort und Zugriff anhand ihrer spezifischen programmierten Funktionen und ihrer unterschiedlichen Nutzungskontexte. Ein Einflussfaktor ist die Skalierung der Programme, was nicht nur die Größe des Zielpublikums beinflusst, sondern auch die Art der Interaktivität. 3.1.1 Zugänglichkeit Bei Medien handelt es sich um eine Technologie, die die Kommunikationsfähigkeiten der Menschen deutlich erweitert, und ohne die unsere moderne Gesellschaft undenkbar wäre (vgl. Baker, Pearson & Rozendal 2010). In Hinsicht auf interaktive Medien und Fremdsprachenlernen sind hauptsächlich drei Faktoren für die Zugänglichkeit von interaktiven Medien relevant: Zeit, Ort und Zugriff. Betrachtet man die verbale Sprache als das Fundament der Kommunikation, ist zu beobachten, dass zum großen Teil bei allen Medien die zeitliche Vergänglichkeit von gesprochenen Informationen verschwimmt. Bücher, Filme, Audiodateien - alle erlauben das Speichern von Information, die so zu einem späteren Zeitpunkt wieder aufgerufen werden kann. Interaktive Medien können in dieser Hinsicht als eine Erweiterung von schon bestehenden Medien gesehen werden. Sie erlauben aber nicht nur die Speicherung (vgl. Jenkins Konzept von convergence, 2006), sondern auch die Präsentation und Verarbeitung von Informationen, oft ohne weitere Endgeräte. Dies geschieht synchron, oft aber auch asynchron und bringt verschiedene Vorteile mit sich. Synchrone Kommunikation ist oft erwünscht in Interaktionen mit interaktiven Systemen. In solchen Fällen werden die Systeme als kommunikative „Partner“ (wenn auch sehr stark beschränkt) angesehen, und die synchronen Reaktionen auf Nutzereingaben als sofortiges, individuelles und instruktionsorientiertes Feedback. 7 Für das Fremdsprachenlernen wird oft interaktive Wortschatz- und Grammatiklernsoftware eingesetzt, die Lernenden genau diese Art von Feedback anbietet (s. Beiträge von Krauß und Zeyer in diesem Band). Synchrone Kommunikation kann aber auch stattfinden, wenn ein interaktives System nur als Medium zwischen zwei Menschen steht - z.B. wenn zwei oder mehr Personen durch 7 Vgl. Sykes und Reinhardt 2013: 50 zu Feedback in digitalen Spielen, Rösler 2010: 50 zu synchronem und asynchronem Arbeiten mit digitalen Medien und ibid.: 188 zu Feedback in CALL. Interaktives Fremdsprachenlernen: Potenziale und Herausforderungen 27 Skype oder Chat 8 eine fremdsprachige Aufgabe lösen oder einen kommunikativen Anlass erfüllen. Ein weiterer Vorteil interaktiver Medien in Bezug auf den zeitlichen Aspekt ist, dass sie auch asynchrone Interaktionen erlauben, was die Kommunikation zwischen Lernenden erleichtern kann, aber was gleichzeitig die Art von Kommunikation stark beeinflusst. Obwohl Programme wie E-Mail, WhatsApp oder Online-Foren keine komplexen interaktiven Eigenschaften anhand ihrer Adaptivität anbieten, prägen sie heutzutage einen Großteil der globalen und wirtschaftlichen Kommunikation. Weitere Vorteile dieser asynchronen interaktiven Kommunikation sind erstens die Reflektionsmöglichkeiten, die entstehen, wenn keine sofortige Rückmeldung erwartet wird. Zweitens bleibt oft eine „Spur“ des Kommunikationswechsels und der Bedeutungsaushandlung, die Lernenden erlaubt, die Bedeutung bestimmter Aussagen und den Verlauf des Gespräches genauer zu analysieren. In Online-Foren entsteht der Vorteil, dass Lernende von den Gesprächen Anderer profitieren, ohne direkt teilzunehmen, oder das Gespräch aufzunehmen, ohne von Anfang an dabei zu sein (s. Becker in diesem Band). Durch asynchrone Interaktionen und Kommunikation wird Sprache zu einem ‚greifbaren‘ Lern- und Reflexionsmaterial. Als Kommunikationsmedium erlauben interaktive Systeme nicht nur das Verschwimmen von Zeit sondern auch von Räumlichkeiten (s. z.B. den Beitrag von Benitt & Schmidt in diesem Band). Dieses Verschwimmen erlaubt Fremdsprachenlernenden und -lehrenden Zugang zu authentischen Materialien (wie zu Texten, aber auch Filmen, Spielen usw.) und zu anderen Fremdsprachenlernenden oder Muttersprachlern (deren Kontakt natürlich in didaktischen Kontexten einzuarbeiten sind). Ein solcher Zugang kann einerseits höchst motivierend sein und authentische fremdsprachliche Kommunikationsanlässe anbieten, andererseits fordert er einen hohen Grad an interkulturellen und medienspezifischen Kompetenzen. Interaktive Endgeräte ermöglichen z.B. durch mobile Geräte zunehmend Kontakt zu einem Netzwerk von interaktiven Lernsystemen, ganz gleich, wo Lernende sich befinden. Der Vorteil ist, dass man sich öfters „zwischendurch“ mit Lernmaterialien und -medien beschäftigen kann, z.B. wenn man auf einen Bus wartet. Ein Nachteil hingegen ist die steigende Annahme, „immer“ lernen zu müssen - was auch der Ruhezeit einer Lernphase schaden kann, und was auch die Trennung zwischen Arbeit und Freizeit vermischt. 8 Viele digitale Kommunikationsangebote können synchron oder asynchron gestaltet werden, wie z.B. Chat oder Text-Messaging durch WhatsApp. Vgl. Marques-Schäfer 2013 für eine Studie über fremdsprachige, interkulturelle Interaktionen im Chat. Roger D. Jones, Sebastian Stuhlmann & Tamara Zeyer 28 Ein dritter wichtiger Faktor ist der Zugriff zu interaktiven Sprachlernmedien. Wie oben erwähnt, haben alle Kommunikationen einen interpersonalen Anteil. Selten gibt es interaktive Lernmedien, die nur das Interesse haben das Lernen zu fördern - oft stecken auch kommerzielle oder andere ausgrenzende Absichten dahinter. Auch wenn fast alle Menschen rein theoretisch Zugang zu einem Sprachlernprogramm haben, haben sie nicht immer Zugriff. Dieser Punkt bezieht sich besonders auf die Kosten von vielen Programmen, die entweder einen vorherigen Kauf erfordern, oder die weitere Dienstleistungen durch in-app purchases anbieten. 9 Manche Programme, wie Duolingo, nutzen sowohl big data von ihren Nutzern als auch Produkte ihrer Lernprozesse (die Übersetzungen, die Teil der fremdsprachlichen Lernaufgaben sind), um ein „kostenloses“ Programm anzubieten (s. Falk & Götz in diesem Band). Weitere Zugriffshindernisse sind Soft- und Hardware, die manche Programme erfordern. In der menschlichen Kommunikation wird oft reguliert, wer teilnehmen darf, wer nicht, und unter welchen Umständen. Dies gilt auch für die „Kommunikation“ zwischen Lernenden und interaktiven Programmen. Die drei Faktoren der Zugänglichkeit (Zeit, Ort und Zugriff) haben einen beträchtlichen Einfluss auf die Interaktivität eines digitalen Lern- und Lehrprogramms, und müssen dementsprechend in Kontexten des Fremsprachenlernens und -lehrens beachtet werden. 3.1.2 Skalierung Wenn interaktive Medien als Art kommunikatives Mittel angesehen werden, ist es hilfreich die Frage zu stellen, an wen genau sie gerichtet sind. Hier werden zwei Begriffe angeboten, um die Zielgruppe von interaktiven Angeboten besser zu konzeptualisieren. Der erste ist broadcasting und beschreibt, wie manche Medien für ein allgemeines Publikum gedacht sind. Broadcasting wird oft eingesetzt, um hauptsächlich Massenmedien zu beschreiben, die Angebote für eine bestimmte Zeit ausstrahlen für alle, die ein Empfangsgerät haben. Der zweite Begriff ist narrowcasting und steht für die Verbreitung von Informationen für eine bestimmte, oft beschränkte Zielgruppe (vgl. Hills 2013: 136 zu narrowcasting in Online-Communitys). Oft werden interaktive Medien unter broadcasting konzeptualisiert, was gewisse Vorteile hat. 10 Interaktive Systeme, die nur auf die direkte Interakti- 9 In-app purchases sind „exklusive“ Dienstleistungen oder Produkte, die man innerhalb des Programms kaufen kann, die aber das kostenlose Nutzen der Basisleistung nicht ausschließt. 10 Interaktive Medien haben oft keine zeitliche Beschränkung (z.B. bei der Ausstrahlung eines Programms) und beziehen sich hier eher auf den generellen Zugriff. Interaktives Fremdsprachenlernen: Potenziale und Herausforderungen 29 on zwischen Nutzer und Programm eingestellt sind, können, wenn sie wirtschaftlich erfolgreich sind, für relativ geringe Investitionen und mit wenig Aufwand ein weltweites Publikum erreichen. Bei solchen erfolgreichen interaktiven Systemen lohnt es sich auch, komplexere und adaptivere Programme zu entwickeln. Ein Nachteil von broadcast interaktiven Medien ist aber die Beschränktheit ihrer Angebote. Es ist schwer, wenn nicht unmöglich, ein kommunikatives oder kommunizierendes interaktives Mittel zu entwickeln, das zu einer sehr großen Bandbreite an Lernenden in verschiedenen Kontexten passt. Dazu braucht man ein höchst adaptives Programm, das bis dato technisch unmöglich ist. Diese Adaptivität wird in interaktiven Systemen oft dadurch eingeführt, dass mehrere Menschen durch und mit dem System interagieren können. Beispielsweise in Foren und virtuellen Welten können Menschen miteinander und mit dem sowie über das System kommunizieren (s. z.B. Biebighauser in diesem Band). So bietet das interaktive System eine Art Interaktion und dadurch auch die Möglichkeit zur Teilnahme an Bedeutungsaushandlungsprozessen. In solchen Fällen werden interaktive Programme auch zu Plattformen, die unterschiedliche Funktionen erfüllen. Unter anderem übernehmen sie auch soziale Funktionen (vgl. Lammers 2012). Oft entwickeln sich aber Learning Communitys, in denen sich Menschen mit verschiedenen Kenntnissen gegenseitig tutorieren. 11 Dieses Angebot des gegenseitigen Helfens und Lernens, besonders im fremdsprachlichen Bereich, bietet interaktiven Systemen eine gewisse Adaptivität und Komplexität, die für eine reine Mensch-Maschine-Interaktion nicht möglich wäre. Im Kontext des Fremdsprachenlernens und -lehrens erlauben interaktive Medien einem sehr großen Publikum verschiedene Lernformen und sogar Sprechanlässe anzubieten (s. Beitrag von Rösler in diesem Band). D.h., diese Eigenschaft verleiht dem Programm einen hohen Grad der Skalierbarkeit. Ein Nachteil von solchen Learning Communitys ist aber, dass sie sich auf die Kompetenzen der eigenen Lernenden und selten auf die von Experten verlassen. Wenn komplexere Sprachkompetenzen gefördert werden sollten (die sehr schwer durch eine Mensch-Maschine-Interaktion modelliert werden können), dann sind Experten oft notwendig, besonders in Fällen, in denen individuelle Lernende gezielte und kompetente Unterstützung brauchen. Manchmal ist dann die Skalierbarkeit von interaktiven Lernprogrammen nicht wichtig, und sogar ein Nachteil. Interaktive Lernplattformen wie Moodle und StudIP, die oft im universitären Bereich eingesetzt werden, sind ein passendes Beispiel. Hier spricht man eher von narrowcasting, bei dem 11 Vgl. Gees affinity space Konzept 2007: 87, vgl. auch Thorne, Black und Sykes 2009 zum Fremdsprachenlernen in Online Learning Communities. Roger D. Jones, Sebastian Stuhlmann & Tamara Zeyer 30 die beschränkte Anzahl von Lehrkräften die Anzahl teilnehmender Lernender oft stark begrenzt. In diesen Kontexten können sich die Lehrkräfte stärker auf die Förderung von komplexeren fremdsprachenbezogenen Kompetenzen konzentrieren. Darüber hinaus spielen die Adaptivität und die Komplexität (vielleicht ausgenommen der strukturellen Komplexität) des interaktiven Programms selbst weniger eine Rolle. 3.2 Interpersonale Beziehung Laut Theorien der sozialen Semiotik hat die Kommunikation immer einen interpersonalen Bestandteil (Halliday 2014: 85). Wenn die Interaktion zwischen Nutzern und interaktiven Systemen als eine Art Kommunikation verstanden wird, dann entsteht immer auch eine interpersonale Beziehung daraus. Diese Perspektive auf die Interaktion mit interaktiven Medien deutet auf eine gewisse Personifizierung seitens der Nutzer hin, stößt aber an manche Grenzen. Einerseits sind interaktive Medien, wie bereits erwähnt, (bis jetzt) ziemlich beschränkt in ihrer Adaptivität, denn auch wenn Menschen eine Disposition zur Personifizierung haben, stoßen sie oft schnell auf die Limitationen der vorprogrammierten Lernangebote. Andererseits können aber interaktive Medien höchstkomplex sein, was die Interaktion mit den Nutzern erschweren kann. Diese Komplexität kann sogar eine demotivierende wenn nicht entmutigende Wirkung auf die Nutzer haben und, in Bezug auf die soziale Semiotik, der interpersonalen Beziehung zwischen Nutzer und System schaden. In diesem Abschnitt werden drei wichtige Konzepte erläutert (Adaptivität, Benutzerfreundlichkeit und Gamifizierung), die die Art und die Potenziale der interpersonalen Beziehung zwischen Lernenden und interaktiven Programmen positiv unterstützen können. Dies hat auch Folgen für fremdsprachige Lehr- und Lernangebote, die im kommunikativen Ansatz angesiedelt sind und an einer Entwicklung von (interkulturellen) kommunikativen Kompetenzen interessiert sind. 3.2.1 Adaptivität Aus einer Perspektive der Kommunikation ist Adaptivität ein wichtiger Bestandteil von interaktiven Lehr- und Lernangeboten. Die menschliche Kommunikation zeigt durch die bestehenden Bedeutungsaushandlungsprozesse einen sehr hohen Grad an Adaptivität (vgl. Blumer 1986). Wenn die Aushandlung der Bedeutung als Kriterium für die Interaktion mit digitalen Medien dient, tauchen gewisse Einschränkungen auf, da interaktive Medien nicht so adaptiv auf die Eingaben von Lernenden reagieren können wie es in Interaktives Fremdsprachenlernen: Potenziale und Herausforderungen 31 einem zwischenmenschlichen Austausch der Fall ist. 12 Trotzdem ist Adaptivität ein wichtiges Merkmal für interaktive Medien. Der Zusammenhang der Interaktivität mit dem Faktor Adaptivität wurde bereits in Kapitel 2 erläutert. Die Lernprogramme, die mit dem Vorhandensein der Interaktivität werben, sind ohne eine Adaptivitätsmöglichkeit nicht vorstellbar (vgl. Niegemann et al. 2008: 307). Adaptiv können die Systeme im Hinblick auf folgende Aspekte sein: • den Instruktionsumfang und die Lernzeit, • die Instruktionssequenz, • die Aufgaben-Präsentationszeit und Antwortzeitbegrenzung/ Systemwartezeit, • die Aufgabenschwierigkeit, • Hilfen beim entdeckenden Lernen • Definition neu zu lernender Begriffe, • Informationszugriff in Hypermedia-Systemen (vgl. Leutner 2011: 120-122). 13 Auch wenn der Wunsch nach Adaptivität zwar realisierbar aber mit hohen Kosten verbunden ist, spielt dieser Faktor eine bedeutende Rolle beim Fremdsprachenlernen. Schon beim Planen des Unterrichts beachtet die Lehrperson die Zielgruppe, ihr Vorwissen und ihre Interessen. Entscheidet man sich, eine Fremdsprache mit einem interaktiven Programm zu lernen, ist die Erwartung seiner Anpassbarkeit an eigene Vorkenntnisse und Ziele sinnvoll. Je nach Sprachniveau und Lernwunsch sollte es ermöglicht werden, z.B. die Aufgabenstellung anzupassen, indem eine einfachere Formulierung oder die Aufgabenstellung in der Muttersprache für Anfänger angeboten wird. Wird die Aufgabenstellung nicht verstanden, kann der Lernprozess bereits zu Beginn scheitern. Beim Selbstlernen sind die Hilfe-Optionen der Programme besonders bedeutend. In einem tutoriell betreuten Lernkonzept ist jederzeit die Tutorenhilfe abrufbar. Die Hilfestellung wird von den Tutoren für jeden einzelnen Lernenden angepasst. Eine Adaptivitätsoption wird auch vom Lernprogramm erwartet. Der hohe Kostenaufwand für die Entwicklung adaptiver Programme, der z.B. mit dem Programmieren der Verzweigungen von Aufgabenstellungen- oder Feedbackformulierungen verbunden ist, scheint nicht 12 Eine Lehrperson, die im Klassenzimmer vor 30 Lernenden steht, kann auch nicht immer auf alle „Angaben“ ihrer Lernenden „adaptiv“ reagieren. 13 Diese Aspekte beziehen sich auf die Adaptivität des Systems aus technologischer Perspektive ohne Adaptivität der Inhalte eines Lernprogramms zu berücksichtigen. Roger D. Jones, Sebastian Stuhlmann & Tamara Zeyer 32 das einzige Problem der Realisierung der Adaptivität zu sein. Das Programmieren von mehreren Varianten adaptiver Elemente erfordert eine gründliche Analyse der Zielgruppe, was für die Konzeption des Lernprogramms für eine bestimmte Lernergruppe unproblematisch erscheint. Entwickelt man ein Lernsystem, das für mehrere Nutzer zugänglich ist, sollte man sich überlegen, welche Elemente man adaptiv vorprogrammiert und bei welchen sich der Aufwand nicht lohnt. Auch die Möglichkeiten von technisch relativ einfacher Umsetzbarkeit der Adaptivität werden nicht immer realisiert (vgl. Krauß 2015: 43). Obwohl interaktive Programme nicht so adaptiv sein können wie Menschen und auch keine Aushandlungsprozesse unterstützen, ermöglicht die Adaptivität von interaktiven Medien nicht nur individuelles Lernen, sondern verleiht dem Programm auch eine gewisse „menschliche“ Qualität. Dabei ist es sinnvoll, über die Rolle des interaktiven Systems als Kommunikationspartner und/ oder als Lehrkraft/ Tutor nachzudenken. Diese „menschliche“ Qualtität betrifft nicht nur die Qualität des Fremdsprachenlernens in Bezug auf den Inhalt des Lernstoffs, sondern auch die interpersonale Beziehung, die zwischen Nutzer und Programm entsteht. Zwei weitere Begriffe, Benutzerfreundlichkeit und Gamification, machen diese Beziehung deutlicher und zeigen, wie interaktive Programme bewusst auf diese Beziehung eingehen und sie steuern. 3.2.2 Benutzerfreundlichkeit Laut empirischen Untersuchungsergebnissen der Cognitive-Load-Theorie kann sich die Verarbeitung von Informationen, die nicht direkt mit dem Wissenserwerb verbunden sind, negativ auf den Erwerbsprozess auswirken (vgl. Niegemann et al. 2008: 305). Die Benutzerfreundlichkeit digitaler Lernangebote trägt viel zum Lernprozess bei. Dabei spielt es keine Rolle, ob es sich um ein Selbstlernprogramm oder einen komplexen Online-Kurs mit tutoriellen Komponenten handelt. Obwohl Niegemann et al. auf geringe Untersuchungsbefunde im Bereich usability und ihre Auswirkungen auf den Lernprozess hinweisen (ibid.), kann man annehmen, dass die geringe Transparenz der Lernangebotsstruktur zur Frustration und zum Bearbeitungsabbruch führen kann. Wie in Situationen außerhalb des Lernprozesses wechselt man schnell zu einer anderen Website oder einem anderen Lernangebot, wenn man nicht sofort einen Button findet oder sich immer wieder „im Kreis bewegt“, statt weiterzukommen. Wenn man sich innerhalb des Lernangebots nicht zurecht finden kann, wird die Interaktivität des Programms nicht ausgeschöpft, abgesehen von allen möglichen interaktiven Inhalten. Dabei handelt es sich nicht nur um Interaktives Fremdsprachenlernen: Potenziale und Herausforderungen 33 Lernangebote zum Selbstlernen - in denen eine nutzerfreundliche Struktur besonders wichtig ist, weil sich der Lernende alleine im Programm bewegt - sondern auch um Lernumgebungen mit anderen Mitlernenden (wie z.B. Second Life, Multiplayer-Videospiele etc.) und/ oder Lernbetreuern (wie z.B. Blended-Learning-Kurse). Beschäftigt sich der Tutor die meiste Zeit mit der Erklärung von Navigationskomponenten oder der Strukturbeschreibung (was wann und wo anklickbar ist), kann keine Rede von der Lernwirksamkeit des interaktiven Lernangebots sein. Darüber hinaus sollte nicht nur ein intuitiv bearbeitbares System entwickelt werden, sondern auch die Zielgruppe ist zu beachten. Ein Lernangebot für fortgeschrittene Sprachenlernende mit gewissen Erfahrungen mit digitalen Medien würde sich vom Angebot für Nullanfänger unterscheiden. Dies kann man durch die Adaptivität erreichen. Die Benutzerfreundlichkeit der Sprachlernangebote ist bereits in der Konzeptionsphase zu berücksichtigen. Durch die Evaluation kann man diesen Aspekt auch verbessern, dabei sollte man am besten die Nutzer der Zielgruppe, für die das Angebot entwickelt wird, das Lernprogramm testen lassen (vgl. Zeyer, Bernhardt & Ivanovska 2015: 93). Somit erfolgt eine Qualitätssicherung und der Lerneffekt bei Sprachlernenden wird überprüft. Mangelhafte Benutzerfreundlichkeit eines Lernangebotes könnte zum Abbruch führen, dabei kann der Lernende den Eindruck bekommen, dass er mit dem Programm wegen seiner Sprachkenntnisse nicht zurechtkommt. 3.2.3 Gamification Während die Benutzerfreundlichkeit die Interaktion zwischen Nutzer und Programm unterstützt, besonders in Fällen, in denen das Programm komplex oder neu ist, beeinflusst die Gamifizierung sowohl die Interaktion selbst als auch deren Modus. Der Gamifizierung lassen sich mehrere Verwendungen zuordnen. Einerseits dient sie dazu das intensive und extensive Engagement mit Nutzern zu erhalten, andererseits soll sie die Nutzer dazu motivieren, Geld für bestimmte Services auszugeben. Darüber hinaus sollen die Nutzer auch motiviert werden, über das System, bestimmte Produkte und Services (besonders durch online soziale Netzwerke) zu erwerben (vgl. Zichermann & Cunningham 2011). Aber Gamifizierung kann auch den Zweck erfüllen, interaktive Systeme für die Nutzer verständlicher und „freundlicher“ zu machen. Zichermann und Cunningham definieren Gamifizierung als „[t]he process of game-thinking and game mechanics to engage users to solve problems.” (Zichermann & Cunningham 2011: xiv). Während typische Beispiele von Spielmechaniken wie badges, leaderboards, challenges/ quests, levels usw. die Einbindung von Gamifizierung in vielen Programmen be- Roger D. Jones, Sebastian Stuhlmann & Tamara Zeyer 34 stimmen, kann es auch andere Zwecke erfüllen. Fuchs beschreibt Gamifizierung als „process of total permeation of our society with methods, metaphors, values, and attributes of games” und meint, wie Raessens, dass Gamifizierung nichts Neues ist, und dass es eher auf eine allgemeine Ludifizierung 14 der Kultur hinweist (Fuchs 2014: 119; Raessens 2014: 95). Was Gamifizierung bei interaktiven Medien und Ludifizierung in der Kultur aufzeigen, ist, dass das Spielen nicht nur immer beliebter wird, sondern dass es auch ein effektives Modell für den Umgang mit komplexen Systemen in der realen Welt darstellen kann. Ähnlich wie Malaby, der play als menschliche Disposition konzeptualisiert, sieht Fizek Spaß (fun) als mächtigsten Antrieb hinter dem Nutzerengagement und als leitendes Prinzip hinter der Gamifizierung (vgl. Fizek 2014: 275; Malaby 2009). Gamifizierung kann sich daher auf mehr als nur die Spielmechaniken beziehen, sondern sogar tiefere menschliche Bedürfnisse aufgreifen. Die Gamifizierung von interaktiven Medien bietet zwei verschiedene Funktionen, und diese Funktionen haben wichtige Implikationen für das Fremdsprachenlernen. Erstens bietet sie play als Modus der Interaktion und versucht Nutzer, auf spielerische Art in die Interaktion einzubeziehen 15 . Aus diesem Modus entsteht eine gewisse Leichtigkeit, in der Fehler als normaler Teil des Lernprozesses behandelt werden. 16 Weiterhin führt dieser Modus zu explorativem Lernen des interaktiven Systems selbst und dessen Inhalts. Da Sprachen selbst komplexe Systeme sind, bieten gamifizierte interaktive Programme den Lernenden an, explorativ und spielerisch die Sprache zu lernen und komplexere Sprachlernsysteme zu meistern (vgl. Jones in diesem Band). Weiterhin baut es eine „freundlichere“ interpersonale Beziehung zwischen Lernenden und dem interaktiven System auf und schafft eine Grundlage des intensiven und extensiven Lernens, das für komplexe Systeme erforderlich ist. Die zweite Funktion der Gamifizierung ist, dass sie Spiele als Struktur der Interaktion anbietet. Auf der einen Seite sind Spiele kulturelle Formen, die für alle Lernenden erkennbar sind und die eine Anknüpfung an bestimmten Denk- und Interaktionsmuster ermöglichen. Auf der anderen Seite bieten Spiele den Lernenden Herausforderungen an und strukturieren 14 Ludifizierung stammt vom Lateinischen ludus und steht für Spiel. Raesssens versteht Ludifizierung als einen spielerischen Modus, mit der Welt und ihren Systemen umzugehen (vgl. Raessens 2014: 94). 15 S. Schmidt, Schmidt und Schmidt (2016) zu den funktionalen und kulturellen Rollen des Spielens (und von digitalen Spielen), und für die menschliche Entwicklung und deren Implikationen beim Fremdsprachenlernen und -lehren. 16 Vgl. Wegener und Krumm 1982: 191, Löffler und Klippe 1983: 150 über die Vorteile des Spielens im Fremdsprachenunterricht in Bezug auf die Reduktion von Lernängsten Interaktives Fremdsprachenlernen: Potenziale und Herausforderungen 35 diese anhand bestimmter Regeln und Handlungsmuster. Dadurch ermöglichen gamifizierte Programme ein spielerisches, entdeckendes Lernen, das trotzdem strukturiert und geleitet wird, und schaffen eine „freundliche“ interaktive Beziehung, die trotzdem stark an Lernziele und -prozesse gekoppelt ist. Spielerische Elemente interaktiver Lernangebote tragen dazu bei, dass die Hemmungen bei der Anwendung einer Fremdsprache abgebaut werden. Die Fremdsprache wird als Werkzeug eingesetzt, um das Spielziel zu erreichen. 3.3 Multimodalität Wenn Interaktivität als eine Art Kommunikation angesehen wird, muss die Form der interaktiven Kommunikation auch anhand ihrer Modalität mit einbezogen werden. Multimodalität (und soziale Semiotik) versteht Kommunikation als sozial geformte und kulturell angebotene Ressourcen für die Konstruktion von Bedeutung (Kress 2010: 79). Sie versteht unter Kommunikation mehr als die schriftliche und verbale Sprache, nämlich andere Modalitäten (wie audio, taktil, Gestik, Mimik, räumliche Repräsentation, Repräsentation des Selbsts und visuelle Repräsentation) (vgl. Cope & Kalantzis 2009: 178-179). Multimodalität ist aber nicht nur relevant, um aktuelle Kommunikationsformen in neuen und interaktiven Medien zu beschreiben, sondern auch, um die Kognition und Kommunikation allgemein zu konzeptualisieren (Hallet 2008: 235; Kress 2003: 184). Dies hat Konsequenzen für das Design von effektiven interaktiven Systemen. Ein Programm, das Informationen durch mehrere Modalitäten und Formen liefert, kann das Gehirn leichter verarbeiten. Das führt zu schnelleren Interaktionen und (theoretisch) zu einer schnelleren Verarbeitung von fremdsprachlichem Input. Vielleicht zum Teil wegen ihrer multimodalen Angebote erlauben interaktive Medien eine Form (Qualität und Quantität) von Kommunikation, die vorher undenkbar war. Natürlich ist aber die Kommunikation seitens der Nutzer sehr limitiert, denn Systeme können bisher nur eine beschränkte Zahl von Klicks, Buttons, schriftlicher und verbaler Eingaben der Nutzer auswerten. Andererseits können sie aber eine Vielzahl von Modalitäten einsetzen. Die Fähigkeit digitaler Systemen, massive Mengen von Daten zu speichern und zu verarbeiten, erlaubt ihnen einen sofortigen Abruf multimodaler Materialien. Bis jetzt ist einer der größten Mängel solcher Systeme, dass, obwohl sie einerseits sehr gut speichern und Informationen verarbeiten, sie andererseits nur sehr limitiert verschiedene multimodale Kommunikationsformen der Nutzer verarbeiten können (s. Schmidt & Blume in diesem Band). Roger D. Jones, Sebastian Stuhlmann & Tamara Zeyer 36 Das bringt Implikationen für das Fremdsprachenlernen mit sich und bietet sowohl Vorals auch Nachteile. Ein Vorteil liegt beispielsweise im sprachlichen Bereich. Interaktive Medien bieten viele Möglichkeiten an, das Hör- und Leseverstehen einer Fremdsprache zu entwickeln und zu üben. Sie können nicht nur rezeptive Aufgaben zum Fremdsprachenlernen liefern, sondern auch verschiedene Übungsformen mit sofortigem Feedback. Darüber hinaus bieten sie auch metakommunikative Informationen wie Mimik und Gestik in Form von Abbildungen, Bildern und Videos an. Diese können wiederum interaktive Anteile beinhalten. Solche metakommunikative Informationen können nicht nur das sprachliche Lernen unterstützen, sondern auch Lernende auf kulturelle Unterschiede aufmerksam machen und zudem realweltliche und authentische Kommunikationssettings abbilden. Weiterhin können multimodale interaktive Medien weitere nichtkommunikative, visuell-kontextuelle Hinweise in Form von Fotos, Videos oder die Repräsentation dreidimensionaler Räumlichkeiten anbieten. Dies führt zu einem weiteren Vorteil, nämlich, dass interaktive Medien durch ihre visuelle, räumliche und interaktive Repräsentation handlungsorientierten Sprachgebrauch ermöglichen können - was ein hohes Transferpotenzial für realweltliche kommunikative Situationen darstellt. Positiv ist auch, dass die Mulitmodalität von interaktiven Medien Zugang zu authentischen kulturellen „Texten“ wie Fotos, Filmen und Popmusik ermöglicht. Solche Textformen sind nicht nur motivierend und für den Alltag vieler Fremdsprachenlernenden relevant, sondern sie bieten für den Fremdsprachenunterricht auch Zugang zur Kultur anderer Länder und dadurch auch das Potenzial für interkulturelles Lernen. Abschließend ermöglichen multimodale interaktive Medien oft, nach dem Multiliteracys Ansatz (Fremd)sprache als integrierten Teil von anderen Kommunikationsformen und -modalitäten zu unterrichten (vgl. Hallet 2008a, 2008c; The New London Group 2000). Allerdings sollen auch einige Nachteile der Multimodalität interaktiver Medien an dieser Stelle erläutert werden. Zum einen kann die Kombination verschiendener Kommunikationsformen (z.B. sprachlich und visuell) für Lehrende und Lernende überfördernd sein. Viele Nutzer entwickeln durch ihren informellen Umgang mit solchen Medien zwar ein intuitives Verständnis für das Zusammenspiel verschiedener kommunikativer Modalitäten. Den meisten Menschen fehlt aber die kritisch-analytische Kompetenz, um dieses Zusammenspiel auf einer tieferen Ebene zu verarbeiten und sprachlich, vor allem in einer Fremdsprache, umzusetzen (vgl. Jenkins et al. 2009: 12). Ein weiteres Problem liegt in der noch immer geringen Adaptivität interaktiver Medien und der sich daraus ergebenden Tatsache, dass sie bis jetzt nur minimalistische Eingaben der Nutzer erkennen und verarbeiten können. Zwar existieren Programme wie digitale Spiele, die z.B. Motion Interaktives Fremdsprachenlernen: Potenziale und Herausforderungen 37 Tracker einsetzen. Die meisten Programme aber reagieren auf Mausklicks, Tastatureingaben, und, falls sie Spracherkennung vorhanden ist, oft nur auf einfache getippte oder gesprochene Eingaben. Rein interaktive Medien sind besonders gut für Anfänger einer Fremdsprache geeignet, trainieren eher Hör- und Leseverständnis, Wortschatz und Grammatik und viel weniger Sprech- und Schreibkompetenzen. 4 Statt eines Fazits Interaktive Medien werden in der Zukunft noch weiter unser Leben mitbestimmen, sowohl außerhalb als auch innerhalb institutioneller, fremdsprachlicher Lehr- und Lernkontexte. Möglicherweise besteht die größte Gefahr darin, dass wir entweder diesen Medien- und Kulturwandel ignorieren (oder schlimmer noch dämonisieren), oder dass Lernende mit interaktiven Lehr- und Lernmedien umgehen müssen, in denen die Potenziale der Interaktivität nicht nutzbar gemacht werden und die nur den Schein von Interaktivität darbieten (also ohne fremdsprachendidaktisch- und technologischdurchdachte Konzepte und Designs). Damit dient dieses Schlusswort nicht nur als Anfang des Sammelbandes, dessen Beiträge weitere Facetten der Interaktivität und ihre Rolle beim Fremdsprachenlehren und -lernen erläutern, sondern auch als Anregung für die weitere Entwicklung des Konzepts und für die weitere Einbettung von interaktiven Medien in fremdsprachliche Lehr- und Lernkontexte. Literatur Baker, Elizabeth; Pearson, P. David & Rozendal, Mary S. (2010). Theoretical perspectives and literacy studies. An exploration of roles and insights. In Elizabeth Baker (Hrsg.) 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(http: / / www.lernen-mit-spass.ch/ links/ englisch.php) Interaktives Sprachenlernen in der digitalen Küche an der Universität Paderborn (http: / / www2.uni-paderborn.de/ mitteilung/ 145192) Bequem zu Hause eine Sprache lernen - einfach im Internet anmelden und online Sprachkurse besuchen. Ein qualitatives Onlineangebot an Sprachkursen lässt interaktiv lernen und nachhaltig Informationen aufnehmen. (http: / / www.sprachwink.de/ 13-online-lernen.html, verweist auf Babbel.com) BabelLand.de/ Englisch ist komplett interaktiv. (Alle Links 30.07.2016) Interaktives Sprachenlernen erscheint so leicht wie nie. Zumindest suggerieren dies entsprechende Stichwortsuchergebnisse, die eine breite Palette unterschiedlicher Onlineangebote offerieren - und im Sub- und Kontext der tatsächlichen medialen Übungsangebote häufig die Frage offenlassen, was abseits von Medienwechsel und Autonomie tatsächlich zu jener Interaktivität beiträgt. Mehr als verwandt ist im Anschluss die Fragestellung, welchen Definitionen der Term unterworfen ist und wie die werbesprachliche Adaption nebst ihrer unterstellten Positivbesetzung in den alltäglichen Sprachgebrauch eingeflossen ist. Da erst letztere konnotativ aufwertende Begriffssetzungen bedingen, wird folgend anhand linguistischer Beschreibungsmodelle der Etymologie, Semantik, Lexikographie und quantitativer Methoden der Sebastian Kilsbach 44 Frage nachgegangen, wie sich interaktiv, Interaktivität usw. im deutschen Sprachsystem verorten. Die im Titel aufgegriffene Schnittstellenbesetzung des Wortfeldes zwischen Fach-, Gemein- und Werbesprache wurde indes bereits vor über zehn Jahren debattiert: Interaktivität ist das Schlüsselwort der neuen Informations- und Kommunikationstechnologien, das ihre spezifische Differenz und den Vorsprung gegenüber den ‚alten’ Print-, Ton- und Bildmedien markieren soll. Die Verheißung war grenzenlos, die so genannte ‚Datenautobahn’ wurde als open frontier des Informationszeitalters ausgegeben. Nicht nur die Metapher wirkt veraltet, heute muss man auch eher nach den Grenzen von Interaktivität fragen. Nicht alles, dem das Etikett anheftet, ist wirklich interaktiv. (Bieber & Leggewie 2004b: 7) Mit diesem Einleitungssatz des Sammelwerks „Interaktivität. Ein transdisziplinärer Schlüsselbegriff“ umreißen die genannten Autoren die Problemstellung des als Schlüsselworts klassifizierten Terminus. Die enge semantische Vernetzung mit den medialen Umwälzungen jener Generation, die Handys und Internet als so alltäglich wie obligatorisch kennen lernten, erschwerte bereits vor einer Dekade dessen Einordnung in wissenschaftliche Kontexte. Im selben Jahr (2004) endete die 11jährige Laufzeit der Fernsehsendung Interaktiv (VIVA), innerhalb derer zunächst via Telefon, später durch Handys (SMS) und Internet-Anbindungen (Mail, Foren) Zuschauer 1 in das Geschehen des Formats eingreifen, mit den anwesenden Stars und Sternchen Kontakt aufnehmen konnten. Monolithische Funktionen einzelner Medienträger wichen polydimensionalen Zugängen und bedingten die Ausweitung und Verschmelzung der ihnen gegeben kommunikativen Grenzen: das Fernsehen fungiert so nicht mehr als informationelle Einbahnstraße. Telefonie erfolgt heutzutage global und ist im Stande, durch integrierte Webcams das Ideal jener Bildtelefone einzulösen, welche sich im analogen Zeitalter als Ladenhüter entpuppten. Soziale Netzwerke beschleunigen die Auflösung „klassischer“ Formatgrenzen wie E-Mail, Instant-Messaging und Videochats, da die Dienste analog zur Verfügung stehend den Nutzern freie Hand gewährten. Sendungen wie Telespiele (1977-1981) oder die ZDF Hitparade (1969-2000) belegen gleichsam, dass bereits „vordigital“ interaktive Hybriden existierten. In Telespiele erfolgte die Steuerung von Videospielelementen auf dem Bildschirm per Telefontastatur, während die Zuschauer (zumindest in den Anfangsjahren) mit Postkarten über die Charts der jeweiligen Sendung votierten. Und die hier gewählten Beispiele beziehen sich vornehmlich auf die Kommunikati- 1 Männliche Personenbezeichnungen werden für beide Geschlechter genutzt. 45 onsstruktur zwischen Usern im weitesten, adressatenspezifischen Sinne mit Medien: durch Smartphones als mobile, digitale Medienverbünde und die damit näher rückende Vollvernetzung technischer Geräte scheint vorprogrammiert, dass die semantische Besetzung von interaktiv und Co. im Zeitalter des „Internets der Dinge“ weiteren Veränderungen unterworfen sein wird. 2 Dieser Artikel will jedoch keinen Blick in die Zukunft wagen, sondern (mit besonderem Blick auf die Fachsprache der Fremdsprachendidaktik) beleuchten, in welchen Kontexten im Grenzgebiet zwischen Fachsprachen und Gemeinsprache das Wortfeld ins Deutsche Einzug hielt. Hierzu ist ein Rückblick auf Diskurse in verschiedenen Fachgebieten als Basis für die sodann folgende linguistische Spurensuche unerlässlich. 2 Definitionen und Taxonomien: Zwischen technischem Fortschritt und semantischer Diffusion Die unterschiedlichen interdisziplinären Auslegungen erschweren den Zugriff zum Konzept „Interaktivität“ genauso wie die terminologische Zerfaserung, die durch die alltagssprachliche Verwendung Erwartungshaltung und intrinsische Aufladung graduiert. Aus Perspektive der Kommunikationswissenschaft kommt Goertz (2004: 97) zum selben Schluss, dabei einen omnipräsenten Etikettenschwindel beklagend, der fremdsprachendidaktisch auf Lernprogramme und Werkzeuge gewendet in dieselbe Kerbe schlägt: Durch technische Neuerungen wie Multimedia, Computer-Online-Dienste und nicht zuletzt durch das digitale interaktive Fernsehen wurde der Begriff einer breiten Öffentlichkeit bekannt und von der Unterhaltungsindustrie zum Werbeargument hochstilisiert. Stimmt man der These zu, so gilt es anzuerkennen, dass die alltagssprachliche Dimension von Interaktivität einer wechselwirksamen Formung unterworfen ist, die im Zusammenspiel mit medialen Inszenierungen wie Reklame einen entsprechenden Bedeutungswandel einleitet - bzw. einleitete oder einleiten wird. Taxonomien wie z.B. die von Schulmeister (2005) im Spektrum naturwissenschaftlicher und mathematischer Lernwerkzeuge unternommene kranken so weniger an ihrer inhärenten Logik, als an ihrer formal-technologischen Auslegung, die permanent Gefahr läuft, von technischen Evolutionen überholt zu werden. Die Typologie beschränkt sich auf „Multimedia-Komponenten in einem Lernsystem [und somit respektive] auf interaktive Programme bzw. Programmkomponenten“ in derlei Syste- 2 Vgl. z.B. Bullinger (2007). Sebastian Kilsbach 46 men (ibid.: 2). Wirkt die Auffächerung überholt, so weniger aufgrund innerer Widersprüche. Text-Bild- und Text-Video-Relationen in didaktischen Kontexten erfuhren viel mehr durch die rezeptiven und produktiven Veränderungen/ Bedingungen des sog. Web 2.0 einen grundsätzlichen Wandel 3 , der sich auf ihre jeweiligen Distributionswege sowie die unzeitgemäße Dichotomie zwischen Autor und Rezipient bezieht. Schulmeisters Taxonomie in sechs Graduierungsformen betrachtet Multimedia-Anwendungen primär innerhalb ihres programminternen Wirkungsradius. Eine allgemeingültige Definition des Interaktivitätsbegriffs wirkt nicht allein durch mediale Eingrenzungen problematisch. Spricht er in Stufe II - einer entsprechend niedrig-interaktiven Ebene - von der Betrachtung und Rezeption multipler Darstellungen wie Diagrammen, Tabellen und Videos, so beißen sich die Desiderate des nur elf Jahre alten Aufsatzes mit den indigenen medialen Erfahrungen der Gegenwart. Bezogen auf das Programm „Die Firma. Deutsche Gebärdensprache Do It Yourself“ heißt es etwa: „Die Benutzer können Text auswählen und die Filme abspielen. Auf den Inhalt haben sie keinen Einfluss. Texte und Filme können sie nicht verändern“ (ibid.: 6). Weder an der geringen Interaktivität von Lernumgebungen wie „Die Firma“ besteht Zweifel, noch an der Existenz äquivalent aufgebauter Programme jüngeren Datums. Videos innerhalb von Navigationsparadigmen jedoch per se die mangelnde Partizipation und Interaktion abzusprechen, die das Interaktivitätsgefälle Schulmeisters taxonomisch realisieren, erscheint nach dem Konsum tausender Youtube-Videos in den letzten sechs bis acht Jahren zumindest fragwürdig. 4 Die mittelbaren Kontaktoptionen zwischen Ersteller und Konsument eines Videos erfinden das Rad nicht neu. So kann etwa der Inhalt des Videos nach wie vor nicht beeinflusst werden. 5 Sie befeu- 3 Vgl. hierzu (dezidiert didaktisch aufbereitet) Krämer, Sträfling, Malzahn, Ganster und Hoppe (Hrsg.) 2014. 4 Das Videoportal erschien im Februar desselben Jahres. Es sollte aufgrund der technischen Realisierbarkeit von Videoaufnahmen jedoch einige Jahre dauern, bis die Videouploads auf der Plattform sprungartig stiegen und bis dato weiter steigen. 5 Dabei reflektiert auch dieses Postulat nur die halbe Wahrheit. Tatsächlich experimentieren Videoersteller schon seit mehreren Jahren mit der Möglichkeit, videointern via alternativer Links auf das „Narrativ“ des jeweiligen Erzählstrangs einzuwirken, indem verschiedene Wendungen und Plotauflösungen zuvor - nun natürlich von dem Autor selbst - produziert wurden. Man kann so am Ende eines solitären Videos auswählen, in welche thematische Richtung der Plot schlagen möge. Dass diese Spielform der Plattform Youtube weitgehend ignoriert bzw. in Vergessenheit gerät, hängt nicht zuletzt damit zusammen, dass sich der Unterhaltungswert der damit einhergehenden „interaktiven Markierung“ scheinbar stark in Grenzen hielt. 47 ern und beschleunigen jedoch die Hybridbildung der verschiedenen medialen Realisierungs- und Kommunikationsformen. Virales Videoblogging verdichtet die Einflussnahme. „Youtuber“ rufen so zu inhaltsgebundenen Antwortvideos auf, die unterhalb des Ursprungsvideos verlinkt neue thematische Stränge schlagen und den Inhalt des nächsten Videos beeinflussen (können). Kommentarfunktionen, Umfragen und Bewertungssysteme (z.B. Daumen rauf/ runter) bedingen die hierarchische Abflachung weiter. Ohne Videoportale damit als Krönung der Interaktivität propagieren zu wollen, zeigt das Beispiel, wie stark die Ausweitung technischer Möglichkeiten mit der alltäglichen Begriffssetzung von Interaktivität und deren terminologischer Einfassung verbunden ist. Eine derart flächendeckende Bandbreite ins Netz gespeister Videoaufnahmen war schlicht aufgrund beschränkter Speicherungs- und Serverkapazitäten zuvor undenkbar. Wie sich Medien im Zeitalter von Smartphones, Tablets und Co. weiter vernetzen und den Datentransfer/ -austausch verändern, entzieht sich jeder Prophezeiung. 6 Der Konflikt zwischen allgemeingültiger Definition und sich wandelnden technologischen Grundlagen ist dabei nicht alleine didaktischen Begriffssetzungen vorbehalten. McMillans (2002a und 2002b, nach: Marotzki 2004: 118) perzeptionszentrierte Auslegung aus kommunikationswissenschaftlicher Perspektive rückt die Wahrnehmung von Internetnutzern in den Fokus, welche abhängig von subjektiven Komfortbeschaffenheiten einer Webseite ein „Gefühl der Interaktivität“ entwickelten (Marotzki 2004: 118) - und dadurch den informationellen Austausch zwischen Mensch und Maschine erst konstituierten. Auch dieser Definition ist eingeschrieben, dass sie zeithistorisch adäquat Optionen wie Grenzen damals florierender Netzumgebungen treffend zu beschreiben vermochte, jedoch mit dem heutigen Konzept des „Web“ nur mehr wenig korreliert und in jüngeren Begriffsbestimmungen unter dem Gesichtspunkt der „Navigation“ substituiert wird. Anhand verschiedener Untersuchungsmethoden wird im Folgenden der Versuch unternommen, sich dem Wortfeld linguistisch zu nähern. Dabei beleuchten die Kapitel 3.1 bis 3.3 die Verwendungskreise der Lexeme im Spannungsbereich verschiedener Fachsprachen und ihren Adaptionsprozess 6 Als ähnlich gelagertes Beispiel hierfür dürfen auch E-Books gelten, welche mitunter Synchronisierungsfunktionen beinhalten, die das Leseverhalten auszuwerten vermögen: z.B. präferierte Textstellen und Lektürezeiten der Anwender. Im Unterschied zu den programminhärenten Komponenten des vorherigen Beispiels „Youtube“ erfolgt jedoch keine unmittelbare Lenkung des Inhalts, wohl aber eine zumindest mittelbar mögliche Einflussnahme auf Charakteristika von Genres und Textsorten. Vgl. zur Vernetzung von Kommunikation und deren Einfluss auf Kulturtechniken literaler Gesellschaften auch Lobin (2014). Sebastian Kilsbach 48 in die Gemeinsprache. 3.4 beleuchtet abschließend frequenzielle und semantische Tendenzen in sprachdidaktischen Kontexten. 3 Deskriptiv-linguistische Annäherungen 3.1 Etymologische und frequenzielle Entwicklungstendenzen Die semantische Beziehungsstruktur der Lexeme Interaktivität, interaktiv, Interaktion und weiterer (vgl. hierzu unten) sowie die daraus entstehenden terminologischen Unschärfen resultieren - wie es scheint - nicht zuletzt aus ihren ursprünglichen etymologischen und fachspezifischen Verwendungsweisen. Ausgehend von den Grundgliedern inter (lat. ~ zwischen, unter) und agere (lat. ~ handeln, treiben, wirken) fand die Komposition Interaktion „im Rahmen der soziologischen Handlungstheorie“ Anklang (Quiring & Schweiger 2006: 6). Da hiermit die rezeptive und produktive Bedeutungsaushandlung im gruppendynamischen Prozess gemeint war, bezog sich der Terminus auf alle Arten der interpersonalen Kommunikation. Datiert wird die Herausbildung des Arbeitsbegriffs auf die 1960er Jahre. 7 Circa zwanzig Jahre später fand eine Adaption seitens der Informatik statt und beschrieb fortan „die Nutzung von Computersystemen durch Menschen“ (ibid.). Die hierin eingeschlossenen technischen Komponenten nahmen den Interaktionsbegriff in seiner kommunikativen Prägung als Metapher, um Funktionalitätskriterien der elektronischen Datenverarbeitung zu beschreiben. Ein Quellenexempel verdeutlicht das semantische Framing: „Natürlichsprachliche Ein- und Ausgabe ist ein Schritt, die Interaktion mit dem Computer „natürlicher“ und damit leichter erlernbar zu machen“ (Schmauks 1990: 97). Die Eindimensionalität der Beschreibung (Mensch Maschine) wurde - wie bereits angerissen - durch den technischen Fortschritt überholt. Quiring et al. beschreiben in ihrer knappen Begriffsgenese weiter, dass die Kommunikationswissenschaft „gleichsam das Bindeglied zwischen beiden Perspektiven“ darstellt (2006: 7). Kommunikatives Interagieren im handlungstheoretischen Sinne via Computer im informatischen Kontext ist nunmehr alltäglich. Aus diesen Überlappungen gingen die Unterscheidungen zwischen der Kommunikation Mensch-Mensch, Mensch-Maschine und Mensch-Maschine-Mensch genauso hervor, wie die Wortbildungen Interaktivität, interaktiv und zuvor interagieren. 7 Im referenzstiftenden „Wörterbuch der Soziologie“ von 1969 findet sich der Term jedoch nicht. Vgl. hierzu untenstehend. 49 Interaktion scheint demnach als jüngere etymologische Basis zu fungieren. Erfährt Interaktivität Kritik ob seiner terminologischen Unschärfe (in fachsprachlichen Kontexten), könnte dies mutmaßlich an der frequenten Verwendung oder an dem synonymen Gebrauch mit seiner Wurzel liegen. Aus dem GoogleBooks-Korpus, der sich aus einer breiten Sammlung retrodigitalisierter Werke aus verschiedenen Bibliotheken weltweit zusammensetzt, geht diese Tendenz jedoch nicht eindeutig hervor. Ermittelt wurden die Daten anhand des Google Ngram Viewers, der die zwischen 1500 und 2008 publizierten und im GoogleBooks-Korpus befindlichen Bücher statistisch auswertbar macht: Die zeichnete Frequenzentwicklung von Interaktion spiegelt das Aufkommen des Terms in soziologischen Abhandlungen seit den 1960er Jahren wider, während die kurzfristige Abflachung der 80er bzw. der Anstieg in den 1990er Jahren die neuerliche Verwendung innerhalb der Informatik und Kommunikationswissenschaft markiert. Zumindest gestattet die Grafik diese Lesart, konterkariert durch Auswahlkriterien, Gewichtung und Validität des Korpus. Gleichsam auffällig nimmt sich die Entwicklung der drei anderen Lexeme aus, deren Entwicklung stabil eine niedrigere Frequenz offenbart - und deswegen gerade bei der adjektivischen Ableitung interagieren mehr Fragen als Antworten aufwirft. Stellt man allein abgeleitetes Verb und Adjektive - nun ergänzt durch interaktional - gegenüber, ergibt sich folgendes Bild: Abb. 1 Interaktion, Interaktivität, interaktiv und interagieren in: GoogleBooks (German); 1950 - 2008 Sebastian Kilsbach 50 Beklagt man die „Sloganisierung“ eines Begriffs innerhalb eines Wissenschaftszweigs wie hier der Fremdsprachendidaktik, so spielen Frequenzargumente anhand textsortenoffener/ globaler Korpora eine untergeordnete Rolle, da nun eben die Häufung innerhalb eines Verwendungskreises kritisiert wird. Bemerkenswert ist im Umkehrschluss jedoch, dass eine bewusste, medial inszenierte Begriffssetzung nicht ohne die damit einhergehende positive Besetzung eines Wortes gelingen kann. Für diese bedürfte es jedoch einer bereits aktiven breitenwirksamen Streuung. Der (wenngleich langsame) Frequenzaufschwung von interaktiv (und interaktional) steht damit im Widerspruch zur interdisziplinär diagnostizierten Zunahme des Begriffs, da diese eine Öffnung hin zum Gebrauch außerhalb der „betroffenen“ Fachbereiche voraussetzt. Eine ebensolche sollte idealtypisch von Wörterbüchern bzw. Lexikographen durch die Aufnahme eines neuen Lexems reflektiert werden. „Idealtypisch“ und damit latent kritisch ist die Untersuchung von Wörterbüchern als quantifizierendes Kriterium deswegen, da die Aufnahme neuer Wörter nicht zuletzt von Lexikographinnen und Lexikographen selbst abhängig ist. Der Evaluierung, ob und in welchem Ausmaß ein Lexem Einzug in die Alltagssprache gefunden hat, sind enge Grenzen gesetzt (vgl. Elsen 2004: 21ff). Elsens Postulat ordnet sich dabei in den Kontext der Neologismenforschung ein, zu deren Lexikalisierungsstatus usuelle Kriterien angelegt werden (vgl. auch Peschel 2002: 6). Obgleich die Frage offen bleibt, ob es sich bei interaktiv und Co. um überfrequentierte, marketingstilistische Hülsenwörter handeln mag, besteht am Stand ihrer Lexikalisierung indes kein Zweifel. Aus diesem Grund lohnt ein Blick in exemplarische Wörterbücher der vergangenen Jahrzehnte. Abb. 2 interagieren, interaktiv und interaktional in: GoogleBooks (German); 1950-2008 51 3.2 Lexikographische Entwicklungstendenzen Vergleicht man verschiedene Sammlungen der vergangenen vierzig Jahre, so bestätigt sich (1) Interaktion als etymologische Wurzel der verschiedenen Ableitungen und (2) eine Präferenz zur Aufnahme des Verbs interagieren und des Adjektivs interaktiv, die nun ihrerseits reziprok auf Interaktion und Interaktivität verweisen können (vgl. hierzu betreffende Fußnoten). Die genannten intersprachlichen Lexemäquivalenzen stehen in den nachstehenden quantitativen und korpuslinguistischen Analysen daher im Fokus der Untersuchungen. Vergleichbare lexikographische Daten kondensieren diesen Kontrast weiter: Wörterbuch (Jahr): Stichworteinträge* Interaktion interagieren Interaktivität interaktiv Wörterbuch der Soziologie (1969): 630** - - - - Großes Fremdwörterbuch (1977): 40.000** - - - - Brockhaus Wahrig in sechs Bänden. Bd. 3: G-JZ (1981): 220.000 8 + + 9 - - Der kleine Duden. Fremdwörterbuch (1983): > 15.000 + - - - Knaurs grosses Wörterbuch der deutschen Sprache (1985): 85.000 + + - - Wörter und Wendungen (1988): > 8.000*** - - - - 8 Angabe bezieht sich auf alle Bände. 9 Sowohl Interaktion als auch interagieren werden primär auf ihren fachsprachlichen Bezug in Soziologie und Psychologie zurückgeführt, aus denen des Weiteren die Ableitungen Interaktionalismus und Interaktionismus hervorgehen. Sebastian Kilsbach 52 Duden Deutsches Universalwörterbuch (1996): 150.000 (+) ← + 10 → (+) (+) Wahrig. Deutsches Wörterbuch (2005): 250.000 + + - + 11 Duden. Deutsch als Fremdsprache (2010): 20.000 - - - - Wiktionary (online; 30.07.2016): > 513.000 + + - + 12 Tab. 1 Stichworteinträge der Wortfamilie Interaktion in ausgewählten Wörterbüchern - 1969 bis 2004 (Legende: * nach eigener Angabe; ** Fachwörterbuch; *** verlegt in der ehemaligen DDR; > mehr als x Stichworteinträge; + als Stichwort vorhanden; nicht vorhanden) Auch hier gilt natürlich, dass der begrenzte Umfang der Stichprobenuntersuchung keinen Anspruch auf eine präzise Abbildung von Frequenz, semantischem Radius und Bedeutungswandel erlaubt. Auffällig ist dennoch, dass sowohl in den beiden Publikationen nach dem Jahrtausendwechsel als auch im kooperativen „Mitmach-Lexikon“ Wiktionary Einträge für Interaktivität gänzlich fehlen. Tendenziell abzulehnen ist ein semantischer Ableitungsdualismus der Scheinbegriffspaare „Interaktion - interaktional“ sowie „Interaktivität - interaktiv“. Darüber hinaus scheint eine Bewegung fort vom fachsprachlichen Alleinbezug der Soziologie und Psychologie aktiv zu sein, die in späteren Publikationen die möglichen Ableitungen innerhalb eines Basisartikels aufgreift (Duden 1996). Alternativ verweist einer der verschiedenen Einzelbelege auf mögliche Stämme bzw. Substantivierungen (vgl. Wahrig 2005 vs. Wiktionary). Interaktivität besitzt bei Einbezug des Dudens 1996 nur einen, ohne Berücksichtigung von Ableitungen auf Basis von interagieren nicht einen einzigen lexikalisierten Beleg. Im Gegensatz zur dominierenden Interaktion: der Frequenzanstieg (vgl. Abb. 1) des Lexems innerhalb des Wortfeldes lässt so zudem die Feststellung zu, dass der Begriff ausgehend von seiner zunächst fachsprachlichen Zuordnung innerhalb der soziologischen Handlungstheo- 10 Das Verb fungiert als Basis für sonstige Ableitungen, die keinen gesonderten Artikel besitzen. 11 Verweist auf Interaktion als Stamm. 12 Verweist auf Interaktivität als mögliche Substantivierung. 53 rie weitere Fachbereiche ergriff und in einem dritten Schritt zunehmend in der Gemeinsprache Einzug hielt. Auf deren grundsätzlichen Beziehungscharakter verweist Arntz, wenn er konstatiert, dass „Fachsprache nicht ohne die Gemeinsprache denkbar“ ist, umgekehrt zweitere „durchaus für sich allein existieren“ kann (2002: 21). Resultat dieses Prozesses: Auch der Laie empfindet heute Wörter wie Statistik, Virus, Raumstation, Inkubationszeit nicht mehr als fremdartig, wenngleich er wohl in den wenigsten Fällen die exakten wissenschaftlichen Inhalte mit ihnen verbinden kann. (ibid.: 23) Nimmt man an, dass diese Form von Bedeutungswandel für das Wort Interaktion geltend gemacht werden darf, stellt sich die Frage, wie Interaktivität bzw. das Relationsgeflecht des Lexems zum erst genannten sowie die allgemeine Datenlage mit dieser Feststellung korreliert. Ross und Reiter bleiben unklar, da Interaktivität zwar auf Interaktion zurückführbar ist und die beiden Schlüsselwörter „in der Literatur teils synonym“ Verwendung finden (Schönhagen 2004: 23, nach: Quiring et al. 2006: 8), Interaktivität auf der anderen Seite jedoch in deutlich geringerem Maße in der geschriebenen Sprache auftritt, als dies für den oben postulierten fachsprachlichen Transfer hin zur Gemeinsprache vorausgesetzt werden müsste. Eine in der Werbesprache adaptierte Verwendung als plakatives Buzzword - im Sinne der eingangs gezeigten exemplarischen Auszüge - setzt ergo die Erwartung voraus, dass das Wort in die Gemeinsprache ausreichend eingezogen ist, um einerseits erwartete absatzwirtschaftliche Effekte nach sich zu ziehen, die andererseits auf der alltäglichen, tendenziell inkohärenten Bedeutungsaufladung beruhen. 3.3 Korpuslinguistische Annäherungen: Deutscher Referenzkorpus und GoogleBooks Aus den oben anhand quantitativ-linguistischer Methoden hervorgegangenen pragmasemantischen Leerstellen lohnen weitere korpuslinguistische Analysen, um eine fundierte Vergleichbarkeit zwischen den einzelnen Lexemen des Wortfeldes herzustellen. Zu diesem Zweck ist ein quantitativer Kontrast erforderlich, der durch den Wechsel der zugrunde liegenden Textsortensammlung ermöglicht wird. Nachfolgende Grafik speist ihre Daten so aus dem Deutschen Referenzkorpus (DeReKo) und macht die relative Gewichtung der Lexeme Interaktion und Interaktivität in den letzten 22 Jahren transparent: Sebastian Kilsbach 54 Mit 1992 wurde kein zufälliger Ausgangspunkt ersonnen. Das Jahr markiert viel eher den Erstauftritt des Lexems Interaktivität im DeReKo. Namentlich zwei Treffer in zwei österreichischen Zeitungsartikeln (Die Presse, März 1992 und Salzburger Nachrichten, Oktober 1992) dienen als Quellen. In beiden Texten geht es um eine stationäre Videospielkonsole von Philips, die neben CD-basierten Spielen auch Audio- und Video-CDs erkennt und so als multimedial-anwendbarer Alleskönner beworben wurde: das „Philips CD-i“. Auch der Vertrieb „pädagogisch wertvoller Spiele“ war Teil der Marketingkampagne. 13 Interaktion brachte es im selben Jahr auf 20 Treffer. Ihren Peak erreichen beide Wörter im Jahr 2011 (Interaktion: 3376; Interaktivität: 807). Die Höhe der absoluten Zahlen weist indes deutliche Anomalien auf, die sich nach Sondierung der Quellenlage auf eine Metadiskussion bezüglich eines Wikipedia-Artikels zurückführen lassen. Spart man dieses Jahr aus, wird ein Jahr zuvor (2010) mit einem Verhältnis von 807 zu 66 der Höchststand erreicht. Für 2012 sind 428 zu 38 Belege verbrieft. Obwohl das IDS-Korpus keine ausgewogene, textsortensensible Sammlung darstellt und auch einzelne Jahrgänge in der Gesamtauswahl der verfügbaren Texte changieren können, belegt die stichprobenartige Gegenüberstellung gerade in Bezug auf die absoluten Werte die statistische Dominanz von Interaktion gegenüber Interaktivität. Ein mögliches Erklärungsmuster der konträren Daten besteht darin, dass interaktiv als Lehnwort des engli- 13 Vgl. hierzu den als „Infomercial“ etikettierten 20minütigen Werbeclip, bei dem im Zwiegespräch zwischen Kunde und dystopischer Videowand in Minute 0: 40 zum ersten Mal das Wort interactive fällt: https: / / www.youtube.com/ watch? v= 9dV9nAx0TOo (Teil 1 von 3; 30.07.2016). Abb. 3 Frequenzverhältnis der Lexeme und im Deutschen Referenzkorpus Interaktivität Interaktion 55 schen interactive und damit samt der interkulturell differenten Bedeutungsgraduierungen des Wortfelds später ins Deutsche einwanderte, als die nun als etymologische Wurzel erscheinende fachsprachliche Adaption der Soziologie (innersprachlich realisiert durch Interaktion). Stellt man die frequenziellen Entwicklungslinien der beiden Ableitungsdualismen anhand des GoogleBooks Ngramm Viewers nach, treten gewisse Unterschiede zum Vorschein. Das erste Diagramm speist seine Daten aus dem deutschsprachigen Korpus, das zweite aus dem englischsprachigen. 14 14 Beide anhand des GoogleBooks Ngramm Viewers erstellten Graphen wurden mit dem sog. Smoothinggrad 3 geglättet. Die Smoothingfunktion erlaubt es, den Häufigkeitstrend eines Wortes x mit den Trefferraten bestimmbarer Jahre y zuvor und danach in Beziehung zu setzen. Durch den dadurch entstehenden Mittelwert werden Trends transparenter. Die Gradzahl bezieht sich auf die Menge an Jahren, für die dieser Mittelwert erstellt werden soll. Bei einem Smoothing auf Stufe 3 werden die drei vorherigen und folgenden Jahre miteinbezogen. Für das Jahr 2000 umfasst dies somit den Zeitraum von 1997-2003. Abb. 4 Interaktivität und interaktiv in: GoogleBooks (German); 1960-2008 Sebastian Kilsbach 56 Während interactivity eine untergeordnete Rolle einnimmt und erst seit den 1990ern statistisch in Erscheinung tritt, interactive hingegen seit jeher dominiert, weisen die deutschen Scheinpendants andere Entwicklungsparameter auf. Ein Zusammenhang in der oben genannten Ausgestaltung ist daher möglich, jedoch ohne komparative Vergleichsstudien nicht nachweisbar. Rechnet man den auf der y-Achse bezifferten prozentualen Anteil des jeweiligen Korpus auf Treffer pro eine Million Worte um, ergibt sich für den jeweiligen Peak der deutschen und englischen Gegenüberstellung eine Abweichung ca. um den Faktor 5. So entsprechen die 0.00022% für Interaktivität (nach 2005, siehe x-Achse) einem Auftritt von 2.2. Der Peak von interactive um die Jahrtausendwende (0.00110%) beläuft sich sodann auf rund 11 Nennungen pro eine Million. 15 3.4 Frequenzielle und semantische Tendenzen in der Fachsprache Alltags- und Fachsprache sind unmittelbar miteinander verquickt, zweitere in den Worten Arntz’ (2002, 21) ohne die Gemeinsprache gar undenkbar. Fachsprachliche Termini können metaphorisch auf bereits bekannten Konzepten beruhen oder durch lebensweltliche Erfahrungen den Eindruck suggerieren, bereits gänzlich von der Alltagssprache absorbiert worden zu sein. Erst im direkten Vergleich werden Unterschiede gewahr (und Nuancierungen als solche bedeutsam), etwa wenn man die im Allgemeinen als Synony- 15 Solche Quervergleiche vermögen aufgrund der unterschiedlichen Größe und Zusammensetzung des deutschen bzw. englischen Korpus jedoch äußerstenfalls einen Richtwert zu liefern. Vergliche man die Werte mit dem Frequenzwörterbuch von Jones und Tschirner (2006, 25), so entsprächen die Auftrittshäufigkeiten pro Million (occurrences per million) dem Unterschied zwischen den Farben orange und beige (2) zu silbern (12). Abb. 5 interactive und interactivity in: GoogleBooks (English); 1960-2008 57 me erscheinenden Termini Aufschieben, Prokrastination und die Neuwortbildung Aufschieberitis semantisch zu differenzieren versuchte. Im Umkehrschluss lassen die fachsprachlichen Verwendungskreise Aufschlüsse über terminologische Begriffsgenesen zu, die ihrerseits außersprachliche Trends und Entwicklungen spiegeln. Um einen solchen Einblick methodisch zu realisieren, wurde auf das Knapptextkorpus des Informationszentrums für Fremdsprachenforschung (IFS) in Marburg zurückgegriffen. Darin enthalten sind fremdsprachendidaktische Abstracts seit den 1880er Jahren bis in die Gegenwart, die sich aus Titel, bibliographischen Informationen, Schlagwörtern und einem inhaltlichen Kurzreferat zusammensetzen. Dazu zählen sowohl Monographien als auch Sammelbände und Artikel. Die Gesamtzahl der verfügbaren Knapptexte aus der gesamten Welt liegen in den letzten vierzig Jahren zwischen einbis knapp zweitausend Belegen pro Jahr. Dank der Unterstützung von Simon Falk (wissenschaftlicher Mitarbeiter am IFS Marburg) kann auf die Ergebnisse einer Volltextsuche zurückgegriffen werden, die die Auftritte der Lemmata interaktiv, Interaktivität, interactive und interactivity im Korpus samt ihrer Derivationen quantifizierbar und zugleich die pragmasemantischen Verwendungskontexte qualitativ auswertbar machen. 16 Obwohl das Korpus aus verschiedensprachigen Publikationen und damit Abstracts besteht, ist ein direkter Vergleich zwischen der deutschen und englischen Einzelsprache durch verschiedene Faktoren erschwert. Dazu zählen in erster Linie auf Englisch verfasste Knapptexte, die auf deutsche Publikationen verweisen und umgekehrt. Seltener (aber nicht weniger relevant) sind die sonstigen fremdsprachlichen Publikationen, die direkt auf das Konzept der Interaktivität referieren, deswegen in den Knapptexten als Treffer angezeigt werden, jedoch die Frage offen lassen, ob sie für die deutsche/ englische Begriffsgenese Relevanz besitzen. Für das Lexem interaktiv etwa existieren zwischen 1975 und 2014 377 Belege, darunter 101 aus englischen, französischen, italienischen, spanischen und russischen Werken: 16 Auf eine äquivalente Auswertung der Lexeme Interaktion/ interaction wurde aufgrund der interdisziplinären wie alltagssprachlichen Häufung verzichtet. Sebastian Kilsbach 58 Als Einzelbeleg floss bei der Auswertung der Volltextrecherche die betreffende Publikation ein, unabhängig davon, ob das jeweilige Lexem in Titel, Kurzreferat oder dort mehrmals verbrieft ist. Im Fokus standen die Nachverfolgung der Termini in ihrer fachsprachlichen Verwendung und die damit ganz unterschiedlichen Konzeptionen. Um Doppelnennungen zu vermeiden, wurden bei der Untersuchung der Belege zu interactive und interactivity englische Publikationen, die aufgrund paralleler Belege von interaktiv oder Interaktivität im deutschsprachigen Knapptext bereits in dieser jeweiligen Zählung aufgenommen wurden und dort zu den fremdsprachigen Anteilen zählen, extrahiert. Auch englischstämmige Eigennamen (etwa Interactive Whiteboard) erschweren aus demselben Grund die Quantifizierung im zwischensprachlichen Vergleich. In erster Linie wird die Differenzierung von der mangelnden Gewichtung des Korpus genährt, die als solche auch nicht Ziel der Datenbank ist und daher keine quantitativen Rückschlüsse auf Menge und Entwicklung der vier Lemmata zulässt. Interactive ist so mit 225 Belegen nicht unterrepräsentiert und erlaubt bei der qualitativen Auswertung entsprechende Befunde. Gleichsam kann aus den nackten Zahlen keine Dominanz des deutschen Pendants interaktiv extrapoliert werden: interaktiv interactive Interaktivität interactivity 377 (dt.: 276/ sonst.: 101) 225 (engl.: 161) 19 (17/ 2) 9 (7/ 2) Tab. 2 Mengenverhältnis der Lexeme interaktiv, interactive, Interaktivität und interactivity im Vergleich, in: IFS-Datenbank; 1975-2014 Abb. 6 Auftritt von interaktiv in fremdsprachendidaktischen Publikationen: gesamt, deutsch, Fremdsprache in: IFS-Datenbank; 1975-2014 59 Deutlich wird hingegen die dominierende Nutzung der deutschen/ englischen Adjektivformen gegenüber ihren substantivischen Basen, die mit 95.2 bzw. 96.15 % stets deutlich die Majorität bilden. 17 Die Ergebnisse decken sich im Englischen mit dem in Abb. 6 gezeigten Graphenverlauf anhand des GoogleBooks-Korpus, widersprechen jedoch gleichsam denselben Desideraten bei der Analyse der auf Deutsch verfassten schriftsprachlichen Datenbank, da hier ab ca. 2004 Interaktivität eine höhere Frequenz denn interaktiv erreicht (Abb. 5). Dabei ist der Steigungsverlauf im offeneren GoogleBooks-Korpus weitaus linearer, als das aus fremdsprachdidaktischen Abstracts destillierte IFS-Korpus, der hohen Schwankungen unterworfen ist. Aufgrund der niedrigen Gesamttrefferraten der Substantive gilt das Augenmerk hier den Pendants interaktiv und interactive, die ebenfalls und jeweils eine Wellenbewegung beschreiben, sich hierin jedoch im Kontrast zum Vergleichskorpus ähneln. Verglichen werden im nachfolgenden Diagramm die Gesamtnennungen, ohne Einbezug der Auftritte eines der Lexeme in einem fremdsprachlichen Kurzreferat/ Publikationstitel: Während der verzögerte Erstauftritt von interactive (1980, entgegen 1975 bei interaktiv) abermals den Strukturaufbau des benutzten Korpus belegt, fällt zudem in beiden Graphen ein merklicher Abschwung um die Jahrtausend- 17 Die Anomalie dieser Werte lässt sich frequenziell taxieren. Während in der Schriftsprache bereits 60 % der verwendeten lexikalischen Einheiten aus Autosemantika (Substantiven, Verben, Adjektiven) bestehen (vgl. Krohn 1992: 119- 121), so dominierenden innerhalb dieser Wortartengruppe abermals substantivische Formen, wie korpuslinguistische Erhebungen des IDS Mannheim belegten (21.7 % an Substantiven in Texten vs. 17.4 % Verben, vgl. Burmasova 2010: 186). Abb. 7 Frequenz der Lexeme und im Vergleich, in: IFS-Datenbank; 1975-2014 interaktiv interactive Sebastian Kilsbach 60 wende auf. Dieser ging im deutschsprachigen Raum eine hochfrequente Nutzung in den 1990er Jahren voraus, gefolgt von einer volatilen, dabei gleichsam messbaren Nutzung in den 2000er-Jahren bis in die Gegenwart. Ihren Peak erreichen die belegten Treffer so in den Jahren 1993, 1996 und 2012 mit je 21 Auftritten in fremdsprachendidaktischen Abstracts. Eine rein quantitative Auswertung ist vor dem Hintergrund der Korpusstruktur somit wenig fruchtbar, sowohl was die Frequenzbewegungen innerhalb der beiden Einzelsprachen anbelangt, als auch bezüglich der semantischen Lehnwortadaptionsbewegungen im intersprachlichen Vergleich. Eben diese Struktur liefert jedoch einen textsortenzentrierten Ausschnitt im Kontrast zur Gesamtsprache, der für den hier verhandelten Kontext des fremdsprachendidaktischen Bereichs besondere Relevanz genießt. Die im Korpus integrierten Schriften belegen sodann, wie das Begriffsfeld aus den verschiedenen oben beschriebenen Wissenschaftszweigen und technischen Evolutionen in die genuine Sprache eben dieser Wissenschaft Einzug hielt und ob deren metakritische Dämonisierung als marketingstrategisches Buzzword Gültigkeit besitzt. Derweil signalisieren die reinen Frequenzwerte die übergeordnete Position des englisch-deutschen Adjektivpaars interactive/ interaktiv, das deshalb in der nachfolgenden qualitativen Auswertung vorrangig behandelt wird. Wenig überraschend nimmt sich die Tatsache aus, dass Evolutionen im medial-technischen wie didaktisch-methodischen Sinne in den Frequenzbewegungen transparent werden. Neue Techniken - sowohl analoge wie „Interaktive Videos“ als später auch digitale wie zuletzt das „Interaktive Whiteboard“ - evozieren lexikalische Lücken, zu deren Schließung in beiden Sprachen die beiden adjektivischen Ableitungen der Wurzel Interaktion herangezogen wurden. Darüber hinaus und in Form einer mutmaßlich bidirektionalen semantischen Adaption fand und finden interaktiv/ interactive zudem Anwendung in den Bereichen Lesen und Spielen - und bilden somit den zuvor genannten Kernpunkt des didaktisch-methodischen Einschlags. Nennungen der beiden kontextuellen Dimensionen finden sich im gesamten untersuchten Zeitbereich. Für das Sinnfeld Lesen (in der Volltextrecherche des Suchwortes interaktiv) sind dies etwa Bensoussan 1986 („Das Lesen von Texten sei ein interaktiver Vorgang, […]“), McKay 1987 („[…] Lesen als einen schemageleiteten interaktiven Prozeß konzipiert, […]“), Rück 1990 („[…] daß Lesen ein interaktiver und kein einseitiger Vorgang ist, […]“), Lutjeharms 1994 („Die Autorin begreift Lesen als interaktiven Prozeß […]“), Finkbeiner 2005 („[…] die Rolle des interaktiven Zusammenspiels von Inte- 61 ressen und Strategien beim Lesen […]“) und zuletzt Zank 2010 („Da Lesen als interaktiver Prozess die Lesenden dazu veranlasst, […]“). 18 Bei den medial-technischen Evolutionen und Neuentwicklungen lassen sich die einzelnen Erstnennungen in Einklang mit der medienhistorischen Rahmung bringen, die oben stehend diskutiert wurde. Computer etwa findet eine erste Erwähnung in Schrupp, Bush und Mueller 1983, konkret in der Derivation computerunterstützt, wobei hier jedoch rekurrierend auf die Videotechnologie („[…] Einsatzes von computerunterstütztem Fremdsprachenunterricht in Kombination mit interaktiver Videodisk-Technologie durch.“) der eigentliche Kollokationspartner zu verorten ist. Ähnlich verhält es sich ein Jahr später in Dahl 1984 („Dazu bieten sich Computer und Videomaterial an, die interaktiv aufeinander bezogen werden können.“). Transparent werden so die Zuschreibungen dessen, was als interaktiv verstanden wird, und obwohl die Frage ungelöst bleibt, wie die Wortfamilie aus etymologischer oder sprachwandelsbezogener Perspektive zum marketingpassablen Buzzword avancierte, lässt sich so der Zeitpunkt bestimmen, zudem außersprachliche Objekte mit derselben Aufladung erstmals im wissenschaftlichen Kontext konnotiert wurden. Internet erscheint so erstmals 1998 in Schüle (Titel: „Paris sans fin: Ein konstruktivistisches, interaktives und unendliches Lehrwerk im Internet“). Ableitungen des Akronyms CD-ROM (für Compact Disc Read-Only Memory, bzw. CD oder Compact Disc) treten im Korpus mit überraschender Verzögerung hinsichtlich ihres Erfindungszeitpunkts (1979), Etablierungsprozesses (1980er und frühe 1990er Jahre) und dem damit einhergehenden Aufstieg zum Status als massenkompatiblen Medienträger auf: erst 1993 mit Fendt (Titel: „Hypertext und Medienintegration - Ansätze zum Gebrauch moderner Medien beim Lernen fremder Sprachen“) lässt sich eine kollokationäre Analogie identifizieren. Quantitativer Dominanzzeitraum sind im groben die späten 1990er und frühen 2000er Jahre. Das Lexem Homepage tritt zum ersten Mal bei Borrmann und Gerdzen (1998) auf. 18 Die Frequentierung des Wortfeldes Interaktion im Allgemeinen und der Ableitung interaktiv im Besonderen im Kontext des kognitiven Prozesses des Lesens rührt nicht zuletzt von der kultursemiotischen Betrachtung des Interaktionsraums zwischen Rezipient/ Adressat, Autor und Text in der Tradition Ecos („Lector in fabula“ 1979) und im deutschsprachigen Raum Isers („Der Implizite Leser“ 1972, „Der Akt des Lesens“ 1976), ihrerseits ausgehend vom Postulat Roland Barthes zum Tod des Autors („Der Tod des Autors“ 1968) und Michel Foucaults kanonischem Vortrags „Was ist ein Autor? “ (1969) im kulturphilosophischen Umfeld der Dekonstruktion. Sebastian Kilsbach 62 Viele weitere zeitgenössische (sowohl technische als auch medienhistorische) Erscheinungen werden als interaktiv bzw. interactive attributiert. Im deutschen Sprachraum sind dies etwa (chronologisch und exemplarisch): 1. Feedbacksysteme in geschlossenen Computerprogrammen (Nagata & Swisher 1995) 2. Homepages (Borrmann & Gerdzen 1998) 3. Fehlerantizipationen in digitalen Lehrmedien (Olberding 1998) 4. Talkshows (Schmale 1999) 5. Wikis (Platten 2008) 6. Blended-Learning-Umgebungen (Rieder-Bünemann 2009) 7. Apps (Braband 2012) Der enge semantische Wirkungsbezug zwischen medialem Objekt, didaktischer Methode oder didaktisierender Applizierung bilden das Gros der gefundenen korpusbasierten Suchergebnisse. Neben den bereits benannten Eigennamen wie Interactive Whiteboard/ IWB (Erstnennung in Cutrim Schmid 2007) greifen akronymische Konstruktionen häufig auf die „interaktive Wortfamilie“ zurück, wobei Kreationen aus dem englischen Sprachraum dominieren: Akronym (Quelle) Eigenname Kurzbeschreibung ICS (Kleinschroth 1989) Interactive Communications Simulations Internetvorläufer zur dezidierten fremdsprachendidaktischen Verbindung von Schulen und Schülern IN (Meinhof 1990) Interactive News Computerprogramm mit Sammlung von Textkarten im Hypercard Format KITES (Le Baron & Teichmann 1996) Kids Interactive Telecommunications Experience by Satellite Projektbezeichnung des Versuchs zur Herstellung internationaler Schülerkontakte per Satellit ITV (Evans 2006) Interactive Television Methodischer Ansatz des Zeigens und Reflektierens zielsprachlicher Nachrichtenbeiträge MILES (verschiedene; Erstnennung: Burmeister 2006) Multimediale Interaktive Lernmodule für Englischlehrkräfte und Sprachstudierende 63 ing for English Language Learners Autorin zur Ausbildung von Schreibkompetenzen Tab. 3 Akronyme mit dem Bestandteil interactive im IFS-Abstract-Korpus Hieran lassen sich bestimmte ritualisierte oder routinierte Formen der Adaption aus dem angelsächsischen Raum entlehnter Konzepte ablesen, die sodann die semantische Begriffssetzung der hier fokussierten Wortfamilie transparenter machen. Es spricht so einiges dafür, dass die deutschen Äquivalente zu interactive und - quantitativ marginaler - interactivity auf eben solchen globalen Methodendiskussionen fußen, die wiederum in den sich revolutionär ausnehmenden technischen Fortentwicklungen der letzten drei Jahrzehnte ihren praxisnahen Nährboden finden mussten. 4 Fazit Aus den gewonnenen Daten lässt sich unisono keine „Sloganisierung“ oder Überfrequentierung von interaktiv, Interaktivität usw. evaluieren. Ob des immer wieder transparenten Ansinnens, neue Medien, didaktischmethodische Paradigmenwechsel und zeitgenössische Trends zu versprachlichen, kann auf jede Form der metadiskursiven Sprachkritik verzichtet werden. Gleichwohl bringen es die rasanten, gerade technologischen Veränderungen mit sich, dass es Betrachern des Gegenstands aus isometrischen Blickwinkeln (wie hier der Fremdsprachendidaktik) häufig an terminologischer Trennschärfe mangelt, die in eben dieser Rasanz Begründung findet. Mag es so nicht möglich sein, eine wissenschaftlich akkurate Taxonomie interaktiver Lehr- und Lernmedien herzustellen, so ist dies kein Ausdruck mangelnder Forschungsprägnanz. Ein isolierter Blick auf die Lexeme Interaktion und interaktiv - vor dem Hintergrund der hier gewonnenen frequenzanalytischen und lexikographischen Daten - unterstreicht deren innerwörtliche, nicht transparente und in Neuwortkreationen unmotivierte Begriffsaufladung als Komposita. Sich dasselbe Determinans (inter) teilend, öffnen die beiden Determinata Aktion und (inter)aktiv - abermals isoliert betrachtet - ihrer identischen Herkunft zum Trotz ganz eigene semantische Wirkungsradien und Bedeutungszusammenhänge. Neuwortbildungen versprachlichen und lexikalisieren mit teils neuen Graphemketten Konzepte im alten semantischen Gewand, worin die Stilisierung als Buzzword mutmaßlich Begründung findet. Beispielgebend hierfür ist die schleichende Lexikalisierung der Substantivierung Interaktivität im Kontrast zu ihrer adjektivischen Basis und dem hochfrequenten, interdisziplinär wie alltagssprachlich geläufigerem Scheinpendant Interaktion. Die kohärente Einbettung der untersuchten Wörter in konzeptuelle, SWELL (Teo 2007) Social-interactive Writ- Konzeptentwicklung der Sebastian Kilsbach 64 zumeist technische Wirkzusammenhänge lässt folgende Vermutung zu: Obwohl (oder gerade weil) eine akkurate linguistische Definitionsschärfung schwer zu realisieren ist, ist davon die in der alltäglichen Sprech- und Schriftsprache präsupponierte Vorstellung des graphematisch versprachlichten Lexems Interaktivität nicht betroffen. Betont sei hier zuletzt die früh einsetzende, semantisch umrahmte Metakritik des Wortfeldes. Diese ist vor allem im Zusammenhang mit der bemühten Interpretation der digitalen Revolution von Relevanz, welche ihrerseits vor diesem Hintergrund, wenn schon nicht relativiert, so zumindest kritisch eingeordnet werden will. Auf metasprachliche Auslotungsversuche im Rahmen der Kommunikations- und Medienwissenschaft, deren genuiner Forschungsraum von technischen Entwicklungstendenzen weit unmittelbarer betroffen ist als sprachwissenschaftliche Teildisziplinen, wurde bereits eingangs innerhalb des Problemaufrisses verwiesen. In der fremdsprachendidaktischen Abstract-Korpusuntersuchung des IFS Marburg findet sich bereits im Jahr 2000 ein erster Beleg terminologischer Definitionsschärfungen. Innerhalb des Sammelbandes „Sprachlehrforschung im Wandel“ verrät der Knapptext zum Beitrag Schwerdtfegers: Der Beitrag geht der Frage nach, ob sich hinter den Begriffen „kollaboratives“, „kooperatives“ und „interaktives“ Lernen etwas Neues verbirgt oder ob es sich bei den Begriffen lediglich um neue Termini für schon alte Sachverhalte handelt. Wie gezeigt werden konnte befand sich das Lexem interaktiv zum Publikationszeitpunkt der zitierten Quelle am frequenziellen Scheitelpunkt. So erreicht es im GoogleBooks-Korpus (vgl. Abb. 6) in Jahr 2000 seinen bisherigen Peak; konträr nimmt sich der im IFS-Korpus evaluierte Tiefpunkt in fachsprachlichen Abstracts zum selben Zeitpunkt aus. Ein Kausalzusammenhang ist zwar nicht nachweisbar, wohl aber das frühe Einsetzen metakritischer, definitorischer, taxonomischer etc. Debattenbeiträge. Während sich die technische Evolution auf der Überholspur befand, befindet und (allen Anschein nach) befinden haben wird, wird es die sie nutzende und für didaktische Konzepte fruchtbar machende Wissenschaft der Sprachlehrforschung stets schwer haben, eine saubere Trennlinie zwischen alltagssprachlicher Ausformung und semantisch-technologischer Akkuratesse zu gewährleisten. Dies schmälert weder Forschungsbeiträge, noch die ihnen zugrunde liegenden digitalen Medienträger und technisch-formalen Ausformungen. Unklar bleibt die Anbindung und semantische Kohäsion werbesprachlicher Slogans zur alltagssprachlichen Assoziationsbündelung. Da diese Verbindung jedoch bereits seit den 80er, spätestens aber den 1990er Jahren ganz natürlicher Bestandteil des Produzenten-Adressaten- 65 Gefälles des Textsortenbereichs ist, betrifft dies kaum die durch die technologische Rasanz vorangetriebene Normalisierung, dank derer digitale (Lehr)Medien Teil des Alltags wurden. Mag so eine definitorische Schärfung immer Momentaufnahme der gerade florierenden Geräte bleiben, so ist diese - zumindest im Bereich der Fremdsprachendidaktik - womöglich gar nicht notwendig. Trotz der steigenden quantitativen Frequenz nahm die Rezeption und Reflektion der Termini als zu definierendes Wortfeld nicht ab, sondern zu, blieb die kollokationär sichtbar gewordene Verknüpfung zu zeitgenössischen technischen Hilfsmitteln stets intakt. Literatur Agricola, Erhard (Hrsg.) (1988). Wörter und Wendungen. Wörterbuch zum deutschen Sprachgebrauch (13, unveränderte Auflage), Leipzig: VEB Bibliographisches Institut. Arntz, Reiner; Picht, Heribert & Schmitz, Klaus-Dirk (2002). Einführung in die Terminologiearbeit (4., gründlich überarbeitete Auflage). Hildesheim: Olms (1. Aufl. 1989). Bensoussan, Marsha (1986). Beyond vocabulary: Pragmatic factors in reading comprehension - culture, convention, coherence and cohesion. Foreign Language Annals, 19(5), 399-407. Bernsdorf, Wilhelm (Hrsg.) 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Die Lernenden nutzen Medien, um etwas zu lernen, sie kommunizieren über die Medien und der Gebrauch von Medien, deren technische Entwicklung 1 und das sich ändernde Mediennutzungsverhalten 2 selbst sind sowohl Gegenstand des Lernens als auch Motor für die Veränderung von Lernen. 3 Aus diesem komplexen Miteinander von Lernenden und Medien soll im Folgenden ein Teilaspekt herausgegriffen werden, das Verschwimmen der Grenzen zwischen zwei Bereichen, die sich traditionell prototypisch recht gut voneinander abgrenzen ließen: - Menschen arbeiten mit Programmen, die zum Zwecke des Lernens einer Fremdsprache extra produziert worden sind, und 1 Hier stellen sich Fragen wie die danach, welche Auswirkungen technische Aspekte wie die Tragbarkeit des Geräts oder die Größe des Bildschirms für Auswirkungen auf das Übungsdesign und die damit verbundene Interaktivität haben. 2 Beckmann und Martin (2013) zeigen, wie die Tatsache, dass das Smartphone die Lernenden begleitet, dazu beitragen kann, diese aus Sprachlernern zu Sprachverwendern zu verwandeln. Zur Problematik der Texteingabe und Textbearbeitung bei mobilen Geräten vgl. den Beitrag von Sussex (2012), zu den verschiedenen Möglichkeiten, im iphone vorhandene Funktionen für das Fremdsprachen lernen zu nutzen, Shinagawa (2012). 3 So kann inzwischen die Kamera eines Tablets auf eine Lehrwerkseite gehalten werden, so dass eine schülerangemessenere Version zustande kommt. Ein geschriebener Text kann durch eine Audioversion oder audiovisuelle Versionen ergänzt werden, zusätzliches Material kann hinzutreten. Diese technische Innovation ist zweifelsohne ganz ausgezeichnet, es bleibt aber als entscheidende Frage, was die jeweils angemessene Schülerversion ist. - Dietmar Rösler 70 - Menschen kommunizieren beim Lernen einer neuen Fremdsprache mit anderen Menschen unter Verwendung digitaler Medien. Ein Mensch, der mit einer geschlossenen, mit Hot Potatoes generierten Übung sein Formenrepertoire in einer Fremdsprache festigt, ist ein Beispiel für den ersten Typ, zwei Menschen oder Gruppen von Lernenden, die chatten oder in einer Videokonferenz miteinander reden, eines für den zweiten. In der Literatur zum Fremdsprachenlernen mit digitalen Medien wird auf diese beiden Typen oft mit computer assisted language learning (CALL) und computer mediated communication (CMC) referiert. 4 Eindeutig den beiden Bereichen CALL und CMC zuordbare Aktivitäten der Lernenden übernehmen beim Fremdsprachenlernen bestimmte Funktionen: CALL bedient oft den Bereich des klassischen Übens mit geschlossenen Übungen zu bestimmten Formen, CMC führt oft die Traditionen des kooperativen Lernens und der Projektarbeit weiter, z.B. dadurch, dass es die traditionell meist asynchronen Klassenkorrespondenzen um die Möglichkeit erweitert, auch bei räumlicher Distanz synchron miteinander zu kommunizieren. Diese beiden klar voneinander abgrenzbaren Vorkommensweisen von digitalen Medien beim Fremdsprachenlernen haben die Anfangsphase der Invasion der digitalen Medien in den Fremdsprachenunterricht bestimmt, und sie sind auch heute noch vielfältig anzutreffen. Darüber hinaus haben sich aber auch Vorkommensweisen entwickelt, bei denen Elemente beider Bereiche zusammenspielen. In diesem Beitrag sollen zunächst unterschiedliche Varianten von CALL und CMC beschrieben und ein Stück weit klassifiziert werden, sie reichen von der simplen Anklickübung bis zum entdeckenden Lernen per animierter Grammatik in dem einen und von den ersten einfachen asynchronen Kooperationsprojekten per Email-Austausch bis zu Kooperationsprojekten, die komplexe Medienangebote nutzen, in dem anderen Bereich. Danach wird diskutiert, inwieweit das Verschwimmen von Grenzen zur Normalität wird und welche Auswirkungen das für das Fremdsprachenlernen hat. 2 CALL und CMC prototypisch Auch wenn die beiden folgenden Unterkapitel so aussehen, als versuchten sie, eine Typologie 5 des Lernens mit digitalen Medien herzustellen, muss 4 Wobei allerdings festgestellt werden muss, dass diese Trennschärfe nicht immer gegeben ist: CALL findet sich manchmal auch als Oberbegriff für den gesamten Bereich des Fremdsprachenlernens mit digitalen Medien. 5 Die Fremdsprachenforschung ist im Hinblick auf erfolgreiches Typologisieren nur bedingt erfolgreich (vgl. Rösler & Ulrich (2003), Würffel (2016)). Die beiden CALL und CMC - verschwimmen die Grenzen? 71 festgehalten werden, dass dies zwar ein Versuch ist, Ordnung in die Vielfalt der zu betrachtenden Phänomene zu bringen, dass dieser aber verglichen mit einem Versuch, eine Aufgabentypologie zu erstellen, wie er systematisch von Segermann (1992) unternommen wurde, keine eigenständige typologische Unternehmung ist. Gedacht sind diese beiden Unterkapitel lediglich als Ausgangspunkt einer Diskussion über die Funktionalität bestimmter Vorgehensweisen beim Fremdsprachenlernen. 2.1 CALL Einfache, zumeist geschlossene, Übungen gehören zu den ersten Beispielen für das Fremdsprachenlernen mit digitalen Medien. Während diese manchmal als alleinstehende Übungen im Internet, häufiger jedoch in Verbindung mit Lehrwerken zunächst als Begleitmaterial auf CD, später als herunter-ladbares Angebot oder als Angebot auf einer Lernplattform vorkamen und außerhalb von Selbstlernkursen nicht im Zentrum der fachdidaktischen Diskussion standen, wird in den 10er Jahren des 21. Jahrhunderts eine Beschäftigung mit derartigen Übungen aus zwei Gründen besonders relevant. Zum einen wird durch die zunehmende Verbreitung von mobilen Endgeräten 6 das individuelle Lernen außerhalb traditioneller Klassenzimmer für das Fremdsprachenlernen mit Apps ein wichtiger Gegenstand der Fremdsprachendidaktik (vgl. Biebighäuser (2015), Falk (2015) oder Krauß (2015)), zum anderen wird die öffentliche Diskussion um personalisiertes Lernen intensiviert: Mit dem Einbau von big data in Entscheidungen darüber, was als nächstes von einem Individuum gelernt werden wahrscheinlich am häufigsten zitierten Bücher, deren Titel behaupten, dass es sich um eine Typologie handelt, sind eher hilfreiche Materialsammlungen. Mit der 1981 erschienenen Übungstypologie zum kommunikativen Deutschunterricht (Neuner, Grewer & Krüger 1981) wird dem Leser anhand einer Reihe von Abbildungen aus dem kurz davor erschienenen Lehrwerk Deutsch aktiv vermittelt, wie kommunikativer Deutschunterricht vonstatten gehen sollte. Im Gegensatz dazu ist das 1996 erschienene Aufgaben-Handbuch Deutsch als Fremdsprache, das den Untertitel trägt: Abriß einer Aufgaben- und Übungstypologie (Häussermann & Piepho 1996), eine äußerst umfangreiche Sammlung von Abbildungen aus verschiedenen Lehrwerken zu unterschiedlichen Aufgaben zu verschiedenen Aspekten des Fremdsprachenlernens, der noch weniger als die kommunikative Übungstypologie reflektiert, nach was für Kriterien Lehrmaterial klassifiziert werden kann. 6 Als generellen Überblick über das M-Learning und dessen Entwicklung vergleiche Quinn (2013), Crompton (2013a) und Cochrane (2013). Die historische Entwicklung von M-Learning zeichnet Crompton (2013b) nach. Dietmar Rösler 72 soll, werden derartige Entscheidungen Teil der größeren Diskussion um Personalisierung und Technologie. Die Frage der Personalisierung muss nicht automatisch mit der Thematisierung ihrer Technologisierung verbunden werden. Anfang der 1970er Jahre, als in der Fremdsprachendidaktik das Stichwort von lernerbezogenem Unterricht die Diskussion beherrschte, gab es vor allen Dingen im nordamerikanischen Diskurs zwei unterschiedliche Linien, eine, die man eher als humanistisch oder emanzipatorisch, und eine, die man eher als technokratisch bezeichnen könnte und die eine Verbindung zum programmierten Unterricht herstellte (vgl. den Überblick in Rösler (1992: 156-163)). Zumindest die aktuelle öffentliche bildungspolitische Diskussion scheint beim Thema Personalisierung humanistischen Zielen kaum Beachtung zu schenken 7 , der Fokus liegt auf der Technologisierung der Personalisierung, womit für das Fremdsprachenlernen traditionelle CALL-Formen wieder in den Vordergrund rücken. Bisher, so kann man vorsichtig festhalten, sind big data-Analysen hilfreich, wenn sie Lernerergebnisse bei geschlossenen Aufgaben und andere quantifizierbare Elemente wie die Zeit, die die Lernenden verwenden, die Häufigkeit des Übens usw. einbeziehen. Es handelt sich also um etwas, was einen ersten Fortschritt darstellt, aber doch auf der Oberfläche bleibt. Dass diese Art von Lernermodellierung nicht ausreicht, wird klar, wenn man sich anschaut, dass ein Lehrer im aktuellen Unterricht sicher Elemente wie Häufigkeit, verwendete Zeit und Erfolg bei geschlossenen Aufgaben nicht automatisch als Basis für seine Einschätzung der Lernenden und für seine Empfehlungen für das weitere Vorgehen ansehen würde. Insgesamt ist bei der Diskussion von big data-Analysen also z. Z. wohl eher das Augenmerk auf dessen Grenzen zu legen: Wofür ist die Lehrkraft besser, auch beim fremdsprachigen Üben, z.B. durch ihre emotionale Begleitung des Lernprozesses, die durch ein paar noch so gut gekleidete Eulen 8 sicher nicht erreicht werden kann, durch die soziale Unterstützung im Klassenzimmer usw. Dies bedeutet nicht, dass man sich die big data-Analysen 7 So verkünden zum Beispiel zwei Mitarbeiter der Bertelsmann Stiftung am 16. Januar 2016 in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung unter der Überschrift ‚Zentralrechner erstellen über Nacht den Lernplan‘, dass es in Amerika schon Schulen gebe, “in denen ein Zentralrechner über Nacht jedem Schüler einen individuellen Lernplan für den nächsten Tag zusammengestellt. Oder Hochschulen, wo eine Software mit kaum vorstellbarer Treffsicherheit die Vorlesungen empfiehlt“ (C3). Es ist wohl kein Zufall, dass der Zentralrechner Vorlesungen und keine Seminare aussucht und dass er sich um Gegenstände und nicht um Lernprozesse kümmert. 8 Vgl. zu den Eulen in duolingo den Beitrag von Falk und Götz (in diesem Band). CALL und CMC - verschwimmen die Grenzen? 73 von Lernprozessen nicht sehr genau anschauen sollte, um möglichst viel Profit aus Aussagen über die Art und Weise, wie Lernende mit bestimmten Übungen umgehen, wie erfolgreich bestimmte Formate sind, inwieweit es sinnvoll mögliche Aussagen über die Abfolge von Übungsformaten usw. gibt, zu schlagen. Die Reichweite dessen, was unter der Überschrift CALL betrachtet werden kann, reicht von einer einzelnen Übung zu einem sprachlichen Phänomen, die in kürzester Zeit mit dem Autorenprogramm Hot Potatoes erstellt wurde, eventuell sprachliche Fehler aufweist, mit unangemessenem Feedback ausgestattet ist und keinen expliziten Bezug zu einem bestimmten Sprachniveau erkennen lässt, über mit dem gleichen Autorenprogramm hergestellte Folgen von aufeinanderbezogenen Übungen, die die Möglichkeiten des Programms im Bereich des Feedback voll ausreizen, bis zu mit großem Aufwand 9 professionell programmierten und entwickelten Lernangeboten. Es kann sich dabei um Lernmaterial handeln, das Begleitmaterial zu einem Printlehrwerk darstellt, Teil eines Online-Kurses ist oder auch keinerlei Anbindung an meist mit Progressionsüberlegungen verbundene Lernarrangements hat. Wie gut oder wie schlecht das jeweilige Lernmaterial ist, kann nur aufgrund von sich auf dessen Qualität beziehenden Kriterien 10 eingeschätzt werden, nicht aufgrund der Tatsache als solcher, dass ein Lernender mit Lernsoftware interagiert. Die einfachste CALL-Situation ließe sich wie folgt beschreiben: • der Lernende sitzt vor einem Computer, 11 auf dem ein Lernprogramm läuft, er klickt, das Lernmaterial reagiert mit einer Einschätzung der Aktivität des Lernenden, Ende der Interaktion. Unter diese Beschreibung fallen die klassischen geschlossenen Hot Potatoes Aufgaben. Die Einschätzung der Eingabe des Lernenden durch die Software, das Feedback, kann sich auf die Rückmeldung beschränken, dass die Eingabe richtig oder falsch ist, es kann Erklärungen liefern oder einen Score anzeigen. Wie umfangreich oder knapp und welcher Art das Feedback ist oder sein soll, ist Gegenstand umfangreicher Diskussionen, die CALL seit den Anfängen begleitet. 12 Nach dieser Rückmeldung kann entweder der Lernen- 9 S. Zeyer, Bernhardt und Ivanovska (2015) als Beschreibung des langen Wegs der Entwicklung eines komplexen Lernangebots. 10 S. Mitschian (2004). 11 Wobei es an dieser Stelle noch unerheblich ist, ob er in einem Computerraum vor einem Gerät sitzt oder ob es auf seinem Smartphone an der vielzitierten Bushaltestelle zu einer Interaktion mit dem Lernprogramm kommt. 12 Bezogen auf welche Lerngegenstände und in welcher Form und Ausführlichkeit die Lernenden Feedback benötigen und erwarten, z.B. elaborierteres, wenn sie Dietmar Rösler 74 de einen nächsten Schritt auswählen, oder das Programm schlägt ihm einen nächsten Schritt vor: • Der Lernende klickt, das Lernmaterial reagiert mit einer Einschätzung der Aktivität des Lernenden, das Material schlägt eine nächste Aktivität des Lernenden vor. Hier stellt sich die für die Diskussion der Interaktion von Nutzer und Lernmaterial interessante Frage, worauf dieser Vorschlag beruht. Der Vorschlag kann durch eine Zufallsauswahl generiert werden oder im Programm unabhängig von dem jeweiligen Nutzer festgelegt worden sein. Dies geschieht auf der Basis der Fachkenntnisse der Materialentwickler, die sich mit dem Lerngegenstand auseinandergesetzt haben und festlegen, welcher Schritt bzw. welches Angebot zur Auswahl von Schritten als nächstes sinnvoll ist. In diesem Fall wird also auf die Individualität der Lernenden kein Bezug genommen. Möglich ist jedoch auch, dass aus der Analyse der bisherigen Aktivitäten eines bestimmten Lernenden oder von dessen Selbstaussagen das Programm Annahmen über sinnvolle nächste Lernschritte dieses speziellen Lernenden macht. In diesem Fall macht sich das Programm also ein Bild, ein Modell, des Lernenden, und schlägt ihm ein bestimmtes Vorgehen vor - es verhält sich also ähnlich einem Sprachlernberater/ einer Lehrkraft, die das Individuum kennt bzw. kennenlernt und auf der Basis dieser Daten Vorschläge für das bestmögliche Vorgehen macht. Der konkrete Vorschlag des Programms kann aber nicht nur aus der Analyse der Daten eines individuellen Lerners generiert werden sondern durch big data auf der Basis der Analyse der Aktivitäten vieler Lernender, 13 entweder in dem bekannten Verkaufsformat ‚Lerner, die diesen Lernschritt erfolgreich absolviert haben, haben als nächstes…‘ oder ohne Vorschlag direkt als Ergebnis der Analyse erfolgreichen Lernens vieler Nutzer. In einem Interview im New Scientist am 14. Mai 2015 unter der Überschrift ‚My Duolingo learning app can reshape education‘, sagte Luis von Ahn, CEO der Fremdsprachenlern-App duolingo 14 : sich einem Phänomen neu nähern oder später evtl. gar kein oder knapperes Feedback, gehört zu den Fragen, die nun schon längere Zeit diskutiert werden. Vgl. den Überblick über die frühen Entwicklungen in Rösler (2004: 177-194). 13 In einem Porträt des Duolingo-Gründers van Ahn schreibt die FAZ am 11.8.2016, S. 24, Duolingo habe ca. 120 Millionen Nutzer weltweit. Was unter Nutzer verstanden wird, für eine Marathon-Disziplin wie das Fremdsprachenlernen ja ein nicht ganz unwichtiger Aspekt, wird nicht gesagt. Vgl. als Beitrag zu Duolingo, der besonders herausstellt, dass es sich um eine unabhängige Analyse handele, Garcia (2013). 14 Zu duolingo s. Falk und Götz (in diesem Band). CALL und CMC - verschwimmen die Grenzen? 75 We’re in a position to discover how people learn on a much larger scale, and we’re going to release a lot of that information. Let’s say moving a single word forward in the curriculum improves learning outcomes by 0.1 per cent. You can’t measure that with 50 students. You need tens of thousands of students to see those differences: 0.1 per cent is not a lot. But if you do 10 of these changes you have 1 per cent improvement; if you do 100, you have 10 per cent improvement. That’s big. These are the types of things that you can’t do offline. 15 Das Problem einer derartigen Adaptivität und einer so entwickelten Personalisierung ist, dass neben die oben geschilderten eher oberflächlichen Aspekte keine weiteren treten: angepasst wird der Pfad, aber nicht die Inhalte. Der implizite Lehrer bleibt dadurch in Bezug auf die Inhalte dominant. Interessant ist auch, dass der implizite Lehrer im digitalen Material zum Teil stärker und expliziter bewertend ist, durch Wettbewerbe ebenso wie durch Eulen, als es ein feinfühliger Lehrer in der Klasse wäre. Langfristig ideal wäre es, wenn bei einer Selbstlernübung ein „echter“ Lehrer und Tutor auf Abruf bereitsteht, der ins Spiel kommt, wenn die automatisierten Feedbacks nicht ausreichen. Interessant ist, wie selbstverständlich bei diesem Konzept davon ausgegangen wird, dass nicht die Arbeit von Experten im Bereich des Fremdsprachenlernens und der Lehrmaterialentwicklung, sondern Statistiken, die die Daten einer großen Zahl von Lernenden auswerten, die Optimierung von Lernmaterial vorantreibt. Die Fremdsprachendidaktik wird in Zukunft sehr stark von big data profitieren können: Wenn man wirklich verfolgen kann, wie bei einer sehr großen Zahl von Lernenden Entscheidungen, die sie über ihre eigenen Lernpfade, ihre Übungsintensität usw. treffen, mit ihrem Durchhaltevermögen und ihren Lernerfolgen korreliert, dann kann die Fremdsprachendidaktik, die gerade im Bereich Lehrmaterialrezeption ein Defizit im Hinblick auf empirische Forschung hat, davon nur profitieren. Problematisch ist an dieser Stelle also nicht, dass versucht wird, über eine möglichst große Zahl von Lernenden Daten zu erheben und daraus Vorschläge für die Verbesserung von Praxis abzuleiten, problematisch ist, worüber man meint, nachdenken zu müssen: über die Progression der Lerngegenstände, to move a single word forward in the curriculum - und nicht über den Lernprozess. 15 https: / / www.newscientist.com/ article/ mg22229694.900-my-duolingo-learningapp-can-reshape-education/ ? utm_source=NSNS&utm_medium=SOC&utm_ campaign=twitter&cmpid=SOC%252525257CNSNS%252525257C2012- GLOBAL-twitter Dietmar Rösler 76 Was aus der Perspektive der Beobachtung von Aktivitäten der Lernenden und des Programms identisch ist - nach der Rückmeldung auf eine Lernereingabe wird dem Lernenden vom Programm eine neue Aufgabe gestellt -, ist unter dem Gesichtspunkt der Lehrmaterialentwicklung höchst different: Inwieweit Experten Material entwickeln und Reihenfolgen vorschlagen und inwieweit auf der Basis einer empirischen Analyse einer großen Zahl von Lerneraktivitäten Materialien und Reihenfolgen für konkrete Lernende automatisch generiert werden, wird weitreichende Konsequenzen für die Fremdsprachendidaktik haben. Auch normalerweise dem Bereich CALL zugeordnet sind Konstellationen, bei denen ein weiterer Mensch ins Spiel kommt, der jedoch nicht zu den Lernenden sondern zu den Lehrkräften gehört, z.B. in den folgenden Konstellationen: • Der Lernende klickt, das Lernmaterial reagiert mit der Aufforderung, das vom Lernenden Produzierte an eine lehrende Person aus seinem Präsenzkurs oder an einen mit dem Lernmaterial verbundenen Tutor zu schicken. Dies ist eine Situation, die man in Blended Learning Umgebungen oder bei reinem Online-Lernen antreffen kann, zum Beispiel bei offenen Aufgaben, bei denen die Lernenden einen Text verfassen und ihn an ihre Lehrkraft schicken, die diesen dann korrigiert zurücksendet oder inhaltlich auf den Text reagiert. 16 2.2 CMC Derartige Einsendeaufgaben, bei denen Lernende ihr Arbeitsergebnis an eine Lehrkraft oder einen Tutor senden, werden gemeinhin eher als Teil von CALL als als Teil von CMC verstanden. Das ist dadurch erklärbar, dass unter CMC prototypisch eine Art digital vermittelter Kommunikation zwischen mindestens zwei Menschen verstanden wird, bei der die Beteiligten versuchen, sich über einen Gegenstand auszutauschen, der mehr ist als eine korrigierende oder sonstwie im engen Sinne metasprachliche Kommunikation über ein sprachliches Produkt, das von einem der Beteiligten zum Zwecke des Sprachenlernens produziert worden ist. Das bedeutet nicht, dass in CMC keine korrigierenden oder metasprachlich erklärenden Interaktionen vorhanden sind, weist aber darauf hin, dass deren ausschließliches Vor- 16 Unter Klassifikationsgesichtspunkten eine interessante Frage ergibt sich, wenn sich die Online-Tutoren nicht viel anders verhalten als automatisiertes Feedback: Aus der Perspektive der Beobachtung des Feedbacks gehörten beide zusammen, wenn man jedoch von der Interaktion Mensch/ Mensch oder Mensch/ Maschine ausgeht, wären das zwei sehr unterschiedliche Dinge. CALL und CMC - verschwimmen die Grenzen? 77 kommen der Komponente der Definition von CMC zuwiderläuft, die ein Aushandeln von Bedeutung/ eine Beschäftigung mit ‚Inhalt‘ fordert. Prototypische Vorkommensweisen von CMC sind: • Ein Lernender kommuniziert synchron und/ oder asynchron mit einem anderen Lernenden über einen oder mehrere digitale Kommunikationskanäle. Das Lernen im Tandem ist ein frequentes Beispiel für eine derartige Kommunikation. E-Tandems sind zunächst einmal nichts anderes als Weiterentwicklungen des klassischen Tandems, bei denen eine räumliche Ko- Präsenz der Tandempartner nicht mehr erforderlich ist. Von echten Tandems zwischen zwei Sprachlernenden zu unterscheiden sind Tandems, bei denen ein Partner ein echter Fremdsprachenlerner und der andere Partner ein Lehrer in dieser Fremdsprache in der Ausbildung ist, wobei es zunächst unerheblich ist, ob er selbst Muttersprachler oder weit fortgeschrittener Lerner dieser Sprache ist. 17 Auch in dieser Situation sind beide Beteiligten Lernende, aber nur einer ist ein Sprachlernender. Diese Kommunikation unterscheidet sich von der in 2.1. bei der Korrektur von Einsendeaufgaben dem Bereich CALL zugeordneten Situation dadurch, dass die Tutoren auf dem breiten Spektrum zwischen Brieffreund und Lehrerrolle sehr unterschiedliche Verhaltensweisen ausprägen können. 18 • Mehrere Lernende kommunizieren miteinander synchron und/ oder asynchron über einen oder mehrere digitale Kommunikationskanäle. Hierzu gehörten anfangs die Kommunikation im Chat 19 und in thematischen Foren. Damit verwandt, aber getrennt zu betrachten 20 , ist dabei das Vorhandensein eines Tutor/ einer Lehrkraft: • Mehrere Lernende kommunizieren miteinander synchron und/ oder asynchron über einen oder mehrere digitale Kommunikationskanäle unter Anwesenheit eines Tutors/ einer Lehrkraft. 17 Zur Unterschiedlichkeit des Verhaltens und der Einstellungen muttersprachlicher und nicht-muttersprachlicher Lehrender in Online-Tutorien vgl. Rösler und Würffel (2010: 198-203). 18 Es ist deshalb auch nicht verwunderlich, dass Studien zu Online-Tutorien in der Lehrerausbildung das Thema Korrektur sowohl im Hinblick auf die Formen als auch die Intensität der Korrektur intensiv diskutieren. Vgl. dazu schon Tamme 2001. 19 Die unterschiedlichen Möglichkeiten von Text- und Voice-Chats thematisieren Biebighäuser und Marques-Schäfer (2009). 20 U.a. aus dem Grund, dass sich die Beiträge durch Auswirkungen der sozialen Erwünschtheit unterscheiden können. Dietmar Rösler 78 Es kann sich dabei um eine aktiv teilnehmende Person wie z.B. in einem didaktischen Chat (vgl. Platten (2003), Marques-Schäfer (2013)) handeln oder um eine mitlesende oder die Einträge beurteilende, aber keine Inhalte beitragende Person wie in einem Forum, das Teil des Unterrichts in Blended Learning-Konstellationen ist (vgl. Becker in diesem Band). CMC begann in Foren oder per E-Mail mit von den Lernenden produzierten medial schriftlichen Texten, die in einigen Textsorten konzeptionell mündlich sein konnten. Mit der technologischen Entwicklung differenzierte sich auch CMC aus: die Kommunikation kann synchron und asynchron, 21 medial schriftlich und mündlich, in Zweiergruppen und Konferenzen usw. erfolgen, die Teilnehmer können durch einen Avatar repräsentiert werden und überall da, wo CMC Teil eines institutionellen Lernens ist, bei dem die Aktivitäten der Lernenden bewertet werden, scheinen die Lernenden ‚subversiv‘ eine im jeweiligen institutionellen Kontext nicht angebotene Mediennutzung zu wählen, die keine für den Bewerter sichtbaren Spuren hinterlässt (vgl. Benitt (2015), Chaudhuri & Puskas (2011)). 22 3 Verwischung der Grenzen Auch wenn bei prototypischem CALL Menschen Empfänger von Einsendeaufgaben sein können, liegt das entscheidende Kriterium auf der Interaktion von Software und Nutzer. Auch wenn bei prototypischem CMC die miteinander kommunizierenden Menschen sich Texte, Links und eventuell auch (Hinweise auf) interessante Übungen schicken, liegt das entscheidende Kriterium auf der Interaktion von Menschen. Für viele Vorkommensweisen von digitalen Medien beim Fremdsprachenlernen ist diese prototypische Unterscheidung also sinnvoll, weil man mit ihr unterschiedliche Aspekte des Fremdsprachenlernens genauer benennen kann. Diese Unterscheidung ist jedoch kein Selbstzweck und schon gar nicht eine Aufforderung, sie im Alltag des Fremdsprachenlernens strikt voneinander getrennt zu halten: im Tandem kann als Teil eines gemeinsam gefassten Beschlusses selbstverständ- 21 Interessant ist die Frage, ob sich dabei neue Höflichkeitskonventionen entwickeln. Wenn z.B. Whats App zur Übertragung einer Audiodatei asynchron eingesetzt wird, statt dass die beteiligten Person direkt synchron miteinander zu telefonieren, wäre das in gewisser Weise eine technologische Neufassung der Konvention der 1960er Jahre, man dürfe niemanden zwischen 20: 00 Uhr und 20: 15 Uhr anrufen, also zur Zeit der Tagesschau. 22 Ein Blick auf die Entwicklung der Gießener Kooperationsprojekte des Fachgebiets Deutsch als Fremdsprache über 15 Jahre (vgl. Rösler (2014)) zeigt, wie rasant die technologische Entwicklung unterschiedliche Verwendungen von Kommunikationskanälen hervorgebracht hat. CALL und CMC - verschwimmen die Grenzen? 79 lich ein Partner dem anderen einen Hinweis auf eine Seite mit geschlossenen Übungen zu dessen Lernproblem schicken. Darüber hinaus entwickeln sich jedoch Mischungen, bei denen Elemente von CALL und CMC in einer Weise zusammenkommen, die für das Fremdsprachenlernen produktiv sein können. Bei der Entwicklung von komplexen Spielen 23 z.B., von echten Spielen, die weit über die in der Frühphase der Sprachlernspielentwicklung manchmal anzutreffende Verkleidung von Übungen als Spiele hinausgehen, könnte es möglich sein, dass inhaltsgetriebene Aktionen einzelner Spieler oder Gruppen von Spielern verträglich mit Elementen formfokussierter Aktivitäten auskommen 24 , die der Vorbereitung auf und besseren Durchführung von selbst gewählten inhaltichen Aktivitäten dienen. 25 23 Zu komplexen Spielen und Fremdsprachenlernen vgl. Schmidt, Schmidt und Schmidt (2016) und Jones (in diesem Band). 24 Z.B. dadurch, dass ein Lernender, der im Spiel als nächstes eine bestimmte Kommunikationsituation zu bewältigen hat, z.B. ein Bewerbungsgespräch oder ein erstes Date, beschließt, vor diesem kommunikativen Akt bestimmtes sprachliches Material zu üben, bestimmte Redemittel oder auch bestimmte grammatische Formen, von denen er annimmt, dass deren Beherrschung sich für ihn in der bevorstehenden Kommunikationsituation als nützlich erweisen werden. Diese Übungsmöglichkeiten, die er in einer ‚echten‘ Kommunikationsituation in Büchern auf seinem Schreibtisch oder durch Software auf seinem Computer suchen würde, sind im Spiel in einer Art ‚Sprach-Studio‘ vorhanden, in das er jederzeit gehen kann. 25 Bis zu einem Science-Fiction Ende weitergedacht bedeutet das: Ein Lernender interagiert in einer virtuellen Welt mit Umgebungen und Personen, die komplett fiktional sind, aber so komplex, dass nicht mehr entscheidbar ist, ob es sich um geskriptete fiktionale Figuren oder um reale Mitspieler handelt, so dass man eine Art didaktisches Turing-Kriterium hätte: „Das wohl aufregendeste, garantiert in nächster Zeit nicht und vielleicht nie auf den Markt kommende und höchst problematische dritte Modell des Fremdsprachenlernens per virtueller Realität ist eines, das die ganzen Probleme, die die Kommunikation zwischen zielsprachigen Muttersprachlern und Sprachlernern als Teil des institutionalisierten Lernens mit sich bringt, dadurch umgeht, daß es sie ersetzt durch eine konsequent künstliche natürliche Kommunikation, durch ein komplettes vielfach verzweigendes Cyber-Skript, das dem Lernenden zu jedem Zeitpunkt die Wahrnehmung des ungesteuerten Fern-Erlebens gibt, obwohl er sich in einer in diesem Umfang noch nie dagewesenen Weise in einem gesteuerten Lernprozeß befindet. Alle Kommunikationspartner in der virtuellen Welt, alle landeskundlichen Informationen, alle Verhaltensweisen, interkulturellen Mißverstehens- oder Glücksmomente usw. wären in dieser Variante durchgehend simuliert. Wahrnehmbar wären entweder Kunstfiguren und künstliche Räume oder aufgenommene authentische Originaltöne, -bilder und schauplätze, die aber bearbeitet wurden und dem Primat des Gesteuerten unter- Dietmar Rösler 80 Eine andere Art der Mischung: Die traditionell gängige Unterscheidung von Lernen in Begegnungssituationen und Lernen durch die Arbeit mit Lernmaterial wird an einigen Stellen durch die nun vorhandenen medialen Möglichkeiten zu einem Zusammenspiel von Begegnung und Arbeit mit Lernmaterial. Dieses Zusammenspiel kann unterschiedlich realisiert werden, z.B. ausgehend von der Begegnung, die aber an einem Ort stattfindet, der in besonderer Weise materialreich ist: • Mehrere Lernende kommunizieren miteinander an einem virtuellen Ort, an dem sie visuell durch einen Avatar repräsentiert werden und an dem das in der Umgebung vorhandene Material die Art der Kommunikation zwar nicht determiniert, sie jedoch stark angeregt. Dies ist z.B. in den in Biebighäuser 2014 untersuchten Begegnungen von internationalen Tridems in Second Life der Fall, wo ausgestellte Text- und Bilddokumente zur deutschen Geschichte Gesprächsanlässe für die als Avatare repräsentierten Lernenden liefern. 26 Auch die in den letzten Jahren zu beobachtende Tendenz, Tandem, ein klassisches selbstbestimmtes Begegnungslernen, stärker in den Mainstream des gesteuerten Fremdsprachenlernens zu integrieren, geht einher mit der Frage, inwieweit dazu vorproduziertes Lernmaterial bereitgestellt werden muss (und inwieweit damit eines der stärksten Argumente für das Lernen im Tandem, die inhaltliche Selbstbestimmung, unterminiert wird). Auch werden durch die mediale Entwicklung die ersten Versuche sichtbar, Lernende, die im Klassenzimmer mit einem bestimmten Lehrwerk arbeiten, weltweit miteinander zu verbinden: • Interaktion von Lernenden in sozialen Netzwerken mit fiktionalen Charakteren aus Lehrwerken und miteinander, wobei der Input der Lehrwerk-Figur durch Menschen erfolgt. liegen, oder gefilmte schauspielerische Leistungen wie in einem Sprachlernfilm, den die Lernenden sich nun allerdings nicht mehr ansehen, sondern in den sie direkt hineinsteigen. Sie bewegen sich scheinbar völlig frei in einer zielsprachigen Umgebung, die auf ihr sprachliches und nicht-sprachliches Verhalten reagiert und entsprechende Konsequenzen zieht, die sich über ihre landeskundliche Unkenntnis amüsiert oder ihnen hilft, sie zu verringern, die ihnen freundlich gesinnt ist oder auch nicht usw. Das vielfach verzweigte Skript reagiert quasinatürlich auf ihre Äußerungen und Handlungen, es läut also nicht ein Film ab, sondern die Lernenden laufen einen Film ab. (Rösler 2000: 129). 26 Diese Untersuchung zeigt auch sehr eindrucksvoll, wie stark die mediale Umgebung selbst zum Gesprächsgegenstand wird und mit welch großem Aufwand dieses Vorgehen verbunden ist. CALL und CMC - verschwimmen die Grenzen? 81 Hier stellen sich eine Reihe von Fragen, die für die Weiterentwicklung des gesteuerten Lernens von Belang sind: Handelt es sich nur um eine neue mediale Ausweitung des Lehrwerks oder erfolgt hier ein qualitativer Schritt aus der Beschränktheit der Lehrwerkwelt hinaus? Wie ähnlich/ unähnlich sind diese Interaktionen denen, durch die Charaktere aus literarischen Texten weitergeschrieben werden, also Fan-Fiction? Geschieht hier ein Übergang von fremdbestimmter Lehrwerkwelt zu thematischer Selbstbestimmung oder handelt es sich weiterhin um fremdbestimmte Übungsaktivitäten in anderer medialer Umgebung? Ein weiteres Beispiel für die Verwischung der Grenzen stellt die teilweise 27 ‚Abschaffung der Lehrenden‘ durch die Kooperation von vielen Lernenden in einer Community, in der Spracharbeit geleistet wird, dar, wodurch etwas, was traditionell über strukturiertes Lehrmaterial oder Input der Lehrenden geleistet wird, der ‚Schwarmintelligenz‘ der Lernenden überlassen wird. Man kann dies in Foren wie dem von ‚Deutsch für dich‘ des Goethe- Instituts 28 beobachten. Auf Fragen von Lernenden zu einem bestimmten sprachlichen Phänomen sind unterschiedliche Arten von Reaktionen möglich, z.B.: - kommunikativ freundlich und festhaltend, dass man dieses Problem auch habe, aber inhaltlich nicht weiterführend, - Link auf eine Seite, die mindestens ebenso schwierig zu verstehen ist, wie es eine schlechte Lehrererklärung oder Lehrwerkseite wäre, - hilfreiche und lernerangemessene Erklärungen (im Idealfall mehrere nacheinander, die ein gutes Ergebnis gemeinsam produzieren) - Wechsel in eine gemeinsame andere Sprache, die nicht die Zielsprache ist. Von großer Bedeutung für die Entwicklung der Fremdsprachendidaktik ist meines Erachtens die Frage, wie sinnvoll und Erfolg versprechend bezogen auf welche Lerngegenstände und welche erreichten Sprachniveaus eine derartige Abschaffung der Lehrperson/ des Tutors ist. Unter Profitgesichtspunkten ist sie natürlich sehr erfolgversprechend, man spart teures Personal ein. 27 Was auf den ersten Blick wie eine komplette Abschaffung aussieht und in Umgebungen wie duolingo vielleicht auch ist, ist an anderen Orten weniger eindeutig. Seiten in sozialen Netzwerken zu Lehrwerken werden von Verlagsleuten (Experten) betreut, in einer Community wie der des Goethe-Instituts stellen manchmal dessen Angehörige Beiträge ein und beantworten Fragen. Hier wird man erst im Laufe der Zeit sehen, wie Beiträge von Lernenden zu Fragen von anderen Lernenden und Beiträge von institutionellen Experten zu diesen Fragen miteinander auskommen. 28 https: / / www.goethe.de/ prj/ dfd/ de/ home.cfm Dietmar Rösler 82 Aber wer ersetzt dessen Funktion? Eine Antwort lautet: der individuelle Lernende selbst, der sich selbstbestimmt und hochmotiviert durch gut aufbereitetes Lernmaterial arbeitet. Eine andere mögliche Antwort lautet: An die Stelle der Lehrpersonen tritt die Community der Lernenden, in der das Nachfragen in Foren usw. zum selbstverständlichen Begleiter von digitalen Übungen und digital präsentiertem Material wird. Für wen es in seinem Mediennutzungsverhalten selbstverständlich ist, bei der Benutzung einer neuen Kaffeemaschine erst einmal zu schauen, wie einem das auf YouTube vorgemacht wird oder bei anderen Problemen sofort in einem relevanten Forum im Internet nachfragt, wird es auch für selbstverständlich halten, bei einer sprachlichen Herausforderung auf den Rat seiner digitalen Mitmenschen zu vertrauen. Wenn diese Art der sprachlichen Hilfestellung der Vorgehensweise entspricht, die ein Lernender bei seiner sonstigen Mediennutzung an den Tag legt und wenn er vor allen Dingen eine einfachere und ihn besser ansprechende Erklärung erhält, als er sie von Experten wie Lehrpersonen oder Lehrwerkmachern gewohnt ist, dann könnte dies eine sehr positive Wirkung entfalten. Zwei Probleme gilt es, dabei im Auge zu behalten: ein sprachspezifisches und ein generelles. Fremdsprachenlerner, vor allem Erwachsene und Jugendliche, befinden sich in einem permanenten Sprachnotstand: Zwischen dem, was sie zu sagen haben und in anderen Sprachen auch sagen können, und dem, was sie in der neu zu lernenden Sprache sagen können, besteht eine große Kluft. Für Foren, die der gegenseitigen Sprachberatung dienen, stellt sich die Frage, wie die Kommunikation in ihnen sprachlich abläuft.Theoretisch könnte dies, bei einer ausgangssprachhomogenen Lernergruppe, eine metasprachliche Kommunikation in der Ausgangssprache sein, in ausgangsprachheterogenen Lernergruppen müsste die Zielsprache selbst die Metasprache sein es sei denn, man kann auf Englisch als Lingua Franca vertrauen - und mit der Zielsprache als Metasprache wäre zumindest auf den unteren Sprachniveaus diese Art der Arbeit in der Community nicht möglich. Das generelle Problem: Die ad hoc Erklärungen der Peers mögen zu den geschilderten sprachlichen Problemen passen, können aber gleichzeitig auch zur Konstruktion von allgemeinen Regeln bei den Lernenden führen, die sich schon beim nächsten sprachlichen Phänomen als nicht haltbar erweisen. Zum Credo didaktischer Grammatikschreiber gehört es aber, dass vor allen Dingen auf den unteren Sprachniveaus Regeln vereinfachend sein, dass sie aber nicht zu falschem Sprachgebrauch führen dürfen. 29 29 Vor allem bei der Zielgruppe Anfänger müssen didaktische Grammatiken vereinfachen, wobei gilt, dass „mit dem, was die Lerner schon äußern können, nicht CALL und CMC - verschwimmen die Grenzen? 83 Diese Anforderung an Experten kann für die Peers nicht gelten, die mit dem Vertrauen in die Schwarmintelligenz verbundene Annahme ist, dass über die große Zahl der Peers sich eine Unterstützung herausarbeitet, die der Qualität der Arbeit der Experten entspricht, durch die Interaktionen in den Foren und die schrittweise Herausarbeitung aber einer Präsentation durch Experten überlegen oder zumindest gleichwertig ist. Falls das der Fall ist, tritt an die Stelle der Vermittlung durch institutionell legitimierte Experten das dialogische Erarbeiten -und vielleicht ist das dialogische Herantasten an eine Erklärung unter Aufmerksamkeits- und Motivationsgesichtspunkten ja gerade das, was einen Lernfortschritt festigt und ihn nicht nur bis zur nächsten Klausur bestehen lässt. Die Frage, auf die man wohl nur durch eine langfristige Beobachtung eine Antwort erhalten wird, lautet: Wird Lernen autonomer und effektiver, wenn die Lerner zu selbstbestimmten Anlässen und Zeitpunkten und an selbstbestimmten Orten über Smartphone und Internet auf Lernmaterial und Hilfestellungen zurückgreifen können, die keiner didaktischen Qualitätskontrolle durch sog. Experten unterliegen, die aber durch eine große Zahl beteiligter Peers und die Interaktivität der Peer-Beratung zu einem angemessenen Lernen führen? Hier wird es interessant sein zu verfolgen, inwieweit der Zeitaufwand, den die gemeinsame Arbeit in Foren usw. erfordert, langfristig etwas ist, was sich mit dem allgemein geänderten Mediennutzungsverhalten als selbstverständlich in den Köpfen der Lernenden festgesetzt hat und inwieweit die Erwartung existiert, dass man als Lernender eindeutig eine schnelle und gute Antwort erwartet, statt sich durch widersprüchliche Beiträge durchzuarbeiten. Dabei wird sich im Laufe der Zeit vielleicht auch eine interessante Aufteilung entwickeln in Lernprobleme, die ein schnelles und einfaches automatisiertes Feedback haben können, Lernprobleme, bei denen ein Lehrer „on demand“ zur Verfügung steht, und Lerngegenständen, bei denen es tatsächlich sinnvoll ist, dass die Gruppe der Lernenden miteinander diskutiert. Bei vielen Aspekten, die im weitesten Sinne mit Sprachwandel und dem Wandel von gesellschaftlichen Normen verbunden sind, kann es z.B. sehr sinnvoll sein, dass an die Stelle einer präskriptiven Antwort eines automatischen Feedbacks oder einer bestimmten Lehrperson ein diskursives Einkreisen des Gegenstandes erfolgt, das klar macht, dass mehrere Varianten möglich sind, Fehler hervorgerufen werden und wenn das Nachtragen von den nötigen zusätzlichen Informationen nicht zu Widersprüchen mit der ursprünglichen Regel führt, so dass später eine völlig neue Regel gegeben werden muss“ (Albert 2008: 103). Dietmar Rösler 84 dass daraus aber nicht folgt, dass das jeweilige gesellschaftliche oder sprachliche Verhalten beliebig ist. Literatur Albert, Ruth (2008). Beurteilung der Qualität von Grammatiken - ein wichtiges Ausbildungsziel für DaF-Studierende. In Christoph Chlosta, Gabriela Leder & Barbara Kirscher (Hrsg.) Auf neuen Wegen. Deutsch als Fremdsprache in Forschung und Praxis. 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Online verfügbar unter http: / / www.gfl-journal.de/ Formen interpersonaler Interaktion in Diskussionsforen zur DaF-Landeskunde Christine Becker 1 Einleitung Das wichtigste Charakteristikum von computervermittelter Kommunikation (CMC), die interaktive Komponente (vgl. Henri 1995: 149), stellt ein hohes Potenzial für Lehr- und Lernkontexte dar. Indem Lerner miteinander oder mit Experten 1 kommunizieren, kann Wissen konstruiert und Bedeutung ausgehandelt werden. Für die Fremdsprachendidaktik ist computervermittelte Kommunikation im Hinblick auf den Erwerb von sprachlichen Fertigkeiten (vgl. Brandl 2012: 2 ff) interessant, wenn Lerner miteinander oder mit Muttersprachlern komplexe Aufgaben bearbeiten, d.h. solche, die bedeutungsvolle, ‚echte‘ Kommunikation (vgl. Rösler 2012: 91) auslösen. 2 Findet diese Kommunikation zudem beispielsweise im Zuge einer länderübergreifenden Telecollaboration statt, kann außerdem die interkulturelle kommunikative Kompetenz (vgl. O’Dowd 2007) gefördert werden. Aber nicht nur für die Fremdsprachendidaktik ist computervermittelte Kommunikation interessant, sondern auch in anderen Kontexten. In der Hochschuldidaktik beispielsweise, in der es u.a. um die Vermittlung von Fachinhalten geht, spielt computervermittelte Kommunikation eine wichtige Rolle. Zugrunde liegt dem Einsatz in der Regel eine sozialkonstruktivistische Perspektive auf das Lernen, d.h. die Annahme, dass sich die Perspektivenvielfalt, die sich in der Interaktion manifestiert, eine bedeutende Rolle für die Konstruktion von Wissen hat (vgl. Fischer 2002: 123 ff). Diese Annahme bildet den theoretischen Ausgangspunkt, von dem aus im vorliegenden Beitrag in einem ersten Schritt asynchrone Online- Diskussionen, die im Rahmen eines universitären Landeskundeseminars stattfanden, auf Formen interpersonaler Interaktion hin untersucht werden. 1 Männliche Personenbezeichnungen werden für beide Geschlechter genutzt. 2 Dies entspricht dem aufgabenorientierten Lehren und Lernen: „Lernende lassen sich engagiert auf eine Aufgabe ein und verwenden dabei die Fremdsprache, um ihre eigenen Bedeutungen, Inhalte und Ziele zu kommunizieren“ (Müller- Hartmann & Schocker-von Ditfurth 2010: 204). Christine Becker 88 Dabei wird ausgehend von Henri (1995) zwischen genuiner Interaktion, d.h. solcher, in der der Beitragende A wieder auf die folgenden Beiträge B, C etc. antwortet, und Quasi-Interaktion unterschieden, also solcher, in der A sich nicht wieder zu Wort meldet. Henri (1995: 150 ff) und auch Dysthe (2002: 348) gehen davon aus, dass hauptsächlich genuine Interaktion relevant ist für Bedeutungsaushandlung und Wissenskonstruktion. In einem weiteren Schritt werden die Ergebnisse der Interaktionsanalyse mit den Resultaten einer Interviewstudie verglichen, die mit den diskutierenden Studierenden durchgeführt wurde. Der Fokus liegt dabei auf der Frage, welches Lernpotenzial die Studierenden der Interaktion in den asynchronen Online-Diskussionen zuschreiben. Zugleich werde ich mich auf der Basis dieser Daten mit den dargelegten Positionen von Dysthe (2002) und Henri (1995) im Hinblick auf das Lernpotenzial der Online-Diskussionen im Kontext von Fremdsprachenunterricht auseinandersetzen. 2 Interaktion in asynchroner computervermittelter Kommunikation Für den Einsatz von asynchroner computervermittelter Kommunikation im Fremdsprachenunterricht, beispielsweise mittels Foren, gibt es verschiedene Gründe, die zum einen lerntheoretischer, zum anderen methodisch/ didaktischer Natur sind. Zu letzterem Punkt zählt die relative zeitliche Flexibilität, die eine tiefergehende inhaltliche Reflexion ermöglicht und den Diskutanten mehr Zeit für die sprachliche Ausarbeitung der Beiträge lässt. Auch im Hinblick auf die Rezeption der Forumsbeiträge spielt der Faktor Zeit eine wichtige Rolle, denn die asynchrone Kommunikation bietet den Lernenden die Gelegenheit, sich mit dem Beiträgen sowohl auf einer sprachlichen als auch einer inhaltlichen Ebene wiederholt und auch zu späteren Zeitpunkten auseinanderzusetzen (u. a. O’Dowd 2007: 31, Graham 2006: 18). 3 Warschauer beispielsweise fasst Forschungsergebnisse zusammen, die 3 Auch spielt die Option, dass jeder Studierende seiner Persönlichkeit und seinen Voraussetzungen gemäß an Diskussionen teilnehmen kann, eine wichtige Rolle, wie Kelm anschaulich beschreibt: „From a pedagogical standpoint, one of the greatest advantages of CACD [Computer-Assisted Class-Discussion, Anm. CB] is the increased participation from all members of a class. […] CACDs are great equalizers. Every language class has a few students who are perhaps more shy than others or more self-conscious about the mistakes they make in front of others. There are times, despite the fact that their grammar is correct, when some students become frustrated with the pressure of keeping up with the pace of everyone else’s oral comments. […] [T]hese students can read comments at their own pace, type their responses at their leisure, and wait to send messages only Formen interpersonaler Interaktion in Diskussionsforen zur DaF-Landeskunde 89 darauf hinweisen, dass sich asynchrone computervermittelte Kommunikation im Fremdsprachenunterricht positiv auf die Sprachfertigkeiten und besonders auf die Fähigkeit, einen Text zu strukturieren, auswirkt. Auch Folgendes konnte gezeigt werden: Online results have also been reported to be positive regarding quality of discourse. Students of German took greater control over discourse management in online discussion than in normal classroom discussion […]. They used language that was lexically and syntactically more complex […] and covered a wide range of communicative and discourse functions […]. (Warschauer 1997: 474) Aus lerntheoretischer Perspektive ist das Hauptinteresse der potentielle Nutzen von asynchronen Online-Diskussionen für Bedeutungsaushandlung und gemeinsame Wissenskonstruktion (vgl. Hrastinski & Keller 2007, Gunawardena, Lowe & Anderson 1997), wobei dies im Fremdsprachenunterricht vor allem in sog. interkulturellen Telekollaborationsprojekten untersucht wird. Ausgangspunkt ist die Annahme, dass Wissen sozial konstruiert wird und dass die in Online-Diskussionen manifeste Mehrperspektivität dahingehend eine zentrale Rolle innehat: Durch die Partizipation an Aktivitäten der kollektiven Konstruktion bzw. Bedeutungsaushandlung und Weiterentwicklung externaler Wissensbestände soll auch das individuell-kognitive Wissen erweitert werden (Fischer 2002: 124). Dysthe (2002) weist dabei ausgehend von u.a. Bachtins Dialogtheorie (1981) und Rommetveits Intersubjektivitätstheorie (1974) dialogischen Strukturen in asynchronen Online-Diskussionen einen beträchtlichen Wert für das Lernpotenzial zu, d.h. wenn also auf ein Argument von A durch B mit einem Gegenargument geantwortet wird, worauf wieder eine Antwort von A folgt: According to Bakhtin and Rommetveit, meaning and understanding are created where there is a ‘reciprocity of differences’, where multiple voices struggle with one another, argue or supplement one another. Such aspects are therefore likely to create high learning potential for the participants. (Dysthe 2002: 348) Konkret bedeutet das, dass Lerner durch die dialogische Interaktion erfolgreich Aufgaben bearbeiten, die sie allein möglicherweise nicht lösen können. Henri (1995) knüpft in seinem Modell zur Analyse von Interaktion in computervermittelter Kommunikation (siehe Tabelle 1) an diese Annahmen an. when they are completely satisfied with what they have written (Kelm 1992: 443 ff). Christine Becker 90 Kategorie Definition 1. UNABHÄNGIGER BEITRAG 1.1 Selbstständig stehender Beitrag 1.2 Interaktion initiierender unabhängiger Beitrag 2. EXPLIZITE INTERAKTION Beitrag, der weder beantwortet noch kommentiert, und auch nicht kommentiert oder beantwortet wird. Beitrag, der weder beantwortet noch kommentiert, aber explizite oder implizite Interaktion initiiert. 1.1 Direkte Antwort Beitrag, der explizit auf eine Frage antwortet. 1.2 Direkter Kommentar Beitrag, der einen vorherigen Beitrag direkt kommentiert. 3. IMPLIZITE INTERAKTION 3.1 Indirekte Antwort Beitrag, der eine Frage beantwortet, ohne auf diese zu verweisen. 3.2 Indirekter Kommentar Beitrag, der einen Beitrag kommentiert, ohne diesen Beitrag zu nennen. Tab. 1. Modell zur Analyse von Interaktion in Online-Diskussionen (nach Henri 1995: 153) Er unterscheidet in der Kategorienbildung zwischen verschiedenen Formen der impliziten und expliziten Interaktion und fügt diesen außerdem die Kategorie „unabhängiger“ Beitrag hinzu. Für die vorliegende Arbeit wurde Henris Modell übernommen und die Kategorie „unabhängiger Beitrag“ unterteilt in Beiträge, die keinen der vorhergehenden Beiträge beantworten oder kommentieren, aber Interaktion initiieren, und solche, die weder vorgehende Beiträge beantworten oder kommentieren, noch selbst beantwortet oder kommentiert werden. Mithilfe dieses Modells können verschiedene Formen der Interaktion identifiziert werden, wobei zwischen genuiner Interaktion und Quasi-Interaktion unterschieden wird. In Analogie zu Bachtins Dialogtheorie definiert Henri genuine Interaktion wie folgt: In order for there to be genuine interaction, then, three actions must occur: 1) a message from A to B; 2) a message from B to A, elaborated in terms of the information transmitted by A; Formen interpersonaler Interaktion in Diskussionsforen zur DaF-Landeskunde 91 3) a message from A in response to the message from B. Though the first is essential to initiating interaction, the second and third are always required for there to be genuine interaction. (Henri 1995: 151) Quasi-Interaktion wiederum findet demnach dann statt, wenn auf einen ersten oder einen unabhängigen Beitrag zwar ein Beitrag folgt, dieser aber nicht mehr von dem Verfasser des ersten Beitrags beantwortet oder kommentiert wird (Henri 1995: 151). Genuiner Interaktion in asynchroner computervermittelter Kommunikation wird sowohl von Dysthe als auch von Henri zunächst ein hohes Lernpotenzial zugeschrieben, da sich in dieser Interaktionsstruktur zeige, dass jeder Beitrag der Studierenden eine neue Perspektive auf das Thema beinhalte und sich die Studierenden für die Ideen der anderen interessierten. Sie weisen aber auch darauf hin, dass gleichermaßen Quasi-Interaktion und unabhängige Beiträge ein Lernpotenzial besitzen: In der Analyse seiner Daten konnte Henri beispielsweise feststellen, dass nur ein Drittel der Beiträge überhaupt interaktiv waren, während die Studierenden erklärten, that a main source of learning had been the reading of the different solutions offered during teleconferences […]. Reading the teleconference texts, the learners observed how their colleagues went about resolving the problems and constructing arguments used to justify their solutions. (Henri 1995: 158) Das Lernpotenzial der asynchronen computervermittelten Kommunikation bestehe somit zwar zum einen in der dialogischen Interaktionsstruktur der Forumsdiskussionen, zum anderen aber auch darin, dass die Studierenden allein durch das Lesen der anderen Beiträge andere Perspektiven kennen lernten und somit in einen inneren Dialog mit den Beiträgen der anderen Studierenden treten (Dysthe 2002: 350). Ob sich diese Auffassung auch auf Diskussionen, die in der Fremdsprache stattfinden, übertragen lassen, wird im vorliegenden Artikel untersucht. 3 Untersuchungskontext Die hier untersuchten Forumsdiskussionen sind Teil eines Blended- Learning-Seminars zur Landeskunde der deutschsprachigen Länder, das im Sommersemester 2014 im Rahmen des Germanistik-Studiums an der Universität Stockholm stattfand. 4 Der ca. alle zwei Wochen stattfindende Prä- 4 Zulassungsvoraussetzung sind u.a. Deutsch-Kenntnisse auf dem Niveau von A2/ B1 des GER, viele der Studierenden befinden sich jedoch auf einem höheren Niveau. Auch im Hinblick auf Alter und inhaltliche Vorkenntnisse ist die Gruppe der Studierenden sehr heterogen. Christine Becker 92 senzunterricht wird mit dazwischenliegenden Online-Phasen kombiniert, wobei Online- und Präsenzkomponente inhaltlich eng miteinander verzahnt sind, da in der Online-Phase die Vorbereitung auf die Präsenzseminare stattfindet. Für die Datenanalyse ist es wichtig, darauf hinzuweisen, dass die Teilnahme an sowohl Präsenzunterricht als auch Online-Phase fakultativ ist: Die Beiträge im Forum schreiben die Studierenden, weil sie es selbst als sinnvoll betrachten. Inhaltlich ist das Seminar von einer kulturwissenschaftlich orientierten Landeskundedidaktik inspiriert, da kulturelle Deutungsmuster (vgl. Altmayer 2006), Erinnerungsorte (vgl. bspw. Schmidt & Schmidt 2007) und Nationalmythen (vgl. Fornoff 2009 und Schumann 2005) im Mittelpunkt stehen. 5 Diese Themenauswahl basiert auf der Annahme, dass so Bestandteile des kollektiven Wissensvorrats einer Gruppe vermittelt werden können, was die Voraussetzung für die Partizipation an fremdsprachigen Diskursen ist (vgl. Altmayer 2006). Während der Fokus auf der Vermittlung von Inhalten liegt, ist die Unterrichtssprache dennoch hauptsächlich Deutsch; für die Analyse ist wichtig, dass die Studierenden in den hier untersuchten Diskussionsforen explizit dazu aufgefordert wurden, auch auf Schwedisch zu diskutieren, was allerdings nur äußerst selten vorkommt. Die Verortung des Seminars auf der Schnittstelle von Sprach- und Fachunterricht ist für die Diskussion um die Verbindung von Fach- und Sprachunterricht im Rahmen von Sprachstudiengängen (vgl. Rösler 2006, Schmenck 2010) interessant, da die hier präsentierten Forschungsergebnisse Impulse geben können für Möglichkeiten der sinnvollen Verknüpfung von sprachlichem und fachlichem Lernen, das an Hochschulen und Universitäten in vielen Fällen noch getrennt stattfindet (vgl. Rösler 2006: 230). Die Wahl der Lernform Blended Learning bzw. des Werkzeugs Forum ist in diesem Zusammenhang auf die Annahme zurückzuführen, dass die Studierenden von der relativen zeitlichen Flexibilität profitieren, da sie so mehr Zeit haben, ihre Gedanken in der Fremdsprache Deutsch zu formulieren als es in der face-to-face-Kommunikation möglich wäre. So soll eine gleichberechtigtere Diskussion sowohl zwischen „redefreudigen“ und zurückhaltenden Studieren (vgl. Warschauer 1997: 473), sowie zwischen Studierenden mit Deutsch als L1 6 und Studierenden mit Deutsch als L2 ermöglicht werden, denn letztere können schließlich dadurch benachteiligt werden, dass sie 5 Für eine ausführlichere Beschreibung der Themen siehe Becker 2013 und Becker 2016. 6 Bei den Studierenden mit Deutsch als L1 handelt sich in den meisten Fällen um Lehramtsstudierende. Formen interpersonaler Interaktion in Diskussionsforen zur DaF-Landeskunde 93 in der Regel nicht alles sofort angemessen ausdrücken oder verstehen (vgl. Rösler 2006: 232). Darüber hinaus war es ein Anliegen, dass die Studierenden auch außerhalb des zeitlich begrenzten Präsenzunterrichts die Option erhalten sollten, Perspektiven auszutauschen. 4 Formen interpersonaler Interaktion in Diskussionsforen Im Folgenden werden ausgehend von Henris Modell zur Analyse von Interaktion in Online-Diskussionen vier Datenauszüge analysiert, in denen es zu verschiedenen Formen der Interaktion kommt. Das Thema der ersten Diskussion ist die Währungsreform 1948, einer der Gründungsmythen der Bundesrepublik Deutschland (Münkler 2011: 455-468). Als Vorbereitung auf die Diskussion haben die Studierenden einen Text über die Währungsreform bzw. die Einführung der D-Mark 7 gelesen. Die Aufgabenstellung 8 zielt darauf ab, dass die Eckdaten der Währungsreform wiedergegeben werden und die Studierenden, ausgehend von einem Zitat aus dem Text, darüber reflektieren, warum „niemand den Tag vergessen [hat], der ihn erlebt hat“. Zum anderen wird eine Perspektivenübernahme angeregt, d.h. die Studierenden sollen versuchen nachzuvollziehen, wie das tägliche Leben durch die Währungsreform beeinflusst wurde. Die Diskussionsaufgabe stellt somit der Ausgangspunkt für den Präsenzunterricht, in dem es u.a. darum geht, warum die Währungsreform als Gründungsmythos betrachtet werden kann. Ein weiterer Grundgedanke der Online-Diskussion ist, dass die Studierenden selbst Fragen zur Diskussion stellen können, was auch in der Aufgabenstellung formuliert wird: (1) [1] 9 Währungsreform - Christine (2014-02-03 11: 32) Hier sind ein paar Fragen zum Text vorgegeben, die ihr diskutieren könnt. Ihr könnt aber auch selbst Fragen auswählen, z.B. wenn ihr eine Aussage interessant fandet, etwas nicht verstanden habt oder anderer Meinung seid. - Wann war die Währungsreform und welche Währung wurde eingeführt? - Warum hat “niemand den Tag vergessen, der ihn erlebt hat”? 7 Knut Borchardt (1999): Die D-Mark. In Hartmut von Hentig (Hrsg.) Deutschland in kleinen Geschichten. München: dtv. 8 Siehe zur Aufgabenbearbeitung Becker 2016. 9 Bei der ersten Ziffer handelt es sich um die Nummer des Datenauszugs im vorliegenden Artikel, bei der zweiten Ziffer um die Nummer des Beitrags in der Online-Diskussion. Christine Becker 94 - Was bedeutete die Währungsreform für das tägliche Leben? Stellt euch vor, Ihr hättet zu dieser Zeit in der Bundesrepublik gelebt. Wie war es davor und was hat sich verändert? (2) [2] Sv 10 : Währungsreform - Tomas 11 (2014-02-10 22: 27) Die Währungsreform Die neue Währung Westdeutschlands, die D-Mark, hat 1948 etwas ganz besonderes für die Westdeutschen bedeutet. Nach der erniedringend Verlust im Krieg, und während der politischen und ökonomischen Verwirrung in der frühen Nachkriegszeit, ist es endlich etwas deutsches, worüber man stolz sein konnte, entstanden: die D-Mark. Weil viele sich noch an die Inflation der Zeit zwischen den Weltkriegen erinnert haben, ist eine Eigenschaft der neuen Währung besonders wichtig geworden: die Stabilität. Die Fähigkeit der Zentralbank, den Wert der Währung zu erhalten, ist eine wichtige Erklärung für das "deutsche Wirtschaftswunder", das die Nachkriegszeit der BRD geprägt hat. Deswegen hat die Währungsreform in mehreren Weisen als Gründungsmythos der BRD fungiert: als Symbol des neuen Deutschlands, der geduldigen Wiederaufbauarbeit und vor allem: als ein Symbol des Friedens. Der Mythos ist sogar so einflussreich, dass er als wichtige Inspiration für die Wiedervereinigung Deutschlands fungiert hat. (3) [3] Sv: Währungsreform - Lars (2014-02-11 12: 55) Die Währungsreform Am 20. Juni 1948 ist eine neue Währung, die DM (die Deutsche Mark), in den Zonen der westlichen Besatzungsmächte Deutschlands eingeführt worden, was für sowohl Deutschland als auch die ganze Welt ein sehr entscheidendes Ereignis war. Nachträglich kann den Reform als den definitiven Anfang des kalten Krieges bezeichnet worden aber auch als eine Bestätigung die Teilung Deutschlands. Drei Tage später hat die Sowjetzone eine eigene Währungsreform bekommen und am 24. Juni hat die Berliner Blockade angefangen. Für die Deutschen im Westen damals hatte das Ereignis aber eine ganz andere Bedeutung. Die Jahre nach dem Kriegsende waren sehr schwer für die Deutschen, es war Mangel von alles, man hungerte och fror. Aber schon am Tag nach der Währungsreform waren die Läden mit Waren gefüllt, die man seit Jahren nicht gesehen hatte. Von nun an gab es allmählich verbesserte Lebensmöglichkeiten für die Westdeutschen, aber nicht so schnell für alle wie der Mythos erzählt. 10 Sv = Svar / Antwort. 11 Die Namen der Studierenden wurden durch selbstgewählte Pseudonyme ersetzt. Formen interpersonaler Interaktion in Diskussionsforen zur DaF-Landeskunde 95 Es war nicht nur die Währungsreform, die den Grund der verbesserten wirtschaftlichen Situation ausmachte. Auch den, die vor der Reform Geld (die Reichsmark) hatten, war es schwierig etwas zu kaufen zu finden, weil die meisten Waren bewirtschaftet waren. An demselben Tag als die Währungsreform eingeführt worden ist, hat man (d.h. Ludwig Erhard, der Direktor der Wirtschaftsverwaltung in den amerikanischen und britischen Zonen) die Zwangswirtschaft abgeschafft, was die Warenherstellung wesentlich erhöhte. In diesem Zusammenhang muss man, was der Gründungsmythos nicht erzählt, auch den amerikanischen Marshallplan nennen. Der Marshallplan war auf den wirtschaftlichen Abbau Europas, die Westzonen inkludiert, hingezielt. Die DM war aber für die meisten Deutschen im Westen das Symbol des Wirtschaftswunders in den 50er und den frühen 60er Jahren. Man sah den 20. Juni als eine Art Nationalfeiertag. Die DM erwies sich als eine sehr stabile Währung dank der Deutschen Bundesbank, die sie sorgfältig wahrte. Die DM stand mit hohem Ansehen in der Welt und die Deutschen konnten mit Recht stolz auf sie zu sein. Auf die Aufgabenstellung in Beitrag 1 antwortet zunächst Tomas mit einem umfassenden Beitrag 2. Er greift darin die relativ konkreten Fragen der Aufgabenstellung auf, geht aber darüber hinaus: Zunächst fasst er die historischen Fakten zusammen (Teilfrage 1) und schildert dann die Bedeutung der Währungsreform für Westdeutschland und macht so deutlich, warum die Währungsreform als Gründungsmythos betrachtet werden kann. Diese Frage soll zwar erst im Präsenzunterricht behandelt werden, da die vorherige Unterrichtseinheit aber schon die Schlacht im Teutoburger Wald als Gründungsmythos behandelt und zudem das Thema dieser Unterrichtseinheit „Gründungsmythen der Bundesrepublik“ ist, erstaunt es nicht, dass Tomas auf diesen Aspekt eingeht. Einen Tag später folgt ein weiterer Beitrag, der Tomas’ Beitrag ähnelt: Lars fasst im ersten Abschnitt die historischen Fakten zusammen und erläutert dann die Bedeutung der Währungsreform für einen Großteil der deutschen Bevölkerung (Abschnitt 2). Abschnitt 3 und 4 ergänzen die historischen Fakten und die Bedeutung für die Deutschen, indem darauf hingewiesen wird, dass der 20. Juni als eine Art Nationalfeiertag betrachtet wird. Beide Beiträge zeugen von außerordentlich guten inhaltlichen Kenntnissen und das sprachliche Niveau liegt weit über dem der Zugangsvoraussetzungen. Dass sich asynchrone Online-Kommunikation positiv auf die Qualität des Diskurses auswirken kann (vgl. Warschauer 1997: 474), zeigt dieses Beispiel. Im Hinblick auf die interpersonale Interaktion lässt sich feststellen, dass folgende Struktur vorliegt: Beitrag 1 enthält die Aufgabenstellung. Beitrag 2 fällt, da es sich um eine Antwort auf Beitrag 1 handelt, unter die Kategorie implizite Interaktion: Die Fragen in Beitrag 1 werden beantwortet, jedoch Christine Becker 96 nicht durch explizite Verweise, was aber, da es sich um den ersten Beitrag nach der Aufgabenstellung handelt, nicht ungewöhnlich ist. Der nächste Beitrag von Lars (3) fällt, so wie auch Beitrag 2, unter die Kategorie implizite Interaktion und bezieht sich auch auf die Aufgabenstellung: Es gibt keine explizite oder implizite Referenz auf Beitrag 2. Zwar steuert Beitrag 3 zur Diskussionen mit neuen Informationen bei, durch die Wiederholung der historischen Fakten („Am 20. Juni 1948 ist eine neue Währung, die DM (die Deutsche Mark), in den Zonen der westlichen Besatzungsmächte Deutschlands eingeführt worden…“) entsteht jedoch der Eindruck, dass der Beitrag nicht als indirekter Kommentar gedacht ist. Während des Interviews gibt Lars auch an, diesen Beitrag von Tomas nicht gelesen zu haben. Im vorliegenden Abschnitt kann also kein genuin interaktives Verhalten nachgewiesen werden; die Quasi-Interaktion findet nur zwischen meinem Beitrag, also dem der Lehrperson, und den Studierenden statt. Dass Lars hier nicht auf Tomas‘ Beitrag reagiert, liegt vermutlich nicht zuletzt in der Aufgabenstellung begründet: Bei den vorgegebenen Fragen handelt es sich um Faktenfragen, d.h. geschlossene Fragen, was im Kontrast zu der Formulierung steht, dass man diese diskutieren könne. Da die Fragen nicht mit der Aufgabenstellung und dem gewählten Werkzeug Forum in einen sinnvollen Zusammenhang gebracht werden können, entscheidet sich Lars hier (bewusst oder unbewusst), diese Fragen ebenfalls zu beantworten. Metakognitives Wissen über schulischen und universitären Unterricht, das über Jahre gesammelt wird (vgl. Butler & Cartier 2004: 1740), führt dazu, dass die Aufgabe im Stile einer klassischen Hausaufgabe, die der Lehrperson abgegeben werden muss, bearbeitet wird. Eine andere Interaktionsstruktur findet sich im nächsten Beispiel. Thema der Unterrichtseinheit ist die Frage, inwieweit Ost und West heute zusammengewachsen sind. Die Studierenden sind aufgefordert, ausgehend von der Seminarliteratur eigene Fragen zu stellen. (4) [1] Backhaus - Entfremdung vom eigenen sich? - Leah (2014-03-07 13: 56) Das Text "Auf der anderen Seite", von Andrea Backhaus ist ein Beitrag zum Buch "Dritte Generation Ost - Wer wir sind, was wir wollen (2012). Es handelt von jungen Leute und ihrer Erinnerungen an der DDR. (…) Was meint Backhaus, wenn sie sagt : "Die DDR hieß auch: Entfremdung vom eigenen Ich. In einer Diktatur beruht Identität auf der Konstruktion der anderen"? (5) [2] Re: Backhaus - Entfremdung vom eigenen sich? - Emma (2014-03-07 15: 06) Vielleicht meint Andrea Backhaus dass die Identität in die DDR nicht seine eigene Identität war, sondern alle Menschen sollen das gleiche „Ich“ sein. Das Formen interpersonaler Interaktion in Diskussionsforen zur DaF-Landeskunde 97 „Ich“ (das heißt jeder Person) sollte austauschbar sein in eine kommunistische Diktatur. Also war sein eigenes „Ich“ abhängig von das „Ich“ von alle anderen Einwohner, ein kollektives „Ich“. Aber es war nicht das richtige Selbst, deswegen sagt sie „Entfremdung vom eigenen Ich”. Jedenfalls, ich glaube dass ist, was sie meint. Leah fragt in ihrem Beitrag nach der Bedeutung eines Zitates aus dem Text. Von Emma erhält sie eine direkte Antwort, in der diese versucht, eine Antwort auf Leahs Frage zu geben. Da Leah aber nicht auf Emmas Beitrag reagiert, liegt auch in diesem Fall Quasi-Interaktion vor. Über die Gründe, warum Leah an der von ihr initiierten Interaktion nicht weiter teilnimmt, lässt sich an dieser Stelle zunächst nur spekulieren: Möglich ist beispielsweise, dass sie sich mit Emmas plausibler Antwort begnügt und keinen weiteren Anlass sieht, diese noch weiter zu kommentieren, oder dass Leah der Meinung ist, dass sie die Aufgabe, indem sie eine Frage stellte, zufriedenstellend bearbeitet hat. Insgesamt ist es für die untersuchten Forumsdiskussionen typisch, dass auf die Aufgabenstellung oftmals Beiträge folgen, die, ohne mit den vorhergehenden Beiträgen zu interagieren, zunächst alle gestellten Fragen umfassend beantworten, auch wenn andere Beiträge schon diese Fragen beantwortet haben (siehe Beitrag 3). Fragen oder Kommentare, in denen neue Aspekte aufgeworfen werden (Kategorie Interaktion generierender unabhängiger Beitrag, siehe Beitrag 4 ) , werden erst zu einem späteren Zeitpunkt gepostet. Es lässt sich des Weiteren für die untersuchten Online-Diskussionen feststellen, dass es häufig zu Quasi-Interaktion kommt, dass also Studierende Fragen aufwerfen, die kommentiert werden, ohne aber dass sich der initiierende Verfasser nochmals zu Wort meldet. Seltener kommt es zu genuin interaktivem Verhalten. Ein Beispiel findet sich im Diskussionsforum zur „Deutschen Teilung / Forum für eure Fragen zum Text“: (6) [1] Sv: Forum für eure Fragen zum Text - Lars (2014-02-26 15: 36) Im Text von Delius s. 25 vorletzter Satz: „Anfangs hatten in der DDR manche gehofft, die Mauer werde eine liberalere Politik erlauben, weil sie den Machthabern die Angst nehmen musste, dass ihnen noch mehr Menschen davonliefen.“ Ich verstehe ihn nicht. Als die Mauer gebaut ist, wie sollten „noch mehr Menschen davonliefen“ können? Oder habe ich den Satz nicht richtig verstanden? Kann jemand ihn in Schwedisch übersetzen? (7) [2] Sv: Forum für eure Fragen zum Text - Johanna (2014-02-26 22: 28) Vielleicht ist es damit gemeint, dass eine Mauer noch schrecklicher ist, weil keine möchtet ja eingesperrt werden, und deswegen dachte man dass immer mehr Christine Becker 98 Menschen fliehen wollten als früher. Es ist nähmlich immer so, dass je harter ein Diktatur ist, desto mehr möchten die Menschen davonliefern (obwohl sie nicht das immer in der Realität wagen). Und eine Mauer ist ziemlich hart, nicht wahr? (8) [3] Sv: Forum für eure Fragen zum Text - Lars (2014-02-26 23: 55) Zuletzt geändert von Lars am 2014-02-27 00: 00 Ja, Johanna, du bist sicher auf dem richtigen Weg, man soll es nicht buchstäblich sondern bildlich deuten. Wenn die Politik sich nicht in eine liberalere Richtung verändert würde, würden die Menschen den Glauben auf die Führung der DDR verlieren, d.h. "den Machthabern davonlaufen". Ich habe das Wort davonlaufen falsch verstanden. (9) [4] Sv: Forum für eure Fragen zum Text - Christian (2014-02-28 20: 49) Lars, ich verstehe diese Meinung als folgendes: ”I början hade många i DDR hoppats, att muren skulle tillåta en liberalare politik, eftersom den (muren) borde ta bort rädslan hos makthavarna, att ännu flera människor (än som redan hade flytt) skulle ge sig av.” 12 D.h. man dachte, dass die Machthaber nicht so bang für Fluchtversuchen wäre, und deswegen würde man ein liberalere Politik ausüben. Grüße Christian (…) (10) [7] Sv: Forum für eure Fragen zum Text - Lars (2014-03-02 13: 45) Vielen Dank, Christian! Ich glaube jetzt, dass ich den Text verstehen habe. Bei Beitrag 6 handelt es sich um eine Frage von Lars, die einen Satz aus dem Text betrifft, den die Studierenden vorbereiten sollten. 13 Er habe den Satz nicht verstanden und bittet nun um Hilfe, ihn zu verstehen, u.a. fragt er nach einer Übersetzung ins Schwedische. In Beitrag 7 versucht Johanna, diese Frage zu beantworten (direkte Antwort), Lars antwortet direkt darauf (8) und macht deutlich, dass er den Satz nun besser verstanden hat. Es folgt dennoch eine weitere direkte Antwort von Christian (9), woraufhin Lars 12 „Anfangs hatten in der DDR manche gehofft, die Mauer werde eine liberalere Politik erlauben, weil sie (die Mauer) den Machthabern die Angst nehmen musste, dass ihnen noch mehr Menschen davonliefen (als sowie schon davon gelaufen waren).“ 13 Friedrich Christian Delius (1999). Die Mauer. In Hartmut von Hentig (Hrsg.) Deutschland in kleinen Geschichten (S. 15-18). München: dtv. Formen interpersonaler Interaktion in Diskussionsforen zur DaF-Landeskunde 99 wieder antwortet (10). In der Bedeutungsaushandlung des Satzes kommt es also zu einem genuin interaktiven Verhalten. Es ist jedoch kein Zufall, dass es gerade in Bezug auf eigene Fragen im Forum zu interaktivem Verhalten kommt, da das Engagement besonders hoch ist, wenn die Studierenden ihre eigenen Fragen diskutieren können. Das Engagement ist auch dann besonders hoch, wenn, wie im folgenden Beispiel von Quasi-Interaktion, technische Probleme thematisiert werden: (11) [7] Re: Sv: Währungsreform - Katrin (2014-02-13 00: 10) Mann, dieses Forum hasst mich... : ( Ich habe jetzt zweimal versucht zu schreiben, aber irgendwie zu lange gebraucht, bin mittlerweile ausgeloggt geworden und mein Text wurde gelöscht. Passiert das nur für mich? (12) [8] Re: Sv: Währungsreform - Maja (2014-02-13 00: 52) Das ist auch für mich zweimal passiert, sehr störend : / (13) [9] Sv: Re: Sv: Währungsreform - Christine (2014-02-13 09: 51) Das ist wirklich sehr störend und ist mir auch schon passiert. Was man machen kann: (…) Interessant ist hier, dass Maja sehr schnell auf Katrins Beitrag reagiert, sie ist also im Forum präsent und kann nahezu unverzüglich reagieren. Beiträge, in denen Inhalte verhandelt werden, werden mit weitaus größerem Abstand gepostet, was darauf hinweisen kann, dass die Studierenden Zeit benötigen, um ihre Beiträge zu formulieren. Dies ist wichtig im Hinblick auf die Interaktion, die dadurch beinträchtigt werden kann. Ausgehend von Dythes Überlegungen zur Dialogizität müsste das Lernpotenzial der Quasi-Interaktion zunächst als gering eingeschätzt werden: Da die Studierenden auf Beiträge, in denen Fragen (versuchsweise) beantwortet werden, die sie selbst gestellt haben, nicht mehr antworten, scheinen sie sich für diese nicht zu interessieren. Für dieses Verhalten sind unterschiedliche Erklärungsansätze denkbar: Aus unterschiedlichen Gründen haben sie die Antwort gar nicht mehr gelesen oder aber sie haben sie gelesen und geben sich damit zufrieden. Vielleicht leuchtet ihnen die Antwort nicht ein und sie haben aber nicht genug Zeit, ihren Einwand zu formulieren. Im Folgenden wird angenommen, dass das Verhalten der Studierenden intentional ist und dass u.a. das Lernpotenzial, das sie den Diskussionen zuschreiben, ausschlaggebend ist für ihr Verhalten. So kann ihnen beispielsweise die Lektüre der Beiträge genügen und ein sich daraus entwickelnder innerer Dialog eine wichtige Funktion für ihre Wissenskonstruktion einnehmen. Im folgenden Christine Becker 100 Abschnitt soll daher die Frage, wie sich das Lernpotenzial der Online- Diskussionen aus der Sicht der Studierenden gestaltet, beantwortet werden. 5 Das Lernpotenzial von Forumsdiskussionen aus Sicht der Studierenden Im Rahmen meines Dissertationsvorhabens zu landeskundlichem Lernen in asynchronen Online-Diskussionen wurden mit einigen der Studierenden semistrukturierte Interviews zu ihren Erfahrungen durchgeführt. Zwei der Interviews wurden für die vorliegende Arbeit mithilfe der dokumentarischen Methode (vgl. Bohnsack, Nentwig-Gesemann & Nohl 2013, Przyborski & Wohlrab-Sahr 2010: 271-309) ausgewertet. 14 Die Ergebnisse werden im Folgenden zusammengefasst, wörtliche Zitate wurden von mir aus dem Schwedischen übersetzt. Für die Analyse ausgewählt wurden die Forschungsteilnehmer/ innen Lars und Leah; von beiden Studierenden wurden im vorherigen Abschnitt Beiträge berücksichtigt. Die Fallauswahl liegt zum einen in der Dichte der Interviewdaten begründet, zum anderen fand sie nach dem Prinzip der maximalen Variation statt, da sie sich in gewissen Grundannahmen unterscheiden und so die Variationsbreite im Feld dargestellt werden kann. 5.1 Fallbeispiel 1: Lars Während des Interviews versetzt sich Lars des Öfteren in die Rolle von anderen Studierenden und positioniert sich selbst als Teil der Studierendengruppe. Beispielsweise reflektiert er darüber, dass die Forumsdiskussionen allen Studierenden die Möglichkeiten gäben, ihren Voraussetzungen nach an den Diskussionen teilzunehmen, auch solchen, die im Präsenzunterricht eher zurückhalten seien. Für ihn selbst bedeuten die Forumsdiskussionen, der Austausch mit den anderen Studierenden, viel: Er logge sich ein, „för att få reda på, vad de tänker. / um herauszufinden, was sie [die anderen] denken.“ Er schreibt den Beiträgen eine wichtige Rolle für die Konstruktion von landeskundlichem Wissen zu, zwar kennt er sich, aus beruflichen Gründen, sehr gut mit dem historischen Hintergrund aus und nennt auch beispielsweise die Anfangsjahre der Bundesrepublik als eines seiner Interessensgebiete, trotzdem erfüllen die Perspektiven der anderen eine wichtige Funktion, da er dadurch die Meinung, die er glaubte zu haben, hinterfragen könne: (…) just genom forum när jag läser andras inlägg eller svar på inlägg att, det har jag varit på inne tidigare, jaha, så kan man också tänka, ja just det, där 14 Ich danke Julia Baumann für die Diskussion der hier analysierten Datensätze. Formen interpersonaler Interaktion in Diskussionsforen zur DaF-Landeskunde 101 har jag varit lite för snabb i mina tankar eller inte sett saker och ting och det blir på ett helt annat sätt än när det sker på en lektion. (…) gerade durch das Forum, wenn ich die Beiträge der anderen lese oder die Kommentare auf Beiträge, das habe ich eben schon gemeint, ach ja, so kann man auch denken, ja, stimmt, hier war ich zu schnell in meinen Gedanken, oder habe Sachen nicht gesehen und das alles läuft ja auf eine andere Weise als in einer Unterrichtsstunde. Forumsdiskussionen geben ihm somit eine andere Art von Wissen als „traditioneller“ Unterricht, da mehrere Perspektiven ins Spiel kommen: „[D]et är inte bara lärarens och min och textens budskap utan även hur medstudenterna uppfattar det. / Es geht nicht nur um die Botschaft des Lehrers, meine Botschaft und die des Textes, sondern auch darum, wie die Kommilitonen es verstehen.“ Dass er viel über den geschichtlichen Hintergrund weiß, führt dazu, dass er mit seinem Wissen zu der Online-Diskussion beitragen möchte, und zwar konkret indem er die Beiträge der anderen inhaltlich „modifiera / modifiziert“. Es äußert aber nicht leichtfertig oder spontan Kritik an Beiträgen, im Gegenteil: Er beschreibt, wie er seine Beiträge und Kommentare ausformuliert, sie dann etwa einen halben Tag liegen lässt und überdenkt und schließlich, bevor den Beitrag postet, nochmals den Ausgangstext, den er kommentieren möchte, liest, um sicher zu gehen, dass er ihn richtig verstanden hat. 15 Auch im Hinblick auf das Sprachenlernen findet er daher im Vergleich zum reinen Präsenzunterricht Online-Diskussionen vorteilhaft, da man mehr Zeit zur Reflexion hat, zur sprachlichen Ausarbeitung und auch zurückgehen kann zu den Beiträgen der anderen. Im Hintergrundfragebogen zur Studie gab er an, dass sein Ziel sei, Deutsch ohne größere Probleme schreiben und lesen zu können, so dass ihn die geschriebene Online-Kommunikation vermutlich auch in dieser Hinsicht besonders anspricht. Dass er nur ungern an Diskussionen auf Deutsch teilnimmt, ist ein Thema, das sich wie ein roter Faden durch das Interview 15 Beispiel 1 der Online-Diskussionen hat gezeigt, dass Lars den ersten Beitrag von Thomas nicht gelesen hat und es somit nicht zu einer Interaktion gekommen ist. Vermutlich ist Lars‘ Vorgehen, das er hier beschreibt, eine der Ursachen dafür: Er hat die Aufgabenstellung gelesen, auf die es noch keine Antwort gab, hat seinen Beitrag nicht direkt im Diskussionsforum formuliert und ihn erst, nachdem er ihn überdacht hat, gepostet. Die Tatsache, dass die relative zeitliche Flexibilität der asynchronen Online-Kommunikation traditionell als Vorteil gesehen wird, muss somit kritisch gesehen werden. Im Übrigen zeigt Beispiel 1, dass Lars‘ Aussage während des Interviews, dass er die meisten Beiträge liest und die Texte, die er kommentieren möchte, nochmals liest, um sicher zu gehen, dass er sie richtig verstanden hat, nicht ganz stimmt, und es sich bei der Aussage vermutlich teilweise um eine sozial erwünschte Antwort handelt. Christine Becker 102 zieht: Er fühlt sich unsicher, ist der Meinung, dass er zu langsam denkt und seine Überlegungen nicht schnell genug formulieren kann. Die schriftliche Kommunikation gibt ihm so dennoch eine Möglichkeit, an der Diskussion teilzunehmen. Auch in dieser Hinsicht sieht er sich wieder als Teil der Studierendengruppe, denn da aus Zeitmangel die Diskussionen im Präsenzunterricht nicht die gewünschte Tiefe erreichen, kann im Forum eine intensive und tiefgehende Forumsdiskussion stattfinden. Alle können darin ihre Meinungen äußern und die auf der Lernplattform gespeicherten Beiträge können wiederholt und zu einem späteren Zeitpunkt erneut gelesen werden. 5.2 Fallbeispiel 2: Leah Leah greift im Interview oft als Beispiel einen ihrer Forumsbeiträge auf, der an dieser Stelle zitiert werden soll. Er macht einen für die Analyse relevanten Teil des Kontextes aus und kann dieser zudem als Ausgangspunkt dienen. 16 (14) Sv: Trümmerfrauen - Leah (2014-02-10 11: 02) Die Trümmerfrauen Edgar Wolfrum hat die Trümmerfrauen als eine "Schicksalskategorie" genannt (Wolfrum 2009, S. 77). Ich habe früher auf das Wort "Trümmerfrau" niemals gehört. Diese Trümmerfrauen hatten sich nach dem Zweiten Weltkrieg in der zertrümmerte Städte organisiert. Wolfrum hat erklärt, dass ihre offizielle Bezeichnung war ”Hilfsarbeiterinnen im Baugewerbe” (Wolfrum 2009, S. 76). Im Zweiten Weltkrieg wurden mehr als ein Million Tonnen Bomben in Luftangriffe auf deutsche Städte fallen. Rund 14 Millionen Menschen wurden obdachlos wegen der Bombardierung (Heineman 1996, S. 362). Die Trümmerfrau war oft selbst traumatisiert. Im ihrer Aufsatz, hat Heineman es erklären versucht, warum die Trümmerfrau eines wichtiges Symbol für das neues Deutschland wurde. Sie konzentriert sich auf drei wichtige Augenblicke in der deutschen Geschichte der Frauen, von 1942 bis 1948. Die Augenblicke, oder ”Momente” haben einen entscheidende Rolle in der Entwicklung eines westdeutschen nationalen Identität gespielt (Heineman 1996, S. 355). Heineman hat die Geschichte von die Tümmerfrauen und die Heldinnen- Status als eine selbständige Kategorie analysiert. Sie sucht die Verbindung zwischen Geschlecht, Nationell identität und Kollektives Gedächtnis. Im Kollektiven 16 Für die Interaktionsanalyse im ersten Teil dieses Artikels konnte der Beitrag leider nicht herangezogen werden, da die Studierenden, die die darauf folgenden Beiträge (bis auf den direkt anschließenden Lehrerkommentar) keine Einverständniserklärung unterschrieben haben und die sie daher nicht für die Studie berücksichtigt werden dürfen. Formen interpersonaler Interaktion in Diskussionsforen zur DaF-Landeskunde 103 Gedächtnis der Deutschen sind z.B die Deutsche Frau als eine Opfer während der Nachkriegzeit. Wolfrum sagt, dass es gab keine Trümmermänner, weil die Soldaten gefallen waren, oder in Kriegsgefangenheit gebracht (Wolfrum 2009, S. 76). Aber im Januar 1946, haben Der Alliierter Kontrollratein neues Gesetz verhängt. Alle Männer und Frauen, die in der Lage zu arbeiten waren, müssen in der Aufräumarbeiten teilnehemen. Wenn sie weigerten sich zu arbeiten, würden sie ihre Lebensmittelkarten verlieren (Heineman 1996, S. 375). Im Exberliner Mag. (2011), gibt es eines intressantes Interview mit zwei Trümmerfrauen. http: / / www.exberliner.com/ features/ the-women-who-raised-the-rubble/ Literaturhinweise: Heineman, Elizabeth. 1996. “The Hour of the Woman: Memories of Germany’s “Crisis Years” and West German National Identity.” The American Historical Review, 101 (2): 354-395. Wolfrum, Edgar. 2009. Die 101 wichtigsten Fragen - Bundesrepublik Deutschland. [Munchen]: Beck. Leahs Beitrag ist der erste nach der Aufgabenstellung, in der, ähnlich wie in Beispiel 1, die Studierenden aufgefordert werden, kurz wichtige Informationen zu den sogenannten Trümmerfrauen zusammenzufassen und sich dann in ihre Rolle zu versetzen. Im Hinblick auf die Analyse der Interviewdaten ist zunächst wichtig, dass in dem Beitrag zum einen die Kursliteratur genau zitiert wird, aber auch ein wissenschaftlicher Artikel, den Leah im Internet gefunden hat. Am Ende des Beitrags finden sich außerdem Literaturangaben, so dass Leahs Beitrag formal eher den Charakter einer (wenn auch sehr kurzen) wissenschaftlichen Arbeit hat und nicht eines Diskussionsbeitrags. Dieser Eindruck wird verstärkt durch den Inhalt des Beitrags, da Leah versucht, die Erkenntnisse, die sie durch die Lektüre des Artikels von Heinemann erlangt hat, zusammenzufassen und Konzepte wie „nationale Identität“ und „kollektives Gedächtnis“, die in der vorherigen Unterrichtsstunde eingeführt wurden, nennt. Als nicht-wissenschaftlich lässt sich nur die Aussage „Ich habe früher auf das Wort "Trümmerfrau" niemals gehört“ bewerten, sowie der Hinweis auf ein „interessantes Interview mit zwei Trümmerfrauen“. Der Beitrag illustriert deutlich die Auffassung, die Leah von universitärem Unterricht hat und die im Interview hervortritt: Wichtig ist, dass es um „kunskap / Wissen“ geht und die eigene Meinung nicht relevant ist, bzw. nur sparsam und auf der Grundlage von Fakten geäußert werden sollte. Sie zieht dementsprechend auch Frontalunterricht als Unterrichts- Christine Becker 104 form vor, denn dort trage der Lehrer vor und der Student nehme das Wissen auf. Im Hintergrundfragebogen gibt sie außerdem an, dass sie sich nicht mit anderen Studierenden treffe, um mit ihnen gemeinsam zu studieren: „Det är ett studieupplägg som inte passar mig något bra. / Das ist eine Studienform, die mir nicht besonders zusagt.“ Forumsdiskussionen sind ihrer Meinung nach nur eingeschränkt zum Wissenserwerb geeignet. Den Beiträgen der anderen Studierenden werden, auch bei wiederholter Nachfrage, keinerlei Bedeutung für das Lernen zugeschrieben, zwar könnten diese interessant sein, sofern sie sich auf Fakten beziehen, aber neue Einblicke lieferten sie nicht. Obwohl während des Interviews auf unterschiedliche Arten fünf Mal die Frage gestellt wird, welche Rolle die Beiträge der anderen für ihr Lernen spielten, und diese Frage zum Ende hin immer suggestiver wird, antwortet sie stets, dass sie für das Lernen unwichtig seien. Beiträgen, in denen die Studierenden ihre eigene Meinung äußern, wird Unverständnis entgegengebracht, da sie selbst sich ja auch an die Fakten halte: Sedan tycker jag också att det trevligt om folk kan vara neutrala och lägger inte så mycket egna personliga tyckanden i sina inlägg, jag vill gärna, jag försöker själv vara neutral när jag lämnar ett bidrag och håller mig till facktexten och så, det är viktigt för mig, alltså. Det finns ju sådana bidrag också, absolut, som är jättebra och som jag tycker är roliga att läsa och trevliga och sådär. Dann finde ich, dass es schön ist, wenn die Leute neutral sein können und nicht immer so viel eigene Meinung in ihren Beiträgen haben, ich möchte gern, ich versuche selbst neutral zu sein, wenn ich einen Beitrag poste, und mich an die Fachtexte zu halten und so, das ist mir wichtig, also. Solche Beiträge gibt es ja auch, auf jeden Fall, sie sind super gut, es macht Spaß sie zu lesen und sie sind ganz nett und so. Dass in Forumsdiskussionen Studierende die eigene Meinung äußern, ist ihrer Meinung nach einer der Nachteile von Forumsdiskussionen, wenn man diese mit universitärem Präsenzunterricht vergleicht, in dem der Fokus nicht auf dem Äußern von persönlicher Meinung liege. Als negativ bewertet werden Diskussionen, die vom eigentlichen Thema, d.h. der Aufgabenstellung, abweichen, auch wenn sich die Beiträge auf Fakten beziehen. Dabei berücksichtigt sie nicht, dass die Aufgabenstellung den Hinweis enthält, dass auch eigene Fragen diskutiert werden können. Dieser Aspekt der Forumsdiskussion ist vermutlich der Grund dafür, dass Leah das Wiki als das besse- Formen interpersonaler Interaktion in Diskussionsforen zur DaF-Landeskunde 105 re Werkzeug bewertet. 17 In einem Wiki, auf das Leah sich bezieht, wurden von den Studierenden Hintergrundinformationen zu einem sprachlich und inhaltlich recht anspruchsvollen Text zusammengefasst (Becker 2016), die eigene Meinung war der Aufgabenstellung nach nicht gefragt. Ebenso fand sie auch eine Abstimmung, in der die Studierenden abstimmen sollten, ob die in den Foren diskutieren Gründungsmythen heute noch von Bedeutung seien, nicht interessant bzw. nicht wichtig, denn „[d]et är ju ett ställningstagande.“ („[d]as bedeutet ja, dass man eine Position beziehen muss.“). Im Vergleich zu Lars, der sich selbst im Zusammenhang mit anderen Studierenden sieht und ein Interesse an ihren Ideen hat, fokussiert Leah ausschließlich auf ihre eigenen Aktivitäten. Den Beiträgen der anderen Studierenden wird keine Bedeutung zugeschrieben, nur das, was Leah selbst produziert, sowie die Seminarliteratur und die Meinung der Lehrperson sind von Interesse. Dies erklärt auch, warum sie auf Beitrag 5 nicht antwortet. Sie äußert zwar Kritik daran, dass sie auf manche Beiträge keine Antwort bekommen habe, denn dies sei ja schließlich in der Aufgabenstellung vorgegeben, doch geht es ihr nicht darum zu erfahren, welche Vorstellungen die anderen haben. Negative oder konstruktive Kritik wünscht sie sich aber nicht und möchte sie auch nicht geben. Die Auffassung, dass die anderen Studierenden eigentlich keine Rolle spielen, kann jedoch auch eine Reaktion darauf sein, dass Leah bemerkt, dass meistens die gleichen Personen diskutieren und dass man sich dadurch, so wie auch im Präsenzunterricht, ausgeschlossen fühlen kann. 18 Obwohl Leah den Perspektiven der anderen Studierenden kein Lernpotenzial für die Wissenskonstruktion zuschreibt, tragen sie aber zu ihrem landeskundlichen Wissenserwerb bei, da sie, das zeigt das eingangs zitierte Beispiel, vor dem Verfassen von Beiträgen recherchiert. Sie weist darauf hin, dass man den Inhalt gut verstehen müsse, um die Beiträge verschriftlichen zu können. Zudem erlauben es die Beiträge der anderen, dass sie ihr Wissen vergleichen kann. Auf diese Funktion weist auch Henri hin, demnach auch 17 Beziehungsweise findet sie Wikis insgesamt besser als Foren, ohne jedoch einen Grund dafür angeben zu können. 18 Interessanterweise widerspricht dies teilweise einer Auffassung, die vor allem in den frühen Jahren von computervermittelter Diskussion im Fremdsprachenunterricht vertreten wurde, nämlich dass CMC für eine gleichberechtigtere Teilnahme aller sorgen kann, wie Warschauer erklärt: „[T]he social dynamics of CMC have proven to be different from those of face-to-face discussion in regard to turn-taking, interruption, balance, equality, consensus, and decision making“ (Warschauer 1997: 473). Leahs Erfahrung legen nah, dass es auch in computervermittelter Diskussion die Frage nach Gruppendynamik, Marginalisierung etc., wenn auch vermutlich in einer anderen Form als im Präsenzunterricht. Christine Becker 106 unabhängige Beiträge ein Lernpotenzial haben: „The independent messages transmitted during a teleconference would therefore be a way for the learner to validate, with other learners, the construct he has built up mentally, and to make sure they are adequate“ (Henri 1995: 160). Insgesamt sei aber der größte Mehrwert des Einsatzes von Forumsdiskussionen, dass diese ihr eine Möglichkeit geben, „Deutsch zu üben“, wie mehrfach betont wird. Das Hauptziel ihres Studium ist es, Deutsch zu lernen, schränkt dies aber insofern ein, da es ihr darum geht, „[a]tt i framtiden obehindrat kunna läsa och förstå en tysk text samt kunna skriva egna texter på tyska utan större grammatiska felaktigheter“ / „[i]n der Zukunft unbehindert einen deutschen Text lesen und verstehen zu können, sowie ohne größere Fehler eigene Texte auf Deutsch schreiben zu können“. Leahs Fokus liegt also auf dem Erwerb der Fertigkeiten Lesen und Schreiben, die durch die Online-Diskussionen speziell gefördert werden können, so dass es nicht erstaunt, dass sie den Forumsdiskussionen in dieser Hinsicht eine wichtige Rolle zuspricht. 6 Fazit Ausgehend von dem Annahme, dass computervermittelte Kommunikation per se einen hohen Grad an Interaktion zwischen den Diskutanten aufweist (vgl. Henri 1995: 149), hat die Analyse gezeigt, dass dies in den untersuchten Daten nicht immer der Fall ist und diese Annahme möglicherweise nicht einfach auf didaktisch gelenkte CMC-Umgebungen im Rahmen von Fremdsprachenunterricht appliziert werden kann. Die Analyse der Produktdaten aus den Forumsdiskussionen haben deutlich gemacht, dass es eine Vielzahl an verschiedenen Interaktionsmustern gibt, es aber nur eher selten zu genuiner Interaktion kommt. Nichtsdestoweniger haben die asynchronen Online-Diskussionen im untersuchten Setting ein Lernpotenzial; dieses beruht jedoch nicht allein auf dem Perspektivenaustausch zwischen den Studierenden. Es konnte gezeigt werden, dass die asynchrone Online-Kommunikation aus Sicht der Studierenden ganz unterschiedliche Potenziale für das Lernen besitzt und die Einschätzung u.a. abhängig davon ist, welche Rolle der/ die jeweilige Studierende den anderen Studierenden zuschreibt, bzw. wie er/ sie sich in der Gruppe positioniert. Im Falle von Lars nehmen die anderen Studierenden eine zentrale Rolle ein, nicht nur für den Wissenserwerb, sondern insgesamt nimmt sich Lars als ein Studierender in einer Gruppe wahr, an deren Arbeit er sich aktiv beteiligen möchte. So geht es ihm nicht nur darum, von den anderen zu lernen, sondern auch, zum Wissen der anderen beitragen zu können. Lars bestätigt die Annahme, dass computervermittelte Kommunikation wichtig für die gemeinsame Konstruktion von Wissen ist, er überdenkt ausgehend Formen interpersonaler Interaktion in Diskussionsforen zur DaF-Landeskunde 107 von den Kommentaren und Beiträgen der anderen Studierenden sein Wissen, das als überdurchschnittlich fundiert bewertet werden kann. Das Interview enthält keinen Hinweis darauf, dass Quasi-Interaktion weniger Lernpotenzial hat als genuine Interaktion; Lars berichtet, dass er die meisten Beiträge gelesen habe und sich für die Ideen der anderen interessiere, aber nicht immer Beiträge schreibe, obwohl er etwas antworten könne. Vielmehr halte er sich zurück, da die anderen Studierenden auch nicht so viel schrieben. Diese Aussage bestätigt, dass allein das Lesen der Beiträge der anderen und die gedankliche Auseinandersetzung mit den Perspektiven für die Aushandlung des Wissens von Bedeutung sind. Insgesamt bestätigt das Interview mit Lars, dass die allgemeinen didaktischen Vorteile von asynchroner computervermittelter Diskussion zum Tragen kommen: Der Lerner hat ausreichend Zeit, seine Beiträge auszuformulieren und das Forum bietet die Möglichkeit, dass die Beiträge der anderen wiederholt und zu einem späteren Zeitpunkt erneut gelesen werden können. Leah hingegen nimmt sich nicht als Mitglied der Studierendengruppe wahr, ihr Fokus liegt auf ihrer eigenen Aktivität. Die Meinungen und Ideen der anderen spielen keine wichtige Rolle, den Vorteil der Forumsdiskussionen sieht sie allein darin, dass sie dadurch aufgefordert wird, zu recherchieren und Beiträge auszuformulieren. Der Fall Leah zeigt, dass der Studierende/ die Studierende eine entsprechende Bereitschaft mitbringen muss, sich mit den Perspektiven der anderen auseinanderzusetzen. Allein das Vorhandensein unterschiedlicher Perspektiven bedeutet noch nicht, dass diese auch für das Lernen herangezogen werden. Warum Leah dies hier nicht tut, liegt in ihrer Auffassung von universitärem Unterricht begründet, in dem es um Wissenschaftlichkeit gehen solle, nicht um das Äußern persönlicher Meinung - wobei dieser Annahme eine simplifizierte Vorstellung von Wissenschaft und ihren Erkenntnismöglichkeiten zugrunde liegt. Den Fällen Leah und Lars ist gemein, dass beide die Meinung vertreten, dass die Forumdiskussionen sinnvoll sind, weil sie so ihr Deutsch üben können. Beide geben an, dass dies das wichtigste Ziel ihres Studiums sei. Die Verbesserung der Sprachfertigkeiten 19 ist zwar nicht das primäre Ziel des Landeskundeseminars, das eigentlich die Auseinandersetzung mit landeskundlichen Gegenständen beinhaltet. Im Hinblick auf die Frage nach Möglichkeiten der Integration von Inhalts- und Sprachseminaren im universitä- 19 Keiner der beiden gibt jedoch an, dass ihr Ziel die Verbesserung der mündlichen Fertigkeit ist. In dieser Hinsicht spiegelt die Fallauswahl keine maximale Variation wider. Die Frage, welches Lernpotenzial Studierenden, deren Hauptziel die Verbesserung der Sprechfertigkeit ist, den asynchronen Online-Diskussionen zuschreiben, muss an anderer Stelle beantwortet werden. Christine Becker 108 ren Unterricht können asynchrone Online-Diskussionen aber Lösungsansätze bieten, wie Erwerb von sprachlichen Fertigkeiten mit Inhalten kombiniert werden kann. Literatur Altmayer, Claus (2006). ‚Kulturelle Deutungsmuster‘ als Lerngegenstand: Zur kulturwissenschaftlichen Transformation der ‚Landeskunde‘. Fremdsprachen Lehren und Lernen 35, 44-59. Bachtin, Michail M. (1981). The dialogic imagination: four essays. Austin: University of Texas Press. Becker, Christine (2013). Warum man mit der Schwedenfähre nicht nach Schweden fahren kann - Kulturelles Lernen im Landeskundeunterricht an der Universität Stockholm. In Frank Thomas Grub (Hrsg.) Landeskunde Nord. Beiträge zur 1. Konferenz in Göteboirg am 12. Mai 2012 (S. 30-45). Frankfurt/ Main: Peter Lang. 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Immersion und Interaktivität - Fremdsprachenlernen mit Avataren und Agenten Katrin Biebighäuser 1 Einleitung Dem kommunikativen Ansatz entsprechend wird konstituiert, dass es für das Fremdsprachenlernen förderlich ist, wenn Lernende in für sie relevanten Situationen kommunizieren (vgl. Piepho 1974, Brumfit & Johnson 1972). Bedeutsame Situationen entstehen durch lebensweltliche Bezüge der Aufgaben, die den Lernenden gestellt werden sollen. 1 Es lässt sich streiten, inwieweit es in Computerprogrammen möglich ist, ein Lernsetting zu erzeugen, welches den Lebensweltbezug für Lernende darzustellen vermag - insbesondere in Computerspielen und virtuellen Realitäten wird den Nutzern ja gerade eine andere Welt, ein zweites Leben geboten, so dass man argumentieren könnte, dass Handlungen innerhalb dieser Programme eben keinen Lebensweltbezug liefern. Betrachtet man dies von einer anderen Perspektive, so zeigt sich jedoch, dass der Alltag jugendlicher Lerner geprägt ist durch die Nutzung digitaler Medien (vgl. MPFS 2015: 11) und dass Computerspiele kulturelle Bezugsräume der Jugendlichen sind (vgl. Krotz & Schulz 2014: 36ff), so dass hierdurch ein enormer lebensweltlicher Bezug geschaffen wird. In zahlreichen Computerspielen und -programmen agieren Nutzer durch virtuelle Figuren, die sie repräsentieren, die sogenannten Avatare. Sie können auf die Avatare anderer Nutzer treffen und mit diesen interagieren, aber auch auf Figuren treffen, die Teil des Computerprogrammes und damit programmiert sind, die Agenten. Mit diesen virtuellen Figuren sind neuartige Bezugssysteme entstanden und das Handeln durch und mit virtuellen Figuren hat auch Auswirkungen auf das Lernen und Anwenden der Fremdsprache, wenn die Interaktion mit Agenten und Avataren in einem fremdsprachlichen Kontext stattfindet. 1 Vgl. zu den Anforderungen, die an Aufgaben im Sinne des aufgabenorientierten Fremdsprachenlernens gestellt werden sowie zum Konzept des Lebensweltbezuges im Speziellen den Forschungsüberblick in Biebighäuser, Zibelius und Schmidt 2012: 20ff. Katrin Biebighäuser 112 In diesem Artikel werden Formen der Kommunikation im Bereich des Fremdsprachenlernens untersucht, welche mithilfe von Avataren und Agenten, realisiert werden. Nach einer Klärung dieser beiden Begriffe sowie des Konzepts der Immersion werden verschiedene Fremdsprachenlernszenarien vorgestellt, in denen Agenten und Avatare agieren. Hierbei wird der Fokus auf das didaktische Potential von Agenten und Avataren gerichtet, aber auch mögliche Probleme diskutiert. Darüber hinaus soll diskutiert werden, in welcher Beziehung Avatare und Agenten zum Konzept der Interaktivität stehen und inwieweit die interaktiven Aspekte von Avataren und Agenten potentielle Lernprozesse beeinflussen. Abschließend soll eine erste Abschätzung darüber ermöglicht werden, in welcher Weise Avatare und Agenten gewinnbringend in fremdsprachliche Lernprozesse eingebunden werden können. 2 2 Avatare, Immersion und Fremdsprachenlernen Avatare, virtuelle Figuren, durch die ein Nutzer in Computeranwendungen repräsentiert wird, werden in verschiedenen Anwendungen eingesetzt. Je nach Verwendungszusammenhang unterscheiden sich Avatare in Bezug auf ihre Komplexität, was Auswirkungen auf ihren Einfluss in (fremdsprachliche) Lernprozesse zur Folge hat: Mit steigender Komplexität des Avatars sowie durch die Modifizierbarkeit der virtuellen Figur durch den Nutzer, lassen sich Effekte im sozialen und sprachlichen Verhalten der Nutzer beobachten, die für das Fremdsprachenlernen bedeutsam sind und daher nachfolgend dargestellt werden. Einige Effekte resultieren dabei daraus, dass Avatare, die sehr komplex sind, in der Lage sind, immersive Effekte beim Nutzer hervorzurufen. Auch diese Immersion wird beschrieben und in Hinblick auf didaktische Kontexte diskutiert. 2.1 Was sind Avatare? Der Ausdruck Avatar stammt aus dem Sanskrit. Mit avatâra wird im Hinduismus ‚der Herabgestiegene‘, der Abstieg eines Gottes aus dem Himmel beschrieben (vgl. Damer 1998: 482). ‚Avatar‘ hat sich heute für die Bezeichnung einer Figur oder Abbildung etabliert, 3 die einen Nutzer in Computer- 2 Diesem Artikel liegen meine Ausführungen zu Avataren aus Biebighäuser (2014: 366ff) zugrunde, welche hier aber zu komplexeren Zusammenhängen ausgeweitet wurden. 3 Neben ‚Avatar‘ gibt es weitere Bezeichnungen, so unterscheidet Bartle (2003) mit zunehmendem Grad der Immersion zwischen avatars, characters und personas. Die Bilder, die Nutzern in Foren zugeordnet werden, werden zum Teil auch als Immersion und Interaktivität - Fremdsprachenlernen mit Avataren und Agenten 113 programmen repräsentiert. Die Bandbreite von Avataren ist immens: Sowohl was die grafische Ausgestaltung als auch die Möglichkeiten der Steuerung betrifft, lassen sich verschiedenste Formen von Avataren unterscheiden. Die grundlegendste Form von Avataren stellen Bilder dar, welche vor allem in Foren genutzt werden, in denen Nutzer neben einem individuellen Benutzernamen auch ein entsprechendes Bild auswählen oder selbst gestalten können (vgl. Abb. 1a). In Foren steht der schriftliche Austausch der Nutzer - häufig zu einem spezifischen Thema - im Fokus. Die Darstellung der Nutzer durch die Avatare dient der schnellen Wiedererkennung der Gesprächspartner. Diese Avatare werden aber nicht selbst aktiv und sind in der Regel nicht Kommunikationsgegenstand, weshalb diese bildlichen Darstellungen weniger Auswirkungen auf die Interaktion der Nutzer haben. Komplexer werden Avatare, wenn sie nicht nur aus Bildern bestehen, sondern zu Figuren werden, die sich durch ein Computerprogramm bewegen. Auch bei diesen gibt es Unterschiede: Es gibt Figuren, auf deren Aussehen ein Nutzer keinen Einfluss nehmen kann. Dies ist insbesondere bei Computerspielen der Fall, in denen ‚Helden‘ vom Nutzer gesteuert werden, um eine Mission zu erfüllen. Ein Beispiel dieser vorgefertigten Avatare 4 ist Super Mario von Nintendo (vgl. Abb. 1b). Diesen Figuren gegenüber stehen Avatare, die der Nutzer selbst gestalten kann. Dabei ist auch der Grad der Individualisierbarkeit unterschiedlich: Eine eingeschränkte Individualisierbarkeit liegt vor, wenn der Nutzer beispielsweise nur die Haar- oder Kleidungsfarbe der Figur verändern kann, bei komplexeren Avataren ist eine sehr differen- Profilbild oder Buddy Icon bezeichnet. Wird das gleiche Profil für verschiedene Dienste, die miteinander verknüpft sind, verwendet, spricht man auch von Gravataren (Globally Recognized Avatar). 4 Diese Zuordnung von steuerbaren Protagonisten in Computerspielen zu Avataren ist nicht einheitlich, wird aber beispielsweise von Kromand (2007) vorgenommen, der geschlossene (‚vorgefertigte‘) und offene (individualisierbare) Avatare unterscheidet. Auch im vorliegenden Artikel werden ‚geschlossene Avatare‘ aus Gründen der Graduierung von Differenzierbarkeit mit aufgeführt. Abb.1 (v.l.n.r.) Avatar einer Nutzerin im Forum www.chefkoch.de (a), Super Mario in einem Computerspiel (b), Avatar aus Second Life (c) Katrin Biebighäuser 114 zierte Gestaltung des Äußeren möglich. Anwendungen, die derartig komplexe Möglichkeiten der Gestaltung von Avataren einräumen, sind vor allem solche, in denen die Nutzer durch ihre Avatare miteinander interagieren können. Neben MMORPGs (Massive Multiplayer Online Role Play Games, Computerspielen wie beispielsweise World of Warcraft, in denen mehrere Nutzer miteinander interagieren) sind derart differenzierte Darstellungen vor allem in virtuellen Welten, beispielsweise in Second Life, vorzufinden. Mit der zunehmenden Individualisierbarkeit der Figuren verwendet der Nutzer tendenziell mehr Zeit und Überlegungen auf die Gestaltung der Figur. Untersuchungen haben gezeigt, dass mit der steigenden Individualisierbarkeit des Avatars die Identifikation des Nutzers mit der virtuellen Figur zunimmt und auch die Emotionen, die mit der Figur verbunden werden, stärker ausfallen (vgl. Bailey, Wise & Bolls 2008; Suh, Kim & Suh 2011; Martin 2005: 1; Misoch 2014: 185). Zudem konnte nachgewiesen werden, dass mit der detaillierten Ausgestaltung des Avatars auch die soziale Präsenz der Gesprächspartner für die Nutzer erhöht wurde (vgl. Taylor 2002). Mit ‚sozialer Präsenz‘ beschreiben Short, Williams und Christie (1976) das Gefühl der Anwesenheit und Nähe eines Gesprächspartners in medial vermittelten Kommunikationssituationen, wobei der Grad der sozialen Präsenz vom jeweiligen Kanal abhänge: so führe die Übertragung der Stimme in einem Telefonat zu höherer Präsenz als das Lesen eines Briefes. Durch mehrkanalige Kommunikation steige die soziale Präsenz. Die (virtuelle) Verkörperung des Gesprächspartners im Avatar kann als ein weiterer Kanal gesehen werden, der den Kommunikationspartnern zur Verfügung steht und durch den die soziale Präsenz des Kommunizierenden steigt. Richardson und Swan (2003) konnten zeigen, dass das Empfinden von sozialer Präsenz in Onlinekursen damit, wie die Nutzer ihr Lernen selbst einschätzen, korreliert: While the correlational results tell us that there was a relationship between students’ overall social presence and students’ overall perceived learning, the standard direct entry regression analysis tells us that students’ perceptions of social presence are a predictor of students’ perceived learning in online courses. This indicates that the amount and/ or intensity of social presence students’ perceived in their online courses, from both their instructor and/ or their peers, was directly related to their perceived learning in them. (ibid. 79). Die Identifikation der Nutzer mit der virtuellen Figur resultiert auch daraus, dass Nutzer sich sehr stark auf die virtuelle Welt fokussieren, sich in die virtuelle Welt hineinversetzen. Ein Phänomen, das als Immersion bezeichnet wird. Immersion und Interaktivität - Fremdsprachenlernen mit Avataren und Agenten 115 2.2 Immersion: Interaktivität durch Identifikation mit dem Avatar? Immersion bezeichnet in verschiedenen Verwendungszusammenhängen das Eintauchen in einen anderen Kontext (vgl. Murray 1997: 98ff). Der Immersionsbegriff wird auch in der Fremdsprachendidaktik verwendet. Zuerst wurde er für Programme in Kanada genutzt, in denen englischsprachige Schüler in der Minderheitensprache Französisch unterrichtet wurden (vgl. Rohmann 2010: 891). Entsprechend existiert der Immersionsbegriff auch sprachpolitisch und bezeichnet Beschulungsprogramme in der Zielsprache. Als didaktisches Konzept umfasst Immersion das Prinzip, dass Lernende sofort in das ‚Sprachbad‘ der Fremdsprache hineinversetzt werden. Dieses Vorgehen entspricht der Vorstellung, dass Lernende durch sprachlichen Input dazu befähigt werden, die Fremdsprache im Gebrauch zu erwerben; eine dezidierte Vermittlung der Fremdsprache durch eine Lehrperson findet nicht statt. Im Kontext von Computeranwendungen beschreibt Immersion das Phänomen, bei welchem ein Nutzer in eine virtuelle Welt eintaucht. Immersion wird dadurch erkennbar, dass Nutzer sich ‚vor Ort‘ fühlen. Dieses Gefühl der Anwesenheit wird als Presence (Gibson 1979) bzw. bei medialen Umgebungen auch als Telepräsenz (Steuer 1992) beschrieben. 5 Zudem ist der Nutzer durch die Immersion sehr stark auf die digitale Welt fokussiert. Diese Aufmerksamkeit auf die Umgebung und die positiv besetzten Handlungen, die im Computerprogramm erfolgen, können bei immersiven Computerprogrammen zu einem Flow-Erlebnis führen, 6 wodurch der Nutzer sich 5 Die Verwendung von Telepräsenz für mediale Umgebungen ist nicht einheitlich, so verwendet Sheridan (1992) Telepräsenz nur für Teleoperationen, bei denen der Nutzer medial vermittelt reale Handlungen ausführt. 6 Als ‚Flow‘ bezeichnet man den „tranceartige[n], zeitlose[n] Zustand, der „Selbstvergessenheit“ beim Ausüben bestimmter, individuell als angenehm empfundener Tätigkeiten“ (Csikszentmihalyi 1992). Beide Konzepte, Immersion und Flow, beschreiben, dass die jeweilige Person einen langen Zeitraum über mit hoher Aufmerksamkeit eine Tätigkeit ausführt und dabei ein positives Gefühl verspürt. Das Konzept der Immersion impliziert die Verwendung eines Mediums, um in die Selbstvergessenheit einzutauchen, zudem kann man auch bei passiven Tätigkeiten wie dem Anschauen eines Filmes Immersion erleben. Demgegenüber ist Flow nicht an ein Medium gebunden und kann in verschiedensten Lebenssituationen, beispielsweise beim Sport oder in der Ausübung von Kunst, erreicht werden (vgl. Scheel 2008: 11). Für virtuelle Welten lassen sich beide Konzepte heranziehen, wobei sich der Flow eher aus zufriedenstellenden Handlungen generiert, wohingegen Immersion aus der Fokussierung auf die (mediale) Umgebung resultiert. Katrin Biebighäuser 116 noch intensiver der digitalen Welt zuwendet und nicht bemerkt, wie schnell die Zeit vergeht. Immersion und Flow können sich so gegenseitig verstärken. In beiden Verwendungen des Immersionsbegriffes, in Bezug auf Computerprogramme wie auf den Fremdsprachenunterricht, wird mit Immersion also das Eintauchen in einen anderen Bezugsrahmen (eine virtuelle Umgebung bzw. fremdsprachliche Kommunikationsumgebung) bezeichnet, welches in beiden Fällen zu einer intensiven Auseinandersetzung mit den jeweiligen Inhalten führt. Diese intensive Auseinandersetzung soll bei der fremdsprachlichen Immersion zum mühelosen Spracherwerb führen. Auch die Immersion, bezogen auf Computerprogramme, kann für Lernfortschritte verwendet werden: 7 Indem Nutzer ihre volle Konzentration auf den Bildschirm richten und motiviert sind, innerhalb des Computerprogramms erfolgreich zu sein, nehmen sie Informationen intensiv wahr. Auch Informationen in der Fremdsprache werden rezipiert, um im Computerprogramm zu agieren. Dies wird nicht als klassisches Lernen der Fremdsprache empfunden, die Fremdsprache dient als Mittel, um bei Computerspielen das Ziel des Spiels zu erreichen und sich im Kontext des Computerprogrammes zurecht zu finden: To progress in a game, players must often make active use of that language, interacting verbally with game objects or other players. This means that they are using language in real and meaningful ways to accomplish a task. (Godwin-Jones 2014: 10). 2.3 Avatare und Fremdsprachenlernen Nutzer können durch Avatare in verschiedenen Computerprogrammen agieren. Diese Handlungen lassen sich für das Fremdsprachenlernen nutzen, indem sie in didaktische Lernszenarien eingebettet werden. Nachfolgend sollen einige Überlegungen und Methoden aus dem Fremdsprachenunterricht auf die Verwendung von Avataren für das Fremdsprachenlernen übertragen werden. Hierzu werden beispielhaft das Fremdsprachenlernen in Simulationen sowie Kooperationsprojekte zum Fremdsprachenlernen aufgegriffen und ihre Durchführbarkeit mit Avataren diskutiert. 7 Dieses Phänomen der Immersion machen sich - neben dem Wettbewerbscharakter und dem Belohnungsprinzip - viele Spiele mit Lehrabsicht zunutze, welche heute auch als Serious Games bezeichnet und als neue Form des Lernens beworben werden. Immersion und Interaktivität - Fremdsprachenlernen mit Avataren und Agenten 117 2.3.1 Avatare in Simulationen In Computerprogrammen, in denen sie durch einen Avatar vertreten sind, agieren Nutzer nicht als sie selbst, sondern treten vielmehr als ihr Avatar auf: Für ihr Gegenüber ist (sofern sich die Nutzer nicht anderweitig kennen) nicht ersichtlich, wen der jeweilige Avatar repräsentiert. Der Nutzer spricht nicht mehr als er selbst, sondern als Avatar. Damit macht sich die Verwendung von Avataren zum Fremdsprachenlernen ähnliche Prinzipien zu Nutze wie der Einsatz von Dramapädagogik. Auch in der Dramapädagogik werden Rollen, Masken oder Verkleidungen verwendet, durch die die Lerner als eine andere Person sprechen und damit Hemmungen abbauen können (vgl. Schewe 1993). Auch bei der simulation globale werden Lernende innerhalb des Unterrichts in eine Simulation versetzt, in der sie eine spezifische Rolle einnehmen. Die simulation globale umfasst das komplette Unterrichtsgeschehen über einen längeren Zeitraum. Lernende schlüpfen in eine andere Rolle (vgl. Yaiche 1996: 11) und äußern sich in dieser Rolle in der Fremdsprache, um die jeweiligen Kommunikationsbedürfnisse zu erfüllen. 8 Diese Form der Kommunikation findet auch in der fremdsprachlichen Verwendung von Avataren statt: Der Nutzer kann mit seinem Avatar in eine fremde Rolle schlüpfen und in dieser Rolle spezifische Kommunikationsaufgaben bewältigen. Derartige Kommunikationssituationen können selbstinitiiert entstehen, wenn Lernende in ihrer Freizeit in Computerspielen fremdsprachlich interagieren, aber auch durch Unterricht genutzt und in diesen eingebunden werden. So sind beispielsweise klasseninterne Ausflüge in eine virtuelle Welt denkbar, bei denen Lernende eine vom Lehrer gestellte Kommunikationsaufgabe bewältigen müssen - dies kann je nach Niveau der Schüler und jeweiligen Unterrichtsgegenstand von kleinen Dialogübungen bis hin zu komplexen Projekten reichen. Möglich wäre auch, dass die Schüler nicht wissen, welche Avatare ihre Mitschüler erstellt haben und durch die Kommunikation untereinander die Klassenkameraden hinter den Avataren entlarvt werden müssen (analog zum in 3.2 dargestellten Odyssee- Konzept). 9 Auch für den fremdsprachlichen Literaturunterricht kann der Einsatz von Avataren bereichernd sein: Statt komplexe Bühnenbilder und Kostüme herstellen zu müssen, können szenische Darstellungen von Dramen auch in 8 Zur einführenden Auseinandersetzung mit der simulation globale seien Yaiche (1996) und Sippel (2003) empfohlen; Maak (2001) liefert ein anschauliches Beispiel zum Einsatz einer simulation globale in einem universitären DaF-Seminar. 9 Hierfür ist es allerdings notwendig, dass die Lernenden einen textbasierten Chat nutzen, um nicht durch die Stimme Rückschlüsse auf den Klassekameraden ziehen zu können. Katrin Biebighäuser 118 virtuellen Welten mit Hilfe von Avataren stattfinden (vgl. Biebighäuser 2011). Die Einarbeitung in die virtuelle Welt benötigt Zeit, dafür werden Requisiten virtuell schneller gefunden oder erstellt und auch die Aufzeichnung der im Virtuellen gespielten Szenen ist technisch einfach möglich, indem das Geschehen auf dem Bildschirm mittels Screen Capture- Programmen 10 aufgezeichnet werden kann. Da die Lernenden sich hier nicht selbst verkleiden und auf die Bühne stellen müssen, kann das Theaterspiel mithilfe von Avataren auch bei Lernenden, die Rollenspiele sonst ablehnen, eine denkbare Alternative sein. Verglichen mit realen Aufführungen ist das körperliche Erfahren in virtuellen Aufführungen nicht gegeben, die Ausdrucksmöglichkeiten durch Gestik und Mimik sind nur marginal vorhanden. Derartige Projekte sind also entweder dann zu empfehlen, wenn Lernende aus verschiedenen Orten gemeinsam an einem Stück arbeiten sollen (vgl. 2.3.2), wenn Bühnenbild, Requisiten oder Filmbarkeit Potentiale bieten, die real nicht erreicht werden können oder auch, um mit Lernenden reale Aufführungen mit durch Avatare realisierten zu vergleichen - wenn also ein Mehrwert der virtuellen Aufführung gegeben ist. 2.3.2 Avatare und Kooperationsprojekte Neben dem Einsatz von Avataren innerhalb einer Lernergruppe ist es auch möglich, mit einer Partnerklasse im Ausland zu kooperieren und diese bzw. deren Avatare in Computeranwendungen zu treffen. Neben komplexen Interaktionen, die die virtuelle Umgebung zum Gegenstand haben (vgl. Biebighäuser 2014) können auch bereits bekannte Austauschkonzepte in die virtuelle Welt übertragen werden. So ist es denkbar, das beliebte E-Mail- Suchspiel ‚Odyssee‘, das das Goethe-Institut seit 2006 anbietet, ins Virtuelle zu übertragen. Die klassische Variante von Odyssee wird wie folgt gespielt: Odyssee wird einmal pro Woche circa 90 Minuten gespielt. Die Lernenden - meistens 3-5 Klassen - sind 5 Wochen lang virtuell unterwegs, schicken sich einmal pro Woche eine verschlüsselte E-Mail, stellen ihr eigenes Land vor und entdecken dabei andere Länder, andere Städte und andere Kulturen. Sie sollten nämlich anhand der Informationen in den erhaltenen E-Mails herausfinden, woher die anderen Klassen kommen. (Kadar 2012). Dieses Sich-Entdecken durch die Informationen der Partner kann auch mittels Avataren stattfinden: die Maskierung durch die Avatare verhindert es, dass durch das Aussehen der Partner Rückschlüsse auf deren Herkunft 10 Screen Capture-Programme zeichnen all das auf, was auf einem Bildschirm geschieht; zusätzlich kann auch der Ton, der innerhalb des Programmes und/ oder durch den Nutzer mittels Mikrophon erzeugt wird, mit aufgenommen werden. Immersion und Interaktivität - Fremdsprachenlernen mit Avataren und Agenten 119 geschlossen werden können. Statt (oder zusätzlich zu) der asynchronen Kommunikation per Mail kann mit Hilfe der Avatare der direkte Austausch zwischen den Schulklassen hergestellt werden. 3 Agenten und Fremdsprachenlernen Umgangssprachlich werden auch Figuren, die durch ein Computerprogramm gesteuert werden und in Interaktion mit dem Nutzer treten, Avatare genannt. Im Bereich der Computertechnologie werden diese Figuren jedoch als Agenten 11 bezeichnet. Die Unterscheidung von menschengesteuerten und programmimmanenten Figuren ist sinnvoll, um Gemeinsamkeiten, aber auch Unterschiede in der Interaktion mit Avataren und Agenten aufzuzeigen. Der Einsatz von Agenten im Bereich des Fremdsprachenlernens ist im Gegensatz zu anderen Lernszenarien bislang noch nicht systematisch untersucht worden. Er bietet aber durch den zusätzlichen sprachlichen Input in Instruktionsphasen sowie als möglicher Kommunikationspartner in Übungsphasen interessante Perspektiven auf die Weiterentwicklung klassischer Sprachlernprogramme. Nachdem Agenten genauer definiert wurden, werden nachfolgend allgemeine Forschungsergebnisse zu Effekten von Agenten auf Lernprozesse nachgezeichnet, um später Annahmen zu Effekten von Agenten auf Fremdsprachenlernprozesse zu formulieren. 3.1 Was sind Agenten? Zunächst wurde die Bezeichnung ‚Agent‘ in der Robotertechnik und bezogen auf Hardware verwendet, seit den 1990er Jahren wird er aber auch für Software benutzt (vgl. Domagk 2008: 9). Dabei sind die Implikationen des Begriffes ‚Agent‘ nicht einheitlich. So beschreiben einzelne Definitionen beispielsweise, dass Agenten kontinuierlich im Hintergrund ablaufen oder einen gewissen Grad an Intelligenz aufweisen, indem sie eigene Problemlösungsstrategien anwenden; in anderen Definitionen fehlen diese Zuschreibungen oder auch die visuelle Repräsentation des Agenten auf der Benut- 11 Neben ‚Agent‘ gibt es für die computergesteuerten, programm-immanenten Figuren auch weitere Bezeichnungen: Live-like Character (Prendinger & Ishizuka 2004), Talking Heads (wenn nur ein Kopf dargestellt wird), Virtual Characters, virtuelle Helfer oder Humanoids (Ruttkay & Pelachaud 2004, Aufzählung übernommen aus Domagk 2008: 17). Auch das Akronym NPS für Non Playing Character, welches vor allem in der Spielforschung verwendet wird, ist für Agenten geläufig. Katrin Biebighäuser 120 zeroberfläche. 12 Zudem befördert die interdisziplinäre Verwendung des Begriffes seine Vieldeutigkeit. 13 Im vorliegenden Artikel sollen die beiden Begriffe Avatar und Agent distinktiv verwendet werden, um menschlich gesteuerte Figuren (Avatare) von Figuren zu unterscheiden, die Teil des Computerprogrammes sind (Agenten). Agenten treten in Lernprogrammen als Tutoren oder Lehrende auf und werden hier auch präziser als Pedagogical Agents bzw. pädagogische Agenten bezeichnet. Ein Beispiel für einen pädagogischen Agenten ist die Figur ‚Bianca‘, die im Selbstlernprogramm ‚Interaktive Sprachreise Deutsch‘ 14 die Rolle eines Mentors übernimmt (vgl. Abb. 2). Bianca erläutert die Aufgabenstellung, gibt Hilfen und motiviert die Lernenden. 3.2 Agenten in Lernprogrammen Die Vorteile, die für den Einsatz von pädagogischen Agenten in Lernprogrammen gesehen werden, fasst Domagk (2008: 23) damit zusammen, dass 12 Für eine Auseinandersetzung mit den verschiedenen Definitionen von Agenten vgl. Domagk (2008: 11ff). 13 Erickson (1997) schlägt daher vor, den Begriff des Agenten zu spezifizieren: Während für den eigentlichen Prozess, der im Hintergrund abläuft, die Bezeichnung adaptive Funktionalität (vgl. ibid.: 15ff) verwendet werden sollte, bezeichnet er mit Agent die grafische Gestaltung des Vermittlers auf dem Computerbildschirm. Aufgrund der terminologischen Vieldeutigkeit wird die visuelle Abbildung auch als Interface Agent bezeichnet - bei menschlichen Figuren werden auch die Bezeichnungen Anthropomorpher Interface Agent oder Embodied Conversational Agents verwendet. 14 Je nach zu lernender Sprache setzt digital publishing, die Betreiberfirma, andere Agenten ein. So führt in der Digitalen Sprachreise Englisch der Agent Tim durch das Programm. Abb. 2 Die pädagogische Agentin Bianca der Sprachlernsoftware ‚Interaktive Sprachreise Deutsch‘. Immersion und Interaktivität - Fremdsprachenlernen mit Avataren und Agenten 121 pädagogische Agenten in der Lage seien, den Lernenden zu motivieren, indem das Programm unterhaltsamer gestaltet sei und durch eine soziale Komponente bereichert werde. Neben der Motivation seien pädagogische Agenten in der Lage, den Lernprozess zu befördern, indem sie Feedback liefern, mit den Lernenden interagieren oder Informationen vermitteln. Die Steigerung von Motivation und Lernertrag durch pädagogische Agenten 15 werden mit sozialen Effekten erklärt (vgl. z.B. Moreno 2005): Dem Persona-Effekt und der Social Clue-Hypothese. Als Persona-Effekt wird die Annahme bezeichnet, dass allein das Auftreten eines Pädagogischen Agenten ausreiche, um das Lernergebnis zu verbessern 16 . Die Social Clue- Hypothese sieht den Mehrwert der pädagogischen Agenten nicht allein in deren Auftreten, sie formuliert, dass soziale Signale (die visuelle Darstellung sowie die Stimme), die die Lernenden durch die pädagogischen Agenten erhalten, lernförderlich seien (vgl. Moreno, Mayer & Lester 2001). Worin genau der Mehrwert liegt bleibt indes unklar: Erbrachten die Hinweise der Agenten als soziale Zuwendung den Lernmehrwert oder vergrößerte die mehrkanalige Darbietung den Lernertrag? Moreno et al. (ibid.) konnten in ihren Studien zudem keinen Anstieg der Behaltensleistung, sondern des Transfers des erworbenen Wissens feststellen. Die Social Clue Hypothese bleibt umstritten, da sie je nach Forschungsfrage und -setting widerlegt oder erfüllt wird (vgl. Domagk 2008: 50). Domagk (2008) untersuchte, wie pädagogische Agenten gestaltet sein müssen, um lernförderlich zu wirken und in welchen Kontexten sie eingesetzt werden sollten. Sie fand heraus, dass pädagogische Agenten nicht automatisch zu besseren Lernergebnissen führen. Vielmehr wirke sich Sympathie zum dargebotenen pädagogischen Agenten förderlich aus, dies vor allem bei komplexen Wissensanwendungen und -transfers: „[B]ei den Lernergebnissen traten nur bei anspruchsvollen Aufgaben Unterschiede auf, Wissenserwerb und naher Transfer blieben unbeeinflusst“ (ibid.: 260). Außerdem profitierten vor allem Lernende ohne Vorwissen zum jeweiligen 15 Forschungen, die auf diesen Annahmen beruhen, wurden seit Ende der 1990er Jahre unternommen; pädagogische Agenten werden seitdem aus pädagogischpsychologischer Perspektive intensiv beforscht: Allein für den Zeitraum von 2002 bis 2006 nennt Domagk (2008: 47) über 50 Artikel zu pädagogischen Agenten. 16 Die Studie von Lester, Converse, Kahler, Barlow, Stone & Bhogal (1997), die diesen Persona-Effekt nachweisen konnte, wird diesbezüglich häufig zitiert. Domagk (2008: 49) weist aber darauf hin, dass in dieser Studie keine Kontrollgruppe eingesetzt wurde und die Annahmen der besseren Lernergebnisse im Posttest (mit pädagogischen Agenten), verglichen mit dem Prätest (ohne pädagogische Agenten), auch anders erklärt werden können. Katrin Biebighäuser 122 Lerngegenstand von einem als sympathisch empfundenen pädagogischen Agenten. Domagk (ibid.: 263) vermutet, dass bei einem sympathischen pädagogischen Agenten die Misserfolgsbefürchtung geringer sei als bei einem unsympathischen, was sich förderlich auf den Lernerfolg auswirke. Sie merkt an, dass die Einschätzung der Sympathie stark von der Stimme, mit der der Agent ausgestattet worden sei, abzuhängen scheine (ibid.: 264), auch wurde von den Versuchspersonen jüngere Darstellungen als sympathischer eingestuft. Da die Versuchsgruppe Studierende waren, könnte sich ein altersentsprechender Agent positiv auf die Motivation auswirken. Wie unter 5 gezeigt werden wird, sind die aufgezählten Vorteile von pädagogischen Agenten Aspekte, die auch didaktische Interaktionen auszeichnen. Damit scheint es, als könnten pädagogische Agenten sich positiv auf die Interaktion von Computerprogrammen auswirken. Bevor dies überprüft werden soll, wird zunächst auf den Interaktionsbegriff eingegangen. 4 Interaktivität und Interaktion Interaktivität dient als Schlagwort in Bezug auf digitale Medien, insbesondere im Bereich der Lernprogramme. Diese werden mit dem Adjektiv ‚interaktiv‘ umworben, häufig ohne genauer zu benennen, was Interaktivität eigentlich ist und inwieweit sie dem Lernprozess dienlich ist (vgl. hierzu die Eingangszitate des Artikels von Kilsbach sowie den Artikel von Jones, Stuhlmann & Zeyer in diesem Band). Interaktivität basiert auf dem Begriff der Interaktion und leitet sich aus diesem ab: 17 Als Interaktion bezeichnen wir aus sozialwissenschaftlicher Perspektive das wechselseitig handelnde aufeinander Einwirken zweier Subjekte. Seit digitale Medien Funktionen menschlicher Kommunikationspartner übernehmen können, kann diese Definition (metaphorisch) erweitert werden auf Fälle, in denen eines der Subjekte durch ein entsprechendes technisches System ersetzt wird.[…] ‚Interaktivität‘ bezeichnet das Ausmaß, in dem eine Lernumgebung Interaktionen ermöglicht und fördert. (Niegemann, Domagk, Hessel, Hein, Hupfer & Zobel 2008: 293ff). Entsprechend dieser Definition kann man mit Bezug auf Computeranwendungen Interaktivität als messbare Eigenschaft des Programmes betrachten, 17 Häufig wird angenommen, dass sich Interaktionen auf Menschen, das Konzept der Interaktivität auf Mensch-Maschine-Kommunikation bezieht. Dies trifft auch auf die unten ausgeführte Definition von Niegemann et al. implizit zu, ist aber nicht bei allen Definitionen der Fall (vgl. Jones, Stuhlmann & Zeyer in diesem Band: 19). Immersion und Interaktivität - Fremdsprachenlernen mit Avataren und Agenten 123 auf Eingaben des Nutzers zu reagieren. Programme können mehr oder weniger interaktiv sein. Welche Operanten zur Ermittlung dieser Quantifizierung herangezogen werden, ist nicht immer eindeutig festgelegt und wird je nach Untersuchung unterschiedlich gehandhabt: So kann bereits die Quantität der Dateneingaben der Nutzer (‚Wie häufig klickt der Nutzer mit der Maus Items im Programm an? ‘) als Gradmesser der Interaktivität herangezogen werden (vgl. Niegemann et al. 2008: 295), aber auch komplexere Skalierungen werden verwendet: So unterscheidet Schulmeister (2005) den Grad der Interaktivität von Anwendungen in sechs Stufen, wobei der Nutzer mit dem Ansteigen der Stufen immer komplexere Möglichkeiten hat, auf die Darstellungen innerhalb der Computerprogramme einzuwirken und schließlich auch Rückmeldungen durch das Programm erhält. Niegemann et al. (ibid.: 295) stellen fest, dass aus derartigen Skalierungen des Interaktivitätsgrades keine lernförderliche Qualität des Programmes abgeleitet werden kann. „Worauf es alleine ankommt, ist der Beitrag, den die Interaktionen jeweils mittelbar oder unmittelbar zum erwünschten Lernergebnis beitragen können“. Strzebkowski und Kleeberg (2002) unterscheiden daher zwischen didaktischen Interaktionen und Steuerungsinteraktionen: Während letztere die Interaktionen umfassen, die auch Schulmeister (2005) in seiner Taxonomie misst und die lediglich beschreiben, wie differenziert der Nutzer im Programm Items auswählen und modifizieren kann, beschreibt die didaktische Interaktion den Grad, in dem das Programm in der Lage ist, sich auf den Nutzer einzustellen, was durch die Form des Feedbacks auf die Eingaben des Nutzers und die Adaptivität des Programms deutlich wird. Mit Adaptivität wird die Fähigkeit des Programms bezeichnet, „den Unterstützungsbedarf des Lernenden zu diagnostizieren“ (Leutner 1997: 141). Derartige didaktische Interaktionen von Programmen können das Lernergebnis eines Nutzers positiv beeinflussen und sind daher wesentliche Aspekte, die betrachtet werden sollten, um den Mehrwert von Computerprogrammen für Lernprozesse zu bewerten. Avatare und Agenten können als Mittel der Steuerungsinteraktion betrachtet werden, da Nutzer in Computerspielen und -programmen durch ihre Avatare agieren sowie mit anderen Nutzern (durch deren Avatare), aber auch mit dem Computerprogramm selbst (durch Agenten) interagieren. Doch ihr Potential ist höher, da sie den Nutzer durch das Programm begleiten, ihn informieren oder in Gespräche verwickeln können. Daher ist zu überprüfen, inwieweit Avatare und Agenten auch die didaktische Interaktion beeinflussen. Nachfolgend werden daher unterschiedliche Formen der Interaktion, die mit Avataren und Agenten durchgeführt werden können, aufgezeigt und hinsichtlich ihres didaktischen Potentials untersucht. Katrin Biebighäuser 124 4.1 Interaktion des Nutzers mit seinem Avatar Indem sie ihre Avatare personalisieren (vgl. 2.1), verwenden Nutzer sehr viel Zeit, kreative Energie und bisweilen auch finanzielle Ressourcen auf die Ausgestaltung der Computerfigur. Diese Auseinandersetzung mit dem Avatar dient der Inszenierung des Nutzers innerhalb des Computerprogrammes, hat aber auch Auswirkungen auf sein Handeln (durch den Avatar) innerhalb des Computerprogrammes. So beeinflusst das Aussehen des Avatars das Selbstvertrauen des Nutzers, welches durch die Interaktion mit Anderen deutlich wird: Yee und Bailenson (2007) ließen Probanden, durch vom Forscherteam zugewiesene Avatare, die unterschiedlich attraktiv 18 waren, miteinander interagieren. Waren die Nutzer mit einem attraktiven Avatar ausgestattet, gaben sie mehr Informationen über sich preis und verringerten die interpersonelle Distanz zwischen ihrem Avatar und dem Avatar des Gegenübers schneller als jene Probanden, deren Avatare weniger attraktiv waren. Aber auch auf den Nutzer selbst kann die Inszenierung des Avatars großen Einfluss haben. So kann die Ausgestaltung - oder nach Zwischenfällen auch die Wiederherstellung - des Avatars die komplette Aufmerksamkeit des Nutzers in Anspruch nehmen. Ist dies der Fall, tritt die Interaktion des Nutzers mit anderen Nutzern zugunsten der Arbeit am Avatar zurück (vgl. Biebighäuser 2014: 226ff und 271). Während ein Avatar, mit dessen Gestaltung ein Nutzer zufrieden ist, dessen Motivation und Selbstvertrauen befördern kann, können Schwierigkeiten in der Gestaltung der Figur zu einer Abwendung des Nutzers von der eigentlichen Lernaufgabe führen und damit hinderlich für den Lernprozess sein. 4.2 Interaktion zwischen Nutzern durch ihre Avatare Mittels CMC (Computer-Mediated Communication) ist es möglich, authentische fremdsprachliche Kommunikationssituationen auch außerhalb des fremdsprachlichen Klassenraumes zu eröffnen (vgl. hierzu auch Rösler in diesem Band). Indem die computervermittelte Kommunikation durch Avatare realisiert wird, haben Lernende den Vorteil, dass sie ihr Gegenüber in einer figürlichen Darstellung wahrnehmen können. Sie lesen nicht nur den Text, den der jeweilige Partner ihnen gesendet hat oder hören seine Stimme, die Repräsentation des Partners durch den Avatar führt auch dazu, dass man ein Gefühl der gemeinsamen Anwesenheit an einem Ort verspürt - auch 18 Die Attraktivität der Avatare wurde in einem Pretest ermittelt, indem Probanden verschiedene Avatare auf einer 7-Punkte Skala hinsichtlich ihrer Attraktivität bewerten mussten. Hierdurch wurden je 2 attraktive, durchschnittliche und unattraktive Avatare pro Geschlecht ermittelt (vgl. Yee & Bailenson 2007: 277ff). Immersion und Interaktivität - Fremdsprachenlernen mit Avataren und Agenten 125 wenn diese virtuell ist (vgl. Taylor 2002: 42). Die Gesprächspartner machen dies deutlich, indem sie die Nähe des/ der Partner suchen und mit den Avataren ‚Gesprächskreise‘ bilden. Dies ist nicht notwendig, auch wenn die Avatare mit dem Rücken zueinander stünden, würden sich die Teilnehmenden im Voice-Chat der meisten Programme genauso gut hören, als wenn die Avatare sich die Gesichter zuwenden. Aber die figürlichen Darstellungen erlauben es, Kommunikationskonventionen aus Gesprächen von Angesicht zu Angesicht auf den virtuellen Raum zu übertragen (vgl. Biebighäuser 2014: 374). Auch für die erste Kontaktaufnahme mit anderen Nutzern sind die Avatare hilfreich: Durch die Gestaltung des Avatars können Nutzer erste Vermutungen über ihren Kommunikationspartner anstellen, sofern sie diesen noch nicht kennen. Den Lernenden wird durch die Inszenierung des Avatars eine weitere Gestaltungsmöglichkeit geboten, sich den Partnern gegenüber darzustellen. Zusätzlich zu den Vorannahmen zum Partner, der sich hinter dem Avatar verbirgt, kann es die virtuelle Figur auch als ‚Eisbrecher‘ in der Kontaktaufnahme der Partner dienen: Wenn man noch nicht miteinander vertraut ist, sind Aussagen und Fragen zum Aussehen des Avatars unverfängliche Gesprächsthemen, die eine erste Kontaktaufnahme erleichtern (vgl. ibid.). 4.3 Interaktion des Nutzers mit Agenten In klassischen Selbstlernprogrammen treten Agenten häufig als Lernbegleiter auf. Sie leiten den Lerner durch die Abfolge der Aufgaben, teilweise wird das Feedback, dass Lernende zu den von ihnen absolvierten Übungen und Aufgaben bekommen, durch einen Agenten geliefert. Ist dies der Fall, ist der Agent nicht nur in Steuerungsinteraktionen (das Führen des Nutzers durch das Programm) involviert, sondern agiert auch in didaktischen Interaktionen: Er reagiert auf die Eingaben des Nutzers und informiert ihn darüber, ob diese Eingaben den Erwartungen der Programmersteller entsprechen. Damit kann er den Nutzer motivieren und ihm auch Hinweise zur Gestaltung des weiteren Lernweges geben. Genau in diesem Aspekt liegt aber auch ein Problem von Agenten: Sie müssen in der Lage sein, die Eingabe von Nutzern so gut zu analysieren, dass hierauf angemessene Rückmeldungen erfolgen können - sie müssen also ausreichend adaptiv sein und angemessene didaktische Interaktionen durchführen. Diese Aspekte werden nachfolgend unter 5 weiter ausgeführt. Es ist auch möglich, dass in ein und dergleichen Anwendung sowohl Avatare als auch Agenten agieren. Die programmierten Agenten geben Nutzern beispielsweise Informationen zu einer spezifischen Umgebung, welche Katrin Biebighäuser 126 der Nutzer gerade betritt und in der sich auch andere Nutzer mit ihren Avataren befinden können. Bei komplexeren Programmierungen merkt man virtuellen Figuren ihre künstliche Intelligenz nicht sofort an, so dass Nutzer nicht sicher sein können, ob sich hinter der virtuellen Figur, die vor ihnen steht, tatsächlich ein menschlicher Gesprächspartner befindet oder ob ein Computerprogramm mit ihnen interagiert. Boellstorff beschreibt, dass es in virtuellen Welten zu Zwischenfällen kommen kann, in denen neu angemeldete Nutzer in Bezug auf ihnen gegenübertretende Avatare annehmen, dass es sich bei diesen um Teile des Computerprogrammes, also um Agenten handelt. Insbesondere Nutzer, die computerspielerfahren seien, tendierten zu solchen Annahmen: Volunteer helpers often found new residents of Second Life asking them “Are you human? ” in other words, are you automated or not? Alieva [eine Nutzerin der virtuellen Welt, K.B.] noted how she was helping new residents when “the other day, I had to prove to someone that I wasn’t a ‚robot’”. People with gaming experience tend to think that people willing to help are bots, not humans.“ (Boellstorff 2008, zitiert in Muhle 2013: 13). Wenn die programmierten Figuren nicht mehr von den menschlich gesteuerten unterschieden werden können, verschwimmen die Grenzen zwischen Interaktion als menschlichem Aufeinanderbezugnehmen und Interaktivität als Eigenschaft eines Computerprogrammes. Wenn wir nicht mehr sicher sein können, ob die Computerfigur, die unserem Avatar gegenüber steht, von einem Menschen oder einem Programm gesteuert wird, wenn die Reaktionen der programmierten Figur nicht mehr von menschlichen Reaktionen unterschieden werden können, werden Interaktion und Interaktivität eins. Ebenso verhält es sich im Hinblick auf das Fremdsprachenlernen mit digitalen Medien und der damit einhergehenden Abgrenzung zwischen CALL (Compter Assisted Language Learning) und CMC (Computer Mediated Communication): Wenn der Nutzer mit einer Figur kommuniziert, von der er annimmt, sie sei ein realer Gesprächspartner, diese aber ein Agent ist, findet CMC mit dem Programm selbst statt (vgl. hierzu auch Rösler in diesem Band). 5 Didaktische Interaktivität durch Avatare und Agenten Es wurde deutlich, dass es vielfältige Erscheinungsformen und Einsatzmöglichkeiten von Avataren und Agenten im Bereich des fremdsprachlichen Lernens gibt. Im Hinblick auf das übergeordnete Thema dieses Sammelbandes soll hier noch einmal überprüft werden, ob und in welcher Form sie in Immersion und Interaktivität - Fremdsprachenlernen mit Avataren und Agenten 127 das Konzept der Interaktivität passen und welche Eigenschaften Avatare und Agenten erfüllen müssen, um als interaktiv zu gelten. Niegemann et al. (2008: 295) nennen mit Bezug auf Klauer (1985) sechs Grundfunktionen des Lehrens, die ein menschlicher Lehrer oder Tutor erfüllen muss und welche ihrer Ansicht nach auch ein Computerprogramm (zumindest in Teilen) erfüllen muss, um didaktische Interaktivität zu leisten: 1. Motivieren 2. Informieren 3. Verstehen fördern 4. Behalten fördern 5. Anwenden bzw. Transfer fördern 6. Den Lernprozess organisieren und regulieren Zusätzlich zu diesen sechs Punkten, aus denen sich didaktische Interaktivität zusammensetzt, sollte ein didaktisches Programm möglichst adaptiv sein, um einen Lernerfolg des Nutzers bestmöglich zu unterstützen: Äußerungen des Systems sollten sich auf Äußerungen des Nutzers beziehen (vgl. ibid.: 307). Auch für die Bewertung von Avataren und Agenten lassen sich diese Punkte als Anforderungen formulieren, die sie erfüllen sollten, um didaktische Interaktivität herzustellen. Motivation Avatare anderer Nutzer können die Motivation der Lernenden erhöhen, da sie einen möglichen Gesprächspartner darstellen, mit dem es gilt, in der Fremdsprache zu interagieren. Um für den Austausch mit anderen Avataren motiviert zu sein ist es allerdings notwendig, dass der Lerner hierin einen Nutzen sieht - dieser kann im Austausch von für sich bedeutungsvollen Themen liegen oder in der Möglichkeit, mit Muttersprachlern in Kontakt zu kommen. Auch der eigene Avatar kann den Nutzer motivieren, aktiv zu werden. Nachdem dieser individuell gestaltet wurde, ist die Rückmeldung anderer Nutzer in Bezug auf den Avatar eine Form der Anerkennung, die die Nutzer suchen (vgl. Hoffmann 2011: 32ff). Ein attraktiver Avatar kann das Selbstbewusstsein der Lernenden stärken (vgl. 4.1). Auch kann der Avatar als ‚stellvertretender Sprecher‘ die Scheu vor der Verwendung der Fremdsprache abbauen und damit die Motivation zur Fremdsprachenverwendung fördern (vgl. 2.3.1). Auch Agenten können als Gesprächspartner fungieren. Bemerkt der Nutzer allerdings, dass er mit dem Agenten kein für ihn bedeutungsvolles Gespräch führen kann und nahm er dies zunächst an, können Agenten im Gegenteil auch demotivierend wirken, da sich Erwartungen der Nutzer nicht Katrin Biebighäuser 128 erfüllen. Neben der Kommunikation kann ein Agent als Teil des Computerprogrammes dem Lernenden motivierende Rückmeldungen wie Lob und Hilfen geben. Dies kann das Computerprogramm zwar auch ohne eine figürliche Repräsentation, mit der Figur wird dem Nutzer aber eine Bezugs‚person‘ gegeben, durch welche unter bestimmten Voraussetzungen die Motivation der Lernenden steigen kann (vgl. 3.1). Information Informationen können auf unterschiedliche Arten übermittelt werden. Wie in Biebighäuser (2014: 355ff) deutlich wurde, hat die textuelle Informationsvermittlung bei gemeinsamen Lernprozessen von Gruppen den Nachteil, dass die Kommunikation innerhalb der Lerngruppe eingeschränkt wird: Lernende sind so mit der Rezeption des Informationstextes beschäftigt, dass während dieser Zeit kein Austausch innerhalb der Gruppe stattfindet. Avatare als Informationsvermittler bieten gegenüber klassischen Lernprogrammen den Vorteil, dass sie Informationen im Gespräch vermitteln. Dadurch werden diese narrativ eingebettet. Wenn Lernende eine soziale Bindung zur Figur bzw. dem Nutzer hinter der Figur eingehen, erhalten Ausführungen für den Lernenden größere Bedeutung, als wenn diese isoliertes Faktenwissen durch einen Text dargeboten bekommen (vgl. Tamme 2001, Biebighäuser & Marques-Schäfer 2009). Überträgt man diese Ergebnisse von Tamme auf Agenten, werden Parallelen zur Social Clue- Hypothese deutlich (vgl. 3.2). Auch sie formuliert Vorteile im Lernprozess, insbesondere im Wissenstransfer, durch soziale Signale des Agenten. Findet die Informationsvermittlung durch einen Avatar oder Agenten verbalisiert statt, gilt es hier aber ähnlich wie bei dem Vortrag eines Lehrenden im Präsenzunterricht, dass der Vortrag zeitlich begrenzt stattfinden muss. Zusätzlich muss beachtet werden, dass die rein akustische Vermittlung von Informationen vergänglich ist, eine visuelle Unterstützung ist daher sehr bedeutsam. Bei der Kommunikation mit Avataren und auch bei Agenten, welche die Beiträge der Nutzer ausreichend analysieren können, ist es möglich, dass die Informationen nicht nur monologisch vorgetragen werden können, sondern ein Dialog hieraus entsteht: ein Gesprächskontext, an dem sich die Lernenden aktiv beteiligen. Ist dies der Fall, können Lernende Rückfragen stellen, wodurch ihr Verstehen gefördert wird. Immersion und Interaktivität - Fremdsprachenlernen mit Avataren und Agenten 129 Verstehen fördern Um ein Verstehen der neuen Informationen zu ermöglichen, müssen diese in bekannte Kontexte eingebunden werden. Das Verstehen neuer Informationen kann befördert werden, indem unterschiedliche Verwendungskontexte und Beispiele gegeben werden. Insbesondere im sprachlichen Bereich können Avatare und Agenten hierbei hilfreich sein: Indem sie unterschiedliche Kommunikationssituationen nachstellen (beispielsweise Gespräche von Sprechern, die hierarchisch unterschiedlich zueinander positioniert sind), können unterschiedliche Verwendungskontexte von Sprache aufgezeigt werden. Auch können virtuelle Figuren im Dialog das Vorwissen des Nutzers erfragen und entsprechend hierauf reagieren bzw. aus Nachfragen des Nutzers dessen Vorwissen antizipieren und die Darstellung anpassen. Es wird deutlich: Um das Verstehen zu fördern ist ein passgenaues Erörtern der Informationen in Hinblick auf das vorhandene Vorwissen des Nutzers notwendig (vgl. Adaptivität). Insbesondere bei programmierten Figuren, den Agenten, muss die Analyse des Vorwissens des Nutzers durch eine Analyse der Lernereingaben erfolgen und der Agent entsprechend hierauf reagieren - eine sehr komplexe und anspruchsvolle Operation. Wenn menschliche Kommunikationspartner über ausreichendes fachliches und didaktisches Wissen verfügen, können deren Avatare diese Aufgabe übernehmen und dadurch die individuelle Betreuung einer klassischen Präsenzlehrsituation ins Virtuelle übertragen. Behalten fördern Das Behalten neuer Informationen gelingt, wenn diese durch vielfältige Verknüpfungen mit bereits Bekanntem verankert werden und wenn das neue Wissen durch eine hohe Übungsfrequenz häufig und in unterschiedlichen Kontexten angewendet wird. Klassische Lernprogramme bieten den Vorteil, dass in diesen neues Wissen geübt werden kann: Es können immer wieder neue Aufgaben zu einem sprachlichen Phänomen abgerufen und bearbeitet werden; zudem erhält der Lernende sofortiges Feedback, ob seine Antworten korrekt waren. Der Nachteil derartiger Programme liegt aber darin, dass die Anbindung an bereits Bekanntes nicht sichergestellt wird. Zudem ist das Feedback häufig schlecht und hilft dem Lerner nicht weiter (vgl. hierzu auch die Untersuchung von Schmidt & Blume in diesem Band); häufig rezipieren die Lerner das Feedback deshalb gar nicht (vgl. Schmidt 2007: 278ff). Indem das Feedback durch einen Agenten geliefert wird, kann die Rückmeldung persönlicher erscheinen, was die Rezeption der Rückmeldung wahrscheinlicher machen würde. Voraussetzung hierfür wäre allerdings, Katrin Biebighäuser 130 dass die Rückmeldung des Agenten aussagekräftig ist und dem Lernenden Hinweise zu seinen Fehlern oder Empfehlungen zur Gestaltung des weiteren Lernprozesses gibt. Da sich die Verwendung der Agenten in Programmen motivierend auswirken kann, kann sich zudem die Wahrscheinlichkeit erhöhen, dass das neue Phänomen ausreichend oft geübt wird - auch hier ist aber Voraussetzung, dass die Lernenden das Gefühl haben, dass der Agent ihre Eingaben sinnvoll erfasst und darauf angemessene Rückmeldungen liefert. Stimmen Rückmeldungen des Agenten mit den Erwartungen der Nutzer nicht überein, können Frustration und Ablehnung die Folge sein (vgl. Schmidt 2007: 302). Im Gespräch mit anderen Nutzern durch deren Avatare, werden authentische Kommunikationsanlässe geschaffen. Da Sprache als auch Inhalte hier im Kontext angewendet werden, kann sich dies ebenfalls förderlich auf das Behalten der sprachlichen Mittel auswirken. Wie bereits dargestellt wurde, kam Tamme (2001) überdies zu dem Ergebnis, dass Informationen, die in einem Gespräch erworben werden, als relevanter eingestuft werden und besser behalten werden, wenn der Gesprächspartner für den Lerner wichtig ist und er zu diesem eine soziale Bindung aufgebaut hat. Auch in diesem Aspekt kann ein Gespräch mit Avataren sich behaltensfördernd auf den Lernprozess auswirken. Anwenden bzw. Transfer fördern Digitale Medien bieten vielfältige Möglichkeiten der Anwendung neuen Wissens. Wenn hierfür neue Kontexte dargeboten werden, wird auch der Transfer in neue Zusammenhänge befördert. Beides führt zu einer tiefergehenden Verarbeitung der neuen Informationen und stellt damit sicher, dass Informationen langfristig gespeichert werden. Agenten als Teil eines Lernprogrammes bieten den Vorteil, dass sie geduldig Rückmeldung zu den Lernereingaben geben. Vorausgesetzt, diese Rückmeldungen sind angemessen und werden vom Lernenden als hilfreich erachtet, bietet sich so ein sicherer Ort, an dem neu erworbenes Wissen angewandt und geübt werden kann. Für die Förderung des Transfers ist es notwendig, das erworbene Wissen an neue Situationen anzupassen. Domagk (2008: 260) konnte für den Einsatz von Agenten in Lernprogrammen Mehrwerte in Hinblick auf Transferleistungen der Lernenden zeigen (vgl. 3.2). Insbesondere auch durch das Gespräch mit anderen Menschen, welches im Virtuellen durch Avatare geführt werden kann, können Transferleistungen befördert werden: Indem der Lernende sich dem jeweiligen Kommunikationspartner bzw. der Gesprächssituation anpasst, wird erworbenes Wis- Immersion und Interaktivität - Fremdsprachenlernen mit Avataren und Agenten 131 sen leicht modifiziert. Dies leistet selbstverständlich auch ein reales Gespräch. Im Bereich des computerunterstützen Fremdsprachenlernens bieten Avatare mehrkanalige Kommunikation, welche durch die spielerische und anonyme Darstellung des Kommunizierenden Hemmnisse abbauen kann (vgl. 2.3.1). Den Lernprozess organisieren und regulieren Wie bereits ausgeführt wurde, kann bereits das Auftauchen eines Agenten zur Gliederung und Organisation des Lernprogrammes dienen. Neben einem ‚lehrenden‘ Agenten sind auch weitere Rollen möglich, die ein Agent einnehmen kann: So zeigen Falk und Götz (in diesem Band) wie im Lernprogramm ‚Duolingo‘ der Agent ‚Duo‘, eine kleine Eule, unterschiedliche Rollen einnimmt und dem Lerner in diesen Rollen bei der Organisation des Lernprozesses unterstützt. Wenn das Lernprogramm in der Lage ist adaptiv, entsprechend der Fertigkeiten des Lernenden, Aufgaben auszuwählen und damit den Lernprozess zu organisieren, eine Aufgabe, die traditionell der Lehrende übernimmt, können Lernprogramme den Lernenden entlasten. Gelingt diese adaptive Anpassung nicht, wird der Lernende mit Aufgaben konfrontiert, die ihn unter- oder überfordern. Unterfordernde Aufgaben führen schnell zu Langweile, bei überfordernden Aufgaben wird der Nutzer auf Dauer frustriert. Eine möglichst optimale Passung der Aufgaben, bei denen der Lernende sich herausgefordert fühlt, dennoch ausreichend Erfolgserlebnisse erlebt, um weiterhin motiviert zu sein, muss daher angestrebt werden. Avatare als Repräsentation des Lerners haben per se keine strukturierende Funktion in Hinblick auf den Lernprozess. Die Avatare anderer menschlicher Nutzer können je nach Kommunikationspartner aber durchaus diese Aufgaben übernehmen. Ist der Nutzer, der durch den Avatar repräsentiert wird, ein Tutor oder Lehrender, kann dieser den Lernprozess organisieren und regulieren, indem er den Lernenden angemessene Aufgaben stellt, Schwerpunkte setzt etc. Durch die persönliche Betreuung muss der Lernende nicht selbst einschätzen, welche Übungen für ihn angemessen sind, diese Aufgabe wird von anderen übernommen. Adaptivität Wie bereits dargestellt, werden digitale Lernprogramme neben den oben genannten Faktoren der Interaktivität auch im Hinblick auf ihre Adaptivität bewertet: Ist das Programm in der Lage, sich an den Lernenden anzupassen und diesen entsprechend seines Vorwissens zu fördern? Katrin Biebighäuser 132 Agenten, die Teil eines Computerprogrammes sind und in diesem Hilfestellungen und Informationen vermitteln, wurden in ihrem Funktionsumfang vollständig vorher programmiert. Ihre Adaptivität ist sehr stark eingeschränkt. Derartige Figuren richten ihr Handeln weitestgehend nicht am Nutzer aus. Ausnahmen sind solche Agenten, die in der Lage sind (oder zu sein scheinen), die Eingaben des Nutzers zu analysieren und dementsprechend zu handeln. Derartige Analysen der Nutzereingaben sind unterschiedlich tiefgreifend: Sie können lediglich auf die Online-Zeit des Nutzers beschränkt sein (‚wie häufig übt der Nutzer mit dem Programm die Fremdsprache? ‘), sie können die Anzahl der korrekt absolvierten Übungen ermitteln und diesbezügliche Aussagen machen oder aber die Antworten des Nutzers nach Schlüsselworten filtern. Die drei genannten Beispiele sind in ihrer Adaptivität an den Nutzer ansteigend; dennoch sind sie noch immer nicht in der Lage, inhaltliche Bezüge herzustellen und spontan auf die Äußerungen des Nutzers zu reagieren. Ein umfassend adaptiver Agent muss in der Lage sein, die Äußerungen eines Nutzers umfassend zu verstehen. Hierzu gehören nicht nur die vollständige linguistische Analyse sondern auch metasprachliche Aspekte wie Intonation, um ironische oder unsicher vorgetragene Äußerungen als solche zu erkennen. Hier liegt der Vorteil von menschlichen Kommunikationspartnern und dementsprechend auch von Programmen, in denen Nutzer über ihren Avatar mit anderen Nutzern (einen anderen Lernenden oder einem Lehrer) kommunizieren. Indem menschliche Gesprächspartner in der Lage sind (und in einem Gespräch auch erwarten), auf die Äußerungen des Gegenübers Bezug zu nehmen, sind Avatare, die durch Menschen gesteuert werden adaptiv - zumindest, wenn die Personen hinter den Avataren mit dem Gegenüber kommunizieren wollen und sprachlich dazu in der Lage sind. Niegemann et al. (2008: 303ff) weisen darauf hin, dass die Effektivität des interaktiven Lehrangebotes unter anderem auch davon abhängt, wie stark das Arbeitsgedächtnis der Lernenden während der Nutzung des Programmes belastet wird; eine zu fordernde Lernumgebung kann dementsprechend die mögliche Aufmerksamkeit des Lerners auf die Informationen einschränken, worunter der Lernertrag leidet. Dies konnte auch im Forschungsprojekt in Second Life beobachtet werden, bei dem durch die zahlreichen Operationen, die die Lernenden in der virtuellen Welt durchführen mussten (Navigation, Kommunikation, Rezeption von Informationen), die Aufgabenstellungen nicht durchgängig befolgt wurden (vgl. Biebighäuser 2014: 364). Ein weiterer Aspekt der Adaptivität wäre demnach, die Komplexität des Lehrangebotes an der Leistungsfähigkeit des Nutzers auszurichten und zu regulieren. Immersion und Interaktivität - Fremdsprachenlernen mit Avataren und Agenten 133 6 Fazit: Interaktives Fremdsprachenlernen durch Avatare und Agenten? Avatare und Agenten sind Figuren in Computerprogrammen, die je nach Verwendungszusammenhang unterschiedlich interaktiv sind. Bilder, die lediglich einen Nutzer repräsentieren, aber nicht Teil der Interaktion werden (beispielsweise Profilbilder in Foren) sind nicht interaktiv, da sie selbst nicht in Aktion treten. Die Figuren, die von Nutzern gesteuert werden, können hingegen als interaktiv bezeichnet werden: Durch die menschliche Steuerung sind diese Figuren in der Lage, situativ angemessen auf unterschiedliche Kontexte zu reagieren. Zudem können verschiedene Formen der Interaktion festgestellt werden: So interagiert der Nutzer durch seinen Avatar mit anderen Nutzern, aber auch zwischen dem Nutzer selbst und seinem virtuellen Stellvertreter findet eine Interaktion statt. Mit der zunehmenden Modifizierbarkeit eines Avatars durch seinen Nutzer steigt dessen Identifikation mit der Figur und das Aussehen seines Avatars hat Einfluss auf die Interaktion eines Nutzers mit anderen Nutzern. Für das Fremdsprachenlernen mit Agenten und Avataren bleibt festzuhalten, dass zwischen Steuerungsinteraktivität und didaktischer Interaktivität unterschieden werden muss. Letztere berücksichtigt, dass Angebote den Lernenden fordern, aber nicht überfordern, sie müssen möglichst optimal an sein Vorwissen anknüpfen und dem Lernenden angemessene Rückmeldungen geben. Diese Aspekte sind für Lernkontexte aller Art zentral. In der virtuellen Kommunikation mit Anderen, vermittelt durch die Avatare der Nutzer, kann eine ideale Anpassung der sprachlichen Strukturen an den Nutzer stattfinden, wenn beide Nutzer in der Lage sind, die Spracheingaben ihres Gegenübers einzuschätzen und in entsprechendem sprachlichen Niveau auf diese zu reagieren. Für den gewinnbringenden Einsatz von Agenten (Figuren, die Teil von Computerprogrammen sind) in Lernprozesse ist eine hohe Adaptivität grundlegend, die durch eine Analyse der Nutzereingaben erreicht werden kann, was auch Rösler (2007: 193) hervorhebt: Voraussetzung für eine sinnvolle Realisierung von pädagogischen Agenten ist, dass seine Aktionen adaptiv sind, dass er im Sinne eines intelligenten Tutorierungssystems in der Lage ist, die sprachlichen Eingaben des Lernenden zu analysieren - und das bedeutet für den Bereich des Fremdsprachenlernens eindeutig, dass er über den Vergleich von Mustern hinausgehend Sprachverstehen in Angriff nehmen muss; d.h., dass er mit den Ergebnissen der künstlichen Intelligenzforschung programmiert sein muss. Katrin Biebighäuser 134 Ist diese Adaptivität gegeben, bieten Agenten als personifizierte Lernhelfer eine Steigerung der Motivation des Lernenden und können den Lernenden entlasten, indem sie den Lernprozess organisieren. Derartig adaptive Agenten, die zwar programmiert sind, deren Analysefähigkeiten in Hinblick auf die Texteingaben des Nutzers so weit gehen, dass sie auf diese individuell eingehen können, sind keine Zukunftsvorstellung mehr. In anderen Verwendungszusammenhängen gibt es bereits Figuren, bei denen der Nutzer nicht mehr sicher zwischen einem programmierten und einem von einem Menschen gesteuerten Avatar unterscheiden kann (vgl. Muhle 2013: 13 sowie Rösler in diesem Band) Diese Agenten sind ein spannender neuer Bereich von CALL-Anwendungen, die das Potential haben, die Unterscheidung zwischen CALL und CMC aufzuheben. Literatur Bartle, Richard Allan (2003). Designing Virtual Worlds. Indianapolis: New Riders. Bailey, Rachel; Wise, Kevin & Bolls, Paul (2008). How avatar customizability affects children’s arousal and subjective presence during junk food-sponsored online video games. Cyberpsychology & Behavior, 12, 277-283. Biebighäuser, Katrin (2014). Fremdsprachenlernen in virtuellen Welten. 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Katrin Biebighäuser 138 Abbildungen: Abbildung 1: a): http: / / www.chefkoch.de/ forum/ 2,41,714457/ Portugal-Urlaub-oder.html b): http: / / www.freegameaccess.com/ images/ super-mario-flash-big.jpg c): Biebighäuser, Katrin (2014): 373 Abbildung 2: Digital publishing: Interaktive Sprachreise Deutsch. A Playful Approach to Interactive Media in the Foreign Language Classroom Roger Dale Jones 1 The Dream of Interactive Media and Language Learning A look into various discourses on interactive media (from academic, marketing/ business, popular culture to mass media) reveals a fantasy surrounding digital technology - that it can reach if not surpass the abilities of humans. In this fantasy, the line between digital technology as a tool vs. digital technology as its own conscious, meaning-making being is blurred. While the technological advancements in digital media (and accompanying dreams) have different, domain-specific implications, the hopes for many involved in foreign language (FL) learning and teaching is that interactive media can one day replace the classroom/ teacher in creating proficient language users. 1 Two fundamental ideas behind this are that intelligent programs can process input in meaningful ways, serving as viable communicative (teaching) partners, and that they can also mimic the complexity of interaction(s) that occur in the FL classroom. Despite technological advancements, interactive language learning media today still fall short of the fantasy. The space between current reality and future desire (and likely future reality), however, presents a unique opportunity to address two issues. The first addresses what complex interactive media can currently do, especially in terms of generating emergent meaning, and what emergent meaning can imply for FL learning. In this article, I offer an analysis of theory on complex commercial digital games as an example of how interactive systems can design for emergent, meaningful experiences. The second question addresses the role of the FL classroom in the face of increasingly competent digital learning programs. Based on the analysis of digital game theory, I make suggestions in this article how FL classrooms can integrate complex interactive digital systems, leveraging their affordances and bolstering their shortcomings. 1 Cf. Rösler 2000: 129 on the hope/ fear of virtual reality for foreign language teaching institutions, and 2010: 188-189 on the “Wunschvorstellung” for “intelligent feedback” in ICALL (intelligent computer-assisted learning). Roger Dale Jones 140 2 Why Popular Digital Games Illustrate the Potential of Interactive Media for Teaching and Learning Though popular digital games (i.e. games for entertainment) are not centered on learning (like serious games), they offer a type and level of interaction that can inform language learning contexts. As a starting point I offer three reasons. First, such games 2 are playful and foster an engagement that is quite conducive to learning. Second, games are engagement oriented, encouraging players to focus their full attention for hours, even weeks and months on a single game. This orientation on engagement has, over the past several decades, led to the development of complex digital games. Third, the complexity of popular digital games and the engagement they encourage can lead to a type of interaction that can be described in communicative terms. At the basis of this communicative description lies the idea that such games support player experiences that can be predicted by neither the player nor the game. Such ‘emergent’ experiences can be understood as the foundation for emergent meaning, which in turn holds potential for a communicative approach to language use and learning (based on ideals of meaning negotiation). Thus, instead of an approach to understand current interactive media that works directly with language, communication with artificial intelligence, and learning, this article focuses on complex commercial digital games which lay the foundation for novel, meaningful experiences that emerge between players and games. Fig. 1 Model of video game interactivity 2 Digital games are a very diverse media. This article refers largely to open-world games like Minecraft, Assassin’s Creed and World of Warcraft. A Playful Approach to Interactive Media in the Foreign Language Classroom 141 Figure 1 presents an initial attempt to model the interactivity between players and games that serves as a basis for conceptualizing a transfer of the potential of digital gameplay for FL teaching and learning. This model sees play and narrative as dominant and codependent sense-making processes which underlie player experience. These sense-making processes are, in turn, intricately involved in the interaction with complex game systems consisting of world representations and rules. Sections 3 and 4 in this article take a closer look at play and narrative sense-making, their role in (language) learning, and how game worlds and game rules foster the emergence of meaning - thus the details of the model in figure 1 are addressed there. Section 5 places this general discussion on digital games and learning within the context of FL teaching and learning by addressing the two central questions presented in section 1, and by extending the model in figure 1 into a game informed model of interaction in FL learning scenarios (figure 2). 3 What Popular Digital Games Can Teach Us - Play Popular digital games are adept at teaching players alot (information and skills) within a short period of time. 3 Though there are many systemic design principles responsible for this, it can be claimed that the concept of play lies at its root. Play is by no means limited to popular digital games, and in fact, much of the research and theory on play stems from ‘serious’ contexts, like child development and learning. Section 3 thus takes a closer look at the concept of play as it pertains specifically to digital games, focusing on the world created by games, the rules they present and manage, and the player who engages in a complex set of interactions. However, before the focus on play in digital games can occur, section 3.1 first further investigates the concept of play to show its relation to cognition, learning, and language. 3.1 Play, Learning and Uncertainty Popular digital games initiate and maintain intensive and extensive learning by encouraging play, and they encourage play by scaffolding fictional worlds, allowing creative action through rules, and encouraging players to develop ambiguity towards the game. What play and popular digital games allow, however, and in contrast to interactive learning media, is for the creation of a space of uncertainty from which new meaning can emerge. 3 For an overview on digital games and learning, cf. Breitlauch 2013; Gee 2007, and in the FL learning context, cf. Schmidt, Schmidt and Schmidt 2016. Roger Dale Jones 142 Paradoxically, uncertainty plays a crucial role for learning because, as a pedagogical principle, it presupposes an infinitely complex world. The relation between play and uncertainty is supported by many theorists. Adorno, addressing the ontological dichotomy of make-believe and reality in play and games in child play, states, “The unreality of games gives notice that reality is not yet real.” (2005: 147). Huizinga takes a similar approach, stating that play “creates order, is order. Into an imperfect world and into the confusion of life it brings a temporary, a limited perfection.” (1980: 10) Geertz, in a discussion on “deep play” states that “the imposition of meaning on life is the major end and primary condition of human existence” (1973: 434). For Geertz, play is one way in which cultures impose meaning to life - not how they simply discover it. And more recently, Malaby addresses the function of play and the role it serves in dealing with an indifferent, meaning-less universe, by viewing games and play as a metaphor for the indeterminacy of life (2009). As these approaches suggest, play presents uncertainty only through contrast, by presenting a finite (and somewhat arbitrary) order to a fundamentally complex world. This view of play and reality has implications for learning. First, it suggests that knowledge and meaning are not simply present in the world but rather created through interaction. Second, it suggests that no single individual holds the power of knowledge of the world, but rather that knowledge is negotiated through interactions with other individuals (cf. Blumer 1986 on the social construction of reality). Thus play can be seen as supporting processes of abstraction and symbolic thought (cf. Huizinga 1980: 13), which in turn supports action in a complex, unknowable world. Processes of abstraction and symbolic thought are crucial for language learning. Vygotsky views play as foundational for the development of language in children. He states, “In play thought is separated from objects and action arises from ideas rather than from things” (1978: 97). This separation through play is enabled by the power of imagination. “From the point of view of development, creating an imaginary situation can be regarded as a means of developing abstract thought.” (ibid.: 103) As a result, the process of abstracting meaning from objects and actions allows the development of language: “Thus, through play the child achieves a functional definition of concepts or objects, and words become parts of a thing.” (ibid.: 99) However, the role of play for cognitive development and language learning extends beyond language. Herman points out that symbolic play is the foundation for human interaction and the negotiation of meaning. As a cognitive function, it allows individuals to learn, through a form of makebelieve or pretense, to see situations and objects in the world from external, multiple “person-anchored” perspectives (cf. Herman 2013: 90). While this A Playful Approach to Interactive Media in the Foreign Language Classroom 143 ability to imagine the world through external perspectives is crucial for the conceptualization of self and others, it is also crucial for communicative settings involving cooperation and collaboration. Once this initial perspective-taking ability is internalized, individuals can utilize, and indeed expand upon it, in further interactions with the world. Thus through symbolic play, “objects in the world can be taken for what they are but also grasped as they might be taken under conditions of pretense, where they are (in effect) imagined as they might be viewed by another” (ibid.: 90). In cognitive terms, symbolic play, allows individuals not just multiple perspectives on aspects of the world but also the ability to empathize with others. This suggests that play supports language development as well as communication as a cooperative act of negotiating meaning. The concept of play and games are not foreign to FL didactics. ‘Spieldidaktik’ emerged in the 1980’s and from the beginning underlined both the FL learning as well as social goals of games (Kleppin 1995: 221; Klippel 1980: 128-129). However, while it recognized the potential of games for creative language use, it focused largely on games for language practice (Klippel 1980; Löffler & Klippel 1983; Wegener & Krumm 1982). This focus on practice appears to be the bane of digital FL learning games (so-called ‘serious games’). They are based more on positivistic principles of reality and learning that view the world, knowledge and language as static. 4 Such games do not present the world as inherently uncertain and do not allow for the emergence of meaning. The passages below address this issue by illustrating how play can foster emergent meaning if properly integrated into FL learning scenarios. 3.2 World Play creates, and is founded on, an ambiguity that fosters learning and the emergence of meaning. For example, playful interaction occurs in the real world, and yet it involves the creation of, and interaction in, a fictitious world. As children ‘make-believe,’ they pretend they are interacting within a situation, or a ‘world,’ which is not actually present, or they pretend to be people, creatures, or even objects which they are actually not. Often times, children’s make-believe includes not only the creation of situations that are not actually present (like children playing teacher and student), but that are also not even possible (like children playing fantasy creatures). Through play, individuals create a ‘world’ which overlays the one they are currently in. This make-believe world largely determines the mood of the 4 Cf. Arnseth 2006 for a critical approach to serious vs. commercial digital games. Roger Dale Jones 144 play, as well as the types of rules which emerge (discussed in 3.3). It is quite likely that the creation of a fictional world is foundational for play, and the ability of a person, child or not, to make-believe is prerequisite. However, in popular digital games, the fictional world is largely represented by the game’s interface. While free-play of children requires participants to create the make-believe world in their minds, digital games present fictional worlds for players to interact in. In digital games, make-believe stems more from the imaginary transposition from the real world into the gameworld. One could argue that the explicit representation of a world by an interactive system is not necessary for play to occur, since individuals contain a unique disposition to create their own during play. However, as Murray points out, digital technology is always spatial, and this spatiality provides the potential for fictional representation (1998: 161). And the spatial representation provides the context for rules and player action. 3.3 Rules In play, make-believe worlds and rules go hand-in-hand. After all, play is not just simply about representation, but also about action and interaction, and the make-believe world largely shapes the types of actions that are physically possible and socially acceptable within it. Vygotsky notes the interplay of world and rules, believing that rules can both stem from imaginary situations, but that imaginary situations can also develop out of sets of rules (1978: 95-6). Huizinga also points out the existence of rules in all play (1980: 11), as well as that “play is not “ordinary” or “real” life” (ibid.: 8), and that play forms a type of illusion (illusion stemming from inludere - “in play”) (ibid.: 11). Thus, make-believe worlds and rules can be seen as fundamentally interrelated. In child’s play, the make-believe world is typically invisible, yet the rules become physically observable and become the object of negotiation between participants. In this sense, the rules are very real and observable through the players’ actions, even if those rules are defining action within a make-believe world. However, just as the make-believe world can exist along a continuum of realism and fantasy, so to do the rules of play. Some rules follow realistic patterns of social interaction and cultural norms (cf. Hallet 2015 on the role of cultural scripts in the FL classroom), while others are founded more on fantastic settings, situations and characters. Unlike in child’s play, popular digital games include rules which are predicated by the game and not by the participants. Furthermore, the rules do not become necessarily obvious (and ‘real’) through the players’ actions, but rather through the interface of the game as represented within the fictional world on the screen. And just like A Playful Approach to Interactive Media in the Foreign Language Classroom 145 the rules that exist in child’s play, rules in games exist on a continuum of realism and fictionality (cf. Juul 2013). It is with this complex set of rules, world, and interplay of the two, which the player becomes actively involved in play. 3.4 Player It goes without saying that play requires players. This is quite obvious for child’s play, where there are often no physical artifacts which predicate play and often little trace once a moment of play is complete. In child’s free-play, there is no fictional world and no rules without players. This is not the case with games, and especially popular digital games. A game can be the material (like a game board, dice and cards) or software, like a digital, downloadable program. It can also be the act of playing the game, like is often the case for describing sporting events. What becomes more apparent in games is the ability and willingness of players to participate in play, as well as the players’ frame of mind during play. Although popular digital games present fictional worlds and difficult, pre-determined rules, players often engage with them extensively and intensively. Although games are not ‘real’ and are ‘just for fun,’ players often take them quite seriously. This presents another paradox - play is both serious and not serious. Huizinga, in addressing what he considers the false dichotomy of work and play, considers the seriousness of play, stating, “The contrast between play and seriousness is always fluid. The inferiority of play is continually being offset by the corresponding superiority of its seriousness.” (Huizinga 1980: 8) Furthermore, engagement in play, Huizinga claims, requires a type of internalization of this paradox. He states, “the unity and indivisibility of belief and unbelief, the indissoluble connection between sacred earnest and “make-believe” or “fun”, are best understood in the concept of play itself.” (ibid.: 24) A person at play, then, is in a state of both not believing, and yet also believing in, the enacted situation. Thus the paradox of play in terms of fun and seriousness can be connected to the mode of disbelief and belief in both the make-believe, illusory, imaginary world and the real concomitant set of rules surrounding that belief. 5 Play then can be seen as a complex process which utilizes participants’ cognitive dual processing systems. Although play is typically seen as non-serious, this section has addressed the more serious and functional nature of play. As a pedagogical approach, play is founded on learning in and working with an indelibly complex world. 5 Cf. Juul: 2013 on the paradoxical nature of seriousness in games in terms of failure. Roger Dale Jones 146 Although the outcome of play, and especially games, is uncertain, it adds structure to an uncertain world by establishing rules that apply to fictional worlds and that require players to enter into a state of partial belief and take the rules partially seriously. This conceptualization of play has strong implications for serious language learning games and other interactive media. For such media, play is often merely a superficial aspect implemented to attract and motivate learners, and learners are expected to take the content completely seriously. In terms of the dual nature of belief and disbelief, seriousness and non-seriousness that allows a social construction of knowledge, serious games and interactive learning media fail to support the type of play that would allow the emergence of new meaning. However, play does not explain the full potential of digital games. Section 4 thus focuses on the role of narrative for supporting emergent meaning in interactive media. 4 What Popular Digital Games Can Teach Us - Emergent Narrative While section 3 focuses on play as characteristic of all games, this section looks at emergent narrative as characteristic of complex, popular digital games. Similar to play, emergent narrative is also based on linguistic (and especially discursive, generic) structures. Although narrative is also a form of sense-making, just as play is described above, unlike play, it often attempts to construct coherence in and certainty about the world. This section first addresses these issues by looking at narrative sense-making in games, and then focuses on the three fundamental aspects of play - fictional world, rules and the player - explaining how they are also fundamentally involved in supporting emergent narrative. 4.1 Games and Narrative Sense-Making Although the world is filled with uncertainty, it does not mean making sense of it is pointless. 6 Narrative is one way individuals, and indeed cultures, create meaning. “Story making is our medium for coming to terms with the surprises and oddities of the human condition and for coming to terms with our imperfect grasp of that condition.” (Bruner 2002: 90) Narrative, however, is not merely a form of making sense of the world, but also of communicating experience: “the conventionalization of narrative […] converts indi- 6 As Geertz writes, “I have never been impressed by the argument that, as complete objectivity is impossible in these matters (as of course it is), one might as well let one’s sentiments run loose. As Robert Solow has remarked, that is like saying that as a perfectly aseptic environment is impossible, one might as well conduct surgery in a sewer.” (1973: 30) A Playful Approach to Interactive Media in the Foreign Language Classroom 147 vidual experience into collective coin which can be circulated, as it were, on a base wider than a merely interpersonal one” (ibid.: 16) - leading Bruner to claim “story is the coin and currency of culture” (ibid.: 16). Despite the unknowability of the world, narrative is one dominant, cultural form of making sense out of it. However, narrative sense-making can be problematic since not all experiences are scaffolded narratively (Herman 2013: 86-87) and since narratives can provide a false sense of coherence (Bergerson et al. 2011: 7, 84). Attempts to describe popular digital games as narratives have also raised problems because games sometimes lack an explicit, overarching story and since they are based on play and iterable by nature (cf. Aarseth 2004; Eskelinin 2004; Juul 2005). Such issues lead Murray to describe digital games as having a kaleidoscopic narrative power (1998: 161-162), and others to speak of games as evoking emergent narratives (Nitsche 2008: 145; Pearce 2004: 144). Calleja coined the term “alterbiography,” explaining it as “the ongoing narrative generated during interaction with a game environment. It is neither solely a formal property of the game nor a property of the player’s freeroaming imagination.” (2011: 124) Alterbiography describes the imperfect attempt to make narrative sense out of a semi-narrativized medium. Relevant for this article, however, is the ‘emergence’ of the alterbiography from the interaction between the player and the game. Through the unique stories that are told through player interaction, new meanings are not only embedded in but are also supported by the game system. These novel meanings are the result of complex interactions between the player and the game, similar to the negotiation of meaning that occurs amongst individuals in communicative settings. For digital games, ‘emergent narrative’ suggests that ‘emergent meanings’ become most apparent in narrative form. 7 In terms of learning, play and narrative are not diametrically opposed. Play opens up a space of uncertainty and paradox that allows abstraction, conceptual development, and even communication in complex social situations. While narrative sense-making creates coherent sense out of the world, this does not mean that it cannot be aware of its own limitations. As Herman states, “stories intervene in a field of discourses, a constellation of ways of seeing (2013: 13), leading him to claim that “narrative derives part of its 7 It is important to note that the emergence of meaning does not equal the negotiation of meaning, since digital games are not fundamentally altered by the player (cf. Quiring & Schweiger 2006 on negotiation of meaning and interactivity). It is also noteworthy that the emergence in games is limited (cf. Walsh 2011 on levels of emergent narrative in games). Roger Dale Jones 148 power from the way it provides an optic for investigating its own possibilities and limitations” (ibid.: 159). In conclusion, just as play leads to abstraction, language and perspective taking, it can also lead to, at a more complex level, the interplay of narrative sense-making. The relation between play and narrative (in digital games specifically and for learning in general) suggests that emergent meanings are best expressed through emergent stories. Thus, as 3.1 and 4.1 show, emergent meanings produced by gameplay are inextricably bound to language, through abstract thought, symbolic play, and at a higher level, narrative structuring, in a way that adheres to accepted approaches of conceptualizing sense-making. From this perspective, FL narrative didactics can be seen as fundamentally connected to play/ game didactics. While foreign language narratives not only foster an understanding of the construction of world models, and introduce foreign sense-making processes 8 , they also exist within larger cultural discourses as an interplay of world models and ways of seeing and being in the world. The emergent meaning of digital gameplay suggests that foreign language narratives provide an ‘architecture,’ and that a playful interaction with this ‘architecture’ allows learners to construct their own narrative understandings of the world. However, there is still a gap in FL narrative didactics between more ‘traditional’ linear narratives and the ‘hypertext’ nonlinear narrative of interactive media and digital games. The rest of section 4 serves as a step towards bridging this gap by shedding light on how digital games foster emergent narratives. Thus the following focus is on narrative aspects of the digital gameworlds, the interplay with rules, and player agency to create their own ‘stories.’ 4.2 World As presented in 3.2, play and games present make-believe worlds for individuals to interact in. While all games represent space, and thus contain the potential for fictional interpretation, most digital games rely on fictional representation to provide a context for gameplay. As Juul claims, digital games consist of both rules and fictional worlds (2014: 173-174). Jenkins refers to gameworlds as “narrative architecture” to explain how game spaces ‘map out’ narrative opportunities (2003). As such, gameworlds as fictional worlds do not tell stories, but present spatially designed elements of stories 8 Cf. Surkamp 2012 for a model of literary competence, Hallet 2009 for a model of novel-competency (Romandidaktik), and Grabes 2008 on how narratives (and narrative sense-making) constructs and presents characters in the world. All authors present approaches that can shed light on the narratives (and foreign language potential) of digital games. A Playful Approach to Interactive Media in the Foreign Language Classroom 149 which players can utilize to create their own experiences. Examples of narrativized spatial elements are settings, characters and props. Yet many popular digital games also present explicit, also called scripted (Calleja 2011: 132) or embedded narratives (Jenkins: 2003), or even metastory (Pearce 2004: 144). Such narratives can be expressed in many ways, from “cut scenes,” objects in the world, dialogue, etc. (Calleja 2011: 121). These explicit narrative elements, while not determining player experience, tend to have a strong influence on the player’s own interpretation of the game. Thus many popular digital games can be seen not only as presenting fictional worlds, but also as embedding narrative elements within those worlds to frame player experience. Although many games include explicit narrative elements, the “architecture” of the game often presents various levels of access to the gameworld, making a purely linear narrative progression nearly impossible. In fact, games are increasingly offering open worlds which encourage exploration of “3D” environments. While narrative aspects may play an important role in such open world games, it is more difficult for open world games to implement a single, dominant and overarching narrative, and they often rely on multiple narrative strands embedded within the gameworld. Quest games like World of Warcraft are a case in point, providing an example genre of games which consists of multiple quests from which players can typically choose in varying order, sometimes avoiding some quests altogether. Because games offer players choice, and because open world games offer players many spatial choices, players can create their own stories as they play the game. The explicit spatial representation, combined with player options, allow for non-linear progression and thus for new meanings to emerge. This openness, however, can be seen as threatening for learning approaches (and media) that present static views of the world, meaning and language. Gameworlds open up the real world for reflection (Breitlauch 2013: 179). They do so by presenting models which are inevitably based to varying degree on the real world (cf. Juul 2014: 178; Zipfel 2014: 105), by allowing players access to the gameworld through interactivity, and by allowing them to develop their own narrative experiences that contain emergent meaning. The potential for reflection on the interplay of gameand real-world comes partly from the fact that, while gameworlds may be fictional in representational terms, player actions and experiences (which make up the emergent narrative) are real (leading Juul to claim that games are half-real, cf. 2005: 168). However, crucial for understanding the actions of players in fictional game-worlds, and the resulting emergent narratives, are rules that provide players with choices. Roger Dale Jones 150 4.3 Rules Rules and the fictional world are inextricably bound within games (cf. 3.3). However, rules are often considered a separate component of games, not only because they can allow access to the game (distinguishing them from non-interactive narrative forms like literature and film) but also because not all rules actually provide access to the gameworld. Juul presents three categories of rules (in relation to fiction) in games: 1. fiction implemented in rules 2. fiction not implemented in game rules 3. rules not explained by fiction (2014: 175). This differentiation points out that rules not only provide limited access to the gameworld (i.e., when aspects of the game world are not accessible to the player because no rules allow it), but that there are sometimes rules that have nothing to do with the fictional world. From Juul’s distinction I draw three categories of rules which affect not only gameplay but also emergent narratives. The first refers to fictional rules which make sense within the fictional world of the game but have no bearing on rules in real life (like a wizard who can perform magic). The second category refers to non-fictional rules of the game which reflect either laws of nature or socio-cultural rules from real-life (like game items which fall due to ‘gravity’ or not being able to kill friendly characters in games). The third refers to systemic rules, which may represent arbitrary game conventions (like the role of a dice or the spin of a wheel) or may simply reflect limitations of the digital computer system of the game (like the fact that games can only allow limited access to the gameworld because of hardware/ software, programming and artificial intelligence limitations). These three categories of rules, while not all directly connected to the fictional world of the game, support both play and emergent narrative. Some rules allow player access to the fictional gameworld, some allow access to real-life rules, and others allow access to systemic and conventional game rules. Rules that allow access to the fictional world of the game do so only to a limited degree. Juul refers to this as the level of abstraction, noting that all game rules abstract action. This means that the player’s action is not necessarily the character’s action inside the game (which are usually more complex). Juul believes that “the dream of removing the level of abstraction”, i.e. via virtual reality, will never come true, since abstraction through rules removes complexity and adds a game-layer to the gameworld (2014: 182-183). This idea is similar to McGonigal’s idea that rules unleash player creativity and foster strategic thinking by removing or limiting obvious ways of reaching goals (2011: 21). This refers to either rules that pertain to the fiction of A Playful Approach to Interactive Media in the Foreign Language Classroom 151 the game or rules that are systemic and conventional, and it points out that FL learning games and media do not need to be virtual reality or superrealistic in order to support emergent meaning. 4.4 Player As mentioned in section 3.4, a game cannot exist without players, and much of the work of the game, no matter how mediated by the game’s interface, occurs in the minds of the players. Emergent narrative invites the player to inhabit the world of the game, just as the player inhabits the space in front of the screen. In games, players are immersed, often losing track of their own physical space and time. 9 Fritz identifies multiple types of immersion in games, noting the sensorial-motoric immersion of the player (by working the joystick or keypad), the simulative immersion of the player involved in what the character on the screen is doing, the narrative immersion in the storyline of the game, self-identification as the immersion of the player in the contest of the game, and the figural identification as the immersion of the player in the identity of his/ her character (2013). These types of immersion invite players into different levels of seriousness, and of investing time, energy, and meaning. Such an immersion into gameworlds and game-characters 10 enable players to learn to assume new identities, in general a skill that Gee claims is crucial for learning in today’s world (2007: 32). These types of immersion and identification cannot always be predicted by the game and game designers, and the meanings that players apply to their experiences, at all different levels of immersion, become apparent through the emergent narrative. Furthermore, emergent narratives, and their disposition for providing historical accounts of the development of meaning, can also provide the contexts and reasons for which certain meanings emerge. Last but not least, it is important to note that emergent narrative, and indeed games in general, would not exist without the ability of players to make choices. Through choices, players take different paths, follow different interests, take on certain challenges and avoid others. In other words, games provide players with agency. By allowing players to choose their own paths, interactive games systems that support the complex series of choices, immersions and identifications made by players can allow complex narratives 9 For a discussion on how games can influence players‘ understanding of space and time, see Csikszentmihalyi’s research on “flow” (2008). 10 Cf. Biebighäuser on avatars, agents and immersion in games and simulations (and their relevance for foreign language teaching and learning) in this volume. Roger Dale Jones 152 to emerge. These emergent narratives not only share the experiences of the players, but also track the development of the player’s self as (s)he learns and develops through the game. Serious FL games and media do not currently support emergent meaning and ‘narrative sense-making.’ Because they present static views of knowledge, meaning and the world, they do not allow players/ learners the agency of choice that serves as the foundation of emergent narrative. Furthermore, they tend to present language and the world it references as a product and not as a process. In such contexts, reality cannot exist as a performance of thought through language, and play and emergent narrative cannot be properly supported. 5 Interactive Media, Digital Games and Foreign Language Teaching and Learning The theory on play and narrative presented in sections 3 and 4 allows for a unique opportunity for reflection on learning in general and in FL contexts, specifically. The following passages (5.1 and 5.2) thus focus on insights and potentials that theory on popular digital games can provide FL classrooms and interactive learning media. While a comprehensive overview is beyond the scope of this article, they offer initial reflections and provide the basis for further research on digital game theory, FL teaching and learning, and interactive, FL learning media. 5.1 Question 1: What can the emergent meaning of digital games imply for foreign language teaching and learning? The idea that many complex digital games support emergent meaning, and that games and play are fundamentally intertwined with linguistic sensemaking processes, suggests that they offer potentials for informing FL learning and teaching. The following thus offers an initial attempt to model the interaction within FL learning and teaching spaces (figure 2) based on gameplay interaction (figure 1). Up to now, research in foreign language teaching and learning has mostly focused on direct, interpersonal interaction and its implications for linguistic communication (cf. Edmondson & House 2003; Schwab 2009; Surkamp 2013). However, this approach neglects the social semiotic, spatial elements of FL learning spaces as complex systems. Thus, the model in figure 2 offers an expanded conceptualization of FL learning interaction which capitalizes on the potential of gameplay interaction for the creation of emergent meaning. A Playful Approach to Interactive Media in the Foreign Language Classroom 153 Fig. 2 Model of FL teaching & learning interaction informed by digital game theory As a starting point, the FL learner can be seen as a game player. The central role of play and narrative is observed not only in the theory of both as general sense-making (and learning) processes, but also in the existing foreign language didactic approaches (discussed in 3.1 and 4.1). In FL learning settings, learners are presented with scenarios that require their dual processing - of language as both the object of learning and as the medium of authentic communication. Furthermore, learners are also expected to participate in make-believe - in order to simulate learning and communicative contexts and in order to transfer classroom to out-of-classroom learning. In other words, learners are expected to ‘play the game’ of language and culture learning. This expectation is addressed by concepts of language and cultural immersion, which occur either directly through exchange programs or indirectly through learner engagement with other speakers/ learners, media and through the learner’s own imagination. 11 Immersion, in both FL learning settings and the “worlds” they refer to and present, is connected to the identity of the learner. On the one hand, this involves the identity of learners as foreign language learners who acquire strategies and build motivation for extensive and intensive learning (Cf. Blell 2013; Burwitz-Melzer 2013 on FL learner identity). On the other hand, this also involves the identity of the learner as an intercultural communicative agent who is engaged in mediating foreign and native worlds (with beliefs and values), both internally (cognitively) and externally (socially) (cf. Kramsch 2011; Welsch 2009). Lastly, 11 For an overview on language immersion, cf. Surkamp 2013: 109-110. Roger Dale Jones 154 just as players are provided agency through games, FL learners are also (ideally) provided agency through learner-centered, action-oriented approaches which allow them to co-construct their own ‘stories,’ as language learners and as agent of intercultural communication. 12 The foreign language learner presented in figure 2 is embedded in a complex interaction with FL learning spaces (like classrooms and digital learning programs). Thus, FL learning spaces can be conceptualized, like games, in terms of ‘worlds’ and rules - even if these are not explicitly referenced in those spaces. The ‘world’ of such learning spaces is likewise ambiguous, as it involves a learning environment that stands in contrast to a ‘reallife’ environment of ‘authentic’ language use, and since it involves a native cultural and linguistic context that offers ‘access’ to a foreign language culture. Furthermore, the world of FL learning spaces typically offers roles for learners to inhabit. The most common is that of foreign language learner, but it also typically includes cultural and social roles, professional roles and political roles involved in the educational goals of global citizenship. 13 FL learning spaces not only present spaces and roles but also activities for learners to perform. Just as games provide quests, foreign language learning spaces provide tasks. Tasks should connect the classroom to the real world (according to the TBL approach cf. Nunan 2004) but also provide goals, guidelines, outcomes, tools, generic form etc. for learners (cf. Hallet 2012). Like games, FL learning spaces also present rules for learners to interact. Although rules are sometimes viewed as inhibiting the creative processes involved in learning, they have been shown (especially in the context of games) to be a fundamental part of play and to encourage creativity. 14 Foreign language learning spaces present, often implicitly, social and cultural rules. These rules can be seen in general in how native and foreign cultures act in certain contexts, but also specifically in how individual learners (and teachers) interact with each other and with foreign language and cultural artifacts. However, there are also ‘practical’ rules which co-define the interactions of FL learning spaces. For instance, classroom interaction is not only defined by cultural and social conventions, but also by the teacher-student ratio, class-size, classroom size and spatial design, the time allotted to a 12 Cf. Surkamp 2013: 185, 85 on learner centeredness and action-orientation in FL didactics. 13 Cf. Hallet 2015 on cultural roles and performativity in the FL classroom and Vogt 2004 on the role of citizenship in the Common European Framework of Reference. 14 Cf. Kirschner, Sweller and Clark 2006 on how the lack of guidance (like rules) inhibits learning in classroom instruction. A Playful Approach to Interactive Media in the Foreign Language Classroom 155 class-meeting, and the tools and media available. Furthermore, there are ‘classroom’ (strongly related to the practical and social) conventions of foreign language learning spaces much like there are generic conventions that inform rules of games. Such generic rules can inform roles in the classroom, for instance, as individuals take on roles of FL learners, teachers, tutors, etc. In FL learning spaces, these three types of rules are combined with, and largely expressed through, (a foreign) language, which in turn consists of its own set of complex linguistic rules. In games, rules drive fun, creativity and emergence, suggesting that the explicit interplay of complex rule sets in the FL classroom can also do the same. This modeling of FL learning and teaching interaction shows, on the one hand, that there are many similarities between how digital games function and the principles on which FL learning spaces are (ideally) based. On the other hand, this modeling also indicates that playful FL learning and teaching also concomitantly involve the interplay of multiple worlds, various sets of rules, and a learner who is willing and able to deal with the ambiguity and paradox of FL learning spaces (as well as of life). Furthermore, this interplay suggests that the negotiation of meaning does not solely rely on language, but also on the construction and negotiation of various ‘worlds,’ and how to live, act and interact within them through rules. FL teachers, materials and media can support the emergence of new meaning (in out-of-game contexts) by first of all understanding the complex interplay of aspects discussed in the model, as well as by recognizing the ambiguous mode with which learners interact. However, further research (theoretical and empirical) is necessary to test the extent to which (and in which contexts) these theoretical comparisons and resulting conclusions are true. 5.2 Question 2: What is the role of the foreign language classroom in the face of increasingly competent digital learning programs? Despite the potentials interactive media offer FL learning, the classroom plays a central role that is difficult if not impossible to replace. The following text presents three roles the classroom can play in contextualizing interactive (FL learning) media in non-digital teaching scenarios. This contextualization is based on the idea that no interactive system can replace a teacher (or mentor) who provides guidance, who designs learning tasks 15 and who also provides a social classroom setting (recognizing learning as a community of practice, cf. Lave & Wenger 1991; Shaffer 2012: 404). No matter how compe- 15 Cf. Ellis 2003 on task based language learning, Hallet 2012 and 2013a on complex tasks in the EFL classroom. Roger Dale Jones 156 tent and interactive a FL learning media might be, there remains the need for ‘real-life’ contextualization and transfer. • The first role involves optimizing learning with interactive FL media. Digital media may offer lots of potential for learning and emergent meaning, but that does not mean the potential describes the reality of user-engagement (cf. Sutter 2010: 43). Especially if interactive FL media is used outside of educational institutions, FL classrooms can support this potential by providing necessary skills and competences that support the involved learning processes (cf. Grau & Legutke 2014 on linking language learning). • The second role involves ensuring the transfer of learning from interactive media to the real world. For games, Shaffer states it as thus: “How do we know that players aren’t just learning how to play the game? ” (2012: 403) There is always the danger that outcomes of interactive media learning will become situated in the spaces they present. 16 One obstacle to transfer might be a dependency on particularly effective interactive FL learning media. Such a dependency would inhibit the autonomy of the language learner for language learning. The FL classroom can support both the transfer of language knowledge as well as processes and strategies of language learning by encouraging reflection and by raising student awareness on the medium itself. • The third and final role involves the importance of language for both putting experiences with interactive media into more complex thought, and for putting those thoughts into words for both individual reflection and external communication. FL classroom can not only support language articulation in general, but especially capture the emergent meanings allowed by complex interactive systems and integrate them into further processes of meaning negotiation. Articulation, in this sense, is both reflection and discourse participation (cf. Hallet 2008 on discourse participation in the FL classroom). The dream of interactive FL learning media that can fulfill all of the learner’s needs, and even support the communicative demands of meaning negotiation, may never come true (and there are questions as to whether it ever should). However, this does not mean that technology will not increasingly offer new and unique opportunities for foreign language learning and meaning making. Though current interactive FL learning media, like serious games, allow mostly language practice, theory on commercial digital games 16 Since interactive media place a large emphasis on user action, it can occur that users do not take sufficient time to reflect on the actions and behaviors that the rules of such systems allow and encourage (cf. Gee 2007; Jenkins 2009; Marotzki & Jörissen 2010; Prensky 2001; Tulodziecki 2010). A Playful Approach to Interactive Media in the Foreign Language Classroom 157 suggests that there is potential for serious media to also support the emergence of meaning. Furthermore, as the model presented in figure 2 suggests, there is also potential for conceptualizing general FL teaching and learning interaction (even non-digital) in terms of digital gameplay. In the light of these potentials, this article offers an initial attempt to explore ways of integrating the the types of interactivity that complex digital games offer into foreign language teaching and learning contexts. References Aarseth, Espen (2004). Genre trouble: narrativism and the art of simulation. In Noah Wardrip-Fruin & Pat Harrigan (Hrsg.) First person. New media as story, performance and game (S. 45-55). Cambridge, Mass.: The MIT Press. Adorno, Theodor (2005). Minima moralia: reflections on a damaged life. London and New York: Verso. Arnseth, Hans C. (2006). Learning to play or playing to learn - A critical account of the models of communication informing educational research on computer gameplay. 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Die Frage, was Interaktivität ist, dürfte zunächst in den meisten Fällen damit beantwortet werden, dass man ‚klicken‘ kann. Das stellt jedoch eine recht eindimensionale Sichtweise auf den Begriff dar, da hier zu kurz gegriffen wird bezüglich dessen, was auf den „Klick“ folgt. Während Sims ein „digitales Umblättern“ z. B. als lineare Interaktivität bezeichnet (1995: 5), rechnen andere es der Navigation (Schulmeister 2005: 2) bzw. Medialität (Mitschian 2004: 48) aber nicht der Interaktivität zu. Vergleicht man verschiedene Nennungen von Interaktivität, so wird deutlich, dass der Begriff je nach Kontext und Disziplin (Soziologie, Informatik oder Kommunikationswissenschaft) unterschiedlich verwendet und definiert wird (Stromer-Galley 2004, Quiring & Schweiger 2006). Das hat auch Auswirkungen auf den Bereich der Lehr-/ Lerntechnologie. Für die Fremdsprachendidaktik stellt sich hier die Frage, wie sich Interaktivität in Sprachlernprozessen äußern und diese unterstützen kann. Im vorliegenden Artikel soll diese Frage anhand des fremdsprachlichen Wortschatzlernens untersucht und dabei analysiert werden, wie sich Interaktivität in ausgewählten Ressourcen zum Wortschatzlernen äußert und in wie weit dadurch wichtige Lernprozesse unterstützt werden. Wortschatzlernen ist hier vordergründig auf das Selbstlernen von erwachsenen Lernern 1 bezogen. Auch 1 Im Folgenden werden aus Gründen der Lesbarkeit männliche Personenbezeichnungen für beide Geschlechter benutzt. Dabei sind, soweit nicht anders angegeben, in jedem Falle männliche und weibliche Nutzer, Lerner, Entwickler etc. gemeint. Susanne Krauß 164 wenn Teile auf andere Szenarien und Zielgruppen übertragbar sind, sind hier demnach Ressourcen und Werkzeuge für Lerner und nicht Lehrer gemeint. Zunächst soll anhand verschiedener Definitionsversuche die Problematik des Begriffs verdeutlicht und in Bezug zum Wortschatzlernen gesetzt werden. Anschließend werden beispielhaft digitale Ressourcen und Werkzeuge für das Wortschatzlernen auf ihre „Interaktivität“ hin untersucht und aufgezeigt, wie diese Ressourcen den Lernprozess unterstützen können. Zum Schluss wird mit dem „interaktiven Knoten“ ein dreidimensionales Raster für die Abbildung von Interaktivität beim Wortschatzlernen am Beispiel von Online-Wörterbüchern vorgeschlagen. 2 Definitionsversuche, Funktionen und Klassifizierungen Interaktivität in fremdsprachendidaktischen Lernprozessen zu untersuchen bedeutet den (potenziell) didaktischen Mehrwert von Interaktivität für das Fremdsprachenlernen zu ermitteln. Im Folgenden soll daher zunächst die Diskussion um den Interaktivitätsbegriff und dessen Funktionen für allgemeine Lernprozesse zusammengefasst werden. Anschließend wird die Problematik von Klassifizierungen erläutert und zum Schluss das Verständnis von Interaktivität vorgestellt, das diesem Artikel zu Grunde liegt. 2.1 Begriffsdifferenzierung In bisher unternommenen Versuchen den Interaktivitätsbegriff auf Lernprozesse anzuwenden, kristallisieren sich zwei Bereiche heraus: eine technisch-funktionale Perspektive und eine, die den Kommunikationsprozess bzw. die dynamische Beziehung zwischen Lerner und System 2 fokussiert und in dem vorliegenden Artikel unter „didaktischer Interaktion“ (Strzebkowski & Kleeberg 2002: 232) zusammengefasst wird. Unter die technisch-funktionale Perspektive fallen Aspekte, die sich darauf beziehen, in wie weit ein System es dem Lerner erlaubt, mit ihm zu interagieren oder welche Form von features (Hypertext, Simulationen, Multimedia), delivery media (WWW, Videokonferenzen) oder input devices (Tastatur, Maus, Touchscreen) das System beinhaltet, die eine solche Interaktion ermöglichen (Domagk, Schwartz & Plass 2010: 1025, vgl. auch Proske, Narciss & Körndle 2007, Strzebkowski & Kleeberg 2002). Es handelt sich hierbei demnach um eine vom System ausgehende Interaktivität, die sich in 2 „System“ wird hier als Oberbegriff für sowohl tutoriertes als auch nichttutoriertes digitales Lernmaterial, sowie digitale (Lern-)Werkzeuge verstanden. Interaktivität beim Wortschatzlernen - Der interaktive Knoten 165 diversen Eingriffs- und Steuerungsmöglichkeiten in Bezug auf das Lernmaterial äußert (vgl. Domagk et al. 2010: 1025, Issing & Klimsa 2002: 555, Kerres 2001: 101, Kerres 2002: 23, Strzebkowski & Kleeberg 2002: 232, Haack 2002: 129, Betrancourt 2005: 295). Didaktische Interaktionen hingegen entsprechen einer psychologischlernerorientierten Perspektive bzw. mentalen Dimension. „[A] mental dimension referring to all features of a web-based learning environment that allow learners to process the learning materials constructively, engage in learning activities actively and take control of their learning processes.“ (Proske et al. 2007: 512) Sie fokussieren Lernprozesse und beschreiben Aspekte, „die direkt den Erkenntnisprozess unterstützen“ (Strzebkowski & Kleeberg 2002: 232). Interaktivität äußert sich hier in Feedback durch das System (Moreno & Mayer 2007 in Domagk et al. 2010: 1026, Strzebkowski & Kleeberg 2002: 233), im konstruktiven Verarbeiten und/ oder Weiterentwickeln von Lernmaterial und Informationen und in der Selbstüberwachung und -kontrolle von Lernprozessen (Proske et al. 2007: 512ff). Die Grenzen zwischen den beiden Perspektiven sind dabei fließend (vgl. Strzebkowski & Kleeberg 2002: 233). In den meisten Fällen gehen technisch-funktionale Aspekte didaktischen Interaktionen voraus. Dabei ist jedoch eine Perspektive nicht zwingend einer anderen überlegen, denn es gibt z. B. auch Szenarien, in denen nur Informationen rezipiert werden (technisch-funktional), ohne dass eine kontextsensitive Rückmeldung (didaktische Interaktion) des Systems an den Lerner erfolgt und der Lernprozess dadurch trotzdem positiv unterstützt werden kann (s. 2.4). Versteht man Interaktivität im didaktischen Rahmen als eine Interaktion zwischen Lerner und Material, kann diese weiter unterteilt werden je nachdem, ob die Interaktion vom System ausgeht oder vom Lerner (vgl. Evans & Gibbons 2007: 1148). Bei Letzterem richtet sich der Lerner mit einem konkreten Anliegen an das System, von dem er die gewünschten Informationen erhält. Es handelt sich hier demnach um Eingriffsmöglichkeiten, die das System überhaupt erst ermöglicht. Bei ersterem läuft die Interaktion laut Evans und Sabry in drei Phasen ab: das System initiiert die Interaktion, der Lerner reagiert und das System gibt eine Rückmeldung auf die Eingabe des Lerners (initiation, response, feedback - Evans & Sabry in Evans & Gibbons 2007: 1149). Auch Yacci (o.J.) beschreibt Interaktivität ähnlich als message loop: Damit Interaktivität in einem Lehr-/ Lernszenario als solche bezeichnet werden kann, muss diese Interaktivitätsschleife vom Lerner ausgehen und gilt erst als abgeschlossen, wenn der Lerner auf seine Aktion eine Antwort bzw. Reaktion erhalten hat. Demnach gilt eine vom System initiierte Aktion, auf die der Lerner reagieren muss (z. B. eine Verständnisfrage) erst dann als interak- Susanne Krauß 166 tiv, wenn der Lerner auf seine Antwort eine Rückmeldung erhält - etwas, das als Feedback insbesondere bei geschlossenen Übungsformen inzwischen üblich ist, auch wenn sich die Frage, was ein angemessenes und lernförderndes Feedback darstellt, als weitaus schwieriger darstellt. 3 2.2 Funktionen didaktisch relevanter Interaktivität Didaktisch relevante Interaktivität sollte den Lernprozess unterstützen. Die Funktionen, die Interaktivität dabei übernehmen kann, sind individualisiertes und motiviertes Lernen (Haack 2002: 129, Yacci o.J.: 6) zu unterstützen sowie deep learning (Evans & Gibbons 2007: 1147) zu ermöglichen. Eine das individualisierte Lernen unterstützende Interaktivität äußert sich zum Beispiel, indem Lernende „über die Auswahl gewünschter Informationen, deren Präsentationsform, die zeitliche Steuerung des Programmablaufs sowie die Form der Wissenserschließung, -anwendung und überprüfung“ entscheiden können (Strzebkowski & Kleeberg 2002: 232). Eine Individualisierung kann aber auch durch den Eingriff des Systems in den Lernablauf erfolgen (z. B. in Form von adaptivem Verhalten bei Vokabeltrainern, s. 3.2.2). Dies stellt für den Nutzer eine kognitive Entlastung dar, da dieser seine Aufmerksamkeit somit besser auf den Lerngegenstand lenken kann. Wie Yacci (o.J.: 5) anmerkt, kann dieser Eingriff des Systems in den Lernprozess u.U. vom Lerner gar nicht als interaktiv wahrgenommen werden, wenn ihm nicht bewusst ist, dass das System auf seine Voreingaben reagiert. Die Nutzung von interaktiven Möglichkeiten eines Systems hängt demnach auch davon ab, ob dem Lerner bewusst ist, dass diese Optionen existieren (vgl. Quiring & Schweiger 2006: 12). „If I am skilled enough to ably use a given interface, I would rate it as quite interactive. If not, I would rate it poorly. […] Indeed, perceived interactivity is probably confounded with perceived usability of the system.” (Sundar 2004: 386, Herv. i. Orig.) Was motiviertes Lernen anbelangt, kann Interaktivität den „aktive[n] Einbezug des Lernenden in das Lerngeschehen“ (Haack 2002: 129) unterstützen. Gamification-Elemente wie Orden und Medaillen, Ranglisten oder 3 Computergestütztes Feedback findet vorprogrammiert oder in Form von Online-Tutoren statt. Programmiertes Feedback kann entweder einfach (richtig/ falsch-Bewertung) oder elaboriert erfolgen (Biechele, Rösler, Ulrich & Würffel 2003: 18ff). Letzteres ist - sofern es Begründungen für Fehler und/ oder Lösungsvorschläge enthält - lernfördernder, aber dementsprechend auch aufwändiger zu programmieren, insbesondere wenn die Zielgruppe und deren anzunehmender Wissensstand bzw. Verständnisschwierigkeiten nicht bekannt sind (vgl. Rösler 2004: 179). Die Nützlichkeit von digitalem Lernmaterial hängt daher stark von der Qualität des vorprogrammierten Feedbacks ab. Interaktivität beim Wortschatzlernen - Der interaktive Knoten 167 Bonuspunkte für zusätzliche Funktionen stellen hier nur ein Beispiel dar (vgl. auch Jones, Stuhlmann und Zeyer 2016 in diesem Band). Das motivierte Lernen ist hier auch eng verbunden mit der Individualisierung. Wenn ein Lerner auf sein Lernverhalten zugeschnittene Übungen oder Möglichkeiten erhält, die zu ausreichenden Erfolgserlebnissen führen, kann sich dies positiv auf das weitere Lernen auswirken. Interaktivität spielt insbesondere dann eine Rolle, wenn Lerner für ein Thema extrinsisch motiviert werden müssen (Strzebkowski & Kleeberg 2002: 236), wie es z. B. beim Vokabellernen über einen meist sehr langen Zeitraum der Fall ist. Deep learning wird ebenfalls ein positiver Lerneffekt zugesprochen, da der Lerner eine aktive Rolle in der Wissenskonstruktion spielt und zudem selbst Entscheidungen über Inhalte und Fokus trifft. Deep learning wird insb. durch die o.a. Individualisierung und Motivation begünstigt. Der Lernstoff wird durch diverse Eingriffs- und Steuerungsmöglichkeiten, Animationen etc. tiefgründiger und bedeutungsvoller verarbeitet (für eine ausführliche Besprechung der depth of processing-Hypothese s. z. B. Craik & Tulving 1975). Ein bloßes Klicken, um in einem elektronischen Buch die Seite zu wechseln, erfüllt diese Funktionen nicht und stellt stattdessen einen Komfort dar, der didaktisch keine Auswirkung zeigt: „Bequemlichkeit, Zugänglichkeit oder allgemein die Nutzerfreundlichkeit in der Softwarebedienung werden bereits als Phänomene der Medialität erfasst und bewertet. Ausschlaggebend für eine Einordnung von Interaktivitätsmerkmalen sind die Lernhandlungen, die sie initiieren.“ (Mitschian 2004: 49) Daher wird diese Form der Interaktivität in der vorliegenden Diskussion als eigenständiger Punkt ausgeklammert, wenn eine solche Navigation nicht didaktisch relevant ist (s. Kapitel 4). Hinsichtlich der Funktionen von didaktischer Interaktivität sind gewisse Parallelen zur Rolle von Lehrkräften in (herkömmlichen) Unterrichtsszenarien erkennbar: Im Präsenzunterricht reagiert die Lehrkraft auf Aktionen der Lerner und übernimmt u.a. eine besondere Rolle in Bezug auf Motivieren, Belohnen, Lernziele setzen und Wissen überprüfen sowie dazu Hilfestellungen und Rückmeldung geben. Insbesondere Letzteres ist in einem wechselseitigen freien Dialog zweifelsohne leichter zu bewältigen als bei vorprogrammiertem Lernmaterial. Allerdings ist auch fraglich, inwieweit die Lehrkraft in einer Klasse jedem Lerner gleich viel Aufmerksamkeit schenken und immer wenn nötig auf individuelle Bedürfnisse eingehen kann. Hier zeigen sich demnach potenzielle Vorteile von interaktiven (Selbst-)Lernmaterialien, denn ein gut durchdachtes und umgesetztes Lernmaterial kann durchaus Prozesse eines guten Lehrers abbilden und so den Lernprozess positiv beeinflussen. Susanne Krauß 168 2.3 Problem der Gradierung und Wertung Da mit Interaktivität letztendlich diverse Aufgaben verbunden sind, die in einem nicht-digitalen Unterrichtsszenario die Lehrkraft übernimmt, wird sie oft auch an den Möglichkeiten menschlicher Kommunikation gemessen. Issing und Klimsa sprechen bzgl. Interaktivität von einem „[u]mfassende[n] Begriff für solche Eigenschaften eines Computersystems, die dem Benutzer Eingriffs- und Steuermöglichkeiten eröffnen, im Idealfall auch die wechselnde Dialoginitiative von Mensch und Computer sowie über ein Computernetz mit anderen Menschen.“ (2002: 555, Herv. SK) Wenn ein wechselseitiger Dialog jedoch als Idealfall bzw. anzustrebendes Ziel von Interaktivität verstanden wird, lässt dies eine Wertung vermuten, die dem tatsächlichen Lernnutzen nicht immer gerecht werden muss. Insbesondere einige Versuche, den Grad von Interaktivität zu bestimmen, enden in der Auffassung, dass mehr Interaktivität auch „besseres“ Lernen bedeute (vgl. Sims 1995: 4). Niedrigere Interaktivitätsniveaus werden mit passiven oder behavioristischen Verfahren verglichen, höhere mit aktiven oder kognitivistischen bzw. konstruktivistischen. Schulmeisters Taxonomie von Multimedia-Komponenten (2005) definiert sechs Interaktivitäts-Stufen (Stufe I - Objekte betrachten und rezipieren, bis Stufe VI - Konstruktive und manipulierende Handlungen mit situationsabhängigen Rückmeldungen). Auch Haack versucht anhand einer Auflistung verschiedener Eingriffs- und Steuermöglichkeiten das Maß an Interaktivität zu beschreiben, das von gering (z. B. passives Rezipieren, festgelegte Reihenfolge) bis zunehmend (z. B. Rückmeldung auf geschlossene Übungen, Zugriff auf Zusatzinformationen) reicht und in „intelligentem tutoriellen Feedback“ bzw. „freie[m] ungebundene[n] Dialog mit einem Tutor oder mit Lernpartnern“ kulminiert (Haack 2002: 128ff). Wenn sich Begriffe wie „einfach“, „erweitert“ oder „komplex“ auf einen intensiveren Programmieraufwand beziehen, ist diese Kennzeichnung durchaus legitim. Bei Annahmen, wonach Interaktivität per se Lernprozesse optimiere oder mehr Interaktivität dies besser tue, ist allerdings Vorsicht geboten. „Regardless of the complexity or level of interaction, we do not know the extent to which cognitive processing is occurring.“ (Sims 1995: 4). Taxonomien, die ihren Fokus auf Handlungsmöglichkeiten des Benutzers legen (und somit Interaktivität auf das Medium reduzieren) erweisen sich als nicht praktikabel, weil sie aufgrund der vorgeschlagenen Einstufungen auf eine eindeutige Zuordnung ausgelegt sind. Das ist jedoch nicht immer möglich, da die potenziell mögliche Interaktivität unterschiedlich genutzt werden kann und je nach Lernziel unterschiedlich sinnvoll ist. Welche Stufe ist hier also die „höhere“? (vgl. Schwier & Misanchuk 1993: 10ff). Interaktivität beim Wortschatzlernen - Der interaktive Knoten 169 Um diesem Problem entgegenzuwirken, stellen Schwier und Misanchuk (1993) ihren drei Stufen von Interaktivität (reactive, proactive, mutual) fünf Funktionen von Interaktionen gegenüber (confirmation, pacing, navigation, inquiry, elaboration 4 ) und nennen „Transaktionen“, die dafür jeweils in Betracht kommen (Schwier & Misanchuk 1993: 14, s. Anhang A). Reactive interactivity ist dabei durch Reaktionen auf Stimuli oder Antworten auf Fragen gekennzeichnet. Proactive interactivity betont die Wissenskonstruktion und Aktivität seitens des Lerners, während die gegenseitige Interaktivität (mutual interactivity) sich durch künstliche Intelligenz und gegenseitige Adaptivität auszeichnet (ibid.: 11ff). Die Autoren betonen, dass sich die Kategorien nicht zwangsläufig gegenseitig ausschließen; dennoch ordnen sie ihre Stufen hierarchisch an. The quality of interaction is higher at a mutual level than a proactive level and higher at a proactive level than reactive. The quality of interaction is higher because there is greater opportunity for meaningful mental engagement and learner investment at higher levels of interaction than lower. (ibid.: 12). Diese Einschätzung vernachlässigt allerdings den konkreten Lerngegenstand bzw. das konkrete Lernziel. Auf den Bereich des Wortschatzlernens übertragen, können Lernziele z. B. im Erwerb von deklarativem oder prozeduralem Wissen, in der Semantisierung, der Vernetzung und/ oder der Reaktivierung von Wortschatz bestehen (s. 3.1). Eine Beschreibung interaktiver Prozesse darf sich also nicht nur auf technische Eingriffsmöglichkeiten seitens des Lerners oder des System beschränken, sondern muss diese in Bezug zu den potenziellen Lernabsichten und dem damit verbundenen didaktischen Mehrwert setzen. Aktive mentale Beschäftigung mit dem Material oder ein tieferes Verständnis dessen kann schließlich auch auf einer Interaktivitätsstufe stattfinden, die nur geringe Eingriffsmöglichkeiten beinhaltet. Da sich die Lernziele sowohl interpersonell als auch intrapersonell unterscheiden, kann didaktische Interaktivität also nicht mehr eindeutig an der Forderung des wechselseitigen Dialogs gemessen werden und muss daher flexiblere Auslegungen zulassen. Eine Verbindung von interaktiven Möglichkeiten und lernzielorientierten Notwendigkeiten ist daher vonnöten. Der „interak- 4 Bezüglich der Funktionen unterscheiden Schwier und Misanchuk confirmation (Lernbestätigung durch das Beantworten von Fragen), pacing (Regelung der Geschwindigkeit des Lernmaterials), navigation (gezielte Auswahl von Inhalten), inquiry (Inanspruchnahme von Hilfefunktionen und/ oder Klärung von Fragen durch z. B. zusätzlich bereitgestelltes Material) und elaboration (aktive Wissenskonstruktion) (1993: 11ff). Susanne Krauß 170 tive Knoten“ (s. Kapitel 4) liefert hier einen Vorschlag für das Beispiel Wortschatzlernen mittels Online-Wörterbücher. 2.4 Interaktivität bei (fremdsprachlichen) Lernprozessen Das Verständnis, dass Interaktivität nur als geschlossene Interaktivitätsschleife existiert (s. message loop in Kapitel 2.1), würde allerdings bedeuten, dass Systeme nach der technisch-funktionalen Perspektive nicht als interaktiv gelten. Meiner Meinung nach kann aber auch von Interaktivität gesprochen werden, wenn der Lerner das System konsultiert und die gesuchten Informationen dann auf eine Art präsentiert werden, die einem linearen, nicht-digitalen Text überlegen ist. Z. B. kann es sich positiv auf den Lernprozess auswirken, wenn der Lerner bei einer Wörterbuchsuche über die gesuchte Übersetzung hinaus auf Zusammenhänge hinsichtlich Wortbildung zugreifen kann, die im Gegenzug den Erschließungswortschatz 5 unterstützen können (s. Abb. 1). Für das in Abb. 1 angegebene Beispiel bedeutet dies, dass die Angaben der Wortkomponenten „Ruhe“ und „unruhig“ dabei helfen können, „beunruhigend“ zum einen zu entschlüsseln und außerdem durch die visuelle Darstellung Wortbildungsregeln verdeutlicht werden, die so eine konstruktive Verarbeitung der Informationen begünstigen. 5 Unter Erschließungswortschatz fasst Tütken (2006: 505) „z. B. Wortbildungselemente (Präfixe, Suffixe), Wissen über Wortbildungsregularitäten, Fremdwörter (Internationalismen) und Kenntnisse über Erschließungstechniken auf Wort- , Satz- und Textebene“ zusammen. Auch als potenzieller Wortschatz bezeichnet, stellt dieser „eher eine sprachlich geistige Fähigkeit [dar], die durch Weltwissen, die Beherrschung der Muttersprache wie der Fremdsprache(n), dem Metawissen über die Sprache(n), durch Kognition und Metakognition, durch logisches Denk- und Inferiervermögen (Analogiebildung, Klassifizierung) u.a.m. gespeist wird.“ (Löschmann 1993: 30) Interaktivität beim Wortschatzlernen - Der interaktive Knoten 171 Interaktivität verstehe ich in Anlehnung an Domagk et al. (2010: 1026) als dynamische Beziehung zwischen Lerner und Lernsystem. Der Mehrwert bzw. die Bedeutung von Interaktivität für den Lernprozess hängt vom jeweiligen Lerngegenstand und aktuellem Lernziel ab. Interaktivität wird daher weder als ausschließlich medieninhärent noch methodenabhängig verstanden, sondern als Zusammenspiel von System und Nutzer bzw. Nutzungsverhalten, was wiederum durch den Lerngegenstand bedingt wird. Der Nutzer interagiert digital - also mittels einer technischen Schnittstelle (System) - mit dem Lernstoff auf verschiedene Arten und Weisen und erhält auf diese Interaktion eine Rückmeldung durch bzw. über das System. Die Interaktion kann in Form einer rezeptiven Informationsaufnahme, als Eingriff in die Steuerung des Lernprozesses oder in Form eines Dialogs (einer Rückmeldung durch das System oder einer anderen Person - synchron oder asynchron) erfolgen. Da untersucht werden soll, welche Rolle Interaktivität beim Wortschatzlernen spielen kann, geht es nicht darum, eine Ressource dahingehend einzustufen, wie stark interaktiv sie ist, sondern welchen didaktischen Mehrwert die Interaktivität in bestimmten Fällen und bei bestimmten Lernzielen haben kann. „Technische Systeme offerieren lediglich interaktives Potenzial, das vom Nutzer eingelöst werden muss, damit von Interaktivität gesprochen werden kann“ (Quiring & Schweiger 2006: 13ff, Herv. SK) - und das hängt eben auch vom jeweiligen Lerngegenstand und -ziel ab. Im nächsten Kapitel wird daher diskutiert, welches interaktive Potenzial verschiedene digitale Lehr-/ Lernmaterialien für das Wortschatzlernen besitzen. Dabei wird untersucht, in wie weit diese Ressourcen auf sowohl linguistische als auch didaktisch-methodische Bedürfnisse beim Wortschatzerwerb abgestimmt sind. Abb. 1 Hinweise zur Wortbildung von Sucheinträgen, www.canoo.net Susanne Krauß 172 3 Wortschatzlernen mit digitalen Technologien Digitale Technologien bieten im Vergleich zu nicht-digitalen Wortschatzlern-Materialien verschiedene Vorteile, z. B. was vereinfachte bzw. schnellere Zugriffsmöglichkeiten und Authentizität sowie Aktualität der Materialien in geschriebener und gesprochener Form anbelangt oder auch mit Hinblick auf die sofortige Überprüfung der eigenen Antworten. Wie genau sind solche Materialien aber auf linguistische Aspekte des Wortschatzlernens zugeschnitten? In diesem Kapitel wird analysiert, wie ausgewählte Ressourcen ihre interaktiven Möglichkeiten mit wichtigen linguistischen Aspekten beim Wortschatzlernen verbinden. 3.1 Linguistische Aspekte beim Wortschatzlernen Beim Lernen von Wortschatz spielen drei Aspekte eine Rolle: die Form, die Bedeutung und Angaben zur Nutzung des neuen Wortes - in jedem dieser Aspekte sowohl rezeptiv als auch produktiv (vgl. Nation 2001: 33ff). Idealerweise wird Wortschatz auf mehreren dieser Ebenen verarbeitet. Für den gesamten Wortschatz einer Sprache ist dies auf allen drei Ebenen allerdings nicht gleichermaßen möglich und oft auch nicht nötig, da nicht jede lexikalische Einheit sowohl produktiv als auch rezeptiv beherrscht werden muss (s. z. B. die Vorschläge des GeR 6 , was bezüglich diverser Niveaustufen zum aktiven bzw. passiven Wortschatz einer Fremdsprache zählt). Diese drei Verarbeitungsebenen entsprechen der allgemein akzeptierten Repräsentation von lexikalischen Einheiten im mentalen Lexikon (semantisch, syntaktisch/ morphologisch, orthografisch/ phonologisch - vgl. Aitchison 2012: 121, Levelt 1989: 182, Löschmann 1993: 22, Tschirner 2010: 240) und spiegeln sich auch z. B. im wortschatzdidaktischen Dreischritt wider, der vorschlägt Wortschatz zunächst zu semantisieren (Schritt 1), anschließend zu vernetzen (Schritt 2) und schließlich zu reaktiveren (Schritt 3) (s. Kühn 2000 für eine ausführliche Besprechung; Feilke 2009: 10). Die von Nation (2001: 27) aufgestellte Zusammenfassung, welche Aspekte zur Beherrschung eines Wortes gehören (s. ausführlich Anhang B), listet für Form, Bedeutung und Nutzung die folgenden Unterkategorien auf, die jeweils produktiv und/ oder rezeptiv umgesetzt werden können: 6 Gemeinsamer Europäischer Referenzrahmen für Sprachen, s. z. B. www. europaeischer-referenzrahmen.de und Glaboniat, Manuela; Müller, Martin; Rusch, Paul; Schmitz, Helen & Wertenschlag, Lukas (2005). Interaktivität beim Wortschatzlernen - Der interaktive Knoten 173 − Form: gesprochene und geschriebene Form sowie Wortteile/ zusammensetzung − Bedeutung: in Form der Denotation und Konnotation sowie weiterer Assoziationen − Nutzung: die grammatische Struktur und entsprechende Kollokationen der lexikalischen Einheit sowie Nutzungseinschränkungen bzgl. Register, Häufigkeit etc. 3.2 Beispiele interaktiver Ressourcen Im Folgenden wird anhand von ausgewählten Ressourcen diskutiert, welches interaktive Potenzial diese für einzelne Phasen des Wortschatzerwerbs bieten (können), um den Nutzer bzw. den Entwickler 7 so in seinem Lernprozess zu unterstützen. Das interaktive Potenzial wird dabei in Teilen zu dem Verständnis und den Perspektiven der bereits angeführten Autoren in Bezug gesetzt, um so die Begriffsproblematik für das Fremdsprachenlernen klarer herauszuarbeiten. Der Übersicht halber werden die ausgewählten Ressourcen in den folgenden drei Gruppen zusammengefasst, da anzunehmen ist, dass diese für die selbständige Wortschatzarbeit außerhalb des Klassenzimmers von Bedeutung sind: Nachschlagewerke (3.2.1), Vokabeltrainer & Übungssammlungen (3.2.2) und Kommunikationswerkzeuge (3.2.3). Konkrete Beispiele werden, soweit möglich, aus dem Bereich Deutsch als Fremdsprache angeführt. Die diesen zu Grunde liegende Systemstruktur ist jedoch auf Ressourcen für andere Sprachen übertragbar. 3.2.1 Nachschlagewerke und Glossen Prinzipiell könnte man meinen, dass elektronische Nachschlagewerke als „bequeme Variante“ zu ihren Papier-Pendants hier aus der Diskussion herausfallen müssten, insbesondere wenn das Ziel allein darin besteht, die Bedeutung eines Wortes zu finden. Einsprachige (auch nicht-digitale) Wörterbücher geben i.d.R. neben der Bedeutung, Wortform, Silbentrennung und Aussprache auch Synonyme an und decken somit die Verarbeitungsebenen 7 Unter Entwickler werden hier bezugnehmend auf die von Quiring und Schweiger 2006 vorgenommene Unterteilung inhaltliche Entwickler verstanden, also all diejenigen, die als fachkundige Didaktiker Wortschatzlehr- und -lernmittel inhaltlich füllen. Die technischen Entwickler „entwickeln die Regeln (Algorithmen), nach denen interaktive Systeme die vorhandenen Inhalte kombinieren und damit auf individuelle Nutzereingaben reagieren“ können (Quiring und Schweiger 2006: 10). Sie sind oft fachfremd. Bezüglich didaktisch relevanter Interaktivität stellt sich demnach auch die Frage, wer das Lernmaterial produziert: ein fachfremder Programmierer, ein fachkundiger Didaktiker oder ein Team aus beiden. Susanne Krauß 174 Form und Bedeutung ab (vgl. 3.1), allerdings zeigt sich bei elektronischen Wörterbüchern ein Mehrwert, sofern z. B. die Aussprache vertont ist. Etwas umfangreicher aufgebaute (s. z. B. www.duden.de, www.dwds.de und http: / / wortschatz.informatik.uni-leipzig.de/ ) decken darüber hinaus auch Wortbildung, Kollokationen (s. Abb. 2) sowie Register- und Frequenzangaben ab, die als wichtige Information bzgl. der Nutzung gelten (vgl. 3.1, s. Nation 2001). Die Interaktivität ist hier technisch-funktionaler Natur und übernimmt im weitesten Sinne die Funktion der Individualisierung. Wendet man nun die in Kapitel 2.3 dargelegten Einstufungen an, so müsste man hier laut Schulmeister von einer Interaktivität auf Stufe I sprechen, laut Sims (1995) von object interactivity, und laut Schwier und Misanchuk (1993) von proactive inquiry. Diese Bezeichnungen sagen jedoch noch nichts über den didaktischen Nutzen der Ressource aus. Der Mehrwert für das Wortschatzlernen liegt bei elektronischen Wörterbüchern darin, dass der Lerner durch die erweiterten Informationen nicht nur auf viel mehr Aspekte eines Wortes zugreifen kann (vgl. als Überblick Krauß 2015: 40ff), sondern - je nach Darstellungsart - auch dazu angeleitet werden kann, Wortschatz zu vernetzen, Assoziationen zu erstellen und Wortbildungsregeln wahrzunehmen, die für die Memorierung und den Erschließungswortschatz hilfreich sein können. Abb. 2 Darstellung häufiger Adjektiv-Verbindungen zum Eintrag „Wort“ bei www.duden.de Interaktivität beim Wortschatzlernen - Der interaktive Knoten 175 Auch kontextuelles Wortschatzlernen kann so begünstigt werden (s. z. B. das Kontextwörterbuch 8 www.linguee.de). Elektronische Glossen 9 sind besonders interessant, weil sie den Lesefluss weniger behindern und zudem auch die Möglichkeit bieten, visuelle (und ggf. auditive) Darstellungen mit einzubeziehen. Diese auf den ersten Blick vielleicht als eine technisch-funktional „noch bequemere“ Variante zu elektronischen Wörterbüchern richtet sich in erster Linie an das vordergründige Ziel, die Nachricht des Textes verstehen zu wollen. Elektronischen Glossen wird allerdings auch ein positiver Effekt bezüglich des Wortschatzerwerbs zugeschrieben (vgl. Lenders 2008: 459). Wenn die Glosse darüber hinaus auch das Wortschatzlernen (im Sinne der Memorierung und Transfer vom rezeptiven Verständnis zur produktiven Anwendung) unterstützen soll, wäre z. B. vorstellbar, dass das jeweilige Wort per Mausklick dem präferierten Vokabeltrainer hinzugefügt werden kann. Um hier bezüglich der kontextspezifischen Bedeutung und Nutzung verschiedener Wörter einem Fehllernen vorzubeugen, sollte der ursprüngliche Satz aus dem jeweiligen Text im Vokabeltrainer als Beispiel angegeben werden. Im Gegensatz zu den einsprachigen Wörterbüchern ermöglichen zweisprachige elektronische Wörterbücher oft zusätzlich noch didaktische Interaktionen. Bei den meisten Anbietern (z. B. www.leo.org, www.pons.eu, www.dict.cc) kann man die gesuchten Wörter per Mausklick seinem persönlichen Vokabeltrainer hinzufügen (s. 3.2.2). Hier werden Semantisierung und Reaktivierung von Wortschatz miteinander verbunden. Diese Form der Interaktivität entspricht demnach nicht mehr Schulmeisters Stufe I und zeigt, dass eine Ressource so vielschichtig aufgebaut sein kann, dass je nachdem, welche technischen Eigenschaften genutzt werden, eine andere Interaktivitäts-„Stufe“ eine Rolle spielt (s. auch ausführlicher Kapitel 4). 3.2.2 Vokabeltrainer & Übungssammlungen Mittels Vokabeltrainern wie z.B. Quizlet, Memrise oder Vokker, die auf einem Karteikartensystem basieren, kann sich der Lerner durch das System 8 Kontextwörterbücher listen Suchwörter nicht als Einzelwörter in Übersetzung auf, sondern liefern diese in einen erweiterten Kontext (meist 1-2 Sätze) in Form eines Belegtextes. Somit wird nicht nur Übersetzungsfehlern durch Mehrdeutigkeit je nach Verwendungssituation vorgebeugt, der gelieferte Kontext kann außerdem helfen, den Begriff samt seiner Verwendungsrestriktionen korrekt zu memorieren. 9 Elektronische Glossen sind knappe Bedeutungs- oder Übersetzungsangaben in einem digitalen Text, die z. B. per Hyperlink oder Mouse over (d.h. wenn der Tipp erscheint, indem man mit der Maus auf dem Wort verweilt) abgerufen werden können. Susanne Krauß 176 abfragen lassen und erhält eine Rückmeldung zu seinem Lernfortschritt - es findet demnach eine didaktische Interaktion in Form einer Interaktivitätsschleife (s. 2.1) statt, die vom System initiiert wird. Die Eingriffsmöglichkeiten variieren aber stark, je nachdem, ob es sich um Vokabeltrainer handelt, die (a) in ein elektronisches Wörterbuch integriert sind, (b) von einem Verlag oder anderen Nutzern fremderstellt sind oder (c) die der Lerner selbständig mit Inhalt füllen und so z. B. auch auf Polysemie eingehen kann (bzgl. der Unterschiede von selbsterstellten vs. fremderstellten Vokabeltrainern s. Krauß 2015: 43ff). Hier zeigt sich, dass Vokabeltrainer nach den in 2.3 vorgestellten Taxonomien nicht eindeutig hinsichtlich ihrer Interaktivität eingestuft werden können, denn je nach Eingriffs- und Steuerungsmöglichkeiten reicht die Interaktivität von einer eher passiven Navigation bis zu aktiver Mitbestimmung der Inhalte und Abfragemechanismen 10 und kann theoretisch sogar in Schulmeisters höchstmöglicher Interaktivitätsstufe resultieren, bei der das System auf die Lernereingabe „angemessene und hilfreiche Rückmeldungen“ (Schulmeister 2005: 14) gibt, sofern das System technisch-funktional so aufgebaut ist, dass es das Programmieren kontextsensitiver Rückmeldungen erlaubt. Des Weiteren sind die Vokabeltrainer in den meisten Fällen adaptiv aufgebaut, indem dem Lerner z. B. die Organisation von Lernwörtern nach dem Karteikartenprinzip abgenommen wird, die Übersetzungsrichtung variiert werden kann und in selteneren Fällen auch Rechtschreibfehler erkannt werden. Das System greift in die Organisation des Lernprozesses ein und unterstützt mentale Prozesse wie Kontrolle, Steuerung und Reflexion des eigenen Lernprozesses. Dies stellt eine kognitive Entlastung des Nutzers dar, der seine Aufmerksamkeit somit besser auf den Lerngegenstand lenken und auf eigene Präferenzen und Lernziele einstellen kann. Hiermit werden demnach die Funktionen Individualisierung und deep learning begünstigt. Im Hinblick auf Wortschatz wird sowohl die Semantisierung als auch die Reaktivierung gefördert, wenn auch meist nur in Form von Einzelwörtern, denen i.d.R. aufgrund der geschlossenen Übungsformate eine vermeintliche Entsprechung in der Zielsprache gegenübergestellt wird. 11 10 Je nach Aufbau des Vokabeltrainers kann der Lerner eigene Präferenzen zum Abfragemodus einstellen (z. B. Richtung der Abfrage, ob nur rezeptiv abgefragt wird oder auch mittels Diktatformen und Kurztexteingaben produktiv getestet wird). 11 Das Problem vermeintlich eindeutiger Entsprechungen geht auf den Einfluss der Muttersprache beim Fremdsprachenerwerb zurück - positiv in Form von Transfer oder negativ durch Interferenzen. L2-Wortschatz wird im mentalen Lexikon insbesondere zu Beginn des Fremdsprachenerwerbs nicht direkt an das Konzept geknüpft, sondern der Erwerb erfolgt zunächst über die L1. Mit zunehmender Interaktivität beim Wortschatzlernen - Der interaktive Knoten 177 Ähnlich unklar verhält es sich mit der Einstufung von Interaktivität bei Übungssammlungen zu Wortschatz. Bei den zumeist formfokussierten multiple choice-Übungen hängt die Interaktivität auch wieder von der Komplexität des Systems ab. Im Weiteren soll exemplarisch kurz auf drei Beispiele näher eingegangen werden: „Deutsch interaktiv“ der Deutschen Welle, „Lern Deutsch: Die Stadt der Wörter“ des Goethe-Instituts und „Duolingo“. Das Angebot „Deutsch interaktiv“ der Deutschen Welle fördert u.a. die Reaktivierung und - je nach Übungsart - teilweise auch die Vernetzung von Wortschatz, wenn z. B. Kleidungsstücke geeigneten Situationen oder Jahreszeiten zugeordnet werden sollen (s. Abb. 3). Bezüglich der Interaktivität handelt es sich um didaktische Interaktionen, bei denen der Lerner multiple choice-Fragen lösen muss, auf die er ein richtig/ falsch-Feedback erhält. Die Rückmeldung erfolgt kontextsensitiv: Auf falsche Antworten erhält der Lerner eine kurze Erklärung, warum das Wort in diese Kategorie nicht passt. Die Zuordnung lässt aber keine Mehrfachnennungen zu. So wird „die Jeans“ trotz der Erklärung, dass sie auf informellen Partys getragen werden kann, als falsch gewertet (richtig wäre: in der Freizeit). Bei richtigen Antworten wird das Wort als Rückmeldung in einem Beispielsatz präsentiert. Fremdsprachenkompetenz erfolgt die Aufnahme und Verknüpfung von L2- Wortschatz im mentalen Lexikon jedoch auch ohne den „Umweg“ über die Muttersprache (vgl. Jiang 2004). Die Übersetzung kann also eine anfängliche Lernerleichterung darstellen, nicht nur bei sprachverwandten Wörtern (Kognaten), sondern auch bei Kollokationen. Laufer und Girsai (2008) zeigen z.B. dass es effektiver ist, Lerner auf die Unterschiede zwischen L1 und L2 aufmerksam zu machen, statt die sprachübergreifenden Abweichungen aus dem Unterricht fernzuhalten. Da die meisten Wörter jedoch polysem sind, spielt der jeweilige Kontext eine wichtige Rolle für den korrekten Erwerb und sollte dementsprechend in Wortschatzlehr- und -lernmaterial mit einbezogen werden. Susanne Krauß 178 Das Material enthält außerdem eine Wortliste (je nach Spracheinstellung zweisprachig), die neben Aussprache auch die in den Beispielen verwendeten flektierten Formen anführt, was im Deutschen sehr hilfreich sein kann, um z. B. die Bedeutungsfindung bei „gewesen“ (Infinitiv: sein) zu erleichtern. Das eingebaute Wörterbuch liefert die Wortart und die Übersetzung des gewählten Begriffes, könnte aber bzgl. der Suche nutzerfreundlicher sein und zumindest in begrenztem Maße sog. wild cards zulassen (z. B. „matratze“ für „Luftmatratze“). Das würde das Suchen nicht nur vereinfachen, sondern dem Lerner gleichzeitig Informationen zur Wortbildung (Komposita, Wortfamilien, Präfixe und Suffixe) liefern, die er für seinen passiven und aktiven Wortschatz nutzen kann. „Lern Deutsch: Die Stadt der Wörter“ wird vom Goethe-Institut als Spiel bezeichnet, aufgrund seiner Nähe zu Wortschatzübungen aber hier aufgeführt. 12 Es geht um begriffliches Wortschatzlernen auf dem Niveau A1, bei 12 In der Diskussion um digitale Spiele für das Fremdsprachenlernen wird i.d.R. zwischen kommerziellen Spielen und Lernspielen unterschieden. Letztere zielen auf ein konkretes Lernergebnis hin und zeichnen sich durch klare Aufgabenstellungen aus. Je nach Fokus und Umsetzung von spielgestalterischen Prinzipien (z. B. Fremdsprache als Selbstzweck vs. Mittel zum Zweck, Wettkampfcharakter, sinnvolle Integration der Übungen in die Spielwelt etc.), kann die Grenze zwi- Abb. 3 Vernetzung und Gruppierung - Wörter werden Situationskontexten zugeordnet (aus: „Deutsch Interaktiv“, www.dw-world.de) Interaktivität beim Wortschatzlernen - Der interaktive Knoten 179 dem der Lerner Wörter finden und anklicken muss. Die Semantisierung erfolgt über die Abbildungen - Übersetzungen werden nicht benutzt. Präsentiert werden die Wörter jeweils in einem Beispielsatz, anschließend können sie in geschlossenen Übungsformaten geübt (reaktiviert) werden. Das System reagiert dahingehend auf die Eingaben des Lerners, dass es fehlerhafte Groß-/ Kleinschreibung als solche markiert; genauere Rückmeldungen erfolgen aber nicht (s. Abb. 4). Niveaugerechtes Feedback zu formulieren ist zwar ohne genaue Kenntnisse über Zielgruppe und Herkunftssprache nur schwer möglich, da sich das Material aber an Nullanfänger richtet und neben Deutsch nur sieben weitere Sprachen für die Benutzeroberfläche angeboten werden, wäre zumindest denkbar in diesen Sprachen konkretere Hinweise auf ausgewählte Aspekte wie Genus und Großschreibung von Nomen etc. zu liefern. Der Lerner kann den eigenen Lernweg dahingehend steuern, dass er selbst entscheidet, ob er neue Wörter suchen, alte festigen oder mit anderen Spieschen spielerischen Übungsformen und einem Lernspiel relativ fließend sein (s. die Diskussion um „gameplay“ in Rheinhardt & Sykes 2014 sowie den Unterschied von playing to learn und learning to play im Artikel von Jones in diesem Band). Abb. 4 Beispiel für Fehlerkorrektur bei „lern deutsch - die Stadt der Wörter“ des Goethe-Instituts, www.goethe.de/ en/ spr/ ueb/ led.html Susanne Krauß 180 lern spielen möchte. Allerdings muss dabei trotzdem eine gewisse Reihenfolge eingehalten werden, damit weitere „Lektionen“ aktiviert werden. Insbesondere wenn man die fehlenden Wörter bzw. Übungen nicht findet, kann sich diese Suche in die Länge ziehen - auch weil nur bestimmte Objekte angeklickt werden können (in Abb. 4 z. B. nur der Brunnen, nicht aber das Bett, die Bank, das Heft etc.). Die Interaktivität geht in der Cartoon-Welt über die didaktische Interaktion des richtig/ falsch-Feedbacks nicht hinaus. Selbst wenn man gegen einen anderen Lerner spielt, findet im Prinzip trotzdem eine Mensch-Maschine-Interaktivität statt, da jeder Spieler separat die Übungen abarbeitet und nur die Punktzahl anschließend verglichen wird. Einzig ein gewisser Ehrgeiz, dass ein anderer Spieler mehr Punkte für eine Spielrunde erhalten hat, kann eventuell Auswirkungen auf das Lernverhalten haben. Beim Sprachlernangebot „Duolingo“, mit dem hauptsächlich Wortschatz durch verschiedene multiple choice- und Ausspracheübungen gelernt werden kann, sind die Rückmeldungen oft kontextsensitiver. Es handelt sich auch um geschlossene Übungsformate (hier als Lernen von Wörtern und deren Übersetzung), die Rückmeldungen gehen aber je nach Übungsform teilweise auch über ein bloßes richtig/ falsch hinaus. Das Programm bietet dem Lerner Hilfe, die auf dessen Eingabedaten basieren und zeigt z. B. nicht nur Rechtschreibfehler an, in Teilen werden auch Genus-Verwechslungen aufgezeigt (s. auch Falk & Götz in diesem Band). Die Analyse der Antworten scheint jedoch auch hier sehr begrenzt zu sein, so dass man nicht von einem intelligenten System sprechen kann, das über die programmierten Antwortmöglichkeiten hinaus frei auf Lernereingaben reagieren kann. Die technisch-funktionalen Möglichkeiten erlauben es dem Lerner individuelle Anpassungen vorzunehmen (Auswahl und Reihenfolge der Inhalte erfolgen hier aber auch innerhalb eines vorgegebenen Rahmens), den eigenen Lernprozess zu überwachen sowie mittels der automatischen Spracherkennung auch auf die Aussprache eine sehr einfache Rückmeldung vom System zu erhalten. Woran es aber genau liegt, dass ein System wie „Duolingo“ (oder auch „Stadt der Wörter“) interaktiver anmutet als ein Vokabeltrainer mit ähnlichen Übungsformen, bleibt unklar. Zweifelsohne wird das ansprechende Layout eine Rolle spielen, ebenso verschiedene gamification-Elemente, die immer wieder für neue (An)Reize sorgen - am Beispiel von „Duolingo“ oft in einer derart großen Menge, dass fraglich bleibt, ob der Lerner diese eigentlich alle wahrnimmt und welche davon in welcher Zusammensetzung tatsächlich lernfördernd sind. Es ist also anzunehmen, dass auch hier die in Kapitel 2.1 angesprochene perceived interactivity eine Auswirkung auf das Nutzungsverhalten hat. Interaktivität beim Wortschatzlernen - Der interaktive Knoten 181 3.2.3 Kommunikationswerkzeuge Kommunikationswerkzeuge sind Software-Anwendungen, die eine medial unterstützte menschliche Kommunikation ermöglichen (Mensch-Maschine- Mensch Interaktion). Interaktivität findet hier im Sinne von einer Aktions- Reaktionsfolge statt, bei der Lerner z. B. mittels Video- oder Textchat miteinander frei kommunizieren können (s. Becker zu computervermittelter Kommunikation in diesem Band). Ein Vergleich mit vorher programmierten richtig/ falsch-Antworten findet daher nicht statt. Der Mehrwert bezüglich des Wortschatzlernens liegt hier in der Anwendung deklarativen Wortschatzwissens und des Erwerbs prozeduralen Wissens (wie z. B. Gesprächsstrategien und -konventionen). Da es sich hier um einen wechselseitigen Dialog zwischen Menschen handelt, werden alle drei Phasen aus 3.1 (Form, Bedeutung und Nutzung von Wörtern bzw. Sprache in einem bestimmten Kontext) sowohl produktiv als auch rezeptiv abgedeckt. Durch die Anwendung wird bekannter Wortschatz im Gedächtnis gefestigt (Reaktivierung) und neuer Wortschatz aus dem Kontext implizit aufgenommen (Semantisierung). Je nachdem, wer der Gesprächspartner ist, wird zwar vielleicht bei Nicht-Wissen oder Missverständnissen konkret auf Wortschatz eingegangen, insgesamt dürfte Wortschatz aber durch das vordergründige Ziel der Kommunikation eher eine handlungsorientierte als eine formfokussierte Rolle spielen. Die Funktion von Interaktivität liegt in erster Linie in der ermöglichten Realisierung der Gesprächssituation. Software-Anwendungen, die eine Interaktion mit anderen Nutzern ermöglichen (indem z. B. selbst erstellte Wortschatz-Karteikarten mit anderen Lernern geteilt werden), können aber auch zu einer Kommunikation über den Lerngegenstand führen. So kann man z. B. die fremderstellten Karteikarten kommentieren und/ oder korrigieren und der Entwickler der Karten kann einsehen, von wie vielen anderen Lernern seine Karten genutzt (und evtl. sogar „geliked“) werden. Hier kann sich Interaktivität durch die Rückmeldungen dementsprechend motivationsfördernd auf den Wortschatzlernprozess auswirken. Bei „Duolingo“ ist es z. B. möglich sowohl zu dem Entwicklerteam als auch zu anderen Lernern Kontakt aufzunehmen. Die Sprachlernseite nutzt in ihrer Desktopversion u.a. Crowdsourcing, um Text- Übersetzungen durch die Nutzer anfertigen und verbessern zu lassen. Im Übungsmodus kann mit der Community diskutiert werden, wenn das System eigene Antworten nicht akzeptiert oder auch Erklärungen fehlen - andere Lerner liefern diese dann. Außerdem können dem Entwicklerteam Probleme gemeldet werden - sei es technischer Natur oder z. B. auch inhaltliche Fehler. Das Entwicklerteam überprüft den Vorschlag und nimmt ihn ggf. als eine mögliche Alternative auf. Da es sich bei „Duolingo“ um eine Susanne Krauß 182 wortschatzbasierte Sprachlernseite handelt, ist die Wahrscheinlichkeit hier noch am größten, dass durch diese Form der Interaktion Hinweise oder Erklärungen ausgetauscht werden, die den Lernprozess unterstützen bzw. somit eine positive Aufwertung des Gelernten einhergehen kann. Die Nützlichkeit der Hinweise steht und fällt natürlich mit deren Qualität, aber indem bei Fragen Kontakt zu anderen aufgenommen werden kann, verringert dies die Gefahr den Lernprozess sonst abzubrechen. Das Gefühl, Teil einer Sprachgemeinschaft zu sein, kann allerdings auch suggeriert werden, obwohl überhaupt kein Austausch stattfindet. Bei „Stadt der Wörter“ sieht man z. B. die Avatare anderer Lerner, kann aber nicht mit ihnen Kontakt aufnehmen, sondern nur gegen sie in Mini-Wortschatzübungen spielen. Ein gegenseitiges Helfen beim Deutschlernen ist nicht möglich, was die Frage aufwirft, welchen Unterschied ein menschlicher Spielpartner dann zu einer vorprogrammierten Rückmeldung des Systems darstellt. 4 Der interaktive Knoten - Versuch einer dreidimensionalen Darstellung Wie in Kapitel 2 argumentiert, sollte Interaktivität bezogen auf das jeweilige Lernziel und den sich daraus ergebenen Nutzungsmöglichkeiten dargestellt und nicht einer wertenden Progression unterzogen werden. Das bedeutet auch, dass für zusammenfassende Darstellungen Prozessdiagramme einer Tabellenform vorgezogen werden sollten, um den Anschein einer Zugehörigkeit zu nur einer Kategorie zu verringern. Das folgende Diagramm (Abb. 5) stellt einen Versuch dar, die verschiedenen Funktionen von Interaktivität zusammen mit den damit verbundenen wortschatzdidaktischen Erwerbsprozessen für ein konkretes Beispiel (Online-Wörterbuch) dreidimensional abzubilden. Somit soll deutlich werden, dass sich Interaktivität in nur einer Ressource je nach Lernziel unterschiedlich zeigen kann. Das Diagramm greift Schwier und Misanchuks Einteilung in reaktiv, proaktiv und adaptiv auf (vgl. 2.3 und s. Anhang A), reduziert jedoch die möglichen Funktionen auf drei und verbindet sie mit den Phasen des Wortschatzerwerbs: inquiry (im Sinne der Recherche hier der Semantisierungsphase im Wortschatzerwerb zugeordnet), elaboration (Lerntransfer: Vernetzungsphase) und confirmation (Lernkontrolle: Reaktivierungsphase). Pacing und navigation wurden aus der Betrachtung ausgeklammert, da es sich hier eher um technisch-funktionale Elemente handelt, die - wenn sie didaktisch relevant sind - in der Regel eine der anderen Funktionen unterstützen. Entsprechend wird dann an dieser Stelle darauf hingewiesen. Interaktivität beim Wortschatzlernen - Der interaktive Knoten 183 (Hinweis: Schritt 6 und 7 sowie 2a und 6a sind gleich positioniert und im Diagramm nur der besseren Lesbarkeit halber versetzt dargestellt.) Schritt 1: Der Lerner konsultiert das Online-Wörterbuch (proaktive Recherche - Phase: Semantisierung) Schritt 2a: Das Online-Wörterbuch gibt Rückmeldung in Form der einsprachigen Bedeutung oder zweisprachigen Übersetzung. Die Interaktivität kann hier enden, wenn das Lernziel für den Lerner darin besteht, die Bedeutung oder Übersetzung eines Wortes in mehr oder weniger umfangreicher Form zu erhalten oder Schritt 2b: Das Wörterbuch enthält zusätzlich zur Bedeutung des gesuchten Wortes auch Informationen zu Wortbildung, Herkunft, semantischen Relationen (Synonyme, Antonyme, etc.), die der Lerner per Klick aufrufen und/ oder manipulieren kann - z. B. in Form von Wortnetzen, die nach Wortart ausgewählt werden können (s. Abb. 2) (teils proaktiver, teils reaktiver Lerntransfer - Phase: Semantisierung und/ oder Vernetzung). Auch hier kann die Interaktivität enden, wenn das Lernziel (Semantisierung) darin besteht, anhand der zusätzlichen Informationen die eigene Annahme zu bestätigen (z. B. wenn die gelieferte Übersetzung Abb. 5 Der interaktive Knoten für das Beispiel Online-Wörterbuch Susanne Krauß 184 oder Erklärung aus irgendeinem Grund nicht diejenige ist, die erwartet wurde und diese erst in den Synonymen gefunden wird). Das Lernziel kann auch in einer bewusst angestrebten Vernetzung des Begriffes im Rahmen von Vokabellernstrategien liegen: die Informationen dafür werden explizit nachgeschlagen (z. B. semantische Relationen, Kollokationen etc.). Schritt 3: Das Wörterbuch erlaubt das Erstellen einer individuellen Wörtersammlung. Der Lerner fügt das Suchwort seinem Vokabeltrainer hinzu (Vorstufe zur proaktiv-adaptiven Lernkontrolle). Dies geschieht idealerweise durch eine nutzerfreundliche Navigation, z. B. durch einen Mausklick auf das jeweilige Wort. Schritt 4a: Entweder der Lerner initiiert von sich aus zu einem gegebenen Zeitpunkt den Vokabeltest im Vokabeltrainer (proaktiv-adaptive Lernkontrolle - Phase: Reaktivierung) oder Schritt 4b: Das System (das Wörterbuch) präsentiert dem Lerner den Vokabeltest, ohne dass dieser ihn von selbst ausgewählt hat - z. B. aufgrund eines Algorithmus, der nach x-Tagen oder einer bestimmten Anzahl an neu hinzugefügten Wörtern den Wortschatz testet (reaktiv-adaptive Lernkontrolle - Phase: Reaktivierung). Schritt 5a: Der Vokabeltest wird vom System als multiple choice Test mit eindeutig richtigen Antwortmöglichkeiten präsentiert, erlaubt dem Lerner aber keine weiteren Optionen oder Schritt 5b: Der Vokabeltest wird vom System als multiple choice Test mit eindeutig richtigen Antwortmöglichkeiten präsentiert, erlaubt dem Lerner aber zusätzliche Optionen wie die Auswahl der Übersetzungsrichtung, die Auswahl bestimmter Lerninhalte oder die Hinzunahme einer Timer-Funktion. Der Lerner kann somit das Abfragen an seine eigenen Lernbedürfnisse anpassen. Technisch gesehen handelt es sich hierbei um Optionen, die pacing und navigation (s. 2.3) zuzuordnen sind, didaktisch aber bezüglich der Lernmotivation sehr hilfreich sein können. Je nach Lerner können sich Erfolgsmomente schneller einstellen, wenn zunächst nur eine bestimmte Anzahl an Wörtern ohne Zeitdruck in die L1 übersetzt wird. Mit einem gewissen Selbstbewusstsein kann der Schwierigkeitsgrad dann nach und nach erhöht werden. Schritt 6: Das System reagiert auf die Lernereingabe mit einem simplen „richtig“ oder „falsch“ oder erlaubt dem Lerner ein Zwischenfeedback, indem z. B. richtige Lösungen übernommen und falsche markiert werden und der Lerner eine zweite Chance erhält. Bei Letzterem handelt es sich zwar eher um einen Aspekt der Navigation, dieser Zwischenschritt kann jedoch dabei helfen, eine aktive mentale Be- Interaktivität beim Wortschatzlernen - Der interaktive Knoten 185 schäftigung und tiefere Auseinandersetzung mit dem Lernstoff zu bewirken. 13 Schritt 7: Das System passt die weiteren Fragen basierend auf den bisher richtig bzw. falsch gelösten Antworten an (Karteikarten-Prinzip). Diese Form des adaptiven pacings läuft für den Lerner unbemerkt ab, entlastet ihn aber dahingehend, dass er die Organisation weniger gut behaltener Wörter nicht selbst vornehmen muss. Es ist anzunehmen, dass dem Lerner somit mehr Arbeitsspeicher für den Lernprozess zur Verfügung steht. Der Lerner hat als nächstes die Möglichkeit, wieder das Wörterbuch zu konsultieren und je nach aktuellem Lernziel eine Auswahl der o.a. Schritte zu durchlaufen. 5 Zusammenfassung In diesem Artikel wurde Interaktivität in erster Linie aus fremdsprachendidaktischer Sicht betrachtet. Technische Handlungs- und Eingriffsmöglichkeiten müssen der didaktischen Umsetzung voraus gehen, aber nicht die technisch-funktionale, sondern die letztendlich stattfindende kognitive Auseinandersetzung mit dem Lerninhalt ist ausschlaggebend für die Lerneffizienz. Interaktivität kann dies positiv unterstützen, bedingt es aber nicht. Welche Form von Interaktivität sich lernförderlich auswirkt, hängt maßgeblich vom Lerngegenstand und -ziel ab. Jeder Lerner kann dementsprechend auch die gleiche Ressource unterschiedlich nutzen. Im Sinne einer stärkeren Ausrichtung auf individuelle Lernbedürfnisse wären mehr didaktisch sinnvolle Nutzungsmöglichkeiten wünschenswert, um persönliche Präferenzen beim Lernprozess zu berücksichtigen und lernfördernde Inhalte bereitzustellen (s. o.a. Beispiel der Erweiterung von Glossen). Die Diskussion der Beispiele hat gezeigt, dass Interaktivität sich durch Vielschichtigkeit auszeichnet und nicht eindeutig Stufen zugewiesen werden kann. Der „interaktive Knoten“ stellt einen ersten Versuch dar, diese verschiedenen Möglichkeiten von Interaktivität an einem Beispiel zu verdeutlichen. Als Ausblick wäre denkbar verschiedene Lernsoftware und -werkzeuge 13 Eine weitere Möglichkeit wären kontextsensitive und elaborierte Rückmeldungen außerhalb von vorprogrammierten Mustern, beispielsweise indem für bestimmte Problembereiche Internetseiten mit Erklärungen und weiteren Informationen präsentiert werden oder Übungen automatisch mit Korpusdaten erweitert werden, um so eine situative Bedeutungsverschiebung zu verstehen. Dies erfordert jedoch künstliche Intelligenz oder zumindest big data-Analysen. Da dies für das Fremdsprachenlernen nicht-kommerziell zurzeit noch nicht möglich ist, erscheint diese Form der Rückmeldung auch nicht im Diagramm. Susanne Krauß 186 hinsichtlich ihrer potenziellen Interaktivität für bestimmte Lernszenarien darzustellen, um so einen ersten Überblick zu gewinnen, welche didaktischen Funktionen sie abdecken können. Somit könnte - idealerweise visuell auf einen Blick - je nach aktuellem Lernziel entschieden werden, welche interaktive Ressource den Lernprozess sinnvoll unterstützen kann. Literatur Aitchison, Jean (2012). Words in the mind: An introduction to the mental lexicon. 4. Auflage. Chichester: Wiley-Blackwell. Becker, Christine (in diesem Band). Formen interpersonaler Interaktion in Diskussionsforen zur Landeskunde. (S. 87-110). Betrancourt, Mireille (2005). The animation and interactivity principles in multimedia learning. In Richard E. Mayer (Hrsg.) The Cambridge handbook of multimedia learning (S. 287-296). New York: Cambridge UP. Biechele, Markus; Rösler, Dietmar; Ulrich, Stefan & Würffel, Nicola (2003). Internet-Aufgaben Deutsch als Fremdsprache. Stuttgart: Ernst Klett Sprachen. 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Diese sind in Bezug gesetzt zu den jeweiligen Funktionen confirmation, pacing, navigation, inquiry und elaboration sowie Stufen der Interaktivität: reactive, proactive und mutual (1993: 13). Elaboration Metaphor presented to learner Review concept map Learner modifies instruction to include learner experiences Learner creates metaphor for new information Learner generates concept of new material System constructs environment based on learner input refines environment as learner discloses additional information Inquiry Prescribed help Supplementary info Learner extracts information, keeps notebook Keyword searching Learner’s patterns of choices leads system to suggest ways to ask productive questions Navigation Prescribed branching (e.g. menu) Open architecture searching Hypertext searching System advises about patterns of choices resulting in informed movement Pacing Page turning Replay segment Request abbreviated or expanded version Replay learnerdefined segments Learner defines speed of visual presentation System responds to pace of learner in instruction system adapts to learner Confirmation Answer matching Learner asks system to check input Learner requests test System adapts to learner progress and learner may challenge assessment Reactive Proactive Mutual Susanne Krauß 190 Anhang B Nations (2001: 27) Übersicht, welche Aspekte für das Wortwissen wichtig sind. Form spoken R What does the word sound like? P How is the word pronounced? written R What does the word look like? P How is the word written and spelled? word parts R What parts are recognisable in this word? P What word parts are needed to express the meaning? Meaning form and meaning R What meaning does this word form signal? P What word form can be used to express this meaning? concepts and referents R What is included in the concept? P What items can the concept refer to? associations R What other words does this make us think of? P What other words could we use instead of this one? Use grammatical functions R In what patterns does the word occur? P In what patterns must we use this word? collocations R What words or types of words occur with this one? P What words or types of words must we use with this one? constraints on use (register, frequency ...) R Where, when, and how often would we expect to meet this word? P Where, when, and how often can we use this word? Wie interaktiv ist die Interaktive Grammatik? Tamara Zeyer 1 Einleitung „Digitale Aufgaben und Übungen im Bereich der Grammatik dienen wie bei gedruckten Übungsbüchern zur Grammatik zumeist überwiegend dem Erwerben und Sichern des Formbestandes.“ (Rösler 2004: 137). Darüber hinaus lassen sich digitale Aufgaben und Übungen ohne großen Programmieraufwand entwickeln, da sie meistens nur einer richtigen Lösungsmöglichkeit bedürfen. Man findet in der virtuellen Landschaft ein großes Angebot an Grammatikübungen. 1 Betrachtet man digitale Angebote zum Sprachenlernen, scheint das Schlagwort interaktiv sehr beliebt zu sein. Im Grammatiklernangebot des Goethe-Instituts steht dieses Schlagwort im Titel: Interaktive Grammatik (IAG). Zu untersuchen wäre allerdings, was sich genau hinter diesem Titel verbirgt. Des Weiteren kann untersucht werden, an welcher Stelle die IAG in verschiedene interaktive digitale Angebote zum Deutschlernen eingereiht werden kann und wie stark das Interaktivitätspotenzial auf den Lernprozess einwirkt. Der folgende Beitrag beschäftigt sich mit dem oben genannten Lernangebot für DaF-Lernende, dabei liegt der Fokus auf der Interaktivität als einer seiner zentralen Eigenschaften. Zunächst wird der Begriff der Interaktivität im Sinne des Computer-assisted language learning (CALL) abgegrenzt, das Lernangebot und der Untersuchungskontext werden vorgestellt. Danach werden Funktionen der Interaktivität und ihre Realisierung in der IAG exemplarisch skizziert. Dabei sind besonders die Darstellung der Interaktionsformen der Lernsoftware und deren Einfluss auf das Grammatiklernen interessant. Anschließend folgt eine Diskussion über den Umfang der Interaktivität, der einem Lernenden zur Verfügung steht. 1 Bei der Google-Suche nach „grammatik lernen online deutsch“ werden 523.000 Ergebnisse angeboten (Stand 1.5.2016). Tamara Zeyer 192 2 Grammatiklernen interaktiv? Bevor die IAG und Potenziale ihrer Interaktivität diskutiert werden, ist der Interaktivitätsbegriff zu klären. Bei Lernangeboten sollte man unterscheiden, wer die Akteure sind bzw. was die Interaktion auslöst. Der vorliegende Artikel fokussiert die Handlungen Lernender mit dem Lernprogramm (am Computer) und die Reaktionen des Lernprogramms auf diese Handlungen. Nach Mitschian (2004: 44) handelt es sich dabei um „Aktions- Reaktionsfolgen, die sich zwischen Software und Lernenden abspielen“. Bäumler (1991: 9) bezeichnet Interaktivität als einen vorbestimmten Dialog eines Programmnutzers mit dem Programminhalt. Dieser Dialog geschieht mittels Eingabe durch die Tastatur, einer Maus oder Bildschirmberührungen. Diese Definition stimmt mit dem Definitionsvorschlag von Niegemann (2011: 126) überein, welcher die Interaktion als „das wechselseitig handelnde aufeinander Einwirken zweier Subjekte“ bezeichnet. Seit digitale Medien Funktionen menschlicher Kommunikation übernehmen können, wird diese Definition (metaphorisch) auf Fälle erweitert, in denen eines der Subjekte durch ein entsprechendes technisches System ersetzt wird. Handeln meint stets ein zielgerichtetes Verhalten und schließt kommunikative Akte ein, so Niegemann. Interaktivität definiert er als „ein Merkmal der medialen Lernumgebung: Das Vorhandensein von Interaktionsmöglichkeiten bzw. Interaktionsangeboten“ und geht davon aus, dass man Interaktion auch mit Tastenanschlägen, Wörtern oder Mausklicks messen kann (ibid.). Die Messbarkeit der Interaktivität mit Mausklicks oder Tastenanschlägen sollte skeptisch betrachtet werden, da die quantitative Wahrnehmbarkeit von Interaktivität den Lernprozess nicht zwangsläufig fördert (s. auch Krauß in diesem Band). Schmidt (2007: 34-35) weist darauf hin, dass der Interaktivitätsbegriff häufig für qualitativ hochwertige Lernsoftware benutzt werde, wobei nicht jede Software Merkmale der Interaktivität besitzt. Betrachtet man digitale Angebote zum Grammatiklernen genauer, kann man feststellen, dass sich diese, trotz des häufigen Aufkommens im Netz, im Hinblick auf die möglichen Lerneraktivitäten nicht so stark voneinander unterscheiden. Bei digitalen Grammatikübungen geht es zumeist um das Anklicken einer Antwortmöglichkeit, die Zuordnung oder die Eingabe bzw. das Eintippen einer Lösung (vgl. Rösler 2004: 138-139), die Aktivitäten können in bestimmten Übungsphasen (z. B. bei der Festigung der Konjugation oder Deklination etc.) sinnvoll sein. Rösler (2015: 92) weist darauf hin, dass „die explizite Vermittlung von Grammatik durch Angabe der Regeln und das anschließende formfokussierte Üben“ heutzutage in vielen Ländern und Institutionen verbreitet sei. Diese Grundidee der Grammatik- Übersetzungsmethode spiegelt sich in den meisten digitalen Lernangeboten Wie interaktiv ist die Interaktive Grammatik? 193 im Bereich der Grammatik wider. Möchte man ein grammatisches Thema digital erlernen, steht zunächst meistens eine tabellarische Erklärung grammatischer Themen zur Verfügung. Erst danach könnten Lernende geschlossene formfokussierte Übungen absolvieren. 2 Unter Interaktivität als Aktions-Reaktionsketten sind bei solchen Lernangeboten die Eingabe einer grammatischen Form und die darauf folgende Rückmeldung des Systems zu verstehen. Die Regelerklärungen bleiben trotz interaktiver Potenziale digitaler Medien überwiegend statisch und unveränderbar. Es gibt interessante Versuche, grammatische Themen nachvollziehbarer, z. B. durch gefilmte Legetechniken, darzustellen. 3 Jedoch kann man die Erklärungen nicht als interaktiv bezeichnen, da der Lernende nur als Zuschauer fungiert. Auch wenn das Zusammenspiel visueller und auditiver Komponenten eine andere Art als tabellerarische Grammatikschaubilder ist, bleiben Lernende in der Phase des Regellernens nur Rezipienten. Erst bei den Übungen beginnt die Interaktion mit dem System, weil auf jede Eingabe eine Reaktion folgt. Bei Rückmeldungen des Systems findet man eine größere Vielfalt von Feedbackarten, die je nach Komplexität und Ausführlichkeit variieren. Manche Programme bieten nur eine richtig-falsch-Rückmeldung an, bei anderen kann man eine ausführliche grammatische Erklärung oder Tipps zur jeweiligen Regel finden. Es gibt auch kombinierte Rückmeldungen, wie z. B. ein Ampel-System, in dem Rot für eine falsche Antwort steht und man den Fehler entweder selbst verbessern oder auf die Ampel klicken und sich eine richtige Antwort ansehen kann. 4 Der vorliegende Beitrag beschäftigt sich exemplarisch mit einem Angebot zum Grammatiklernen. Dabei ist nicht nur die Übungsphase interaktiv, da der Lernende bereits in die Regelentdeckung und die Präsentation grammatischer Phänomene aktiv einbezogen wird. Insgesamt wurden zehn Einheiten der IAG zu zehn verschiedenen grammatischen Themen für das Sprachniveau A1 entwickelt. 5 Die Themen 2 Ein klassisches Beispiel findet man unter http: / / www.mein-deutschbuch.de/ grammatik.html 3 Dabei sieht sich ein Lernender eine kurze Videosequenz an, in der Satzteile nach und nach zu einem Satz zusammengefügt werden. Dadurch soll das zu erlernende grammatische Phänomen verdeutlicht werden. S. dazu Grammatikclips des Klett-Verlags: http: / / www.klett-sprachen.de/ daf-leicht/ r-1/ 68#reiter=mediathek &dl_ni veau_str=A1&dl_kategorie=34 4 S. dazu ein Beispiel des Schubert-Verlags: http: / / www.schubert-verlag.de / aufgaben/ uebungen_a1/ a1_kap4_verbauswahl1.htm 5 Themen: Satzklammer, Position des Verbs im Aussagesatz, Fragesätze, Imperativ, Konjugation im Präsens, Perfekt, Komposita, Temporale Präpositionen, Wechselpräpositionen mit Dativ, Wechselpräpositionen mit Akkusativ. Tamara Zeyer 194 werden kontextbezogen vermittelt. Jede Einheit besteht aus fünf Teilen bzw. Schritten. Im ersten Teil wird die Aufmerksamkeit des Lernenden auf das grammatische Thema gerichtet und seine Funktion verdeutlicht. Im zweiten Teil erfolgt die aktive Auseinandersetzung der Lernenden mit der Funktionsweise des grammatischen Phänomens. Die Struktur dessen soll erkannt und Vermutungen zu dessen Bildung angestellt werden. Im dritten Teil sollen die Lernenden die in Teil zwei gebildeten Hypothesen überprüfen und die grammatische Regel selbst formulieren. An die Regelformulierung schließen sich zwei Übungen an (Teil vier und fünf). Sie ermöglichen den Transfer der bereits erworbenen Kenntnisse, wobei sich der Schwierigkeitsgrad der Übungen steigert. In allen Teilen werden unterschiedliche Medien integriert. Oft wird mit Bildern gearbeitet, manchmal zusätzlich auch mit Audios oder Videos. In vier Einheiten (zu den Themen Komposita, Imperativ, Satzklammer und Konjugation im Präsens) werden visuelle Metaphern 6 für die Präsentation des grammatischen Themas oder die Verdeutlichung seiner Funktionen verwendet. Die IAG basiert auf dem Prinzip des endeckenden Lernens. Die Lernenden werden von Anfang an in den Entdeckungsprozess der Grammatikphänomene einbezogen. Die Formulierung der Regel und die Übungsteile setzen auch eine aktive Beteiligung voraus. D. h. ohne Interaktionen zwischen dem Lernenden und dem System ist die Bearbeitung der IAG nicht möglich. Auf jede einzelne Handlung des Lernenden erfolgt eine Reaktion des Programms, die wiederum eine weitere Handlung fördern sollte. Erwähnenswert ist die Tatsache, dass die Reaktion des Programms nicht auf einer ‚intelligenten‘ Analyse basiert, sondern vorprogrammiert ist. Dies ist möglich, da die Übungsformen sehr geschlossen sind. In einer Studie, die im folgenden Kapitel skizziert wird, wurde untersucht, ob die Grundideen der IAG- Konzeptentwickler bei Lernenden anwendungsfähig sind und welche Rolle die Interaktivität bei der Bearbeitung spielt. 3 Untersuchungskontext Im Rahmen eines Forschungsprojektes haben Deutschlernende in Deutschland und Kasachstan am PC oder am Tablet-PC die Interaktive Grammatik bearbeitet. Zu den zentralen Überlegungen gehören unter anderem die Fragen, wie die Lernenden mit der IAG umgehen und welche Faktoren die Bearbeitung der Grammatik beeinflussen. Die Datenerhebung erfolgte in einem Mixed-Method-Design. Vor der eigentlichen Bearbeitung der IAG 6 In der Einheit Komposita werden z.B. zusammengesetzte Wörter mit einer Schere geteilt. Die Schere als Metapher zeigt dabei, wie Komposita getrennt werden können. Wie interaktiv ist die Interaktive Grammatik? 195 wurden Informationen zu den Probanden in Nutzerprofilen gesammelt. Anschließend bearbeiteten die Probanden eine Einheit der IAG. Alle Handlungen auf dem Bildschirm während der Programmbearbeitung wurden aufgezeichnet. Die Aufzeichnungen enthalten Informationen über jeden einzelnen Klick bzw. jede Interaktion. Während der Bearbeitung der Grammatikanimationen wurden mit Thinking aloud-Protokollen die Aktivitäten und Strategien der Lernenden dokumentiert. Nach der Bearbeitung des Materials wurden die Probanden in retrospektiven Interviews zum Verständnis visueller Metaphern und zur Auswahl der verwendeten Strategien und Pfade befragt. Im Interview wurde auch explizit gefragt, was als interaktiv empfunden wurde. Es wurden 30 Probanden befragt, überwiegend junge Erwachsene mit verschiedenen Sprachniveaus im Deutschen (A1-A2 GER). Ein Proband befand sich zum Erhebungszeitpunkt auf Niveau B1, wies jedoch auf Wissenslücken im Bereich Grammatik hin. Die meisten Probanden waren Studierende verschiedener Fachrichtungen, die Deutsch aus unterschiedlichen Gründen lernen. Die Teilnahmevoraussetzung an der Studie waren das Interesse und die Motivation, ein grammatisches Thema mit digitalen Medien zu erlernen. Die IAG war für sie ein neues Lernangebot. Die Probanden unterscheiden sich auch im Hinblick auf ihre Mediennutzungsbiografien sowie Erfahrungen im Umgang und Einstellungen zum Sprachlernen mit Medien. Da die Probanden Deutsch auf Niveau A1-A2 beherrschten, fanden Thinking-aloud und Interviews in der jeweiligen Muttersprache der Probanden statt. 7 Um die Datenerhebung auf Spanisch, Italienisch und Französisch zu ermöglichen, wurde die Hilfe dritter sprachkundiger Personen in Anspruch genommen, die die jeweiligen Sprachen beherrschten und nach der Datenerhebung die Daten transkribierten und ins Deutsche übersetzten. Im vorliegenden Beitrag befinden sich einzelne Auszüge aus den Interviews sowohl im Original als auch in der Übersetzung. Dabei werden die Muttersprache und das Sprachniveau im Deutschen angegeben. Die Auszüge beziehen sich ausschließlich auf die Frage: Worin genau liegt für dich Interaktivität in der Interaktiven Grammatik? Damit erfolgt der Blick auf die Interaktivität auch aus der Lernerperspektive. 4 Funktionsweise der Interaktivität in der IAG Es stellt sich nun die Frage, ob die Interaktivität von Lernangeboten tatsächlich eine entscheidende Rolle beim Fremdsprachenlernen spielt. Wozu dient 7 Folgende Sprachen waren vertreten: Spanisch, Italienisch, Russisch und Französisch. Tamara Zeyer 196 Interaktivität? Haack (2002: 129) nennt zwei Funktionen der Interaktivität: individualisiertes Lernen und motivierendes Lernen. Niegemann, Domagk, Hessel, Hein, Hupfer und Zobel (2008: 295-297) erweitern diese Liste und erklären, dass interaktive Angebote nicht nur motivieren, den Lernprozess organisieren und regulieren, sondern auch informieren, sowie das Verstehen, Behalten und Anwenden bzw. den Transfer fördern sollten. Diese Funktionen betreffen das Lernen mit einem Tutor oder auch mit einem digitalen Lernprogramm (vgl. auch Niegemann 2011: 127 ff). Sie weisen darauf hin, dass die Interaktionen für den Lernprozess sogar kontraproduktiv sein könnten, wenn sie keine dieser Funktionen unterstützen (vgl. ibid.). Im Weiteren folgen einige Beispiele, die die Realisierung dieser Funktionen in der IAG illustrieren. Motivieren Hinter jedem klickbaren (interaktiven) Element der IAG befindet sich eine Reaktion des Programms, die sich auf didaktische Überlegungen der Konzeptentwickler stützt (vgl. Zeyer, Bernhardt & Ivanovska 2015). Es wird angestrebt, dass Lernende zum Lernen motiviert werden und den Lernprozess innerhalb einer Grammatikeinheit nicht unterbrechen. Dies ermöglicht unter anderem die Interaktivität der IAG. So führt eine Figur (ein Strichmännchen) z. B. in der Einheit Imperativ Übung 2 eine bestimmte Handlung in der Animation aus, sobald man die Imperativform richtig eintippt. 8 Das sollte das Interesse an der Bearbeitung fördern und motivierend wirken und dient gleichzeitig auch als Feedback, ob die Antwort richtig war. Im anschließenden Interview wurde die gesamte Einheit als motivierend bezeichnet: (1) C'était comme des, les jeux et ça motivait quoi. Fin, je pouvais en passer (.) toute la nuit. ça me motivait. Das war wie Spielen und das motivierte. Also, ich hätte (.) damit die ganze Nacht verbringen können, das motivierte mich. (Übersetzung aus dem Französischen, Deutschniveau A1). Die Aussagen der Lernenden zeigen, dass der entdeckende Charakter der IAG motivierend wirkt: (2) Немного было непонятно, но как-то сообразила и так сразу радостно стало. Мотивирует. 8 In einer der Animationen fordert die Mutter ihr Kind auf, eine Jacke anzuziehen. Erst wenn der Lernende die richtige Imperativform eingegeben hat, zieht das Kind tatsächlich seine Jacke an. Wie interaktiv ist die Interaktive Grammatik? 197 Es war ein bisschen unklar, aber dann habe ich es verstanden und war sehr froh. Es motiviert. (Übersetzung aus dem Russischen, Deutschniveau A2). Informieren Die informierende Funktion der Interaktivität lässt sich nicht so eindeutig darlegen. Die Funktion wird dann realisiert, wenn man durch verschiedene Interaktionen mit dem Programm möglichst umfassende Informationen über ein Phänomen bekommt, oder auch, indem durch interaktive Übungen eine Regel induktiv formuliert werden soll. Die Einbindung von Texten, Bildern, Audios und Animationen in der IAG ermöglicht das Informieren über das grammatische Thema. 9 Die visuelle Komponente kann dabei helfen, den Spagat zwischen der Form-Funktion des grammatischen Themas und der Transparenz und Relevanz für das Sprachenlernen zu meistern: (3) Bueno, pues en cuanto a la interacción con el software, es bueno porque lo hace más agradable. En cuanto a la gramática, creo que también ayuda a crear conexiones pues no en relación con lo que estás aprendiendo sino con una situación real. In Bezug auf die Interaktion mit der Software wird diese durch die Bilder angenehmer gemacht. In Bezug auf die Grammatik finde ich, dass die Software dir hilft, Verbindungen herzustellen, nicht mit dem was du lernst, sondern mit einer realen Situation. (Übersetzung aus dem Spanischen, Deutschniveau A2). Die Aussage 3 betont die Nähe des grammatischen Themas zur Sprachrealität. Dies bestätigt auch ein anderer Proband: (4) Да, то есть наглядно показывает примеры. То есть как бы приближает грамматику к жизни. Ja, das heißt die Beispiele werden anschaulich gezeigt. Die Grammatik wird quasi lebensnäher. (Übersetzung aus dem Russischen, Deutschniveau A2). Dass alle Probanden zum Interviewschluss in der Lage waren, die Funktion und Bildung vom grammatischen Thema zu benennen und zusammenzufassen, weist darauf hin, dass die IAG informationsliefernde Interaktionen beinhaltet. Niegemann et al. (2008: 296) betonen, dass diese Interaktionen auf Wissenslücken und Denkfehler hinweisen sollten. Man findet eine weitere Bestätigung in der Äußerung des Probanden: 9 Zum Zusammenspiel der Interaktivität und der Multimodalität s. den Beitrag von Jones, Stuhlmann und Zeyer in diesem Band. Tamara Zeyer 198 (5) Parce que la fonction de l'impératif est différente en français. Donc, pour moi, c'était intéressant parce que je, je l'utilisais jamais. Parce qu'en français c'est plutôt agressif comme le ton. Donc, en allemand c'est différent. Donc, ça je l'ai appris. Maintenant j'serai mieux me servir de l'impératif. Weil die Funktion des Imperativs anders als im Französischen ist. Für mich war es also interessant, weil ich ihn nie benutzt habe. Weil es im Französischen zum aggressiven Ton gehört. Also, im Deutschen ist es anders. Also, das habe ich gelernt. Jetzt werde ich den Imperativ besser anwenden können. (Übersetzung aus dem Französischen, Deutschniveau B1) Der Proband reflektiert kontrastiv die Funktionalität des grammatischen Phänomens in seiner Muttersprache gegenüber dem Deutschen. Obwohl das grammatische Phänomen für ihn nicht neu war, lernte er, in welchen Fällen man den Imperativ im Deutschen gebraucht. Somit wurde durch die Beschäftigung mit dem interaktiven Lernmaterial dem französischsprachigen Probanden eine Wissenslücke bewusst. Eine informierende Funktion ist auch dann gegeben, wenn der Lernende eine Rückmeldung dazu erhält, ob er die Aufgabe richtig oder falsch gelöst hat. Dies ist für den Lernprozess wichtig: (6) Interattivo, cioé che ho, posso avere una, una corrispondenza, un feedback anche con un, con un computer, non con una, con una persona reale, quindi io so che magari quell'esercizio é fatto bene. Interaktiv, das bedeutet, dass ich, eine, eine Entsprechung, ein Feedback haben kann auch mit einem, mit einem Computer, nicht mit einer, mit einer realen Person, deshalb weiß ich, dass z. B. diese Übung richtig ist. (Übersetzung aus dem Italienischen, Deutschniveau A2) Verstehen, Behalten und Anwenden fördern Verstehen wird in der IAG durch Hilfen unterschiedlicher Art gefördert, wie bspw. farbige Hervorhebung der Fehler, automatisches Aufzeigen der Aufgabenstellung 10 oder automatische Korrektur. Bezüglich der Rückmeldungen und des Feedbacks in der IAG äußerte sich ein Proband folgenderweise: (7) Здесь в принципе неплохо отображается, скажем так, в реальном времени, интерактивно, неправильное заполнение чего-то или скажем, постепенное (.) ну вот это вот стирание там окончаний глаголов. это очень доходчиво. 10 Versteht man die Aufgabenstellung nicht (entweder sprachlich oder in der Anwendung), kann der Hilfe-Button angeklickt werden. Dem Lernenden wird die Aufgabenstellung anhand eines Beispiels aufgezeigt. Wie interaktiv ist die Interaktive Grammatik? 199 Im Prinzip wird es hier gut dargestellt, sagen wir so, in realer Zeit, interaktiv, falsches Ausfüllen oder (.) das schrittweise Radieren der Verbendungen sind sehr verständlich. (Übersetzung aus dem Russischen, Deutschniveau A2) Die unmittelbare Reaktion des Programms auf einzelne Aktionen der Lernenden unterstützt somit das Verstehen während der Bearbeitung der IAG. Behalten fördert man durch die Verwendung ein und desselben Sprachmaterials in mehreren Schritten einer Einheit mit dem Fokus auf unterschiedliche Aspekte des grammatischen Phänomens. Das wurde auch von einem Probanden positiv angemerkt: (8) Son distintos ejercicios que apuntan al final a exactamente lo mismo. Pero el hecho de que se aborde el problema de distintas maneras ayuda como a absorber mejor la lección que se está tratando de aprender. Mucho mejor que si son 20 ejercicios exactamente iguales. Es gibt verschiedene Übungen, die auf dasselbe abzielen. Allerdings die Tatsache, dass man das Thema aus verschiedenen Perspektiven betrachtet, trägt dazu bei, das zu lernende Thema besser zu verinnerlichen. Das ist besser als 20 Übungen, die gleich sind. (Übersetzung aus dem Spanischen, Deutschniveau A2). Die Beschäftigung mit einem Thema wird nicht langweilig, wenn eine Vielfalt der möglichen Aktionen zur Verfügung steht. In Übungen mit steigendem Schwierigkeitsgrad können Lernende ihre Kenntnisse anwenden. Darüber hinaus basieren die Übungen auf den Inhalten und den gelieferten Informationen der ersten drei Schritte. Lernprozess organisieren, regulieren, individualisieren „Die Interaktion ermöglicht es dem Lernenden, seinen Weg durch das Material und das Tempo beim Lernen zu beeinflussen.“ (Lang 2002: 33). Auch für Grünewald (2006: 103) besitzt die Interaktivität der Lernsoftware die Eigenschaft, „die Auswahl, Abfolge, den Darbietungspunkt und die Geschwindigkeit der von der Software angebotenen Informationen zu beeinflussen.“ Der Aufbau der IAG ermöglicht dem Lernenden, selbst die Reihenfolge aller Schritte zu bestimmen, jederzeit den Schritt zu wechseln und die Übungen in seinem eigenen Tempo zu bearbeiten. Somit kann man seinen Lernprozess selbst organisieren und regulieren. Darüber hinaus kann der Lernende - auch wenn es nicht in allen Einheiten möglich ist - individuelle Komponenten ins Grammatiklernen einbringen. In der Einheit Fragesätze können Lernende z. B. auch ihre persönlichen Daten (Name, Wohnort, Tamara Zeyer 200 Hobbys etc.) eingeben, die für die weiteren Schritte der jeweiligen Einheit verwendet werden. 11 Die Funktionen der Interaktivität sind eng miteinander verbunden und tragen zum Lernprozess bei. „Expansives, entdeckendes und selbstgesteuertes Lernen garantieren einen hohen Effekt und stabile Motivation.“ (Lang 2002: 33). In welchen Formen laufen aber Aktionen-Reaktionen ab? 5 Interaktionsformen Eine mögliche Unterteilung von Interaktionsformen in Lernsoftware nach Strebkowski und Kleeberg sind Steuerungsinteraktionen und didaktische Interaktionen. Die Steuerungsinteraktionen betreffen in erster Linie Navigationsfunktionen. Bei didaktischen Interaktionen geht es um die den Erkenntnisprozess unterstützenden Interaktionen. Jedoch sind die Grenzen je nach Lernanwendung zwischen diesen zwei Kategorien fließend (vgl. Strzebkowski & Kleeberg 2002: 232ff). Die Steuerungsinteraktionen finden in der IAG statt, indem man die Reihenfolge der einzelnen Schritte innerhalb einer Einheit bestimmt oder zwischen dem Entdeckungs- und Vorzeigemodus auswählt, etc. Von größerem Interesse sind didaktische Interaktionen in der IAG und die Verschmelzung von Steuerungsinteraktionen und didaktischen Interaktionen. Didaktische Interaktionen geschehen, wenn man die Animationen durch die Eingabe richtiger oder falscher Antworten steuert. Eine scharfe Trennung zwischen den Steuerungs- und didaktischen Interaktionen der Lernsoftware ist zwar schwierig, dennoch führt das Zusammenspiel der vorhandenen Interaktionen der IAG zum entdeckenden Lernen, weshalb sich vermuten lässt, dass es auch sinnvolle (didaktische) Interaktionen gibt (vgl. ibid.: 234). Niegemann et al. unterteilen die Interaktionsformen ausgehend von interagierenden Akteuren in die Aktionen Lernender und des Systems, die aufeinander bezogen sein können, aber nicht immer symmetrisch seien (vgl. Niegemann et al. 2008: 287 ff, Niegemann 2011: 125 ff). Zu den Aktionen Lernender gehören: • die selbstständige Auswahl von Lehrinhalten • die selbständige Wahl einer Reihenfolge des Lehrstoffs • Auswahlentscheidungen bezüglich Beispielen und Aufgaben • das Anfordern und Nutzen von Hilfen • das Stellen von Fragen 11 Weitere Beispiele zur Realisierung der Funktionen von Interaktivität s. Zeyer, Bernhardt & Ivanovska (2015: 82-85). Wie interaktiv ist die Interaktive Grammatik? 201 Dabei sei der letzte Punkt oft ein Schwachpunkt der Lernmedien, so Niegemann et al., auch in der IAG ist es nicht vorgesehen, dass die Lernenden Fragen stellen können. Aktionen des Systems sind: • die Darbietung von Informationen • das Anbieten von Hilfen • Rückmeldung auf Eingaben • Feedback. 5.1 Mögliche Aktionen Lernender in der IAG Die IAG ermöglicht die meisten beschriebenen Aktionen sowohl Lernender als auch des Systems, wobei die selbstständige Auswahl von Lerninhalten auf zehn grammatische Themen für die Grundstufe beschränkt ist. Innerhalb einer Einheit kann man die Reihenfolge der zu bearbeitenden Schritte frei wählen. Dem Lernenden ist es nicht nur überlassen, die Reihenfolge zu bestimmen, sondern auch die Vollständigkeit der Bearbeitung. Der Wechsel zu einem anderen Schritt ist jederzeit möglich. Wie oben bereits beschrieben, bietet die IAG auch Hilfe an. Der Hilfe- Button kann jeder Zeit abgerufen und für unterschiedliche Ziele genutzt werden. Er erfüllt zwei (grundlegende) Funktionen: erstens kann man sich wenn zu Beginn der Aufgabe die Aufgabenstellung nicht verstanden wird oder es unklar bleibt, wie die Aufgabe zu erfüllen ist, diese durch einen Klick auf den Hilfe-Button das Programm aufzeigen lassen. Somit könnten sowohl sprachliche als auch technische Schwierigkeiten gelöst werden. Zweitens können sich Lernende teilweise oder komplett die Lösungen von Aufgaben geben lassen, dafür können sie immer den Hilfe-Button anklicken. Die wichtigste Funktion besteht aber in der Fehlerkorrektur. Lernende können auch den Hilfe-Button anklicken und dementsprechend die Unterstützung des Systems beim Lösen einer Aufgabe erhalten. Jedoch bietet dieser nur zwei Unterstützungsarten an. Entweder kann man an einer Problemstelle den Hilfe-Button abrufen, einen falsch eingegebenen Buchstaben korrigieren lassen und, wenn es mehrere Fehler gibt, versuchen, die Aufgabe selbstständig bis zum Ende zu lösen. Oder man ruft die Hilfe- Funktion zur Korrektur bei jedem einzelnen Fehler auf und lässt das Programm korrigieren. Die Bildschirmaufzeichnungen zeigen unterschiedliche Vorgehensweisen im Umgang mit der Hilfe-Funktion auf. Einige Probanden benutzten den Hilfe-Button nach mehreren fehlerhaften Eigenversuchen, andere ließen sich die korrekte Lösung anzeigen. Dass die Fehler nicht alle auf einmal korrigiert werden, wird als lernfördernd empfunden: Tamara Zeyer 202 (9) Да, был тот момент, когда я не мог форму глагола напечатать. Я-то есть еще не знал, как помощь срабатывает. То есть я на нее нажимал, он мне давал одну только форму глагола, и я не понимал, как он помогает... А потом, когда уже понял, что он по букве мне подсказывает, не сразу слово, а по букве подсказывает. Правильная все-таки помощь, не сразу готовые ответы, чтобы я все-таки постарался, сам сделал. Ja, es gab einen Moment, als ich eine Verbform nicht tippen konnte. Ich wusste noch nicht, wie die Hilfe funktioniert. Ich habe sie angeklickt, bekam nur eine Verbform, ich habe nicht verstanden, wie sie hilft, erst danach, als ich verstanden habe, dass ein Buchstaben nach dem anderem angezeigt wird, und nicht das ganze Wort. An der Hilfe ist gut, dass sie nicht sofort die richtigen Antworten liefert, damit ich mich noch bemühe und es selbst versuche. (Übersetzung aus dem Russischen, Deutschniveau A2). 5.2 Mögliche Aktionen des Systems in der IAG Die von Niegemann et al. beschriebenen Aktionen des Systems lassen sich in der IAG beobachten. Die Informationen über verschiedene Facetten grammatischer Phänomene werden in unterschiedlichen Formen dargeboten. Unter verschiedenen Facetten sind die Funktionen, die alltagsrelevanten Kontexte und die Bildung einzelner Themen zu verstehen. Die Informationen werden jedoch nicht auf einmal dargeboten, sondern durch die Interaktionen zwischen dem Lernenden und dem Programm nach und nach gewonnen. In diesem Chat-Beispiel ist Thomas der Lernende; 12 er sollte Fragesätze bilden, in dem er die Satzteile bzw. blauen Elemente in die richtige Reihenfolge bringt. Erst dann wird der Fragesatz in den Chat integriert und die Reaktion des Programms (in Form einer Antwort des fiktiven Chatcharakters Laura) folgt. Danach erscheinen die Satzteile für den nächsten Satz. 12 Den Namen gibt man im ersten Schritt der Einheit Fragesätze ein und er wird vom Programm in allen weiteren Schritten der Einheit verwendet. Wie interaktiv ist die Interaktive Grammatik? 203 Auf jede einzelne Eingabe seitens der Lernenden folgt eine unmittelbare Rückmeldung des Systems. Beispielsweise wird in der zweiten Übung der Einheit Fragesätze die richtig gebildete Frage in einen Chat integriert und die vorprogrammierte ‚Reaktion‘ des Chatpartners erscheint so, als ob man mit einem realen Partner chatten würde (Abb. 1). Das Feedback in der IAG ist überwiegend auf die Rückmeldung falsch (oranges Kreuzchen) oder richtig (grünes Häkchen) ‚beschränkt‘, weil die meisten Aufgaben der IAG eindeutige Antwortmöglichkeiten haben. Bayerlein (2010: 573ff) weist darauf hin, dass ausformulierte Begründungen zu falschen Antworten kaum gelesen werden. Darüber hinaus sollte das Verstehen der Erklärung sichergestellt werden (vgl. ibid.), was für die Zielgruppe mit geringen Sprachkenntnissen nicht selbstverständlich ist. Wo es nötig und didaktisch sinnvoll erscheint, gibt es eine Erklärung, warum eine Eingabe falsch ist. In der Einheit Imperativ, in der eine Situation in einer Tabelle dem richtigen Kontext (formell vs. informell) zugeordnet werden soll, der Lernende jedoch die Anzahl der angesprochenen Personen (Singular vs. Plural) nicht erkannt, bietet das System eine kurze Erklärung, warum das jeweilige Bild mit der Situation in eine andere Zelle gehört. In einer anderen Einheit beschränkt sich die Erklärung nicht auf grammatische Informationen: In der zweiten Übung der Einheit Temporale Präpositionen soll der Lernende Lücken mit temporalen Präpositionen ergänzen und einen Kriminalfall lösen (Wer hat den Hund geklaut? ). Nach jedem ausgefüllten Lückensatz erscheint ein „Beweisstück“ wie z. B. ein Flugticket oder ein Türschild mit Öffnungszeiten und es wird gefragt, ob die Person ein Täter sein könnte. Wenn man „Nein“ anklickt, folgt eine kurze Erklärung in einem Feedbackfenster, warum die Person doch unter Verdacht steht. Dies sollte den Lernenden darauf aufmerksam machen, dass nicht nur das Ausfüllen Abb. 1 Auszug aus dem Chat in Einheit Fragesätze (Quelle: Goethe-Institut) Tamara Zeyer 204 von grammatischen Formen effektiv für den Lernprozess ist, sondern auch das Verstehen eine wichtige Rolle spielt. Die Aktionen der Lernenden und des Systems stehen im engen Zusammenhang. Eine Aktion beeinflusst die andere und so findet der interaktive Lernprozess statt. Die Vielfalt der Interaktionsformen übt eine positive Wirkung aus (vgl. Bäumler 1991: 30). Betrachtet man die möglichen Aktionen des Systems in der IAG, könnte man behaupten, dass die Interaktionsformen nicht vielfältig sind. Jedoch ruft die variierende Realisierung von Aktionen, wie die Darbietung von Informationen durch verschiedene Medien, differenzierte Arten von Hilfen, Rückmeldungen auf Eingaben in verschiedenen Formen mit animierter oder farbiger Unterstützung auch variierende Aktionen der Lernenden hervor. Daraus entsteht eine breite Palette von Interaktionsformen. Lernende werden dank der Interaktivität in den Wissenserwerbsprozess aktiv einbezogen und damit wird die lernpsychologische Wirkung des Lernprogramms effektiver (vgl. Strzebkowski & Kleeberg 2002: 230). Das folgende Kapitel geht auf die Menge interaktiver Komponenten ein, die Lernende in den interaktiven Lernprozess involvieren sollen, ohne sich überfordern oder irritieren zu lassen. 6 Wie viel Interaktivität braucht man beim Grammatiklernen? Ein Feuerwerk raffinierter Interaktionsformen in einem Lernprogramm bedeutet nicht automatisch, dass das Lernen mit dem Programm effektiv ist. Wie die Kapitelüberschrift bereits ankündigt, stellt sich die Frage, wie interaktiv ein Lernprogramm zur Grammatik sein sollte, damit sich der Lernende durch interaktive Komponenten auf das Lernen konzentriert und davon nicht abgelenkt oder überfordert wird. Mit einem Beispiel aus dem ersten Schritt der Einheit Imperativ (Abb. 2) wird exemplarisch illustriert, wie eine interaktive Oberfläche aussehen kann. Bevor hier alle interaktiven Elemente dargestellt werden, ist das Lernziel dieser Aktivität zu erwähnen. Es geht um die erste Annäherung an das grammatische Phänomen, in diesem Fall also um die Funktionen des Imperativs im Deutschen. Dies erfolgt durch die Zuordnung der Funktionen zu einer Situation, die jeweils als kleine Audio-Bilder-Geschichte angezeigt wird. Dafür sollen die Lernenden nach dem Anzeigen der Situation einen der drei grünen Buttons (4.1 bis 4.3) anklicken, die jeweils eine sprachliche Funktion vertreten. Welche Elemente interaktiv bzw. anklickbar sind, zeigen die nummerierten Umrahmungen. 13 Klickt man das kleine Dreieck im Zent- 13 Umrahmungen und Nummerierungen sind nicht im Original zu sehen und dienen hier nur als visuelle Unterstützung für den Leser. Wie interaktiv ist die Interaktive Grammatik? 205 rum der oberen grünen Leiste (1) an, öffnet sich das Menü mit den fünf Schritten der Einheit, womit ein Wechsel zu den anderen Schritten ermöglicht wird. Oben rechts befinden sich zwei Buttons: ein grüner i-Button (2) steht für „Informationen“, mit dessen Klick die jeweilige Aufgabenstellungen im Popup-Fenster erscheint. Die Aufgabenstellungen erscheinen am Anfang jeder Aufgabe. Erst nach dem Schließen des Popup-Fensters kann mit der Bearbeitung der Aufgabe begonnen werden. Ein blauer ? -Button (3) ist der Hilfe-Button, dessen Funktionen bereits im vorigen Kapitel beschrieben wurden. Die interaktiven Elemente 1, 2 und 3 mit ihren jeweiligen Funktionen sind in jedem Schritt jeder Einheit vorhanden. Bei den interaktiven Elementen 4.1, 4.2 und 4.3 geht es um drei Antwortmöglichkeiten. Hier unterscheiden sich die Reaktionen des Systems in Abhängigkeit zu den Aktionen der Lernenden. Klickt man die richtige Antwort (in diesem Fall 4.1) an, wird das Bild unter dem Button Tipp platziert, d. h. die Situation wird der Funktion zugeordnet. Auch das kurz erscheinende grüne Häkchen signalisiert die richtige Wahl der Antwort. Bei einer falschen Entscheidung (4.2 und 4.3) erscheint das orange Kreuzchen, das Bild bewegt sich nicht und der Lernende sollte den Vorgang wiederholen, bis die richtige Lösung gefunden wird. Abbildung 3 zeigt schematisch die möglichen Aktions-Reaktionsfolgen. Abb. 2 Eine Oberfläche mit interaktiven Elementen in der Einheit Imperativ (Quelle: Goethe-Institut) Tamara Zeyer 206 Die Interaktivität ist nicht allein als (Re-)Aktionskette zu verstehen, sondern auch als Ausmaß dieser Ketten, die dem Lernenden auf einmal zur Verfügung stehen. Die Interaktion 1 kann man den Steuerungsinteraktionen zuordnen, bei den Interaktionen 2 und 3 geht es um die Kombination von didaktischen Interaktionen und Steuerungsinteraktionen. Die Interaktionen 4.1, 4.2 und 4.3 sind didaktische Interaktionen. Je nach Lernziel ändern sich didaktische Interaktionen in der IAG, 1 bis 3 bleiben immer konstant, was den Lernenden bei der Bearbeitung unterstützen sollte. Wenn die Oberfläche in jedem Schritt bzw. Teilschritt immer wieder anders aussehen würde und die möglichen Aktionen jedes Mal variieren würden, müsste sich der Lernende immer wieder neu zurechtfinden. Wenn nur die Aktionen im Bereich 4 gewechselt werden, bleibt der Lernende auf sie fokussiert. Dies erhöht die Benutzerfreundlichkeit des interaktiven Lernprogramms (vgl. Jones, Stuhlmann & Zeyer in diesem Band). Durch die Interaktivität der IAG haben Lernende eine Auswahlmöglichkeit unterschiedlicher Wege zum Ziel und können sowohl auf induktive als auch deduktive Weise lernen. Somit kann das Lernen individualisiert und an die Eigenschaften unterschiedlicher Lernertypen angepasst werden. Jedoch kann eine zu große Auswahl möglicher Aktionen den Lernenden auch überfordern. Er verliert sich in den Aktionsmöglichkeiten und wird vom Lernprozess abgelenkt. Die unterschiedlichen metakognitiven Fähigkeiten der Lernenden beeinflussen den Bearbeitungsprozess und lösen damit verschiedene Abfolgen von Handlungen aus. Durch die Kombination möglicher Aktionen ist der Abb. 3 Mögliche Interaktionsketten in der Einheit Imperativ Wie interaktiv ist die Interaktive Grammatik? 207 Einsatz unterschiedlicher Strategien möglich. Die verschiedenen Strategien belasten das Arbeitsgedächtnis während des Bearbeitungsprozesses in unterschiedlichem Maße. Da die Bearbeitung schrittweise und zyklisch 14 geschieht, werden Lernende nicht überfordert. Erwähnenswert ist, dass die Bearbeitung bzw. der Lernprozess ohne Ablenkung abläuft bzw. nicht abgebrochen wird: (10) Pues a mi en general me agrada, porque es una aproximación muy amable con el estudiante. No es sentarse a hacer una y otra vez ejercicios en un texto sino que el hecho de que haya interacción también ayuda a mantener cierta concentración. Se distrae uno menos y se esfuerza un poco más en hacer los ejercicios teniendo este tipo de interacciones con el programa que con el texto propiamente. Mir gefällt es im Allgemeinen, weil es einen netten Kontakt zu den Lernern herstellt. Es geht nicht darum, viele Übungen hintereinander zu machen, sondern darum, dass da die Software interaktiv ist, zur Aufrechterhaltung der Konzentration beiträgt. Durch das interaktive Prinzip wird man weniger abgelenkt und man gibt sich mehr Mühe, die Übungen zu machen. (Übersetzung aus dem Spanischen, Deutschniveau A2). Die Aussage stimmt mit der motivationsfördernden Funktion der Interaktivität überein (Haack 2002, Niegemann 2011). Interessant ist die Wahrnehmung der Lernsoftware als Kontaktauslöser zu den Lernenden (durch das System). Darüber hinaus wird der Kontakt zu den Lernenden nicht nur aufgenommen, sondern auch aufrechterhalten. Das Lernangebot ist kein Ersatz für die Lehrperson, jedoch wird es als Lernprozessbegleiter wahrgenommen, weil es eine aktive Beschäftigung mit den grammatischen Inhalten unterstützt: (11) Да, активирует на какие-то действия, подталкивает, сделай вот так, сделай вот так. А теперь какие ты выводы из этого сделал? Ja, [das Programm] aktiviert für irgendwelche Handlungen, stößt an: mach so und so, mach so und so. Und welche Schlussfolgerungen hast du daraus gezogen? (Übersetzung aus dem Russischen, Deutschniveau A2) Zu den Lernzielen der IAG gehört u. a. die Förderung des selbstständigen Lernens grammatischer Themen. Die Untersuchung zeigt, dass das aktive Lernen vor allem dank des interaktiven Potenzials der IAG stattfinden kann. Bei der Konzeption digitaler Lernangebote sollte man die Reihenfolge, den Umfang und das Zusammenspiel von Aktionsformen beachten, um zu er- 14 Man greift in jedem Schritt auf bereits gelernte Informationen zurück, es geschieht ein Perspektivwechsel oder die Erhöhung des Schwierigkeitsgrades. Tamara Zeyer 208 möglichen, dass das Lernziel erreicht und der Lernprozess gefördert werden kann. 7 Schluss Der vorliegende Beitrag hatte zum Ziel, die Frage „Wie interaktiv ist die Interaktive Grammatik? “, zu beantworten. Die Analyse möglicher Interaktionen sowie der Daten der Rezeptionsstudie lassen die Schlussfolgerungen zu, dass die Interaktivität der IAG eine wichtige Rolle im Lernprozess spielt. Darüber hinaus wird der Lernende von Anfang an aktiv in den Lernprozess einbezogen, was selbstständiges Erlernen und Üben komplexer grammatischer Inhalte schon im Anfängerniveau ermöglicht. Auch wenn mögliche Interaktionsformen vorprogrammierter Grammtiklernangebote nicht sehr vielfältig scheinen, können sie dank didaktisch begründeter Kombinationen fördern, damit der Lernernde den Lernprozess nicht abbricht und motiviert bleibt. Dieser Beitrag beginnt mit einer Frage und endet mit noch weiteren. Benutzt man das Schlagwort interaktiv für die Werbung digitaler Lernangebote (nicht nur im Bereich der Grammatik), wäre eine Fragencheckliste hilfreich: − Welche Elemente sind tatsächlich interaktiv? − Was möchte man mithilfe interaktiver Komponenten erreichen? − Wie viele interaktive Elemente stehen auf einer Oberfläche zur Verfügung? − Welche interaktiven Elemente bleiben konstant, welche ändern sich? Die Liste hat keinen Anspruch auf Vollständigkeit, könnte jedoch als Ausgangspunkt für Entwickler digitaler Lernangebote dienen, damit dieses Schlagwort die Erwartungen der Lernenden erfüllt. Literatur Bäumler, Claus E. (1991). Lernen mit dem Computer. Weinheim und Basel: Belz Verlag. Bayerlein, Oliver (2010). Lernerbeobachtungen zur Nutzung von Feedback bei einem videogestützten Online-Sprachkurs für Deutsch als Fremdsprache. Info DaF 37, 6, 570-576. Grünewald, Andreas (2006). Multimedia im Fremdsprachenunterricht. Motivationsverlauf und Selbsteinschätzung des Lernfortschritts im computergestützten Spanischunterricht. Frankfurt am Main u.a.: Peter Lang Verlag. Haack, Johannes (2002). Interaktivität als Kennzeichen von Multimedia und Hypermedia. In Ludwig J. Issing & Paul Klimsa (Hrsg.) Informationen und Lernen mit Multimedia und Internet. 3. vollständig überarbeitete Auflage. (S. 127-136). Weinheim: Psychologie Verlags Union. Wie interaktiv ist die Interaktive Grammatik? 209 Jones, Roger D.; Stuhlmann, Sebastian & Zeyer, Tamara (in diesem Band). Interaktives Fremdsprachenlernen: Potenziale und Herausforderungen. (S. 11- 42). Krauß, Susanne (in diesem Band). Interaktivität beim Wortschatzlernen - Der interaktive Knoten. (S. 163-190). Lang, Norbert (2002). Lernen in der Informationsgesellschaft. In Ute Scheffer & Friedrich W. Hesse (Hrsg.) E-Learning. Die Revolution des Lernens gewinnbringend einsetzen. (S.23-42). Stuttgart: Klett-Cotta. Mitschian, Haymo (2004). Lernsoftware. Bewertung in Theorie und Praxis. München: koepaed. Niegemann, Helmut (2011). Interaktivität in Online-Anwendungen. In Paul Klimsa & Ludwig J. Issing (Hrsg.) Online-Lernen. Handbuch für Wissenschaft und Praxis. 2. verbesserte und ergänzte Auflage. (S. 125-137). München: Oldenbourg Verlag. Niegemann, Helmut; Domagk, Steffi; Hessel, Silvia; Hein, Alexandra; Hupfer, Matthias & Zobel, Annett (2008). Kompendium multimediales Lernen. Berlin Heidelberg: Springer-Verlag. Rösler, Dietmar (2004). E-Learning Fremdsprachen - eine kritische Einführung. Tübingen: Stauffenburg Verlag. Rösler, Dietmar (2015). Vermittlung von Form und Funktion zugleich - eine berechtigte Forderung an oder eine Überforderung von didaktischen Grammatiken? In Chiara Cerri & Sabine Jentges (Hrsg.) "Das musst du an Ruth fragen". Aktuelle Tendenzen der Angewandten Linguistik. (S. 91-108). Baltmannsweiler: Schneider Verlag Hohengehren. Schmidt, Torben (2007). Gemeinsames Lernen mit Selbstlernsoftware im Englischunterricht: eine empirische Analyse lernprogrammgestützter Partnerarbeitsphasen. Giessener Beiträge zur Fremdsprachendidaktik. Frankfurt am Main: Narr Verlag. Strzebkowski, Robert & Kleeberg, Nicole (2002). Interaktivität und Präsentation als Komponenten multimedialer Lernanwendungen. In Paul Klimsa & Ludwig J. Issing (Hrsg.) Information und Lernen mit Multimedia und Internet. Lehrbuch für Studium und Praxis. (S. 229-245). Weinheim: Verlagsgruppe Beltz, Psychologie Verlags Union. Zeyer, Tamara; Bernhardt, Lara & Ivanovska, Inga (2015). Hinter den Kulissen einer Interaktiven Animierten Grammatik: Didaktische Konzeption und Entwicklung einer App zum Grammatiklernen. In Katrin Biebighäuser (Hrsg.) Sondernummer zum Thema "Apps im DaF-Unterricht" gfl-journal 2015(2), 71-98. http: / / gfl-journal.de/ 2-2015/ zeyer-bernhardt-ivanovska.pdf (1.5.2016) Internet-Ressourcen (1.7.2016) − Ampel-System des Feedbacks, Schubert-Verlag: http: / / www.schubertverlag.de/ aufgaben/ uebungen_a1/ a1_kap4_verbauswahl1.htm Tamara Zeyer 210 − Grammatikclips vom Klett-Verlag: http: / / www.klett-sprachen.de/ dafleicht/ r-1/ 68#reiter=mediathek&dl_niveau_str=A1&dl_kategorie=34 − Interaktive Grammatik des Goethe-Instituts, Einheit Fragesätze: http: / / www.goethe.de/ lrn/ pro/ iga/ GI_04_Fragesaetze/ bin − Interaktive Grammatik des Goethe-Instituts, Einheit Imperativ: http: / / www.goethe.de/ lrn/ pro/ iga/ GI_03_Imperativ/ bin − Interaktive Grammatik des Goethe-Instituts, Einheit Temporale Präpositionen: http: / / www.goethe.de/ lrn/ pro/ iga/ GI_07_TempPraep/ bin − Mein Deutschbuch: http: / / www.mein-deutschbuch.de/ grammatik.html Wir müssen reden. Interaktive Anwendungen zum fremdsprachlichen Sprechtraining Inke Schmidt & Carolyn Blume 1 Einleitung „Schieß los, ich hör dir zu! ”, ermuntert Siri 1 auf die Bitte um ein Gespräch. Mit Siri kann man interagieren. Es gibt zwar immer wieder Missverständnisse, die zum Teil auf akustischen oder kulturellen Verständnisproblemen basieren, zum anderen Teil aber Folge der aberwitzigen Idee ist, Siri eine Persönlichkeit zu verleihen. Tendenziell funktioniert die Spracheingabe jedoch: Man bekommt eine Antwort, die erkennen lässt, ob man verstanden wurde oder nicht. Zudem wird Wert darauf gelegt, dass der User 2 sich so natürlich wie möglich äußern kann. Man könnte daraus schließen, dass auch interaktive Computerprogramme in der Lage seien, Sprache mittels gleicher Methoden und Technologien nicht nur zu verstehen, sondern sie auch zu verbessern oder sogar zu lehren. Nicht wenige Sprachlernprogramme werben eben genau damit, dass sie dank neuer technologischer Fähigkeiten in der Lage seien, Lernenden nicht nur das Lesen, Schreiben und Verstehen, sondern auch das Sprechen einer Fremdsprache beizubringen (vgl. Tab. 1). Doch trotz der immensen Fortschritte der Technik in diesem Bereich, gibt es weiterhin kritische Stimmen, die eine akzeptable Umsetzung eines solchen Systems - falls überhaupt - noch in weiter Ferne wähnen. Im Rahmen des vorliegenden Beitrags wurden die Sprechübungen von Babbel, Busuu (beide mit über 10 Mio. Downloads unter den Marktführern) und Scoyo (laut eigener Angaben „Deutschlands Nr. 1 Lernplattform für Kinder“ (http: / / www.scoyo.de)) eingehend untersucht. Die drei Anwendungen haben zwar unterschiedliche Schwerpunkte, werben jedoch alle mit dem Versprechen, dass sie Sprechkompetenz vermitteln. Mit welchen Ansätzen, 1 Siri (Speech Interpretation and Recognition Interface) ist ein Assistent mobiler Geräte des Herstellers Apple, der durch Sprache gesteuert werden und ebenfalls sprachlich reagieren kann. (ITWissen) 2 Aus Gründen der Lesbarkeit gelten Personenbezeichnungen für beiderlei Geschlecht. Inke Schmidt & Carolyn Blume 212 Methoden und Strukturen die Sprachlernprogramme dieses Versprechen einzulösen versuchen wird hier näher erläutert. 2 Zwischen Sprechen und Aussprache 2.1 Sprechfähigkeit Es gibt mehrere wissenschaftliche Modelle, die versuchen, bezüglich der mündlichen Sprachproduktion in der Fremdsprache relevante Teilfertigkeiten voneinander abzugrenzen, was ein Indiz dafür ist, wie komplex die Sprechfähigkeit in der Zielsprache zu definieren, vermitteln und erlernen ist. Shumin (2002) z. B. benennt als Komponente der effektiven Sprechfähigkeit die kommunikativen (grammatische, diskursive, soziolinguistische und strategische) Kompetenzen, die von Canale und Swain (1980) erarbeitet wurden. Weitere Faktoren, wie etwa das Alter, das Medium, soziokulturelle Faktoren sowie affektive Elemente beeinflussen die Fähigkeit des Sprechers, sich in der L2, die vor allem durch phonologische Merkmale gekennzeichnet ist, mündlich auszudrücken. In der DESI 3 -Studie wiederum wird die Sprechfähigkeit durch sowohl kommunikative wie auch psycholinguistische Ansätze gemessen, wobei „Äußerungen phonetisch-phonologisch korrekt und flüssig formulieren [zu] können” weder dem einen noch dem anderen Ansatz zugeordnet wird (Nold & Rossa 2008). Im Europäischen Referenzrahmen für Sprachen wird innerhalb der kommunikativen Sprachkompetenz zwischen pragmatischen, soziolinguistischen und linguistischen Teilkompetenzen unterschieden. Letzteres wird ferner durch lexikalische, grammatische, semantische und phonologische Kompetenzen präzisiert (Tesch 2006). In allen Modellen wird der Versuch unternommen, die multiplen Facetten der Sprechfähigkeit zu benennen und zu erfassen. Wie die hier beschriebene Untersuchung zeigt, ist diese Komplexität allerdings in den Sprachlernprogrammen nur bedingt vorhanden, denn zwischen der verständliche Aussprache einzelner Laute und Worte, der sprachtypischen Prosodie mit gängiger Intonation und Betonung, akzeptierten Ausdrucksweisen und sozio- und paralinguistischen Elementen wird nicht klar unterschieden. 2.2 Aussprache im traditionellen prachunterricht Laut Elliot (1997) wurde im klassischen Unterricht mit dem kommunikativen Ansatz häufig das Vermitteln der Aussprache ignoriert, da es zum einen 3 Die DESI-Studie (Deutsch-Englisch-Schülerleistungen-International) erfasst Kompetenzen von Schülern im Deutschen und Englischen auf nationaler Ebene. Wir müssen reden. Interaktive Anwendungen zum fremdsprachlichen Sprechtraining 213 als eher linguistischer Aspekt wahrgenommen wurde und zum anderen als schwer zu vermitteln galt und noch heute gilt. Auch im heutigen Fremdsprachenunterricht wird die Vermittlung der Aussprache als sowohl schwierig (Burgess & Spencer 2000) als auch z. T. überflüssig wahrgenommen (Hincks 2003). Einige Forscher fanden zudem, dass Aussprachetraining keinen oder gar einen negativen Einfluss hätte (Krashen & Terrell 1983; Scovel 1988). Im Gegensatz dazu beschwor Kelly (1969) bereits Ende der 1960er Jahre, Aussprache sei die „Cinderella” unter den Sprachfähigkeiten: lange Zeit unbeachtet und doch ein essentieller - wenn nicht der essentiellste - Baustein einer Sprache, den es zu lernen gilt. Celce-Murcia, Brinton und Goodwin (1996) führen den intuitiv-imitativen Ansatz, bei dem Gehörtes nachgesprochen wird und ergänzend dazu den analytisch-linguistischen Ansatz, bei dem Hilfsmittel wie das phonetische Alphabet oder Beschreibungen des Auszusprechenden zum Einsatz kommen, als Methodik an. Eskenazi (1999b) und Neri, Cucchiarini und Strik (2002) nennen fast identische Prinzipien des Aussprachetrainings für Lernende. Zusammengefasst benötigen Lernende: − viel Input, mit verschiedenen Sprechern als fungierende Modelle − viele Gelegenheiten zum Üben − ein stressfreies Umfeld − relevantes Feedback Eskenazi betont zudem die Notwendigkeit, die Prosodie zu trainieren, wohingegen Neri et al. darauf hinweisen, dass Lehrkräfte zwischen Akzent und Verständlichkeit („intelligibility”) unterscheiden sollten. Ferner sollten, so Neri et al. (2002), die Bemühungen der Lernenden in sinnstiftenden und einnehmenden Umgebungen stattfinden. Beide Autoren betonen, dass computerbasierte Sprechtrainer der neuen Generation theoretisch in der Lage seien, diese Strukturen zu bieten. In dem Fall wären sie dem traditionellen Unterricht gleichwertig oder gar vorzuziehen. Einig scheint man sich in Forscherkreisen zu sein, dass Aussprache und Sprechen unterschiedlich sind und dass Sprechen in möglichst authentischen Situationen und mit zielführendem Charakter besonders effektiv auf den Lernprozess wirkt. Ob diese Voraussetzungen von den Sprachlernprogrammen tatsächlich erfüllt werden, wird in Kapitel 4 untersucht. 2.3 Sprechen und Aussprache im Computer-Assisted Language Learning Der heutzutage vorherrschende integrative Ansatz des computer-assisted language learning (CALL) basiert auf der Theorie, dass sich die Sprach- Inke Schmidt & Carolyn Blume 214 kenntnisse zum einen durch die soziale Interaktion der Sprechenden entwickeln und zum anderen dazu dienen sollten, diese soziale Interaktion zu ermöglichen (Warschauer 2004). Laut Warschauer hat der integrative Ansatz des CALL die vorherigen Modelle der strukturellen und kommunikativen CALL nicht abgelöst, sondern integriert und sich, als Antwort auf sowohl ökonomische, soziale wie auch technologische Entwicklungen, ebenfalls weiterentwickelt. Als wichtiger Unterschied zum kommunikativen CALL-Ansatz der 1980er und 1990er Jahre betont das integrative CALL die Tatsache, dass die Kommunikation, die stattfindet, auch sinnvermittelnd sein müsse, wohingegen die Inhalte der Interaktionen im kommunikativen CALL zweitrangig seien (ibid.). Durch mehrere synchrone und asynchrone Modalitäten ist es inzwischen möglich, die computer mediated communication (CMC) zwischen zwei Lernenden zu ermöglichen (Warschauer & Healey 1998). Die Unterscheidung zwischen CALL und CMC wird jedoch zunehmend problematisch, denn, wie Rösler (in diesem Band) aufzeigt, verschwimmen die Grenzen zunehmend. Ferner entstehen fortwährend neue Mischformen, die diese Typologisierung in Frage stellen. Festzuhalten bleibt, dass sich die sinnstiftende Kommunikation im Sinne des freien Sprechens mit dem Computer selbst hingegen noch als schwierig erweist (Hubbard 2009). 2.4 Feedback im traditionellen Fremdsprachunterricht und im CALL Obwohl Forschungsergebnisse bezüglich der Art und Wirkungsweise von Feedback im Zweitspracherwerb zum Teil widersprüchlich sind, bezeugen sowohl einige Meta-Analysen als auch einzelne Studien die zentrale Rolle des Feedbacks für den Lernzuwachs (vgl. Hattie & Timperley 2007; Leontjev 2014; Kickmeier-Rust, Marte, Linek, Lalonde & Dietrich 2008). So können „Lernprozesse [...] ohne Feedback nicht gesteuert werden” (Bamberg 2010: 1). Es hat, durch die bloße Existenz einer Reaktion, auf oberster Ebene die Funktion dem Lernen eine Relevanz zu verleihen. Tiefer gehend hat es zum Ziel Schwachstellen aufzuzeigen, damit sich Lernende gezielt mit Defiziten auseinandersetzen und sie verbessern können und Stärken hervorzuheben, um zum Weiterlernen zu motivieren. Im herkömmlichen Sprachunterricht vermittelt die Rückmeldung den Lernenden entweder explizit oder implizit Informationen zu ihrem Sprachstand. Auch der Zeitpunkt und die Ausführlichkeit sowie die Form des Feedbacks werden von vielen Faktoren wie z. B. dem Aufgabentyp, Lernziel und Lernereigenschaften bestimmt (Amrhein & Nassaji 2010; Conati & Manske 2009). Eskenazi (1999a: 449) beschreibt, dass Wir müssen reden. Interaktive Anwendungen zum fremdsprachlichen Sprechtraining 215 in the ideal classroom, teachers offer implicit and explicit feedback at just the right times, keeping a balance between not intervening too often, to avoid discouraging the student, and intervening often enough to keep an error from becoming a hard-to-break habit. Expert teachers adapt the pace of correction - how often they intervene - to fit the student’s personality. Dieser Aufgabe gerecht zu werden stellt nicht nur für unerfahrene Lehrkräfte ein Hindernis dar, auch für die Sprachlernprogramme scheint dies eine große Herausforderung zu sein. Dabei weist Schmidt (2007) darauf hin, dass die Fähigkeit computerbasierter Lernumgebungen, individualisierte Hilfestellungen zu formulieren zwar theoretisch einen großen Vorteil gegenüber dem herkömmlichen Unterricht ausmache, in der Praxis dem Anspruch aber nicht immer nachkommen kann. Nachdem in Kapitel 3 die Entwicklung und Merkmale von Spracherkennungsprogrammen beschrieben werden, wird in Kapitel 4 untersucht, wie Babbel, Busuu und Scoyo Feedback umsetzen. 3 Spracherkennungsprogramme 3.1 Sprachsoftware vs. Sprachlernsoftware Warum können also Siri und vergleichbare Sprachassistenten scheinbar das, was Sprachlernsoftware nicht kann? Es gibt hierfür vermutlich mehrere Gründe. Siri ist darauf getrimmt, die Sprecheigenschaften eines Einzelnen zu erkennen, sie mit im Gerät gespeicherten persönlichen und aktuellen Daten wie Ort, Zeit und ggf. vorigen Eingaben zu kombinieren und entsprechend darauf zu reagieren. Sprachlernprogramme auf der anderen Seite müssen in der Lage sein, die Sprache etlicher User zu verstehen, um ihnen angemessen zu begegnen (Hincks 2003; Franco, Abrash, Precoda, Bratt, Rao, Butzberger & Rossier 2000). Dabei sind die Eingaben in der Regel sprachlich komplexerer Art, die Bedeutung teilweise nur mit kulturellem Hintergrundwissen interpretierbar und eine Internetsuche, wie sie von Sprachassistenten häufig als Reaktion angeboten wird, nicht hilfreich. Sprachlernprogramme benötigen eine große Datenbank an sprachlichen Musterbeispielen. Ein Softwareunternehmen für Fremdsprachen muss darüber hinaus verschiedene Sprachbereiche, wie beispielsweise Artikulation und Prosodie, sowie den Einfluss der L1 (Benson, C. 2002), stärker berücksichtigen. Ferner wird von einem Lernprogramm erwartet, dass man im Fall eines Missverständnisses keine smarte Reaktion bekommt, sondern konkrete Hilfestellung. Inke Schmidt & Carolyn Blume 216 3.2 Entwicklung von Sprachlernprogrammen im Bereich „Aussprache” Bereits seit Jahrzehnten gibt es verschiedene Ansätze, den Zweitspracherwerb, vor allem im Bereich der Mündlichkeit, durch technische Lösungen in Anlehnung an die vorherrschenden theoretischen Modelle zu unterstützen. Die audiolinguale Methode des Fremdsprachenlernens z. B. war bereits vorhanden, bevor es die technischen bzw. automatisierten Möglichkeiten zur Analyse gab, zu denen heutige Computer fähig sind. Mit Aufnahmegeräten wurden Lernende aufgefordert, Sätze bzw. Dialoge aufzusagen und dabei aufzunehmen. Diese Methoden hatten zum Nachteil, dass die Rückmeldung durch eine Lehrkraft entweder nur punktuell (Lindsay 1973) oder zeitverzögert (Celce-Murcia et al. 1996) gegeben werden konnte. Darüber hinaus war das Interagieren in Form natürlicher Sprache nicht möglich. Frühe Versuche die Aussprache von Lernenden mit Computern zu trainieren basierten auf grafischen Repräsentationen von Formulierungen. Das Programm gab einen Satz akustisch vor, der Lernende sprach ihn nach und bekam eine visuelle Darstellung in Form einer Wellenform bzw. eines sog. Spektrogramms des Modellsatzes im Vergleich zu seinem eigenen Satz. Obwohl einige Studien die Verständlichkeit solcher Darstellungen für die User bemängelten (Wang & Young 2012; Hubbard 2009), ergaben andere Untersuchungen positive Ergebnisse, entweder durch die betreute Interpretation durch eine Lehrkraft (Hincks 2003) oder ein intuitiveres Interface (Eskenazi 1999b). Auch das nicht mehr existierende Unternehmen Auralog behauptete, mit Talk to Me ein Programm entwickelt zu haben, das ausgehend vom technologisch Möglichen, eine Sprachlernplattform sei, die in bestimmten Lernsituationen die Aussprache nachweislich verbessern könnte (Hincks 2003). Mit einer Betonung auf Vokabeln im Kontext, statt auf grammatikalischen Mustern wie sie in früheren audiolingualen Ansätzen vorhanden waren, wurde man dem kommunikativen Ansatz gerecht (Wachowicz & Scott 1999). Allerdings waren die Lernenden auf drei Antwortmöglichkeiten beschränkt, von denen eine auszusuchen war, um sie programmkonform auszusprechen. Ähnlich scheinen andere Programme zu sein, die in den letzten Jahren entwickelt bzw. angekündigt wurden, um Lernenden die Möglichkeit zu bieten, die Aussprache zu trainieren, wie z. B. BetterAccent Tutor (Kommissarchik & Kommissarchik 2000) und Dutch CAPT (Neri, Cucchiarini & Strik 2006). In keinem der Fälle ist es möglich, das freie Sprechen im Kontext einer Unterhaltung durchzuführen. Wir müssen reden. Interaktive Anwendungen zum fremdsprachlichen Sprechtraining 217 Insgesamt führen Demenko, Wagner und Cylwik (2010: 313) die methodologischen Probleme der zu der Zeit existierenden Sprechtrainer wie folgt auf: − Lernende sind nicht in der Lage, Resultate zu verstehen und auszuwerten (Benutzerfreundlichkeit). − Beispiele und Aufgaben konzentrieren sich auf Intonation auf der Wort- und Satzebene. − Prosodische Aspekte wie z. B. Ton, Länge und Lautstärke sind nicht berücksichtigt. − Eine Analyse der gesamten Stimmqualität fehlt. Hierbei lassen sie die Aspekte der Kommunikation außen vor. Schon zuvor hat Schmidt (2005) anhand einer eingehenden Analyse von Sprachlernprogrammen resümiert, dass die produktiven Fertigkeiten, zu der das freie Sprechen zählt, auch mit guten Programmen dem traditionellen Unterricht, in dem eine Lehrkraft individuell (Sprachniveau, Wiederholungen mit Umformulierungen, unterstützende Gestik und Mimik, Interessen, sprachliche Defizite) auf die Lernenden eingehen und auf sie reagieren kann, unterlegen seien. Ob sich daran in den letzten zehn Jahren etwas geändert hat, rückt nachfolgend in den Fokus. 4 Untersuchung In dieser Untersuchung galt es, drei der gängigsten Sprachlernplattformen im Bereich interaktives Sprechen qualitativ zu vergleichen. Hierfür wurde ein „playtesting” Ansatz 4 (Aarseth 2003) angewendet. Obwohl die gamifizierten Aspekte in dieser Untersuchung nicht im Vordergrund stehen, werben alle drei Anbieter mit der spielerischen Darbietung der Inhalte (Seave 2014; Kerres & Bormann 2009; Alvarez Valencia 2015). Der Empfehlung Chiks (2015), verschiedene Ressourcen wie z. B. sowohl schriftliche Informationen der Webseite (z. B. FAQ, Über uns, Blogs, Presseartikel bzw. verweise usw.) als auch visuelle Daten (z. B. Bilder und Farbenschemata), gepaart mit dem „interaktiven Lernprozess” und Informationen aus anderen Quellen in eine Analyse einzubeziehen, wurde hier nachgekommen. Es haben jeweils eine Muttersprachlerin Englisch (L2 Deutsch) und Muttersprachlerin Deutsch (L2 Englisch) verschiedene Level und Aufgaben in der jeweils eigenen Sprache und in der L2 individuell erprobt und ähnlich wie bei Schmidt und Frota (1986) bzw. Etherington (2004) zur Auswertung dokumentiert. Insgesamt wurden event-based Daten (Bolger, Davis & Rafae- 4 Erforschung durch das eigene Spielen in autoethnographischer Form Inke Schmidt & Carolyn Blume 218 li 2003) von über 40 Stunden Interaktionen ausgewertet. Merkmale der Plattformen wurden anhand eines Fragebogens zur Untersuchung digitaler Lernspiele (Schmidt, Blume & Schmidt 2014) klassifiziert und u. U. durch narrative Beschreibungen ergänzt. Ausgesucht für die Untersuchung wurden öffentlich zugängliche Plattformen, die sich weder in der Testphase befanden, noch besonderen Mitgliedsgruppen (z. B. Militärangehörigen) vorbehalten sind. Babbel, Busuu, und Scoyo waren der Fokus der Untersuchung, nicht nur wegen ihrer hohen Nutzerzahlen, sondern da sie zugleich versprechen, authentische Kommunikation durch gezielte Übungen zu ermöglichen. Babbel zielt, laut seiner didaktischen Direktorin Plieninger, durch die Kombination des kommunikativen und kognitiven Ansatzes auf den Wunsch der User, sich im täglichen Leben und in gängigen Unterhaltungen behaupten zu können (Iszler 2015). Busuu beschreibt sich als „weltweit größtes soziales Netzwerk zum Sprachenlernen, das den Usern ermöglicht, mit Muttersprachlern zu üben” (https: / / www.busuu.com/ de/ video). Scoyo betont, neben einem innovativen Aussprache-Training und seiner motivierenden Inhalte, Kinder dazu zu befähigen, Englisch zu sprechen, ihre Sprachfähigkeiten zu trainieren und eine „gelungene Kommunikation in der Fremdsprache” zu erreichen (http: / / www-de.scoyo.com/ faecher/ englisch.html). 4.1 Beschreibung der Programme Diese Analyse beschränkt sich auf die Elemente für das Sprechen, sodass einige Elemente, die andere Fähigkeiten (Lesen, Schreiben, Hören) bzw. Fächer (wie bei Scoyo) trainieren, nur am Rande untersucht wurden. Babbel Busuu Scoyo Zielgruppe uneingeschränkt uneingeschränkt Schüler Klasse 1 - 7 Sprachen Deutsch, Englisch u. v. m. Deutsch, Englisch u. v. m. Englisch Niveau A1 - C1 A1 - B2 n. a. Anzeige des Lernfortschritts Fortschrittsbalken Wachsende Pflanzen in einem „Sprechgarten“ Punkte, Status, Fortschrittsbalken Wir müssen reden. Interaktive Anwendungen zum fremdsprachlichen Sprechtraining 219 tenzbereiche Grammatik, Leseverstehen, Hörverstehen, Schreiben, Sprechen, Aussprache, Sprachmittlung, Interkulturelle Kompetenz Grammatik, Leseverstehen, Hörverstehen, Schreiben, Aussprache, Sprachmittlung, Interkulturelle Kompetenz Grammatik, Leseverstehen, Hörverstehen, Aussprache Themen Alltag Alltag nach Lehrplan, da unterrichtsbegleitend Übungsformate offene Texteingabe, Listen & Click, Lückentexte, Multiple -Choice, Richtig/ Falsch, Sortierübungen, Zu ordnungsaufgaben offene Texteingabe, Listen & Click, Lückentexte, Multiple -Choice, Sortierübungen, Zuordnungsaufgaben Listen & Click, Lückentexte, Multiple Choice, Sortierübungen, Zuordnungsaufgaben Eingabemöglichkeiten Maus/ Touch, Tastatur, Spracheingabe Maus/ Touch, Tastatur, Spracheingabe Maus/ Touch, Spracheingabe Feedback akustisch, visuell, schriftlich, explizit, am Ende einer Antwortsequenz, nach jeder Antwort visuell, schriftlich, durch Extras, explizit, am Ende einer Antwortsequenz, nach jeder Antwort, Daumen hoch-runter, Textfeedback anderer User akustisch, visuell, implizit, explizit, nach jeder Antwort Sprachlicher Schwerpunkt lt. eigener Angabe „speaking“, „that focus on practical things like getting to know someone, ordering food in a restaurant, shop- „Sprechen“ (https: / / www.busu u.com/ de/ ) „Grundschüler […] lernen dabei spielerisch die englische Sprache - Übungen in Hörverstehen und Leseverstehen e- Wortschatz, Wortschatz, Wortschatz, Komp Inke Schmidt & Carolyn Blume 220 ping, or sightseeing“, „Babbel listens to you speak and helps you perfect your pronunciation.“ (http: / / about.babbe l.com/ en/ ) inklusive.“ (http: / / wwwde.scoyo.com) Analyse der sprachl. Schwerpunkte Aussprache (Nachsprechen einzelner Wörter oder kurzer Phrasen) Aussprache (Nachsprechen bzw. vorlesen von Dialogteilen) Aussprache (Vorlesen) Soziale Interaktion Forum, Mail, schriftl. Chat Mail, schriftl. Chat keine Tab. 1. Übersicht über verschiedene Aspekte der Sprachlernprogramme 5 Alle drei Programme betonen in ihren Werbeversprechen das Erlernen der Sprache im kommunikativen Sinn. Babbel z. B. beteuert den Lernenden, dass sie sich „in Nullkommanichts in einer anderen Sprache verständigen [können].“ (http: / / about.babbel.com/ de/ ), während Scoyo die Zielsprache mittels spielerischer Ansätze und Protagonisten vermitteln möchte. Busuu versichert „22,5 Stunden als busuu Premium-Mitglied lernen = 1 Semester Sprachstudium an der Uni“ ( https: / / www.busuu.com/ de). Die Analyse der sprachlichen Komponenten indiziert jedoch andere Schwerpunkte, welche in den folgenden Abschnitten aufgegriffen werden. 4.2 Beschreibung der Spracheingabe-Aufgaben Alle drei untersuchten Plattformen bieten verschiedene Aufgaben zum Sprachenlernen an. Der Schwerpunkt von Babbel liegt dabei im Bereich Vokabeln. Busuu trainiert die Aussprache mittels vermeintlich authentischer Dialoge, die vorzulesen sind, während die Lernenden bei Scoyo Geschichten vorlesen. 5 Im Rahmen dieser Untersuchung wurden ausschließlich die Browser-Versionen der Programme untersucht. Wir müssen reden. Interaktive Anwendungen zum fremdsprachlichen Sprechtraining 221 Babbel Bei Babbel kann aus den Unterthemen Aussprache der Vokale, Aussprache der Konsonanten, Reisedialoge, Zungenbrecher und Diktatkurs gewählt werden. Die Aufgaben eines Themas folgen einem immer ähnlichen Schema, wobei sich die folgende Beschreibung nur auf die tatsächlich zum Sprechen bzw. zur Aussprache 6 beschränken. Beim Thema „Reisedialoge” des Oberthemas „Hören und Sprechen” z. B. sind vier vermeintlich zum Thema passende Bilder mit Vokabeln der eigenen Muttersprache darunter zu sehen. Eines der Wörter, das vom System in der Zielsprache vorgesprochen wurde, muss dann direkt nachgesprochen werden und wird umgehend ausgewertet. Hat es der User korrekt ausgesprochen, folgt das nächste Wort, bei vermeintlich fehlerhafter Aussprache soll er es gleich noch einmal versuchen. Bei korrekter Aussprache oder zu vielen Fehlversuchen wird das nächste Wort angeboten. Am Ende dieses Aufgabensets erscheint eine Punktzahl, die der Lernende im Verhältnis zu einer Gesamtpunktzahl erreicht hat. Im Gegensatz zu den beiden anderen Plattformen bietet Babbel Aufgaben zur Sprachlernkompetenz, die die Aussprache indirekt trainieren. Das Aufgabenset des Themas „Aussprache der Vokale” endet beispielsweise mit Aufgaben, die die Ausspracheunterschiede eines Vokals thematisieren, in dem Wörter durch Anklicken einer von zwei Aussprachemöglichkeiten (verdeutlicht durch jeweils ein Beispiel der Zielsprache) Wörter zugeordnet werden müssen (Abb. 1). Abb. 1 Babbel: Aufgabe zu Ausspracheunterschieden 6 Trotz der Zuordnung zum Thema „Hören und Sprechen” bedienen einige der dort angesiedelten Aufgaben nicht die geforderten Fähigkeiten, sondern zielen auf Schreiben ab. Inke Schmidt & Carolyn Blume 222 Ergänzend zu den Aufgaben zur Aussprache, können bereits gelernte Vokabeln u.a. in der Aussprache wiederholt werden: Sie werden in der eigenen Muttersprache angezeigt und in der Zielsprache aus bis zu vier Übersetzungen der Wörter oder Sätze durch Sprechen der korrekten Lösung ausgewählt (Abb. 2). Bei allen Übungen bekommen die Lernenden umgehend automatisches richtig/ falsch-Feedback. Abb. 2 Babbel: Aufgabe zur Aussprache gelernter Vokabeln Busuu Busuu fordert vollständige Sätze vorzulesen und aufzunehmen. Der Fokus auf einzelne Laute ist hier nicht gegeben. Die Sprachaufgaben sind in Einheiten, die mit zunehmenden Schwierigkeitsgrad und zunehmender Komplexität aufgebaut sind, zusammen mit Vokabel-, Grammatik-, Hör- und Schreibübungen eingebettet. Bei jedem der aus vier bis fünf Sätzen bestehenden Dialoge können die Lernenden wählen, ob sie den männlichen oder weiblichen Part sprechen möchten. Jeder Satz wird vorgesprochen, direkt anschließend wird der Lernende aufgefordert, den Satz vorzulesen und aufzunehmen. Dabei ist es möglich die Dialogfragmente beliebig oft anzuhören, nachzusprechen und aufzunehmen. Am Ende des Dialogs kann die komplette Unterhaltung noch einmal angehört und einzelne Teile erneut aufgenommen werden. Im Gegensatz zu Babbel setzt Busuu bei der Bewertung nicht auf die Automatic Speech Recognition (ASR), sondern auf die Gemeinschaft der Lernenden. Nachdem eine Aufgabe bearbeitet wurde, können aus von Busuu vorgeschlagenen Mitgliedern bis zu fünf ausgewählt werden, die die Leistung beurteilen sollen. Nachdem die Lernenden ihre Aufnahme so zur Bewertung „abgeschickt” haben, werden sie ebenfalls gebeten, Übungen anderer Lernender zu bewerten. Diese sind zwar z. T. auch Sprachaufnah- Wir müssen reden. Interaktive Anwendungen zum fremdsprachlichen Sprechtraining 223 men, sehr viel häufiger aber Schreibübungen. Zur Bewertung stehen, neben schriftlicher und bei Sprachaufgaben auch mündlicher Rückmeldung, ebenfalls quantitative Mittel, wie die Vergabe von sog. Busuu-Beeren 7 , Sternen, Likes und Dislikes (Daumen-hoch bzw. -herunter) zur Verfügung. Scoyo Bei Scoyo findet die Aufgabenauswahl über die inhaltlichen Themen statt. Vorab ist nicht zu erkennen, ob es sich um eine Sprach- oder andersartige Aufgabe handelt. Für jüngere Kinder gibt es keine Sprechübungen, diese werden erst ab Klasse fünf in Form von Geschichten in einer Länge von mehreren hundert Wörtern angeboten. Den Lernenden bleibt es selbst überlassen, ob sie die Geschichte sofort selbst vorlesen oder sie sich zunächst vorlesen lassen möchten. Eine Rückmeldung über die Aussprache wird sofort geliefert, in dem richtig ausgesprochene Wörter oder Textpassagen noch während des Lesens grün hinterlegt werden, noch akzeptable Teile gelb und falsch ausgesprochene rot (Abb. 3). Babbel Busuu Scoyo ufgabentypen Laute, Worte und Sätze richtig auswählen bzw. ablesen Dialoge nachahmen und aufnehmen Geschichten vorlesen Fokus Vokale, Worte, Sätze Satzebene Wortebene Auswertung bzw. Rückmeldung Sofort (ASR), richtig oder falsch Verzögert, durch anderen User Sofort (ASR), Ampelsystem Verhalten bei Fehlern fünfmalige Wiederholung, dann wird die nächste Aufgabe angezeigt Keine Änderung des Programmverhaltens, der User kann ungehindert fortfahren Der User kann nicht fortfahren Tab. 2. Übersicht über die Spracheingabe-Aufgaben 7 Eine Art Währung, die durch die Bearbeitung von Aufgaben verdient und u.a. für dekorative Gegenstände für den eigenen Sprachgarten ausgegeben oder an andere User verschenkt werden kann. Inke Schmidt & Carolyn Blume 224 Gemeinsam haben alle drei Plattformen, dass, unabhängig vom automatischen oder menschlichen Auswertungsverfahren, nicht frei gesprochen, sondern nachgesprochen oder vorgelesen werden muss. 4.3 Spracheingabe im Fokus Obwohl alle drei Programme angeben, die kommunikativen Fähigkeiten der Lernenden zu trainieren, steht die Aussprache in allen Fällen im Mittelpunkt. Die Lernenden werden aufgefordert, Texte (Wörter, Phrasen, Sätze oder Geschichten) auszusprechen. In manchen Fällen bei Babbel und in allen Übungen bei Busuu besteht die Aufgabe darin, das Gesagte nachzusprechen. Bei Scoyo kann der Lerner aussuchen, ob er ein Musterbeispiel hören möchte. Bei Busuu hat der Lernende in einem Dialog zweimal die Möglichkeit, Sätze mit seinem Namen bzw. seinem Herkunftsort zu vervollständigen. Alle anderen Dialoge geben geschlossen vor, wie gefragt bzw. geantwortet werden soll und zur Auswahl steht lediglich die Rolle, männlich oder weiblich, die die Lernenden im Dialog einnehmen. Auch wenn Sätze im Dialog ähnlich wie bei Busuu nachgesprochen werden können, steht bei Babbel vor allem die Aussprache einzelner Wörter und Laute im Fokus. Hierzu werden regelmäßig Hinweise zur Aussprache geliefert, die mit einem Mausklick bei Bedarf sichtbar werden. Unterschiede zwischen der amerikanischen und der britischen Aussprache sowie gezieltes Training zu schwierigen Fällen („minimal pairs”, Selbstlaute) werden thematisiert. Getreu der Empfehlung Levis (2007) fokussiert Babbel den Lernenden auf bestimmte aussprachlich relevante Segmente, die besonders wichtig erscheinen. Auch Vergleiche bzw. Kontraste zur Muttersprache werden benutzt, um spezifische Muster zu erläutern. Solche Informationen dienen laut Pennington (1999) der besseren Aussprache in der L2. Hier ist der analytisch-linguistische neben dem intuitiv-imitativen Ansatz erkennbar. Scoyo dagegen bietet im intuitiv-imitativen Ansatz keine erklärenden Informationen und Strategien, sodass die einzige Möglichkeit zur Unterstützung der vorzulesenden Texte darin besteht, den Text vom Programm vorlesen zu lassen. Dies ist an einigen Stellen sogar für Muttersprachler nötig, denn es kommen nicht nur leicht zu erratende erfundene Wörter (z. B. „Duosaurus”), sondern auch stellenweise nicht standardisierte Onomatopöien vor (Abb. 3). Wir müssen reden. Interaktive Anwendungen zum fremdsprachlichen Sprechtraining 225 Abb. 3 Scoyo: Vorzulesende Geschichte mit farblich hinterlegter Aussprachebewertung eines L2 Sprechers Mehrteilige Geschichten, die satzweise ausgewertet werden, dienen als Grundlage. Das Vorlesenlassen ganzer Sätze lässt darauf schließen, dass Aspekte wie Prosodie und Intonation berücksichtigt werden. Letztendlich aber werden einzelne Wörter innerhalb der Sätze farblich kodiert und demnach in kleineren Segmenten auswertet. Sowohl bei Babbel als auch bei Scoyo werden diese Bemühungen durch ASR ausgewertet, wodurch die Lernenden eine umgehende Rückmeldung erwarten können. Die Lernenden haben keine Möglichkeit, die Einstellungen der Spracherkennung im Hinblick auf Geschlecht oder Alter zu bestimmen. Ebenfalls ist die Einstellung des Härtegrads der Auswertung weder frei wählbar noch kenntlich gemacht. Nicht nur die Autonomie der Lernenden leidet darunter (Benson, P. 2013), auch die Fähigkeit des Programms, die Aufnahmen mit den existierenden Algorithmen abzugleichen kann dadurch nur bedingt stattfinden. Robuste Spracherkennungsprogramme müssten anhand des Geschlechts und des Alters differenzieren, um die Aufnahme mit den Musterbeispielen der dahinterliegenden Datenbank adäquat zu vergleichen (Hincks 2003). Da in der L1 sowie in der L2 für beide Tester etwa gleich viele Fehler registriert wurden, ist die Aussagekraft der Rückmeldungen fraglich. Hier stimmen die Ergebnisse mit der Analyse Hincks (2003), Wachowicz und Scott (1999) und Levis (2007) überein: Für Muttersprachler scheint die Einschätzung ihrer Aussprache durch ASR etwas willkürlich. Inke Schmidt & Carolyn Blume 226 Busuu setzt auf die Rückmeldung anderer User, was zwar die Geschwindigkeit und die Art des Feedbacks beeinflusst (vgl. 4.4), nichts jedoch daran ändert, dass auch hier durch die Vorgabe von vorgefertigten Dialogen die Aussprache Gegenstand der Peer-Auswertung bleibt. Hinweise zum sprachlichen Fokus oder der Formulierung der Rückmeldung werden nicht bereitgestellt, hier entscheidet vor allem der Korrigierende, auf welche aussprachlichen Aspekte geachtet wird. Durch die Möglichkeit mehrere Korrektoren zu wählen, könnten Lernende theoretisch auch Rückmeldung zu mehreren ausspracherelevanten Merkmalen erhalten. Da Busuu eine automatisierte Rückmeldung mittels ASR durch die persönliche Rückmeldung anderer Lernender ersetzt, ist es eigentlich möglich, freie Antworten einzugeben. Die halbfertigen Dialoge müssten in dem Fall zwar mehrere mögliche Antwortoptionen zulassen, hätten aber auch mit Vorschlägen, wie geantwortet werden sollte, eine stärkere kommunikative Ausrichtung. Denkbar wären auch Sprechimpulse, angelehnt an die in Busuu durch Bilder angereicherten Schreibübungen. Durch das Nachsprechen von Sätzen bleibt der Fokus aber ausschließlich auf die Aussprache gerichtet. 4.4 Feedback in den Programmen Sowohl Babbel als auch Scoyo verwenden die ASR, um sofortiges, explizites Feedback zu ermöglichen. Keine der beiden Plattformen gibt den Lernenden allerdings Auskunft darüber, inwiefern die Aussprache vom Modell abweicht, was laut Hincks (2003) - zumindest zum damaligen Zeitpunkt - technisch noch nicht umsetzbar ist. Somit ist die gegebene Auskunft weder korrektiv noch konstruktiv (ibid.). Darüber hinaus reflektierten diese Auskünfte weder die Adaptivität noch die Personalisierung, die anhand von Data Analytics möglich und in Hinblick auf Prinzipien des Spracherwerbs gefordert werden (Rösler in diesem Band). Diese Art der Rückmeldungen bietet den Lernenden weder die Möglichkeit, die Diskrepanz zwischen ihrer Aussprache und der des Modells wahrzunehmen (Demenko et al. 2010), noch bietet sie die nötige Hilfe, um das Ausspracheproblem bewältigen zu können (Eskenazi 1999b). Ferner muss infrage gestellt werden, inwieweit die ASR tatsächlich in der Lage ist, Gesprochenes auszuwerten. Dass L1 Sprecher bei beiden Programmen häufig die Rückmeldung bekamen, ihre Aussprache sei nicht akzeptabel, könnte man insofern verstehen, als dass die ASR lediglich auf NNS (non-native-speaker) ausgelegt ist. Weniger verständlich wird es jedoch, wenn völlig abwegige Äußerungen, wie beispielsweise der verzweifelter Ausruf „Oh man! “ als „That’s very kind of you! “ erkannt werden oder sich die Spracherkennung selbst aufnimmt und sich als „falsch“ einstuft, wie dies Wir müssen reden. Interaktive Anwendungen zum fremdsprachlichen Sprechtraining 227 mehrfach bei Babbel der Fall war. Schon 1999 haben Wachowicz und Scott (1999) in einer ähnlichen Untersuchung das Gleiche bemängelt und auch Richter (2001: 7) folgerte, dass bei Sprachaufnahmen in Sprachlernprogrammen gelte: „Lieber ein unzuverlässiges und fehlertolerantes Feedback als gar kein Feedback”, wobei hier zu „fehlerhaft“ abgegrenzt werden muss. Wo Babbel und Scoyo auf Technik setzen, um den Lernenden umgehend explizites Feedback zu ermöglichen, verlässt sich Busuu auf das Prinzip des Reciprocal Language Teaching (Cook 1989) mit Merkmalen eines sozialen Netzwerks (vgl. Bündgens-Kosten 2016). Hier geschieht eine Verwischung der Grenzen zwischen dem Feedback Lernender und dem des Systems bzw. der Experten, die Rösler (in diesem Band) beschreibt und in Hinblick auf Effektivität hinterfragt. Die Werbung der Webseite kündigt an, Lernende bekämen innerhalb von 30 Minuten eine Rückmeldung zu ihren aufgenommenen Übungen. In der Praxis erwies sich die Dauer bis zum Erhalt einer Rückmeldung als sehr variabel. Auf die Aufgaben zur Spracheingabe, die eigentlich allein Gegenstand der Untersuchung sein sollten, gab es nur eine einzige (Deutsch L2) Rückmeldung. Daher rückten auch Aufgaben zur schriftlichen Bearbeitung in den Fokus, um einen Einblick in das diesbezügliche Feedback-Verhalten zu erhalten. In den meisten Fällen (48 von 50) gab es gar keine Rückmeldung. Eine der beiden erhaltenen Rückmeldungen enthielt den kommentarlosen Text der Englisch-L2-Sprecherin, mit farblich hervorgehobener Korrektur. Die zweite Rückmeldung an die Deutsch-L2-Sprecherin war wiederum rein affektiv, ohne konstruktive Hinweise. Um auszuschließen, dass die beiden Tester untypische Einzelfälle sind, wurden die Profile anderer User auf Rückmeldungen überprüft. Auch hier ein ähnliches Bild: Von zehn Usern bekamen lediglich zwei auf jeweils eine Aufgabe überhaupt Rückmeldungen. Eine Aufgabe wurde von zwei anderen Usern geprüft, die andere bekam drei Rückmeldungen. Alle Reaktionen hatten jeweils ausschließlich den korrigierten Text zum Inhalt. Weitere Hinweise oder Hervorhebungen fehlten gänzlich. Hier kämpft Busuu mit den Problemen, die Babbel schon vor einiger Zeit dazu bewogen hatte, auf eine andere Lösung zu setzen: Obwohl Babbel wie viele Start-ups anfangs von der Idee der gemeinschaftlichen Kollaboration sehr angetan war, stellte es sich laut CEO Markus Witte als „Fantasie” (Seave 2014) heraus, dass ein dediziertes soziales Netzwerk in der Lage sei, das Sprachenlernen durch gemeinsam erstellte Inhalte und gemeinschaftliches Lernen und Lehren voranzutreiben. Die Tatsache, dass diese Rückmeldungen weder den inhaltlichen noch methodischen Anforderungen eines Experten genügten, wird auch von Rösler kritisch betrachtet (in diesem Band), der zwar einige Vorteile im Bereich der Lernerautonomie und -motivation sieht, Inke Schmidt & Carolyn Blume 228 dennoch aber hinsichtlich der Qualität solchen Feedbacks skeptisch bleibt. Diese Probleme konnte auch Busuu bisher nicht lösen. Die Untersuchung unter den aktuell gegebenen Umständen ergab zumindest eine starke Verzögerung, bis hin zu gar keiner Rückmeldung, obwohl Lernende für jede ihrer Aufnahmen um bis zu fünf Rückmeldungen bitten können. Theoretisch ist es in diesem Modell möglich, sowohl implizite als auch explizite Rückmeldungen zu bekommen, die im Gegensatz zur Auswertungen mit ASR in der Lage sind, sowohl die Diskrepanz zwischen Muster und Aufnahme, als auch Hinweise für weitere Versuche zu geben. In der Praxis wurde jedoch deutlich, dass verwertbare Rückmeldungen insgesamt fehlten und konstruktive Rückmeldungen eher die Ausnahme waren. Von 30 Aufnahmen insgesamt (L1 und L2 Englisch und Deutsch) wurden nur zwei überhaupt bewertet. Ferner war die Aussagekraft des Feedbacks auf mehreren Ebenen fraglich. 8 Zum einen ließ in vielen Fällen die sprachliche Qualität des Feedbacks an ihrer Verwertbarkeit zweifeln, zum anderen verfehlten einige Rückmeldungen das Thema bzw. die Aufgabe (Abb. 4). Zwar gibt es ein Bewertungssystem, mit dem jeder, nicht nur der entsprechende Lernende selbst oder andere Korrigierende, Rückmeldungen mit Daumen hoch/ runter bewerten können, doch auch hier ist zweifelhaft, ob die Lernenden selbst die Qualität einer Rückmeldung einschätzen können bzw. ob sie nicht nur auf schnelle Weise Busuu-Beeren verdienen möchten, die bei jedem Klick auf einen Daumen ausgegeben werden. 8 Aus Mangel erhaltenen Feedbacks wurden Rückmeldungen andere User analysiert. Wir müssen reden. Interaktive Anwendungen zum fremdsprachlichen Sprechtraining 229 Abb. 4 Busuu: Aufgabenlösung eines Lernenden (User A) und Rückmeldungen anderer Lernender (Korrigierende A bis C) Auffällig ist nicht nur die sehr geringe Zahl der Rückmeldungen, sondern auch die Qualität des Feedbacks. Nicht nur waren 33 % der Rückmeldungen irrelevant, fast die Hälfte enthielt sprachliche Fehler, die darauf hinweisen, dass die Korrigierenden selbst keine fließenden Nutzer der Sprache sind (Abb. 5). Zwar wirbt Busuu damit, dass „echte“ Muttersprachler korrigieren würden, dies scheint tatsächlich eher die Ausnahme zu sein. Zum einen weist die Vielzahl der sprachlichen Fehler daraufhin, dass die Korrekturen nicht von Muttersprachlern stammen, zum anderen ist bei jedem User die angegebene Muttersprache einsehbar. Bei zehn Rückmeldungen war bei drei Mitgliedern zu erkennen, dass die bewertete Sprache nicht die angegebene Muttersprache ist. Inke Schmidt & Carolyn Blume 230 Abb. 5 Busuu: Rückmeldung eines Deutschmuttersprachlers auf eine Aufgabe der englischen Sprache Der kommunikative Ansatz des Fremdsprachenlernens setzt den Schwerpunkt auf das Verstandenwerden. Demnach ist es kein Hindernis, wenn zwei unterschiedliche Nicht-Muttersprachler sich auf einer dritten Sprache verständigen, bzw. sich gegenseitig Feedback geben. Bei Busuu werden jedoch weder die Möglichkeiten, die aus solchen Interaktionen hervorgehen, beschrieben, noch die Tatsache, dass dies auf der Plattform praktiziert wird bzw. praktiziert werden kann, erwähnt. Vielmehr wird damit geworben, dass mit „echten” Muttersprachlern geübt werde. Gelegenheiten für Bedeutungsaushandlungen (Long & Robinson 1998) werden weder konzeptionell noch praktisch wahrgenommen. Die Art der wenigen verständlichen Rückmeldungen war überwiegend undifferenziert. Gaved, Kukulska-Hulme, Jones, Scanlon, Dunwell, Lameras, Petros (…) (2013) unterteilen Rückmeldungen in drei Unterkategorien: kognitiv (Wissen erreicht, Evaluierung), affektiv (Lob), und sozial (Peer- Unterstützung). In dieser Untersuchung berief sich das einzige erhaltene kognitive Feedback auf ein negatives Beispiel: „Many say this like the German / r/ , but you don’t.” Die affektiven Rückmeldungen waren ausschließlich positiv, wie z. B. „Super! ” und „Sehr gut.” Negatives Feedback gab es nicht. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die drei Plattformen drei komplett unterschiedliche Ansätze des Rückmeldeverfahrens anwenden. Die ASR der Plattform Babbel wirkt willkürlich. Ebenso wie Scoyo ist für die Lernenden nicht ersichtlich, welche Fehler sie machen oder wie sie sich selbst verbessern können. Busuu dagegen weist durch seine Umsetzung mittels Peer-Feedback die Möglichkeit inhaltlich differenzierter, wenn auch verzögerter, Rückmeldung auf. Hier sind die Lernenden jedoch permanent auf die Gunst, die sprachlichen Kenntnisse und die Fähigkeit, Rückmeldun- Wir müssen reden. Interaktive Anwendungen zum fremdsprachlichen Sprechtraining 231 gen hilfreich zu formulieren, angewiesen. Folglich gibt es sowohl an der technischen Front der ASR, als auch an der Methode des Peer-Feedbacks weiterhin Forschungs- und Entwicklungsbedarf. 5 Fazit In dieser Untersuchung wurden die drei Sprachlernprogramme Babbel, Busuu und Scoyo auf ihr Potenzial Sprechen, in Abgrenzung zur Aussprache, zu üben getestet. Die Untersuchung zeigte zunächst, dass die Programme „Sprechen” offensichtlich als „Aussprache” verstanden und ihre Übungen dahingehend konzipierten. Zu vermuten ist die Intention auf eine technisch mögliche und vorhersehbare Eingabe und somit eindeutig auswertbare Rückmeldung. Babbel und Scoyo setzen dabei auf automatische Spracherkennung, bei der, wie diese und andere Untersuchungen (Richter 2001) zeigen, eine Auswertung nicht immer nachvollziehbar und hilfreich für den Lernprozess ist. Über die Frage, warum Spracherkennungsprogramme von Unternehmen wie Apple oder Samsung auf diesem Gebiet technisch deutlich weiter fortgeschritten sind, kann hier nur weiterhin spekuliert werden, dass es evtl. - vielleicht auch aus Kostengründen - zu wenige Kooperationen zwischen Fremdsprachendidaktikern und Entwicklern gibt. Mit einem Problem anderer Art muss sich Busuu, mit seinem Modell des User-Feedbacks, konfrontiert sehen. Klingt es zunächst recht vielversprechend auf eine Schwarmintelligenz von über 50 Millionen Usern 9 zurückgreifen zu können, sind die Erwartungen hoch, dass sich unter dieser Menge Fremdsprachlernbegeisterter der ein oder andere User mit noblen Absichten und dem nötigen sprachlichen Wissen, der zügig, hilfreiche Rückmeldung geben könnte, befindet (vgl. Falk & Götz in diesem Band). Die Praxis zeigte jedoch, dass die eigenen Eingaben auch über einen langen Zeitraum offensichtlich auf kaum Interesse stoßen und der Lernende lediglich vereinzelte „Super! ” - und „Sehr gute Aussprache! ” - Kommentare zur Antwort bekommt. Besonders bei dieser Auswertungsmethode ist fraglich, warum das Sprachlernproramm die Möglichkeit des freien Sprechens, statt Ablesens vorgegebener Dialogparts, nicht anbietet. Zwar haben sowohl diese, wie auch die automatische Auswertungsmethode Potenzial, bedürfen jedoch noch einiges an Forschung und praktischer Arbeit, bevor sie das Fremdsprachenlernen zufriedenstellend unterstützen können. Dennoch sind bei den Sprachlernprogrammen immer wieder Neuerungen zu sehen, was darauf schließen lässt, dass sie kontinuier- 9 Nach eigenen Angaben (http: / / www.pressebox.de/ pressemitteilung/ busuuonline-sl/ 50-Millionen-Nutzer-lernen-Sprachen-mit-busuu/ boxid/ 706407) Inke Schmidt & Carolyn Blume 232 lich optimiert werden. Dem Fremdsprachenlernenden sei also empfohlen das Sprachlernprogramm seiner Wahl weiter zu verfolgen und sich die Zeit, bis zum Durchbruch der freien Spracheingabeauswertung mit teils recht unterhaltsamen Schreib- und Auswahlübungen zu vertreiben. Literatur Aarseth, Espen (2003). Playing Research: Methodological approaches to game analysis. Proceedings of the digital arts and culture conference, 28-29. Álvarez Valencia, José A. (2015). Language, learning, and identity in social networking sites for language learning: The case of Busuu. Computer assisted language learning, 29(5), 853-867. Amrhein, Hannah R. & Nassaji, Hossein (2010). Written Corrective Feedback: What do students and teachers think is right and why? Canadian journal of applied linguistics/ revue canadienne de linguistique appliquée, 13(2), 95-127. Babbel: https: / / de.babbel.com/ (29.07.2016) Bamberg, Eva (2010). Feedback - eine Klärung. Gruppendynamik und Organisationsberatung, 41(1), 1-3. Benson, Cathy (2002). 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Not only smartphones and tablets have become important devices in our everyday lives, but also speech-to-speech translation and machine learning 2 are on the peak of inflated expectations, meaning that new technology is attributed with highly beneficial effects for users (Gartner 2015). These annual trends indicate that the development and use of technology follows a certain pattern, which needs to be considered when we talk about the implementation in the field of language teaching and learning. 3 While in 2011, only 25% of the 12 to 19-year-old German adolescents claimed to own a smartphone, the number radically increased to 92% in 2015 (MPFS 2015: 46). Nowadays, mobile devices are widely established and have become an essential part especially in the lives of younger people. Communication is mainly taking place via messenger applications such as WhatsApp, Snapchat or Facebook messenger - just to name a few that are en vogue at the time of writing. In addition, a smartphone can be a highly personal matter. Not only the settings (ranging from the choice of the ring tone to the design of the wallpaper, etc.), but also the possible selection of apps can be personalized, which may put a slightly different focus on how these mobile devices are used for many social as well as personal matters, so that a 1 We would like to thank the TechAG as well as our critical friends and the editors for their valuable feedback on earlier versions of this chapter, as well as Rosemary Bock for proofreading its final version. 2 Speech-to-speech translation describes a bidirectional, speaker independent, computer-based translation of e.g. a dialogue in real time. An example would be Skype Translator. Machine learning is the science of getting computers to act without being explicitly programmed. 3 Gartner’s Hype Cycle clearly divides this trend development into five phases: innovation trigger, peak of inflated expectations, trough of disillusionment, slope of enlightenment, and plateau of productivity. Simon Falk & Sandra Götz 238 person’s social/ personal life becomes more and more mobile (cf. Pegrum 2014: 12). Along with these technological developments and with people being connected to the internet every day, people’s lifestyles are changing drastically as well, as people now wish to ‘make use’ of all the ‘empty’ time slots during a day (while, e.g. being on the bus, standing in line or waiting for an appointment). Apart from communicating with friends or staying on top of current affairs, the existence of many language learning applications on the market (e.g. Duolingo, Babbel, etc.) suggests that people have also been using mobile apps for language learning purposes. „The best new way to learn a language.“ This highly promising statement can be found on the website of the Duolingo company, which provides free language learning software. 4 It also advertises fun and addictive learning anytime, anywhere as well as gamification poured into every lesson. 5 The large number of downloads of the learning app, which is approximately 50 million for Android devices (Android Play Store 2016-08-08), raises the following questions: • Which functions does the program offer in order to support L2 learning processes? (Section 2) • Which features are used by which users and why? (Section 3) Regarding the added value of learning with apps, apart from the added convenience of learning without having to carry a textbook or index cards, we hypothesize that one of the major reasons why learning with apps has become so popular and successful is the fact that using an app also means becoming visible and connected to other language learners and thus, being part of - and interacting with - a language learning community. In the present chapter, we are testing if learning a language ‘autonomously’ might thus be in a process of changing from isolated vocabulary/ grammar learning at one’s own responsibility to learners interacting in a collaborative multimodal learning process. To this end, we include two types of interactions, (1) interactions with the app itself, which gives the learner rewards and reminders, and (2) interactions with other language learners as a peer group, which enables the users to compare their learning progress and interact with one another. Previous reserach studies on language learning with Duolingo unanimously report significant positive increases in the learners’ language profi- 4 Duolingo currently offers 19 different language courses for learners choosing English as the source language. 5 https: / / en.duolingo.com (2016-09-01) Interactivity in Language Learning Applications: A case study based on Duolingo 239 ciency (e.g. Vesselinov & Grego 2012; Garcia 2013 6 ) and positive evaluations of the learners’ language learning experience in Duolingo (e.g. Vesselinov & Grego 2012; White & Siracusa 2013). We hypothesize that one of the driving factors behind Duolingo’s success might be its social and interactive elements, which we will be investigating in the following sections. Due to the big gap that still exists in research, we would like to present findings from a survey we conducted to test if/ to what extent language learners make use of the interactive features offered by Duolingo and how they evaluate these features. Hence, the structure of this article is as follows: starting with an introduction to Duolingo, we focus on the aspects of interaction and interactivity in Duolingo and present the results of an online survey and will discuss the learners’ perception of interactive elements in this multimodal language learning program. We will conclude this chapter with some remarks and an outlook on future avenues of research. 2 Language learning with Duolingo Duolingo is a language learning application that can be used on desktop computers and portable electronic devices such as smartphones. Luis von Ahn’s original idea and motivation behind developing Duolingo in Pittsburgh, United States, at the end of 2009 was his aim to translate the (English-dominated) Web into every major language, using ‘crowd wisdom’ to do so, since he does not consider automatic online translation systems to be good enough for these purposes: We have all seen how systems such as Google Translate are improving every day at translating the gist of things written in other languages. Unfortunately, they are not yet accurate enough for my purpose: Even when what they spit out is intelligible, it's so badly written that I can't read more than a few lines before getting a headache. (von Ahn 2013: 1). The concept of Duolingo is as follows: Every user gets predesigned courses for free in order to train his 7 language skills. Once they have reached an advanced stage of their learning process, learners are invited to translate texts into the target language as well as to evaluate translations from other users. This process is based on the principle of crowdsourcing. The learning aspect was thus originally rather a ‘by-product’ of achieving the aim of trans- 6 However, it should be noted that this study was funded by Duolingo (Vesselinov & Grego 2012: 2). 7 Please note that we use “he” as the generic pronoun, which includes both male and female persons. Simon Falk & Sandra Götz 240 lating the web, as von Ahn promotes Duolingo as a means to “learn a language for free while translating the web”. Another added advantage of crowdsourcing tasks is summarized by Savage (2012: 14), who points out humans’ “ability to notice unusual things and ask questions that were not part of the original mandate”, thereby improving the quality of the translations immensely. In practice, this means that Duolingo offers free languagelearning courses by mainly using translation and dictation exercises in a gamified skill-tree. 8 The skill-tree illustrated in Figure 1 is designed for both beginner and advanced language learners and consists of several learning units that are compiled thematically (e.g. food, clothing or adjectives, plural, etc.) and that include a certain number of exercises. If a learner finishes one unit successfully, i.e. by answering all the exercises correctly, the unit is deemed complete. After that the learner can decide to either further “climb up the skilltree” or strengthen his existing skills. Learners that have reached a higher tree level are also offered speaking exercises that mainly concentrate on pronunciation (for an analysis of activities for practicing speaking in language learning apps, see also Schmidt & Blume in this volume). Due to its very 8 For further information on the concept of gamification see basis article as well as Jones (in this volume). Fig. 1 (left) example of the gamified skilltree Fig. 2 (right) sample exercise (www.duolingo.com) Interactivity in Language Learning Applications: A case study based on Duolingo 241 nature, Duolingo is a multimodal learning environment 9 . As Duo, an avatar in form of an owl (see Section 3.2), explains to the learners before they start an exercise, for example, “You can always hover over words underlined with gray dots to see their translation”. The program uses many combinations of cues, including oral (e.g. notification sounds, pronunciation of words and phrases), visual (e.g. highlighting words, vocabulary related pictures), or explanatory ones (e.g. notes regarding the operation of the program) to cater for many learning preferences at the same time. The same applies to feedback given by the app: The multimodal character of the app design allows for a combination of cues; for example, even only a slight mistake, like a typo, is pointed out by a combination of corrective feedback types, i.e. by a negative beeping tone combined with visually highlighting the erroneous form. The learner also receives a hint that he has got it “Almost correct! ” and can rest assured that Duo noticed that “You have a typo in your answer”, and not a different error, as illustrated in Figure 3. The explanatory sections work in a similar way. Duolingo works with audio data (negative beeping tones for wrong answers, applause or cheering voices for accurate answers), visual images (using green plus a checkmark for accurate and red plus a cross for inaccurate answers), always gives optional explanations to put an example in a wider perspective and allows the learner to report a problem if there is one. Following a drill and practice pattern, where the learners carry out an exercise and are given feedback from the program (right or wrong), the exercises can mainly be divided into four types: multiple choice exercises, match- 9 For further information on the concept of multimodality in terms of interactivity see basis article. Fig. 3 Feedback for a typo in Duolingo (https: / / www.duolingo.com) Simon Falk & Sandra Götz 242 ing exercises, card sorting, as well as cloze exercises. 10 The learners cannot influence the choice of the type of exercise, which restricts the amount of personalized content they get. Furthermore, a separate currency (lingot) is available in Duolingo, which can be used to buy extra features or to reward other users (see Section 3.3). This may be helpful if the learners want to buy extra learning units (so-called bonus skills) that are not included in the regular skill-tree, such as “idioms and proverbs” or “flirting” or if they want to reward another Duolingo user for helping them with a (language learning) problem. The latter can be done using the discussion board. Here learners can post questions or remarks, answer existing questions or simply inform themselves about the interaction in the learning community. In many cases, problems concerning a (mis)translation from one language into the other are the starting points for such a discussion. We will present the findings of our survey on the learners’ perceptions of interactivity with(in) Duolingo in the following sections. 3 Interaction and Interactivity in Duolingo 3.1 Research questions and methodology The main aim of the present section is to describe 1) how interactivity and interaction are realized in Duolingo 2) if/ to what extent language learners make use of these features and how they evaluate them. Interactive elements can be found on many different levels in this app, as it fosters 1) a lot of direct and indirect interactions with the app itself, both while organizing the learning process and while learning the language (see Section 3.2) and 2) interactions with other language learners, for example by providing discussion boards or the possibility to ‘follow’ other users, enabling a comparison of learning results (see Section 3.3). For data collection, we conducted an online survey amongst Duolingo learners using SoSci Survey (https: / / www.soscisurvey.de). The survey was carried out between 11 October and 19 November 2015 and was distributed via Facebook (groups concerning Duolingo or language learning with digital media), via colleagues and via the university-wide email lists of Philipps University Marburg and Justus Liebig University Giessen. Participants were therefore students as well as staff members in both universities of all departments plus non-university members who participated via social network links. The survey aimed at those who had been using the program actively 10 Heringer (2015) further elaborates on the structure of these exercises as well as possible problems involved. Interactivity in Language Learning Applications: A case study based on Duolingo 243 during the time of the testing. Altogether, the survey yielded a dataset with 212 completely filled surveys. At the time of taking the survey, participants were between 12 and 59 years old and consisted of 61% female and 39% male participants. The majority (68%) had German as their L1, followed by 11% English L1 speakers. Altogether 26 different L1s were represented. More than half of the learners (56%) were learning one language with Duolingo, 21% were learning two languages, 13% three languages and 10% of the participants even 4 or more languages simultaneously. The most frequently learned languages were French (38%), Spanish (37%), English (25%), German (19%) and, Italian (19%). Participants stated that they used Duolingo predominantly on their smartphones (48%) or computers (43%), a minority also used it on their tablets (8%). The participants ranged between all proficiency levels that are available in Duolingo 11 (i.e. between level 1 as the lowest and level 25 as the highest level) and the participants used Duolingo with the following frequencies: 27% did so on a daily basis, 17% used it 5-6 days per week, 16% used it 3-4 days per week, 21% used it 1-2 times a week and 18% less than once a week. In the following sections, we will characterize the different types of interaction and interactivity that we identified in Duolingo. In order to capture if/ how the learners make use of these, we will complement these sections with findings from previous studies and/ or our survey data and describe if/ how learners make use of Duolingo’s interactive elements. 3.2 Interaction with the program Duolingo is programmed for the learners to directly interact with the application itself. Before starting to learn a language with Duolingo, each learner can create a personalized learning environment that allows for individualized learning. All interactions with the app are done via Duo, an owl that guides the learner through the app. Duo welcomes the learners, introducing them to the basic functions of the program. Interactions with fictional characters have already appeared in various textbooks since the pre-digital age (e.g. in the German textbook Deutsch Aktiv in the 1970s or in the English textbook YES in the 1980s), and have been shown to have a positive and motivating effect on the learning process (e.g. Berthiaume 2012; Schmidt 2007). In the digital age, Duo enables the learners to interact with the app in a more personal way, as Duo takes different roles in the learning process. He might be replacing different personas in the real-world classroom and might 11 These proficiency levels cannot be assigned to the scale of the Common European Framework of Reference for Languages of the Council of Europe. Simon Falk & Sandra Götz 244 enable the learners to personalize their learning process and thus simulate a feeling of being closely connected to the program: for example, Duo is dressed as a university graduate when he explains a difficult language feature (cf. the fifth owl in Figure 4), he is dressed in sports clothes representing a coach who acts as a personal trainer and enables the learners to achieve their self-set goals in the learning process (cf. the third owl in Figure 4), or he resembles a trophy which cheers for the learners when they have achieved a certain goal (cf. the eighth owl in Figure 4). Figure 4 illustrates these three and some further personas that Duo can take. Fig. 4 Different personas of Duo, the owl with whom the learner interacts in Duolingo (http: / / ieet.org/ index.php/ IEET/ more/ ahn 20140917) Duolingo also caters to the learners’ self-set learning outcomes instead of using the same types of reminders and comments for everybody, represented by Duo as a language coach who “helps you stay motivated” like a personal trainer, as illustrated in Figure 5. Depending on the learners’ self-set goals, the app sends regular reminders via push notifications or emails to the learners to come back to study as well as motivational comments designed to keep the learners going. If the learner does not come back regularly, he will, upon his return, find Duo sad and crying. The daily reminders help at least half of the learners not to forget to learn, as our survey data showed that 48% of the learners (strongly) agreed with the statement “The daily reminder helps me to remember to learn”, only 25% disagreed (i.e. it did not help them to remember to learn) and 27% indicated that it made no difference either way. Interactivity in Language Learning Applications: A case study based on Duolingo 245 Fig. 5 Personalizing one’s learning goal in Duolingo (https: / / www.duolingo.com/ settings/ coach) On the meta-cognitve level, when the learning process is organized, Duolingo interacts directly with its language learners by way of using one of Duo’s personas. This seems to help to increase the learners’ motivation, as, for example, one learner in a study conducted by White and Siracusa (2013) comments: “You really do want to get through an entire lesson without losing any hearts or making the owl cry”. Additionally, new personas of Duo are continuously being designed by both users and developers of the program, which enables the learners even more to personalize the program (cf. Figure 6). Fig. 6 Custom-made illustrations of Duo (https: / / www.duolingo.com/ comment/ 3584334) Direct interaction with the learners happens particularly frequently when learners receive feedback on a task they have just completed. Feedback in Duolingo is mainly perceived as positive and motivating by our survey participants (77% agreed or strongly agreed with this statement), whereas the remaining 33% perceived it as neither positive nor negative and nobody perceived it as negative (0%). Here, personalized interaction with the app is, again, a key feature of Duolingo, which can - just like a very good teacher Simon Falk & Sandra Götz 246 could/ would - ‘remember’ both strengths and weaknesses of each of its users and adaptively adjusts the level of difficulty: When learners keep making the same mistakes again, the app will present similar examples and exercises to these users until they have fully acquired the respective feature, while, at the same time, it does not spend too much time on features the learners always get right and seem to have internalized (Merz 2014). Another form of direct interaction with the program may be seen in its reward system: Whenever a learning session is completed, the app provides positive feedback as a reward, as illustrated in Figure 7. Fig. 7 Reward system in Duolingo: Direct positive feedback for completed lesson (left panel) and the reward/ earning of “lingots” (right panel) Interestingly, the rewards are not given by one of the personas of Duo, but by the app ‘itself’: The left panel in Figure 7 reminds the learner that he has already achieved half their learning goal for the day and motivates him to “keep going to meet your daily goal”. Additionally, as illustrated in the right panel in Figure 7, once the learner has completed a session, he is rewarded by the app (again, not by Duo) with “lingots”, the app’s currency to get “cool items” from their store that will enhance the learning process. This system seems to be highly motivating for the learners from our survey: The great majority of learners (71%) find these features (we specifically asked for XP, lingots and cheerful sounds) (very) motivating, only a very small proportion (6%) find it (very) unmotivating, whereas 23% find it neither motivating nor unmotivating. On the meta-cognitive level, when the learning process is organized, the program interacts directly with its language learners/ users, either by using one of Duo’s personas, or by directly interacting with the users. When learners make a mistake, it is not exposed to others, so that the actual use of the foreign language is not connected to a fear of failure and learners are spared Interactivity in Language Learning Applications: A case study based on Duolingo 247 a possibly embarrassing situation in front of their peers in the classroom (Rosell-Aguilar 2015: 23). 3.3 Interaction with other users As seen in the previous section, interactive elements of the program itself play an important role for the motivation of the learners. There are also features that enable interactive exchanges between users. Due to the fact that Duolingo is primarily designed for individual and autonomous study and has no control mechanisms, for example by a tutor or teacher, the processing as well as the solving of language difficulties and problems which can occur during the learning process fully depends on the learners’ interaction with the software or with other users. Figure 8 shows a typical translation exercise (from Turkish to English). The green field as well as the check mark and the sentence “You are correct” indicate that the learner provided the right translation. However, there is also the possibility to access the discussion board by clicking the respective button. The subsequent number in brackets indicates the number of entries made by the users. There might be various reasons for the learners to further investigate this translation and negotiate its meaning. Fig. 8 Translation exercise with reference to an ongoing discussion (https: / / www.duolingo.com) The discussion board (or discussion stream) works similarly to an expert panel, in which several topics can be discussed with a multi-perspective view. In the web version, all learners can access the discussion board either from the main page of the program and then choose the category in which they, for example, want to pose a question, or they can access it after finish- Simon Falk & Sandra Götz 248 ing an exercise by clicking the “discuss sentence” button (see Figure 8). The latter option is also available for mobile devices and has various purposes: Whenever a learner does not agree with an answer provided by the program, they can either notify the webmaster of a possible mistranslation or put their own solution up for discussion on the board. Figure 9 shows the typical setup of a conversation which has its origin in a preceding exercise (i.e. Figure 8). Fig. 9 A typical example of a discussion board entry and follow-up actions (https: / / www.duolingo.com/ comment/ 7698996) In this example the learner wants to negotiate the meaning of the Turkish word iç. The learner seems to have discovered the polysemic property the word iç; however, he is not quite sure about the assumption he/ she made and therefore indirectly asks for a confirmation. Interactivity in Language Learning Applications: A case study based on Duolingo 249 a) “Interesting how it [iç - editor’s note] can also mean “inside” or “internal” … I wonder if the meaning ‘drink’ is related to those, like ingesting a beverage.” In the following replies, another user shares his knowledge of the word, thus helping to negotiate the meaning. This even leads to a third user introducing his thoughts on the topic, thereby doubting the first answer. Another important aspect to mention here is the users’ two non-verbal options of rewarding questions as well as answers. On the one hand, they can rate the quality of a question/ answer by clicking a small arrow pointing up or down. The number next to the arrow indicates how “good” the question/ answer was. On the other hand, the virtual currency lingot can be used in order to reward a very good performance. In this way, it is also possible to mark and identify wrong or unsatisfactory questions or answers. This information might in turn be used by other users to evaluate the quality of a statement. The concept of peer feedback or peer assessment is a potentially beneficial (yet highly complex) process that depends on both the quality and quantity of feedback (cf. Allen & Katayama 2015; Saito 2008). In the case of Duolingo, however, the discussion board rather seems to be included for the learners to quickly find or give answers to questions concerning the program (organizational as well as content-related). The learners can be considered as inexperienced with regard to their rating ability. This Multi-User Interactive Design (MUID) of the discussion forum, which is linked to the exercises in Duolingo, allows the learner to actively engage with others in order to exchange information on e.g. meanings of words. It might therefore be a beneficial factor for the individual learning process. In a language classroom, MUIDs constitute synchronous activities such as open discussions, jigsaws or posting activities, whereas in an online learning environment such as Duolingo, a MUID approach is normally applied asynchronously (Brandl 2012: 9). Brandl (ibid.) lists various benefits of this type of design which includes discussion boards: Students are able to work at their own pace and time when responding to questions, and since the communication takes place in written language, it can be used for follow-up and focus-on-form activities while, at the same time, there is no obligation to actively participate. This is also reflected in our survey data, as 49% of the learners in our survey (strongly) agree that the discussion board is a very useful element in Duolingo, whereas only 9% (strongly) disagree with this statement and 42% find it neither useful nor not useful (maybe because they might not have used it and thus might also not have an opinion). When asking the learners how they make use of the discussion board, we got some mixed responses. While the majority (58%) of the learners (strongly) disagreed with the statement “I use the discussion board to clarify Simon Falk & Sandra Götz 250 language problems” (indicating active and/ or passive use of the forum), 26% (strongly) agreed and 16% neither agreed nor disagreed. Even fewer learners indicated they would help other Duolingo learners with their language problems, as 64% (strongly) disagreed, 17% indicated neither helping nor not helping others in the forum, and 19% who (strongly) agreed. When it comes to active participation in the forum (e.g. by asking questions or writing comments), the overwhelming majority of learners indicated that they did not actively participate in the forum (75%), while only 14% said that they did and 42% gave no indication either way (maybe indicating that they do use it sometimes). A closer look at the learners who actively participate in the forums (using a stepwise modelling selection process; cf. Gries 2013) with R (R development core team 2015) revealed that there are several significant variables that can predict active forum participation quite well (for the final model F=18.28, DF=201, p<2.2e-16, R 2 =47.6): The combination of variables that have a significant effect on predicting whether a learner will participate actively in the forum or not are their age, their proficiency level, as well as whether or not they consider the forum a helpful learning feature to begin with and whether or not they consider themselves as being part of a language learning community. These significant effects are plotted in Figure 10: Fig. 10 Effect plots of the significant variables that predict active forum use: Age (top left), language level (top right), perception of usefulness of the forum (bottom left) and self-perception of being part of a language learning community (bottom right) As illustrated in Figure 10, the older and the more proficient the users are, the more likely it is they actively participate in the forum (for both p<0.05). Also, there is a very strong tendency of learners to only post in the forum if Learners‘ response to statement: “I find the forum very useful“ Learners‘ response to statement “I feel like I am part of a huge learning community in Duolingo.“ Interactivity in Language Learning Applications: A case study based on Duolingo 251 they think that the forum is helpful (p<0.001) and if they feel as if they are part of a larger language learning community (p<0.05), that is, if they agree or strongly agree with these statements, they are more likely to contribute to the forum than if they do not find it useful or if they do not consider themselves to be part of a community. 12 The learners’ gender, their L1 or the language(s) they learned with Duolingo had no significant effect on active forum participation. However, it should be noted that there is no full guarantee that ‘wrong’ information is not being disseminated throughout these interactions. Furthermore, most users are not expected to have the instructional or didactic knowledge to support the respective process. Users have to ‘trust’ the knowledge of others to some extent. This relationship of trust can be connected to the language level of a user and might be the very reason for the majority of learners not actively participating in the discussion board. Accordingly, our survey data also revealed that the learners seem to be unsure of the quality of the answers in the forum: A much higher proportion of users trusts the knowledge of the other users (41%) than those who do not trust them (17%); however, the biggest proportion of learners (42%) neither fully trusts nor distrusts the knowledge of the other users. In line with this, no active forum participation by the users can be predicted quite well by way of a stepwise model selection process (for the final model F=12.94, DF=203, p=9.824e-14, R 2 =0.31). The significant predictors in the final model for a learner not to actively use the forum are illustrated in Figure 11. Again, one of the significant predictors of the learners participating actively in the forum or not is whether they find the forum useful in general (if they do not, they are very unlikely to post something themselves; p<0.001) and whether or not they trust the responses of the other users (if they do not, they are unlikely to post on the forum themselves; p<0.01). 13 The last significant predictor is the learners’ own proficiency level: here, the less proficient the learners are themselves, the less likely they are to participate actively in the forum; p<0.01 (although they might have been expected to ask particularly many questions at lower proficiency levels). 12 However, as pointed out by one of our reviewers, of course, we do not know whether the learners might consider themselves as being part of the Duolingo community, simply because they contribute, or if they contribute to the forum, because they see themselves as being part of a community. 13 Future studies investigating the quality of the responses in the discussion forums need to shed light on whether this uncertainty about the other learners’ knowledge is justified or not. Simon Falk & Sandra Götz 252 Language Level of the learners Trust in other user’s respones from 1 (“strongly trust“) to 5 (“strongly distrust“) Perceived usefulness of the forum from 1 (“strongly agree“) to 5 (“strongly disagree“) Fig. 11 Effect plots of the significant predictors to predict no active forum use: perceived usefulness of the forum (top left), trust in the other users’ responses (top right), language level (bottom right) One final way of interacting with other users in Duolingo we would like to touch upon in this chapter is Duolingo’s feature to allow ‘following’ other users and to ‘compete’ with them, as one participant in White and Siracusa’s (2013) study explains: “it’s fun to race against friends to see who has accumulated more points. We love to get push notifications at 10 p.m. that soand-so has just passed you, and then we need to get on and beat them! ” One illustration of a Duolingo learner who is actively looking for another learner to compete with is illustrated in Figure 12. Fig. 12 An example of a user trying to find mutual followers to compete in learning (https: / / www.duolingo.com/ comment/ 2359395) Interactivity in Language Learning Applications: A case study based on Duolingo 253 In our dataset, however, surprisingly few learners follow other learners and compete with them: 60% do not follow anybody else, 32% do so and 8% did not indicate if they did. Accordingly, the great majority of the learners in our survey do not identify with other users, either (60%), and even fewer learners compete with others and compare their achievements with others (20%), whereas 16% of the learners identify with other users and 20% compare their achievements with others. 14 The principle behind following other users’ activities resembles the principle of social networks such as Facebook or Twitter. A user can search for ‘friends’, add them and track their activities. Duolingo, however, only allows users to track learning activities. One option is to see a full timeline of the learning achievements of a specific user and comment on them (see Figure 13, left panel). Another option is to compare one’s own achievements in terms of experience points (XPs) to those of befriended users (Figure 13, right panel). This so-called leaderboard is again subdivided into three boards, namely for weekly, monthly and all time achievements. In this way, language learning becomes a competition. The user with the highest number of XPs literally takes top place which in turn may increase his motivation to keep learning and earning XPs. Thus, this feature allows for interaction with others in terms of competition as well as direct communication via text messages. Fig. 13 Timeline of achievements (left panel) and leaderboard (right panel) (https: / / www.duolingo.com) 14 For further research, this phenomenon should be investigated in a rather closed learning environment such as a foreign language classroom. Simon Falk & Sandra Götz 254 Very interestingly, however, this optional element of competing and following, and thus of being part of a learning community, does not seem to appeal to all learners, as our survey findings revealed. The responses to the statement that the learners feel like they are part of a larger community are not very clear cut: One third (35%) (strongly) agrees to this statement and feels they are part of a community, another third (35%) (strongly) disagrees and another third (30%) indicated “neither-nor”, meaning that they felt neither part of a community nor they did not (maybe indicating that this is not relevant for them). Following other users and competing with them might thus only be an incentive for one third of the learners from our survey; the survey data indicate that the majority of learners do not take advantage of these features. 3.4 A note on big data and “crowdlearning” An indirect way for the app to interact with the learner is maybe one of the largest innovations in the field of using mobile learning applications: The storage and usage of ‘big data’. Each keystroke and each touch on the screen is saved by the program and analyzed by the researchers behind it. The CEO of Duolingo summarizes the process like this: For example, right now we’re teaching adjectives after plurals, so let’s try teaching adjectives first. We pick a subset of 50,000 users and see if they learn better - if they come back more often and make fewer mistakes. We can see the statistics and if they’re positive, switch all users to the new method. We then give the community making the courses access to the same information so they can run experiments to work out how to do better. (Luis von Ahn, CEO of Duolingo in Rutkin 2014). This concept is referred to as “crowdlearning” and can be defined as “learning through real-case projects with the participation of several students (crowd)” (Llorente, Morant & Garrigos-Simon 2012; see also Padhariya & Raichura 2014). The assumed advantage of crowdlearning is that a huge number of learners blends in their knowledge and gather together different skills. Obviously, this highly flexible way of adapting the learning environment according to what works best for the majority of users bears many advantages, but also presents some drawbacks. While a new user will probably show similar learning patterns as the majority of the previous learners on which the current algorithm is based, they might also make fewer mistakes with this ‘new method’ of teaching, say, adjectives after plurals. As von Ahn says himself, “it’s going to take some years to figure out what will actually Interactivity in Language Learning Applications: A case study based on Duolingo 255 work. […] But I do think we’re in the process of figuring out what the next wave of education will look like”. As von Ahn and Heim (2013) predict: Every week, [Duolingo] tests at least 10 things on a portion of our users. This means we’re learning about learning at a very large scale. In the past, teachers couldn’t do that in their classrooms, but now we are able to constantly learn and improve. (von Ahn & Heim 2013). However, focusing on frequency data alone and “ignoring decades of SLA research on didactic principles of meaningful grammatical progression” has been harshly criticized, too (as summarized by Jordan 2015). Future (independent) research studies that test the benefits and drawbacks of using such a strictly data-based learning approach will tell whether this criticism is justified or not. 4 Conclusion Looking at the interactive elements in Duolingo revealed that the programmers have been making use of a variety of interactive elements in many useful and beneficial ways in this app. The multimodal learning environments are being perceived as being motivating by the learners, which might have a positive effect on the learning process. Additionally, the social aspect of the app of being able to interact with other learners and learners considering themselves as part of a bigger ‘language community’ is also perceived as positive and motivating by the users who make use of this feature. Here, participation in the forums seemsto be a particularly fruitful aspect for a follow-up study, in which an analysis of the quality of the responses in the discussion forums could be conducted in order to shed light on whether the uncertainty about the other learners’ knowledge we revealed in this chapter is justified or not. It seems, however, that the largest benefit of using Duolingo (and is probably also the key to its success) is its versatility: Duolingo offers functions that can be used in a personalized manner, meaning that each and every learner can do what they like best, starting from the self-set goals over being able to decide whether or not they want to make use of (potentially nagging) reminders or not, to the learners’ own decision whether or not they want to be part of a community and ‘follow’, compete with, or trust in the responses of other learners or not. On the other hand, personalization on most part of the content (e.g. the order of the learning units as well as the exercises) is restricted. Simon Falk & Sandra Götz 256 Duolingo certainly appeals to the preferences of today’s mobile learners who like to use individualized applications that are fun and useful, as is nicely summarized by White and Siracusa (2013): Duolingo meets the needs of today’s youth (i.e., the Net Generation), because of its gaming qualities, while at the same time serving as a valuable learning tool. […] Players move at their own speed or frequency through comprehensible input tasks, and learn to master rules through play. Just as children play to master situations in the surrounding and real world, Duolingo provides a low-anxiety environment where users negotiate activity and practice skills. These various options of individualization of the learning processes could also be integrated meaningfully into the classroom itself, namely by differentiating the curriculum for individual learners; Duolingo can supplement every curriculum in an individualized manner. At the same time, learners are accountable for their own learning process, so that autonomous learning is ideally possible with Duolingo. Especially since our survey data revealed the learners’ uncertainty of being able to trust the other users’ explanations, a physically present teacher seems to be (and will remain) necessary to answer the students’ questions. Testing whether Duolingo can be integrated meaningfully into the classroom would thus be another worthwhile project for a follow-up study. References Allen, David & Katayama, Akiko (2015). Relative second language proficiency and the giving and receiving of written peer feedback. System, 56 February, 96-106. Berthiaume, Eric. “Picture 31.” Web blog post. 50 years Goethe-Institut Canada. 50 Jahre, 50 Bilder. Goethe Institut. 11 September 2012. http: / / blog.goethe.de/ 50j-goethe-institut-kanada/ index.php? archives/ 43- English.html&serendipity[lang_selected]=en (2016-01-09) Brandl, Klaus (2012). 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Wie werden die Begriffe ‚Interaktion‘ und ‚Interaktivität‘ in diesem Kontext definiert? Ist Interaktivität anderen Formen der Interaktion vorzuziehen? In diesem Beitrag wird ein Videokonferenzsystem vorgestellt, das angehenden Lehrkräften (hier am Beispiel von Englischlehrkräften) die Möglichkeit bietet, im universitären Seminarkontext in Kleingruppen Lehr- und Lernmaterial für die Praxis zu entwickeln, live per Videokonferenz bei dessen Erprobung im Englischunterricht an einer Partnerschule dabei zu sein und sich anschließend mit den Schülern 1 und der Lehrkraft über den Unterricht, das Material und ihre Eindrücke und Beobachtungen auszutauschen. Eine Frage, der wir in diesem Zusammenhang nachgehen werden, ist, ob man im beschriebenen Lernsetting von Interaktivität oder eher von Interaktion bzw. Computer-Mediated Communication sprechen kann. Durch die Nutzung des Videokonferenzsystems können Studierende bereits in der universitären Phase ihrer Ausbildung an der Gestaltung von 1 Im gesamten Band werden einheitlich wenn möglich geschlechtsneutrale, ansonsten maskuline Nomen und Pronomen verwendet, gemeint sind jedoch immer weibliche und männliche Personen. Nora Benitt & Torben Schmidt 260 Unterricht mitwirken und eng mit der Lehrkraft und Schülern zusammenarbeiten. Dadurch findet eine mehrdimensionale institutionenübergreifende Form von Interaktion mithilfe von digitalen Medien statt. In Aus- und Fortbildungskontexten wurden Videokonferenzsysteme bisher hauptsächlich im Rahmen von Online-Ausbildungsangeboten wie z.B. in Fernstudiengängen eingesetzt; die systematische Vernetzung mit Schulklassen im Sinne einer engen Theorie-Praxis-Verzahnung stellt ein Forschungsdesiderat dar. Live-Unterrichtsbesuche mit ganzen Seminargruppen per Videokonferenzsystem sind in der Lehrerbildung noch nicht etabliert, und bis auf wenige empirische Studien (vgl. Hu & Wong 2006; Johnson, Maring, Doty & Fickle 2006; Kent & Simpson 2010; Romeo, Gronn, McNamara & Teo 2012; Clarke 2015; Lundgren 2012) kaum erforscht (vgl. Drexhage, Leiss, Schmidt & Ehmke 2016: 74). Welches Potential und welche Herausforderungen bringt die Arbeit mit Videokonferenzen also für die fremdsprachliche Lehrerbildung mit sich? Können Live-Übertragungen von Unterricht zu einer gelungenen Verknüpfung theoretischer und praktischer Ausbildungsinhalte beitragen - und wenn ja, inwiefern? In unserem Beitrag werden wir zunächst allgemein auf die Verschränkung von Theorie und Praxis in der fremdsprachlichen Lehrerbildung eingehen (Abschnitt 2), uns dann speziell mit Videokonferenzen als Instrument zur Integration theoretischer und praktischer Ausbildungsinhalte beschäftigen (Abschnitt 3) und dabei verschiedene Interaktionsformen aufzeigen, die ein Videokonferenzsystem ermöglicht. Schließlich stellen wir in Abschnitt 4 die Ergebnisse einer seminarbegleitenden Befragung vor, die im Sommersemester 2016 im Kontext eines Seminars der Englischdidaktik zum Thema Understanding and Teaching Texts an der Leuphana Universität in Lüneburg durchgeführt wurde. Die Daten geben erste Einblicke zu Herausforderungen und Möglichkeiten bei der Arbeit mit Videokonferenzen in der Englischlehrerausbildung. 2 Systematische Theorie-Praxis-Verzahnung Die Frage nach der optimalen Verschränkung theoretischer und praktischer Ausbildungsinhalte in der Lehrerbildung ist nicht neu, sondern wird seit Jahrenzehnten rege in den verschiedenen Fachdidaktiken diskutiert. Dabei unterliegt der Praxisbegriff einem fortwährenden Wandel und umfasst bei Weitem nicht nur das Schulpraktikum, sondern diverse Möglichkeiten zur Integration praktischer Elemente in die universitäre Lehrerbildung, beispielsweise durch Kooperationsprojekte zwischen den Institutionen Schule und Universität (vgl. Schocker-von Ditfurth & Legutke 2002; Sutherland, Scanlon & Sperring 2005) oder die Nutzung von Unterrichtsvideos zur Lehrerbildung - besser interaktiv? 261 Professionalisierung angehender Lehrkräfte (vgl. Sherin 2004; Borko, Jacobs, Eiteljorg & Pittman 2008 2008; Petko, Prasse & Reusser 2014). Dennoch wird nicht nur in der Forschungsdiskussion, sondern auch unter (angehenden) Lehrkräften die als unzulänglich empfundende Verknüpfung von Theorie und Praxis, insbesondere in der ersten Ausbildungsphase, dem Universitätsstudium, rege diskutiert und kritisiert (vgl. Müller-Hartmann & Schocker-von Ditfurth 2014: 11; Vanderlinde & van Braak 2010; Blömeke 2006). Gerade für den Lehrberuf erscheint die Forderung nach einer systematischen Einbindung von Theorie und Praxis notwendig und nachvollziehbar, schließlich ist es eine der Hauptaufgaben von Lehrkräften Wissen zu vermitteln, das nicht nur in der Theorie, sondern vor allem in der Praxis Anwendung findet. (Wie) kann die universitäre Lehrerbildung diesem Anspruch gerecht werden? Wie kann theoretisches Wissen für die Praxis anwendbar gemacht werden? An Forschung zu diesem Thema herrscht kein Mangel, dennoch gelingt es oftmals nicht, dass Theorie und Praxis bzw. Universität und Schule Hand in Hand gehen (vgl. Hattie 2009: 2ff). Insbesondere im Kontext der ersten Phase der fremdsprachlichen Lehrerausbildung scheint ein großes Problem darin zu liegen, dass die theoretischen Ausbildungsinhalte, die an der Universität gelehrt werden, nicht mit realen Situationen im Klassenzimmer in Verbindung gebracht werden können (vgl. Tarone & Allwright 2005; Johnson et al. 2006; Farrell 2009; Zydatiß 2012). Mit anderen Worten: Die Lehrerausbildungsprogramme schaffen es nicht, die Studierenden mit erfahrungsbasiertem Wissen auszustatten und sie ausreichend mit den Lehr- / Lernkontexten vertraut zu machen, denen sie nach ihrer Ausbildung bzw. in der zweiten Phase der Ausbildung und nach dem Ende des Referendariats begegnen werden. Diese Erfahrungen können dann zu einem sehr hohen Frustrationsniveau und zum sogenannten ‚Praxisschock‘ führen (vgl. Farrell 2009; Flores & Day 2006), d.h. die Lehrkräfte fühlen sich unvorbereitet und den beruflichen Anforderungen nicht gewachsen. Gleichzeitig stellt sich die Frage, ob die universitäre Lehrerbildung diese komplexe Aufgabe leisten kann bzw. überhaupt muss. Laut Freeman (2002: 11) ist die Annahme, dass die erste Phase der Lehrerausbildung umfassend auf den Berufsalltag als Lehrkraft vorbereiten sollte, nicht realistisch und würde die universtäre Lehrerausbildung überfrachten. Auch im deutschen Kontext ist die Wirksamkeit der universitären Ausbildung für die spätere Berufspraxis noch zu wenig erforscht (vgl. Schocker-von Ditfurth & Legutke 2002: 163). Da der Lehrberuf ein sehr komplexes und sich stetig wandelndes Handlungsfeld mit sich bringt, ist es richtig, dass die universitäre Ausbildung unmöglich auf alle Eventualitäten des Berufsalltags vorbereiten kann. Jedoch gibt es verschiedene Möglichkeiten, angehenden Lehrkräften authentische Einblicke in die Nora Benitt & Torben Schmidt 262 Berufspraxis zu gewähren, die sich bereits bewährt haben, wie wir nachstehend erläutern werden. Studien belegen die besondere Bedeutung einer systematischen Theorie- Praxis-Verknüpfung im Rahmen der Ausbildung von zukünftigen Lehrkräften. So weisen zahlreiche Untersuchungen darauf hin, dass der Austausch zwischen Studierenden und praktizierenden Lehrkräften und Schülern sowie insgesamt die Möglichkeit eines sukzessiven Entdeckens und Hineinwachsens der pre-service teachers in die realen Handlungsfelder Schule und Unterricht bereits während des Studiums - etwa durch Schulpraktika oder Praxisprojekte im Rahmen von Schul-Universitäts-Partnerschaften (vgl. Schocker-von Ditfurth & Legutke 2002) - einige Vorteile mit sich bringt. So können bei den angehenden Lehrkräften positive Effekte hinsichtlich der Entwicklung des fachbezogenen Wissens, eine Steigerung der Selbstwirksamkeit für das Unterrichten der Fachinhalte sowie eine Erhöhung des Zugehörigkeitsgefühls zur Institution Schule und zur Gruppe der Lehrkräfte erzielt werden (vgl. Cochran-Smith & Lytle 1992; Sutherland et al. 2005; Jimenez-Silva & Olson 2012; Sim 2006; Tsui & Law 2007). Als besonders effektiv werden hierbei Formate eingeschätzt, die den Studierenden einen förderlichen Rahmen für Partizipation, aber auch für Reflexion und schrittweise Kompetenzentwicklung bieten (vgl. Grossmann, Wineburg & Woolworth 2001) und in denen die angehenden Lehrkräfte im Sinne einer Community of Practice (Wenger 1998; Lave & Wenger 2001) im Rahmen der Praxiserkundung in Form eines situierten Lernens (in realem Kontext, mit authentischen Aufgaben und in der Gemeinschaft der Praktizierenden) auf dem Weg von Novizen zu Experten intensiv begleitet und unterstützt werden. Praktische Erfahrungen jeglicher Art bedürfen allerdings immer eingehender und systematischer Reflexion (vgl. Schocker-von Ditfurth 2001: 53ff; Legutke & Schocker-von Ditfurth 2009: 213), was nicht grundsätzlich der Fall ist, wie Untersuchungen zur Integration schulpraktischer Studien in die universitäre Ausbildung belegen (vgl. Gabel 1997; Elsner 2010). Zusätzlich zu Studien zur zentralen Bedeutung von Schulpraxisphasen im Rahmen der Ausbildung von Lehrkräften bestätigt ein großes internationales Forschungskorpus die Wirksamkeit der Einbindung von Aktionsforschungselementen in die Lehrerbildung. Durch die systematische Fokussierung auf verschiedene Formate forschenden Lernens in Kombination mit Praxiserfahrungen in Schule und Unterricht werden angehende Lehrkräfte zu reflective practitioners (Schön 1983) ausgebildet, die ihre komplexe Rolle zu verstehen und auszufüllen lernen (vgl. Burns 2010; Cutrim-Schmid & Hegelheimer 2014; Dirks & Hansemann 2002; Kosnik & Beck 2000; Schocker-von Ditfurth 2001; Warneke 2006; Benitt 2015). Lehrerbildung - besser interaktiv? 263 Neben den schulpraktischen Erfahrungen und Aktionsforschung als Bestandteile der Lehrerbildung ist als drittes häufig genutztes und kontinuierlich an Bedeutung gewinnendes Mittel zur Theorie-Praxis-Verknüpfung die Arbeit mit Unterrichtsvideos zu nennen. Die analytisch-reflektierende Arbeit mit videographiertem Unterricht stellt eine Methode zur Erweiterung des fachdidaktischen und methodischen Repertoires, zum Bewusstmachen und Aufbrechen subjektiver Theorien, zum Auf- und Ausbau der Fähigkeit zur Analyse von Lehr-/ Lernprozessen (professional vision) und insgesamt zur Ausbildung eines systematisierten Reflexionswissens (vgl. Farrell 2015) sowie der Fähigkeit zu professionellem pädagogischen Sehen und Denken dar (vgl. Borko et al. 2008; Fischer & Schratz 2005; Janík & Seidel 2009; Krammer, Schnetzler, Ratzka, Reusser, Pauli, Lipowsky & Klieme 2008; Sherin 2004). Die Einbettung von Unterrichtsvideos in die universitäre Lehrerausbildung bietet somit eine Verknüpfungsmöglichkeit theoretischer und direkt praxisbezogener Inhalte und trägt zur Etablierung einer konstruktiven, forschungsgeleiteten Kultur des gemeinsamen Reflektierens und nachhaltigen Weiterentwickelns von Lehr- und Lernprozessen bei (vgl. Krammer et al. 2008). In diesem Beitrag widmen wir uns einer vierten Möglichkeit zur Theorie- Praxis-Verzahnung, nämlich der Nutzung von Videokonferenzen. Diese sind zwar mit Unterrichtsvideos verwandt, weisen jedoch insbesondere mit Blick auf die verschiedenen, teils mediengestützten Interaktionsebenen (siehe Abbildung 1, Abschnitt 3.2) einzigartige Merkmale auf: Durch Videokonferenzen nehmen die beteiligten Akteure, d.h. Lehrkraft, Schüler, Studierende und Dozent aktiv an der Gestaltung von Unterricht teil. Ob in diesem Kontext also von Interaktivität die Rede sein kann oder es sich vielmehr um eine besondere Form der Interaktion handelt, soll in Abschnitt 3.1. näher erörtert werden. Das übergeordnete Ziel digitaler Live-Unterrichtsbesuche ist, wie dieses Projekt veranschaulichen soll, durch eine enge Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Akteuren der Institutionen Schule und Universität eine Verbindung zwischen Theorie und Praxis in der universitären Englischlehreraus-bildung herzustellen, wie wir im folgenden Abschnitt ausführen werden. 3 Videokonferenzen in der Lehrerbildung Videokonferenzen sind ein mittlerweile weit verbreitetes Kommunikationsmedium geworden. Der populäre Instant-Messaging-Dienst Skype TM , der unter anderem die kostenlose Nutzung von Videokonferenzen ermöglicht, hatte beispielsweise im Jahr 2016 laut Schätzungen weltweit etwa 1,21 Milliarden Nutzer (vgl. Statista 2016). Auch zu Aus- und Weiterbildungs- Nora Benitt & Torben Schmidt 264 zwecken finden Videokonferenzen Anwendung in verschiedenen Kontexten. Sie wurden bisher hauptsächlich bei Klassenkooperationsprojekten, für Expertenvorträge im schulischen oder universitären Unterricht, zum Fernstudium oder zu Trainingszwecken für Lehrkräfte genutzt, wie Drexhage et al. (2016: 73f.) in einer Zusammenschau verschiedener Studien darstellen: Im Kontext von Klassenkooperationsprojekten erlauben Videokonferenzen die Zusammenarbeit von Schulklassen, die räumlich voneinander getrennt sind (vgl. Arnold, Cayley & Griffith 2002). Insbesondere im Fremdsprachenunterricht ergeben sich durch digital unterstützte Kooperationsprojekte Möglichkeiten zum authentischen Sprachgebrauch und zum interkulturellen Lernen (vgl. Legutke 2005; Puskás & Chaudhuri 2009). Die Einbindung von Expertenvorträgen per Videokonferenz in den schulischen oder universitären Unterricht ist ebenfalls gängige Praxis und stellt eine kosten- und zeitsparende Möglichkeit dar, Gastvorträge oder virtuelle Exkursionen zu organisieren (vgl. Arnold, Cayley & Griffith 2002). Ähnlich verhält es sich beim Fernstudium: Schüler und Studierende können per Videokonferenz am Unterricht teilnehmen, falls sie aus persönlichen Gründen (Gillies 2008), im Krankheitsfall (Weiss, Whiteley, Treviranus & Fels 2001) oder weil sie in abgeschiedenen Gegenden leben, nicht am institutionellen Unterricht teilnehmen können. Auch in der Lehrerbildung finden Videokonferenzen als Lern- und Trainingsinstrument Anwendung. Sie bieten den Studierenden die Möglichkeit, Einblicke in andere schulische Kontexte zu gewinnen, an Trainingskursen teilzunehmen und andere Lehrkräfte im Unterricht zu beobachten (vgl. Arnold, Cayley & Griffith 2002). Gleichzeitig haben auch die teilnehmenden Lehrkräfte Vorteile durch die Kooperation - durch den Austausch mit den Studierenden erhalten sie neue Ideen und haben die Gelegenheit den eigenen Unterricht zu reflektieren, wie wir näher in Abschnitt 4 diskutieren werden. In der Praxis ergeben sich bei der Arbeit mit Videokonferenzen auch einige Herausforderungen, wie beispielsweise die terminliche Abstimmung zwischen den verschiedenen Institutionen oder technische Probleme bei der Bild- und Tonübertragung während der Videokonferenz. Laut Drexhage et al. (2016: 74) lässt sich aus den Ergebnissen verschiedener Studien zusammenfassend ableiten, dass Videokonferenzen die Kommunikation und Kollaboration zwischen Akteuren verschiedener Institutionen fördern, die gemeinsame Verarbeitung und Aufschlüsselung erworbenen Wissens erlauben, das Selbstvertrauen der Studierenden stärken, innovative Lehr- und Lernmethoden zu erproben und die Verknüpfung von Theorie und Praxis in der Lehrerbildung erleichtern. Jedoch heben sie gleichzeitig die Wichtigkeit direkten Feedbacks sowie eines reibungslosen technischen Ablaufs und eines entsprechenden Trainings für die Benutzung des Videokon- Lehrerbildung - besser interaktiv? 265 ferenzsystems hervor (ibid.). Diese Aspekte waren auch in unserer Studie von Bedeutung, wie die Ausführungen in Abschnitt 4 deutlich machen werden. Die oben genannten Studien fokussieren vorrangig allgemeinpädagogische Aspekte. Bisher gibt es keine empirische Forschung, die sich explizit mit der Nutzung von Videokonferenzen im Rahmen der Ausbildung von Englischlehrkräften befasst und gleichzeitig einen theoretischen Bezug zur Interaktivitätsforschung mit digitalen Medien herstellt. Deshalb ist eine zentrale Frage, der wir uns im nächsten Abschnitt widmen werden, welche Formen von Interaktion bzw. Interaktivität die Arbeit mit einem Videokonferenzsystem mit sich bringt. Wir werden zunächst diskutieren, wie Interaktion und Interaktivität im Rahmen unseres Projekts definiert werden können und welche Formen von Interaktion bzw. Interaktivität durch den Einsatz von Videokonferenzen insbesondere im Kontext der fremdsprachlichen Lehrerbildung entstehen. Von besonderer Bedeutung ist dabei die Frage, was die Studierenden inhaltlich und methodisch durch das Videokonferenzprojekt lernen können. Da an der Befragung lediglich neun Studierende teilgenommen haben, geben die Ergebnisse keine umfassenden und allgemeingültigen Antworten auf obige Fragen und schließen auch keine der benannten Forschungslücken. Dennoch lassen sich erste interessante Erkenntnisse gewinnen, die für weitere im Rahmen des Projekts geplante Studien von Bedeutung sind (siehe Abschnitt 4). 3.1 Definition von Interaktion und Interaktivität im Kontext der Studie Die Begriffe ‚Interaktion‘ und ‚Interaktivität‘ werden innerhalb der Forschungsdisziplinen sehr unterschiedlich definiert und angewandt (vgl. Jones, Stuhlmann & Zeyer in diesem Band). Auch im alltäglichen Sprachgebrauch werden die Begriffe in diversen Kontexten unsystematisch verwendet, was eine „terminologische Zerfaserung“ (Kilsbach in diesem Band: 45) zur Folge hat. Zur Unterscheidung der Begriffe ‚Interaktion‘ und ‚Interaktivität‘ gibt es verschiedene Stimmen. Schulmeister (2005: 2) trennt die Begriffe klar voneinander ab und versteht Interaktion als Kommunikation zwischen Menschen, Interaktivität hingegen als den Umgang eines Menschen mit (digital vermittelten) Lernobjekten, also eine Mensch-Maschine-Interaktion. Domagk, Schwartz & Plass (2010: 1025) unterscheiden drei grundsätzliche Verstehens- und Betrachtungsweisen des Begriffs Interaktion: (1) interaction in human communication, stemming from a sociological tradition, (2) computer-mediated human communication, originating from mass communication approaches, and (3) human-computer interaction, de- Nora Benitt & Torben Schmidt 266 rived from computer science but also applied in the field of educational technology. Interaktivität, so Domagk et al. (ibid.), muss zwei Grundbedingungen erfüllen: “(a) at least two participants must interact with each other, and (b) the actions of these participants must include an element of reciprocity.” Jedoch schlagen sie für multimediale Lehr-/ Lernkontexte eine abweichende Defintion von Interaktivität vor, die sich auf eine Aktivität zwischen Mensch und Maschine mit wechselseitiger Beeinflussung beschränkt: Interactivity in the context of computer-based multimedia learning is reciprocal activity between a learner and a multimedia learning system, in which the [re]action of the learner is dependent upon the [re]action of the system and vice versa. (ibid.) Im Hinblick auf den Einsatz von Videokonferenzsystemen kann nach dieser Definition eher von Interaktion im klassischen Sinne, d.h. einem sprachlichen oder nicht-sprachlichen Austausch, der entweder persönlich (face-toface) oder auf elektronischem Wege (Computer-Mediated Communication) stattfindet (vgl. Chapelle 2003: 55) als von Interaktivität die Rede sein. Jedoch erscheint ein erweiterter Interaktionsbegriff vonnöten. Zwar handelt es sich nicht um eine Interaktion zwischen Mensch und Maschine bzw. einem multimedialen Lernsystem und damit um Interaktivität (vgl. Schulmeister 2005), jedoch beschränken sich Videokonferenzen auch nicht auf bloße Interaktionen zwischen Menschen, da das Medium eben diese Interaktionen maßgeblich verändert bzw. sie erst ermöglicht, da die Akteure räumlich voneinander getrennt sind. Im folgenden Abschnitt werden diese veränderten und neuen Formen von Interaktion, die in verschiedenen Räumen bzw. an verschiedenen Orten stattfinden, detailliert beschreiben. 3.2 Interaktionsräume in Videokonferenzen Der Einsatz des Videokonferenzsystems ermöglicht allen Beteiligten der Institutionen Universität und Schule miteinander in einen Dialog zu treten und in verschiedener Art und Weise zu interagieren. Die Studierenden interagieren also nicht mit einem Medium, sondern miteinander sowie mit der Lehrkraft und Lernenden mithilfe eines Mediums, da die persönliche Interaktion aufgrund räumlicher und logistischer Hindernisse nicht möglich ist. Inwieweit entsteht nun also ein Mehrwert für die Ausbildung der Lehrkräfte? Kann es überhaupt einen Mehrwert geben, wenn die digitalen Medien hauptsächlich als Werkzeuge zur Kommunikation und Interaktion genutzt werden, anstatt dass sie eine eigene Funktion im Lernprozess haben? Im Lehrerbildung - besser interaktiv? 267 Hinblick auf die letztere Frage positioniert Schelhowe (2006: 15) sich aus medienpädagogischer Sicht äußerst kritisch: Wir vergeben eine Bildungschance, wenn wir den Computer „nur“ als Werkzeug oder „nur“ als Medium nutzen. Digitale Medien sind zu sehen als evokative Objekte, als Material, mit dem die Konfrontation mit wesentlichen Prinzipien der Veränderungen moderner Gesellschaften sichtbar, anfassbar, handelnd erfahrbar werden können [sic.]. Diese Auffassung ist in Bezug zum Videokonferenzsystem nur bedingt zutreffend. Das Medium ermöglicht hier in erster Linie die Beoachtung von Unterricht sowie die Kommunikation bzw. Interaktion zwischen den Studierenden, den Lernenden und der Lehrkraft, die räumlich voneinander getrennt sind. Sowohl Lehrkraft als auch Schüler erhalten Einblicke in die universitäre Lehrerausbildung und können Fragen zu den Aufgaben, zum Begleitmaterial oder zum Vorbereitungsprozess stellen. Umgekehrt gibt das Videokonferenzsystem Studierenden neben ihren Praktika eine weitere Möglichkeit den Schulalltag zu beobachten und mitzuerleben - und zwar mit einer gewissen Distanz und anhand gezielter Beobachtungsaufgaben. Insgesamt lassen sich drei verschiedene Räume festmachen, in denen verschiedene Formen der Interaktion stattfinden. Der erste Interaktionsraum ist das Klassenzimmer, in dem Interaktionen zwischen den Schülern untereinander und mit der Lehrkraft stattfinden. Diese sind unterrichtsintern und finden unabhängig vom Videokonferenzsystem statt; jedoch hat die Tatsache, dass Außenstehende den Unterricht beobachten, einen Einfluss auf die Unterrichtsinteraktionen. Das Phänomen observer’s paradox (Labov 1972) ist in der Unterrichtsforschung nur schwer bzw. nicht zu vermeiden. Als zweiter Interaktionsraum ist der Seminarraum zu nennen, in dem die Studierenden und die Dozentin miteinander interagieren. Nicht nur in Vorbereitung auf die Konferenzschaltungen, sondern auch in Besprechungs- und Beratungsphasen während der Unterrichtsbeobachtung, wie näher in Abschnitt 4 beschrieben, arbeiten die Studierenden eng in kooperativen Lernformaten zusammen, tauschen Eindrücke und Erfahrungen aus und reflektieren kritisch ihre Beobachtungen. Der dritte Raum der Interaktion ist der durch die Videokonferenz entstehende virtuelle Raum, ein sogenannter ‚Third Space‘, ein Begriff, der ursprünglich auf den Kulturtheoretiker Homi K. Bhabha (1994) zurückgeht, in diesem Kontext jedoch keinen interkulturellen Aushandlungsort, sondern vielmehr einen institutionenübergreifenden virtuellen Begegnungsraum meint. Erst durch die Liveschaltung in den Unterricht findet eine direkte Kommunikation und Interaktion zwischen Dozentin, Studierenden, Schü- Nora Benitt & Torben Schmidt 268 lern und Lehrkraft in einem nicht-physischen Raum statt. Die Nutzung der Videokonferenz bzw. des Third Space als Begegnungs- und Interaktionsraum erleichtert zum einen die Unterrichtsbeobachtung und -analyse, zum anderen die Zusammenarbeit und gemeinsame Reflexion der Akteure. All dies wäre theoretisch auch in einem physischen Raum wie dem Klassenzimmer möglich, allerdings ist die Organisation und Durchführung eines Unterrichtsbesuchs mit einer Gruppe von Studierenden zeitlich und logistisch mit großem Aufwand verbunden und wäre wesentlich invasiver als die virtuelle Variante. Das Videokonferenzsystem erlaubt darüber hinaus die Teilnahme am Unterricht bzw. die Beoachtung des Unterrichtsgeschehens, ohne dass die Studierenden hörbar und sichtbar sind. Das System bietet die Möglichkeit einer einseitigen Übertragung von Bild und Ton, sodass die Studierenden sich auch während der Beobachtung beraten und über Aspekte des Unterrichts reflektieren können, ohne dabei den Unterricht zu stören. Des Weiteren interagieren die Studierenden mit dem Unterrichtsgeschehen - sowohl durch das Material, das sie für den Unterricht vorbereiten, als auch durch die Tatsache, dass sie den Unterricht beobachten und virtuell im Klassenzimmer anwesend sind, nehmen sie Einfluss auf die Lehr- und Lernprozesse im Klassenraum. Das Besondere hierbei ist, dass die Studierenden sich in einem ‚geschützen Raum‘ befinden, der es ermöglicht, Ideen und Materialien zu erproben, ohne sich direkt angreifbar zu machen bzw. direkte Konsequenzen zu spüren. Es handelt sich um eine ‚Trockenübung‘, die den Studierenden den Einstieg in den Lehrberuf erleichtern soll, ohne dass sie - um bei der Metapher zu bleiben - einen ‚Sprung ins kalte Wasser‘ wagen müssen. Die Lehrkraft wiederum kann sich die Ideen und Unterrichtsvorbereitungen der Studierenden zunutze machen, wie wir in Abschnitt 4 näher erläutern werden. Durch die gemeinsame Planung der Unterrichtseinheiten werden Wünsche und Bedürfnisse beider Seiten berücksichtigt, damit alle Beteiligten von der Kooperation profitieren können (vgl. auch Schocker-von Ditfurth & Legutke 2002). Folgende Abbildung illustriert die Interaktionsräume und das Zusammenspiel der beteiligten Akteure: Lehrerbildung - besser interaktiv? 269 Abb. 1 Interaktionsräume beim Einsatz des Videokonferenzsystems Die Interaktionen zwischen den beiden Akteursgruppen der Institutionen Universität und Schule kann wie oben dargestellt entweder beidseitig oder einseitig sein, je nachdem, ob das Videokonferensystem Bild und Ton in beide Richtungen überträgt oder ob Kamera und Mikrofone im Seminarraum zwecks Unterrichtsbeobachtung ausgeschaltet sind. Die Interaktionen - soweit die Theorie - verstärken die Zusammenarbeit einer erweiterten community of practice (Wenger 1998; Lave & Wenger 2001) bestehend aus den jeweiligen communities of practice der Schule sowie der Universität. Novizen und Experten treten in einen Dialog und kollaborieren miteinander. Auch die Perspektive der Lernenden wird integriert, indem sie am Ende der Videokonferenz Rückmeldungen zu den von den Studierenden erstellten Übungen und Aufgaben geben. Wie gestaltet sich nun die Nutzung des Videokonferenzsystems in der Praxis? Welchen Mehrwert und welche Probleme sehen Studierende und die Lehrkraft durch das Kooperationsprojekt? Im folgenden Abschnitt werden das Forschungsdesign, die Durchführung und die zentralen Ergebnisse der Begleitstudie vorgestellt und diskutiert. Nora Benitt & Torben Schmidt 270 4 Fragebogenstudie: Design, Durchführung und Ergebnisse Im Rahmen des Seminars Understanding and Teaching Texts wurde im Sommersemester 2016 das Videokonferenzsystem mit Studierenden der Fächer ‚Lehramt Englisch an Grundschulen‘ sowie ‚Lehramt Englisch an Haupt- und Realschulen‘ erprobt. Insgesamt nahmen 13 Studierende (11 weibliche und 2 männliche) am Seminar teil. Die Partnerklasse, eine 6. Klasse einer Oberschule (integrierte Gesamtschule mit drei unterschiedlichen Leistungsniveaus) im Raum Lüneburg, bestand aus 26 Schülern. Das Videokonferenzsystem ist seit Oktober 2013 in einem Seminarraum der Leuphana Universität sowie in einem Klassenraum der Oberschule eingerichtet; die Komponenten sind transportabel und können bei Bedarf auch in anderen Räumen genutzt werden. 2 Die Partnerschaft zwischen der Universität und den Campusschulen soll langfristig den Dialog zwischen den Akteuren der verschiedenen Institutionen und damit die enge Theorie-Praxis-Verzahnung in der Lehrerbildung sicherstellen. Anders als beispielsweise bei der Arbeit mit Unterrichtsvideos erlaubt das Videokonferenzsystem lediglich die Beobachtung des Geschehens im Klassenraum; aufgezeichnet werden die Unterrichtssequenzen aus forschungsethischen Gründen nicht. Die Übertragung erfolgt verschlüsselt über eine geschütze Verbindung. 4.1 Rahmenbedingungen und Setting Die Nutzung des Videokonferenzsystems im Rahmen des Seminars bedurfte einiger Vorbereitung und gründlicher ethischer Vorüberlegungen. Die Rahmenbedingungen für das hier beschriebene Projekt waren durch bereits bestehende Kooperationsverträge der Leuphana Universität mit verschiedenen sogenannten ‚Campusschulen‘ vorgegeben. Dabei wird die Kooperation als ein gegenseitiges Geben und Nehmen verstanden - beide Seiten profitieren von der Zusammenarbeit, wie in den folgenden Abschnitten deutlich werden wird. Im Rahmen dieser Studie wurde zunächst eine der Partnerschulen kontaktiert, um eine Englischlehrkraft zu finden, die bereit war, an einem Kooperationsprojekt mit der Universität mitzuwirken und ihren Unterricht für die Studierenden zu öffnen. Im nächsten Schritt erfolgte eine zeitliche Abstimmung der Seminar- und Unterrichtszeiten; für die Kooperation mit der Schule mussten die Seminare entsprechend am Morgen bzw. am Vormittag stattfinden. Einige Monate im Voraus begann die Seminarplanung für das 2 Für detaillierte Informationen zu den technischen Voraussetzungen und zur Installation des Videokonferenzsystems siehe Drexhage et al. 2016. Lehrerbildung - besser interaktiv? 271 Sommersemester 2016 - das Vorhaben das Videokonferenzsystem zu nutzen hat die Gestaltung der Seminarinhalte stark mitbestimmt. Der Seminarplan (vgl. Abbildung 2) wurde thematisch auf die Unterrichtsinhalte der Partnerklasse abgestimmt und in Absprache mit der Lehrerin erstellt. Von vornherein waren insgesamt drei Videokonferenztermine mit verschiedenen Vorbereitungs- und Beobachtungsaufgaben auf Seiten der Studierenden eingeplant, jedoch konnten aufgrund der zeitlichen Rahmenbedingungen nur zwei Videokonferenzen durchgeführt werden. In der ersten Seminarsitzung wurden den Studierenden der Seminarplan sowie das Begleitforschungsprojekt und die Arbeit mit dem Videokonferenzsystem erläutert. Die zweite Seminarsitzung wurde für einen Besuch der Partnerklasse an der Campusschule genutzt, um sich gegenseitig kennenzulernen und eine vertrauensvolle Atmosphäre zu schaffen. Dieses Vorgehen hatte sich bereits in vergangenen Kooperationsprojekten bewährt und dazu beigetragen, etwaige Hemmungen vor der Benutzung des Videokonferenzsystems abzubauen (vgl. Drexhage et al. 2016: 77). Während des Besuchs an der Partnerschule hatten Studierende und Schüler die Gelegenheit sich in Kleingruppen kennen zu lernen und sich über Fragen und Erwartungen bezüglich der geplanten Kooperation auszutauschen. Ein Ziel der Studierenden war es, sich ein Bild über den Englischunterricht, das Leistungsniveau der Schüler und die Beliebtheit des Faches zu verschaffen. In den Seminarsitzungen vor den jeweiligen Videokonferenzterminen ging es zentral um die Erarbeitung der Unterrichtsmaterialien sowie die Vorbereitung der Reflexionsgespräche während der Videokonferenzschaltungen. Das übergeordnete Thema des Seminars mit dem Titel Understanding and Teaching Texts war der differenzierte Umgang mit Texten im Englischunterricht der 6. Klasse. Aufgabe der Studierenden war es unter anderem, geeignete Texte herauszusuchen bzw. in verschiedenen Schwierigkeitsstufen für die drei Niveaustufen 3 zu erstellen und dazugehörige Aufgabenformate für die entsprechenden Lernniveaus zu entwickeln. In der ersten beobachteten Stunde lag der inhaltliche Fokus auf Wunsch der Lehrerin auf Texten, Aufgaben und Übungen zum Present Perfect, da die Schüler in der Folgestunde eine Klassenarbeit zu diesem Thema schreiben mussten. Für die zweite Beobachtungsstunde beschäftigten sich die Studierenden in Theorie und Praxis mit autobiographischen Lernertexten und deren Potenzial für den Englischunterricht. Zu diesem Thema hatten die Studierenden mehr 3 Die Schüler der Klasse waren in drei Anforderungsniveaus unterteilt: ‚Grundanforderungen‘ (G), ‚Erweiterte Anforderungen‘ (E) und ‚Zusätzliche Anforderungen‘ (Z): Jeweils knapp die Hälfte der Klasse war entweder dem G- oder dem Z- Niveau zugeordnet, nur wenige Schüler dem E-Niveau. Nora Benitt & Torben Schmidt 272 inhaltliche und methodische Freiheiten für die Gestaltung der Übungen und Aufgaben, da die Unterrichtsstunde zu einem Zeitpunkt stattgefunden hat, an dem der Lehrplan bereits abgearbeitet und die Zeugniskonferenzen vor den Sommerfereien abgeschlossen waren. Folgende Abbildung zeigt den Seminarverlauf im Überblick: Sitzung Arbeitsform Inhalt 1 Einführung Organisatorisches, Vorstellung der Campusschule, Einführung in die Arbeit mit Videokonferenzen, Vorstellung des Projekts 2 Besuch der Partnerklasse in der Oberschule 3 Seminararbeit (Auseinandersetzung mit Theorie) Differenzierende Arbeit mit Texten I: Lehrwerke 4 Seminararbeit (praktische Anwendung) Auswahl und Adaptierung von Lehrwerkaufgaben und -übungen zum Thema Present Perfect für die verschiedenen Niveaustufen der Partnerklasse, Versenden der Aufgabenentwürfe an die Lehrerin der Partnerschule 5 Seminararbeit (praktische Anwendung) Einarbeiten des Feedbacks, Umgestaltung der Übungen und Aufgaben zu Present Perfect, Versenden der überarbeiteten Aufgabenentwürfe an die Lehrerin der Partnerschule 6 VIDEOKONFERENZ I Einsatz des entwickelten Unterrichtsmaterials zu Present Perfect, Unterrichtsbeobachtung, Erfahrungsaustausch 7 Seminararbeit (Auseinandersetzung mit Theorie & praktische Anwendung) Gemeinsame Reflexion der Unterrichtsbeobachtung, differenzierende Arbeit mit Texten II: Autobiographische Lernertexte im Fremdsprachenunterricht, Entwicklung von Aufgaben und Übungen zum Thema Autobiographic Learner Texts, Versenden der Aufgabenentwürfe an die Lehrerin der Partnerschule 8 Seminararbeit (praktische Anwendung) Einarbeiten des Feedbacks, Umgestaltung der Übungen und Aufgaben zu Autobiographic Learner Texts, Versenden der überarbeiteten Aufgabenentwürfe an die Lehrerin der Partnerschule 9 VIDEOKONFERENZ II Einsatz des entwickelten Unterrichtsmaterials zu Autobiographic Learner Texts, Unterrichtsbeobachtung, Erfahrungsaustausch 10 Seminararbeit (Reflexion/ Erfahrungsaustausch, Rückkopplung an theoretische Lerninhalte) Gemeinsame Reflexion der Unterrichtsbeobachtungen und des Videokonferenzprojekts Lehrerbildung - besser interaktiv? 273 dersetzung mit Theorie & praktische Anwendung) Literary Texts, Entwicklung von Aufgaben und Übungen zum Thema Short Literary Texts für verschiedene Lernergruppen 12 Seminararbeit (praktische Anwendung) Vorstellung und Diskussion der entwickelten Aufgaben und Übungen zum Thema Short Literary Texts 13 Seminarabschluss Seminarevaluation, Fragebogen Abb. 2 Seminarplan Understanding and Teaching Texts, Sommersemester 2016 In Vorbereitung auf die Videokonferenzen wurden beide Räume, d.h. sowohl der Seminarraum als auch der Klassenraum, insoweit umgestaltet, dass alle Beteiligten möglichst gut zu sehen waren. Leider waren die Lichtverhältnisse nicht optimal, da die Kamera im Klassenraum in Richtung Fenster aufgestellt werden musste, um alle Schülertische erfassen zu können. Im Seminarraum war durch Gegenlicht auf der Leinwand die Bildübertragung aus dem Klassenraum ebenfalls qualitativ beeinträchtigt. Die Kamera im Klassenzimmer wurde vom Seminarraum aus gesteuert, d.h. es gab die Möglichkeit, durch den Klassenraum zu schwenken oder einzelne Schüler heranzuzoomen. Auch die Ton- und Bildübertragung wurde vom Seminarraum aus geregelt. Während der Begrüßungs- und Abschlusssequenzen war die Konferenzschaltung aktiv, d.h. Bild und Ton wurden in beide Richtungen übertragen. Während der Unterrichtsbeobachtung wurden die Seminarraumkamera und die Mikrophone ausgeschaltet, um den Unterricht nicht zu stören und den Studierenden die Möglichkeit zu geben, sich über ihre Beoabachtungen auszutauschen. 4.2 Design und Durchführung Für die Datenerhebung wurden die Studierenden sowie die Lehrkraft nach Ende des Kooperationsprojekts per Fragebogen zu ihren Erfahrungen im Hinblick auf das Projekt befragt. Auch die Schüler wurden nach der zweiten Videokonferenz um informelles, mündliches Feedback zum Projekt gebeten; auf eine Datenerhebung wurde aus forschungspragmatischen Gründen verzichtet. 4 Thematisch war der Fragebogen in vier Teilbereiche untergliedert: 4 Im Fokus dieser Studie steht der Nutzen des Videokonferenzsystems für die Ausbildung angehender Englischlehrkräfte. Die Perspektive der Schüler zu inhaltlichen und methodischen Aspekten zur differenzierten Arbeit mit Texten im Rahmen derartiger Kooperationsprojekte zu erfassen ist für ein Folgeprojekt geplant. 11 Seminararbeit (Auseinan- Differenzierendes Arbeiten mit Texten III: Short Nora Benitt & Torben Schmidt 274 • Teil I: Zusammenarbeit mit der Campusschule (Fragebogen Studierende) bzw. Zusammenarbeit mit der Universität (Fragebogen Lehrkraft) • Teil II: Das Videokonferenzsystem • Teil III A: Seminarinhalte (Adaptierung und Differenzierung, Fokus: Present Perfect) • Teil III B: Seminarinhalte (Autobiographische Texte und Aufgaben) • Teil IV: Abschließende Bewertung des Videokonferenzprojekts Der Fragebogen enthielt insgesamt 49 Fragen, die zum Teil geschlossen waren (Antwortmöglichkeiten auswählen/ multiple-choice) und zum Teil offen (Sätze vervollständigen bzw. offene Fragen beantworten). Bei den geschlossenen Fragen wurden zu verschiedenen Aussagesätzen, z.B. „Insgesamt war es für mich eine positive Erfahrung mit der Campusschule zusammen zu arbeiten“, jeweils fünf Antwortmöglichkeiten in Form einer Likert-Skala mit verschiedenen Graden der Zustimmung bzw. der Nicht- Stellungnahme angeboten. Die Antwortoptionen lauteten: „Stimmt genau“, Stimmt ziemlich“, „Stimmt wenig“, „Stimmt nicht“ und „Weiß nicht“. Ziel des Fragebogens war es, wahrgenommene Chancen und Herausforderungen der Studierenden und der Lehrkraft im Kontext der Arbeit mit Videokonferenzen zu erfassen. Die Fragen in Teil III A und Teil III B, die sich auf die Inhalte des Seminars Understanding and Teaching Texts bezogen, sollten Aufschluss darüber geben, wie beide Seiten inhaltliche und methodische Aspekte der vorbereiteten und durchgeführten Unterrichtseinheiten bewerten und dabei helfen, zukünftige Seminare und Kooperationsprojekte zu optimieren. Die Daten dieser beiden Fragebogenteile können im Rahmen dieses Beitrags nicht im Detail beschrieben werden; der Fokus wird auf allgemeinen Aspekten der Arbeit mit dem Videokonferenzsystem liegen. 4.3 Zentrale Ergebnisse und Diskussion Neun Studierende und die Lehrerin der Campusschule haben an der Befragung teilgenommen; in diesem Abschnitt sollen ausgewählte Datenbeispiele besprochen werden, die Aufschluss über Chancen und Herausforderungen der Arbeit mit Videokonferenzen in der fremdsprachlichen Lehrerbildung geben. Die gewonnenen Erkenntnisse dienen in erster Linie der Weiterentwicklung der Zusammenarbeit mit der Campusschule und der Vorbereitung weiterer Forschungsprojekte im Rahmen der Kooperation; die Daten erlauben keine generalisierbaren Rückschlüsse im Hinblick auf den Einsatz von Videokonferenzen in der fremdsprachlichen Lehrerbildung. Lehrerbildung - besser interaktiv? 275 Den Studierenden und der Lehrkraft scheint die Arbeit mit dem Videokonferenzsystem überwiegend gut gefallen zu haben. Die Aussage „Insgesamt war es für mich eine positive Erfahrung mit der Campusschule zusammen zu arbeiten“ bewerteten sechs Studierende mit „stimmt ziemlich“ und drei Studierende mit „stimmt genau“. Auch die Lehrerin gab „stimmt ziemlich“ als Antwort an. Alle teilnehmenden Studierenden stimmten der Aussage, dass die Arbeit mit dem Videokonferenzsystem das Seminar bereichert habe, zu und wünschten sich, das System auch in anderen Seminaren nutzen zu können. Während vier der befragten Studierenden zwei Videokonferenztermine als ausreichend empfanden, hätten sich fünf Studierende weitere Konferenzen gewünscht. Diese Ergebnisse lassen insgesamt darauf schließen, dass das Kooperationsprojekt von beiden Seiten überwiegend positiv aufgenommen wurde und eine fortsetzende Zusammenarbeit mit weiterführender Beforschung lohnenswert ist. Konkret schätzten die Studierenden die Gelegenheit, Aufgaben für die Umsetzung in der Praxis entwickeln zu können (sechs Studierende) und lobten die Offenheit der Lehrerin, die Aufgeschlossenheit der Schüler dem Projekt gegenüber sowie die Bereitschaft zur Mitarbeit (fünf Studierende). Auf die Frage „Wie beurteilen Sie die Arbeit mit der Videokonferenz im Vergleich zur Arbeit mit aufgezeichneten Unterrichtsvideos für Ihre professionelle Entwicklung? “ beschreibt ein/ e Studierende/ r folgende Erfahrung: „Das Mitwirken am Unterricht bringt definitiv einen Mehrwert, da ich mir selbst im Voraus viele Gedanken über die Planung machen muss.“ Eine weitere Meinung zu den Unterschieden zwischen der Arbeit mit Unterrichtsvideos und dem Videokonferenzsystem lautet: „[Videokonferenzen sind] sinnvoller und effektiver, weil ich dadurch einen Einfluss habe. Es ist daher aktiver, während Unterrichtsvideos eher passiv sind und man selbst ist nicht einbezogen.“ Ähnliche Ergebnisse präsentieren Drexhage et al. (2016: 80f.), die in einer vergleichenden Studie Studierende zu den Vor- und Nachteilen von Videokonferenzsystemen gegenüber videographiertem Unterricht befragt haben. Als Vorteile wurden ein höheres Maß an Authentizität, die Möglichkeit zum wechselseitigen Austausch, die direkte Einflussnahme auf den Unterricht durch die Gestaltung von Übungen und Aufgaben, die gemeinsame Reflexion und das Hineinfühlen in die Lehrkraft genannt (vgl. ibid.). Die Arbeit mit dem Videokonferenzsystem bringt jedoch auch einige Herausforderungen mit sich. In der hier besprochenen Befragung wurde von Seiten der Studierenden unter anderem die Bild- und Tonqualität während der Videokonferenzen kritisiert (fünf Studierende), was darauf zurückzuführen ist, dass für die gesamte Klasse nur ein Mikrofon zum Einsatz kam. Dieses Defizit kann in Zukunft vermieden werden; die Anschaffung mehre- Nora Benitt & Torben Schmidt 276 rer Tischmikrophone für die Beobachtung der Interaktionen der Schüler bei der Arbeit in Kleingruppen ist bereits geplant. Darüber hinaus hätten sich vier der Studierenden gewünscht, dass die Lehrkraft ihre Unterrichtsideen ohne Anpassungen umgesetzt hätte. Eine Studierende schilderte ihre Meinung dazu wie folgt: „Die Lehrkraft war sehr kritisch gegenüber unseren Ideen und hat uns nicht wirklich den Freiraum gegeben Dinge auszuprobieren.“ Andere hingegen äußerten sich sehr zufrieden über die Zusammenarbeit und die gemeinsame Verhandlung der inhaltlichen und methodischen Gestaltung des Unterrichts: „Es war schön und interessant zu sehen, wie die Lehrkraft und die SuS unsere Aufgaben umsetzen.“ Schocker-von Ditfurth und Legutke (2002: 170), in deren Projekt es ebenfalls um eine institutionenübergreifende Zusammenarbeit zwischen Universität und Schule geht, bei dem die Studierenden einen forschenden Blick auf Unterricht richten, betonen die Wichtigkeit, derartige Kooperationen als ein Geben und Nehmen zu verstehen, von dem beide Seiten profitieren. Es gilt also Hierarchien sowie eine ungleiche Kosten-Nutzen-Verteilung unter den beteiligten Akteuren zu vermeiden und sich auf Augenhöhe zu begegnen (vgl. Zigo 2010). Die am Projekt beteiligte Lehrerin der Campusschule gab an, durch die Zusammenarbeit, „neue, kreative Ideen“ für den eigenen Unterricht bekommen zu haben und schätzt die Erfahrung als „lehrreich“ ein. Sie empfand die Kooperation jedoch gleichzeitig als „aufwendig“ und „zeitintensiv“, da einige Unterrichtsstunden aufgrund terminlicher Schwierigkeiten verlegt werden mussten. Um den zeitlichen und administrativen Mehraufwand von Lehrkräften zu kompensieren, schlägt sie für weitere Projekte die Einführung von Anrechnungsstunden vor. Im Hinblick auf den Einsatz der Kamera im Unterricht entstand bei einigen Studierenden der Eindruck, dass die Schüler schnell vergessen, dass eine Videokonferenz geschaltet ist: „Ich hatte das Gefühl, dass die SuS sich nicht anders verhalten haben obwohl Kameras vor Ort waren. Das hat alles sehr realistisch und authentisch gemacht.“ Eine weitere Meinung zu diesem Thema lautet: „Die Kinder sehen uns nicht und benehmen sich deshalb wahrscheinlich wie immer.“ Diese Einschätzung bestätigt sich ebenfalls in den Ergebnissen einer Studie zum Einsatz des Videokonferenzsystems im Mathematikunterricht (vgl. Drexhage et al. 2016: 82). Die Lehrkraft äußert sich nicht zu diesem Thema. Auch liegen keine Daten der Schüler zu dieser Fragestellung vor; diese Perspektive soll jedoch, wie bereits erwähnt, in geplanten Folgeprojekten mit einbezogen werden. Die Studienteilnehmer beurteilten das Videokonferenzsystem im direkten Vergleich zur Arbeit mit Unterrichtsvideos sehr positiv. Wie bereits erwähnt, wird der Unterricht aus forschungsethischen Gründen lediglich beobachtet und nicht aufgezeichnet. Diese Tatsache kann aus hochschuldi- Lehrerbildung - besser interaktiv? 277 daktischer Sicht durchaus kritisch betrachtet werden, da die Unterrichtssequenzen nicht wiederholt und genau analysiert werden können. Die Ergebnisse von Drexhage et al. (2016: 82) weisen darauf hin, dass einige Studierende es als nachteilig empfinden, dass die Beobachtung bei der Arbeit mit dem Videokonferenzsystem flüchtig ist und einzelne Szenen nicht wie bei einer Videoaufzeichnung beliebig oft wiederholt werden können. Darüber hinaus gaben einige Studierende an, die Live-Unterrichtsbesuche seien zu langweilig (vgl. ibid.). Beide geschilderten Eindrücke lassen sich durch unsere Daten nicht bestätigen - beim direkten Vergleich zwischen Unterrichtsvideos und Videokonferenzen gingen die Studierenden lediglich auf die Möglichkeit zur Mitgestaltung des Unterrichts ein, und nicht auf die Flüchtigkeit des Mediums. In einer Frage nach Attributen (Mehrfachnennungen möglich), die aus Sicht der Studierenden die Arbeit mit dem Videokonferenzsystem treffend beschreiben, lautete die Auswahl (Anzahl der Nennungen in Klammern) der neun Studierenden: spannend (8), langweilig (0), lehrreich (9), anstrengend (1), motivierend (4), unnötig (0), inspirierend (6), aufwendig (1), unkompliziert (2), zeitintensiv (4). Zusätzlich genannte Attribute waren: interessant (1), eindruckvoll (1), nützlich (1), hilfreich (1) und lustig (1). Insgesamt überwiegen hier deutlich die positiven Attribute; niemand gab an, die Arbeit mit dem Videokonferenzsystem für langweilig oder unnötig zu halten. Dieser Eindruck bestätigt sich auch in den qualitativen Daten der darauffolgendenden Frage, in der die Befragten gebeten wurden ihre Auswahl zu begründen. Ein/ e Studierende/ r erläutert: Die Arbeit mit dem Videokonferenzsystem war eine spannende Erfahrung, die uns einen tollen Einblick verschaffen konnte, da wir nicht selbst unterrichten + beobachten mussten, sondern uns ganz auf die Beobachtung konzentrieren konnten. Eine weitere Stellungnahme zu den abgefragten Attributen ist ebenfalls insgesamt positiv, enthält jedoch auch eine Anmerkung den zeitlichen Aufwand bei der Arbeit mit Videokonferenzsystem betreffend: • spannend zu sehen wie Aufgaben umgesetzt werden • lehrreich, da man durch die Umsetzung und Anmerkungen der [Lehrkraft] Feedback zu Unterrichtsideen bekommen hat • zeitintensiv wegen Vorbereitung, Durchführung, Nachbereitung Unsere Befragung hat gezeigt, dass eine gründliche Vorbereitung der Videokonferenz, ein reibungsloser technischer Ablauf und die Abstimmung der Inhalte in Seminar und Klassenraum notwendig sind (vgl. auch Drexhage et al. 2016: 83; Clarke 2015: 75). Die verschiedenen Terminkalender von Universität und Schule waren bei der Planung und Durchführung des Projekts Nora Benitt & Torben Schmidt 278 eine große Herausforderung. So war beispielsweise im Vorfeld eine dritte Videokonferenz geplant, der Termin konnte jedoch wegen der einsetzenden Sommerferien nicht realisiert werden. Einige der Studierenden hätten sich mehr Vorbereitungszeit für die Unterrichtsentwürfe im Rahmen des Seminars gewünscht und empfanden die Erstellung der Übungen und Aufgaben als sehr zeitintensiv. Auch wurde mehrfach der Wunsch geäußert, im Falle zukünftiger Kooperationen die Lehrkraft und die Schüler vorab intensiver kennen zu lernen, um den Lehr-/ Lernkontext und das Leistungsniveau besser einschätzen zu können - gerade wenn es sich um sehr heterogene Lernergruppen handelt, wie die folgenden Datenbeispiele verdeutlichen. Im Hinblick auf das Seminarthema ‚Differenziertes Arbeiten mit Texten‘ geben die Studierenden interessante Eindrücke zu ihren Erfahrungen und Beobachtungen wider: „[Es ist schwierig] alle Kinder gleich in den Unterricht einzubinden, wenn es so viele verschiedenene Sprachniveaus in der Klasse gibt.“ „Differenzierungen sind wirklich schwer, man muss flexibel sein.“ Es ist anzunehmen, dass die Vorbereitung der Übungen und Aufgaben, sowie die Beobachtung der Umsetzung in der Praxis zu einem Nachdenken über Differenzierung und den Umgang mit heterogenen Lernergruppen angeregt haben. Insgesamt weisen die Daten unserer Befragung darauf hin, dass Videokonferenzen der Forderung nach Verzahnung von Theorie und Praxis in der Lehrerbildung in besonderem Maße Rechnung tragen können, wenn der Einsatz intensiv vorbereitet, begleitet und nachbereitet wird. Durch das Medium enstehen verschiedene Formen der Kommunikation und Interaktion zwischen den beteiligten Akteuren. Jedoch sind auch einige Herausforderungen nicht von der Hand zu weisen. Technische Unzulänglichkeiten, wie beispielsweise mangelnde Bild- und Tonqualität sowie Kommunikationsschwierigkeiten zwichen den Akteuren aus Universität und Schule die Aushandlung der Unterrichtsgestaltung betreffend, können den Erfolg von Videokonferenzprojekten schmälern. 5 Fazit: Videokonferenz - „nur“ ein Medium? Ziel dieses Beitrags war es, Potenzial und Grenzen des Einsatzes von Videokonferenzen in der fremdsprachlichen Lehrerbildung zu skizzieren. Wie die Ausführungen der letzten Abschnitte gezeigt haben, ist der Einsatz des Videokonferenzsystems vielmehr ein Mittel zur Kommunikation und Interaktion als ein interaktives Instrument. Dennoch geht die Arbeit mit dem Videokonferenzsystem über die reine Interaktion zwischen Menschen hinaus. Zwar wird im Kontext unserer Studie nicht mit einem Medium bzw. medial vermittelten Lerninhalten interagiert, jedoch bestimmt das Medium maß- Lehrerbildung - besser interaktiv? 279 geblich die Interaktionsformen und ermöglicht erst die Kooperation zwischen den Studierenden, den Schülern und der Lehrkraft, die räumlich voneinander getrennt sind. Darüber hinaus verändert es die Interaktion zwischen Menschen, indem es einen zusätzlichen Raum im Sinne eines Third Space schafft. Anstatt von ‚Interaktivität‘ bzw. ‚interaktivem Lernen‘ zu sprechen, gehen wir deshalb von einem erweiterten Interaktionsbegriff aus (siehe Abschnitt 3). Das Videokonferenzsystem also „nur“ bzw. vorrangig als Werkzeug/ Medium zu nutzen - wie Schelhowe (2006: 15) kritisiert - erscheint in diesem Kontext nicht nur legitim, sondern auch zielführend, denn der Mehrwert für die Teilnehmenden entsteht durch ihre enge Zusammenarbeit in verschiedenen Interaktionsräumen, die durch die Nutzung digitaler Medien erheblich erleichtert wird bzw. durch sie erst zustande kommt (siehe Abschnitt 4, Abbildung 1). Darüber hinaus schafft das Videokonferenzsystem einen erleichterten Zugang zu authentischen Lehr-/ Lernkontexten, die im Gegensatz zu zahlreichen Unterrichtsvideos, die oftmals von langer Hand geplante und akribisch vorbereitete idealtypische Unterrichtseinheiten darstellen (vgl. Drexhage et al. 2016: 82), die Unterrichtsrealität mit all ihren Stärken und Schwächen zeigen. Wie die Ergebnisse unserer Befragung indizieren, schätzen die Studierenden vor allem die Möglichkeit, schulischen Englischunterricht aktiv mitgestalten und dabei die Interpretation und Umsetzung der entworfenen Übungen und Aufgaben durch die verantwortliche Lehrkraft beobachten zu können. So kann im Rahmen der universitären Lehrerbildung Praxisbezug hergestellt und Unterrichtsbeobachtung ein Stück weit unmittelbarer, anschaulicher und (inter)aktiver für Lehramtsstudierende gestaltet werden. Literatur Arnold, Tim; Cayley, Steve & Griffith, Mike (2002). Video conferencing in the classroom. Communications technology across the curriculum. Exeter: Devon County Council . Benitt, Nora (2015). Becoming a (better) language teacher. Classroom action research and teacher learning. Tübingen: Narr. Blömeke, Sigrid (2006). Struktur der Lehrerausbildung im internationalen Vergleich. Ergebnisse einer Untersuchung zu acht Ländern. Zeitschrift für Pädagogik, 52(3), 393-416. 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Universität Kassel. Weiss, Patrice; Whiteley, Carolynn; Treviranus, Jutta & Fels, Deborah (2001). PEBBLES: A personal technology for meeting educational, social and emotional needs of hospitalized children. Personal and ubiquitous computing, 5(3), 157-168. Wenger, Etienne (1998). Learning in communities of practice. Cambridge, UK: Cambridge University Press. Zigo, Diane (2010). Rethinking reciprocity: Collaboration in labor as a path toward equalizing power in classroom research. International journal of qualitative studies in education, 14(3), 351-365. Zydatiß, Wolfgang (2012). Den Lehrberuf ernst nehmen… und deshalb die Lehrerbildung neu denken: 25 Thesen zu deren Reform. In Gabriele Blell & Christiane Lütge (Hrsg.) Fremdsprachendidaktik und Lehrerbildung. Konzepte, Impulse, Perspektiven (S. 205-225). Berlin, Münster: Lit. Über die Autorinnen und Autoren Christine Becker studierte den Diplom-Studiengang Literaturübersetzen und die Zusatzqualifikation Deutsch als Fremdsprache an der Heinrich-Heine- Universität-Düsseldorf und der Université de Nantes, Frankreich. Im Hochschuljahr 2006/ 07 war sie DAAD-Sprachassistentin an Germanistischen Abteilung der Universität Stockholm, Schweden, und ist dort seit 2007 als universitetsadjunkt angestellt. Seit 2010 ist sie als Lehrerfortbildnerin für das Goethe-Institut tätig, hauptsächlich in den Bereichen Blended Learning und digitale Medien, aber auch zu Landeskunde, Kunst und Film im DaF- Unterricht. Seit 2012 beschäftigt sie sich im Rahmen ihres Promotionsprojektes, das im Rahmen eines Cotutelle-Vertrages von der Universität Stockholm und der Justus-Liebig-Universität Gießen betreut wird, mit landeskundlichem Lernen in asynchronen Online-Diskussionen. Dr. Nora Benitt ist seit Oktober 2015 wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institute of English Studies an der Leuphana Universität Lüneburg und arbeitet an ihrer Habilitation zum Thema autobiographische Lernertexte im Englischunterricht. Nach ihrem Studium der ‚Neueren Fremdsprachen und Fremdsprachendidaktik‘ mit der Fächerkombination Englisch, Spanisch und Deutsch als Fremdsprache an der Justus-Liebig-Universität Gießen lehrte sie am dortigen Institut für Anglistik im Bereich ‚Didaktik der englischen Sprache und Literatur‘. Im Rahmen eines binationalen Promotionsprojekts (Cotutelle) in Kooperation mit der Macquarie University Sydney beforschte sie die Rolle von Aktionsforschung als Professionalisierungsinstrument in der fremdsprachlichen Lehrerbildung und arbeitete von 2012 bis 2014 im Department for International Studies der Macquarie University. Katrin Biebighäuser ist Juniorprofessorin für Deutsch als Fremdsprache an der Pädagogischen Hochschule Heidelberg, zuvor war sie bis April 2014 an der Justus-Liebig-Universität Gießen als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl Deutsch als Fremdsprache tätig und promovierte hier zu Fremdsprachenlernen in virtuellen Welten. Ihre Forschungsschwerpunkte liegen im Bereich Fremdsprachenlernen mit digitalen Medien, Aufgabenorientiertes Fremdsprachenlernen, Alphabetisierung in der Zweitsprache sowie landeskundliches und interkulturelles Lernen. Carolyn Blume erhielt ihren B.A. an der Stanford University und ihren M.Ed. an der Harvard University. Sie unterrichtete in den Vereinigten Staaten Sozialwissenschaften, Fremdsprachen und Literatur an verschiedenen High Schools und betreute diese als didaktische Leiterin. Später unterrichtete sie in Deutschland Englisch und Geschichte an einem Gymnasium. Seit Über die Autorinnen und Autoren 286 2013 arbeitet sie an der Leuphana Universität Lüneburg in verschiedenen Forschungsprojekten im Bereich der Englischdidaktik. Zurzeit ist sie wissenschaftliche Mitarbeiterin im Projekt der Qualitätsoffensive Lehrerbildung "Theorie-Praxis-Verzahnung im ZZL Netzwerk." In ihrem Promotionsprojekt beforscht sie die Einstellungen von angehenden Lehrkräften zu digitalen Lernspielen für das Erlernen von Fremdsprachen. Simon Falk studierte Anglistik, Portugiesisch und Politikwissenschaft an der Philipps-Universität Marburg. Seit 2011 ist er wissenschaftlicher Mitarbeiter am Informationszentrum für Fremdsprachenforschung (IFS). Dort wertet er Fachliteratur aus den Bereichen der Fremdsprachendidaktik und Sprachlehrforschung aus, pflegt diese in eine institutseigene Datenbank ein und koordiniert die Redaktion der Zeitschrift "Bibliographie Moderner Fremdsprachenunterricht". In seinem Promotionsprojekt untersucht er den Einsatz mobiler digitaler Geräte im Fremdsprachenunterricht der Sekundarstufe I. Der Fokus liegt dabei vor allem auf personalisierten Lehr- und Lernräumen. Dr. Sandra Götz studierte Anglistik an der Universität Bayreuth und Sprachtechnologie und Fremdsprachendidaktik an der Justus-Liebig- Universität Gießen. Von 2006-2015 arbeitete sie als wissenschaftliche Mitarbeiterin und akademische Rätin am Lehrstuhl für Englische Sprachwissenschaft an der Justus-Liebig-Universität Gießen; seit 2016 ist sie dort als akademische Oberrätin tätig. Sie wurde 2011 mit einer Cotutelle-Promotion in der Englischen Sprachwissenschaft und in European Languages an der Justus-Liebig-Universität Gießen und der Macquarie University Sydney zum Thema "Fluency in Native and Nonnative English Speech" promoviert. Zu ihren Forschungsschwerpunkten zählen die Beschreibung und Analyse des gesprochenen English, Varietäten des Englischen, Lernersprachenanalyse, Korpuslinguistik und der Einsatz von Korpora im Fremdsprachenunterricht. Roger D. Jones studierte Germanistik (B.A. an der University of Texas at Austin und M.A. an der University of North Carolina at Chapel Hill) und Englisch als Fremdsprache (an der Justus-Liebig-Universität Gießen) und arbeitet als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institute of English Studies an der Leuphana Universität Lüneburg. In seinem Promotionsprojekt erforscht er den Einsatz von Videospiel fan-comics für die Entwicklung eines videogame literacy Modells im Englischunterricht der Sekundarstufe I. Sebastian Kilsbach studierte Deutsch als Fremdsprache und Germanistische Literaturwissenschaft an der Justus-Liebig-Universität Gießen. Dort arbeitete er bis 2014 als Wissenschaftliche Hilfskraft, später als Lehrbeauftragter. In Über die Autorinnen und Autoren 287 seinem Promotionsprojekt, das durch ein Stipendium der Justus-Liebig- Universität unterstützt wurde, erforscht er Möglichkeiten der Wortschatzerweiterung in nicht-institutionellen sowie fortgeschrittenen Erwerbskontexten. Susanne Krauß studierte Amerikanistik, Medienwissenschaft und Deutsch als Fremdsprache an der Philipps-Universität Marburg und hat DaF in den USA, Großbritannien und Deutschland unterrichtet. Sie arbeitete als DAAD-Lektorin an der University of Kent, UK und als wissenschaftliche Mitarbeiterin in dem vom BMBF geförderten Projekt „Alphamar 2“ zur berufsbezogenen Alphabetisierung von Migrant/ innen (Philipps-Universität Marburg). Zurzeit ist sie Dozentin und Koordinatorin für die Deutschkurse des Languages for All-Programms der University of Essex, UK. Zu ihren Forschungsinteressen zählen neben Fremdsprachen- und Wortschatzerwerb insbesondere die Nutzung digitaler Lehr-/ Lerntechnologien beim Fremdsprachenlernen. In ihrem Promotionsprojekt, das von der Justus-Liebig- Universität Gießen betreut wird, untersucht sie das Wortschatzlernverhalten von Deutsch-Studierenden im englischsprachigen Ausland. Dietmar Rösler, Prof. Dr., arbeitete nach dem Studium der Publizistik und Germanistik an der FU Berlin in den Germanistikabteilungen des University College Dublin, der FU Berlin und des King's College London. Seit 1996 ist er Professur für Deutsch als Zweit- und Fremdsprache an der Justus-Liebig- Universität Gießen. Zu seinen Forschungsschwerpunkten gehören: das Verhältnis von gesteuertem und natürlichem Zweit- und Fremdsprachenlernen, Lehrmaterialanalyse, Interkulturelle Kommunikation, Grammatikvermittlung, Technologie und Fremdsprachenlernen. Ausführliche Informationen zu Lehre, Forschung und Publikationen finden sich unter: http: / / www.unigiessen.de/ cms/ fbz/ fb05/ germanistik/ iprof/ daf/ uber-uns/ wimi/ roesler Inke Schmidt ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Lern- Innovation der Friedrich-Alexander Universität Erlangen-Nürnberg. Sie hat ihren M.A. in Sprachtechnologie und Fremdsprachendidaktik an der Justus- Liebig-Universität Gießen erworben. Nebenher war sie im Projekt JETZT Deutsch lernen tätig. Im Anschluss arbeitete sie als eLearning-Redakteurin bei der Deutsch-Uni Online, später im Projekt HeaLInGO an der Leuphana Universität Lüneburg, bevor sie sich als Kursleiterin für Deutschkurse am Bildungszentrum Nürnberg und als freie eLearning Autorin u.a. für das Goethe-Institut betätigte. Ihre Forschungsschwerpunkte liegen im Bereich Instructional Design, DGBL und Fremdsprachendidaktik. Torben Schmidt, Prof. Dr., studierte zunächst Englisch und Mathematik für das Lehramt an Haupt- und Realschulen an der Justus Liebig-Universität Über die Autorinnen und Autoren 288 Gießen. Es folgten ein Ergänzungsstudium in der anglistischen Literaturwissenschaft und Linguistik und die fremdsprachendidaktische Promotion an der Goethe-Universität Frankfurt/ Main. Nach Post Doc-Stationen am Gießen International Graduate Centre for the Study of Culture, dem Gießener Zentrum für Medien und Interaktivität sowie an der Saint Mary's University in Halifax (Kanada) folgte 2011 der Ruf auf die Professor für Didaktik des Englischen am Institute of English Studies an der Leuphana Universität Lüneburg. Seine Forschungsinteressen liegen im Bereich der empirischen Schul- und Unterrichtsforschung, dem Fremdsprachenlernen mit digitalen Medien (Schwerpunkte Mündlichkeitsförderung, Gamification, Adaptivity), Blended Learning Szenarien in der Lehreraus- und -weiterbildung, Projektarbeit und Inszenierungen im Fremdsprachenunterricht. Er ist Leiter des Zukunftzentrums Lehrerbildung der Leuphana Universität, Koordinator des Lüneburger Gesamtprojekts der Qualitätsoffensive Lehrerbildung, Herausgeber eines Mittelstufen-Lehrwerks und Entwickler verschiedener spielerischer Sprachlernumgebung für mobile Endgeräte. Sebastian Stuhlmann studierte Englisch und Spanisch für das Lehramt an Gymnasien an der Justus-Liebig-Universität Gießen. Er arbeitete bis März 2016 als Lehrkraft für besondere Aufgaben am Institut für Anglistik der Justus-Liebig-Universität Gießen im Bereich „Didaktik der englischen Sprache und Literatur“. Seit April 2016 ist er wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für englische Sprache und Literatur der Stiftung Universität Hildesheim. Dort koordiniert er den Masterstudiengang GHR 300 und betreut die angehenden Englischlehrerinnen und -lehrer in der Praxisphase. In seinem Promotionsprojekt, das von der Justus-Liebig-Universität Gießen betreut wird, beforscht er Sprechaufgaben in der gymnasialen Oberstufe. Tamara Zeyer ist als Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl Deutsch als Fremdsprache an der Justus-Liebig-Universität Gießen tätig. Sie hat mehrjährige Unterrichtserfahrung im DaF-Bereich. Darüber hinaus bietet sie Fortbildungen für DaF-Lehrende im Ausland an und leitet Seminare im Rahmen von Weiterbildungskursen der Hessischen Lehrerakademie für Schullehrer. Zu ihren Forschungsschwerpunkten gehören Grammatikvermittlung mit digitalen Medien, Konzeption und Entwicklung digitaler Materialien zum Fremdsprachenlernen. Giessener Beiträge zur Fremdsprachendidaktik ISBN 978-3-8233-8042-9 Dieser Sammelband gibt einen differenzierten Einblick in verschiedene Facetten des interaktiven Fremdsprachenlernens mit digitalen Medien und ist daher für die Fremdsprachenforschung genauso interessant wie für Fremdsprachenlehrkräfte, die mit interaktiven Medien arbeiten. Es werden zunächst relevante Grundbegriffe erklärt und dann exemplarische Anwendungsmöglichkeiten konkret vorgestellt. Die Beiträge sind thematisch vielfältig und decken verschiedene Sprachdidaktiken (z.B. DaF, TEFL) ebenso ab wie unterschiedliche Perspektiven (Hochschullehre, schulischer Unterricht, Lehrerbildung, selbstständiges Lernen).