eBooks

Früher Fremdsprachenerwerb im Elementarbereich

2016
978-3-8233-9058-9
Gunter Narr Verlag 
Heidi Seifert

Die Vorverlegung des Fremdsprachenerwerbs in den Elementarbereich ist eines der erklärten Ziele der europäischen Sprachenpolitik zur Förderung der individuellen Mehrsprachigkeit. Trotz der kontinuierlich steigenden Anzahl bilingualer Kitas in Deutschland fehlte es jedoch bislang an Studien, die die Spracherwerbsbedingungen in den nach der Immersionsmethode arbeitenden bilingualen Einrichtungen explizit untersuchen. Die Studie leistet einen Beitrag zur Aufarbeitung dieses Desiderats, indem Erzieherin-Kind-Interaktionen aus einer interaktionistisch-soziokulturellen Perspektive auf den Spracherwerb beleuchtet und mittels eines videobasierten und mehrschrittigen Forschungsdesigns in einer deutsch-englisch bilingualen Krippe untersucht wurden. Die Erkenntnisse der Studie lassen sowohl Aussagen über die Rahmenbedingungen als auch über die konkrete sprachliche Ausgestaltung der Interaktionsprozesse zu und unterstreichen die Bedeutung sprachlicher Interaktion für den frühkindlichen bilingualen Spracherwerb.

Giessener Beiträge zur Fremdsprachendidaktik Giessener Beiträge Giessener Beiträge zur Fremdsprachendidaktik ISBN 978-3-8233-8058-0 Seifert Früher Fremdsprachenerwerb im Elementarbereich Heidi Seifert Früher Fremdsprachenerwerb im Elementarbereich Eine empirische Videostudie zu Erzieherin-Kind-Interaktionen in einer deutsch-englischen Krippeneinrichtung Die Vorverlegung des Fremdsprachenerwerbs in den Elementarbereich ist eines der erklärten Ziele der europäischen Sprachenpolitik zur Förderung der individuellen Mehrsprachigkeit. Trotz der kontinuierlich steigenden Anzahl bilingualer Kitas in Deutschland fehlte es jedoch bislang an Studien, die die Spracherwerbsbedingungen in den nach der Immersionsmethode arbeitenden bilingualen Einrichtungen explizit untersuchen. Die Studie leistet einen Beitrag zur Aufarbeitung dieses Desiderats, indem Erzieherin-Kind-Interaktionen aus einer interaktionistisch-soziokulturellen Perspektive auf den Spracherwerb beleuchtet und mittels eines videobasierten und mehrschrittigen Forschungsdesigns in einer deutsch-englisch bilingualen Krippe untersucht wurden. Die Erkenntnisse der Studie lassen sowohl Aussagen über die Rahmenbedingungen als auch über die konkrete sprachliche Ausgestaltung der Interaktionsprozesse zu und unterstreichen die Bedeutung sprachlicher Interaktion für den frühkindlichen bilingualen Spracherwerb. Früher Fremdsprachenerwerb im Elementarbereich Heidi Seifert Früher Fremdsprachenerwerb im Elementarbereich Eine empirische Videostudie zu Erzieherin-Kind-Interaktionen in einer deutsch-englischen Krippeneinrichtung Dissertation, Technische Universität Darmstadt, D 17 Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Natio‐ nalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http: / / dnb.dnb.de abrufbar. © 2016 · Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG Dischingerweg 5 · D-72070 Tübingen www.narr.de · info@narr.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Ver‐ lages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Überset‐ zungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Gedruckt auf chlorfrei gebleichtem und säurefreiem Werkdruckpapier. Satz: pagina GmbH, Tübingen Printed in Germany ISBN 978-3-8233-8058-0 1 12 2 19 2.1 19 2.1.1 20 2.1.2 23 2.1.3 25 2.1.4 31 2.2 35 2.2.1 35 2.2.2 39 2.2.3 41 2.3 45 2.3.1 46 2.3.2 51 2.4 56 2.4.1 57 2.4.2 60 2.5 76 3 78 3.1 79 3.1.1 80 3.1.2 87 3.1.3 92 3.2 93 3.2.1 94 3.2.2 96 Inhalt Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Konzeptioneller Bezugsrahmen: Früher Fremdsprachenerwerb im Elementarbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Argumentationslinien für den frühen Fremdsprachenerwerb . Empfehlungen der europäischen Sprachenpolitik: 3-Sprachenformel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Entwicklungspsychologische Argumentation . . . . . . . . . . Neurophysiologische Argumentation . . . . . . . . . . . . . . . . . Bildungspolitische Implikationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bilinguale Kitas in Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Entwicklung und Verbreitung bilingualer Kitas in Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sprachenangebot in bilingualen Kitas . . . . . . . . . . . . . . . . . Überlegungen zur Sprachenwahl und Erwerbsreihenfolge Rahmenbedingungen der vorschulischen Fremdsprachenvermittlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Grundbegriffe der Mehrsprachigkeitsforschung im Kontext der frühen Fremdsprachenvermittlung . . . . . . . . Elementarpädagogische Ansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Methoden der vorschulischen Fremdsprachenvermittlung . . . . Angebotsansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Immersion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abschließende Bemerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Stand der Forschung: Spracherwerb in immersiv-bilingualen Kitas . . . . . Kindliche Sprachentwicklung in immersiv-bilingualen Kitas . . Studien zum L2-Erwerb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Studien zum L1-Erwerb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abschließende Bemerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kontextfaktoren der kindlichen Sprachentwicklung . . . . . . . . . Dauer des Sprachkontakts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Intensität des Sprachkontakts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.3 100 3.2.4 111 3.3 112 4 118 4.1 119 4.1.1 119 4.1.2 122 4.1.3 124 4.1.4 126 4.2 128 4.2.1 129 4.2.2 130 4.2.3 132 4.3 136 5 141 5.1 142 5.1.1 146 5.1.2 148 5.2 151 5.2.1 152 5.2.2 153 5.2.3 159 5.2.4 162 5.2.5 171 5.3 172 5.3.1 172 5.3.2 180 5.4 183 5.4.1 183 5.4.2 189 5.4.3 213 Sprachlicher Input . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abschließende Bemerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ableitung des Forschungsdesiderats und Erkenntnisinteresse der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Spracherwerbstheoretischer Bezugsrahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Interaktionistisch-kognitivistische Ansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . Input-Hypothese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Output-Hypothese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Interaktions-Hypothese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Aufmerksamkeits-Hypothese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Interaktionistisch-soziokulturell orientierte Ansätze . . . . . . . . . Mediation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zone der nächsten Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Scaffolding . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verortung der empirischen Studie und forschungsmethodische Implikationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Empirische Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Forschungsmethodologische Verortung der Studie . . . . . . . . . . Merkmale qualitativer Forschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gütekriterien qualitativer Forschung . . . . . . . . . . . . . . . . . Datenerhebungsinstrumente und Rahmenbedingungen der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Auswahl der Erhebungsinstrumente . . . . . . . . . . . . . . . . . . Videografie als Erhebungsinstrument . . . . . . . . . . . . . . . . . Forschungsfeld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Feldzugang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Konsequenzen für den Einsatz der Videografie im Forschungsfeld Kita . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Durchführung der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Pilotstudie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hauptdatenerhebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Datenauswertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Theoretische Vorüberlegungen zur Datenauswertung . . . Vorgehen bei der Datenauswertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . Güte der Kodierungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 217 6.1 218 6.1.1 220 6.1.2 263 6.1.3 272 6.2 275 6.2.1 276 6.2.2 300 6.2.3 317 6.2.4 344 6.2.5 368 7 372 387 427 4 59 4 60 Ergebnisse der empirischen Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Makroebene: Rahmenbedingungen der Erzieherin-Kind-Interaktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Aktivitäten der Erzieherin-Kind-Interaktionen . . . . . . . . . Sozialformen der Erzieherin-Kind-Interaktionen . . . . . . . Zusammenfassung der Erkenntnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . Mikroebene: Sprachliche Gestaltung der Erzieherin-Kind-Interaktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Merkmale des kindgerichteten sprachlichen Inputs . . . . . Gesprächsevozierende Äußerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kindliche Beteiligung an der Interaktion . . . . . . . . . . . . . . Responsivität und Feedback-Verhalten . . . . . . . . . . . . . . . . Zusammenfassung der Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fazit und Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abbildungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tabellenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vorwort Während der Promotionsphase haben mich zahlreiche Personen begleitet und unterstützt, die entscheidend zum Gelingen dieser Arbeit beigetragen haben. Ihnen möchte ich an dieser Stelle herzlich danken. Zunächst danke ich den Erzieherinnen, Kindern und Eltern des Kinderhauses der TU Darmstadt für ihr entgegengebrachtes Interesse und Vertrauen. Ohne ihre Bereitschaft zur Teilnahme an meiner Studie wäre diese Arbeit nicht mög‐ lich gewesen. Mein besonderer Dank gilt meiner Doktormutter Frau Prof. Dr. Britta Huf‐ eisen. Ich danke ihr für die Möglichkeit der Realisierung meines Forschungs‐ vorhabens, die kontinuierliche Unterstützung und den konstruktiven Austausch von den ersten Ideen bis zur Fertigstellung meines Dissertationsprojektes. Neben der wissenschaftlichen Betreuung möchte ich mich insbesondere für die optimalen Arbeitsbedingungen am Fachgebiet Sprachwissenschaft-Mehrspra‐ chigkeit bedanken, die es mir ermöglicht haben, mich fachlich und persönlich weiterzuentwickeln. Frau Prof. Dr. Nina Janich danke ich für die Übernahme des Zweitgutachtens, für ihr Interesse an meiner Studie sowie für hilfreiche Impulse während der Promotionsphase. Meine Stelle als wissenschaftliche Mitarbeiterin an der TU Darmstadt und die Gelegenheit zur wissenschaftlichen Begleitung des bilingualen TU -Kinder‐ hauses an der Lichtwiese habe ich dem Kanzler der TU Darmstadt, Herrn Dr. Manfred Efinger, zu verdanken, der diese Kooperation initiiert und fortwäh‐ rend gefördert hat. In diesem Zusammenhang habe ich auch educcare, dem Be‐ treiber des bilingualen TU -Kinderhauses für die Möglichkeit der wissenschaft‐ lichen Begleitung und insbesondere die Erlaubnis für die Durchführung der vi‐ deobasierten Datenerhebung in der Einrichtung herzlich zu danken. Während der letzten Jahre habe ich mein Promotionsprojekt auf zahlreichen Tagungen vorstellen dürfen und durch die Diskussion mit verschiedensten FachkollegInnen wegweisende Impulse für meine Arbeit erhalten. Hier danke ich insbesondere der DGFF für die Möglichkeit der Teilnahme an der DGFF -Sommerschule 2012. Bei den HerausgeberInnen der Gießener Beiträge zur Fremdsprachendidaktik möchte ich mich herzlich für die Möglichkeit der Veröffentlichung meiner Ar‐ beit bedanken. Dem Narr Verlag danke ich für die Unterstützung bei der Vor‐ bereitung der Veröffentlichung. Zudem wurde die Publikation dankeswerter‐ weise durch das Team der Gleichstellungsbeauftragten des Fachbereichs 2 der TU Darmstadt in Form eines Druckkostenzuschusses unterstützt. Meinen KollegInnen des Fachgebiets Sprachwissenschaft-Mehrsprachigkeit danke ich für den wissenschaftlichen Austausch und die kollegiale Zusammen‐ arbeit in den letzten Jahren. Ihre Rückmeldungen zu früheren Versionen des Manuskripts haben wesentlich zur Fertigstellung der Arbeit beigetragen. Mein persönlicher Dank gilt meinen Freunden und meiner Familie, die mich während der Promotionsphase stets unterstützt haben. Abkürzungsverzeichnis In der vorliegenden Arbeit werden neben den gebräuchlichen Abkürzungen (u. a., d. h., vgl., z. B., etc.) folgende Begriffe in abgekürzter Form verwendet: DaF Deutsch als Fremdsprache DaZ Deutsch als Zweitsprache E Erzieherin K Kind Kita Kindertagesstätte L1 Erstsprache L2 Zweit- und Fremdsprache L3 / L4 weitere Sprachen U3-Bereich Der Begriff bezieht sich im bildungspolitischen Diskurs auf Betreuungsangebote, die sich speziell an die Altersgruppe der unterdreijährigen Kinder richten. ZPD zone of proximal development 1 Der Begriff umfasst zum einen die in Kindertageseinrichtungen betreuten Kinder, schließt aber auch Kinder ein, die in der Tagespflege, d. h. bei einer Tagesmutter oder einem Tagesvater, betreut werden (vgl. Statistische Ämter des Bundes und der Länder 2014: 7). 2 In dieser, von der OECD durchgeführten Studie wurden die Kinderbetreuungssysteme verschiedener Länder miteinander verglichen (vgl. OECD 2006). 1 Einleitung Die Anzahl der Kleinkinder, die in Einrichtungen des Elementarbereichs betreut werden, steigt kontinuierlich an (vgl. Datler et al. 2012: 59; Jooß-Weinbach 2012: 119). Im Jahr 2014 wurden bereits 32,3 % der unterdreijährigen Kinder außer‐ häuslich betreut 1 (vgl. BMFSFJ 2014: o. A.). Im Vergleich zu den Vorjahren (29,3 % im März 2013 und 27,6 % im März 2012; Statistische Ämter des Bundes und der Länder 2014: 7) ist der Anteil damit erneut deutlich angestiegen. Diese starken Zuwachsquoten sind vor allem auf den zum 1. August 2013 gesetzlich verankerten Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz ab dem vollendeten ersten Lebensjahr eines Kindes (vgl. § 24 des SGB VIII ) zurückzuführen. Infolge der kontinuierlich steigenden Betreuungsquote und dem Ausbau an Betreuungsplätzen insbesondere für die Altersgruppe der Unterdreijährigen (=U3) ist die frühkindliche Bildung in den vergangenen Jahren zunehmend in den Mittelpunkt des öffentlichen und bildungspolitischen Interesses gerückt (vgl. Viernickel et al. 2012: 11). Die Diskussion ist dabei in erster Linie von dem Bildungsdiskurs und der Qualitätsdebatte gekennzeichnet. Bereits durch die Anerkennung des Kindergartens als erste Stufe des Bil‐ dungssystems durch den vorgelegten Strukturplan für das Bildungswesen im Jahr 1970 (vgl. Wehrmann 2006: 59), spätestens aber infolge internationaler Ver‐ gleichsstudien wie PISA (u. a. Baumert et al. 2001) oder Starting Strong 2 (vgl. OECD 2006), wird deutlich, dass der Anspruch an vorschulische Institutionen nicht länger auf eine reine Betreuungsfunktion reduziert, sondern um einen Bildungsauftrag erweitert werden muss (vgl. Reyer / Franke-Meyer 2008: 892). Als Konsequenz aus diesem „Bildungsschock“ (Beyer 2013: 29; Klemm 2003: 24) wurde die Forderung laut, dass Kindertageseinrichtungen fortan als Bil‐ dungseinrichtungen verstanden werden müssten (Fthenakis 2003), um die Ef‐ fekte sozialer Ungleichheit zu einem möglichst frühen Zeitpunkt abfedern zu können. Als konkrete Maßnahme wurden von den einzelnen Bundesländern 3 Die Fachkraft-Kind-Relation, auch als Betreuungsschlüssel bezeichnet, beschreibt das Zahlenverhältnis, für wie viele Kinder jeweils eine pädagogische Fachkraft durch‐ schnittlich zur Verfügung steht (vgl. Viernickel / Schwarz 2009: 8). Bildungs- und Erziehungspläne für den Elementarbereich sowie zusätzlich von der Jugendministerkonferenz und Kultusministerkonferenz ein gemeinsamer Rahmen der Länder für die frühe Bildung in Kindertageseinrichtungen erar‐ beitet (vgl. Jugendministerkonferenz / Kultusministerkonferenz 2004). In der Folge wurde der vorschulische Bildungsbereich „mit eigenen Aufgabenstel‐ lungen, Institutionen und eigener Professionalisierung“ (Schäfer 2005: 62) an‐ erkannt. Der den Bildungs- und Erziehungsplänen der Länder zugrunde lie‐ gende Bildungsbegriff orientiert sich vor allem an dem Konzept des Ko-Konstruk‐ tivismus, welcher Interaktionsprozesse zwischen Kindern und Erwachsenen in den Fokus des kindlichen Bildungsverständnisses rückt (vgl. Jugendminister‐ konferenz / Kultusministerkonferenz 2004: 3; u. a. Hessisches Ministerium für Soziales und Integration 2014: 89). Der Ko-Konstruktivismus konzeptualisiert kindliche Bildung dementsprechend als einen Prozess, „der nicht von der sozi‐ alen Lebenswelt des Kindes getrennt werden kann“ (Fthenakis 2004: 13) und „notwendigerweise entwicklungs- und kompetenzfördernde Interaktionen ent‐ halten“ (ebd.) muss. Der gemeinsame Dialog und ko-konstruktive Prozesse zwi‐ schen pädagogischer Fachkraft und Kind werden demnach als Schlüsselvari‐ ablen bei der Vergabe vorschulischer Bildungsmöglichkeiten und -chancen identifiziert (vgl. König 2006: 5; Remsperger 2011: 20). Als weitere, die derzeitige Diskussion um die frühkindliche Betreuung do‐ minierende Diskurslinie wird erörtert, welche qualitativen Rahmenbedin‐ gungen in vorschulischen Einrichtungen gegeben sein müssen, damit der skiz‐ zierte Bildungsanspruch in der elementarpädagogischen Praxis umgesetzt werden kann. In diesem Zusammenhang stellte Tietze (1998) erstmals die Frage: „Wie gut sind unsere Kindergärten? “, die - auch motiviert durch den 1996 in Kraft getretenen Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz ab dem volle‐ ndeten dritten Lebensjahr (vgl. § 24 des SGB VIII ) - den Ausgangspunkt der fortwährend andauernden Qualitätsdebatte im Elementarbereich bildet. Wid‐ mete sich diese in ihren Ursprüngen vorrangig strukturellen Qualitätsdimensi‐ onen, wie beispielsweise der Ausstattung einer Einrichtung oder der Fach‐ kraft-Kind-Relation 3 , ist in den letzten Jahren eine zunehmende Fokussierung prozessualer Faktoren, die das konkrete pädagogische Handeln der Erziehe‐ 1 Einleitung 13 4 In der vorliegenden Arbeit spreche ich von ErzieherInnen, wenn ich mich auf pädago‐ gische Fachkräfte im Allgemeinen und sowohl auf weibliche als auch auf männliche Fachkräfte beziehe. Bezieht sich die Darstellung konkret auf die Fachkräfte des unter‐ suchten bilingualen TU-Kinderhauses, dies ist insbesondere bei der Beschreibung der empirischen Untersuchung (vgl. Kapitel 5) sowie der Ergebnisdarstellung (vgl. Ka‐ pitel 6) der Fall, spreche ich von Erzieherinnen bzw. der einzelnen Erzieherin, da an der durchgeführten Videostudie ausschließlich weibliche Fachkräfte beteiligt waren. rInnen 4 in den Einrichtungen in den Blick nehmen, zu beobachten (vgl. König 2007: 5). Die Prozessqualität wird dabei definiert als „das Gesamt der Interakti‐ onen und Erfahrungen, die das Kind in der Kindergartengruppe mit seiner so‐ zialen und räumlich-materiellen Umwelt macht“ (Tietze et al. 1998: 21 f.). Neuere Studien legen nahe, dass die verbale Interaktion zwischen ErzieherIn und Kind innerhalb der Prozessqualität den für die pädagogische Qualität einer Einrich‐ tung sowie die kindlichen Bildungschancen ausschlaggebenden Qualitätsaspekt bilden (siehe z. B. die Studie Effective Provision of Preschool Education von Sylva et al. 2003 oder Effective Pedagogy in the Early Years von Siraj-Blatchford et al. 2002). Neben der Bildungsdiskussion und Qualitätsdebatte, die die Bedeutung sozi‐ aler Interaktion von ErzieherIn und Kind für die Qualität frühkindlicher Bil‐ dungsprozesse betonen, nehmen auch die Forderungen der europäischen Spra‐ chenpolitik zunehmend Einfluss auf die aktuellen Entwicklungen im Elemen‐ tarbereich. Die sprachenpolitischen Bemühungen der Europäischen Union wurden in dem 1996 veröffentlichten Weißbuch erstmalig als sogenannte 3-Sprachenformel, verstanden als „die Fähigkeit zu Kommunikation in mindes‐ tens zwei Gemeinschaftssprachen neben seiner Muttersprache zu erwerben und zu erhalten“ (Europäische Kommission 1996: 62), konkretisiert. Ausgehend von der Bedeutung der Fremdsprachenkenntnisse ist es zur Umsetzung der europa‐ politischen Ziele und insbesondere der 3-Sprachenformel erforderlich, „dass das Sprachenlernen schon im Kindergarten und in der Grundschule wirksam wird“ (Kommission der Europäischen Gemeinschaften 2003: 8; siehe auch Europäische Kommission 1996: 62). Die Forderung nach einer Vorverlegung des Erwerbsbe‐ ginns in den vorschulischen Bildungssektor spiegelt sich in der zunehmenden Anzahl bilingualer Kitas in Deutschland wider, die sich in den letzten zehn Jahren, von 340 im Jahr 2004 auf 1035 im Jahr 2014, mehr als verdreifacht hat (vgl. FMKS 2014: 1). In diesen Einrichtungen wird der Kontakt zu einer weiteren Sprache über die Methode der Immersion (dt. „Sprachbad“ vgl. Genesee 1987; Wode 1995; Zydatiß 2000) hergestellt, so dass die neue Sprache als authentisches Kommunikationsmedium bzw. Arbeitssprache, mit der alle Aktivitäten und Handlungen des bilingualen Kita-Alltags versprachlicht werden, genutzt wird 1 Einleitung 14 (vgl. Kersten et al. 2010a: 103; Kersten 2012: 29; Steinlen et al. 2013: 79). Die Spracherwerbsbedingungen, die die Kinder in den nach der Immersionsmethode arbeitenden bilingualen Kitas vorfinden, werden damit in einem hohen Maße von den einzelnen Fachkräften sowie den konkreten sprachlichen Erfahrungen, die die Kinder in der Interaktion mit den fremdsprachigen ErzieherInnen sam‐ meln, beeinflusst (u. a. Nauwerck 2005: 162 f.). Demzufolge nehmen insbeson‐ dere der kindgerichtete sprachliche Input und das sprachliche Interaktionsver‐ halten der Fachkräfte eine Schlüsselrolle für die Umsetzung bzw. das Gelingen der vorschulischen immersiven Vermittlung einer ersten Fremdsprache ein (vgl. Weitz et al. 2010; Weitz 2012; Weitz 2015). Dennoch stellt die gezielte Erfor‐ schung der sprachlichen Merkmale von Interaktionsprozessen zwischen Erzie‐ herInnen und Kindern in immersiven Kitas ein bislang wenig beachtetes For‐ schungsgebiet dar. Auf dieses Desiderat machen VertreterInnen wie Kersten et al. aufmerksam, indem sie darauf hinweisen, dass „only little research has so far been carried out in a preschool immersion context and the findings on L2 pre‐ school teachers’ strategies are rather unstructured and impressionist in nature“ (2010a: 103). Vor dem Hintergrund der die derzeitige Debatte um die frühkindliche Be‐ treuung dominierenden Bildungsdiskussion und Qualitätsdebatte, die die so‐ ziale Interaktion zwischen ErzieherIn und Kind übereinstimmend als entscheid‐ enden Einflussfaktor für die Qualität vorschulischer Bildung benennen, wird die Bedeutung sprachlicher Interaktion für die Umsetzung der Immersionsmethode, bei der sich die Vermittlung und Aneignung von Sprache ausschließlich in all‐ tagsintegrierten und authentischen Interaktionskontexten zwischen ErzieherIn und Kind vollzieht, zusätzlich unterstrichen. Da es sich bei dem institutionellen vorschulischen Fremdsprachenerwerb um ein relativ junges Phänomen handelt, stellt die Erforschung jener Interaktionsprozesse in immersiv-bilingualen Ein‐ richtungen des Elementarbereichs jedoch zugleich ein bislang weitgehend un‐ erforschtes Gebiet dar. Die vorliegende Arbeit knüpft an dieses Desiderat an und möchte einen ersten Beitrag zur Aufarbeitung dieser Forschungslücke leisten, indem hier sprachliche Interaktionen zwischen ErzieherIn und Kind in einer immersiv-bilingualen Krippeneinrichtung aus einer interaktionistisch-sozio‐ kulturellen Perspektive untersucht wurden. Dazu wurde das Forschungsfeld, das deutsch-englisch bilinguale Kinderhaus der Technischen Universität Darm‐ stadt, zunächst mittels teilnehmender Beobachtung erkundet und nach einer Pilotierungsphase, in der ein auf die Erhebungsbedingungen abgestimmtes vi‐ deobasiertes Aufnahmekonzept entwickelt wurde, schließlich ein Videodaten‐ korpus von Erzieherin-Kind-Interaktionen während der Freispielzeit erhoben. Mithilfe eines qualitativ orientierten und mehrschrittigen Auswertungsdesigns 1 Einleitung 15 wurden verschiedene Ebenen der natürlichen Interaktionsdaten untersucht, so dass die Ergebnisse der Studie sowohl Aussagen über die Rahmenbedingungen von Interaktionsprozessen im bilingualen Krippenbereich als auch über das konkrete sprachliche Handeln der AkteurInnen in verschiedenen Kommunika‐ tionssituationen zulassen. Da die Ergebnisse der Arbeit dezidiert beschreiben, wie sprachliche Interaktionsprozesse zwischen den Erzieherinnen und Kindern in der immersiv-bilingualen Krippeneinrichtungen des bilingualen TU -Kinder‐ hauses gestaltet sind, leistet die Studie einen erstmaligen empirisch fundierten Einblick in die Möglichkeiten und Bedingungen der Umsetzung der Immersi‐ onsmethode in Krippeneinrichtungen für unterdreijährige Kinder, der bislang noch nicht Gegenstand wissenschaftlicher Forschungsaktivitäten war. Zudem reihen sich die Ergebnisse in die aktuelle Bildungs- und Qualitätsdebatte ein, indem sie ErzieherInnen und ihr Interaktionsverhalten als zentralen Bezugs‐ rahmen für frühkindliche (sprachliche) Bildungsprozesse herausstellen und damit einen Beitrag zum öffentlichen Diskurs um die Möglichkeiten und Be‐ dingungen der sprachlichen Bildung im U3-Bereich leisten. Darüber hinaus können die Ergebnisse dieser Arbeit womöglich auch erste Anhaltspunkte für die Entwicklung von Weiterbildungs- und Qualifizierungsmaßnahmen für pä‐ dagogisches Personal in bilingualen Kitas liefern und damit auch eine praktische Relevanz für das untersuchte Feld bieten. Das skizzierte Erkenntnisinteresse spiegelt sich auch in dem Aufbau der vorliegenden Arbeit wider, so dass der Studie die folgende Gliederung zugrunde liegt: Kapitel 2 steckt den theoretischen Bezugsrahmen der Studie ab, indem es die Rahmenbedingungen sowie die Umsetzung des frühen Fremdsprachener‐ werbs im Elementarbereich beschreibt. Dazu werden einleitend die verschie‐ denen Argumentationslinien, die für den vorschulischen Erwerb einer ersten Fremdsprache sprechen, kritisch nachgezeichnet, bevor die derzeitige Verbrei‐ tung bilingualer Kitas in Deutschland sowie das in diesen Einrichtungen beste‐ hende Sprachenangebot diskutiert werden. In diesem Zusammenhang werden auch Überlegungen zu Sprachenwahl und Erwerbsreihenfolge angestellt. Ein weiterer Schwerpunkt des Kapitels liegt auf der Darstellung der methodischen Umsetzung des frühen Fremdsprachenerwerbs. Hierzu werden zunächst die konstitutiven Merkmale der Angebotsansätze und der Immersionsmethode als die derzeit verbreitetsten Spracherziehungskonzepte vergleichend beschrieben sowie herausgestellt, dass die Immersion ein Eintauchen in die neue Sprache ermöglicht (vgl. Kersten 2012: 29). Die Immersion stellt, da die natürlichen kind‐ lichen Sprachlernfähigkeiten des Kindes aktiviert und auf die explizite Vermitt‐ lung sprachlicher Strukturen verzichtet werden kann (vgl. Wode 2009: 74), einen 1 Einleitung 16 kindgerechten Zugang zu einer ersten Fremdsprache im Elementarbereich dar, so die zentralen Erkenntnisse des Kapitels. Vor diesem theoretischen Hintergrund führt Kapitel 3 zentrale Forschungs‐ ergebnisse zu dem Themenbereich des Spracherwerbs in immersiv-bilingualen Kitas zusammen. Präsentiert werden zunächst wissenschaftliche Erkenntnisse, die die Perspektive der kindlichen Sprachentwicklung fokussieren und empiri‐ sche Anhaltspunkte liefern, wie sich die erste Fremdsprache, aber auch die Erst‐ sprache eines Kindes unter den immersiven Erwerbsbedingungen einer bi-lin‐ gualen Kita entwickelt. Anschließend werden Studien vorgestellt, die die Kon‐ textfaktoren des immersiven Spracherwerbs in den Fokus nehmen. Hier werde ich schwerpunktmäßig empirische Vorarbeiten zu dem Faktor des sprachlichen Inputs diskutieren, die einen zentralen Bezugspunkt für die vorliegende Arbeit bilden. Aus der Zusammenschau des bisherigen Forschungsstandes, der ver‐ deutlicht, dass der sprachliche Input ein für die kindliche Sprachentwicklung in den bilingualen Einrichtungen wesentlicher Einflussfaktor ist (vgl. Weitz et al. 2010; Weitz 2012; Weitz 2015), leiten sich schließlich die Forschungsfragen und das der Studie zugrunde liegende Erkenntnisinteresse ab. In Kapitel 4 werde ich die Forschungsstudie ausgehend von dem zuvor her‐ geleiteten Erkenntnisinteresse sowie den Forschungsfragen spracherwerbsthe‐ oretisch verorten. Dazu werden zunächst relevante spracherwerbstheoretische Ansätze, der interaktionistisch-kognitivistische sowie der interaktionistisch-so‐ ziokulturelle Ansatz, vorgestellt und die Gemeinsamkeiten und Unterschiede dieser beiden theoretischen Positionen herausgearbeitet, um die Arbeit schließ‐ lich in diesem spracherwerbstheoretischen Bezugsrahmen zu positionieren. Hier wird deutlich, dass insbesondere die interaktionistisch-soziokulturellen Ansätze, die den Spracherwerb als „a co-construction of linguistic knowledge in dialogue“ (Swain / Lapkin 1998: 321) und damit als einen primär sozialen Pro‐ zess konzeptualisieren sowie das in der soziokulturellen Theorie beschriebene scaffolding, verstanden als Maßnahmen der sprachlichen Unterstützung und Hilfestellung, die den Lernenden in der Interaktion von den kompetenteren KommunikationspartnerInnen angeboten werden (vgl. Gibbons 2009: 15; Wood et al. 1976: 90), eine geeignete Beschreibungsgrundlage für Interaktionsprozesse in immersiv-bilingualen Krippen bilden. Aus dieser Verortung leiten sich zudem bereits erste forschungsmethodische Implikationen ab, so dass das Kapitel zu‐ gleich die Schnittstelle zwischen Forschungsstand und der empirischen Studie darstellt. Die Genese und Durchführung der empirischen Studie sind Gegenstand des fünften Kapitels. Dieses legt zunächst die forschungsparadigmatische Veror‐ tung der Studie dar und diskutiert dann die sich aus dieser methodologischen 1 Einleitung 17 Positionierung ergebenden Gütekriterien. Im Sinne der intersubjektiven Nach‐ vollziehbarkeit werden anschließend die Auswahl des Datenerhebungsinstru‐ mentes in Abhängigkeit von dem Erkenntnisinteresse der Arbeit begründet und die Merkmale des Instrumentes der Videografie erörtert sowie die Vorzüge und Grenzen der Methode im Vergleich mit alternativen Vorgehensweise diskutiert. An diese theoretischen Vorüberlegungen schließt sich die Beschreibung des Forschungsfeldes und des Feldzugangs mittels teilnehmender Beobachtung sowie der Pilotstudie, in dessen Rahmen ein videobasiertes Aufnahmekonzept im Feld entwickelt und erprobt wurde, an. Zudem werde ich einen retrospek‐ tiven Blick auf den Einsatz der Videografie in der Datenerhebung werfen. Die Auswertungsmethoden werden zunächst als theoretische Vorüberlegungen vor‐ gestellt, bevor die konkreten einzelnen Schritte der Datenaufbereitung und Da‐ tenanalyse des endgültigen Auswertungsdesigns dargestellt werden. Die Ergebnisse der empirischen Studie werden schließlich in Kapitel 6 vor‐ gestellt. Die Abfolge der Ergebnisdarstellung orientiert sich dabei an den lei‐ tenden Forschungsfragen sowie dem mehrstufigen Auswertungsprozess. Dem‐ entsprechend präsentiert das Kapitel zunächst die Ergebnisse der ersten Teil‐ analyse, die die Erzieherin-Kind-Interaktionen aus einer makroanalytischen Perspektive betrachtet, indem die aktivitätsbasierten und sozialen Rahmenbe‐ dingungen der Interaktion als erste Annäherung an den Forschungsgegenstand identifiziert und beschrieben werden. Auf dieser Grundlage werden die Ergeb‐ nisse der Mikroanalyse als zweitem Auswertungsschritt präsentiert. In diesem Zusammenhang werden die sprachliche Gestaltung verschiedener Interakti‐ onssituationen und insbesondere das sprachliche Interaktionsverhalten der deutsch- und englischsprachigen Erzieherinnen anhand verschiedener Trans‐ kriptbelege rekonstruiert. Die Ergebnisse dieses Analyseschritts veranschauli‐ chen nicht nur, dass sich der kindgerichtete sprachliche Input der untersuchten Erzieherinnen durch spezifische Merkmale auszeichnet, die Erzieherinnen die Kinder auf vielfältige Weise zur verbalen Interaktion animieren sowie responsiv auf die kindlichen Interaktionsversuche reagieren, sondern greifen auch die Möglichkeiten der kindlichen Interaktionsbeteiligung auf, indem die verschie‐ denen nonverbalen und verbalen Mittel der Partizipation beschrieben werden. Die Arbeit schließt mit einer zusammenfassenden Diskussion der Analyseer‐ gebnisse und einer Rückbindung der Erkenntnisse an den eingangs dargelegten Forschungsstand zum frühen Fremdsprachenerwerb (Kapitel 7). Aus dieser Einordnung der Erkenntnisse ergeben sich wiederum Perspektiven zukünftiger Forschung, für die die vorliegende Arbeit als Ausgangspunkt dienen könnte. Diese werden in Form eines Ausblicks aufgezeigt. 1 Einleitung 18 2 2.1 Konzeptioneller Bezugsrahmen: Früher Fremdsprachenerwerb im Elementarbereich Im Rahmen dieses Kapitels wird das Phänomen des frühen Fremdsprachener‐ werbs im Elementarbereich, das den konzeptionellen Bezugsrahmen dieser em‐ pirischen Studie bildet, vorgestellt. Die Ausführungen stellen die inhaltliche Einführung in die Thematik dar, die den RezipientInnen der vorliegenden Arbeit zunächst eine thematische Einordnung der durchgeführten empirischen Studie ermöglichen soll. Argumentationslinien für den frühen Fremdsprachenerwerb Die Diskussion um den Erwerb mehrerer Sprachen in der frühen Kindheit er‐ streckt sich auf einem Kontinuum an Argumenten, deren Extrempole von un‐ kritischer Begeisterung bis hin zu kompletter Ablehnung gegenüber jeglicher Form vorschulischen Fremdsprachenkontakts reichen. Ängste und Vorurteile referieren zumeist auf eine mögliche Beeinträchtigung der Erstsprache (vgl. Wode 2009: 5) und befürchtete Defizite in der kognitiven Entwicklung der Kinder (vgl. ebd.: 51). So sind Forderungen wie: „Die Kinder sollen erstmal richtig Deutsch lernen“ (Huppertz 2001: 31) zwar aus wissenschaftlicher Per‐ spektive nicht mehr haltbar, im öffentlichen Diskurs jedoch nach wie vor fest verankert. Dementsprechend halten sich die vermeintlichen Risiken, die von einem frühen und vorschulischen Erwerbsbeginn einer weiteren Sprache aus‐ gehen, hartnäckig. Jene Haltungen speisen sich zumeist aus den immer noch weit verbreiteten „monolingualen Fiktionen“ (Tracy / Gawlitzek-Maiwald 2000: 500; vgl. dazu auch der „monolinguale Habitus“ bei Gogolin 1994), die, unge‐ achtet der Tatsache, dass die Mehrheit der Menschen auf dieser Welt mehrspra‐ chig aufwächst (vgl. Rohde / Steinlen 2013: 8), die individuelle Zwei- und Mehr‐ sprachigkeit als „eine Art kognitiven Ausnahmezustand“ (Tracy / Gawlitzek- Maiwald 2000: 500) modellieren. Auf der anderen Seite spiegelt auch die Posi‐ tivhaltung „Je früher desto besser“ (u. a. Sopata 2010: 95) eine Ausprägung der derzeitigen gesellschaftlichen Rezeption des Fremdsprachenfrühbeginns wider. Eine Legitimation findet der frühe Fremdsprachenerwerb zudem in dem (elter‐ 5 In Kapitel 2.3.1 werden die Grundbegriffe der Mehrsprachigkeitsforschung (u. a. Fremd‐ sprache, Zweitsprache, etc.) vorgestellt und deren Verwendung im Kontext der frühen Fremdsprachenvermittlung diskutiert. 2.1.1 lichen) Motiv, Kindern durch den frühen Kontakt zu einer Fremdsprache 5 einen gewissen Bildungsvorsprung an den weiterführenden Schulen verschaffen zu wollen (vgl. Wode 2009: 16), was laut Wode (2006: 2) „sicherlich ein lohnendes Ziel, aber nicht das entscheidende“ sein sollte. Während sich die gesellschaftliche Akzeptanz des Fremdsprachenfrühbe‐ ginns äußerst facettenreich bzw. widersprüchlich darstellt, bleiben die tatsäch‐ lichen Argumente, die einen bereits vorschulischen Kontakt zu einer weiteren Sprache nahelegen, in dieser Diskussion hingegen oft verschleiert. Die an der Erforschung frühkindlicher Mehrsprachigkeit beteiligten Fachdisziplinen sollten sich hinsichtlich der Legitimation des vorschulischen Erwerbs von meh‐ reren Sprachen in der Pflicht sehen und in den öffentlichen Diskurs einbringen sowie zu einer wissenschaftsbasierten Aufklärung beitragen (vgl. Tracy / Gaw‐ litzek-Maiwald 2000: 528). Von diesem Anspruch ausgehend werden im Fol‐ genden die wesentlichen Argumentationslinien, die für einen vorschulischen Kontakt zu weiteren Sprachen sprechen, kritisch nachgezeichnet und unter Be‐ zugnahme auf die verschiedenen beteiligten Bezugsdisziplinen erörtert. Empfehlungen der europäischen Sprachenpolitik: 3-Sprachenformel Angesichts der zunehmenden Globalisierung sowie der Internationalisierung der Arbeitsmärkte gewinnt die individuelle Mehrsprachigkeit insbesondere im zusammenwachsenden Europa an Bedeutung. Die Fähigkeit, neben der eigenen Erstsprache weitere Sprachen zu verstehen und sich in diesen zu verständigen, bildet daher „eine Grundkompetenz für alle europäischen Bürger“ (vgl. Kom‐ mission der Europäischen Gemeinschaften 2003: 4). Die tatsächlichen Kompe‐ tenzen einer Vielzahl der EU -BürgerInnen sind von dieser Grundkompetenz je‐ doch weit entfernt. In Europa ist derzeit nicht nur eine äußerst ungleichmäßige Verteilung der Sprachenkenntnisse auf Länder und gesellschaftliche Gruppie‐ rungen zu konstatieren, sondern auch die Tatsache, dass sich das Sprachenre‐ pertoire hauptsächlich auf die Sprachen Englisch, Französisch, Deutsch und Spanisch konzentriert, kritisch zu sehen (vgl. ebd.). Da das Erlernen einer ein‐ zigen lingua franca jedoch für eine erfolgreiche Verständigung dauerhaft nicht ausreichend ist und zudem dem Gedanken der europäischen Identität wider‐ strebt, setzt sich die europäische Bildungs- und Sprachenpolitik aktiv für die 2 Konzeptioneller Bezugsrahmen: Früher Fremdsprachenerwerb im Elementarbereich 20 6 Gleichzeitig zeigen neuere Umfragen, dass die EU-BürgerInnen von dem Ziel der 3-Sprachenformel noch weit entfernt sind. So gaben im Jahr 2012 46 % der Europä‐ erInnen an, lediglich eine Sprache, d. h. ihre Erstsprache zu sprechen; nur 25 % verfügen über Kompetenzen in mehr als eine Fremdsprache (vgl. TNS 2012: 15). Förderung der individuellen Mehrsprachigkeit der EU -BürgerInnen ein. Die konkreten Forderungen sind mehrfach in offiziellen Dokumenten festgehalten, von denen die zentralen im Folgenden vorgestellt werden. In der Chronologie der sprachenpolitischen Beschlüsse (für einen detaillier‐ teren Überblick siehe z. B. Pilypaityte 2009) markiert vor allem das Jahr 1996 einen ersten und für die europäische Sprachenpolitik einflussreichen ersten Meilenstein. Mit der Verabschiedung des Weißbuchs zur allgemeinen und be‐ ruflichen Bildung, „Lehren und Lernen. Auf dem Weg zur kognitiven Gesell‐ schaft“, wird die Bedeutung von Fremdsprachenkenntnissen im zusammen‐ wachsenden Europa explizit hervorgehoben und die damit verbundenen Ziel‐ setzungen, dass alle EU -BürgerInnen drei Gemeinschaftssprachen beherrschen sollen (vgl. Europäische Kommission 1996: 62), konkretisiert. Verstanden wird unter diesem übergeordneten Leitgedanken, der von Wode (vgl. 2009: 17) in der sogenannten 3-Sprachenformel kondensiert wurde, „die Fähigkeit zur Kommu‐ nikation in mindestens zwei Gemeinschaftssprachen neben seiner Mutter‐ sprache zu erwerben und zu erhalten“ (Europäische Kommission 1996: 62) 6 . In diesem Zusammenhang spricht sich die Europäische Kommission in dem Weiß‐ buch zudem eindeutig gegen die sogenannte Elitezweisprachigkeit aus, d. h. die Möglichkeit zum Erlernen weiterer Fremdsprachen und die Realisierung der 3-Sprachenformel soll für alle EU -BürgerInnen unabhängig von ihrem Bil‐ dungs- oder Ausbildungsweg Gültigkeit besitzen und nicht ausschließlich einer privilegierten Minderheit oder geografisch mobilen Personengruppen offen‐ stehen (vgl. ebd.). Um diese sprachenpolitischen Ziele in der Praxis der Fremdsprachenausbil‐ dung der einzelnen Länder umzusetzen, wurden erste Ansätze formuliert. Dazu heißt es im Weißbuch konkret: Die Erfahrung zeigt, dass ein möglichst frühzeitiger Beginn ein nicht zu vernachläs‐ sigender Faktor für den Erfolg in der Schule ist. Der Kontakt zu einer anderen Sprache ist mit der Beherrschung der Muttersprache nicht nur vereinbar, sondern fördert diese sogar noch. Er bringt die geistige Entwicklung und Regsamkeit zur vollen Entfaltung (ebd.). 2.1 Argumentationslinien für den frühen Fremdsprachenerwerb 21 Und weiter: Will man nun die tatsächliche Beherrschung von drei Gemeinschaftssprachen errei‐ chen, wäre es wünschenswert, bereits im Kindergarten mit dem Erlernen einer Fremd‐ sprache zu beginnen. Es erscheint unabdingbar, dass dieser Unterricht in der Primar‐ stufe systematisch erfolgt und die zweite Fremdsprache in der Sekundarstufe ange‐ gangen wird (ebd.). Der frühe und vorschulische Fremdsprachenerwerb wird damit von der EU als eine konkrete und entscheidende Maßnahme genannt, um das übergeordnete Ziel der 3-Sprachenformal realisieren zu können. Auch erste praktische und bildungspolitische Implikationen, wie die Forderung nach einer systematischen Weiterführung einer im Elementarbereich erworbenen Sprache in der Primar‐ stufe, werden hier bereits angedeutet. Einen für die Thematik des frühen Fremdsprachenerwerbs weiteren wich‐ tigen sprachenpolitischen Schritt stellt die Verabschiedung des „Aktionsplans zur Förderung des Sprachenlernens und der Sprachenvielfalt“ (Kommission der Europäischen Gemeinschaften 2003) dar. Die im Weißbuch erstmals formulierte 3-Sprachenformel wird auch in dem Aktionsplan aufgegriffen und ihre Reali‐ sierung als Notwendigkeit für ein zusammenwachsendes Europa betont. Um dieses „ehrgeizige Ziel“ (ebd.: 4) zu erreichen, zeigt der Aktionsplan in Bezug auf den Fremdsprachenfrühbeginn die folgenden Maßnahmen auf: Für die Mitgliedsstaaten ist es vorrangig, sicherzustellen, dass das Sprachenlernen schon im Kindergarten und in der Grundschule wirksam wird, denn bereits hier werden die entscheidenden Einstellungen gegenüber anderen Sprachen und Kulturen ausgebildet und die Fundamente für den späteren Fremdsprachenerwerb gelegt. Der Europäische Rat in Barcelona forderte ‛die Verbesserung der Aneignung von Grund‐ kenntnissen, insbesondere durch Fremdsprachenunterricht in mindestens zwei Spra‐ chen vom jüngsten Kindesalter an’ (ebd.: 8). Die Formulierung des Aktionsplans betont neben der allgemeinen Bedeutung eines frühen Fremdsprachenbeginns auch die Wegbereiterfunktion, die dem frühen Fremdsprachenerwerb für das lebenslange Lernen zukommt. Zudem wird dem vorschulischen Fremdsprachenerwerb innerhalb des Aktionsplans eine prägende Funktion bezüglich der Entwicklung von Einstellungen gegen‐ über Sprachen und Kulturen zugesprochen. Die Entwicklungen der europäischen Sprachenpolitik spiegeln insgesamt ein zunehmendes Bewusstsein der Relevanz von Fremdsprachenkenntnissen und des Beherrschens mehrerer Gemeinschaftssprachen als unabdingbare Voraus‐ setzungen, um die neuen Möglichkeiten der räumlichen Mobilität, wie das Ar‐ beiten oder Studieren in anderen Mitgliedsstaaten, ausschöpfen zu können, 2 Konzeptioneller Bezugsrahmen: Früher Fremdsprachenerwerb im Elementarbereich 22 7 Obwohl dem Aspekt der Motivation eine nicht zu unterschätzende Bedeutung für den Spracherwerbsprozess zugesprochen wird, bleibt das Konstrukt der Motivation den‐ noch wenig greifbar: Es fehlt auch in der Fachliteratur an eindeutigen und verbindlichen Definitionen (vgl. Kleppin 2001: 219). 2.1.2 wider. Im Sinne der europäischen Identität und kulturellen Vielfalt kann die Förderung mehrsprachiger Kompetenzen darüber hinaus einen wichtigen Bei‐ trag zur längerfristigen und nachhaltigen Völkerverständigung leisten. Für die Thematik der vorliegenden Arbeit stellen die sprachenpolitischen Entwick‐ lungen auf europäischer Ebene insofern einen wichtigen Bezugsrahmen dar, als dass diese die Vorverlegung des Fremdsprachenbeginns in den Elementarbe‐ reich als explizite bildungspolitische Maßnahme benennen, die es zu ergreifen gilt, um die individuelle Mehrsprachigkeit als übergeordnete sprachenpolitische Zielsetzung langfristig und systematisch zu fördern. Die VertreterInnen der eu‐ ropäischen Sprachenpolitik bekennen sich in den offiziellen Dokumenten mehr‐ fach zu der Notwendigkeit und den Potenzialen des vorschulischen Fremdspra‐ chenerwerbs im Elementarbereich. Dadurch wird die Bedeutung der Institution Kindergarten als Ort sprachlicher Bildung aufgezeigt und dem vorschulischen Bildungssektor kommt im sprachenpolitischen Diskurs insbesondere in Bezug auf die Förderung mehrsprachiger Kompetenzen offizielle Wertschätzung zu. Entwicklungspsychologische Argumentation Neben der sprachenpolitisch motivierten Argumentation für den frühen Fremd‐ sprachenerwerb spielen bei der Legitimation einer Vorverlegung der Fremd‐ sprachenvermittlung auch endogene, d. h. lernerinterne Faktoren eine Rolle (vgl. Wode 1995: 132). Hierzu zählen vor allem motivationale und affektiv-emotionale Aspekte, die einen entscheidenden Einfluss auf das Sprachenlernen haben können. Im Rahmen der Spracherwerbsforschung wird dem Faktor der Motivation eine einflussreiche Rolle für den Spracherwerb zugesprochen (vgl. u. a. Dörnyei 1994: 273; MacIntyre et al. 2007: 272; Riemer / Schlak 2004: 1). 7 In Bezug auf den frühen und vorschulischen Fremdsprachenerwerb kann bei jüngeren Kindern grundsätzlich von einer hohen natürlichen Motivation für die Beschäftigung mit Sprache ausgegangen werden (vgl. Edelenbos / Kubanek 2009: 9; Winter 2003: 95). Zur Bezeichnung dieser natürlichen Motivation, oder auch Sprechbereit‐ schaft, wurde in der Motivationsforschung bis Mitte der neunziger Jahre der Begriff der integrativen Motivation in Abgrenzung zur instrumentellen Moti‐ vation verwendet (vgl. Gardner / Lambert 1972; Gardner 1985). Bei der instru‐ 2.1 Argumentationslinien für den frühen Fremdsprachenerwerb 23 8 Neuere Ansätze in der Motivationsforschung üben zunehmend Kritik an der dichoto‐ mischen Unterscheidung zwischen integrativer und instrumenteller Motivation. Die Kritik bezieht sich in erster Linie darauf, dass das vom Gardner / Lambert (1972) ent‐ wickelte Modell speziell für den kanadischen Zweitspracherwerbskontext entwickelt wurde und daher nicht uneingeschränkt auf andere Spracherwerbskontexte über‐ tragbar ist (zur Kritik an dem Modell siehe z. B. Dörnyei / Csizér 2002). Sie fordern daher differenziertere Motivationsmodelle und die Berücksichtigung verschiedener Einfluss‐ faktoren. Für den vorliegenden Kontext wird das Modell von Gardner / Lambert (1972) daher lediglich als eine erste Annäherung zur Beschreibung der kindliche Motivation verstanden, anhand derer die Merkmale der kindlichen motivational-affektiven Dispo‐ sitionen aufgezeigt und gegenüber denen erwachsener Lernenden abgegrenzt werden können. mentellen Motivation überwiegen charakteristischerweise rein utilitaristische Ziele, z. B. beruflicher Natur, so dass eine Sprache aus einem bestimmten und absehbaren Nutzen heraus gelernt wird (vgl. Winter 2003: 95). 8 Die kindliche integrative Motivation zeichnet sich hingegen durch ein gewisses Integrations‐ bestreben aus, d. h. das Individuum ist von Natur aus bemüht, sich einer (sprach‐ lichen) Gemeinschaft anzuschließen und ein Mitglied derselben zu werden (vgl. Gardner / Lambert 1959: 271). Dieses natürliche Integrationsbestreben und das Grundbedürfnis der Interaktion und Verständigung mit der belebten Umwelt (vgl. Apeltauer 1992: 15) implizieren auch, dass das Fehlerbewusstsein und die Versagensängste bei Kleinkindern weniger stark ausgeprägt sind als bei er‐ wachsenen Lernenden (vgl. Edelmann 1995: 115). Weitere emotional-affektive kindliche Dispositionen, wie beispielsweise die Sprechangst, die im frühkindlichen Alter noch nicht so stark ausgeprägt ist wie häufig bei älteren Lernenden, können sich außerdem günstig auf den Sprach‐ erwerb auswirken (vgl. Sopata 2010: 102). Die neue Sprache hat für die Kinder zudem noch nicht den „Status einer Fremdsprache“ (Nauwerck 2005: 43), so dass die Kinder dieser unbekümmert begegnen sowie angstfrei und kreativ mit dieser umgehen (vgl. ebd.). Ebenso verfügen Kinder noch nicht über ein starres Wer‐ tesystem, so dass ihnen oft eine gewisse affektive Unvoreingenommenheit zu‐ gesprochen wird (vgl. Fthenakis 1981: 53). Sie haben anders als erwachsene Fremdsprachenlernende noch keine negativen Vorerfahrungen durch z. B. zuvor erlernte Fremdsprachen im schulischen Fremdsprachenunterricht, die sich als Stereotype oder Vorurteile negativ auf den Sprachenlernprozess auswirken können (vgl. ebd.). Diese affektive Unvoreingenommenheit ist für den frühen Kontakt mit einer ersten Fremdsprache vorteilhaft, da dadurch die Einstellung der Kinder gegenüber fremden Sprachen und Kulturen früh geprägt werden kann. Da Kinder bereits mit acht Jahren ein Bewusstsein für die Existenz eth‐ nischer Gruppendifferenzierungen entwickeln, ist eine Vorverlegung des Erst‐ 2 Konzeptioneller Bezugsrahmen: Früher Fremdsprachenerwerb im Elementarbereich 24 2.1.3 kontakts mit Fremdsprachen in den Elementarbereich auch aus pädagogischer Sicht zu empfehlen (vgl. Nauwerck 2005: 43 f.). Durch den spielerischen Kontakt mit der Fremdsprache und durch die alltägliche Interaktion mit ErzieherInnen, die diese Sprache in Alltagssituationen verwenden, können die Kinder lernen, anderen Sprachen und Kulturen tolerant und aufgeschlossen gegenüberzu‐ stehen und ein „Bild des Anderen“ (Edelenbos / Kubanek 2009: 10) zu entwickeln (vgl. Nauwerck 2005: 43 f.). Der Kontakt zu einer weiteren Sprache im Vorschul‐ alter kann gemäß dieser Annahme einen Beitrag zur Identitätsbildung des Kindes und zur Entwicklung eines interkulturellen Verständnisses leisten (vgl. Wörle 2013: 68). Neben der skizzierten entwicklungspsychologischen Argumentation, die einen Erstkontakt mit anderen Sprachen aufgrund der affektiv-emotionalen und motivationalen kindlichen Dispositionen nahelegt, wird zur Legitimation des vorschulischen Fremdsprachenerwerbs zudem aus einer neurophysiologischen Perspektive heraus argumentiert. Neurophysiologische Argumentation Die neurophysiologische Argumentation bezieht sich auf die Annahme, dass die frühe Kindheit aufgrund der noch vorhandenen Plastizität des menschlichen Gehirns das optimale Alter zum Erwerb weiterer Sprachen darstellt (vgl. Doyé / Hurrell 1998: 11). Diese neurologische Perspektive und die neurolingu‐ istischen, d. h. sprachbezogenen neurologischen Forschungsergebnisse, dienen an vielen Stellen als Hauptargument zur Legitimation eines frühen Fremdspra‐ chenbeginns (vgl. Müller 2006: 29). VertreterInnen dieser Position argumen‐ tieren zumeist, dass Sprachen leichter erworben werden, wenn die Lateralisie‐ rung, bei der es zu einer Verteilung spezifischer Funktionen auf beide Gehirn‐ hälften kommt, noch nicht abgeschlossen ist, da dieser voranschreitende Prozess mit einem Verlust funktionaler Plastizität einhergeht (vgl. Edmondson / House 2011: 107). Die Argumentation beruht damit auf der Annahme einer critical pe‐ riod, d. h. eines kritischen Alters für das Sprachenlernen. Diese Vorstellung geht auf die critical-period-hypothesis bzw. die critical-age-hypothesis, die zunächst 2.1 Argumentationslinien für den frühen Fremdsprachenerwerb 25 9 Lenneberg (1967) beruft sich mit der critical-age-hypothesis/ critical-period-hypothesis auf den Fall Genie. Das Mädchen wurde bis zu ihrem dreizehnten Lebensjahr stark vernachlässigt und hatte kaum Kontakt zu Mitmenschen und Sprache. Zwar erlernte das Mädchen nach ihrer Entdeckung die englische Sprache noch rudimentär, so dass sie sich mithilfe lexikalischer Bruchstücke verständigen konnte, doch erreichte sie auf‐ grund des erst im Alter von dreizehn Jahren einsetzenden Erstkontakts zu der Sprache keine erstsprachliche Kompetenz mehr im Englischen (vgl. Edmondson / House 2011: 108, für eine ausführliche Darstellung des Falls Genie siehe z. B. Fromkin et al. 1974). 10 Die critical-age-hypothesis/ critical-period-hypothesis wurde zunächst für den Erst‐ spracherwerb formuliert und später von Lenneberg (1967) auf den Erwerb von Zweit‐ sprachen ausgeweitet. Dabei weist Lenneberg jedoch darauf hin, dass er sich mit der oben genannten Hypothese auf den natürlichen Zweitspracherwerb bezieht und nicht auf die Frage, bis zu welchem Alter eine Sprache unter unterrichtlichen Bedingungen gelernt werden kann (vgl. Meisel 2007: 102). von Penfields / Roberts (1959) vorgeschlagen und später von Lenneberg (1967 9 ) auf die Entwicklung sprachlicher Fähigkeiten übertragen und weiter ausgear‐ beitet wurde, zurück. 10 Gemäß dieser Hypothese zeichnet sich das menschliche Gehirn in der frühen Kindheit durch eine höhere Plastizität und neurobiologi‐ sche Flexibilität aus, die sich positiv auf den Spracherwerb auswirkt. Nachdem sich dieses für den Spracherwerb kritische Fenster geschlossen hat, ist ein na‐ türlicher Spracherwerb nicht mehr bzw. nur noch eingeschränkt möglich (vgl. Edmondson / House 2011: 185). Der exakte Zeitpunkt des Beginns und der Vollendung des Lateralisierungs‐ prozesses ist hingegen umstritten und wird in der Fachliteratur kontrovers dis‐ kutiert (vgl. dazu Shtyrov et al. 2005). Die divergenten Altersangaben beruhen auf unterschiedlichen theoretischen Ausgangspositionen und der daraus resul‐ tierenden uneinheitlichen Auswertung und Interpretation empirischer Daten (z. B. hinsichtlich grammatikalischer Beurteilungen, Sprachproduktionsauf‐ gaben oder Entwicklungsstufen; vgl. Nitsch 2007: 58). Während das kritische Alter des Sprachenlernens von einigen Forschenden zwischen dem neunten bis zehnten Lebensjahr und dem Beginn der Pubertät verortet wird (vgl. z. B. Zangl 1998: 14), betrachten andere VertreterInnen bereits das vollendete dritte Le‐ bensjahr als die Altersschwelle des natürlichen Spracherwerbs (vgl. Nitsch 2007: 58). Eine eindeutige Aussage bezüglich der Frage, bis wann eine Zweit- oder Drittsprache wie eine Erstsprache erworben werden kann, ist daher aufgrund der Forschungslage bis dato nicht möglich. Die critical-period-hypothesis ist daher in ihrer allgemeinen Gültigkeit, wonach ein natürlicher Spracherwerb nach Vollendung des Lateralisierungsprozesses nicht mehr möglich ist, nicht länger aufrechtzuerhalten (vgl. Bahns / Vogel 1992: 25; Meisel 2007: 102; für eine kritische Übersichtdarstellung zur Rolle des Alters im Zweitspracherwerb siehe auch Hyltenstam / Abrahamsson 2003). 2 Konzeptioneller Bezugsrahmen: Früher Fremdsprachenerwerb im Elementarbereich 26 11 Die sogenannten Habituierungsexperimente sind in der Säuglingsforschung eine weit verbreitete Forschungsmethode. Im Rahmen dieser Experimente werden den Säug‐ lingen Reize, in diesem Fall Lautsprachemuster, dargeboten. Dieser Reiz wird so lange präsentiert, bis der Säugling dehabituert, d. h. bis er dem dargebotenen Reiz keine Be‐ achtung mehr schenkt. Wird daraufhin ein neuer sprachlicher Stimulus präsentiert, dem der Säugling erneut Aufmerksamkeit schenkt, wird das als Indiz dafür gewertet, dass der Säugling die beiden Reize voneinander unterscheiden kann. Zur Ermittlung der Aufmerksamkeit dient in vielen Experimente die Saugrate des Säuglings, die bei der Gewöhnung (Habituierung) an einen sprachlichen Reiz abnimmt und bei dem Einsetzen eines neuen sprachlichen Reizes entsprechend wieder ansteigt (Dishabituierung) (vgl. u. a. Grimm 1999: 25). In der jüngeren neurolinguistischen Forschung wird vielmehr davon ausge‐ gangen, dass das kritische Alter für die einzelnen Sprachkomponenten und Teilkompetenzen einzeln zu bestimmen ist (vgl. List 2007: 34). Demnach ist nicht der Spracherwerb insgesamt, sondern bestimmte Teilbereiche des Sprachver‐ mögens von diesen altersbedingten Reifungsprozessen im menschlichen Gehirn betroffen. Meisel (2007: 103) plädiert diesbezüglich dafür, dass „die kritische Pe‐ riode besser als ein Bündel sensibler Phasen verstanden werden sollte, von denen jede eine für die Entwicklung eines spezifischen grammatischen Phäno‐ mens optimale Periode definiert“. Dieses neue Verständnis impliziert zudem, dass reifungsbedingte Phasen nicht abrupt beginnen und enden, so dass jeweils ein bestimmter Anfangs- und Endpunkt definiert werden kann, sondern die Phasen über einen gewissen Zeitraum einsetzen (onset), dann einen Höhenpunt (peak) erreichen und schließlich langsam über einen längeren Zeitraum aus‐ klingen (offset) (vgl. ebd.). Von diesem Bündel sensibler Phasen scheint die Fähigkeit zur differenzierten Lautwahrnehmung, d. h. die Fähigkeit zur Identifizierung und Diskriminierung von Phonemen sowie die Wort- und Satzbetonung, derjenige Teilbereich der Sprache zu sein, der am sensibelsten ist. Die Erwerbsfähigkeit für diesen Teil‐ bereich der Sprache nimmt im Zuge des Reifungs- und Lateralisierungsprozesses am schnellsten ab (vgl. List 2007: 34). Die Fähigkeit zur Lautdiskiminierung ist bereits vor der Geburt vorhanden, so dass das Kind pränatal eine Präferenz für die Sprache der Mutter und die mütterliche Stimme zeigt (vgl. Grimm 1999: 27). Mittels sogenannter Habituierungsexperimente, bei denen die Saugrate des Kindes gemessen wird, konnte festgestellt werden, dass bereits vier Tage alte Säuglinge in der Lage sind, prosodische Merkmale zu nutzen, um die Erstsprache der Mutter von anderen dargebotenen Sprachen zu unterscheiden (vgl. ebd.: 24). 11 Diese Fähigkeit zur differenzierten Lautwahrnehmung ist dem Kind an‐ geboren, so dass es direkt nach der Geburt das Phoneminventar aller möglichen Sprachen wahrnehmen und unterscheiden kann. Sie verliert sich jedoch bereits 2.1 Argumentationslinien für den frühen Fremdsprachenerwerb 27 ab dem Alter von zehn Monaten. Bis zu diesem Zeitpunkt hat bei dem Kind bereits eine Konzentration auf das Phoneminventar der Sprache(n) der engsten Bezugspersonen stattgefunden (vgl. Apeltauer 1997: 39). Auch die Morphologie und die Syntax sind Teilbereiche des Sprachsystems, die von dem Kind mit zu‐ nehmender Lateralisierung mühsamer erworben werden (vgl. List 2007: 34). Für den Bereich der Lexik hingegen scheint es kein vergleichbares sensibles Zeit‐ fenster zu geben. Der Erwerb und Ausbau des Lexikons ist gemäß derzeitigem Forschungsstand lebenslang möglich (vgl. ebd.: 35; Nitsch 2007: 58). Aus dem skizzierten Überblick lässt sich in Bezug auf die Vermittlung von (frühen) Fremdsprachen schlussfolgern, dass die Annahme der kritischen Pe‐ riode, die lange Zeit Gültigkeit besaß und zu Sloganisierungen wie „was Häns‐ chen nicht lernt, …“ (Bahns / Vogel 1992: 20) führte, nach heutigem Kenntnis‐ stand revidiert werden muss (vgl. Nauwerck 2008: 473). Das optimale Erwerbs‐ alter fällt für die verschiedenen Strukturbereiche der Sprache unterschiedlich aus, so dass Sprachenlernen auch noch im Erwachsenalter grundsätzlich mög‐ lich ist. Dennoch scheint insbesondere für die Entwicklung des phonologischen Systems und der Morphosyntax ein früher Beginn vorteilhaft zu sein, um die Charakteristika kindlichen Lernens und die neuronalen Dispositionen aus‐ schöpfen zu können (vgl. Müller 2006: 29). Neben der Diskussion um die Existenz einer kritischen Altersgrenze für einen erfolgreichen Spracherwerb, aus der sich erste, wenn auch nicht allgemeingül‐ tige Vorteile eines frühen Erwerbs ableiten lassen, interessiert sich die neuro‐ physiologisch orientierte Mehrsprachigkeitsforschung für Fragen einer mögli‐ cherweise von dem Erwerbszeitpunkt bedingten Lokalisation und Vernetzung der Sprachen im mehrsprachigen Gehirn. Mithilfe bildgebender Verfahren sind seit dem Ende der 1990er Jahre erste Studien durchgeführt worden, die die Re‐ präsentation mehrerer Sprachen im Gehirn bildlich darstellen. In einem Ver‐ gleich zwischen frühen Mehrsprachigen und späten Mehrsprachigen konnte auf diese Weise verdeutlicht werden, dass die Sprachen bei frühen Mehrsprachigen im sogenannten Broca-Areal kompakt repräsentiert sind und sich fast über‐ lappen. Bei mehrsprachigen Individuen, die erst im späteren Lebensalter eine zweite Sprache erlernt haben, wurden hingegen jeweils gesonderte neuronale Netze für die einzelnen Sprachen identifiziert, und es bestanden wesentlich we‐ niger Überlappungen in der mentalen Repräsentation der Sprachen (vgl. Fran‐ ceschini 2002: 54; Kim 1997: 172 f.). Erklärt wird die unterschiedliche strukturelle Vernetzung damit, dass im Gehirn angelegte Strukturen ab einem gewissen Alter nicht mehr modifiziert werden können, sondern andere, noch freie und benach‐ barte Areale für neue Sprachen angelegt werden müssen. Frühe Mehrsprachige können hingegen identische Gehirnareale für mehrere Sprachen gleichzeitig 2 Konzeptioneller Bezugsrahmen: Früher Fremdsprachenerwerb im Elementarbereich 28 nutzen (vgl. Riehl 2007: 2). Bei der Sprachproduktion müssen frühe Mehrspra‐ chige demzufolge auf weniger neuronales Substrat zurückgreifen, d. h. für sie ist die Sprachproduktion und der Wechsel zwischen den Sprachen aus neuro‐ logischer Sicht einfacher bzw. weniger anstrengend, Spät-Mehrsprachige benö‐ tigen dafür bedeutend mehr neuronales Substrat (vgl. Franceschini 2002: 53). Des Weiteren konnten Unterschiede bezüglich der neuronalen Lokalisation der Sprachen von frühen und späten Mehrsprachigen ermittelt werden. So nutzen frühe Mehrsprachige vor allem das im Bereich der präfrontalen Rinde angesie‐ delte Broca-Zentrum, der Ort des Arbeitsgedächtnisses und des Problemlösens, späte Mehrsprachige aktivieren hingegen eher posteriore Regionen wie das Wernicke-Areal (vgl. Riehl 2007: 2). Die Erkenntnisse der neurolinguistischen Mehrsprachigkeitsforschung lassen sich dahingehend kondensieren, dass es grundlegende und auf den Er‐ werbszeitpunkt der Sprachen zurückführbare Unterschiede hinsichtlich der neuronalen Repräsentation und Lokalisation von Sprache gibt, aus denen sich wiederum Vorteile zugunsten des Erwerbs mehrerer Sprachen im frühen Le‐ bensalter schlussfolgern lassen. Darüber hinaus liefern die neurolinguistischen Erkenntnisse Anhaltspunkte dafür, wie Kinder mit Sprache(n) umgehen bzw. sie liefern Erklärungsansätze, warum kindliche und erwachsene Lernende sich dem Phänomen Sprache mittels unterschiedlicher Aneignungsmechanismen annä‐ hern. Aufgrund der neurologischen Dispositionen im frühen Kindesalter haben Kinder bezüglich der Imitationsfähigkeiten gewisse Vorteile, die vor allem für die Aneignung von Sprachlauten relevant sind. Im Kindesalter überwiegen die intuitiv-imitativen Sprachlernfähigkeiten, mithilfe derer das Kind bereits seine Erstsprache erworben hat. Dabei werden Struktur und Lexikon einer Sprache implizit aus Situationen und Handlungskontexten erschlossen (vgl. Sarter 2001: 55). Es handelt sich dabei um einen impliziten und inzidentellen Lernprozess, so dass sich das Kind der Erwerbssituation nicht bewusst ist (vgl. ebd.). Mit zunehmendem Alter und kognitivem Entwicklungsstand verlieren sich diese intuitiv-imitativen Sprachlernfähigkeiten: Sprachen werden dann eher analy‐ tisch-explizit erlernt (vgl. ebd.: 14). Diese analytisch-explizite Herangehens‐ weise zeichnet sich dadurch aus, dass Lernende vor dem Hintergrund bereits erworbener Kenntnisse und Methodiken zunehmend versuchen, bei dem Er‐ schließen neuer Sprachen explizit Regeln zu erkennen und diese anzuwenden (vgl. ebd.: 55). Diese sich in Abhängigkeit von Erwerbszeitpunkt und Alter der Lernenden verändernden Sprachlernfähigkeiten fassen Reich et al. (2002: 11) folgendermaßen zusammen: „Ohne Zweifel spielt das Alter beim Zweit‐ spracherwerb eine Rolle, allerdings nicht in der Weise, dass die Sprachlernfä‐ higkeit abnähme, sondern so, dass aus den verschiedenen Stufen jeweils alters- 2.1 Argumentationslinien für den frühen Fremdsprachenerwerb 29 und situationsgerechte Sprachlernfähigkeiten zur Geltung kommen“ (Hervor‐ hebung im Original). Dementsprechend profitiere kindliche und erwachsene Lernende auch von jeweils unterschiedlichen Erwerbsbzw. Lernumgebungen. Während erwachsene Lernende aufgrund eines bereits aufgebauten Sprach- und Weltwissens und dem analytisch-expliziten Umgang mit Sprache von unter‐ richtlichen Lernbedingungen, beispielsweise im schulischen Fremdsprachen‐ unterricht oder in Volkshochschulkursen, profitieren (vgl. Jantscher 1998: 16), kommen der kindlichen intuitiv-imitativen Vorgehensweise eher natürliche Spracherwerbsbedingungen in intensiven sprachlichen Interaktionen mit den Bezugspersonen, so wie sie auch im Erstspracherwerb vorherrschend sind, zu‐ gute. Soll eine frühe Fremdsprachenvermittlung erfolgreich sein, müssen dem‐ nach Bedingungen geschaffen werden, in denen Kinder die ihnen zur Verfügung stehenden intuitiv-impliziten Spracherwerbsmechanismen anwenden und ent‐ falten können (vgl. Sopata 2010: 101). In diesem Zusammenhang sind vor allem sprachliche Interaktionen von Bedeutung, in denen bei den Kindern intuitive Mechanismen der Regelbildung und induktive Prozesse der Sprachaneignung aktiviert werden (vgl. ebd.: 101). Zusammenfassend bleibt für den neurophysiologischen Blickwinkel auf den frühkindlichen Spracherwerb festzuhalten, dass das frühe Kindesalter aufgrund der Plastizität, Sensitivität und des Wachstums des Zentralnervensystems eine immense Bedeutung für den menschlichen Spracherwerb hat (vgl. Zangl 1998: 14). Die Befunde der Neurolinguistik geben keinerlei Hinweise darauf, dass von dem Erwerb von mehr als einer Sprache im frühen Kindesalter eine Gefährdung der kindlichen Gehirnentwicklung oder generelle kognitive Nachteile ausgehen könnten (vgl. List 2007: 26), sondern unterstreichen aufgrund der neuronalen Ausstattung und den damit verbundenen Erwerbsmechanismen das Potenzial eines frühen und möglichst natürlichen und spielerischen Kontakts mit einer ersten Fremdsprache in der frühen Kindheit. Die Möglichkeiten und Rahmen‐ bedingungen, die sich dafür in einer bilingual und immersiv arbeitenden Kita eröffnen, werden in Kapitel 2.4.2.4 dargestellt. Ausgehend von der gewachsenen sprachenpolitischen Aufmerksamkeit, die der frühen Fremdsprachenvermittlung in den letzten Jahren zuteil wurde, sowie den dargestellten entwicklungspsychologischen und neurophysiologischen Er‐ kenntnissen spricht vieles für einen früheren, etwa im frühen Kindergartenalter einsetzenden Erwerbsbeginn (vgl. Meisel 2007: 110 f.). In diesem Zusammen‐ hang wurden bereits erste Ansätze bzw. Modelle erarbeitet, die thematisieren, wie der Fremdsprachenfrühbeginn in die bestehenden Strukturen des Bildungs‐ systems integriert und eine gewisse Anschlussfähigkeit und Kompatibilität mit der derzeitigen Fremdsprachenausbildung gewährleistet werden kann. Die 2 Konzeptioneller Bezugsrahmen: Früher Fremdsprachenerwerb im Elementarbereich 30 12 Funktional angemessen bedeutet im Sinne der 3-Sprachenformel, dass der / die Lern‐ ende nach dem Schulabschluss über die notwendige Sprachkompetenz und die ent‐ sprechenden sprachlichen Mittel verfügt, die er / sie für die Bewältigung seiner / ihrer individuellen funktionalen und kommunikativen Bedürfnisse sowohl im privaten als auch im beruflichen Bereich benötigt (vgl. u. a. Wode 2006: 2). 2.1.4 möglichen bildungspolitischen Implikationen einer vorschulischen Fremdspra‐ chenvermittlung werden im Folgenden anhand verschiedener Umsetzungssze‐ narien aufgezeigt. Bildungspolitische Implikationen Das übergeordnete Anliegen der europäischen Sprachenpolitik ist, dass alle EU -BürgerInnen die Möglichkeit bekommen sollen, im Laufe ihrer Schullauf‐ bahn mindestens zwei Fremdsprachen zu erlernen (vgl. Europäische Kommis‐ sion 1996: 63). Das Erreichen der sogenannten 3-Sprachenformel ist unter den derzeitigen Strukturen im deutschen Bildungssystem und insbesondere der Or‐ ganisation der schulischen Fremdsprachenausbildung jedoch nur schwer mög‐ lich. Das Kernproblem besteht darin, dass im Sekundarbereich schlichtweg nicht genug Zeit zur Verfügung steht, um bis Ende der Schulzeit zwei Fremdsprachen gleichermaßen intensiv zu fördern (vgl. Wode 2009: 17). Unter den schulprak‐ tischen Rahmenbedingungen gelingt es derzeit höchstens, die erste Fremd‐ sprache an den weiterführenden Schulen durch z. B. bilingualen Unterricht so zu fördern, dass sie bis zum Ende der Schulzeit auf eine funktional angemes‐ senen Niveau beherrscht wird (vgl. ebd.). 12 Aufgrund dieser begrenzten zeitli‐ chen Ressourcen „führt an einem früheren Beginn kein Weg vorbei“ (Wode 2006: 3). Zur Umsetzung der frühen Fremdsprachenvermittlung sind im Rahmen des bildungspolitischen Fachdiskurses die folgenden Modelle vorgeschlagen worden. Wode (2002), der zugleich maßgeblich an der Implementierung der Im‐ mersionsmethode im Elementarbereich in Deutschland beteiligt war, plädiert für einen integrierten Ansatz, der die Fremdsprachenvermittlung in Kita, Grundschule und Sekundarbereich systematisch verbindet. Die integrierte Kon‐ zeption sieht vor, die erste Fremdsprache im Alter von drei Jahren in bilingualen Kitas einzuführen und während der Grundschulzeit mittels bilingualen Sach‐ fachunterrichts kontinuierlich und intensiv fortzuführen (vgl. Wode 2002: 34 f.). Bis zum Ende der Grundschulzeit kann dadurch bereits eine gewisse Kompetenz in der ersten Fremdsprache erreicht werden, so dass die für diese Sprache vor‐ gesehenen Unterrichtsstunden in der Sekundarstufe I auf ein Minimum gekürzt 2.1 Argumentationslinien für den frühen Fremdsprachenerwerb 31 13 Ein gelungenes Praxisbeispiel, in dem der von Wode (u. a. 2002) entwickelte Ansatz der integrierten Fremdsprachenvermittlung umgesetzt wurde, stellt ein Verbundprojekt zwischen der Kita Rappelkiste und der Claus-Rixen-Grundschule in Altenholz bei Kiel dar. Die in der bilingualen Kita eingeführte Fremdsprache wird in der kooperierenden Grundschule weitergeführt und dort, der Konzeption Wodes entsprechend, hauptsäch‐ lich als Unterrichtssprache im bilingualen Sachfachunterricht eingesetzt (vgl. Wode 2009: 104). werden können und dann vorrangig auf eine altersgemäße Entwicklung der Schriftlichkeit abzielen sollten (vgl. Wode 2009: 104). Des Weiteren findet die erste Fremdsprache als Unterrichtssprache im bilingualen Sachfachunterricht in der Sekundarstufe I Anwendung und wird dadurch weiter gefördert (vgl. Wode 2002: 35). Die dadurch eingesparten Unterrichtsstunden könnten dem‐ entsprechend für die Einführung einer zweiten Fremdsprache genutzt werden (vgl. Wode 2009: 104). Wodes Ansatz der integrierten Fremdsprachenvermitt‐ lung kann durch die curriculare Verzahnung von Kita, Grundschule und Sekun‐ darbereich geeignete bildungspolitische Rahmenbedingungen schaffen, um zwei Fremdsprachen bis zum Ende der Schulzeit auf einem funktional ange‐ messenen Niveau zu beherrschen. 13 Neben Wodes Ausführungen zu einer möglichen Neustrukturierung der Fremdsprachenausbildung, in der der vorschulische Fremdsprachenbeginn einen wesentlichen Teil ausmacht, sind in den letzten Jahren weitere Ansätze entstanden, die sich für eine „curriculare Trendwende“ (Hufeisen 2005: 9) im Bereich des Lehrens und Lernens von Zweit- und Fremdsprachen aussprechen. Für den Kontext des frühen Fremdsprachenerwerbs erscheinen hier vor allem Hufeisens (2005) Überlegungen zu einem Gesamtsprachencurriculum von Inte‐ resse zu sein. Dieses prototypische Modell beinhaltet verschiedene Gedanken‐ gänge, die Wode im Rahmen seiner integrierten Konzeption vorgestellt hat, führt diese jedoch konsequent und systematisch zu einer übergreifenden Kon‐ zeption im Sinne einer curricular verankerten und nicht rein additiven Vorstel‐ lung von Mehrsprachigkeit fort (vgl. Krumm 2005: 27). Das Gesamtsprachen‐ curriculum möchte verschiedene Aspekte des institutionellen Sprachenlernens integrieren und Synergien beim Sprachenlernen gezielt nutzen (vgl. Hufeisen 2011: 265 f.). In der Folge bedeutet dies auch, dass wir die „verschiedenen Spra‐ chen in einem Lernumfeld, in Individuen, in Curricula nicht mehr getrennt be‐ trachten, sondern - den Forschungsergebnissen der Spracherwerbsforschung folgend - sie als Teile eines Ganzen, einer Einheit wahrnehmen“ (Hufeisen 2005: 9). Ähnlich wie bei Wode (2002), der bereits die begrenzten zeitlichen Ressourcen in Bezug auf das Erreichen der 3-Sprachenformel problematisiert hat, erfolgt auch die Entwicklung des Gesamtsprachencurriculums mit der Zielsetzung der 2 Konzeptioneller Bezugsrahmen: Früher Fremdsprachenerwerb im Elementarbereich 32 „Sicherung angemessener Räume und Plätze in den Lehr- und Stundenplänen für Erst-, Zweit- und (mehrere) Fremdsprachen“ (Hufeisen 2011: 267) und be‐ dient sich dabei Konzepten wie der Mehrsprachigkeits- und Tertiärsprachendi‐ daktik und dem rezeptiven Sprachenlernen. In Bezug auf den Erwerbszeitpunkt plädiert auch Hufeisen (2011) für einen frühen Erwerbsbeginn. In ihrem Modell setzt das Fremdsprachenlernen in der ersten Grundschulklasse ein und wird nach zwei intensiven Lernjahren in Form des bilingualen Sachfachunterrichts fortgeführt, so dass die eingesparten Unterrichtsstunden für den Erwerb wei‐ terer Sprachen genutzt werden können. Zwar wird die Möglichkeit einer bereits im Elementarbereich einsetzenden Fremdsprachenvermittlung im derzeitigen prototypischen Modell nicht explizit thematisiert, doch ist hier für Kinder, die Deutsch als Zweitsprache erwerben, eine vorschulische Sprachförderung vor‐ gesehen. In einer möglichen Fortführung des Modells könnten daher auch Formen des vorschulischen Fremdsprachenerwerbs in bilingualen Kitas integ‐ riert werden, indem beispielsweise der Erwerbsbeginn der ersten Fremdsprache von der ersten Klasse in den Elementarbereich vorverlegt wird. So können die triftigen Argumente, die für die Implementierung des skizzierten Gesamtspra‐ chencurriculums sprechen, weiter untermauert werden, da durch die ange‐ dachte Neustrukturierung der curricularen Rahmenbedingungen und durch neue methodische Konzepte (insbesondere CLIL ) keine weiteren Stunden in Anspruch genommen werden (vgl. ebd.: 267). Sarter (2001) stellt einen radikaleren Ansatz vor, in dem sie sich im Sinne des frühen Fremdsprachenerwerbs für eine komplette Neuverteilung des schuli‐ schen Kompetenzerwerbs über die gesamte Schulzeit ausspricht (vgl. Sarter 2001: 20). Um vor allem die entwicklungspsychologischen und neurophysiolo‐ gischen Aspekte des frühen Fremdsprachenerwerbs bestmöglich ausschöpfen zu können, sollte in den Grundschuljahren ein wesentlicher Schwerpunkt im Bereich des Sprachenlernens gesetzt und Lernbereiche bzw. Schwerpunkte in anderen Fächern dementsprechend in die ersten Lernjahre der weiterführenden Schulen verlagert werden (vgl. ebd.). Auf diese Weise könnten die „zeitlichen Fesseln“ (ebd.), die die Ausgestaltung der frühen Fremdsprachenvermittlung in der Grundschule unter den derzeitigen curricularen Rahmenbedingungen er‐ schweren, gelöst werden. Zwar klingt Sarters (2001) Vorschlag aus sprachdi‐ daktischer Sicht vielversprechend, doch ist davon auszugehen, dass auch andere Unterrichtsfächer, z. B. Mathematik, weiterhin Anspruch auf die curriculare Verankerung in der Primarstufe und entsprechende Unterrichtszeiten erheben werden, um sich die Eigenschaften des kindlichen Lernens, die vermutlich auch auf außersprachliche Lernbereiche übertragbar sind, zunutze zu machen. 2.1 Argumentationslinien für den frühen Fremdsprachenerwerb 33 Die skizzierten Ansätze - Wodes (2002 / 2009) Überlegungen zu einer integ‐ rierten Konzeption der Fremdsprachenvermittlung, Hufeisens (2005 / 2011) pro‐ totypisches Modell eines Gesamtsprachencurriculums und Sarters (2001) For‐ derung nach einer gänzlichen Neuverteilung des schulischen Kompetenzer‐ werbs zugunsten des Sprachenlernens - spiegeln die bildungspolitischen Bemühungen wider, die hinsichtlich einer Neustrukturierung der fremdsprach‐ lichen Ausbildung, in der das frühe Fremdsprachenerwerbs einen zentralen Stellenwert einnimmt, unternommen worden sind. Bezüglich der Implementie‐ rung des Fremdsprachenerwerbs in den Elementar- und Primarbereich ver‐ bindet die vorgestellten Ansätze, dass sie allesamt auf einer systematischen Verzahnung der einzelnen Ausbildungsstationen beruhen. Die Realität der der‐ zeitigen fremdsprachlichen Ausbildung zeichnet jedoch ein anderes Bild: Hier stellt die fehlende Kooperation zwischen den einzelnen Bildungsinstitutionen des Elementar-, Primar- und Sekundarbereichs nach wie vor ein immenses Problem dar (vgl. Edelenbos et al. 2006: 13). Das Problem des fehlenden Über‐ gangs zwischen einzelnen Bildungsinstitutionen in der Fremdsprachenausbil‐ dung betrifft sowohl den Übergang zwischen Grundschule und weiterführender Schule, das in der Forschung unter dem Begriff des bridging the gap (u. a. Kolb / Mayer 2009a,b; Kolb / Mayer 2010) bekannt ist, als auch die Schnittstelle zwischen bilingualer Kita und Formen bilingualen Lernens in der Grundschule (vgl. Wode 2009: 99; für einen Überblick zur Übergangproblematik in bilingualen Programmen siehe Kersten / Rohde 2013). Die Gründe, die für einen vorschulischen Fremdsprachenbeginn sprechen, wurden im Rahmen dieses Kapitels aus unterschiedlichen Perspektiven erörtert. Auf sprachenpolitischer Ebene sind zahlreiche Dokumente verabschiedet worden, die den frühen Fremdsprachenerwerb im Elementar- und Primarbe‐ reich als das zentrale Moment sehen, um die Forderungen wie die Förderung der individuellen Mehrsprachigkeit und die Umsetzung der 3-Sprachenformel zu realisieren. Neben den Forderungen und Empfehlungen der europäischen Sprachenpolitik sind es jedoch vor allem entwicklungspsychologische und neu‐ rophysiologische Gründe, die einen frühen Erwerbszeitpunkt von weiteren Sprachen nahelegen: Günstige affektiv-emotionale und motivationale Disposi‐ tionen bedingen, dass Kleinkinder fremden Sprachen offen und aufgeschlossen begegnen und über eine natürliche Sprechbereitschaft verfügen. Aus neurowis‐ senschaftlicher Sicht wird die neuronale Sensitivität und Flexibilität des kind‐ lichen Gehirns als Hauptargument für eine Vorverlegung des Fremdsprachen‐ lernens herangezogen. Die skizzierten Argumentationslinien haben wiederum gewisse bildungspolitische Implikationen bewirkt. Es sind verschiedene An‐ sätze und prototypische Modelle entstanden, die darlegen, wie der frühe Fremd‐ 2 Konzeptioneller Bezugsrahmen: Früher Fremdsprachenerwerb im Elementarbereich 34 2.2 2.2.1 sprachenerwerb in Kita und Grundschule systematisch in die bestehenden bil‐ dungspolitischen und curricularen Rahmenbedingungen eingebettet werden könnte und skizzieren, welchen Beitrag ein früher Fremdsprachenbeginn zur Optimierung und Neustrukturierung der Fremdsprachenausbildung leisten könnte. Bilinguale Kitas in Deutschland Ausgehend von den verschiedenen Argumentationslinien für den frühen Fremdsprachenerwerb wird im Folgenden ein Blick auf die Situation bilingualer Kitas in Deutschland geworfen, indem zunächst die Entwicklung und die Ver‐ breitung bilingualer Kitas im deutschen Bundesgebiet nachgezeichnet werden. In diesem Zusammenhang ist auch von Interesse, welche Sprachen derzeit in den bilingualen Einrichtungen angeboten werden, so dass das Kapitel mit Über‐ legungen zur Sprachenwahl in bilingualen Kitas und mit der Diskussion um die Gründe, die für bzw. gegen bestimmte Sprachen als erste Fremdsprache spre‐ chen, schließt. Entwicklung und Verbreitung bilingualer Kitas in Deutschland Erste Projekte zur vorschulischen Fremdsprachenvermittlung in Einrichtungen des Elementarbereichs wurden bereits infolge der Bildungsreform der 1970er Jahren entwickelt (vgl. Müller 2006: 138). In der damaligen DDR wurde von Weiss (1971) beispielsweise ein Projekt zur Vermittlung der russischen Sprache in Kindergärten entwickelt, das auf eine zwanzig bis dreißig Minuten umfas‐ sende tägliche spielerische Beschäftigung mit der Zielsprache abzielte (vgl. Weiss 1971: 75). In der BRD wurde zeitgleich ein Modellversuch zur vorschuli‐ schen Fremdsprachenvermittlung in München durchgeführt, bei dem französi‐ sche ErzieherInnen in Münchner Kitas eingesetzt wurden, die über einen Zeit‐ raum von neun Monaten täglich zwanzig Minuten gezielte Aktivitäten zur Ver‐ mittlung der französischen Sprache mit den Kindern durchführten (vgl. Maier 1974; Natorp 1975 / 1978). Ein weiteres, ebenfalls in München angesiedeltes Mo‐ dellprojekt zur Vermittlung der englischen Sprache, bei dem die Kinder über einen Zeitraum von einem Jahr dreimal pro Woche zwanzig Minuten spieler‐ ischen Kontakt zur englischen Sprache hatten, wurde von Schmidt-Schönbein (1978) initiiert und evaluiert. Die skizzierten Modellprojekte der 1970er Jahre 2.2 Bilinguale Kitas in Deutschland 35 14 Der FMKS legt für die Erhebung der bilingualen Kitas die folgenden Kriterien zugrunde: 1. Die neue Sprache ist Alltags- und Umgangssprache. 2. Das Prinzip „Eine Person - eine Sprache“ wird angewendet. 3. Sprachkontakt ist mindestens während der halben Öffnungszeit möglich. 4. Das pädagogische Personal umfasst Muttersprachler oder verfügt über muttersprach‐ liche Kompetenzen. (FMKS 2014: 4) Die vom FMKS aufgestellten Kriterien entsprechen damit im Wesentlichen den Merk‐ malen der Immersionsmethode, so wie sie in vielen Kitas nach dem Prinzip der perso‐ nengebundenen Sprachverwendung praktiziert wird. Die Methode der Immersion und die Umsetzungsmöglichkeiten in bilingualen Kitas werden in Kapitel 2.4.2 eingehend vorgestellt und diskutiert. Lediglich bei dem vom FMKS genannten Kriterium vier (Das pädagogische Personal ist Muttersprachler bzw. verfügt über muttersprachliche Kom‐ petenz) bleibt fragwürdig und zweifelhaft, inwiefern dieses für die vorliegende Erhe‐ bung ermittelt bzw. überprüft werden konnte. wurden jedoch zunächst nicht weiter verfolgt, so dass es vorerst zu einer deut‐ lichen Zäsur in den anfänglichen Bemühungen um die vorschulische Fremd‐ sprachenvermittlung kam (vgl. Müller 2003: 80). Als Gründe hierfür führt Müller (ebd.: 80 f.) die defizitären Rahmenbedingungen, die u. a. in den erheblichen For‐ schungsdefiziten im Bereich der Elementarpädagogik und in der mangelnden Professionalisierung und Qualifizierung der Fachkräfte begründet liegen, an. Nach diesen ersten zögerlichen Versuchen der 1960er und 1970er Jahre erlebte die frühe Fremdsprachenvermittlung in Deutschland in den letzten Jahren hin‐ gegen einen regelrechten Boom. Dies spiegelt sich in erster Linie in der Anzahl bilingualer Kitas wider, die in den letzten Jahren kontinuierlich gestiegen ist. Die Zahlen des FMKS (Verein für frühe Mehrsprachigkeit an Kindertagesstätten und Schulen e. V.), der in regelmäßigen Abständen Erhebungen zu bilingualen Kitas in Deutschland durchführt (u. a. FMKS 2014), belegen dies eindrucksvoll. 14 Den Daten des FMKS zufolge gab es im Jahr 2004 lediglich 340 bilinguale Ein‐ richtungen in Deutschland, im Jahr 2014 verzeichnete der FMKS bereits 1035 bilinguale Kitas bundesweit, so dass sich die Anzahl bilingualer Betreuungsan‐ gebote in den letzten zehn Jahren mehr als verdreifacht hat (vgl. ebd.: 1; vgl. Abbildung 1). Gleichzeitig hat sich auch der Anteil bilingualer Kitas an der Kita-Anzahl insgesamt erhöht: Von den derzeit ca. 52 000 Kitas deutschlandweit (vgl. Statistisches Bundesamt 2012: 19), machen die 1035 bilingualen Kitas einen Anteil von 2 % aus, 2004 lag dieser Anteil bei erst 0,7 %. An dem Ausbau bilin‐ gualer Betreuungseinrichtungen - in den vergangenen zehn Jahren sind fast 700 Einrichtungen neu hinzugekommen - lässt sich zudem die zunehmende Beliebtheit und gesellschaftliche Akzeptanz der frühen Fremdsprachenvermitt‐ lung ablesen. 2 Konzeptioneller Bezugsrahmen: Früher Fremdsprachenerwerb im Elementarbereich 36 Abb. 1: Anzahl und Entwicklung bilingualer Kitas in Deutschland im Jahr 2004 (linke Säule) und 2014 (rechte Säule) Aufschlussreich ist des Weiteren die Verteilung dieser 1035 bilingualen Kitas (Stand: 31. 01. 2014) auf die einzelnen Bundesländer (vgl. Abbildung 1). Im bun‐ desdeutschen Vergleich liegt das Saarland an der Spitze, das sowohl gemessen an der absoluten Zahl als auch an der Bevölkerungszahl mit 185 bilingualen Kitas den ersten Platz des Rankings einnimmt (vgl. FMKS 2014: 6). Bezüglich der absoluten Anzahl an Kitas folgen Berlin mit 173, Nordrhein-Westfalen mit 91 und Schleswig-Holstein mit 82 bilingualen Kitas (vgl. ebd.). Die hinteren Po‐ sitionen mit den wenigsten bilingualen Kitas belegen Thüringen mit fünf und Mecklenburg-Vorpommern mit zwei bilingualen Einrichtungen (vgl. ebd.; siehe Abbildung 1). Gemessen an der Bevölkerungszahl nimmt erneut das Saarland die erste Position ein: Es zeichnet sich deutschlandweit durch die höchste Dichte an bilingualen Kitas aus. Auf den weiteren Plätzen folgen Berlin mit 173 und Hamburg mit 80 bilingualen Kitas mit der zweitbzw. dritthöchsten Dichte an 2.2 Bilinguale Kitas in Deutschland 37 15 Neben der bundeslandspezifischen Verteilung der bilingualen Kitas lässt sich aus den Zahlen des FMKS (2014) auch ein gewisses Stadt-Land-Gefälle ablesen: 45 % der bilin‐ gualen Kitas liegen in zehn Großstädten, von denen Saarbrücken, Wolfsburg, Frankfurt am Main und Berlin, sowie Hamburg und Kiel die vorderen Plätze belegen (vgl. ebd.: 2). Zu erklären ist diese Tatsache mit der steigenden Zahl betriebsnaher Kitas oder auch mit Verträgen, die Träger und Unternehmen schließen, um Mitarbeitenden Plätze in öffentlichen Kitas zu reservieren. Unternehmen erkennen offenbar zunehmend das Po‐ tenzial der mehrsprachigen Erziehung für die Kinder von Mitarbeitenden (vgl. ebd.: 10). bilingualen Einrichtungen (vgl. ebd.). Thüringen und Mecklenburg-Vorpom‐ mern belegen auch gemessen an der Bevölkerungszahl die letzten Plätze. 15 Ein Vergleich der aktuellen Zahlen mit denen aus dem Jahr 2004 verdeutlicht darüber hinaus, dass es in den einzelnen Bundesländern in den letzten zehn Jahren unterschiedliche Entwicklungen gab. Ein einheitlicher Trend ist dabei nicht auszumachen. Die Entwicklung zeigt, dass einige Bundesländer schon früh die Notwendigkeit von bilingualen vorschulischen Betreuungseinrichtungen erkannt haben. Dies ist vor allem in Bundesländern in Grenznähe zu den deut‐ schen Nachbarstaaten, wie dem Saarland aber auch Rheinland-Pfalz und Schleswig-Holstein, der Fall, in denen die individuelle Mehrsprachigkeit und Kompetenzen in der Nachbarsprache eine besondere lebensweltliche Bedeutung haben und daher bereits vor zehn Jahren eine beachtliche Anzahl an bilingualen Kitas zu verzeichnen hatten. Demgegenüber sind in Bundesländern wie Bayern oder Niedersachsen erst in den letzten Jahren starke Zuwächse an bilingualen Betreuungsangeboten zu verzeichnen. In Bayern beispielsweise ist die Anzahl bilingualer Kitas von 54 im Jahr 2008 auf 80 im Jahr 2014 enorm gestiegen. In Niedersachsen hat sich die Anzahl bilingualer Kitas in den letzten sechs Jahren mehr als verdreifacht (von 15 bilingualen Kitas 2008 auf 44 im Jahr 2014) (vgl. ebd.: 7). Die dargestellte Entwicklung zeigt, dass bilinguale Kitas zunehmende gesell‐ schaftliche Akzeptanz und Wertschätzung erfahren. Insbesondere die Verdrei‐ fachung der Anzahl bilingualer Einrichtungen in der letzten Dekade lässt ver‐ muten, dass die Relevanz der frühkindlichen Mehrsprachigkeit im Rahmen des vorschulischen Bildungssektors angesichts des kontinuierlich wachsenden Be‐ treuungsbedarfs von Kleinkindern in den nächsten Jahren noch weiter ansteigen wird. Nicht zuletzt aufgrund der Feststellung, dass die einzelnen Bundesländer der vorschulischen bilingualen Bildung in der historischen Entwicklung aber auch aktuell einen unterschiedlichen Stellenwert zuschreiben, werden im fol‐ genden Teilkapitel nochmals die in den Einrichtungen angebotenen und von den einzelnen Bundesländern geförderten Sprachen bundeslandspezifisch in den Blick genommen. 2 Konzeptioneller Bezugsrahmen: Früher Fremdsprachenerwerb im Elementarbereich 38 2.2.2 Sprachenangebot in bilingualen Kitas In den 1035 vom FMKS ermittelten Kitas werden insgesamt 21 verschiedene Sprachen angeboten (vgl. ebd.: 4; vgl. Abbildung 2). Die verbreitetsten Sprachen in den bilingualen Einrichtungen sind Englisch mit 41 % (437 Kitas), Französisch mit 30 % (318 Kitas) und Dänisch mit 6 % (57 Kitas) (vgl. ebd.). Auf den weiteren Plätzen folgen Spanisch mit 5 % (52 Kitas), Türkisch mit 4 % (42 Kitas), Russisch mit 4 % (36 Kitas), Sorbisch mit 3 % (32 Kitas), Italienisch mit 2 % (20 Kitas) und Niederdeutsch mit 2 % (19 Kitas) (vgl. ebd.). Die übrigen zwölf Sprachen (u. a. Polnisch, Chinesisch, Niederländisch) machen zusammen einen Anteil von unter einem Prozent der bilingualen Kitas insgesamt aus (vgl. ebd.). Abb. 2: Angebotene Fremdsprachen in bilingualen Kitas in Deutschland (2014) Zudem weisen die in den bilingualen Kitas angebotenen Sprachen eine spezifi‐ sche geografische Verteilung über das deutsche Bundesgebiet auf. Aufgrund der geografischen Nähe zu Frankreich ist Französisch vor allem im Saarland fest verwurzelt: Von den 185 bilingualen Kitas wird hier in 184 Einrichtungen Fran‐ zösisch als zweite Sprache angeboten, auch in Rheinland-Pfalz bieten 70 von 73 bilingualen Einrichtungen Französisch an (vgl. ebd.). Gleiches gilt für Schleswig-Holstein: Aufgrund der Grenznähe zu Dänemark liegt es auch hier nahe, dass in 57 von 82 Einrichtungen die Nachbarsprache, nämlich Dänisch, angeboten wird. Sorbisch wird ausschließlich in Sachsen angeboten, von den insgesamt 65 bilingualen Kitas sind hier 32 sorbischsprachig (vgl. ebd.). In Nie‐ dersachsen nimmt Niederdeutsch eine dominante Stellung ein: Von den 44 bi‐ lingualen Kitas haben 18 Einrichtungen eine deutsch-niederdeutsche Ausrich‐ 2.2 Bilinguale Kitas in Deutschland 39 tung. Die bilinguale Betreuungssituation in Berlin zeichnet sich durch die größte sprachliche Vielfalt aus. Hier sind vor allem Spanisch, Türkisch und Russisch stark vertreten (vgl. ebd.). Für Englisch lässt sich hingegen keine bundesland- oder standortspezifische Verortung ausmachen. Neben dem spezifischen geografischen Sprachenangebot spiegeln die Zahlen des FMKS ein bestimmtes Muster in der historischen Entwicklung der angebo‐ tenen Sprachen wider. Dies betrifft vor allem die beiden stärksten Sprachen Englisch und Französisch. Während Französisch 2008 noch 43 % der Gesamtan‐ zahl bilingualer Kitas ausmachte und damit die stärkste Sprache war, musste es diese Position mittlerweile an die englische Sprache abtreten, die in der Erhe‐ bung im Jahr 2014 mit einem Anteil von 41 % die stärkste Sprache unter den bilingualen Betreuungsangeboten war (vgl. ebd.: 5). Französisch war 2014 nur noch mit 318 bilingualen Kitas und einem Anteil von 30 % vertreten (vgl. ebd.: 5). Abgesehen von den Einbußen des Französischen zugunsten der Zunahme an deutsch-englischen Angeboten, verzeichnen Türkisch, Russisch und Sorbisch starke Zuwachsraten. So hat sich die Anzahl deutsch-türkischer Einrichtungen von 2008 bis 2014 von 21 auf 42 verdoppelt, die Anzahl deutsch-russischer An‐ gebote von 8 auf 36 versechsfacht und deutsch-sorbische Angebote von 6 auf 32 verfünffacht (vgl. ebd.: 4). Darüber hinaus sind in der Erhebung von 2014 erst‐ mals Arabisch und Rumänisch in der Erhebung des FMKS aufgelistet (vgl. ebd.: 4). Ausgehend von den starken Zuwachsraten der genannten Sprachen gibt es notwendigerweise auch Sprachen, an denen das Interesse rückläufig zu sein scheint. Die größten Einbußen hatte neben Französisch Polnisch zu verbuchen, das 2014 nur noch in acht Einrichtungen im Vergleich zu 17 Einrichtungen im Jahr 2008 angeboten wurde. Zusammenfassend lässt sich aus den Zahlen des FMKS bundeslandübergrei‐ fend ein deutlicher Trend zugunsten des Englischen als derzeit am häufigsten angebotene erste Fremdsprache in bilingualen vorschulischen Betreuungsein‐ richtungen ablesen. Zwar ist durch die Bedeutung der Nachbarsprachen in den Grenzregionen, wie z. B. dem Dänischen in Schleswig-Holstein, auch ein stand‐ ortabhängiges und bundeslandspezifisches Sprachenangebot erkennbar, doch zeigen die jüngsten Entwicklungen, dass auch diese Sprachen zunehmend mit dem Englischen konkurrieren müssen. Die Frage, die sich unmittelbar an die Zahlen des FMKS anschließt, lautet daher, durch welche Motive die Sprachenwahl, die letztendlich das Sprachan‐ gebot in den bilingualen Einrichtungen bedingt, beeinflusst wird. Die Gründe, die für oder gegen die Wahl einer Sprache als erste Fremdsprache in einer Kita sprechen, sollen daher im Folgenden sowohl unter Bezugnahme auf die Motive 2 Konzeptioneller Bezugsrahmen: Früher Fremdsprachenerwerb im Elementarbereich 40 2.2.3 der Entscheidungsträger als auch aus einer spracherwerbstheoretischen Per‐ spektive erörtert werden. Überlegungen zur Sprachenwahl und Erwerbsreihenfolge Bei der Betrachtung des Sprachangebots in bilingualen Kitas scheint sich die Frage nach der Sprachenwahl bzw. die Frage, in welcher Reihenfolge ein Kind welche Sprache erwerben sollte, zu erübrigen. Die Zahlen des FMKS belegen eindrucksvoll, dass der Ausbau deutsch-englischer Angebote in den letzten Jahren die stärksten Zuwachsraten zu verzeichnen hat. Die Gründe dafür liegen auf der Hand. Englisch ist eine Weltsprache, eine lingua franca. Kinder, die in einer bilingualen Kita bereits früh Kontakt zur englischen Sprache erhalten, haben später Vorteile im schulischen Fremdsprachenunterricht und einen Vor‐ sprung gegenüber Gleichaltrigen, die keine bilinguale Kita besucht haben, so die Erwartungshaltung vieler Eltern (vgl. Wode 2009: 16). Englisch ist die dominante Sprache der internationalen Wirtschaft, der Technologie und der Naturwissen‐ schaften (vgl. Edelenbos / Kubanek 2009: 9), die den Lernenden der englischen Sprache „sprachliche[n] Zugang zur Teilhabe - oder Hoffnung auf Teilhabe - an Arbeit, Einfluss und vielleicht auch Macht“ (Kohn 2007: 207) verschafft. In der Tat ist die Vormachtstellung des Englischen nicht zu verneinen. Die Dis‐ kussion um einen frühen Fremdsprachenbeginn wird daher oft vorschnell auf die Diskussion eines reinen Vorziehens des Englischunterrichts hin verkürzt (vgl. Krumm 2003: 43). Um allerdings den Bemühungen der europäischen Spra‐ chenpolitik um die Förderung der individuellen Mehrsprachigkeit aller EU -Bür‐ gerInnen Rechnung zu tragen, reicht das Erlernen einer einzigen lingua franca nicht aus (vgl. Kommission der europäischen Gemeinschaften 2003: 10). Die derzeit dominierenden english-only-Tendenzen (Krumm 2005: 29) sind daher durchaus kritisch zu betrachten. Da die 3-Sprachenformel besagt, dass jede(r) EU -BürgerIn im Laufe der Schulzeit neben der Erstsprache zwei weitere Spra‐ chen auf einem funktional angemessenen Niveau erlernen sollte (vgl. Europä‐ ische Kommission 1996: 62), stellt sich zum einen die Frage, welche Sprachen dies sein sollten und zum anderen die Frage nach der Erwerbsreihenfolge der Sprachen, d. h. wann und in welcher Bildungsinstitution welche Sprache erlernt werden sollte. In der Diskussion um die Sprachenwahl wird dem Englischen nach wie vor eine Vormachtstellung zugesprochen: Englisch ist zur Weltsprache geworden und es kann keine Rede davon sein, diese Machtstellung zu verneinen, bzw. zu erschüttern. Es bleibt dabei, dass Englisch gelehrt 2.2 Bilinguale Kitas in Deutschland 41 und gelernt werden muss. Die Frage ist die des Zeitpunkts, zu welchem der Englisch‐ unterricht beginnen soll (Petit 2001: 16). Ausgehend von der Feststellung Petits (2001) rücken in den letzten Jahren ver‐ stärkt Argumente und Kriterien der Erwerbsreihenfolge in den Vordergrund, die gegen Englisch und für eine andere Sprache als erste Fremdsprache spre‐ chen. Als ein zentrales Entscheidungskriterium bei der Erwerbsreihenfolge sollte die Typologie der Zielsprache und der Verwandtschaftsgrad bzw. die sprach‐ strukturelle Beziehung der Sprachen bedacht werden. So legen Studien nahe, dass sich eine strukturell stark von der Erstsprache divergierende Sprache im frühen Kindesalter aus neurolinguistischer Sicht müheloser erwerben lässt als eine sprachstrukturell ähnliche Sprache (vgl. u. a. Fabbro 1999: 126). Vor dem Hintergrund dieser psycholinguistischen Überlegungen sollte daher eine Sprache als erste Fremdsprache gewählt werden, die maximal mit der Erst‐ sprache des Kindes kontrastiert (vgl. Petit 2001: 16 f.). Da Englisch verwandt‐ schaftlich nah mit der deutschen Sprache verbunden ist und daher sprachstruk‐ turell nicht wesentlich mit dem Deutschen kontrastiert, sollte für Kinder mit Deutsch als Erstsprache idealerweise eine sprachstrukturell entferntere Sprache aus einer anderen Sprachfamilie als erste Fremdsprache in Betracht gezogen werden. Durch den Erwerb einer stark kontrastierenden Sprache im frühen Kindesalter können die kindlichen implizit-inzidentellen Spracherwerbsmecha‐ nismen, die noch stark denen des Erstspracherwerbs ähneln, bestmöglich aus‐ geschöpft werden. Die Fähigkeit zum Erwerb kontrastierender Eigenschaften geht mit der zunehmenden Reifung der Gehirnhälften, dem Rückgang der Plas‐ tizität des Gehirns und fortschreitendem Lebensalter zurück und ist dann nur noch bedingt bzw. unter größeren Anstrengungen möglich (vgl. ebd.: 18). Die kindliche Gehirnplastizität ist daher von zentraler Funktion für den Spracher‐ werb, um „die harte Nussschale der Sprachkontrastivität mit Leichtigkeit zu knacken“ (ebd.: 19). Vor diesem Hintergrund bietet sich beispielsweise das Fran‐ zösische als erste Fremdsprache in bilingualen Kitas an. Bei dem Sprachenpaar Deutsch-Französisch kontrastieren insbesondere die sprachlichen Teilbereiche der Phonetik, Lexik und Grammatik wesentlich deutlicher als bei dem Spra‐ chenpaar Deutsch-Englisch (vgl. ebd.: 17). Neben diesen psycholinguistischen Erwägungen und dem Argument der Kontrastivität sollte auch die geografische Situation bei der Sprachenwahl ein‐ bezogen werden. Da es sich beim Spracherwerb zugleich um ein Aneignen kul‐ tureller Werte handelt, ist in Grenzregionen der Erwerb und der Kontakt zu Nachbarsprachen als erster Fremdsprache im frühen Kindesalter zu favorisieren 2 Konzeptioneller Bezugsrahmen: Früher Fremdsprachenerwerb im Elementarbereich 42 16 Ähnliche Bemühungen sind für den Erhalt und die Förderung von autochthonen Min‐ derheitensprachen wie Friesisch, Sorbisch oder Niederdeutsch erforderlich, die sich in einer ähnlichen Konkurrenzsituation zum Englischen befinden. Hier handelt es sich zumeist um Kinder, die Hochdeutsch als Erstsprache erworben haben und die zusätzlich in einer bilingualen Kita die autochthone Minderheitensprache ihrer Eltern oder Groß‐ eltern erwerben sollen (vgl. Wode 2009: 75). (vgl. Nauwerck 2008: 467; Petit 2001: 18). Der Kontakt zu der Sprache sollte dabei nicht auf die jeweilige Bildungsinstitution beschränkt bleiben, sondern auch außerhalb der Einrichtung unmittelbar erfahrbar sein, so dass die lebenswelt‐ liche Relevanz der Sprache aufgezeigt werden kann. Aus diesem Grund stellt der Frühbeginn einen geeigneten Ort für die Vermittlung von Nachbar- und Begegnungssprachen dar, die aus dem unmittelbaren Lebensumfeld der Kinder stammen (vgl. Krumm 2003: 43). Bezogen auf den Fremdsprachenfrühbeginn in Deutschland bieten sich hier beispielsweise die Förderung des Französischen im Saarland und Rheinland-Pfalz, des Dänischen in Schleswig-Holstein, des Nie‐ derländischen in den deutsch-niederländischen Grenzregionen in Nord‐ rhein-Westfalen und Niedersachsen oder des Polnischen in Mecklenburg-Vor‐ pommern und Brandenburg an. Durch den gezielten Einbezug der Nachbars‐ prachen kann die kulturelle Identität der Kinder bereits früh geprägt werden (vgl. Wode 2009: 20). Jedoch ist auch in den Grenzregionen zunehmend zu be‐ obachten, dass sich die subjektiv empfundene Relevanz der Sprachen - zu‐ gunsten des Englischen und zulasten der Nachbarsprachen - verschiebt. Auch in den grenznahen Regionen treten die Nachbarsprachen daher in zunehmende Konkurrenz zum Englischen (vgl. Nauwerck 2008: 467). Dies spiegeln auch die vom FMKS erhobenen Zahlen und deren Entwicklung in den jeweiligen Re‐ gionen über den Zeitraum der letzten Jahre wider (vgl. FMKS 2014). Aufgrund dieser sich wandelnden Wertung und Nachfrage im Sprachangebot ist eine ver‐ stärkte öffentlichkeitswirksame bildungspolitische Unterstützung notwendig, um die Nachbarsprachen in den Grenzregionen im Sinne der europäischen Sprachenvielfalt zu erhalten und zu stärken (vgl. Krumm 2003: 40). 16 Weitere Sprachforschende geben zu bedenken, dass in die Diskussion um die Erwerbsreihenfolge aufgrund der weichenstellenden Funktion der ersten Fremdsprache nicht zuletzt auch lernpsychologische Argumente einfließen sollten (vgl. Krumm 2005: 29). So spricht laut Le Pape Racine (2003) insbesondere die Tatsache, dass das Englische eine eher flache Progression im Systemerwerb aufweist, so dass es in der Anfangsphase „relativ leicht zu lernen ist“ (Le Pape Racine 2003: 126) und das spätere Hinzukommen einer zweiten Fremdsprache wie Französisch, das wiederum „in der Anfangsphase schwieriger zu lernen ist“ (ebd.), eindeutig gegen die Wahl des Englischen als erste Fremdsprache. Aus 2.2 Bilinguale Kitas in Deutschland 43 diesem Umstand können sich ebenso ungünstige motivationale Ausgangsbe‐ dingungen für das Erlernen weiterer Fremdsprachen ergeben: Durch eine wei‐ tere sprachen- und bildungspolitische Stärkung des Englischen als unangefoch‐ tene erste zu erwerbende Fremdsprache werden eindeutige, für den Erhalt und die Förderung der europäischen Sprachenvielfalt jedoch höchst zweifelhafte, Signale entsandt. Es wird suggeriert, dass Englisch die wichtigste und einzig notwendige Sprache ist, mit der weltweit eine erfolgreiche Verständigung mög‐ lich ist. Dies läuft nicht nur dem Gedanken der europäischen Mehrsprachigkeit und Sprachenvielfalt zuwider, sondern wirkt auch kontraproduktiv auf die Mo‐ tivation, nach Englisch noch weitere Fremdsprachen lernen zu wollen (vgl. Krumm 2005: 29; Le Pape Racine 2003: 126). Diese Argumentation wird auch von Krumm (2003: 43) untermauert, der ausgehend von den obig propagierten Nachbarsprachen als ersten Fremdsprachen darlegt, dass Englisch von Kindern „mit 8-10 Jahren, wenn sie ins Elektronik- oder Pop-Musikalter kommen, sehr gerne und sicher sehr rasch als zweite Sprache“ erlernt werden wird. Eine Er‐ werbsreihenfolge, in der Englisch die zweite Fremdsprache nach einer zuvor erworbenen anderen ersten Fremdsprache ist, kann sich, da an Englisch ohnehin kein Weg vorbeiführt, daher günstiger auf die Motivation zum weiteren Fremd‐ sprachenlernen auswirken. Ausgehend von diesen Darstellungen, die nicht die Relevanz des Englischen an sich, sondern vielmehr die Erwerbsreihenfolge unterschiedlicher Sprach‐ kombinationen anhand von neurolinguistischen, lernpsychologischen und ge‐ ografischen Entscheidungskriterien, die für die individuelle Wahl einer ersten Fremdsprache leitend sein können, diskutiert haben, sollte auf übergeordneter Ebene eine gewisse Diversifizierung im Sprachenangebot angestrebt werden (vgl. u. a. Krumm 2003: 43). So heißt es beispielsweise im EU Aktionsplan: Die Förderung der Sprachenvielfalt beinhaltet, dass in unseren Schulen, Hochschulen, Erwachsenenbildungszentren und Unternehmen der Unterricht und das Erlernen einer möglichst breiten Palette von Fremdsprachen möglichst aktiv gefördert werden. Insgesamt sollte das Angebot ebenso die kleineren europäischen Sprachen wie auch die größeren Sprachen, Regional-, Minderheiten- und Migrantensprachen sowie Lan‐ dessprachen und die Sprachen unserer wichtigsten Handelspartner in der ganzen Welt umfassen. Die bevorstehende Erweiterung der Europäischen Union wird auch die Er‐ weiterung um eine Vielzahl von Sprachen aus mehreren Sprachfamilien mit sich bringen; es bedarf besonderer Anstrengungen, um sicherzustellen, dass die Sprachen der neuen Mitgliedsstaaten in anderen Ländern umfassender gelernt werden. Die Mitgliedsstaaten können bei der Förderung des Unterrichts und des Erlernens einer breiteren Sprachenpalette durchaus mit gutem Beispiel vorangehen (Kommission der Europäischen Gemeinschaften 2003: 10). 2 Konzeptioneller Bezugsrahmen: Früher Fremdsprachenerwerb im Elementarbereich 44 2.3 Durch dieses Verständnis von Mehrsprachigkeit, das auch die aktive und ver‐ stärkte Förderung von weniger nachgefragten Sprachen wie Regional-, Min‐ derheiten- und Migrantensprachen in den Bildungsinstitutionen umfasst (vgl. Wode 2009: 20), kann auch verhindert werden, dass alle Lernenden über iden‐ tische Sprachenrepertoires verfügen, was „zwangsläufig die Arbeits-losen von morgen produzieren“ (Wode 2006: 3) würde. Mithilfe einer möglichst breiten Diversifizierung der individuellen Sprachenrepertoires stehen die Chancen der einzelnen Bewerbenden auf dem internationalen Arbeitsmarkt ungemein besser. Zur bestmöglichen Entfaltung der individuellen Mehrsprachigkeitspro‐ file sollten im Bildungssystem auch unterschiedliche Optionen zur Individuali‐ sierung des eigenen Sprachenprofils geschaffen werden. Im Sinne einer tat‐ sächlichen Förderung individueller Mehrsprachigkeit kann beispielsweise von der Idealvorstellung, eine Sprache komplett lernen zu müssen, Abstand ge‐ nommen und an deren Stelle Raum für kürzere Sprachlernangebote geschaffen werden, die jeweils eine bestimmte sprachliche Handlungsfähigkeit in spezi‐ ellen Teilbereichen oder sprachliche Fertigkeiten vermitteln und in den Fokus nehmen (vgl. Krumm 2003: 46). Letztlich ist die Sprachenwahl und die Erwerbs‐ reihenfolge von Sprachen auch immer eine individuelle Entscheidung, so dass nicht zuletzt der jeweilige Einzelfall betrachtet und die in der Familie und dem sozialen Umfeld dominierende sprachliche Situation in den Entscheidungspro‐ zess einbezogen werden sollte (vgl. Wode 2009: 20). Rahmenbedingungen der vorschulischen Fremdsprachenvermittlung Bevor die methodischen Ansätze zur praktischen Umsetzung des frühen Fremd‐ sprachenerwerbs im Elementarbereich in Kapitel 2.4 vorgestellt werden, werden in diesem Unterkapitel die Rahmenbedingungen der vorschulischen Fremd‐ sprachenvermittlung skizziert. Hierzu wird zum einen in die zentralen Begriff‐ lichkeiten der Mehrsprachigkeitsforschung im Kontext des frühen Fremdspra‐ chenerwerbs eingeführt und zum anderen werden relevante elementarpäda‐ gogische Ansätze, die den pädagogischen Rahmen für die Vermittlung von Fremdsprachen im Elementarbereich bilden, vorgestellt. 2.3 Rahmenbedingungen der vorschulischen Fremdsprachenvermittlung 45 2.3.1 Grundbegriffe der Mehrsprachigkeitsforschung im Kontext der frühen Fremdsprachenvermittlung Obwohl bereits zahlreiche Definitionsversuche vorliegen, ist der Begriff der Zweibzw. Mehrsprachigkeit in der Fachliteratur bislang nicht allgemeingültig definiert worden. Viele Forschende berufen sich in ihren Definitionsversuchen auf das Kriterium der Sprachkompetenz des mehrsprachigen Individuums. Hier stehen sich verschiedene und zum Teil erheblich divergierende Positionen ge‐ genüber. So fordert die maximalistische Position „a native-like control of two languages“ (vgl. Bloomfield 1933: 56) während die minimalistische Gegenposi‐ tion wie z. B. Haugen (1953: 7) Personen als bilingual oder mehrsprachig be‐ zeichnet, die „in einer fremden Sprache vollständige und sinnvolle Äußerungen produzieren können“, oder wie Macnamara (1969: 82) formuliert: „I shall con‐ sider as bilingual a person who, for example, is an educated native speaker of English and who can also read a little French“. Diese Definitionsversuche mar‐ kieren die Extrempole eines Kontinuums, auf dem sich in der Fachliteratur be‐ liebig viele Zwischenstufen an Begriffsannäherungen lokalisieren lassen (vgl. Tracy / Gawlitzek-Maiwald 2000: 496 f.). An diesen Extrempositionen und den daraus resultierenden engen und weiten Definition von Mehrsprachigkeit ist nicht nur problematisch, dass sie äußerst schwierig zu präzisieren und operati‐ onalisieren sind, sondern auch die Tatsache, dass sie sich einzig auf das Krite‐ rium der Sprachkompetenz beschränken und damit weitere relevante sprach‐ liche und nicht-sprachliche Dimensionen des Phänomens Mehrsprachigkeit ausblenden (vgl. Hamers / Blanc 1989: 7). Aus diesem Grund setzen sich zuneh‐ mend funktionale Definitionsversuche durch. Gemäß dieser funktionalen Per‐ spektive wird Zwei- und Mehrsprachigkeit als die Fähigkeit zum alternierenden Gebrauch von zwei bzw. mehr als zwei Sprachen bezeichnet (vgl. Apeltauer 2001: 628; Mackey 1970: 555). Diese Definitionsversuche gehen davon aus, dass das mehrsprachige Individuum seine Sprachen funktional und komplementär, d. h. domänenspezifisch sowie zweck-, situations- und kontextgebunden ein‐ setzt (vgl. Byram 2004: 82). Aus dieser funktional-komplementären Nutzung der einzelnen Sprachen des zur Verfügung stehenden Sprachenrepertoires ergibt sich gemäß Aronin / Singleton (2012: 59) eine sogenannte Dominant Language Constellation. Darunter verstehen sie „the group of his / her most important languages that, functioning as an entire unit, enable him / her to act in a multi‐ lingual environment in such a way as to meet all of his / her needs“ (ebd.), die die spezifische Sprachhandlungskomptenz des mehrsprachigen Individuums bildet. Demnach ist Zwei- und Mehrsprachigkeit eine dynamische Größe, die sich in Abhängigkeit von sich wandelnden persönlichen Lebensumständen und 2 Konzeptioneller Bezugsrahmen: Früher Fremdsprachenerwerb im Elementarbereich 46 17 Apeltauer (1997: 11) bezeichnet diese simultane Erwerbsform als „primären Bilingua‐ lismus“, Kielhöfer (1989: 358) als „natürlichen Bilingualismus“. den jeweiligen Gebrauchsmöglichkeiten der Sprachen ändern kann. Auch die Tatsache, dass die Aneignung von zwei oder mehreren Sprachen in unterschied‐ lichen biografischen Erfahrungskontexten und in vielfältigen Konstellationen erfolgen kann (vgl. u. a. Wong Fillmore 1979), zeigt, dass das Phänomen der Zweibzw. Mehrsprachigkeit kein einheitliches Konstrukt ist, für das eine all‐ gemeingültige Definition formuliert werden kann. Ausgehend davon wird von den oben genannten Definitionsversuchen zunehmend Abstand genommen und verstärkt dafür plädiert, sich dem Phänomen der individuellen Mehrsprachig‐ keit mittels verschiedener Beschreibungsdimensionen anstatt über eine ein‐ heitliche Definition zu nähern (vgl. Baker 2011: 3). Ähnlich schlägt auch Skut‐ nabb-Kangas (1981: 92 f.) vor, auf eine einheitliche Definition zu verzichten und stattdessen eine deskriptive Annäherung anhand sogenannter „bilingualer Pro‐ file“ vorzunehmen. Für die vorliegende Studie sind in erster Linie das Erwerbsalter, die Gleichbzw. Nachzeitigkeit des Erwerbs der Sprachen sowie die institutionellen Rah‐ menbedingungen relevante Dimensionen, um das Phänomen Mehrsprachigkeit deskriptiv in den Kontext der vorliegenden Untersuchung einordnen zu können. Forschungsgegenstand dieser Arbeit ist die frühe Zwei- und Mehrsprachigkeit (early biligualism / bilingualism in childhood), die von der jugendlichen und er‐ wachsenen Zwei- und Mehrsprachigkeit abgegrenzt wird (vgl. Hamers / Blanc 1989: 9). Der Begriff dient als Oberbegriff, unter dem verschiedene Spracher‐ werbsszenarien und verschiedene Formen des natürlichen bilingualen Sprach‐ erwerbs in der Kindheit subsumiert werden, die sich hinsichtlich mehrerer Be‐ schreibungsdimensionen weiter ausdifferenzieren lassen. In Bezug auf die Erwerbsreihenfolge bzw. die Gleich- oder Nachzeitigkeit des Erwerbs der Sprachen wird zwischen dem simultanen und sukzessiven Bilin‐ gualismus unterschieden (vgl. McLaughlin 1984: 10). Ein simultaner Erwerb von zwei Sprachen, der auch als bilingualer bzw. doppelter Erstspracherwerb be‐ zeichnet wird (De Houwer 2009), liegt vor, wenn Kinder z. B. mit Eltern unter‐ schiedlicher Erstsprachen aufwachsen, so dass sie bereits ab der Geburt einen regelmäßigen Kontakt zu zwei Sprachen haben. 17 Die Erwerbsform, die im Rahmen der vorliegenden Arbeit betrachtet wird, lässt sich hingegen eher einer Ausprägung des sukzessiven Bilingualismus zuordnen. Der sukzessive Bilingu‐ alismus (successive / sequential bilingualism), der in der Fachliteratur auch als früher Zweitspracherwerb oder früher kindlicher Zweitspracherwerb be‐ zeichnet wird (vgl. Chilla et al. 2010: 34; Rothweiler 2007: 106), beschreibt eine 2.3 Rahmenbedingungen der vorschulischen Fremdsprachenvermittlung 47 18 Der derzeitige Forschungsstand lässt noch keine eindeutige Abgrenzung zwischen si‐ multanen vs. sukzessiven Bilingualismus zu. So bleibt auch die Frage, bis zu welchem Alter es sich um einen doppelten Erstspracherwerb handelt und wo die Altersgrenze zum frühkindlichen Zweitspracherwerb verläuft, offen (vgl. Thoma / Tracy 2006: 76). In der Fachliteratur werden unterschiedliche Altersangaben zur Abgrenzung vorge‐ schlagen, die jedoch bis heute keinen Konsens gefunden haben. Während für De Houwer (vgl. 2009: 3) nur dann ein doppelter Erstspracherwerb vorliegt, wenn ein re‐ gelmäßiger (d. h. täglicher) Kontakt zu beiden Sprachen ab der ersten Lebenswoche nach der Geburt gewährleistet ist, sprechen andere ForscherInnen auch dann noch von einem simultanen Erwerb, wenn die zweite Sprache bis zum zweiten (vgl. Tracy / Gaw‐ litzek-Maiwald 2000: 503) dritten (vgl. McLaughlin 1984: 10) oder bis zum fünften Le‐ bensjahr (vgl. Genesee 1989) hinzutritt. 19 In der Fachliteratur wird zur Beschreibung der institutionellen Rahmenbedingungen häufig dichotomisch zwischen ungesteuerten vs. gesteuerten Sprachaneignungsproz‐ essen unterschieden (siehe z. B. Ahrenholz 2008: 8). Ich verzichte hier bewusst auf die Verwendung dieser Terminologie, da sie meines Erachtens fälschlicherweise suggeriert, dass Sprachaneignungsprozesse entweder direkt von Außen regulier- und manipu‐ lierbar sind (gesteuerter Erwerb) bzw. ohne jegliche Form von Interaktion mit der so‐ zialen Umwelt erfolgen (ungesteuerter Erwerb). Form des Bilingualismus, bei der der Erwerb einer zweiten Sprache einsetzt, wenn der Erwerb der Erstsprache bereits in weiten Teilen abgeschlossen ist, so dass die zweite Sprache sukzessiv, d. h. nachzeitig bzw. zeitlich verschoben zum Erstspracherwerb erfolgt (vgl. ebd.; Edmondson / House 2011: 9). Eine typische Form sukzessiver Zweibzw. Mehr-sprachigkeit liegt vor, wenn Kinder unter Migrationsbedingungen aufwachsen (vgl. Rothweiler 2007: 106). In jenen Fällen erwerben die Kinder zunächst die Familiensprache bzw. die Erstsprache ihrer Eltern, bevor sie mit Eintritt in das Bildungssystem im Kindergarten erstmals in systematischen und kontinuierlichen Kontakt mit der neuen Zweitsprache kommen (vgl. Rehbein / Grießhaber 1996: 70). Die Kinder, die im Alter von einem Jahr oder im Alter von drei Jahren z. B. in einer bilingualen Kita mit einer zweiten Sprache in Kontakt kommen, im Rahmen dieser Studie mit dem Englischen im deutsch-englischen TU -Kinderhaus, haben vor dem Erstkontakt mit der wei‐ teren Sprache bereits grundlegende Strukturen ihrer Erstsprache erworben, so dass auch bei diesen Kindern, obgleich die genaue Altersgrenze zur Abgrenzung von simultanem und sukzessiven Erwerb höchst widersprüchlich ist, eher von einer sukzessiven Form des mehrsprachigen Erwerbs gesprochen werden kann. 18 Die institutionellen Rahmenbedingungen und die Art und Weise, wie Spra‐ chen erworben bzw. gelernt werden, stellen eine weitere bedeutende Beschrei‐ bungsdimension dar. 19 So erfolgt der kindliche Zweitspracherwerb, im Gegen‐ satz zu einer überwiegend formalisierten Aneignung von Fremd- und Zweit‐ sprachen, wie er beispielsweise im schulischen Fremdsprachenunterricht oder 2 Konzeptioneller Bezugsrahmen: Früher Fremdsprachenerwerb im Elementarbereich 48 in Integrationskursen stattfindet, unter eher natürlichen Aneignungsbedin‐ gungen und in alltagsintegrierten Interaktionskontexten (vgl. Ahrenholz 2008: 12). Bezogen auf den Untersuchungskontext der vorliegenden Studie und die Funktionsweise bilingualer Kitas (vgl. Kap. 2.4.2.4) ist die Erwerbsform, die im Rahmen dieser empirischen Studie untersucht wird, als überwiegend natürlich und alltagsintegriert zu betrachten, da die Sprache ohne die explizite Vermitt‐ lung sprachlicher Strukturen handlungsbegleitend in authentischen Interakti‐ onskontexten des Kita-Alltags eingesetzt wird (vgl. Kersten 2012: 29). Dennoch weist Müller (2006: 25 f.) darauf hin, dass der (mehrsprachige) Spracherwerb in Kitas aufgrund der Tatsache, dass er sich in einem institutionalisierten Bil‐ dungskontext abspielt, zwangläufig auch gesteuerte Aspekte im Sinne pädago‐ gischer oder didaktischer Elemente enthält. Es liegen zwar natürliche Erwerbs‐ bedingungen vor, da es sich bei den pädagogischen Fachkräften aber um ge‐ schultes und ausgebildetes Personal handelt, verfolgen die ErzieherInnen in der Interaktion mit dem Kind und im pädagogischen Alltag jedoch eindeutig didak‐ tisch motivierte Intentionen (vgl. auch Weitz 2012: 60). Anders als Eltern, die überwiegend intuitiv mit ihrem Kind interagieren und sich dadurch sensibel an den sprachlichen Entwicklungsstand ihres Kindes anpassen (vgl. u. a. Papoušek 1994), wird im Rahmen elementarpädagogischer Bildungsarbeit die persönliche Intuition durch pädagogische Handlungskompetenz ergänzt, was sich in Bezug auf den Spracherwerb u. a. in der Fähigkeit, „das kommunikationsförderliche Potenzial in alltäglichen Interaktionssituationen zu erkennen und auszu‐ schöpfen“ (Bose / Kurtenbach 2013: 10) äußern kann bzw. sollte. Damit unterscheidet sich der institutionalisierte Erwerb einer weiteren Sprache aufgrund der InteraktionspartnerInnen zum einen vom Erstspracher‐ werb, bei dem nicht eigens dafür ausgebildete Bezugspersonen mit dem Kind interagieren, und zum anderen von einem rein natürlichen Zweitspracherwerb, bei dem sich ein Individuum eine neue Sprache außerhalb von Bildungsinstitu‐ tionen durch die direkte Interaktion mit seiner zweitsprachigen Umwelt aneignet (vgl. Ahrenholz 2008: 12). Ein weiteres Argument gegen die Bezeich‐ nung als Zweitsprache für die Sprache, die nach einer Erstsprache in einer bi‐ lingualen Einrichtung vermittelt wird, ist der Status bzw. der Stellenwert der Sprache außerhalb der Bildungsinstitution, in der sie vermittelt wird (vgl. Kniffka / Siebert-Ott 2012: 16). Wesentliches Merkmal einer Zweitsprache ist, dass diese „für die Lernenden im alltäglichen Lebensvollzug von existenzieller Bedeutung ist“ (Siebert-Ott 2010: 366). Das Englische, das in vielen bilingualen Kitas und auch im Forschungsfeld dieser Untersuchung als weitere Sprache neben Deutsch vermittelt wird, hat für die Kinder hingegen außerhalb der Ein‐ richtung in der Regel (noch) keinerlei lebensweltliche oder gar existenzielle Re‐ 2.3 Rahmenbedingungen der vorschulischen Fremdsprachenvermittlung 49 20 Eine Ausnahme bilden hier wiederum die Nachbarsprachen, zu denen in den Grenzre‐ gionen auch außerhalb der jeweiligen Bildungsinstitution authentische Kontakt- und Gebrauchsmöglichkeiten bestehen. 21 Die genaue Bezeichnung ist im Einzelfall auch von den in der bilingualen Kita ange‐ botenen Sprachen und der damit verbundenen Zielsetzung der frühen Vermittlung einer weiteren Sprache verbunden. In sogenannten Bereicherungsmodellen ist der Erwerb der weiteren Sprache für das alltägliche Leben nicht unbedingt notwendig, sondern stellt eine sprachliche Bereicherung dar. Es handelt sich dabei häufig um Kinder aus der Mittel- oder Oberschicht, denen in einer bilingualen Institution Sprachen wie Englisch oder Französisch vermittelt werden (vgl. Fthenakis 1985: 306 f.). Für diese Kinder stellt die zu erwerbende Sprache demnach eine Fremdsprache dar. Anders sieht es in Ein‐ richtungen aus, deren bilinguale Erziehung sich an dem Assimilationsmodell orientiert (z. B. in Übergangsprogrammen) (vgl. Fthenakis 1985: 311 f.). In diesen Kitas oder Schulen werden Mehrheitssprachen angeboten, so dass sprachlichen Minderheiten, wie z. B. Kindern mit Migrationshintergrund, Deutsch als Zweitsprache vermittelt und dieser Zielgruppe so zu einer sprachlich-sozialen Anpassung verholfen werden soll. In diesem Fall liegt eine Form von Zweitspracherwerb vor, da die Sprache auch außerhalb der Bildungsinstitution „unmittelbar kommunikativ relevant ist“ (Rösler 1994: 8) (zu den Grundtypen bilingualer Erziehung siehe Fthenakis 1985). levanz. Die Kinder erhalten in bilingualen Einrichtungen einen regelmäßigen und kontinuierlichen Kontakt zu einer weiteren Sprache, wie Englisch, für die es außerhalb der Einrichtung jedoch, sofern Eltern oder weitere Bezugspersonen diesen nicht explizit herstellen, keine Kontakt- oder Gebrauchsmöglichkeiten gibt. 20 Dieses Merkmal spricht auch eher dafür, die in bilingualen Kitas vermit‐ telten Sprachen als Fremd- und nicht als Zweitsprache zu bezeichnen. Zu der Sprache bestehen hier außerhalb der Bildungsinstitution ähnlich wie einer schulisch vermittelte Fremdsprache, zu der zumeist ebenfalls keine authenti‐ schen und kontinuierlichen außerschulischen Gebrauchsmöglichkeiten be‐ stehen, sofern diese nicht eigeninitiativ aufgesucht oder geschaffen werden (z. B. die regelmäßige Teilnahme an einem Sprachenstammtisch o. ä.) keine regelmä‐ ßigen kontinuierlichen Gebrauchsmöglichkeiten. Aus diesem Grund wird im Folgenden die Sprache, die neben Deutsch in einer bilingualen Einrichtung ver‐ mittelt wird, als Fremdsprache bezeichnet. 21 Hinzu kommt, dass es sich bei den Kindern in einer bilingualen Einrichtung um keine sprachlich homogene Gruppe handelt (vgl. Müller 2006: 26). Die Kinder weisen bereits bei Eintritt in eine vorschulische Betreuungseinrichtung unter‐ schiedliche Sprachenbiografien auf, so dass für jedes Kind individuell betrachtet werden muss, welche Aneignungsform vorliegt und welchen Status die daran beteiligten Sprachen haben. Bei monolingual mit Deutsch aufwachsenden Kin‐ dern besteht der Kontakt zum Deutschen mit Eintritt in die Einrichtung wei‐ terhin und Englisch kommt als erste Fremdsprache hinzu, wohingegen bei Kin‐ dern, die in ihrem Elternhaus bereits eine andere Erstsprache als Deutsch er‐ 2 Konzeptioneller Bezugsrahmen: Früher Fremdsprachenerwerb im Elementarbereich 50 2.3.2 worben haben, in einer deutsch-englischen bilingualen Einrichtung nicht nur Englisch als Fremdsprache, sondern auch Deutsch als Zweitsprache und somit zwei neu zu erwerbende Sprachen hinzutreten. Darüber hinaus existieren auch Spracherwerbsbiografien, an denen mehr als drei Sprachen beteiligt sind. Unter den an der Studie teilnehmenden ProbandInnen befanden sich Kinder, die in ihrem Elternhaus mit zwei verschiedenen Erstsprachen aufwachsen, indem z. B. Mutter und Vater in ihren jeweils unterschiedlichen Erstsprachen mit dem Kind interagieren. Für diese Kinder stellen die in der Kita vertretenen Sprachen Deutsch und Englisch nach ihren beiden Erstsprachen bereits die dritte bzw. vierte neu zu erwerbende Sprache dar. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die Formen kindlicher Mehr‐ sprachigkeit ähnlich vielschichtig und komplex sind wie die des Phänomens Mehrsprachigkeit insgesamt. So ergeben sich auch für die Verwendung einer angemessenen Fachterminologie im Kontext der frühen Mehrsprachigkeit ähn‐ liche Herausforderungen wie für die eingangs unternommenen Definitionsver‐ suche des Begriffs der Mehrsprachigkeit, so dass die deskriptive Annäherung an die individuellen Spracherwerbsbiografien entlang verschiedener Beschrei‐ bungsdimensionen im Rahmen dieser Arbeit einer allgemeingültigen Definition vorgezogen wird. Elementarpädagogische Ansätze Bevor die methodischen Ansätze zur Vermittlung von Fremdsprachen im Ele‐ mentarbereich dargestellt werden, sollen mit dem Situationsorientierten Ansatz und dem Lebensbezogenen Ansatz zunächst allgemeine elementarpädagogische Ansätze näher betrachtet werden. Diese bilden den allgemeinen pädagogischen Rahmen, innerhalb dessen sich methodische Ansätze zur Vermittlung von Spra‐ chen im Elementarbereich entfalten. Die frühpädagogische Arbeit in Kindergärten wird in Deutschland seit Mitte der 1970er Jahre durch den Situationsorientierten Ansatz bestimmt. Dieser An‐ satz, der auch als Situationsansatz bezeichnet wird, formuliert auf übergeord‐ neter Ebene den Erwerb von Autonomie, Solidarität und Kompetenz als ange‐ strebte Bildungsziele (vgl. Leu / Remsperger 2004: 168). Im Zentrum dieses pä‐ dagogischen Ansatzes steht das Kind selbst, das als aktiv handelnde und in der aktiven Auseinandersetzung mit seiner Umwelt Kompetenzen erwerbende Per‐ sönlichkeit wahrgenommen wird (vgl. Wehrmann 2006: 63). Dieser Kompetenz‐ erwerb orientiert sich demnach unmittelbar an der kindlichen Lebenswelt, so dass sich der überwiegende Teil des Lernens in der Lebenssituation Kita, d. h. in 2.3 Rahmenbedingungen der vorschulischen Fremdsprachenvermittlung 51 22 Die Begriffsverwendung orientiert sich an der Definition nach Bose / Kurtenbach (2013: 8): „Bei der Sprachbildung handelt es sich um die sogenannte ‛Primärprävention’ zur Verhinderung von Entwicklungsproblemen, darunter wird vor allem die Bereitstellung einer anregungsreichen Umwelt für alle Kinder verstanden. Sprachbildung ist un‐ trennbar mit allen anderen frühpädagogischen Bildungsaufgaben verbunden. Dazu zählen alle Situationen, in denen mit Kindern bewusst, aktiv und beziehungsvoll über Erlebtes, Erfahrenes, Empfundenes und Gefühltes gesprochen wird“. 23 Auch der Begriff der Sprachförderung wird im Folgenden in Anlehnung an die Defini‐ tion von Bose / Kurtenbach (2013: 8) verwendet: „Unter Sprachförderung wird eine spe‐ zifische Unterstützung sprachlicher Fähigkeiten förderungsbedürftiger Kinder auf un‐ terschiedlichen Sprachebenen verstanden wie zum Beispiel der reflektierte Einsatz von Korrektur- und Modelliertechniken in gezielter Kleingruppenarbeit“. der Gruppe und der Interaktion der einzelnen Gruppenmitglieder, vollzieht (vgl. Kolonko 2011: 38). Der pädagogische Ansatz, der zwar allgemeine Bildungsziele formuliert, aber auf Vorgaben zur konkreten Umsetzung der einzelnen Bil‐ dungsziele verzichtet, zeichnet sich durch ein hohes Maß an Offenheit aus (vgl. Leu / Remsperger 2004: 168). Für die konkrete Ausgestaltung des Situationsori‐ entierten Ansatzes sind die jeweiligen pädagogischen Fachkräfte verantwort‐ lich, wobei der Schwerpunkt des pädagogischen Handelns auf der Identifizie‐ rung (vgl. Müller 2006: 94) sowie der Beobachtung und Analyse pädagogisch relevanter Situationen liegt (vgl. Wehrmann 2006: 63). Dennoch sollte die pä‐ dagogische Fachkraft nicht direkt in den Bildungsprozess des Kindes eingreifen: Das Kind steuert sich und seine Umwelt selbst und eignet sich selbsttätig Wissen an, so dass die Selbstbildung den Mittelpunkt dieses Ansatzes bildet (vgl.ebd.). Da der Fokus des pädagogischen Handelns demnach auf der begleitenden Be‐ obachtung und Analyse und weniger auf der konkreten Vermittlung von Bil‐ dungsinhalten liegt, geht das Rollenverständnis im Situationsansatz mit einer „abgeschwächten erzieherischen Autorität“ (Müller 2006: 94) einher. In Bezug auf frühe sprachliche Bildung 22 und Sprachförderung 23 im Elemen‐ tarbereich wurden u. a. von Jampert (2002) mit dem Sprachförderkonzept „Schlüsselsituation Sprache“ Vorschläge dazu unterbreitet, wie konkrete Situa‐ tionen im Kita-Alltag als Ausgangspunk für die allgemeine Unterstützung und Förderung von Kindern nutzbar gemacht werden können. Insgesamt ist jedoch festzustellen, dass die Ansätze zur sprachlichen Bildung und Förderung, die im Zusammenhang mit dem Situationsansatz entstanden sind, eher auf eine kom‐ pensatorische Förderung einzelner Kinder bzw. einzelner Zielgruppen, wie der gezielten Förderung von Kindern mit Migrationshintergrund beim Erwerb des Deutschen als Zweitsprache, abzielen. Das zweisprachige Aufwachsen dieser Kinder wurde zudem eher aus einer Defizitperspektive heraus betrachtet (vgl. Müller 2006: 97). Übergreifende Ansätze sprachlicher Bildung oder Angebote, 2 Konzeptioneller Bezugsrahmen: Früher Fremdsprachenerwerb im Elementarbereich 52 die auf die Vermittlung einer ersten Fremdsprache im Elementarbereich ab‐ heben, wurden im Situationsansatz lange Zeit nicht berücksichtigt. Müller (2006) diskutiert in ihrer Dissertation das Potenzial des Situationsansatzes für die Implementierung bilingualer Bildung im Elementarbereich. Sie kommt zu dem Schluss, dass „dieses Verständnis von Zweisprachigkeit wenige Entwick‐ lungspotenziale für eine bilinguale Bildung im Kindergarten [bietet], die von einer hohen Wertschätzung gegenüber Zwei- und Mehrsprachigkeit ausgeht“ (Müller 2006: 97) und resümiert, dass „der Situationsansatz von seinem Grund‐ gedanken Fremdsprachenlernen im Kindergarten nicht explizit ausschließt, je‐ doch vor allem durch sein bildungstheoretisches Verständnis und seine Me‐ thodik nur eingeschränktes Potenzial dafür besitzt“ (ebd.: 98). Aufgrund zunehmender Kritik am Situationsansatz - die Hauptansatzpunkte der Kritik bezogen sich sowohl auf konzeptionelle Schwächen des Ansatzes wie das Fehlen von normativ begründeten Bildungs- und Erziehungszielen (vgl. Huppertz 1992: 117) als auch auf Schwierigkeiten bei der praktischen Umset‐ zung, wie etwa die vagen methodischen Hinweise zur konkreten Ausgestaltung des Ansatzes, die leicht in „Planlosigkeit und Beliebigkeit“ (Leu / Remsperger 2004: 168) münden können - entwickelte sich in den frühen 1990er Jahren der Lebensbezogene Ansatz. Dieser Ansatz, der maßgeblich von Huppertz (1992) begründet wurde, versteht sich als explizite Alternative zum Situationsorien‐ tierten Ansatz. Im Gegensatz zum Situationsansatz, in dem spezifische Situati‐ onen zugleich als Ausgang und Ziel der Bildung formuliert werden, ist „der Bezug auf das Leben der Kinder und die Orientierung an den Werten eines sinn‐ vollen Lebens“ (Huppertz 2003: 22) der zentrale Gedanke des Lebensbezogenen Ansatzes. So steht das Leben als Ganzes und nicht die zerstückelte Betrachtung einzelner und isolierter Lebenssituationen im Mittelpunkt dieses didaktischen Ansatzes (vgl. Müller 2006: 55). Als pädagogische Ziele stehen neben traditio‐ nellen Werten (z. B. Erziehung zu Toleranz, Solidarität und Gerechtigkeit) Frie‐ densfähigkeit, Verantwortungsbewusstsein, ein bewusster Umgang mit Umwelt und Natur sowie Mitgestaltung im Zentrum der pädagogischen Bemühungen (vgl. Huppertz 2003: 27 f.). Das übergeordnete Bildungsziel ist demnach, das Kind auf das individuelle und soziale Leben als WeltbürgerIn vorzubereiten (vgl. Huppertz 1992: 75 f.). Die grundlegenden methodischen Prinzipien dieses Ansatzes sind ausgehend von dem Leitgedanken einer „durch die Erzieherin ermöglichte Selbstbildung“ (Huppertz 2003: 32) eine Mischung aus freien und gebundenen Verfahren, wobei erlebende Methoden, wie die Projektmethode, das Freispiel und das Aktivitäts‐ angebot, die zentralen methodischen Elemente des Lebensbezogenen Ansatzes darstellen (vgl. ebd.). Anhand dieser methodischen Prinzipien lässt sich zugleich 2.3 Rahmenbedingungen der vorschulischen Fremdsprachenvermittlung 53 die Bedeutung, die der pädagogischen Fachkraft im Kontext des Lebensbezo‐ genen Ansatzes zugeschrieben wird, ablesen. Diese übernimmt im Rahmen ge‐ bundener Verfahren, wie der Projektmethode oder dem Aktivitätsangebot, die gezielte und reflektierte Auswahl der jeweiligen Themen und Bildungsinhalte. Die Kriterien für die Auswahl der Bildungsthemen sollen sich dabei u. a. an der Lebensperspektive der Kinder, an der Zukunfts- und Lebensrelevanz sowie an der gesellschaftlich-traditionellen Relevanz der Themen orientieren (vgl. Müller 2006: 82 f.). In den offeneren Verfahren, wie dem Freispiel, sollte sich die päda‐ gogische Fachkraft nicht nur als BeobachterIn, sondern in einer aktiven Rolle als „steuernd Mittuende“ (Huppertz 2003: 33) verstehen und das Freispiel päda‐ gogisch aktiv partizipierend begleiten (vgl. ebd.). Huppertz (ebd.: 27) betont als Begründer des Lebensbezogenen Ansatzes zudem an mehreren Stellen die Ei‐ genverantwortlichkeit des pädagogischen Handelns der pädagogischen Fach‐ kräfte sowie die Bedeutung einer „tragfähige[n], erfreuliche[n] Beziehung der Erzieherin zum einzelnen Kind“ (Huppertz 2001: 31) und misst den pädagogi‐ schen Interaktionen zwischen Fachkraft und Kind, die im Zentrum dieser Arbeit stehen, damit eine zentrale Bedeutung zu. Der Aspekt der sprachlichen Bildung wird im Lebensbezogenen Ansatz als überaus wichtig erachtet. Sie wird umfassender und allgemeiner als in den im Situationsansatz dominierenden kompensatorisch ausgerichteten Sprachför‐ dermaßnahmen betrachtet. So schließt der Lebensbezogene Ansatz die Vermitt‐ lung von frühen Fremdsprachen explizit mit ein. Bei der Argumentation für eine frühe Fremdsprachenvermittlung in der Kita bezieht sich der Lebensbezogene Ansatz dabei auf die lernpsychologischen, neurodidaktischen, anthropologi‐ schen und ökonomischen Erkenntnisse zum frühen Fremdsprachenerwerb (vgl. ebd.), die auch im Rahmen dieser Arbeit diskutiert werden. Um Kindern die übergeordneten Bildungsziele des Weltbürgertums, der Solidarität sowie der Friedensfähigkeit und Toleranz näherzubringen, betrachtet der Lebensbezogene Ansatz die frühe Fremdsprachenbildung aus einer globalen Perspektive von Er‐ ziehungs- und Bildungsprozessen als wichtiges und unverzichtbares Element sowie notwendigen Bildungsinhalt der Elementarpädagogik (vgl. Huppertz 1999: 17; Müller 2006: 96). Bezüglich der Umsetzung empfiehlt sich die Ent‐ wicklung und Pflege von Kooperationen und Partnerschaften mit den Einrich‐ tungen im Zielsprachenland. Kinder sollen dem Lebensbezogenen Ansatz ent‐ sprechend die Möglichkeit haben, Sprache hautnah und in authentischen Kon‐ texten zu erleben. Auf diese Weise kann neben der vorschulischen Vermittlung sprachlichen Wissens zusätzlich eine kulturelle Sensibilisierung erfolgen (vgl. Huppertz 1999: 17). Diese Prinzipien der grenzüberschreitenden Kooperation lassen sich in erster Linie in Grenzregionen realisieren, so wie in dem von Hup‐ 2 Konzeptioneller Bezugsrahmen: Früher Fremdsprachenerwerb im Elementarbereich 54 24 Auf einer übergeordneten Ebene fiel im Rahmen der Literaturrecherche und Aufarbei‐ tung dieses Teilbereichs auf, dass die Diskussion um eine angemessene elementarpä‐ dagogische Rahmung für die Implementierung von methodischen Ansätzen zur frühen Fremdsprachenvermittlung im Elementarbereich bis auf die einschlägigen Publikati‐ onen von Huppertz (1992, 2003) und die Darstellung bei Müller (2006) in der Fachdis‐ kussion bis dato wenig Beachtung gefunden zu haben scheint. Da die sprachliche Bil‐ dungsarbeit in den Einrichtungen, sei sie ein-, zwei- oder mehrsprachig orientiert, mit den übergeordneten elementarpädagogischen Ansätzen und Leitbildern vereinbar sein sollte, wären auf diesem Gebiet weitere Forschungsaktivitäten sowie praktische Vor‐ schläge zur Integration von sprachlichen und pädagogischen Zielen im Elementarbe‐ reich wünschenswert. pertz geleiteten Forschungs- und Entwicklungsprojekt „Bilinguale Bildung - Französisch im Kindergarten“ (vgl. u.a Huppertz 2001, 2003; Huppertz / Müller 2002), bei dem die genannten Prinzipien in deutsch-französischen Kitas in der Grenzregion eingeführt und erprobt wurden. In einem zusammenfassenden Vergleich der vorgestellten Ansätze lässt sich feststellen, dass die beiden Ansätze auf unterschiedlichen bildungstheoretischen Ausgangpositionen beruhen, was sich wiederum in den verschiedenen Bil‐ dungszielen, Bildungsinhalten und methodischen Prinzipen niederschlägt. Für den Kontext der vorliegenden Arbeit bietet sich insbesondere der Lebensbezo‐ gene Ansatz als elementarpädagogisches Rahmenmodell an, da er der frühen Fremdsprachenvermittlung innerhalb der elementarpädagogischen Bildungs‐ ziele und -inhalte eine grundlegende Bedeutung einräumt. Darüber hinaus stellt der Ansatz die große Verantwortung der pädagogischen Fachkräfte heraus, indem er ihr pädagogisches Handeln in den Fokus elementarpädagogischer Ar‐ beit rückt. Da sich auch die vorliegende empirische Studie der Perspektive der pädagogischen Fachkräfte widmet und ihrem konkreten Handeln ausgehend von einer interaktionistisch-soziokulturellen spracherwerbstheoretischen Po‐ sition eine zentrale Rolle für kindliche Spracherwerbsprozesse zuschreibt (siehe dazu Kapitel 4.2), bietet der Lebensbezogene Ansatz eine passgenaue elemen‐ tarpädagogische Rahmung. 24 Vor dem Hintergrund des Lebensbezogenen Ansatzes sind daher auch die sich nun anschließenden Ausführungen zur me‐ thodischen Umsetzung der frühen Fremdsprachenvermittlung im Elementar‐ bereich einzuordnen. 2.3 Rahmenbedingungen der vorschulischen Fremdsprachenvermittlung 55 2.4 Methoden der vorschulischen Fremdsprachenvermittlung Eine früh beginnende Fremdsprache darf nicht als Vorverlegung des Fremdsprachen‐ unterrichts an weiterführenden Schulen missverstanden werden. Der frühe Zweit‐ sprachenbeginn bildet viel mehr einen Lebensbereich mit ganz eigenen Zielen, In‐ halten und Methoden. Diese ergeben sich aus der besonderen Situation heraus, dass in so jungen Jahren schon mit einer Fremdsprache begonnen wird (Winter 2003: 91). Das Zitat Winters (2003) stellt eine Art Leitmotiv für die Diskussion um eine angemessene Methodik des frühen Fremdsprachenerwerbs in bilingualen Kitas dar. Werden Überlegungen zur methodischen Organisation bilingualer Einrich‐ tungen angestellt, sollten dabei die Adressaten des Bildungsangebots und der kognitive Entwicklungsstand der anvisierten Zielgruppe im Fokus stehen. Die kindlichen kognitiven Kapazitäten, die sich durch einen vorwiegend intu‐ itiv-imitativen Umgang mit Sprache auszeichnen (vgl. Sarter 2001: 14; vgl. dazu auch die Ausführungen in Kapitel 2.1.2), erfordern eine altersspezifische Me‐ thodik, die sich demnach erheblich von den methodischen Ansätzen der schu‐ lischen Fremdsprachenvermittlung und einem analytisch-expliziten Umgang mit Sprache unterscheiden muss. Laufen die methodischen Ansätze den kindli‐ chen Erwerbsmechanismen zuwider, können sich die neurologischen und lern‐ psychologischen Dispositionen des Kindes nicht entfalten und das Potenzial des frühen Erwerbszeitpunkts nicht vollends ausgeschöpft werden (vgl. Wode 2006: 3). Als Ausgangsüberlegung lässt sich daher vorerst festhalten, dass in bilingu‐ alen vorschulischen Bildungsinstitutionen methodische Rahmenbedingungen geschaffen werden sollten, unter denen die neuronale Bereitschaft des Kindes ausgenutzt und entfaltet werden kann (vgl. Sopata 2010: 101). Von diesem Leitgedanken ausgehend haben sich in den letzten Jahren ver‐ schiedene Ansätze und Organisationsformen zur Fremdsprachenvermittlung im Elementarbereich entwickelt, die untereinander jedoch erhebliche konzeptio‐ nelle Unterschiede aufweisen (vgl. Wörle 2013: 69). Die Unterschiede beziehen sich dabei insbesondere auf den Aspekt, wie intensiv der Kontakt zu der zu vermittelnden Fremdsprache ist und wie diese personell und strukturell in den Alltag der jeweiligen Einrichtungen integriert wird (vgl. Wenzel 2004: 13). Die Umsetzung der Spracharbeit und die Entscheidung für eine bestimmte Organi‐ sationsform kann dabei sowohl von den pädagogischen Zielsetzungen der Ein‐ richtung als auch von den zur Verfügung stehenden finanziellen, räumlichen und personellen Voraussetzungen geleitet werden (vgl. Nauwerck 2005: 84). In der Forschungsliteratur wird zumeist zwischen zwei Extremen in den Ansätzen unterschieden (vgl. Huppertz 2003: 16; Nauwerck 2005: 84 f.): der Immersions‐ 2 Konzeptioneller Bezugsrahmen: Früher Fremdsprachenerwerb im Elementarbereich 56 25 Aus diesem Grund werden die Vermittlungs- und Angebotsansätze teilweise auch als vorschulische Sprachbegegnung oder Begegnungssprachenprogramme bezeichnet (vgl. Nauwerck 2008). 2.4.1 methode, bei dem das Kind in Form eines Sprachbades in die neue Sprache ein‐ taucht und dem Angebotsansatz, bei dem die Fremdsprache durch gezielte Ak‐ tivitäten für bestimmte Zeitfenster in den Kindergarten einbezogen wird. Diese beiden methodischen Ansätze werden im Folgenden näher beschrieben und hinsichtlich ihrer Umsetzungsmöglichkeiten im Elementarbereich diskutiert. Angebotsansätze Angebotsansätze zeichnen sich in erster Linie durch ihren Vermittlungscha‐ rakter aus (vgl. Wenzel 2004: 14). Der Ansatz sieht vor, eine weitere Sprache als zeitlich begrenztes Angebot in den Kita-Alltag einzubinden und durch zielge‐ richtete Aktivitäten zu vermitteln (vgl. Nauwerck 2005: 85). Bei diesen Ange‐ boten stehen Aktivitäten im Vordergrund, die eine intensive Beschäftigung mit der Zielsprache ermöglichen. Die pädagogische Fachkraft übt und singt bei‐ spielsweise ein Lied in der zu vermittelnden Fremdsprache mit den Kindern oder es werden Reime, Geschichten oder Märchen aus dem Zielland behandelt (vgl. Huppertz 2003: 16). Die übergeordnete Zielsetzung dieses methodischen An‐ satzes ist die Sensibilisierung, die Begegnung sowie das Kennenlernen der an‐ deren Sprache und Kultur (vgl. Nauwerck 2005: 85). 25 Der Erwerb von Sprach‐ kompetenzen in der neuen Sprache ist der Sensibilisierung für sprachliche und kulturelle Gemeinsamkeiten und Unterschiede hingegen ausdrücklich unterge‐ ordnet (vgl. Nauwerck 2008: 468). Im Vordergrund stehen pädagogisch orien‐ tierte Werte wie die Herausbildung von Freude an der Sprache, die Entwicklung von Toleranz sowie das interkulturelle Lernen (vgl. ebd.: 469). Hinsichtlich der organisatorischen Umsetzung in den jeweiligen Einrich‐ tungen lässt sich der Angebotsansatz nochmals in interne und externe Angebote aufschlüsseln. Die Wahl einer dieser Umsetzungsformen wird auch durch per‐ sonelle Ressourcen, d. h. der Verfügbarkeit sowie der Qualifikation der pädago‐ gischen Fachkräfte in den Einrichtungen, bestimmt (vgl. Huppertz 2003: 17). Bei internen Angeboten werden die fremdsprachigen Aktivitäten im Kita-Alltag von einer Fachkraft oder mehreren Fachkräften der jeweiligen Einrichtung durchgeführt. Der Vorteil der internen Angebote besteht darin, dass ErzieherIn und Kind sich bereits aus der Einrichtung kennen und so bereits eine etablierte emotionale Bindung besteht, die vorteilhaft für den Sprachkontakt ist (vgl. Wenzel 2004: 16). Eine Besonderheit, die bei den internen Angeboten beachtet 2.4 Methoden der vorschulischen Fremdsprachenvermittlung 57 werden sollte, ist jedoch die Gestaltung des Sprachenwechsels. Da die Kinder die Fachkraft bereits aus der Einrichtung kennen, diese allerdings außerhalb der zielgerichteten fremdsprachigen Aktivitäten normalerweise in Deutsch bzw. der Umgebungssprache mit den Kindern interagiert, sollte der Sprachenwechsel für die Kinder transparent und logisch nachvollziehbar gestaltet werden (vgl. Müller 2006: 171). Zur Gestaltung des Sprachenwechsels bieten sich bestimmte Verfremdungstechniken, wie beispielsweise der Einsatz einer Handpuppe, die sich in der Zielsprache an die Kinder wendet oder wiederkehrende Rituale, wie z. B. das Singen eines Begrüßungsliedes in der Zielsprache zu Beginn jeder An‐ gebotseinheit, an (vgl. ebd.). Auch ein Raumwechsel (z. B. ein deutscher und ein französischer Raum) ist für die nachvollziehbare Gestaltung des Sprachenwech‐ sels denkbar. Sollten in der Einrichtung direkt keine geeigneten Fachkräfte zur Durchfüh‐ rung der fremdsprachigen Angebote zur Verfügung stehen, bieten sich auch externe Angebote an. Bei den externen Angebotsansätzen werden Personen wie Lehrkräfte, Elternteile oder andere interessierte Personen als Fachkräfte von Außen hinzugezogen, die die Angebote in der Einrichtung durchführen. Diese externe Form der Angebotsansätze wird daher teilweise auch als Außenmodell bezeichnet (vgl. Nauwerck 2005: 85). Der Einbezug externer Personen kann des‐ halb gezielt dazu genutzt werden, ErstsprachlerInnen der Zielsprache für die Angebote zu gewinnen. In diesem Zusammenhang erübrigt sich auch die be‐ wusste Gestaltung des Sprachenwechsels durch bestimmte Verfremdungstech‐ niken, wie sie bei den internen Angeboten zum Tragen kommen: Die Kinder kennen die außenstehende Person nur durch das fremdsprachige Angebot und assoziieren diese in Anlehnung an das Prinzip der funktionalen Sprachentren‐ nung ausschließlich mit der fremden Sprache (vgl. Müller 2006: 172). Eine Schwachstelle ist hingegen, dass bei den externen Personen häufig die pädago‐ gische Eignung der KandidatInnen zugunsten der sprachlichen Kompetenzen vernachlässigt wird. Bedingt durch den Mangel an qualifizierten Personen kann die Kontinuität der Angebotsansätze zudem oft nicht gewährleistet werden (vgl. Wenzel 2004: 14). Aus lernpsychologischer Sicht ist daher von den externen Angeboten abzuraten und die internen Angebote sind zu favorisieren (vgl. ebd.). Zudem müssen diese externen Angebote zusätzlich vergütet werden, was dazu führt, dass die Angebote in den meisten Fällen aus finanziellen Gründen auf nur eine Stunde pro Woche beschränkt sind (vgl. ebd.). Neben der Unterscheidung zwischen internen und externen Angeboten kann des Weiteren zwischen gruppeninternen und gruppenübergreifenden Formen der Angebote differenziert werden (vgl. Nauwerck 2005: 85). Gruppeninterne Angebote finden innerhalb einer Gruppe statt, bei denen die pädagogische 2 Konzeptioneller Bezugsrahmen: Früher Fremdsprachenerwerb im Elementarbereich 58 Fachkraft die Aktivität z. B. in einem Stuhlkreis durchführt. Gruppenübergrei‐ fende Angebote werden mit Kindern aus verschiedenen Gruppen durchgeführt und richten sich dabei häufig an eine spezielle Zielgruppe (z. B. an alle Kinder, die sich im letzten Kindergartenjahr befinden und kurz vor der Einschulung stehen; vgl. Nauwerck 2008: 469). Diese zweite Variante wird oft aufgrund be‐ grenzter personeller Ressourcen praktiziert, d. h. wenn nicht genügend (quali‐ fizierte) Fachkräfte zur Verfügung stehen, um für jede Kita-Gruppe ein grup‐ peninternes Angebot anzubieten (vgl. ebd.). Die verschiedenen Umsetzungsszenarien des Angebotsansatzes verdeutli‐ chen, dass den (internen oder externen) Fachkräften eine tragende Rolle in der methodischen Ausgestaltung des Ansatzes zukommt. Sie fungieren als „Sprach‐ modell bzw. Vermittlerin einer anderen Sprache und Kultur“ (ebd.: 472), so dass neben der sprachlichen Vorbildfunktion und der Bereitschaft zur sprachlichen Interaktion mit den Kindern auch die persönliche Haltung und Einstellung der Fachkräfte zur frühen Mehrsprachigkeit ausschlaggebend dafür ist, wie sehr die Kinder für die Sprachbegegnung begeistert und motiviert werden können (vgl. ebd.). Im Sinne der Sensibilisierung für Sprache und Kultur birgt der Angebots‐ ansatz insbesondere in den Grenzregionen ein immenses Potenzial. In den grenznahen Gebieten gehen die Sprach- und Kulturkontakte über die in den Einrichtungen durchgeführten sprachbezogenen Angebote hinaus und können auf reale Begegnungssituationen und Kontaktmöglichkeiten ausgeweitet werden, so dass die Zielsprache und die damit verbundene Kultur in lebens‐ nahen und authentischen Alltagssituationen erfahrbar gemacht werden können. So können grenzübergreifende Kooperationen und Partnerschaften mit französischen Kindergärten (écoles maternelles), bei denen ein regelmäßiger Austausch und gemeinsame Unternehmungen stattfinden, etabliert werden (vgl. ebd.: 470). Auf diese Weise kann der Zielsetzung der sprachlichen Sensibilisie‐ rung und der Förderung des interkulturellen Lernens durch reale Begegnungs‐ situationen mit Sprechenden der Zielsprache nachgekommen werden (siehe dazu das deutsch-französische Verbundprojekt „Bilinguale Bildung - Franzö‐ sisch im Kindergarten“; vgl. u. a. Huppertz 2000). Zusammenfassend stellt der Angebotsansatz eine gute Möglichkeit dar, um Kinder für eine weitere Sprache und Kultur zu sensibilisieren. Die sich dafür ergebenden Chancen und Potenziale in den Grenzregionen sollten in diesen Gebieten intensiviert und Partnerinstitutionen im Zielland zur gezielten Ko‐ operation genutzt werden. Dennoch sollten, bedingt durch das zeitlich und strukturell begrenzte Sprachangebot, keine unrealistisch hohen Erwartungen bezüglich der fremdsprachlichen Progression an die Kinder gestellt werden. Zum einen ist die Quantität des Inputs, d. h. der zeitliche Kontakt zu der Sprache, 2.4 Methoden der vorschulischen Fremdsprachenvermittlung 59 2.4.2 2.4.2.1 aufgrund der zeitlichen Beschränkung des Angebots auf wenige Stunden in der Woche stark begrenzt. Bezüglich der Qualität des Sprachangebots ist zudem von einer zu wenig differenzierten Beschaffenheit des Inputs auszugehen, da sich die dargebotene Sprache zumeist auf vorstrukturierte Inhalte in konkreten und kontextgebundenen Sprachhandlungen, wie beispielsweise Geschichten oder Lieder in der Fremdsprache, bezieht (vgl. Nauwerck 2008: 475; zu den Faktoren der Quantität und der Qualität des sprachlichen Inputs siehe auch Kapitel 4). Immersion Ein weiterer Ansatz, der der Kritik des zeitlich und strukturell begrenzten Sprachkontakts im Angebotsansatz Rechnung trägt, ist die Methode der Im‐ mersion. Bei diesem methodischen Ansatz zur vorschulischen Fremdsprachen‐ vermittlung wird die Sprache anstatt in einzelnen isolierten Aktivitäten über den gesamten Tagesablauf in den Kita-Alltag integriert. Die aus Kanada stammende Immersionsmethode erfreut sich auch in Deutschland zunehmender Beliebtheit. Dies gilt insbesondere für den Bereich der vorschulischen bilingualen Bildung, wie die Zahlen des FMKS zur Entwick‐ lung bilingualer Kitas in Deutschland - derzeit existieren in Deutschland ca. 1035 bilinguale Kitas, in denen die Immersionsmethode praktiziert wird - be‐ legen (vgl. FMKS 2014: 1). Auch das deutsch-englisch bilinguale TU -Kinderhaus, das das Forschungsfeld der vorliegenden Studie bildet, setzt die Methode der Immersion zur Vermittlung der englischen Sprache ein (zur näheren Beschrei‐ bung des Forschungsfeldes siehe Kapitel 5.2.3). Die folgenden Ausführungen sind daher auch in den unmittelbaren Kontext der durchgeführten empirischen Studie einzuordnen. Im Folgenden wird zunächst die Entstehungsgeschichte des Ansatzes skizziert und die Immersion als übergreifende Lehrmethode definiert, um vor diesem Hintergrund schließlich die Besonderheiten der Immersion an‐ hand der Funktionsweise immersiv arbeitender Kitas aufzuzeigen. Entstehung Die Immersionsmethode entwickelte sich in den 1960er Jahren im kanadischen St. Lambert, einem Vorort von Montreal. Ungeachtet der historischen und de‐ mografischen, vor allem durch die Kolonialisierung des Landes bedingte, Be‐ deutung der französischen Sprache und Kultur in Kanada wurde der französi‐ schen Sprache im Vergleich zur Stellung des Englischen ein untergeordneter Status in der kanadischen Konföderation zugeschrieben (vgl. Genesee 1987: 6 f.). Lediglich in den Provinzen Quebec und New Brunswick war Französisch als 2 Konzeptioneller Bezugsrahmen: Früher Fremdsprachenerwerb im Elementarbereich 60 offizielle Sprache anerkannt, bevor es erst 1969 den Status einer zweiten offi‐ ziellen Nationalsprache erhielt (vgl. Möller 2013: 21). Der untergeordnete Status des Französischen manifestierte sich bis dato jedoch nicht nur in den beschrie‐ benen Nachteilen in der Gesetzgebung, sondern offenbarte sich auch im tägli‐ chen Sprachgebrauch: So wurde Englisch auch im Quebec, das die französischen Sprache bereits als offizielle Sprache anerkannt hatte, als lingua franca gegen‐ über Französisch bevorzugt und dominierte weite Teile des öffentlichen Sprach‐ gebrauchs (vgl. Gendron 1972: 108). Eine von Lambert et al. (1960) durchgeführte Studie zeigte zudem, dass beide Sprachgruppen, d. h. sowohl die anglofonen als auch die frankofonen KanadierInnen, dem Französischen ein niedrigeres Pres‐ tige als dem Englischen zusprachen. Die frankofonen Kanadier wollten diese sprachbedingten Nachteile und Dis‐ kriminierungen nicht länger akzeptieren. Anfang der 1960er Jahre wurden daher politische und soziale Aktivitäten, wie z. B. Demonstrationen, gegen öf‐ fentliche Einrichtungen initiiert. Diese Entwicklung, die sich für die Gleichbe‐ rechtigung der französischen Sprache einsetzte, wurde als quiet revolution (vgl. Genesee 1987: 8), übersetzt als „stille Revolution“ (vgl. Möller 2013: 20), be‐ zeichnet. Gleichzeitig sorgte diese Entwicklung auch auf Seiten englischspra‐ chiger Eltern für ein wachsendes Bewusstsein darüber, dass die französische Sprache in Quebec infolge der stillen Revolution an Bedeutung gewinnen wird und englische Sprachkenntnisse für den ökonomischen und sozialen Erfolg des Landes nicht länger ausreichend sein werden (vgl. Genesee 1987: 9). Je geringer die Französischkenntnisse der heranwachsenden anglofonen Generation, umso schlechter würden sich die Zukunftsperspektiven und die Berufsaussichten ihrer Kinder gestalten, so die Befürchtung vieler Eltern (vgl. Wode 1990: 14). In St. Lambert begannen daher englischsprachige Eltern, sich in informellen Treffen zu organisieren, um die sprachenpolitische und bildungspolitische Si‐ tuation in der Provinz Quebec zu diskutieren. Im Zuge dieser Treffen wurde von den Eltern beklagt, dass der damalige Fremdsprachenunterricht an den Schulen den englischsprachigen Kindern keine ausreichenden Französischkenntnisse vermittelte. Für die unbefriedigenden Leistungen der englischsprachigen Kinder im Französischen und die Defizite in der Fremdsprachenausbildung wurden so‐ wohl der späte Beginn als auch die geringe Intensität des Sprachkontakts ver‐ antwortlich gemacht (vgl. Müller 2003: 65). Der damalige Französischunterricht in der Provinz Quebec zeichnete sich durch relativ kurze Unterrichtseinheiten von 20-30 Minuten Dauer täglich aus, die zudem von Lehrkräften mit englischer und nicht mit französischer Erstsprache durchgeführt wurden (vgl. Genesee 1987: 9). Die Vermittlung grammatischer Strukturen und die Wortschatzarbeit 2.4 Methoden der vorschulischen Fremdsprachenvermittlung 61 bildeten einen wesentlichen Schwerpunkt des Unterrichts, der durch die zu dieser Zeit populäre audio-linguale Methode bestimmt wurde (vgl. ebd.). Die englischsprachigen Eltern waren angesichts des Bedeutungszuwachses der französischen Sprache nicht länger bereit, diesen Missstand hinzunehmen und forderten daher eine grundlegende Neuausrichtung der Fremdsprachen‐ vermittlung (vgl. Müller 2003: 65). Der Grundgedanke dieser Reformbewegung war, dass eine Sprache durch das unmittelbare „Eintauchen“ bzw. ein „Bad“ in dieser Sprache besser gelernt werden kann (vgl. Lambert / Tucker 1972: 225). Dieser Kontakt zu der Sprache sollte sich dabei nicht länger ausschließlich auf den Fremdsprachenunterricht beschränken, sondern die Kinder sollten auch in den anderen Unterrichtsfächern mit der französischen Sprache konfrontiert werden. Gleichzeitig legten der damalige Forschungsstand und die verbreitete Annahme einer kritischen Altersgrenze für das Sprachenlernen (vgl. Pen‐ fields / Roberts 1959 und Lenneberg 1967; vgl. auch die Ausführungen in Ka‐ pitel 2.1.3) einen besonders frühen Erwerbszeitpunkt nahe, um ein möglichst hohes Sprachniveau in einer weiteren Sprache erreichen zu können. Von dieser Theorie ließen sich die anglofonen Eltern leiten und forderten daher, dass das französische Sprachbad ihrer Kinder möglichst früh einsetzen sollte (vgl. Wode 1990: 14). Von diesen Überlegungen ausgehend wurde im Jahr 1965, trotz mangelnder offizieller Unterstützung und anfänglichen Widerstands von Seiten der Schul‐ behörden (vgl. Genesee 1987: 10 f.), der erste immersive Kindergarten in St. Lambert eröffnet. Im Rahmen dieses Modellprojekts - das Modellprojekt wird ausführlich in Lambert / Tucker (1972) vorgestellt - wurde die frühe totale Im‐ mersion praktiziert (vgl. Genesee 1987: 20 f.; zur Klassifikation verschiedener Formen der Immersion siehe auch Kapitel 2.4.2.3), so dass den 26 Kindern mit englischer Erstsprache in dem Modell-Kindergarten in St. Lambert eine hohe Kontaktintensität zu der französischen Sprache ermöglicht werden konnte. Mit dem Modellprojekt war die Zielsetzung verbunden, dass die Kinder durch den Besuch des französischen Kindergartens und den anschließenden Besuch einer französisch-englisch bilingualen Grundschule befähigt werden sollten: (1) Fran‐ zösisch zu sprechen, zu lesen und zu schreiben, (2) altersgemäße Kompetenzen in dem landestypischen Schulcurriculum und in ihrer englischen Erstsprache zu erreichen und (3) sowohl die französischen als auch englischen Traditionen Ka‐ nadas kennen und schätzen zu lernen (vgl. Baker 2011: 239). Da in diesem Modellprojekt mit der Immersionsmethode ein komplett neuer methodischer Ansatz praktiziert wurde, wurde dieses, auch als St. Lambert Ex‐ periment bekannte Modellprojekt von Beginn an einer intensiven wissenschaft‐ lichen Begleitung unterzogen und umfassend evaluiert. Mithilfe der wissen‐ 2 Konzeptioneller Bezugsrahmen: Früher Fremdsprachenerwerb im Elementarbereich 62 2.4.2.2 schaftlichen Begleitung sollte der Erfolg des Modells empirisch untersucht und vor allem die erheblichen Bedenken der offiziellen VertreterInnen und Ent‐ scheidungsträgerInnen aus dem Weg geräumt werden. Die Erkenntnisse der empirischen Begleitforschung konnten die anfänglichen Zweifel jedoch nicht bestätigen: Die Kinder erreichten nicht nur ein beträchtliches Niveau in der immersiv vermittelten Sprache, sondern auch ihre Erstsprache entwickelte sich altersgemäß und die fachlichen Leistungen in den immersiv unterrichteten Sachfächern litten nicht (vgl. u. a. Lambert / Tucker 1972: 203; Tucker / D’Ang‐ lejan 1972: 19). Weitere, für diese Arbeit relevante Erkenntnisse der Immersi‐ onsforschung werden in Kapitel 3 eingehend vorgestellt und hinsichtlich ihrer Bedeutung für die vorliegende Studie diskutiert. Von diesem von Elternseite initiierten Modellprojekt in St. Lambert ausge‐ hend verbreitete sich die Immersionsmethode in den folgenden Jahren in ganz Kanada. Sie wird mittlerweile weltweit praktiziert (für eine Überblickdarstel‐ lung siehe Baker 2011: 243 f.). Definition Der Begriff der Immersion leitet sich vom Englischen (to immerse = eintauchen) ab und wird im Kontext des Fremdsprachenlehrens und -lernens auch mit der Bezeichnung des „Eintauchens in ein Sprachbad“ (u. a. Kersten 2012: 29) über‐ setzt. Er beschreibt ein Konzept der Fremdsprachenvermittlung, bei dem die Fremdsprache nicht als Unterrichtsgegenstand, sondern als Unterrichtssprache bzw. Arbeitssprache verwendet wird, so dass auf herkömmliche Lehrverfahren, wie sie aus dem klassischen Fremdsprachenunterricht bekannt sind, verzichtet werden kann (vgl. Wode 1990: 9). Der Ansatz der Immersion beruht folglich auf der Grundannahme, dass eine Sprache am besten erworben werden kann, wenn die Lernenden in diese bzw. in das Sprachbad dieser Sprache „eintauchen“ und diese zu natürlichen und authentischen Kommunikationszwecken einsetzen (vgl. Peregoy / Boyle 1999: 136). Die zu erwerbende Sprache fungiert im Rahmen der Immersionsmethode daher als Medium der Kommunikation und wird zum sprachlichen Werkzeug, über das Fachinhalte gelehrt und erworben werden (vgl. Kersten 2012: 29). Von diesem Grundgedanken ausgehend sind in den letzten Jahrzenten zahlreiche, anfänglich insbesondere auf schulische Vermittlungszu‐ sammenhänge bezogene Definitionsversuche des Immersionsbegriffs unter‐ nommen worden, von denen die in der Fachdiskussion einschlägigsten im Fol‐ genden vorgestellt und diskutiert werden. Eine der bekanntesten und zugleich ältesten Definitionen stammt von Ge‐ nesee (1987: 1), der die Immersion folgendermaßen beschreibt: 2.4 Methoden der vorschulischen Fremdsprachenvermittlung 63 Immersion is a form of bilingual education in which students who speak the language of the majority of the population receive part of their instruction through the medium of a second language and part through their first language. Both the second and the first language are used to teach regular school subjects, such as mathematics, science or physical education, in addition to language arts. Genesee (1987) skizziert in seiner auf den kanadischen Kontext und auf schuli‐ sche Vermittlungszusammenhänge bezogenen Definition Erwerbsbedingungen, bei dem Lernenden der Mehrheitssprache, für den kanadischen Kontext ist hier das Englische gemeint, Fachinhalte in den Unterrichtsfächern zum Teil in einer anderen Sprache, in Kanada zumeist Französisch, vermittelt werden. Ein wei‐ teres Kriterium, das laut Genesee (ebd.) erfüllt sein muss, um von Immersion sprechen zu können, ist der zeitliche Umfang, den die neue Sprache im schuli‐ schen Curriculum einnimmt: „Generally speaking, at least 50 percent of instru‐ ction during a given academic year must be provided through the second lang‐ uage for the program to be regarded as immersion“. Diese im Rahmen der kanadischen Immersionsprogramme entstandene De‐ finition und das geforderte Kriterium des fünfizigprozentigen Kontakts zur der zweiten Sprachen gilt jedoch mittlerweile als veraltet und zu eng. Kritisiert wird an der „strengeren kanadischen Lesart“ (Zydatiß 2000: 27) zum einen, dass sich die Definition Genesees (1987) ausschließlich auf Majoritäten bezieht, die mittels Immersion eine weitere Sprache erlernen sollen. Damit werden SprecherInnen von Herkunfts- und Minderheitensprachen, die eine weitere Sprache unter Mi‐ grationsbedingungen erwerben, automatisch ausgeschlossen. Die Definition wird der sich stetig diversifizierenden Vielfalt an Lebens- und Erwerbsbedin‐ gungen daher nicht mehr in dem erforderlichen Maße gerecht. Ein weiterer Ansatzpunkt der Kritik bezieht sich auf das Kriterium des fünfzigprozentigen Anteils der Arbeitssprache an der Unterrichtszeit. Würde man dieses Kriterium an bestehende Immersionsprogramme anlegen, würde der Großteil der ange‐ botenen Programme vermutlich durch dieses Raster fallen und die Immersion gemäß dieser engen Definition außerhalb Kanadas kaum praktiziert werden (vgl. Zydatiß 2000: 27). Neuere Definition zeichnen sich daher durch eine weitere und weniger strikte Annäherung an den Immersionsbegriff aus. In diesem Sinne definiert Wode (1995: 12) Immersion weitläufiger als „Methode, eine Fremdsprache als Unter‐ richtssprache zur Vermittlung von Fachinhalten zu verwenden“. Zydatiß (2000: 26) spricht von Immersion und immersionsähnlichen Unterrichtsarrangements, „wenn ein Teil der fachlichen Inhalte eines institutionell gesteuerten Unterrichts in einer für die Lernenden ‛fremden’ Sprache vermittelt wird (also in einer Sprache, die nicht ihre Erst- oder Muttersprache ist)“. Definitionen wie die von 2 Konzeptioneller Bezugsrahmen: Früher Fremdsprachenerwerb im Elementarbereich 64 26 Mit dem Begriff der Submersion wird ein Lehrverfahren bzw. eine Situation be‐ schrieben, „in der eine Zweitsprache gelernt wird, ohne dass Herkunftssprache und -kultur der Lernenden anerkannt und berücksichtigt werden“ (Kuhs 2010: 324). Baker (2011: 243) stellt die grundsätzlichen Unterschiede zwischen Immersion und Submer‐ sion dar und grenzt die Verfahren mithilfe verschiedener Beschreibungsdimensionen voneinander ab. Wode (1995) und Zydatiß (2000) lassen mehr Spielraum bezüglich der Ziel‐ gruppen der Immersion. Insbesondere die Formulierung von Zydatiß (2000) be‐ zieht, wenn auch nicht explizit, SprecherInnen von Minoritäten und Herkunfts‐ sprachen mit ein und ist dadurch weniger restriktiv als die Definition Genesees (1987). An den offener formulierten und weiter gefassten Definitionsversuchen wird jedoch wiederum kritisiert, dass diese dazu verleiten, jegliche Formen von Fremdsprachenvermittlung, die mit dem ursprünglichen Grundgedanken des immersiven Ansatzes nur noch wenig gemein haben, als Immersion zu betiteln. So warnen insbesondere Swain / Johnson (1997: 12) vor „unwarranted exten‐ sions of the term ‛immersion’“. Diese Übergeneralisierung des Immersionsbe‐ griffs veranschaulichen sie am Beispiel der english-only-Programme in den USA . Diese Programme, die sich vorwiegend an hispanofone Minoritäten richten, zielen ausschließlich auf die Vermittlung der englischen Sprache, während die spanische Erstsprache keine weitere Förderung mehr erfährt. Sie führen daher zwangsläufig zu einer subtraktiven Form des Bilingualismus, bei der die Zweit‐ sprache auf Kosten der Erstsprache erworben wird (vgl. ebd.). Zwar werden die english-only-Programme häufig fälschlicherweise als Immersion bezeichnet, je‐ doch entsprechen sie in ihrer Zielsetzung und Funktionsweise eher dem Ansatz der Submersion. 26 Swain / Johnson (1997) schlagen daher anstatt einer verbindlichen Definition eine Annäherung an den Immersionsbegriff mithilfe bestimmter Kriterien vor. Mithilfe dieses Kriterienkatalogs sollen die Besonderheiten der Immersion von anderen Formen zweisprachiger Erziehung (bilingual education) abgegrenzt werden (vgl. Swain / Lapkin 2006: 31). Dabei unterscheiden sie zwischen zent‐ ralen Merkmalen (core features), die ein prototypisches Immersionsprogramm konstituieren, und variablen Merkmalen (variable features), mithilfe derer ver‐ schiedene Immersionsprogramme untereinander unterschieden werden können (vgl. Swain / Johnson 1997: 6-11). Aufgrund veränderter gesellschaftlicher Rah‐ menbedingungen, wie der Tatsache, dass in Immersionsprogrammen aufgrund zunehmender Migration und Einwanderung nicht länger von einer homogenen Schülerschaft mit Englisch als Erstsprache ausgegangen werden kann (vgl. Swain / Lapkin 2005: 173; 2006: 35), wurden die Kriterien schließlich von 2.4 Methoden der vorschulischen Fremdsprachenvermittlung 65 Swain / Lapkin (2005 / 2006) nochmals überprüft und an die veränderten Rah‐ menbedingungen angepasst (für einen Vergleich der ursprünglichen und ver‐ änderten Kernkriterien siehe Swain / Lapkin 2005: 172; 2006: 33). Die acht Kernkriterien (core features), die ein prototypisches Immersions‐ programm erfüllen sollte, sind die folgenden (Swain / Johnson 1997: 6-8; Swain / Lapkin 2005: 172; 2006: 33; übersetzt nach Zydatiß 2000: 28): 1. Verwendung einer Zweit- oder Fremdsprache (bzw. der gewählten Immer‐ sionssprache vgl. Swain / Lapkin 2005: 172; 2006: 33) als Unterrichtssprache. 2. Das Immersionscurriculum deckt sich im Wesentlichen mit dem Lehrplan der jeweiligen Regelschule. 3. Die Erstsprache der Lernenden bzw. alle Herkunftssprachen (vgl. Swain / Lapkin 2005: 173; 2006: 34) werden gezielt unterstützt. 4. Das schulische Programm ist auf eine Form der additiven Zweisprachigkeit ausgerichtet. 5. Die Begegnung mit der Zweitsprache bzw. der gewählten Immersions‐ sprache (vgl. Swain / Lapkin 2005: 173; 2006: 35) ist über weite Strecken auf das Klassenzimmer begrenzt (in Abgrenzung zu einem natürlichen, d. h. z. B. migrationsbedingten außerschulischen Sprachbad). 6. Die Lernenden treten mit einem vergleichbaren und in der Regel begrenzten Sprachfähigkeitsniveau in der L2 ein. 7. Die Lehrkräfte sind zweisprachig. 8. Die Schulkultur eines Immersionsprogramms wird weitgehend von der so‐ ziokulturellen Realität der jeweiligen Umgebungssprache geprägt (vgl. Swain / Johnson 1997: 8), sollte jedoch alle Kulturen, denen die SchülerInnen angehören, würdigen (vgl. Swain / Lapkin 2005: 173; 2006: 35). Von den formulierten Kernkriterien erachten Swain / Lapkin (2005: 173; 2006: 34) das vierte Kriterium, das von der Immersion angestrebte Ziel der additiven Zweisprachigkeit, bei der sich die Sprachen gegenseitig bereichern und der Er‐ werb der Zweitbzw. Fremdsprache nicht zu einer Vernachlässigung der Erst‐ sprache führt, als das wichtigste. In diesem Zusammenhang ist auch der dritte Punkt zu sehen, der die gezielte Unterstützung der Erstsprache der Lernenden fordert. Neben diesen unabdingbaren Kriterien führen Swain / Johnson (1997: 8) zehn variable Merkmale bzw. Beschreibungsdimensionen auf, mithilfe derer sich ver‐ schiedene Ausprägungen von Immersionsprogrammen unterscheiden lassen. Diese sind die folgenden (Swain / Johnson 1997: 8-11; übersetzt nach Zydatiß 2000: 29 f.): 2 Konzeptioneller Bezugsrahmen: Früher Fremdsprachenerwerb im Elementarbereich 66 2.4.2.3 1. Die Stufe des Lehrgangs, auf der die Immersion beginnt. 2. Der Anteil an Immersionselementen. 3. Das Verhältnis von L1 und L2 als Medium des Unterrichts über die Stufen des Jahrgangs hinweg. 4. Die Kontinuität des Immersionsprinzips über die verschiedenen Schulstufen und Schulformen hinweg. 5. Die Zielsprache als Lehrgegenstand (Wird die Immersion durch expliziten Sprachunterricht ergänzt, um die untere Schwelle der Sprachfähigkeit zu erreichen? ). 6. Ressourcen (u. a. personelle Ressourcen). 7. Engagement. 8. Einstellungen zur Zielsprachenkultur. 9. Sozialprestige der beiden Sprachen. 10. Bewertung des Erfolgs eines Immersionsmodells. Die variablen Merkmale zur Ausdifferenzierung verschiedener Immersionspro‐ gramme verdeutlichen, dass aufgrund der Vielschichtigkeit der Programme keine allgemeingültige und konsensfähige Begriffsdefinition geleistet werden kann. Zwar können die von Swain / Johnson (1997) formulierten und von Swain / Lapkin (2005 / 2006) überarbeiteten Kernkriterien eine erste Vorstellung eines prototypischen Modells liefern, doch zeigen die variablen Kriterien, dass sich die einzelnen Umsetzungsformen und Zielgruppen der Immersionsmethode erheblich unterscheiden können. Vor diesem Hintergrund werden daher im fol‐ genden Teilkapitel verschiedene Umsetzungsformen und Ausprägungen sowie mögliche Adressaten des methodischen Ansatzes der Immersion vorgestellt. Formen von Immersion Die Immersionsmethode eröffnet ein breites Spektrum an Einsatzszenarien und praktischen Umsetzungsmöglichkeiten. Die Formen bzw. Klassifikation, nach denen sich verschiedene Ausprägungen der Immersion differenzieren lassen, beruhen auf verschiedenen Unterscheidungsmerkmalen. So kann die zu erwer‐ bende Immersionssprache unterschiedlich stark in den Erwerbskontext einge‐ bunden sein, und auch die Zielgruppen dieses methodischen Ansatzes können vom frühesten Kindesalter bis in das hohe Erwachsenenalter variieren. Die für diese Arbeit relevanten Variablen, die im Folgenden zur weiteren Ausdifferen‐ zierung des Immersionsbegriffs dargelegt werden, bilden zugleich die Aus‐ gangsbasis für methodisch-didaktische Überlegungen, die sich aus den ver‐ schiedenen Erwerbsszenarien ergeben (vgl. Le Pape Racine 2003: 109). 2.4 Methoden der vorschulischen Fremdsprachenvermittlung 67 Ein zentrales Unterscheidungskriterium ist das des Alters zu Erwerbsbeginn (vgl. Baker 2011: 239; Cathomas 2005: 99; Genesee 1987: 19; Wode 1990: 11). Diesbezüglich grenzt Baker (2011: 239) die frühe Immersion (early immersion), die im Kleinkind- oder Kindergartenalter einsetzt, von der mittleren, d. h. im Alter von neun bis zehn Jahren in der Schule einsetzenden Immersion (middle immersion), und diese wiederum von der späten Immersion (late immersion), bei der die Lernenden erst in der Sekundarstufe in das Immersionsprogramm ein‐ treten, ab. Wode (1990: 11) differenziert in seiner Klassifikation nur zwischen zwei Erwerbszeitpunkten, dem Beginn der Einschulung, den er als frühe Im‐ mersion bezeichnet, und der späten Immersion, die zu einem späteren Zeitpunkt, d. h. z. B. nach dem vierten oder fünften Schuljahr einsetzt. Die Möglichkeit eines vorschulischen Beginns der Immersion ist in Wodes Modell von 1990 noch nicht vorgesehen. Eine für die vorliegende Arbeit hilfreiche Klassifikation zur Frage des Erwerbsbeginns liefert Le Pape Racine (2003). Sie führt neben der Unter‐ scheidung zwischen früher (Alter bei Beginn 3 / 4 bis 5 / 6 Jahre, vor dem Schrift‐ spracherwerb), mittlerer (Alter bei Beginn 7 / 8 bis 14 / 16 Jahre bis zur Pubertät mit einer Zäsur um das 11./ 12. Lebensjahr, das den Beginn des abstrakten Den‐ kens markiert) und später Immersion (ab 16 Jahren bis ins hohe Erwachsenen‐ alter), die Kategorie der frühkindlichen Immersion auf (vgl. Le Pape Racine 2003: 109). Unter der frühkindlichen Immersion subsumiert Le Pape Racine (ebd.) im‐ mersive Programme, die sich an Säuglinge und Kleinkinder im Alter von 0 bis 3 bzw. 4 Jahren richten. Bilinguale Programme können zudem hinsichtlich des Zeitanteils, den die zweite Sprache im Verhältnis zur Erstbzw. Umgebungssprache einnimmt bzw. hinsichtlich des Umfangs des Immersionsunterrichts im Rahmen des gesamten Curriculums, unterschieden werden (vgl. Baker 2011: 239; Cathomas 2005: 99; Genesee 1989: 19; Zydatiß 2000: 223). Bei der totalen Immersion (total immer‐ sion) nimmt die Immersionssprache einen Zeitanteil von 100 % und damit die komplette Zeit des schulischen Curriculums oder der Betreuungszeit ein (vgl. Baker 2011: 239). Die partielle Immersion (partial immersion), auch Teilimmer‐ sion, zeichnet sich dementsprechend dadurch aus, dass der Anteil der Zweit‐ sprache lediglich mindestens 50 % beträgt, so dass die übrige Unterrichts- oder Betreuungszeit auf die weitere Sprache, in der Regel die Umgebungssprache, entfällt (vgl. ebd.). Wode (1990: 11) legt sich in seiner Klassifikation nicht auf eine bestimmte prozentuale Angabe fest, sondern bezieht sich auf die Anzahl der einbezogenen Fächer, die im schulischen Kontext immersiv unterrichtet werden. Bei der totalen Immersion werden somit sämtliche Schulfächer in der zu erwerbenden Immersionssprache unterrichtet, während bei der partiellen 2 Konzeptioneller Bezugsrahmen: Früher Fremdsprachenerwerb im Elementarbereich 68 2.4.2.4 Immersion nur ein bestimmter Teil des zur Verfügung stehenden Fächerkanons einbezogen wird (vgl. ebd.). Vor dem Hintergrund dieser Unterscheidungskriterien lässt sich die Art der Immersion, die in der vorliegenden Arbeit untersucht wird, folgendermaßen beschreiben: Bezüglich des Alters handelt es sich in Anlehnung an die Klassifi‐ kation von Le Pape Racine (2003: 109) um eine frühkindliche Form der Immer‐ sion. Die Altersgruppe der Nullbis Vierjährigen, die Le Pape Racine (2003) dieser Form der Immersion zuordnet, entspricht der Zielgruppe des bilingualen TU -Kinderhauses in Darmstadt. Als Krippeneinrichtung nimmt diese Einrich‐ tung Kinder im Alter von einem bis drei Jahren auf, so dass der Erwerbsbeginn der Immersionssprache und der Eintritt in die immersive Erwerbsumgebung in das von Le Pape Racine (2003) definierte Zeitfenster fällt. Da in der Einrichtung nicht ausschließlich Englisch, sondern auch Deutsch als Umgebungssprache vertreten ist, handelt es sich um eine Form der partiellen Immersion, bei der die beiden beteiligten Sprachen jeweils einen ungefähr 50 % umfassenden Anteil an der Betreuungszeit ausmachen. Die methodischen Möglichkeiten, Konsequenzen und Besonderheiten, die sich für die Umsetzung der frühkindlichen partiellen Immersion im Elementar‐ bereich ergeben, werden im Folgenden anhand der Funktionsweise immersiver Kitas vorgestellt. Funktionsweise immersiver Kitas Dem Grundgedanken der Immersion entsprechend soll Kleinkindern in einer immersiven Kita ermöglicht werden, in eine fremde Sprache einzutauchen. An‐ ders als in schulbezogenen Vermittlungszusammenhängen gibt es im Elemen‐ tarbereich jedoch kein vorgefertigtes Curriculum, das, gemäß einer Vielzahl der vorgestellten Definitionsversuche, in der Immersionssprache vermittelt werden soll (siehe hierzu z. B. die Definition von Genesee 1987: 1). Bei der Übertragung des Begriffs der Immersion auf den Elementarbereich kann jedoch argumentiert werden, dass durch die Vermittlung der neuen Sprache durch die pädagogischen Fachkräfte ebenfalls ein Eintauchen in ein Sprachbad stattfindet (vgl. Kersten 2012: 29). Das Eintauchen in das Sprachbad im Kita-Alltag ist zugleich ein ent‐ scheidender Unterschied, der die Funktionsweise immersiver Kitas von den zuvor beschriebenen Angebotsansätzen abgrenzt. In Kitas, die nach der Methode der partiellen Immersion arbeiten, wird die Zielsprache nicht explizit unter‐ richtet, d. h. es finden keine speziellen english lessons statt und es werden in der Regel keine ausgewiesenen englischsprachigen Angebote unterbreitet (vgl. Bonhoeffer-Zoltman et al. 2013: 62). 2.4 Methoden der vorschulischen Fremdsprachenvermittlung 69 Übergeordnetes Merkmal immersiv arbeitender Kitas ist es vielmehr, dass der gesamte Tagesablauf in den Einrichtungen und alle Aktivitäten in beiden Spra‐ chen stattfinden (vgl. ebd.). Mithilfe der Immersionsmethode sollen in der Kita daher Erwerbsbedingungen geschaffen werden, in denen die Kinder ihre na‐ türlichen Sprachlernfähigkeiten auf kindgemäße Weise aktivieren können (vgl. Wode 2006: 7; 2009: 74). Diese endogenen Faktoren (vgl. Wode 1995: 132), die die Eigenvoraussetzungen des Kindes, wie die affektiv-emotionalen und moti‐ vationalen Dispositionen, aber auch die neurophysiologische Ausstattung des kindlichen Gehirns einschließen (siehe auch Kapitel 2.1.2 und 2.1.3), können dann am besten aktiviert werden, wenn auf formale sprachliche Unterwei‐ sungen und die explizite Vermittlung sprachlicher Strukturen verzichtet wird. Aufgrund der Tatsache, dass im Unterschied zu schulischen Vermittlungszu‐ sammenhängen im Elementarbereich kein vorgefertigtes Curriculum bereits‐ teht, das die zu vermittelnden Inhalte und zu erreichenden Kompetenzen defi‐ niert, kommt den Fachkräften bei der konkreten Umsetzung der Immersions‐ methode und der Ausgestaltung der Spracherwerbsbedingungen eine hohe Verantwortung zu. Statt der expliziten Vermittlung von Sprache ist es die Auf‐ gabe der ErzieherInnen, Situationen und Tätigkeiten aus dem Kita-Alltag auf‐ zugreifen und zu nutzen, um den Kindern auf diese Weise vielfältige Erfah‐ rungen mit der neuen Sprache zu ermöglichen. Die Sprache sollte als authenti‐ sches Kommunikationsmedium in alle Handlungsabläufe eingebettet sein und alle Aktivitäten sollten durch handlungsbegleitendes Sprechen begleitet werden. Anders als beim Angebotsansatz sollen die Kinder dadurch - so die Argumentation von BefürworterInnen der Immersionsmethode - einen lexika‐ lisch und strukturell vielfältigen Input, der sich auf den gesamten Erfahrungs‐ raum Kita bezieht, erhalten. Die Bedeutung des Gesagten sollte dabei auch immer aus dem Kontext zu erschließen sein, so dass das Kind eigenständig eine Beziehung zwischen dem Gesagten und der Bedeutung bzw. der Funktion des Gesagten herstellen kann (vgl. Burmeister / Pasternak 2004: 27). Dieses Vor‐ gehen ist den Kindern nicht völlig fremd, sondern erfordert dieselbe intuitiv-im‐ plizite Vorgehensweise, die sie auch zum Erschließen und Aneignen ihrer Erst‐ sprache benötigen (vgl. Wode 2006: 7; 2009: 74 f.). Damit die Kinder die Bedeu‐ tungen aus dem situativen Verständnis heraus erschließen können, ohne die wörtliche Bedeutung des Gesagten zu verstehen, sollten sie in der Lage sein, sich das Gesagte auch aus der visuellen Darstellung erschließen zu können (vgl. Kersten 2012: 29). Von Seiten der pädagogischen Fachkräfte erfordert dies, ins‐ besondere, wenn Kinder neu in die immersiv-bilinguale Einrichtung kommen, ein hohes Maß an „schauspielerische[m] Geschick“ (Burmeister / Pasternak 2004: 26). Ihre Aufgabe besteht darin, den Kindern die Situation anhand von 2 Konzeptioneller Bezugsrahmen: Früher Fremdsprachenerwerb im Elementarbereich 70 2.4.2.4.1 visuellen Hilfsmitteln anschaulich zu präsentieren. Diese Präsentation sollte dabei so anschaulich sein, dass die Situation selbsterklärend ist, d. h. der Inhalt auch ohne Sprache verständlich ist (vgl. ebd.: 27). Aus diesen Merkmalen der Immersion in bilingualen Kitas erwachsen hohe Ansprüche an die Qualifikation von ErzieherInnen. Sie benötigen ein hohes Maß an Sprachkompetenz, um jegliche Aktivitäten handlungsbegleitend versprach‐ lichen zu können. In diesem Zusammenhang wird zumeist eine erstsprachliche Kompetenz der Fachkräfte gefordert; die entsprechende Fachdiskussion wird im Laufe dieses Kapitels noch einmal aufgegriffen. Dass der konkrete Umgang der Fachkräfte mit der Sprache in der Interaktion einen bedeutenden Faktor für den Spracherwerb der Kinder darstellt, lässt sich an neueren empirischen Erkennt‐ nissen ablesen, die im Rahmen der Aufarbeitung des Forschungsstandes einge‐ hend vorgestellt und diskutiert werden (vgl. Kapitel 3). Auch hinsichtlich der Frage, wie der sprachliche Input der Fachkräfte in der Interaktion mit den Kin‐ dern gestaltet sein sollten, lassen sich aus wissenschaftlichen Studien erste Im‐ plikationen ableiten, die in Kapitel 3.2.3 dargestellt werden. Zur Umsetzung der Immersionsmethode ist zudem eine in der Verwendung eindeutige und für die Kinder nachvollziehbare und transparente Verteilung der beteiligten Sprachen erforderlich (vgl. u. a. Bonhoeffer-Zoltman et al. 2013: 63; Kielhöfer / Jonekeit 1983: 21). Dafür bietet sich die Sprachverwendung nach dem sogenannten Prinzip der funktionalen Sprachentrennung an (vgl. u. a. Zydatiß 2000: 56). Es handelt sich dabei um ein methodisches Prinzip, das den an zwei- oder mehrsprachigen Interaktions- oder Spracherwerbskontexten beteiligten Sprachen unterschiedliche Funktionen und Anwendungsgebiete zuschreibt. Die funktionale Trennung der Sprachverwendung soll dabei die getrennte Verar‐ beitung und Internalisierung der beiden Sprachsysteme unterstützen (vgl. Nau‐ werck 2005: 67; Zydatiß 2000: 58). Personengebundene Sprachverwendung: one person - one language Eines der bekanntesten „Ordnungsprinzipien“ (Kielhöfer / Jonekeit 1983: 20) der funktionalen Sprachentrennung ist das Prinzip one person - one language oder one parent - one language (vgl. Döpke 1992; Ronjat 1913). Bei diesem Prinzip, das vor allem aus dem bilingualen Erstspracherwerb bekannt ist, bei dem die Elternteile in ihren jeweils unterschiedlichen Erstsprachen mit den Kind inter‐ agieren, findet die Sprachverwendung personenbezogen statt. An dem Prinzip one person - one language - weitere Bezeichnungen für diese Form der perso‐ nengebundenen Sprachverteilung sind z. B. „Zweisprachenmodell“ (Huppertz 2003: 18), „Partnerprinzip“ (Kielhöfer / Jonekeit 1983: 20 f.) oder die „direkte Me‐ thode“ (Winter 2003: 91) - orientiert sich auch die Sprachverwendung bzw. die 2.4 Methoden der vorschulischen Fremdsprachenvermittlung 71 Sprachverteilung in vielen immersiven Kitas. In den Einrichtungen werden in einer Gruppe zwei pädagogische Fachkräfte eingesetzt, von denen eine die Erst- oder Umgebungssprache der Kinder, z. B. die deutsche Sprache, repräsentiert, während eine weitere Fachkraft ausschließlich in der Immersionssprache, z. B. Englisch oder Französisch, mit den Kindern interagiert (vgl. Huppertz 2003: 18). Zum Gelingen der personengebundenen Sprachverwendung sollten die pä‐ dagogischen Fachkräfte und die über diese Personen repräsentierten Sprachen gleichberechtigt in den Kita-Alltag eingebunden werden (vgl. Winter 2003: 93; Wode 2009: 90). Die Fachkräfte, die die Immersionssprache verkörpern, sollten daher nicht als Zusatzangebot, sondern als vollwertige Teammitglieder be‐ trachtet werden (vgl. Bonhoeffer-Zoltman et al. 2013: 65; Weitz 2015: 382). Für die Praxis in immersiv-bilingualen Kitas bedeutet das, dass die fremdsprachigen Fachkräfte auf der einen Seite aktiv in Aktivitäten eingebunden werden, die den Kindern besondere Freude bereiten bzw. besonders begehrt sind, da - vermittelt über die gemeinsame Aktivität - eine positive Einstellung zu der neuen Sprache entwickelt werden kann (vgl. Wode 2009: 90). Auf der anderen Seite sollten diese aber auch mit allen anderen Aufgaben und Tätigkeiten des pädagogischen All‐ tags betraut werden, die auch die deutschsprachigen Fachkräfte erledigen müssen (vgl. Bonhoeffer-Zoltman et al. 2013: 65; Kersten et al. 2010b: 85). Auf diese Weise können die fremdsprachigen Fachkräfte nicht nur eine engere emo‐ tionale Bindung zu den Kindern aufbauen, sondern die Fremdsprache wird auch nicht nur als zusätzliche Spielsprache, sondern durch die vollwertige Integration als echtes Kommunikationsmedium wahrgenommen, „mit dem geschimpft, ge‐ tröstet, gelacht und erklärt werden kann“ (Bonhoeffer-Zoltman et al. 2013: 65). Durch diese aktive Einbindung soll die neue Sprache gemäß dem Grundge‐ danken der Immersionsmethode als authentisches Kommunikationsmedium und nicht als Lehrgegenstand wahrgenommen werden (vgl. Steinlen et al. 2013: 79; Weitz et al. 2010: 12). Nur wenn die Immersionssprache zu gleichen zeitlichen Anteilen und mit gleichwertiger Funktion in den Kita-Alltag integriert ist, wird sie von den Kindern als bedeutungsvoll und interessant wahrgenommen. Durch die gleichberechtigte Verwendung und Integration der Sprachen im Kita-Alltag soll zugleich dem Kriterium der Authentizität Rechnung getragen werden, das Sarter (2001: 15) als wichtige Gelingensbedingung nennt, damit sich Kinder im Vorschulalter auf eine andere Sprache einlassen (siehe auch Wode 2006: 8). Uneinigkeit herrscht indes darüber, wie strikt und konsequent die funktionale Sprachentrennung nach dem Prinzip one person - one language tatsächlich prak‐ tiziert werden sollte bzw. kann. An einigen Stellen wird für eine möglichst strikte Handhabung dieses Ordnungsprinzip eingetreten (vgl. u. a. Huppertz 2003: 18; Winter 2003: 92 f.), da die konsequente Sprachentrennung als „vermutlich die 2 Konzeptioneller Bezugsrahmen: Früher Fremdsprachenerwerb im Elementarbereich 72 2.4.2.4.2 wichtigste Eingangsbedingung für das Gelingen einer zweisprachigen Kinder‐ erziehung überhaupt“ (Zydatiß 2000: 56) erachtet wird. Wode (2009: 97) hin‐ gegen weist darauf hin, dass zumindest für den Kontext der institutionalisierten frühen Fremdsprachenvermittlung in immersiv-bilingualen Kitas noch keine wissenschaftlichen Erkenntnisse dazu vorliegen, wie konsequent die funkti‐ onal-personenbezogene Sprachentrennung von den Fachkräften praktiziert werden sollte und unter welchen Bedingungen womöglich auch einzelne Aus‐ nahmen von dieser Sprachenverteilung vertretbar sind. Raummodell In Ergänzung zu der personengebundenen Sprachverwendung kann das soge‐ nannte Raummodell ein weiteres und zusätzliches methodisches Ordnungs‐ prinzip darstellen, um zwei Sprachen in einer bilingualen Kita funktional zu trennen (vgl. Huppertz 2003: 19; Müller 2006: 179). Das wesentliche Merkmal des Raummodells ist, dass die Sprachen in diesem Fall raumgebundenen ver‐ wendet werden. In einer bilingualen Kita existiert dementsprechend beispiels‐ weise ein separater frankofoner oder anglofoner Raum, in dem sich eine fremd‐ sprachige Fachkraft aufhält, die in diesem Raum ausschließlich in der Fremd‐ sprache mit den Kindern interagiert (vgl. Huppertz 1999: 24). Zur Untermauerung des rein sprachlichen Inputs, den die Kinder in diesem Raum erhalten, bietet es sich an, den Raum auch der Zielkultur entsprechend zu ge‐ stalten, um so zumindest teilweise, auch kulturelle Werte, die hinter der zu ver‐ mittelnden Sprache stehen, abzubilden (vgl. Huppertz 2003: 19). Dieser fremdsprachige Raum wird von den Kindern in der Regel für einen bestimmten Zeitraum und nicht während der gesamten Öffnungszeit der Ein‐ richtung besucht. Die Kontaktintensität, d. h. der zeitliche Anteil, während‐ dessen sich das Kind mit der weiteren Sprache beschäftigt und Input in dieser Sprache erhält, ist jedoch zumeist begrenzter als bei der personengebundenen Sprachverwendung one person - one language, bei dem die beiden Sprachen, verkörpert durch die Fachkräfte, kontinuierlich den gesamten Kita-Alltag be‐ gleiten. Ein positiv hervorzuhebender Aspekt dieses Umsetzungsprinzips ist hingegen, dass das Raummodell gruppenübergreifend praktiziert werden kann. Kinder aus allen Gruppen der Einrichtung können für einen bestimmten Zeit‐ raum den fremdsprachigen Raum besuchen und mit der fremdsprachigen Fach‐ kraft in Kontakt treten. So profitieren nicht nur einzelne Gruppen, in denen die fremdsprachige Fachkraft eingesetzt wird, sondern die gesamte Einrichtung von dem Raummodell (vgl. ebd.). Dieses Umsetzungsprinzip wird im Vergleich zum one person - one language-Prinzip als etwas schwächerer Immersionsansatz be‐ zeichnet (vgl. Wenzel 2004: 14). 2.4 Methoden der vorschulischen Fremdsprachenvermittlung 73 2.4.2.5 Sprachkompetenzen von ErzieherInnen in immersiven Kitas Die Funktionsweise immersiver Kitas verdeutlicht, dass die zu vermittelnde Fremdsprache und die pädagogischen Fachkräfte, die die Sprachen über die per‐ sonengebundene Sprachverwendung repräsentieren, einen bedeutenden Stel‐ lenwert innerhalb dieses methodischen Ansatzes zur frühen Fremdsprachen‐ vermittlung einnehmen. Angesichts dessen, dass die Sprache im Kita-Alltag als authentisches Kommunikationsmedium eingesetzt werden soll, wird in der Dis‐ kussion um die erforderlichen Sprachkompetenzen von pädagogischen Fach‐ kräften in immersiven Kitas im Sinne der Authentizität der Sprachverwendung gefordert, ausschließlich ErstsprachlerInnen zur vorschulischen immersiven Fremdsprachenvermittlung einzusetzen (vgl. u. a. Sarter 2001: 15). Das stärkste Argument, das für den ausschließlichen Einsatz von Erststprach‐ lerInnen plädiert, bezieht sich auf die Qualität des sprachlichen Inputs. Per‐ sonen, die die Immersionssprache als Erstsprache erworben haben, verfügen über einen ausreichend differenzierten Wortschatz, um alle Aktivitäten des Kita-Alltags angemessen sprachlich begleiten zu können. Auch bezüglich der Aussprache, auf die Kleinkinder in diesem Alter aufgrund ihrer imitativen Fä‐ higkeiten sensibel reagieren, liegt der Einsatz erstsprachlicher Fachkräfte auf der Hand. Neben den rein sprachbezogenen Argumenten spricht auch der für die Arbeit in einer immersiven Kita erforderliche kulturelle Hintergrund, der über die Zielsprache transportiert werden soll, für die Beschäftigung von Per‐ sonen mit erstsprachlichem Hintergrund (vgl. Kersten et al. 2010b: 85). In Bezug auf die Arbeit in einer bilingualen Einrichtung spiegeln sich diese kulturellen Elemente der Zielsprache beispielsweise in der Vermittlung authentischer Kin‐ derlieder und reime sowie landestypischer Fingerspiele wider (vgl. ebd.). Auch Fragen wie: „Wie tröstet man beispielsweise 3-Jährige, die sich gestoßen haben, auf Englisch? “ (Wode 2006: 8), die sich im Laufe der pädagogischen Arbeit in einer bilingualen Einrichtung zwangsläufig ergeben, erfordern kulturelles Wissen und den Einsatz entsprechender kulturspezifischer Techniken. Das für die erfolgreiche Bewältigung dieser Situationen notwendige kulturelle Wissen wird man nicht bei einer Person voraussetzen können, die lediglich einen we‐ nige Monate umfassenden Auslandsaufenthalt, beispielsweise im Rahmen eines Auslandssemesters, im Zielland verbracht hat, sondern kann vermutlich nur durch eine jahrelange Sozialisation und Prägung in dem entsprechenden Ziel‐ land erworben werden. Neben der benötigten Kompetenz in der zu vermittelnden Fremdsprache ist es für die Bewältigung des pädagogischen Alltags in einer immersiv-bilingualen Einrichtung erforderlich, dass die ErzieherInnen über zumindest ausreichend rezeptive Sprachenkenntnisse in der jeweils anderen Sprache verfügen (vgl. 2 Konzeptioneller Bezugsrahmen: Früher Fremdsprachenerwerb im Elementarbereich 74 27 Hier sollte perspektivisch darauf hingewirkt werden, die administrativ-bürokratischen Hürden für BewerberInnen aus dem Ausland abzubauen, um sowohl fachlich als auch sprachlich qualifizierte Personen für die Fremdsprachenvermittlung in immersiven Kitas gewinnen zu können. Kersten et al. 2010b: 85; Wode 2006: 7). Dies ist unabdingbar, um sicherzustellen, dass die Fachkraft die von den Kindern in der dominanten Umgebungssprache (z. B. Deutsch in einer deutsch-englisch bilingualen Kita in Deutschland) geäu‐ ßerten Wünsche und Anliegen versteht und auch in etwaigen Notsituationen entsprechend schnell reagieren kann (vgl. Kersten et al. 2010b: 85). Um Miss‐ verständnisse zu vermeiden, ist es auch für die Kommunikation der verschie‐ densprachigen Fachkräfte untereinander unabdingbar, die Sprache des Anderen zumindest rezeptiv verstehen zu können (vgl. ebd.). Vor diesem Hintergrund sind die meisten immersiv arbeitenden Kitas zwar grundsätzlich bemüht, erstsprachliche Fachkräfte einzustellen, doch gestaltet sich die tatsächliche Einstellungspraxis von geeignetem Personal in im‐ mersiv-bilingualen Kitas äußerst schwierig (vgl. ebd.: 84). In der Realität stellt die Einstellung qualifizierten erstsprachlichen Personals eine der größten Hürden dar, die es beim Aufbau und der Inbetriebnahme einer immersiven Be‐ treuungseinrichtung zu überwinden gilt. Insbesondere Personen, die sowohl über die pädagogisch-fachlichen Qualifikationen als auch über den erforderli‐ chen sprachlichen Hintergrund verfügen, sind äußert schwierig zu finden (vgl. ebd.: 85). Qualifizierte BewerberInnen aus dem Ausland sehen sich in Deutsch‐ land oft mit der Tatsache konfrontiert, dass ihre im Ausland erworbenen Qua‐ lifikationen und Abschlüsse in Deutschland nicht oder nur teilweise anerkannt werden (vgl. ebd.: 86). Bevor sie in bilingualen Kitas arbeiten können, müssen sie einen oftmals langwierigen Anerkennungsprozess durchlaufen und z. T. län‐ gere unbezahlte Praktika absolvieren. 27 Aufgrund dieser Problematik greifen viele Einrichtungen daher auf sogenannte near-native-Kräfte zurück, die zwar keine ErstsprachlerInnen in der Immersionssprache sind, jedoch über erstspra‐ cheähnliche Kompetenzen in dieser Sprache verfügen bzw. verfügen sollen. Kersten et al. (ebd.: 85) geben diesbezüglich zu bedenken, dass das durch den schulischen Fremdsprachenunterricht erreichte Niveau im Englischen oftmals nicht ausreichend ist, um alle Tätigkeiten der pädagogischen Arbeit in der Ein‐ richtung angemessen handlungsbegleitend in der Fremdsprache versprachli‐ chen zu können. Obwohl die sprachlichen und kulturellen Vorteile von ErstsprachlerInnen auf der Hand liegen und für deren Einsatz in der vorschulischen Immersion spre‐ chen, wäre dafür zu plädieren, dieses Kriterium nicht absolut zu setzen. Neben der sprachlichen Bildungsarbeit, die im Elementarbereich geleistet werden soll, 2.4 Methoden der vorschulischen Fremdsprachenvermittlung 75 2.5 ist vor allem eine fundierte pädagogische Ausbildung, die die KandidatInnen zu einem qualifizierten Umgang mit Kleinkindern befähigt, für die elementarpä‐ dagogische Arbeit erforderlich. In diesem Zusammenhang ist beispielsweise ein sensitives und responsives, d. h. feinfühliges pädagogisches Verhalten der Fach‐ kräfte in der Interaktion mit den Kleinkindern für die erfolgreiche Gestaltung von Bildungsprozessen entscheidend (vgl. Remsperger 2011: 19). Da die Ver‐ mittlung einer ersten Fremdsprache nur eines von vielen Bildungszielen ist, das in der Elementarpädagogik verwirklicht werden soll, sollte meines Erachtens im Zweifelsfall zugunsten der pädagogischen Eignung und Qualifikation einer Fachkraft und nicht ausschließlich aufgrund rein sprachlicher Kompetenzen von BewerberInnen entschieden werden. Daran anschließend sollte auch die Anmerkung Wodes (2009: 97) zur Kenntnis genommen werden, der zu bedenken gibt, dass derzeit noch keine empirisch abgesicherten Erkenntnisse zu der hier diskutierten Fragestellung vorliegen, ob der Einsatz erstsprachlicher Fachkräfte tatsächlich vorteilhafter ist als die Beschäftigung von near-native-Kräften. Dies‐ bezüglich sollte jeweils für den individuellen Einzelfall ausgelotet werden, ob sowohl die pädagogisch-fachlichen als auch die sprachlichen Qualifikationen gegeben sind. Abschließende Bemerkungen Die Darstellung der Funktionsweise immersiv-bilingualer Kitas - die Immersi‐ onsmethode wird in diesen Einrichtungen zumeist als partielle Immersion und nach dem Prinzip der personengebundenen Sprachentrennung praktiziert - hat verdeutlicht, dass diese Form des immersiven Ansatzes Erwerbsbedingungen eröffnen kann, die den eingangs beschriebenen endogenen kindlichen Disposi‐ tionen zugutekommen. Es sollen Rahmenbedingungen geschaffen werden, die eine alltagsintegrierte und spielerische sowie personenbezogene und damit au‐ thentische Vermittlung von Sprachen ermöglichen. Auf diese Weise sollen sich die inzidentell-intuitiven kindlichen Erwerbsmechanismen, die das Kind auch zum Erschließen der Erstsprache einsetzt, in der immersiven Umgebung ent‐ falten. Ausgehend von dem methodischen Ansatz der Immersion und dessen Um‐ setzung in immersiv-bilingualen Bildungsinstitutionen des Elementarbereichs, die den konzeptionellen Bezugsrahmen der vorliegenden Studie bilden, ist im Folgenden von Interesse, wie sich die neu zu erwerbende Immersionssprache und die Erstsprache der Kinder entwickelt und zu hinterfragen, welche Umge‐ bungsfaktoren die kindliche Sprachentwicklung in immersiven Erwerbskon‐ 2 Konzeptioneller Bezugsrahmen: Früher Fremdsprachenerwerb im Elementarbereich 76 texten beeinflussen. Dazu wird im folgenden Kapitel der Forschungsstand zu diesem Themenkomplex zusammengetragen und insbesondere jene empiri‐ schen Studien diskutiert, die eine relevante Vorarbeit für die vorliegende Un‐ tersuchung darstellen. 2.5 Abschließende Bemerkungen 77 3 Stand der Forschung: Spracherwerb in immersiv-bilingualen Kitas Die Immersionsmethode wurde bei ihrer Implementierung in den 1960er Jahren in Kanada äußerst kritisch betrachtet. Bedenken bezüglich des Erfolgs der im‐ mersiven Sprachaneignung wurden vor allem von Seiten der VertreterInnen der offiziellen Schulbehörden geäußert (vgl. Genesee 1987: 10 f.). Diese Zweifel wurden durchaus ernst genommen und die Immersionsmethode folglich „wie kein anderer Schulversuch wissenschaftlich gründlich evaluiert“ (Wode 1990: 10). So erklärt sich auch, dass zu fast jedem eingeführten immersiven Schulver‐ such eine eigene wissenschaftliche Begleitforschung entstanden ist (vgl. Swain / Johnson 1997: 3). Auf diese Weise sollte sichergestellt werden, dass et‐ waige Schwachstellen dieses Lehrverfahrens zu einem möglichst frühen Zeit‐ punkt erkannt und die an den immersiven Schulversuchen teilnehmenden Schü‐ lerInnen vor möglichen Nachteilen bewahrt werden (vgl. Wode 1990: 10). Die Wirksamkeit verschiedener Immersionsprogramme ist daher ab Mitte der 1960er Jahre in einer Vielzahl von Studien intensiv und umfassend untersucht worden (Überblicksdarstellungen zu der Immersionsforschung finden sich z. B. in Genesee 1987, Wode 1995, Wesche 2002). Während ein Großteil dieser For‐ schungsaktivitäten lange Zeit im ursprünglichen Entstehungskontext der Im‐ mersion in Nordamerika angesiedelt war, setzten die Aktivitäten der europä‐ ischen und deutschen Immersionsforschung erst in den 1990er Jahren ein (vgl. Piske 2013: 45). Vor dem Hintergrund des im vorausgehenden Kapitel dargelegten konzepti‐ onellen Bezugsrahmens, in dessen Zusammenhang die Grundlagen der frühen Fremdsprachenvermittlung und die methodische Umsetzung der Immersion an‐ hand der Funktionsweise immersiv-bilingualer Kitas veranschaulicht wurden, werden in diesem Kapitel zentrale Forschungsergebnisse im Bereich der frühen Immersion in bilingualen Kitas vorgestellt. Der Forschungsüberblick ist so strukturiert, dass zunächst Studien skizziert werden, die die sprachliche Ent‐ wicklung von Kindern in der immersiven Lernumgebung nachzeichnen. In einem zweiten Schritt werden Forschungsergebnisse zu Faktoren präsentiert, die in empirischen Studien als relevante und den kindlichen Spracherwerb be‐ einflussende Kontextfaktoren identifiziert wurden. Diese Forschungsergebnisse stellen dementsprechend eine Beschreibung der Rahmenbedingungen dar, die 3.1 zugleich erste Hinweise auf die Gestaltung der Erwerbsbedingungen in bilin‐ gualen Kitas liefern. Ausgehend von diesem Forschungsüberblick leiten sich schließlich das dieser Arbeit zugrunde liegende Forschungsdesiderat sowie die leitenden Forschungsfragen ab. Kindliche Sprachentwicklung in immersiv-bilingualen Kitas Da die Immersionsmethode im Gegensatz zu traditionellen Lehr- und Unter‐ richtsverfahren auf die explizite Vermittlung sprachlicher Strukturen verzichtet, setzt die Kritik an dieser Methode in erster Linie an der Frage an, ob immersiver, d. h. einzig durch das Bad in dieser Sprache erfolgender, Spracherwerb über‐ haupt möglich ist. Auch in Bezug auf die vorschulische Fremdsprachenvermitt‐ lung spiegeln sich die Zweifel hinsichtlich des Erfolgs der Immersion wider, indem im öffentlichen Diskurs der Nutzen einer frühen Fremdsprachenvermitt‐ lung in bilingualen Kitas durch Fragen wie „Frühes Fremdsprachenlernen - bringt das überhaupt etwas? “ (Nauwerck 2005: 178 f.) wiederholt infrage gestellt wird. Dementsprechend bezieht sich ein großer Bereich der Immersionsfor‐ schung auf die Frage des Lernfortschritts in der neu zu erwerbenden Immersi‐ onssprache (vgl. Swain / Johnson 1997: 3). Neben dieser zentralen Frage nach der Effektivität immersiver Lehrverfahren für die Vermittlung von Zweit- und Fremdsprachen ist der Einfluss der immer‐ siven Lernumgebung auf die Entwicklung der Erstsprache der Kinder eine zweite und wesentliche Forschungslinie der Immersionsforschung (vgl. Swain / Johnson 1997: 3; Wode 2009: 42). Diese Forschungslinie spiegelt die el‐ terliche Angst, die durch die Vorstellung motiviert ist, dass die Erstsprache des Kindes durch den intensiven Kontakt zu einer weiteren Sprache leiden könnte, wider. Auch in immersiv-bilingualen Kitas, in denen eine erste Fremdsprache vermittelt wird, stellt die altersgemäße Entwicklung der Erstsprache der Kinder eines der Hauptanliegen von Eltern und pädagogischen Fachkräften dar (vgl. Kersten 2012: 33). Aus diesem Grund wurde auch die Entwicklung der Erst‐ sprache intensiv beforscht und wissenschaftlich evaluiert. Diese beiden Themenlinien werden in dem vorliegenden Teilkapitel näher betrachtet, indem relevante Studien zur kindlichen Sprachentwicklung in der zu vermittelnden Fremdsprache sowie der Erstsprache der Kinder in im‐ mersiv-bilingualen Kitas zusammentragen und die wissenschaftlichen Erkennt‐ nisse dieser Studien schließlich in einem Zwischenfazit kondensiert werden. 3.1 Kindliche Sprachentwicklung in immersiv-bilingualen Kitas 79 28 Der Unterschied zwischen dieser Entwicklung in L1 und L2 besteht lediglich darin, dass beim L2-Erwerb hinsichtlich der Fähigkeit, aus den lexikalischen Einheiten die kom‐ munikativen Bedeutungen und funktional-pragmatischen Informationen herauszufil‐ tern, auf Erwerbsmechanismen aus der L1 zurückgegriffen werden kann (vgl. Singleton 1999: 48). 3.1.1 Studien zum L2-Erwerb In Anbetracht der umfassenden empirischen Grundlage und der zahlreichen Studien, die die Immersionsforschung hervorgebracht hat, fällt auf, dass das Hauptaugenmerk der Aktivitäten der Erforschung immersiver Programme lange Zeit der Primar- und Sekundarstufe galt. Im Vergleich dazu existieren für vorschulische immersive Programme wenige systematische Erhebungen, die die Lernentwicklung und den Lernerfolg von Kindern in immersiven Kitas fokus‐ sieren (vgl. Kersten 2012: 25). Ein erster Versuch, diese Forschungslücke für den europäischen und insbe‐ sondere den deutschen Kontext zu schließen, wurde durch das Forschungspro‐ jekt ELIAS (Early Language and Intercultural Acquisition Studies; vgl. Kersten 2010) unternommen. Hierbei handelt es sich um ein multilaterales EU -Come‐ nius-Projekt, bei dem in der zweijährigen Projektlaufzeit (2008-2010) 413 dreibis sechsjährige Kinder in elf bilingualen Kitas europaweit wissenschaftlich begleitet wurden. Einer der Schwerpunkte der wissenschaftlichen Begleitfor‐ schung lag auf der kindlichen L2-Entwickung (vgl. Kersten 2012: 31). Eines der zentralen Erkenntnisse aus der teilnehmenden Beobachtung in den Einrich‐ tungen hinsichtlich der kindlichen L2-Entwicklung ist, dass die sprachliche Teilfertigkeit des Hörverstehens der aktiven Sprachproduktion voraus ist (vgl. Kersten 2010: 3; Weitz / Rohde 2010: 65; Wode 2009: 88). Dieses Phänomen, das die zeitliche Diskrepanz zwischen Sprachverständnis und Sprachproduktion beschreibt, wird auch als Inkubationszeit, als Latenzperiode bzw. silent period (vgl. Zydatiß 2000: 64) bezeichnet und ist sowohl für erstsprachliche als auch für zweit- und fremdsprachliche Erwerbsprozesse charakteristisch (vgl. Bleyhl 2002: 9; Bleyhl 2007: 178). Die Kinder stehen bei Eintritt in die bilinguale Kita zunächst vor ähnlichen Entwicklungsaufgaben, wie sie sich auch für den Erst‐ spracherwerb stellen: Sie müssen sich zunächst in die neue Sprache „einhören“ (Nauwerck 2005: 157), um allmählich lexikalische Einheiten aus dem Sprachfluss isolieren zu können. Darauf aufbauend ist das Kind dann zunehmend in der Lage, die Bedeutungen und Funktionen dieser lexikalischen Einheiten aus dem Gesagten zu erfassen und ihre Funktion für den Kommunikationsprozess ein‐ zuordnen (vgl. ebd.; vgl. Singleton 1999: 48). 28 Die Entwicklung der rezeptiven Fertigkeiten wird daher als wichtiger Gradmesser zur Einschätzung der zweit‐ 3 Stand der Forschung: Spracherwerb in immersiv-bilingualen Kitas 80 29 Nauwerck (2005: 140) spricht daher auch von einem „rezeptiven Bilingualismus“ der Kinder in immersiv-bilingualen Einrichtungen. sprachlichen Kenntnisse von Kindern in bilingualen Kitas herangezogen (vgl. Nauwerck 2005: 115). Die Inkubationsphase, in der bereits ausgeprägte rezeptive Kenntnisse in der Zielsprache vorliegen, äußert sich im bilingualen Kita-Alltag beispielsweise dadurch, dass die Kinder auf fremdsprachliche Anweisungen, Aufforderungen oder Fragen eine angemessene Reaktion zeigen. Diese Reaktion erfolgt zumeist erstsprachlich, d. h. das Kind antwortet der / dem ErzieherIn gemäß des Prinzips one person - one language in seiner Erstsprache (vgl. Rohde / Tiefenthal 2002: 451). Darüber hinaus kann eine angemessene kindliche Reaktion auch durch nonverbales Agieren erfolgen, indem das Kind beispiels‐ weise die gewünschte Handlung nonverbal ausführt oder mithilfe von gesti‐ schen Kommunikationsmitteln auf den fremdsprachlichen Interaktionsversuch bzw. eine Aufforderung reagiert (vgl. McLaughlin et al. 1995: 7; Wörle 2013: 185- 188). Anhand dieser verschiedenen Möglichkeiten wird ersichtlich, dass das Kind bereits in dieser charakteristischen silent period auch ohne aktive Sprach‐ kenntnisse in der Interaktion mit den fremdsprachigen Fachkräften sprach‐ handlungsfähig sein kann. Zudem lässt sich an den kindlichen Reaktionen, verbal oder nonverbal, ablesen, ob die fremdsprachigen Gesprächsroutinen ver‐ standen wurden (vgl. Nauwerck 2005: 140). Kinder sind, gemäß den Beobach‐ tungen von Wode (2009: 88), bereits nach wenigen Wochen in der Lage, dem bilingualen Kita-Alltag rezeptiv zu folgen. Der Ausbau des rezeptiven Sprach‐ verständnisses beginnt mit formelhaften und ritualisiert-wiederkehrenden Kommunikationsmustern der fremdsprachigen Fachkräfte wie z. B. „Let’s have breakfast! “, da diese Äußerungen von den Kindern fest mit den Situationen, in denen diese auftreten, verknüpft werden (vgl. ebd.). In Analogie dazu kommt auch Nauwerck (2005: 115 / 139) in ihrer Studie, in der sie die sprachliche Ent‐ wicklung von Kindern in den Angebots- und Immersionsansätzen miteinander vergleicht, zu dem Schluss, dass Kinder in Immersionseinrichtungen bereits ausgeprägte rezeptive Fertigkeiten im Bereich der Alltagskommunikation aus‐ bilden können. 29 Da die rezeptiven Fertigkeiten aufgrund der noch mangelnden aktiven Sprachproduktion der Kinder und der damit einhergehenden fehlenden Aussa‐ gekraft von produktiven Sprachdaten einen wichtigen Gradmesser der zweit‐ sprachlichen Kompetenzen darstellen, wurden diese im Rahmen von ELIAS intensiv untersucht (vgl. Kersten 2010: 17). Die Entwicklung der rezeptiven Fer‐ tigkeiten wurde in zwei Teilstudien bearbeitet, von denen eine die Entwicklung des lexikalischen Hörverständnisses (vgl. Rohde 2010) und eine weitere die Ent‐ 3.1 Kindliche Sprachentwicklung in immersiv-bilingualen Kitas 81 30 Die Herausforderungen bei der standardisierten Erhebung der Sprachkompetenzen von bilingualen Kindern werden u. a. bei McLaughlin et al. (1995) diskutiert. 31 Der BPVS II beruht wiederum auf dem US American Peabody Picture Vocabulary Test (PPVT; Dunn et al. 1997). Im Rahmen der ELIAS-Erhebungen ist der BPVS II anstelle des PPVT eingesetzt worden, da die an den Erhebungen beteiligten ErzieherInnen in Deutschland und den übrigen europäischen Ländern eher an dem britischen Englischen orientiert sind (vgl. Rohde 2010: 53). 32 Der ELIAS Grammar Test wurde auf der Grundlage des Reception of Syntax Tests (Au-Yeung et al. 2000; Howell et al. 2003) sowie des Kiel Picture Pointing Test (Steinlen / Wettlaufer 2005) für den Kontext der ELIAS-Studie weiterentwickelt. wicklung des grammatischen Hörverständnisses (vgl. Steinlen et al. 2010a) in den Fokus nimmt. Um zu validen und aussagekräftigen Erkenntnissen zu ge‐ langen, wurden zur Datengenerierung systematische Erhebungsinstrumente in Form von standardisierten Sprachstandserhebungen eingesetzt. 30 Das lexikali‐ sche Hörverständnis wurde mit dem BPVS II (British Picture Vocabulary Scale II ; vgl. Dunn et al. 1982; Dunn et al. 1997) 31 ermittelt, zur Überprüfung des gram‐ matischen Hörverständnisses wurde der ELIAS Grammar Test eingesetzt (vgl. Kersten et al. 2010c). 32 Bei beiden Testformaten handelt es sich um sogenannte Bilderzeigetests, bei denen das Kind die Aufforderung „Show me …! “, „Can you find …“ oder „Point to …“ erhält und dann auf die entsprechende Bildkarte zeigen soll (vgl. Rohde 2010: 53 / 55; Steinlen et al. 2010a: 76). Aufgrund dieser metho‐ dischen Anlage soll das Kind diese Form der Datenerhebung nicht als belastende Testsituation, sondern vielmehr als ein Sprachspiel in Bilderbuchform wahr‐ nehmen (vgl. Kersten 2012: 35). Zudem wurden die Tests in einem den Kindern vertrauten Raum der Kita-Einrichtung durchgeführt (vgl. Steinlen et al. 2010a: 76; siehe dazu auch Wörle 2013: 141). Unter diesen Rahmenbedingungen wurden mit dem BPVS II 200 Kinder in Bezug auf ihr lexikalisches Hörverständnis (vgl. Rohde 2010: 55) und mit dem ELIAS Grammar Test 148 Kinder hinsichtlich des grammatischen Hörverständnisses (vgl. Steinlen et al. 2010a: 78) zu zwei ver‐ schiedenen Testzeitpunkten (T1 und T2) getestet. Rohde (2010) konstatiert eine statistisch signifikante Verbesserung des lexi‐ kalischen Hörverständnisses der Kinder zwischen den beiden Erhebungszeit‐ punkten (vgl. Kersten 2010: 16; Rohde 2010: 60; siehe dazu auch Häckel / Piske 2011: 17). Ein wesentliches Verdienst der Studie Rohdes (2010) ist, dass diese erstmals auf einer empirisch fundierten Grundlage belegt, dass in immersiv ar‐ beitenden bilingualen Kitas allein auf Basis des natürlichen Sprachkontakts und ohne formale Unterweisung sprachlicher Strukturen ein signifikant nachweis‐ barer Spracherwerb im Bereich des Lexikons stattfindet (vgl. Kersten 2012: 36). Die Daten wurden zudem bezüglich der Fragestellung untersucht, ob bzw. wie die Variable des Geschlechts sowie das Vorliegen eines Migrationshintergrunds 3 Stand der Forschung: Spracherwerb in immersiv-bilingualen Kitas 82 33 Ein Migrationshintergrund lag gemäß der Definition von ELIAS vor, wenn mindestens ein Elternteil nicht in dem Land aufgewachsen war, in dem sich die am ELIAS-Projekt beteiligte Kita befindet (vgl. Kersten 2012: 39; Rohde 2010: 61). Unterschieden wurde in diesen Fällen des Weiteren zwischen Kindern, die zuhause die Umgebungssprache sprechen (d. h. Deutsch in Deutschland, Französisch in Belgien und Schwedisch in Schweden) und Kindern, die zuhause eine andere Sprache als die Umgebungssprache, in der Regel die Herkunftssprache der Eltern, sprechen (vgl. Kersten 2012: 39 f.; Rohde 2010: 61). die erzielten Testergebnisse im Bereich des Lexikonerwerbs beeinflussen (vgl. Rohde 2010: 53). Die Ergebnisse deuten an, dass die untersuchten Mädchen zu‐ nächst einen Vorteil in Bezug auf den Lexikonerwerb zu haben scheinen, zu T1 sind sie signifikant besser als die Jungen (vgl. Rohde 2010: 60). Dieser Vorteil der Mädchen verliert sich jedoch bis zu T2, bei dem zwischen den erzielten Ergeb‐ nissen keine signifikanten Unterschiede zwischen Mädchen und Jungen be‐ stehen (vgl. Kersten 2010: 15; Rohde 2010: 60). In einer ähnlichen Untersuchung von Häckel / Piske (2011: 25) erreichten die Mädchen zu einem Erhebungszeit‐ punkt signifikant bessere Ergebnisse als die Jungen. Durch informelle Interak‐ tionsanalysen konnte jedoch eruiert werden, dass die Mädchen in jener Ein‐ richtung stärker den Kontakt zu der englischsprachigen Fachkraft suchten als die Jungen (vgl. ebd., siehe dazu auch die Forschungsergebnisse zur Intensität des Sprachkontakts in Kapitel 3.2.2). Vor dem Hintergrund des damit einher‐ gehenden intensiveren Kontakts zu der englischen Sprache könnten sich auch die besseren Identifikationsraten der untersuchten Mädchen in den Testergeb‐ nissen erklären. Häckel / Piske (vgl. ebd.) weisen daher darauf hin, dass die Er‐ gebnisse keineswegs Anhaltspunkte liefern, dass Mädchen generelle Vorteile beim Fremdsprachenlernen hätten. Die Variable des Migrationshintergrunds 33 betreffend verdeutlichen die Ergebnisse der ELIAS -Teilstudie, dass sich das le‐ xikalische Hörverständnis auch bei den getesteten Kindern mit Migrationshin‐ tergrund (n=63 von insgesamt N=200) zwischen T1 und T2 signifikant verbessert (vgl. Rohde 2010: 61). Ein Vergleich zwischen den Kindern mit und ohne Mi‐ grationshintergrund suggeriert zwar zunächst einen leichten Vorteil der Kinder ohne Migrationshintergrund, doch ist dieser Unterschied nicht signifikant (vgl. Kersten 2012: 40; Rohde 2010: 61 f.). Die Ergebnisse Rohdes (2010) werden durch die Erkenntnisse einer Studie von Häckel / Piske (2011) untermauert. Auch in dieser Untersuchung konnten keine signifikanten Unterschiede in Bezug auf die Entwicklung des Hörverständnisses in der L2 zwischen Kindern mit und ohne Migrationshintergrund ermittelt werden (vgl. Häckel / Piske 2011: 19). Diese Er‐ gebnisse sind insofern als bedeutsam zu werten, als dass sie mit dem hartnä‐ ckigen Vorurteil aufräumen, dass Kinder mit Migrationshintergrund zunächst die Umgebungssprache als Zweitsprache erwerben sollten, bevor sie in einer 3.1 Kindliche Sprachentwicklung in immersiv-bilingualen Kitas 83 immersiv-bilingualen Kita Kontakt zu einer weiteren Fremdsprache erhalten (vgl. Kersten 2010: 15). Die von Steinlen et al. (2010a) durchgeführte Teilstudie, die die Entwicklung des grammatischen Hörverständnisses zum Gegenstand hat, veranschaulicht ebenfalls, dass sich die untersuchte Teilkompetenz zwischen den beiden Test‐ zeitpunkten signifikant verbessert (vgl. Steinlen et al. 2010a: 79, siehe dazu auch Häckel / Piske 2011: 17). Auch auf das grammatische Hörverständnis scheint die Variable Geschlecht keinen statistisch signifikanten Einfluss zu haben; die wei‐ blichen und männlichen UntersuchungsteilnehmerInnen zeigen keine statis‐ tisch signifikanten Unterschiede in den erreichten Identifikationsraten im ELIAS Grammar Test (vgl. Kersten 2010: 18; Steinlen et al. 2010a: 83 f.; Steinlen et al. 2010c: 46). Dass es in Bezug auf den Lexikonerwerb geschlechtsspezifische Unterschiede geben könnte, wurde auch durch frühere Studien nicht bestätigt (siehe z. B. Natorp 1975; Rohde / Tiefenthal 2002). Kinder mit Migrationshinter‐ grund zeigen für den Bereich des grammatischen Hörverständnisses ebenfalls nachweisbare Fortschritte zwischen den beiden Erhebungszeitpunkten. Diese Fortschritte und die Erwerbsgeschwindigkeit verlaufen dabei wie bei den Kin‐ dern ohne Migrationshintergrund, so dass diesbezüglich keine statistisch sig‐ nifikanten Unterschiede in den Testergebnissen zu finden sind (vgl. Kersten 2010: 18; Steinlen et al. 2010a: 84; Steinlen et al. 2010c: 46). Daraus lässt sich wiederum schlussfolgern, dass das Vorliegen eines Migrationshintergrunds für den Erwerb einer frühen Fremdsprache in einer immersiven Kita „kein aus‐ schlaggebender, und vor allem kein negativer Faktor“ (Kersten 2012: 40) zu sein scheint. Neben den rezeptiven Fertigkeiten in der L2, die sich insbesondere während der beschriebenen silent period entfalten, wurden in weiteren Studien die An‐ fänge der aktiven Sprachproduktion von Kindern in der immersiven Lernum‐ gebung näher beschrieben. Obwohl das Hörverständnis der aktiven Sprachpro‐ duktion bis zum Ende der Kita-Zeit weit voraus ist (vgl. u. a. Rohde 2005: 160; Rohde / Tiefenthal 2002: 451; Wode 2009: 88), sind nach einer gewissen Kon‐ taktdauer erste eigene Produktionsversuche in der Immersionssprache zu be‐ obachten. Diese ersten Wortproduktionen beschränken sich zumeist auf ein‐ zelne Wörter oder Formeln (vgl. Rohde 2005: 160). So berichten Rohde / Tiefen‐ thal (2002: 451) aus einer Studie zum frühen L2-Wortschatzerwerb, dass Kinder nach einer Kontaktzeit von etwa drei Monaten zu der neuen Sprache beginnen, einzelne, ihnen mittlerweile aus dem Kita-Alltag geläufige Wörter in ihre deut‐ schen Äußerungen zu integrieren, z. B. „Ich habe einen dog“ (zu Sprachmi‐ schungen bei bilingual aufwachsenden Kindern siehe auch Nicoladis / Genesee 1997: 259). Die Ergebnisse decken sich mit denen von Nauwerck (2005). Auch 3 Stand der Forschung: Spracherwerb in immersiv-bilingualen Kitas 84 34 Bei dem Phänomen des code-mixing handelt es sich um eine nicht-funktionale Form von Sprachmischungen, die aus Gründen der mangelnden Sprachkompetenz des Sprechenden, z. B. auch bei Wortfindungsproblemen, auftreten (vgl. Hinnenkamp 2010: 305). 35 Auch Wörle (2013) arbeitet im Rahmen einer empirischen Untersuchung die Bedeutung von auswendig gelernten sprachlichen Versatzstücken und automatisierten Wen‐ dungen (sogenannten chunks) bei der frühen Sprachvermittlung heraus. Sie stellen laut Wörle (2013: 232) ein Repertoire an Redemitteln dar, aus dem die Lernenden später einzelne Versatzstücke entnehmen und diese in natürlichen und selbstgesteuerten In‐ teraktionen verwenden können. Durch das vorhandene Repertoire an ritualisiertem Sprachwissen wird den Kindern das Gefühl vermittelt, in der neuen Sprache sprachlich handlungsfähig zu sein, was ihnen wiederum mehr Sicherheit im tagtäglichen Umgang mit der Zielsprache gibt (vgl. ebd.). sie beobachtet das Phänomen des code-mixing 34 sowie kreative Wortneuschöp‐ fungen. Jene Wortneuschöpfungen entstehen z. B. dann, wenn bei der Suche nach dem zweitsprachlichen Ausdruck ein deutsches Wort in der Intonation der zu vermittelnden Fremdsprache artikuliert wird (vgl. Nauwerck 2005: 144). Bei den ersten vollständigen Äußerungen in der neuen Sprache, hier im Englischen, handelt es sich meistens um feste Wendungen und sprachliche Formeln wie „tidy up time“ „Pass me the milk, please“, die als wiederkehrende Rituale im bilingu‐ alen Kita-Alltag verankert sind (vgl. McLaughlin et al. 1995: 8; Rohde / Tiefenthal 2002: 451). 35 In diesem frühen Stadium reproduzieren die Kinder die festen Wen‐ dungen zwar, sie sind aber noch nicht in der Lage, ihre interne Struktur aufzu‐ schlüsseln (vgl. Wode 2009: 88). Mit diesen wiederkehrenden sprachlichen Ri‐ tualen im Kita-Alltag haben die Kinder - wie in kindgerechten Übersetzungs‐ experimenten unter Zuhilfenahme von Handpuppen gezeigt werden konnte - jeweils unterschiedliche und individuelle Assoziationen (vgl. ebd.: 78 f.). Diese Übersetzungsexperimente, bei denen die Kinder gebeten wurden, die von einer Handpuppe produzierten französischen Äußerungen zu übersetzen, zeigen, dass die Übersetzungsversuche der Kinder zwar in den seltensten Fällen zielspra‐ chengerecht bzw. wortwörtlich korrekte Wiedergaben sind, doch erfassen die Übertragungen ins Deutsche jeweils einen spezifischen Aspekt des Gesamtkon‐ textes, der für das einzelne Kind in dieser Situation bedeutsam ist und seine individuelle Neigungen widerspiegelt (vgl. ebd.). Auch Missverständnisse, die auf phonetischen Ähnlichkeiten basieren (z. B. orange anstatt on range), sind in diesem Stadium durchaus üblich (vgl. ebd.). Die Anfänge des Wortschatzerwerbs sowie die Frage, wie Kinder neuen Wortschatz in einer L2 erwerben und wie sie sich die Bedeutung der neu zu erwerbenden Wörter erschließen, wurden von Rohde (2005) und Rohde / Tie‐ 3.1 Kindliche Sprachentwicklung in immersiv-bilingualen Kitas 85 36 Rohde (vgl. 2005: 1, 136, 143, 150) und Rohde / Tiefenthal (2002: 494) weisen zudem darauf hin, dass es sich beim kindlichen L2-Lexikonerwerb um eine linguistische Teil‐ disziplin handelt, die bis in die 1990er Jahre in der Zweitspracherwerbsforschung stark vernachlässigt wurde. 37 Die Aufgabe des Lexikonerwerbs wird dementsprechend „dadurch erleichtert und be‐ schleunigt, dass ein neues Wort nicht unendlich viele potenzielle Bedeutungen haben kann, die das Kind einzeln prüfen müsste, sondern nur ganz bestimmte, die durch die Prinzipien gewissermaßen vorgegeben werden“ (Rohde 2005: 154). fenthal (2000, 2002) vertiefend untersucht. 36 Die Ergebnisse dieser Untersu‐ chungen weisen auf die Verfügbarkeit von sogenannten lexikalischen Prinzi‐ pien, die dem Kind die Zuordnung von Bedeutungen zu Wörtern ermöglichen, im L2-Wortschatzerwerb hin (vgl. Rohde 2005: 154). 37 Für den L2-Lexikonerwerb von kindlichen Lernenden in bilingualen Kitas konnte Rohde (2005) mithilfe adaptierter L1-Testverfahren verschiedene lexikalische Prinzipien nachweisen. Kinder erschließen sich Wortbedeutungen zum einen mithilfe des sogenannten „Objekt-Prinzips“ (Rohde 2005: 137) oder „whole object assumption“ (Roh‐ de / Tiefenthal 2002: 459). Dieses Prinzip besagt, dass lexikalische Bezeich‐ nungen immer auf ein Objekt oder Lebewesen in seiner Gesamtheit und nicht auf einzelne Teile dieser Entitäten referieren (vgl. Rohde 2005: 137). Gemäß diesem Prinzip unterstellen Kinder, dass sich die neue Bezeichnung dog für Hund auf das ganze Lebewesen und nicht auf einen Teil oder eine Eigenschaft wie z. B. die Farbe oder die Größe des Lebewesens bezieht (vgl. Wode 2009: 81). Zum anderen scheinen Kinder im L2-Lexikonerwerb auch das Taxonomie-Prinzip zu nutzen. Hierbei werden neu erworbene Wörter auf Entitäten gleicher Art aus‐ gedehnt (vgl. Rohde 2005: 137), indem unterstellt wird, dass es sich bei den neu erworbenen Bezeichnungen nicht um individuelle Namen, sondern um Klas‐ senbegriffe handelt (vgl. Wode 2009: 81). Darüber hinaus kommt im L2-Lexi‐ konerwerb auch das „Exklusionsprinzip“ (Rohde 2005: 137), auch als „mutual exclusivity assumption“ (Rohde / Tiefenthal 2002: 459) bezeichnet, zum Tragen. Dieses lexikalische Prinzip besagt, dass ein Objekt jeweils nur eine lexikalische Bezeichnung haben kann, ein Hund beispielsweise nicht gleichzeitig als Kuh bezeichnet werden kann (vgl. Wode 2009: 81). Dementsprechend suchen Kinder bei dem Erwerb eines neuen Lexems gezielt nach Objekten, für die ihnen noch keine sprachlichen Bezeichnungen zur Verfügung stehen (vgl. ebd.). Bemer‐ kenswert ist an Rohdes (2005: 239) Ergebnissen nicht nur, dass Kinder sowohl im L1als auch im L2-Erwerb Hypothesen bezüglich der Bedeutung neu zu er‐ werbender Wörter auf der Basis ähnlicher lexikalischer Prinzipien aufstellen, sondern auch die Tatsache, dass die untersuchten lexikalischen Prinzipien im L2-Wortschatzerwerb stärker ausgeprägt sind als im L1-Erwerb (siehe auch Rohde/ Tiefenthal 2000: 167; Rohde / Tiefenthal 2002: 466). Rohde (2005: 239) 3 Stand der Forschung: Spracherwerb in immersiv-bilingualen Kitas 86 38 In der von Wörle (2013) untersuchten bilingualen Einrichtung wird die frühe Fremd‐ sprachenvermittlung jedoch nicht nach der Immersionsmethode, sondern nach dem Angebotsmodell umgesetzt. 3.1.2 begründet dies mit der Vermutung, „dass das ‘strenge Befolgen‘ der Prinzipien als Kommunikationsstrategie eingesetzt wird, um einen Wortschatz aufzu‐ bauen“. Dass in bilingualen Kitas betreute Kinder bereits eine Reihe von kommuni‐ kationsstrategischen und sprachbewussten Verhaltensweisen nutzen, stellt Wörle (2013: 142 f.) in einer empirischen Studie mithilfe des interviewbasierten Sprachstandserhebungsverfahrens SE FRÜH dar. 38 Die Untersuchungsergeb‐ nisse belegen eindrucksvoll, dass die Kinder nach ein bis zwei Jahren Sprach‐ kontakt in einer immersiven Einrichtung verschiedene Kommunikationsstrate‐ gien in der Interaktion mit den fremdsprachigen ErzieherInnen einsetzen. Dazu zählen L1-basierte Strategien (z. B. code-switching), lernersprachlich basierte Strategien (z. B. Wortbildung, Übergeneralisierung), Kooperationsstrategien zwischen Interviewerin und Kind (z. B. direkte oder indirekte Appelle), nonver‐ bale Strategien (Mimik und Gestik), Imitationsstrategien sowie Abrufungsstra‐ tegien (aus L1- oder L2-Wissensbeständen) (vgl. ebd.: 233). Darüber hinaus werden verschiedene Formen von Selbstkorrekturen (z. B. phonetisch, lexika‐ lisch, grammatikalisch oder sprachübergreifend) als Indikator für entstehende Sprachbewusstheit beim Kind gewertet (vgl. ebd.: 234). Das wesentliche Er‐ kenntnismoment der Studie Wörles (ebd.: 242) kann somit dahingehend zusam‐ mengefasst werden, dass bereits Kindergartenkinder mit ausreichend Kontakt‐ zeit zu der neuen Sprache ein hohes Maß an funktional-kommunikativer Fremd‐ sprachenkompetenz erlangen können. Studien zum L1-Erwerb Der Erstsprache wurde im Rahmen der Immersionsmethode von Anfang an eine zentrale Rolle für den Spracherwerb zugeschrieben. So war eine additive Form des Bilingualismus, bei der sich die Erstsprache altersgemäß entwickelt und dementsprechend eine der neuen Immersionssprache gleichwertige Förderung erfährt, eines der erklärten Kernziele der Immersionsmethode (vgl. Swain / Lapkin 2005: 173; 2006: 34). Die immense Bedeutung, die der Erstsprache zugesprochen wird, gründet sich auf einschlägige Theorien zum Spracherwerb, die eine Abhängigkeit von L1- und L2-Entwicklung nahelegen. Diese Theorien nehmen an, dass sich eine weitere Sprache ausschließlich auf der Basis einer altersgemäß entwickelten 3.1 Kindliche Sprachentwicklung in immersiv-bilingualen Kitas 87 Erstsprache entwickeln und schließlich vollständig entfalten kann (vgl. Swain / Lapkin 2006: 38). In diese spracherwerbstheoretische Perspektive reiht sich beispielsweise die Interdependenzhypothese oder Schwellenhypothese nach Cummins (1979) ein. Diese Hypothesen verweisen auf das Abhängigkeits‐ verhältnis zwischen L1 und L2, indem sie das erreichte Niveau in der L1 als Indikator für die weiteren Entwicklungschancen und den sprachlichen Erfolg in der L2 werten (vgl. Aguado 2010c: 136). Aus dieser theoretischen Basis speist sich wiederum die Annahme, dass die „mit der L1 entwickelten kognitiven Fä‐ higkeiten einen erheblichen Einfluss auf alles weitere nicht-sprachliche Lernen“ (Rohde 2013: 31) haben. Auf der Grundlage einer altersgemäß entwickelten Erstsprache kann schließlich, so die Vorstellung vieler Spracherwerbsforsch‐ ender, nicht nur ein Transfer von sprachlichen, sondern auch von dis‐ kursiv-pragmatischen Fähigkeiten und einzelsprachunabhängigen Prinzipien erfolgen (vgl. ebd.: 32-37). Für die praktische Umsetzung immersiver Pro‐ gramme und Betreuungsangebote resultiert daraus, dass Inhalte zwar größten‐ teils über die neue Immersionssprache erworben werden, die Lernenden bzw. bilingual betreuten Kinder zur Klärung komplexer Sachverhalte und kommu‐ nikativer Engpässe, die sie in der neuen Sprache noch nicht angemessen ver‐ sprachlichen können, durchaus auf ihre L1 zurückgreifen dürfen (vgl. Swain / Lapkin 2006: 42). Dementsprechend besteht auch für Kinder, die eine immersiv-bilinguale Kita besuchen, kein Zwang, die L2 zu benutzen. Auf der Basis dieser spracherwerbstheoretisch motivierten Bedeutung der Erstsprache sowie aufgrund der oftmals von Elternseite geäußerten Sorge, der Erwerb der neuen Fremdsprache könne sich zu Lasten der Erstsprache des Kindes vollziehen (vgl. u. a. Swain / Johnson 1997: 3), ist die Erforschung der erstsprachlichen Entwicklung von Lernenden bzw. Kindern in Immersionspro‐ grammen ein zweiter und bereits langjährig etablierter Forschungszweig der Immersionsforschung. So geht Genesee (1987: 27) der Frage nach, welchen Ein‐ fluss die Teilnahme an einem französischen Immersionsprogramm auf die erst‐ sprachliche Entwicklung englischsprachiger Lernender in Kanada hat. Die Be‐ funde dieser Studie liefern keinerlei Anhaltspunkte, dass durch die Teilnahme an Immersionsprogrammen, unabhängig davon, ob es sich um die frühe, ver‐ zögerte oder späte Immersion handelt, eine längerfristige Beeinträchtigung der Erstsprache der Kinder zu erwarten ist (vgl. ebd.: 43). Für den deutschen Kontext liegen erste Forschungsergebnisse für immersiv unterrichtete Grundschul‐ kinder vor. Auch diese Forschungsarbeiten stützen die Behauptung, dass die Erstsprache der Kinder unter der immersiven Lernumgebung leiden könnte, keineswegs (vgl. Gebauer et al. 2012; Zaunbauer et al. 2005; Zaunbauer / Möller 2006, 2007, 2010). 3 Stand der Forschung: Spracherwerb in immersiv-bilingualen Kitas 88 39 Der SETK 3-5 wurde ursprünglich für die Diagnose und frühzeitige Erkennung von Sprachentwicklungsverzögerungen für die Zielgruppe der dreibis fünfjährigen mo‐ nolingual mit Deutsch aufwachsenden Kinder entwickelt (vgl. Steinlen et al. 2010c: 53). Es ist das derzeit geeignetste Testverfahren, um den kindlichen Sprachstand in der L1 Deutsch valide und reliabel zu erfassen. Zudem ist es in der Anwendbarkeit und Handhabung anderen auf dem Markt verfügbaren Testinstrumenten überlegen, da es mit 15-20 Minuten Bearbeitungszeit zum einen weniger zeitaufwändig ist als andere Verfahren und zum anderen im Gegensatz zu anderen Testverfahren auch von Nicht-Sprachexperten, d. h. z. B. von den ErzieherInnen einer Einrichtung, durchgeführt werden kann (vgl. Steinlen et al. 2010b: 120; Steinlen et al. 2010c: 53). Für die frühe, im Elementarbereich einsetzende Immersion existierten lange Zeit kaum empirisch abgesicherte Erkenntnisse bezüglich der erstsprachlichen Entwicklung (vgl. Kersten 2012: 34). Eine erste Studie, die sich dieser Thematik annimmt, ist eine von Steinlen et al. (2010b) durchgeführte Teilstudie des ELIAS -Projekts. Im Rahmen dieser Teilstudie wurden zum einen die L1-Kom‐ petenzen von Kindern mit deutscher Erstsprache longitudinal dokumentiert und zum anderen wurde erfasst, ob die Variablen Geschlecht und das Vorliegen eines Migrationshintergrundes einen Einfluss auf die Entwicklung der Deutschkennt‐ nisse haben (vgl. Steinlen et al. 2010b: 122 f.; Steinlen et al. 2010c: 52). Die L1-Entwicklung der Kinder wurde mithilfe des standardisierten Sprach‐ standserhebungsverfahrens SETK 3-5 (vgl. Grimm et al. 2001), das den rezept‐ iven und produktiven Sprachentwicklungsstand von dreibis fünfjährigen Kin‐ dern testet, erhoben. 39 Im Rahmen der ELIAS -Teilstudie wurden insgesamt N=83 Kinder im Alter von drei bis fünf Jahren in sieben bilingualen Kitas in Deutschland zu zwei Erhebungszeitpunkten (T1 und T2) mit dem SETK 3-5 getestet (vgl. Steinlen et al. 2010c: 54). Die Kinder ohne Migrationshintergrund (n=71 von N=83) verbesserten sich über den Erhebungszeitraum hinweg nicht nur signifikant, ihre Testwerte lagen zudem in den Normbereichen ihrer gleich‐ altrigen peers, die eine monolingual deutsche Kita besuchen (vgl. Steinlen et al. 2010b: 125, 128; Steinlen et al. 2010c: 54). Die Untersuchungen Steinlens et al. (2010b) geben daher Anlass zu der vorläufigen Vermutung, dass bei Kindern ohne Migrationshintergrund von dem Besuch einer bilingualen Kita und dem damit verbundenen regelmäßigen Kontakt zu einer weiteren L2 keine negativen Effekte auf die Entwicklung der Erstsprache zu erwarten sind. Eine weitere ge‐ schlechtsspezifische Auswertung des Datensatzes verdeutlicht, dass die getes‐ teten Mädchen (n=38) und Jungen (n=33) vergleichbare Testwerte im Deutschen erzielen und sich die erreichten Identifikationsraten nicht signifikant vonei‐ nander unterscheiden (vgl. Steinlen 2010b: 125 f.; 129). Das Geschlecht eines Kindes scheint damit keinen statistisch signifikanten Einfluss auf die Entwick‐ lung der erstsprachlichen Fähigkeiten in einer immersiv-bilingualen Kita zu 3.1 Kindliche Sprachentwicklung in immersiv-bilingualen Kitas 89 40 Dies ist insofern bemerkenswert, als dass von den Projektbeteiligten zunächst vermutet wurde, dass die Kinder mit Migrationshintergrund aufgrund der Tatsache, dass sie au‐ ßerhalb der Kita keinen oder einen weniger umfangreichen Input im Deutschen er‐ halten als die monolingual deutschsprachigen Kinder, geringere Testwerte erreichen und damit hinsichtlich ihrer Deutschkenntnisse schlechter abschneiden würden (vgl. Steinlen et al. 2010b: 129; Steinlen et al. 2010c: 55). haben (vgl. Steinlen et al. 2010c: 54). Die Überprüfung der zweitsprachlichen Deutschkenntnisse der Kinder mit Migrationshintergrund (n=12 von N=83) in den untersuchten Kitas indiziert ebenfalls eine statistisch signifikante Verbes‐ serung der Deutschkenntnisse zwischen den beiden Testzeitpunkten (vgl. Steinlen et al. 2010b: 127). Aufschlussreich ist des Weiteren der Vergleich der Kinder mit und ohne Migrationshintergrund. Auf der Basis dieses Vergleichs wird ersichtlich, dass sich in den Testergebnissen keine statistisch signifikanten Unterschiede zwischen den Deutschkenntnissen der Kinder mit und ohne Mi‐ grationshintergrund finden lassen (vgl. Steinlen et al. 2010b: 127, 129). 40 Ein‐ schränkend muss jedoch darauf hingewiesen werden, dass die Ergebnisse auf einer begrenzten Stichprobe (n=5 Kitas) basieren, so dass die Testergebnisse durch gewisse Kontextfaktoren beeinflusst worden sein könnten (z. B. spezielle Förderung in der L1, elterliche Unterstützung; vgl. Steinlen et al. 2010c: 55). Es sollten daher weitere Studien folgen, in denen die Ergebnisse der ELIAS -Teil‐ studie zur erstsprachlichen Entwicklung von Kindern in bilingualen Kitas über‐ prüft werden. Diesbezüglich reiht sich eine Studie von Häckel / Piske (2011) ein, die die Er‐ kenntnisse von Steinlen et al. (2010b) zu großen Teilen bestätigt. Der Entwick‐ lungsstand im Deutschen wurde in dieser Untersuchung nicht mit dem SETK 3-5, sondern mit einem Testinstrument aus dem „Heidenheimer Modell“ zur Sprachförderung (Henle / Plieninger 2007) erfasst. Von den getesteten Kindern (n=8 ohne Migrationshintergrund, n=8 mit Migrationshintergrund) erzielten die Kinder mit Migrationshintergrund unwesentlich geringere Identifikationsraten als die monolingual deutschsprachigen Kinder, diese Unterschiede sind aller‐ dings statistisch nicht signifikant (vgl. Häckel / Piske 2011: 22). So deuten auch diese Ergebnisse darauf hin, „dass sowohl Kindergartenkinder mit als auch Kin‐ dergartenkinder ohne Migrationshintergrund eine neue Fremdsprache erlernen können, ohne dass daraus Defizite in der Entwicklung des Deutschen resultieren müssen“ (Häckel / Piske 2011: 26). Da jedoch auch diese Studie auf der Grundlage einer sehr begrenzten Stichprobe (n=2 bilinguale Einrichtungen) durchgeführt wurde, sollten Anschlussstudien folgen, so dass die bisherigen Erkenntnisse zur erstsprachlichen Entwicklung von Kindern in bilingualen Einrichtungen auf 3 Stand der Forschung: Spracherwerb in immersiv-bilingualen Kitas 90 empirisch fundierter Grundlage erhärtet bzw. revidiert werden können, so die Forderung Piskes (vgl. 2013: 49). Internationale Forschungsbefunde zu der erstsprachlichen Entwicklung von Kindern in immersiv-bilingualen Einrichtungen liegen zudem aus dem nord‐ amerikanischen Raum vor. Vor dem Hintergrund der kontinuierlich steigenden Zahlen an hispanofonen Einwanderern aus Süd- und Mittelamerika wird in den USA verstärkt das Augenmerk darauf gerichtet, ob die spanische Erstsprache dieser Kinder durch die Teilnahme an bilingualen Vorschulprogrammen leiden könnte. Unter den Studien, die diesen Aspekt fokussieren, sind vor allem die Untersuchungen von Rodríguez et al. (1995) und Winsler et al. (1999) zu nennen. Ein wesentliches Erkenntnismoment der longitudinal angelegten Studie von Rodríguez et al. (1995) ist, dass sich die untersuchten dreibis fünfjährigen Kinder mexikanischen Ursprungs über die zwei Erhebungszeitpunkte nicht nur im Englischen, sondern auch in ihrer Erstsprache Spanisch nachweislich ver‐ bessern (vgl. Rodríguez et al. 1995: 487). Zudem konnten bezüglich der erst‐ sprachlichen Entwicklung im Spanischen keine Unterschiede zu der Kontroll‐ gruppe, die tagsüber nicht in einer bilingualen Kitagruppe oder in einem Vor‐ schulprogramm, sondern zuhause von den spanischsprechenden Eltern betreut wurden und damit eine potentiell höhere Kontaktintensität zum Spanischen hatten, festgestellt werden (vgl. ebd.: 488 f.). Die Untersuchung von Rodríguez et al. (1995) wurde von Winsler et al. (1999) als longitudinale follow-up-Studie fortgeführt und liefert weitere empirische Evidenz für die Erkenntnisse von Rodríguez et al. (1995). Winsler et al. (1999: 358) kommen ebenfalls zu dem Schluss, dass sich neben den Fortschritten in der L2 Englisch auch die spanische Erstsprache der dreibis vierjährigen Kinder verbessert. Zugleich untermauerte ein Vergleich der Sprachkompetenzen der bilingual betreuten Untersuchungs‐ gruppe und der gleichaltrigen zuhause von den spanischsprechenden Eltern be‐ treuten Kontrollgruppe die Ergebnisse von Rodríguez et al. (1995), indem beide Gruppen ähnliche Testergebnisse erzielen und dementsprechend keine Unter‐ schiede hinsichtlich der erstsprachlichen Entwicklung bestehen (vgl. Winsler et al. 1999: 359). Die nationalen und internationalen Studien, die im Zuge dieses Forschungs‐ überblicks zur erstsprachlichen Entwicklung exemplarisch vorgestellt wurden, decken sich daher zusammenfassend in der Annahme, dass sich die Erstsprache eines Kindes trotz hoher Kontaktzeiten in immersiv-bilingualen Programmen altersgemäß entwickeln kann. Von einer etwaigen Gefährdung der Erstsprache durch die Teilnahme an immersiven Programmen ist folglich auf der Basis der bisherigen empirischen Erkenntnisse nicht auszugehen. 3.1 Kindliche Sprachentwicklung in immersiv-bilingualen Kitas 91 3.1.3 Abschließende Bemerkungen Der Forschungsüberblick zur sprachlichen Entwicklung von Kindern in im‐ mersiv-bilingualen Kitas hat gezeigt, dass sich Kinder in erster Linie ausgeprägte rezeptive Fertigkeiten in der neuen Sprache aneignen und sich das Hörver‐ ständnis dabei unabhängig von Geschlecht oder dem Vorliegen eines Migrati‐ onshintergrunds entwickelt. Der Übergang von der silent period zur aktiven Sprachproduktion ist zunächst von der Übernahme einzelner Wörter in L1-Äu‐ ßerungen (code-mixing) sowie der Reproduktion von formelhaften Wendungen (chunks) gekennzeichnet. Zudem weisen die lexikalischen Prinzipien des Wort‐ schatzerwerbs Parallelen zu jenen des L1-Erwerbs auf. Trotz der Dominanz der rezeptiven gegenüber den produktiven Sprachkompetenzen in der Immersions‐ sprache liefern Forschungsstudien wie die von Wörle (2013) empirisch fundierte Anhaltspunkte dafür, dass Kinder bei ausreichender Kontaktzeit zu der neu zu erwerbenden Sprache bereits ein beachtliches Repertoire an Kommunikations‐ strategien sowie Anzeichen von Sprachbewusstheit entwickeln können. In Bezug auf die Erforschung der L1-Entwicklung von Kindern in einer im‐ mersiv-bilingualen Lernumgebung liegen bislang keine Hinweise dazu vor, dass die Erstsprache der Kinder durch den frühen Kontakt zu einer weiteren Sprache in einer bilingualen Kita leiden könnte. Die skizzierten Studien - für deutsch-englisch bilinguale Kitas in Deutschland ist hier vor allem die ELIAS -Teilstudie von Steinlen et al. (2010b) zu nennen - resümieren überein‐ stimmend, dass sich die Erstsprache der Kinder, trotz des hohen zeitlichen An‐ teils, der auf den Kontakt und den sprachlichen Input in der weiteren Sprache entfällt, über den Untersuchungszeitraum hinweg signifikant verbessert und, verglichen mit gleichaltrigen Kontrollgruppen, altersgemäß entwickelt. Dies gilt, wie die Studien von Steinlen et al. (2010b) und Häckel / Piske (2011) bestä‐ tigen, auch für Kinder mit Migrationshintergrund. Vor diesem Hintergrund kann die oftmals vorgebrachte Sorge von Eltern, die eine Beeinträchtigung der Erstsprache ihres Kindes befürchten, nach derzeitigem Forschungsstand nicht bestätigt werden. Einschränkend muss in Hinblick auf die vorliegende Forschungsarbeit jedoch angemerkt werden, dass sich die dargestellten Studien auf die Altersgruppe der zweibzw. dreibis sechsjährigen Kinder beziehen. Studien, die die sprachliche Entwicklung bei der Altersgruppe der Unterdreijährigen in bilingualen Kitas in den Fokus nehmen, liegen nach meinem Kenntnisstand bis dato nicht vor. Die Frage, inwieweit sich die spezifischen Erwerbsmechanismen der L1 und L2 in bilingualen Kitas auf diese Altersstufe übertragen lassen, kann daher an dieser Stelle nicht abschließend beantwortet werden. 3 Stand der Forschung: Spracherwerb in immersiv-bilingualen Kitas 92 3.2 Kontextfaktoren der kindlichen Sprachentwicklung Die Ausführungen des vorausgehenden Kapitels veranschaulichen, dass Kinder in immersiven Kitas beträchtliche Fortschritte in der neu zu erwerbenden Sprache zeigen können, ohne dass eine Form des subtraktiven Bilingualismus, bei der sich der Erwerb der neuen Sprache negativ auf die Erstsprache auswirkt (vgl. McLaughlin et al. 1995: 9), befürchtet werden muss. Bei der Rezeption dieser Forschungsergebnisse greift allerdings die Vorstellung, dass jegliche Form im‐ mersiver Sprachaneignung derart erfolgreich verläuft, sowie die vorschnelle Schlussfolgerung, dass sich kindlicher Spracherwerb in bilingualen Kitas auto‐ matisch vollzieht, erheblich zu kurz. Der Erwerbserfolg, der sich bei Kindern in bilingualen Einrichtungen ein‐ stellt, variiert nicht nur zwischen den übergeordneten Ansätzen der frühen Fremdsprachenvermittlung - dem Angebotsansatz und der Immersionsme‐ thode - immens, sondern schwankt auch innerhalb der einzelnen Ansätze in hohem Maße (vgl. Nauwerck 2005: 139, 161). So stellte das Forscherteam der ELIAS -Studie im Zuge der Erhebung der L2-Kompetenzen eine erhebliche Spannbreite an Ergebnissen in den verschiedenen Kitas fest (vgl. Kersten 2012: 37). Diese Diskrepanzen in den Testergebnissen sprechen dafür, dass die indi‐ viduellen Erwerbsbedingungen in den verschiedenen immersiven Einrich‐ tungen höchst unterschiedlich sind (vgl. Nauwerck 2005: 139). Gleichzeitig legt die hohe Variation in den L2-Fortschritten der Kinder nahe, dass sich der Erfolg der frühen Fremdsprachenvermittlung nicht automatisch einstellt, sondern an bestimmte Faktoren gekoppelt ist (vgl. ebd.: 161). Die Rahmenbedingungen in den immersiven Einrichtungen unterscheiden sich hinsichtlich bestimmter Kontextfaktoren, wie beispielsweise dem zeitlichen Umfang des Sprachkontakts oder auch in Bezug auf die Anzahl der zur Verfügung stehenden fremdspra‐ chigen ErzieherInnen (vgl. Häckel / Piske 2011: 12). Ausgehend von diesen Un‐ terschieden hinsichtlich des Erwerbserfolgs einerseits und den individuellen Ausgestaltungsbzw. Umsetzungsbedingungen der Immersionsmethode in ver‐ schiedenen Einrichtungen andererseits gilt es daher zu hinterfragen, welche Umgebungs- und Kontextfaktoren begünstigend bzw. hemmend auf den Sprach‐ erwerb immersiv-bilingual betreuter Kinder wirken. Der bisherige Forschungsstand lässt vermuten, dass insbesondere die Inten‐ sität und Dauer des Sprachkontakts sowie der sprachliche Input jene Faktoren sind, die wesentliche Gelingensbedingungen für den Spracherwerb darstellen 3.2 Kontextfaktoren der kindlichen Sprachentwicklung 93 41 Neben der Kontaktdauer und der Kontaktintensität ist der jeweilige Status bzw. das Sprachprestige der an einem bilingualen Programmen beteiligten Sprachen ein wei‐ terer, relevanter Aspekt, der sich auf den Lernerfolg eines Kindes bzw. eines Lernenden innerhalb eines immersiven Programms auswirken kann (vgl. Wesche 2002: 374 f.). Das Prestige der Immersionssprache beeinflusst nicht nur die Verfügbarkeit von geeignetem fremdsprachigen Personal und einsatzbaren Materialien, sondern wirkt sich auch auf das Maß an Unterstützung aus, das dem jeweiligen Immersionsprogramm von Seiten der Eltern sowie der politischen Öffentlichkeit zuteil wird (vgl. ebd.). Dass das Phä‐ nomen des Sprachprestiges und das Bewusstsein für den subjektiven Wert und den individuellen Status einer Sprache bereits bei Vorschulkindern ausgeprägt ist, merkt Wode (2009: 85 f.) mit Verweis auf eine Studie aus einer deutsch-türkischen Kita in Berlin-Kreuzberg an, in der die Kleinkinder bereits nach kurzer Zeit ein Gespür dafür entwickelt zu haben scheinen, welches die Mehrheits- und welches die Minderheiten‐ sprache in ihrem sprachlichem Umfeld ist. 3.2.1 (vgl. Kersten 2012: 37). 41 Im Folgenden werden daher relevante Studien und Forschungsergebnisse, die den Einfluss dieser Kontextfaktoren auf den Sprach‐ erwerb in immersiv-bilingualen Kitas untersuchen, anhand einschlägiger Fo‐ schungsarbeiten überblicksartig vorgestellt sowie die Relevanz dieser Erkennt‐ nisse für die vorliegende empirische Untersuchung diskutiert. Dauer des Sprachkontakts Es wird angenommen, dass Kinder insbesondere dann von einer immersiven Lernumgebung profitieren, wenn sie dieser über einen langen Zeitraum und kontinuierlich ausgesetzt sind (vgl. Steinlen et al. 2010a: 70; Wesche 2002: 358). Der Eintritt in eine immersive Einrichtung sollte demnach möglichst früh be‐ ginnen, damit bis zum Schuleintritt noch möglichst viele Jahre Kontaktzeit zu der Sprache bestehen (vgl. ebd.; Wode 2009: 67). Die Dauer des L2-Kontakts ist folglich ein Maß, das sich auf die langfristige Kontaktzeit zu der Immersions‐ sprache in der bilingualen Einrichtung bezieht (vgl. Häckel / Piske 2011: 12). Der Einfluss der längerfristigen Kontaktdauer auf den Erwerbserfolg einer frühen Fremdsprache in einer immersiv-bilingualen Kita wurde in Studien von Rohde (2010), Steinlen et al. (2010a) sowie Häckel / Piske (2011) untersucht. Der Einfluss der längerfristigen Kontaktdauer auf die Entwicklung des lexi‐ kalischen Hörverständnisses in der L2 wurde von Rohde (2010) als Teilstudie von ELIAS empirisch erforscht. Die untersuchten Kinder (N=200) wurden in Abhängigkeit von ihrer Kontaktdauer zunächst in drei Subgruppen unterteilt 3 Stand der Forschung: Spracherwerb in immersiv-bilingualen Kitas 94 42 Die untersuchte Subgruppe 1 (n=92) hatte zu den Erhebungszeitpunkten eine Kontakt‐ dauer von ein bis zwölf Monaten, Subgruppe 2 (n=82) 13 bis 24 Monate und Subgruppe 3 (n=26) 25 bis 72 Monate Kontaktdauer zu der neu zu erwerbenden Fremdsprache (vgl. Rohde 2010: 57). 43 Die untersuchte Subgruppe 1 (n=69) hatte zu den Erhebungszeitpunkten T1 und T2 eine Kontaktdauer von ein bis zwölf Monaten, Subgruppe 2 (n=55) 13 bis 24 Monate und Subgruppe 3 (n=55) 25 bis 62 Monate Kontaktdauer zu der neu zu erwerbenden Fremd‐ sprache (vgl. Steinlen et al. 2010a: 81). (vgl. Rohde 2010: 57). 42 Aus den Testergebnissen lässt sich ablesen, dass sich die erzielten Identifikationsraten im lexikalischen Hörverständnis von Subgruppe 1 (niedrigste Kontaktdauer) und Subgruppe 3 (höchste Kontaktdauer) statistisch signifikant unterscheiden (vgl. Rohde 2010: 57). Dementsprechend scheint die längerfristige Kontaktdauer mit der Fremdsprache nach Rohde (2010) ein Kon‐ textfaktor zu sein, der die Entwicklung des rezeptiven lexikalischen Hörvers‐ tändnisses maßgeblich beeinflusst (vgl. Kersten 2010: 15). Steinlen et al. (2010a) untersuchten ebenfalls im Rahmen von ELIAS , welchen Einfluss die längerfristige Kontaktdauer auf die Entwicklung des grammati‐ schen Hörverständnisses bilingual betreuter Kinder hat. Auch hier wurde die Gesamtgruppe der untersuchten Kinder zunächst in Subgruppen mit unter‐ schiedlicher Kontaktdauer zu der neuen L2 eingeteilt. 43 Der Vergleich der Sub‐ gruppen belegt, dass die Subgruppen statistisch signifikante Unterschiede in den Testergebnissen erreichen, wobei die Subgruppen mit der höheren Kontakt‐ dauer signifikant bessere Testergebnisse erzielen als jene Gruppen mit niedrig‐ erer Kontaktdauer (vgl. Steinlen et al. 2010a: 81). Dementsprechend scheint sich die Kontaktdauer in den Testwerten des ELIAS Grammar Tests widerzuspiegeln und das grammatische Hörverständnis der Kinder zu beeinflussen, d. h.: Je höher die längerfristige Kontaktdauer zu der Fremdsprache, desto besser die erzielten Grammatiktestwerte (vgl. Kersten 2010: 18). Die Auswirkungen der längerfristigen Kontaktdauer auf das Lexikon- und Grammatikverständnis wurden zudem von Häckel / Piske (2011) vertiefend un‐ tersucht. Diese Studie bestätigt zugleich die Erkenntnisse aus den beschriebenen ELIAS -Teilstudien. Die erreichten Testwerte der untersuchten Kinder aus zwei bilingualen Einrichtungen erhärten auch hier die These, dass der Faktor der längerfristigen Kontaktzeit sowohl auf die Entwicklung des kindlichen Wort‐ schatzverständnisses als auch auf das Grammatikverständnis Einfluss nimmt (vgl. Häckel / Piske 2011: 23). Auch hier gilt also die Formel: Je höher die län‐ 3.2 Kontextfaktoren der kindlichen Sprachentwicklung 95 44 Zur Überprüfung des grammatikalischen Hörverständnisses wurde der Reception of Syntax Test (ROST, vgl. Au-Yeung et al. 2000; Howell et al. 2003) sowie zur Ermittlung des lexikalischen Hörverständnisses eine sogenannte four choice picture selection task, welche die Überprüfung von sieben Wortschatzbereichen (z. B. Farben, Tiere, Körper‐ teile) ermöglicht, eingesetzt (vgl. Häckel / Piske 2011: 14 f.). 3.2.2 gerfristige Kontaktdauer zu der Fremdsprache, desto höher die erreichten Iden‐ tifikationsraten im Grammatiktest (vgl. ebd.). 44 Die vorgestellten Studien lassen zusammenfassend den vorläufigen Schluss zu, dass die Entwicklung der L2-Fähigkeiten von Kindern in einer bilingualen Kita davon beeinflusst wird, über welchen Zeitraum sie Kontakt zu dieser Sprache haben (vgl. u. a. Häckel / Piske 2011: 18). In diesem Sinne identifizieren die vorgestellten Studien die (längerfristige) Kontaktdauer als für den immer‐ siven Spracherwerb relevanten Einflussfaktor. Dennoch muss einschränkend mit den Worten Steinlens et al. (2010a: 71) darauf hingewiesen werden, dass A closer look at the data revealed that L2 contact duration (in months) may not account for all differences in L2 language test data: For example although two children did not differ in terms of their L2 contact duration (and their L1 background and age), they obtained different test results. Ausgehend von dieser Feststellung zeichnet sich ab, dass die Kontaktdauer zwar ein Einflussfaktor, jedoch nicht die einzige Variable ist, die auf die kindliche Sprachentwicklung Einfluss nimmt. Um Unterschiede in der kindlichen L2-Ent‐ wicklung erklären zu können, ist daher eine Berücksichtigung weiterer, die Lernumgebung in immersiven Kitas prägender Aspekte erforderlich (vgl. Rohde 2010: 58). Intensität des Sprachkontakts It is obvious that the contact time in terms of the total time a child has spent in a programme is not particularly revelatory as the actual exposure to the L2 may be rather scant, if e. g. English is only heard once or twice a week (Kersten 2010: 15). Der Faktor der längerfristigen Kontaktdauer täuscht - so wird in dem Zitat Kerstens deutlich - darüber hinweg, dass die individuellen Erfahrungen, die Kinder über einen identischen längerfristigen Zeitraum sammeln, höchst un‐ terschiedlich sein können. Die Umsetzung der Immersionsmethode variiert von Einrichtung zu Einrichtung, so dass auch die tatsächlichen Kontakt- und Ge‐ brauchsmöglichkeiten, die die Kinder zu und mit der Immersionssprache haben, nicht vergleichbar sind. Während in einigen Kitas über die gesamte Öffnungszeit 3 Stand der Forschung: Spracherwerb in immersiv-bilingualen Kitas 96 45 Wode (2009: 91) weist darauf hin, dass eine hohe Intensität des L2-Kontakts vor allem dann besonders wichtig ist, wenn die Immersionssprache lediglich über eine einzige Person in der Einrichtung repräsentiert wird. Der fremdsprachigen Fachkraft sollte in diesen Fällen genügend Zeit für die Beschäftigung und Interaktion mit den Kindern eingeräumt werden, damit diese ausreichend sprachlichen Input erhalten (vgl. ebd.). hinweg eine fremdsprachige Betreuungskraft anwesend ist, ist dies in anderen nur in wesentlich eingeschränkterem Maße, z. B. nur über eine wenige Stunden umfassende Anwesenheit der fremdsprachigen Fachkraft, möglich. In einigen Einrichtungen ist es beispielsweise auch üblich, dass die Fachkräfte, die die Fremdsprache repräsentieren, im Laufe des Kita-Tages zwischen den einzelnen Gruppen der Einrichtung wechseln müssen. 45 Für den kindlichen Spracherwerb ist daher nicht nur die längerfristige Kontaktdauer zu der L2 relevant, sondern auch von Bedeutung, in welchem zeitlichen Umfang die Kinder Kontakt zu der Zielsprache haben (vgl. Steinlen et al. 2010a: 71; Wode 2009: 91). Um den realen L2-Kontakt eines Kindes innerhalb der längerfristigen Kontaktdauer erfassen zu können, sollte daher der Faktor der Intensität des L2-Kontakts näher be‐ trachtet werden. Die Intensität des Sprachkontakts wird definiert als der Umfang des täglichen Kontakts zu der neuen Sprache und beschreibt die Unterschiede, nach denen Kinder bei gleicher längerfristiger Kontaktdauer schwankende Kontaktzeiten zu der Sprache von beispielsweise zehn bis 20 Stunden pro Woche je nach Ein‐ richtung haben können (vgl. Kersten 2012: 37). Im Gegensatz zu schulischen Immersionsprogrammen, in denen die Anzahl und der Stundenumfang der im‐ mersiv unterrichteten Fächer Aussagen über die Intensität des Sprachkontakts innerhalb des jeweiligen bilingualen Programms zulassen, ist dies für immersiv arbeitende Kitas nicht ohne Weiteres möglich (vgl. Bonhoeffer-Zoltman et al. 2013: 65). Hier müssen weitere externe und organisatorische Faktoren berück‐ sichtigt werden, um den einem Kind potentiell zur Verfügung stehenden sprach‐ lichen Input erfassen zu können (vgl. Steinlen et al. 2010a: 72; Weitz et al. 2010: 31 f.). Eine Möglichkeit, um die Intensität des Sprachkontakts in immersiv-bi‐ lingualen Kitas unter Berücksichtigung der relevanten Einflussfaktoren zu er‐ mitteln, stellt der Input Intensity Factor (vgl. Weitz et al. 2010, siehe auch Wip‐ permann et al. (2010) dar. Dieser bezieht Faktoren wie die Öffnungszeiten der Kita, die Anzahl der fremdsprachigen Fachkräfte und deren Arbeits- und An‐ wesenheitszeiten in der Einrichtung sowie die Anzahl der Kinder in einer 3.2 Kontextfaktoren der kindlichen Sprachentwicklung 97 46 Der Input Intensity Factor wird in zwei aufeinander aufbauenden Schritten mithilfe folgender Formeln berechnet: q = t (L2 teachers’ presence) / t (opening hours) * t (children’s presence) * 1/ n (children) (vgl. Weitz et al. 2010: 32). q (intensity) = t (teachers’_presence) / t (opening hours) * t (children’s_presence) / n (children) (vgl. ebd.: 34). 47 Von den vier Untergruppen hatte Gruppe 1 einen niedrigen Intensitätsfaktor (0,2-0,49, n=50), Gruppe 2 einen niedrigen bis mittleren (0,5-0,8, n=53), Gruppe 3 einen mittleren bis höheren (0,81-1,2, n=57) und Gruppe 4 einen hohen Intensitätsfaktor (>1,21, n=40), so dass sich für die untersuchten Untergruppen höchst unterschiedliche Kontaktmög‐ lichkeiten zu der L2 (vgl. Rohde 2010: 58). 48 Von den 109 Kindern wurden n=36 Kinder in die low L2 intensity group, n=20 Kinder in die middle intensity 1 group, n=32 Kinder in die middle intensity 2 group und n=21 Kinder in die high intensity group eingestuft (vgl. Steinlen et al. 2010a: 82). Gruppe und deren Anwesenheitszeiten ein (vgl. Weitz et al. 2010: 32-34). 46 Mit‐ hilfe des Input Intensity Factor werden die oben genannten Variablen zueinander in Beziehung gesetzt, so dass die Intensität des Sprachkontakts in der jeweiligen Einrichtung umfassend und differenziert erfasst und auf diese Weise auch Un‐ terschiede zwischen den Einrichtungen aufgezeigt werden können (vgl. Bon‐ hoeffer-Zoltman et al. 2013: 65; Weitz et al. 2010: 34 f.). Neben der generellen Erkenntnis, dass der Input Intensity Factor bei den an ELIAS beteiligten bilin‐ gualen Kitas erheblich schwankt (vgl. Kersten 2012: 32), wurde vertiefend un‐ tersucht, wie sich die Intensität des Sprachkontakts auf sprachliche Teilbereiche des L2-Erwerbs auswirkt. In der Teilstudie von Rohde (2010) zum lexikalischen Hörverständnis wurden die teilnehmenden Kinder in vier Subgruppen unterteilt, die sich in Bezug auf den zuvor ermittelten Input Intensity Factor unterscheiden. 47 Dabei erreichte die Untergruppe mit der höchsten Kontaktintensität über die verschiedenen Erhe‐ bungszeitpunkte hinweg deutlich bessere Identifikationsraten als die übrigen drei Untergruppen mit geringerer Kontaktintensität (vgl. Rohde 2010: 59). Aus den Ergebnissen von Rohde (2010) lässt sich die Tendenz von steigenden Er‐ gebniswerten mit steigender Kontaktintensität ablesen, die dafür spricht, dass die Kontaktintensität einen beeinflussenden Faktor für die Entwicklung des le‐ xikalischen Hörverständnisses in immersiv-bilingualen Kitas darstellt (vgl. Kersten 2010: 15; Kersten 2012: 48). Zudem wurde im Rahmen von ELIAS untersucht, welchen Einfluss die Kon‐ taktintensität auf die Entwicklung des grammatischen Hörverständnisses hat. Um die Unterschiede in den Testergebnissen auf die unterschiedliche Kontakt‐ intensität zurückführen zu können, wurden auch hier die teilnehmenden Kinder in vier Subgruppen mit unterschiedlichen Werten im Input Intensity Factor ein‐ geteilt. 48 Anhand des Vergleichs der Subgruppen wird deutlich, dass sich die 3 Stand der Forschung: Spracherwerb in immersiv-bilingualen Kitas 98 Testergebnisse der Subgruppen statistisch signifikant voneinander unter‐ scheiden, da Subgruppe 1 mit der niedrigsten Kontaktintensität signifikant niedrigere Identifikationsraten im ELIAS Grammar Test als Gruppe 4 mit der höchsten Kontaktintensität erzielte (vgl. Steinlen et al. 2010a: 82). Aus den Er‐ gebnissen lässt sich schlussfolgern, dass die Kontaktintensität zu der neuen Im‐ mersionssprache auch für die Entwicklung des grammatischen Hörverständ‐ nisses in immersiv-bilingualen Kita-Einrichtungen ein wichtiger Prädiktor zu sein scheint (vgl. Kersten 2010: 18; Kersten 2012: 48; Steinlen et al. 2010a: 82 f.). Neben den ELIAS -Teilstudien von Rohde (2010) und Steinlen et al. (2010a), in denen der Einfluss der Kontaktintensität erstmals empirisch erfasst und statis‐ tisch messbar wiedergegeben wurde (vgl. Kersten 2012: 37), sind auch Hä‐ ckel / Piske (2011) der Frage nachgegangen, welche Auswirkungen die Intensität des täglichen Sprachkontakts auf das Grammatikverständnis und den Wort‐ schatzerwerb von Kindern in bilingualen Kitas hat. Diese Studie unterstreicht die Befunde von ELIAS insofern, als dass Kinder aus einer Einrichtung mit vier bis sechs Stunden täglicher Kontaktzeit zu beiden Testzeitpunkten sowohl im Lexikonals auch im Grammatiktest deutlich bessere Testergebnisse als Kinder aus einer Einrichtung erreichten, in der lediglich eine einbis zweistündige täg‐ liche Kontaktzeit bestand (vgl. Häckel / Piske 2011: 18, 24). Obwohl der Input Intensity Factor ein hilfreiches Instrument zur Erfassung der Kontaktintensität in einzelnen Einrichtungen ist, muss einschränkend da‐ rauf hingewiesen werden, dass die durch den Faktor ermittelten Intensitäts‐ werte nicht mit den realen Bedingungen des Sprachangebots gleichgesetzt werden dürfen, da dieser lediglich die theoretische Intensität, d. h. „the theore‐ tical and probable amount of time during which an individual child has access to L2 input“ (Weitz et al. 2010: 34) bzw. „the potential rather than the real input“ (Rohde 2010: 58) zu errechnen vermag. Trotz eines theoretisch identischen L2-Angebots können dennoch individuelle Unterschiede in der Kontaktinten‐ sität zwischen bilingual betreuten Kindern bestehen. Hier spielen u. a. auch emotional-affektive Faktoren wie die Sympathie bzw. die „input preferences“ oder „model preferences“ (Beebe 1985: 404) eines einzelnen Kindes für be‐ stimmte ErzieherInnen eine Rolle. Die Sympathie zu einer Fachkraft und die damit einhergehende Präferenz für eine bestimmte Inputquelle ist oftmals an bestimmte Persönlichkeitsfaktoren gebunden (zur Diskussion der Persönlich‐ keitsfaktoren bei pädagogischen Fachkräften in bilingualen Kitas siehe auch Weitz 2015: 372-374). Diese Faktoren liefern Erklärungsansätze dafür, warum Kinder in derselben Kita-Gruppe trotz eines theoretisch identischen L2-Ange‐ bots unterschiedlichen Kontakt zu den einzelnen Betreuungspersonen haben und dementsprechend eine unterschiedlich hohe Inputintensität in den betei‐ 3.2 Kontextfaktoren der kindlichen Sprachentwicklung 99 49 Edmondson / House (2011: 266 f.) weisen in diesem Zusammenhang auch auf die Schwierigkeit einer genauen Begriffsdefinition sowie auf die notwendige Unterschei‐ dung zwischen dem wahrgenommenen Input und dem potentiellen Input hin. 3.2.3 ligten Sprachen erfahren. Jene Unterschiede können allerdings mithilfe des Konstrukts der Kontaktintensität und des errechenbaren Input Intensity Factors nicht abgebildet werden (vgl. Weitz et al. 2010: 34). Sprachlicher Input Die Darstellung zur Kontaktintensität hat verdeutlicht, dass dieses Maß erste Anhaltspunkte zu dem theoretischen Umfang des Sprachkontakts zulässt. Um allerdings die tatsächlichen sprachlichen Erfahrungen eines Kindes in einer im‐ mersiv-bilingualen Kita sichtbar zu machen, ist es erforderlich, den sprachlichen Input, d. h. die konkrete Sprachverwendung und das sprachliche Handeln von ErzieherInnen, näher zu betrachten. Dem Input, definiert als „das gesamte einem Lernenden mündlich und / oder schriftlich zur Verfügung stehende Sprachma‐ terial“ (Aguado 2010b: 132) bzw. als Sprachkontakt, zu dem Lernende Zugang haben (vgl. Edmondson / House 2011: 266 49 ), wird in einigen spracherwerbsthe‐ oretischen Ansätzen eine zentrale Funktion für einen erfolgreichen Spracher‐ werb zugeschrieben (zu den verschiedenen interaktionistischen Ansätzen, in denen die Rolle des Inputs im Spracherwerb diskutiert wird, siehe Kapitel 4). Angesichts der Funktion, die dem sprachlichen Input in den verschiedenen Ansätzen zugesprochen wird, rückt der Input auch als potentieller Einfluss‐ faktor des bilingualen kindlichen Spracherwerbs in immersiven Kitas in den Fokus (vgl. Weitz 2012: 57). Anders als in unterrichtlichen Vermittlungszusam‐ menhängen, in denen die zu vermittelnde Sprache den Lehrgegenstand bildet, wird die neue Sprache im Rahmen der Immersionsmethode als authentisches Kommunikationsmittel in alltagsintegrierten Interaktionen dargeboten (vgl. u. a. Kersten et al. 2010a: 103; Steinlen et al. 2013: 79). Dementsprechend ist nicht nur der sprachliche Input als möglicher Kontextfaktor des Spracherwerbs, son‐ dern sind auch die sprachlichen Interaktionsprozesse als zentraler Bezugs‐ rahmen zu betrachten, innerhalb dessen sich Spracherwerbsprozesse entfalten. Gleichzeitig richtet die Untersuchung von Input und Interaktion das Augenmerk auf die in den Einrichtungen tätigen ErzieherInnen, die durch ihr sprachliches Interaktionsverhalten und sprachliches Handeln die Erwerbsbedingungen des immersiven Lernumfelds wesentlich mitgestalten. Die pädagogischen Fach‐ kräfte in immersiv-bilingualen Kitas benötigen „spezifische Fähigkeiten, da sie Wege und Strategien finden müssen, die Entwicklung der Kinder zu fördern und 3 Stand der Forschung: Spracherwerb in immersiv-bilingualen Kitas 100 zu stimulieren, und zwar unter ausschließlicher Verwendung einer Sprache, die nicht der Umgebungssprache der Kinder entspricht“ (Steinlen et al. 2013: 79; siehe auch Kersten et al. 2010a: 103). Erschwerend kommt dabei hinzu, dass in immersiven Kitas tätige Fachkräfte, anders als Fremdsprachenlehrkräfte an Schulen, in der Regel kein professionelles Training bzw. keine didaktisch-me‐ thodische Vorbereitung zur immersiven Vermittlung der Fremdsprache erhalten (vgl. Steinlen et al. 2013: 79). Im Folgenden werden daher relevante Forschungs‐ ergebnisse zusammengetragen, in denen der sprachliche Input sowie das sprachliche Interaktionsverhalten von pädagogischen Fachkräften einerseits beschrieben werden, andererseits aber auch ein möglicher Zusammenhang zwi‐ schen dem sprachlichen Angebot und der kindlichen Sprachentwicklung in im‐ mersiven vorschulischen Lernumgebungen aufgezeigt wird. Kinder sind, insbesondere dann, wenn sie erst seit Kurzem in einer im‐ mersiv-bilingualen Kita betreut werden, in einem Sprachbad von einer für sie fremden bzw. wenig verständlichen Sprache umgeben. Da die Immersion ein Lehrverfahren ist, das bewusst auf die explizite Vermittlung von sprachlichen Strukturen sowie formale Vermittlungs- und Lehrzusammenhänge verzichtet, ist das Kind darauf angewiesen, dass die Sprache in Alltagssituationen aus‐ schließlich handlungsbegleitend eingesetzt wird, so dass jeweils eine Beziehung zwischen dem Gesagten und dessen Bedeutung bzw. Funktion deduziert werden kann (vgl. Burmeister / Pasternak 2004: 26 f.). Damit die Interaktionen für das Kind selbsterklärend und die sprachlichen Strukturen über den jeweiligen Si‐ tuationskontext zu erschließen sind, sollten ErzieherInnen sogenannte scaffolds (dt. „Gerüst“; vgl. Wood et al. 1976: 90; Gibbons 2002: 15) in der Interaktion verwenden. Hiermit sind, vor allem in der interaktionistisch-soziokulturellen spracherwerbstheoretischen Terminologie (vgl. Kapitel 4), sprachliche Gerüste im Sinne sprachlicher Vermittlungs- und Unterstützungsstrategien gemeint. Diese werden zumeist von dem / der kompetenteren InteraktionspartnerIn ein‐ gesetzt, um dem Gegenüber das Verständnis zu erleichtern (vgl. Fosta / Ohta 2005: 414). Peregoy (1991: 466) ging in einer empirischen Untersuchung diesbezüglich der Frage nach, ob pädagogische Fachkräfte in spanisch-englischen immersiven Kitas diese Form der sprachlichen Unterstützung nutzen. Im Speziellen wurde der Einsatz sogenannter environmental scaffolds (ebd.), definiert als communication supports offered by the teacher or by peers that assist second language learners in comprehension and production at a level somewhat beyond their current level of second language competence, that is, at the next level of development, 3.2 Kontextfaktoren der kindlichen Sprachentwicklung 101 untersucht. Die Analyse der Beobachtungsdaten zeigt, dass die ErzieherInnen in der Interaktion mit den Kindern verschiedene Unterstützungsstrategien ein‐ setzen. Um den Kindern die Situation verständlich zu machen, kontextualisieren die pädagogischen Fachkräfte ihre Aussagen durch ihre Mimik sowie unter Zu‐ hilfenahme externer Hilfsmittel, wie z. B. Bildkarten (vgl. ebd.: 468). Zudem schaffen die Fachkräfte insbesondere zu Beginn des Kindergartenjahres Situa‐ tionen, die es dem Kind ermöglichen, auch nonverbal mit der Fachkraft zu in‐ teragieren bzw. nonverbal auf Fragen oder Aufforderungen zu reagieren (vgl. ebd.). Auf diese Weise wird dem Kind in der neuen fremdsprachigen Umgebung die Sicherheit vermittelt, auch ohne aktive Sprachkenntnisse sprachlich hand‐ lungsfähig zu sein. Um den Kindern den Übergang von der silent period bis hin zur aktiven Sprachproduktion zu erleichtern, ermutigen die von Peregoy (1991) beobachteten ErzieherInnen die Kinder zur Sprachproduktion und unterstützen diese durch sprachliche Gerüste, indem sie ihnen verschiedene verbale und nonverbale Antwortmöglichkeiten vorgeben (vgl. Peregoy 1991: 468). Ein wei‐ teres für die vorliegende Studie relevantes Erkenntnismoment Peregoys (1991) ist, dass die genannten Scaffolding-Strategien nicht isoliert, sondern häufig si‐ multan und in Kombination als sogenannte multiple embedded scaffolds (Peregoy 1991: 474) auftreten. Das sprachliche Verhalten der Fachkräfte integriert damit verschiedene safety nets (dt. „Sicherheitsnetze“) (ebd.), die dem Kind eine er‐ folgreiche Teilhabe an dem Kommunikationsgeschehen ermöglichen sollen. Da‐ durch entsteht ein „supportive learning environment in which children were immediately able to display their competence as kindergarten students while learning the second language“ (ebd.). Die übergeordnete Erkenntnis dieser Studie ist daher, dass vorschulische Immersionsprogramme für Kinder ein po‐ sitives Lernumfeld bieten können, vorausgesetzt die beteiligten pädagogischen Fachkräfte gestalten durch den gezielten Einsatz verschiedener Scaffol‐ ding-Techniken eine unterstützende Lernumgebung, so dass die Kinder trotz begrenzter Kompetenzen an dem immersiven Kita-Alltag teilhaben und in diesem sprachlich handlungsfähig sein können (vgl. ebd.). Analog dazu plä‐ dieren auch Kersten et al. (2010a: 109 f.) und Steinlen et al. (2013: 87 f.) dafür, Kindern in einer immersiv-bilingualen Kita möglichst vielfältige verbale aber auch inhaltliche Gerüste anzubieten, um diese bei dem Erwerb der neuen Sprache zu unterstützen. In einer Replikationsstudie untersuchten Peregoy / Boyle (1999: 136) noch‐ mals vertiefend das Konzept der multiple embedded scaffolds, unter dem sie „teacher’s simultaneous use of several scaffolds to support second language le‐ arners‘ comprehension and participation“ verstehen. Dazu wurde in zwei spa‐ nisch-englischen immersiven Kindergärten in Kalifornien die Sprachverwen‐ 3 Stand der Forschung: Spracherwerb in immersiv-bilingualen Kitas 102 dung der pädagogischen Fachkräfte während der morgendlichen Stuhlkreise untersucht. Auch hier leisten die Fachkräfte verschiedene Formen sprachlicher Unterstützung, die die Befunde Peregoys (1991) empirisch untermauern. Dazu setzen sie spezifische Kommunikationsstrategien, wie die Wiederholung von Schlüsselwörtern und Schlüsselsätzen sowie begleitend bildliche und gestische Signale, z. B. in Form von Bildkarten oder Handzeichen, ein (vgl. Peregoy / Boyle 1999: 141). Des Weiteren werden die kindlichen Interaktions- und Antwortver‐ suche durch vormodellierte Antwortoptionen vorentlastet und unterstützt (vgl. ebd.: 142). Interessant ist zudem die Beobachtung Peregoy / Boyles (vgl. ebd.: 142 f.), wonach die Fachkräfte die sprachliche Komplexität in den täglich statt‐ findenden Morgenkreisen über das begleitete Kindergartenjahr kontinuierlich steigern. Die Unterstützungsstrategien, die von Peregoy / Boyle (1999) als mul‐ tiple embedded scaffolds beschrieben werden, lassen sich zwar über das ganze Kindergartenjahr hinweg beobachten, jedoch ist die dynamische Entwicklung und Anpassung des Strategie-Einsatzes das für den Spracherwerb in den im‐ mersiven Einrichtungen Entscheidende (vgl. ebd: 143). Die AutorInnen weisen in diesem Zusammenhang ebenfalls auf die Notwendigkeit einer regelmäßigen und kontinuierlichen Wiederholung der Strategien hin, damit sich das Kind die Unterstützungssysteme einprägen und zur Entschlüsselung der sprachlichen Aussagen in den jeweiligen Handlungssituationen nutzen kann (vgl. ebd.). Die skizzierten Studien von Peregoy (1991) sowie die Replikationsstudie von Pe‐ regoy / Boyle (1999) stimmen folglich in der Schlussfolgerung überein, dass die Sprachverwendung der pädagogischen Fachkräfte sowie der gezielte Einsatz unterstützender sprachlicher Strategien für den sprachlichen Erfolg von Kin‐ dern in Immersionsprogrammen ausschlaggebend ist (vgl. Peregoy 1991: 474; Peregoy / Boyle 1999: 137). Eine ähnliche Studie, die sich ebenfalls der Sprachverwendung von pädago‐ gischen Fachkräften in vorschulischen Immersionskontexten widmet, wurde von Södergård (2008) in einer immersiven Kita in Finnland durchgeführt. Der Fokus der Studie liegt auf der Fragestellung, welche spezifischen sprachlichen Strategien die Fachkräfte einsetzen, um die Kinder zur aktiven Sprachproduk‐ tion in der L2 Schwedisch zu ermutigen (zur Bedeutung des Faktors Output siehe auch Swain 1995 sowie die Ausführungen in Kapitel 4.1.2 zur Output-Hypo‐ these). Zur Beschreibung des Sprachgebrauchs der ErzieherInnen begleitete Sö‐ dergård (2008) die Einrichtung mittels teilnehmender Beobachtung über zwei Kindergartenjahre; ergänzend dazu wurden ausgewählte Interaktionsse‐ quenzen videografiert. Im Zuge der induktiv geleiteten und hauptsächlich auf grammatische Phänomene des Sprachgebrauchs abzielenden Datenanalyse wurden Strategien zur Elizitation kindlicher L2-Produktion und Feedback-Stra‐ 3.2 Kontextfaktoren der kindlichen Sprachentwicklung 103 tegien, die eine Reaktion auf eine kindliche Interaktionsbeteiligung darstellen, untersucht (vgl. Södergård 2008: 160). Als von den Fachkräften eingesetzte L2-elizitierende Strategien beschreibt Södergård (vgl. ebd.: 161) folgende Hauptkategorien: 1. Fragen: Ja- / Nein-Fragen, W-Fragen, Entweder-Oder-Fragen (vgl. ebd.: 161 f.). 2. Vorgeben einer Antwortmöglichkeit: Vorgeben einer falschen Antwort‐ möglichkeit, um einen Widerspruch bei den Kindern zu provozieren, oder Vorgeben der korrekten Antwort durch die Fachkraft (vgl. ebd.: 163). 3. Signale / Zeichen für einen Sprachenwechsel von der L1 in die L2: z. B. durch Verständnisfragen, Bitten um Wiederholung, Signalisieren von Nicht-Verstehen bei Gebrauch der L1 Finnisch (vgl. ebd.: 163-165). 4. ErzieherInnen-Äußerungen, die zu spontaner L2-Produktion führen: z. B. spontanes Wiederholen der gesamten oder Teile der voraus‐ gehenden Äußerungen der Fachkraft durch das Kind (vgl. ebd.: 165 f.). Neben den sprachelizitierenden Äußerungen, die die beobachteten Fachkräfte in der Interaktion mit dem Kind nutzen, demonstriert Södergård (2008) anhand ihrer Ergebnisse zudem, dass die ErzieherInnen auf die kindlichen Dialogbetei‐ ligungen mit verschiedenen Gesprächsstrategien reagieren. Dabei identifiziert Södergård (vgl. ebd.: 166-169) die folgenden Feedback-Strategien: 1. Nicht-korrektives Feedback: Wiederholung / Imitation der kindlichen Äußerung (vgl. ebd.: 166). 2. Positives Feedback: entweder als minimale Bestätigung (z. B. Ja, Okay) oder in Form eines Lobs (z. B. Gut, Super, Prima; vgl. ebd.: 167). 3. Korrektives Feedback und recasts: Wiederholung / Reformulierung der kindlichen Äußerung mit impliziter Fehlerkorrektur (vgl. ebd.: 167 f.). 4. Entweder-Oder-Fragen: werden in Form von korrektivem Feedback ein‐ gesetzt und dienen so der interaktiven Aushandlung der korrekten sprach‐ lichen Form (vgl. negotiation of form; vgl. Lyster 1998a; vgl. Södergård 2008: 168 f.). 5. Turn-Taking: auf eine kindliche L2-Äußerung folgender Gesprächsbeitrag der Fachkraft; gibt dem Kind durch die inhaltliche Fortführung des Ge‐ sprächs die implizite Rückmeldung, dass seine Äußerung sowohl inhaltlich als auch formal korrekt und angemessen war. Hierbei handelt es sich jedoch um keine Feedback-Strategie im eigentlichen Sinne (vgl. ebd.: 169). 3 Stand der Forschung: Spracherwerb in immersiv-bilingualen Kitas 104 Die Forschungsergebnisse Södergårds (2008) verdeutlichen, dass die von ihr untersuchten Fachkräfte während des Kita-Alltags eine positiv-stimulierende Lernumgebung schaffen. Es werden insbesondere Situationen entwickelt, in denen die Fachkräfte versuchen, die Kinder durch den Einsatz von elizitierenden Gesprächsstrategien zur eigenen Sprachproduktion in der L2 zu ermutigen und zu motivieren. Zudem reagieren sie mit einem bestätigenden bzw. korrigier‐ enden Rückmeldeverhalten auf die kindlichen Dialogbeteiligungen. Die Er‐ kenntnisse dieser Studie sind für die vorliegende Untersuchung nicht nur aus inhaltlichen Gründen bedeutsam. Aus forschungsmethodischer Perspektive stellt die Unterscheidung in elizitierende und rückmeldende Gesprächsstrate‐ gien eine erste Möglichkeit zur Kategorisierung des Interaktionsverhaltens von Fachkräften in immersiven Kitas dar und bietet damit auch erste methodische Anhaltspunkte für die Auswertung der im Rahmen dieser Arbeit erhobenen In‐ teraktionsdaten (siehe dazu Kapitel 5.4). Auch Nauwerck (2005) betrachtet die pädagogischen Fachkräfte als wichtigen Faktor für die frühe Fremdsprachenvermittlung in bilingualen Kitas. Ausgehend von ihren Beobachtungen in vier deutsch-französischen Einrichtungen arbeitet sie die verantwortungsvolle Rolle der Fachkräfte heraus: Sie fungieren, insbe‐ sondere dann, wenn sie die alleinige fremdsprachige Person in der Einrichtung sind (vgl. auch Södergård 2008: 153), zum einen als Sprachmodell und Vermitt‐ lerIn der anderen Sprache und Kultur. Damit repräsentieren und gestalten sie das zweitsprachliche Umfeld als notwendigen Handlungsrahmen, innerhalb dessen sich Spracherwerbsprozesse vollziehen und kindliche Sprachentwick‐ lung entfalten können (vgl. Nauwerck 2005: 162 f.). Zum anderen liefern sie in der alltagsintegrierten Interaktion mit den Kindern den sprachlichen Input, über den die Effektivität der frühen Fremdsprachenvermittlung in hohem Maße ge‐ steuert wird (vgl. ebd.: 163). Die Beobachtungen Nauwercks (2005) legen dies‐ bezüglich einen Zusammenhang zwischen der Sprachentwicklung des Kindes einerseits und dem durch die Fachkräfte vermittelten Sprachangebot anderer‐ seits nahe. So zeigen die Ergebnisse, dass sich der Anteil der französischspra‐ chigen Äußerungen seitens der Kinder in Abhängigkeit von dem konkreten sprachlichen Handeln der ErzieherInnen entwickelt (vgl. ebd.: 167). Das von der fremdsprachigen Fachkraft vermittelte Sprachangebot sollte dabei der Formel „je mehr und je vielfältiger, umso besser“ (ebd.: 167) entsprechen, d. h. gewisse quantitative und qualitative Merkmale besitzen. Auch aus diesem Grund plädiert Nauwerck (ebd.) nochmals für den Einsatz erstsprachlicher Fachkräfte, „da diese den Kindern eine flexiblere und nuancierte Sprachverwendung bieten können“. Die transkriptbasierte Datenauswertung Nauwercks (2005) verdeutlicht jene wiederkehrende Muster in der Sprache der ErzieherInnen, von denen aus erst- 3.2 Kontextfaktoren der kindlichen Sprachentwicklung 105 und zweitspracherwerbstheoretischer Sicht eine förderliche Wirkung auf den Spracherwerb angenommen wird (vgl. ebd.: 168). So zeichnet sich das Interak‐ tionsverhalten der untersuchten Fachkräfte durch einen hohen Anteil an Fragen, die die Kinder zur sprachlichen und nonverbalen Interaktionsbeteili‐ gung aktivieren, sowie arbeitsbegleitendes Sprechen aus, über die das Sprach‐ repertoire der Kinder systematisch ausgebaut und erweitert werden kann (vgl. ebd.). Des Weiteren setzen die ErzieherInnen Reformulierungen als gezielte Korrekturstrategie ein, so dass die Fachkräfte, ähnlich wie Mütter bei ihren Kindern, die „Rolle der Sprachlehrenden“ (ebd.) einnehmen. Auch eine erhöhte Stimmlage sowie das Erweitern kindlicher Äußerungen (Expansion) sind als mütterliche Sprachlehrstrategien aus dem spezifischen Sprachregister des mo‐ therese, das von Müttern in der Interaktion mit ihren Kindern verwendet wird, bekannt und werden auch von den von Nauwerck (ebd.: 169) begleiteten Fach‐ kräften eingesetzt. Zusätzlich dazu liefern die im Rahmen dieser Studie durch‐ geführten exemplarischen Einzelfallanalysen der Sprachentwicklung ausge‐ wählter Kinder Anhaltspunkte dafür, dass bestimmte sprachliche Verhaltens‐ weisen seitens der ErzieherInnen eine förderliche bzw. hemmende Wirkung auf den immersiven Spracherwerb zu haben scheinen. Ein echter Informationsaus‐ tausch in natürlichen und nicht eigens arrangierten Interaktionssituationen scheint sich in diesem Sinne positiv auf den Wortschatzerwerb in der L2 Fran‐ zösisch auszuwirken.Von ritualisierten Aktivitäten und stark durch die Fach‐ kraft gelenkten Gesprächsverläufen, die dem Kind einen offensichtlichen „Übungscharakter“ (ebd.: 143) vermitteln, ist hingegen eine eher nachteilige Wirkung auf den Wortschatzerwerb zu erwarten. Offenbar verfügen Kinder be‐ reits über ein sensibles Empfinden für die Künstlichkeit jener Interaktionskon‐ texte, in denen Sprache nicht dem genuinen Informationsaustausch dient, son‐ dern zum Selbstzweck und in Form von stupidem Abfragen und Testfragen praktiziert wird (vgl. ebd.; Weitz et al. 2010: 12). Vor diesem Hintergrund wäre dafür zu plädieren, authentische Gesprächsanlässe und natürliche Settings, in denen ein echtes kommunikatives Interesse zwischen ErzieherIn und Kind be‐ steht, im Kita-Alltag systematisch aufzugreifen und für die alltagsintegrierte sprachliche Bildungsarbeit nutzbar zu machen. Neben den dargestellten Studien, die einen Zusammenhang zwischen be‐ stimmten Merkmalen des sprachlichen Inputs und den sprachlichen Kompe‐ tenzen der bilingual betreuten Kinder vermuten, stellen die im Kontext von ELIAS durchgeführten Untersuchungen von Weitz et al. (2010), Weitz (2012) und Weitz (2015) eine wichtige Vorarbeit für die vorliegende Dissertationsstudie dar. Ausgehend von statistisch signifikanten Unterschieden hinsichtlich des Erfolgs im L2-Erwerb der getesteten Kinder in den verschiedenen immersiven Einrich‐ 3 Stand der Forschung: Spracherwerb in immersiv-bilingualen Kitas 106 50 High-inference bedeutet, dass die Leistung, die die beobachtende Person an Beurteilung und Interpretation der Kategorien erbringen muss, wesentlich höher anzusiedeln ist als bei den low-inference-Kategorien, die der direkten Beobachtung zugänglich sind. tungen (vgl. Rohde 2010; Steinlen et al. 2010a), die sich nicht alleine auf die beschriebenen Kontextfaktoren der Kontaktdauer und die Kontaktintensität zu‐ rückführen ließen, rückte der Faktor des Inputs als weiterer potentieller Kon‐ textfaktor in den Fokus. Anliegen der von Weitz et al. (2010) bearbeiteten Teil‐ studie war es daher, zunächst den Input der verschiedenen fremdsprachigen Fachkräfte in den bilingualen Einrichtungen zu beschreiben und bestehende Unterschiede in dem sprachlichen Input aufzuzeigen. In einem weiteren Schritt sollte überprüft werden, ob die Art des dargebotenen Inputs Auswirkungen auf die kindlichen Testergebnisse im Bereich der rezeptiven lexikalischen und grammatischen L2-Fertigkeiten hat. Zu diesem Zweck wurde, da noch kein adä‐ quates Instrument zur Beschreibung des L2-Inputs in bilingualen Kitas exis‐ tierte, das sogenannte IQOS (Input Quality Observation Scheme) entwickelt. Es handelt sich dabei um ein quantitatives Beobachtungsinstrument, mithilfe dessen qualitative Merkmale des L2-Inputs in den Einrichtungen erfasst und sichtbar gemacht werden können (vgl. Weitz et al. 2010: 7; Weitz 2012: 57). Der Beobachtungsbogen besteht aus eindeutig voneinander abgrenzbaren Beobach‐ tungskategorien, die vorgeben, welche Aspekte in der jeweiligen Situation von den Beobachtenden erfasst werden sollen, so dass eine systematische Beobach‐ tung ermöglicht wird (vgl. Weitz 2012: 62). Der Aufbau des Bogens beruht auf einer Zweiteilung in sogenannte low-in‐ ference- und high-inference-Kategorien. Mithilfe der low-inference-Kategorien werden rahmengebende Informationen zu der beobachteten Sequenz wie die Dauer, die Anzahl der Kinder und ErzieherInnen sowie Angaben zu der Situation (z. B. Frühstück, Morgenkreis, Freispiel) und der innerhalb dieser übergeord‐ neten Situation dominierenden Aktivität (z. B. freie Gespräche, Vorlesen, orga‐ nisatorische Routinen) erfasst, die zur nachträglichen Beschreibung der be‐ obachteten Sequenzen genutzt werden können (vgl. Weitz et al. 2010: 10 f.; Weitz 2012: 62 f.; zur Darstellung der einzelnen low-inference-Kategorien siehe Weitz 2015: 203-211). Zudem kann mithilfe der low-inference-Kategorien erfasst werden, ob bestimmte Merkmale des Inputs innerhalb bestimmter Situationen oder Aktivitäten verstärkt auftreten, d. h. die Frage nach einem möglichen Zu‐ sammenhang zwischen Situation bzw. Aktivität auf der einen sowie Inputmerk‐ malen auf der anderen Seite eruiert werden (vgl. Weitz 2012: 63). Die soge‐ nannten high-inference-Kategorien 50 bilden schließlich das Kernstück des IQOS . Mithilfe dieser 15 Kategorien werden die Merkmale erfasst, die Aussagen über die Qualität des Inputs und der Interaktion zulassen (vgl. ebd.). Die fünf Teilbe‐ 3.2 Kontextfaktoren der kindlichen Sprachentwicklung 107 51 Der vollständige IQOS-Bogen ist bei Weitz et al. (2010: 44) abgedruckt. reiche des high-inference-Bereichs, auf denen die Einschät-zung der L2-Input‐ qualität in IQOS beruht, sind die folgenden (vgl. ebd.: 63-71): 51 1. Inputmenge: Quantität des dargebotenen Inputs sowie Verzicht auf Über‐ setzungen in die Umgebungssprache (vgl. Weitz et al. 2010: 11; Weitz 2012: 64 f.; Weitz 2015: 211-216). 2. Inputbeschaffenheit: Intonationsanpassungen, reichhaltiger u. kom‐ plexer Input, ri-tualisierter Sprachgebrauch (language scaffolds), Reaktionen der L2-ErzieherInnen auf die kindlichen Interaktionsversuche, metalingu‐ istische Auseinandersetzung mit dem Sprachsystem (focus on form) (vgl. Weitz et al. 2010: 13; Weitz 2012: 65-68; Weitz 2015: 216-225). 3. Verständnissicherung auf Seiten der Kinder: Kontextualisierung (z. B. mithilfe von Gestik, Bildern oder anderen Objekten), Erklärungen u. Ver‐ gleiche (auch Synonyme, Antonyme), Sicherstellung des kindlichen Ver‐ ständnisses anhand des sprachlichen oder physischen Handelns des Kindes (Weitz et al. 2010: 16 f.; Weitz 2012: 68 f.; Weitz 2015: 225-230). 4. Reaktion auf kindliche Äußerungen und mögliche Ermutigung zur L2-Produktion: Sowohl explizite Aufforderungen als auch implizite Er‐ mutigungen zur L2-Produktion, implizites korrektives Feedback, Abwesen‐ heit expliziter Korrekturen (vgl. Weitz et al. 2010: 18 f.; Weitz 2012: 69 f.; Weitz 2015: 230-238). 5. Reaktion der Kinder auf angebotenen Input: Erfasst, ob die Kinder den ErzieherInnen zuhören bzw. dem dargebotenen Input Aufmerksamkeit schenken (vgl. Weitz et al. 2010: 21; Weitz 2012: 71; Weitz 2015: 238 f.). Der IQOS -Beobachtungsbogen ist für Echtzeitbeobachtungen konzipiert, so dass dieser von den Forschenden möglichst direkt in der Beobachtungssituation und parallel zum Kita-Alltag ausgefüllt werden sollte (vgl. Weitz et al. 2010: 22). In den Fällen, in denen die beobachtende Person selbst stark in das Beobach‐ tungsgeschehen involviert ist, ist auch eine nachträgliche Dokumentation der Inputqualität in IQOS möglich (vgl. ebd.). Videoaufnahmen des Interaktionsge‐ schehens sind daher für den Einsatz des Beobachtungsbogens nicht zwingend erforderlich (vgl. Weitz 2012: 62). Die beschriebenen Kategorien des high-infe‐ rence-Bereichs werden schließlich von den BeobachterInnen anhand einer vier‐ stufigen Likert-Skala bewertet, so dass Aussagen über den Ausprägungsgrad der einzelnen in IQOS erfassten sprachlichen Merkmale getroffen werden können (vgl. Weitz 2015: 184; siehe auch Hussy et al. 2013: 64 f.). 3 Stand der Forschung: Spracherwerb in immersiv-bilingualen Kitas 108 52 In diesem Zusammenhang können insbesondere die Inputcharakteristika adapted speech, varied input und encourages and maintains L2 output, ein hohes Maß an Ver‐ ständnissicherung (ensuring children’s comprehension) sowie die kindliche Aufmerk‐ samkeit (children listen) als signifikante Prädiktoren für die kindliche L2-Grammatik‐ entwicklung identifiziert werden (vgl. Weitz 2015: 364). Von Januar bis April 2010 wurden insgesamt 21 ErzieherInnen in neun bilin‐ gualen Kindergärten (sieben in Deutschland, einer in Belgien, einer in Schweden) bei mindestens 15 Aktivitäten auf der Grundlage des IQOS bewertet, so dass insgesamt 372 ausgefüllte Beobachtungsbögen in die Analyse einbe‐ zogen werden konnten (vgl. Weitz 2012: 71; Weitz 2015: 273). Die IQOS -Bewer‐ tungen zeigen, dass der Sprachgebrauch und die damit einhergehende Input‐ qualität bei den 21 beobachteten ErzieherInnen statistisch signifikante Unter‐ schiede aufweist (vgl. Weitz et al. 2010: 25; Weitz 2012: 71). Das sprachliche Angebot, das den Kindern in den verschiedenen immersiv-bilingualen Kitas zur Verfügung steht, unterscheidet sich damit bezüglich der in IQOS erfassten qua‐ litativen Merkmale erheblich (vgl. Weitz 2015: 381). In einem zweiten Schritt sollte daher ermittelt werden, wie sich die identifizierten Qualitätsunterschiede auf die sprachliche Entwicklung der Kinder in den untersuchten Einrichtungen auswirken. Zudem sollten mögliche Zusammenhänge zwischen der mit IQOS gemessenen Inputqualität und der kindlichen L2-Entwicklung aufgedeckt werden (vgl. ebd.: 273). Für den Teilbereich der grammatischen L2-Fertigkeiten der Kinder lassen sich diesbezüglich statistisch signifikante Korrelationen zu den IQOS -Gesamtwerten feststellen, d. h.: Je höher die Inputqualität, desto schneller entwickeln sich die grammatischen Fertigkeiten der Kinder (vgl. Weitz et al. 2010: 26 f.; Weitz 2012: 72; Weitz 2015: 384 f.). 52 Dass die Inputqualität auch einen Einfluss auf die lexikalische Entwicklung von bilingual betreuten Kindern hat, lässt sich hingegen nicht eindeutig bestätigen. Für die lexikalische Ent‐ wicklung scheint der Zusammenhang mit der Beschaffenheit des dargebotenen sprachlichen Inputs weniger konstant bzw. geringer ausgeprägt zu sein (vgl. Weitz et al. 2010: 27, 37; Weitz 2012: 72; Weitz 2015: 366). Weitz (2015) begründet diese offenbar geringere Relevanz von bestimmten Inputmerkmalen für den Wortschatzerwerb mit individuellen Schwankungen, denen der Wortschatzer‐ werb trotz gleicher Rahmenbedingungen bei Lernenden unterworfen ist (vgl. Bloom 1993), mit der notwendigen Unterscheidung zwischen Breite und Tiefe des Wortschatzes (vgl. Wesche / Paribakht 1996) sowie mit dem Phänomen des fast mapping, das darauf hindeutet, dass Kinder ein gehörtes Lexem bereits nach wenigen Malen, d. h. ohne ein hohes Maß an Inputquantität und qualität, se‐ mantisieren können (vgl. Weitz 2015: 366 f.; zum fast mapping bei Kindern in bilingualen Kitas siehe auch Fong-Kan / Kohnert 2008). Sie beruft sich dabei auf 3.2 Kontextfaktoren der kindlichen Sprachentwicklung 109 Studien aus dem L1-Erwerb, die nahelegen, dass lexikalisches Wissen auch in weniger interaktiven Erwerbskontexten, z. B. mittels Videosequenzen, er‐ worben werden kann (vgl. Rice et al. 1990; Rice / Watkins 1996; Rice / Woodsmall 1988). Neben der Erfassung des Sprachverhaltens und wesentlicher Inputmerkmale von L2-ErzieherInnen in immersiv-bilingualen Kitas ist das Aufzeigen von kor‐ relativen Zusammenhängen zwischen dem sprachlichen Verhalten der L2-Kräfte und ausgewählten Strukturvariablen ein weiteres Verdienst der Arbeit von Weitz (2015). Von den von ihr untersuchten Strukturvariablen scheinen die elementarpädagogische Vorerfahrung der jeweiligen Fachkraft sowie ihre Rolle im Team relevante Prädiktoren für die Qualität des dargebotenen Inputs zu sein (vgl. ebd.: 382). Die Ergebnisse veranschaulichen, dass ErzieherInnen mit be‐ rufsfeldbezogener Vorerfahrung nicht nur deutlich mehr Input anbieten, son‐ dern auch in höherem Maße verbal auf die kindlichen Interaktionsversuche re‐ agieren sowie vermehrt um Verständnissicherung auf Seiten des Kindes bemüht sind (vgl. ebd.). Auch die Integration der L2-Kräfte als „vollwertige Teammit‐ glieder“ (ebd.) zeigt positive Auswirkungen auf den sprachlichen Umgang mit den Kindern, der sich u. a. in einem häufigeren Gebrauch von Kontextualisie‐ rungstechniken, häufigeren Rückmeldungen auf kindliche Interaktionsver‐ suche sowie in einem komplexeren Sprachgebrauch widerspiegelt (vgl. ebd.). Diese Rückbindung des Interaktionsverhaltens an spezifische strukturelle Rah‐ menbedingungen, wie die beruflichen Vorerfahrungen sowie die Rolle der Fach‐ kraft im Team, liefert, auch wenn ihnen nicht das Hauptaugenmerk dieser Arbeit gilt, wegweisende Leitlinien für die Organisation von pädagogischen Teams sowie der Einstellungspraxis in bilingualen Kitas. Die empirischen Erkenntnisse erhärten zudem nochmals die Forderung, dass fremdsprachige ErzieherInnen in einer bilingualen Einrichtung nicht als Zusatzangebot betrachtet, sondern aktiv in das bestehende Team und alle damit verbundenen Tätigkeiten einbezogen werden sollten (vgl. Bonhoeffer-Zoltman et al. 2013: 65; Winter 2003: 93; Wode 2009: 90). Die von Weitz (2015) gewonnenen Erkenntnisse kristallisieren sich aus meh‐ reren Perspektiven als zentrale Referenzquelle für die vorliegende empirische Untersuchung heraus. Aus inhaltlicher Sicht hat Weitz (2015), als erste Arbeit für deutsch-englische Kitas in Deutschland überhaupt, gezeigt, dass grundsätz‐ liche Unterschiede zwischen dem Sprachgebrauch von L2-ErzieherInnen in im‐ mersiv-bilingualen Betreuungseinrichtungen bestehen. Damit liefert die darge‐ stellte Studie erstmalig die empirische Evidenz dafür, dass die individuellen sprachlichen Erfahrungen sowie das sprachliche Anregungsniveau, das Kindern in einer bilingualen Einrichtung dargeboten wird, nicht nur zwischen den 3 Stand der Forschung: Spracherwerb in immersiv-bilingualen Kitas 110 3.2.4 beiden im Bereich der frühen Fremdsprachenvermittlung etablierten Ansätzen, dem Angebotsansatz und der Immersionsmethode, sondern auch innerhalb der Immersionsmethode deutliche qualitative Unterschiede aufweisen. Neben dem reinen Sichtbarmachen der Interaktionsmerkmale und den bestehenden indivi‐ duellen Unterschieden belegen die Ergebnisse von Weitz (2015) des Weiteren, dass der sprachliche Input einen Faktor in der individuellen Lernumgebung darstellt, der den kindlichen Erwerbserfolg in der Immersionssprache wesent‐ lich steuert, wobei der Zusammenhang für den kindlichen Grammatikerwerb stärker ausfällt als für den Lexikonerwerb. Aus forschungsmethodischer Sicht stellt der im Rahmen von ELIAS entwickelte IQOS -Beobachtungsbogen das erste Instrument dar, mithilfe dessen Merkmale des Inputs und der Interaktion in bilingualen Einrichtungen des Elementarbereichs überhaupt empirisch erfasst und damit dokumentiert werden können. Auch in diesem Sinne bietet die For‐ schungsarbeit von Weitz (2015) wichtige Anknüpfungspunkte für die vorlie‐ gende Studie. Abschließende Bemerkungen In diesem Kapitel wurden zentrale Studien und relevante Forschungsergebnisse, die den inhaltlichen Ausgangspunkt dieser Studie konstituieren, dargestellt. Der Forschungsüberblick hat verdeutlicht, dass die Immersionsforschung, motiviert durch die sowohl von Eltern als auch von offiziellen VertreterInnen des Bil‐ dungssystems vehement geäußerten Bedenken und Zweifel gegenüber der Me‐ thode, die Frage nach der sprachlichen Entwicklung von Kindern in immersiv-bilingualen Kitas bereits früh in den Fokus ihrer Forschungsbemü‐ hungen gestellt hat. Die Zusammenschau diverser Studien demonstriert, dass Kleinkinder in Immersionsprogrammen bereits nach kurzer Kontaktzeit rezep‐ tive Fertigkeiten in der Immersionssprache erwerben, wobei auch in diesem Spracherwerbskontext der produktive Sprachgebrauch erst nach einer gewissen zeitlichen Verzögerung, der silent period, einsetzt. Parallel zu der Sprachent‐ wicklung in der neuen Sprache liefert der derzeitige Forschungsstand zudem keinerlei Grund für die Annahme, dass die Immersionssprache auf Kosten der Erstsprache der Kinder erworben wird. In vorschulischen Immersionspro‐ grammen betreute Kinder erreichen in standardisierten Sprachstandserhe‐ bungsverfahren vergleichbare Testergebnisse wie monolingual betreute Alters‐ genossen, ihre Erstsprache ist dementsprechend altersgemäß entwickelt und wird nach derzeitigem Forschungsstand durch den Kontakt zu einer weiteren Sprache nicht beeinträchtigt. 3.2 Kontextfaktoren der kindlichen Sprachentwicklung 111 3.3 Erst in der jüngeren Immersionsforschung wird verstärkt die Frage aufge‐ worfen, von welchen Faktoren der Lernumgebung die bilinguale Sprachent‐ wicklung in immersiven Kitas beeinflusst wird. Entgegen der landläufigen Mei‐ nung, Sprache werde von Kindern automatisch erworben und Mehrsprachigkeit stelle sich allein durch den Besuch einer bilingualen Kita zwangsläufig ein, weisen neuere Studien darauf hin, dass Fortschritte in der L2 auf konkrete Fak‐ toren in der kindlichen Lernumgebung zurückführbar sind. So entwickelt sich die in einer bilingualen Kita neu eingeführte Sprache sowohl in Abhängigkeit von der längerfristigen Kontaktdauer als auch in Abhängigkeit von der Kon‐ taktintensität, die zu dieser Sprache in den verschiedenen Einrichtungen be‐ steht. Neben diesen beiden Kontextfaktoren scheint jedoch vor allem die Be‐ schaffenheit des sprachlichen Inputs ein bedeutsamer Einflussfaktor in immer‐ siven Spracherwerbskontexten zu sein. Die Arbeit von Weitz (2015) macht in diesem Zusammenhang sowohl auf grundlegende Unterschiede im Interakti‐ onsverhalten einzelner L2-ErzieherInnen als auch auf statistisch signifikante Korrelationen zwischen bestimmten Merkmalen des Inputs und dem Erwerbs‐ erfolg in den Teilbereichen Grammatik und Lexikon aufmerksam. Zusammen‐ fassend liegen damit erste empirische Forschungsergebnisse vor, die in dem In‐ teraktionsverhalten der Fachkräfte und dem sprachlichen Input zentrale Ein‐ flussgrößen für den kindlichen Spracherwerb in immersiv-bilingualen Kitas sehen. In diesem Sinne resümiert Burmeister (2013: 166) treffend: „Es kommt eben - auch in der Immersion - immer auf die Lehrkraft an! “. Ableitung des Forschungsdesiderats und Erkenntnisinteresse der Untersuchung Die Immersionsforschung, für die die frühe Fremdsprachenvermittlung in bi‐ lingualen Kitas erst in den letzten Jahren als Untersuchungsgegenstand ver‐ stärkt in den Fokus gerückt ist, liefert mittlerweile erste Erkenntnisse zu den Möglichkeiten und Rahmenbedingungen des vorschulischen Fremdsprachen‐ erwerbs. Ausgehend von den dargestellten Studien zeichnen sich weiterhin deutliche Forschungslücken und eine Vielzahl offener Fragen zu diesem The‐ menkomplex ab, die zu weiteren Forschungsaktivitäten in diesem Feld moti‐ vieren. Im Folgenden werden daher zunächst die bestehenden Desiderata aus dem Forschungsstand herausgearbeitet und blitzlichtartig aufgezeigt. Diese münden schließlich systematisch in die dieser Arbeit zugrunde liegenden For‐ schungsfragen und werden im Erkenntnisinteresse der Studie verdichtet. 3 Stand der Forschung: Spracherwerb in immersiv-bilingualen Kitas 112 Eine Gemeinsamkeit der dargestellten Studien ist, dass sie sich allesamt auf die Altersgruppe der dreibis sechsjährigen Kinder beziehen. Diese Forschungs‐ bemühen sind positiv zu werten, da dem Elementarbereich in der Wissen‐ schaftslandschaft über lange Zeit wenig Aufmerksamkeit zuteil wurde (vgl. El‐ schenbroich 2001: 19). Dies gilt insbesondere für den Bereich der frühen Fremd‐ sprachenvermittlung im Elementarbereich (vgl. Müller 2003: 81 f.). Aufgrund des gestiegenen sprachenpolitischen Interesses und des erkannten bildungspoliti‐ schen Potenzials lässt sich für die nächsten Jahre ein weiterhin steigender Be‐ deutungszuwachs der vorschulischen Fremdsprachenvermittlung prognosti‐ zieren (vgl. ebd.: 82). Dies spiegelt auch die kontinuierlich steigende Anzahl bilingualer Einrichtungen in Deutschland mit einer Verdreifachung bilingualer Kitas in den letzten zehn Jahren wider (vgl. FMKS 2014: 1). Trotz der beste‐ henden „unbefriedigende[n] Forschungslage“ (Meisel 2007: 105) im Bereich der frühkindlichen Mehrsprachigkeitsforschung lassen sich auf der Grundlage der skizzierten Studien mittlerweile erste empirisch fundierte Aussagen zu den Merkmalen sowie den einflussnehmenden Rahmenbedingungen des kindlichen Spracherwerbs in immersiv-bilingualen Kitas treffen. Mittlerweile hat sich die elementarpädagogische Betreuung in vorschuli‐ schen Bildungsinstitutionen jedoch auf das erste Lebensjahr vorverlagert und die Zahl der unterdreijährigen Kleinkinder, die in Krippen betreut werden, steigt kontinuierlich (vgl. Datler et al. 2012: 59; Jooß-Weinbach 2012: 119). So wurden im Jahr 2014 bereits 660 750 Kinder unter drei Jahren, was einem prozentualen Anteil von 32,3 % dieser Altersgruppe entspricht, außerhalb des Elternhauses in Kitas oder in der öffentlich geförderten Kindertagespflege betreut (vgl. BMFSFJ 2014: o. A.). In Anbetracht des offiziellen Rechtsanspruchs auf einen Kita-Platz, der im August 2013 in Kraft getreten ist, wird sich der Betreuungsplatzbedarf im Krippenbereich in den kommenden Jahren noch verstärken und ein ent‐ sprechender Ausbau an Betreuungsplätzen für unterdreijährige Kinder unum‐ gänglich sein (vgl. ebd.). Ausgehend von dem allgemein steigenden Betreuung‐ splatzbedarf im Krippenbereich und der gleichzeitig zunehmenden Beliebtheit bilingualer Kitas für dreibis sechsjährige Kinder (siehe dazu die Zahlen des FMKS in Kapitel 2.2.1) ist zu erwarten, dass auch bilinguale Träger und Ein‐ richtungen von dieser Nachfrage profitieren werden, so dass sich in den komm‐ enden Jahren auch vermehrt bilinguale Krippenangebote für unterdreijährige Kinder, die bislang äußerst rar sind, durchsetzen werden. Bis dato gibt es keine offiziellen Zahlen zu bilingualen Krippeneinrichtungen in Deutschland. Das Schattendasein, das der Elementarbereich lange Zeit in der Wissenschaft ge‐ fristet hat, gilt daher in besonderem Maße für die institutionelle Betreuung von unterdreijährigen Kleinkindern in Krippeneinrichtungen, die einem jahre‐ 3.3 Ableitung des Forschungsdesiderats und Erkenntnisinteresse der Untersuchung 113 langen Legitimationsdiskurs unterworfen war (vgl. Viernickel 2012: 15). Das Potenzial jener Einrichtungen als bedeutende Orte frühkindlichen Aufwachsens und frühkindlicher Bildung steht „erst seit Kurzem im Zentrum familien- und bildungspolitischen sowie wissenschaftlichen Interesses“ (Viernickel et al. 2012: 11). Das Potenzial, das diese Einrichtungen für die frühe Fremdsprachenvermitt‐ lung bergen, stand bis dato nicht im Fokus wissenschaftlicher Betrachtungen. Laut meinem Kenntnisstand wurden bislang keinerlei Forschungsarbeiten ver‐ öffentlicht, die den frühkindlichen bilingualen Spracherwerb von Unterdreijäh‐ rigen in immersiven Krippeneinrichtungen auf der Grundlage empirischer Daten systematisch untersuchen. Aufgrund der kognitiv-mentalen Ausstattung sowie des emotionalen Entwicklungsstandes dieser Altersgruppe kann jedoch nicht davon ausgegangen werden, dass die sprachlichen Erwerbsmechanismen sowie die erforderlichen Rahmenbedingungen des Spracherwerbs der unter‐ dreijährigen Kleinkinder mit denen von dreibis sechsjährigen Kindern de‐ ckungsgleich sind. Es besteht folglich ein erhöhter Bedarf an aussagekräftigen Studien zu der Fragestellung, inwiefern sich die bisherigen Erkenntnisse auf die immersive Betreuung von Unterdreijährigen übertragen lassen. Die Arbeit be‐ tritt insofern, da sie die Rahmenbedingungen des Spracherwerbs in einer immersiven Krippeneinrichtung für einbis dreijährige Kinder in den Fokus nimmt, sowohl in Bezug auf die Altersgruppe als auch be‐ züglich der Umsetzung der Immersionsmethode in Krippeneinrich‐ tungen ein bisher unerforschtes Terrain. Im Rahmen dieses grob abgesteckten Untersuchungsgegenstandes ist es aus‐ gehend von dem Forschungsüberblick zu den Kontextfaktoren der kindlichen Entwicklung lohnenswert, die sprachlichen Interaktionen und die dargebotenen Merkmale des sprachlichen Inputs in bilingualen Krippeneinrichtungen näher zu betrachten. Auf den dringenden Forschungsbedarf zu den Faktoren der In‐ teraktion und des Inputs in bilingualen Einrichtungen wird in der Fachliteratur an mehreren Stellen hingewiesen. So merken beispielsweise Kersten et al. (2010a: 103; siehe auch Steinlen et al. 2013: 80) an, dass only little research has so far been carried out in a preschool immersion context and the findings on L2 preschool teachers’ strategies are rather unstructured and impressionist in nature. Vertiefend dazu machen Peregoy / Boyle (1999: 145) insbesondere auf die Not‐ wendigkeit zusätzlicher Studien zum Einsatz von Scaffolding-Strategien in ver‐ schiedenen Erwerbs- und Alterskontexten aufmerksam: 3 Stand der Forschung: Spracherwerb in immersiv-bilingualen Kitas 114 additional research is needed on teacher scaffolding […] to determine the extent to which multiple embedded scaffolding is used, not only in kindergarten, but in other grades as well. Weiter heißt es bei Peregoy / Boyle (1999: 145): Further research is also needed to ascertain the efficacy of multiple embedded scaffolding for language acquisition, content learning and social participation among second language learners of varying L2 proficiency levels. Im Rahmen dieser Studie soll infolge der bestehenden Forschungslücke unter‐ sucht werden, wie ErzieherInnen mit unterdreijährigen Kindern im immersiven Erwerbskontext einer bilingualen Krippe interagieren, und erörtert werden, welche spezifischen Merkmale diese von den ErzieherInnen an das Kind ge‐ richtete Sprache aufweist. In diesem Sinne greift die vorliegende Forschungs‐ studie die von Weitz (2015: 301) formulierte Notwendigkeit, an die in ihrer Arbeit „identifizierten Tendenzen und Forschungsergebnisse an[zu]knüpfen und diese genauer [zu] untersuchen“, auf. Auf der Grundlage der empirischen Erkennt‐ nisse dieser Arbeit könnte folglich erstmalig hinterfragt werden, welche Ge‐ meinsamkeiten bzw. Unterschiede zwischen dem Interaktionsverhalten von Er‐ zieherInnen mit dreibis sechsjährigen Kindern und dem Interaktionsverhalten mit unterdreijährigen immersiv betreuten Kindern bestehen. Im Zusammenhang mit der wissenschaftlichen Betrachtung sprachlicher In‐ teraktionen muss auf ein weiteres Forschungsdesiderat hingewiesen werden. Es fällt auf, dass bislang lediglich der sprachliche Input der fremdsprachigen Er‐ zieherInnen in immersiven Kitas betrachtet wurde (vgl. die Publikationen von Nauwerck 2005, Peregoy 1991, Peregoy / Boyle 1999, Södergård 2008, Weitz et al. 2010, Weitz 2012, Weitz 2015). Die Rahmenbedingungen des Erwerbs der Umgebungssprache, die in den meisten Fällen die Erst- oder Zweitsprache der Kinder ist, waren bislang nicht Gegenstand empirischer Studien. Dies verwun‐ dert umso mehr angesichts der Tatsache, dass ein additiver und ausgewogener Bilingualismus, der auch einen aktiven Einbezug und eine gezielte Förderung der Erstsprache der Kinder einschließt, eines der propagierten Kernkriterien der Immersionsmethode ist (vgl. Swain / Lapkin 2005: 173; 2006: 34). Erst in jüngeren Publikationen wird daher allmählich auf die Bedeutung einer altersgemäß ent‐ wickelten Erstsprache und deren Förderung in bilingualen Kitas hingewiesen. Die Einrichtung sollte daher neben dem täglichen Kontakt zu der Immersions‐ sprache für einen „intensiven und von den Betreuungskräften sorgfältig beglei‐ teten Kontakt zum Deutschen“ (Häckel/ Piske 2011: 26) Sorge tragen. Die Auf‐ 3.3 Ableitung des Forschungsdesiderats und Erkenntnisinteresse der Untersuchung 115 gabe bilingualer Kitas hinsichtlich der Förderung der Erstsprache lässt sich mit den Worten Häckel / Piskes (ebd.) folgendermaßen zusammenfassen: Einrichtungen, die sich die frühe Förderung von Mehrsprachigkeit zum Ziel gesetzt haben, müssen also sicherstellen, dass alle Sprachen, zu denen die von ihnen betreuten Kinder Kontakt haben, ausreichend Unterstützung erfahren. Um die Erwerbsbedingungen in immersiven Lernumgebungen ganzheitlich und umfassend beschreiben zu können, wird für diese Untersuchung das Plädoyer von Steinlen et al. (2010b: 130) aufgegriffen: In a further study, not only the L2 input, but also the quality and the quantity of L1 input that the children are exposed to in a bilingual preschool should be taken into consideration. Folglich werden zudem der Input und das sprachliche Interaktionsver‐ halten der deutschsprachigen Fachkräfte in der immersiv-bilingualen Krippe in die Analyse einbezogen. Zu den aufgezeigten Forschungslücken, die ausgehend von der generellen Vernachlässigung der Erforschung frühkindlicher Bildungsprozesse im Elemen‐ tarbereich in einer erheblichen Forschungslücke für die Einflussfaktoren des frühkindlichen bilingualen Spracherwerbs in immersiven Krippeneinrich‐ tungen kulminieren, tritt ein weiteres forschungsmethodisches Desiderat hinzu. Die bisher skizzierten Studien setzen überwiegend die Methode der teil‐ nehmenden Beobachtung zur Datengenerierung ein. Diese birgt - auch wenn sie ein etabliertes Instrument der empirischen Sozialforschung darstellt - an‐ gesichts der Multicodalität der Interaktion (vgl. Irion 2002: 2) einige Risiken bei der Erforschung sprachlicher Interaktionen im Elementarbereich. So ist es der begrenzten Beobachtungs- und Wahrnehmungskapazität des menschlichen Ge‐ hirns geschuldet, dass oftmals nicht alle relevanten Faktoren gleichermaßen er‐ fasst werden können (zu den Merkmalen und Grenzen verschiedener Beobach‐ tungsformen vgl. Kapitel 5.2.1 und 5.2.2). Für die zu untersuchende Altersgruppe ist ein hoher Anteil non- und paraverbaler Interaktionselemente charakteris‐ tisch, die mit der teilnehmenden Beobachtung als Datenerhebungsinstrument nur schwer in ihrer Komplexität dokumentiert werden können. Im Rahmen dieser Studie ist zur Erfassung aller relevanten Faktoren und im Sinne der Kom‐ plexitätserhaltung des beobachteten Interaktionsgeschehens daher eine video‐ basierte Form der Beobachtung zum Einsatz gekommen. Auf diese Weise können die Rahmenbedingungen sowie die Merkmale von sprachlichen Erzie‐ herIn-Kind-Interaktionen möglichst authentisch abgebildet sowie komplexi‐ tätserhaltend dokumentiert werden. Die digitale Aufzeichnung ermöglicht 3 Stand der Forschung: Spracherwerb in immersiv-bilingualen Kitas 116 zudem eine Veranschaulichung der Beobachtungsergebnisse an Dritte, so dass diese Form der Datenerhebung auch der Erhöhung der intersubjektiven Nach‐ vollziehbarkeit der Studie dient. Aus diesen ersten Vorüberlegungen bezüglich des Erkenntnisinteresses leitet sich für das vorliegende videobasierte Forschungsprojekt die folgende Frage‐ stellung ab: Wie ist der sprachliche Input gestaltet, den Kleinkinder in einer im‐ mersiv-bilingualen Krippe erhalten? Diese übergeordnete Forschungsfrage soll anhand der folgenden Teilfrage‐ stellungen bearbeitet werden: • Welche Arten von Erzieherin-Kind-Kommunikationssituationen kommen während der Freispielzeit in der bilingualen Krippe zu‐ stande? • Welche Charakteristika weisen der Input und das sprachliche In‐ teraktionsverhalten der Erzieherinnen in den verschiedenen In‐ teraktionssituationen auf? Da die formulierten Forschungsfragen auf die Faktoren der Interaktion und des Inputs abzielen und das Erkenntnisinteresse der Beschreibung dieser Faktoren in einer immersiven Krippeneinrichtung gilt, ist es notwendig, die vorliegende Studie zunächst spracherwerbstheoretisch zu positionieren. Diese spracher‐ werbstheoretische Verortung der Arbeit ist Gegenstand des folgenden Kapitels. 3.3 Ableitung des Forschungsdesiderats und Erkenntnisinteresse der Untersuchung 117 4 Spracherwerbstheoretischer Bezugsrahmen Die Darstellung des Forschungsstandes (vgl. Kapitel 3) hat gezeigt, dass das so‐ ziale Umfeld kindliche Sprachaneignungsprozesse wesentlich beeinflusst. Für kindliche Spracherwerbsprozesse in immersiv-bilingualen Kitas ist daher das sprachliche Interaktionsverhalten der pädagogischen Fachkräfte ausschlagge‐ bend für die erfolgreiche Umsetzung der Immersion und für die konkreten sprachlichen Erfahrungen, die das Kind im Sprachbad der bilingualen Einrich‐ tung macht. Da das Kind zumeist über viele Stunden täglich in einer Kita betreut wird und die ErzieherInnen dabei die engsten Bezugspersonen sind, prägen die in den Alltag eingebetteten sprachlichen Interaktionen zwischen pädagogischer Fachkraft und Kind die sprachliche Sozialisation des Kindes entscheidend und bilden damit den wesentlichen Bezugsrahmen mehrsprachiger Spracherwerb‐ sprozesse im Kindesalter (vgl. u. a. Weitz 2012: 57). Aspekte des sozialen Lernumfeldes und insbesondere der Interaktion finden zwar in jeglichen theoretischen Perspektiven auf den Spracherwerb Berück‐ sichtigung, jedoch wird ihnen in den verschiedenen Ansätzen eine jeweils un‐ terschiedliche Relevanz für den Spracherwerbsprozess zugesprochen. Sollen kindliche Spracherwerbsprozesse unter immersiven Aneignungsbedingungen wiederum näher beleuchtet werden, erfordert dies eine spracherwerbstheoreti‐ sche Verankerung in Modellen, die der Interaktion eine Schlüsselrolle für den Spracherwerb zuschreiben. Diesbezüglich lassen sich zwei Forschungsstränge unterscheiden: Zum einen interaktionistische Ansätze, die eine eher kogniti‐ vistische Perspektive einnehmen und den Spracherwerb dementsprechend als mentalen Prozess betrachten, und zum anderen soziokulturelle Ansätze, die den Spracherwerb als einen vorrangig sozialen Prozess sehen. Im Folgenden werden diese spracherwerbstheoretischen Ansätze zunächst einzeln vorgestellt. Im Anschluss an die einführende Beschreibung der Ansätze wird die Arbeit schließlich innerhalb dieses spracherwerbstheoretischen Be‐ zugsrahmens positioniert. Infolge dieser spezifischen Verortung wird zum einen das Erkenntnisinteresse dieser Arbeit nochmals präzisiert und wissenschafts‐ theoretisch fundiert. Zum anderen leiten sich aus der spracherwerbstheoreti‐ schen Positionierung bereits erste forschungsmethodische Implikationen ab, die schließlich die Überleitung zu der Darstellung des Forschungsdesigns der durch‐ geführten empirischen Studie bilden. In diesem Sinne konstituiert die folgende 4.1 4.1.1 spracherwerbstheoretische Grundlegung die erforderliche Schnittstelle zwi‐ schen dem dargestellten Forschungsüberblick (vgl. Kapitel 3) und der gewählten forschungsmethodischen Vorgehensweise im Rahmen der empirischen Unter‐ suchung (vgl. Kapitel 5). Interaktionistisch-kognitivistische Ansätze Der Spracherwerb wird in der Tradition der interaktionistisch-kognitivistischen Ansätze als Prozess der Informationsverarbeitung konzeptualisiert (vgl. Ohm 2007: 25). Die Verarbeitung und Speicherung sprachlichen Inputs, die aktive Sprachproduktion der Lernenden sowie sprachliche Aushandlungsprozesse in Interaktionen sind gemäß dieser Perspektive die fundamentalen Rahmenbedin‐ gungen zur Aneignung sprachlichen Wissens (vgl. Gass 2010: 218). Die zentralen Mechanismen des Spracherwerbs basieren demnach auf der Verarbeitung sprachlichen Inputs, der zunächst im Gedächtnis gespeichert wird. Durch diesen Prozess wird wiederum neues Wissen über sprachliche Strukturen generiert, bzw. wird bereits vorhandenes Wissen rekonstruiert (vgl. Ohm 2007: 25), wel‐ ches die Lernenden anschließend zur Produktion von Output befähigt. Unter diesen Ansätzen, die den Spracherwerb als vorwiegend intramentalen (vgl. ebd.: 29), d. h. ausschließlich im kognitiven System der Lernenden statt‐ findenden (vgl. Riemer 1997: 77; Schormann / Schlak 2012: 173) Entwicklungs‐ prozess verstehen, werden verschiedene Hypothesen und Modelle subsumiert. Die Input- und Output-Hypothese sowie die Interaktions- und Aufmerksam‐ keits-Hypothese, die die zentralen Argumentationslinien dieser theoretischen Position auf den Spracherwerb darstellen, werden im Folgenden vorgestellt. Input-Hypothese Die in den 1980er Jahren von Krashen (1982, 1985) aufgestellte Input-Hypothese bildet die Ausgangsbasis der interaktionistisch-kognitivistischen Ansätze. Dieser Hypothese zufolge ist ausschließlich sprachlicher Input notwendig und hinreichend für einen erfolgreichen Spracherwerb (vgl. Aguado 2002: 85). Neben der Quantität und der Qualität des sprachlichen Inputs, die gemäß Krashen (vgl. 1985: 2) die entscheidenden Faktoren für den Spracherwerb sind, misst Krashen dem sogenannten verständlichen Input eine spracherwerbsfördernde Funktion bei: 4.1 Interaktionistisch-kognitivistische Ansätze 119 Humans acquire language in only one way - by understanding messages, or by receiving ‘comprehensible input’. We progress along the natural order […] by understanding input that contains structures at our next ‘stage’ - structures that are a bit beyond our current level of competence. We move from i, our current level, to i +1, the next level along the natural order, by understanding input containing i + 1 (Krashen 1985: 2). Ausgehend von dem aktuellen sprachlichen Entwicklungsstand der Lernenden (i) wird der sprachliche Input von Krashen (vgl. ebd.) dann als förderlich defi‐ niert, wenn er minimal über dem aktuellen Entwicklungsniveau der Lernenden (i+1) angesiedelt ist. Diese Form des Inputs ist für die Lernenden verständlich, jedoch zugleich anregend und herausfordernd, so dass die sprachlichen Struk‐ turen, die dem jeweiligen Entwicklungsniveau i+1 entsprechen, in das bereits vorhandene sprachliche Wissen integriert werden können (ebd.). Laut der Input-Hypothese können die Wahrnehmung und das Verstehen des Inputs durch eine gewisse Prämodifikation des Inputs gefördert werden (vgl. Aguado 2010a: 818). Diese Prämodifikation des Inputs, die sich durch sprachliche An‐ passungen und Modifizierungen der kompetenteren SprecherInnen an weniger sprachkompetente GesprächspartnerInnen zeigt, lässt sich sowohl im L1-Er‐ werb (siehe z. B. motherese, caretaker talk und child-directed speech, u. a. bei Szagun 2006: 171-223) als auch im natürlichen L2-Erwerb (zum foreigner talk siehe u. a. Ferguson 1975, Ferguson / DeBose 1977) sowie für die in unterrichtli‐ chen Kontexten stattfindende L2-Aneignung (teacher talk, siehe u. a. Early 1985, Håkansson 1986) beobachten. Bei diesem sprachlichen Register werden auf phonetischer, morphosyntaktischer oder auch auf pragmatischer Ebene An‐ passungen in Form von Simplifizierungen, Redundanzen oder Auslassungen vorgenommen. Auf diese Weise wird der Input prämodifiziert bzw. für die Lern‐ enden verständlich gemacht (vgl. Aguado 2010a: 818). In der Tradition der Input-Hypothese wird des Weiteren zwischen Input und Intake differenziert. Der Input beschreibt diesbezüglich alle an die Lernenden gerichteten Äußerungen, während unter Intake nur diejenigen sprachlichen Strukturen verstanden werden, die von den Lernenden tatsächlich bemerkt, verarbeitet und internalisiert werden (vgl. Edmondson / House 2011: 267). Die Differenz zwischen Input und Output, d. h. die Tatsache, dass nicht alle im Input dargebotenen Strukturen auch tatsächlich durch die Lernenden aufgenommen werden, versucht Krashen (vgl. 1982: 21 f.) mithilfe des affektiven Filters zu er‐ klären. Der durch die Lernenden verarbeitete Intake stellt wiederum die Vo‐ raussetzung für die aktive Sprachproduktion dar. Diese ist aus Sicht der Input-Hypothese jedoch nicht von außen lehr- oder steuerbar, sondern entwi‐ ckelt sich im Laufe des Erwerbsprozesses automatisch (vgl. Edmondson / House 4 Spracherwerbstheoretischer Bezugsrahmen 120 2011: 268 f.). Die Annahmen verdeutlichen, dass die Bereitstellung von ausrei‐ chend verständlichem Input sowie das Verstehen des Inputs durch die Lern‐ enden entsprechend der Input-Hypothese für den Spracherwerb ausreichend sind. Dieser Prozess, d. h. die Verarbeitung von Input zu Intake, ist ein aus‐ schließlich intramental-kognitiver und nicht beeinflussbarer bzw. regulierbarer Prozess, der die Lernenden schließlich zur aktiven Produktion von Output be‐ fähigt. Die Input-Hypothese und die dieser Hypothese zugrunde liegende Sicht auf den Spracherwerb werden in der Spracherwerbsforschung kontrovers disku‐ tiert. Zustimmung erfahren Krashens Annahmen insofern, als dass die Notwen‐ digkeit von sprachlichem Input für den Spracherwerb allgemein anerkannt wird, da „input of some sort is necessary in order for acquisition to take place” (Gass / Selinker 1994: 296). Kritisiert wird hingegen, dass Krashen den Input nicht nur als notwendigen, sondern auch als einzig und allein hinreichenden Faktor für den Spracherwerb deklariert (vgl. Aguado 2002: 87). Diese Annahme, dass der menschliche Spracherwerb ausschließlich auf der Bereitstellung von verständlichem Input und dessen inhaltlicher Verarbeitung durch die Lernenden beruht, wird u. a. von Ellis (1994: 92 f.) infrage gestellt: Comprehension that results from a semantic analysis of the input, where the relationships between the elements that make up the text are inferenced using contextual clues and world knowledge is unlikely to add anything to the learner’s implicit knowledge. For this to happen some kind of structural analysis of the input is required. Das Zitat verdeutlicht Ellis‘ (1994) Zweifel daran, dass allein verständlicher Input und die inhaltliche Verarbeitung durch die Lernenden den Spracherwerb in ausreichendem Maße erklären können. Auch weitere Rahmenbedingungen des Spracherwerbs, wie die Sprachproduktion der Lernenden und die Bedeutung von sprachlichen Interaktionen, werden in der Argumentation der Input-Hy‐ pothese ausgeblendet. Weitere Kritikpunkte an der Input-Hypothese beziehen sich auf die Undefi‐ nierbarkeit der verwendeten Begrifflichkeiten (vgl. Edmondson / House 2011: 284). So bleibt offen, was unter dem Begriff der Quantität des sprachlichen Inputs zu verstehen ist, d. h. wie viel Input tatsächlich notwendig ist, um in den Lern‐ enden intramentale sprachliche Entwicklungsprozesse anzustoßen. Unklar ist auch, wie der exakte Sprachstand und der darauf abgestimmte verständliche Input (i+1) bestimmt werden sollen (vgl. Königs 2010: 759). Die fehlende Ope‐ rationalisierbarkeit hat zur Folge, dass die Hypothese empirisch nicht überprüft bzw. falsifiziert werden kann (vgl. Aguado 2002: 87; Edmondson / House 2011: 4.1 Interaktionistisch-kognitivistische Ansätze 121 4.1.2 269 / 284). Kritiker bemängeln in diesem Zusammenhang auch, dass die Studien, die zur empirischen Evidenz der Input-Hypothese herangezogen werden, auf Forschungsarbeiten von begrenzter Reichweite basieren (vgl. Ed‐ mondson / House 2011: 286). Output-Hypothese In Anlehnung an die an der Input-Hypothese ausgeübten Kritik gibt auch Swain (1985) zu bedenken, dass sprachlicher Input den Spracherwerb allein nicht hin‐ reichend erklären kann. Die Output-Hypothese hebt daher die Bedeutung der Sprachproduktion und Sprachverwendung durch den Lernenden hervor. Diesem Aspekt wurde bis zu jenem Zeitpunkt lediglich eine Übungsfunktion für bereits vorhandenes sprachliches Wissen zugestanden: „Output has generally been seen not as a way of creating knowledge but as a way of practicing al‐ ready-existing knowledge” (Gass 1997: 139). Dementsprechend wurde das ei‐ gentliche Potenzial der aktiven Sprachproduktion der Lernenden über lange Zeit verkannt und in der wissenschaftlichen Diskussion vernachlässigt. Ausgehend von Beobachtungen, dass die produktiven mündlichen Sprachkompetenzen von SchülerInnen in Immersionsklassen weit unter den Erwartungen lagen (vgl. Swain / Lapkin 1984: 54; Swain 2005: 472), wurden der Input als alleiniger Be‐ dingungsfaktor des Spracherwerbs und die bis zu jenem Zeitpunkt dominie‐ rende Input-Hypothese erstmals infrage gestellt. Swain (1985: 249) formulierte in der Output-Hypothese, dass neben verständlichem Input auch verständlicher Output für einen erfolgreichen Spracherwerb notwendig ist: „Being ‘pushed’ in output […] is a concept parallel to that of the i + 1 of comprehensible input. Indeed, one might call this the ‘comprehensible output’ hypothesis”. Das Kon‐ zept comprehensible output wird von Swain (1985) als „means of pushing the learner toward the delivery of a message that is not only conveyed, but that is conveyed precisely, coherently, and appropriately” (ebd.) definiert. Im Kontext des Spracherwerbs werden der Produktion von verständlichem Output durch die Lernenden u. a. die folgenden Funktionen zugeschrieben: • Automatisierung der Sprachproduktion: Durch die Sprachproduktion kann die sprachliche Flüssigkeit gesteigert werden (vgl. Gass 2007: 227; Swain 1995: 124; Swain 2005: 474), da eine natürliche Sprechgeschwindigkeit und ein entsprechender Rhythmus nur über eine regelmäßige und aktive Sprech‐ tätigkeit zu erreichen sind (vgl. Skehan 1998: 18). In diesem Zusammenhang ist der Output aufgrund der Übungsfunktion von Bedeutung. 4 Spracherwerbstheoretischer Bezugsrahmen 122 • Sprachverarbeitung: Durch die Produktion von Output sind die Lernenden dazu angehalten, syntaktische Strukturen korrekt anzuwenden, wodurch es zu einer intensiveren Auseinandersetzung und Verarbeitung der sprachli‐ chen Strukturen, von der paradigmatischen bis zur syntagmatischen Ebene, kommt (vgl. Swain 1995: 133). Die aktive Sprachproduktion und die gleich‐ zeitig stattfindende Reflexion über sprachliche Strukturen können positive Auswirkungen auf den Spracherwerb haben (vgl. Donato 1998; Swain 1998). Im Erwerbsprozess übernimmt der Output diesbezüglich metalin‐ guistische Funktionen. • Wahrnehmung eigener Lücken: Die Produktion von Output kann dazu dienen, den Lernenden bei fehlenden sprachlichen Mitteln die Lücken ihres begrenzten Sprachvermögens aufzuzeigen (vgl. Swain 1995: 125 f.). Dieses Phänomen wird auch als noticing the hole (Swain 2005: 474; Williams 2005: 682) bezeichnet. Infolgedessen können die Lernenden bewusst und gezielt relevanten sprachlichen Input aufsuchen, der ihnen bei der Kompensation der festgestellten Diskrepanzen helfen kann (vgl. Aguado 2002: 104; Swain 2005: 474). In diesem Sinne kommt dem Output eine bewusstmachende Funktion zu. Aus der Aufzählung wird deutlich, dass Swain (1995) dem sprachlichen Output eine zentrale Bedeutung und eine förderliche Funktion für den Spracherwerb zuspricht. Die Output-Hypothese geht weit über die zunächst im Rahmen ver‐ stehensbasierter Ansätze vermutete Übungsfunktion hinaus. Sie sieht in der ak‐ tiven Sprachproduktion der Lernenden auch ein bewusstmachendes und auf‐ merksamkeitslenkendes Moment. Während die Input-Hypothese für die An‐ eignung sprachlichen Wissens lediglich das Erschließen der inhaltlichen Bedeutung des Inputs als hinreichend erachtet, betont die Output-Hypothese die Notwendigkeit, dass die Lernenden zudem die sprachliche Form des Inputs fokussieren und sich darüber hinaus aktiv mit den sprachlichen Strukturen aus‐ einandersetzen müssen (vgl. Sharwoord Smith 1993). Die Produktion von Output ermöglicht es den Lernenden schließlich erst, sich aktiv an sprachlichen Interaktionen zu beteiligen. In diesen Interaktionssituationen können aufge‐ stellte Hypothesen durch die Lernenden getestet, Feedback zu vorläufigen und noch nicht verfestigten Wissensbeständen eingeholt sowie sprachliche Aus‐ handlungsprozesse initiiert werden (vgl. Aguado 2002: 102). Durch diese Mög‐ lichkeit der Partizipation können die Lernenden zudem ein gewisses Maß an Kontrolle über die jeweilige Situation erlangen und auf den eigenen Erwerbs‐ prozess aktiv Einfluss nehmen (vgl. ebd.: 105, siehe dazu auch Ellis et al. 1994). Vorläufig lässt sich daher festhalten, dass produktionsorientierte Ansätze, wie 4.1 Interaktionistisch-kognitivistische Ansätze 123 4.1.3 die dargestellte Output-Hypothese, den Lernenden im Vergleich zu der eingangs vorgestellten Input-Hypothese eine aktivere Rolle in ihrem eigenen Spracher‐ werbsprozess zuweisen. Interaktions-Hypothese In der von Long (1996) aufgestellten Interaktions-Hypothese findet sowohl die Bedeutung des Inputs als auch die des lernersprachlichen Outputs Berücksich‐ tigung „because it connects input, internal learner capacities, particularly se‐ lective attention, and output in productive ways“ (Long 1996: 452). In Analogie zu der geringen Relevanz, die dem Output ursprünglich zugeschrieben wurde, wurde auch die Bedeutung von sprachlichen Interaktionen lange Zeit verkannt. Zwar wurde davon ausgegangen, dass diese dazu dienen können, bereits vor‐ handenes sprachliches Wissen zu automatisieren bzw. zu festigen aber nicht erkannt, dass aus ihnen auch selbst neues sprachliches Wissen generiert werden kann (vgl. Gass 1997: 104). Aus Longs (1996) Sicht stellt die Interaktion selbst jedoch die wichtigste Rahmenbedingung zur Aneignung sprachlichen Wissens dar. Gemäß der Interaktions-Hypothese findet Spracherwerb unmittelbar in sprachlichen Interaktionen statt und sprachliches Wissen wird durch die aktive Teilnahme an interaktiven Ereignissen erworben. In diesem Zusammenhang misst Long (1996) insbesondere dem Interaktionstyp der Aushandlung bzw. negotiation of meaning (Long 1996: 414) eine erwerbsfördernde Funktion bei. Der Begriff der Bedeutungsaushandlung umfasst „the modification and rest‐ ructuring of interaction that occurs when learners and their interlocutors anti‐ cipate, perceive, or experience difficulties in message comprehensibility“ (Pica 1994: 494). Zu dem Interaktionstyp der Bedeutungsaushandlung kommt es dem‐ nach immer dann, wenn Lernende in der Kommunikation Missverstehen, Nicht‐ verstehen oder Kommunikationsschwierigkeiten signalisieren. Um die Kom‐ munikation trotz Verständigungsschwierigkeiten aufrechtzuerhalten, passen sich die sprachlich kompetenteren GesprächspartnerInnen in Form von Verein‐ fachungen, Verkürzungen sowie Wiederholungen oder Rephrasierungen an die sprachlich weniger kompetenten GesprächspartnerInnen an (vgl. Aguado 2010a: 818). Durch den Einsatz spezifischer Interaktionsmuster (z. B. Nachfragen oder explizites Bitten um eine metasprachliche Erklärung) können in diesem Zusammenhang auch die Lernenden selbst den Fortgang der Interaktion mit‐ bestimmen und gezielt interaktionell modifizierten Input einfordern (vgl. u. a. Ohm 2007: 25). Da der Input in den Bedeutungsaushandlungen von beiden Ge‐ sprächspartnerInnen bearbeitet und modifiziert wird, spricht Long (1996) auch 4 Spracherwerbstheoretischer Bezugsrahmen 124 von interaktionell modifiziertem Input. Im Unterschied zu Krashen (1985), der einen prämodifizierten Input für ausreichend erachtet, betont Long (1996) dem‐ nach, dass die Lernenden den Input aus der Umgebung nicht einfach nur auf‐ nehmen, sondern auch intensiv mit diesem arbeiten müssen (vgl. Roche 2008: 127). Er weist dementsprechend auf den Stellenwert des Inputs hin, der wech‐ selseitig, d. h. durch alle an der Interaktion beteiligten GesprächspartnerInnen bearbeitet wird. Die sprachliche Bedeutungsaushandlung wirkt sich u. a. deshalb günstig auf den Spracherwerb aus, weil die Lernenden ihr kommunikatives Re‐ pertoire ausbauen können, wenn sie die Strukturen ihres Gegenübers beachten, aufnehmen und gebrauchen (vgl. Mitchell / Myles 2004: 191) und durch nega‐ tives Feedback zur Reflexion über ihre eigenen Äußerungen angeregt werden (vgl. Gass et al. 1998: 299). Ähnlich wie die Input-Hypothese wird auch die Interaktions-Hypothese durchaus kontrovers diskutiert. Kritisiert wird, dass sie in ihren Grundan‐ nahmen zu sehr denen der Input-Hypothese ähnelt und sich daher „bei genauer Betrachtung lediglich als eine Variante der Input-Hypothese entpuppt“ (Aguado 2002: 108; vgl. auch Mitchell/ Myles 2004: 167). Problematisch ist des Weiteren, dass die Interaktions-Hypothese unterstellt, dass spracherwerbsförderliche In‐ teraktionen ausschließlich in kommunikativen Extrem- und Notsituationen, wie beispielsweise bei Missverständnissen oder Verständigungsschwierigkeiten, zu‐ stande kommen. Damit wird die Möglichkeit, dass Spracherwerb auch in nicht-problematischen Kommunikationssituationen stattfinden kann, und der Umstand, dass kommunikativer Druck erhebliche Frustrationen und Hem‐ mungen auf Seiten der Lernenden auslösen und sich damit kontraproduktiv auf den weiteren Spracherwerbprozess auswirken kann, in den Grundannahmen der Interaktions-Hypothese automatisch und von vornherein ausgeklammert (vgl. Aguado 2010a: 819). Letztlich ist auch die empirische Evidenz der Interak‐ tions-Hypothese aus forschungsmethodischer Sicht mit einigen Schwierig‐ keiten verbunden. Um den Beweis zu liefern, dass von sprachlichen Interakti‐ onen direkte spracherwerbsförderliche Effekte ausgehen, müssten jegliche In‐ teraktionen, in die Lernende involviert sind, systematisch und kontinuierlich aufgezeichnet und ausgewertet werden (vgl. Gass 1997: 126). Nur durch ein flä‐ chendeckendes und longitudinal angelegtes Design könnte empirisch einwand‐ frei nachgewiesen werden, dass spracherwerbsfördernde Effekte direkt und ausschließlich auf die sprachlichen Interaktionen, in die Lernende zuvor invol‐ viert waren, zurückgeführt werden können. 4.1 Interaktionistisch-kognitivistische Ansätze 125 4.1.4 Aufmerksamkeits-Hypothese Neben den Aspekten des Inputs, des Outputs und der Interaktion wird im Kon‐ text der interaktionistisch-kognitivistisch orientierten spracherwerbstheoreti‐ schen Erklärungsansätze auch der Faktor Aufmerksamkeit diskutiert. In diesem Zusammenhang ist die Aufmerksamkeits-Hypothese entstanden, die der lern‐ erseitigen Aufmerksamkeit eine zentrale Rolle für den Spracherwerb zuschreibt. Gemäß dieser Vorstellung können neue Sprachstrukturen nur dann erworben werden, wenn sie zuvor auch durch die Lernenden wahrgenommen worden sind (vgl. Schmidt / Frota 1986). Die Aufmerksamkeit der Lernenden ist demnach für den Spracherwerb notwendig, um den dargebotenen sprachlichen Input aus der Umgebung überhaupt erst wahrnehmen und verarbeiten zu können. Begründer dieser Vorstellung ist Schmidt (1990), der die Bedeutung der Aufmerksamkeit in Form der Aufmerksamkeits-Hypothese (auch als Noticing-Hypothese be‐ zeichnet) konkretisiert: „Noticing is the necessary and sufficient condition for converting input into intake” (Schmidt 1990: 129). Noticing ist in diesem Zu‐ sammenhang als das Bemerken von etwas zu verstehen, d. h. es handelt sich um einen Vorgang, der die bewusste Aufmerksamkeit der Lernenden erfordert, und daher nicht mit der bloßen und oftmals unbewusst stattfindenden Wahrneh‐ mung verwechselt werden sollte (vgl. Aguado 2002: 120). Mit der Noticing-Hy‐ pothese kann somit eine Erklärung dafür geliefert werden, warum dargebotener sprachlicher Input für die Aneignung neuen sprachlichen Wissens nicht allein ausreichend sein kann. Gemäß Schmidt (1990) ist in jedem Fall ein gewisses Maß an lernerseitiger Aufmerksamkeit notwendig, um sprachliche Elemente zu be‐ merken und im Arbeitsgedächtnis zu registrieren (vgl. auch Schoor‐ mann / Schlak 2012: 173 f.). Das Bereitstellen lernerseitiger Aufmerksamkeit stellt wiederum die unverzichtbare Voraussetzung dafür dar, dass weitere Sprachverarbeitungsprozesse initiiert und die sprachlichen Elemente des Inputs in Intake umgewandelt werden können (vgl. ebd.). Das, was dabei von den Lernenden bemerkt werden sollte, wird als noticing the gap, sinngemäß als das ‘Bemerken des Unterschieds’ übersetzt, konkretisiert (vgl. Schmidt / Frota 1986). Die Aufmerksamkeit der Lernenden dient dazu, zu „notice a mismatch between what he or she knows about the second language and what is produced by speakers of the second language“ (Gass / Selinker 1994: 299). In diesem Sinne sollen die Lernenden den sprachlichen Input mit ihrem eigenen aktuellen sprachlichen Entwicklungsstand abgleichen und die Abweichungen zwischen diesen ableiten können (vgl. Hufeisen / Riemer 2010: 743). In Anlehnung an Longs (1996) Interaktions-Hypothese weisen auch VertreterInnen der Aufmerk‐ samkeits-Hypothese auf die Relevanz von interaktiven Aushandlungen hin, da 4 Spracherwerbstheoretischer Bezugsrahmen 126 diese durch Feedback und die in Bedeutungsaushandlungen vorgenommenen sprachlichen Anpassungsleistungen die lernerseitige Aufmerksamkeit gezielt steigern bzw. lenken können (vgl. Mackey / Philp 1998: 339; Pica 1994: 513). Anhand des Konzepts der Aufmerksamkeit treten die Unterschiede der ein‐ zelnen Hypothesen innerhalb der interaktionistisch-kognitivistisch ausgerich‐ teten Spracherwerbstheorien zutage. Während Schmidt als Begründer der Auf‐ merksamkeits-Hypothese unter dem Slogan „Kein Lernen ohne Bewusstheit“ (1992: 106; 1994: 15 f.) die Notwendigkeit der bewussten Aufmerksamkeit für den Spracherwerb propagiert, ist für Krashen lediglich das Kriterium der Ver‐ ständlichkeit dafür ausschlaggebend, ob zur Verfügung stehender Input von den Lernenden zu Intake verarbeitet wird. Die Unterschiede hinsichtlich der Wahr‐ nehmung und Verarbeitung von sprachlichem Input versucht Krashen (1981) dabei ausschließlich affektiv auf der Grundlage des affektiven Filters, der dem dargebotenen Input und den internen Spracherwerbsmechanismen zwischen‐ geschaltet ist (vgl. Krashen 1981: 21 f.), zu begründen. Während die grundsätzliche Notwendigkeit der lernerseitigen Aufmerksam‐ keit für den Erwerb von Sprachen nicht länger infrage gestellt wird, bleibt nach wie vor vage, welche Art und welcher Umfang an bewusster Aufmerksamkeit für welche Phänomene und Phasen des Spracherwerbs erforderlich und er‐ werbsfördernd sind (vgl. Simard / Wong 2001: 121). Dass auf diese Fragen bislang keine eindeutigen und zufriedenstellenden Antworten gefunden werden konnten, ist vor allem den grundsätzlichen methodischen Problemen der Auf‐ merksamkeitsforschung, wie der Problematik der Operationalisier- und Mess‐ barkeit der zu untersuchenden Konstrukte Aufmerksamkeit und Bewusstheit, geschuldet (vgl. Aguado 2002: 129). Die vorgestellten Ansätze und Hypothesen spiegeln wider, dass der Erwerb von Sprachen im Rahmen der kognitivistisch orientierten Interaktionsfor‐ schung als ein von internen Mechanismen der Informationsverarbeitung be‐ stimmter Prozess modelliert wird (vgl. Ohm 2007: 25). Diese Konzeption des Spracherwerbs impliziert eine starke Fokussierung der kognitiven Faktoren der Interaktion, wie die Verarbeitung von verständlichem Input, die Produktion von verständlichem Output, die sprachlichen Anpassungen und Modifizierungen in gemeinsamen Aushandlungsprozessen sowie die lernerseitige Aufmerksamkeit als Motor des Spracherwerbs. Durch die Konzentration auf die kognitiven Di‐ mensionen der Interaktion wird jedoch gleichzeitig die Bedeutung des sozialen Kontextes, d. h. des unmittelbaren Lernumfelds für den Spracherwerb, in dessen Rahmen sich die jeweiligen Sprachaneignungsprozesse vollziehen, weitestge‐ hend ausgeblendet (vgl. Mackey 2006: 375 f.). Die Funktionsweise und Umset‐ zung der Immersionsmethode in bilingualen Kitas (vgl. Kapitel 2.4.2.4) hat je‐ 4.1 Interaktionistisch-kognitivistische Ansätze 127 4.2 doch gezeigt, dass der soziale Kontext und die sprachliche Gestaltung von In‐ teraktionssituationen durch die ErzieherInnen die sprachlichen Entwicklungs- und Bildungschancen der Kinder entscheidend prägen (vgl. Kersten et al. 2010a). Ein Erklärungsmodell, das den Spracherwerb als ausschließlich intra‐ mentalen Prozess modelliert, würde für den vorliegenden Forschungskontext daher erheblich zu kurz greifen. Für die spracherwerbstheoretische Verortung der empirischen Untersuchung sind daher theoretische Positionen mit einzu‐ beziehen, die den Spracherwerb holistisch, d. h. auch in seinem sozialen Kontext situiert betrachten und soziale Einflussfaktoren auf den Spracherwerb disku‐ tieren. In diesem Zusammenhang bieten interaktionistisch-soziokulturell ori‐ entierte Ansätze einen optimalen Ergänzungsbzw. Anknüpfungspunkt zu den zuvor dargestellten interaktionistisch-kognitivistischen Perspektiven auf den Spracherwerb. Interaktionistisch-soziokulturell orientierte Ansätze Unter der interaktionistisch-soziokulturellen Perspektive auf den Spracherwerb werden Ansätze subsumiert, die den sozialen und kulturellen Kontext als kon‐ stitutiv für den Spracherwerb erachten (vgl. Ohm 2007: 26). In der soziokultu‐ rellen Argumentation werden sprachliche Interaktionen nicht lediglich als sprachliche Inputquelle betrachtet, aus der Lernende Strukturen und Ausdrücke für ihre Hypothesenbildung speisen (vgl. Mitchell / Myles 2004: 193). Der Erwerb von Sprachen wird vielmehr als „a co-construction of linguistic knowledge in dialogue“ (Swain / Lapkin 1998: 321) und damit als ein primär sozialer Prozess konzeptualisiert. Die sprachliche Interaktion, in der sprachliches Wissen zu‐ nächst ko-konstruiert wird, stellt somit den eigentlichen Lernprozess dar. Der Spracherwerb wird aus soziokultureller Perspektive folglich nicht als simpler „Input-Output-Mechanismus“ (Ohm 2007: 27), sondern als komplexer und in‐ dividueller Prozess der Aneignung, der sich durch eine wachsende Fähigkeit der Partizipation auszeichnet (vgl. Block 2003: 99-102), verstanden. Die den soziokulturellen Ansätzen zugrunde liegende Konzeption des Sprach‐ erwerbs geht auf die Vorarbeiten des sowjetischen Entwicklungspsychologen Lev Vygotsky zurück und wurde erst später, ab der Mitte der 1980er Jahre, u. a. von Lantolf (2000, 2002, 2006, 2009, 2011; Lantolf / Appel 1998; Lantolf / Thorne 2007), auf die Spracherwerbsforschung übertragen. Die verschiedenen Ansätze und Positionen, die im Rahmen der soziokulturellen Theorie entstanden sind, werden im Folgenden zunächst vorgestellt. Anschließend wird die Reichweite bzw. die Relevanz der Ansätze in Bezug auf den Forschungskontext und das 4 Spracherwerbstheoretischer Bezugsrahmen 128 4.2.1 Erkenntnisinteresse der vorliegenden Studie, auch anhand einer Gegenüber‐ stellung mit der kognitivistisch ausgerichteten Interaktionsforschung, disku‐ tiert. Mediation Das Konzept der Mediation bildet das theoretische Kernstück und den Aus‐ gangspunkt der interaktionistisch-soziokulturellen Ansätze. Der Mediation wird im Rahmen soziokultureller Vorstellungen folgende Bedeutung beige‐ messen: The most fundamental concept of sociocultural theory is that the human mind is mediated. In opposition to the orthodox view of mind, Vygotsky argued that just as humans do not act directly on the physical world but rely, instead, on tools and labor activity, which allows us to change the world, and with it, the circumstances under which we live in the world, we also use symbolic tools, or signs, to mediate and regulate our relationships with others and with ourselves and thus change the nature of these relationships. Physical as well as symbolic (or psychological) tools are artifacts created by human culture(s) over time and are made available to succeeding generations, which can modify these artifacts before passing them on to future generations. Included among symbolic tools are numbers and arithmetic systems, music, art, and above all language (Lantolf 2009: 1). Die Grundannahme basiert demnach auf der Vorstellung, dass alle höheren Formen geistiger Aktivität als semiotisch vermittelt gelten. Zur Vermittlung der Aktivitäten und ihrer Regulation benötigt der Mensch symbolische Mittel wie die Sprache, Zahlensysteme oder etwa Musik (vgl. Schoormann / Schlak 2012: 178). Für den Menschen ist die Sprache das wichtigste Symbolsystem zur Ver‐ mittlung mentaler Aktivität. Sie fungiert als Werkzeug des Denkens (vgl. Lantolf 2002: 112 f.; 2006: 69 f.). Jegliche Form menschlichen Lernens findet daher zu‐ nächst in sozialer Interaktion und in Kommunikation mit Mitmenschen statt und wird erst später von dem Individuum verinnerlicht. Bei diesem Prozess ist das Kind zunächst noch auf die Hilfe seiner Mitmenschen angewiesen. Im Laufe der Entwicklung werden die Kompetenzen, die in der Interaktion vermittelt wurden, von den Lernenden internalisiert und können schließlich von ihnen selbst reguliert und kontrolliert werden (vgl. Schoormann / Schlak 2012: 178). Gemäß dieser Vorstellung ist Lernen ein sozialer und in Interaktion mit der Umwelt stattfindender Prozess, bei dem von dem Kind eine Entwicklung von gemeinsamer intermentaler zu autonomer intramentaler Aktivität vollzogen wird (vgl. Lantolf 2011: 26 f.). Ausgehend davon wird zwischen den Stufen der 4.2 Interaktionistisch-soziokulturell orientierte Ansätze 129 4.2.2 Fremd- und Selbstregulation als aufeinander aufbauende Phasen unterschieden, die das Individuum im Laufe seiner Entwicklung durchläuft (vgl. Ohm 2007: 27). In der Phase der Fremdregulation ist das Kind noch nicht in der Lage, eine Handlung ohne die Hilfe kompetenterer InteraktionspartnerInnen auszuführen. Nachdem die in der gemeinsamen Aktivität vermittelten symbolischen Werk‐ zeuge, z. B. die Sprache, von dem Kind internalisiert wurden und es zum Aus‐ führen der angestrebten Handlung keine weiteren Unterstützungsleistungen mehr benötigt, hat es die Phase der Selbstregulation erreicht (vgl. Schoor‐ mann / Schlak 2012: 178). Die soziokulturelle Theorie sieht die Aneignung von Sprachen analog zu der Vermittlung anderer Tätigkeiten oder Wissensbereiche. So ist auch der Sprach‐ erwerb zunächst ein Prozess, der in sozialen Interaktionen mediiert wird. Zur Mediation sprachlichen Wissens dienen dabei sprachliche Mittel, die begleitet durch z. B. Mimik und Gestik vermittelt werden (ebd.). Während die interakti‐ onistisch-kognitivistischen Ansätze der Lernumgebung jegliche Relevanz für den Spracherwerbsprozess absprechen, da dieser lediglich auf internen Verar‐ beitungsmechanismen der Lernenden beruht und folglich unabhängig von dem jeweiligen sozialen Lernumfeld ist (vgl. ebd.), findet die Bedeutung der sozialen Lernumgebung in der soziokulturellen Theorie daher insofern Berücksichti‐ gung, als dass die Art der Vermittlung von dem jeweiligen Lernkontext abhängig ist. Aufbauend auf dem theoretischen Kernstück der Mediation und dem damit verbundenen Prozess von der Fremdzur Selbstregulation wurde die Vorstellung einer Zone der nächsten Entwicklung begründet. Diese wird im Folgenden dar‐ gestellt und ihre Bedeutung für den kindlichen (bilingualen) Spracherwerb he‐ rausgearbeitet. Zone der nächsten Entwicklung Als Begründer der soziokulturellen Theorie unterscheidet Vygotsky zwischen zwei verschiedenen Entwicklungsniveaus. Um die kindliche Entwicklung zu verstehen, hält er es für notwendig, „nicht nur die herangereiften, sondern auch die heranreifenden Funktionen, nicht nur das gegenwärtige Niveau, sondern auch den Bereich kommender Entwicklung [zu] berücksichtigen“ (Vygotsky 1934 / 1993: 236). Für die Bezeichnung dieser Zeitspanne, der Differenz zwischen dem aktuellen und nächst-erreichbaren Entwicklungsniveau, hat sich der Be‐ griff der zone of proximal development ( ZPD ), übersetzt als „Zone der nächsten Entwicklung“, etabliert (vgl. Lantolf 2002: 105; Lantolf / Thorne 2007: 210 f.). 4 Spracherwerbstheoretischer Bezugsrahmen 130 Diese wird von Vygotsky als „Divergenz zwischen dem geistigen Alter oder dem aktuellen Niveau der Entwicklung, das mithilfe selbstständig zu lösender Auf‐ gaben bestimmt wird, und dem Niveau, das das Kind bei der nicht selbststän‐ digen, sondern bei der gemeinschaftlichen Lösung von Aufgaben erreicht“ (Vy‐ gotsky 1934 / 1993: 236 f.) definiert. Entwicklungsprozesse vollziehen sich dem‐ nach in gemeinsamen sozialen Interaktionen zwischen mindestens zwei InteraktionspartnerInnen, die sich charakteristischerweise in einem asymmet‐ rischen Rollenverhältnis gegenüberstehen. Die Einnahme unterschiedlicher Rollen ergibt sich aus den unterschiedlichen Kompetenzgraden der Interakti‐ onspartnerInnen in Bezug auf den zu erlernenden Gegenstand (vgl. Schoor‐ mann / Schlak 2012: 179). Dabei unterstützen die sprachlich kompetenteren In‐ teraktionspartnerInnen als ExpertInnen die sprachlich weniger kompetenteren InteraktionspartnerInnen, die als NovizInnen bezeichnet werden. Die Novi‐ zInnen sind noch nicht selbstständig in der Lage, in dem nächsten Entwick‐ lungsniveau zu agieren und werden erst durch die Darbietung der spezifischen Hilfestellungen durch die ExpertInnen dazu befähigt, in die Zone der nächsten Entwicklung vorzudringen (vgl. ebd.). Vygotskys Vorstellung von der ZPD weist zunächst vermeintliche Parallelen zu Krashens Forderung nach dem Input i+1 auf, der auf einem minimal höheren als dem aktuellen Entwicklungsstand der Lernenden angesiedelt ist (vgl. Kra‐ shen 1985: 2). Der fundamentale Unterschied besteht jedoch darin, dass Krashen für seine Formel i+1 allgemeine und lernerübergreifende Gültigkeit bean‐ sprucht, die Zone der nächsten Entwicklung sich hingegen auf konkrete Dialoge bezieht und damit individuell und variabel für jeden Lernenden bestimmt werden kann (vgl. Lantolf / Thorne 2007: 214). Da die ZPD eine Vorhersagekraft auf die nächst-erreichbaren Entwicklungsschritte der Lernenden zulässt (vgl. Vygotsky 1934 / 1993: 240), fungiert sie im Bereich der Spracherwerbsforschung auch als indirekte Methode zur Ermittlung der sprachlichen Entwicklung von Lernenden. Der sprachliche Entwicklungsstand kann somit zum einen an der bereits selbstständigen Sprachproduktion der Lernenden in der neuen Sprache und zum anderen an den noch erforderlichen sprachlichen Hilfe- und Unter‐ stützungsleistungen der InteraktionspartnerInnen festgemacht werden (vgl. Lantolf / Thorne 2007: 212). Auf diese Weise trägt das Konstrukt der ZPD auch zu einer neuen Sicht und veränderten Handhabbarkeit des Begriffs der Sprach‐ entwicklung bei (vgl. Senyildiz 2010a: 35). 4.2 Interaktionistisch-soziokulturell orientierte Ansätze 131 53 Senyildiz (vgl. 2010a: 37) verweist auf weitere Übersetzungsmöglichkeiten des Begriffs scaffolding wie z. B. unterstützender Dialog, dialogische Sprachlernhilfe, Gerüster‐ zählen, sprachliches Gerüst, sprachliches Strukturieren, interaktive Hilfestellung, Ko-Konstruktion und verdeutlicht, dass der englische Begriff scaffolding mittlerweile konventionalisiert und damit geläufiger ist als die o. g. z. T. eher unbzw. missverständ‐ lichen Übersetzungsversuche ins Deutsche. Ähnlich äußert sich auch Roth (2007: 2), der die wörtliche Übersetzung Gerüstbau bzw. Einrüstung als wenig passend und „eher abschreckend“ (ebd.) bezeichnet. Er schlägt daher den Begriff der aufbauenden Sprach‐ förderung bzw. die Beibehaltung und Verwendung des englischen Ausdrucks scaffolding vor (vgl. ebd.). 4.2.3 Scaffolding Die zuvor beschriebene Annahme einer Zone der nächsten Entwicklung ver‐ deutlicht, dass den kompetenteren GesprächspartnerInnen die Rolle zuteil wird, die weniger kompetenten GesprächspartnerInnen durch bestimmte Unterstüt‐ zungsmaßnahmen anzuleiten, damit diese in Richtung der nächst höheren Ent‐ wicklungsstufe agieren können. Daran schließt sich die Frage an, wie diese Unterstützungsmaßnahmen der kompetenteren InteraktionspartnerInnen aus‐ sehen bzw. wie sie in konkreten Kommunikationssituationen gestaltet und ein‐ gesetzt werden sollten. Für die Beschreibung dieses spezifischen Unterstüt‐ zungssystems hat sich innerhalb der soziokulturell orientierten Interaktions‐ forschung der Begriff des scaffoldings durchgesetzt: This sociocultural approach to learning recognizes that with assistance, learners can reach beyond what they can do unaided, participate in new situations, and take on new roles. […] This assisted performance is encapsulated in Vygotsky’s notion of the zone of proximal development, or ZPD, which describes the 'gap' between what learners can do alone and what they can do with help from someone more skilled. This situated help is often known as 'scaffolding' (Gibbons 2009: 15). Die Ausführungen verdeutlichen, dass das Konzept des scaffoldings eng mit dem Konstrukt der Zone der nächsten Entwicklung verwoben ist. Während diese jedoch eher die kindliche und entwicklungsspezifische Perspektive von der Fremdzur Selbstregulation widerspiegelt, fokussiert das Konzept des scaffol‐ dings die Unterstützungsleistungen und Hilfestellungen, die das Kind in seinem sprachlichen Entwicklungsprozess begleiten und zur zunehmenden Selbstregu‐ lation befähigen. Der Begriff wurde erstmalig von Wood et al. (1976: 90) verwendet und be‐ deutet soviel wie „Gerüstbau“. 53 Der Begriff hat sich unter VertreterInnen der soziokulturellen Theorie (z. B. Donato 1998) mittlerweile als Metapher für die noch existierende Fremdregulation in der ZPD etabliert (vgl. Mitchell / Myles 4 Spracherwerbstheoretischer Bezugsrahmen 132 2004: 197). Der Gerüstbau bzw. die noch vorherrschende Fremdregulation der Lernenden äußert sich dadurch, dass die kompetenteren Gesprächspartne‐ rInnen den weniger kompetenten GesprächspartnerInnen in der Interaktion idealerweise maßgeschneiderte (Schoormann / Schlak 2012), d. h. auf das jewei‐ lige Entwicklungsniveau abgestimmte Hilfestellungen darbieten, so dass die Lernenden auf einer höheren Entwicklungsstufe agieren können, die sie ohne die Unterstützung der kommunikativ kompetenteren InteraktionspartnerInnen nicht erreicht hätten. Gibbons (2002: 10) definiert scaffolding für den schulischen Kontext daher als „a special kind of help that assists learners to move towards new skills, concepts, or levels of understanding. Scaffolding is thus the tempo‐ rary assistance by which a teacher helps a learner know how to do something, so that the learner will later be able to complete a similar task alone“. Scaffolding entsteht also in Interaktionen zwischen zwei GesprächspartnerInnen, die ge‐ meinsam eine kommunikative Aufgabe bewältigen, und zielt darauf ab, dass Lernende das mithilfe eines kompetenten Gegenübers konstruierte Wissen in‐ ternalisieren, um es auf zeitlich und situativ andere Kontexte zu transferieren und dadurch zunehmend an Autonomie zu gewinnen (vgl. Donato 1998). Um diese Autonomie zu erlangen, ist zunächst noch die Fremdregulation durch In‐ teraktionspartnerInnen notwendig, die in Anlehnung an die Metapher des Bau‐ gerüsts eine gerüstähnliche Vorlage zur Orientierung und Hilfestellung auf‐ bauen und dieses schrittweise, analog zu den fortschreitenden Kompetenzen der Lernenden, wieder abbauen (vgl. Roth 2007: 3.; Senyildiz 2010a: 37). In diesem Sinne trägt der Einsatz von Scaffolding-Strategien dazu bei, dass Lernende über ihr eigentliches Entwicklungsniveau hinaus sprachlich handlungsfähig sind (vgl. Apeltauer 2007: 66 f.) und so ihre kognitiven und sprachlichen Fähigkeiten schrittweise ausbauen können (vgl. Kniffka 2010: 1). Scaffolding kann sowohl auf der Makroals auch auf der Mikroebene des Unterrichts ansetzen (vgl. Gibbons 2009: 153 f.; Hammond / Gibbons 2005: 12 f.). Die Makroebene setzt sich aus verschiedenen Bausteinen, wie der Bedarfs- und Lernstandsanalyse sowie der Unterrichtsplanung, zusammen. Die Ebene des Mikro-Scaffolding bezieht sich hingegen auf konkrete Interaktionssituationen, z. B. zwischen Lehrenden und Lernenden, oder wie in der vorliegenden Studie auf die konkreten und in den bilingualen Kita-Alltag eingebetteten Interakti‐ onen zwischen ErzieherInnen und Kindern. Das Mikro-Scaffolding, das von Hammond / Gibbons (2005: 20) als „the true level of scaffolding“ bezeichnet wird, da es sich auf der konkret interaktionalen Ebene zwischen den an der Kommu‐ nikation beteiligten Personen vollzieht, kann sich in einer Vielzahl von Inter‐ aktionsstrategien äußern. Bezogen auf den Spracherwerbsprozess und die sprachliche Unterstützung der Lernenden zählen hierzu u. a. bestimmte Kor‐ 4.2 Interaktionistisch-soziokulturell orientierte Ansätze 133 rekturstrategien sowie expandierende und bestätigende Rückmeldungen auf die Interaktionsversuche der Lernenden (vgl. Foster / Ohta 2005: 414). Weitere Bei‐ spiele für diese Unterstützungsmaßnahmen sind z. B. der Einsatz von Kontex‐ tualisierungsstrategien, wie der Einsatz von Mimik und Gestik und impliziten Korrekturstrategien, sowie Wiederholungen und Expansionen der kindlichen Äußerungen (vgl. Kersten et al. 2010a: 104-110; vgl. auch den Stand der For‐ schung zum sprachlichen Input in Kapitel 3.2.3). Anhand der konkreten Realisierung der Hilfestellungen und Unterstützungs‐ strategien wird bereits der Unterschied zwischen den kognitivistisch und sozi‐ okulturell orientierten interaktionistischen Ansätzen ersichtlich. Während Longs (1996) Interaktions-Hypothese vor allem Reparatursequenzen in kom‐ munikativen Notsituationen oder Sackgassen und die in diesem Zusammenhang vermittelten sprachlichen Korrekturstrategien für spracherwerbsrelevant er‐ achtet, machen VertreterInnen soziokultureller Erklärungsansätze darauf auf‐ merksam, dass sich der kommunikative Druck, der bei Lernenden durch derar‐ tige kommunikative Sackgassen ausgelöst wird, auch frustrierend und damit kontraproduktiv auf den Spracherwerb auswirken kann (vgl. Aguado 2010a: 819). Dieser Aspekt und die Tatsache, dass intensiven Interaktionen auch ohne Missverstehen und kommunikativen Druck erwerbsfördernde Funktionen bei‐ gemessen werden können, wurde von Foster / Ohta (2005) für L2-spezifische In‐ teraktionen dargestellt. Sie kommen zu dem Schluss, dass „success in commu‐ nicating with and assisting a partner may facilitate SLA “ (Foster / Ohta 2005: 409). Dem Konzept des scaffoldings liegt demzufolge ein erweitertes Verständnis von sprachlichen Hilfestellungen zugrunde. Dieses umfasst nicht nur einzelne Feedback-Strategien im Sinne Longs (1996), sondern auch nicht-korrektive Un‐ terstützungsstrategien. Aus soziokultureller Sicht können daher Mediation im übergeordneten Sinne und scaffolding, verstanden als jegliche Formen von Ver‐ mittlungstechniken, eine spracherwerbsfördernde Wirkung haben (vgl. Schoor‐ mann / Schlak 2012: 180). Gleichzeitig wird jedoch auch darauf hingewiesen, dass es wenig zielführend ist, kontext- und situationsübergreifende Vermittlungstechniken zu propa‐ gieren. Die lernerspezifischen Bedürfnisse und erforderlichen Hilfestellungen werden in der Interaktion zwischen ExpertInnen und NovizInnen gemeinsam und individuell ermittelt, so dass bestimmte Vermittlungstechniken in einigen Interaktionssituationen wirkungsvoll sind, auf andere Kontexte übertragen hin‐ gegen wirkungslos bleiben können (vgl. Aljaafreh / Lantolf 1994: 466 f.). Davon ausgehend ist auch die Eigeninitiative der NovizInnen für die Form des scaffol‐ dings von Bedeutung (vgl. Senyildiz 2010a: 38). Diese können durch die Art der sprachlichen Partizipation, d. h. z. B. durch bestimmte Frageformen wiederum 4 Spracherwerbstheoretischer Bezugsrahmen 134 spezifische und auf ihre kommunikativen Bedürfnisse abgestimmte Unterstüt‐ zungsstrategien evozieren (vgl. Naiman et al. 1978) und auf diese Weise Einfluss auf den Grad der Fremdregulation durch die kompetenteren Gesprächspartne‐ rInnen nehmen. Der sprachliche Lernprozess ist damit zugleich ein Prozess der kontinuierlichen Ermittlung der Fähigkeiten und Bedürfnisse der Lernenden und die darauf abgestimmten Hilfestellungen, so dass Lantolf / Poehner (vgl. 2011: 16 f.) diesen auch als Prozess der Ko-Regulation bezeichnen. Aus der Darstellung der soziokulturellen Perspektiven auf den Spracherwerb wird deutlich, dass diese Ansätze die Dynamik und wechselseitige Bezugnahme der InteraktionspartnerInnen in gemeinsamen Kommunikationssituationen hervorheben. Anders als bei den kognitiv ausgerichteten Erklärungsansätzen wird den Lernenden, bezogen auf ihre sprachliche Entwicklung im Allgemeinen und auf sprachliche Interaktionen im Konkreten, mehr Handlungsspielraum zugestanden. Zur Informationsverarbeitung des Inputs wird ihnen mehr abver‐ langt bzw. zugetraut als das bloße Bereitstellen von Aufmerksamkeit und kog‐ nitiven Kapazitäten. Die Lernenden können schon in einem sehr frühen Stadium des Spracherwerbs auf ihre kommunikativen Bedürfnisse aufmerksam machen und durch die Ko-Regulation mit ihren GesprächspartnerInnen von den auf diese Bedürfnisse maßgeschneiderten Scaffolding-Strategien profitieren und sprachlich handlungsfähig werden (vgl. Schoormann / Schlak 2012). Auch die interaktionistisch-soziokulturellen Erklärungsansätze zum Sprach‐ erwerb geben in einigen Punkten Anlass zur Kritik. Zum einen wird die über‐ wiegend ethnografisch geprägte forschungsmethodische Herangehensweise kritisiert, der sich die Mehrzahl soziokulturell verorteter Studien verschrieben hat. Dementsprechend liegen fast ausschließlich kleinere und explorativ-de‐ skriptiv orientierte Studien vor, während es an groß angelegten und Studien longitudinalen Designs, aus denen sich verallgemeinernde Schlüsse oder Kau‐ salzusammenhänge ableiten lassen, fehlt (vgl. Mitchell / Myles 2004: 219; siehe auch Schoormann / Schlak 2012: 180). Diese Kritik halte ich insofern für unge‐ rechtfertigt, als dass die zahlreichen und vielschichtigen Einflussfaktoren, die auf die Aneignungsprozesse von Erst-, Zweit- und Fremd-sprachen Einfluss nehmen, mithilfe des ausschließlichen Einsatzes quantitativer Verfahren nur bedingt erfasst werden können (siehe dazu auch die Ausführungen zur Onto‐ logie des Untersuchungsgegenstandes und dem Merkmal der Faktorenkomple‐ xion in Kapitel 5.1). Zum anderen stellen die Erwerbsgeschwindigkeit und die Erwerbsreihenfolgen Themengebiete dar, die noch weitestgehend unerforscht sind (vgl. Aguado 2010a: 822). In diesem Zusammenhang lautet das Plädoyer einiger VertreterInnen der interaktionistisch-soziokulturellen Ansätze, dass sich zukünftige Forschungsaktivitäten verstärkt Fragestellungen wie „welche Art 4.2 Interaktionistisch-soziokulturell orientierte Ansätze 135 4.3 von scaffolding für welche sprachliche Struktur zu welchem Zeitpunkt beson‐ ders geeignet ist“ (vgl. ebd.) widmen und diese empirisch untersuchen sollten. Verortung der empirischen Studie und forschungsmethodische Implikationen Nachdem die beiden interaktionistischen Erklärungsansätze, die kognitivisti‐ sche und die soziokulturelle Ausrichtung, in ihren Grundzügen vorgestellt wurden, soll an dieser Stelle nochmals die Relevanz beider Perspektiven für die Erforschung von Interaktionsprozessen in bilingualen Kitas diskutiert werden. Die Verortung der empirischen Untersuchung in diesem theoretischen Rahmen ist notwendig, um den RezipientInnen dieser Arbeit die „theoretische Brille“ (vgl. Moldaschl 2010: 2), mit welcher ich mich dem Forschungsgegenstand ge‐ nähert habe und durch welche ich diesen in der empirischen Studie betrachte, zu verdeutlichen. In diesem Sinne basiert auch das Erkenntnisinteresse dieser Dissertationsstudie maßgeblich auf der Folie der dargestellten spracherwerbs‐ theoretischen Positionen. Durch die Diskussion der spracherwerbstheoreti‐ schen Rahmung soll gewährleistet werden, dass die Genese des Erkenntnisin‐ teresses der Studie für Außenstehende transparent und nachvollziehbar wird. Zum anderen wird das forschungsmethodische Vorgehen der Studie, das im fol‐ genden Kapitel umfassend dargelegt wird, von der theoretischen Positionierung bedingt: Eine spracherwerbstheoretische Verankerung an interaktionis‐ tisch-kognitivistisch orientierten Erklärungsansätzen erfordert ein anderes For‐ schungsdesign als eine soziokulturell ausgerichtete Studie. Für die vorzunehmende Positionierung ist zunächst festzuhalten, dass auf‐ grund der Betonung sozialer und interaktionaler Faktoren sowohl interaktio‐ nistisch-kognitivistische als auch soziokulturelle Ansätze einen grundsätzlich geeigneten spracherwerbstheoretischen Ausgangspunkt für die Untersuchung von bilingualen Spracherwerbsprozessen im Elementarbereich bilden. Nichts‐ destotrotz sind auch die Unterschiede der beiden Positionen insbesondere in Hinblick auf die Rolle des sozialen Lernumfeldes und der Lernenden deutlich geworden. Da Sprache im Rahmen kognitiver Perspektiven in erster Linie eine referenzielle Funktion im Sinne des Informationsaustausches zukommt (vgl. Ohm 2007: 29), übernehmen folglich auch die Lernenden im Spracherwerbs‐ prozess die Rolle der Informationsverarbeitenden (vgl. ebd.: 26). Die metapho‐ rische Betrachtung der Lernenden als Maschine (vgl. Ellis 2001: 72 f.) spiegelt wider, dass diese lediglich Aufmerksamkeit und kognitive Kapazität zur inhalt‐ lichen Verarbeitung des sprachlichen Inputs zur Verfügung stellen müssen, 4 Spracherwerbstheoretischer Bezugsrahmen 136 während sich die produktive Sprachkompetenz, so die in der Input-Hypothese propagierte Vorstellung, von alleine entwickelt. Eine derartige Konzeption des Lehrens und Lernens von Sprachen greift für die Untersuchung von authentischen ErzieherIn-Interaktionen in einem im‐ mersiv-bilingualen Erwerbsumfeld aus mehreren Gründen zu kurz. In immer‐ siven Spracherwerbskontexten kann sich die Auseinandersetzung der Kinder mit der neuen Sprache nicht auf das reine Dekodieren sprachlicher Äußerungen, d. h. auf die Verstehensseite sprachlicher Mitteilungen, konzentrieren. Das Ein‐ tauchen in ein fremdsprachiges Sprachbad, wie es für die Methode der Immer‐ sion charakteristisch ist, erfordert vor allem die Fähigkeit zum Enkodieren, d. h. die Fähigkeit, Beziehungen zwischen intendierten Bedeutungen und sprachli‐ cher Form herstellen zu können (vgl. Zydatiß 2000: 46). Bei der wissenschaftli‐ chen Untersuchung der Rahmenbedingungen des frühkindlichen Spracher‐ werbs in Immersionskontexten ist daher ein umfassenderes Verständnis des Spracherwerbs, das auch funktionale und außersprachliche Aspekte von Sprache einschließt, zugrunde zu legen. Spracherwerb unter immersiven Er‐ werbsbedingungen impliziert daher, „ein System sprachlicher Zeichen auf ver‐ schiedenen Hierarchieebenen der Sprachstruktur zu lernen, einschließlich der Gebrauchsbedingungen für diese Zeichen im soziokulturellen Kontext der je‐ weiligen Zielsprache“ (vgl. ebd.). Der Spezifik der Immersion und dem damit verbundenen Sprachverständnis kann diesbezüglich zumindest die Input-Hy‐ pothese nicht in ausreichendem Maße gerecht werden. Sie stellt nach Zydatiß (2000: 46) „keine optimale Leitlinie einer spracherwerbstheoretischen Fundie‐ rung“ der Immersionsmethode dar. Scaffolding Den Gebrauchsbedingungen der Zeichen, d. h. dem funktional-pragmatischen Aspekt der Sprache, wird hingegen in den soziokulturellen Ansätzen in beson‐ derem Maße Rechnung getragen. Die Perspektive versteht den Spracherwerb als intermentalen Sozialisationsprozess, der sich aus Sicht der Lernenden durch eine fortschreitende Partizipation an der zielsprachlichen Gemeinschaft aus‐ zeichnet (vgl. Ohm 2007: 29 f.). Dementsprechend werden die Lernenden im Rahmen der interaktionistisch-soziokulturellen Ansätze nicht zu Informations‐ verarbeitenden degradiert, sondern als historisch und sozial situierte Han‐ delnde, die eine aktive Rolle in ihrem eigenen Erwerbs- und Lernprozess über‐ nehmen, betrachtet und anerkannt (vgl. ebd.: 30). Analog zu dieser ganzheitli‐ chen und umfassenden Sicht auf die Lernenden wird auch den in den Spracherwerb involvierten Bezugspersonen eine ausschlaggebende Rolle für sprachliche Sozialisationsprozesse zugesprochen. Gemäß dem Konzept der ZPD 4.3 Verortung der empirischen Studie und forschungsmethodische Implikationen 137 und des scaffoldings sind es jene Bezugspersonen, in der vorliegenden Studie Fachkräfte in bilingualen Betreuungseinrichtungen, die auf die konkreten kind‐ lichen Interaktionsbedingungen und damit auch auf die Rahmenbedingungen des bilingualen Spracherwerbs in diesen Einrichtungen Einfluss nehmen können. Dabei ist aus der soziokulturellen Perspektive jedoch weniger die iso‐ lierte Analyse einzelner quantitativer und qualitativer Eigenschaften (z. B. syn‐ taktische Strukturen) des Inputs, sondern eine holistische Betrachtung des sprachlichen Handelns der beteiligten Akteure von Interesse. Da in der vorlie‐ genden Untersuchung der Fokus auf dem sprachlichen Verhalten der Erziehe‐ rinnen des bilingualen TU -Kinderhauses in den Interaktionssequenzen mit den Kindern liegt, galt es für die Analyse, nicht nur auf sprachliche Reparaturse‐ quenzen beschränkte Feedback-Strategien, wie sie im Rahmen der Interak‐ tions-Hypothese und für das negotiation of meaning hervorgehoben werden, sondern, einem umfassenderen und soziokulturell-geprägten Verständnis von Sprache Rechnung tragend, alle möglichen Scaffolding-Strategien, die der Me‐ diation dienen, in der Analyse des sprachlichen Handelns der Erzieherinnen zu berücksichtigen. Für das folgende Vorgehen impliziert dieses umfassende Ver‐ ständnis von Sprache und Spracherwerb beispielsweise auch, das gestische Handeln der Personen, mithilfe derer sie sprachliche Mittel mediieren und so dem Kleinkind als Novizen helfen, die vermittelten Zeichen zu internalisieren (vgl. Schoormann / Schlak 2012: 178), im Zuge der Analyse zu erfassen. Rolle der Erstsprache Die Rolle, die der Erstsprache im Rahmen der beiden theoretischen Pole zuge‐ sprochen wird, ist ein weiteres Kriterium für die Verortung der Studie in Rich‐ tung soziokultureller Ansätze. Während diese in der kognitivistischen Erklä‐ rungslinie lediglich als gegeben akzeptiert wird, wird ihr in der soziokulturellen Theorie eine bedeutungsvollere Rolle für Zweit- und Fremdsprachenerwerb‐ sprozesse zugeschrieben. Die Lernenden können ihre Erstsprache gemäß sozi‐ okultureller Argumentation zielgerichtet und selbstbestimmt als Werkzeug, z. B. zum Zweck der Selbstkontrolle, einsetzen. Die Erstsprache kann demnach sogar eine unterstützende Wirkung auf zweit- oder fremdsprachliche Erwerbspro‐ zesse haben (vgl. Senyildiz 2010a: 41). Für die Analyse der Interaktionsse‐ quenzen ist daher auch von Interesse, wie die Kinder ihre (zumeist deutsche) Erstsprache in der Interaktion einsetzen, um davon ausgehend zu hinterfragen, ob die (englischsprachigen) Erzieherinnen der Einrichtung die erstsprachlichen Interaktionsversuche der Kinder beispielsweise bestätigen oder expandieren. Die zusammenfassende Gegenüberstellung der theoretischen Ansätze hat gezeigt, dass die soziokulturelle Perspektive einen geeigneteren theoretischen 4 Spracherwerbstheoretischer Bezugsrahmen 138 54 An dieser Stelle wurden die für den vorliegenden Forschungskontext zentralen theo‐ retischen Konstrukte der beiden Ansätze exemplarisch gegenübergestellt und in Hin‐ blick auf das Erkenntnisinteresse diskutiert. Für eine ausführlichere Gegenüberstellung der beiden Ansätze siehe Ortega (2007) oder auch Senyildiz (2010a: 39-41). Des Weiteren ist darauf hinzuweisen, dass an dieser Stelle zugunsten der klaren und eindeutigen Positionierung der Arbeit eine nahezu dichotomisch-zusammenfassende Gegenüberstellung beider Ansätze vorgenommen wurde, in jüngster Zeit jedoch auch eine zunehmende Annäherung beider Positionen zu beobachten ist (vgl. Aguado 2010a: 821; Hufeisen / Riemer 2010: 744). So werden in neueren soziokulturellen Untersu‐ chungen vermehrt kognitive Prozesse berücksichtigt (siehe z. B. Ohta 2001 oder Storch 2002). Ohm (vgl. 2007: 30) plädiert daher dafür, die Forschungsrichtungen als komple‐ mentär zueinander zu betrachten, wenn die Untersuchungsgegenstände letztlich auch „inkommensurabel“ (ebd.: 24) bleiben. Rahmen bietet, da sie den Lernbedingungen sowie der Art und Weise, wie sich kindliches Lernen in vorschulischen Betreuungseinrichtungen vollzieht (u. a. inzidentell, alltagsintegriert und spielerisch; vgl. ebd.), und damit dem For‐ schungsgegenstand dieser Dissertationsstudie am ehesten entspricht. 54 Soll die soziokulturelle Konzeption den spracherwerbstheoretischen An‐ knüpfungspunkt dieser Studie bilden, sind in Abhängigkeit von diesem theore‐ tischen Hintergrund geeignete forschungsmethodische Instrumente auszu‐ wählen, die den Spracherwerb als holistischen Prozess, so wie er in der sozio‐ kulturellen Tradition modelliert wird, zu erfassen vermögen. Studien, die im Kontext der soziokulturellen Tradition entwickelt werden, erfordern daher „eine der Komplexität des Gegenstandes angemessene methodische Vorgehensweise“ (Aguado 2010a: 822). Bei der Sichtung bereits existierender soziokulturell aus‐ gerichteter empirischer Untersuchungen fällt auf, dass ein Großteil dieser Stu‐ dien eine ähnliche forschungsmethodische Ausrichtung aufweist: Um Lernen als komplexes soziales Phänomen erfassen zu können, sind viele soziokulturelle Studien durch eine holistische Herangehensweise geprägt, die bemüht ist, alle relevanten kontextuellen Zusammenhänge zu berücksichtigen, und sich dem‐ entsprechend vor allem qualitativ-interpretativer Forschungsmethoden be‐ dienen (vgl. Schoormann / Schlak 2012: 180). Zwar wird der soziokulturellen Theorie diese überwiegend qualitative und ethnografische Herangehensweise oft zur Last gelegt, da aus qualitativen Forschungsarbeiten keine generalisier‐ baren Erkenntnisse generiert werden können, jedoch erhoffen sich Vertreter‐ Innen der interaktionistisch-soziokulturellen Ansätze, mithilfe einer Vielzahl 4.3 Verortung der empirischen Studie und forschungsmethodische Implikationen 139 55 Im Gegensatz dazu weist die interaktionistisch-kognitivistische Forschung in eine gänzlich andere forschungsmethodische Richtung: Diese ist eher bestrebt, eindeutige Ursache-Wirkung-Beziehungen zu identifizieren, und arbeitet daher vorrangig mit kontrollierten, experimentellen oder quasi-experimentellen Untersuchungsdesigns, die dem quantitativen Forschungsparadigma zuzuordnen sind (vgl. Aguado 2010a: 818). kleinerer Fallstudien vertiefte Einblicke in sprachliche Entwicklungsprozesse geben zu können (vgl. Fosta / Ohta 2005: 403 f.). 55 Gemäß dieser forschungsmethodischen Herangehensweise werden soziokul‐ turell motivierte Forschungsaktivitäten vorrangig in authentischen Lehr- und Lernkontexten durchgeführt, in denen natürliche und nicht eigens zu For‐ schungszwecken elizitierte Daten erhoben werden (vgl. Aguado 2010a: 822). Für eine umfassende Rekonstruktion des sprachlichen Handelns ist zudem auch die Aufzeichnung von Nonverbalia, wie z. B. der Gestik, notwendig. Aguado (vgl. ebd.: 824) plädiert daher für zukünftige Forschungsaktivitäten für einen ver‐ stärkten Einsatz der Videografie, auch wenn sie eingesteht, dass damit „die Pro‐ zesse der Aufbereitung und Auswertung der auf diese Weise erhobenen Daten um ein Vielfaches komplexer und aufwendiger werden“ (ebd.). Die spracherwerbstheoretische Positionierung der vorliegenden Arbeit und die aus dieser Verortung abgeleiteten ersten forschungsmethodischen Implika‐ tionen, wie z. B. das Erheben authentischer Daten in natürlichen Erwerbskon‐ texten und das Potenzial von Videoaufnahmen, geben bereits vorläufige Anhaltspunkte für die Entwicklung eines geeigneten empirischen Forschungs‐ designs. Die Genese des Forschungsdesigns sowie die Entwicklung der ein‐ zelnen forschungsmethodischen Arbeitsschritte im Rahmen dieser Dissertati‐ onsstudie sind Teil des folgenden Kapitels und werden in diesem, auch unter Rückbezug auf den hier skizzierten spracherwerbstheoretischen Rahmen, aus‐ führlich dargelegt. 4 Spracherwerbstheoretischer Bezugsrahmen 140 5 Empirische Untersuchung Empirische Forschung ist ein aufwändiges und komplexes Unternehmen, das in seiner Prozesshaftigkeit insgesamt nur wenig öffentlich reflektiert und dokumentiert wird. Während dem Produkt der Forschung - also den Forschungsergebnissen - ein ver‐ gleichsweise hoher Stellenwert eingeräumt wird, ist häufig zu beobachten, dass der oftmals mühevolle Prozess, der zu diesen Ergebnissen geführt hat, vernachlässigt wird. In vielen Arbeiten, in denen Ergebnisse aus der empirischen Fremdsprachen‐ forschung vorgestellt und diskutiert werden, fällt insbesondere die Darstellung der Methodologie und des konkreten Vorgehens bei der Erhebung, Aufbereitung und Auswertung der Daten meist sehr knapp aus (Aguado 2000: 119; Herv. im Orig.). Dieses „Plädoyer für mehr Transparenz“ (ebd.) greift den Leitgedanken des fol‐ genden Kapitels auf. Die methodologisch-methodische Genese der Studie soll in ihren einzelnen Schritten offengelegt und die Forschungsarbeit auf diese Weise in ihrer Prozesshaftigkeit nachvollziehbar gemacht werden. Die anvisierte kri‐ tische Offenlegung des Forschungsdesigns verfolgt zwei Ziele. Zum einen er‐ möglicht die methodische Transparenz eine verbesserte Kommunikation zwi‐ schen den Forschenden als ProduzentInnen einer- und PraktikerInnen bzw. an‐ deren Forschenden als RezipientInnen empirischer Forschung andererseits. Dadurch werden Forschungsergebnisse überhaupt erst evaluier- und kriti‐ sierbar (vgl. Grotjahn 1993: 242). In diesem Zusammenhang können und sollten Forschende auch die „Fallstricke ihres Forschungsprozesses“ (Riemer 2014: 27) transparent machen, die anderen Forschenden wichtige Anhaltspunkte liefern können, die es bei der Planung und Durchführung künftiger Studien zu beachten gilt (vgl. Aguado 2000: 120). Zum anderen kann die kritische Offenlegung auch der forschenden Person selbst als Instrument zur Selbstreflexion und - falls erforderlich - zur Selbstregulation dienen (vgl. Steinke 2013: 330 f.; siehe dazu die Ausführungen in Kapitel 5.1.2 zur reflektierten Subjektivität als Gütekrite‐ rium qualitativer Forschung). Um diesem Anspruch Rechnung zu tragen, gilt es zunächst, die Studie for‐ schungsparadigmatisch zu verorten (vgl. Kapitel 5.1.1) und die damit einher‐ gehenden Gütekriterien zu explizieren (vgl. Kapitel 5.1.2). Auf dieser Grundlage werden die eingesetzten Datenerhebungsinstrumente vorgestellt, die Auswahl derselben begründet sowie der Untersuchungskontext der Studie skizziert (Ka‐ pitel 5.2). Die anschließenden Ausführungen zur Durchführung der Studie be‐ ziehen sich zunächst auf die vorgeschaltete Pilotstudie (vgl. Kapitel 5.3.1), in der 5.1 die Erhebungsinstrumente im Forschungsfeld erprobt wurden und die daraus abgeleiteten Konsequenzen für die Hauptdatenerhebung. Darauf aufbauend zeichne ich die konkreten Bedingungen und die Durchführung der Hauptda‐ tenerhebung nach (Kapitel 5.3.2). An die Darstellung der Untersuchungsdurch‐ führung schließen sich die Begründung und Vorstellung des Auswertungsde‐ signs und der theoretische Rahmen der einzelnen Auswertungsschritte und -verfahren an (vgl. Kapitel 5.4.1), bevor das konkrete Vorgehen bei der Daten‐ auswertung abschließend am konkreten Forschungsgegenstand erläutert wird (Kapitel 5.4.2). Forschungsmethodologische Verortung der Studie In der empirischen Forschung wird häufig zwischen zwei forschungsmethodo‐ logischen Hauptpositionen unterschieden: dem quantitativen und dem qualita‐ tiven Forschungsparadigma. Grotjahn (1993: 223) kritisiert, dass es sich hierbei „um eine klärungsbedürftige und unfruchtbare Dichotomie“ handelt und schlägt im Sinne einer Präzisierung der Begrifflichkeiten die Verwendung der engeren Konzepte der analytisch-nomologischen Methodologie und explorativ-inter‐ pretativen Methodologie vor (vgl. ebd.: 229; Grotjahn 2003: 495). Ein grundsätzlicher Unterschied zwischen den beiden Paradigmen besteht bezüglich der Sicht auf die Wirklichkeit (vgl. Aguado 2000: 121). So nimmt die analytisch-nomologische Methodologie eine objektive und in einzelne Porti‐ onen unterteilbare Realität an, in der einzelne Variablen unter standardisierten Erhebungsbedingungen in möglichst großer und repräsentativer Zahl erhoben werden können (vgl. Kelle 2010: 109 f.). Die explorativ-interpretative Methodo‐ logie geht hingegen von einem holistisch-multiplen Realitätsverständnis aus und sieht daher gerade in der kontextuell eingebetteten Beschreibung mensch‐ lichen Handelns einen ihrer zentralen Grundsätze (vgl. Hufeisen / Riemer 2010: 748). Forschungspraktisch erfordert die explorative Erforschung sozialer Rea‐ lität daher ein hohes Maß an Offenheit gegenüber dem Untersuchungsgegen‐ stand und eine weitgehende Flexibilität in der Vorgehensweise (vgl. Grotjahn 1993: 231; Flick et al. 2013: 17). Während das analytisch-nomologische Para‐ digma nach einer Überprüfung von vorab festgelegten Hypothesen und opera‐ tionalisierten Konstrukten strebt, ist das explorativ-interpretative Paradigma an einer unvoreingenommenen Exploration sozialer Realität interessiert und be‐ dient sich dazu in erster Linie interpretativer und hermeneutischer Verfahren (vgl. Grotjahn 1993: 230 f.). Das Anliegen qualitativer Forschung ist daher, der Komplexität der untersuchten Realität bestmöglich gerecht zu werden und ihre 5 Empirische Untersuchung 142 Forschungsgegenstände und Phänomene in ihrer Vielschichtigkeit zu rekon‐ struieren (vgl. Kelle 2010). Die einer empirischen Studie zugrunde gelegte Forschungsmethodologie und die daraus entwickelten Forschungsmethoden ergeben sich aus den gestellten Forschungsfragen und sollten jeweils dem spezifischen Untersuchungsgegen‐ stand angemessen sein (vgl. Grotjahn 2006: 247). Um die vorliegende For‐ schungsstudie im Rahmen der skizzierten methodologischen Paradigmen ver‐ orten zu können, sind demnach zunächst einige Annahmen zur Ontologie des zu untersuchenden Gegenstandsbereichs offenzulegen. Für den Gegenstands‐ bereich der Aneignung von Erst-, Zweit- und Fremdsprachen sind u. a. die fol‐ genden Merkmale charakteristisch (vgl. Grotjahn 1993: 236-238; 2003: 493 f.; 2006: 248 f.): 1. Fremdsprachenlernen ist ein durch eine Vielzahl interdependenter Faktoren konstituierter, mehrdimensionaler Wirklichkeitsbereich (Merkmal der Fak‐ torenkomplexion). 2. Fremdsprachenlernen ist ein soziales, an bestimmte Institutionen (z. B. Schule) und politische Systeme gebundenes Phänomen. 3. Konkret ablaufender Fremdsprachenunterricht manifestiert sich auf zumin‐ dest drei Ebenen: a) als zu einem Zeitabschnitt beobachtbarer Prozess; b) als zu einem Zeitpunkt vorliegendes Resultat (Produkt) beobachtbarer Prozesse; c) als beobachtbares Resultat nicht-beobachtbarer, individueller, mentaler Prozesse. 4. Annahmen über die untersuchten Personen. In Bezug auf das Erkenntnisinteresse der vorliegenden Untersuchung haben die Ausführungen zur Ontologie des Gegenstandes folgende forschungsmethodi‐ sche Implikationen. Das Merkmal der Faktorenkomplexion impliziert, dass jede Untersuchung sich damit auseinandersetzen [muss], dass das Lernen und Lehren von Fremd- und Zweitsprachen durch eine Vielzahl sich wechselseitig beeinflussender Faktoren bestimmt wird, dass Lehr- und Lernprozesse inner‐ halb eines je zu bestimmenden sozialen und kulturellen Milieus sowie innerhalb und außerhalb von Institutionen stattfinden, dass man es sowohl mit Produkten als auch mit Prozessen zu tun hat und dass diese Prozesse und Produkte des Lehrens und Lernens dynamisch, instabil und individuell sind (Riemer 2010: 360). 5.1 Forschungsmethodologische Verortung der Studie 143 Die Faktorenkomplexion des Untersuchungsgegenstandes verbietet demzu‐ folge den Einsatz realitätsreduzierender Forschungsmethoden, sondern erfor‐ dert die Berücksichtigung des sozialen und institutionellen Kontextes. Für die vorliegende Studie bedeutet das, dass die institutionellen Rahmenbedingungen des Forschungsfeldes (das bilinguale Kinderhaus der TU Darmstadt), und ins‐ besondere die spracherwerbsrelevanten Rahmenbedingungen, wie der Fach‐ kraft-Kind-Schlüssel, sowohl in die Phasen der Erhebung als auch in die Aus‐ wertung und Interpretation der Daten aktiv eingebunden wurden. Zu diesem Zweck werden die Charakteristika des Untersuchungsfeldes und die For‐ schungsteilnehmerInnen umfassend vorgestellt (vgl. Kapitel 5.2.3; 5.2.4) sowie die daraus abzuleitenden Implikationen für den Forschungsprozess diskutiert (vgl. Kapitel 5.2.5). Bezüglich der „Dreischichtigkeit“ auf denen sich Fremdsprachenunterricht laut Grotjahn (vgl. u. a. 2006: 248) manifestiert, knüpfte mein Erkenntnisinte‐ resse - auch wenn die von Grotjahn (2006) beschriebenen Ebenen nicht immer trennscharf sind und durchaus als Mischformen auftreten - vorrangig an Punkt 3.a) an. Dementsprechend wurden in dieser Forschungsstudie sprachliche Er‐ zieherIn-Kind-Interaktionen in ihrer Prozesshaftigkeit, d. h. „als zu einem Zeit‐ abschnitt beobachtbarer Prozess“ (Grotjahn 1993: 237; 2006: 248) fokussiert. Darüber hinaus spiegeln Forschungsstudien auch bestimmte Annahmen über die untersuchten Personen wider (vgl. Punkt 4). Dieses Menschenbild hat weit‐ reichende konzeptuelle als auch untersuchungsmethodische Auswirkungen (vgl. Grotjahn 2006: 249). Die Menschenbilder bzw. „Subjektmodelle“ (vgl. Grot‐ jahn 2005) dienen als Teil des menschlichen Welt- und Gesellschaftsbildes der „impliziten oder expliziten Orientierung beim Denken und Handeln“ (ebd.: 23) und fungieren als „komplexitätsreduzierende Modelle vom Menschen der Erklärung bestimmter Verhaltensweisen“ (Detzer 1999: 100). Da die Arbeit sprachliche Interaktionen unter immersiv-bilingualen Spracherwerbsbedin‐ gungen untersucht, speist sich das Menschenbild, d. h. die Annahmen über die Untersuchungsteilnehmerinnen der Studie, insbesondere aus der spracher‐ werbstheoretischen Verortung der Studie (vgl. Kapitel 4). Die interaktionis‐ tisch-soziokulturellen Ansätze betrachten den Spracherwerb als einen primär sozialen Prozess (vgl. Swain / Lapkin 1998: 321), der „durch problemlösende Handlungen der Lernenden in der betreuten oder kooperativen Interaktion mit anderen“ (Hufeisen / Riemer 2010: 743) initiiert wird. Ausgehend von dieser Per‐ spektive auf den Spracherwerb, die dem Individuum eine aktive und soziale Rolle zuschreibt, ist für den vorliegenden Untersuchungskontext ein elabo‐ rativ-prospektives Subjektmodell leitend (vgl. Grotjahn 2005: 37). Dieses geht von einem positiven Selbstbild des Menschen „als handlungsfähigem, refle‐ 5 Empirische Untersuchung 144 56 Das komplementäre Gegenkonzept zum elaborativ-prospektiven Subjektmodell be‐ schreibt Grotjahn (vgl. 2005: 28) als reduktiv-implikatives Subjektmodell. Dieses geht von einem reduktionistischen und fremdbestimmten Menschenbild aus und schlägt sich z. B. in dem mechanistischen Modell einer menschlichen Maschine (vgl. Erb 1997: 155) nieder, das im Sinne einer doppelseitigen Verwischung der Grenzen zwischen Mensch und Maschine zu einer technomorphisierenden Sprache über Menschen geführt hat (vgl. Janich 1998: 373). Bezogen auf die Sprachlehr- und lernforschung findet die An‐ nahme eines reduktiv-implikativen Subjektmodells beispielsweise in den spracher‐ werbstheoretischen Vorstellungen des Behavio-rismus seine Anwendung. Dieses de‐ gradiert den Menschen zu einem ausschließlich reaktiven Wesen und betrachtet das menschliche Gehirn als black box, so dass mentale und interne Prozesse vollständig ausgeblendet werden (vgl. Skinner 1974: 247). xivem, autonomen, d. h. umweltkontrollierendem wie -veränderndem etc. Indi‐ viduum“ (Erb 1997: 155) aus. 56 Dieses findet sich beispielsweise auch in der hu‐ manistischen Psychologie, die den Menschen als „bewusstes, intentionales, im kulturellen Kontext existierendes Wesen, das durch Wahlfreiheit, Entschei‐ dungsfreiheit, lebenslange Entwicklung etc. gekennzeichnet ist“ (Erb 1997: 188) wieder. Die Annahme eines elaborativ-prospektiven Subjektmodells, d. h. eines reflexiven und autonomen Individuums, wurde im Rahmen dieser Studie in zweierlei Hinsicht aufgegriffen. Zum einen wurde die Studie spracherwerbs‐ theoretisch in den interaktionistisch-soziokulturellen Ansätzen verankert, die dem Menschen eben diese reflexive und autonome Rolle zusprechen. Dement‐ sprechend wurde auch die Sicht auf den Untersuchungsgegenstand - sprach‐ liche Erzieherin-Kind-Interaktionen in der deutsch-englisch bilingualen Kita - von diesem Menschenbild geleitet. Zum anderen zog dieses Menschenbild auch forschungspraktische Konsequenzen nach sich und wirkte sich auf die Bezie‐ hung zwischen Forscherin und den Erzieherinnen des TU -Kinderhauses als Un‐ tersuchungspartnerinnen der vorliegenden Studie aus. Die an der Studie betei‐ ligten Personen wurden daher mit ihrem Wissens- und Erfahrungsschatz aktiv in den Forschungsprozess eingebunden. Die konkrete Ausgestaltung dieser For‐ schungsbeziehung, die u. a. auf den Annahmen des elaborativ-prospektiven Subjektmodells basiert, wird insbesondere in der Darstellung des Feldzugangs (vgl. Kapitel 5.2.4) und im Zusammenhang mit der Pilotstudie (vgl. Kapitel 5.3.1) ausführlich dargestellt. Der in Kapitel 4.2 skizzierte interaktionistisch-soziokulturelle Bezugsrahmen der Studie und die angestellten Überlegungen zur Ontologie des Forschungsge‐ genstandes sowie das abgeleitete Menschenbild erfordern „eine der Komplexität des Gegenstandes angemessene methodische Vorgehensweise“ (Aguado 2010a: 822). Hier bietet das qualitativ-interpretative Forschungsparadigma einen ge‐ eigneten Anknüpfungspunkt, da hier angenommen wird, „dass Realität inter‐ 5.1 Forschungsmethodologische Verortung der Studie 145 5.1.1 aktiv hergestellt und subjektiv bedeutsam wird, dass sie über kollektive und individuelle Interpretationsleistungen vermittelt und handlungswirksam wird“ (Flick et al. 2013: 21). Zudem bietet das qualitativ-interpretative Paradigma durch die zunehmende Ausdifferenzierung an Forschungsmethoden ein breites Spektrum an methodischen Vorgehensweisen zur Erforschung menschlichen Handelns. Merkmale qualitativer Forschung Im Folgenden wird die Wahl dieses forschungsparadigmatischen Zugriffs in Verbindung mit dem Erkenntnisinteresse der Studie begründet. Dazu werden die zentralen Merkmale dieses Forschungsstils vorgestellt und in Bezug auf den Forschungskontext dieser Studie diskutiert. Orientierung am Alltagsgeschehen Qualitativ orientierte Studien sind an der Erforschung des Alltäglichen interes‐ siert und betrachten ihre Untersuchungsgegenstände in ihren alltäglichen Kon‐ texten situiert (vgl. ebd.: 23; Grotjahn 2006: 254; Schmelter 2014: 41). Diesem Merkmal entsprechend werden die sprachlichen Interaktionen zwischen den Erzieherinnen und Kindern des TU -Kinderhauses nicht als isolierte Konstrukte, sondern als in das Alltagsgeschehen eingebettete und interaktive Prozesse ge‐ sehen. Kontextualität als Leitgedanke Die Orientierung am Alltagsgeschehen bedingt die Kontextualität als einen Leitgedanken qualitativer Forschung. Dem qualitativen Forschungsparadigma verschriebene Forschungsaktivitäten sind oftmals bemüht, „das Untersuchungs‐ feld weitestgehend in seinem natürlichen Zustand [zu] belassen“ (Riemer 2014: 21). Demzufolge sollten qualitative Daten anstatt unter künstlichen oder labo‐ rähnlichen Bedingungen in ihrem natürlichen Entstehungskontext erhoben werden (vgl. Riemer 2006: 455; Schmelter 2014: 41). Dieser sollte auch bei der Analyse und Interpretation der Daten Berücksichtigung finden (vgl. Flick et al. 2013: 23). Um dem Merkmal der Kontextualität Rechnung zu tragen, wurden die Videodaten im regulären Kita-Alltag in authentischen und nicht zu Forschungs‐ zwecken künstlich arrangierten Interaktionen erhoben (vgl. Aguado 2010a: 822). Dieser Prozess wurde außerdem gründlich vorbereitet und umfassend do‐ kumentiert (vgl. Kapitel 5.3). 5 Empirische Untersuchung 146 Prinzip der Offenheit Der Orientierung am Alltagsgeschehen und dem Leitgedanken der Kontextua‐ lität widerstreben eine vorab vorgenommene Standardisierung der Erhebungs‐ bedingungen und der Einsatz starrer Kriterienraster. Da Daten in ihrem sozialen und institutionellen Kontext erhoben werden sollen, ist ein großes Maß an Of‐ fenheit gegenüber dem jeweiligen Gegenstand und eine weitgehende Flexibilität in der Vorgehensweise notwendig (vgl. Grotjahn 1993: 231). Die Forschungsin‐ strumente sollten dementsprechend auf die Erhebungsbedingungen abgestimmt und flexibel an die Spezifika des Forschungsfeldes angepasst werden. In diesem Zusammenhang kommt insbesondere der Pilotierung der Erhebungsinstru‐ mente eine wichtige Funktion zu (vgl. Kapitel 5.3.1). Gegenstandsangemessenheit von Methoden Die Praxis qualitativer Forschung zeichnet sich dadurch aus, dass es nicht eine einzige Methode, sondern ein breites Spektrum unterschiedlicher Methoden gibt. Die jeweiligen Methoden sollten, wie bereits erwähnt, gegenstandsange‐ messen ausgewählt, d. h. auf dem Primat des „Gegenstandes vor Methode“ (Grotjahn 2000: 20) beruhen. Die Methodenwahl wird dementsprechend von den Annahmen über die Ontologie des Forschungsgegenstandes bestimmt. Das Spektrum möglicher Erhebungsinstrumente, das für die Bearbeitung der ent‐ wickelten Forschungsfragen infrage kommt, wird im Zuge dieses Kapitels dis‐ kutiert sowie die Wahl der endgültigen Erhebungsinstrumente, unter Rück‐ bezug auf den zu untersuchenden Forschungsgegenstand und die zugrunde ge‐ legte spracherwerbstheoretische Verankerung der Studie, begründet (vgl. Kapitel 5.2). Reflexivität der ForscherInnenperspektive Die qualitative Forschung sieht in der aktiven Nutzung der Reflexivität und der Wahrnehmungen der Forschenden zum Forschungsgegenstand und For‐ schungsprozess einen wesentlichen Erkenntniszuwachs. Das Vorwissen, das an einen Untersuchungsgegenstand oder ein Forschungsfeld herangetragen wird, kann verschiedene Ausprägungen haben bzw. sich aus unterschiedlichen Er‐ fahrungsschätzen, wie dem alltagsweltlichen Vorwissen, aus allgemeintheore‐ tischen Konzepten und aus einer Reihe gegenstandsbezogener Konzepte speisen (vgl. Meinefeld 2013: 273). Die aktive Nutzung dieses Vorwissens und Erfah‐ rungsschatzes impliziert jedoch auch, dass dieses offengelegt und während des gesamten Forschungsprozesses fortwährend kritisch reflektiert werden muss. Das Merkmal der Reflexivität verweist daher auch auf die Gütekriterien quali‐ 5.1 Forschungsmethodologische Verortung der Studie 147 5.1.2 tativer Forschung, insbesondere auf das Kriterium der reflektierten Subjekti‐ vität, die im Folgenden vorgestellt werden. Gütekriterien qualitativer Forschung Ausgehend von der forschungsparadigmatischen Verortung der Studie und der Darstellung der zentralen Kennzeichen dieser Methodologie ist zu hinterfragen, anhand welcher Kriterien sich die Güte qualitativer Forschungsarbeiten be‐ werten lässt (vgl. Grotjahn 1993: 234). Während sich im Bereich der quantita‐ tiven Forschung die klassischen Gütekriterien der Objektivität, Reliabilität und Validität fest etabliert haben, sind Bewertungskriterien im Bereich der qualita‐ tiven Forschungsmethodologie eher vorgeschlagen als tatsächlich ausgearbeitet und validiert (vgl. Lüders 2013b: 634 f.). Aufgrund der Charakteristika der qua‐ litativen Forschungspraxis (u. a. Offenheit im Forschungsprozess) sind die klas‐ sischen Gütekriterien des quantitativen Paradigmas nur bedingt auf die quali‐ tative Forschung übertragbar (für Beispiele siehe Steinke 1999: 131-204). Um dem gegenstands-, situations- und milieuabhängigen Charakter qualitativer Forschung (vgl. Lüders 1995: 319) auch bei der Bewertung der Güte Rechnung tragen zu können, sind anstelle der klassischen und „starren Gütekriterien“ ei‐ gene „breite Kernkriterien“ formuliert worden, die jeweils untersuchungsspe‐ zifisch und kontextbezogen konkretisiert bzw. modifiziert werden können. Diese zentralen Bewertungskriterien, die maßgeblich von Steinke (1999) ent‐ wickelt wurden, beurteilen die Qualität qualitativ verorteter Forschungsar‐ beiten anhand der folgenden Aspekte: Intersubjektive Nachvollziehbarkeit Das Gütekriterium der intersubjektiven Nachvollziehbarkeit bezieht sich auf den Grad, in dem Außenstehenden die Möglichkeit gegeben wird, den For‐ schungsprozess nachvollziehen und die entstandenen Ergebnisse dementspre‐ chend bewerten zu können (vgl. Steinke 2007: 186). Die Nachvollziehbarkeit tritt damit an die Stelle des klassischen Gütekriteriums der Objektivität, deren An‐ wendbarkeit im Bereich der qualitativen Forschung „eine Illusion“ (Aguado 2000: 121) bzw. „aufgrund der begrenzten Standardisierbarkeit des Vorge‐ hens […] unmöglich“ (Steinke 2013: 324) ist. Bereits auf der Ebene der theore‐ tischen Vorannahmen, der entwickelten Forschungsfragen und des gewählten methodologischen Ansatzes, die von den persönlichen Einstellungen und der fachwissenschaftlichen Sozialisation der Forschenden geprägt sind, wird eine 5 Empirische Untersuchung 148 57 Diese Möglichkeit bot sich mir während meiner Promotionszeit an der TU Darmstadt durch zahlreiche DoktorandInnen-Treffen und Kolloquien am Fachgebiet Sprachwis‐ senschaft - Mehrsprachigkeit und durch die Vorstellung des Forschungsdesigns auf verschiedenen Fachtagungen. „spezifische Perspektive auf den Untersuchungsgegenstand“ (Aguado 2000: 121) eingenommen. Um die intersubjektive Nachvollziehbarkeit in qualitativ orientierten Unter‐ suchungen zu gewährleisten, kommt der durchgängigen Dokumentation des Forschungsprozesses eine zentrale Funktion zu (vgl. Schmelter 2014: 42; Steinke 2007: 186; 2013: 324). Zunächst sollte dazu das subjektive Vorverständnis, das ich als Forscherin an den Untersuchungsgegenstand dieser Arbeit herantrage, expliziert werden, bevor u. a. die Erhebungsmethoden, der Erhebungskontext, die Auswertungsmethoden, d. h. die Genese der empirischen Arbeit in ihrer Prozesshaftigkeit mit allen zu treffenden Entscheidungen und etwaigen Prob‐ lemen, offengelegt werden (vgl. Steinke 2007: 186). Um eine intersubjektive Nachvollziehbarkeit sowohl des Prozesses als auch der Produkte der vorlie‐ genden Forschungsarbeit zu ermöglichen, ist die explizite und kritische Doku‐ mentation des methodischen Vorgehens das erklärte Anliegen dieses Kapitels. Durch die Interpretation und Diskussion empirischer Arbeiten in Forschenden‐ gruppen während des Forschungsprozesses kann darüber hinaus eine diskursive Form von intersubjektiver Nachvollziehbarkeit hergestellt werden (vgl. Steinke 2013: 326). 57 Indikation des Forschungsprozesses Anhand dieses Kriteriums wird die Angemessenheit (Indikation) der einge‐ setzten Forschungsmethoden bewertet. In diesem Zusammenhang ist die Frage zu stellen, ob die gewählten Methoden dem Untersuchungsgegenstand gerecht werden und diesen angemessen zu erfassen vermögen (siehe z. B. Flick 2004: 190 f). Dabei ist u. a. zu prüfen, ob die eingesetzten Methoden flexibel genug sind, um die subjektiven Perspektiven und das individuelle Handeln der unter‐ suchten Personen einzufangen und dieses aufgrund methodischer Zwänge nicht zu sehr einengen (z. B. durch einen zu starr angewendeten Interviewleitfaden) (vgl. Steinke 2007: 182). Um dem und auch damit verbundenen Effekten wie der sozialen Erwünschtheit entgegenzuwirken, sollte die Interaktion und Kommu‐ nikation zwischen Forschenden und UntersuchungspartnerInnen durch ein „ge‐ ringes Machtgefälle“ (Steinke 2007: 182) und eine „herrschaftsfreie Kommuni‐ kation“ (Grotjahn 1993: 235) gekennzeichnet sein. Im Kontext der forschungsmethodischen Angemessenheit sollte zudem hin‐ terfragt werden, inwiefern die eingesetzten Methoden untereinander co-inzi‐ 5.1 Forschungsmethodologische Verortung der Studie 149 diert sind, d. h. ob sie zueinander passen (vgl. Schmelter 2014: 43; Steinke 2007: 182; 2013: 328). Im Zuge der Aufbereitung und Analyse der Daten sollte darüber hinaus die Angemessenheit von vorgenommenen Stichprobenziehungen und Transkriptionsregeln überprüft werden (vgl. Steinke 2013: 327 f.). Die Indikation des methodischen Vorgehens und der ausgewählten Forschungsmethoden wird an den entsprechenden Stellen dieses Kapitels aufgegriffen. Empirische Verankerung In der qualitativen Forschung erfordert die Bildung und Überprüfung von The‐ orien eine angemessene empirische, d. h. in den Daten verankerte, Grundlage (vgl. ebd.: 328). Zur Überprüfung dieses Gütekriteriums sollten kodifizierte Ver‐ fahren, wie z. B. die objektive Hermeneutik oder die empirisch begründete The‐ oriebildung (grounded theory), verwendet werden. Die entwickelte Theorie sollte schließlich anhand hinreichender Datenbelege bestätigt werden können. In diesem Zuge sollte auch explizit thematisiert werden, wie mit Widersprüchen, Gegenbeispielen und alternativen Lesarten verfahren wurde (vgl. Steinke 2007: 183 f.). Vermieden werden sollte bei der Datengeleitetheit der Theoriebildung hingegen eine „selektive Plausibilisierung“ (Flick 2004: 317 f.), bei der lediglich passgenaue Ausschnitte aus den Daten präsentiert werden, während der übrige Teil der Daten im Verborgenen bleibt (siehe auch Schmelter 2014: 42). Verallgemeinerbarkeit/ Limitation Das Kriterium der Verallgemeinerbarkeit thematisiert, inwiefern aus einer Ein‐ zelstudie gewonnene Ergebnisse und entwickelte Theorien auf andere Kontexte transferierbar sind. Bezüglich der Verallgemeinerbarkeit wird daher im Sinne eines testing the limits (Steinke 2013: 329) geprüft, für welche Geltungsbereiche die gewonnenen Analyseergebnisse repräsentativ sind. Zudem werden die Grenzen der Gültigkeit der generierten Theorie aufgezeigt (vgl. Steinke 2007: 185). Um diesem Gütekriterium zu genügen, wird der Untersuchungskontext der Studie und damit der primäre Geltungsbereich der Ergebnisse im Zuge der Datenerhebung umfassend beschrieben (vgl. Kapitel 5.2.3; siehe dazu auch Schmelter 2014: 43), so dass die Ergebnisse und die entwickelte Theorie an diesen spezifischen Untersuchungskontext rückgebunden werden können. Die Über‐ tragbarkeit der Ergebnisse auf andere Kontexte wird im Zuge der Diskussion der Forschungsergebnisse erneut aufgegriffen (vgl. Kapitel 7). Reflektierte Subjektivität Dieses Kriterium hinterfragt, inwieweit die Rolle der Forscherin im gesamten Forschungsprozess angemessen methodisch reflektiert wird. Die Wechselwir‐ 5 Empirische Untersuchung 150 5.2 kung bezieht sich hier zum einen auf die Forscherin als Subjekt, mit u. a. ihrem biografischen Hintergrund und Forschungsinteressen, und zum anderen auf die Rolle der Forscherin als Teil des Forschungsfeldes selbst, das von ihr erforscht wird (vgl. Steinke 2013: 330 f.). Um sich der eigenen Rolle bewusst zu werden, sollte der Forschungsprozess und insbesondere die Phase des Feldeinstiegs durch Selbstbeobachtungen begleitet und die persönlichen Voraussetzungen für die Erforschung des Untersuchungsgegenstandes bzw. das eigene Vorver‐ ständnis auf den Forschungsgegenstand reflektiert werden (vgl. ebd.: 331). Da‐ rüber hinaus ist auch eine Vertrauensbeziehung zwischen Forschender und Un‐ tersuchungspartnerInnen, die eine wichtige Voraussetzung für die Erhebung und die Qualität qualitativer Daten darstellt (vgl. Froschauer / Lüger 2003: 75), begleitend zum Forschungsprozess kritisch zu reflektieren. Die konkreten Maß‐ nahmen, die während des Forschungsprozesses zur kritischen Selbstreflexion ergriffen wurden - u. a. fand während des Feldeinstiegs eine kritische Ausei‐ nandersetzung mit den eigenen Vorannahmen und den Eindrücken aus der teil‐ nehmenden Beobachtung in Form eines Forschungstagebuches statt (siehe auch Schmelter 2014: 43) - werden an den entsprechenden Stellen (siehe insbesondere die Beschreibung des Feldzugangs in Kapitel 5.2.4 und die Darstellung der Pi‐ lotstudie in Kapitel 5.3.1) näher erläutert. Die Ausführungen haben gezeigt, dass die wissenschaftstheoretischen und methodologischen Kernannehmen sowie die genuinen Merkmale des qualita‐ tiven Paradigmas eine unreflektierte Übertragung der klassischen Gütekriterien bzw. die Entwicklung eines universell einsetzbaren und allgemein verbindlichen Kriterienkatalogs verbieten. Die vorgestellten Kernkriterien sind bei der Be‐ wertung einer qualitativen Studie nicht isoliert zu betrachten, sondern es ist für jeden Einzelfall zu prüfen, ob unter Einbezug mehrerer Bewertungskriterien und in Abhängigkeit des jeweiligen Forschungsgegenstandes „das ‚bestmögliche‘ Ergebnis erzielt wurde“ (Steinke 2013: 331). In diesem Sinne wird der Bezug zu den verschiedenen Beurteilungskriterien an den entsprechenden Stellen dieses Kapitels erneut hergestellt und am konkreten methodischen Vorgehen gegen‐ standsbezogen diskutiert. Datenerhebungsinstrumente und Rahmenbedingungen der Untersuchung Um den Kriterien der Indikation und der intersubjektiven Nachvollziehbarkeit gerecht zu werden, sind die Darstellung der Datenerhebung sowie der Rahmen‐ bedingungen der Untersuchung Gegenstand des vorliegenden Kapitels. Dazu 5.2 Datenerhebungsinstrumente und Rahmenbedingungen der Untersuchung 151 5.2.1 werden zunächst die Datenerhebungsinstrumente theoretisch vorgestellt und die Indikation der Instrumente ausgehend von dem Erkenntnisinteresse der Ar‐ beit diskutiert, um danach näher auf den Kontext der Datenerhebung, d. h. auf die Charakteristika und Rahmenbedingungen des Forschungsfeldes sowie auf die UntersuchungsteilnehmerInnen einzugehen. Dieses Zusammenspiel aus den theoretisch-methodischen Vorüberlegungen zu den zentralen Merkmalen der Videografie einerseits mit den praktischen Gegebenheiten des Untersuchungs‐ kontexts andererseits bildet den Ausgangspunkt für den praktischen Einsatz des Erhebungsinstruments im Feld und die Durchführung der Untersuchung (vgl. Kapitel 5.3). Auswahl der Erhebungsinstrumente Das explorativ-interpretative Forschungsparadigma zeichnet sich durch ein me‐ thodisches Spektrum unterschiedlicher Ansätze aus, die in Abhängigkeit von dem jeweiligen Erkenntnisinteresse einer Studie individuell ausgewählt werden (vgl. Flick et al. 2013: 22). Die Wahl der Methode wird dabei zumindest partiell von den Annahmen zur Ontologie des Untersuchungsgegenstandes bestimmt. Ausgehend von dem Begriff der „Faktorenkomplexion“ (Grotjahn 2006: 248), der die Vielschichtigkeit des Untersuchungsgegenstandes widerspiegelt, zeigt die spracherwerbstheoretische Verankerung (siehe Kapitel 4), dass sprachliche Aneignungsprozesse im Rahmen dieser Studie in erster Linie vor einem inter‐ aktionistischen und soziokulturellen Hintergrund betrachtet und damit als ein „primär sozialer Prozess“ (Swain / Lapkin 1998: 321) modelliert werden. Da es sich bei Interaktionsprozessen in bilingualen Kitas um Phänomene handelt, die der menschlichen Beobachtungsfähigkeit zugänglich sind, stellt die Methode der Beobachtung ein grundsätzlich geeignetes Erhebungsinstrument dar. In der vorliegenden Studie wurden unterschiedliche Beobachtungsverfahren in den einzelnen Phasen des Forschungsprozesses eingesetzt. Für den Feldein‐ stieg erwies sich die teilnehmende Beobachtung, bei der sich die Forscherin direkt in das Forschungsfeld begibt und so selbst Teil des zu beobachtenden Geschehens wird (vgl. Bortz / Döring 2006: 267), als angemessenes methodisches Vorgehen, um das Forschungsfeld aus einer Innenperspektive heraus kennen‐ zulernen und die Hauptdatenerhebung vorzubereiten. Für die Hauptdatenerhe‐ bung hingegen hatte eine videobasierte Form der Beobachtung aufgrund ihrer Eigenschaften als Forschungsmethode entscheidende Vorteile gegenüber der teilnehmenden Beobachtung. Im Folgenden wird daher zunächst das Haupter‐ hebungsinstrument der Studie, die Videografie bzw. die videobasierte Beobach‐ 5 Empirische Untersuchung 152 58 Diese Gründe sprechen gegen das Erheben von reinen Audioaufnahmen. Nonverbale Kommunikationsmittel können so nicht festgehalten werden und gehen als Grundlage für die spätere Analyse verloren. Zudem erleichtert der Einsatz der Videokameras die Zuordnung von Personen zu Stimmen, d. h. es kann im Nachhinein nachvollzogen werden, welche Person spricht. 5.2.2 tung, vorgestellt und die Indikation des Instruments diskutiert. Der Einsatz der teilnehmenden Beobachtung wird schließlich im Zuge der Beschreibung des Feldzugangs (vgl. Kapitel 5.2.4) näher ausgeführt. Videografie als Erhebungsinstrument Für die Hauptdatenerhebung ist die Videografie als Form der „apparativen Be‐ obachtung“ (Bortz / Döring 2006: 267) bzw. der „technisch vermittelten Beobach‐ tung“ (Greve / Wentura 1997: 19) zum Einsatz gekommen. In der forschungsme‐ thodologischen Diskussion um eine angemessene Erforschung sozialer Inter‐ aktionen zeichnet sich insbesondere für den interaktionistisch-soziokulturell geprägten spracherwerbstheoretischen Diskurs die klare Forderung eines ver‐ stärkten Einsatzes von Videoaufnahmen ab (vgl. Aguado 2010a: 824). So setzt sich mittlerweile die Erkenntnis durch, dass eine angemessene Rekonstruktion sozialer Interaktion nur unter dem Einbezug von Nonverbalia der Kommuni‐ kation möglich ist (vgl. ebd.). Durch den Einsatz der Videografie greift das For‐ schungsdesign dieses Plädoyer aus dem interaktionistisch-soziokulturellen Be‐ zugsrahmen der Studie explizit auf, um die soziale Interaktion, in diesem Fall die sprachlichen Interaktionen in einer bilingualen Kita, angemessen rekon‐ struieren zu können. Die Argumente für den Einsatz der Videografie liegen daher in erster Linie in der Komplexität des Untersuchungsgegenstandes be‐ gründet. Da in der vorliegenden Studie eine Analyse von ErzieherIn-Kind-In‐ teraktionen vorgenommen wurde, sollten Daten generiert werden, die sowohl verbale, nonverbale als auch paraverbale Elemente dieser Interaktionen er‐ fassen. Insbesondere nonverbale Kommunikationsmittel spielen aufgrund der Altersstufe der Kinder eine zentrale Rolle, so dass sie zwingend in die Analyse einbezogen werden sollten. 58 Die Videografie ermöglicht dank der parallelen Aufzeichnung von Bild und Ton eine „komplexitätserhaltende Dokumentation“ (Schramm / Aguado 2010: 186) der sozialen Wirklichkeit, bei der auch nonver‐ bale Gesprächsanteile wie die Mimik und Gestik der beobachteten Personen aufgezeichnet und so später für die Analyse genutzt werden können (vgl. Huhn / Schneider 2003: 183). Knoblauch / Schnettler (2007: 587) bezeichnen die Videografie gar als das „momentan komplexeste Verfahren der sozialwissen‐ 5.2 Datenerhebungsinstrumente und Rahmenbedingungen der Untersuchung 153 schaftlichen Datenproduktion“, das Forschenden eine „Fülle von Wahrneh‐ mungsaspekten“ wie kein anderes Aufzeichnungsmedium bietet. Im Vergleich zur teilnehmenden Beobachtung, die oftmals Gefahr läuft, von den theoreti‐ schen Vorannahmen oder der fachlichen Sozialisation der Forschenden einge‐ färbt zu sein und folglich zu subjektiven Verzerrungen neigen kann (weitere methodische und forschungspraktische Probleme der Methode werden u. a. bei Atteslander 2008: 95 f. diskutiert), wird Videodaten oftmals eine „weniger sub‐ jekt- und theoriegebundene Qualität“ (Petko et al. 2003: 265; vgl. auch Schramm / Aguado 2010: 186) zugesprochen. Die begrenzte menschliche Wahr‐ nehmungsfähigkeit wird bei einer videogestützten Beobachtung dadurch abge‐ federt, dass die Beobachtung iterativ durchführbar ist, d. h., dass sie beliebig oft wiederholt werden kann (vgl. Knoblauch / Schnettler 2007: 586). Die Reprodu‐ zierbarkeit der Beobachtung ermöglicht es zudem, die Daten einer umfassenden Mikroanalyse zugänglich zu machen (Thiel 2003: 674; Wagner-Willi 2008: 221). Das Material kann auf diese Weise schrittweise erkundet werden, und relevante Ausschnitte aus dem Datenkorpus können erst im Anschluss an die eigentliche Beobachtung entsprechend der ethnomethodologischen Vorgehensweise (vgl. Schramm / Aguado 2010: 188) bestimmt werden. Dank der Reproduzierbarkeit der Beobachtung können die Daten außerdem zum einen von mehreren Forsch‐ enden im Sinne einer Beobachtertriangulation oder investigator triangulation (vgl. Flick 2011: 12) parallel analysiert werden. Damit kann überprüft werden, ob die entwickelten Beobachtungsinstrumente transparent und intersubjektiv nachvollziehbar sind. Zum anderen ist es (nach Abklärung datenschutzrechtli‐ cher Aspekte) auch denkbar, ein einmal erhobenes Videodatenkorpus anderen Forschenden zugänglich zu machen und damit unterschiedliche Fragestellungen und Erkenntnisinteressen an die Videodaten heranzutragen (vgl. Pauli / Reusser 2006: 787). Neben den verbesserten Möglichkeiten der wissenschaftlichen und fachlichen Verständigung können die Videodaten auch über wissenschaftliche Zwecke hinaus für die Aus- und Weiterbildung von PraktikerInnen, wie Lehr‐ kräften oder ErzieherInnen, nutzbar gemacht werden (vgl. Fischer / Schratz 2005; Krammer / Reusser 2005). Dank ihrer Anschaulichkeit können sie in der Aus- und Weiterbildung als flexibles Medium zur Generierung didaktischen Theoriewissens und zur Aneignung professioneller Handlungsstrategien ein‐ gesetzt werden (vgl. Schramm / Aguado 2010: 203 f.). In diesem Zusammenhang können auch Forschungsergebnisse mithilfe von Videoausschnitten in der Praxis illustriert werden. Laut Petko et al. (2003: 278) können Videostudien demzufolge eine „Brücke über die Kluft zwischen didaktischer Theorie und Praxis“ schlagen sowie einen „Kristallisationspunkt der fachdidaktischen Ver‐ ständigung“ (ebd.) bilden. 5 Empirische Untersuchung 154 59 Ausnahmen bilden hier die Studien von König (2006), Ricart Brede (2011) und Rem‐ sperger (2011). Neben dem potentiellen forschungspraktischen Mehrwert haben technische Entwicklungen gänzlich neue Perspektiven für die Videografie eröffnet. Zwar wurden bereits in den 1970er und 1980er Jahren erste Videostudien durchge‐ führt, doch wurden diese oft in eigens arrangierten Unterrichtslaboren aufge‐ zeichnet und waren daher mit einem erheblichen Kosten- und Planungsaufwand verbunden. Mittlerweile sind moderne und handliche Camcorder erhältlich, die in hochauflösendem Digitalformat aufzeichnen und damit ein hohes Maß an Bild- und Tonqualität gewährleisten. Die technischen Neuerungen haben damit zu „einem Qualitätssprung der Videoaufzeichnung bei gleichzeitig sinkenden Kosten“ (ebd.: 265) geführt. Der durch diese technischen Entwicklungen be‐ dingte Aufschwung videobasierter Forschungsaktivitäten hatte zur Folge, dass sich die Methode der Videografie auch in der empirischen Unterrichts- und Bil‐ dungsforschung zunehmend etablieren konnte. Zu den bekannten Videostudien zählen vor allem große Schulleistungsuntersuchungen aus dem mathema‐ tisch-naturwissenschaftlichen Bereich (siehe z. B. Aufschnaiter / Welzel 2001; Hugener et al. 2006), wie z. B. die TIMSS Studie für den Mathematikunterricht (Petko et al. 2003). Im Bereich der philologischen Fächer ist insbesondere die DESI -Studie, die als videobasierte Schulleistungsuntersuchung im Englischun‐ terricht durchgeführt wurde, zu nennen (siehe z. B. Helmke et al. 2007). Für den Einsatz der Videografie als Instrument zur Erforschung von Ent‐ wicklungs- und Bildungsprozessen im vorschulischen Bereich liegen bis dato eher wenige videobasierte Forschungsaktivitäten vor. 59 Dementsprechend defi‐ zitär ist auch die Publikationslage zur methodischen Anlage von Videostudien im Elementarbereich. Gleichzeitig sind die praktischen Hinweise zur Durch‐ führung von Videostudien in schulischen Kontexten nur bedingt auf das For‐ schungsfeld Kita übertragbar. Große Sorgfalt ist daher auf die präzise Beschrei‐ bung der Rahmenbedingungen und Charakteristika des Forschungsfeldes zu legen, in dem die Videografie eingesetzt wird (vgl. Kapitel 5.2.3). Gemäß der Kontextualität als genuinem Merkmal qualitativer Forschung bilden diese in‐ stitutionellen und sozialen Bedingungen des Forschungsfeldes die Basis, die es bei der Durchführung der Datenerhebung zu berückschtigen galt. Vor dem ei‐ gentlichen Einsatz der Videografie in einem Untersuchungsfeld sind jedoch noch weitere Aspekte zu beachten, die die Selektivität bzw. die Standardisierung der Aufnahme sowie forschungsethisch-datenschutzrechtliche Überlegungen betreffen. 5.2 Datenerhebungsinstrumente und Rahmenbedingungen der Untersuchung 155 5.2.2.1 5.2.2.2 Selektivität und Standardisierung der Aufnahme Die vor allem in der Komplexität und Datenfülle begründeten Vorzüge der vi‐ deobasierten Beobachtung gegenüber anderen Formen der Beobachtung sug‐ gerieren oftmals eine vermeintliche Objektivität und Vollständigkeit der Auf‐ nahme. Eine vollständige Erfassung aller Aspekte der sozialen Wirklichkeit können jedoch weder die Videografie noch eine andere Forschungsmethode leisten, da jedes Erhebungsinstrument zwangsläufig mit einem gewissen Maß an Selektivität einhergeht (vgl. Breidenstein 2007: 23). In diesem Zusammen‐ hang vermag es auch die Videografie nicht, ein „ ikonisch äquivalentes Abbild“ (Thiel 2003: 657), „Analogien von Wirklichkeit“ (Keifenheim 2003: 249) oder ein „Abbild von Realität“ (Wagner-Willi 2008: 222) zu schaffen. So argumentiert Huhn (vgl. 2005: 419), dass die Videografie keinesfalls komplexitätserhaltend, sondern aufgrund der technischen Beschränkungen der Videokamera eher kom‐ plexitätsreduzierend vorgeht. Durch diese Reduzierung wird der methodische Zugang zu einigen Forschungsfelder überhaupt erst möglich, da die verringerte Komplexität erst das Aufdecken von Mustern und Strukturen ermöglicht (vgl. ebd.). In diesem Sinne argumentiert Huhn (vgl. ebd.) weiter, dass die Videografie die Wirklichkeit nicht abbildet, sondern diese konstruiert. Aufgrund der Tat‐ sache, dass nicht „die Kamera entscheidet, welche Bilder sie macht, sondern die Person hinter der Kamera“ (Dittrich 2002: 3), muss vor dem Einsatz der Video‐ grafie festgelegt werden, wie die Kamera im Forschungsfeld eingesetzt wird und welche Situationen videografiert werden sollen. Diese Richtlinien sollten dabei von dem konkreten Untersuchungsgegenstand und den Forschungsfragen aus‐ gehen und nicht dem „Technik-Imperativ“ (Irion 2002: 2) unterliegen, d. h. sich auf die Erhebung von gut filmbaren Ereignissen beschränken. Im Rahmen der Pilotstudie wurde daher ein Aufnahmekonzept entwickelt, das die Aufnahme‐ situation in Übereinstimmung mit dem Erkenntnisinteresse der Studie standar‐ disiert (vgl. Schneider 2003: 28). Videografie und forschungsethisch-datenschutzrechtliche Überlegungen Da empirische Forschung in DaF / DaZ stets mit Personen zu tun hat, muss sich jede(r) Forschende fragen, welche Rahmenbedingungen durch das Forschungsprojekt ge‐ schaffen oder verändert werden, welche Konsequenzen sich ggfs. für die Forschungs‐ teilnehmer(innen) ergeben könnten - und welche Spielregeln einzuhalten sind (Riemer 2014: 25). Diese Forderung verdeutlicht, dass - obgleich Fragen der Forschungsethik im Bereich der Fremdsprachenbzw. Sprachlehrlernforschung bislang nur selten explizit thematisiert wurden - diese bei der Vorbereitung und Planung einer 5 Empirische Untersuchung 156 60 Der Gesetzestext ist im Internet publiziert und kann unter dem folgenden Link nach‐ gelesen werden: http: / / www.gesetze-im-internet.de/ bundesrecht/ kunsturhg/ ge‐ samt.pdf; letzter Zugriff am 20. 07. 16. empirischen Studie unbedingt zu berücksichtigen sind (vgl. ebd.). Dies gilt in besonderem Maße für den Einsatz der Videografie, der mit spezifischen for‐ schungsethischen Überlegungen verbunden ist. Die zentral diskutierten Punkte kreisen insbesondere um die Themenfelder des Datenschutzes und der Anony‐ misierung personenbezogener Daten. In einem videografischen Forschungs‐ prozess kommt dem Einhalten der Richtlinien des Datenschutzes höchste Prio‐ rität zu (vgl. Schramm 2014: 246 f.). Da das Recht am eigenen Bild als Ausprägung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts im deutschen Kunsturheberrecht § 22 60 festgeschrieben und auch im Grundgesetz rechtlich verankert ist (vgl. Bundes‐ zentrale für politische Bildung 1998: 13), müssen zunächst alle Personen, die zu wissenschaftlichen Zwecken videografiert werden sollen, ihr ausdrückliches Einverständnis zur Teilnahme an der Videostudie versichern. Die Erteilung des Einverständnisses sollte in Form einer schriftlichen Einverständniserklärung, auch informed consent form (Mackey / Gass 2005: 26; Hopf 2013: 591 f.; Tuma et al. 2013: 69) vorliegen. Die informierte Einwilligung verfolgt den Grundsatz, „die potenziellen Untersuchungsteilnehmer zur angemessenen Fundierung ihrer Teilnahme-Entscheidung möglichst ausführlich vorab zu informieren“ (Hopf 2013: 592). In Studien bildet sie daher die Basis der Forschungsbeziehung zwi‐ schen Forschenden und UntersuchungsteilnehmerInnen (vgl. Miethe 2010: 929). Der Aufbau einer schriftlichen Einverständniserklärung beinhaltet nach allge‐ meinen einführenden Informationen zu den Zielen und der Durchführung der Untersuchung (vgl. Mackey / Gass 2005: 27) Hinweise zu der Bearbeitung, Ano‐ nymisierung und Archivierung der Daten (vgl. ebd.: 29), so dass für die poten‐ tiellen StudienteilnehmerInnen transparent wird, was nach der Datenerhebung mit dem Videomaterial geschieht. In dem Dokument sollte zudem eine Kon‐ taktadresse ersichtlich sein, damit sich die Interessenten bei möglichen Rück‐ fragen an die Forscherin wenden können (vgl. ebd.: 27). In einem letzten Schritt erklären die angefragten Personen, über den Ablauf der Studie aufgeklärt worden zu sein. Sie unterzeichnen zudem ihr Einverständnis zur Anfertigung der Videoaufnahmen und zur Verwendung der Videodaten zu wissenschaftli‐ chen Zwecken (siehe Einverständniserklärung in Anhang 1). In der vorliegenden Studie wurde die Einverständniserklärung von den pä‐ dagogischen Fachkräften und den Eltern (stellvertretend für ihre nicht-volljäh‐ rigen Kinder) unterzeichnet. Da es sich bei denen im bilingualen TU -Kinderhaus betreuten Kleinkindern um minderjährige UntersuchungsteilnehmerInnen han‐ delt, musste die informierte Einwilligung durch die Eltern bzw. Erziehungsbe‐ 5.2 Datenerhebungsinstrumente und Rahmenbedingungen der Untersuchung 157 rechtigten erfolgen (vgl. Settinieri 2014: 62; Tuma et al. 2013: 67). In zwei- und mehrsprachigen Forschungskontexten sollte außerdem dafür Sorge getragen werden, dass Personen aufgrund ihrer Sprachkompetenz nicht von der infor‐ mierten Einwilligung ausgeschlossen werden, da „die Zustimmung sonst leicht Gefahr läuft, pro forma zwar vorzuliegen, de facto aber weit entfernt von einem informed consent“ (Miethe 2010: 929) ist. Dementsprechend wurden die Ein‐ verständniserklärungen sowohl in deutscher als auch in englischer Sprache verfasst und standen den Eltern und den Erzieherinnen der Einrichtung in beiden Sprachen zur Verfügung. Zudem wurde vor Beginn der Videoaufnahmen das schriftliche Einverständnis von educcare als Träger der Einrichtung einge‐ holt, Videoaufnahmen in den Räumlichkeiten des bilingualen TU -Kinderhauses anfertigen und zu wissenschaftlichen Zwecken in anonymisierter Form ver‐ wenden zu dürfen. Forschende, die eine videobasierte Beobachtungsstudie planen, sehen sich im Laufe des Forschungsprozesses auch mit Fragen der Anonymisierung konfron‐ tiert. Die Anonymisierung von Daten verfolgt in erster Linie das Ziel, das „Prinzip der Nicht-Schädigung“ (Hopf 2013: 594) umzusetzen. Dieses besagt, dass den UntersuchungspartnerInnen aus der Teilnahme an der Studie keine persönlichen Nachteile entstehen sollen und ihre Privatsphäre daher zu schützen ist (vgl. Miethe 2010: 930; Settinieri 2014: 61; Tuma et al. 2013: 67). Auf der anderen Seite wird entgegnet, dass eine Anonymisierung von Daten nur mit einem hohen technischen Aufwand möglich ist (z. B. das Retuschieren von Ge‐ sichtern). Dies geht gleichzeitig mit einem nicht zu unterschätzenden Authen‐ tizitätsverlust und infolge dessen einer Einschränkung der Aussagekraft des Datenmaterials einher (vgl. Petko et al. 2003: 269). Dieses Problem ist umso gra‐ vierender, wenn, wie in der vorliegenden Analyse, auch nonverbale Interakti‐ onselemente in der Untersuchung berücksichtigt werden sollen. Es gilt daher, zwischen diesen beiden Endpolen des Schutzes der individuellen Privatsphäre der StudienteilnehmerInnen und dem wissenschaftlichen Erkenntnisinteresse jeweils verantwortlich abzuwägen (vgl. Miethe 2010: 931). Die Überlegungen zur Anonymisierung kommen insbesondere im Zuge der Datenaufbereitung und der Datenanalyse zum Tragen (vgl. Kapitel 5.4). Zusammenfassend liegt das Potenzial des Videografie-Einsatzes in der vor‐ liegenden Studie angesichts der Komplexität des Untersuchungsgegenstandes in der Überwindung der begrenzten Wahrnehmungs- und Verarbeitungskapa‐ zität von BeobachterInnen im Forschungsfeld und der Fähigkeit, die Flüchtigkeit von Echtzeitbeobachtungen zu überwinden (vgl. Schramm / Aguado 2010: 187), begründet. Die Videografie ist aufgrund der Multicodalität der Daten (vgl. Irion 2002: 2) das Verfahren, das der Komplexität von Unterrichtsbzw. Lehr- und 5 Empirische Untersuchung 158 5.2.3 5.2.3.1 Lernprozessen methodisch am ehesten gerecht werden kann (vgl. Schramm / Aguado 2010). Die videobasierte Beobachtung ermöglicht damit eine holistische und umfassende Sicht auf sprachliche ErzieherIn-Kind-Interakti‐ onen und greift gemäß dem Gütekriterium der Indikation den spracherwerbs‐ theoretischen Bezugsrahmen dieser Studie auch forschungsstrategisch wieder auf. Forschungsfeld Von den theoretischen Vorüberlegungen zur Methode der Videografie ausge‐ hend werden in diesem Kapitel der Untersuchungskontext und das Forschungs‐ feld der Studie vorgestellt. Die präzise Beschreibung dieses Untersuchungskon‐ textes ist notwendig, um daraus die praktischen Konsequenzen für den Einsatz der Videografie ableiten und mögliche forschungspraktische Probleme und He‐ rausforderungen antizipieren zu können. Darüber hinaus soll die Darstellung des Forschungsumfeldes den RezipientInnen dieser Arbeit die Möglichkeit er‐ öffnen, die institutionellen Rahmenbedingungen und sozialen Einflussfaktoren der Datenerhebung intersubjektiv nachvollziehen zu können. Die Forschungs‐ ergebnisse können so später auf den Untersuchungskontext rückbezogen und die Reichweite bzw. Limitation der Ergebnisse ausgehend von diesen konkreten Rahmenbedingungen diskutiert werden. Wissenschaftliche Begleitung des bilingualen TU-Kinderhauses Die vorliegende Forschungsarbeit wurde in dem deutsch-englisch bilingualen Kinderhaus der TU Darmstadt, am Standort Lichtwiese, durchgeführt. Im Zu‐ sammenhang mit der Einrichtung meiner Stelle als wissenschaftliche Mitarbei‐ terin an der TU Darmstadt im April 2011 wurde ich mit der wissenschaftlichen Begleitung der im November 2010 eröffneten bilingualen Einrichtung beauf‐ tragt. Im Rahmen der wissenschaftlichen Begleitforschung ist auch die vorlie‐ gende Dissertationsschrift entstanden. Die wissenschaftliche Begleitforschung versteht sich als Form der ange‐ wandten bzw. anwendungs- und praxisorientierten Forschung, die sich der Me‐ thoden und Instrumente der empirischen Sozialforschung bedient und an deren Standards und Gütekriterien misst (vgl. Kromrey 2007: 113 f.). Als besonderes Merkmal dieser Forschung stellt Kromrey (1988: 223) heraus, dass sie an einen „real existierenden Gegenstand gebunden ist“ und damit einen konkreten An‐ knüpfungspunkt in der Praxis hat, der demnach eine natürliche Forschungssi‐ tuation ermöglicht. Bezüglich der inhaltlichen Ausgestaltung der wissenschaft‐ 5.2 Datenerhebungsinstrumente und Rahmenbedingungen der Untersuchung 159 61 Die Grundzüge des Bildungskonzepts sind auf der educcare-Homepage nachzulesen: http: / / www.educcare.de / educcare-bildungskonzept.html? &L=0, letzter Zugriff am 20. 07. 16. Das komplette Bildungskonzept liegt für die educcare-MitarbeiterInnen in schriftlicher, aber unveröffentlichter Form vor. 5.2.3.2 5.2.3.3 lichen Begleitung wurden mir dankenswerterweise größte inhaltliche Frei‐ heiten gelassen, so dass das im Rahmen dieser Studie entwickelte Forschungsdesign und die Auswahl geeigneter Forschungsmethoden trotz der institutionellen Koppelung auf meinem persönlich begründeten Erkenntnisin‐ teresse beruhen. Die Einrichtung, die ich während meiner Beschäftigungszeit an der TU Darmstadt intensiv begleitet habe, möchte ich im Folgenden vorstellen und ins‐ besondere jene Aspekte vertiefend erläutern, die für die durchzuführende vide‐ ogestützte Datenerhebung von forschungspraktischer Relevanz waren. Zielgruppen der Einrichtung Das deutsch-englisch bilinguale Kinderhaus der TU Darmstadt ist eine reine Krippeneinrichtung. Die 40 derzeit zur Verfügung stehenden Betreuungsplätze werden daher an Kinder im Alter von einem bis drei Jahren vergeben. Aufgrund des Status als universitätsnahe Einrichtung werden 90 % der Betreuungsplatz‐ kapazitäten mit Kindern TU -Angehöriger, d. h. ProfessorInnen, wissenschaft‐ liche MitarbeiterInnen und MitarbeiterInnen der Verwaltung und Studierenden, besetzt. Lediglich 10 % der Betreuungsplätze können folglich an Nicht- TU -An‐ gehörige vergeben werden. Damit setzt sich das Klientel des TU -Kinderhauses aus einer spezifischen Zielgruppe zusammen, die zu großen Teilen über einen akademischen Hintergrund verfügt. Diese Zielgruppe, die sicherlich nur bedingt repräsentativ für andere Betreuungseinrichtungen des deutschen Elementarbe‐ reichs ist, gilt es daher im Laufe der Untersuchung zu reflektieren und die For‐ schungsergebnisse auch vor diesem spezifischen sozialen Hintergrund zu dis‐ kutieren. Betreiber und (Sprach-)Erziehungskonzept Betrieben wird die Einrichtung von dem privaten Anbieter educcare, der mitt‐ lerweile (Stand: August 2016) 31 Einrichtungen deutschlandweit betreibt. Die pädagogische Arbeit in den educcare-Kinderhäusern erfolgt nach einem Bil‐ dungskonzept, das sich sowohl aus dem Situationsorientierten Ansatz als auch aus Elementen der Montessori- und Reggio-Pädagogik speist (educcare 2015). 61 Da im Rahmen dieser Studie jedoch sprachliche ErzieherIn-Kind-Interaktionen untersucht wurden, ist insbesondere das in der Einrichtung praktizierte Sprach‐ erziehungskonzept von Interesse. Dieses orientiert sich an der Methode der Im‐ 5 Empirische Untersuchung 160 5.2.3.4 mersion, einer alltagsintegrierten und kindgerechten Form der Sprachvermitt‐ lung, die im Zuge der theoretischen Fundierung dieser Arbeit umfassend dar‐ gestellt wurde (vgl. Kapitel 2.4.2). Umgesetzt wird die Methode der Immersion im TU -Kinderhaus nach dem Prinzip der personengebundenen Sprachverwen‐ dung one person - one language (vgl. Döpke 1992; Ronjat 1913), so dass die deutschsprachigen Fachkräfte der Einrichtung ausschließlich auf Deutsch und die englischsprachigen Fachkräfte ausschließlich auf Englisch mit den Kindern interagieren (siehe vertiefend dazu die Darstellung zur Funktionsweise im‐ mersiv-bilingualer Kitas in Kapitel 2.4.2.4). Betreuungsstruktur und Gruppenkonstellation Aus der Umsetzung der Immersionsmethode nach dem Prinzip one person - one language ergeben sich auch die Gruppenkonstellationen im TU -Kinderhaus. Pro Gruppe werden zehn Kinder von jeweils drei pädagogischen Fachkräften be‐ treut. Zwei der Fachkräfte vertreten sprachlich das Deutsche in der Gruppe, während die dritte Fachkraft ausschließlich Englisch mit den Kindern spricht. Der Betreuungsschlüssel in dieser Einrichtung entspricht mit der Relation 1: 3 dem Betreuungsverhältnis, das im Rahmen der aktuellen Qualitätsdebatte für die frühkindliche Betreuung in Krippeneinrichtungen empfohlen wird (vgl. Bertelsmann Stiftung 2013: o. A.; European Commission Network on Childcare and Other Measures to Reconcile the Employment and Family Responsibilities of Men and Women 1996: C27) und liegt deutlich über dem bundesweiten Durchschnitt, einer Betreuungsrelation von 1: 4,5 (vgl. Bertelsmann Stiftung 2013: o. A.). Die Faktoren Gruppengröße und ErzieherIn-Kind-Schlüssel werden in der Qualitätsdiskussion unter dem Begriff der Strukturqualität als „situati‐ onsabhängige, zeitlich stabile Rahmenbedingungen der Kindergartengruppe und des Kindergartens“ (Tietze 1998: 22) zusammengefasst. Innerhalb dieser strukturellen Rahmenbedingungen können sich pädagogische Prozesse ent‐ falten. Unter der Dimension der Prozessqualität wird „das Gesamt der Interak‐ tionen und Erfahrungen, die das Kind in der Kindergartengruppe mit seiner sozialen und räumlich-materialen Umwelt macht“ subsumiert (ebd: 21 f.). Für die Qualität frühkindlicher Bildungsprozesse spielt die ErzieherIn-Kind-Rela‐ tion als Faktor der Strukturqualität demnach eine zentrale Rolle. Bei einem aus‐ gewogenen Personalschlüssel kommt es zu mehr entwicklungsanregenden 1: 1-Interaktionen, die die kognitive und sprachliche Entwicklung des Kindes 5.2 Datenerhebungsinstrumente und Rahmenbedingungen der Untersuchung 161 62 Weitere Studien bezüglich dieser Dimensionen belegen zudem folgendes: Ein hoher Personalschlüssel fördert positivere soziale Interaktionen und schafft ein besseres so‐ ziales Klima (vgl. Howes 1983), eine höhere Sozialkompetenz, kooperativeres Verhalten und höhere Leistungsfähigkeit (Clarke-Stewart / Gruber 1984; Howes 1988; Howes / Olenick 1986). Kleinere Gruppen und ein höherer Personalschlüssel korrelieren dementsprechend mit positiven Interaktionsmustern und wünschenswerteren kindli‐ chen Entwicklungsverläufen (Hayes et al. 1990; Howes 1988). 5.2.4 positiv beeinflussen können (vgl. z. B. Siraj-Blatchford et al. 2002; Sylva et al. 2003). 62 Vor dem Hintergrund der skizzierten Empfehlungen zur Betreuungssituation im frühkindlichen Bereich auf europäischer und bundesweiter Ebene lässt sich die Strukturqualität des TU -Kinderhauses (u. a. Personalschlüssel, Gruppen‐ größe) als überdurchschnittlich einstufen. Die strukturellen Rahmenbedin‐ gungen bieten damit günstige Voraussetzungen für die Entfaltung prozess‐ ural-pädagogischer Qualitätsdimensionen. Sprachliche Interaktionen zwischen Fachkraft und Kind werden daher als wichtiger Faktor der Prozessqualität einer Einrichtung (vgl. Tietze 1998: 245 f.) im Rahmen der vorliegenden Dissertati‐ onsstudie näher beleuchtet. Feldzugang Die Phase des Feldzugangs sollte in empirischen Studien als eigenständiges so‐ ziales Phänomen betrachtet, gestaltet und reflektiert werden (vgl. Wolff 2013: 339). Sie hat insofern eine tragende Rolle im Forschungsprozess, als dass der gewählte Zugang zu dem Feld maßgeblichen Einfluss u. a. auf die Auswahl möglicher UntersuchungspartnerInnen, die Etablierung eines vertrauensvollen Feldkontakts und die Qualität der in dem Forschungsfeld zu erhebenden Daten haben kann (vgl. Shenton / Hayter 2004: 223). Insbesondere im Bereich der vi‐ deobasierten Forschung stellt der Feldzugang ein „zugegebenermaßen nicht immer einfaches Unterfangen [dar], da auf Seiten der Institutsvertretenden, Lehrpersonen und Lehrenden leicht nachvollziehbare Bedenken bestehen können“ (Schramm 2014: 246). Die Gestaltung des Feldzugangs der Forscherin zu dem skizzierten Forschungsfeld wird im Folgenden nachgezeichnet und die eigene Rolle im Sinne der reflektierten Subjektivität kritisch diskutiert. Im Rahmen der wissenschaftlichen Begleitung bestand bereits vor dem ersten eigentlichen Feldzugang ein gewisser „Türöffner“ zur der Einrichtung (vgl. Wolff 2013: 342). Da es sich bei der Institution Kita um ein nach außen hin abgeschlossenes Forschungsfeld handelt, das im Gegensatz zu öffentlichen For‐ 5 Empirische Untersuchung 162 5.2.4.1 schungsfeldern, wie z. B. ein öffentlicher Kinderspielplatz oder ein Bahnhofs‐ vorplatz, nicht für jedermann frei zugänglich ist, bildete diese institutionelle Verzahnung von Kinderhaus und TU Darmstadt den Grundstein für den Zugang zum Forschungsfeld (vgl. Übersicht über mögliche Strategien zum Feldzugang bei Shenton / Hayter 2004: 226 f.). In diesem Zusammenhang kamen der Leitung des Kinderhauses und dem pädagogischen Coach von educcare eine wichtige Funktion als sogenannte gatekeeper („Türöffner“) zum Forschungsfeld zu (vgl. Glesne / Peshkin 1992: 33 f.; Scholz 2005: 397). Durch diese günstigen Rahmen‐ bedingungen entfielen mögliche Schwierigkeiten des ersten Feldzugangs, wie sie in anderen Studien beschrieben werden (z. B. Peshkin 1984). Merkmale und Ziele der teilnehmenden Beobachtung Zur Gestaltung des Feldzugangs wurde die Methode der teilnehmenden Be‐ obachtung gewählt. Diese stellt ein etabliertes Verfahren innerhalb der Feldfor‐ schung dar (vgl. Lüders 2013a: 385). In der qualitativen Sozialforschung wird unter der Methode der Beobachtung „das systematische Erfassen, Festhalten und Deuten sinnlich wahrnehmbaren Verhaltens zum Zeitpunkt seines Geschehens“ verstanden, deren Anliegen es ist, „soziale Realität durch systematische Wahr‐ nehmungsprozesse zu erfassen und die Ergebnisse der Kontrolle wissenschaft‐ licher Diskussionen zu unterziehen“ (Atteslander 2008: 67). Als Forschungsme‐ thode zeichnet sich die teilnehmende Beobachtung dadurch aus, dass sie cha‐ rakteristischerweise „im Feld“ (ebd.: 87) erfolgt sowie „durch die Teilnahme an face-to-face-Interaktionen bzw. die unmittelbare Erfahrung von Situationen As‐ pekte des Handelns und Denkens beobachtbar werden, die in Gesprächen und Dokumenten - gleich welcher Art - über diese Interaktionen bzw. Situationen nicht in dieser Weise zugänglich wären“ (Lüders 2003: 151). Dadurch können Forschende eine Innenperspektive einnehmen, die Außenstehenden in dieser unmittelbaren Form der Teilhabe verschlossen bleibt. Auf diese Weise können die Charakteristika des Forschungsfeldes direkt und in der authentischen Um‐ gebung erfasst werden (vgl. Bortz / Döring 2006: 267). Im Rahmen der vorlie‐ genden Forschungsstudie wurde die teilnehmende Beobachtung in erster Linie mit der Zielsetzung durchgeführt, einen ersten Zugang zu dem beschriebenen Forschungsfeld zu gewinnen, dessen Charakteristika sowie die in ihm handel‐ nden Akteure (pädagogische Fachkräfte, Kinder, Eltern, etc.) kennenzulernen sowie das Erkenntnisinteresse der Arbeit zu präzisieren. Die teilnehmende Be‐ obachtung ermöglichte damit das Aneignen einer umfassenden Feldkenntnis, die für die anschließende videogestützte Datenerhebung im Vorfeld wichtige forschungspraktische Hinweise lieferte. 5.2 Datenerhebungsinstrumente und Rahmenbedingungen der Untersuchung 163 5.2.4.2 Rolle der Beobachterin im Feld Die teilnehmende Beobachtung wurde im bilingualen Kinderhaus zweimal wö‐ chentlich über einen Zeitraum von zehn Monaten durchgeführt. In diesem Zeit‐ raum war ich in den vier Gruppen der Einrichtung nacheinander bei allen Ak‐ tivitäten (Frühstück, Freispielzeit, geplante Aktivitäten, Waldspaziergänge, etc.) als „Beobachter-als-Teilnehmer“ bzw. „Teilnehmer-als-Beobachter“ (siehe die Typologie von Beobachterrollen bei Gold 1958 oder Schwartz / Schwartz 1955) anwesend. Anhand der Begrifflichkeiten wird deutlich, dass die Rolle der For‐ scherin im Feld sowie ihr Grad der Involviertheit in das Beobachtungsgeschehen situations- und forschungsphasenabhängig variieren können (vgl. u. a. Sprenger 1989). Hinsichtlich des Partizipationsgrades wird im Rahmen der teilnehmenden Beobachtung daher zwischen der aktiv-teilnehmenden und passiv-teilnehm‐ enden Beobachtung unterschieden (vgl. Lamnek 2010: 562). Bei einer aktiv-teil‐ nehmenden Beobachtung übernimmt die Forscherin die Rolle des „Teil‐ nehmer[s]-als-Beobachter“, indem sie in erster Linie Teilnehmerin am sozialen Geschehen und erst in zweiter Linie Beobachterin derselben ist (vgl. Atteslander 2008: 86). Bei der passiv-teilnehmenden Beobachtung hingegen konzentriert sich die Forscherin als „Beobachter-als-Teilnehmer“ vorrangig auf ihre Rolle als Beobachterin und übernimmt lediglich kleine Tätigkeiten, um sich in das Feld zu integrieren (vgl. ebd.). Meine Rolle im Feld definierte ich ursprünglich als passiv-teilnehmend, verbunden mit dem Anspruch, mich in erster Linie auf die wissenschaftliche Beobachtung zu konzentrieren. Bereits während der ersten Wochen der teilnehmenden Beobachtung erwies es sich jedoch als nicht prak‐ tikabel, diese Rolle gegenüber den Kleinkindern konsequent und ausnahmslos einzuhalten. Da diese sich nicht meiner Sonderrolle als Forscherin bewusst waren, behandelten sie mich schon nach wenigen Wochen wie eine Erzieherin und versuchten, mich (z. B. durch das Zeigen eines Bilderbuches) in das Ge‐ schehen zu integrieren. In derartigen Situation war es deshalb aus ethischen Erwägungen erforderlich (vgl. Miethe 2010), kurzfristig in die aktiv-teilneh‐ mende Beobachtung zu wechseln, um die Kinder in ihrer gewohnten Umgebung nicht zu verunsichern. Neben dem Partizipationsgrad wird hinsichtlich der Transparenz der Be‐ obachtungsintention zwischen einer offenen und verdeckten Beobachtung un‐ terschieden (vgl. Bortz / Döring 2006: 267 f.). Zwar verbietet sich eine verdeckte Beobachtung allein schon aus forschungsethischen Gründen, doch ist eine kom‐ plett offene Beobachtung in dem Sinne, dass die StudienteilnehmerInnen in vollem Umfang über das Forschungsinteresse aufgeklärt werden, auch nur in den seltensten Fällen möglich. Um eine Beeinflussung des Verhaltens und Han‐ delns der Erzieherinnnen des TU -Kinderhauses möglichst zu vermeiden, 5 Empirische Untersuchung 164 5.2.4.3 trotzdem aber einen ethisch-moralisch vertretbaren und gleichberechtigten Umgang mit den Studienteilnehmerinnen zu pflegen, galt, wie auch in anderen Studien, der Grundsatz „so offen wie möglich - so verdeckt wie nötig“ (Rem‐ sperger 2011: 93). Den Erzieherinnen wurde daher das Rahmenthema der Un‐ tersuchung - sprachliche Interaktionen zwischen Fachkraft und Kind - nicht aber die einzelnen Forschungsfragen preisgegeben, die eine Fokussierung der Erzieherinnenperspektive erkennen ließen. Phasen der teilnehmenden Beobachtung Der Einsatz der teilnehmenden Beobachtung als Instrument zur Erkundung des Forschungsfeldes ist als Prozess zu verstehen, der sich aus aufeinander aufbau‐ enden Phasen zusammensetzt. Diese zeichnen sich durch eine zunehmende Konkretisierung und Fokussierung auf einen speziellen Forschungsgegenstand aus (vgl. Spradley 1980, zitiert nach Flick 2004: 207). Die Anfangsbeobachtungen im bilingualen TU -Kinderhaus erfolgten frei, offen und unstandardisiert (vgl. Bortz / Döring 2006: 269) und waren eher deskriptiv angelegt. An dieser Stelle fand insbesondere die Offenheit als Merkmal qualitativer Forschung Berück‐ sichtigung, da das Forschungsfeld zunächst unvoreingenommen und ohne vorher festgelegte Hypothesen oder Forschungsfragen erkundet werden sollte. Im Laufe der ersten Monate des Feldkontakts verdichtete sich der Beobach‐ tungsfokus hin zu einer „fokussierten Beobachtung“ (Flick 2004: 207). In dieser Phase entwickelte sich mein Erkenntnisinteresse. Dieses konzentrierte sich zu‐ nehmend auf die sprachlichen Interaktionen zwischen den pädagogischen Fach‐ kräften und den Kindern während der Freispielzeit. Im Anschluss an die Kon‐ kretisierung des Beobachtungsfokus wurden die Forschungsfragen formuliert, die im Rahmen dieser Studie bearbeitet wurden (vgl. Kapitel 3.3). Nach der Ent‐ wicklung der konkreten Forschungsfragen wurde die teilnehmende Beobach‐ tung zunehmend „selektiver“ (ebd.) und konzentrierte sich vornehmlich auf jene Beobachtungssituationen, die für die Bearbeitung der generierten Forschungs‐ fragen relevant waren. Parallel zu der Phase der selektiven Beobachtung begann ich zudem, das For‐ schungsfeld unter forschungspraktischer Perspektive für den anstehenden Ein‐ satz der Videografie in den Blick zu nehmen. Die „Recherche im Feld vor dem Einsatz der Kamera“ (Huhn 2005: 417) ist ein konstitutiver Arbeitsschritt bei der Entwicklung eines videobasierten Forschungsdesigns. Um während der Daten‐ erhebung zielgerichtet relevante Videodaten für die entwickelten Forschungs‐ fragen erheben zu können, sollten als Vorbereitung auf die eigentliche Erhe‐ bungsphase die Rahmenbedingungen für den Einsatz der Videografie im For‐ schungsfeld abgesteckt werden. In diesem Zusammenhang wurden erste 5.2 Datenerhebungsinstrumente und Rahmenbedingungen der Untersuchung 165 5.2.4.4 Überlegungen zur Kamerapositionierung und -perspektive angestellt und aus‐ gehend von den alltäglichen Eindrücken aus der teilnehmenden Beobachtung mögliche Herausforderungen bezüglich des Kameraeinsatzes antizipiert. Auf dieser Grundlage sind erste Ideen für mögliche Aufnahmekonzepte entstanden, die im Rahmen der Pilotierung auf ihre Umsetzbarkeit hin erprobt wurden. Forschungstagebuch Die gesamte Phase der teilnehmenden Beobachtung wurde durch das Führen eines Forschungstagebuchs unterstützt. Dieses diente der Dokumentation des Forschungsprozesses und der Protokollierung der Beobachtungsdaten (vgl. At‐ teslander 2008: 92). In der vorliegenden Studie wurden die Eindrücke aus den teilnehmenden Beobachtungen nach jedem Tag in dem Forschungstagebuch als freie Notizen niedergeschrieben. Durch diese schriftliche Fixierung der Be‐ obachtungsdaten konnten die einzelnen Phasen der teilnehmenden Beobach‐ tung (frei / offen-fokussiert-selektiv) auch anhand des Forschungstagebuchs transparent gemacht und nachvollzogen werden. Mit zunehmender Konkreti‐ sierung des Forschungsgegenstandes, d. h. einer Fokussierung auf die sprachli‐ chen Interaktionen zwischen den Erzieherinnen und Kindern, wurden die Er‐ gebnisse der teilnehmenden Beobachtungen mit der Fachliteratur abgeglichen. Auch mögliche Hinweise auf einschlägige Studien und Forschungsergebnisse wurden in Verbindung mit den Beobachtungen im Forschungstagebuch festge‐ halten. Durch diesen zyklischen Prozess, bestehend aus der Kombination aus teilnehmender Beobachtung und Forschungstagebuch bei gleichzeitigem Ab‐ gleich mit der Fachliteratur, wurde der Forschungsgegenstand zunehmend kon‐ kretisiert und die für die Untersuchung leitenden Forschungsfragen entwickelt (vgl. Abbildung 3). 5 Empirische Untersuchung 166 Abb. 3: Generierung der Forschungsfragen Gleichzeitig diente das Forschungstagebuch auch der kontinuierlichen Selbst‐ beobachtung der Forscherin während des Feldeinstiegs (vgl. Atteslander 2003: 92). Im Zusammenhang mit der reflektierten Subjektivität als Gütekriterium der qualitativen Forschung kommt der Thematisierung und Reflexion der konsti‐ tuierenden Rolle der Forscherin insbesondere beim Feldeinstieg eine zentrale Rolle zu (vgl. Steinke 2013: 330 f.). Mithilfe des Forschungstagebuches wurden die impliziten Vorannahmen zum Forschungsfeld sowie die Einstellungen und Haltungen zu den am Forschungsprozess beteiligten Personen methodisch re‐ flektiert. Da jede Art von Forschung immer auch einen sozialen Prozess darstellt (vgl. Aguado 2000: 123) und insbesondere die teilnehmende Beobachtung auf der sozialen Beziehung zwischen Forschenden und den zu beobachtenden Per‐ sonen basiert (vgl. Hauser-Schäublin 2003: 34), erfordert der Feldkontakt einen ständigen Balanceakt zwischen notwendiger wissenschaftlicher Distanz und 5.2 Datenerhebungsinstrumente und Rahmenbedingungen der Untersuchung 167 Nähe zum bzw. Teilhabe am Beobachtungsgeschehen (vgl. Bruyn 1966: 14). Et‐ waige Rollenkonflikte, die in Verbindung mit der Rolle der Beobachterin ent‐ stehen können, wie etwa das going-native-Phänomen, bei der es zu einer Über‐ identifikation mit dem Feld und der gleichzeitigen Aufgabe der Beobachterrolle kommt (vgl. Häder 2010: 303), wurden so reflektiert und bereits im Vorfeld ab‐ gefedert. In diesem Sinne wurde das Forschungstagebuch als Instrument ein‐ gesetzt, „um regelmäßig und bewusst die forschende Distanz herstellen zu können“ (Schmelter 2014: 43). Zusammenfassend erwies sich die teilnehmende Beobachtung als geeignetes methodisches Vorgehen zur Etablierung des Feldkontakts. Im Sinne der quali‐ tativen Forschung ermöglichte sie eine offene und unvoreingenommene Explo‐ ration des Forschungsfeldes. Anhand der klassischen Phasen der teilnehmenden Beobachtung konnte ich so mein Erkenntnisinteresse zunehmend spezifizieren und durch den kontinuierlichen Feldkontakt erste Hypothesen zum Forschungs‐ gegenstand überprüfen und ggf. widerlegen. Der Einsatz des Forschungstage‐ buches stellte sich als unerlässliches Begleitinstrument der teilnehmenden Beobachtung heraus, da es nicht nur der schriftlichen Fixierung der Beobach‐ tungsergebnisse, sondern auch der Reflexion meiner Rolle als Forscherin diente. Mithilfe des Forschungstagebuches ist es daher möglich, sowohl die inhalt‐ lich-thematische Genese der Arbeit als auch die eigene Entwicklung der For‐ scherin als Teil des Forschungsprozesses retrospektiv nachzuzeichnen. Durch die teilnehmende Beobachtung ist es zudem gelungen, bereits in der Feldein‐ gangsphase einen Zugang zu den Erzieherinnen als potentielle Forschungsteil‐ nehmerinnen meiner Studie zu gewinnen sowie das Feld mit dem für die Vor‐ bereitung der videobasierten Datenerhebung erforderlichen „Fingerspitzenge‐ fühl“ (Tuma et al. 2013: 66) und mittels „feinfühliger Kommunikationsarbeit“ (ebd.) zu erschließen. Mittels dieser Form der Kontaktanbahnung konnten et‐ waige Bedenken gegenüber der geplanten videobasierten Datenerhebung be‐ reits in dem frühen Stadium der teilnehmenden Beobachtung in Form von Ge‐ sprächen mit den in dem Forschungsfeld agierenden Personen und bei ver‐ schiedenen Informationsveranstaltungen (Präsentationen auf Elternabenden) ausgeräumt sowie die Ziele und Inhalte der Videostudie verdeutlicht werden (vgl. Schramm 2014: 246). Da eine vertrauensvolle Beziehung zwischen For‐ scherin und UntersuchungspartnerInnen eine wichtige Voraussetzung für die Qualität qualitativer Forschung darstellt (u. a. Froschauer / Lüger 2003: 75), wurde die Phase der teilnehmenden Beobachtung so gleichzeitig dazu genutzt, Fragen und Unsicherheiten zur Teilnahme an der Videobeobachtung zu klären, um so die Bereitschaft zur Teilnahme an der Studie nochmals zu erhöhen. 5 Empirische Untersuchung 168 63 Helmke (2007b: 40) und Ricart Brede (2011: 113) gehen davon aus, dass aus einer Frei‐ willigkeit der Teilnahme in schulischen Videostudien keine Verzerrungen bezüglich des Leistungserfolgs des videografierten Unterrichts resultieren. 5.2.4.5 Auswahl der UntersuchungsteilnehmerInnen Die Kriterien für die Auswahl von UntersuchungsteilnehmerInnen sind in For‐ schungsarbeiten gegenstandsangemessen zu begründen (vgl. Merkens 2013). Dies gilt insbesondere für Arbeiten im Rahmen der qualitativen Forschung, da diese in der Regel keine statistische Repräsentativität anstreben (vgl. Kelle / Kluge 2010: 43; Settinieri 2014: 61; für einen Überblick über verschiedene qualitative Stichprobenkonzepte siehe Schreier 2007). In Verbindung mit der Auswahl geeigneter ForschungsteilnehmerInnen für die vorliegende Studie ist nochmals auf die Skepsis hinzuweisen, die Beobachtungs- und in besonderem Maße videobasierten Beobachtungsstudien nach wie vor entgegen gebracht wird (vgl. Dinkelaker / Herrle 2009: 18). Eine Beobachtung geht für die im Fokus der Beobachtung stehenden Personen immer mit einer subjektiv empfundenen Evaluation einher, so dass die Angst vor der Demontage des eigenen Selbstbildes und die wahrgenommene Bedrohung der eigenen Professionalität häufig der Grund für die Nicht-Teilnahme an wissenschaftlichen videobasierten Beobach‐ tungsstudien ist (vgl. Aguado 2000: 124 f.). Da sich diese Befürchtungen und Ängste auf das Verhalten der Personen vor der Kamera auswirken könnten und sie damit entscheidenden Einfluss auf die Qualität der Videodaten haben können, wurde in der vorliegenden Studie die Samplingstrategie der Selbstak‐ tivierung (vgl. Reinders 2005: 141) angewendet. Diese Methode der Stichpro‐ benziehung zeichnet sich dadurch aus, dass die Auswahl der Fälle nicht durch die Forscherin vorgenommen wird (primäre Selektion), sondern von der Bereit‐ schaft zur Teilnahme der potentiellen ProbandInnen bestimmt wird. Aus diesem Grund wird sie auch als sekundäre Selektion bezeichnet (vgl. ebd.). Die Fallaus‐ wahl, die durch die Selbstaktivierung der ProbandInnen vorgenommen wird, findet sich bei Merkens (2013: 288) unter dem Stichwort der Zugänglichkeit (z. B. zu Ereignissen, Aktivitäten oder Personen), die in qualitativen Studien von im‐ menser Bedeutung ist. Der Grund für die Selbstaktivierung der Forschungsteil‐ nehmerInnen bzw. für das Kriterium der Zugänglichkeit (vgl. ebd.) liegt in der gesicherten Freiwilligkeit und in der Motivation zur Teilnahme. Zwar wird die Selbstselektion der Untersuchungsteilnehmenden durchaus kritisch diskutiert (siehe z. B. Settinieri 2014: 61), doch war die gesicherte Freiwilligkeit und Mo‐ tivation aufgrund der skizzierten Bedenken gegenüber videobasierten For‐ schungsaktivitäten für die vorliegende Studie unerlässlich. 63 Die Möglichkeit zur Teilnahme an der Studie stand somit allen interessierten Erzieherinnen des 5.2 Datenerhebungsinstrumente und Rahmenbedingungen der Untersuchung 169 TU -Kinderhauses offen und es fand keinerlei Vorauswahl durch die Forscherin statt. Im bilingualen TU -Kinderhaus standen potentiell N=14 Personen (n=13 fest angestellte Erzieherinnen sowie zusätzlich n=1 Praktikantin im Anerkennungs‐ jahr; ausschließlich weibliche Fachkräfte) zur Teilnahme an der Videostudie zur Verfügung. Von den N=14 angefragten Fachkräften erklärten sich schließlich n=13 zur Teilnahme an der videobasierten Hauptdatenerhebung bereit. Die Stichprobe (n=13), die für die Teilnahme an der Videostudie gewonnen werden konnte, setzt sich aus n=8 deutschsprachigen und n=5 englischsprachigen Er‐ zieherinnen zusammen. Das Ungleichgewicht zwischen deutsch- und englisch‐ sprachigen Erzieherinnen ergibt sich aus den skizzierten Gruppenkonstellati‐ onen in der Einrichtung (vgl. Kapitel 5.2.3.4). Im Vergleich zu anderen bekannten Videostudien (z. B. die DESI -Studie, siehe Helmke et al. 2007) handelt es sich dabei um eine überdurchschnittlich hohe Teilnahmebereitschaft. Dies führe ich primär auf die lange Feldeingangsphase mittels teilnehmender Beobachtung (s. o.) zurück. Ein derart intensiver Feldkontakt ist jedoch sicherlich nur in Un‐ tersuchungen mit kleineren Stichproben, wie es in meiner Studie aufgrund der wissenschaftlichen Begleitung einer einzelnen Kita der Fall war, realisierbar. Qualitative Studien sehen sich oft mit dem Problem relativ kleiner Stich‐ proben konfrontiert, die sich in vielen Fällen auf ein spezielles Forschungsfeld zurückführen lassen. Dies ist auch in der vorliegenden Studie der Fall, in der die Gruppe der Untersuchungsteilnehmerinnen konkret auf die Einrichtung des TU -Kinderhauses zurückzuführen ist. Daraus können sich spezifische Probleme des Datenschutzes und der Anonymität ergeben (vgl. Aguado 2000: 126). Aus diesem Grund habe ich nach intensivem Abwägen auf das Erheben weiterer berufsbiografischer Daten, die auf die einzelnen Untersuchungsteilnehme‐ rinnen schließen lassen, z. B. Ausbildungsniveau, sprachlicher Hintergrund, verzichtet. Durch das Einfordern biografischer Daten hätte die Motivation zur Teilnahme an der Videostudie verringert und die Intimsphäre der Teilnehme‐ rinnen trotz Anonymisierung der Daten aufgrund der geringen Stichprobe nicht mehr gewahrt werden können. Da Forschende Verantwortung gegenüber den Forschungsteilnehmenden tragen (vgl. ebd.), sollten ihnen gegenüber ihren Kol‐ legInnen, ihren Vorgesetzten und auch in der Öffentlichkeit keine Nachteile aus der Studienteilnahme resultieren. Der Verzicht auf die entsprechenden (be‐ rufs)biografischen Daten der Untersuchungsteilnehmerinnen ist daher mit den Worten Settinieris (2014: 62) „für die Interpretation der Daten bedauerlich, aus ethischen Gründen dennoch erforderlich“. 5 Empirische Untersuchung 170 5.2.5 Konsequenzen für den Einsatz der Videografie im Forschungsfeld Kita Aus den theoretischen Vorüberlegungen zu der Methode der Videografie ist deutlich geworden, dass diese Methode, u. a. aufgrund der Multicodalität der Daten, ein grundsätzlich geeignetes Forschungsinstrument darstellt, um sprach‐ liche Erzieherin-Kind-Interaktionen im Kinderhaus der TU Darmstadt zu er‐ heben. Da Daten in der qualitativen Forschung zumeist in ihrem natürlichen Kontext erhoben werden (Merkmal der Kontextualität), galt es im Anschluss an die Darstellung der Erhebungsinstrumente, die Rahmenbedingungen des For‐ schungsfeldes zu skizzieren sowie die Forschungsteilnehmerinnen vorzustellen. Die teilnehmende Beobachtung ermöglichte als Instrument zur Exploration des Forschungsfeldes, einen umfassenden Zugang zu dem Forschungsfeld und seinen Akteuren zu verschaffen und an dieser Stelle forschungspraktische Kon‐ sequenzen für den Einsatz der Videografie abzuleiten. Das Forschungsfeld Kita ist grundsätzlich durch ein hohes Maß an Bewe‐ gungsaktivitäten (vgl. auch König 2006: 195) gekennzeichnet. Im Unterschied zu schulischen Forschungskontexten, in denen SchülerInnen zumeist feste Sitz‐ plätze einnehmen, musste das Aufnahmekonzept für die Videodaten daher fle‐ xibel genug sein, um den häufigen Bewegungs- und Positionswechseln folgen zu können. Während der teilnehmenden Beobachtung fiel zudem auf, dass das Forschungsfeld eine enorme Geräuschkulisse aufweist (vgl. auch Remsperger 2011: 98). Diese ergibt sich zum einen aus der anwesenden Personenzahl (max. zehn Kinder und drei Erzieherinnen) sowie aus der Tatsache, dass, anders als im Unterrichtsgespräch, das Rederecht nicht geregelt ist. Auch diesem Umstand musste bei der Datenerhebung Rechnung getragen werden, um qualitativ hoch‐ wertige Daten erheben zu können. Im Zusammenhang mit der anwesenden Personenzahl war auch zu bedenken, dass viele Aktivitäten parallel stattfinden (vgl. König 2006: 196) und nicht wie im Unterricht um eine einzelne Lehrkraft fokussiert sind. Es sind drei Erzieherinnen im Gruppenraum, die sich zeitgleich mit den Kindern im Raum aufhalten und in unterschiedlichen Aktivitäten mit ihnen interagieren. Die Planung der Erhebungssituation sollte daher einen Leit‐ faden zur Kameraführung einschließen, der transparent macht, wann welche Person und welche Aktivität mit der Videokamera festgehalten werden. Die forschungsmethodischen Konsequenzen, die sich aus der intensiven Ex‐ plorationsphase des Forschungsfeldes und den theoretischen Vorüberlegungen zum Erhebungsinstrument ableiten lassen, galt es im Rahmen der Pilotierung des Untersuchungsdesigns aufzugreifen, zu erproben und ggf. abzuändern bzw. weiterzuentwickeln. 5.2 Datenerhebungsinstrumente und Rahmenbedingungen der Untersuchung 171 5.3 5.3.1 5.3.1.1 Durchführung der Untersuchung Auf der Grundlage der forschungstheoretischen Verankerung der Videografie sowie der Beschreibung des konkreten Forschungsfeldes und der Forschungs‐ teilnehmerinnen, schließt sich nun die Darstellung der Durchführung der vide‐ obasierten Untersuchung im bilingualen TU -Kinderhaus an. Zu diesem Zweck werden zunächst das Vorgehen sowie die Ergebnisse der Pilotierungsphase vor‐ gestellt, in deren Rahmen die Erhebungsinstrumente der Studie erprobt und weiterentwickelt wurden (vgl. Kapitel 5.3.1). Im Anschluss soll der konkrete Ablauf der Hauptdatenerhebung offengelegt und kritisch reflektiert werden (vgl. Kapitel 5.3.2). Pilotstudie The point of carrying out a pilot study is to test - often to revise - and then finalize the materials and the methods. Pilot testing is carried out to uncover any problems, and to address them before the main study is carried out (Mackey / Gass 2005: 43). Die Pilotstudie stellt demnach einen zentralen Schritt im Forschungsprozess und für den Erfolg der gesamten empirischen Forschungsarbeit dar (siehe auch Set‐ tinieri 2014: 67). Diese, der Hauptdatenerhebung vorgeschaltete Erprobungs‐ phase dient folglich weniger dem Erheben von Daten an sich (vgl. Glesne / Peshkin 1992: 30), sondern zielt darauf ab, den Einsatz und den Umgang mit den Datenerhebungsinstrumenten im Feld zu erproben. Auf diese Weise können die Stärken und Schwächen des Instruments in Bezug auf den konkreten Forschungskontext ausgelotet und etwaige Probleme vor der eigentlichen Da‐ tenerhebung antizipiert und behoben werden. Da sich der qualitative For‐ schungsprozess durch ein hohes Maß an Offenheit auszeichnet, was eine größt‐ mögliche Flexibilität in der methodischen Vorgehensweise notwendig macht (vgl. Grotjahn 1993: 231), ist das Hauptaugenmerk der Pilotierung auf die Vali‐ dierung der Erhebungsinstrumente und Überprüfung der Induktion der Me‐ thoden gerichtet. Ziele der Pilotierung: Entwicklung eines Aufnahmekonzepts Die methodische Reflexion zum videotechnischen Aufnehmen wird nicht eine einzige allgemeingültige Methode hervorbringen, sondern je nach Fragestellung des For‐ schungsvorhabens wird die komplexe Videotechnik unterschiedlich genutzt werden, sodass die methodische Herangehensweisen erweitert und auch neue geschafft werden (Huhn et al. 2000: 190). 5 Empirische Untersuchung 172 Von den in diesem Zitat aufzeigten vielfältigen Nutzungsmöglichkeiten der Vi‐ deotechnik ausgehend, hat die Pilotierung in Videostudien die Funktion der „Video-Erprobungsphase“ (Schneider 2003: 29). Da ein „konzeptloses Drauf‐ halten […] fatal ist“ (Keifenheim 2003: 250) und dem Erheben qualitativ hoch‐ wertiger und relevanter Daten widerstrebt, sollten in der Pilotierung methodi‐ sche Vorüberlegungen zum Kameraeinsatz konkretisiert und schließlich in Form eines schlüssigen Beobachtungs- oder Aufnahmekonzepts synthetisiert und schriftlich fixiert werden. Bezogen auf die vorliegende Untersuchung sollten daher im Rahmen der Pilotierungsphase in erster Linie, Fragen zur Kamerapo‐ sitionierung und -führung sowie zum Verhalten der Filmperson im Forschungs‐ feld geklärt werden. Da das zu entwickelnde Aufnahmekonzept sowohl den spezifischen Charakteristika des Forschungsfeldes Rechnung tragen als auch relevante Daten zur Beantwortung der Forschungsfragen liefern sollte, wurden die wenigen bestehenden Kamerakonzepte aus Videostudien des Elementarbe‐ reichs (z. B. Ricart Brede 2011; König 2006; Remsperger 2011) und im weiteren Sinne auch die Kameramanuale aus schulischen Videostudien wie TIMSS (vgl. Jacobs et al. 2003) und DESI (vgl. Helmke et al. 2007) als Grundlage genommen und auf den vorliegenden Untersuchungskontext und das Erkenntnisinteresse der Studie abgestimmt. Die Entwicklung des Aufnahmekonzepts verfolgte da‐ rüber hinaus den Anspruch, die alltäglichen Handlungsabläufe und Routinen in der Einrichtung strukturell so wenig wie möglich zu beeinflussen, um die Daten in ihrem natürlichen und authentischen Entstehungskontext erheben zu können. Außerdem sollten auch die beteiligten Personen in ihrem individuellen Handeln durch die Anwesenheit der Kamera nicht übermäßig gestört werden. Diese durch die Kamerapräsenz ausgelöste Verhaltensveränderungen seitens der beobachteten Personen werden in der Methodenliteratur als „Invasivität“ (Petko et al. 2003: 270) oder als „Reaktivität“ bzw. „Reaktanz“ (Knob‐ lauch / Schnettler 2007: 588) bezeichnet. Dieses Phänomen der Verhaltensver‐ änderung ist insbesondere dann zu beobachten, wenn Kinder an den For‐ schungsaktivitäten beteiligt sind, da „Videokameras gerade auf Kinder oft einen großen Aufforderungscharakter“ (Rohrmann 1996: 14) haben. Es ist daher not‐ wendig, die Reaktionen und Verhaltensweise der Akteure bei der Erprobung verschiedener Aufnahmeszenarien in die Evaluation einzubeziehen und zu re‐ flektieren, um darauf aufbauend Strategien zur Minimierung des potentiellen Störfaktors Kamera und der Invasivität durch entsprechendes verbales und nonverbales Verhalten der Filmperson zu entwickeln (vgl. Schramm 2014: 248). Des Weiteren sollte die Pilotierung auch dazu genutzt werden, die Erzieherinnen und Kinder schrittweise an die Anwesenheit der Videokamera zu gewöhnen und so mögliche Effekte der Kamerapräsenz abzufedern. 5.3 Durchführung der Untersuchung 173 5.3.1.1.1 Zeitpunkt der Aufnahme Als Aufnahmezeitpunkt stellte sich ausgehend von den Erfahrungen aus der teilnehmenden Beobachtung und den Feldgesprächen mit den Erzieherinnen der Vormittag am geeignetsten heraus. In dieser Zeit werden die Kinder in ihren Stammgruppen betreut. Zu den Erzieherinnen in der Gruppe haben sie demnach eine stabile emotionale Beziehung. Dies wirkt sich vermutlich auch auf die Art und Weise der sprachlichen Interaktionen aus. Darüber hinaus sind in der Nach‐ mittagsbetreuung nicht mehr alle Kinder anwesend, so dass die übrigen Kinder teilweise in gemischten Gruppen betreut werden. Bei der Aufnahmezeit am Vormittag handelt es sich um die Zeitspanne zwischen Frühstück und Mittag‐ essen (von 9.30 Uhr bis 11.30 Uhr). In diesem Zeitraum findet die sogenannte Freispielzeit in den Gruppen statt, der nach einer Untersuchung von Tietze et al. (1998: 245) mit 58 % der größte Zeitanteil im Kita-Alltag zukommt. Die Er‐ zieherinnen befinden sich mit den Kindern in den Gruppenräumen und können frei entscheiden, welcher Aktivität sie nachgehen möchten. Dadurch, dass die Freispielzeit zeitlich weniger straff getaktet ist als beispielsweise das gemein‐ same Einnehmen der Mahlzeiten und es außerdem meistens nicht durch ge‐ plante Aktivitäten vorstrukturiert ist, bietet dieser Zeitraum zahlreiche Mög‐ lichkeiten für Spielhandlungen zwischen den Erzieherinnen und Kindern. Die sprachlichen Interaktionen, die in diesen Spielhandlungen stattfinden, bilden den Rahmen, in dem sich Kinder Sprache aneignen (vgl. Lengyel 2009: 170). Das Spiel kann daher als eine Art früher und informeller Lehr-Lern-Prozess (vgl. ebd.: 101) und als eine kindgemäße Form des Wissens- und Fähigkeitserwerbs zur Problembewältigung (vgl. Einsiedler 1994: 117) verstanden werden. Zudem belegen zahlreiche Studien einen positiven Zusammenhang zwischen dem kind‐ lichen Spiel und der Sprachentwicklung (siehe u. a. Andresen 2002; Oerter 1997). Die ursprünglich geplante tägliche Aufnahmezeit von 90 Minuten erwies sich bereits in der Pilotierungsphase als schwer realisierbar. Da die Erzieherinnen bereits gegen 10.45 Uhr beginnen, alle Kinder nacheinander zu wickeln und den Gruppenraum aufzuräumen, was eine gewisse Hektik, Unruhe und Geräusch‐ kulisse im Aufnahmegeschehen bewirkt, kam während dieses letzten Zeitab‐ schnitts wenig aussagekräftiges Datenmaterial zustande. Darüber hinaus erfor‐ dert das Anfertigen der Aufnahmen stets die volle Konzentrationsfähigkeit der Forscherin, die gegen Ende der Aufnahmezeit nicht mehr gegeben war. Aus den genannten Gründen wurde die Aufnahmezeit im Laufe der Pilotierung auf 60 Minuten Filmzeit (9.30 Uhr bis 10.30 Uhr) pro Tag reduziert. Diese Zeit‐ spanne scheint sich auch in der Untersuchung Königs (2006) im Elementarbe‐ reich bewährt zu haben (vgl. König 2006: 196). 5 Empirische Untersuchung 174 5.3.1.1.2 Kameraeinsatz, -positionierung und -führung Nachdem die Fragen zu einem geeigneten Zeitpunkt der Aufnahmen geklärt werden konnten, wurden verschiedene Möglichkeiten des Kameraeinsatzes, d. h. der Kamerapositionierung und -führung, erprobt und später evaluiert. Diese orientierten sich dabei an den Möglichkeiten des Einsatzes einer fest in‐ stallierten Kamera, einer Handkamera sowie einer Stativkamera (zu den ver‐ schiedenen Möglichkeiten des Kameraeinsatzes siehe auch Luff / Heath 2012). Der Einsatz einer fest installierten Kamera verfolgte das Ziel, das Beobach‐ tungsgeschehen so wenig wie möglich zu beeinflussen und somit Invasivität‐ seffekte zu reduzieren. Für das Forschungsfeld Kita erwies sich diese Form der Videografie jedoch als gänzlich ungeeignet. Zum einen bedingt der Verzicht auf eine aktive Kameraführung oftmals Datenverlust, da relevante Interaktionen nicht immer zwangsläufig im Bildausschnitt der feststehenden Kamera statt‐ finden (vgl. Dinkelaker / Herrle 2009: 27). Zudem war das unbeaufsichtigte Zu‐ rücklassen des Kameraequipments im Forschungsfeld während der Aufnahme‐ zeit mit einem gewissen Gefahrenpotenzial verbunden. So bestand die Gefahr, dass sich die Kinder durch die Kameraausrüstung verletzen können, da die un‐ beaufsichtigte Kamera die Aufmerksamkeit der Kinder geradezu auf sich ge‐ zogen hat. Entgegen der Annahme förderte die feste Kamera damit nicht das Vergessen der Kamerapräsenz, sondern begünstigte die Invasivitätseffekte noch zusätzlich. Aus diesen Gründen, aber auch aufgrund der mangelnden Daten‐ qualität, wurde von einer fest installierten Kamera als ausschließlichem Erhe‐ bungsinstrument Abstand genommen. Als Gegenpol zu einer fest installierten Kamera ist die Handkamera zu sehen, die insbesondere in ethnografisch orientierten Studien eingesetzt und von der Filmperson flexibel per Hand durch das Forschungsfeld geführt werden kann. So argumentieren König (vgl. 2006: 195 f.) und Remsperger (vgl. 2011: 98), dass die Handkamera den Charakteristika des Forschungsfeldes Kita, wie der Ge‐ räuschkulisse, den ständigen Positionswechsel und der nahen face-to-face-In‐ teraktionen zwischen ErzieherIn und Kind, durch die flexible Handhabung me‐ thodisch am ehesten gerecht werden kann. Die Erprobung der Handkamera im TU -Kinderhaus verursachte jedoch massive Invasivitätseffekte. Sobald ich mich mit der Handkamera im Gruppenraum bewegte, wurde das Interesse der Kinder an meiner Person und der Kamera geweckt. Auch die Erzieherinnen fühlten sich durch die Handkamera sichtlich bedrängt, vor allem die räumliche Annäherung und das Fokussieren mit der Handkamera schien ihnen die Aufnahmesituation immer wieder ins Gedächtnis gerufen zu haben. Da mittels dieser Kamerafüh‐ rung kein authentisches und natürliches Datenmaterial zustande kommen 5.3 Durchführung der Untersuchung 175 64 Ein ähnliches Aufnahmekonzept ist bei Ricart Brede (2011) zum Einsatz gekommen. Im Unterschied zu der vorliegenden Studie wurden jedoch nicht Interaktionen während der Freispielzeit, sondern arrangierte und inszenierte Sprachfördereinheiten im Ele‐ mentarbereich erhoben. Für dieses Feld waren daher weitaus weniger Positionswechsel und Bewegungsaktivitäten zu erwarten. Die Sprachfördereinheiten wurden zudem nur von jeweils einer pädagogischen Fachkraft durchgeführt, so dass sich die Herausfor‐ derung, Datenmaterial von mehreren, gleichzeitig anwesenden ErzieherInnen zu er‐ heben, nicht stellte. konnte, so wie ich das Feld während der Explorationsphase kennengelernt hatte, wurde auch von dieser Form des Kameraeinsatzes Abstand genommen. Als wesentlich geeigneter stellte sich die Verwendung einer Stativkamera heraus. Die Kamera wurde dabei auf einem Dreibeinstativ in einer Ecke des Raumes installiert und von mir als Filmperson während der Aufnahmezeit be‐ dient. Dadurch konnte die Kamera gezoomt und geschwenkt werden und war so flexibel genug, um den Herausforderungen der Positionswechsel und Bewe‐ gungsaktivitäten der zu videografierenden Personen methodisch gerecht zu werden. Anders als bei der fest installierten Kamera kam es nicht zu dem be‐ fürchteten Datenverlust, da der Bildausschnitt der Kamera vom Stativ aus den relevanten Interaktionen der Erzieherinnen mit den verschiedenen Kindern als meinen Hauptforschungsgegenstand folgen konnte. In Hinblick auf die zu mi‐ nimierenden Invasivitätseffekte fügte sich die Stativkamera wesentlich unauf‐ fälliger in das Beobachtungsfeld ein als die Handkamera. Durch meine feste Position hinter der Kamera nahmen die Kinder zwar in den ersten Tagen zu‐ nächst Notiz von mir, verloren dann aber auch schnell wieder das Interesse an meiner Person und der Kamera und zeigten ihr aus der teilnehmenden Be‐ obachtung gewohntes Spielverhalten. Die Stativkamera wurde fortan als E-Ka‐ mera (Erzieherinnen-Kamera) bezeichnet, da sie als Hauptkamera den Aktions- und Interaktionsradius der Erzieherinnen einfängt. Bei der ersten Sichtung des Datenmaterials fiel auf, dass auch die grundsätzlich geeignete Stativkamera das Problem der Komplexität des Forschungsfeldes und insbesondere das der Pa‐ rallelität der Handlungen nicht komplett lösen konnte. So ist in Ergänzung zu der E-Kamera eine zweite Kamera zum Einsatz gekommen, die komplementäre Aufgaben zur Hauptkamera übernimmt. Da die E-Kamera jeweils nur einzelne Erzieherin-Kind-Interaktionen fokussiert und damit nur einen kleinen Aus‐ schnitt des Gesamtgeschehens erfasst, wurde eine sogenannte backup-Kamera eingesetzt, die in Ergänzung zu der Stativkamera während der gesamten Auf‐ nahmezeit einen Überblick über das Gesamtgeschehen lieferte. 64 Mithilfe dieses 2-Kamera-Prinzips (vgl. Petko 2006: 15) können zum einen parallel stattfindende Handlungen eingefangen und einzelne Handlungsstränge nachträglich besser in das Gesamtgeschehen eingeordnet werden (zu den Vorteilen des Einsatzes 5 Empirische Untersuchung 176 5.3.1.1.3 von zwei Kameras siehe auch Luff / Heath 2012: 264-268). Zum anderen konnte die für den Forschungskontext Kita charakteristische Geräuschkulisse for‐ schungspraktisch bewältigt werden. In diesem Zusammenhang erwies sich die backup-Kamera insbesondere bei der Transkription der einzelnen Handlungs‐ sequenzen als hilfreich, da immer dann auf die backup-Kamera als zusätzliche Datenquelle zurückgegriffen werden konnte, wenn es bei den Daten der Haupt‐ kamera aufgrund von Störgeräuschen zu einer Verringerung der Tonqualität kam. In dem zu erarbeitenden Kamerakonzept musste zudem Berücksichtigung finden, dass während der Aufnahmezeit jeweils drei Erzieherinnen anwesend waren. Diese natürliche Gruppenkonstellation sollte im Sinne der Authentizität der Daten erhalten bleiben und nicht zu Zwecken der Datenerhebung künstlich arrangiert werden. Gleichzeitig sollte von allen Erzieherinnen des TU -Kinder‐ hauses ein etwa gleich großes Datenkorpus erhoben werden. Zu diesem Zweck ist ein sogenanntes Rotationsprinzip zum Einsatz gekommen. Dabei rotierte die Kameraperspektive während der sechzigminütigen Aufnahmezeit im zwanzig‐ minütigen Wechsel von Erzieherin 1 (E1) zu Erzieherin 2 (E2) und schließlich zu Erzieherin 3 (E3). Da das Interaktionsverhalten der Fachkräfte zudem tages‐ zeit- und tagesformabhängig zu sein scheint, wurde am folgenden Filmtag ent‐ sprechend mit E2 begonnen, dann E3 und schließlich E1 in den Fokus der Ka‐ meraperspektive genommen. Forschungsbeziehung zu den UntersuchungsteilnehmerInnen Ausgehend von der Annahme, dass die Perspektiven aller Beteiligten von Relevanz sind, gilt es, diese auch explizit in den Forschungsprozess einzubeziehen (Aguado 2000: 123). Um die Perspektive der Erzieherinnen des TU -Kinderhauses als Untersuchungs‐ parterinnen im Forschungsprozess angemessen berücksichtigen zu können, wurden diese aktiv in die Pilotierungsphase und in die Entwicklung des Auf‐ nahmekonzeptes einbezogen. Sie sollten nicht als bloße „Datenlieferanten“ (Spada et al. 1996: 33) degradiert, sondern gemäß des skizzierten elaborativ-pros‐ pektiven Menschenbildes (vgl. Grotjahn 2005: 37) in ihrer Professionalität wahr‐ genommen und als Expertinnen ihres Faches anerkannt werden. Diese Rollen‐ verteilung im Forschungsprozess, d. h. ob sich UntersuchungsteilnehmerInnen eher als ProbandInnen oder ExpertInnen betrachtet und behandelt fühlen (vgl. Aguado 2000: 125), eröffnet den ForschungsteilnehmerInnen unterschiedliche Gestaltungs- und Partizipationsmöglichkeiten im Forschungsprozess und kann 5.3 Durchführung der Untersuchung 177 65 An dieser Stelle möchte ich mich bei Fränze Scharun für ihre Unterstützung während der Pilotierungsphase und der Hauptdatenerhebung herzlich bedanken. sich damit auch maßgeblich auf die Kooperationsbereitschaft auswirken (vgl. ebd.). In der vorliegenden Studie fand nach jedem Pilotierungstag ein kurzes Re‐ flexionsgespräch mit den Erzieherinnen statt. In diesen Gesprächen sollte in erster Linie erörtert werden, wie invasiv (vgl. Petko et al. 2003: 270) sie das jeweilige Aufnahmekonzept wahrgenommen haben. Es wurde dementspre‐ chend erfragt, inwieweit die Kamerapositionierung und meine Anwesenheit als Filmperson im Feld ihr eigenes Verhalten und das der Kinder subjektiv verändert hat und ob sie sich durch die Filmsituation in ihrem alltäglichen Handeln ein‐ geschränkt gefühlt haben. Auf diese Weise kristallisierten sich klare Präferenzen bzw. Abneigungen für bestimmte Möglichkeiten des Kameraeinsatzes heraus. Diese flossen in die Weiterentwicklung und die endgültige Version des Kame‐ rakonzepts mit ein. Durch diese enge Abstimmung mit den später zu filmenden Personen sollte gewährleistet werden, dass diese mit den Erhebungsbedin‐ gungen einverstanden waren und sich in der Aufnahmesituation wohlfühlten. Nur so konnte sichergestellt werden, dass die Personen bei der Hauptdatener‐ hebung vor der Kamera ein authentisches und alltägliches Interaktionsverhalten zeigen. Dieser bereits in der Explorationsphase (auch Feldeingangsphase) initi‐ ierte und während der Pilotierungsphase etablierte „herrschaftsarme Diskurs“ (Aguado 2000: 127) zwischen der Forscherin und den Untersuchungspartne‐ rinnen wirkte sich positiv auf den weiteren Forschungsprozess aus und trug rückblickend maßgeblich zum Gelingen der empirischen Studie bei. Neben dem aktiven Einbezug der Feldkenntnisse und des Expertenwissens der pädagogischen Fachkräfte wurde die Vorstudie durch eine studentische Hilfskraft des Fachgebiets Sprachwissenschaft-Mehrsprachigkeit begleitet. 65 Diese war in der Pilotierungsphase während der Aufnahmezeit in den Grup‐ penräumen anwesend und führte eine teilnehmende Beobachtung begleitend zu der Erhebungssituation durch. Dabei sollten vor allem die Reaktionen der be‐ obachteten Personen auf die jeweiligen Aufnahmekonzepte sowie mein Ver‐ halten als Forscherin und Filmperson hinter der Kamera beobachtet und proto‐ kolliert werden. Diese Beobachtungen wurden als Grundlage für die sich an die Aufnahmesituation anschließenden Evaluationsgespräche zu Rate gezogen. Au‐ ßerdem ermöglichten mir die Beobachtungen der studentischen Hilfskraft, meine Beurteilungen zur Praktikabilität der einzelnen Möglichkeiten des Ka‐ meraeinsatzes durch eine zusätzliche Perspektive abzugleichen. Indem die Hilfs‐ kraft auch mein Verhalten als Filmperson beobachtete, konnte ich auch meine 5 Empirische Untersuchung 178 66 z. B. durch direkte Beobachtung der Kamera und Filmperson, verbale Aufforderungen und Fragen der Kinder an mich als Filmperson, Zeigen von Gegenständen etc. 5.3.1.1.4 Rolle während der Anfertigung der Videoaufnahmen hinter der Kamera und im Feld reflektieren, so dass auch dieses im Laufe der Pilotierungsphase auf der Basis der gemeinsamen Evaluationsgespräche weiter optimiert werden konnte. Durch die begleitenden Beobachtungen und die umfassende Evaluationskultur in der Pilotierungsphase wurde meine konstituierende Rolle als Forscherin und als Subjekt des Forschungsprozess im Sinne der reflektierten Subjektivität (vgl. Steinke 2013: 330) explizit thematisiert und damit ein Beitrag zur Güte der Studie geleistet. Verhalten der Filmperson Wie bereits zuvor angedeutet, galt es neben der Erprobung verschiedener Mög‐ lichkeiten der Kamerapositionierung und -führung in der Pilotierung auch, ein angemessenes Verhalten für mich als Filmperson zu entwickeln bzw. zu er‐ gründen, inwieweit sich diese während der Erhebungssituation auf Interakti‐ onen mit dem Feld einlassen darf bzw. sollte (vgl. Herrle et al. 2010: 604). Auch diesbezüglich war die Pilotierung durchaus erkenntnisreich. Im Laufe der ein‐ zelnen Erprobungstage konnte so nicht nur ein sicherer Umgang mit dem Ka‐ meraquipment entwickelt werden (vgl. Dinkelaker / Herrle 2009: 22), sondern auch ausgelotet werden, welche Verhaltensregeln für die Filmperson angebracht waren, um authentische und wenig-invasive Daten erheben zu können. Weckten die Anwesenheit von Kamera und Filmperson an den ersten Aufnah‐ metagen noch großes Interesse seitens der Kinder, ebbte dieses Interesse im Laufe der folgenden Aufnahmetage deutlich ab, 66 so dass die Kinder schließlich kaum noch Notiz von mir nahmen und sich ihren alltäglichen Spielaktivitäten widmeten. In diesem Sinne versuchte ich auch in der Folgezeit, durch ein mög‐ lichst unauffälliges Verhalten wenig Aufmerksamkeit auf meine Anwesenheit und die Erhebungssituation zu lenken (vgl. Petko et al. 2003: 270; vgl. Petko 2006: 24). Daher erwies sich ein zurückhaltendes, mäßig interessiertes Verhalten als angebracht. Ich konzentrierte mich folglich hauptsächlich auf die Bedienung der Kamera und die Handhabung des Kameraequipments (vgl. Petko et al. 2003: 270). Die anfänglichen kindlichen Interaktionsversuche wurden demzufolge so weit wie möglich nicht erwidert. In Abhängigkeit von forschungsethischen Kri‐ terien (vgl. u. a. Miethe 2010) ist dieses Verhalten in der Forschungspraxis - und in besonderem Maß, wenn Kinder in den Forschungsprozess involviert sind - selbstverständlich keinesfalls absolut zu sehen. In sogenannten ethically impor‐ tant moments (Guillemin / Gillam 2004: 262) - bezogen auf den Untersuchungs‐ 5.3 Durchführung der Untersuchung 179 5.3.1.1.5 5.3.2 kontext Kita könnte das ein Moment sein, in dem ein Kind während der Erhe‐ bungssituation droht, verletzt zu werden - muss in der Erhebungssituation spontan Stellung bezogen und gegenüber den am Forschungsprozess Beteiligten ethisch verantwortlich gehandelt werden. In derartigen Situationen hätte ich selbstverständlich die skizzierten Verhaltensgrundsätze aufgegeben und meine Position hinter der Kamera verlassen, um mögliche Gefahren oder Schäden von den an der Studie beteiligten Kindern abzuwenden (zu weiteren ethisch be‐ denklichen Momenten bei der Forschung im Kontext von DaF / DaZ siehe Set‐ tinieri 2014: 62). Kameramanual Die in diesem Kapitel vorgestellten Richtlinien zur geplanten Datenerhebung, die im Zuge der Pilotierung erprobt, evaluiert und weiterentwickelt wurden, wurden im Anschluss an die Pilotstudie in Form eines Kameramanuals (siehe Anhang 2) verschriftlicht. Im Rahmen von Videostudien stellt dieses Dokument ein wichtiges Instrument zur Standardisierung der Erhebungssituation und zur Qualitätssicherung dar (vgl. Hall 2000). Durch das Aufstellen von Richtlinien zur Erhebungssituation und deren Verschriftlichung ist gewährleistet, dass Vi‐ deoaufnahmen eines Datenkorpus untereinander verglichen werden können und somit später für wissenschaftliche Zwecke auswertbar sind (vgl. Göbel 2010: 284; Petko 2006: 15). Da anhand des Kameramanuals die Erhebungsbedingungen der Videodaten (u. a. Positionierung der Kameras; vgl. Schramm 2014: 248) transparent gemacht werden, dient das Kameramanual zudem als Instrument zur Gewährleistung der intersubjektiven Nachvollziehbarkeit der videoba‐ sierten Datenerhebung. Hauptdatenerhebung Nachdem die Erhebungsinstrumente in der Pilotstudie unter den realen Bedin‐ gungen des Forschungsfeldes validiert wurden, wird im Folgenden der konkrete Ablauf der Hauptdatenerhebung dargestellt. Die Hauptdatenerhebung fand von Oktober bis Dezember 2012 im bilingualen TU -Kinderhaus statt. Die Zeitspanne zwischen Pilotierung und Hauptdatener‐ hebung ergibt sich zum einen aus der Nachbereitung der Pilotierung, in deren Zusammenhang eine erste Globalanalyse der Daten vorgenommen wurde (vgl. Legewie 1994) und erste Überlegungen zum Auswertungsdesign der Daten erar‐ beitet wurden, zum anderen liegt sie auch in der Jahreszeit begründet. Während der Sommermonate verbringen die Gruppen einen Großteil der Vormittagszeit 5 Empirische Untersuchung 180 5.3.2.1 im Freien, so dass das im Rahmen der Pilotierung erarbeitete Kamerakonzept mitsamt dem Zwei-Kamera-Prinzip nicht anwendbar gewesen wäre. Im Winter konnte hingegen davon ausgegangen werden, dass sich die Gruppenaktivitäten größtenteils in den Gruppenräumen der Einrichtungen abspielten und so das bewährte Aufnahmekonzept eingesetzt werden konnte. Für jede der vier Gruppen der Einrichtung wurden fünf Aufnahmetage an‐ gesetzt. Auch dieser Richtwert ergab sich aus den Vorerfahrungen aus der Pi‐ lotstudie und der anschließenden Probeauswertung. Da die Aufnahmezeit pro Tag auf sechzig Minuten während der Freispielzeit am Vormittag festgesetzt war, sind so pro Gruppe fünf Stunden Videomaterial entstanden. In einer Gruppe fand sicherheitshalber ein zusätzlicher Aufnahmetag statt, da an einem der fünf Haupterhebungstage die Geräuschkulisse so hoch war (u. a. durch Trommeln, Klatschen), dass nicht absehbar war, ob das Material später ausgewertet werden konnte. Es ist so ein Datenkorpus von 20: 23: 30 Stunden Videomaterial ent‐ standen. Prototypischer Ablauf eines Erhebungstages Um im Sinne der Transparenz und intersubjektiven Nachvollziehbarkeit des Forschungsprozesses einen möglich gegenstandsnahen Nachvollzug der kon‐ kreten Abläufe während der videobasierten Datenerhebung zu gewährleisten, wird im Folgenden der prototypische Ablauf eines Erhebungstages im bilingu‐ alen TU -Kinderhaus skizziert. Dieser gestaltete sich folgendermaßen: Nach Ankunft in der Einrichtung wurde - nachdem die Gruppe den Grup‐ penraum für das Frühstück verlassen hatte - zunächst das Kameraequipment aufgebaut. Daran anschließend befragte ich die Erzieherinnen der Gruppe mit‐ hilfe eines Kurzfragebogens zu den Besonderheiten des Tagesablaufs. Infolge der Pilotierung erwies sich der Einsatz einer derartigen Checkliste vor Aufnah‐ mebeginn als zweckmäßig, um mögliche Störeinflüsse während der Aufnahme‐ zeit antizipieren zu können (z. B. eine Erzieherin muss für längere Zeit den Gruppenraum für ein Elterngespräch o. ä. verlassen), so dass eine kurzfristige Abänderung des Rotationsprinzips möglich war. Zudem sollten die Erziehe‐ rinnen zu Tagesbeginn von mir persönlich und ohne die sofortige Anwesenheit der Kamera begrüßt werden. Darüber hinaus musste vor Aufnahmebeginn dafür Sorge getragen werden, dass alle Kinder, für die keine unterschriebene Einver‐ ständniserklärung zur Teilnahme an der Videostudie vorlag, für die einstündige Aufnahme in einer anderen Gruppe untergebracht wurden. Die Aufnahmen begannen gegen 9.30 Uhr, sobald die Erzieherinnen mit den Kindern vom Frühstück zurück waren und endeten je nach Aufnahmebeginn gegen 10.30 Uhr. Die Aufnahmen wurden mithilfe des erprobten Zwei-Ka‐ 5.3 Durchführung der Untersuchung 181 5.3.2.2 mera-Prinzips unter Berücksichtigung der beschriebenen Richtlinien zur Ka‐ merapositionierung und -führung sowie gemäß dem entwickelten Rotations‐ prinzip erhoben (vgl. Kapitel 5.3.1.1). Im Anschluss an die Aufnahme wurden die auf SD -Karte aufgezeichneten Daten auf dem PC und zusätzlich auf zwei externen Festplatten gesichert. Zudem wurden im Anschluss an den Aufnahmevormittag zusätzliche, nicht durch die Kameraperspektive eingefangene Beobachtungen in Form eines Da‐ tenerhebungsprotokolls (vgl. Herrle et al. 2010: 604) niedergeschrieben. Dieses beinhaltete Besonderheiten, Störungen und weiteres Hintergrundwissen zu den Filmtagen sowie erste Hypothesen und Hinweise auf interessante Szenen, die später für die Auswertung der Daten nützlich sein könnten. Umsetzbarkeit des entwickelten Aufnahmekonzeptes Das pilotierte Aufnahmekonzept erwies sich für die Hauptdatenerhebung als grundsätzlich anwendbar. Demnach konnten das Zwei-Kamera-Prinzip sowie die erarbeiteten Richtlinien zur Kamerapositionierung und -führung größten‐ teils wie beschrieben umgesetzt werden. Dennoch brachte das Forschungsfeld Kita auch aufgrund der Vielzahl der in den Forschungsprozess involvierten Per‐ sonen unvorhersehbare Zwischenfälle mit sich, die in einem Aufnahmekonzept zuvor nicht antizipierbar sind. Das geplante Rotationsprinzip konnte aufgrund von Krankheitsfällen und Fehlzeiten der Erzieherinnen nicht für jeden Aufnah‐ metag wie geplant umgesetzt werden. In diesem Zusammenhang war der Kurz‐ fragebogen vor Aufnahmebeginn jedoch überaus hilfreich, da er die Basis für die kurzfristige Abänderung der Reihenfolge oder der Anzahl der zu videogra‐ fierenden Erzieherinnen bildete. Ausgehend von den geschilderten Zwischen‐ fällen ist eine restlose Standardisierung von Erhebungsbedingungen in natür‐ lichen Forschungskontexten daher zum einen nicht möglich und sollte zum an‐ deren aber auch nicht angestrebt werden (vgl. Petko et al. 2003: 271). Im Sinne des qualitativen Forschungsparadigmas, das sich durch Offenheit des For‐ schungsprozesses und eine dementsprechende Flexibilität der Methoden aus‐ zeichnet (vgl. Grotjahn 1993: 231), stellte das in der Vorstudie entwickelte und dargestellte Kamerakonzept demnach ausschließlich eine Orientierung dar. Dabei war es dennoch flexibel genug, um auf die konkreten Bedingungen des Forschungsfeldes flexibel und spontan angepasst werden zu können. Trotz dieses Spielraums für individuelle und spontane Abänderungen ermöglicht das Kamerakonzept nichtsdestotrotz ein gewisses Maß an Transparenz, um die Er‐ hebungsbedingungen und das Zustandekommen der Daten so intersubjektiv nachvollziehbar wie möglich zu gestalten (vgl. Petko et al. 2003: 271). 5 Empirische Untersuchung 182 5.4 5.4.1 Neben der Umsetzbarkeit des Aufnahmekonzeptes trug auch die kooperative und vertrauensvolle Beziehung zu den Untersuchungsteilnehmerinnen zum Gelingen der videobasierten Datenerhebung bei. Diese drückte sich nicht nur in der hohen Teilnahmebereitschaft aus, sondern wurde während der Haupt‐ datenerhebung auch bei Feldgesprächen mit den Erzieherinnen (z. B. durch in‐ teressiertes Nachfragen) deutlich. Ich führe dies zu großen Teilen auf die lange und intensive Vorphase der teilnehmenden Beobachtung zurück, bei der ich durch die direkte Teilhabe am Kita-Alltag ein vertrauensvolles Verhältnis zu den Erzieherinnen aufbauen konnte. Zum anderen trug mein Rollenverständnis von den Untersuchungspartnerinnen - ich sehe die teilnehmenden Erzieherinnen als Expertinnen und weniger als Probandinnen (vgl. Aguado 2000: 125) und mich als Forscherin in Anlehnung an Rounds (vgl. 1996: 58) eher als Gast auf dem Territorium der Erzieherinnen des TU -Kinderhauses - zu dieser Situation bei. Der direkte Einbezug in die Entwicklung der Aufnahmerichtlinien und die Be‐ rücksichtigung der Perspektive der Erzieherinnen leistete dabei einen maßge‐ blichen Beitrag zu der Durchführung der Datenerhebung. Datenauswertung Die Datenauswertung konstituiert den zentralen Arbeitsschritt im Forschungs‐ prozess, um aus den erhobenen Rohdaten wissenschaftlich relevante Erkennt‐ nisse ableiten zu können (vgl. Demirkaya 2014: 213). Nachdem die Videodaten von Oktober bis Dezember 2012 im bilingualen TU -Kinderhaus erhoben wurden, wird im Folgenden der Prozess der Datenauswertung umfassend dar‐ gestellt. Dazu werden zunächst die theoretischen Überlegungen zum Auswer‐ tungsdesign unter Bezugnahme auf die eingangs formulierten Forschungs‐ fragen vorgestellt und die einzelnen geplanten Analyseschritte forschungsme‐ thodisch diskutiert, bevor anschließend das konkrete Vorgehen der einzelnen Schritte der Datenanalyse anhand der erhobenen Daten erläutert wird. Theoretische Vorüberlegungen zur Datenauswertung Die Analyse von Videodaten ist sowohl von ihrer Herkunft als auch vom Ziel der jeweiligen Untersuchung abhängig. Weil Videodaten aus diversen Feldern stammen, haben sich unterschiedliche Analyseverfahren herausgebildet. Die je eigenen dabei verfolgten untersuchungsleitenden Fragestellungen und methodologischen Perspek‐ 5.4 Datenauswertung 183 67 Nolda (2007) weist indes darauf hin, dass die methodologische Diskussion um die ver‐ schiedenen Zugänge und Möglichkeiten der Videoanalyse derzeit noch in den Anfängen steckt. Laut Nolda (2007) existieren zwar Anregungen und Versuche der Übertragung von methodischen Verfahren aus der qualitativen Sozialforschung (z. B. aus den Berei‐ chen der Konversations- und Diskursanalyse oder der objektiven Hermeneutik), von einer ausgereiften Methodologie der Videoanalyse kann derzeit jedoch noch nicht ge‐ sprochen werden. tiven tragen darüber hinaus zu einer wachsenden Vielfalt methodischer Umgangs‐ weisen mit Videodaten bei (Tuma et al. 2013: 43). 67 Angesichts dieser Vielzahl an möglichen Analyseverfahren werden zunächst theoretische Vorüberlegungen zur Datenauswertung dargestellt und die Ent‐ scheidung für das entwickelte Auswertungsdesign in Abhängigkeit von den zu bearbeitenden Forschungsfragen diskutiert. Die Forschungsfragen, die im Rahmen dieser Dissertationsstudie bearbeitet wurden (vgl. Kapitel 3.3), sind auf unterschiedlichen Ebenen des Videomaterials angesiedelt. Während für die Identifizierung von verschiedenen Formen der Erzieherin-Kind-Interaktion in der Freispielzeit ein Einbezug des gesamten Videodatenkorpus erforderlich ist, ist für eine detaillierte Beschreibung des sprachlichen Interaktionsverhaltens der Erzieherinnen eine Untersuchung einzelner Handlungssequenzen auf der Ebene der einzelnen Gesprächsbeiträge und damit das Einnehmen einer eher mikroanalytischen Perspektive notwendig. Vor dem Hintergrund der auf unterschiedlichen Ebenen des Datenmaterials angesiedelten Forschungsfragen lag es nahe, auch die Analyse in zwei verschie‐ dene Auswertungsschritte aufzuteilen. Dies stellt sicher, dass das Videomaterial auf den unterschiedlichen Ebenen einer gegenstandsangemessenen Analyse unterzogen werden kann. Dadurch wird auch die Wahl der Analyseeinheiten bestimmt, die vor Beginn der eigentlichen Auswertung festgelegt werden sollten (vgl. Petko et al. 2003: 272). Von der Wahl der Analyseeinheiten ist wiederum abhängig, inwieweit sich durch die anschließende Analyse sinnvolle Aussagen gewinnen lassen (vgl. ebd.). Für die vorliegende Studie ergaben sich dement‐ sprechend zwei verschiedene Analyseeinheiten: Für die Bearbeitung der ersten Forschungsfrage bildete das gesamte erhobene Videodatenkorpus die Analyse‐ einheit. Nur auf dieser breiten Grundlage ist es möglich, ein differenziertes Bild davon nachzuzeichnen, welche verschiedenen Erzieherin-Kind-Interaktionen während der Freispielzeit in der bilingualen Kita zustande kommen. Da für die mikroanalytische Untersuchung nicht alle im Rahmen der ersten Teilanalyse identifizierten Interaktionssequenzen interessant und bedeutsam waren, fand zuvor eine begründete Sequenzauswahl statt (vgl. Kapitel 5.4.2.3). Anschließend 5 Empirische Untersuchung 184 wurde anhand dieser ausgewählten Handlungssequenzen eine mikroanalyti‐ sche Betrachtung des sprachlichen Interaktionsverhaltens der Erzieherinnen auf der Ebene der einzelnen Gesprächsbeiträge, die die Analyseeinheiten bilden, vorgenommen. So kann ein differenziertes und vielschichtiges Bild des Inter‐ aktionsverhaltens der pädagogischen Fachkräfte im bilingualen TU -Kinderhaus nachgezeichnet werden. Für die vorliegende Studie stellt die Zweiteilung der Analyseschritte daher ein angemessenes Auswertungsdesign dar. Das entwi‐ ckelte Auswertungsdesign und die Abfolge der einzelnen methodischen Schritte lassen sich wie folgt darstellen: Abb. 4: Darstellung des Auswertungsdesigns und des methodischen Vorgehens Die Sichtung der Forschungsliteratur zeigt zudem, dass die hier geplante Zwei‐ teilung der Analyseschritte ein durchaus etabliertes Verfahren im Bereich der videobasierten Forschung darstellt, da auch anderen Videostudien eine ähnliche Verknüpfung des Auswertungsprozesses zugrunde liegt (siehe u. a. Helmke et al. 2007b; Ricart Brede 2011). Eine Zweiteilung der Analyse bietet sich insbe‐ sondere für Videostudien an, da Videodaten „notwendigerweise eine Fokussie‐ rung im Analyseprozess“ (Knoblauch / Schnettler 2007: 592) erfordern. Diese 5.4 Datenauswertung 185 5.4.1.1 Notwendigkeit der Fokussierung ergibt sich aus der Komplexität und der Fülle der Daten, da in videobasierten Beobachtungsstudien „leicht unüberschaubar werdende Mengen an Rohdaten“ (ebd.) entstehen. Des Weiteren beinhaltet jede Form empirischer Forschung „pragmatisch begründete Schritte der Komplexi‐ tätsbearbeitung“ (Kelle 2010: 115) und stellt damit einen selbstbezüglichen Ver‐ dichtungsprozess dar. In diesem Sinne werden die aus dem entwickelten Aus‐ wertungsdesign resultierenden Schritte der Komplexitätsbearbeitung des Un‐ tersuchungsgegenstandes im Folgenden vorgestellt und geeignete methodische Vorgehensweisen diskutiert. Erster Analyseschritt Für die Bearbeitung der ersten Forschungsfrage, deren Ziel die Identifizierung von verschiedenen Arten von Erzieherin-Kind-Interaktionen während der Frei‐ spielzeit im bilingualen TU -Kinderhaus ist, bietet sich das Verfahren der Seg‐ mentierungsanalyse an. Es handelt sich dabei um ein Analyseverfahren, das es ermöglicht, einen Überblick über den Verlauf eines Interaktionsgeschehens zu gewinnen (vgl. Dinkelaker / Herrle 2009: 54). Dazu werden in einem Gesamt‐ verlauf Untergliederungen erkennbar gemacht. Das übergeordnete Ziel der Seg‐ mentierungsanalyse ist es daher, sowohl Gleichförmigkeiten als auch Wechsel sichtbar zu machen und diese in Bezug auf die Abfolge unterschiedlicher Seg‐ mente näher zu beschreiben (vgl. Herrle et al. 2010: 610). Im Rahmen der vor‐ liegenden Arbeit diente die Segmentierungsanalyse dazu, die gesamte video‐ grafierte Freispielzeit im TU -Kinderhaus in den Blick zu nehmen und die erho‐ benen Videodaten in unterschiedliche, möglichst klar unterscheidbare Segmente einzuteilen, um so Aussagen über verschiedene Interaktionsformen treffen zu können (vgl. erste Forschungsfrage). Die Ergebnisse der Segmentie‐ rungsanalyse sind auch insofern von übergeordneter Relevanz, als sie Auf‐ schlüsse über die inhaltliche Ausgestaltung der Freispielzeit in einer bilingualen Kita geben. Empirische Vergleichsdaten aus anderen bilingualen Einrichtungen liegen nach eigener Recherche bis dato noch nicht vor. Vor der konkreten Durchführung der Segmentierungsanalyse galt es zu‐ nächst, eine Grundgröße für die Sequenzeinteilung zu definieren. Dafür stehen grundsätzlich zwei Möglichkeiten zur Verfügung: das time-sampling und das event-sampling. Beim time-sampling wird das zu analysierende Datenmaterial in fixe Zeitintervalle (z. B. drei Minuten-Abschnitte) untergliedert (vgl. Petko et al. 2003: 273). Beim event-sampling hingegen wird die Segmentierung nach in‐ haltlichen Kriterien bzw. nach bestimmten Ereignissen vorgenommen (vgl. Ri‐ cart Brede 2014: 143.). Bei diesen inhaltlichen Kriterien kann es sich z. B. um Beobachtungsaspekte, wie die Aktivität oder die Sozialform, handeln. Eine Seg‐ 5 Empirische Untersuchung 186 mentierung der Freispielzeit in feste Zeitintervalle gemäß des time-sampling schien für die zu bearbeitende Forschungsfrage wenig zielführend zu sein. Da mithilfe der Segmentierungsanalyse die bestehenden Interaktionsformen zwi‐ schen Erzieherin und Kind herausgearbeitet werden sollten, bietet sich für diesen Analyseschritt das event-sampling in besonderem Maße an. Nach der Bestimmung des Prinzips der Sequenzeinteilung, in diesem Falle das inhaltsbe‐ zogene event-sampling, sind die Segmentgrenzen und die Übergänge zwischen den einzelnen Segmenten zu definieren, d. h. es muss bestimmt werden, „wann das Merkmal, das für das vorherige Segment bezeichnend war, nicht mehr auf‐ tritt und wann das Merkmal, das das darauf folgende Segment charakterisiert, erstmals in Erscheinung tritt“ (Herrle et al. 2010: 610). Da bei der Analyse von komplexen Interaktionsstrukturen eine klare Abgrenzung von gegenstandsbe‐ zogenen Analyseeinheiten in der Forschungspraxis oft mit Schwierigkeiten verbunden ist (vgl. Petko et al. 2003: 273), werden die spezifischen Übergangs‐ signale, die in dem vorliegenden Forschungszusammenhang einen Sequenz‐ wechsel markierten, im Zuge der Durchführung der Segmentierungsanalyse vorgestellt. Nach der inhaltsbezogenen Sequenzierung des Materials erfolgte eine Be‐ schreibung der identifizierten Handlungssequenzen. Es handelt sich dabei um niedrig-inferente Beschreibungen bzw. um eine Basiskodierung (vgl. Hugener 2006a: 46), die in erster Linie auf die Erfassung von direkt beobachtbaren As‐ pekten der Sicht- und Oberflächenstruktur des Interaktionsgeschehens abzielt (vgl. Petko et al. 2003: 275). Der Ausdruck niedrig-inferent bezieht sich in diesem Kontext darauf, dass die „Kodierung möglichst wenig schlussfolgernde Kogni‐ tion beim Beobachter“ (ebd.) erfordert und der Grad der Interpretationsleistung durch die beobachtende Person als relativ gering einzustufen ist (vgl. Göbel 2010: 289; Hugener 2006a: 46; Ricart Brede 2014: 143). Die Urteile bzw. Entschei‐ dungen, die im Zusammenhang mit der Kodierung zu treffen sind, geschehen über Indikatoren bzw. manifeste Variablen, die der direkten Beobachtung zu‐ gänglich sind (vgl. Hugener 2006a: 46; Knapp / Ricart Brede 2012: 226). Das Ziel der niedrig-inferenten Kodierung ist daher eine möglichst präzise Beschreibung der Gestaltung des Beobachtungsgeschehens, der Ereignisse und Organisati‐ onsformen (vgl. Hugener 2006a: 46). Die Ergebnisse dieser Beschreibung er‐ lauben schließlich Aussagen über beispielsweise die Dauer und Länge be‐ stimmter Aktivitäten oder Sozialformen (vgl. Schramm 2014: 250), die für an‐ schließende Analyseschritte genutzt werden können, um sie mit anderen Dimensionen des Interaktionsgeschehens in Verbindung bringen zu können. Die Segmentierungsanalyse und niedrig-inferente Basiskodierung des Vide‐ omaterials als erstem Analyseschritt scheint demzufolge ein grundsätzlich ge‐ 5.4 Datenauswertung 187 5.4.1.2 eignetes methodisches Vorgehen darzustellen, das bei der konkreten Anwen‐ dung auf das Datenmaterial einer Feinabstimmung unterzogen werden musste (vgl. Kapitel 5.4.2.2). Gleichzeitig bildete diese erste makroanalytische Betrach‐ tung die Grundlage für den zweiten Analyseschritt. Zweiter Analyseschritt Durch die Segmentierungsanalyse und Basiskodierung ist ein umfassender und differenzierter Überblick über das Datenmaterial entstanden. Da im Zuge dieses Auswertungsschritts das gesamte Datenkorpus auf der Makroebene gesichtet, segmentiert und kodiert wurde, lag für die nun folgende Mikroanalyse ein Pool an verschiedenen Formen von Erzieherin-Kind-Interaktionen vor, aus denen eine begründete Sequenzauswahl für die zweite Teilanalyse vorgenommen (zu den Kriterien der Sequenzauswahl vgl. Kapitel 5.4.2.3) und anschließend in Form einer Transkription (vgl. Kapitel 5.4.2.4) für den folgenden Analyseschritt auf‐ bereitet wurde. Die nach der Transkription vorliegenden verschriftlichten Handlungssequenzen bildeten die Basis für die geplante Mikroanalyse. Dieser Analyseschritt verfolgt das Ziel, einzelne und ausgewählte Erzieherin-Kind-In‐ teraktionen in den Fokus zu nehmen und das sprachliche Interaktionsverhalten insbesondere aus der Perspektive der pädagogischen Fachkräfte mikroanaly‐ tisch zu beleuchten (vgl. zweite Teilforschungsfrage: Welche Charakteristika weisen der Input und das sprachliche Interaktionsverhalten der Erzieherinnen in den verschiedenen Interaktionssituationen auf ? ). Anhand dieser Zielsetzung wird ersichtlich, dass für die zweite Teilanalyse nicht mehr das gesamte Daten‐ korpus, d. h. nicht mehr die gesamte Freispielzeit, sondern ausgewählte Inter‐ aktionssequenzen und die mikroanalytische Ebene der einzelnen Gesprächs‐ beiträge der beteiligten Personen die Analyseeinheit für diesen Auswertungs‐ schritt bilden. An dieser Stelle zeigt sich nochmals das Potenzial der Videografie für das vorliegende Forschungsfeld: Die Methode der videobasierten Beobachtung er‐ möglicht aufgrund der dauerhaften Konservierung und Reproduzierbarkeit von sonst flüchtigen Verhaltensphänomenen - laut Erickson (vgl. 1992: 209) die zentrale Innovation der Videografie - überhaupt erst die feinmikroskopische Betrachtung natürlicher Interaktionsdaten (vgl. Wagner-Willi 2008: 221; Thiel 2003: 310). Die dank der Videodaten durchführbaren Mikroanalysen ermögli‐ chen zum einen einen wesentlich höheren Detaillierungsgrad der Analyse als bei anderen Formen der Beobachtung (vgl. Erickson 1992: 210) und zum anderen eine „methodische Kontrolle der Simultaneitätsstruktur“ (Wagner-Willi 2008: 223) der Videodaten. Die iterative und mikroskopische Betrachtung des Video‐ materials bewirkt bei der beobachtenden Person, „vermeintlich Vertrautes auf 5 Empirische Untersuchung 188 68 QDA=qualitative data analysis 5.4.2 5.4.2.1 Distanz zu bringen“ (ebd.) und trägt damit zu einer „Befremdung der eigenen Kultur“ (Amann / Hirschauer 1997: 12) bei. Phänomene des Alltäglichen können damit mithilfe der Mikroanalyse für wissenschaftliche Zwecke nutzbar gemacht werden. Zu diesem Zweck war auch für diesen Analyseschritt ein eigenes Beobach‐ tungssystem zu entwickeln, in dem die zu erforschenden Aspekte erfasst und abgebildet werden können. Der Entstehungsprozess dieses Beobachtungssys‐ tems und die Prinzipien, die bei der Entwicklung des Beobachtungssystems zu berücksichtigen waren, werden im Zuge des konkreten Vorgehens bei der Da‐ tenauswertung vorgestellt. Vorgehen bei der Datenauswertung Auf der Grundlage des entwickelten Auswertungsdesigns und der theoretischen Fundierung der geplanten Auswertungsschritte wird in diesem Kapitel die kon‐ krete Durchführung der einzelnen Auswertungsschritte im Rahmen der vorlie‐ genden Studie beschrieben. Computergestützte Datenauswertung mithilfe von MaxQDA Die Nutzung von Computerprogrammen zur Datenauswertung wurde im Be‐ reich der Forschungsmethodik lange Zeit ausschließlich dem quantitativen For‐ schungsparadigma zugeordnet (vgl. Kelle 2013: 486). Aufgrund der Gleichset‐ zung „Computer gleich Rechner“ und „Rechner gleich quantitative Methodik“ (Kuckartz / Grunenberg 2010: 501) wurde der Einbezug computergestützter Ver‐ fahren bei der qualitativen Datenanalyse daher bis in die Mitte der 1990er Jahre kritisch beäugt und nahezu ausgeschlossen. Mittlerweile hat sich jedoch auch für das qualitative Paradigma die Erkenntnis durchgesetzt, dass Softwarepro‐ gramme den Forschungsprozess als „Werkzeug zur Erleichterung von Analyse und Interpretation“ (Flick 2009: 470) sinnvoll unterstützen können. Die Gründe für den Einsatz von QDA -Software 68 in der qualitativen Forschung sind zum einen in der schnell unüberschaubar werdenden Datenfülle, auch als data over‐ load (Miles / Huberman 1994: 55) bezeichnet, zu sehen. Zum anderen bieten jene Programme auch die Möglichkeit, die Informationen, die sich in den Daten ver‐ bergen, vollständig auszuschöpfen (vgl. Kuckartz / Grunenberg 2010: 503). Auf‐ grund der Vielzahl an Funktionen, wie der gezielten Suche nach Kategorien‐ überschneidungen oder komplexen Mustern von Kategorien, die die gängigen 5.4 Datenauswertung 189 69 Weitere etablierte Programme zur Videoanalyse sind: Catmovie (Wild 2003a), vPrism (Knoll / Stigler 1999), ATLAS.ti (Muhr 1994), Interact (Mangold International GmbH o. A.), ELAN (Tacchetti 2013). Softwarepakete bieten (für eine Übersicht der Funktionen vgl. Kuckartz 2010: 12 f.), eröffnen sich so gänzlich neue Perspektiven für die Analyse qualitativer Daten. In diesem Sinne können die eingesetzten Softwareprogramme bei der Aufbereitung und Analyse qualitativer Daten eine technisch-organisatorische „Unterstützungsleistung“ (Kuckartz / Grunenberg 2010: 502) erbringen. Die Wahl des forschungsmethodischen Vorgehens bei der Datenauswertung sowie der Analyseprozess selbst sind jedoch nach wie vor von der Forscherin selbst zu leisten (vgl. Kuckartz 2010: 13). Neben den erweiterten Möglichkeiten der Datenanalyse kann der Einsatz von QDA -Software auch einen Beitrag dazu leisten, den Gütekriterien qualitativer Forschung genüge zu leisten (vgl. Kelle 2013: 500). Durch die softwarebasierte Dokumentation der Daten kann der Analyseprozess bei Bedarf für Außenste‐ hende zugänglich gemacht und offengelegt werden. Die Forschungsergebnisse werden dadurch intersubjektiv nachvollziehbar und gewinnen an Glaubwür‐ digkeit. Für die qualitative Forschung könnte das insgesamt einen Prestige- und Reputationsgewinn bedeuten (vgl. Kuckartz 2010: 247), sieht sie sich doch mit dem Vorwurf des „bloß Subjektivistischen und Essayistischen qualitativer So‐ zialforschung“ (Mruck 2000: 29) konfrontiert. In diesem Argumentationszusam‐ menhang erfolgte der Einsatz der QDA -Software auch in dieser Forschungs‐ studie mit dem Anspruch, den Forschungsprozess nachvollziehbarer zu ge‐ stalten und dadurch die Glaubwürdigkeit der empirisch gewonnenen Erkenntnisse zu erhöhen. Insbesondere für den Bereich der Videoanalyse erübrigen sich die herkömm‐ lichen paper-and-pencil-Techniken als Alternative zu einer computerbasierten Auswertung nahezu. Da Videodaten bereits in Digitalformat aufgezeichnet werden, können sie von den Programmen zur Videoanalyse problemlos und komfortabel eingelesen, bearbeitet und analysiert werden. Für den deutsch‐ sprachigen Raum ist insbesondere das Programm Videograph (vgl. Rimmele 2002) in zahlreichen Videostudien in der empirischen Bildungs- und Unter‐ richtsforschung zum Einsatz gekommen (z. B. Göbel 2010; Ricart Brede 2011; Rixius / Neuhaus 2010; Seidel et al. 2003). Es gehört damit zu den erprobtesten und bekanntesten Programmen. 69 Während der Arbeit an dieser Dissertations‐ studie wurde jedoch auch die Software Max QDA ( VERBI 1989-2013), die ehe‐ mals vornehmlich der Analyse von Textdokumenten vorenthalten war, um Funktionen zur Videoanalyse erweitert. So ermöglicht die neueste Version, Max QDA 11, fortan auch das direkte Kodieren von Video- und Audiodoku‐ 5 Empirische Untersuchung 190 menten. Gleichzeitig bleiben die ursprünglichen Funktionen, wie die Möglich‐ keit zur Transkription und das Kodieren von Textsegmenten, erhalten. Video‐ graph und Max QDA 11 weisen demnach einen ähnlichen Funktionsumfang auf. Im Rahmen der Pilotierung wurde der computerbasierte Auswertungsprozess mithilfe der Demoversionen der beiden genannten Programme erprobt, um sie ausgehend von dem konkreten Datenmaterial auf ihre Praxistauglichkeit und Anwendbarkeit für den spezifischen Forschungskontext zu überprüfen. Für die forschungsmethodische Umsetzung der theoretisch begründeten und geplanten Auswertungsschritte (vgl. Kapitel 5.4.1) erwiesen sich beide Pro‐ gramme als kompatibel. Sowohl Videograph als auch Max QDA erlauben die Sequenzierung und Kodierung von Videodaten, die für die Segmentierungsana‐ lyse und Basiskodierung als ersten Auswertungsschritt notwendig ist. Auch die Transkription von Videodaten und die Kodierung der Textdateien anhand eines eigens entwickelten Kategoriensystems, die für die Mikroanalyse ausgewählter Handlungssequenzen im zweiten Analyseschritt erforderlich waren, sind mit beiden Programmen realisierbar. Bei der praktischen Erprobung erwies es sich bei Max QDA als vorteilhaft, dass die Übersicht der Kodierungen sowie zahl‐ reiche weitere Analysefunktionen direkt im Programm integriert sind. Bei Vi‐ deograph hingegen ist zwar das Kodieren anhand eines Kategoriensystems möglich, die Übersicht über die vorgenommenen Kodierungen und andere Ana‐ lysefunktionen sind jedoch erst nach dem Export des Datensatzes in ein anderes Programm wie SPSS oder Excel möglich. Das erschwert, im laufenden Analy‐ seprozess einen Überblick über die vorgenommenen Kodierungen zu behalten und birgt durch den Wechsel zwischen den Programmen und einzelnen Daten‐ sätzen eine gewisse Fehleranfälligkeit. Neben der forschungsmethodischen Kompatibilität zwischen dem Auswer‐ tungsdesign und den Funktionen der Softwareprogramme, die für die Auswahl einer geeigneten Software leitend sein sollten (vgl. Klippel: 2013: 104), merkt Kelle (vgl. 2013: 487) an, dass auch der individuelle Arbeitsstil und die subjektiv empfundene Benutzerfreundlichkeit eine nicht zu unterschätzende Rolle bei der Auswahl der Analysesoftware spielen. Hinsichtlich des Kriteriums der Benut‐ zerfreundlichkeit empfand ich die Arbeit mit Max QDA als wesentlich intuitiver und selbsterklärender. Bei Unsicherheiten und Nachfragen stehen zudem zahl‐ reiche Onlinetutorials, ein Benutzerforum sowie der Beratungsservice von Max QDA zur Verfügung. Ausgehend von den beschriebenen Kriterien, anhand derer ich die beiden Programme an meinen Daten erprobt und evaluiert habe, erwies sich Max QDA für meine Studie als geeigneter. Das ausgewählte Programm ist in allen Phasen der Datenauswertung, die ich im Folgenden beschreiben werde, zum Einsatz 5.4 Datenauswertung 191 70 Der Umstand, dass immer eine Erzieherin im Fokus der Aufnahme steht, ist durch das im Aufnahmekonzept integrierte Rotationsprinzip bedingt, das vorsieht, dass von den im Raum befindlichen drei Erzieherinnen jeweils eine Erzieherin für einen bestimmten Zeitabschnitt in den Fokus genommen wird (vgl. Kapitel 5.3.1.1.2). 5.4.2.2 5.4.2.2.1 gekommen. Welche der verschiedenen Funktionen von Max QDA im Rahmen der Datenauswertung konkret genutzt wurden, führe ich bei der Darstellung der einzelnen Schritte der Datenaufbereitung und -analyse an den entsprech‐ enden Stellen näher aus. Makroanalyse Wie in den theoretischen Vorüberlegungen zum Auswertungsdesign bereits dargelegt, wurde die Auswertung der Videodaten in zwei aufeinander aufbau‐ enden Analyseschritten vorgenommen. Gemäß dieser theoretisch begründeten Zweiteilung sollten mithilfe der ersten Teilanalyse verschiedene Arten von Er‐ zieherIn-Kind-Interaktionen während der Freispielzeit in der bilingualen Ein‐ richtung identifiziert werden. Dieser Analyseschritt beinhaltete daher zunächst eine Segmentierungsanalyse mittels einer inhaltsbezogenen Sequenzierung und eine anschließende niedrig-inferente Basiskodierung. Segmentierungsanalyse Vor der eigentlichen Durchführung dieses Auswertungsschritts wurden die Daten zunächst von dem hochauflösenden HD -Format in das handhabbarere Format AVI umgewandelt, um in Max QDA eigelesen werden zu können. Au‐ ßerdem wurden die einzelnen Clips mit einem Code versehen, aus dem das Auf‐ nahmedatum, die aufgenommene Erzieherin und die dazugehörige Gruppe her‐ vorgehen (siehe dazu Anhang 3). Anschließend wurde das gesamte Korpus (20: 23: 30 Stunden) in Max QDA eingelesen. Da die Segmentierungsanalyse nach dem Prinzip des event-sampling als inhaltsbezogene Kodierung (vgl. Petko et al. 2003: 273) angelegt ist, wurde bei jeder neu einsetzenden Aktivität ein Sequenz‐ wechsel kodiert. Aufgrund der charakteristischen Parallelität der Handlungsst‐ ränge im Kita-Alltag orientierte sich die inhaltsbezogene Sequenzierung stets an der Aktivität derjenigen Erzieherin, die im Fokus der Aufnahme stand, d. h., immer wenn die von der Kamera fokussierte Erzieherin eine Aktivität beendete und eine neue aufnahm, wurde im Videomaterial ein Sequenzwechsel mar‐ kiert. 70 Da das Beobachtungsgeschehen des Kita-Alltags durch komplexe Struktur- und Interaktionsmuster gekennzeichnet ist, ist eine gegenstandsbe‐ zogene und trennscharfe Abgrenzung einzelner Sequenzen jedoch um einiges schwieriger als in der schulischen Unterrichtsinteraktion, die es erlaubt, ein‐ zelnen Phasen des Unterrichts voneinander abzugrenzen. Um diesem Umstand 5 Empirische Untersuchung 192 71 Bezogen auf das vorliegende Datenkorpus wurde beispielsweise das Ende einer Lite‐ racy-Aktivität charakteristischerweise durch das Weglegen des Buches als nonverbales Gliederungssignal für einen Sequenzwechsel herangezogen. forschungsmethodisch gerecht zu werden, galt es daher im Vorfeld, aus dem Datenmaterial Indikatoren zu extrahieren, die die Segmentübergänge markieren und damit den Übergang zwischen zwei Handlungssequenzen definieren (vgl. Herrle et al. 2010: 610). Die charakteristischen Grenzmarkierungen der Se‐ quenzen wurden vor der eigentlichen Segmentierungsanalyse anhand einer kleinen Stichprobe des Datenkorpus herausgearbeitet. Für den vorliegenden Untersuchungskontext konnten dabei sowohl verbale als auch nonverbale Glie‐ derungssignale zur Markierung eines Sequenzwechsels herangezogen werden. Verbale Gliederungssignale wie „so“, „gut“, oder „dann“ deuteten beispielsweise einen Sequenzwechsel an (vgl. Dinkelaker / Herrle 2009: 55). Nonverbal wies auch das Weglegen eines Gegenstandes, ein Positionswechsel der Erzieherin oder der Wechsel des Aufmerksamkeitsfokus auf einen Sequenzwechsel hin. 71 Die Segmentierungsanalyse orientierte sich des Weiteren an dem Grundsatz, dass die Segmentierung in etwaigen Zweifelsfällen eher grob vorgenommen werden sollte (vgl. auch Ricart Brede 2011: 117). Dies war in dem analysierten Korpus z. B. der Fall, wenn eine Spielsituation zwischen Erzieherin und Kind durch den Einschub einer kurzen organisatorischen Sequenz unterbrochen wurde. In diesem Fall wurde auf das Kodieren eines Sequenzwechsels verzichtet, um den Gesamthandlungsstrang nicht zu unterbrechen. Dies war vor allem in Hinblick auf die anschließende Mikroanalyse von Bedeutung, für die es wenig ertragsreich schien, viele isolierte und dekontextualisierte Einschübe von we‐ nigen Sekunden zu analysieren. Für die Segmentierungsanalyse wurden die Videodaten im Multi‐ media-Browser in Max QDA abgespielt (siehe dazu auch Abbildung 5.) Die Se‐ quenzwechsel können parallel zum laufenden Clip mit dem Eingabebefehl ʿSetze Clipanfangʾ bzw. ʿSetze Clipendeʾ oder durch das Einfügen von Zeitmarken (vgl. VERBI 2013: 307) vorgenommen und in der Zeitleiste unterhalb des Videofens‐ ters visualisiert werden. Weitere Funktionen von Max QDA , wie das Verlang‐ samen der Abspielgeschwindigkeit (vgl. ebd.: 317), erwiesen sich für die Seg‐ mentierungsanalyse als hilfreich, da sie eine zeitgenaue Bestimmung der ver‐ balen und nonverbalen Gliederungssignale ermöglichen, die für eine trennscharfe Abgrenzung der einzelnen Handlungssequenzen erforderlich ist. Mithilfe der Segmentierungsanalyse wurden so N=684 Handlungseinheiten in dem Datenkorpus identifiziert. 5.4 Datenauswertung 193 72 Kuckartz (2010: 58) kritisiert in diesem Zusammenhang, dass dem Thema der Katego‐ rienbildung in der sozialwissenschaftlichen Methodenliteratur nicht genügend Beach‐ tung geschenkt wird. Das was unter einer Kategorie zu verstehen ist und wie diese gebildet werden, wird daher oft stillschweigend als Alltagstechnik vorausgesetzt. 5.4.2.2.2 Entwicklung und Beschreibung des Beobachtungsinstruments Die durch die Segmentierungsanalyse identifizierten Handlungssequenzen wurden anschließend mittels einer Basiskodierung näher beschrieben. Diese Basiskodierung sollte niedrig-inferent angelegt sein, d. h., sich auf die beobach‐ tbaren Aspekte der Sichtstrukturen des Datenmaterials beschränken. Vor der Durchführung der Basiskodierung musste daher ein Beobachtungssystem ent‐ wickelt werden, das die zu analysierenden Aspekte zusammenfasst und opera‐ tionalisiert. Im Kontext videobasierter Forschung dient dieses Beobachtungs‐ system der Vergleichbarkeit und Nachvollziehbarkeit von Analyseergebnissen (vgl. Ricart Brede et al. 2010: 257). Die Entwicklung des Kategoriensystems er‐ folgte, wie auch in anderen Videostudien, nach einem zyklischen und iterativen Prozess (vgl. Petko et al. 2003: 273), bei dem die Wiederholbarkeit und Repro‐ duzierbarkeit als Stärke der videobasierten Beobachtung aktiv für die Entwick‐ lung des Analyseinstruments genutzt werden konnte (zu dem zyklischen Pro‐ zess der Kategorienentwicklung siehe auch Abbildung 6). Die Bildung von Kategorien kann induktiv, d. h. aus dem empirischen Da‐ tenmaterial, oder deduktiv, d. h. auf der Grundlage eines theoretischen Ansatzes, erfolgen (vgl. Kuckartz 2010: 201). 72 Für das niedrig-inferente Beobachtungs‐ system wurden die Kategorien gemischt deduktiv-induktiv gebildet. Diese Mischform, bei der ein zuvor deduktiv entwickeltes Kategoriensystem während der Materialdurchsicht eine induktive Feinjustierung, d. h. eine Anpassung bzw. Erweiterung der Kategorien am Material, erfährt (vgl. Bortz / Döring 2006: 330), stellt ein gängiges Verfahren der qualitativen Forschungspraxis dar. Zum einen wurden aus den entwickelten Forschungsfragen sowie den angrenzenden For‐ schungsbereichen erste Beobachtungskategorien deduktiv abgeleitet (vgl. Hu‐ gener 2006a: 49). Weitere vorläufige Beobachtungsaspekte ergaben sich in‐ duktiv, d. h. direkt aus den Daten bzw. aus dem Forschungskontext. Da das Vi‐ deomaterial bereits für die Segmentierungsanalyse gesichtet wurde, konnten so erste interessant erscheinende Beobachtungspunkte vorgemerkt werden. Auch aus der zuvor durchgeführten teilnehmenden Beobachtung während der Ex‐ plorationsphase ließen sich bereits erste Untersuchungsaspekte herleiten. Auf der Basis dieser Quellen wurde ein erstes vorläufiges Kategoriensystem gebildet und exemplarisch an dem Datensatz erprobt. Die Beobachtungskategorien wurden daraufhin in einer Überarbeitungsphase nochmals modifiziert, verfei‐ nert und ausdifferenziert (vgl. ebd.). Dieser zyklische Prozess der Überarbeitung 5 Empirische Untersuchung 194 73 Als Referenzquellen für die Benennung der Aktivitätenkategorien dienten größtenteils die Arbeiten von König (vgl. 2006: 234) und Remsperger (vgl. 2011: 107 f.), die ebenfalls eine Basiskodierung der Aktivitäten während der Freispielzeit vorgenommen haben. 74 Aufgrund der Tatsache, dass die Sprachen in der Einrichtung gemäß des Prinzips one person one language (vgl. Döpke 1992, Ronjat 1913) personengebunden verwendet werden, könnte normalerweise auf die separate Kodierung von beteiligter Erzieherin und Sprache verzichtet werden, da einer Person immer genau eine Sprache zugeordnet werden kann. In Situationen, in denen konzeptionell schriftliche Sprache von den Er‐ zieherinnen produziert wird (z. B. die Gruppe singt ein englisches Lied, die deutsch‐ sprachige Erzieherin singt auf Englisch mit) kann es in einigen Situationen jedoch vor‐ kommen, dass die personengebundene Sprachverwendung aufgehoben und die ein‐ deutige Zuteilung von Sprache zu Person nicht ohne Weiteres möglich ist. und Anwendung wurde so lange fortgeführt, bis ein für den Analysegegenstand passgenaues Beobachtungsinstrument vorlag (vgl. Ricart Brede et al. 2010: 258). Das entwickelte niedrig-inferent angelegte Beobachtungssystem, das auf eine erste Erfassung direkt beobachtbarer Sichtstrukturen der zuvor identifizierten Erzieherin-Kind-Interaktionssequenzen abzielt, ist viergliedrig angelegt und setzt sich aus den Oberkategorien Aktivität, Sozialform, Erzieherin und Sprache zusammen. Die Kategorie Aktivität beschreibt, wie die Interaktionssequenzen während der Freispielzeit inhaltlich von den Erzieherinnen genutzt werden (u. a. Rollen- und Fiktionsspiel, Literacy-Aktivität, organisatorische Tätigkeit). 73 Über die Oberkategorie Sozialform wird erfasst, in welcher Sozialform die Aktivität arrangiert ist, d. h., die Interaktionssequenzen werden hinsichtlich der Frage analysiert, ob die Erzieherin mit einem Kind (dyadische Kommunikationssitu‐ ation), mit zwei Kindern oder mit mehr als zwei Kindern (Kleingruppe) inter‐ agiert. Mithilfe der Kategorien Erzieherin und Sprache wird kodiert, welche Er‐ zieherin der Einrichtung an der Interaktion beteiligt ist und in welcher Sprache die Situation realisiert wird. 74 Die gebildeten Kategorien sind als sogenannte coverage-codes angelegt (vgl. Petko et al. 2003: 274). Dabei handelt es sich um ein Set disjunkter, d. h. sich gegenseitig ausschließender Kategorien, so dass einem Videoabschnitt immer nur genau ein Code, z. B. genau eine Aktivität oder eine Sozialform, zugeordnet werden kann (vgl. ebd.). Durch diese Vorgehensweise spiegelt die Genese des Beobachtungssystems den Charakter der qualitativen Forschung wider. Das vorläufige Instrument greift zwar auch auf deduktiv gewonnene Beobachtungsaspekte zurück, doch wurden diese durch die zyklischen Anwendungs- und Überarbeitungsphasen am konkreten Forschungsgegenstand weiterentwickelt, angepasst und direkt am Datenmaterial operationalisiert. So war gewährleistet, dass dem Datenma‐ terial trotz einiger vorläufiger deduktiv gewonnener Untersuchungsaspekte mit der ausreichenden Offenheit begegnet wurde und das entwickelte Beobach‐ 5.4 Datenauswertung 195 75 Kuckartz (2010: 134) spricht dem Anlegen von Memos eine wichtige Funktion im qua‐ litativ-computerbasierten Forschungsprozess zu, da sie eine wertvolle Hilfe für die Theoriebildung darstellen. 76 Die Benutzeroberfläche setzt sich aus der Liste der Dokumente (links oben), dem an‐ gelegten Beobachtungssystem, in MaxQDA als „Liste der Codings“ bezeichnet (links unten, hier nur auszugsweise), dem Multimedia-Browser, in dem die Videodateien ab‐ gespielt werden (rechts oben) sowie der Timeline, mithilfe derer die Daten parallel zum laufenden Videoclip kodiert und die verschiedenen Kodierungen visualisiert werden können (rechts unten), zusammen. 5.4.2.2.3 tungssystem dem Prozesscharakter der qualitativen Forschung in ausrei‐ chendem Maße gerecht wird (vgl. Grotjahn 1993: 231). Basiskodierung Nach der Entwicklung des Beobachtungssystems und der schriftlichen Fixie‐ rung der Richtlinien zur Kodierung (siehe dazu das Kodiermanual in Anhang 3) wurden die endgültigen Kategorien in Max QDA eingepflegt. Über die Me‐ mofunktion konnten auch die Beschreibungen dessen, was sich im Einzelnen hinter den Kategorien verbirgt, sowie Ankerbeispiele zu den jeweiligen Kate‐ gorien in das Kategoriensystem in Max QDA integriert werden (vgl. Kuckartz 2010: 134). 75 Dies erwies sich insofern als hilfreich, als dass bei strittigen Kodie‐ rentscheidungen komfortabel auf die Definitionen und Beispiele der einzelnen Beobachtungsaspekte zurückgegriffen werden konnte. Alle N=684 identifi‐ zierten Handlungssequenzen wurden auf diese Weise hinsichtlich der entwi‐ ckelten Kategorien Aktivität, Sozialform, beteiligte Erzieherin und Sprache ana‐ lysiert. Die folgende Abbildung stellt einen Screenshot der Benutzeroberfläche des Programms Max QDA dar und veranschaulicht, wie die makroanalytische Auswertung der Videodaten, d. h. die Sequenzierungsanalyse und Basiskodie‐ rung, mithilfe dieser Software durchgeführt wurde (vgl. Abbildung 5). 76 5 Empirische Untersuchung 196 5.4.2.3 Abb. 5: Durchführung der Makroanalyse in MaxQDA 11 (Screenshot) Infolge des skizzierten Auswertungsverfahrens konnten Erkenntnisse darüber generiert werden, wie die Freispielzeit in der bilingualen Kita der TU Darmstadt von den verschiedenen Erzieherinnen inhaltlich ausgestaltet wird (Kategorie Aktivität), welche Sozialformen in der Erzieherin-Kind-Interaktion dominieren (Kategorie Sozialform) sowie Zusammenhänge aufgezeigt werden, für welche Erzieherin welche Aktivitäten und Sozialformen typisch sind. Die Ergebnisse dieses Analyseschritts werden in Kapitel 6.1 umfassend vorgestellt. Sequenzauswahl Ausgehend von dem beschriebenen Auswertungsdesign ergab sich aufgrund der Zweiteilung der Analyseschritte die Notwendigkeit einer begründeten Sequenz‐ auswahl. Diese Auswahl im Laufe des Auswertungsprozesses ist insbesondere für Videostudien charakteristisch, da es hier weder sinnvoll noch ökonomisch ist, das gesamte Material auf die gleiche Art und Weise auszuwerten (vgl. Knapp / Ricart Brede 2012: 227). Die an dieser Stelle vorzunehmende Sequenz‐ auswahl stellt in Videostudien dementsprechend eine Art „Datenerhebung im Auswertungssinn“ (Huhn / Schneider 2003: 190) dar, da diese die Verknüpfung zwischen der Makro- und der Mikroanalyse des Materials bildet. Das Anliegen des folgenden Abschnitts ist es folglich, die Kriterien für die Auswahl der Se‐ quenzen offenzulegen und zu hinterfragen, inwiefern die vorgenommene Aus‐ wahl für den gesamten Forschungsprozess indiziert und zweckgerichtet ist (vgl. Steinke 2013: 328). Die Darstellung der Indikation und die explizite Offenlegung 5.4 Datenauswertung 197 der Kriterien sind auch notwendig, um die intersubjektive Nachvollziehbarkeit des Forschungsprozesses zu gewährleisten (vgl. Merkens 2013: 286). Als Maxime galt, dass die ausgewählten Szenen vielfältige Situationen der sozialen Wirklichkeit in der Kita abbilden sollten (siehe auch Remsperger 2011: 107; Ricart Brede 2011: 126). Die Auswahl der Sequenzen orientierte sich dem‐ nach in erster Linie an inhaltlichen Kriterien. Die Basis dafür bildeten die fol‐ genden von Deppermann (2000: 105 f.) aufgestellten Kriterien für die Gesprächs‐ analyse. Demzufolge sollten die für die Mikroanalyse ausgewählten Szenen den Kriterien: • der Typikalität als dem „Maß, in dem eine Gesprächsaufnahme typisch für die mit ihr zu erfassende Praxis ist“ (Deppermann 2000: 105 f.), • der Repräsentativität als der „Häufigkeit, mit der eine Praktik im Feld vor‐ kommt“ und damit Situationen bzw. Aktivitäten untersuchen möchte, die zu den „Routinevollzügen des Handlungsfeldes gehören“ (ebd. 106) und • der Relevanz als „Stellenwert, der einer Praktik für die Bearbeitung wieder‐ kehrender Kommunikationsaufgaben im Untersuchungsfeld zukommt“ (ebd.) genügen. Das Einhalten dieser Auswahlkriterien wurde im Rahmen dieser Studie durch den aktiven Einbezug der Feldkenntnisse geleistet, die ich mir im Laufe der Explorationsphase, der Pilotierungsphase und durch meine Anwe‐ senheit in der Datenerhebungssituation angeeignet habe. In diesem Sinne sieht auch Deppermann (2000: 105) in der regelmäßigen teilnehmenden Beobachtung die beste Möglichkeit zur Aneignung einer profunden Kenntnis des Forschungs‐ feldes, die unabdingbar ist, um gezielt interessante Interaktionsereignisse er‐ kennen und damit den Kriterien der Typikalität, Repräsentativität und der Re‐ levanz genüge leisten zu können (vgl. ebd.: 105 f.). Auch Remsperger (2011: 107) nutzt in ihrer videobasierten Studie im Elementarbereich ihre Feldkennt‐ nisse aus der Explorationsphase, um das Einhalten der genannten Auswahlkri‐ terien zu gewährleisten. Da die Interaktionsereignisse im Forschungsfeld durch den Einsatz des Er‐ hebungsinstruments beeinflusst werden können, waren ausgehend von den in‐ haltlichen Auswahlkriterien zwangsläufig auch forschungsmethodische Über‐ legungen in den Auswahlprozess einzubeziehen. Wie im Zuge der Pilotierung dargestellt, nahmen die Reaktionen der Kinder auf die Kamerapräsenz zwar ab, sie ließen sich jedoch auch im Laufe der Hauptdatenerhebung nicht ganz ver‐ meiden. Ausgehend von der Annahme, dass die Kinder in jenen Situationen, in denen sie eine Reaktion auf die Kamera zeigen und diese explizit thematisieren, 5 Empirische Untersuchung 198 5.4.2.4 von ihrem natürlichen und alltäglichen Verhalten in der Kita abweichen, wurden in der Mikroanalyse Handlungssequenzen, in denen die Kinder und auch die Erzieherinnen aufgrund der Filmsituation Zurückhaltung zeigten, nicht berück‐ sichtigt (vgl. Kiening 2011: 68). Neben den inhaltlichen und methodischen Kriterien bildeten zweitrangig auch technische Aspekte die Grundlage für die Auswahl der Sequenzen. So mussten die ausgewählten Interaktionssequenzen ein gewisses Mindestmaß an Tonqualität aufweisen, um für die Mikroanalyse transkribiert werden zu können (vgl. Tuma et al. 2013: 85). Trotz des Einsatzes der Zwei-Kamera-Strategie, die für die Erhöhung der Qualität der Daten, insbesondere der Tonqualität, sehr lohnend war und dem Datenverlust in vielen Fällen entgegengewirkt hat, ist es in einigen Situationen dennoch nicht gelungen, eine transkribierbare Tonqua‐ lität zu erreichen. Dies war zum Beispiel der Fall, wenn zwei Kidner direkt neben der Kamera saßen und schrien und auch neben der backup-Kamera die Ge‐ räuschkulisse bedingt durch verschiedene Spielaktivitäten (z. B. Auskippen einer Legokiste, Trommeln auf einem Blechtopf) enorm hoch war. Unter Be‐ rücksichtigung der dargestellten Kriterien wurden n=52 Handlungssequenzen für die mikroanalytische Untersuchung ausgewählt (für einen Überblick über die ausgewählten Sequenzen siehe Anhang 4). Transkription der Videodaten Um die ausgewählten Handlungssequenzen für die anschließende Mikroanalyse nutzbar zu machen, mussten diese zunächst transkribiert werden. Da die Indi‐ kation der Transkriptionsregeln auch die Güte einer qualitativ-empirischen Ar‐ beit prägt (vgl. Steinke 2013: 327 f.), sollen die Überlegungen zur Verschriftli‐ chung der Videodaten im Folgenden dargelegt werden. Unter einer Transkription versteht man „die graphische Darstellung ausge‐ wählter Verhaltensaspekte von Personen, die an einem Gespräch (z. B. einem Interview oder einer Alltagsunterhaltung) teilnehmen“ (Kowal / O’Connell 2013: 438). Sie dienen „als stabiler Referenzrahmen innerhalb der Forschung und in der Veröffentlichung von Studien als exemplarischer, zitierfähiger Beleg“ (Langer 2010: 516). Auch für den gesamten Forschungsprozess stellt die Tran‐ skription einen bedeutsamen Schritt dar, da durch die Verschriftlichung des Materials die Weichen für die späteren Möglichkeiten der Analyse gestellt werden und sie die Weiterarbeit mit dem Datenkorpus daher wesentlich prägt (vgl. ebd.; Mempel / Mehlhorn 2014: 147). Der Transkriptionsprozess an sich dient Forschenden dazu, sich bereits vor der eigentlichen Datenanalyse aktiv mit dem Material auseinanderzusetzen, so dass die Wahrnehmung geschult und 5.4 Datenauswertung 199 77 Mempel / Mehlhorn (2014: 148) haben zu diesem Zweck eine Reihe von Leitfragen zu‐ sammengestellt, die helfen, die für die jeweilige Untersuchung relevanten Aspekte zu fokussieren und in Abhängigkeit davon eine geeignete Transkriptionskonvention aus‐ zuwählen. 5.4.2.4.1 bereits auf Besonderheiten im Datenmaterial gestoßen werden kann (vgl. Thiel 2003: 665 f.). Es ist jedoch zu bedenken, dass jede Form der Datenaufbereitung gleichzeitig eine modellmethodische Reduktion impliziert und infolgedessen mit einem zwangsläufigen Verlust von Informationen der Ausgangsdaten einhergeht (vgl. Brinker / Sager 2001: 35). Die Auswahl einer geeigneten Verschriftlichungskon‐ vention sollte aus diesem Grund in enger Verzahnung mit dem Erkenntnisinte‐ resse erfolgen (vgl. Kowal / O’Connell 2013: 439). 77 Je nach Ziel des Forschungs‐ prozesses und der zu bearbeitenden Forschungsfragen unterscheiden sich Transkripte in ihrer Ausführlichkeit, der Dialektgenauigkeit oder der Beschrei‐ bung körperlicher Gesten (vgl. Langer 2010: 519). In Abhängigkeit davon können einige Aspekte verzichtbar bzw. unverzichtbar für die Analyse sein. Um das Transkript nicht unnötig zu verkomplizieren und eine gewisse Lesbarkeit (über Fachkreise hinaus) zu gewährleisten, gilt folglich als allgemeiner Grund‐ satz für die Verschriftlichung, dass generell nur jene Parameter der Primärdaten transkribiert werden sollten, die später auch tatsächlich einer Analyse unter‐ zogen werden (vgl. Kowal / O’Connell 2013: 439), da die steigende Genauigkeit nicht nur mit einer höheren Transkriptionszeit verbunden ist, sondern oft auch zu einer schlechteren Lesbarkeit führt (vgl. Deppermann 2001: 46; Dre‐ sing / Prehl 2011: 13). Um Forschungsergebnisse einem größeren Forschungs‐ kreis zugänglich zu machen und nicht nur fachintern rezipiert werden zu können, ist es wichtig, dass Transkriptionssysteme auch für Nicht-Linguisten lesbar und Forschungsergebnisse damit rezipierbar werden (vgl. Selting et al. 2009: 357). Verschriftlichung visueller und audiovisueller Daten Für die Verschriftlichung von Audiodaten wurden unterschiedliche Transkrip‐ tionskonventionen entwickelt, die sich in ihrer Detailliertheit und auch in ihrer Zielsetzung deutlich unterscheiden. Für die Verschriftlichung alltäglicher Ge‐ spräche zu linguistischen Forschungszwecken gehören HIAT (Halbinterpreta‐ tive Arbeitstranskription nach Ehlich / Rehbein 1976), GAT (Gesprächsanalyti‐ sches Transkriptionssystem nach Selting et al. 1998 / 2009) und CHAT (MacWhinney 1991) zu den prominentesten und am weitesten verbreiteten Transkriptionssystemen (für einen Überblick siehe auch Dittmar 2009: Ka‐ pitel 4 und 5). 5 Empirische Untersuchung 200 78 Einen Überblick über die die Bandbreite verschiedener Repräsentationsformen von Vi‐ deodaten geben Dinkelaker / Herrle (2009: 32). Während demnach für die Verschriftlichung von Audiomaterial auf verschie‐ dene etablierte Transkriptionskonventionen zurückgegriffen werden kann, ist die Transkription von audiovisuellen Daten durchaus mit Schwierigkeiten ver‐ bunden (vgl. Wagner-Willi 2008: 222). Diese Schwierigkeiten liegen in erster Linie in der Fülle an Handlungs- und Interaktionselementen begründet, die sich kaum in einer angemessenen Notation darstellen lassen (vgl. ebd: 8), so dass die „Überführung des Filmmaterials in Schriftsprache häufig besondere Anforde‐ rungen an die Forschenden“ (Mempel / Mehlhorn 2014: 157) stellt. So ist auch zu erklären, dass bislang keine generelle Orthografie für die schriftliche Fixierung „sichtbaren und taktilen“ Verhaltens entwickelt wurde (Hornecker 2004: 5) und auch die Festlegung von Standards zur Transkription nonverbalen Verhaltens noch aussteht (vgl. ebd.: 8; Selting et al. 2009: 355). Je nach Erkenntnisinteresse einer Videostudie sind für audiovisuelle Daten nicht nur schriftliche (Trans‐ kriptionen) sondern auch bildliche Verfahren der Datenaufbereitung (z. B. stills) denkbar (vgl. Dinkelaker / Herrle 2009: 31). 78 Huhn und Schneider (2003: 190) betonen zudem die technischen Funktionen, wie das Vor- und Zurück‐ spulen, das Anhalten des Videos, die Zeitlupenfunktion, die Forschenden im Zuge der Aufbereitung von Videodaten zur Verfügung stehen und die eine zu‐ nehmende Fokussierung und Detailgenauigkeit bis hin zu Mikroanalysen er‐ möglichen. Trotz der vielfältigen Aufbereitungsmöglichkeiten von Videodaten empfiehlt Irion (vgl. 2002: 8) jedoch gerade für induktiv ausgerichtete Studien, die Tran‐ skription zum einen nicht zu früh im Forschungsprozess vorzunehmen, um die Offenheit und Flexibilität des Forschungsprozesses nicht zu gefährden, und zum anderen auch nach der Transkription die Videodaten als Ausgangsmaterial wei‐ terhin in die Analyse einzubeziehen, um relevante Phänomene nicht vorschnell durch das selektive Transkript auszublenden. In Anlehnung an die Empfehlung Irions (2002) wurde das vorliegende Videomaterial zunächst mittels der vorge‐ schalteten Segmentierungsanalyse auf relevante Aspekte bzw. interessante Szenen gesichtet und erst nach der Sequenzauswahl (vgl. Kapitel 5.4.2.3) trans‐ kribiert. Zudem wurde auch im Zuge der sich an die Transkription anschließ‐ enden Mikroanalyse in Ergänzung zu den Transkripten auf die Videodaten als Primärdaten zurückgegriffen und die Analyseergebnisse mit dem Ausgangs‐ material abgeglichen (siehe auch Mempel / Mehlhorn 2014: 157 f.). 5.4 Datenauswertung 201 79 Grundsätzlich kann jede Forscherin in Abhängigkeit von ihrem jeweiligen Forschungs- und Erkenntnisinteresse ihre eigenen Transkriptionsregeln aufstellen (als Beispiel dafür siehe z. B. Henrici 1995: 54-60). Dieser Pluralismus an Verschriftlichungsregeln und das Fehlen einer verbindlichen und übergreifenden Transkriptionskonvention er‐ schwert das Lesen und Verstehen von Transkripten jedoch erheblich und wirkt sich zudem negativ auf die sowohl fachinternen als auch fachübergreifenden Rezeptions‐ möglichkeiten aus (vgl. Bickes / Pauli 2009: 23). Auch aus diesen genannten Gründen erschien es mir für die vorliegende Studie sinnvoll, auf ein bereits etabliertes Trans‐ kriptionssystem zurückzugreifen. 5.4.2.4.2 Merkmale der Transkriptionskonvention GAT 2 Aufgrund fehlender einheitlicher Transkriptionskonventionen von multico‐ dalen Daten bedienen sich auch Videostudien je nach Erkenntnisinteresse der verbreiteten Transkriptionskonventionen aus dem Bereich der Linguistik bzw. Sozialwissenschaften (siehe auch die Empfehlungen zur Transkription von Vi‐ deodaten nach Tuma et al. 2013: 81-84). Da bislang keine einheitlichen Kriterien für die Verschriftlichung von Videodaten entwickelt wurden und die Mikro‐ analyse der Erzieherin-Kind-Interaktionen zudem in erster Linie sprachliche (verbale und nonverbale) Aspekte der Interaktion in den Blick nehmen soll, wurde für die Verschriftlichung der Videodaten auf die Transkriptionskonven‐ tionen nach GAT 2 (Gesprächsanalytisches Transkriptionssystem; Selting et al. 2009) zurückgegriffen. 79 Das gesprächsanalytische Transkriptionssystem ( GAT ) wurde erstmals 1998 mit dem Ziel einer Vereinheitlichung der bestehenden Transkriptionssysteme vorgestellt und 2009 in einer leicht überarbeiteten Version zu GAT 2 weiterent‐ wickelt (vgl. Selting et al. 2009: 354). Bezüglich des Layouts orientiert sich GAT an dem Textnotationsverfahren (vgl. Brinker / Sager 2001: 40), das die sequen‐ zielle Struktur eines Gesprächs in Textblöcken wiedergibt. Neben dem Textno‐ tationsverfahren existiert die aus der Musiknotation entlehnte Partiturschreib‐ weise, die z. B. in HIAT Anwendung findet. Hierbei wird für jeden Sprecher eine gesonderte Transkriptionszeile angelegt, so dass überlappende Sprech- und Handlungsanteile und ein häufiger Sprecherwechsel dargestellt werden können (vgl. Dittmar 2009: 114). Für den vorliegenden Untersuchungsgegenstand er‐ schien mir diese Darstellungsweise eher ungeeignet. Im Zuge der Segmentie‐ rungsanalyse zeigte die Sichtung des Videomaterials, dass die Erzieherinnen gegenüber den Kindern (angesichts des Alters und dem sprachlichen Entwick‐ lungsniveau) wesentlich umfangreichere Gesprächsbeiträge haben. Da die Par‐ titurschreibweise jedoch ein Mitführen aller am Gespräch beteiligten Personen erfordert, wird die Darstellung durch die vielen, jedoch oftmals nur mit wenigen Gesprächsbeiträgen beteiligten Kinder sehr unübersichtlich. Aus diesem Grund wurde in der vorliegenden Studie die Darstellung in Textnotation wie bei GAT 5 Empirische Untersuchung 202 80 Seite 13 im Anhang bei Ricart Brede (2011) gegenüber einer Partiturschreibweise wie in HIAT , auch im Sinne einer bes‐ seren Lesbarkeit der Textnotation (vgl. Brinker / Sager 2001: 42), bevorzugt. Die Transkription nach GAT erfolgt des Weiteren in literarischer Umschrift (vgl. Selting et al. 2009: 360). Dabei orientiert sich die Transkription an der Stan‐ dardorthografie, erfolgt aber orthografisch modifiziert (vgl. Brinker / Sager 2001: 48), d. h., es wird „transkribiert wie gesprochen“ (Ricart Brede 2011: 13 80 ), so dass auch Dialekte, sprachliche Verschleifungen als auch andere Formen sprachlicher Abweichungen orthografisch dargestellt werden können (vgl. Dittmar 2009: 65; Selting et al. 2009: 360 f.). Neben den grundlegenden Merkmalen zur räumlichen Anordnung des Trans‐ kripttextes (Textnotation) und der Orientierung an der literarischen Umschrift wurden bei der Entwicklung von GAT folgende Prinzipien berücksichtigt (vgl. Selting et al. 2009: 356 f.). Das zentrale Prinzip von GAT ist die schrittweise Ausbaubarkeit und Verfeinerbarkeit der Notation. Gemäß dieses „Zwiebelprin‐ zips“ (ebd.: 356) ist ein Transkript daher in Abhängigkeit von dem Forschungs- und Erkenntnisinteresse einer Studie über ein Minimaltranskript, das als rudi‐ mentäres Rohtranskript vor allem für sozialwissenschaftliche Zwecke oder als erstes Arbeitstranskript verwendet wird, über ein Basistranskript, das die Min‐ deststandards für linguistische Publikationen definiert, bis hin zu einem Fein‐ transkript ausbaubar (vgl. ebd.). Für die vorliegende Studie wurde auf das Ba‐ sistranskript nach GAT 2 zurückgegriffen. Dieses erweitert das Transkript um prosodische Informationen, die notwendig sind, um „Missverständnisse hin‐ sichtlich der semantischen Struktur und pragmatischen Funktion der Segmente im Gesprächskontext auszuschließen“ (ebd: 369). Eine Transkription nach dem Feintranskript erschien für die vorliegenden Forschungszwecke nicht zielfüh‐ rend, da Aspekte wie die genaue Kennzeichnung der Akzentstellen und Ak‐ zentstärken, der Tonhöhenverlauf und Tonhöhensprünge, Veränderungen im Tonhöhenregister, die u. a. in dem Feintranskript notiert werden (vgl. ebd.: 377), nicht Bestandteil und Ziel der Analyse waren. Wie einführend dargestellt, sollte das Transkriptionssystem zudem gewissen Ansprüchen der Lesbarkeit genügen. Diese ist bei GAT gewährleistet, da es auf eine Spezialdarstellungsweise, wie z. B. phonetische Umschrift, verzichtet und daher auch fachübergreifend für Nicht-Linguisten lesbar ist (vgl. ebd.: 357). Aus diesem Grund werden für die Darstellungsweise nach GAT keine Sonderzeichen benötigt (wie z. B. bei CHAT , das mit einem umfangreichen Inventar an Sonderzeichen arbeitet, siehe MacW‐ hinney 1995), so dass es neben einer verbesserten Lesbarkeit auch problemlos in jegliche Textverarbeitungs- und Analyseprogramme importierbar und so mit 5.4 Datenauswertung 203 5.4.2.4.3 einer computergestützten Analyse kompatibel ist (vgl. Kuckartz / Grunenberg 2010: 504). Die Lesbarkeit wird darüber hinaus auch durch die Ikonizität von GAT unterstützt, d. h., dass die Transkriptionszeichen nicht willkürlich ausge‐ wählt wurden, sondern ikonischen Prinzipien folgen (vgl. Selting et al. 2009: 357). Des Weiteren genügt GAT dem Kriterium der Eindeutigkeit, d. h., jedem auditiven Phänomen wird für die grafische Darstellung ein eindeutig definiertes Transkriptionszeichen zugeordnet (vgl. ebd.) sowie dem Kriterium der Relevanz, da durch GAT jene Phänomene darstellbar gemacht werden können, die sich basierend auf den bisherigen Analysen im Bereich der verbalen Interaktion als relevant herauskristallisiert haben (vgl. ebd.). Durchführung der Transkription Die Transkription erfolgte im Anschluss an die Sequenzauswahl. Bei der Er‐ stellung der Transkripte der 52 ausgewählten Handlungssequenzen wurde auf die Notationszeichen zurückgegriffen, die im Rahmen des Basistranskripts nach GAT 2 erarbeitet wurden (die einzelnen Notationszeichen der GAT 2-Konven‐ tion sind bei Selting et al. 2009 nachzulesen). Bei der Anfertigung der Trans‐ kripte konnte dank einer integrierten Transkriptionsfunktion wiederum auf Max QDA zurückgegriffen werden. In Max QDA stehen alle gängigen Funkti‐ onen einer Transkriptionssoftware, wie die Regulierung des Abspieltempos, automatisches Vor- und Zurückspulen etc., zur Verfügung (vgl. Verbi 2012: 136 f.). Zudem kann in Max QDA parallel zur Transkription auf die Videodaten als Ursprungsdaten zurückgegriffen werden. Im Zusammenhang mit der Erstellung von Transkripten sollte bedacht werden, dass Transkribierende „nie zu 100 % sauber transkribieren können“ (Ri‐ cart Brede 2011: 143) und Transkriptionen daher grundsätzlich fehleranfällig sind (vgl. Kowal / O’Connell 2013: 444). Um die Gefahr eines dadurch entste‐ henden Datenverlustes zu verringern und die Qualität der Transkription zu er‐ höhen, erfolgte die Transkription in mehreren Durchgängen (siehe u. a. auch Pauli 2006a: 39). Nach einem ersten Transkriptionsdurchgang wurde die Erst‐ version der erstellten Transkripte von einer weiteren Person, die einerseits ei‐ gene Vorerfahrungen im Bereich der Transkription von Gesprächsdaten, ande‐ rerseits aber auch umfassende Kenntnisse im elementarpädagogischen Bereich hat, dankenswerterweise gegengelesen und korrigiert. Im Anschluss daran er‐ folgte ein erneuter Durchgang, bei dem die Korrekturvorschläge geprüft und die Transkripte nochmals überarbeitet wurden. Die nach diesem dritten Durch‐ gang vorliegende Version der Transkripte bildete die Grundlage für die an‐ schließende Mikroanalyse der Erzieherin-Kind-Interaktionen. 5 Empirische Untersuchung 204 5.4.2.5 Mikroanalyse Die Mikroanalyse, für die die zuvor erstellten Transkripte die Datenbasis liefern, stellt eine kleinschrittige Analyse des Interaktionsverhaltens der Erzieherinnen dar. Hierfür diente die zweite der eingangs formulierten Forschungsfragen (Welche Charakteristika weisen der Input und das sprachliche Interaktionsver‐ halten der Erzieherinnen in den verschiedenen Interaktionssituationen auf ? ) als übergeordnete Forschungsfrage. Diese für die Analyse leitende Fragestellung, die zunächst einen im Sinne des explorativ-interpretativen Forschungspara‐ digmas unvoreingenommenen Umgang mit dem Datenmaterial und ein offenes Vorgehen im Forschungsprozess ermöglichte, galt es im Vorfeld der Mikroana‐ lyse hinsichtlich des Erkenntnisinteresses zu präzisieren und in Teilfragestel‐ lungen auszudifferenzieren. In diesem Zusammenhang erwies sich das mehr‐ schrittige Forschungsdesign (vgl. Kapitel 5.4.1) als optimale forschungsstrate‐ gische Vorgehensweise, um das eigene Erkenntnisinteresse parallel zu den aufeinander aufbauenden Aufbereitungs- und Auswertungs‐ schritten der Daten zu schärfen. So ermöglichten bereits die Segmentierungs‐ analyse und Basiskodierung im Rahmen der ersten Teilanalyse sowie die Tran‐ skription der Interaktionssequenzen eine intensive Auseinandersetzung mit dem Material, so dass wiederum präzise Teilfragestellungen für die mikroanaly‐ tische Betrachtung der Daten abgeleitet werden konnten. Die übergeordnete Forschungsfrage wurde demzufolge in die folgenden Teilfragestellungen auf‐ geschlüsselt, die jeweils unterschiedliche Unteraspekte des Interaktionsverhal‐ tens der Erzieherinnen bzw. des Interaktionsgeschehens in den Fokus nehmen: 1. Welche Merkmale weist der an das Kind gerichtete sprachliche Input der Erzieherinnen auf ? 2. Wie initiieren die Erzieherinnen die Interaktion mit den Kindern bzw. wie regen sie zur Produktion von Output an? 3. Wie beteiligen sich die Kinder an der Interaktion? 4. Wie reagieren die Erzieherinnen auf die verbalen und nonverbalen Inter‐ aktionsversuche der Kinder? Aus der Aufschlüsselung der Fragestellung wird deutlich, dass der Fokus der Mikroanalyse auf die empirische Erfassung des Interaktionsverhaltens der Er‐ zieherinnen in der bilingualen Einrichtung abzielt. Die Schwerpunktsetzung auf Seiten der Erzieherinnen erklärt sich in erster Linie vor dem Hintergrund des Forschungsdesiderats (vgl. Kapitel 3.3), das aus dem Forschungsstand abgeleitet wurde, und spiegelt sich schließlich auch in der interaktionistisch-soziokultu‐ rellen spracherwerbstheoretischen Verankerung der Studie wider (vgl. Ka‐ 5.4 Datenauswertung 205 pitel 4.2 / 4.3). Gemäß dieser Perspektive auf den Spracherwerb stellt das Inter‐ aktionsverhalten von Bezugspersonen, in diesem Fall der Erzieherinnen des TU -Kinderhauses, eine zentrale Größe für die Spracherwerbsbedingungen von Kleinkindern dar. Durch den Einsatz bestimmter Scaffolding-Strategien können die Erzieherinnen das Kind befähigen, in der Zone der nächsten Entwicklung zu agieren (vgl. Gibbons 2009: 15). Das Interaktionsverhalten der Erzieherinnen wurde daher aus einer soziokulturellen spracherwerbstheoretischen Position betrachtet. Dabei stand die Frage im Mittelpunkt, welche Formen sprachlicher Unterstützung den Kleinkindern in der Interaktion mit den Erzieherinnen zur Verfügung gestellt werden, bzw. wie sich, gemäß der soziokulturellen Metapher, die noch bestehende Fremdregulation des kindlichen Novizen durch die sprach‐ lich kompetentere Interaktionspartnerin zeigt. Dazu war es in einem ersten Schritt, bevor Aspekte der wechselseitigen In‐ teraktion in den Blick genommen werden konnten, notwendig, die Besonder‐ heiten der Sprachverwendung der Erzieherinnen in den alltäglichen Interakti‐ onen mit den unter dreijährigen Kindern zu ergründen. In diesem Zusammen‐ hang widmete sich die Analyse vor allem Fragen der Aufmerksamkeitslenkung, des Einsatzes von spezifischen Gesten sowie von Strategien der Verständnissi‐ cherung (1. Teilfrage). Dem Aspekt der sprachlichen Interaktion wurde insofern Rechnung getragen, als dass sowohl initiativ-gesprächsevozierende als auch re‐ aktiv-responsive Elemente des Interaktionsverhaltens der Erzieherinnen im Zuge der Analyse sichtbar gemacht und detailliert untersucht wurden. Bezüg‐ lich der Analyse des initiativen Erzieherinnenhandels wurde das Datenmaterial unter der Fragestellung untersucht, welche gesprächsevozierenden Äuße‐ rungen die Erzieherinnen einsetzen, um eine Interaktion mit den Kindern zu initiieren oder aufrechtzuerhalten (2. Teilfrage). Um jedoch ein möglichst holis‐ tisches Bild davon zeichnen zu können, wie die Erzieherinnen im bilingualen Kita-Alltag mit den unter dreijährigen Kindern interagieren, war es außerdem erforderlich, die Interaktionsbeteiligung auf Seiten der Kinder zu berücksichtigen. In diesem Zusammenhang wurde erfasst, wie sich die Kinder ih‐ rerseits in der zweisprachigen Umgebung verständlich machen und welche der ihnen zur Verfügung stehenden kommunikativen Mittel sie in den verschie‐ denen Interaktionen einsetzen (3. Teilfrage). Auf der Basis der kindlichen Inter‐ aktionsbeteiligung wurde schließlich der Aspekt der Responsivität, d. h. die Fragestellung, wie die Erzieherinnen auf verschiedene kindliche Interaktions‐ versuche reagieren, in den Blick genommen (4. Teilfrage). Ausgehend von der Schärfung des Erkenntnisinteresses und der Präzisierung der Fragestellung war es in einem nächsten Schritt notwendig, ein für die Mik‐ roanalyse geeignetes Beobachtungsinstrument zu entwickeln. Da für die Be‐ 5 Empirische Untersuchung 206 5.4.2.5.1 antwortung der oben genannten Forschungsfragen und die spezifischen Rah‐ menbedingungen des Forschungsgegenstandes (u. a. Interaktionsverhalten von ErzieherInnen in bilingualen Kitas, Altersgruppe der Unterdreijährigen), noch kein adäquates Auswertungsinstrument existiert, war auch für diesen Analy‐ seschritt ein eigenes Instrument zu konzipieren, mithilfe dessen Aspekte des Erkenntnisinteresses aus dem Datenkorpus herausgearbeitet werden können. Entwicklung und Beschreibung des Beobachtungsinstruments Die Entwicklung des Beobachtungsinstruments war auch für diesen Auswer‐ tungsschritt als zyklischer Prozess angelegt, die Kategorienentwicklung dabei jedoch stärker induktiv ausgerichtet. Aus diesem Grund orientierte ich mich bei der Entwicklung des Beobachtungsinstruments an dem Vorgehen von Ricart Brede (2014: 142; vgl. Abbildung 6), adaptierte dieses jedoch für die vorliegende Studie. Abb. 6: Entwicklung eines Beobachtungsinstrumentes (in Anlehnung an Ricart Brede 2014: 142) Ricart Brede (2014: 142) schlägt zunächst eine Literatursichtung als Ausgangs‐ punkt für die Entwicklung der Kategorien vor. Diese deduktive Annäherung ist allerdings nur dann möglich, sofern bereits eine umfangreiche und einschlägige Literaturgrundlage zu dem Forschungsgegenstand existiert und bereits auf vor‐ handene empirische Befunde und theoretische Ausführungen zurückgegriffen 5.4 Datenauswertung 207 werden kann (vgl. ebd.). Dies war - wie die Darstellung des Forschungsstandes verdeutlich hat (vgl. Kapitel 3) - für den vorliegenden Untersuchungsgegen‐ stand nur bedingt der Fall. Aufgrund der fragmentarischen empirischen Grund‐ lage wurde daher gemäß der Offenheit und Unvoreingenommenheit des quali‐ tativen Forschungsprozesses induktiv, d. h. zunächst mit einer Sichtung des Ma‐ terials begonnen, ohne bereits deduktiv generierte Kategorien an das Material heranzutragen (vgl. Abbildung 6; „Materialsichtung“). Aus der Sichtung des Materials konnten bereits einige vorläufige Kategorien generiert werden (vgl. Petko et al. 2003: 273 f.). Erst in einem zweiten Schritt wurden die induktiv er‐ mittelten Kategorien im Sinne der Operationalisierung und Definierbarkeit der theoretischen Konstrukte deduktiv mit dem Forschungsstand und angrenz‐ enden Forschungsbereichen abgeglichen. Dieser zunächst induktiv ausgerich‐ tete Prozess wurde in dieser Studie einem zu stark deduktiv geprägten Vorgehen vorgezogen, da deduktive, d. h. theoretische, aus der Literatur abgeleitete Be‐ obachtungskriterien, insbesondere aufgrund der spezifischen Erwerbsbedin‐ gungen des untersuchten Forschungsfeldes, nur vorsichtig und nach kritischer Überprüfung am Datenmaterial auf den vorliegenden Forschungskontext einer bilingualen Krippeneinrichtung übertragen werden können. Daher kam der Er‐ probung und Überprüfung der induktiven Passgenauigkeit der jeweiligen Ka‐ tegorien eine zentrale Rolle zu (vgl. Ricart Brede 2014: 142). So musste beispiels‐ weise bei der Übertragung von möglichen Beobachtungskategorien aus dem IQOS -Instrument (vgl. u. a. Weitz 2012), das im Rahmen des EU -Projektes ELIAS (vgl. Kersten 2010) zur Beobachtung des Inputs von ErzieherInnen in der Inter‐ aktion mit dreibis sechsjährigen Kindern in bilingualen Kitas entwickelt wurde, kritisch geprüft werden, ob die Kategorien auch in Interaktionen mit der Altersgruppe der Unterdreijährigen haltbar sind bzw. musste ermittelt werden, welche Abänderungen für die ErzieherIn-Kind-Interaktion in krippenspezifi‐ schen Interaktionskontexten vorgenommen werden müssen. Gleichermaßen war bei der Orientierung an existierenden Studien zur Erforschung von Erzie‐ herIn-Kind-Interaktionen in einsprachigen Kita-Einrichtungen (vgl. u. a. König 2006, Remsperger 2011, Ricart Brede 2011) zu hinterfragen, inwieweit der mehr‐ sprachige Erwerbskontext in einer Kita das Interaktionsverhalten von Erziehe‐ rInnen bedingt. Darüber hinaus konnten wissenschaftliche Erkenntnisse zu frühen Mutter-Kind-Dyaden (siehe z. B. Newport et al. 1977; Snow 1972, 1977) als einem weiteren zentralen Bereich der Interaktionsforschung für die Ent‐ wicklung von geeigneten Beobachtungskategorien hinzugezogen werden, da sie der in dieser Studie anvisierten Altersgruppe entsprechen. Hinsichtlich der Übertragbarkeit bzw. Abänderung von Kategorien musste hier jedoch mit be‐ dacht werden, dass auch die institutionellen Rahmenbedingungen, d. h. ob die 5 Empirische Untersuchung 208 sprachlichen Interaktionen im geschützten und nicht-öffentlichen, häuslichen Umfeld oder in dem halb-öffentlichen Interaktionskontext Kita, Einfluss auf die Art und Weise der Interaktion und deren sprachlicher Ausgestaltung durch die beteiligten InteraktionspartnerInnen nehmen können. Darüber hinaus wirkt sich auch das Vertrauensverhältnis und die emotionale Bindung zwischen den Beteiligten, die zwischen Mutter und Kind auf der einen und zwischen Erzie‐ herIn und Kind auf der anderen Seite, wesentlich auf die Interaktionsbedin‐ gungen aus. In einem weiteren Forschungsbereich wird das Interaktionsver‐ halten von Bezugspersonen mit sprachentwicklungsverzögerten Kindern un‐ tersucht. Die empirischen Erkenntnisse zu diesem Forschungsfeld wurden bei der Entwicklung des Beobachtungssystems ebenfalls gesichtet, jedoch muss auch hier von einer unkritischen Übernahme der Kategorien Abstand ge‐ nommen werden, da das Vorliegen einer sprachlichen Entwicklungsverzöge‐ rung seitens der kindlichen InteraktionspartnerInnen wiederum spezifische Anpassungen im sprachlichen Interaktionsverhalten der Bezugsperson her‐ vorrufen kann (vgl. Kiening 2011: 194). Nach Überprüfung der Passgenauigkeit und Operationalisierung der Be‐ obachtungsaspekte wurden die gemischt induktiv-deduktiv entwickelten Be‐ obachtungskategorien schließlich in einem vorläufigen Beobachtungsinstru‐ ment zusammengeführt. Dieses wurde anschließend exemplarisch an dem Da‐ tenkorpus erprobt. Gemäß dem zyklischen Prozess der Kategorienentwicklung folgte daraufhin eine erneute Überarbeitungsphase (vgl. Ricart Brede 2010: 259; Ricart Brede 2014: 142). In dieser Überarbeitungsphase wurden Ungenauig‐ keiten in den Definitionen sowie etwaige Überschneidungen zwischen ein‐ zelnen Unterkategorien trennschärfer voneinander abgegrenzt sowie zusätzlich notwendige Kategorien hinzugefügt bzw. überflüssige entfernt. Nach Abschluss dieses zirkulären Prozesses der Anwendungs- und Überarbeitungsphasen und der Feinabstimmung der Kategorien wurde das Beobachtungsinstrument in Form eines Kodiermanuals zusammengefasst (vgl. Anhang 5). Dieses beinhaltet sowohl die vollständige Auflistung sämtlicher Kategorien als auch die dazu gehörige Explikation der einzelnen Kategorien. Zusätzlich ist auch angeführt, aus welcher Referenzquelle die jeweilige Kategorie generiert wurde. Das Ko‐ diermanual leistet damit einen Beitrag, das Vorgehen bei der Mikroanalyse der Daten transparent und damit auch für Außenstehende intersubjektiv nachvoll‐ ziehbar zu gestalten (vgl. Kapitel 5.4.3). Trotz des im Vorfeld erstellten Beobachtungssystems sollte gewährleistet werden, dass die Auswertung des Datenmaterials durch die vorab entwickelten Kategorien nicht zur sehr eingeschränkt wird und der Gefahr entgegengewirkt werden, dass relevante Aspekte und Kategorien, die sich womöglich erst im 5.4 Datenauswertung 209 Laufe der Analyse zeigen, nachträglich nicht mehr erfasst werden können bzw. zu früh aus dem Blickfeld geraten. Entsprechend der explorativ-interpretativen Methodologie (vgl. Grotjahn 1993: 231) sollte dem Material auch während der Analyse fortwährend offen und erkundend begegnet werden können. Eine allzu starre und unflexible Handhabung sowie ein Absolutsetzen des Kategoriensys‐ tems verbot sich aus diesem Grund. Stattdessen wurden auch noch während der Analyse induktiv weitere Kategorien in das bestehende Beobachtungsinstru‐ ment aufgenommen (siehe Abbildung 6; „nachträgliche Kategorien“). So konnte Sorge dafür getragen werden, dass das zuvor gemischt induktiv-deduktiv ent‐ wickelte Kategoriensystem nicht nur für die kleine Stichprobe, an der das In‐ strument erprobt wurde, passgenau ist, sondern der Vielfältigkeit des gesamten Datenkorpus gerecht wird und dieses adäquat abzubilden vermag. Diese for‐ schungspraktische Entscheidung, auch noch im Laufe der Analyse Kategorien zu ergänzen, erwies sich rückblickend als äußerst lohnenswert, da dank dieser Vorgehensweise tatsächlich zusätzliche erkenntnisweisende Kategorien ergänzt werden konnten. Darüber hinaus sollten bei der Entwicklung eines Beobachtunginstruments Überlegungen dazu angestellt werden, auf welcher Basis, d. h. auf welcher Ein‐ heit bzw. Ebene des Datenmaterials die Kodierungen vorgenommen werden müssen, um die Forschungsfragen gegenstandsangemessen bearbeiten zu können (vgl. Petko et al. 2003: 272 f.). Die Präzisierung der Fragestellungen ver‐ deutlicht, dass es sich im Gegensatz zum ersten Analyseschritt um eine relativ kleinschrittige Untersuchung auf mikroanalytischer Ebene handelt. Entspre‐ chend klein muss auch die Analyseeinheit sein (vgl. Ricart Brede 2011: 151). Für die formulierten Forschungsfragen bot es sich an, die einzelnen Sprecherbei‐ träge der InteraktionspartnerInnen, die auch als turns bezeichnet werden, als Analyseeinheiten heranzuziehen. Da die Transkription anhand der GAT 2-Kon‐ ventionen vorgenommen wurde und die sequenzielle Struktur der Textnotation ebenfalls auf der Unterteilung in einzelne Sprechbeiträge basiert (vgl. Selting et al. 2009: 363 f.), konnte für die Analyse auf diese bereits im Transkript vorhan‐ dene Unterteilung zurückgegriffen werden. Ein turn umfasst normalerweise einen Gesprächsbeitrag eines Interaktionsteilnehmenden bis zum nächsten Sprecherwechsel (vgl. Pauli 2006b: 125), d. h. der turn beginnt und endet jeweils mit einem Sprecherwechsel (vgl. ebd.: 128). In Hinblick auf die Analyseeinheiten kann es jedoch auch vorkommen, dass ein Sprecherbeitrag mehrere Äuße‐ rungen eines Gesprächsteilnehmenden umfasst (vgl. Ricart Brede 2011: 151). Für die vorliegende Analyse trifft dies vor allem für die Sprecherbeiträge der Erzie‐ herinnen zu, die im Vergleich zu der kindlichen Interaktionsbeteiligung we‐ sentlich umfangreicher sind und daher oftmals mehrere Äußerungen umfassen. 5 Empirische Untersuchung 210 5.4.2.5.2 In diesem Fall wurden die Kodierungen nicht anhand des gesamten Gesprächs‐ beitrags, sondern an den einzelnen Äußerungen vorgenommen. Neben der Festlegung der Analyseeinheit war zu bestimmen, welche Art von Kodierung für die Bearbeitung des Datenmaterials infrage kommt. Im Gegensatz zu dem ersten makroanalytischen Auswertungsschritt, in dem mit flächendeck‐ enden Kodierungen anhand von sogenannten coverage-codes und disjunkten Kategorien (vgl. Petko et al. 2003: 274) gearbeitet wurde, bot sich für diesen Auswertungsschritt die Kodierung mit sogenannten occurence-codes an (vgl. ebd.: 275). Bei dieser Art der Kodierung, die auch als Ereigniskodierung be‐ zeichnet wird (vgl. Hugener / Drollinger-Vetter 2006: 65), werden keine flächen‐ deckenden Zeitabschnitte, sondern wird das bloße Auftreten bestimmter Ele‐ mente kodiert (vgl. Petko et al. 2003: 275). Diese Kodierungen können daher zur „Erfassung spezifischer Ereignisse“ (Waldis 2010: 46) verwendet werden, da sie eine Aussage darüber zulassen „wie oft ein bestimmtes Ereignis bzw. eine be‐ stimmte Handlung […] vorkommt“ (ebd.). Ein weiteres Merkmal dieser Art der Kodierung ist, dass auch Mehrfachkodierungen von Ereignissen möglich sind (vgl. Hugener 2006b: 93), da sich die Kategorien der occurence-codes gegenseitig nicht zwangsläufig ausschließen müssen (vgl. Petko et al. 2003: 275). Die Ent‐ scheidung für die occurence-codes und damit für die Möglichkeit der Mehrfach‐ kodierungen erwies sich aufgrund der Charakteristika des Untersuchungsge‐ genstandes, insbesondere der charakteristischen Multifunktionalität von Ge‐ sprächsdaten, die eindeutige Funktionszuschreibungen von Gesprächsbeiträgen oftmals erschweren (vgl. Bose et al. 2013: 72), nicht nur als sinnvoll, sondern als zwingend erforderlich. Nur wenn die Möglichkeit der Mehrfachkodierung von Äußerungen forschungspraktisch berücksichtigt wird, können die spezifischen Interaktionsmuster des Erzieherinnenhandelns gegenstandsangemessen erfasst werden. In welchen Fällen es zu Mehrfachkodierungen von Äußerungen bzw. Sprecherbeiträgen, und damit zu Überschneidungen der funktionalen Katego‐ rien, kam, wird im Rahmen der Ergebnisdarstellung diskutiert. Durchführung der Mikroanalyse Die Mikroanalyse wurde, wie auch die vorgeschaltete Segmentierungsanalyse und Basiskodierung, mithilfe des Programms Max QDA 11 durchgeführt. Eine Stärke des Programms besteht darin, dass es nicht auf ein spezielles Auswer‐ tungsverfahren festgelegt ist, sondern den zirkulären Prozess der Kategorien‐ entwicklung und das gemischt induktiv-deduktive Vorgehen bei der Entwick‐ lung des Beobachtungsinstruments unterstützt. So war es möglich, zunächst ein Auswertungsinstrument aus vorläufigen Kategorien zu entwerfen und diese später umzubenennen, zu präzisieren oder zu verwerfen. Auch das nachträg‐ 5.4 Datenauswertung 211 81 Die Benutzeroberfläche setzt sich hier aus der Liste der Dokumente (oben links), dem Kategoriensystem bzw. Codesystem (links unten) sowie dem Dokument-Browser, in das die Transkripte geladen und kodiert werden können (rechts), zusammen. 82 In der Terminologie von MaxQDA11 werden die Ober- und Unterkategorien entspre‐ chend als Codes und Subcodes bezeichnet. liche Hinzufügen von Kategorien parallel zur laufenden Auswertung ist bei Max QDA 11 problemlos möglich. Auf diese Weise konnten die forschungsme‐ thodischen Vorüberlegungen zum Auswertungsdesign, die die Notwendigkeit eines gemischt induktiv-deduktiven Vorgehens verdeutlicht haben, dank der Flexibilität von Max QDA 11 auch forschungspraktisch realisiert werden. Die folgende Abbildung 7 gibt anhand eines Screenshots der Benutzeroberfläche einen Einblick in die Durchführung der transkriptbasierten Mikroanalyse mit‐ hilfe des Programms Max QDA : 81 Abb. 7: Durchführung der Mikroanalyse in MaxQDA (Screenshot) Des Weiteren stellten sich die Memofunktionen von Max QDA als überaus nütz‐ lich heraus. Mithilfe der Code-Memos wurden Definitionen und inhaltliche Be‐ deutungen einzelner Ober- und Unterkategorien 82 dokumentiert (vgl. Kuckartz 2010: 134) sowie Ankerbeispiele aus dem Datenkorpus ergänzt (vgl. ebd.: 140,144). Auf diese Weise konnten die Code-Memos als eine Art Kodierhandbuch genutzt werden, auf das während der Analyse zur Klärung diskussionswürdiger Kodierentscheidungen zurückgegriffen werden konnte (siehe die Memos im Code-system; Abbildung 7). Die Code-Memos wurden durch Text-Memos er‐ gänzt. Mit dem Ziel, interessante Fälle direkt im Datenmaterial markieren zu 5 Empirische Untersuchung 212 5.4.3 können, wurden die Text-Memos daher einzelnen Textstellen in den Trans‐ kripten zugeordnet (vgl. ebd.: 143). Auf übergeordneter Ebene kamen auch Do‐ kument-Memos zum Einsatz. Diese beziehen sich wiederum auf ein gesamtes Dokument (vgl. ebd.), in diesem Fall auf die gesamte Transkription einer Inter‐ aktionssequenz, und dienen dazu, besondere Merkmale zu der jeweiligen Inter‐ aktionssequenz zu notieren und erste Hypothesen zu spezifischen Mustern im Datenmaterial zu dokumentieren. Auf diese Weise wurde die gesamte Mikro‐ analyse durch das systematische Anfertigen verschiedener Memo-Typen be‐ gleitet und unterstützt. Rückblickend leisteten die Memos damit einen wichtigen Beitrag zu der anschließenden Theoriebildung (vgl. ebd.: 134), da sie bereits im Prozess der Datenauswertung dazu anhielten, eigene Hypothesen und Zwi‐ schenergebnisse sowie weiterführende Ideen und Gedanken systematisch fest‐ zuhalten und zu ordnen. In diesem Sinne ist Kuckartz (2010: 134) beizupflichten, der dem Anfertigen von Memos eine immense Funktion für den qualitativen Datenauswertungsprozess zuspricht, da „wichtige Teile des Forschungsbe‐ richtes […] gewissermaßen ‚nebenbei‘, d. h. während der Datenanalyse“ ent‐ stehen, so dass der „Sprung von der Datenbearbeitung zur Erstellung des For‐ schungsberichtes“ wesentlich verkürzt werden kann. Güte der Kodierungen Um die Qualität von entwickelten Kategoriensystemen und vorgenommenen Kodierentscheidungen beurteilen zu können, wird in groß angelegten Video‐ studien im Bereich der empirischen Unterrichts- und Bildungsforschung häufig auf das Verfahren der Beobachterübereinstimmung (auch Intercoder-Reliabilität) zurückgegriffen (vgl. u. a. Hugener 2006a: 52; Petko et al. 2003: 275; Ricart Brede 2011: 118). Dabei werden die Kodierungen eines Datensatzes von mindestens zwei BeobachterInnen vorgenommen, die unabhängig voneinander zu gleichen Aussagen kommen sollten (vgl. Bortz / Döring 2006: 277). Die Übereinstimmung zwischen den Kodierungen der BeobachterInnen, die in Form des Kappa-Werts (cohens kappa) rechnerisch bestimmt wird (zur Ermittlung der Beurteilungs‐ übereinstimmung siehe u. a. Wirtz 2006; Wirtz / Kutschmann 2007), gibt Aus‐ kunft über die Reliabilität der Kodierungen (vgl. Petko et al. 2003: 275). Aus einer hohen Übereinstimmung in den Kodierentscheidungen kann dementsprechend die Qualität eines Auswertungsinstruments abgeleitet werden. Eine geringe Übereinstimmungsquote zwei oder mehrerer KodiererInnen ist hingegen als Indiz für gewisse Schwachstellen des Instruments zu werten. Dieses Verfahren kommt zumeist in größeren und in eher quantitativ orientierten Studien zum 5.4 Datenauswertung 213 83 Neben der forschungsparadigmatischen Begründung sind zweitrangig auch personelle Gründe als Argument für den Verzicht auf die doppelte Kodierung des kompletten Da‐ tenkorpus zu nennen. Die doppelte Kodierung ist mit einem enormen zeitlichen Mehr‐ aufwand verbunden und daher außenstehenden dritten Personen, die nicht unmittelbar an der Bearbeitung des Projekts beteiligt sind, kaum zumutbar. Insbesondere in Quali‐ fikationsarbeiten, die zumeist von einer Einzelperson bearbeitet werden, ist die Ermitt‐ lung der Beobachterübereinstimmung daher oft auch „aus logistischen Gründen nicht realisierbar“ (Ricart Brede 2011: 151). Einsatz, bei denen mehrere ForscherInnen an einem Datenkorpus arbeiten (z. B. in der TIMSS -Videostudie, vgl. ebd.). In der vorliegenden Studie wurde auf die doppelte Kodierung des kompletten Datensatzes durch eine weitere Kodierkraft verzichtet. Dies ist in erster Linie mit der Verortung der Arbeit im qualitativ-interpretativen Forschungspara‐ digma zu begründen (vgl. Kapitel 5.1). 83 In Anlehnung an die Gütekriterien der qualitativen Forschung (vgl. Kapitel 5.1.2) ist für die Beurteilung der forschungs‐ methodischen Vorgehensweise und die Qualität der Auswertungsschritte viel‐ mehr von Interesse, ob die getroffenen Entscheidungen im Auswertungsprozess für Außenstehende transparent und intersubjektiv nachvollziehbar sind. Um im Rahmen des Datenauswertungsprozesses ein möglichst hohes Maß an Trans‐ parenz und intersubjektiver Nachvollziehbarkeit zu gewährleisten, wurden zum einen Kodierleitfäden für die einzelnen Auswertungsschritte erstellt (siehe An‐ hang 3 und Anhang 5). Diese Kodierleitfäden enthalten eine detaillierte Be‐ schreibung der entwickelten Beobachtungskategorien. Die Explikation der Ka‐ tegorien soll außenstehenden Personen ermöglichen, das entwickelte Beobach‐ tungsinstrument nicht nur zu verstehen, sondern dieses auch selbst anzuwenden (vgl. Ricart Brede et al. 2010: 265). Zum anderen wurde zur Über‐ prüfung der intersubjektiven Nachvollziehbarkeit auf die Methode der Be‐ obachter-Triangulation (investor-triangulation) (vgl. Aguado 2014: 50; Flick 2011: 14) zurückgegriffen. Dabei wird der Einfluss verschiedener Forschender auf den Untersuchungsgegenstand und die daraus resultierenden Ergebnisse verglichen und diskutiert, um mögliche „Verzerrungen durch die Person des Forschers aufzudecken“ (vgl. Flick 2011: 14). Dementsprechend wurden ausge‐ wählte Beispiele, bei denen es sich zumeist um strittige bzw. uneindeutige Fälle handelte, die meines Erachtens einer Abklärung durch eine weitere Person be‐ durften, im Sinne der Beobachter-Triangulation von Kolleginnen probebzw. gegenkodiert. Zudem wurden DoktorandInnen-Treffen sowie Nachwuchsta‐ gungen genutzt, um das Beobachtungsinstrument und einzelne Kodierentschei‐ dungen kritisch zu diskutieren und hinsichtlich der intersubjektiven Nachvoll‐ ziehbarkeit zu überprüfen. Auf diese Weise konnten weiterführende forschungs‐ methodische Hinweise, aber auch inhaltliche Anmerkungen aus einer 5 Empirische Untersuchung 214 weitgehend unabhängigen Außenperspektive eingeholt werden (vgl. Lueger 2000: 72). Auch die eigene Perspektive auf den Forschungsgegenstand konnte so bereichert und, wenn nötig, korrigiert bzw. revidiert werden (vgl. Rohrmann 1996: 21). Eine weitere Möglichkeit zur Beurteilung der Güte eines Auswertungsinst‐ ruments der quantitativ orientierten Forschung stellt das Verfahren der Intra‐ coder-Reliabilität dar. Dieses bezeichnet die „Übereinstimmungsmessung des vom selben Codierer zu zwei Zeitpunkten codierten, identischen Materials“ (Kolb 2004: 337). Durch die Ermittlung der Intracoder-Reliabilität soll sicherge‐ stellt werden, dass „the researcher would judge the data the same way at diffe‐ rent times - for example, at Time 1 and Time 2“ (Mackey / Gass 2005: 129), so dass Aussagen über die zeitliche Stabilität von Kodierentscheidungen von Forschenden getroffen werden können. Diese liefern wiederum wichtige Er‐ kenntnisse über die Eindeutigkeit des Kategoriensystems. Da die im Rahmen dieser Studie entwickelten Auswertungsinstrumente dank der mit Definitionen und Beispielen versehenen Kodiermanuale in den meisten Fällen eine eindeutige Kodierung ermöglichten, war eine vollständige nochmalige Kodierung des kom‐ pletten Datensatzes nicht erforderlich. Es ist stattdessen eine abgewandelte, in Anlehnung an die Intracoder-Reliabilität entwickelte, jedoch eher den Merk‐ malen qualitativer Forschung genügende, Möglichkeit zur Einschätzung des zweiten, mikroanalytischen Auswertungsschrittes eingesetzt worden. Während der Mikroanalyse wurden uneindeutige bzw. strittige Fälle über die Memo-Funktion kenntlich gemacht, um die entsprechenden Stellen später wie‐ derfinden zu können. In einem zweiten Durchgang, der der Hauptanalyse um ca. drei Monate nachgeschaltet war, wurden die entsprechenden Stellen noch‐ mals von mir gesichtet und neu kodiert, um sie mit meiner ursprünglichen Ko‐ dierentscheidung abgleichen zu können. Neben diesen strittigen und zunächst uneindeutig erscheinenden Fällen wurde die nochmalige Kodierung um weitere stichprobenartige Auszüge aus dem Datenkorpus ergänzt. Auf diese Weise kann retrospektiv eingeschätzt werden, ob das entwickelte Beobachtungsinstrument im eigenen Forschungsprozess auch noch nach einer gewissen Zeitspanne pass‐ genau, praktikabel und anwendbar ist und ob das Kodiermanual transparent und selbsterklärend genug ist, um die einmal getroffenen Kodierentscheidungen mit zeitlichem Abstand nachvollziehen zu können. Da dieses Vorgehen in der Studie mit dem Ziel eingesetzt wurde, die Transparenz und Nachvollziehbarkeit für mich als Forschende, d. h. den retrospektiv-verstehenden Nachvollzug der ei‐ genen Kodierentscheidungen durch die Forscherin selbst, zu gewährleisten, könnte man dieses Vorgehen in Anlehnung an das etablierte Gütekriterium der 5.4 Datenauswertung 215 intersubjektiven Nachvollziehbarkeit auch als Gütekriterium der intrasubjek‐ tiven Nachvollziehbarkeit bezeichnen. Das Gütekriterium der intrasubjektiven Nachvollziehbarkeit kann in quali‐ tativen Forschungsarbeiten auch als Vorinstanz zur Einschätzung der intersub‐ jektiven Nachvollziehbarkeit dienen: Es ist davon auszugehen, dass zunächst eine intrasubjektive und zeitlich stabile Nachvollziehbarkeit des Analyseproz‐ esses für die forschende Person selbst gegeben sein sollte, bevor gewährleistet werden kann, dass auch nicht in den Forschungsprozess involvierte Dritte diesen intersubjektiv nachvollziehen können. Oder vice versa: Wenn noch nicht einmal für die forschende Person selbst die Analysevorschriften über einen ge‐ wissen Zeitraum hinweg transparent und nachvollziehbar sind, ist es umso un‐ wahrscheinlicher, dass die Studie dem Gütekriterium der intersubjektiven Nach‐ vollziehbarkeit standhalten kann. Bezüglich der Beurteilung der Güte speziell von Videoanalysen zeigt sich nochmals der Mehrwert gegenüber herkömmlichen Beobachtungsverfahren wie der teilnehmenden Beobachtung. Durch die Wiederholbarkeit der videoba‐ sierten Beobachtung kann dem oben beschriebenen Umstand, dass Analyseer‐ gebnisse nicht unbedingt zeitlich konstant bleiben, in besonderem Maße Rech‐ nung getragen werden. Dank der permanenten Verfügbarkeit der Videodaten und deren Transkripten kann die zeitliche Stabilität der Analyseergebnisse überprüft (vgl. Knapp / Ricart Brede 2012: 221 f.) und anhand der Videodaten veranschaulicht werden. Dies gilt sowohl für die quantitative Berechnung der Intercoder- und Intracoder-Reliabilität als auch für die im Rahmen dieser Studie praktizierte Vorgehensweise und die abgewandelte Form der Ermittlung der intrasubjektiven Nachvollziehbarkeit. 5 Empirische Untersuchung 216 6 Ergebnisse der empirischen Untersuchung Das folgende Kapitel ist der Ergebnisdarstellung der im bilingualen TU -Kinder‐ haus durchgeführten Videostudie gewidmet. Ausgehend von den leitenden For‐ schungsfragen, die auf konzeptionell unterschiedlichen Ebenen des Datenma‐ terials angesiedelt sind sowie dem darauf abgestimmten mehrstufigen Auswer‐ tungsdesign, empfiehlt es sich, auch die Forschungsergebnisse entlang dieser Struktur vorzustellen. Der folgende Überblick ruft daher einleitend nochmals die aus dem Forschungsstand abgeleiteten Forschungsfragen ins Gedächtnis und veranschaulicht zugleich die Abfolge der Ergebnisdarstellung: Wie ist der sprachliche Input gestaltet, den Kleinkinder in einer im‐ mersiv-bilingualen Krippe erhalten? Diese übergeordnete Forschungsfrage soll anhand der folgenden Teilfrage‐ stellungen bearbeitet werden: • Welche Arten von ErzieherIn-Kind-Kommunikationssituationen kommen während der Freispielzeit in der bilingualen Krippe zu‐ stande? • Welche Charakteristika weisen der Input und das sprachliche In‐ teraktionsverhalten der Erzieherinnen in den verschiedenen In‐ teraktionssituationen auf? Vor diesem Hintergrund gliedert sich die Ergebnisdarstellung in Analogie zu den bearbeiteten Teilfragestellungen und dem zweistufigen Auswertungsdesign in zwei Unterkapitel. Im folgenden Kapitel erfolgt daher zunächst eine Betrach‐ tung der videografierten Freispielzeit auf der Makroebene. In diesem Zusam‐ menhang wird der situative Kontext der Erzieherin-Kind-Interaktionen be‐ schrieben und die in den Interaktionen dominierenden Aktivitäten als Hand‐ lungsrahmen sowie die Sozialform als sozial-strukturelle Dimension des Geschehens näher beleuchtet. Von der Beschreibung der Rahmenbedingungen auf der Makroebene ausgehend nimmt das sich anschließende Kapitel folglich die Mikroebene der Erzieherin-Kind-Interaktionen in den Fokus. Diesbezüglich werden die Charakteristika der sprachlichen Gestaltung durch die Erziehe‐ 84 Gleichwohl weist Haug-Schnabel (2011: 7) darauf hin, dass es im Zuge der Implemen‐ tierung der Bildungspläne derzeit noch nicht gelungen ist, das entwicklungsförderliche Potenzial des Freispiels in die pädagogische Praxis zu transportieren. 6.1 rinnen sowie die Merkmale der kindlichen Partizipation an den Interaktionen herausgearbeitet und im interaktionistisch-soziokulturellen Bezugsrahmen der Studie diskutiert. Makroebene: Rahmenbedingungen der Erzieherin-Kind-Interaktion Im Rahmen der empirischen Untersuchung stellt die Freispielzeit den Ausschnitt aus dem Alltag des bilingualen TU -Kinderhauses dar, der videobasiert erforscht wurde. Dem Freispiel wird in der derzeitigen elementarpädagogischen Diskus‐ sion eine immense entwicklungsfördernde Funktion und ein enormer Selbst‐ bildungscharakter zugesprochen (vgl. Haug-Schnabel 2011: 7). 84 Es scheint damit wesentlich mehr darzustellen als lediglich einen zeitlichen Abschnitt des Kita-Alltags, sondern sollte aufgrund seiner entwicklungstragenden Bedeutung vielmehr als eine „kindergartenspezifische Unterrichtsform“ (Wannack et al. 2011: 7) verstanden werden, in der verschiedene Spielangebote parallel zur Ver‐ fügung stehen. Zu der Frage, wie diese kindergartenspezifische Unterrichtsform in der elementarpädagogischen Praxis inhaltlich ausgestaltet wird, existieren erste empirische Vorarbeiten aus monolingualen Einrichtungen für dreibis sechsjährige Kinder (vgl. König 2006). Für die spezifischen Bedingungen einer bilingualen Krippeneinrichtung für einbis dreijährige Kinder und die Rah‐ menbedingungen und Möglichkeiten, die sich für die Interaktion zwischen Er‐ zieherIn und Kind während des Freispiels in bilingualen Krippeneinrichtungen bieten, wurde diese Frage nach meinem Kenntnisstand bislang noch nicht be‐ arbeitet. Mithilfe der Sequenzierungsanalyse und Basiskodierung - das entsprechende forschungsmethodische Vorgehen wurde in Kapitel 5.4.2.2 eingehend erläu‐ tert - wurden diese Rahmenbedingungen anhand des Datenkorpus (20: 23: 30 Stunden Videomaterial) identifiziert und beschrieben. Um einen Über‐ blick über das umfangreiche Korpus zu erlangen sowie die verschiedenen Hand‐ lungs- und Sozialformen, die die Freispielzeit in der Einrichtung konstituieren, differenziert erfassen und hinsichtlich ihrer Zeitanteile beschreiben zu können, sind bei der Ergebnisaufbereitung zusätzlich Verfahren der deskriptiven Sta‐ tistik zum Einsatz gekommen. Hierbei handelt es sich um „beschreibende Ver‐ fahren, die die erhobenen Daten mithilfe von (mathematischen) Kennwerten 6 Ergebnisse der empirischen Untersuchung 218 85 Da die Aussagen, die mithilfe der deskriptiven Statistik getroffen werden können, aus‐ schließlich für die untersuchte Stichprobe gelten, sprechen Bortz / Döring (2006: 372) auch von „Stichprobendeskription“. Im Gegensatz zur deskriptiven Statistik ist es mit‐ hilfe der inferenziellen Statistik hingegen möglich, Aussagen auf die gesamte Popula‐ tion zu verallgemeinern. Zu diesen Zweck betrachtet die Inferenzstatistik die Daten als Stichprobe einer größeren - entweder realen oder hypothetischen - Grundgesamtheit (vgl. Grunenberg / Kuckartz 2010: 492). beschreiben“ (Gültekin-Karakoç / Feldmeier 2014: 187). 85 Bedurfte es langer Zeit einer Legitimation des Einsatzes jener Verfahren in qualitativ orientierten Ar‐ beiten, schließe ich mich an dieser Stelle namhaften VertreterInnen der empi‐ rischen Sozialforschung an, die die strikte Frontstellung zwischen qualitativer und quantitativer Forschung als überholt und insbesondere angesichts einer Vielzahl von Möglichkeiten bei der softwarebasierten Datenaufbereitung als nicht mehr zeitgemäß erachten. So gibt es auch in qualitativen Studien be‐ stimmte Merkmale, die sich nur quantitativ ausdrücken lassen, wie z. B. die Größe einer Schulklasse oder die Personenanzahl von ProbandInnen. Daher können auch dem qualitativen Paradigma verschriebene Studien oftmals nicht vollständig auf Quantifizierungen verzichten (vgl. Oswald 2010: 188). Zudem ist es gerade das Kernstück qualitativer Forschung und induktiv ausgerichteter Forschungsmethoden, Regelmäßigkeiten, Muster und Typikalitäten aufzude‐ cken (vgl. Grunenberg / Kuckartz 2010: 487). Zur Generierung neuer Hypo‐ thesen oder Theorien kann der Einsatz deskriptiver Statistik daher nicht nur hilfreich sein, sondern auch neue Möglichkeiten erschließen. Im Zuge der Er‐ gebnisaufbereitung ist der Einsatz deskriptiver Statistik damit wie der Einsatz von QDA -Software zur Unterstützung von qualitativer Forschung in die Tradi‐ tion der „Erkenntnis erweiternden Hilfsmittel“ (ebd.) zu stellen und unter diesem Blickwinkel im qualitativen Forschungsparadigma durchaus anerkannt. Zusammenfassend schließt daher auch ein qualitativer Forschungsansatz eine quantitative Datenaufbereitung nicht per se aus, so dass die komplementäre Nutzung verschiedener Auswertungs- und Aufbereitungsverfahren in dieser Arbeit gegenüber einem unangebrachtem Forschungsdogmatismus vertreten wird (siehe dazu auch König 2006: 167). In Bezug auf die vorliegende Studie ist der Einsatz deskriptiver Statistik vor allem damit zu begründen, dass das Ma‐ terial auf diese Weise kondensiert und in übersichtlicher Form präsentiert werden kann. Diese Präsentationsform bildet - da ansonsten womöglich ver‐ borgen gebliebene Zusammenhänge mithilfe deskriptiver Verfahren sichtbar gemacht werden können - „wichtige Kondensationspunkte im Prozess der Da‐ tenanalyse“ (Grunenberg / Kuckartz 2010: 492). Dadurch, dass die Rezipien‐ tInnen die Möglichkeit erhalten, „die Komplexität und Vielfalt der Daten selbst 6.1 Makroebene: Rahmenbedingungen der Erzieherin-Kind-Interaktion 219 6.1.1 in Augenschein zu nehmen und die Schlüsse der Autoren anhand des Primär‐ materials selbst nachzuvollziehen“ (ebd.), kann zudem ein hohes Maß an inter‐ subjektiver Nachvollziehbarkeit gewährleistet werden. Bezogen auf die Frage, welche Aktivitäten in der Interaktion zwischen Erzieherin und Kind im Vor‐ dergrund stehen, sind zunächst univariate Verfahren, bei denen lediglich ein Merkmal in den Blick genommen wird, von Interesse. In diesem Zusammenhang kommen insbesondere absolute und relative Häufigkeiten infrage, bei denen die Vorkommenshäufigkeit von bestimmten Beobachtungsmerkmalen ermittelt und entsprechende Prozentangaben berechnet werden (vgl. ebd.: 493). Im Folgenden werden nun die zentralen Erkenntnisse dieses ersten makro‐ analytischen Auswertungsschritts vorgestellt und unter Bezugnahme auf das Datenkorpus empirisch verankert. Aktivitäten der Erzieherin-Kind-Interaktionen In dem erforschten bilingualen TU -Kinderhaus setzt sich die Freispielzeit aus einer Vielzahl einzelner Interaktionssequenzen zusammen. Insgesamt wurden mithilfe der Sequenzierungsanalyse in dem 20: 23: 30 Stunden umfassenden Vi‐ deokorpus N=684 einzelne Handlungssequenzen identifiziert. Wie sich aus Ta‐ belle 1 anhand der durchschnittlichen Dauer ablesen lässt, handelt es sich bei den einzelnen Aktivitäten zumeist um eher kurzweilige Kontakte bzw. um In‐ teraktionen von eher kurzer Dauer. Dies lässt sich zum einen darauf zurück‐ führen, dass Kleinkinder unter drei Jahren über eine zeitlich begrenzte Kon‐ zentrationsspanne verfügen (vgl. u. a. Apeltauer 2012: 115 f.). Zum anderen zeigt Tabelle 1, dass die durchschnittliche Dauer der Interaktionen in Abhängigkeit von den jeweiligen Aktivitäten erheblich variiert. So scheint es bestimmte Handlungsformen zu geben, die zu länger andauernden Interaktionen moti‐ vieren als andere. Im Folgenden werden daher die einzelnen Aktivitäten sowie deren durchschnittliche Dauer genauer betrachtet. Neben der ersten übergreifenden Erkenntnis, wonach sich die Freispielzeit aus vielen kleineren Interaktionssequenzen konstituiert, spiegelt das analysierte Datenkorpus eine hohe Variation und Breite bezüglich der inhaltlichen Ausge‐ staltung, d. h. der dominierenden Aktivitäten der Erzieherin-Kind-Interaktionen während der Freispielzeit, wider. Die Freispielzeit stellt daher kein inhaltlich homogenes, sondern ein vielschichtiges und komplexes Gebilde dar. Im Rahmen der Basiskodierung wurden die identifizierten Sequenzen daraufhin hinsichtlich ihrer inhaltlichen Ausgestaltung weiter ausdifferenziert. Insgesamt konnten hier zehn verschiedene Aktivitäten in den Erzieherin-Kind-Interaktionen er‐ 6 Ergebnisse der empirischen Untersuchung 220 86 Die absolute Häufigkeit gibt demzufolge an, „wie oft eine bestimmte Merkmalsausprä‐ gung in der gesamten Stichprobe aufgetreten ist“ (Ghanbari 2002: 52). Bei der relativen Häufigkeit wird die absolute Häufigkeit einer Merkmalsausprägung in Relation zu dem Gesamtumfang einer Stichprobe gesetzt, „d. h. die relative Häufigkeit resultiert aus der Division von absoluter Häufigkeit und Gesamtanzahl der Messungen“ (ebd.: 53). Für die Interpretation von Häufigkeitsangaben ist die Bezugnahme auf den Stichprobe‐ numfang unerlässlich, da trotz identischer absoluter Häufigkeiten ein wesentlicher Un‐ terschied in den relativen Häufigkeiten bei zwei Stichproben bestehen kann (vgl. ebd.). mittelt werden. Zu diesen gehören Gespräche, Literacy-Aktivitäten, Fiktions- und Rollenspiele, organisatorisch-pflegerische Tätigkeiten, Funktions- und Übungsspiele, gestalterisch-künstlerische Aktivitäten, Konstruktionsspiele, Be‐ wegungsspiele, musikalisch-rhythmische Aktivitäten sowie Regelspiele (die einzelnen Aktivitäten werden in den folgenden Teilkapiteln 6.1.1.1 bis 6.1. 1. 11 einzeln vorgestellt und näher beschrieben). In einer elften Kategorie wurden unter der Bezeichnung der nicht-kindgerichteten Aktivitäten jene Tätigkeiten der Erzieherinnen subsumiert, an denen kein Kind beteiligt ist. Es handelt sich daher um keine Erzieherin-Kind-Interaktion im eigentlichen Sinne, sondern um eine Art Restkategorie, mithilfe derer anhand des Datenmaterials erfasst werden kann, wann und über welche zeitliche Dauer keine kindgerichteten Interakti‐ onen bei den Erzieherinnen stattfinden. Tabelle 1 gibt die Analyseergebnisse zu dem Beobachtungsmerkmal der Aktivität wieder. Aus der Tabelle lassen sich sowohl die absoluten Häufigkeiten, d. h. die numerische Anzahl an Beobach‐ tungen der jeweiligen Kategorie, als auch die relativen Häufigkeiten, d. h. der prozentuale Zeitanteil des Vorkommens der jeweiligen Kategorie bezogen auf die gesamte Aufnahmedauer, ablesen: 86 Aktivität Dauer Relative Häufigkeit Absolute Häufigkeit Durch‐ schnitt‐ liche Dauer [min] Fiktions- und Rollenspiele 02: 33: 52 12,58 % 64 02: 24 Funktions- und Übungsspiele 01: 41: 12 8,27 % 40 02: 31 Gespräche 04: 08: 40 20,32 % 183 01: 21 Gestalterisch-künstlerische Ak‐ tivitäten 01: 30: 10 7,37 % 21 04: 17 Nicht-kindgerichtete Aktivitäten 02: 00: 27 9,84 % 115 01: 02 Konstruktionsspiele 00: 24: 38 2,01 % 13 01: 53 Bewegungsspiele 01: 00: 54 4,98 % 32 01: 54 6.1 Makroebene: Rahmenbedingungen der Erzieherin-Kind-Interaktion 221 Aktivität Dauer Relative Häufigkeit Absolute Häufigkeit Durch‐ schnitt‐ liche Dauer [min] Literacy-Aktivitäten 03: 14: 18 15,88 % 59 03: 17 Organisatorisch-pflegerische Tätigkeiten 02: 30: 48 12,33 % 110 01: 22 Regelspiele 00: 26: 35 2,17 % 10 02: 39 Musikalisch-rhythmische Akti‐ vitäten 00: 51: 56 4,24 % 37 01: 24 Summe 20: 23: 30 100,00 % 684 Tab. 1: Überblick über die Aktivitäten Die in Tabelle 1 zusammengefassten Angaben zu den absoluten und relativen Häufigkeiten der zehn bzw. elf Kategorien verdeutlichen zudem, dass die ver‐ schiedenen Aktivitäten zu unterschiedlichen Zeitanteilen auf die Freispielzeit verteilt sind. So wurde die Aktivität Gespräch absolut betrachtet am häufigsten (n=183) beobachtet. Direkt darauf folgen an zweiter Stelle nicht-kindgerichtete Aktivitäten mit einer absoluten Anzahl von n=115 Beobachtungen. Neben den Gesprächen nehmen organisatorisch-pflegerische Tätigkeiten eine zentrale Po‐ sition in der Interaktion zwischen Erzieherin und Kind ein. Diese wurden ins‐ gesamt n=110 im Datenkorpus identifiziert. Mit einem größeren Abstand folgen Fiktions- und Rollenspiele (n=64), Literacy-Aktivitäten (n=59), Funktions- und Übungsspiele (n=40) sowie Interaktionssequenzen, in denen musikalisch-rhyth‐ mische Aktivitäten im Vordergrund stehen (n=37). Bewegungsspiele (n=32 Be‐ obachtungen), gestalterisch-künstlerische Aktivitäten (n=21), Konstruktions‐ spiele (n=13) sowie Regelspiele (n=10) scheinen hingegen - bezogen auf die absolute Vorkommenshäufigkeit - eine geringere Relevanz für Interaktionen in der Freispielzeit zu haben. Die Aussagekraft der präsentierten Ergebnisse zu den absoluten Häufigkeiten der Aktivitäten ist für die tatsächliche inhaltliche Ausgestaltung der Freispielzeit allerdings nur von begrenzter Reichweite. Die reine Kodierhäufigkeit eines ein‐ zelnen Merkmals lässt noch keinerlei Rückschlüsse darauf zu, welchen zeitli‐ chen Anteil die Aktivität bezogen auf die videografierte Freispielzeit einnimmt. So suggeriert beispielsweise die hohe Anzahl an nicht-kindgerichteten Aktivi‐ täten (n=115), dass die untersuchten Erzieherinnen einen Großteil der Freispiel‐ zeit nicht für Beschäftigungen mit den Kindern nutzen. Dies würde eine eher 6 Ergebnisse der empirischen Untersuchung 222 ernüchternde Erkenntnis darstellen. Bei der Datenanalyse wurde gemäß des Prinzips des event-samplings jeweils der Start- und Endpunkt des Auftretens einer bestimmten Aktivität kodiert (siehe dazu Kapitel 5.4.2.2), so dass die iden‐ tifizierten Aktivitäten von jeweils unterschiedlicher Länge sind. Aufgrund der unterschiedlichen Dauer wäre es demzufolge eine „kaum zu legitimierende Ver‐ einfachung“ (Ricart Brede 2011: 157), von der absoluten Anzahl an Beobach‐ tungen auf die tatsächliche Verteilung der Aktivitäten zu schließen. Es ist daher erforderlich, die einzelnen Aktivitäten hinsichtlich ihrer Zeitanteile in den Blick zu nehmen, um so Aussagen über das Vorkommen der verschiedenen Hand‐ lungsformen in der Freispielzeit treffen zu können. Bei der Betrachtung der Zeitanteile ergeben sich im Vergleich zu den reinen Kodierhäufigkeiten einige Verschiebungen der dominierenden Aktivitäten. Ab‐ bildung 8 veranschaulicht in Ergänzung zu der tabellarischen Darstellung (vgl. Tabelle 1), welchen Zeitanteil die einzelnen Aktivitäten im Rahmen der video‐ grafierten Freispielzeit einnehmen: Abb. 8: Zeitanteile der Aktivitäten an der Gesamtaufnahme 6.1 Makroebene: Rahmenbedingungen der Erzieherin-Kind-Interaktion 223 Gespräche sind nicht nur hinsichtlich der absoluten Vorkommenshäufigkeit, sondern auch in Bezug auf den zeitlichen Anteil die dominierende Handlungs‐ form in der untersuchten Einrichtung. Sie wurden für insgesamt 04: 08: 40 Stunden als Interaktionsform zwischen Erzieherin und Kind beobachtet und machen, bezogen auf die gesamte Aufnahmezeit (20: 23: 30 Stunden), einen Anteil von 20,32 % aus. Während nicht-kindgerichtete Aktivitäten beim abso‐ luten Vorkommen (n=115) die zweithäufigste Aktivität der Erzieherinnen dar‐ stellen, nehmen hingegen Literacy-Aktivitäten den zweitgrößten Zeitanteil der Aktivitäten im Datenkorpus ein. Diese Verschiebung ergibt sich insbesondere aufgrund der unterschiedlichen Dauer der einzelnen Aktivitäten. Zwar kommen Literacy-Aktivitäten (n=59) absolut betrachtet wesentlich seltener als nicht-kindgerichtete Aktivitäten (n=115) vor, doch nehmen Erstere mit einer durchschnittlichen Dauer von 03: 17 Minuten einen wesentlich größeren zeitli‐ chen Anteil an der Freispielzeit als nicht-kindgerichtete Aktivitäten ein, deren durchschnittliche Dauer lediglich 01: 02 Minuten beträgt. In Hinblick auf die ge‐ samte Freispielzeit nehmen Literacy-Aktivitäten einen Anteil von 15,88 % (03: 14: 18 Stunden) ein und stellen demzufolge die zweithäufigste Handlungs‐ form dar, über die Erzieherin und Kind in Interaktion stehen. Wie sich Lite‐ racy-Aktivitäten im bilingualen Kita-Alltag manifestieren und wie die Präsenz dieser Handlungsform vor dem Hintergrund der frühen Literacy-Förderung ein‐ zuordnen ist, wird in Kapitel 6.1.1.2 vertiefend diskutiert. Der drittgrößte Zeit‐ anteil des Freispiels entfällt auf Fiktions- und Rollenspiele. Diese Form des Spiels wurde zwar lediglich n=64 im gesamten Datenkorpus und damit seltener als andere Aktivitäten identifiziert, jedoch sind Fiktions- und Rollenspiele zugleich von durchschnittlich längerer Dauer (02: 24 Minuten) als andere Aktivitäten (siehe z. B. Gespräche ohne Spiel- oder Beschäftigungsgegenstand mit einer durchschnittlichen Dauer von 01: 21 Minuten oder organisatorisch-pflegerische Tätigkeiten mit einer durchschnittlichen Dauer von 01: 22 Minuten). In Bezug auf die Gesamtaufnahmedauer stellen die Fiktions- und Rollenspiele somit einen Anteil von 12,58 % (02: 33: 52 Stunden). Organisatorisch-pflegerische Tätigkeiten kristallisieren sich nicht nur hinsichtlich ihres absoluten Vorkommens (n=110), sondern auch mit einem Zeitanteil von 12,33 % (entspricht 02: 30: 48 Stunden) als relevante, rahmengebende Aktivität für Erzieherin-Kind-Interaktionen in der untersuchten Einrichtung heraus. Dieser hohe Anteil an organisatorisch-pfle‐ gerischen Tätigkeiten scheint sich mit ähnlichen empirischen Vorarbeiten aus dem Elementarbereich zu decken, worauf in Kapitel 6.1.1.4 nochmals einge‐ gangen wird. Ein weiteres interessantes Teilergebnis stellen die im Videokorpus identifizierten gestalterisch-künstlerischen Aktivitäten dar. Diesbezüglich fällt zunächst auf, dass diese Handlungsform im Zuge der Datenanalyse vergleichs‐ 6 Ergebnisse der empirischen Untersuchung 224 weise selten (n=21) beschrieben wurde. Gleichzeitig handelt es sich jedoch um jene Aktivität, die mit einer durchschnittlichen Dauer von 04: 17 Minuten die durchschnittlich längste von allen ermittelten Handlungsformen ist. Gestalte‐ risch-künstlerische Aktivitäten treten dementsprechend zwar nicht oft im Kita-Alltag des TU -Kinderhauses auf, kommt es jedoch zu einer Interaktion, in der jene Handlungsform im Vordergrund steht, dann sind die pädagogischen Fachkräfte jedoch überdurchschnittlich lange in diese involviert. Der prozen‐ tuale Anteil der gestalterisch-künstlerischen Aktivitäten entspricht 7,37 % an der gesamten Aufnahmedauer. Die übrigen vier Kategorien scheinen mit einem Zeitanteil von jeweils unter 5 % eine eher geringe Bedeutung als rahmengebende Aktivität für Erzieherin-Kind-Interaktionen zu haben (Bewegungsspiele 4,98 %; musikalisch-rhythmische Aktivitäten 4,24 %; Regelspiele 2,17 % und Konstruk‐ tionsspiele 2,01 %). Mögliche Erklärungsansätze für die geringen Vorkommen‐ santeile dieser Aktivitäten werden in den Kapiteln 6.1.1.7 bis 6.1. 1. 10 diskutiert. Nach der überblicksartigen Annäherung an den Untersuchungsgegenstand werden die einzelnen Aktivitäten im Folgenden nochmals einzeln vorgestellt und diskutiert. Für einen verstehenden Nachvollzug dessen, was sich hinter den jeweiligen Handlungsformen verbirgt und wie die einzelnen Akteure an den verschiedenen Aktivitäten partizipieren, ist die vorausgehende Beschreibung der Häufigkeiten und der Verteilung der Aktivitäten mithilfe deskriptiver Ver‐ fahren nicht ausreichend. Gemäß dem qualitativen Forschungsparadigma sollen im Folgenden „dichte Beschreibungen“ (Geertz 1983) der identifizierten Hand‐ lungsformen geliefert werden. Diese werden im Sinne der empirischen Veran‐ kerung durch Datenbelege aus dem analysierten Korpus untermauert. Auf diese Weise soll abgesichert werden, dass „die Ergebnisse der empirischen Studie kein Wildwuchs oder frei erfunden, sondern in den Daten begründet sind“ (Steinke 2007: 15). Die empirische Verankerung der Ergebnisse ermöglicht zugleich einen gegenstandsnahen Einblick in den Alltag des untersuchten bilingualen TU -Kin‐ derhauses und soll durch die Offenlegung der Daten die intersubjektive Nach‐ vollziehbarkeit der Forschungsergebnisse erhöhen. Ebenso hilft das Anreichern der Ergebnisdarstellung durch Datenbelege den RezipientInnen dieser Arbeit bei der Einschätzung der Übertragbarkeit der Ergebnisse auf andere Forschungs‐ kontexte (vgl. ebd.: 17). Die Struktur der folgenden Darstellung orientiert sich an der zuvor beschrie‐ benen Häufigkeitsverteilung, begonnen bei den Gesprächen als dominierende Handlungsform bis hin zu den Konstruktionsspielen. Nicht-kindgerichtete Ak‐ tivitäten bilden den Abschluss der Darstellung, da sie keine Interaktionen im eigentlichen Sinne sind und folglich nicht im Fokus der Untersuchung stehen. 6.1 Makroebene: Rahmenbedingungen der Erzieherin-Kind-Interaktion 225 6.1.1.1 Gespräche Bei dieser Aktivität steht der kommunikative Austausch über ein bestimmtes Thema z. B. über das Wochenende, über den Urlaub oder über ein bestimmtes Vorkommnis in der Kita-Einrichtung zwischen den beteiligten Kommunikati‐ onspartnerInnen im Vordergrund der Interaktion (vgl. auch König 2006: 368). Anders als bei verschiedenen Formen des Spiels steht bei dieser Aktivität kein Beschäftigungsgegenstand im Mittelpunkt, um den das Gespräch kreist: Bei Fiktions- und Rollenspielen beispielsweise ist oft eine Puppe der Spielgegen‐ stand und zugleich Gegenstand des kommunikativen Austauschs der Interakti‐ onspartnerInnen, bei Literacy-Aktivitäten ist das Buch der Angelpunkt des in‐ teraktiven Austauschs der GesprächspartnerInnen. In den Gesprächen zwischen Erzieherin und Kind ist hingegen kein Spiel- oder Beschäftigungsgegenstand ersichtlich, sondern der Informationsaustausch ist die alleinige Motivation für die Interaktion. Diese Sequenzen, in denen sprachliche Interaktionen zwischen Erzieherin und Kind aus dem Interesse an einem kommunikativen Austausch zustande kommen, stellen, wie bereits erwähnt, die dominanteste Handlungsform in der Interaktion im bilingualen TU -Kinderhaus dar. Mit einer starken zeitlichen Prä‐ senz von 20,32 % (04: 08: 40 Stunden von 20: 23: 30 Stunden) an der Freispielzeit weist das Ergebnis Parallelen zu einer ähnlichen Studie von König (2006) auf. Auch in den von ihr untersuchten monolingualen Kita-Einrichtungen stellt das Gespräch, wenn auch nicht die dominanteste, jedoch mit einem Anteil von 14,8 %, die dritthäufigste ErzieherIn-Kind-Interaktion dar (vgl. König 2006: 233 f.). Zusätzlich zu der allgemeinen Dominanz dieser Aktivität belegen die einzelnen Handlungsprofile der Erzieherinnen des TU -Kinderhauses zunächst, dass Gespräche im Gegensatz zu anderen Aktivitäten bei jeder einzelnen vide‐ ografierten Erzieherin beobachtet werden konnten. Aus den Daten lassen sich jedoch auch gruppen- und personenspezifische Unterschiede in Bezug auf die Vorkommenshäufigkeit der Aktivität Gespräch ablesen. In diesem Zusammen‐ hang scheint sich insbesondere in Gruppe 1 eine etablierte Gesprächs- und Er‐ zählkultur zwischen den Erzieherinnen der Gruppe (Erzieherin 1E1, 1E2 und 1E3) und den Kindern entwickelt zu haben. So finden allein 38,05 % aller im Zuge der Datenanalyse identifizierten Gespräche in dieser einen Gruppe statt. Den mit Abstand größten Anteil an den Gesprächen hat die deutschsprachige Er‐ zieherin 1E2. Aus allen identifizierten Gesprächen stellt sie allein einen Anteil von 22,57 %. Dass Erzieherin 1E2 überdurchschnittlich oft in Gespräche mit Kindern involviert ist, wird auch nochmals an ihrem individuellen Profil deut‐ lich. Während der individuellen Aufnahmezeit von 1E2 (02: 19: 43 Stunden) waren Gespräche mit 40,16 % die mit Abstand dominanteste Aktivität in den 6 Ergebnisse der empirischen Untersuchung 226 87 Die Bezeichnung K1 bezieht sich im Folgenden auf das erste, an einer Interaktion be‐ teiligte Kind. Alle weiteren hinzutretenden Kinder werden fortlaufend mit den Be‐ zeichnung K2, K3 usw. kenntlich gemacht. Die mehrfache Bezeichnung eines Kindes als K1, K2 usw. in unterschiedlichen Datenbelegen bedeutet also nicht, dass es sich jeweils um dieselben Kinder handelt. kindgerichteten Interaktionen (siehe exemplarisch dazu das Ankerbeispiel von 1E2 in Tabelle 2). Um einen Einblick zu erlangen, wie Gespräche zwischen den deutsch- und englischsprachigen Erzieherinnen und den Kindern im TU -Kinderhaus proto‐ typisch gestaltet sind, finden sich in Tabelle 2 Ankerbeispiele und Situations‐ beschreibungen einzelner Erzieherinnen. Darunter ist auch ein Beispiel von Er‐ zieherin 1E2, die, wie anhand der Analyseergebnisse aufgezeigt wurde, eine Präferenz für diese Aktivität zu haben scheint. Nr. Aufnahmetag/ Dokument/ Zeit Erzieherin/ Sprache Situationsbeschreibung 1 13. 12. 12/ 13. 12. 12 (1) 4E3 0: 00-01: 24 min 4E3 Deutsch 4E3 sitzt mit K1 87 auf dem Fußboden. 4E3 reibt sich die Hände, guckt nach draußen und merkt an, dass es heute ganz schön kalt draußen ist. 4E3 fragt K1, ob sie heute Morgen eine Mütze auf‐ gehabt hat. K1 bejaht dies. 4E3 fragt nach, ob sie auch einen Schal umgehabt hat und Handschuhe (reibt sich dabei die Hände) getragen hat. K1 nickt. K1 zeigt 4E3 daraufhin ihren Zeigefinger und er‐ klärt, dass sie sich heute Morgen am Zei‐ gefinger verletzt hat und dass sie aber kein Pflaster bekommen hat. 4E3 guckt sich K1s Zeigefinger noch einmal an und fragt nach, ob ihr Vater gepustet hat (pustet dabei gegen ihren eigenen Finger). K1 bejaht dies, zeigt nochmals auf ihren Zeigefinger und verlangt nach einem Pflaster. 4E3 geht in den Wickel‐ raum und sucht nach einem Pflaster. 2 08. 11. 12/ 08. 11. 12 1E2/ 06: 57-7: 58 min 1E2 Deutsch K1 und K2 rufen laut nach K3. 1E2 er‐ klärt, dass K3 heute nicht da ist, dass sie heute zuhause geblieben ist, weil sie krank ist. K1 berichtet von einer anderen Person, die auch krank ist. 1E2 versteht den Namen nicht gut und fragt noch einmal nach und erkundigt sich, woher K1 diese Person kennt. Im weiteren Ver‐ lauf des Gesprächs stellt sich heraus, 6.1 Makroebene: Rahmenbedingungen der Erzieherin-Kind-Interaktion 227 88 Jedes der Kinder hat ein eigenes Fach und Garderobe im Flur vor den Gruppenräumen. Nr. Aufnahmetag/ Dokument/ Zeit Erzieherin/ Sprache Situationsbeschreibung dass es die Katze von einer Bekannten von K1s Familie ist, die krank ist. 1E2 erkundigt sich bei K1, was die Katze für eine Krankheit hat. K1 weiß es nicht. 3 29. 11. 12/ 29. 11. 12 2E1/ 04: 16-05: 27 min 2E1 Englisch 2E1 und K1 sitzen auf dem Fußboden. K1 äußert, dass sie ihre Puppe in einer Box liegen haben will und zeigt auf die Plastikbox neben sich. 2E1 fragt K1, wo ihre Puppe ist. K1 antwortet, dass die Puppe in ihrem Fach ist. 88 2E1 ermutigt K1, zu ihrem Fach zu gehen und die Puppe zu holen. K1 bleibt sitzen und sagt, dass sie da nicht dran kommt. 2E1 fragt bei K1 nach, ob sie die Puppe aus K1s Fach holen soll. K1 nickt, 2E1 steht auf und geht in den Flur zu K1s Fach. K1 setzt sich neben die Plastikbox und schaut 2E1 hinterher. 2E1 kommt mit der Puppe zurück, gibt sie K1. K1 legt die Puppe in die Plastikbox. Tab. 2: Datenbeispiele der Kategorie Gespräche Beispiel 1 veranschaulicht, wie sich aus dem anfänglichen Austausch über das Wetter im weiteren Verlauf ein Gespräch über eine Verletzung am Finger ent‐ wickeln kann. K1 spürt hier offenbar ein echtes kommunikatives Interesse von Erzieherin 4E1 und wird dadurch animiert, über ihren verletzten Finger zu spre‐ chen. In Beispiel 2 wird ein aktuelles Thema aus dem Kita-Alltag aufgegriffen. Erzieherin 1E2 erklärt, dass K3 heute krankheitsbedingt nicht in der Kita ist. K1 nutzt dies, um von einer kranken Katze zu berichten. In diesen beiden Beispielen wird deutlich, dass die Kinder Gespräche in der Kita zum Anlass nehmen, um von Erlebnissen aus ihrem privaten und familiären Umfeld zu berichten. In an‐ deren Situationen kann aber auch das individuelle Anliegen eines Kindes, das sich aus einer konkreten Situation des Kita-Alltags ergibt, zu einem Gespräch zwischen Erzieherin und Kind motivieren. Dies wird an Beispiel 3 deutlich, in dem K1 Erzieherin 2E1 mitzuteilen versucht, dass sie ihre Puppe aus ihrem Fach holen möchte, um diese in eine Plastikbox zu legen. Bemerkenswert ist an diesen Beispielen, dass es den Kindern trotz noch begrenzter sprachlicher Mittel ge‐ lingt, sich verständlich zu machen und ihre Bedürfnisse und Anliegen mitzu‐ 6 Ergebnisse der empirischen Untersuchung 228 89 Im Gegensatz dazu scheinen sich stark ritualisierte und gelenkte Aktivitäten mit of‐ fensichtlichem Übungscharakter, in denen Sprache zum Selbstzweck und in Form von stupidem Abfragen praktiziert wird, eher ungünstig auf den Spracherwerb auszuwirken (vgl. Nauwerck 2005: 143; Weitz et al. 2010: 12). 90 Nickel (2007: 87) weist darauf hin, dass Literacy fälschlicherweise häufig mit dem deut‐ schen Begriff der Literalität gleichgesetzt wird. Während Literalität jedoch an grafisch fixierte Buchstaben gebunden ist, bezieht der englische Terminus der Literacy auch den auf die ästhetische Dimension der Idee und die Imagination abzielenden Bereich der Literarität mit ein (vgl. ebd.). 6.1.1.2 teilen. Zwar kommt es an einigen Stellen zu kommunikativen Engpässen sowie Missbzw. Nichtverstehen (vgl. Aguado 2010a: 818) (insbesondere in Beispiel 2), doch gelingt es den InteraktionspartnerInnen schließlich, die zu transpor‐ tierende Botschaft gemeinsam, d. h. interaktiv, auszuhandeln (vgl. negotiation of meaning; Long 1996). Mithilfe welcher sprachlichen Mittel diese kommunika‐ tiven Engpässe überwunden und Bedeutungsaushandlungen realisiert werden, ist Gegenstand der mikroanalytischen Betrachtung in Kapitel 6.2. Zusammenfassend lassen sich die Teilergebnisse zu der Aktivität Gespräch und die angeführten Datenbelege dahingehend einordnen, dass Sprache in diesen Situationen - gemäß dem Leitgedanken der Immersionsmethode - als authentisches Kommunikationsmittel sowie als natürliches Medium zur Bewäl‐ tigung des Alltags eingesetzt wird (vgl. Bonhoeffer-Zoltman et al. 2013: 65; Kersten et al. 2010a: 103; Steinlen et al. 2013: 79; Weitz et al. 2010: 12). Wie bei der Aufarbeitung des Forschungsstandes gezeigt wurde, werden diese Ge‐ sprächssituationen insbesondere aufgrund der „Natürlichkeit des jeweiligen Settings“ (Nauwerck 2005: 167), welche sich in einem echten Informationsaus‐ tausch zwischen den ErzieherIn und Kind ausdrückt, als sprachförderlich er‐ achtet. 89 Aufgrund dieses sprachförderlichen Potenzials wäre dafür zu plädieren, authentische Gesprächsanlässe und natürliche Settings, in denen ein echtes kommunikatives Interesse zwischen ErzieherIn und Kind besteht, im Kita-Alltag systematisch aufzugreifen und für die alltagsintegrierte sprachliche Bildungs‐ arbeit nutzbar zu machen. Literacy-Aktivitäten Bei den sogenannten Literacy-Aktivitäten bildet das Medium Buch den Beschäf‐ tigungsgegenstand der Interaktion. Der Begriff Literacy bzw. dessen Verwen‐ dung im vorliegenden Forschungskontext bedarf jedoch zunächst einer dem Untersuchungsgegenstand angemessenen Definition. Im engeren Sinne be‐ deutet der Begriff Literacy „Schriftlichkeit“ (Nickel 2007: 87). 90 Da Schriftlichkeit bzw. aktive schriftsprachliche Kompetenzen im Elementarbereich jedoch noch nicht von Bedeutung sind, ist in Bezug auf Literacy-Aktivitäten zwischen den 6.1 Makroebene: Rahmenbedingungen der Erzieherin-Kind-Interaktion 229 untersuchten Erzieherinnen und unterdreijährigen Kleinkindern eine weitere Definition des Literacy-Begriffs notwendig. Unter Literacy verstehe ich daher - in Anlehnung an den Vorschlag von Nickel (ebd.) - im weiteren Sinne die „Teil‐ habe an der Buch-, Schrift- und Er-zählkultur“. In welcher Form sich die Teilhabe an Schrift- und Erzählkultur im Kita-Alltag äußern kann, soll im Folgenden an verschiedenen Beispielen aus dem Daten‐ korpus empirisch verankert werden. In Tabelle 3 sind daher verschiedene Lite‐ racy-Aktivitäten aus dem bilingualen TU -Kinderhaus zusammengefasst: Nr. Aufnahmetag/ Dokument/ Zeit Erzieherin/ Sprache Situationsbeschreibung 4 25. 10. 12/ 25. 10. 12 3E2 07: 16-17: 39 min 3E2 Deutsch 3E2 setzt sich auf den Teppich und bittet K1, sich auch mit ihr zu setzen. 3E2 fragt K1, welches Buch sie sich ausgesucht hat, woraufhin K1 antwortet: „Die kleine Spinne“. 3E2 und K1 betrachten kurz den Buchdeckel, dann beginnt 3E2, das Buch vorzulesen. Während des Vor‐ lesens zeigt sie begleitend auf die dazu‐ gehörigen Bilder im Buch. Als 3E2 mit dem Vorlesen fertig ist, klappt sie das Buch zu. K1 dreht das Buch wieder auf die Vorderseite und möchte das Buch noch einmal vorgelesen bekommen. Nach dem zweiten Vorlesen klappt 3E2 das Buch zu und will es gerade beiseite‐ legen, K1 nimmt es sich, gibt es 3E2 wieder in die Hand und sagt: „Nochmal“. Gleichzeitig greift K1 aber auch nach den Legosteinen neben sich. 3E2 schlägt vor, dass K1 jetzt zuerst ein bisschen mit Lego spielt und sie das Buch dann später noch einmal gemeinsam lesen können. 5 13. 11. 12/ 13. 11. 12 (2) 1E3/ 01: 37-19: 50 min 1E3 Deutsch 1E3 ist aus dem Norderney-Urlaub zu‐ rück und hat den Kindern ein Nor‐ derney-Bilderbuch als Geschenk mitge‐ bracht. 1E3 und K1 sitzen auf dem Sofa und schauen sich gemeinsam das Bil‐ derbuch an. 1E3 erzählt anhand der Bilder nach, was sie im Urlaub erlebt hat (z. B. Besuch im Badehaus). Sie zeigt dazu auf die Bilder im Buch und stellt Rückfragen an K1 (z. B. Wer könnten diese Personen sein? Was machen die da wohl gerade? ). K1 entdeckt einen Eis‐ wagen im Bilderbuch und fragt 1E3, ob sie im Urlaub auch Eis gegessen hat. 1E3 erklärt anhand der Bilder, dass das 6 Ergebnisse der empirischen Untersuchung 230 Nr. Aufnahmetag/ Dokument/ Zeit Erzieherin/ Sprache Situationsbeschreibung Wetter ziemlich schlecht war und sie deshalb lieber Tee getrunken anstatt Eis gegessen hat. Die weiteren Bilder des Buches werden zunächst von beiden weiter beschrieben und später auch Fan‐ tasie-Geschichten um die einzelnen Bilder herum entwickelt. K1 denkt sich z. B. aus, dass 1E2 auch mit auf Nor‐ derney war und dort am Strand spa‐ zieren gegangen ist und einen Rundflug um die Insel gemacht hat. 1E3 klappt das Buch schließlich zu und fragt ob sie jetzt fertig sind mit dem Buch. K1 nickt und sagt, dass er noch ein weiteres Buch lesen möchte. Er holt ein anderes Buch und setzt sich wieder zu 1E3 auf das Sofa. 6 29. 11. 12/ 29. 11. 12 (1) 2EP/ 0: 00-04: 29 min 2EP Englisch K1 bringt 2EP ein Bilderbuch („Meine kleine Katze“) und setzt sich zu ihr auf den Teppich. K1 schlägt die erste Seite auf und zeigt auf etwas. 2EP kommen‐ tiert, was auf den Bildern zu sehen ist. K1 blättert um, 2EP beschreibt wieder, was auf den Bildern zu sehen ist. Dazu nutzt sie auch gestische Mittel (macht eine Strei-chelbewegung mit der Hand in der Luft bei dem Bild, auf dem das Mädchen die Katze streichelt und imi‐ tiert eine Katze, die sich das Fell leckt bei dem entsprechenden Bild). Dieser Vor‐ gang wiederholt sich einige Male. K1 blättert das Buch selbstständig durch, verweilt bei einigen Bildern, die dann wieder von 2EP erläutert werden. Sie erzeugt Spannung durch eine überzo‐ gene Intonation (sie flüstert u. a). Am Ende des Buches klappt K1 den Buchde‐ ckel zu, legt das Buch kurz zur Seite und beginnt dann erneut, das Buch auf der ersten Seite aufzuschlagen und weiter durchzublättern. Sie klappt das Buch wieder zu, steht auf, geht zur Bücher‐ kiste und nimmt sich ein anderes Buch aus der Kiste, welches sie 2EP bringt. K1 klappt das Buch auf und 2EP beginnt, die Bilder zu beschreiben. K1 zeigt gezielt auf einzelne Bilder und Details auf den Buchseiten, die 2EP dann näher erläu‐ tert. Sie nutzt dazu auch Vergleiche sowie gestische Mittel (auf der Buchseite 6.1 Makroebene: Rahmenbedingungen der Erzieherin-Kind-Interaktion 231 Nr. Aufnahmetag/ Dokument/ Zeit Erzieherin/ Sprache Situationsbeschreibung ist ein Spielplatz abgebildet, K1 zeigt auf die Rutsche; 2EP zeigt dabei aus dem Fenster auf die Rutsche im Garten und auf die Rutsche im Gruppenraum). Bei diesem Mal verweilen 2EP und K1 länger auf den einzelnen Buchseiten, K1 zeigt auf mehrere Bilder, 2EP erklärt. K1 steht schließlich auf und geht mit dem Bilderbuch zu 2E1, um ihr etwas in dem Buch zu zeigen. Tab. 3: Datenbeispiele der Kategorie Literacy-Aktivitäten Ankerbeispiel 4 stellt eine typische Vorlesesituation dar. Erzieherin 3E2 über‐ nimmt die Rolle der Vorlesenden und liefert wesentlich längere Gesprächsbei‐ träge, während K1 eine eher rezipierende bzw. konsumierende Rolle einnimmt (siehe auch Braun 2007: 130). Durch das Zeigen auf die entsprechenden Bilder wird ein verständnisfördernder Text-Bild-Bezug hergestellt und damit eine zu‐ sätzliche Verstehensinsel für das Kind geschaffen. Bemerkenswert ist an dieser Situation zudem, dass K1 Erzieherin 3E2 nach zweimaligem Vorlesen erneut auffordert, das Buch ein drittes Mal vorzulesen. Das Beispiel belegt daher, dass Vorschulkinder trotz begrenzter Konzentrationsspanne in der Lage sind, sich über einen längeren Zeitraum zu konzentrieren, wenn sie echtes Interesse an einer Aktivität bzw. an einem Beschäftigungsgegenstand haben (vgl. Apeltauer 2012: 115 f.). Damit scheint das Buch ein Medium zu sein, das die Aufmerksam‐ keit der Kinder überdurchschnittlich lange fesseln kann. Diese Vermutung lässt sich nicht nur an der zeitlichen Dauer der obigen Beispiele festmachen, sondern spiegelt sich auch in der durchschnittlichen Länge aller Literacy-Aktivitäten wider. Mit einer Dauer von durchschnittlich 03: 17 Minuten handelt es sich bei den Literacy-Aktivitäten um die Handlungsform von zweitlängster Dauer. Le‐ diglich gestalterisch-künstlerische Aktivitäten sind mit 04: 17 Minuten durch‐ schnittlich länger. Neben diesen klassischen Vorlesesituationen lassen sich in den Daten auch Beispiele finden, in denen sich der Einsatz des Buches nicht auf das reine Vor‐ lesen beschränkt. In Ankerbeispiel 5, in dem Erzieherin 1E3 und K1 gemeinsam das Norderney-Bilderbuch betrachten, dienen das Medium Buch und die darin enthaltenen Bilder in erster Linie als Gesprächsimpulse. Die vorgegebenen Il‐ lustrationen werden in dieser Literacy-Aktivität nicht nur als übergeordnete Organisations- und Strukturierungsebene zur Nacherzählung des Nor‐ 6 Ergebnisse der empirischen Untersuchung 232 derney-Urlaubs, sondern als Sprechanlass und Motivation genutzt, um weitere Fantasiegeschichten um diese Bilder herum zu entwickeln. Diese Form der ge‐ meinsamen Bilderbuchbetrachtung wird im Bereich der frühen Literacy-Förde‐ rung als „dialogisches Vorlesen“ (u. a. Kreutzer / Kurtenbach 2013: 180; Kurten‐ bach et al. 2013: 25) bezeichnet. Wie in dem oben skizzierten Beispiel beinhaltet dieses Konzept, dass „Bücher als Sprechanlass genutzt werden, um mit den Kin‐ dern ins Gespräch zu kommen“ (Kurtenbach et al. 2013: 25) bzw. „gemeinsam Bilderbücher an[zu]schauen und darüber [zu] reden“ (Kreutzer / Kurtenbach 2013: 180). An Beispiel 6 sind die englischsprachige Erzieherin 2 EP und ein in der Ein‐ richtung neues Kind beteiligt. Auch in dieser Literacy-Aktivität steht ein reines Bilderbuch ohne vorgegebenen Text im Zentrum. Im Gegensatz zu dem oben skizzierten Einsatz des Norderney-Bilderbuchs wird in dieser Situation mit dem Bilderbuch jedoch insbesondere auf deskriptiver Ebene operiert. Erzieherin 2 EP nutzt das Bilderbuch, um auf die auf den Bildern präsentierten Objekte zu zeigen, sie zu benennen und sie in ihren jeweiligen kontextuellen Zusammenhängen zu beschreiben. Zur Veranschaulichung stellt sie einige Bilder des Buches panto‐ mimisch, d. h. unter Einbezug von Mimik und Gestik, nach (z. B. Streicheln der Katze). Dieses Zusammenspiel zwischen Zeigen und Benennen bei der gemein‐ samen Bilderbuchbetrachtung wird von Braun (2007: 132) als „basales Kommu‐ nikationsmuster“ bezeichnet. Dieses basale Kommunikationsmuster als simple und sich wiederholende Abfolge zwischen Zeigen und Benennen erklärt sich in dem beschriebenen Situationsbeispiel insbesondere aufgrund der Tatsache, dass K1 das TU -Kinderhaus erst seit Kurzem besucht und dementsprechend noch wenig vertraut mit der englischen Sprache ist. Gleichzeitig wird an dieser Se‐ quenz die Bedeutung der haptisch-taktilen Auseinandersetzung mit dem Medium Buch für die frühkindlichen Literacy-Erfahrungen ersichtlich. Trotz mangelnder aktiver Sprachproduktion steuert K1 die gemeinsame Bilderbuch‐ betrachtung durch das selbstständige Umblättern der Buchseiten maßgeblich. Diesbezüglich lernen Kinder in den oben beschriebenen Literacy-Sequenzen daher Bücher auch als Objekte an sich kennen, d. h. sie erkunden nach und nach die einzelnen Bestandteile eines Buches (z. B. Buchdeckel, Titelseite, Buchseiten) sowie deren Handhabung bzw. Funktionsweise, wie z. B. das richtige Halten eines Buches und das Um-, Vor- und Zurückblättern. Dieser zunächst hap‐ tisch-taktile Umgang mit dem Medium Buch stellt damit eine wichtige Phase der Annäherung an die Schrift- und Buchkultur dar und ist konstitutiv für die ersten kindlichen Literacy-Erfahrungen, bevor das Kind beginnt, sich für den 6.1 Makroebene: Rahmenbedingungen der Erzieherin-Kind-Interaktion 233 91 Ausgehend von den hier dargestellten Beispielen, die zeigen, wie Literacy-Aktivitäten im bilingualen TU-Kinderhaus gestaltet werden, sei auf den Aufsatz von Geyer (2011) verwiesen. Sie diskutiert u. a. die Frage, welchen Kriterien Bilderbücher genügen sollten und gibt Empfehlungen für die Auswahl geeigneter Bilderbücher (z. B. kurze, einfache Sätze, wiederkehrende Sprachmuster, Qualität der Bilder; vgl. Geyer 2011: 50). 92 Das Fehlen früher literaler Erfahrungen und die daraus resultierende mangelnde pho‐ nologische Bewusstheit stellen bedeutsamen Risikofaktoren für den späteren Schrift‐ spracherwerb dar. Demnach haben Schulkinder, die erhebliche Probleme bei dem Er‐ werb schriftsprachlicher Kompetenzen zeigen, selten frühe literale Erfahrungen ge‐ sammelt (vgl. Nickel 2005: 179 f.). sprachlich-symbolischen Umgang mit dem Buch zu interessieren (vgl. Kurten‐ bach et al. 2013: 28). 91 Neben diesen vielfältigen anhand der Datenbelege aufgezeigten Einsatzmög‐ lichkeiten stellt die Tatsache, dass die Literacy-Aktivitäten mit 15,88 % (ent‐ spricht 03: 14: 18 Stunden) die zweithäufigste Handlungsform in den identifi‐ zierten Erzieherin-Kind-Interaktionen ausmachen, eine weitere Erkenntnis dieser Studie dar. In diesem Zusammenhang sind zudem alle im bilingualen TU -Kinderhaus videografierten Erzieherinnen ausnahmslos in kindgerichtete Literacy-Aktivitäten involviert. Überdurchschnittlich häufig treten sie aller‐ dings bei den deutschsprachigen Erzieherinnen 1E3 (siehe dazu Ankerbeispiel 5) und 3E2 (siehe dazu Ankerbeispiel 4) sowie der englischsprachigen Erzieherin 2 EP (siehe dazu Ankerbeispiel 6) auf (siehe dazu auch die kreuztabellarische Darstellung in Anhang 6). Die starke Präsenz der Literacy-Aktivitäten und der Umstand, dass diese bei allen Erzieherinnen vertreten sind, ist angesichts der eher ernüchternden Be‐ funde aus ähnlichen Studien - die Kategorie „Bilderbuchbetrachtung“ nimmt beispielsweise bei König (vgl. 2006: 234) mit 4 % einen wesentlich geringeren Stellenwert ein - sowie der derzeitigen Forschungslage zur frühen Literacy-För‐ derung als positiv zu werten. So kommt die Vorlesestudie 2011 zu dem Schluss, dass das frühe Vorlesen einen zentralen Impuls für die Kompetenzentwicklung in ganz unterschiedlichen Bereichen darstellt (Stiftung Lesen 2011: 24). Jüngere Studien legen zudem nahe, dass sich frühe literale Erfahrungen sowohl auf die kognitive als auch auf die emotionale und soziale Kompetenzentwicklung des Kindes positiv auswirken und damit zu einer ganzheitlichen positiven Entwick‐ lung beitragen können (vgl. u. a. Kreutzer / Kurtenbach 2013: 179). 92 In Bezug auf den Spracherwerb werden Literacy-Aktivitäten oftmals als gezielteste Form der Sprachförderung betrachtet, die die kindliche Sprachentwicklung nachhaltig prägen (vgl. Jampert et al. 2007: 133). Die Beschäftigung mit einer differenzierten und abstrakten (Schrift-)Sprache in der frühen Kindheit befähigt das Kind bei‐ spielsweise zu einem abstrakteren Vorstellungsvermögen, so dass die kognitive 6 Ergebnisse der empirischen Untersuchung 234 Entwicklung gefördert wird (vgl. Singer 2001: 7). Aus der Perspektive der Sprachentwicklung scheint insbesondere die Wortschatzentwicklung vom frühen Erwerb konzeptioneller Schriftlichkeit zu profitieren (vgl. Elley 1989). Da der in den Büchern präsentierte Wortschatz sowohl in thematischer als auch in sprachlicher Hinsicht der Lebenswelt der Kinder entspricht, vollzieht sich der Wortschatzerwerb in den Literacy-Aktivitäten durch das aktive Zuhören ne‐ benbei (vgl. Geyer 2011: 47). In diesem Zusammenhang sind insbesondere die dem Konzept des dialogischen Vorlesens entsprechenden Literacy-Erfahrungen (siehe Ankerbeispiel 5 zum Norderney-Bilderbuch) geeignet. Da die klassische Rollenverteilung zwischen Vorlesender / m und RezipientIn in diesen Situati‐ onen aufgebrochen wird, ist ein interaktiver Austausch möglich, der einen ge‐ eigneten Rahmen für einen inzidentellen Wortschatzerwerb bietet. Vor diesem Hintergrund wird das (dialogische) Vorlesen als „effektive Methode der Sprach‐ förderung“ (Kurtenbach et al. 2013: 25) bzw. als „komprimierteste Spracher‐ werbssituation überhaupt“ (Nickel 2005: 179) bezeichnet. Zusammenfassend belegen die verschiedenen Literacy-Aktivitäten aus dem bilingualen TU -Kinderhaus, dass die kindliche Auseinandersetzung mit Schrift‐ lichkeit und Schriftkultur keineswegs - wie lange Zeit angenommen - erst mit dem schulisch vermittelten Schriftspracherwerb beginnt, sondern bereits we‐ sentlich früher einsetzt und größtenteils parallel zu dem Prozess des Spreche‐ nlernens verläuft (vgl. Brockmeier 1997: 194). Die starke Präsenz der Lite‐ racy-Aktivitäten im bilingualen TU -Kinderhaus sowie die überdurchschnittlich lange Dauer dieser Sequenzen sind als Indiz dafür zu werten, dass Kinder bereits weit vor ihrer Einschulung Interesse an der Schriftkultur zeigen. In Form des Aufforderns zu einem nochmaligen Vorlesen (vgl. Ankerbeispiel 4) oder indem die Kinder den Erzieherinnen verschiedene Bücher nacheinander zum Vorlesen bzw. gemeinsamen Betrachten vorlegen, wird der Wunsch und das Interesse an Schriftkultur nicht nur geäußert, sondern von den unterdreijährigen Kleinkin‐ dern bereits aktiv eingefordert. Dieses frühe Interesse an Literacy und der ein‐ deutige Wunsch nach gemeinsamen Vorlesesituationen deckt sich auch mit den Erkenntnissen der Vorlesestudie 2014 (vgl. Stiftung Lesen 2014: 32). Über die gemeinsamen Interaktionen mit den Erzieherinnen erlangen die Kinder einen ersten Zugang zur Schriftkultur (siehe dazu auch Andresen 2002: 239). Die auf‐ gezeigten Möglichkeiten des (Bilder-) Bucheinsatzes bieten diesbezüglich eine günstige Grundlage für den Einstieg in das literale Leben. Leseinteressen und -gewohnheiten sowie ein erster Zugang zu Literatur können somit trotz feh‐ lender aktiver Lesekenntnisse und begrenzter sprachlicher Mittel entwickelt werden (vgl. auch Geyer 2011: 47). Dies gilt - wie die Beispiele verdeutlichen - 6.1 Makroebene: Rahmenbedingungen der Erzieherin-Kind-Interaktion 235 93 In der ältesten entwicklungspsychologisch begründeten Einteilung kindlicher Spiel‐ formen wird diese Form des Spiels auch als Symbolspiel bezeichnet (vgl. Hoppe-Graff / Vieweg 2012: 611). 6.1.1.3 sowohl für Literacy-spezifische Interaktionen mit den deutschals auch mit den englischsprachigen Erzieherinnen der Einrichtung. Fiktions- und Rollenspiele Wie der einleitende Überblick über die in der Freispielzeit vorkommenden Ak‐ tivitäten gezeigt hat, nehmen auch Fiktions- und Rollenspiele 93 mit einem Zeit‐ anteil von 12,58 % (02: 33: 52 Stunden) einen bedeutenden Stellenwert im Rahmen kindgerichteter Interaktionen im bilingualen TU -Kinderhaus ein. Diese Art des Spiels zeichnet sich durch fiktive Handlungen der SpielpartnerInnen aus (vgl. König 2006: 267). Es wird daher auch als „So-tun-als-ob“-Spiel bezeichnet (u. a. Heimlich 2001: 34). Die Spielhandlung orientiert sich dabei oft an Alltagssitua‐ tionen, die den SpielpartnerInnen aus ihrem Lebensumfeld geläufig sind, wie beispielsweise die Zubereitung von Essen oder das Einkaufen im Supermarkt und bietet damit vielfältige Anlässe zur verbalen und nonverbalen Interaktion der GesprächspartnerInnen (vgl. Arzberger / Erhorn 2013: 25). Neben dem insgesamt hohen Anteil an Fiktions- und Rollenspielen lässt sich aus den Analyseergebnissen zudem eine spezifische Verteilung dieser Aktivität bei den einzelnen Erzieherinnen ablesen. In diesem Zusammenhang ist insbe‐ sondere Erzieherin 4E3 vergleichsweise häufig in Fiktions- und Rollenspiele mit den Kindern involviert. Diese Fachkraft stellt allein bereits 34,97 % aller in der Einrichtung vorkommender kindgerichteter Aktivitäten dieser Art (siehe dazu die Kreuztabelle in Anhang 6). Auch die englischsprachigen Erzieherinnen 3E1 und 4E1 zeigen mit einem Anteil von 15,33 % bzw. 11,29 % eine starke Dominanz dieser Handlungsform. Im Gegensatz dazu ist Erziehern 1E3 die einzige, für die über das gesamte Korpus verteilt kein Fiktions- und Rollenspiel zu beobachten ist. Ausgehend von den Profilen der einzelnen Erzieherinnen ergibt sich auch bei der Betrachtung der einzelnen Gruppen der Einrichtung ein spezifisches Bild. Ein Anteil von 49,07 % und damit fast die Hälfte aller im Zuge der Daten‐ analyse identifizierten Fiktions- und Rollenspiele finden in Gruppe 4 statt. Gruppe 1 stellt hingegen mit lediglich 3,68 % einen geringen Anteil an den Fik‐ tions- und Rollenspielen. Die Möglichkeiten zur kindlichen Partizipation an Fiktions- und Rollenspielen mit den Erzieherinnen fallen dementsprechend für die verschiedenen Gruppen höchst unterschiedlich aus. Ausgehend von der personen- und gruppenspezifischen Vorkommensvertei‐ lung ist des Weiteren von Interesse, wie Fiktions- und Rollenspiele in der Inter‐ aktion zwischen Erzieherin und Kind konkret ausgestaltet werden. Tabelle 4 gibt 6 Ergebnisse der empirischen Untersuchung 236 daher einen Einblick in verschiedene Erzieherin-Kind-Interaktionen, in denen die Aktivität des Fiktions- und Rollenspiels im Vordergrund steht: Nr. Aufnahmetag/ Dokument/ Zeit Erzieherin/ Sprache Situationsbeschreibung 7 04. 12. 12/ 04. 12. 12 2E3/ 29: 18-30: 49 min 2E3 Deutsch 2E3 kommt mit K1 gerade aus dem Wi‐ ckelraum, in dem K1 gewickelt wurde. 2E3 bringt auch eine Puppe und eine Windel aus dem Wickelraum mit und fragt K1, ob sie die Puppe jetzt auch wi‐ ckeln möchte. K1 nickt und K1 und 2E3 setzen sich gemeinsam auf den Teppich. 2E3 erklärt, dass der Puppe dann zu‐ nächst die Hose ausgezogen werden muss und beginnt, der Puppe die Hose auszuziehen. Dann legt sie der Puppe die Windel an und sagt, dass die Puppe jetzt eine neue Windel hat. K1 guckt interes‐ siert zu und hält die Puppe während‐ dessen fest. 4E1 erklärt dann, dass der Puppe jetzt die Hose wieder angezogen werden kann und tut dies, sie kommen‐ tiert dabei, dass die Hose ganz schön eng für die Puppe sei. Als die Hose fertig an‐ gezogen ist, sagt sie, dass die Puppe jetzt eine frische Windel hat und jetzt fertig sei. Sie übergibt K1 die Puppe, die da‐ raufhin beginnt, mit der Puppe zu spielen. 8 13. 12. 12/ 13. 12. 12 (1) 4E1/ 13: 33-20: 15 min 4E1 Englisch 4E1 und K1 gehen gemeinsam in Rich‐ tung Spielküche. K1 fragt 4E1, was sie essen möchte. 4E1 überlegt und äußert schließlich, dass sie Nudeln zum Mittag‐ essen essen möchte. K1 erwidert (auf Deutsch), dass sie keine Nudeln hat. 4E1 wünscht sich daraufhin Spaghetti, K1 erwidert erneut, dass sie auch keine Spa‐ ghetti hat, da sie alle schon aufgegessen hat. 4E1 fragt K1, ob sie gar nichts mehr zu essen da hat. K1 schüttelt den Kopf. 4E1 nickt und sagt dann, dass sie nur etwas trinken möchte und fragt, ob K1 Apfelsaft hat. K1 nickt und tut so, als würde sie etwas in die Plastikbecher füllen. 4E1 fragt nach, ob K1 Eier zum Mittagessen da hat. K1 bejaht dies. K1 serviert die Eier in der Pfanne und den Apfelsaft, verteilt die Teller am Spiel‐ tisch und tut so, als würde sie Eier auf den Tellern verteilen. 4E1 fragt nach, ob 6.1 Makroebene: Rahmenbedingungen der Erzieherin-Kind-Interaktion 237 Nr. Aufnahmetag/ Dokument/ Zeit Erzieherin/ Sprache Situationsbeschreibung K1 noch etwas mehr Wasser und Apfel‐ saft hat. K1 verneint dies, woraufhin 4E1 vorschlägt, zum Supermarkt zu gehen und noch etwas zu kaufen. 4E1 verlässt den Gruppenraum für kurze Zeit (holt Wasser und Apfelsaft aus der Kita-Küche). Tab. 4: Datenbeispiele der Kategorie Fiktions- und Rollenspiele In Ankerbeispiel 7 steht das Wickeln einer Puppe im Fokus der Interaktionsse‐ quenz zwischen Erzieherin 2E3 und dem Kind. Dieses Beispiel steht prototypisch für eine Vielzahl ähnlicher Situationen, die in der Einrichtung sowohl während der vorbereitenden teilnehmenden Beobachtung als auch in den videobasierten Beobachtungsdaten aus dem Hauptdatenkorpus identifiziert werden konnten. Offenbar ist das Wickeln, da die Kinder selbst noch gewickelt werden, von un‐ mittelbarer Relevanz für die Kinder und wird daher in den Fiktions- und Rol‐ lenspielen anhand der Puppe nachgestellt. In dieser Interaktion ist Erzieherin 2E3 diejenige, die die Aktivität maßgeblich steuert und den Handlungsverlauf des Spiels bestimmt. Da sie ihre Handlungen konstant sprachlich begleitet, hat sie auch wesentlich höhere Redeanteile als K1. K1 nimmt im Gegensatz dazu eine überwiegend beobachtende Rolle ein und beteiligt sich gelegentlich in Form von Einwortäußerungen. Dennoch zeigt K1 offensichtliches Interesse an der Situation und wirkt aufmerksam, indem sie sich auf das Spiel einlässt und sich vereinzelt verbal als auch nonverbal (z. B. Festhalten der Puppe) in den Spiel‐ verlauf einbringt. Trotz dieser ungleichen Rollenverteilung - die domi‐ nant-steuernde Rolle der Erzieherin auf der einen und die eher beobachtende Rolle des Kindes auf der anderen Seite - wurde diese Situation als Fiktions- und Rollenspiel klassifiziert, da angenommen werden kann, dass insbesondere diese angeleiteten Aktivitäten relevante Modellsituationen für Unterdreijährige dar‐ stellen. Sie regen die Kleinkinder zu eigenen, zunächst nachahmenden, fiktiven Spielhandlungen an und fördern im Spielverlauf - trotz des noch geringen ak‐ tiven Partizipationsgrades - wichtige Vorläuferfähigkeiten, wie das kindliche Abstraktionsvermögen. Beispiel 8, bei dem Erzieherin 4E1 gemeinsam mit einem Kind in der Spiel‐ küche interagiert, weist hingegen, auch aufgrund des höheren Alters des Kindes, eine andere Rollenverteilung auf. In diesem Beispiel agieren die Erzieherin 4E1 und das involvierte Kind eher kooperativ. Das Kind bringt sich eigeninitiativ in 6 Ergebnisse der empirischen Untersuchung 238 94 Die explizite Auswahl und das eindeutige Benennen einer Rolle sowie die damit ver‐ bundenen rollenspezifischen Anreden (z. B. Ich bin der Koch! Ich bin die Mama! ) sind für Andresen (2002: 144) das entscheidende Kriterium, das das Rollenspiel als solches definiert. Gemäß der Auslegung Andresens (2002: 144) entspricht das obige Beispiel eher dem Typus des Fiktionsspiels, das sich in Abgrenzung zum Rollenspiel dadurch auszeichnet, dass „die Kinder im Spiel Fiktion erzeugen, aber nicht explizit ausdrücken, dass sie im Rahmen einer Rolle handeln“. Da eine solch eindeutige Abgrenzung zwi‐ schen explizit-bewusster versus nicht definierter bzw. beiläufig erwähnter Rollenein‐ nahmen in den jeweiligen Spielinteraktionen nicht immer ohne Weiteres vorzunehmen ist und allein auf der Grundlage der Beobachtungsdaten nicht reliabel eingeschätzt werden kann, inwieweit sich die beteiligten Personen ihrer Rollenwahl bewusst sind und diese bewusst einnehmen, wurde für den Kontext der vorliegenden Studie auf eine derart strikte Abgrenzung von Fiktionsspielen einer- und Rollenspielen andererseits verzichtet. das Fiktionsbzw. Rollenspiel ein - indem es z. B. fragt, was Erzieherin 4E1 essen möchte - und füllt die von ihr in diesem Spielkontext erforderliche Rolle aus. Es verhält sich dieser Rolle konform, indem es auf Essensanfragen eingeht und so tut, als würde es auf dem Herd das Essen zubereiten. Nicht explizit geäußert wird von dem Kind hingegen, welche Rolle bzw. welche Art von Rolle (z. B. funktionale Rollen / Charakterrollen, d. h. z. B. Kellner, Koch oder Arzt oder Fa‐ milienrollen, z. B. Vater, Mutter, Kind; siehe dazu Garvey 1978: 109 f.) es dabei einnimmt. 94 Anhand der Beispiele wird darüber hinaus deutlich, dass es sich bei den Fik‐ tionsbzw. Rollenspielen um eine vergleichsweise komplexe Form des Spiels, die eine gewisse kognitive Reife des Kindes voraussetzt, handelt. Daraus ergibt sich auch, dass die Kinder in den beiden angeführten Beispielen aufgrund ihres unterschiedlichen Alters unterschiedlich stark an den Spielprozessen partizi‐ pieren. Unter anderem ist die Fähigkeit, sich einen Gegenstand abstrakt und reduziert vorzustellen, eine entscheidende Voraussetzung für die kindliche Fä‐ higkeit zum Fiktionsbzw. Rollenspiel (vgl. Kluge 2003: 177). Vor diesem Hin‐ tergrund sowie aufgrund der Tatsache, dass Rollenspiele in einer ähnlichen Studie von Brandt / Wolf (1985: 138) während der Freispielzeit hingegen nur äu‐ ßerst selten beobachtet wurden, ist der hohe Anteil an Fiktions- und Rollen‐ spielen im bilingualen TU -Kinderhaus - vor allem angesichts des noch sehr jungen Alters der Kinder - als durchaus überraschend und erklärungsbedürftig einzuschätzen. Bei der Interpretation der Ergebnisse müssen mehrere Faktoren als möglicher Erklärungsansatz berücksichtigt werden. Der relativ hohe Zeitanteil, der in der videografierten Freispielzeit auf Fiktions- und Rollenspiele zwischen den päda‐ gogischen Fachkräften und Kindern entfällt, lässt sich zum einen aufgrund der oben dargelegten weiteren Definition dieser Spielform erklären. Da auch Hand‐ 6.1 Makroebene: Rahmenbedingungen der Erzieherin-Kind-Interaktion 239 6.1.1.4 lungssequenzen, wie das Ankerbeispiel 7, in denen der Spielablauf zu weiten Teilen von der Erzieherin und nicht von Erzieherin und Kind gleichermaßen gesteuert wird, als Fiktions- und Rollenspiel zwischen Erzieherin und Kind klas‐ sifiziert wurden, kommt es zwangsläufig zu einem höheren Anteil dieser Spiel‐ form als dies bei einer strikteren Begriffsauslegung der Fall wäre. Zum anderen sind bei der Erklärung auch kontextuelle Umgebungsfaktoren zu berücksich‐ tigen. In diesem Zusammenhang weisen Wannack et al. (2011: 7) darauf hin, dass die Raumgestaltung in der Einrichtung eine immense Bedeutung für das Freispiel hat. Die Raumgestaltung und -ausstattung sowie die Materialien und Möglichkeiten in den Gruppenräumen entscheiden mit darüber, welche Be‐ schäftigungs- und Spielmöglichkeiten sich für ErzieherIn und Kind eröffnen (siehe dazu auch König 2006: 269). Da gute Raumbedingungen und eine anspre‐ chende Materialausstattung die kindlichen Interessen und Lernprozesse unmit‐ telbar und direkt stimulieren können, sollte auf eine hochwertige und möglichst viele Bildungsbereiche einschließende Materialausstattung in den Einrich‐ tungen Wert gelegt werden (vgl. Kieferle / Reichert-Garschhammer 2014: 38). Im TU -Kinderhaus sind die einzelnen Gruppenräume mit zahlreichen Gegen‐ ständen und Spielstationen ausgestattet, die zu Fiktionsbzw. Rollenspielen animieren. Alle vier Gruppenräume verfügen beispielsweise über eine Spiel‐ küche (ausgestattet mit Kochutensilien wie Töpfen, Tellern, Besteck, Geschirr), so dass auch die materielle Ausgestaltung der Umgebung möglicherweise für den hohen Anteil der Fiktions- und Rollenspiele mit verantwortlich sein könnte. Organisatorisch-pflegerische Tätigkeiten Zu den Erzieherin-Kind-Interaktionen, in denen eine organisatorisch-pflegeri‐ sche Tätigkeit im Vordergrund steht, zählen beispielsweise das Anbzw. Um‐ ziehen der Kinder, die Hilfe beim Naseputzen, aber auch das Schlichten eines Streits oder das Trösten eines Kindes (ähnlich bei König 2006: 368). Insgesamt nehmen organisatorisch-pflegerische Tätigkeiten mit einem Anteil von 12,33 % (02: 30: 48 Stunden) einen wesentlichen Raum in dem analysierten Korpus ein und stellen nach den Aktivitäten-Kategorien Gesprächen, Literacy-Aktivitäten sowie Fiktions- und Rollenspielen den viertgrößten Anteil an Erziehe‐ rinnen-Kind-Interaktionen dar. Die starke Präsenz organisatorisch-pflegeri‐ scher Tätigkeiten ist auf den Forschungskontext Krippe und die untersuchte Altersgruppe zurückzuführen. Die Alltagsorganisation und die Körperpflege stellen für die Unterdreijährigen eine immense Herausforderung dar, bei deren 6 Ergebnisse der empirischen Untersuchung 240 95 Zu den zentralsten und in der Einrichtung zeitintensivsten pflegerischen Tätigkeiten gehört insbesondere das Wickeln jedes einzelnen Kindes. Dieses findet allerdings in einem Nebenraum zum Gruppenraum statt und wurde aus ethischen und datenschutz‐ rechtlichen Gründen - obwohl es in den Zeitraum der Freispielzeit fällt - im Zuge der Datenerhebung in der Einrichtung nicht videografiert und kann daher an dieser Stelle im weiteren Analyseprozess nicht mit einbezogen werden. Bewältigung sie auf die Hilfe der Erzieherinnen angewiesen sind. 95 Dement‐ sprechend fällt der Anteil bei organisatorisch-pflegerischen Tätigkeiten bei ähnlichen Untersuchungen mit überdreijährigen Kindergartenkindern mit 5,4 % Prozent deutlich geringer aus (vgl. König 2006: 234). Interessanterweise ist bei dieser Aktivität keine erwähnenswerte gruppen- oder personenspezifische Vorkommenshäufigkeit bzw. Verteilung zu erkennen. Organisatorisch-pflegerische Tätigkeiten sind bei allen videografierten Erzie‐ herinnen der Einrichtung in etwa gleichem Umfang vertreten, so dass die ent‐ sprechenden Interaktionen im Gegensatz zu den übrigen Handlungsformen we‐ sentlich homogener über das Korpus verteilt sind. Aus diesem Ergebnis lässt sich schlussfolgern, dass alle Erzieherinnen der Einrichtung, d. h. sowohl die deutschals auch die englischsprachigen Kräfte, gleichermaßen in kindgerich‐ tete Interaktionen eingebunden sind, in denen organisatorisch-pflegerische Be‐ lange im Vordergrund stehen. Damit scheinen diese Aktivitäten einen genuinen und festen Bestandteil des Arbeitsalltags in Krippenein-richtungen zu bilden, der ausnahmslos von allen Fachkräften geleistet werden muss. Wie Erzieherinnen-Kind-Interaktionen dieser Art im TU -Kinderhaus ge‐ staltet sind, wird anhand zweier Datenbelege in Tabelle 5 exemplarisch aufge‐ zeigt: Nr. Aufnahmetag/ Dokument/ Zeit Erzieherin/ Sprache Situationsbeschreibung 9 08. 11. 12/ 08. 11. 12 1E1/ 28: 46-29: 54 min 1E1 Englisch 1E1 sitzt mit drei Kindern auf dem Tep‐ pich, sie spielen mit Spielzeugautos. Plötzlich beginnt K1, die Autos durch den Raum zu werfen, ein Auto trifft K2 dabei am Kopf. 1E1 hält K1 am Arm fest, hebt mit der anderen Hand den Zeige‐ finger und ermahnt K1, nicht weiter mit den Autos zu werfen. Sie streichelt den Kopf von K2 und erklärt K1, dass er K2s Kopf getroffen hat und dass das K2 weh‐ getan hat. K3 nähert sich, K1 wirft ein weiteres Auto, dieses Mal nicht ganz so weit und etwas tiefer. 1E1 ermahnt K1 nochmal und weist darauf hin, dass K3 6.1 Makroebene: Rahmenbedingungen der Erzieherin-Kind-Interaktion 241 Nr. Aufnahmetag/ Dokument/ Zeit Erzieherin/ Sprache Situationsbeschreibung dort steht und von dem Auto getroffen werden könnte. 1E1 schlägt K1 statt‐ dessen vor, die Autos etwas vorsichtiger in die Spielzeugkiste neben ihm zu werfen. 1E1 macht den Kindern dies vor und ruft dabei laut „Yes! “. K1 und K2 be‐ ginnen auch, die Autos in die Spielzeug‐ kiste zu werfen und rufen dabei eben‐ falls „Yes“. 10 27. 11. 12/ 27. 11. 12 1E2/ 24: 43-27: 39 min 1E2 Deutsch K1 kommt mit einem Buch auf 1E2 zu‐ gelaufen und ruft ihr zu, dass er ein Buch lesen möchte. 1E2 fühlt ihm mit dem Handrücken an die Stirn und antwortet, dass sie merkt, dass K1 ganz schön schwitzt und sie ihm gerne erst einmal ein paar Sachen ausziehen möchte, bevor sie gemeinsam das Buch lesen. Sie zieht an seinen dicken Wollstrümpfen und merkt an, dass die aber ganz schön fest gestrickt sind. K1 antwortet, dass seine Oma die Strümpfe und den Pull‐ over gestrickt hat. 1E2 merkt an, dass K1s Oma die Sachen aber toll gestrickt hat und zieht ihm dann den Wollpull‐ over über den Kopf. Dabei verhakt sich ein Knopf des Pullovers in K1s Locken. Vorsichtig löst 1E2 den Knoten und er‐ klärt K1 dabei, dass er jetzt schön still‐ halten solle. Schließlich zieht sie ihm den Wollpullover aus, legt die ausgezo‐ genen Anziehsachen beiseite, beide setzen sich auf den Teppich und schlagen die erste Seite des Buches auf. Tab. 5: Datenbeispiele der Kategorie Organisatorisch-pflegerische Tätigkeiten Ankerbeispiel 9 stellt eine wiederkehrende Situation im Krippenalltag dar. Aus‐ löser der Interaktion ist das Fehlverhalten von K1, der Spielzeugautos durch den Gruppenraum wirft, woraufhin die englischsprachige Erzieherin 1E1 eingreift. Da bereits ein Kind durch die geworfenen Autos verletzt wurde, sieht sich 1E1 hier gezwungen, regulierend in den Spielverlauf der Kinder einzugreifen, indem sie K1 ermahnt, keine weiteren Autos zu werfen. Positiv hervorzuheben ist an dem obigen Beispiel, dass Erzieherin 1E1 den regulierenden Eingriff in das Spielgeschehen der Kinder gleichzeitig nutzt, um positive Verhaltensalterna‐ 6 Ergebnisse der empirischen Untersuchung 242 tiven aufzuzeigen. Sie verbietet zwar das Werfen der Spielzeugautos durch den Raum, schlägt jedoch stattdessen vor, die Autos vorsichtig in die auf dem Tep‐ pich stehende Spielkiste zu werfen. Durch das Aufzeigen dieser Handlungsal‐ ternative wird das Spiel der Kinder nicht gänzlich unterbrochen, sondern kann, in modifizierter und durch die Erzieherin gelenkter Form, weiterbetrieben werden. Gleichzeitig zeigt dieses Datenbeispiel, das stellvertretend für verschie‐ dene im Kita-Alltag auftauchende Konfliktsituationen steht (z. B. Streit um ein Spielzeug), dass die englischsprachigen Kräfte im bilingualen TU -Kinderhaus gleichwertig mit den deutschen Fachkräften in alle Aufgaben des Alltags, zu denen auch Konfliktsituationen zählen, eingebunden werden. Durch identische Aufgaben und eine ausgewogene Rollenverteilung werden die L2-Kräfte daher als „vollwertige Teammitglieder“ (Weitz 2015: 382) integriert und die Immersi‐ onssprache als authentisches und bedeutungsvolles Kommunikationsmedium, „mit dem geschimpft, getröstet, gelacht und erklärt werden kann“ (Bon‐ hoeffer-Zoltman et al. 2013: 65), von den Kindern erlebt. In Ankerbeispiel 10 steht weniger der organisatorische denn der pflegerische Aspekt im Vordergrund. Das körperliche Wohlbefinden von K1, dem in seinem Wollpullover und Wollsocken in dem beheizten Gruppenraum sichtlich zu warm ist, konstituiert hier den Gegenstand der Interaktion. Ausgehend von dem zu‐ nächst pflegerischen Aspekt der Interaktion zwischen Erzieherin 1E2 und K1, die ihm beim Ausziehen hilft, zeigt der weitere Verlauf der Interaktion, dass 1E2 die pflegerische Tätigkeit systematisch als Gesprächsanlass aufgreift, so dass sich schließlich ein Gespräch über K1s Oma, die die Socken gestrickt hat, ent‐ wickelt. Von diesem Beispiel ausgehend ist zu vermuten, dass auch vermeintlich stark ritualisierte und automatisierte organisatorisch-pflegerische Tätigkeiten Po‐ tenzial für sprachliche Interaktionen und echten Informationsaustauch bieten. Diesbezüglich verweist auch Ricart Brede (2011: 184), die bei ihrer Analyse in‐ szenierter vorschulischer Sprachfördereinheiten mit knapp 20 % einen ähnlich hohen Anteil organisatorischer Tätigkeiten ausmacht, auf das Potenzial, orga‐ nisatorische Sequenzen für die Sprachförderung bzw. sprachliche Bildungsar‐ beit nutzbar zu machen, „denn auch während organisatorischer Unterrichts‐ phasen ist die Sprachförderperson sprachliches Vorbild, kann sie mit den Kin‐ dern sprechen, deren Äußerungen expandieren, ihnen förderliches Feedback geben und sensibel mit Sprache umgehen“. Unklar bzw. zweifelhaft ist hingegen, ob und inwieweit sich ErzieherInnen des Potenzials jener organisatorischer Se‐ quenzen bewusst sind und dieses im Sinne der alltagsintegrierten Sprachförde‐ rung zu nutzen wissen (vgl. ebd.). 6.1 Makroebene: Rahmenbedingungen der Erzieherin-Kind-Interaktion 243 6.1.1.5 Funktions- und Übungsspiele Bei den Funktions- und Übungsspielen stehen das Einüben und die Erprobung der Handhabung bzw. Funktion von Objekten und Spielgegenständen im Vor‐ dergrund. Da angenommen wird, dass diese Art des Spiels die sensomotorische Entwicklung des Kindes fördert (vgl. Kluge 2003: 177), werden Funktions- und Übungsspiele in einigen spieltheoretischen Klassifikationen auch als sensomo‐ torische Spiele bezeichnet (zu den spieltheoretischen Klassifikationen siehe Hoppe-Graff / Vieweg 2012: 611). Als zumeist erste Spielbetätigung des Kindes ist die funktionsgerechte Handhabung von Objekten und Gegenständen schon im ersten Lebensjahr zu beobachten (vgl. ebd.), so dass auch im TU -Kinderhaus von einem hohen Anteil dieser Spielform auszugehen wäre. In dem erhobenen Videokorpus nehmen Funktions- und Übungsspiele aller‐ dings lediglich einen Anteil von 8,27 % (entspricht 01: 41: 12 Stunden) und damit eine eher geringere Position ein als aufgrund theoretischer Ansätze zur kindli‐ chen Spielentwicklung angenommen werden könnte. Zudem sind die identifi‐ zierten Sequenzen äußerst ungleich auf die untersuchten Erzieherinnen verteilt. Die Anzahl an Erzieherinnen, die in Form von Funktions- und Übungsspielen mit den Kindern interagiert, beschränkt sich auf acht der dreizehn Fachkräfte, bei fünf Erzieherinnen (2E2, 2 EP , 3E2, 4E1, 4E3) finden dementsprechend über‐ haupt keine Funktions- und Übungsspiele statt. Die Funktions- und Übungs‐ spiele konzentrieren sich dabei insbesondere auf die englischsprachige Erzie‐ herin 1E1 und die deutschsprachige Erzieherin 3E3. Sowohl bei Erzieherin 3E3 als auch bei Erzieherin 1E1 stellen Funktions- und Übungsspiele mit 45,08 % bzw. 35,61 % die dominierende Aktivität dieser beiden Erzieherinnen dar. Über die Hälfte aller im Korpus identifizierten Funktions- und Übungsspiele im TU -Kin‐ derhaus entfallen auf die beiden Fachkräfte 1E1 und 3E3. Ausgehend von dieser personenspezifischen Verteilung beziehen sich die folgenden Datenbelege zur Veranschaulichung interaktiver Funktions- und Übungsspiele auf die Fachkräfte 1E1 und 3E3: Nr. Aufnahmetag/ Dokument/ Zeit Erzieherin/ Sprache Situationsbeschreibung 11 17. 10. 12/ 17. 10. 12 3E3/ 15: 00-20: 02 min 3E3 Deutsch Auf dem Fußboden des Gruppenraums sind Kastanien verteilt. K1 bringt 3E3 ein Holzspielhaus und öffnet das Dach des Hauses. 3E3 fragt K1, ob sie das Haus mit Kastanien befüllen wollen. K1 nickt, wo‐ raufhin 3E3 und K1 beginnen, Kastanien durch die Fenster und das Dach in das Haus zu füllen. 3E3 animiert auch an‐ 6 Ergebnisse der empirischen Untersuchung 244 Nr. Aufnahmetag/ Dokument/ Zeit Erzieherin/ Sprache Situationsbeschreibung dere Kinder mitzuhelfen, die vereinzelt auch Kastanien in das Haus werfen und sie kommentiert immer wieder zwi‐ schendurch, wie viele Kastanien in das Haus passen. Als das Haus komplett mit Kastanien befüllt ist, öffnet K1 die Haustür, woraufhin die Kastanien aus dem Haus herausrollen. Dann beginnen K1 und 3E3, das Haus erneut zu befüllen. 12 08. 11. 12/ 08. 11. 12 1E1/ 18: 32-26: 37 min 1E1 Englisch 1E1 und K1 stehen vor einem Spielzeug‐ bagger mit einer Schaufel. K1 möchte die Baggerschaufel befüllen, doch sie fällt immer wieder herunter, da sie nicht ein‐ gerastet ist. 1E1 zeigt K1, wie die Bag‐ gerschaufel hochgezogen wird und be‐ gleitet dies sprachlich (up up up up), die sprachlichen Begleitungen werden dabei stark betont. Dann verriegelt sie die Baggerschaufel in der Halterung und begleitet auch dies sprachlich (lock it! ). Dann löst sie die Verriegelung wieder (unlock it! ), so dass die Baggerschaufel schließlich wieder runterfällt (down! ). Dieser Vorgang wiederholt sich einige Male, indem 1E1 K1 die Funktionsweise der Baggerschaufel demonstriert. Die sprachlichen Begleitungen bleiben dabei identisch wie bei der ersten Durchfüh‐ rung. K1 spricht nach und nach einzelne Wortfragmente nach und übernimmt nach und nach das Hochfahren, Verrie‐ geln, Entriegeln und Fallenlassen der Baggerschaufel. 1E1 hilft ihm dabei und begleitet die Vorgänge weiter sprach‐ lich. Tab. 6: Datenbeispiele der Kategorie Funktions- und Übungsspiele Ankerbeispiel 11 beschreibt eine Situation eines Herbsttages, an dem eine der Erzieherinnen Kastanien für die Kinder gesammelt und diese mit in die Gruppe gebracht hat. Die Kinder zeigen großes Interesse an den Kastanien und integ‐ rieren diese sofort in ihre Spielhandlungen. So auch in Ankerbeispiel 11, in dem Erzieherin 3E3 mit einem Kind ein Holzspielhaus mit Kastanien befüllt. Auch hier steht die für Funktions- und Übungsspiele charakteristische Auseinander‐ setzung mit dem Material im Vordergrund. In der Spielhandlung geht es insbe‐ 6.1 Makroebene: Rahmenbedingungen der Erzieherin-Kind-Interaktion 245 6.1.1.6 sondere darum, die Form und die Größe der Kastanien durch den haptischen Umgang kennen- und durch das Befüllen des Hauses abschätzen zu lernen (Wie viele Kastanien passen wohl in das Haus? ). Erzieherin 3E3 initiiert dabei die Interaktion mit dem Kind und animiert zu dem Funktions- und Übungsspiel, indem sie das Befüllen des Holzhauses vorschlägt. Eine ähnliche Situation stellt das Ankerbeispiel 12 dar. Auch in dieser Inter‐ aktionssequenz steht die Erprobung einer Funktionsweise bzw. die Handhabung eines Gegenstandes im Zentrum der Interaktion. Die englischsprachige Erzie‐ herin 1E1 bemerkt, dass K1 die Baggerschaufel noch nicht sachgemäß bedienen kann und demonstriert ihm daraufhin unter mehrmaliger Wiederholung die Funktionsweise derselben. Durch das allmähliche selbstständige Bedienen der Baggerschaufel durch K1 gegen Ende der beschriebenen Sequenz wird ersicht‐ lich, dass Erzieherin 1E1 in dieser Interaktion eine wichtige Modellfunktion übernimmt, von der K1 durch Beobachtung und Nachahmung die sachgemäße Handhabung der Baggerschaufel erlernt. Hinsichtlich der bereits oben aufgeworfenen Frage nach einer Begründung des überraschend geringen Anteils an Funktions- und Übungsspielen könnten mögliche Erklärungs- und Interpretationsansätze womöglich genau an dieser Stelle (vgl. Ankerbeispiel 12) ansetzen. Gerade weil es sich bei Funktions- und Übungsspielen um diejenige Spielform handelt, die für die hier untersuchte Al‐ tersstufe der Unterdreijährigen besonders typisch und charakteristisch ist, taucht diese Form der Aktivität seltener in Form einer gemeinsamen Spielakti‐ vität zwischen Erzieherin und Kind auf. Die einbis dreijährigen Kinder be‐ herrschen diese Art der Spielbeschäftigung schon weitestgehend selbstständig und sind daher nur noch in wenigen Ausnahmefällen auf Hilfe bzw. Anleitung durch die Erzieherinnen angewiesen. Möglicherweise wenden sich die anwe‐ senden Erzieherinnen, sofern die mit Übungs- und Funktionsspielen beschäf‐ tigten Kinder kein Bedarf an Unterstützung oder Hilfestellung signalisieren, in dieser Zeit Interaktionen mit anderen Kindern zu. Da die Aktivitäten aus der Erzieherinnenperspektive, d. h. hinsichtlich der Frage, in welche Aktivitäten die Erzieherinnen während der Freispielzeit involviert sind, ermittelt wurden, könnte dies eine mögliche Erklärung sein. Gestalterisch-künstlerische Aktivitäten Neben den oben beschriebenen interaktiven Handlungsformen wurden auch gestalterisch-künstlerische Tätigkeiten, wie z. B. das gemeinsame Basteln oder Malen, als Aktivität zwischen Erzieherin und Kind identifiziert. Sowohl im Ver‐ hältnis zu den zuvor beschriebenen Aktivitäten als auch im Vergleich mit den Ergebnissen anderer Studien wie der von König (2006: 234), bei der gestalte‐ 6 Ergebnisse der empirischen Untersuchung 246 risch-künstlerische Tätigkeiten mit 18,1 % die dominanteste Aktivitäten-Kate‐ gorie in der Freispielzeit darstellt, nehmen gestalterisch-künstlerische Aktivi‐ täten mit 7,37 % (entspricht 01: 30: 10 Stunden) in der vorliegenden Studie einen verhältnismäßig geringen Raum ein. Das Vorkommen dieser Aktivität im TU -Kinderhaus zeichnet sich zudem durch eine äußerst heterogene Verteilung auf die einzelnen Gruppen der Ein‐ richtung aus. So kommt es in Gruppe 4 überdurchschnittlich häufig zu Erzie‐ herin-Kind-Interaktionen, in denen gestalterisch-künstlerische Aktivitäten im Zentrum der Interaktion stehen. Mit 76,71 % finden über dreiviertel aller gestal‐ terisch-künstlerischen Erzieherin-Kind-Interaktionen in dieser Gruppe statt. Dementsprechend gering fallen die Anteile für die anderen Gruppen aus. So entfallen die übrigen 23,29 % dieser Aktivität auf Gruppe 2, in Gruppe 1 und 3 lag folglich keine einzige Interaktionssequenz dieser Art vor. Diese spezifische Verteilung spiegelt sich auch auf der Ebene der Handlungsmuster der einzelnen Erzieherinnen wider (siehe dazu die Kreuztabelle in Anhang 6). Da gestalte‐ risch-künstlerische Aktivitäten in den Gruppen 1 und 3 überhaupt nicht beo‐ bachtet werden konnten, fehlen diese auch bei den einzelnen videografierten Erzieherinnen der Gruppen (1E1, 1E2, 1E3, 3E1, 3E2, 3E3). In den Gruppen 2 und 4 ist diese Handlungsform hingegen stark auf einzelne Erzieherinnen konzent‐ riert. Bei der englischsprachigen Erzieherin 2E1 stellen gestalterisch-künstleri‐ sche Aktivitäten mit 25,59 % die dominante Form der kindgerichteten Interak‐ tion dieser Fachkraft dar. In Gruppe 4 sind gestalterisch-künstlerische Aktivi‐ täten zwar bei allen Erzieherinnen (4E1, 4E2, 4E3) stark vertreten, bei 4E2 sind diese mit einem Anteil von 34,47 % die dominante Interaktionsform. Tabelle 7 veranschaulicht, wie gestalterisch-künstlerische Tätigkeiten zwi‐ schen Erzieherin und Kind gestaltet sein können. Ausgehend von der skizzierten Häufigkeitsverteilung sind die englischsprachige Fachkraft 2E1 sowie die deutschsprachige Fachkraft 4E3, für die diese Aktivität besonders typisch zu sein scheint, an den hier angeführten Beispielen aus dem Datenkorpus beteiligt: Nr. Aufnahmetag/ Dokument/ Zeit Erzieherin/ Sprache Situationsbeschreibung 13 22. 11. 12/ 22. 11. 12(1) 2E1/ 02: 45-15: 48 min 2E1 Englisch Nachdem K1 2E1 um Papier und Schere gebeten hat, gehen beide mit Papier und Schere zum Basteltisch des Gruppen‐ raums und setzen sich. K1 beginnt das Papier mit der Schere zu zerschneiden. Zwischendurch kommen auch weitere Kinder zu der Situation hinzu, die eben‐ falls Papier zerschneiden möchten. 2E1 6.1 Makroebene: Rahmenbedingungen der Erzieherin-Kind-Interaktion 247 Nr. Aufnahmetag/ Dokument/ Zeit Erzieherin/ Sprache Situationsbeschreibung weist wiederholt darauf hin, vorsichtig mit den Scheren zu sein, mit ihnen am Tisch zu bleiben und nicht durch den Gruppenraum zu laufen. Sie legt ihre Hand auf das Papier, damit K1 die Form ihrer Hand auf dem Papier ausschneiden kann. K1 schneidet um 2E1s Hand herum und freut sich schließlich über die ausgeschnittene Papierhand. 14 20. 12. 12/ 20. 12. 12 (1) 4E3/ 01: 30-08: 37 min 4E3 Deutsch 4E3 sitzt mit zwei Kindern am Bastel‐ tisch. Während K1 selbstständig anfängt zu malen, signalisiert K2, dass er ein Auto malen möchte. 4E3 hält zusammen mit ihm den Buntstift fest, sie zeichnen auf dem Papier die Form eines Autos nach. K2 malt das Auto anschließend farbig aus. Dann möchte er das ausge‐ malte Auto ausschneiden. Nachdem 4E3 eine Schere geholt hat, halten beide ge‐ meinsam die Schere fest und schneiden das ausgemalte Auto aus. Danach öffnet und schließt 4E3 wiederholt die Schere in der Luft und kommentiert „Schere auf und Schere zu“, um ihm die Funktions‐ weise der Schere zu demonstrieren. K2 möchte daraufhin eine Mickey Mouse malen, beide halten wieder den Stift ge‐ meinsam fest und zeichnen auf dem Blatt Papier eine Mickey Mouse, auch diese wird schließlich von beiden ge‐ meinsam ausgeschnitten. Tab. 7: Datenbeispiele der Kategorie Gestalterisch-künstlerische Aktivitäten In Beispiel 13 steht das Ausschneiden einer Papierhand im Zentrum der Inter‐ aktion zwischen Erzieherin 2E1 und K1. Erzieherin 2E1 ist hier diejenige, die durch die Idee, ihre Hand auf das Papier zu legen und von K1 ausschneiden zu lassen, die zentralen Impulse für den Verlauf der Bastelaktivität gibt. Die ge‐ stalterische-künstlerische Tätigkeit zwischen 2E1 und K1 steht hier zwar als rahmengebende Aktivität im Vordergrund der Interaktion, zugleich muss 2E1 aber auch auf die anderen Kinder am Basteltisch Acht geben, damit diese sich nicht an den herumliegenden Scheren verletzen. Durch die von den Scheren ausgehende Verletzungsgefahr und die damit einhergehende Verhaltenskon‐ 6 Ergebnisse der empirischen Untersuchung 248 96 Diesbezüglich weist die Realisierung der gestalterisch-künstlerischen Aktivitäten Pa‐ rallelen zu den Funktions- und Übungsspielen, bei denen ebenfalls die korrekte Funk‐ tionsweise eines Gegenstandes oder Objektes von Bedeutung ist, auf. trolle der Kinder einerseits sowie die eigentliche Bastelaktivität mit K1 ande‐ rerseits ist Erzieherin 1E1 hier in mehrere Interaktionen parallel involviert. Ankerbeispiel 14 beschreibt eine Situation, die zunächst durch das gemein‐ same Malen eines Bildes motiviert wird. Die ausgemalten Figuren werden an‐ schließend jeweils gemeinsam von 4E3 und K1 ausgeschnitten. An dem Ablauf dieser Handlungssequenz wird in erster Linie das Ausmaß an Unterstützung und Hilfestellung ersichtlich, das K1 von Erzieherin 4E3 bei der Realisierung der Mal- und Schneidearbeiten benötigt. Sie begleitet sowohl das Malen der Figuren als auch das Ausschneiden der Figuren, indem sie die Handbewegungen von K1 mit der Schere führt. Demnach steht in den angeführten Ankerbeispielen, die sich an weiteren Datenbelegen bestätigen lassen, die haptisch-taktile Auseinandersetzung mit den Bastelmaterialien sowie das Kennenlernen der Funktionsweise und Hand‐ habung der Bastelmaterialien, z. B. das Halten eines Stifts, das Führen sowie Öffnen und Schließen einer Schere und weniger der künstlerische Aspekt im Fokus jener Interaktionen. 96 Das haptische Erkunden der Bastelmaterialien durch die Kleinkinder erfordert, wie die obigen Beispiele zeigen, auch aufgrund des Gefahren- und Verletzungspotenzials, das von Bastelutensilien wie Scheren und spitzen Stiften ausgeht, ein hohes Maß an Unterstützung und Achtsamkeit seitens der Erzieherinnen. Dies könnte zugleich eine mögliche Erklärung dafür sein, dass gestalterisch-künstlerische Aktivitäten in der untersuchten Krippe‐ neinrichtung eher selten vorkommen. Trotz der vergleichsweise geringen Vorkommenshäufigkeit ist aufgrund der Tatsache, dass es sich bei dieser Aktivität mit einer durchschnittlichen Länge von 04: 17 Minuten um die durchschnittlich längste Handlungsform handelt, davon auszugehen, dass gestalterisch-künstlerische Aktivitäten einen geeig‐ neten Rahmen für intensive und lang andauernde sprachliche Interaktionen zwischen den GesprächspartnerInnen bieten. Für die inhaltsorientiert-immer‐ sive Vermittlung von frühen Fremdsprachen im CLIL -Unterricht der Grund‐ schule wurde das Potenzial gestalterisch-künstlerischer Tätigkeiten aufgrund der visuellen und haptischen Fülle an Materialien bereits in einschlägigen Stu‐ dien aufgezeigt (vgl. u. a. Rymarczyk 2003, 2010). Durch die zahlreichen visuellen Verstehensmöglichkeiten können Kinder dem bilingualen Kunstunterricht in der Grundschule daher oft auch in einer neuen Fremdsprache ohne größere Probleme folgen (vgl. Rymarczyk 2010: 91). Da sich die verwendete Sprache zudem immer auf konkrete, in der Situation vorhandene und visualisierte Ge‐ 6.1 Makroebene: Rahmenbedingungen der Erzieherin-Kind-Interaktion 249 6.1.1.7 genstände bezieht, wird die Sprachverwendung von den Kindern als authentisch und natürlich wahrgenommen (siehe dazu auch Heim 2013: 67). Ausgehend von den erhobenen Videodaten sowie der teilnehmenden Beobachtung ist zu ver‐ muten, dass bereits Kleinkinder von diesen visuellen Verstehenshilfen profi‐ tieren und die gestalterisch-künstlerischen Aktivitäten zwischen Erzieherin und Kind auf ähnlichen Prinzipien wie der CLIL -Unterricht im Fach Kunst in der Grundschule beruhen. Bewegungsspiele Bei den Bewegungsspielen konstituiert der Körper als Medium der Aktivität bzw. eine ausgeführte Bewegungsaktivität die Interaktion zwischen Fachkraft und Kind (vgl. König 2006: 367 f.). Es handelt sich demnach um körperliche Ak‐ tivitäten, die keinen unmittelbaren Zweck erfüllen, sondern durch die reine Freude an der Bewegung motiviert sind (vgl. Hoppe-Graff / Vieweg 2012: 612). Als in der Interaktion dominierende Handlungsform wurden insgesamt n=32 Bewegungsspiele identifiziert. Diese nehmen, bezogen auf die videograf‐ ierte Freispielzeit, einen Zeitanteil von 4,98 % (01: 00.54 Stunden) ein. Auch diese Aktivität ist stark auf einzelne Erzieherinnen in der Einrichtung konzentriert. Auffällig ist, dass diese Interaktionsform überhaupt nur bei sieben der dreizehn Erzieherinnen beobachtet wurde, so dass es bei den übrigen sechs Erzieherinnen zu keinerlei Bewegungsspielen in der Interaktion mit einem Kind kam (siehe dazu die Kreuztabelle in Anhang 6). Gruppenspezifisch betrachtet erklärt sich so auch, warum dieser Aktivität in Gruppe 4 mit einem Anteil von 1,72 % eine verschwindend geringe Bedeutung zukommt. In Gruppe 2 hingegen ist es vor allem die englischsprachige Erzieherin 2 EP , die alleine 34,10 % aller Bewegungs‐ spiele in der Einrichtung realisiert. Auch die englischsprachige Erzieherin der Gruppe 3, 3E1, scheint eine ähnliche Vorliebe für interaktive Bewegungsspiele mit den Kindern zu haben. Von ihr werden weitere 18,94 % aller Handlungsse‐ quenzen dieser Kategorie realisiert (siehe dazu auch das folgende Ankerbeispiel von 3E1). Zur Veranschaulichung sind in Tabelle 8 Datenbelege mit entsprechenden Situationsbeschreibungen aufgeführt, die einen Einblick in das Vorkommen und die Gestaltung jener Bewegungsspiele zwischen Erzieherin und Kind im bilin‐ gualen TU -Kinderhaus geben: 6 Ergebnisse der empirischen Untersuchung 250 Nr. Aufnahmetag/ Dokument/ Zeit Erzieherin/ Sprache Situationsbeschreibung 15 11. 12. 12/ 11. 12. 12 1E3/ 15: 14-16: 28 min 1E3 Deutsch 1E3 sitzt vor der Rutsche, oben auf der Rutsche warten K1 und K2. 1E3 wirft ihnen von unten Schaumstoffbälle und Schaumstoffblöcke auf die Rutsche. K1 und K2 fangen diese auf und rutschen dann mit dem Ball und dem Block nach unten zu 1E3 und geben ihr den Ball zu‐ rück. Dieser Vorgang wiederholt sich ei‐ nige Male. 16 18. 10. 12/ 18. 10. 12 3E1/ 03: 01-07: 37 min 3E1 Englisch 3E1 beobachtet, wie K1 auf das Podest im Gruppenraum klettert, sie setzt sich daraufhin vor das Podest. Sie nimmt K1 an der Hand und signalisiert K1, dass sie jetzt springen darf. Dabei zählt 3E1 bis drei (One, two, three aaand JUMP! ). Als K1 von dem Podest springt, macht 3E1 ebenfalls eine Hüpfbewegung. Dieser Vorgang wiederholt sich einige Male. Dann kommen auch andere Kinder hinzu, die 3E1 ebenfalls an die Hand nimmt. Wieder zählt sie bis drei, die Kinder springen vom Podest und 3E1 wiederholt dabei auch selbst die Spring‐ bewegung. Tab. 8: Datenbeispiele der Kategorie Bewegungsspiele Ankerbeispiel 15 beschreibt eine Situation des Kita-Alltags, in der eine sich wie‐ derholende Abfolge von Bewegungen das zentrale Merkmal der Interaktions‐ sequenz darstellt. Die koordinierte Bewegungsabfolge zwischen Erzieherin 1E3 sowie K1 und K2 (Schaumstoffblock werfen, auffangen und rutschen, Schaum‐ stoffblock an 1E3 übergeben) bildet in dieser Situation zugleich den zentralen Sprechanlass. Die Bewegungsabfolge setzt ein kommunikatives und interaktives Aushandeln der Regeln mit der beteiligten Erzieherin voraus und erfordert zudem Absprachen der Kinder untereinander. In diesem Sinne motiviert die be‐ schriebene Bewegungsaktivität nicht nur zum interaktiven Austausch zwischen den Kindern und Erzieherin 1E3, sondern initiiert auch die peer-Interaktion der Kleinkinder untereinander. Zugleich wird an diesem Beispiel erneut die Bedeu‐ tung der materiellen Ausstattung und Gestaltung der Gruppenräume deutlich. Die Möglichkeiten sowie die Ausprägung der Bewegungsspiele sind auch hier an die in den Räumlichkeiten vorhandenen Objekte und Spielgegenstände ge‐ bunden. Da einige Gruppenräume mit einer Rutsche ausgestattet sind, andere 6.1 Makroebene: Rahmenbedingungen der Erzieherin-Kind-Interaktion 251 6.1.1.8 dafür mit anderen Geräten, entwickeln sich innerhalb der Einrichtung grup‐ penspezifische Ausprägungen körperlicher Bewegungsaktivitäten. So wird in Ankerbeispiel 16 - in der entsprechenden Gruppe war zu dem Zeitpunkt der Datenerhebung keine Rutsche vorhanden - das im Gruppenraum befindliche Podest als Ausgangspunkt für die gemeinsame Bewegungsaktivität genutzt. Die englischsprachige Erzieherin 3E1 ist an dieser Sequenz im Unter‐ schied zu dem ersten Datenbeispiel selbst weniger körperlich aktiv, dafür aber hilfestellend an dem Bewegungsspiel von K1 beteiligt. Sie nutzt die körperliche Betätigung von K1 in dieser Situation insbesondere dazu, die kindlichen Hand‐ lungen zu verbalisieren und zu begleiten (siehe dazu auch Arzberger / Erhorn 2013: 11). Durch die kontinuierliche Versprachlichung bzw. das systematische handlungsbegleitende Sprechen wird ein direkter und unmittelbarerer Bezug zwischen Handlung und Sprache hergestellt. Dies kann zur Entwicklung des rezeptiven Wortschatzes beitragen. Darüber hinaus demonstriert dieses Daten‐ beispiel das im Rahmen der soziokulturellen Theorie vorgestellte Prinzip des scaffoldings (siehe dazu die Ausführungen in Kapitel 4.2.3). Die Versprachli‐ chung der kindlichen Handlung mithilfe der wiederkehrenden sprachlichen Muster und formelhaften Ausdrücke (One, two, three aaand JUMP ! ) trägt zum Aufbau eines sprachlichen Gerüsts bei (vgl. Kersten et al. 2010a: 109 f.; Steinlen et al. 2013: 87), welches den kindlichen Verstehensprozess fördert und die Me‐ morisierung des entsprechenden Wortschatzes unterstützen kann. Neben den angeführten Beispielen, die gezeigt haben, dass Bewegungsspiele Interaktionsprozesse auslösen und einen geeigneten Rahmen zum handlungs‐ begleitenden Sprechen bieten können, soll abschließend der relativ geringe An‐ teil der Bewegungsspiele in dem untersuchten Korpus diskutiert werden. Diesen führe ich in erster Linie auf die Rahmenbedingungen der Datenerhebung zurück. Ein Großteil der Bewegungsaktivitäten findet - ausgehend von der teilnehm‐ enden Beobachtung im TU -Kinderhaus - auf dem Außengelände der Einrich‐ tung sowie in dem eigens vorhandenen Sport- und Bewegungsraum statt. Die Datenerhebung wurde jedoch aus forschungspraktischen Erwägungen (u. a. Ge‐ räuschkulisse, Weitläufigkeit des Aufnahmeortes) auf die Gruppenräume der Einrichtung beschränkt. Es ist daher gut möglich, dass tatsächlich ein weitaus höheres Maß an interaktiven Bewegungsspielen zwischen Erzieherin und Kind stattfindet, dieses jedoch außerhalb der Aufnahmezeit im bilingualen TU -Kin‐ derhaus realisiert wird. Musikalisch-rhythmische Aktivitäten Bei musikalisch-rhythmischen Aktivitäten bildet das gemeinsame Singen eines Liedes, das (zu einem Lied gehörige) rhythmische Klatschen, die gestisch-pan‐ 6 Ergebnisse der empirischen Untersuchung 252 tomimische Begleitung eines Liedes oder vereinzelt auch das Vorbzw. Nach‐ sprechen eines Reims das zentrale Merkmal der Interaktion. In Bezug auf die videografierte Freispielzeit fällt der Zeitanteil dieser Handlungsform mit 4,24 % und insgesamt n=37 beobachteten Sequenzen allerdings vergleichsweise gering aus. Zudem deutet eine gruppen- und fachkräftespezifische Verteilung darauf hin, dass es in jeder der vier Gruppen jeweils eine Erzieherin gibt, die während der Aufnahmezeit in keine einzige kindgerichtete Interaktion mit einem musi‐ kalisch-rhythmischen Schwerpunkt involviert ist. In Gruppe 1 ist dies Erzie‐ herin 1E3, in Gruppe 2 Erzieherin 2E3, in Gruppe 3 Erzieherin 3E3 sowie in Gruppe 4 Erzieherin 4E2. Interessanterweise ist unter diesen Erzieherinnen, die während der Freispielzeit nicht mit dem Kind singen, klatschen oder reimen, keine der englischsprachigen Fachkräfte des bilingualen TU -Kinderhauses ver‐ treten. Von den englischsprachigen Erzieherinnen scheint insbesondere Erzie‐ herin 3E1 eine Vorliebe für musikalisch-rhythmische Interaktionen zu haben, da alleine ein Zeitanteil von 34,69 % dieser Aktivitäten auf Erzieherin 3E1 entfällt (exemplarisch zu Erzieherin 3E1 siehe auch Ankerbeispiel 17). Ähnlich hoch sind die Zeitanteile bei 1E2, von ihr werden weitere 31,03 % der musika‐ lisch-rhythmischen Tätigkeiten realisiert (zu Erzieherin 1E2 siehe auch Anker‐ beispiel 18). Diese Konzentration auf einzelne Erzieherinnen spiegelt demnach eine spe‐ zifische Aufgabenverteilung in den Gruppen wider, bei der sich einzelne Erzie‐ herinnen komplett aus den musikalisch-rhythmischen Aktivitäten zurück‐ ziehen, so dass andere Erzieherinnen wiederum besonders stark in diese invol‐ viert sind. Da Erzieherin 1E2 und 3E1 jene Fachkräfte sind, auf die sich diese Handlungsform stark konzentriert - auf sie entfallen mehr als die Hälfte (65,72 %) dieser Aktivitäten - werden die Ankerbeispiele im Folgenden anhand dieser beiden Erzieherinnen veranschaulicht: Nr. Aufnahmetag/ Dokument/ Zeit Erzieherin/ Sprache Situationsbeschreibung 17 18. 10. 12/ 18. 10. 12 3E1/ 17: 19-18: 35 min 3E1 Englisch K1 bringt 3E1 Spielzeug-Schmetter‐ lingsflügel (Anmerkung: diese werden in der Einrichtung öfter im sich an die Freispielzeit anschließenden Singkreis verwendet, die Kinder dürfen dann zum Schmetterlingslied dazu tanzen) und signalisiert, dass er diese tragen möchte. 3E1 ist ihm dabei behilflich und stimmt dann das den Kindern bekannte But‐ terfly-Lied an (Butterfly you little thing, fly around …). K1 dreht sich dazu im 6.1 Makroebene: Rahmenbedingungen der Erzieherin-Kind-Interaktion 253 Nr. Aufnahmetag/ Dokument/ Zeit Erzieherin/ Sprache Situationsbeschreibung Kreis, 3E1 unterstützt ihren Ge-sang gestisch durch Flugbewegungen mit der Hand. 18 13. 11. 12/ 13. 11. 12 1E2/ 08: 31-13: 06 min 1E2 Deutsch 1E2 sitzt auf dem Teppich und ist von einer Gruppe Kindern umgeben. Einige der Kinder wippen und hüpfen durch die Gegend, woraufhin 1E2 die Kinder fragt, ob sie ein Lied singen möchten. K1 deutet eine rollend-kreisende Handbe‐ wegung an (Anmerkung: Das ist die ty‐ pische, begleitende Handbewegung für das Aramsamsam-Lied). 1E2 beginnt, dieses Lied mitzusingen, 1E2 und die Kinder begleiten das Lied mit den o. g. Handbewegungen. Anschließend fragt 1E2 wieder, welches Lied die Kinder singen möchten, die Kinder strecken ihre Arme breit aus (Anmerkung: Das ist die typische Begleitung für das Ge‐ rade-Schief-Lied). 1E2 singt auch dieses Lied, die Kinder begleiten wiederum mit den ihnen geläufigen Begleitbewe‐ gungen. Dieser Vorgang wiederholt sich im Anschluss noch ein drittes Mal mit dem Lied Häschen in der Grube. Tab. 9: Datenbeispiele der Kategorie Musikalisch-rhythmische Aktivitäten An den beiden Beispielen wird deutlich, dass die Kinder große Freude an dem gemeinsamen Singen zeigen (vgl. Heim 2013: 68; Kersten et al. 2010a: 110). In beiden Fällen sind es die Kinder, die, wenn auch indirekt durch das rhythmische Wippen und Summen oder durch das Bringen der Schmetterlingsflügel, die Ini‐ tiative zum Singen ergreifen. Bei dem gemeinsamen Singen von Erzieherin und Kind scheint zudem die gestische Begleitung von besonderer Bedeutung zu sein, da die Erzieherinnen ihren Gesang und die Liedinhalte in beiden Beispielen durch den Einsatz von Gestik (z. B. Flugbewegungen mit der Hand für den flie‐ genden Schmetterling) begleiten. Die auf diese Weise visualisierten Liedinhalte bieten den Kindern eine wichtige zusätzliche Verstehenshilfe (siehe auch Heim 2013: 69). Bei der Einordnung der Ergebnisse legt auch der derzeitige Forschungsstand einen positiven Zusammenhang zwischen Musik und Spracherwerb nahe. Das gemeinsame und ritualisierte Singen (in der Fremdsprache) hilft bei der Memo‐ 6 Ergebnisse der empirischen Untersuchung 254 97 Nachgewiesen werden konnte zudem, dass Kinder mit Lese- und Rechtschreibschwäche (Legasthenie) schlechtere Leistungen im Bereich der phonologischen Bewusstheit er‐ zielen als gleichaltrige Kinder ohne Lese- und Rechtschreibschwäche (vgl. Blaser et al. 2007; Bogliotti et al. 2008; Klicpera / Gasteiger-Klicpera 1994). Eine gezielte Förderung der phonologischen Bewusstheit im Vorschulalter kann daher das Risiko einer Lese- und Rechtschreibschwäche mindern (vgl. u. a. Küspert 1998; Roth 1999). 6.1.1.9 risierung von chunks und fördert so auch die frühe Sprachproduktion (vgl. Elsner 2010; Legutke et al. 2009; Schmid-Schönbein 2008). Nickel (2007: 87) weist zudem auf die Bedeutung von Singen, Reimen, Sprach- und Fingerspielen für die literale Sozialisation hin. In den Liedtexten begegnen die Kinder konzepti‐ oneller Schriftlichkeit im zunächst mündlichen Gebrauch, d. h. in Form von prä‐ literarischer Kommunikation, ähnlich der Literacy-Aktivitäten (vgl. ebd.). Das Singen und Reimen trägt damit ebenso zu einer sprachlich stimulierenden Lern‐ umgebung bei und fördert die Entwicklung von Vorläuferfähigkeiten zum Schriftspracherwerb wie der phonologischen Bewusstheit (vgl. Faas 2013: 43). Diese stellt wiederum den bedeutsamsten Prädiktor für den Erfolg im Schrift‐ spracherwerb dar (u. a. Küspert 1998). 97 Aufgrund des skizzierten Potenzials jener Aktivitäten sind ihr geringer Anteil in dem erhobenen Datenkorpus sowie die unterschiedliche Bereitschaft der Er‐ zieherinnen zum Singen erklärungsbedürftig. Ähnlich wie die Bewegungsspiele, die größtenteils außerhalb der Aufnahmezeit stattfinden, ist auch das gemein‐ same Singen in einen separaten Singkreis, der unmittelbar vor dem gemein‐ samen Mittagessen und damit außerhalb der videografierten Freispielzeit statt‐ findet, ausgelagert. Damit ist das Singen - wenn auch nicht im Rahmen der in dieser Studie untersuchten Freispielzeit - durchaus als tägliche Routine und Ritual im Kita-Alltag verankert und bildet ein für die Kinder bekanntes organi‐ satorisches Gerüst in der Einrichtung (vgl. Kersten et al. 2010a: 109 f.). Auch der tatsächliche Umfang an musikalischen Aktivitäten, an denen die Kleinkinder in der Einrichtung teilhaben, ist dementsprechend höher anzusiedeln, als die hier präsentierten Zahlen suggerieren. Regelspiele Eine mit einem Zeitanteil von 2,17 % seltener vorkommende Handlungsform, die insgesamt nur zehnmal als gemeinsame Aktivität zwischen Erzieherin und Kind identifiziert wurde, stellen die sogenannten Regelspiele dar. Es handelt sich dabei um Spiele, deren Spielprozess und Verlauf durch klar definierte Spielregeln gelenkt wird. Da diese klassischen Tisch- und Gesellschaftsspiele (z. B. „Mensch ärgere dich nicht! “) das Verständnis z. T. sehr komplexer Spielregeln voraus‐ setzen, sind sie in den Interaktionen der Erzieherinnen mit den unterdreijäh‐ 6.1 Makroebene: Rahmenbedingungen der Erzieherin-Kind-Interaktion 255 98 Im Spiel zwischen Erzieherinnen mit dreibis sechsjährigen Kindern gewinnt diese Form des Spiels jedoch zunehmend an Bedeutung. So stellte das Regelspiel in der Studie von König (vgl. 2006: 233) mit 15,4 % die zweithäufigste Erzieherin-Kind-Aktivität dar. rigen Kindern im bilingualen TU -Kinderhaus noch nicht sehr häufig zu be‐ obachten. 98 Aufgrund der in dieser Untersuchung anvisierten Altersgruppe wurde daher ein weiteres Verständnis des Regelspiel-Begriffs für die Analyse zugrunde gelegt und dementsprechend auch einfachere Spiele mit weniger komplexen Spielre‐ geln unter diesem Terminus zusammengefasst. Im bilingualen TU -Kinderhaus konnten insbesondere Puzzlespiele als für die Kategorie der Regelspiele cha‐ rakteristische Umsetzung identifiziert werden (vgl. die Ankerbeispiele in Tabelle 10): Nr. Aufnahmetag/ Dokument/ Zeit Erzieherin/ Sprache Situationsbeschreibung 19 28. 11. 12/ 28. 11. 12 (2) 2EP/ 09: 22-10: 37 min 2EP Englisch 2EP verteilt ausgestanzte Puzzlekarten auf dem Boden und ordnet diese vor K1 an. Dann gibt 2EP K1 die Puzzlebilder (mit Tiermotiven) die in die ausge‐ stanzten Vorlagen auf den Boden einge‐ setzt werden sollen. K1 schaut sich die Puzzlebilder und die ausgestanzten Vor‐ lagen an. Sie gibt 2EP ein Puzzleteil zu‐ rück und zeigt auf die Lücke, in die das Bild eingesetzt werden soll (Sie wirkt schüchtern und traut sich offenbar nicht, die Teile selbst in die Lücken ein‐ zusetzen). 2EP versucht das Teil einzu‐ setzen, doch es passt nicht, sie macht mit der Hand eine Drehbewegung und fragt K1, ob sie das Teil noch einmal drehen soll. K1 nickt, woraufhin 2EP das Puz‐ zleteil an die richtige Position einsetzt. 20 19. 12. 12/ 19. 12. 12 (4) 4E3/ 05: 49-08: 44 min 4E3 Deutsch K1 zeigt auf ein Puzzle im Regal. 4E3 nimmt das Puzzle aus dem Regal und stellt die vier Puzzleteile (rot, gelb, blau, grün) vor K1 auf dem Tisch auf. K1 setzt die vier einzelnen Puzzleteile an die richtige Stelle zurück. K1 freut sich, 4E3 lobt sie und klatscht. 4E3 nimmt die Puz‐ zleteile wieder heraus und stellt sie wieder vor K1 auf. K1 setzt diese wieder an die richtige Position zurück. Dieser 6 Ergebnisse der empirischen Untersuchung 256 6.1.1.10 Nr. Aufnahmetag/ Dokument/ Zeit Erzieherin/ Sprache Situationsbeschreibung Vorgang wiederholt sich noch einige Male. 4E3 lobt K1 jedes Mal und klatscht. Tab. 10: Datenbeispiele der Kategorie Regelspiele Dem Puzzle liegt zwar eine wesentlich weniger komplexe Struktur als den klas‐ sischen Regelspielen wie den Gesellschafts- oder Brettspielen zugrunde, den‐ noch ist der Ablauf bzw. die Struktur des Spiels - die Regel besteht darin, die Puzzleteile an die passenden Stellen einzusetzen - vorgegeben und nicht will‐ kürlich. Bei der Bewältigung der Aufgabe benötigen die Kinder, wie die obigen Beispiele zeigen, Unterstützung durch die an den Aktivitäten beteiligten Erzie‐ herinnen. Diese helfen beim Einsetzen der Puzzleteile (Beispiel 19) und loben nach erfolgreicher Bewältigung der Aufgabe (Beispiel 20). Sicherlich zeigen sich an diesen Beispielen auch Parallelen bzw. Überschneidungen zu den Funktions- und Übungsspielen. Diesbezüglich sind für diese Altersstufe auch die materielle Auseinandersetzung sowie die Beschäftigung mit den Puzzleteilen als Gegen‐ stand an sich bedeutsam, wohingegen die Entwicklung hin zur Regelhaftigkeit des Spiels noch stark durch die Erzieherinnen unterstützt wird. Das geringe Vorkommen an Regelspielen lässt vermuten, dass deren Bedeu‐ tung als situativer Handlungsrahmen für sprachliche Interaktionsprozesse im bilingualen TU -Kinderhaus als eher gering einzuschätzen ist. Gestützt wird diese Annahme zudem dadurch, dass Regelspiele in den Gruppen 1 und 3 über‐ haupt nicht stattfinden, so dass sich die Anzahl der Erzieherinnen, bei denen in den kindgerichteten Interaktionen überhaupt Regelspiele identifiziert werden konnten, auf lediglich vier Erzieherinnen (2E1, 2E2, 2 EP , 4E3) beschränkt. Da‐ raus ergibt sich, dass Regelspiele lediglich in Gruppe 2 eine Rolle spielen, da ein Großteil der Regelspiel-Interaktionen (85,52 %) in dieser Gruppe geschieht. Bei allen übrigen neun Erzieherinnen kam es während der gesamten Aufnahmezeit jedoch zu keinerlei kindgerichteten Regelspielen. Konstruktionsspiele Konstruktionsspiele stellen eine weitere Handlungsform in den untersuchten Erzieherin-Kind-Interaktionen dar. Hierbei handelt es sich um konstruierende, d. h. bauende, errichtende oder herstellende Tätigkeiten (vgl. Arzberger / Erhorn 2013: 24; Heimlich 2001: 37). Das zentrale Merkmal dieser Spielform besteht des Weiteren darin, dass die explorierten Gegenstände, wie z. B. die Legosteine oder 6.1 Makroebene: Rahmenbedingungen der Erzieherin-Kind-Interaktion 257 99 Andresen (2002: 178) weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass Konstruktions‐ spiele für die kognitive Entwicklung des Kleinkindes von zentraler Bedeutung sind. Bauklötze, miteinander kombiniert und in der Interaktion spielerisch Bezie‐ hungen zwischen den Gegenständen hergestellt werden (vgl. Heimlich 2001: 37). 99 In diesem Sinne wird auch anhand der Datenbeispiele deutlich, wie in den interaktiven Konstruktionsspielen aus vorhandenen Materialien neue und ei‐ genständige Produkte konstruiert werden: Nr. Aufnahmetag/ Dokument/ Zeit Erzieherin/ Sprache Situationsbeschreibung 21 06. 11. 12/ 06. 11. 12 1E1/ 02: 05-03: 22 min 1E1 Englisch Die Kinder gucken sich die neuen Schaumstoffblöcke an und nehmen diese in die Hand. 1E1 stellt einen Schaumstoffblock auf den anderen. K1 beobachtet dies und stellt daraufhin einen dritten Block auf den Turm, 1E1 dann einen vierten, K1 wiederum einen fünften. 1E1 kommentiert diesen Vor‐ gang währenddessen. Dann wirft K1 den Turm aus den Schaumstoffblöcken um, 1E1 lacht. 22 25. 10. 12/ 25. 20. 12 3E2 01: 48-04: 37 min 3E2 Deutsch 3E2 sitzt mit K1 um eine Legoplatte herum und beginnt einen Turm aus den Legosteinen zu bauen. Weitere Kinder kommen und gucken zu. 3E2 reicht ihnen Legosteine und fragt sie, ob sie auch an dem Turm mitbauen möchten. Die Kinder greifen nach den Lego‐ steinen und setzen sie auf den Turm. 3E2 kommentiert das Zusammensetzen der Legosteine und das Entstehen des Turms. Tab. 11: Datenbeispiele der Kategorie Konstruktionsspiele In Ankerbeispiel 21 stehen die Schaumstoffblöcke als Baumaterial zur Verfü‐ gung, aus denen Erzieherin 1E1 und K1 gemeinsam einen Turm errichten. Das Konstruktionsspiel wird zunächst von Erzieherin 1E1 initiiert, indem sie be‐ ginnt, die Klötze aufeinander zu stellen. K1 beobachtet diesen Vorgang zunächst, bevor er 1E1s Verhalten nachahmt, indem er einen dritten Klotz auf den Turm stellt. Anschließend arbeiten beide gemeinsam an dem Turm (so auch ähnlich in Ankerbeispiel 22). In beiden Situationen nehmen die Erzieherinnen eine mo‐ 6 Ergebnisse der empirischen Untersuchung 258 dellhafte Rolle ein und demonstrieren das konstruierende Spiel, das daraufhin von den Kindern imitiert wird. In Ankerbeispiel 22 beginnt Erzieherin 3E2, aus Legosteinen einen Turm zu bauen, die herumstehenden Kinder schauen ihr währenddessen zu. Diesen gemeinsamen Aufmerksamkeitsfokus nutzt 3E2, um die Kinder explizit zu dem Konstruktionsspiel zu animieren, indem sie ihnen die Legosteine entgegenhält. Den weiteren Turmbau, an dem schließlich auch die Kinder beteiligt sind, unterstützt Erzieherin 3E2 durch handlungsbegleitendes Sprechen und eine wertschätzend-lobende Versprachlichung der kindlichen Spielhandlungen. Bei der Einordnung und Interpretation der Ergebnisse fällt zunächst die ge‐ ringe Vorkommenshäufigkeit dieser Aktivität auf. Mit einem Zeitanteil von 2,01 % Prozent und insgesamt nur n=13 beobachteten Konstruktionsspielen fällt die Präsenz dieser Form des Erzieherin-Kind-Spiels in Vergleich zu anderen Studien überraschend gering aus. Während in der Untersuchung Königs (2006: 234) Konstruktionsspiele und Fiktionsbzw. Rollenspiele zu gleichen Anteilen vertreten waren - beide Spielformen nehmen einen identischen Zeitanteil von 8,7 % an der beobachteten Zeit ein - zeigt sich in der vorliegenden Studie eine deutliche Dominanz der Fiktions- und Rollenspiele (12,55 %) gegenüber den Konstruktionsspielen (2,01 %). Dies ist insbesondere in Anbetracht der unter‐ suchten Altersgruppe untypisch. Als mögliche Begründungszusammenhänge für diesen geringen Anteil der Konstruktionsspiele können an dieser Stelle le‐ diglich Hypothesen bzw. Vermutungen, die sich allerdings nicht empirisch ver‐ ankern lassen, geäußert werden. Ein Grund könnte der bereits angeführte Kon‐ textfaktor der Raumgestaltung sein, der einen maßgeblichen Einfluss auf das Spielverhalten hat. Demnach wäre es denkbar, dass die Raumgestaltung des TU -Kinderhauses Kinder und Erzieherinnen eher zu Fiktions- und Rollenspielen als zu Konstruktionsspielen animiert. Möglicherweise spielen auch die Präfe‐ renzen der einzelnen Erzieherinnen eine Rolle. So sind Konstruktionsspiele überhaupt nur bei acht der dreizehn videografierten Erzieherinnen zu be‐ obachten und werden dementsprechend bei fünf Erzieherinnen (2E2, 2E3, 2 EP , 3E3, 4E3) überhaupt nicht in der kindgerichteten Interaktion realisiert. Demge‐ genüber stellen die beiden englischsprachigen Erzieherinnen 1E1 und 2E1 mit 20,50 % und 22,60 % die jeweils größten Anteile an den Konstruktionsspielen. In Bezug auf die einzelnen Gruppen der Einrichtung entfällt mit 42,15 % aller Kon‐ struktionsspiele der größte Anteil dieser Handlungsform auf Gruppe 1. Dass ErzieherInnen in Kita-Einrichtungen durchaus persönliche Vorlieben für be‐ stimmte Tätigkeiten und Spielformen haben bzw. entwickeln, konnte beispiels‐ weise in der Studie von Brandt / Wolf (1985) auf empirischer Grundlage nach‐ gewiesen werden. 6.1 Makroebene: Rahmenbedingungen der Erzieherin-Kind-Interaktion 259 6.1.1.11 In diesem Zusammenhang könnten eventuell auch geschlechtsspezifische Unterschiede im Spielverhalten zwischen männlichen und weiblichen Fach‐ kräften eine Rolle spielen. Eventuell entwickeln männliche Erzieher aufgrund ihrer Sozialisation eher eine Vorliebe für konstruierende Tätigkeiten, wohin‐ gegen weibliche Erzieherinnen ausgehend von ihrem geschlechtsspezifischen Verhalten eher ein Interesse an Fiktions- und Rollenspiele entwickeln. Da an der hier durchgeführten Studie jedoch ausschließlich weibliche und keine männli‐ chen Fachkräfte beteiligt waren, kann ein geschlechtsspezifischer Vergleich auf der Basis empirischer Daten an dieser Stelle nicht geleistet werden. Nicht-kindgerichtete Aktivitäten Neben den angeführten Aktivitäten, die den situativen Kontext der sprachlichen Erzieherin-Kind-Interaktionen skizzieren, enthält das Korpus auch Zeitab‐ schnitte, in denen von Seiten der videografierten Erzieherinnen keine aktive Partizipation ersichtlich ist. Während dieser Zeit steht die Erzieherin dement‐ sprechend nicht in Interaktion mit einem Kind. Die Zusammensetzung der Freispielzeit verdeutlicht, dass diese als nicht-kindgerichtete Aktivität bezeichnete Tätigkeit der Erzieherin absolut be‐ trachtet überdurchschnittlich häufig in dem Datenkorpus beobachtet wurde (n=115). Allerdings handelt es sich bei diesen Sequenzen um vergleichsweise kurze Episoden mit einer durchschnittlichen Dauer von lediglich 1: 02 Minuten und damit um die durchschnittlich kürzeste im Vergleich zu den zuvor beschrie‐ benen Aktivitäten. Innerhalb der Einrichtung und der untersuchten Gruppen ist Gruppe 4 jene Gruppe mit dem geringsten Anteil an nicht-kindgerichteten Ak‐ tivitäten. Die Erzieherinnen dieser Gruppe (4E1, 4E2, 4E3) haben die Freispielzeit folglich am intensivsten für das interaktive Spiel und die gemeinsame Beschäf‐ tigung mit den Kindern genutzt. Im Gegensatz dazu sind andere Erzieherinnen, so z. B. Erzieherin 1E3, zu fast einem Viertel (23,97 %) der von dieser Fachkraft erhobenen Freispielzeit mit anderen als kindgerichteten Aktivitäten beschäftigt. Auch Erzieherin 2E3 und 3E2 haben mit 20,62 % bzw. 21,62 % einen Großteil der Freispielzeit mit Tätigkeiten verbracht, an denen kein Kind beteiligt war. Die nicht-kindgerichteten Aktivitäten stehen, da es sich um keine Interakti‐ onssequenzen zwischen Erzieherin und Kind handelt, nicht im Fokus dieser Ar‐ beit, sondern bilden eine Art Restkategorie, die im Laufe der sich anschließenden Mikroanalyse keine weitere Berücksichtigung findet. Dennoch soll im Fol‐ genden blitzlichtartig dargestellt werden, wie sich nicht-kindgerichtete Aktivi‐ täten während der Freispielzeit manifestieren können (siehe Tabelle 12) und wie sie im Rahmen dieser Forschungsarbeit einzuordnen sind: 6 Ergebnisse der empirischen Untersuchung 260 Nr. Aufnahmetag/ Dokument/ Zeit Erzieherin/ Sprache Situationsbeschreibung 23 22. 11. 12/ 22. 11. 12 2E2/ 03: 38-07: 02 min 2E2 Deutsch 2E2 wird zu einem Telefonat nach draußen gerufen. Die Kinder fragen nach 2E2. 2E1 erklärt den Kindern, dass 2E2 kurz telefonieren muss. 24 31. 10. 12/ 31. 10. 12 3E1/ 0: 00-01: 11 min 3E1 Englisch Die Kinder spielen im Gruppenraum verteilt. 3E1 sitzt auf einem Podest neben der Spielküche und guckt den Kindern beim Spielen zu. Ab und an läuft ein Kind mit Kochutensilien aus der Spielküche an ihr vorbei. 3E1 fragt kurz, ob sie kocht, K1 reagiert nicht und geht wieder weg. 25 13. 11. 12/ 13. 11. 12(1) 1E3/ 00: 47-02: 14 min 1E3 Deutsch 1E3 sitzt mit einem Kind auf dem Schoß auf dem Teppich. Das Kind auf ihrem Schoß spielt mit Bauklötzen. 1E3 schaut aus dem Fenster und unterhält sich mit 1E2 über das schöne Wetter. 1E3 dreht sich zur Glasfront Richtung Flur und winkt einigen vorbeigehenden Per‐ sonen zu. Eine Person bleibt schließlich an der Glasfront stehen, 3E1 verständigt sich nonverbal durch die Scheibe mit ihr. 3E1 winkt ihr nochmals zu und lacht. Danach guckt sie sich nach einigen schreienden Kindern im Raum um. Schließlich reicht ihr das Kind, das auf ihrem Schoß sitzt, etwas aus der Spiel‐ kiste. Daraufhin entwickelt sich ein Ge‐ spräch zwischen den beiden. 26 27. 11. 12/ 27. 11. 12 1E1/ 17: 22-20: 02 min 1E1 Englisch 1E1 kommt vom Wickeln aus dem be‐ nachbarten Wickelraum in den Grup‐ penraum zurück. Sie schaut sich beim Betreten des Raumes suchend um, setzt sich dann ungefähr in die Mitte des Gruppenraums. Sie beobachtet die an‐ deren Kinder beim Spielen, vorbeilau‐ fende Kinder lächelt sie an. Sie guckt 1E2 und K1 zu, die „Hoppe, Hoppe, Reiter“ spielen. K2 läuft mit einem Puppen‐ wagen an 1E1 vorbei, der Puppenwagen kippt dabei um. 1E1 hilft K2 kurz, den Puppenwagen wieder aufzurichten, da‐ nach läuft K2 mit dem Wagen weiter. Schließlich kommt K3 mit einem Spiel‐ zeugauto auf 1E1 zu. Daraus entwickelt 6.1 Makroebene: Rahmenbedingungen der Erzieherin-Kind-Interaktion 261 Nr. Aufnahmetag/ Dokument/ Zeit Erzieherin/ Sprache Situationsbeschreibung sich in der Folge ein Funktionsbzw. Übungsspiel. Tab. 12: Datenbeispiele der Kategorie Nicht-kindgerichtete Aktivitäten An den aufgeführten Ankerbeispielen lässt sich ablesen, dass die Gründe und Situationen für das Zustandekommen von anderen als kindgerichteten Aktivi‐ täten der Erzieherinnen höchst unterschiedlich sein können. Während Erzie‐ herin 2E2 in Beispiel 23 zu einem Telefonat aus dem Gruppenraum gerufen wird und damit auch rein räumlich bzw. physisch bedingt keine Möglichkeit für einen interaktiven Kontakt mit den Kindern der Gruppe besteht, ist die jeweilige Er‐ zieherin in den Beispielen 24-26 zumindest physisch im Gruppenraum anwe‐ send. In diesen Situationen, in denen die Erzieherinnen trotz Anwesenheit nicht mit den Kindern interagieren, vermitteln die Erzieherinnen häufig einen be‐ obachtenden Eindruck (so z. B. Erzieherin 1E1 in Ankerbeispiel 26). Die tatsächlichen Motive der Erzieherinnen für ihr Verhalten in den jewei‐ ligen Situationen können an dieser Stelle auf der Grundlage der erhobenen Daten jedoch nicht abschließend erörtert werden. Die Videodaten erlauben zwar das Erfassen der Außenperspektive, d. h. das Sichtbare und Beobachtbare des Handlungsgeschehens, die Innenperspektive und die Beweggründe der video‐ grafierten Akteure bleiben hingegen verborgen. Bedeutungszuschreibungen bei der Interpretation der nicht-kindgerichteten Aktivitäten der Erzieherinnen be‐ ruhen daher auf der Analyse des jeweiligen Kontextes. Zunächst einmal ist es schlichtweg unmöglich und auch nicht das anzustrebende Ziel, ununterbrochen mit den zu betreuenden Kindern in Interaktion zu stehen. Zwar stellen sprach‐ liche Interaktionsprozesse aus Sicht der Spracherwerbsforschung einen zent‐ ralen Bezugsrahmen für den kindlichen Spracherwerb dar - dies ist bereits aus der spracherwerbstheoretischen Verortung in Kapitel 4 hervorgegangen - den‐ noch gilt hier nicht die maximalistische Position „Je mehr Interaktion bzw. Input, desto besser! “. Dies spiegelt sich insbesondere in der Kritik an der Input-Hypo‐ these, die das Bereitstellen von ausreichend sprachlichem Input als einzig not‐ wendige Voraussetzung für einen erfolgreichen Spracherwerb erachtet, wider. Ausgehend von zentralen elementarpädagogischen Grundsätzen wie dem Prinzip der kindlichen Selbstbildung rückt hingegen vielmehr die bewusste Be‐ obachtung des Kindes als integraler Bestandteil elementarpädagogischer Praxis und Aufgabe von ErzieherInnen in den Fokus. Auch im Bereich der Sprachför‐ 6 Ergebnisse der empirischen Untersuchung 262 6.1.2 derung wird daher die Notwendigkeit einer eingehenden Beobachtung des Kindes in seiner Umwelt als wichtiges Instrument zur Diagnostik von Spra‐ chentwicklungsverzögerungen und der Konzeption von individuellen Sprach‐ fördermaßnahmen hervorgehoben (siehe z. B. im Sprachförderkompetenzmo‐ dell von Hopp et al. 2010: 619). In diesem Sinne bietet das Freispiel ErzieherInnen einen geeigneten Rahmen für eine offene und wahrnehmende Beobachtung. Die von den Kindern eigenständig gestalteten Spiel- und Beschäftigungssituationen haben nicht nur eine hohe Aussagekraft hinsichtlich ihrer momentanen Be‐ dürfnisse und Interessen, sondern lassen auch Rückschlüsse darüber zu, welche Form der Unterstützung und Anleitung das Kind in der jeweiligen Situation benötigt. Auf der Grundlage einer professionellen Beobachtung können Erzie‐ herInnen schließlich abwägen, entweder mit professioneller Zurückhaltung zu reagieren und den Kindern den weiteren Handlungsverlauf selbst zu überlassen oder aber - ebenso professionell - aktiv zu werden und einen anregenden oder regulierenden Impuls in den Fortgang des von den Kindern gesteuerten Ge‐ schehens einzubringen (vgl. Haug-Schnabel 2011: 7). Diese bewusste und professionelle Zurückhaltung bzw. aktiv-beobachtende Haltung könnte das Motiv der Erzieherinnen in Ankerbeispiel 24 und 26 sein, da die Fachkräfte den Kindern hier aufmerksam und zugewandt sind. Ihre Hal‐ tung spiegelt in diesen Situationen vielmehr eine bewusste und wohl überlegte Zurückhaltung als Desinteresse wider. Diese Perspektive auf die nicht-kindge‐ richteten Aktivitäten der Erzieherinnen veranschaulicht, dass das Nicht-Ein‐ greifen in das kindliche Spiel bzw. der Verzicht auf eine aktive Interaktion mit einem Kind seitens der Erzieherinnen auch auf einer bewussten, möglicherweise elementarpädagogisch motivierten Entscheidung beruhen kann und nicht not‐ wendigerweise von einem Desinteresse der Fachkraft an den Kindern zeugen muss. Sozialformen der Erzieherin-Kind-Interaktionen Um die in der Freispielzeit stattfindenden Kontakte zwischen Erzieherin und Kind ganzheitlich und differenziert erfassen zu können, ist neben der Frage nach den in den Interaktionen dominierenden Aktivitäten auch die soziale Dimension des Interaktionsgeschehens von Bedeutung. Diesbezüglich wurden die identi‐ fizierten Interaktionen im Rahmen des ersten Analyseschritts zudem hinsicht‐ lich der Frage beschrieben, in welcher Sozialform diese stattfinden. Es wird angenommen, dass die Art und Weise, wie ErzieherInnen Sprache einsetzen und den Input in kindgerichteten Interaktionen gestalten, auch davon 6.1 Makroebene: Rahmenbedingungen der Erzieherin-Kind-Interaktion 263 abhängig ist, wie viele Kinder an der jeweiligen Situation beteiligt sind. Diese Annahme wird durch Forschungsergebnisse wie die von Albers (2009: 242) ge‐ stützt, die nahelegen, dass Sprache in Kommunikationssituationen mit meh‐ reren Kindern von ErzieherInnen vorwiegend mit dem Ziel der Verhaltenskon‐ trolle eingesetzt wird, während Situationen mit einer möglichst geringen Anzahl an GesprächspartnerInnen eher einen authentischen Informationsaustausch sowie eine von Offenheit und Akzeptanz geprägte Gesprächsatmosphäre be‐ günstigen (siehe dazu auch Kurtenbach et al. 2013: 116). Eine sprachförderliche Atmosphäre geht daher potentiell eher von kleineren Gruppengrößen, d. h. von Situationen mit nur wenigen miteinander interagieren Personen, aus (vgl. Al‐ bers 2009: 262), so dass die Sozialform bzw. Gruppengröße ein „beeinflussender Faktor für die Sprachförderung“ (Kurtenbach et al. 2013: 102) ist. Auch im Zuge der anhaltenden Qualitätsdiskussion im Elementarbereich rückt der Aspekt der Gruppengrößen und Sozialformen als Indikator für die Qualität der Bildungsmöglichkeiten und chancen in den Einrichtungen ver‐ stärkt in den Fokus des öffentlichen Interesses. Den sozialen Rahmenbedin‐ gungen wird eine tragende Rolle für den Bildungsort zugesprochen, indem auch hier angenommen wird, dass kindliche Bildungsprozesse vorwiegend in klei‐ neren und persönlicheren als in großen und undifferenzierten Gruppen zu‐ stande kommen (vgl. Rauschenbach 2004: 121). Die soziale Dimension der Interaktion wird nicht zuletzt von strukturellen Rahmenbedingungen, wie dem Betreuungsschlüssel und der Fachkraft- Kind-Relation, mitbestimmt. Zur Beschreibung der situationsunabhängigen und zeitlich stabilen Rahmenbedingungen hat sich im Diskurs um verschiedene Qualitätsdimensionen im Elementarbereich der Terminus Strukturqualität etab‐ liert (vgl. Tietze 1998: 172; Tietze 2004: 406). Als bedeutsam werden diese struk‐ turellen und situationsunabhängigen Rahmenbedingungen, wie z. B. der Be‐ treuungsschlüssel, im Rahmen des Qualitätsdiskurses insofern erachtet, als dass sich der pädagogische Alltag als „der dynamische Aspekt des pädagogischen Handelns und Geschehens, wie es von den Kindern unmittelbar erfahren wird“ (Tietze 1998: 172) innerhalb der strukturellen Qualitätsdimension entfaltet. Ausgehend von der skizzierten Relevanz des sozialen Settings für frühkind‐ liche Bildungs- und Sprachentwicklungsprozesse wurden im Rahmen der mak‐ roanalytischen Basiskodierung verschiedene Sozialformen im Interaktionsver‐ halten der untersuchten Fachkräfte identifiziert und diese näher beschrieben. Insgesamt konnten drei verschiedene Sozialformen identifiziert werden, die sich bezüglich der Anzahl an Kindern, mit denen die Erzieherin gleichzeitig inter‐ agiert, unterscheiden. Infolgedessen wurde zwischen dyadischen, d. h. Situati‐ onen, in denen die Erzieherin ausschließlich mit einem Kind sowie polyadi‐ 6 Ergebnisse der empirischen Untersuchung 264 100 Die veränderte Angabe zu der Gesamtaufzeichnung ergibt sich aus den nicht-kindge‐ richteten Aktivitäten als eine mögliche Handlungsform der Erzieherinnen. Da an jenen Sequenzen kein Kind beteiligt ist, kann für die entsprechende Zeitspanne (02: 00: 27 Stunden) keine soziale Dimension des Interaktionsgeschehens beschrieben werden. schen, d. h. Momente des Kita-Alltags, in denen die Erzieherin mit mehr als einem Kind gleichzeitig in Kontakt steht, differenziert. Die polyadischen Inter‐ aktionsformen wurden nochmals hinsichtlich der Frage, ob die Erzieherin mit zwei Kindern oder mit einer Kleingruppe (bestehend aus mehr als zwei Kindern) interagiert, weiter aufgeschlüsselt. Das Vorkommen der verschiedenen Sozialformen in dem analysierten Korpus wird in Tabelle 13 mithilfe mehrerer Größen wiedergegeben. Aufgelistet sind hier zum einen die absolute und relative Vorkommenshäufigkeit der jeweiligen Sozialform und zum anderen deren zeitlicher Umfang bezogen auf die Gesamt‐ aufnahmezeit sowie die durchschnittliche Dauer. In Abbildung 9 sind die Zeit‐ anteile der Sozialformen an der Gesamtaufzeichnung (18: 21: 53 Stunden) 100 nochmals grafisch dargestellt. Ausgehend von ihrem anteiligen Vorkommen werden die einzelnen Sozialformen in den folgenden Teilkapiteln einzeln vor‐ gestellt und die Ergebnisse der Datenanalyse diskutiert. Sozialform Dauer Relative Häufigkeit Absolute Häufigkeit Durch‐ schnitt‐ liche Dauer Dyadische Interaktionen: Eine Erzieherin-ein Kind 07: 00: 12 38,13 % 245 01: 42 Polyadische Interaktionen: Eine Erzieherin-zwei Kinder 04: 41: 29 25,55 % 232 01: 12 Polyadische Interaktionen: Erzieherin-Kleingruppe 06: 40: 12 36,32 % 165 02: 25 Summe 18: 21: 53 100,00 % 642 Tab. 13: Überblick über die Sozialformen 6.1 Makroebene: Rahmenbedingungen der Erzieherin-Kind-Interaktion 265 6.1.2.1 Abb. 9: Zeitanteile der Sozialformen Dyadische Interaktionen: Eine Erzieherin - ein Kind Dyadische Interaktionssituationen stellen im bilingualen TU -Kinderhaus die dominierende Form der Erzieherin-Kind-Interaktion dar. Es handelt sich dabei um Situationen, in denen die videografierte Erzieherin ausschließlich mit einem einzigen Kind interagiert. Diese Situationen, in denen der Aufmerksamkeits‐ fokus der Erzieherin auf ein einziges Kind gerichtet ist, kamen in dem 18: 21: 53 Stunden umfassenden Korpus im Gesamtumfang von 7: 00: 1 Stunden vor. Dies entspricht einem Zeitanteil von 38,13 %. Die starke Präsenz dyadischer Erzieherin-Kind-Interaktionen hebt sich deutlich von den bisherigen For‐ schungsergebnissen, wie beispielsweise jenen von König (2006: 232), in der die Sozialform ErzieherIn-Kleingruppe mit 64,4 % die dominierende Sozialform des Kindergartenalltags darstellt, ab. Während das Vorkommen dyadischer Interaktionssituationen ziemlich gleichmäßig auf die vier untersuchten Gruppen des bilingualen TU -Kinder‐ hauses verteilt ist und damit die Möglichkeiten und Chancen, mit jeweils nur einer Erzieherin zu interagieren, in allen Gruppen etwa gleich groß sind, offen‐ baren sich an dieser Stelle erstmals Unterschiede zwischen der Gruppe der deutsch- und englischsprachigen Erzieherinnen. Aus der kreuztabellarischen 6 Ergebnisse der empirischen Untersuchung 266 Darstellung (vgl. Anhang 9), in der das Vorkommen der Sozialformen nach den einzelnen Erzieherinnen differenziert wurde, wird ersichtlich, dass insbeson‐ dere die englischsprachigen Fachkräfte mit einem Zeitanteil von 39,17 % (ent‐ spricht 07: 44: 28 Stunden) überdurchschnittlich häufig in dyadische Kommuni‐ kationssituationen involviert sind. Besonders in den Profilen der englischspra‐ chigen Erzieherinnen 1E1 und 3E1 kristallisiert sich die Dominanz von 1: 1-Interaktionen heraus. Von den von Erzieherin 1E1 analysierten kindgerich‐ teten Interaktionen war zu 64,30 % und bei Erzieherin 3E1 zu 51,57 % nur ein Kind beteiligt, so dass beide Erzieherinnen in mehr als der Hälfte der Aufnah‐ mezeit in 1: 1-Interaktionen involviert waren. Die Teilhabe der deutschspra‐ chigen Erzieherinnen an 1: 1-Interaktionen fällt mit 37,48 % folglich etwas ge‐ ringer aus als bei den englischsprachigen Erzieherinnen. In dieser Gruppe sind es vor allem die deutschsprachigen Erzieherinnen 4E3 und 2E2, die mit 48,08 % bzw. 45,10 % vergleichsweise häufig mit jeweils nur einem Kind der Gruppe in Interaktion stehen. Hinsichtlich möglicher Erklärungen für die unterschiedliche Verteilung der 1: 1-Interaktionen auf die englisch- und deutschsprachigen Erzieherinnen können an dieser Stelle lediglich Vermutungen und Hypothesen geäußert werden, die auf meiner im Laufe der teilnehmenden Beobachtung gewonnenen Feldkenntnis und dem persönlichen Umgang mit den Erzieherinnen beruhen, jedoch nicht unmittelbar in dem analysierten Korpus verankert sind. Möglich wäre, dass die Vorliebe für dyadische Kommunikationskontexte an bestimmte Persönlichkeitsmerkmale gekoppelt ist, indem beispielsweise zurückhaltende und introvertierte Personen überdurchschnittlich oft in 1: 1-Situationen mit den Kindern interagieren. Aufgrund meiner persönlichen Kenntnis der entsprech‐ enden Fachkräfte schließe ich dies jedoch aus. Denkbar wäre auch, dass die Dominanz der 1: 1-Interaktionen bei den englischsprachigen Fachkräften und insbesondere bei Erzieherin 1E1 und 3E1 daher rührt, dass sich diese der sprach‐ förderlichen Wirkung jener dyadischen Interaktionskontexte bewusst sind und sich daher im Laufe der Freispielzeit gezielt für 1: 1-Interaktionen mit einzelnen Kindern zurückziehen. Diese Fragestellung könnte in Anschlussstudien disku‐ tiert werden. Der hohe Anteil an dyadischen Interaktionen in der Einrichtung insgesamt ist angesichts der Bedeutung, der diesem Interaktionskontext für kindliche Bil‐ dungsprozesse zugesprochen wird, als positiv zu werten und erklärt sich ins‐ besondere im Zusammenhang mit den strukturellen Rahmenbedingungen der Einrichtung. Zunächst stellen die kleinen Gruppengrößen mit jeweils nur zehn Kindern eine günstige Ausgangslage für das Zustandekommen von 1: 1-Inter‐ aktionen dar. Zu der kleinen Gruppengröße tritt ein weiterer begünstigender 6.1 Makroebene: Rahmenbedingungen der Erzieherin-Kind-Interaktion 267 6.1.2.2 Faktor, der die Fachkraft-Kind-Relation in den Gruppen betrifft, hinzu. Der Be‐ treuungsschlüssel liegt in dieser Einrichtung mit drei Erzieherinnen pro zehn Kinder in einer Gruppe über dem bundesdeutschen Durchschnitt. Vor diesem Hintergrund kann der untersuchten Einrichtung demnach ein hohes Maß an Strukturqualität attestiert werden. Der überraschend hohe Anteil an 1: 1-Inter‐ aktionssituation im TU -Kinderhaus spiegelt diese günstigen strukturellen Rah‐ menbedingungen wider. Das Ergebnis lässt sich dahingehend interpretieren, dass sich ein hohes Maß an Strukturqualität direkt und unmittelbar auf die Pro‐ zessqualität, d. h. den pädagogischen Alltag und die Interaktionsbedingungen zwischen Erzieherin und Kind, auswirken kann. Dass günstige strukturelle Aus‐ gangsbedingungen in Form von kleinen Gruppengrößen und einem guten Er‐ zieherIn-Kind-Schlüssel vor allem die Spracherwerbsbedingungen in einer ersten Fremdsprache positiv beeinflussen können, wurde zudem bereits im Zu‐ sammenhang mit dem von Weitz et al. (2010: 32-34) entwickelten Input Intensity Factor, der die oben genannten Faktoren der strukturellen Qualität zur Berech‐ nung des einem Kind in einer bilingualen Kita potentiell zur Verfügung ste‐ henden Inputs berücksichtigt, diskutiert. Polyadische Interaktionen: Eine Erzieherin - zwei Kinder Neben dyadischen Interaktionssituationen wurden in der videografierten Frei‐ spielzeit auch Situationen identifiziert, in denen Erzieherinnen mit zwei Kindern gleichzeitig interagieren. Bezogen auf die gesamte Aufnahmedauer (18: 21: 53 Stunden) wurde diese Sozialform für 04: 41: 29 Stunden beobachtet, was einem Anteil von 25,55 % entspricht. Demnach sind die Erzieherinnen des bi‐ lingualen TU -Kinderhauses zu einem Viertel der Freispielzeit in Interaktions‐ situationen mit genau zwei Kindern involviert. Verglichen mit den anderen Sozialformen scheint dieses soziale Setting dem‐ zufolge für das untersuchte Forschungsfeld eine geringere Relevanz zu haben. Die anderen Sozialformen sind hier mit 38,13 % bei den dyadischen Interakti‐ onssituationen und mit 36,32 % bei den polyadischen Interaktionssituationen mit mehr als zwei beteiligten Kindern deutlich stärker vertreten. Bezüglich der durchschnittlichen Dauer dieser Sozialform fällt zudem auf, dass diese mit einer Durchschnittslänge von 01: 12 Minuten kürzer ausfällt als 1: 1-Interaktionen (01: 42 Minuten) sowie das Setting Erzieherin-Kleingruppe (02: 25 Minuten). Der geringere Zeitanteil dieser Sozialform sowie die Tatsache, dass polyadische In‐ teraktionssituationen mit einer Erzieherin und zwei Kindern deutlich kurzwei‐ liger sind als die übrigen sozialen Settings, legen die Vermutung nahe, dass es sich hierbei um eine Art Übergangsform im Kita-Alltag handelt. 6 Ergebnisse der empirischen Untersuchung 268 6.1.2.3 Diese Hypothese erhärtet sich bei der Sichtung des entsprechenden Daten‐ materials. So beginnt eine Vielzahl der beobachteten Interaktionssequenzen zu‐ nächst mit einer Erzieherin und nur einem beteiligten Kind. Daraufhin werden oftmals andere anwesende Kinder auf die neu einsetzende Aktivität zwischen Erzieherin und Kind aufmerksam, die beispielsweise beginnen, einen Turm aus Legosteinen zu bauen. Im weiteren Verlauf bringen sich weitere Kinder ent‐ weder eigeninitiativ in die bestehenden 1: 1-Interaktionen ein (vgl. Ankerbei‐ spiel 14) oder werden von der jeweiligen Erzieherin ermutigt bzw. eingeladen, an dem Spiel oder der Beschäftigungsaktivität teilzunehmen (vgl. auch Anker‐ beispiel 22), so dass sich die zuvor dyadische zu einer polyadischen Interaktion weiterentwickelt. Die untergeordnete Relevanz dieser Sozialform spiegelt sich zudem in den individuellen Profilen der Erzieherinnen wider. Zwar taucht diese in allen In‐ teraktionsprofilen der einzelnen Erzieherinnen auf, doch weist sie hinsichtlich ihres Vorkommens durchgehend niedrige Werte bei den einzelnen Erziehe‐ rinnen auf. Ebenso indiziert der Umstand, dass dieses soziale Setting bei keiner videografierten Fachkraft die präferierte Sozialform in der Interaktion darstellt, dass polyadische Interaktionssituationen mit zwei beteiligten Kindern zwar re‐ gelmäßig in der Einrichtung vorkommen, jedoch angesichts der dargelegten Argumente eher als Übergangsform bzw. verbindendes Element zwischen den 1: 1-Interaktionen einerseits und den Erzieherin-Kleingruppen-Interaktionen andererseits fungieren. Polyadische Interaktionen: Erzieherin-Kleingruppe Polyadische Interaktionen, in denen eine Erzieherin in einer Situation des Kita-Alltags mit mehr als zwei Kindern gleichzeitig, d. h. mit einer Kleingruppe interagiert, stellen die dritte in der Freispielzeit des TU -Kinderhauses identifi‐ zierte Sozialform dar. Absolut betrachtet wurde diese in dem analysierten Da‐ tenkorpus zwar lediglich n=165mal und somit deutlich seltener als dyadische (n=245) und polyadische Interaktionssituationen (eine Erzieherin - zwei Kinder) (n=232) als sozialer Rahmen der stattfindenden Interaktionen beobachtet, den‐ noch nimmt diese Sozialform bezogen auf die gesamte Aufnahmedauer (18: 21: 53 Stunden) einen Zeitanteil von 06: 40: 12 Stunden ein. Dies entspricht einem Anteil von 36,32 % an der videografierten Freispielzeit, so dass diese So‐ zialform nach den 1: 1-Interaktionen das zweithäufigste soziale Setting in der Einrichtung darstellt. Dieser hohe Anteil erklärt sich - trotz der geringeren ab‐ soluten Vorkommenshäufigkeit - in Anbetracht der durchschnittlichen Dauer dieser Sozialform. Interagiert eine Erzieherin mit einer Kleingruppe, hat diese Sequenz eine durchschnittliche Dauer von 02: 25 Minuten und ist damit von we‐ 6.1 Makroebene: Rahmenbedingungen der Erzieherin-Kind-Interaktion 269 101 Dennoch zeigen auch einzelne englischsprachige Erzieherinnen wie 2E1, 2EP und 4E1 eine Dominanz des Kleingruppen-Settings in ihren individuellen Profilen. Bei diesen Erzieherinnen finden ebenfalls jeweils knapp die Hälfte der Interaktionen, an denen sie beteiligt sind, in einer Kleingruppe statt (bei 2E1 47,76 %, bei 2EP 42,12 % und bei 4E1 46,89 %). sentlich längerer durchschnittlicher Dauer als die übrigen Sozialformen (01: 42 Minuten bei dyadischen und 01: 12 Minuten bei polyadischen Interakti‐ onssituationen mit genau zwei beteiligten Kindern). Auf der Ebene der einzelnen Erzieherinnen lassen sich, ähnlich wie bei den 1: 1-Interaktionen, auch bei dem Erzieherin-Kleingruppen-Setting personenspe‐ zifische Muster erkennen. Zeigte sich bei den englischsprachigen Erzieherinnen eine Präferenz für dyadische Interaktionssituationen gegenüber Klein‐ gruppen-Interaktionen (39,17 % vs. 34,20 %; siehe dazu auch die Kreuztabelle zu den Sozialformen der englischsprachigen Erzieherinnen in Anhang 11), lässt sich bei den deutschsprachigen Erzieherinnen eine leichte Tendenz zu dem Er‐ zieherin-Kleingruppen-Setting (37,80 %; vgl. Kreuztabelle zu den Sozialformen der deutschsprachigen Erzieherinnen in Anhang 10) ausmachen. Dieses stellt, wenn auch nur mit einem minimalen Abstand zu dyadischen Interaktionssitu‐ ationen (37,48 %), die dominierende Interaktionsstruktur der deutschsprachigen Erzieherinnen dar. Bei der Betrachtung der individuellen Profile der einzelnen Erzieherinnen hebt sich insbesondere die deutschsprachige Erzieherin 1E2 ab, die sich während über der Hälfte (53,56 %) ihrer Aufnahmezeit in der Interaktion mit Kleingruppen befindet. Auch die zweite deutschsprachige Erzieherin dieser Gruppe, 1E3, weist mit 45,96 % eine ähnlich hohe Tendenz zur Interaktion mit Kleingruppen auf (siehe Anhang 9 und Anhang 10). 101 Um ein umfassendes Bild des sozialen Kontextes des Interaktionsgeschehens nachzeichnen zu können, sollten bei der Deutung der Ergebnisse jedoch alle Erzieherinnen einer Gruppe einbezogen werden. Durch diese Betrachtung er‐ geben sich nicht nur Erklärungszusammenhänge für die Vorkommensverteilung der Sozialformen bei den Einzelpersonen, sondern es zeichnen sich auch grup‐ penspezifische Interaktionsstrukturen ab. So erklärt sich beispielsweise ausge‐ hend von den hohen Anteilen der Erzieherinnen 1E2 und 1E3 an den polyadi‐ schen Kleingruppen-Settings im Umkehrschluss, dass die englischsprachige Er‐ zieherin dieser Gruppe, 1E1, während über der Hälfte der Aufnahmezeit (64,30 %) in dyadische Interaktionen involviert ist. Dieser hohe Anteil an 1: 1-Interaktionen, an denen Erzieherin 1E1 beteiligt ist, muss dementsprechend durch die übrigen Erzieherinnen der Gruppe abgefedert werden: Da sich Erzie‐ herin 1E1 vorwiegend mit einzelnen Kindern zurückzieht, entfallen mehr Kinder der Gruppe auf die Erzieherinnen 1E2 und 1E3, so dass diese überdurchschnitt‐ 6 Ergebnisse der empirischen Untersuchung 270 lich oft in Kleingruppen interagieren. Ein ähnliches Szenario deuten die Ergeb‐ nisse für Gruppe 3 an, in der die deutschsprachigen Erzieherinnen ebenfalls hohe Anteile an dem Kleingruppen-Setting aufweisen. So finden in dieser Gruppe bei Erzieherin 3E2 42,73 % und bei 3E3 38,05 % der Interaktionen in Kleingruppen statt, wohingegen die englischsprachige Erzieherin 3E1 während mehr als der Hälfte der Aufnahmezeit (51,07 %) mit nur einem Kind in Interak‐ tion steht. So zeigen diese beiden Beispiele, dass Präferenzen einzelner Erzieherinnen für bestimmte Sozialformen, hier die hohen Anteile der englisch‐ sprachigen Erzieherinnen an 1: 1-Interaktionen, durch vermehrte Klein‐ gruppen-Interaktionen der übrigen anwesenden Kräfte kompensiert werden. Nach der überblicksartigen Darstellung der Vorkommenshäufigkeit der Er‐ zieherin-Kleingruppen-Interaktionen sowie der anschließenden differenzierten Betrachtung der Verteilung auf die einzelnen Gruppen und Erzieherinnen der Einrichtung sollen die Erkenntnisse zu der sozialen Dimension der Erzie‐ herin-Kind-Interaktionen zudem an den spracherwerbstheoretischen Bezugs‐ rahmen dieser Studie rückgebunden und in diesem Zusammenhang diskutiert werden. Die Interaktionsstruktur dyadischer Kommunikationskontexte zeichnet sich im Sinne der soziokulturellen Theorie und der Vorstellung von einer Zone der nächsten Entwicklung durch das Hierarchieverhältnis Ex‐ perte-Novize aus, bei dem der / die sprachlich kompetentere Experte / Expertin dem / der sprachlich weniger kompetenten Novizen / Novizin sprachliche Hilfe‐ stellungen bereitstellt (siehe z. B. Schoormann / Schlak 2012: 179). In Erzie‐ herin-Kleingruppen-Interaktionen verschiebt sich diese Interaktionsstruktur jedoch, da die vormals ausschließlich dyadisch-wechselseitige und asymmetri‐ sche Gesprächsstruktur aufgebrochen wird. Die beteiligten Kinder müssen sich in den Erzieherin-Kleingruppen-Settings nicht nur auf eine Erzieherin als allei‐ nige Interaktionspartnerin einstellen, sondern auch auf die anderen beteiligten Kinder Rücksicht nehmen bzw. diese an der Interaktion teilhaben lassen. Es ist anzunehmen, dass durch diese Interaktionskonstellation wiederum andere Be‐ reiche der kindlichen Sprachentwicklung gefördert werden können als dies in den zuvor beschriebenen dyadischen Interaktionssituationen möglich wäre. Da in Erzieherin-Kleingruppen-Settings keines der Kinder die alleinige Aufmerk‐ samkeit für sich beanspruchen kann, erfordert die erfolgreiche Teilhabe an diesen Situationen bestimmte pragmatische Kompetenzen. Es müssen die Rollen und das Rederecht der beteiligten InteraktionspartnerInnen ausgehandelt sowie gewisse Gesprächsregeln, wie z. B. der Sprecherwechsel (turn-taking) und Ge‐ sprächspausen, eingehalten und beachtet werden. Folglich stellen die Erzie‐ herin-Kleingruppen-Interaktionen einen sozialen Handlungsrahmen dar, der besonderes Potenzial für die Entwicklung des kindlichen Gesprächsverhaltens 6.1 Makroebene: Rahmenbedingungen der Erzieherin-Kind-Interaktion 271 6.1.3 und die Förderung pragmatischer Kompetenzen bietet. Durch das verschobene Rollenverhältnis, das nicht länger auf das Hierarchiegefälle Experte-Novize be‐ schränkt ist, sondern mit Novizen-Novizen-Interaktionen auch die Interaktion der Kinder untereinander in den Fokus rückt, ergeben sich zudem neue Mög‐ lichkeiten des scaffoldings. Ausgehend von dem in der soziokulturellen Theorie beschriebenen Konzept des scaffoldings ist neben Experten-Novizen-Interakti‐ onen auch von Novizen-Novizen-Interaktionen eine förderliche Wirkung auf den kindlichen Spracherwerb anzunehmen. Dieses Phänomen, das davon aus‐ geht, dass es auch bei Novizen untereinander zu unterstützenden Sprachhand‐ lungen kommt und diese einander sprachliche Hilfestellungen anbieten, wird im soziokulturellen Diskurs als „kollektives Scaffolding“ (Donato 1998) be‐ zeichnet. Neuere Studien, wie die von Senyildiz (2010b), belegen, dass kollek‐ tives scaffolding nicht erst bei älteren Lernenden, sondern bereits bei vierbis sechsjährigen Kindern im Vorschulalter stattfinden kann (vgl. ebd.: 79). In den von ihr untersuchten Interaktionssituationen zur Bilderbuchbetrachtung inter‐ agieren die Kinder untereinander, helfen einander, geben einander Hinweise zur Gestaltung von Nacherzählungen und korrigieren einander (vgl. ebd.: 79 f.). In diesem Sinne suggeriert zwar eine breite empirische Basis eine Überlegenheit dyadischer Interaktionskontexte, jedoch sollte insbesondere vor dem Hinter‐ grund der soziokulturell geprägten Interpretation der Daten auch das Potenzial des gemeinsamen sozialen Lernens in Kleingruppen nicht von der Hand ge‐ wiesen werden. Zusammenfassung der Erkenntnisse In diesem Kapitel wurde der kontextuelle Rahmen der Erzieherin-Kind-Inter‐ aktionen anhand der dominierenden Aktivitäten und Sozialformen als Makro‐ ebene des Interaktionsgeschehens beschrieben. Bezüglich der eingangs formu‐ lierten ersten Forschungsfrage (Welche Arten von Erzieherin-Kind- Kommunikationssituationen kommen während der Freispielzeit in der bilingu‐ alen Krippe zustande? ) werden die zentralen Erkenntnisse der in diesem Kapitel vorgestellten Ergebnisse im Folgenden nochmals zusammengefasst. Zunächst ist deutlich geworden, dass es während der untersuchten Freispiel‐ zeit in der Einrichtung zu einer Vielzahl verschiedener kindgerichteter Aktivi‐ täten der Erzieherinnen kommt. Die in der Einrichtung personengebunden ver‐ mittelten Sprachen Deutsch und Englisch werden somit in vielfältigen Handlungskontexten und Verwendungszwecken als authentisches Kommuni‐ kationsmittel eingesetzt. Hinsichtlich der Zusammensetzung der Freispielzeit 6 Ergebnisse der empirischen Untersuchung 272 ist insbesondere die starke Präsenz der Literacy-Aktivitäten in den Erzie‐ herin-Kind-Interaktionen angesichts ihrer Rolle als Wegbereiter zur Schrift‐ kultur sowie der Bedeutung dieser Fähigkeit als Vorläuferfähigkeit für den schulischen Schriftspracherwerb hervorzuheben. Ein ebenso überraschendes Ergebnis stellt der hohe Anteil an Fiktions- und Rollenspielen dar, der sich von den Ergebnissen ähnlicher Studien deutlich abhebt und für die untersuchte Al‐ tersgruppe der einbis dreijährigen eher untypisch zu sein scheint. Darüber hinaus konnten im Zuge der Datenanalyse gruppen- und personenspezifische Handlungsmuster herausgearbeitet werden. Demnach sind die interaktionalen Handlungsformen zwischen Erzieherin und Kind äußerst heterogen in den ein‐ zelnen Gruppen der Einrichtung vertreten und werden auch von den einzelnen Erzieherinnen unterschiedlich häufig praktiziert. Gezeigt wurde beispielsweise, dass die englischsprachige Erzieherin 3E1 eine Vorliebe für musikalisch-rhyth‐ mische kindgerichtete Aktivitäten zu haben scheint, während die englischspra‐ chigen Erzieherinnen 1E1 und 2E1 vergleichsweise häufig in Konstruktions‐ spiele involviert sind. In Gruppe 4 wird ein Großteil der Bastelaktivitäten rea‐ lisiert, in Gruppe 1 und 3 fanden hingegen gar keine Bastelaktivitäten statt. Allein organisatorisch-pflegerische Tätigkeiten sind bei allen Erzieherinnen in etwa gleichmäßig vertreten, was andeutet, dass es sich dabei um einen konsti‐ tutiven Bestandteil der Berufspraxis von Fachkräften in Krippeneinrichtungen zu handeln scheint. Unterschiede in den dominierenden Aktivitäten zwischen den deutsch- und englischsprachigen Fachkräften lassen sich an dem analy‐ sierten Datenkorpus hingegen nicht empirisch verankern. Die Erkenntnisse zu den in den Interaktionen dominierenden Handlungsformen lassen sich infolge‐ dessen dahingehend kondensieren, dass der situative Kontext, in dem Sprache und sprachliches Handeln eingebettet erfahren wird, für die im bilingualen TU -Kinderhaus betreuten Kinder höchst unterschiedlich ausfällt. Anstatt einer übergreifenden Beschreibung der Charakteristika der Einrichtung ist ausgehend von den skizzierten Erkenntnissen eine individuelle Erfassung des jeweiligen Kontextes erforderlich. Die Aktivitäten, in die ein Kind während der Betreu‐ ungszeit eingebunden ist, sind demnach zum einen von der Stammgruppe, in der es betreut wird, abhängig. So wurde anhand der gruppenspezifischen Hand‐ lungsmuster ersichtlich, dass in den einzelnen Gruppen jeweils unterschiedliche Aktivitäten in den kindgerichteten Interaktionen dominieren, so dass die Kinder in den verschiedenen Gruppen der Einrichtung in unterschiedlichen Maße in bestimmte Aktivitäten, wie z. B. Bastelaktivitäten, involviert sind. Zum anderen stellen die einzelnen Erzieherinnen und ihre individuellen Handlungspräfe‐ renzen einen entscheidenden Faktor für die Aktivitäten dar, in denen die be‐ treuten Kinder Sprache erleben. Je nach Bindung bzw. Kontaktintensität eines 6.1 Makroebene: Rahmenbedingungen der Erzieherin-Kind-Interaktion 273 Kindes zu einzelnen Erzieherinnen, dies kann beispielsweise die Erzieherin sein, die für die Eingewöhnung des Kindes während der ersten Wochen verantwort‐ lich ist, ist es in unterschiedlichem Maße bzw. zu variierenden Zeitanteilen in die oben beschriebenen Aktivitäten integriert. Des Weiteren wurden die Sozialformen, d. h. die Frage, ob eine Erzieherin während der frei gestaltbaren Freispielzeit mit jeweils nur einem Kind oder aber mit zwei oder sogar mehr als zwei Kindern gleichzeitig interagiert, in den Blick genommen. In diesem Zusammenhang ist insbesondere die Tatsache, dass dya‐ dische Interaktionen mit 38,13 % die dominierende Sozialform in der Einrichtung darstellen, als wesentliches Erkenntnismoment hervorzuheben. So können an dieser Stelle erstmals empirisch abgesicherte Erkenntnisse dazu geliefert werden, dass sich strukturell günstige Rahmenbedingungen, wie sie im bilin‐ gualen TU -Kinderhaus in Form von kleinen Gruppengrößen und einem über‐ durchschnittlichen Betreuungsschlüssel vorzufinden sind, direkt und unmit‐ telbar auf der prozessualen Ebene des Kita-Alltags in einem beachtlichen Anteil an 1: 1-Interaktionen widerspiegeln. Während polyadische Interaktionen mit einer Erzieherin und zwei beteiligten Kindern eine eher untergeordnete Stellung einnehmen, ist hingegen das Erzieherin-Kleingruppen-Setting mit 36,32 % ein relevanter sozialer Rahmen für Interaktionsprozesse zwischen Erzieherin und Kind. Diesbezüglich wurde bei der Ergebnisinterpretation auf das Potenzial jener Situationen für das soziale und kooperative Lernen sowie aus spracher‐ werbstheoretischer Perspektive auf das kollektive scaffolding, das sich in den Kleingruppen-Interaktionen unter den Novizen entfalten kann, hingewiesen. Gleichzeitig illustrieren die polyadischen Erzieherin-Kleingruppen-Interakti‐ onen aus der Sicht der Erzieherinnen, wie anspruchsvoll die Tätigkeit in einer (bilingualen) Krippeneinrichtung ist. Die Fachkräfte sind in unterschiedliche Interaktionsprozesse parallel verwickelt und müssen den (kommunikativen) Bedürfnissen mehrerer Kinder gleichzeitig gerecht werden (siehe dazu auch König 2006: 271). Auch in Bezug auf die dominierenden Sozialformen können gruppen-, personensowie auch sprachenspezifische Muster aufgezeigt werden. In diesem Sinne deuten die Analyseergebnisse an, dass die englischsprachigen Fachkräfte (insbesondere Erzieherin 1E1 und 3E1) im Vergleich zu ihren deutschsprachigen Kolleginnen etwas häufiger in dyadische Interaktionssitua‐ tionen involviert sind. Daraus scheint sich wiederum eine gruppenspezifische Dynamik der gewählten Sozialformen zu entwickeln, da die übrigen Erziehe‐ rinnen den hohen Anteil an dyadischen Interaktionsformen einzelner Kräfte durch vermehrte Interaktionen mit zwei Kindern oder mehr abfedern müssen (siehe z. B. die Verteilung der Sozialformen in Gruppe 1, d. h. bei 1E1, 1E2 und 1E3). Die sozialen Rahmenbedingungen lassen sich dementsprechend dahinge‐ 6 Ergebnisse der empirischen Untersuchung 274 6.2 hend resümieren, dass die vermittelten Sprachen in unterschiedlichen sozialen Kontexten erfahren werden, die sich sowohl in einem hohen Anteil an dyadi‐ schen Experten-Novizen-Interaktionen als aber auch in polyadischen Erzie‐ herin-Kleingruppen-Konstellationen, die darüber hinaus die Möglichkeit zur peer-Interaktion sowie den Erwerb gesprächspragmatischer Kompetenzen be‐ reithalten, widerspiegeln. Mikroebene: Sprachliche Gestaltung der Erzieherin-Kind-Interaktionen Nachdem die Erzieherin-Kind-Interaktionen als Forschungsgegenstand zu‐ nächst makroperspektivisch, d. h. hinsichtlich der dominierenden Aktivitäten und Sozialformen als inhaltliche bzw. soziale Dimensionen des Interaktionsge‐ schehens betrachtet wurden, werden in diesem Kapitel die Ergebnisse des zweiten und mikroanalytischen Auswertungsschritts vorgestellt. In diesem Aus‐ wertungsschritt wird die Mikroebene ausgewählter Interaktionssequenzen aus einer linguistisch motivierten Perspektive fokussiert, indem die sprachliche Ge‐ staltung durch die InteraktionspartnerInnen und insbesondere das sprachliche Verhalten der deutsch- und englischsprachigen Erzieherinnen des bilingualen TU -Kinderhauses in der Interaktion mit den einbis dreijährigen Kleinkindern unter Bezugnahme auf Transkriptauszüge rekonstruiert werden. Die leitende Forschungsfrage (Welche Charakteristika weisen der Input und das sprachliche Interaktionsverhalten der Erzieherinnen in den verschiedenen Interaktionssituationen auf ? ) wurde im Zuge der gemischt induktiv-deduktiven Kategorienbildung präzisiert und am Datenmaterial operationalisiert. Davon ausgehend wurden verschiedene Teilfragestellungen an die Mikroebene der Kommunikation herangetragen, die jeweils unterschiedliche linguistische Teil‐ aspekte der Erzieherin-Kind-Interaktion fokussieren: 1. Welche besonderen Merkmale weist der an das Kind gerichtete sprachliche Input der Erzieherinnen auf ? 2. Wie initiieren die Erzieherinnen Interaktionen mit den Kindern bzw. wie regen sie zur Produktion von Output an? 3. Wie beteiligen sich die Kinder an den Interaktionen? 4. Wie reagieren die Erzieherinnen auf die verbalen und nonverbalen Inter‐ aktionsversuche der Kinder? 6.2 Mikroebene: Sprachliche Gestaltung der Erzieherin-Kind-Interaktionen 275 6.2.1 Der Aufbau der Ergebnisdarstellung orientiert sich an der oben beschriebenen Operationalisierung der Forschungsfrage. Dementsprechend werden zunächst die Besonderheiten des sprachlichen Inputs der Erzieherinnen aufgezeigt, bevor die Frage nach der Initiierung kindgerichteter Interaktionsprozesse als zent‐ ralem Merkmal der Interaktion herausgearbeitet wird. Neben der sprachlichen Gestaltung der Interaktion durch die deutsch- und englischsprachigen Erziehe‐ rinnen der Einrichtung als Hauptfokus der Analyse sind zudem die Möglich‐ keiten der kindlichen Partizipation in der Interaktion mit den Erzieherinnen bedeutsam. Der Einbezug der kindlichen Perspektive ist wiederum erforderlich, um schließlich den Aspekt der Responsivität des Erzieherinnenverhaltens, d. h. die Reaktionen der Fachkräfte auf die kindlichen Interaktionsversuche, ange‐ messen darstellen zu können. Das Kapitel schließt mit einem Rückbezug auf die leitende Forschungsfrage, so dass die zentralen Erkenntnisse dieses Auswer‐ tungsschritts nochmals resümierend und in kondensierter Form aufgezeigt und diskutiert werden. Merkmale des kindgerichteten sprachlichen Inputs Die spezifische Funktionsweise immersiv-bilingualer Kitas - die neu zu vermit‐ telnde Fremdsprache wird in diesen Betreuungseinrichtungen als alltägliches und authentisches Kommunikationsmedium verwendet (siehe auch Ka‐ pitel 2.4.2.4) - bedingt, dass Kinder in dem Sprachbad der neuen Fremdsprache insbesondere zu Beginn nicht jedes Wort verstehen. Die alltagsintegrierte Sprachverwendung der Fachkräfte erfordert daher spezifische Fähigkeiten und Techniken, die neue Sprache für die Kinder verständlich zu machen (siehe dazu auch Kersten et al. 2010a: 103; Steinlen et al. 2013: 79). In Krippeneinrichtungen wie dem bilingualen TU -Kinderhaus ist jedoch zugleich der Erstbzw. Zweit‐ spracherwerb der unterdreijährigen Kleinkinder im Deutschen noch nicht ab‐ geschlossen. Die Kinder tauchen demnach auch im Deutschen in ein Sprachbad ein, in dem das rezeptive Sprachverständnis der Kinder noch nicht vollumfäng‐ lich entwickelt sowie insbesondere die Mittel der produktiven Sprachverwen‐ dung noch begrenzt sind. Auch in der Interaktion mit den deutschsprachigen Erzieherinnen der bilingualen Einrichtung sind die Kinder demzufolge auf einen spezifischen sprachlichen Input angewiesen, der ihnen hilft, dem Kita-Alltag trotz begrenzter eigener Sprachkenntnisse zu folgen. Im Folgenden werden daher die im Zuge der Mikroanalyse identifizierten spezifischen Merkmale des kindgerichteten sprachlichen Inputs der deutsch- und englischsprachigen Er‐ zieherinnen vorgestellt. 6 Ergebnisse der empirischen Untersuchung 276 6.2.1.1 6.2.1.1.1 Aufmerksamkeitslenkung Theoretische Ansätze wie die Noticing-Hypothese nach Schmidt (1990) (siehe dazu auch die Ausführungen in Kapitel 4.1.4) legen nahe, dass ein gewisses Maß an Aufmerksamkeit erforderlich ist, damit das Kind den ihm dargebotenen sprachlichen Input überhaupt wahrnimmt. Ein gemeinsamer Aufmerksamkeits‐ fokus zwischen den InteraktionspartnerInnen - in der vorliegenden Studie die geteilte Aufmerksamkeit zwischen Erzieherin und Kind - ist demnach eine we‐ sentliche Voraussetzung für den Spracherwerb. Aufgabe der Fachkraft ist es daher, das kindliche Interesse für bestimmte Situationen zu wecken und die Aufmerksamkeit des Kindes in diesen Situationen auf bestimmte Sachverhalte zu lenken (vgl. Bose et al. 2013: 94; Grimm 1999: 54). Das Ziel ist das Herstellen eines gemeinsamen Aufmerksamkeitsfokusses, so dass die Aufmerksamkeit der InteraktionspartnerInnen auf denselben Sachverhalt bzw. auf die gleichen As‐ pekte der Umwelt gerichtet ist (vgl. Szagun 2006: 175). Das Etablieren eines gemeinsamen und geteilten Aufmerksamkeitsfokus, auch als joint attention (Ritterfeld 2000: 406) bezeichnet, ist damit die „fundamentalste Funktion des Inputs“ (ebd.). Im Folgenden wird dargestellt, wie und mithilfe welcher Strate‐ gien die Erzieherinnen die kindliche Aufmerksamkeit lenken und dadurch ein gemeinsamer Aufmerksamkeitsfokus entwickelt wird. Attention devices Die Verwendung sogenannter attention devices (u. a. Hoff-Ginsberg 1986: 156) stellt ein verbales Mittel dar, mit dem Erzieherinnen die kindliche Aufmerk‐ samkeit auf bestimmte Sachverhalte lenken bzw. diese direkt einfordern können. Die Verwendung dieser aufmerksamkeitslenkenden verbalen Mittel wird an den folgenden Beispielen aus dem Datenkorpus veranschaulicht: 6.2 Mikroebene: Sprachliche Gestaltung der Erzieherin-Kind-Interaktionen 277 102 Die sprachlichen Merkmale der jeweiligen Kategorie wurden in den Transkripten im Sinne der verbesserten Lesbarkeit durch Fettdruck hervorgehoben. 103 Die Bezeichnungen K1, K1, K3 usw. beziehen sich im Folgenden, wie bereits in Ergeb‐ niskapitel 6.1, auf das erste, zweite bzw. dritte an einer Interaktion beteiligte Kind. Da den an der Studie beteiligten Kindern anders als den videografierten Fachkräften keine festen Codes zugewiesen wurden, bedeutet die mehrfache Bezeichnung eines Kindes als K1, K2 usw. in den verschiedenen Datenbelegen also nicht, dass es sich jeweils um dasselbe Kind handelt. 102 103 In Beispiel 1 (Transkript 3E3 171 012lit) versucht die Erzieherin während der gemeinsamen Bilderbuchbetrachtung, den Aufmerksamkeitsfokus des Kindes aus der Vielzahl an Illustrationen auf einen bestimmten Bildausschnitt zu lenken. Sie fordert daher die Aufmerksamkeit des Kindes durch die Verwendung eines Vokativs („oh guck mal! “, Zeile 98) explizit ein. Erst im Anschluss an diesen aufmerksamkeitslenkenden Vokativ folgt die Benennung des Gegenstandes, auf den das Kind seine Aufmerksamkeit richten soll (ebd.). Die Aufmerksamkeits‐ lenkung wird zusätzlich durch die lautliche Betonung des Schlüsselwortes („Hahn“, ebd.) verstärkt (zu den prosodisch-suprasegmentalen Markierungen als Merkmal des kindgerichteten Inputs siehe auch die Ausführungen in Ka‐ 6 Ergebnisse der empirischen Untersuchung 278 104 Zu den weiteren, zusätzlich zu den attention devices eingesetzten Mitteln der Zeige‐ gesten und der Wiederholung der eigenen Äußerung siehe vertiefend Teilkapitel 6.2.1.2.1 bzw. 6.2.1.3.1. 6.2.1.1.2 pitel 6.2.1.1.2). Durch die Verwendung dieser attention devices - teilweise werden diese auch als ear catchers bezeichnet (Kersten et al. 2010a: 106; Steinlen et al. 2013: 83) - wird die Informationsfülle begrenzt und auf einen überschau‐ baren Ausschnitt gelenkt. An der Reaktion des Kindes, das daraufhin seinen Blick auf das Bilderbuch richtet (Zeile 99), wird schließlich ersichtlich, dass sich die aufmerksamkeitslenkende Funktion der attention devices für den Fortgang der Interaktion zwischen Erzieherin und Kind als zielführend erweist. Auf ähnliche Weise stellt die englischsprachige Erzieherin 3E1 in Beispiel 2 (Transkript 3E1 311 012fikt) einen gemeinsamen Aufmerksamkeitsfokus her. Auch hier fordert die Erzieherin zunächst explizit mithilfe eines Vokativs „just look“ (Zeile 87) die Aufmerksamkeit ein und verwendet dann sogenannte refe‐ rence language bzw. deictic terms wie „there, over there“ (Kersten et al. 2010a: 106; Steinlen et al. 2013: 83) als Verweis auf die Stelle, an der das Kind nach dem Löffel suchen soll (Zeile 88, 90). Der Einsatz der attention devices (Zeile 87) sowie die Verwendung der deiktischen Mittel (bzw. reference language) zur Präzisie‐ rung bzw. Orientierungshilfe des Kindes im Raum (Zeile 88, 90) wird zudem mittels der begleitenden Zeigegesten auf das entsprechende Objekt (Zeile 87, 88, 90), unterstützt. Ebenso dienen das mehrmalige Wiederholen der deictic terms sowie die direkte namentliche Ansprache des Kindes (Zeile 90) dem Insistieren auf der expliziten kindlichen Aufmerksamkeitseinforderung. 104 An dem wei‐ teren Verlauf der Interaktionssequenz wird auch hier deutlich, dass die Auf‐ merksamkeitslenkung der englischsprachigen Erzieherin erfolgreich ist, da die in der Situation zu bewältigende Aufgabe, den Löffel zu finden und ihn der eng‐ lischsprachigen Erzieherin 3E1 zu bringen, schließlich erfolgreich gelöst wird (Zeile 93, 94). Prosodisch-suprasegmentale Markierungen Neben den zuvor beschriebenen attention devices, mithilfe derer die Erzieherin die kindliche Aufmerksamkeit auf bestimmte außersprachliche Sachverhalte lenkt, kann die Aufmerksamkeit des Kindes zudem gezielt auf einzelne Struk‐ turelemente der Sprache innerhalb eines Gesprächsbeitrags gelenkt werden (vgl. Ritterfeld 2000: 413). Aufgrund der insbesondere zu Beginn des Besuchs einer bilingualen Kita begrenzten Sprachkenntnisse der Kinder ist es verständ‐ nisfördernd, wenn die kindgerichtete Sprache der Erzieherinnen Elemente ent‐ hält, die die kindliche Aufmerksamkeit auf jene Strukturelemente des Sprech‐ aktes lenken, die für das Verständnis der Situation bedeutungstragend sind. So 6.2 Mikroebene: Sprachliche Gestaltung der Erzieherin-Kind-Interaktionen 279 ist es für die Kinder nicht notwendig, jedes einzelne Wort eines turns der Erzie‐ herin zu verstehen. Das Verständnis weniger Schlüsselwörter ist oft ausrei‐ chend, um die Bedeutung einer verbalen Botschaft aus dem konkreten Hand‐ lungskontext zu inferieren (vgl. Kersten et al. 2010a: 106; Steinlen et al. 2013: 83). Die Fokussierung einzelner Elemente eines Gesprächsbeitrags, z. B. der the‐ matischen Inhaltswörter oder der bedeutungstragenden Schlüsselwörter des jeweiligen Interaktionskontextes (vgl. Thürmann 2010: 146), vollzieht sich ins‐ besondere auf phonetischer Ebene, indem einzelne Wörter prosodisch-supra‐ segmental markiert werden. Die lautliche Betonung von Teilaspekten eines Ge‐ sprächsbeitrags und deren aufmerksamkeitslenkende Funktion werden anhand der folgenden Datenbelege näher beschrieben: In Beispiel 3 (Transkript 3E1 311 012fikt), das einem in der Küchenecke statt‐ findenden Fiktionsspiel entnommen ist, zeigt sich die suprasegmentale Markie‐ rung thematischer Inhaltswörter mit dem Ziel der kindlichen Aufmerksam‐ keitslenkung besonders deutlich. Die englischsprachige Erzieherin 3E1 betont in diesem Transkriptausschnitt in jedem ihrer Gesprächsbeiträge jeweils das 6 Ergebnisse der empirischen Untersuchung 280 bedeutungstragende Schlüsselwort mit einem Wortakzent. Dementsprechend markiert sie in der einführenden Frage das Schlüsselwort „Suppe“ (Zeile 03) sowie in denen sich anschließenden präzisierenden Nachfragen die jeweils erst‐ mals in der Situation genannten Zusätze „Kastanie“ (Zeile 05) und „Tomaten“ (Zeile 07) mithilfe eines Wortakzents. Auch im weiteren Verlauf der Sequenz hebt sie die für den jeweiligen turn relevanten Informationen „Löffel“ (Zeile 09) und „Suppe“ (Zeile 11) konsequent mit einem Wortakzent hervor. Durch die aufmerksamkeitsfokussierende Akzentuierung werden die Schlüsselwörter, die für das Verständnis der einzelnen turns ausschlaggebend sind, aus dem Sprach‐ fluss isoliert. Dadurch werden die Sprechakte der englischsprachigen Erzieherin und die darin enthaltenen relevanten Informationen, wie sich auch an dem an‐ gemessenen Antwortverhalten des beteiligten Kindes unmittelbar ablesen lässt, von dem Kind bemerkt. Auch Beispiel 4 (Transkript 2E2 221 112lit), das einen Ausschnitt einer Lite‐ racy-Sequenz darstellt, weist die oben genannten aufmerksamkeitslenkenden Akzentuierungen auf. In dieser Situation werden ebenfalls thematische Inhalts‐ wörter (vgl. Thürmann 2010: 146), die für das Verständnis des einzelnen Ge‐ sprächsbeitrags ausschlaggebend sind, betont. Nachdem in dieser Sequenz zu‐ nächst mithilfe eines attention device (Zeile 15 f.) ein gemeinsamer Aufmerk‐ samkeitsfokus zwischen Erzieherin und Kind hergestellt wird, werden in den einzelnen darauffolgenden turns die verschiedenen in dem Bilderbuch enthal‐ tenen Illustrationen beschrieben. Die jeweils bedeutungstragenden Schlüssel‐ wörter werden dabei in jedem Gesprächsbeitrag in Form eines Wortakzents lautlich betont („Traktor“, Zeile 17; „Junge“, Zeile 21; „auch“, ebd.; „Traktor“, ebd.; „kleinen“, Zeile 22). Unterstützend zu den aufmerksamkeitslenkenden supra‐ segmentalen Markierungen werden in dem Sequenzbeispiel die beschriebenen attention devices (Zeile 15 f., Zeile 20) sowie eine begleitende Zeigegeste zur pa‐ rallelen Visualisierung des lautlich markierten Schlüsselwortes eingesetzt (Zeile 21). Die exemplarische Darstellung legt nahe, dass die turn-interne Betonung be‐ deutungstragender Schlüsselwörter ein zentrales Merkmal der Sprachverwen‐ dung sowohl der englischals auch der deutschsprachigen Erzieherinnen des bilingualen TU -Kinderhauses bildet. Ausgehend von den oben beschriebenen Verwendungskontexten sowie der Reaktionen der beteiligten Kinder ist zudem anzunehmen, dass den suprasegmentalen Markierungen im Rahmen der Inter‐ aktionsprozesse die Funktion zukommt, die kindliche Aufmerksamkeit auf Ein‐ zelaspekte, insbesondere thematische Inhaltswörter, zu lenken und damit das Verständnis des sprachlichen Inputs auf kindlicher Seite zu erhöhen. 6.2 Mikroebene: Sprachliche Gestaltung der Erzieherin-Kind-Interaktionen 281 6.2.1.1.3 Metalinguistische Aufmerksamkeitslenkung Zwar handelt es sich bei der Immersion um einen inhaltsbasierten Ansatz, der zugunsten der alltagsintegrierten Vermittlung und inzidentellen Aneignung von Sprache auf die explizite Vermittlung und Thematisierung sprachlicher Phäno‐ mene verzichtet (siehe vertiefend dazu Kapitel 2.4.2), doch entwickeln sich gemäß der Analyseergebnisse auch im bilingualen Kita-Alltag vereinzelt Inter‐ aktionskontexte, die im Rahmen der implizit-inhaltsbezogenen Sprachvermitt‐ lung eine Integration metalinguistischer Aspekte ermöglichen. So wurden in dem analysierten Datenkorpus Elemente des sprachlichen Inputs identifiziert, die die kindliche Aufmerksamkeit gezielt auf metalinguistische Phänomene lenken, indem beispielsweise die zweisprachige Erwerbsumgebung oder die Verwendung der in der Einrichtung vertretenen Sprachen explizit thematisiert werden. Situationen, in denen die kindliche Aufmerksamkeit auf metalinguis‐ tische Phänomene durch z. B. das Sprechen über Sprache gelenkt wird, werden im Folgenden anhand von Transkriptausschnitten vorgestellt und als weitere Ausprägung der kindlichen Aufmerksamkeitslenkung eingeordnet: 6 Ergebnisse der empirischen Untersuchung 282 Beispiel 5 (Transkript 4E21 212 121lit) stellt ein wiederholt beobachtetes Phä‐ nomen des bilingualen Kita-Alltags dar. Da jeder Gruppenraum der Einrichtung sowohl über deutschals auch über englischsprachige und den Kindern frei zu‐ gängliche Kinderbücher verfügt, den Kindern jedoch die zur Unterscheidung der Sprachen notwendigen schriftsprachlichen Kenntnisse fehlen, kommt es häufiger vor, dass die Kinder den deutschsprachigen Erzieherinnen ein engli‐ sches oder vice versa den englischsprachigen Erzieherinnen ein deutsches Buch zum gemeinsamen Betrachten und Vorlesen bringen. Die deutschsprachige Er‐ zieherin 4E2 verbalisiert hier, dass es sich bei dem Buch um ein englischspra‐ chiges Buch handelt (Zeile 03) und verweist damit explizit auf das Prinzip der personengebundenen Sprachverwendung (one person - one language; zu dem Prinzip der personengebundenen Sprachverwendung siehe auch Ka‐ pitel 2.4.2.4.1). Diese spezifische Aufteilung der Sprachen auf die Erzieherinnen der Einrichtung impliziert auch, dass die englischsprachigen Erzieherinnen die englischen und die deutschsprachigen Erzieherinnen die deutschen Bücher vor‐ lesen. Im Rahmen der vorliegenden Literacy-Aktivität, in der das Buch als schriftsprachliches Medium im Vordergrund steht, bewirkt die explizite The‐ matisierung der im Buch fixierten Sprache, dass die kindliche Aufmerksamkeit hier metalinguistisch auf konzeptionelle Aspekte der Sprachverwendung und verteilung, die sonst nur in ihrer praktischen Umsetzung von den Kindern er‐ fahren wird, gelenkt wird. Der metalinguistische Kommentar der Erzieherin 4E2 verdeutlicht dem Kind zudem, dass sich die funktionale Sprachentrennung nicht 6.2 Mikroebene: Sprachliche Gestaltung der Erzieherin-Kind-Interaktionen 283 nur in der verbalen Interaktion mit den verschiedenen deutsch- und englisch‐ sprachigen Erzieherinnen ausdrückt, sondern auch konzeptionell schriftlich, d. h. in Form der vorhandenen deutsch- und englischsprachigen Bücher schrift‐ sprachlich verankert ist. Der im weiteren Verlauf von Erzieherin 4E2 verbali‐ sierte Vorschlag, gemeinsam die Handlung des Buches zu erkunden (Zeile 04 f.) entkräftet den expliziten Verweis auf die Verteilung der Sprachen in dem Sinne, als dass sie das beteiligte Kind dennoch zur gemeinsamen Bilderbuchbetrach‐ tung einlädt und signalisiert, dass sie das Buch zwar nicht vorlesen kann, aber die Inhalte des Buches dennoch, z. B. unter Zuhilfenahme der enthaltenen Ab‐ bildungen, gemeinsam erschließen können (Zeile 04 f.). In Beispiel 6 geht die metalinguistische Aufmerksamkeitsfokussierung über den reinen Hinweis auf die Zweisprachigkeit hinaus. In diesem kurzen Aus‐ schnitt, der die englischsprachige Erzieherin 2E1 beim interaktiven Puzzeln mit einem Kind zeigt, wird die Zweisprachigkeit von den InteraktionspartnerInnen bewusst im Spiel eingesetzt. Im Laufe des Spiels entwickelt sich eine Abfolge von Gesprächsbeiträgen, in denen die InteraktantInnen die Puzzleteile in ihren jeweiligen Sprachen, d. h. Erzieherin 2E1 in Englisch und das beteiligte Kind K1 in Deutsch, benennen. Dass das Kind auf dieses Spiel mit Sprache reagiert und zudem explizit auf die Sprachverwendung bzw. die Sprachverteilung hinweist (Zeile 09, „ich sag“), zeigt zum einen, dass es sich der zweisprachigen Situation und der funktional-personengebundenen Sprachverteilung in der Einrichtung bewusst ist. Zum anderen veranschaulicht das Beispiel in Bezug auf die konkret sprachliche Ebene, dass das Kind akzeptiert hat, dass ein außersprachliches Ob‐ jekt, hier die auf den Puzzleteilen abgebildeten Tiere, verschiedene sprachliche Bezeichnungen haben kann (siehe dazu auch die Arbitrarität sprachlicher Zei‐ chen bzw. die Beliebigkeit des Verhältnisses von Form und Bedeutung sprach‐ licher Zeichen bei de Saussure 1967: 79). Des Weiteren weist die selbstständige Fortführung des Spiels - das Kind führt hier selbstständig neue Begriffe in das Spiel ein (Zeile 15) - bereits auf ein gewisses Maß an metalinguistischem Be‐ wusstsein hin. Insgesamt sind diese Situationen, in denen eine metalinguistische Auseinan‐ dersetzung mit Sprache zwischen Erzieherin und Kind stattfindet, jedoch eher selten. Gesprächsbeiträge der Erzieherinnen, die Elemente metalinguistische Aufmerksamkeitslenkung enthalten, beschränken sich wie in Beispiel 5 zumeist auf metalinguistische Kommentare der Erzieherinnen zu Büchern oder anderen sprachenspezifischen Materialien. Die Handhabung dieser Materialien beruht zudem auf Absprachen des Teams der Einrichtung und erfolgt damit eher rou‐ tiniert und weniger individualisiert. Eine Abfolge von Gesprächsbeiträgen wie in Beispiel 6, in dem die Zweisprachigkeit als bewusstes Element in das Spiel 6 Ergebnisse der empirischen Untersuchung 284 105 In der Untersuchung von Weitz (2012: 67) äußerte sich die kindliche Aufmerksamkeit auf sprachliche Besonderheiten dadurch, dass die Kinder über ein bestimmtes Wort lachen und schließlich explizit nach einer Übersetzung verlangen und nachfragen, ob von ihnen aufgestellte Hypothesen über eine Formulierung in der neuen Fremdsprache zutreffen. 6.2.1.2 eingebaut und von dem Kind selbstständig weiterentwickelt wird, sind ausge‐ hend von der vorgenommenen Analyse die Ausnahme. Sie treten, wie in diesem Beispiel, wenn überhaupt in der Interaktion der Erzieherinnen mit den fast dreijährigen Kindern der Einrichtung auf. Diese Erkenntnis deckt sich mit den Beobachtungen von Weitz (2012) und Weitz et al. (2010). In diesen Studien wird der Anteil bewusstmachender Mo‐ mente, in denen ErzieherIn und Kind im Sinne des focus on form gemeinsam über Sprache und sprachliche Strukturen reflektieren, für den Kindergarten‐ kontext und die Zielgruppe der dreibis sechsjährigen Kinder als relativ gering eingeschätzt (vgl. Weitz et al. 2010: 16; Weitz 2012: 67). 105 Vor diesem Hinter‐ grund ist nachvollziehbar, dass für die im Rahmen der vorliegenden Studie un‐ tersuchte Altersgruppe der einbis dreijährigen der Anteil an metalinguistischer Aufmerksamkeitslenkung im kindgerichteten Input der Erzieherinnen gleichsam gering ist. Umso bemerkenswerter sind die vereinzelten Interakti‐ onssequenzen (so auch Beispiel 6), in denen sich in Form einer spielerischen Auseinandersetzung und Thematisierung der vorhandenen Sprachen die all‐ mählich anbahnende kindliche language awareness manifestiert. Nonverbale Kontextualisierung Aufgrund der begrenzten Sprachkompetenzen der Kinder muss der kindgerich‐ tete Input zu großen Teilen selbsterklärend, d. h. der Inhalt auch ohne Sprache verständlich und nachvollziehbar, sein (vgl. Burmeister / Pasternak 2004: 26). Wichtig ist daher nicht, dass die Kinder die verbalen Gesprächsbeitrage von ErzieherInnen wortwörtlich verstehen, sondern dass sie das Gemeinte aus dem Kontext einer Aussage erschließen können (vgl. ebd.; Kersten et al. 2010a: 106; Steinlen et al. 2013: 83). Die Aufgabe von ErzieherInnen besteht somit darin, „to create a context in which to make the second language meaningful“ (Tardif 1994: 475) sowie in der Herausforderung „den Stoff mit Hilfe von Mimik und Gestik, Bildern, Fotos, Gegenständen derart anschaulich zu präsentieren, dass das Kind jeweils eine Beziehung zwischen dem gerade Gesagten und dem Gezeigten sowie dessen Bedeutung bzw. Funktion herstellen kann“ (Burmeister / Pasternak 2004: 26 f.). Von dieser Annahme ausgehend scheinen vor allem nonverbale Mittel zur unterstützenden Kontextualisierung verbaler Botschaften geeignet zu sein, da diese den kindlichen InteraktionspartnerInnen eine zusätzliche Ver‐ 6.2 Mikroebene: Sprachliche Gestaltung der Erzieherin-Kind-Interaktionen 285 6.2.1.2.1 ständnismöglichkeit eröffnen. Das Kind muss sich bei der Bedeutungserschlie‐ ßung nicht ausschließlich auf die verbalen Botschaften verlassen, sondern kann zusätzlich die visualisierten nonverbalen Mittel zu Hilfe nehmen. Im Zuge der Analyse wurden demzufolge die von den Erzieherinnen in der Interaktion ein‐ gesetzten nonverbalen Mittel identifiziert und näher beschrieben. Referentielle Gesten Ausgehend von der Mikroanalyse der Erzieherin-Kind-Interaktionen stellen die sogenannten referentiellen Gesten ein charakteristisches nonverbales Mittel dar, mithilfe derer die Erzieherinnen ihre verbalen Aussagen kontextualisieren. Bei den referentiellen Gesten handelt es sich um deiktische Zeigegesten (vgl. deictic gestures; Iverson et al. 1999: 61), die auf einen konkreten außersprachli‐ chen Referenten verweisen (vgl. Vogt 2007: 14). Die folgenden Beispiele aus dem Datenkorpus illustrieren, wie die Erzieherinnen des bilingualen TU -Kinder‐ hauses referentielle Gesten zur nonverbalen Kontextualisierung ihrer verbalen Äußerungen einsetzen: 6 Ergebnisse der empirischen Untersuchung 286 Beispiel 7 (Transkript 2 EP 2 911 122org2) ist einer organisatorisch-pflegerischen Interaktionssequenz entnommen, in der die englischsprachige Erzieherin 2 EP einen Streit zwischen den Kindern K1 und K2 schlichtet. Der Transkriptaus‐ schnitt veranschaulicht, dass die Erzieherin jeden ihrer Gesprächsbeiträge mit einer referentiellen Zeigegeste begleitet. Dabei verweisen die Zeigegesten auf den in der Situation vorhandenen außersprachlichen Referenten und unter‐ stützen dadurch die produzierten Sprechakte. So kontextualisiert 2 EP ihre ver‐ bale Äußerung zunächst, indem sie in den Raum in Richtung K2 und dem Buch zeigt und K1 dadurch ermutigt, sein Buch zurückzuholen (Zeile 20, 24). K1 geht daraufhin weiter auf K2 zu (Zeile 21). Schließlich werden die Zeigegesten von Erzieherin 2 EP konkreter, indem sie direkt auf K2 und das Buch zeigt (Zeile 27 f., 32, 34). Durch die zusätzliche nonverbal-referentielle Kontextualisierung wird K1, der in der Situation verunsichert bzw. unschlüssig wirkt, auf kommunika‐ tiver Ebene eine zusätzliche Verstehenshilfe eröffnet sowie auch aus pädagogi‐ scher Sicht ermutigt, das Vorhaben, sein Buch zurückzuholen, durchzusetzen. Auch in Beispiel 8 (Transkript 3E2 181 012lit) werden während einer Lite‐ racy-Sequenz referentielle Gesten eingesetzt. Diese dienen im Kontext der ge‐ meinsamen Bilderbuchbetrachtung der Visualisierung der bezeichneten Ob‐ jekte. Die von Erzieherin 3E2 benannten Substantive werden konsequent durch eine Zeigegeste begleitet (Zeile 9, 12 f.). Auf diese Weise kann das Kind eine Verbindung zwischen den neu eingeführten Wörtern, die sicherlich noch nicht zu dem Alltagswortschatz der Kleinkinder gehören (vgl. Zeile 12 „gemolken“, Zeile 13 „abgepumpt“), sowie den außersprachlichen Referenten der Bezeich‐ nungen in Form der in dem Buch enthaltenen Abbildungen herstellen. Diese Situation steht prototypisch für eine Reihe weiterer Literacy-Aktivitäten, die ein hohes Vorkommen an nonverbaler Kontextualisierung durch referentielle Zei‐ gegesten aufweisen. Insbesondere in den Bilderbuchbetrachtungen und Vorle‐ sesituationen bietet die kontinuierliche deiktische Bezugnahme auf die bezeich‐ neten Objekte im Buch eine Voraussetzung für das bei Braun (2007: 132) be‐ schriebene „basale Kommunikationsmuster“ als wiederkehrendes Muster aus Zeigen und Benennen. Vor diesem Hintergrund dient der Einsatz referentieller Gesten in Literacy-Sequenzen als rahmengebendes Gerüst (scaffold) für den kindlichen Wortschatzerwerb. Darüber hinaus verdeutlichen die hier beschriebenen Beispiele 7 und 8, dass sich die Gesprächsbeiträge der deutsch- und englischsprachigen Erzieherinnen in ihrer sprachlichen Komplexität und in ihrem Umfang deutlich unterscheiden. Zwar bilden diese eher quantitativen Maße nicht das genuine Erkenntnisinte‐ resse der vorliegenden Mikroanalyse, doch suggerieren einige Datenbelege dieses Kapitels, dass hier Unterschiede zu bestehen scheinen. Der Aspekt der 6.2 Mikroebene: Sprachliche Gestaltung der Erzieherin-Kind-Interaktionen 287 6.2.1.2.2 sprachlichen Komplexität und des Umfangs der Input-Äußerungen der Erzie‐ herinnen wird daher in der abschließenden Ergebnisdiskussion und dem Aus‐ blick dieser Arbeit (vgl. Kapitel 7) nochmals aufgegriffen und als mögliche An‐ schlussstudie skizziert. Symbolische Gesten Symbolische Gesten stellen ein weiteres nonverbales Mittel dar, das die unter‐ suchten Erzieherinnen zur Kontextualisierung ihrer verbalen Äußerungen nutzen. Im Vergleich zu den referentiellen Gesten, die auf ein in der Situation vorhandenes Objekt referieren, handelt es sich bei den symbolischen Gesten um abstraktere Zeichen, die häufig auf einen außersprachlichen, abwesenden Re‐ ferenten verweisen (vgl. Vogt 2007: 14). Dies geschieht beispielsweise, wenn ein Objekt oder eine Tätigkeit ikonisch, d. h. bildlich mithilfe gestischer oder pan‐ tomimischer Mittel, dargestellt wird (vgl. u. a. Iverson et al. 1999: 62). Anhand der folgenden Beispiele aus dem Datenkorpus wird rekonstruiert, in welchen Interaktionskontexten symbolische Gesten von den Erzieherinnen eingesetzt werden und welche Verwendungsfunktionen ihnen in den jeweiligen Situati‐ onen zukommen: 6 Ergebnisse der empirischen Untersuchung 288 Beispiel 9 (Transkript 3E1 311 012fikt) zeigt einen Ausschnitt aus einem Fiktions- und Rollenspiel. In diesem Zusammenhang bittet die englischsprachige Erzie‐ herin 3E1 das am Spiel beteiligte Kind K1 um einen Löffel, mit dem sie ihren Kaffee umrühren kann (Zeile 83 f.). Parallel dazu stellt sie die Funktion des Löf‐ fels, das Umrühren des Getränks, ikonisch mithilfe einer symbolischen Geste dar, indem sie das Halten des Löffels und das Umrühren pantomimisch nachstellt (Zeile 83). Zusätzlich zu der symbolischen Geste belegt Erzieherin 3E1 die Be‐ zeichnung „Löffel“ (ebd.) mit einem Wortakzent. Von daher ist anzunehmen, dass die Kombination aus symbolischer Geste und Wortakzent in dem beschrie‐ benen Handlungszusammenhang der Einführung und weiterführenden Erläu‐ terung des Wortes „Löffel“ dient. Die verwendete nonverbale Kontextualisie‐ rungsstrategie, das fiktive Rühren, bietet dem Kind diesbezüglich eine visuelle Verstehenshilfe, um sich die Bedeutung bzw. Funktion der offenbar noch nicht automatisierten Bezeichnung für das Objekt zu erschließen. Die suprasegmen‐ tale Markierung bewirkt, dass die kindliche Aufmerksamkeit zusätzlich für das in der Situation ausschlaggebende Schlüsselwort „Löffel“ sensibilisiert wird. Die Reaktion K1s, das daraufhin in Richtung Spielküche zurückgeht (Zeile 85) und erwidert, dass es keinen Löffel hat (Zeile 86), lässt erkennen, dass es die Auf‐ forderung verstanden hat. Im weiteren Spielverlauf wiederholt sich diese Form der nonverbalen Kontextualisierung nahezu identisch. Zur Visualisierung ihrer verbalen Bitte um eine Tasse stellt die Erzieherin auch hier die Funktion des Gegenstandes mithilfe einer Trinkbewegung symbolisch nach und lenkt die kindliche Aufmerksamkeit durch die lautliche Akzentuierung des Schlüssel‐ wortes „Tasse“ auf das inhaltliche Schlüsselwort des turns (Zeile 247). Auf übergeordneter Ebene legen die Ergebnisse der Mikroanalyse nahe, dass insbesondere jene Fiktions- und Rollenspiele, wie das angeführte Beispiel 9, die Verwendung von symbolischen Gesten begünstigen. In diesen „Sotun-als-ob“-Spielen werden imaginäre Gegenstände und fiktive Handlungen spielerisch entwickelt, die in den Situationen nicht tatsächlich anwesend sind 6.2 Mikroebene: Sprachliche Gestaltung der Erzieherin-Kind-Interaktionen 289 6.2.1.2.3 und daher gestisch-pantomimisch dargestellt und so in das Spiel einbezogen werden. Beispiel 10 (Transkript 3E2 181 012lit) ist einer Sequenz entnommen, in der die deutschsprachige Erzieherin 3E2 und das beteiligte Kind K1 über eine ge‐ meinsame Literacy-Aktivität in Interaktion stehen. Erzieherin 3E2 und K1 agieren während der gemeinsamen Bilderbuchbetrachtung überwiegend auf deskriptiver Ebene, indem sie die Illustrationen des Buches gemeinsam be‐ schreiben und sich auf diese Weise über die inhaltliche Handlung des Buches verständigen. Der von Erzieherin 3E2 produzierte Gesprächsbeitrag (Zeile 108) enthält metaphorisch-bildliche Elemente, so dass davon auszugehen ist, dass es sich für das Kind um eine komplexe sprachliche Äußerung handelt, deren in‐ terne Struktur bzw. Sinn sich nicht unmittelbar erschließt. Um die sprachliche Komplexität ihrer verbalen Botschaft zu entlasten, kontextualisiert die Erzie‐ herin ihre Äußerung und führt K1 symbolisch-pantomimisch vor, wie die Dra‐ chen im Wind tanzen (ebd.). Auf diese Weise wird die für das Kind vermutlich unbekannte Metapher des „Im-Wind-Tanzens“ aufgelöst und die Bedeutung derselben bildlich dargestellt. Gleichzeitig wird anhand dieses Beispiels deutlich, welche vielfältigen Impulse Bilderbücher für die Wortschatzarbeit im Krippen‐ bereich liefern können. Diese eröffnen nicht nur eine Fülle an Gesprächsan‐ lässen im Sinne des interaktiven bzw. dialogischen Vorlesens, sondern können in ihrer Komplexität auch an den individuellen Entwicklungsstand des ein‐ zelnen Kindes angepasst werden. Diesbezüglich ist der obige Transkriptauszug als ein Beispiel für eine vergleichsweise weit entwickelte Interaktionskultur zwischen 3E2 und dem fast dreijährigen Kind K1 zu verstehen, die es ermöglicht, dass auch bildlich-metaphorische Äußerungen mithilfe unterstützender non‐ verbaler Kontextualisierungsstrategien eingeführt werden können. Konventionelle Gesten Als drittes nonverbales Mittel zur Kontextualisierung wurden im Zuge der Mik‐ roanalyse sogenannte konventionelle Gesten identifiziert. Zu den typischen konventionellen Gesten zählen z. B. das Winken zum Abschied, das Kopfnicken zur Signalisierung von Zustimmung oder das Kopfschütteln als Ausdruck der Verneinung oder Ablehnung (vgl. u. a. Kiening 2011: 81). Im Gegensatz zu den referentiellen und symbolischen Gesten, die auf einen in der Situation vorhan‐ denen Referenten verweisen bzw. ein abwesendes Objekt oder eine Handlung ikonisch-pantomimisch darstellen, weisen konventionelle Gesten damit eher arbiträren, d. h. willkürlichen Charakter, auf (vgl. Vogt 2007: 14). Der Bezug zwischen der Geste und dem Gemeinten ist hier für Außenstehende nicht un‐ mittelbar ersichtlich, da die Verwendung dieser Gesten individuellen kultur‐ 6 Ergebnisse der empirischen Untersuchung 290 spezifischen Ausprägungen unterliegt (vgl. Iverson et al. 1999: 62). Die folgenden Beispiele geben einen Einblick in die Verwendung konventioneller Gesten durch die Erzieherinnen sowie deren Funktion in den einzelnen Interaktionskon‐ texten: Beispiel 11 (Transkript 2E12 211 122gespr) ist ein Auszug aus einem kindgerich‐ teten Gespräch der englischsprachigen Erzieherin 2E1, in dem sie die anwe‐ senden Kinder wiederholt ermahnt, mit den Scheren am Basteltisch zu bleiben und nicht mit ihnen durch den Gruppenraum zu laufen. Zur nonverbalen Kon‐ textualisierung ihrer sprachlichen Äußerung setzt sie das Kopfschütteln als konventionelle Geste ein, um dem Kind (K2) das verbal geäußerte Verbot auch visuell zu verdeutlichen (Zeile 20). Schließlich nimmt sie Bezug auf die von K2 geäußerte Einwortäußerung „Rutsche“ (Zeile 19) und kontextualisiert auch hier ihre Antwort mithilfe eines bestätigenden Kopfnickens (Zeile 21). Der Einsatz der konventionellen Gesten des Kopfschüttelns und Nickens eröffnet dem Kind in der vorliegenden Situation demzufolge eine weitere Verstehenshilfe, die es ihm ermöglicht, sich die Handlungsaufforderung auch ohne das wortwörtliche Verständnis der englischsprachigen Äußerung zu erschließen. Auch in Beispiel 12 (Transkript 2E3 041 212gespr) ist eine spezifische Ver‐ wendung konventioneller Gesten zu erkennen. Ähnlich wie in dem zuvor be‐ 6.2 Mikroebene: Sprachliche Gestaltung der Erzieherin-Kind-Interaktionen 291 6.2.1.3 schriebenen Beispiel bettet die deutschsprachige Erzieherin 3E2 ihre Äuße‐ rungen durch den unterstützenden Einsatz nonverbaler Kommunikationsmittel in den Situationskontext ein. So begleitet sie ihre Vermutung, dass K1 die Schuhe nicht ausziehen möchte, zunächst noch etwas vage in Form des Schulterzuckens und anschließendem Kopfschütteln (Zeile 30). Schließlich wiederholt sie das Kopfschütteln, dieses Mal ohne das vage Schulterzucken (Zeile 32), nachdem K3 ein weiteres Mal den Wunsch äußert, K1 die Schuhe ausziehen zu wollen (Zeile 31). Die konventionellen Gesten werden in den vorgestellten Beispielen demzu‐ folge sowohl von der englischals auch von der deutschsprachigen Erzieherin sprachbegleitend und unterstützend eingesetzt. Den konventionellen Gesten, wie dem Schulterzucken oder Nicken, kommt daher die Funktion zu, die verbale Botschaft durch eine zusätzliche nonverbale Verstehensebene zu untermauern bzw. zu intensivieren (siehe auch Ritterfeld 2000: 412). So kann durch die zu‐ sätzliche nonverbale Kontextualisierung einer sprachlichen Äußerung gewähr‐ leistet werden, dass zwar nicht das wortwörtlich Gesagte, wohl aber die Bedeu‐ tungsabsicht transportiert werden konnte (vgl. Weitz et al. 2010: 15). Die ver‐ schiedenen gestischen Mittel, die von den Erzieherinnen zur Kontextualisierung eingesetzt werden, konstituieren zusammenfassend nonverbale Gerüste, die den Kindern ein zusätzliches Sicherheitsnetz (safety net) (Kersten et al. 2010a: 109; Steinlen et al. 2013: 87) bei der Bedeutungserschließung des kindgerichteten Inputs der Erzieherinnen bieten. Redundanz Während durch die zuvor beschriebenen Realisierungsformen der Kontextua‐ lisierung nonverbale Gerüste um eine Äußerung aufgebaut werden, wurden im Zuge der Mikroanalyse zudem spezifische sprachliche Merkmale des Inputs der Erzieherinnen untersucht, die als Teil des verbalen scaffoldings zu verstehen sind. In diesem Zusammenhang zeichnet sich die Sprachverwendung der Er‐ zieherinnen in den kindgerichteten Interaktionen durch eine ausgeprägte Re‐ dundanz aus. Der Begriff der Redundanz referiert im vorliegenden Forschungs‐ kontext auf das sprachliche Phänomen, dass die Erzieherinnen ihre Aussagen komplett oder teilweise wiederholen sowie Paraphrasierungen und weitere Formen von Umformulierungen an ihren Äußerungen vornehmen. Durch den Einsatz dieser Modifizierungsstrategien sind die Gesprächsbeiträge der Erzie‐ herinnen insofern redundant, als dass sie eine vergleichsweise geringe Infor‐ mationsdichte aufweisen und die Kinder dementsprechend dieselben Inhalte in verschiedenen sprachlichen Formen präsentiert bekommen. Auf diese Weise werden den Kindern vielfältige Möglichkeiten dargeboten, die (Immer‐ 6 Ergebnisse der empirischen Untersuchung 292 6.2.1.3.1 sions-)Sprache zu verstehen und zu entschlüsseln (vgl. Tardif 1994: 470). Dem Merkmal der Redundanz wird in dem vorliegenden Forschungskontext folglich ein spracherwerbsfördernder und „lehrender Wert“ (Szagun 2006: 173) zuge‐ sprochen, da dem Kind weitere Chancen zur Informationsverarbeitung ange‐ boten werden, die ihm beim ersten Hören entgangen sind (vgl. Kersten et al. 2010a: 105 f.; Ritterfeld 2000: 415; Steinlen et al. 2013: 83). Im folgenden Teilka‐ pitel werden daher die sprachlichen Mittel, die die Erzieherinnen des bilingualen TU -Kinderhauses in der Interaktion mit den Kleinkindern zum Herstellen von Redundanz nutzen, an verschiedenen Datenbelegen herausgearbeitet. Wiederholung der eigenen Äußerung Zum Herstellen von Redundanz nutzen die Erzieherinnen in den untersuchten Ausschnitten des bilingualen Kita-Alltags insbesondere die Selbstwiederholung bzw. die Wiederholung ihrer eigenen Äußerungen. Im Rahmen des analysierten Datenkorpus stellt die Selbstwiederholung das bevorzugte sprachliche Mittel dar, um Redundanz in die kindgerichtete Sprache einzubauen. Die folgenden Beispiele veranschaulichen exemplarisch, in welchen Interaktionskontexten diese auftreten und welche Funktionen ihnen in den jeweiligen Sequenzen zu‐ kommen: 6.2 Mikroebene: Sprachliche Gestaltung der Erzieherin-Kind-Interaktionen 293 In Beispiel 13 (Transkript 2 EP 2 911 121gespr) sucht das anwesende Kind K2 nach einer Erzieherin, die gerade den Gruppenraum verlassen hat und möchte ihr durch das Fenster des Gruppenraums hinterherschauen. Die englischsprachige Erzieherin 2 EP weist K2 schließlich darauf hin, dass es an dem falschen Fenster steht und zu dem anderen Fenster gehen soll (Zeile 24). Da K2 auf diesen Hinweis zunächst nicht reagiert, fordert Erzieherin 2 EP die kindliche Aufmerksamkeit durch die mehrmalige und direkte namentliche Ansprache von K2 offensiv ein (Zeile 25-27). Erst nach dieser Aufmerksamkeitsfokussierung wendet sich K2 Erzieherin 2 EP zu (Zeile 28). Den gemeinsamen Aufmerksamkeitsfokus mit dem Kind nutzt 2 EP , um ihre Aussage mit dem Hinweis auf das andere Fenster zu wiederholen (Zeile 30), so dass K2 eine weitere Möglichkeit erhält, die verbal dargebotenen Informationen durch das zweite Hören zu verarbeiten (vgl. Tardif 1994: 476). Die Wiederholung ihrer eigenen Äußerung begleitet 2 EP zudem durch eine referentielle Zeigegeste auf das andere Fenster (Zeile 29). In Folge der Äußerungswiederholung sowie der parallel dazu eingesetzten deiktischen Geste geht K2 schließlich zu dem Fenster, durch das es die Erzieherin auf dem Flur sehen kann (Zeile 33). Zwar ist anhand der kindlichen Reaktion nicht zu rekonstruieren, ob K2 die verbale Botschaft aufgrund der redundanten Elemente der Gesprächs, d. h. der beschriebenen Selbstwiederholung der Erzieherin (Zeile 24 u. Wiederholung in Zeile 30), aufgrund der zusätzlichen gestischen Kontex‐ tualisierung (Zeile 29) oder aber infolge der Aufmerksamkeitsfokussierung ver‐ standen hat, es ist jedoch anzunehmen, dass insbesondere diese beschriebene Kombination aus redundanten, kontextualisierenden sowie aufmerksamkeits‐ lenkenden Mitteln K2 schließlich beim Dekodieren der kommunikativen Ab‐ sicht von Erzieherin 2 EP geholfen hat. Auch Beispiel 14 (Transkript 3E3 171 012lit) weist redundante Elemente auf, der Verwendungskontext bzw. die Funktion der Wiederholung der eigenen Äu‐ ßerung ist in dieser Sequenz jedoch ein anderer. Während Erzieherin 2 EP in Beispiel 13 bemerkt hat, dass ihre erste Äußerung von dem Kind überhört bzw. nicht wahrgenommen wurde und daraufhin ihre Äußerung wiederholt, handelt es sich bei diesem Sequenzausschnitt um ein Beispiel, in dem die Erzieherin 3E3 ihre Äußerung wiederholt, ohne dass von kindlicher Seite Nicht-Verstehen sig‐ nalisiert wird. Die Äußerung der Erzieherin (Zeile 11) sowie die Wiederholung dieser Äußerung (Zeile 12) weisen spezifische suprasegmentale Markierungen 6 Ergebnisse der empirischen Untersuchung 294 6.2.1.3.2 auf. Während in der ersten Äußerung das Verb „fliegt“ suprasegmental betont wird (Zeile 11), verschiebt sich die lautliche Markierung in der Wiederholung von dem Verb auf das Substantiv „Vogel“ (Zeile 12). Durch diese spezifische Verwendung der lautlichen Akzentuierungen in der Äußerungsabfolge werden jeweils unterschiedliche Einzelaspekte der Äußerung betont. Die Wiederholung der Äußerung dient in dem vorliegenden Verwendungskontext demzufolge dazu, unterschiedliche Elemente hervorzuheben und die kindliche Aufmerk‐ samkeit auf diese zu lenken. Zusätzlich zu dieser spezifischen Funktion kann auch hier, ähnlich wie in Beispiel 13, davon ausgegangen werden, dass die kind‐ lichen Verstehens- und Verarbeitungsmöglichkeiten durch die nochmalige Dar‐ bietung des turns erhöht werden können. Paraphrasierung Des Weiteren kann durch die Verwendung von Paraphrasierungen bzw. Um‐ formulierungen Redundanz in den kindgerichteten Input eingebaut werden. Zwar stellen auch Paraphrasen eine Art Wiederholung dar, doch handelt es sich dabei im Vergleich zu den Selbstwiederholungen um keine wörtlichen Wieder‐ holungen einer zuvor getätigten Aussage, sondern um die zweite Wiedergabe eines sprachlichen Ausdrucks mit anderen Worten (vgl. Höhle 2010: 239 f.). Pa‐ raphrasen werden im Kontext der vorliegenden Untersuchung daher als modi‐ fizierte Wiederholung und Umformulierung der eigenen Aussage, wobei die Äußerungen jedoch inhaltlich deckungsgleich bleiben, definiert. Dies wird an‐ hand der folgenden Beispiele verdeutlicht: 6.2 Mikroebene: Sprachliche Gestaltung der Erzieherin-Kind-Interaktionen 295 Beispiel 15 (Transkript 2E12 211 121gespr-5) ist einem Gespräch zwischen der englischsprachigen Erzieherin 2E1 mit einem Kind entnommen. Auf die Nach‐ frage der Erzieherin 2E1, ob sich K1 zuhause verletzt habe (Zeile 15), folgt zu‐ nächst eine dreisekündige Pause (Zeile 16), bevor 2E1 ihre Frage in modifizierter Form wiederholt. Die Erzieherin paraphrasiert ihre ursprüngliche Frage mithilfe mehrerer Umformulierungen (Zeilen 18-20), indem sie K1 fragt, ob es einen Kühlakku bekommen habe (Zeile 18). Zur weiteren Umschreibung nutzt sie im darauffolgenden turn auch onomatopoetische Ausdrücke in Form der lautna‐ chahmenden Substantivierung „Ow“ (Zeile 19; dt. „Aua“), um ihre Frage auf kindgerechte Weise verständlich zu machen. Schließlich nähert sie sich der For‐ mulierung ihrer Ausgangsfrage an, indem sie nach den verschiedenen darge‐ botenen Umformulierungen nochmals fragt, ob K1 sich wehgetan habe (Zeile 20). Zwar reagiert K1 auch im weiteren Gesprächsverlauf nicht direkt auf diese Fragen, sondern schließt mit einer Bemerkung zu dem Kühlakku an (Zeile 21), dennoch schaffen die aufgezeigten redundanten Gesprächselemente (Zeile 18- 20), die die Fachkraft mittels Paraphrasierungen entwickelt, zusätzliche poten‐ tielle Verstehenshilfen, die dem Kind die zu transportierenden Inhalte näher‐ bringen. Dem Ausschnitt in Beispiel 16 (Transkript 3E2 251 012gespr BK ) ist eine Dis‐ kussion vorausgegangen, in der die deutschsprachige Erzieherin 3E2 das an der Interaktion beteiligte Kind K1 bittet, Spielfahrzeuge (u. a. den Bagger) an die anderen Kinder abzugeben, woraufhin K1 jedoch erwidert, dass es den Beton‐ mischer für K3 reserviert habe. Erzieherin 3E2 versucht ihm daraufhin zu er‐ klären, dass K3 nicht da ist (Zeile 24). Auch hier enthalten die entsprechenden Gesprächsbeiträge der Erzieherin redundante Elemente, die die Hauptaussage, dass K3 heute nicht in der Gruppe anwesend ist, mithilfe mehrerer modifizierter Wiederholungen paraphrasieren. So erklärt die Erzieherin im Folgenden, dass K3 in einer anderen Gruppe (Zeile 25) und zwar in der gelben Gruppe ist (Zeile 26), wodurch ihre ursprüngliche Aussage nicht nur umschrieben, sondern für 6 Ergebnisse der empirischen Untersuchung 296 6.2.1.3.3 K1 nochmals konkretisiert und begründet wird. Die dritte Umschreibung bewegt sich hingegen wieder auf einer allgemeineren Ebene und nähert sich in ihrer Formulierung „die kommt gar nicht“ (Zeile 27) wieder in Form eines Rückbezugs der ursprünglichen Formulierung. Bezüglich der Verwendung der Paraphrasen lassen sich in den angeführten Beispielen 15 und 16 sowohl Parallelen als auch Unterschiede aufdecken. Zu‐ nächst weist die Abfolge der Paraphrasierungen in den beiden Beispielen eine überraschend ähnliche Struktur auf. In beiden Beispielen folgen auf die Kern‐ aussage Umschreibungen, die sich aus einem Dreischritt an modifizierten Wie‐ derholungen dieser Aussage zusammensetzen. Die dritte und letzte dieser Um‐ formulierungen weist wiederum sowohl bei der englischals auch bei der deutschsprachigen Erzieherin eine Annäherung an die ursprüngliche Formu‐ lierung auf. Der wesentliche Unterschied zwischen den beiden Beispielen be‐ steht hingegen in der jeweiligen Diskursfunktion der Paraphrasierungen. Wäh‐ rend die englischsprachige Erzieherin 2E1 unter Zuhilfenahme von Paraphra‐ sierungen Redundanz schafft, um das Sprachverständnis in der neuen Immersionssprache auf kindlicher Seite zu sichern - für diese Hypothese spricht insbesondere die mehrsekündige Gesprächspause, in der die Erzieherin offenbar auf eine Antwort wartet (vgl. Zeile 16 in Beispiel 15) - scheint der Einsatz der Paraphrasierungen in Beispiel 16 in erster Linie persuasive Funktion zu haben. Hier stellt nicht die Verständnissicherung auf sprachlicher Ebene, sondern die Überzeugung K1s, eines der Spielgegenstände abzugeben, den Grund für den Einbau der Redundanz dar. Erzieherin 3E2 liefert hier eine Abfolge mehrerer turns mit weitestgehender Bedeutungsgleichheit (Zeile 24-27), die jedoch ihre Erstaussage untermauern und diese in Form von weiterführenden Erklärungen und Konkretisierungen intensivieren. Offenbar erkennt die Fachkraft hier, dass es mehr als einer Erklärung bedarf, um K1 von dem Abgeben des Spielzeugs zu überzeugen. Aus dieser funktional-vergleichenden Perspektive wird ersichtlich, dass die Verwendung der Paraphrasen zwar in beiden Beispielen Redundanz in dem kindgerichteten Input der Erzieherinnen schafft, die jeweilige Funktion der Paraphrasen jedoch in höchstem Maße kontextgebunden, d. h. von Faktoren wie der kindlichen Partizipation sowie der inhaltlichen Gesprächsebene der jewei‐ ligen Situation abhängig, ist. Expansion der eigenen Äußerung Die zuvor beschriebenen redundanten Merkmale zeichnen sich dadurch aus, dass gleiche Inhalte entweder wörtlich (Wiederholungen) oder umformuliert und mit anderen Worten (Paraphrasierungen) wiedergegeben werden. Zusätz‐ lich dazu weist das analysierte Korpus jedoch auch Gesprächsbeiträge auf, in 6.2 Mikroebene: Sprachliche Gestaltung der Erzieherin-Kind-Interaktionen 297 denen der Input der Erzieherinnen zwar redundante Merkmale enthält, die wie‐ derholten Passagen der Äußerung jedoch gleichzeitig fortgeführt werden. Diese Äußerungen, „that fully repeat and expand the prior utterance” (Hoff-Ginsberg 1985: 373), werden als Expansionen (=Erweiterungen) und aufgrund der Kom‐ bination redundanter und neuer Informationen auch als „erweiterte Redundanz“ (Ritterfeld 2000: 415) bezeichnet. Im Folgenden werden daher Beispiele aus dem Datenkorpus präsentiert, in denen die Erzieherinnen ihre eigenen Äußerungen expandieren und damit eine erweiterte Form von Redundanz herstellen: In Beispiel 17 (Transkript 3E3 171 012lit) betrachten die deutschsprachige Erzie‐ herin 3E3 und K1 gemeinsam ein Bilderbuch. Zunächst benennt Erzieherin 3E3 das Tier, auf das K1 mittels einer Zeigegeste hinweist (Zeile 49). Da die Bezeich‐ nung für das abgebildete Tier „Fisch“ hier erstmals in der Situation genannt wird, wird es von 3E3 zusätzlich durch einen Wortakzent markiert (Zeile 50). In ihrem nächsten turn greift sie ihre eigene unmittelbar zuvor geäußerte Proposition nochmals auf, indem sie diese wiederholt und zugleich inhaltlich erweitert (Zeile 51). Die nochmalige explizite Benennung des Fisches stellt das redundante Ele‐ ment, die neu hinzugefügte und präzisierende Information, dass dieser im Wasser schwimmt, die Erweiterung in diesem Gesprächsbeitrag dar. Interes‐ santerweise werden in der expandierenden Äußerung (Zeile 51) nicht länger die redundanten Elemente, sondern die im Zuge der Expansion neu hinzugefügte Information „der schwimmt im WASSER “ mithilfe eines Wortakzents betont. Auf diese Weise werden die dargebotenen Informationen nicht nur in über‐ schaubaren Einheiten präsentiert, sondern der Aufmerksamkeitsfokus des 6 Ergebnisse der empirischen Untersuchung 298 Kindes durch die Akzentverschiebung gezielt auf die neu hinzugefügte Infor‐ mation gelenkt. Beispiel 18 (Transkript3E1 311 012fikt) zeigt einen Ausschnitt aus einem in der Spielküche stattfindenden Fiktions- und Rollenspiel zwischen der englisch‐ sprachigen Erzieherin 3E1 und K2. Die Erzieherin versucht K2 in der vorlie‐ genden Sequenz zu erklären, dass sie ihren Kaffee nicht aus einem Sieb (Zeile 243-246), sondern aus einer Tasse trinken möchte (Zeile 247). Das lautlich markierte Schlüsselwort „cup“ wird hier wiederum von K2 aufgegriffen und als eine Art Verständnisnachfrage an 3E2 zurückgegeben (Zeile 248). In dem da‐ rauffolgenden Gesprächsbeitrag bestätigt 3E2 zunächst die kindliche Äußerung in Form einer Wiederholung sowie eines bestätigenden Nickens (Zeile 249). Im Anschluss erweitert sie ihre eigene Äußerung, indem sie „a cup“ als redundantes Element aufgreift und es um die Präposition „in“ erweitert (Zeile 250). Auf diese Erweiterung folgt unmittelbar eine weitere Expansion durch die Ergänzung „a coffee in a cup“ (Zeile 251). Die hier beschriebene Äußerungsabfolge konstituiert sich aus einem Dreischritt aus Imitation und anschließender schrittweise Er‐ weiterung der Äußerung um jeweils ein neues Element. Auf diese Weise wird die Komplexität der Äußerung kontinuierlich, jedoch auf eine für das Kind nachvollziehbare Weise, gesteigert. Das Kind kann folglich - vorausgesetzt, es hat die erste Proposition verstanden - die Aufmerksamkeit in den Erweite‐ rungen schrittweise auf die neuen, nicht-redundanten Informationen richten (siehe auch Ritterfeld 2000: 415). Zudem ist anzunehmen, dass die Informati‐ onsverarbeitung durch die Darbietung in kleineren Informationseinheiten er‐ leichtert wird (vgl. ebd.). Der Aufbau der Expansionen sowie insbesondere der Dreischritt, bzw. die Abfolge gleich mehrerer Erweiterungen in Beispiel 18, erinnern wiederum an die in der soziokulturellen Theorie entstandene Metapher des scaffoldings. Der Informationsgehalt in den beschriebenen Expansionen folgt einem systemati‐ schen und schrittweisen Aufbau, indem nach und nach neue Satzteile und zu‐ sätzliche, z. B. präzisierende, Informationen, wie ein rahmengebendes Gerüst um eine ursprüngliche Proposition errichtet werden. Die Expansionen bilden demzufolge verbale Gerüste, von denen in den interaktionistischen Ansätzen eine unterstützende Wirkung auf den kindlichen (bilingualen) Spracherwerb angenommen wird (vgl. Kersten et al. 2010a: 109; Steinlen et al. 2013: 87). Zusammenfassend haben die in diesem Teilkapitel beschriebenen Datenbe‐ lege verdeutlicht, dass die Sprache der Erzieherinnen in der untersuchten im‐ mersiv-bilingualen Krippeneinrichtung ein eigenes sprachliches Register dar‐ stellt, das sich durch spezifische sprachliche Merkmale auszeichnet. So scheinen zunächst die Fokussierung der kindlichen Aufmerksamkeit sowie das Herstellen 6.2 Mikroebene: Sprachliche Gestaltung der Erzieherin-Kind-Interaktionen 299 6.2.2 eines gemeinsamen Aufmerksamkeitsfokus wesentliche Funktionen der kind‐ gerichteten Sprache in der Interaktion mit den Unterdreijährigen zu sein. Des Weiteren wird der kindgerichtete Input zu einem hohen Maße kontextualisiert verwendet, da die Erzieherinnen ihre verbalen Aussagen zusätzlich auf nonver‐ baler Ebene mithilfe von referentiellen, symbolischen sowie konventionellen Gesten begleiten, um die Sprechakte so für das Kind verständlicher zu machen. Neben der Aufmerksamkeitslenkung und nonverbalen Kontextualisierung weist die Sprache der Erzieherinnen, so wurde im letzten Abschnitt dieses Ka‐ pitels herausgearbeitet, verschiedene redundante Elemente auf. Diese werden sprachlich als Selbstwiederholungen, Paraphrasierungen oder Expansionen re‐ alisiert und können in den Interaktionen die kindlichen Verständnismöglich‐ keiten und -chancen durch die wiederholende und kleinschrittige Präsentation von Informationen erhöhen. Gleichzeitig kann anhand der vorgestellten Da‐ tenbelege nachvollzogen werden, dass die beschriebenen Input-Charakteristika nicht isoliert voneinander, sondern oftmals in Kombination auftreten und sich in den konkreten Interaktionskontexten überlappen. So wird beispielsweise die kindliche Aufmerksamkeit mithilfe von attention devices und suprasegmentalen Markierungen auf bestimmte Sachverhalte und sprachliche Strukturen gelenkt, die verbalen Äußerungen jedoch parallel dazu mittels gestischer Mittel unter‐ stützend kontextualisiert. Gesprächsevozierende Äußerungen Im Zuge der interaktionistischen spracherwerbstheoretischen Verortung der Studie (vgl. Kapitel 4) wurde dargelegt, dass die Möglichkeiten der Lernenden zur eigenen Sprachproduktion einen bedeutsamen Faktor für den Spracherwerb darstellen. In diesem Zusammenhang heben insbesondere die Output-Hypo‐ these (Swain 1995) sowie die Interaktions-Hypothese (Long 1996) die Relevanz der eigenen Sprachproduktion für den Spracherwerb hervor. Dem kindgerich‐ teten Input von ErzieherInnen kommt infolge dieser spracherwerbstheoreti‐ schen Annahmen eine aktivierend-initiierende Rolle zu, der „dem Kind Gele‐ genheiten zur eigenen Sprachproduktion im Rahmen eines Dialogs“ (Ritterfeld 2000: 408) eröffnen sollte. Vor diesem Hintergrund wurde im Zuge der Mikro‐ analyse untersucht, mithilfe welcher Interaktionsformen die Erzieherinnen des TU -Kinderhauses die Kinder ermutigen, sich in den gemeinsamen Interaktionen 6 Ergebnisse der empirischen Untersuchung 300 106 Wichtig ist in diesem Kontext der Hinweis, dass ErzieherInnen zwar zur aktiven Sprachverwendung anregen und zur aktiven Teilhabe an der Interaktion ermutigen, die kindliche Sprachproduktion jedoch niemals erzwingen sollten (vgl. Wode 2001: 5, zitiert nach Weitz et al. 2010: 19). 6.2.2.1 6.2.2.1.1 sowohl verbal als auch nonverbal zu verständigen. 106 Im Folgenden werden daher zentrale Analyseergebnisse zu den von den Erzieherinnen eingesetzten und die kindliche Sprachproduktion stimulierenden eliciting techniques (Zydatiß 2000: 75), auch conversation eliciting utterances (Hoff-Ginsberg 1991: 787) oder „initiativen Äußerungen“ (Kiening 2011: 74) vorgestellt. Gesprächsevozierendes Frageverhalten Fragen von Bezugspersonen, wie Eltern oder ErzieherInnen, liefern im Rahmen von Interaktionsprozessen wesentliche Gesprächsimpulse und helfen, das Kind für die aktive Beteiligung an der Interaktion zu gewinnen (vgl. Kolonko 2011: 163; Tardif 1994: 474). Dennoch unterscheiden sich verschiedene Frageformen hinsichtlich des impliziten Anregungsniveaus, d. h. bezüglich der gesprächs‐ evozierenden Wirkung, die von den einzelnen Fragen ausgeht (vgl. Ritterfeld 2000: 416). Die in dem Datenkorpus identifizierten Fragen wurden daher zu‐ nächst unter funktionalen Gesichtspunkten beschrieben - die entsprechende Kategorisierung orientiert sich an dem Vorschlag von Hoff-Ginsberg (1986), - und zudem wurde das individuelle Anregungsniveau der verschiedenen Frage‐ formen unter Einbezug des kindlichen Antwortverhaltens erörtert. Echte Fragen Echte Fragen dienen dem wirklichen Informationsgewinn (vgl. Hoff-Ginsberg 1986: 157; Kiening 2011: 78). Die Antwort ist dem / der InteraktionspartnerIn daher - anders als bei Testfragen oder rhetorischen Fragen - nicht bekannt. Die folgenden Beispiele aus dem Datenkorpus geben einen Einblick, wie echte Fragen in alltagsintegrierten Interaktionskontexten im bilingualen TU -Kinder‐ haus realisiert werden: 6.2 Mikroebene: Sprachliche Gestaltung der Erzieherin-Kind-Interaktionen 301 Beispiel 19 (Transkript 3E2 181 012lit) ist ein Auszug einer Literacy-Aktivität. Die in dem Bilderbuch enthaltenen Illustrationen werden zunächst von der deutschsprachigen Erzieherin 3E2 beschrieben und die kindliche Aufmerksam‐ keit dabei durch die Verwendung von reference language und deictic terms („hier“; Zeile 133 f.) gezielt auf einzelne Ausschnitte der Abbildungen sowie durch die lautliche Akzentuierung relevanter Schlüsselwörter (Zeile 133 f., 137) gezielt auf die wesentlichen Informationen und zentralen sprachlichen Struk‐ turen gelenkt. Referentielle Gesten unterstützen zusätzlich den Bezug zwischen der Beschreibung der Erzieherin und den entsprechenden Abbildungen im Buch (Zeile 134 f., 138). An die Beschreibung knüpft 3E2 mit einer echten Frage an, indem sie die Kinder ausgehend von dem im Buch illustrierten Dorffest fragt, ob sie auch schon einmal auf einem Fest waren (Zeile 139). Die Frage wird von 6 Ergebnisse der empirischen Untersuchung 302 107 Für jedes Kind der Einrichtung wird ein eigener Ordner angelegt, in dem die Erziehe‐ rinnen besondere Ereignisse (z. B. Sommerfeste, Ausflüge oder Elternnachmittage) in Form von selbst geschriebenen Geschichten und Fotos dokumentieren. Die Ordner sind im Gruppenraum jederzeit für die Kinder zugänglich, so dass das gemeinsame Be‐ trachten und Vorlesen der Ordner einen wesentlichen Bestandteil der Freispielzeit dar‐ stellt. dem anwesenden Kind K1 unmittelbar aufgegriffen. K1 bejaht die Frage nicht nur (Zeile 140), sondern gibt auch eine verhältnismäßig ausführliche Antwort (Zeile 141). Damit liefert die gestellte Frage einen authentischen Gesprächsim‐ puls, der echtes Interesse an den Erlebnissen und Gedanken der Kinder signal‐ isiert (siehe auch Grimm 1999: 60), und K1 zur aktiven verbalen Partizipation an der gemeinsamen Bilderbuchbetrachtung motiviert. Die Antwort nutzt Er‐ zieherin 3E2 wiederum, um mehrere präzisierende und weiterführende An‐ schlussfragen, die ebenfalls über die Ebene des Bilderbuches hinausgehen und als echte Fragen an der Erfahrungs- und Erlebniswelt der Kinder anknüpfen (Zeile 142, 144, 146-148), anzuschließen. Auch Beispiel 20 (Transkript 2 EP 2 811 122lit2) ist einer Literacy-Aktivität ent‐ nommen. In dieser Situation betrachten die englischsprachige Erzieherin 2 EP und K1 gemeinsam den Ordner von K1, so dass die dort eingeklebten Fotos und niedergeschriebenen Lerngeschichten den Ausgangspunkt der Interaktion bilden. 107 Bei der Betrachtung eines Fotos des letzten Elternnachmittags, auf das 2 EP zusätzlich mit einer Zeigegeste hinweist (Zeile 74), fragt sie das beteiligte Kind K1, ob K1s Vater auch an dem Elternnachmittag teilgenommen habe (Zeile 76). Die gesprächsevozierende Wirkung dieser echten Frage wird unmittelbar im Anschluss an K1s Antwort ersichtlich. K1 verneint die Frage zunächst in Form eines vollständigen Satzes, bestärkt dies zusätzlich durch das Kopfschüt‐ teln (Zeile 77) und knüpft schließlich nochmals an die Antwort mit dem Hinweis, dass nur die Mutter an dem Elternnachmittag teilgenommen habe, an (Zeile 80). Die kindlichen Antworten werden von 2 EP wiederum konsequent durch Imitation bzw. die wörtliche Übersetzung ins Englische bestätigt (zu den res‐ ponsiven Elementen des Interaktionsverhaltens siehe Kapitel 6.2.4). So führt auch in dieser Interaktionssequenz das Stellen einer echten Frage zu einem au‐ thentischen kommunikativen Austausch, der über die vorgegebenen Illustrati‐ onen hinausgeht und Kommunikationsprozesse zwischen den InteraktantInnen initiiert. Die anhand der Ankerbeispiele beschriebenen echten Fragen wurden im Zuge der Mikroanalyse als die in dem Interaktionsverhalten der Fachkräfte dominie‐ rende Frageform identifiziert (n=142). Echte Fragen sind in den untersuchten Erzieherin-Kind-Interaktionen wesentlich häufiger als die übrigen, im Fol‐ 6.2 Mikroebene: Sprachliche Gestaltung der Erzieherin-Kind-Interaktionen 303 6.2.2.1.2 genden vorzustellenden Frageformen zu beobachten und stellen demnach die bevorzugte eliciting technique der deutsch- und englischsprachigen Fachkräfte des bilingualen TU -Kinderhauses dar. Neben der gesprächsevozierenden Wir‐ kung echter Fragen veranschaulichen die Datenbelege zudem nochmals das Prinzip des dialogischen Vorlesens. So zeigen die hier präsentierten Ausschnitte aus den Literacy-Sequenzen, dass Bücher nicht nur gemeinsam betrachtet, son‐ dern als konkreter Sprechanlass genutzt werden können (vgl. Kreutzer / Kur‐ tenbach 2013: 180; Kurtenbach et al. 2013: 25). In diesem Zusammenhang dient das Stellen echter Fragen dazu, einen Bezug zwischen den Inhalten und Abbil‐ dungen der Bücher einerseits und der kindlichen Lebensrealität andererseits herzustellen. Demzufolge kann das Anknüpfen an die Erfahrungswelt des Kindes und die Bezugnahme auf das kindliche Vorwissen zugleich als eine Art content scaffolding verstanden werden (vgl. Kersten et al. 2010a: 109; Steinlen et al. 2013: 87). Diese inhaltlichen Gerüste stellen neben den verbalen Scaffol‐ ding-Techniken ein weiteres Mittel dar, um das kindliche Verständnis zu sichern, indem neue Sachverhalte mit bereits vorhandenem Weltwissen der Kinder ver‐ knüpft werden. Testfragen Test- oder auch Quizfragen sind Fragen, die das kindliche Wissen abfragen (vgl. Hoff-Ginsberg 1986: 156). Da die Antwort auf die Frage dem / der Interaktions‐ partnerIn bekannt ist, dienen sie demnach lediglich dazu, eine sprachliche Re‐ aktion auf Seiten des Kindes zu evozieren (vgl. Kiening 2011: 78). Ein authenti‐ scher Informationsaustausch, wie bei den echten Fragen, geht - wie auch die folgenden Beispiele belegen - von den Testfragen hingegen oftmals nicht aus: 6 Ergebnisse der empirischen Untersuchung 304 Sowohl in Beispiel 21 (Transkript 4E21 212 121lit), ein Ausschnitt aus einer Li‐ teracy-Aktivität zwischen der deutschsprachigen Erzieherin 4E2 und einem Kind, als auch in Beispiel 22 (Transkript 2E1 291 112reg), das ein Regelspiel in Form des gemeinsamen Puzzelns eines Kindes mit der englischsprachigen Er‐ zieherin 2E1 darstellt, dienen die von den Erzieherinnen produzierten Fragen in erster Linie als Instrument zur Elizitation korrekter Benennungen durch die Kinder. So zeigt Erzieherin 4E2 in Beispiel 21 auf die abgebildeten Punkte und fragt das beteiligte Kind wiederholt nach den abgebildeten Farben (Zeile 67 / 70). Das Beispiel 22 funktioniert auf ähnliche Weise, indem die englischsprachige Erzieherin 2E1 wiederholt auf verschiedene Puzzleteile zeigt, die von K1 benannt werden sollen (Zeile 21 / 24). Dennoch unterscheiden sich die beiden Beispiele dahingehend, dass in Beispiel 21 der abfragende Charakter der Fragen deutlicher zutage tritt, während die Frage in Beispiel 22 zwar auch eine Testfrage ist, diese in dem vorliegenden Interaktionsausschnitt jedoch zugleich zum Sprachver‐ gleich anregt bzw. die Aufmerksamkeit des Kindes auf metalinguistische und sprachvergleichende Aspekte lenkt. Dieser Datenausschnitt wird daher zudem in Kapitel 6.2.1.1.3 zur Darstellung der metalinguistischen Aufmerksamkeits‐ lenkung als Merkmal des sprachlichen Inputs der Erzieherinnen diskutiert (vgl. Beispiel 6). Bei den kindgerichteten Fragen in Beispiel 21 und 22 handelt es sich um Test- oder Quizfragen, die in den vorgestellten Interaktionsprozessen weniger eine gesprächsevozierende Wirkung denn eine abfragende Funktion übernehmen. Ein authentischer Informationsaustausch, so wie er im Zusammenhang mit den echten Fragen beobachtet werden konnte, entwickelt sich infolge der Testfragen hingegen nicht. Auch an dem kindlichen Antwortverhalten lässt sich ablesen, dass die gesprächsevozierende Wirkung der Testfragen als verhältnismäßig ge‐ ring einzustufen ist. So werden in Beispiel 21 die Fragen nach der Farbe der abgebildeten Punkte in Form von Einwortäußerungen beantwortet (Zeile 68 / 71) und auch das Antwortverhalten in Beispiel 22 ist insofern identisch, als dass sich auch hier die kindliche Sprachproduktion auf die knappe und einwortartige Be‐ 6.2 Mikroebene: Sprachliche Gestaltung der Erzieherin-Kind-Interaktionen 305 nennung der auf den Puzzleteilen abgebildeten Tiere beschränkt (Zeile 23 / 26). Insbesondere im Vergleich mit den kindlichen Reaktionen auf die echten Fragen der Erzieherinnen tritt im Zusammenhang mit den Testfragen folglich ein eher restringiertes Frage-Antwort-Muster zutage. Von den Testfragen wird daher ein begrenzter gesprächsevozierender und interaktionsfördernder Effekt für die Entwicklung der produktiven Sprachkompetenzen der Lernenden angenommen (vgl. Hoff-Ginsberg 1986: 162). Zwar ist dieser Annahme insofern zuzustimmen, als dass die Antwortäußerungen auf die Testfragen hinsichtlich des rein quan‐ titativen Umfangs in dem analysierten Korpus tatsächlich geringer ausfallen als die kindlichen Antworten auf echte Fragen, jedoch sind bei der Interpretation der Ergebnisse auch funktional-pragmatische Aspekte der Sprachverwendung, die insbesondere in den interaktionistisch-soziokulturellen spracherwerbsthe‐ oretischen Ansätzen betont werden (vgl. Kapitel 4.2), einzubeziehen. Aus prag‐ matischer Sicht sind die Einwortantworten der Kinder als Reaktion auf die Test‐ fragen der Erzieherinnen durchaus angemessen. Die Testfragen sind so geartet ist, dass eine knappe und einwortartige Benennung zur Beantwortung der ge‐ stellten Fragen ausreichend ist, und sie keine umfangreichere oder ausformu‐ lierte Antwort erfordern. Verschiedene Forschende kritisieren zudem die Künstlichkeit der Testfragen und den Umstand, dass die dadurch entstehende Interaktionsstruktur vielmehr ein durch Wissenskontrolle geprägtes LehrerInnen-SchülerInnen-Verhältnis als eine den Spracherwerb anregende und stimulierende Lernumgebung zementiert (vgl. Ritterfeld 2000: 416). Es wird angenommen, dass Kinder bereits über ein sensibles Gespür für die Künstlichkeit jener Interaktionskontexte, in denen Sprache nicht als authentisches und dem Informationsgewinn dienendes Kom‐ munikationsmedium, sondern um seiner selbst willen, eingesetzt wird, verfügen (siehe auch Nauwerck 2005: 143; Weitz et al. 2010: 12). Dieser Kritikpunkt kann, auch wenn die Wahrnehmung und das emotionale Empfinden der Kinder in den verschiedenen Interaktionskontexten nicht expliziter Gegenstand der Analyse ist, ausgehend von dem untersuchten Korpus sowie den Eindrücken aus der teilnehmenden Beobachtung in dem Forschungsfeld nicht bestätigt werden. In den analysierten Interaktionssequenzen, in denen die Kinder mit den beschrie‐ benen Testfragen konfrontiert werden, kann keinerlei Unbehagen oder Ableh‐ nung der kindlichen InteraktionspartnerInnen festgestellt werden. In einigen Datenbeispielen scheint es den Kindern im Gegenteil sogar Freude zu bereiten, den Erzieherinnen ihr bereits vorhandenes Wissen (z. B. das Benennen ver‐ schiedener Tiere oder Farben in einem Bilderbuch) kundzutun. 6 Ergebnisse der empirischen Untersuchung 306 108 Die Bezeichnung der Kategorie wurde aus der Originalquelle (Hoff-Ginsberg 1986: 156) übernommen und daher auf eine Übersetzung ins Deutsche verzichtet. 6.2.2.1.3 Action reflective questions Die sogenannten action reflective questions sind Fragen, die das Kind zu seiner aktuellen Tätigkeit befragen (vgl. Hoff-Ginsberg 1986: 156). 108 Die Verwen‐ dungskontexte sowie Funktion dieser Art von Fragen werden im Folgenden an Datenbeispielen aus dem bilingualen TU -Kinderhaus exemplarisch aufgezeigt: 6.2 Mikroebene: Sprachliche Gestaltung der Erzieherin-Kind-Interaktionen 307 In Beispiel 23 initiiert die englischsprachige Erzieherin 2 EP eine Interaktion mit dem anwesenden Kind K1, das zunächst alleine in der Spielküche des Gruppen‐ raums gespielt hat, indem sie K1 zu seiner momentanen Beschäftigung befragt (Zeile 02). K1 wendet sich daraufhin 2 EP zu, bejaht die Frage (Zeile 03) und bringt der Erzieherin schließlich die im Fiktionsspiel zubereiteten Nudeln (Zeile 11). Auch diesen nonverbalen kindlichen Handlungsschritt nutzt 2 EP , um die Interaktion mithilfe einer weiteren action reflective question, indem sie fragt, ob K1 die Nudeln für sie gekocht habe (Zeile 13), aufrechtzuerhalten. Diese Frage wird von K1 nonverbal, indem es 2 EP den Teller mit Nudeln reicht, beantwortet (Zeile 14). Die von Erzieherin 2 EP produzierten Fragen, die sich an dem aktuellen Spiel des Kindes orientieren, dienen in dieser Sequenz folglich dazu, Interesse an der momentanen kindlichen Tätigkeit zu signalisieren und das Kind auf diese Weise zur verbalen und nonverbalen Interaktion zu ermutigen. In Beispiel 24 (Transkript 4E2 051 212gest2) dient das gemeinsame Malen im Rahmen einer gestalterisch-künstlerischen Tätigkeit als Ausgangspunkt der In‐ teraktion. Wie in dem zuvor beschriebenen Beispiel 23 versucht auch hier die Erzieherin 4E2, das Kind mithilfe einer action reflective question dazu zu be‐ fragen, was es gerade gemalt hat (Zeile 05). Gleichzeitig haben die action reflec‐ tive questions von 4E2 in dieser Sequenz hypothesenbildenden Charakter bzw. den Status von Verständnisnachfragen. Da die verbale Partizipation von K1 hier schwer verständlich ist (Zeile 01 f., 04, 06, 10, 13, 17), ist anzunehmen, dass 4E2 6 Ergebnisse der empirischen Untersuchung 308 6.2.2.1.4 die am aktuellen kindlichen Handeln orientierten Fragen nicht ausschließlich nutzt, um Hypothesen über K1s momentane Beschäftigung („Was malt er ge‐ rade? “), sondern auch über die verbalen Äußerungen von K1 im Sinne von hy‐ pothesenbildenden Verständnisfragen aufzustellen (Zeile 05 / 08). Auch im wei‐ teren Verlauf der Sequenz signalisiert die Erzieherin kontinuierliches Interesse an und Nähe zu der kindlichen Tätigkeit, da sie in Form von action reflective questions Vermutungen über die gemalten Objekte von K1 äußert (Zeile 18). Zudem animiert sie K1 wiederholt, über das gemalte Bild zu sprechen (Zeile 11 f.). An der Art und Weise, wie die action reflective questions in die Kommunika‐ tion eingebunden werden, wird deutlich, dass diese spezifische Funktionen in den analysierten Erzieherin-Kind-Interaktionsprozessen übernehmen. Die an der kindlichen Handlung orientierten Fragen demonstrieren persönliches Inte‐ resse und emotionale Nähe der Erzieherinnen an den kindlichen Interaktions‐ partnerInnen. Aus linguistischer Perspektive stellen sie zudem einen natürli‐ chen Gesprächsanlass dar, in dessen Rahmen die action reflective questions nicht um ihrer selbst willen, sondern aus einem genuinen kommunikativen Interesse eingesetzt werden. Darüber hinaus bilden beide Beispiele (23 und 24) jeweils den Anfang längerer Erzieherin-Kind-Interaktionen. Es ist daher anzunehmen, dass das Bekunden von Interesse sowie die Annäherung an die kindliche Hand‐ lung seitens der Erzieherinnen insbesondere für die Initiierung von Interakti‐ onsprozessen bedeutsam sind. In diesem Sinne nutzen die Erzieherinnen die action reflective questions vorrangig zur Gesprächseröffnung, um sich schritt‐ weise in das kindliche Spiel einzubringen und Interaktionsprozesse über für das Kind bedeutungsvolle, relevante und konkrete Themen zu initiieren. Zudem übernehmen die am kindlichen Spiel orientierten Fragen zum Teil Funktionen, die dem der Versprachlichung bzw. dem handlungsbegleitendem Sprechen äh‐ neln (siehe dazu Kapitel 6.2.4.2.2). Durch die Nachfragen zu ihrer momentanen Tätigkeit werden den Kindern die notwendigen sprachlichen Strukturen und insbesondere lexikalischen Mittel präsentiert, die sie benötigen, um ihre eigenen Tätigkeiten später angemessen versprachlichen zu können. Report questions Als weitere Frageform, die das gesprächsevozierende Interaktionsverhalten der Erzieherinnen kennzeichnet, wurden im Zuge der Mikroanalyse Gesprächsbei‐ träge identifiziert, in denen eine Frage in Form einer kommentierenden Aussage getätigt wird. Diese Art von Fragen wird in Anlehnung an Hoff-Ginsberg (1986: 6.2 Mikroebene: Sprachliche Gestaltung der Erzieherin-Kind-Interaktionen 309 109 Die Bezeichnung der Kategorie wurde aus der Originalquelle (Hoff-Ginsberg 1986: 156) übernommen und daher auf eine Übersetzung ins Deutsche verzichtet. 156) als report questions bezeichnet. 109 Die wesentlichen Merkmale und Funkti‐ onen dieser Fragen werden an verschiedenen Beispielen aufgezeigt: Im Rahmen der gemeinsamen Bilderbuchbetrachtung in Beispiel 25 (Transkript 3E3 311 012lit2) beschreibt Erzieherin 3E3 die in dem Buch abgebildeten Illust‐ rationen mithilfe von report questions. So benennt sie die abgebildete Eule (Zeile 66) in Form eines Aussagesatzes, der erst durch das nachträgliche Anhängen des Partikels „gell“ (Zeile 67) und durch das für Fragen charakteristische Anheben der Tonlage gegen Ende des turns den formalen Status einer Frage erhält. Dieser Vorgang wiederholt sich im weiteren Verlauf der Bilderbuchbetrachtung noch‐ mals, als die Erzieherin wiederum in Form eines Deklarativsatzes auf die großen Krallen der Eule verweist (Zeile 71 f.). Auch diese Äußerung wird erst durch das Hinzufügen des Gesprächspartikels „gell“ (Zeile 72) und das Anheben der Stimme zu einer report question. 6 Ergebnisse der empirischen Untersuchung 310 In Beispiel 26 wird die report question von der englischsprachigen Erzieherin 1E1 auf ähnliche Weise realisiert. Die Erzieherin produziert in dieser organisa‐ torischen Interaktionssequenz einen Deklarativsatz, in dem sie die Kinder er‐ mahnt, nicht mehr mit den Spielzeugautos zu werfen (Zeile 14). Dieser erhält durch den nachträglichen Zusatz des Partikels „okay“ (Zeile 15) und auch hier das charakteristische Anheben der Stimme den funktionalen Charakter einer Frage. Die gesprächsevozierende Wirkung der report questions lässt sich wiederum nur in dem jeweiligen Situationskontext und an den Reaktionen der beteiligten Kinder bemessen. In Beispiel 25 beschränkt sich die kindliche Reaktion auf die von 3E3 formulierte report question auf eine bestätigende Einwortäußerung (Zeile 74). In Beispiel 26 bleibt die report question gänzlich ohne kindliche Re‐ aktion, so dass 1E1 ihre Ermahnung schließlich nochmals wiederholen muss (Zeile 20 f.). Infolgedessen motivieren die report questions, die demzufolge le‐ diglich eine Bestätigung als einzige Antwortoption zulassen, nur in begrenztem Maße zur kindlichen Sprachproduktion. Die gesprächsevozierende Wirkung jener Fragen ist daher insbesondere im Vergleich mit den echten Fragen und den action reflective questions als gering einzuschätzen. Vielmehr übernimmt diese Art von Fragen in dem kindgerichteten Input der Erzieherinnen eine intensi‐ vierende Funktion. Die Deklarativsätze der Erzieherinnen, die ansonsten wo‐ möglich von den Kindern unbemerkt bleiben, werden durch die Gesprächspar‐ tikel intensiviert und durch die Formulierung als Frage eher von den Kindern wahrgenommen. In diesem Zusammenhang legen die Analyseergebnisse nahe, dass den report questions eine aufmerksamkeitserhaltende bzw. aufmerksam‐ keitseinfordernde Funktion zukommt. So möchte Erzieherin 3E3 in Beispiel 25 sichergehen, dass das beteiligte Kind K2 ihr - trotz ihres hohen Redeanteils - weiterhin Aufmerksamkeit schenkt und ihr sprachlicher Input von K2 weiterhin wahrgenommen wird. Durch die Formulierung ihrer Beschreibungen als report questions und die damit verbundene direkte Ansprache von K2 hält sie die Auf‐ merksamkeit und damit die Interaktion aufrecht. In Beispiel 26 scheint die eng‐ lischsprachige Erzieherin allmählich zu bemerken, dass ihre vorausgegangenen Ermahnungen nicht beachtet wurden. Durch die Formulierung ihrer Ermah‐ nung als Frage fordert sie die kindliche Aufmerksamkeit explizit ein; dies wird zusätzlich durch die direkte namentliche Ansprache von K2 intensiviert (Zeile 14). Mit der Verwendung von report questions scheint daher zusammenfassend vor allem die Intention der Erzieherinnen verbunden zu sein, dass ihr Input von den jeweiligen InteraktionspartnerInnen im Sinne der Nachfrage „Hast du mich verstanden? “ bzw. „Hast du gehört? “ wahrgenommen und die Interaktion auf 6.2 Mikroebene: Sprachliche Gestaltung der Erzieherin-Kind-Interaktionen 311 110 Die Bezeichnung der Kategorie wurde aus der Originalquelle (Hoff-Ginsberg 1986: 156) übernommen und daher auf eine Übersetzung ins Deutsche verzichtet. 6.2.2.1.5 diese Weise aufrechterhalten wird. Die genuin gesprächsinitiierende Funktion scheint für das untersuchte Feld ausgehend von der Datenanalyse hingegen eine eher untergeordnete Rolle zu spielen. Prompts Als sogenannte prompts werden in Anlehnung an Hoff-Ginsberg (1986: 156) Fragen bezeichnet, mithilfe derer versucht wird, eine Antwort auf eine zuvor gestellte Frage zu erhalten. 110 Das zentrale Merkmal der prompts ist dement‐ sprechend, dass sie - wie auch an den folgenden Beispielen deutlich wird - nie isoliert realisiert werden, sondern immer als zweite oder weitere nach bereits vorausgegangenen Fragen, auf die keine kindliche Reaktion erfolgt ist: In Beispiel 27 (Transkript 1E10 611 121org) folgt auf die einführende Frage der englischsprachigen Erzieherin 2E1 (Zeile 16), die mit dem anwesenden Kind K1 zum Wickeln gehen möchte, zunächst keine verbale oder nonverbale kindliche Reaktion. Daraufhin produziert die Erzieherin verschiedene prompts, die zwar 6 Ergebnisse der empirischen Untersuchung 312 6.2.2.2 mit der ersten Frage bedeutungsgleich sind, dem Kind jedoch verschiedene mo‐ difizierte Wiederholungen der ursprünglichen Aussage anbieten (Zeile 17 f., 20), um eine Antwort auf die eingangs gestellte Frage zu evozieren. In diesem Interaktionsausschnitt werden die prompts als Wiederholungen der eigenen Äußerung (Zeile 17) und im Folgenden durch Paraphrasierungen der ursprün‐ glichen Äußerung (Zeile 18) sowie partielle Wiederholungen der eigenen Äu‐ ßerung (Zeile 20) realisiert. Zudem werden die prompts durch ein bestätigendes Nicken (Zeile 17) und referentielle Zeigegesten in Richtung des angrenzenden Wickelraums (Zeile 18) begleitet. In Beispiel 28 (Transkript 3E3 311 012funkt), in dem die deutschsprachige Er‐ zieherin 3E3 und das beteiligte Kind K1 über ein Funktionsspiel in Interaktion stehen, werden die prompts in Form von Expansionen der eigenen bzw. der vo‐ rausgehenden kindlichen Äußerung (Zeile 14) sowie einer anschließenden Pa‐ raphrasierung (Zeile 16) realisiert. Als Reaktion auf die verschiedenen Formen von Nachfragen reagiert K1 schließlich mit einer nonverbalen Handlung, indem sie die zuvor weggeworfene Kastanie einsammelt und wieder zurück in die Schüssel legt (Zeile 17 f.). Die Datenbeispiele 27 und 28 verdeutlichen, dass die prompts als Nachfragen zu einer bereits zuvor an das Kind gerichtete Frage mithilfe verschiedener sprachlicher Formen realisiert werden können. Die aufgezeigten Umsetzungs‐ formen, wie etwa Wiederholungen der eigenen Äußerung oder Paraphrasie‐ rungen, weisen dabei Parallelen zu dem bereits beschriebenen Merkmal der Re‐ dundanz auf (siehe dazu die Darstellung in Kapitel 6.2.1.3). Die Verwendung von prompts unter dem gezielten Einbau redundanter Elemente verfolgt in den ana‐ lysierten Interaktionsprozessen zwischen Erzieherin und Kind daher das über‐ geordnete Ziel, das Kind trotz Ausbleiben einer Reaktion auf eine zuvor gestellte Frage mithilfe verschiedener wiederholender und hilfestellender Äußerungs‐ modelle zu eigenen verbalen Äußerungen anzuregen. In diesem Zusammenhang sind die beschriebenen Beispiele auch als anschaulicher Beleg für die Motivation seitens der Erzieherinnen zu werten, die Interaktion auch angesichts einer feh‐ lenden kommunikativen Reaktion des Kindes nicht einzustellen und die ge‐ sprächsevozierenden Elemente ihres sprachlichen Inputs einzuschränken, son‐ dern das kindliche Verständnis und die Möglichkeiten der kindlichen Partizi‐ pation durch die Wiederholung und Umformulierung der Fragen in Form der beschriebenen prompts zu erhöhen. Weitere gesprächsevozierende Äußerungen Neben den verschiedenen gesprächsevozierend-initiierenden Frageformen, die sich in dem Datenkorpus insbesondere in einem hohen Umfang von echten 6.2 Mikroebene: Sprachliche Gestaltung der Erzieherin-Kind-Interaktionen 313 Fragen, report questions sowie action reflective questions und in geringerem Maße auch in Testfragen sowie prompts widerspiegeln, wurden im Zuge der in‐ duktiv-deduktiv orientierten Datenanalyse weitere Äußerungen der pädagogi‐ schen Fachkräfte identifiziert, denen in der Interaktion eine gesprächsevozie‐ rende Funktion zukommt. Diese werden im Folgenden an exemplarischen Da‐ tenbelegen vorgestellt. Beispiel 29 ist bereits bekannt (vgl. Kapitel 6.2.1.1.3; 6.2.2.1.2), soll an dieser Stelle jedoch nochmals aufgegriffen werden, um weitere und bisher noch nicht diskutierte Aspekte dieser Interaktionssequenz aufzuzeigen. Grundsätzlich wurde im Zuge der Ergebnisdarstellung der Anspruch verfolgt, möglichst viel‐ fältige und verschiedene Datenbelege zu präsentieren. Bei der wiederholten Nennung des vorliegenden Beispiels handelt es sich folglich um eine Ausnahme, die in der Einzigartigkeit bzw. Vielschichtigkeit der Interaktionssequenz be‐ gründet liegt, so dass sich verschiedene sprachliche Phänomene gleichermaßen gut anhand des Ausschnitts aufzeigen lassen. Beispiel 29 (Transkript 2E1 291 112reg) ist einer Sequenz entnommen, in der die englischsprachige Erzieherin 2E1 und das beteiligte Kind K1 über ein gemein‐ sames Puzzlespiel in Interaktion stehen. Aus diesem Spiel entwickelt sich eine 6 Ergebnisse der empirischen Untersuchung 314 Art Sprachspiel, bei dem die Erzieherin und das Kind die auf den Puzzleteilen abgebildeten Tiere in ihren jeweiligen Sprachen, d. h. Erzieherin 2E1 auf Eng‐ lisch und K1 auf Deutsch, benennen (der vorausgehende Teil dieser Interakti‐ onssequenz wurde bereits im Zusammenhang mit der metalinguistischen Auf‐ merksamkeitsfokussierung vorgestellt, siehe dazu Beispiel 6). Im Kontext der Stimulierung der kindlichen Sprachproduktion sind insbesondere die Ge‐ sprächsbeiträge der Erzieherin 2E1 in den Zeilen 21 f. sowie Zeile 27 von Inte‐ resse. In diesen turns bietet die Fachkraft eine Art sprachlichen Strukturrahmen an, der von dem Kind lexikalisch, d. h. mit der korrekten Bezeichnung des ab‐ gebildeten Tieres, gefüllt werden soll. Diese lexikalische Lücke wird von der Fachkraft zusätzlich durch eine Sprechpause (Zeile 27) markiert, die dem Kind einen Sprecherwechsel und die Bitte um Vervollständigung der vorbereiteten Äußerung signalisieren soll (siehe auch Södergård 2008: 163). Aus diesem Grund wird diese eliciting technique als request for insertation (Bitte um Vervollständi‐ gung; vgl. Zydatiß 2000: 75), fill in the blank (vgl. Lyster / Ranta 1997: 48) oder, wenn es sich wie in dem vorliegenden Fall um eine zweisprachige Kommuni‐ kationssituation handelt, als request for translation (Bitte um Übersetzung; vgl. Zydatiß 2000: 75) bezeichnet. Die Aufforderung, die lexikalische Lücke nach der Pausensetzung zu füllen, wird durch 2E1 zusätzlich mithilfe eines referentiellen Verweises auf die zu benennenden Puzzleteile unterstützt (Zeile 21, 24). Auf die Darbietung dieses Strukturrahmens in Kombination mit der anschließenden Pausensetzung reagiert K1 schließlich, indem sie zunächst die vermutete („Gi‐ raffe“, Zeile 23) und schließlich die korrekte Übersetzung („Marienkäfer“, Zeile 28) in den von Erzieherin 2E1 dargebotenen Strukturrahmen einsetzt. Beispiel 30 (Transkript 4E21 212 121lit) zeigt eine abgewandelte Form der fill in the blankbzw. request for insertation-Technik. Auch in dieser Literacy-Akti‐ vität gibt die deutschsprachige Erzieherin 4E2 während der interaktiven Bil‐ derbuchbetrachtung zunächst einen Strukturrahmen vor (Zeile 75), lässt diesen jedoch nicht von dem Kind vervollständigen, sondern gibt die korrekte Antwort unmittelbar danach selbst vor (Zeile 76). Eine Erklärung für die von Erzieherin 4E2 eigenständige Vervollständigung des angebotenen Strukturrahmens könnte hier möglicherweise in der Sprachkompetenz des beteiligten Kindes begründet liegen. So wird an den vorausgehenden turns ersichtlich, dass das Kind bereits eine falsche Benennung der abgebildeten Punkte gegeben hat (Zeile 71). Ver‐ mutlich möchte die Erzieherin 4E2 die Bilderbuchbetrachtung hier beschleu‐ nigen, indem sie die Farben aus zeitökonomischen Gründen selbst benennt (Zeile 76). Dieser Eindruck wird zudem durch das sofortige Umblättern der Buchseite unmittelbar im Anschluss an ihre Äußerung unterstrichen (Zeile 77). Dennoch präsentiert 4E2 dem Kind durch den Strukturrahmen und die an‐ 6.2 Mikroebene: Sprachliche Gestaltung der Erzieherin-Kind-Interaktionen 315 schließende Antwort ein sprachliches Äußerungsmodell, das von K2 verarbeitet und gespeichert und später für die eigene Sprachproduktion abgerufen werden kann. An den vorgestellten Beispielen wird deutlich, dass die Pausensetzung und die damit verbundene Aufforderung zum Füllen der lexikalischen Lücke eine Möglichkeit sein kann, mithilfe derer die Fachkräfte die Kleinkinder zur Pro‐ duktion von sprachlichem Output anregen können. Da in den dargebotenen sprachlichen Strukturrahmen jedoch oftmals lediglich ein fehlendes Wort zur Vervollständigung der Äußerung eingesetzt werden muss, scheint dieses Vor‐ gehen nicht zur Evozierung längerer kindlicher Redebeiträge zu animieren. Die gesprächsevozierende Wirkung der request for insertation-Technik ist daher be‐ zogen auf das untersuchte Forschungsfeld als verhältnismäßig gering einzu‐ schätzen. In diesem Zusammenhang ist Weitz (2012: 69) zuzustimmen, die das Potenzial dieses Vorgehens insbesondere darin sieht, den Kindern „die Angst vor der eigenen Sprachproduktion [zu] nehmen, ihnen die Möglichkeit [zu] geben, sprachliche Prozesse zu automatisieren und die Produktion fremder Laute zu trainieren“. Bei der Interpretation der Ergebnisse ist zudem zu berück‐ sichtigen, dass durch das Bereitstellen eines Satzanfangs, der von dem Kind zu beenden ist, die lehrende Intention der sprachlichen Interaktion in den Vorder‐ grund gerückt wird (vgl. Ritterfeld 2000: 413). Zwar kann diese auch spielerisch umgesetzt werden und den Kindern durchaus Freude bereiten (siehe dazu Bei‐ spiel 29), doch findet in diesen Situationen eine explizitere Auseinandersetzung mit Sprache und der Vermittlung von Wissen statt. Die kindliche Wissensan‐ eignung vollzieht sich jedoch vorrangig inzidentell und in alltagsnahen und in‐ haltsbezogenen Kontexten. Dieser Umstand könnte erklären, warum jene ge‐ sprächsevozierenden Äußerungen einen verhältnismäßig geringen Raum in dem analysierten Korpus einnehmen und im Vergleich mit dem zuvor beschrie‐ benen interaktionsinitiierenden Frageverhalten der Erzieherinnen in ihrer Vor‐ kommenshäufigkeit deutlich unterrepräsentiert sind. Aufgrund des höheren Grads an expliziter Wissensabfrage ist anzunehmen, dass die Kinder eine ge‐ wisse kognitive Reife erreicht haben müssen, um die Intention dieser Erzie‐ herin-Äußerungen als Aufforderung zur Interaktion zu verstehen. Diese ist je‐ doch bei den im bilingualen TU -Kinderhaus betreuten Unterdreijährigen noch nicht in dem erforderlichen Maße gegeben. Zur allmählichen Anbahnung eines Bewusstseins für die Funktionsweise und den gesprächsvozierend-initiierenden Charakter der request for insertation-Äußerungen kann die anfängliche Über‐ nahme der kindlichen Antwort durch die Erzieherin wie in Beispiel 30 („blau geworden“, Zeile 76) beitragen. Durch die modellhafte Präsentation der Ant‐ worten werden dem Kind Antwortszenarien simuliert, die es später dazu befä‐ 6 Ergebnisse der empirischen Untersuchung 316 6.2.3 higen können, selbst die Rolle des / der Antwortenden in der Interaktion zu übernehmen. Zusammenfassend, so wurde in diesem Teilkapitel herausgearbeitet, versu‐ chen die deutsch- und englischsprachigen Erzieherinnen des TU -Kinderhauses auf vielfältige Art und Weise, die Kleinkinder in Interaktionsprozesse einzu‐ binden und zur Produktion von sprachlichem Output anzuregen. Insbesondere von echten Fragen, die sich an der Lebenswelt und den Interessen der Kinder orientieren, sowie von den an der derzeitigen Beschäftigung des Kindes ansetz‐ enden action reflective questions scheint eine gesprächsevozierende Wirkung auszugehen, da sie die kindlichen InteraktionspartnerInnen - selbstverständlich auch immer in Abhängigkeit von dem Alter des jeweiligen Kindes - zu eigen‐ ständigen und oftmals auch zu längeren Gesprächsbeiträgen animieren. Diese beiden Frageformen stellen zugleich den Großteil der gesprächsevozierenden Äußerungen der Erzieherinnen in dem untersuchten Korpus dar. Testfragen sowie die request for insertation-Äußerungen scheinen hingegen, wie sich an den knappen Einwortäußerungen der Kinder in den Datenbeispielen ablesen lässt, eher zu einwortartigen Benennungen als zu längeren und freieren Sprachpro‐ duktionen der Kinder zu führen. Dies könnte auf den höheren Grad an Forma‐ lisierung und Explizitheit der Sprachvermittlung in diesen Situationen im Ge‐ gensatz zu den authentischen Gesprächsimpulsen durch z. B. echte Fragen zu‐ rückführbar sein. Aus der Darstellung der report questions als weitere initiierende Frageform ist hervorgegangen, dass diese zwar in ihrer gesprächs‐ evozierenden Wirkung begrenzt sind, dafür aber die Funktion der Versprachli‐ chung und dem handlungsbegleitenden Sprechen in den jeweiligen Situationen übernehmen und dem Kind auf diese Weise einen lexikalisch und strukturell vielfältigen sprachlichen Input bereitstellen können. Vor dem Hintergrund der gesprächsevozierend-initiierenden Elemente des Interaktionsverhaltens wird im nun folgenden Kapitel ein Perspektivwechsel vorgenommen. Im Folgenden wird die kindliche Perspektive fokussiert, indem das Repertoire an Möglichkeiten der verbalen und nonverbalen Partizipation der Kinder an den Interaktionsprozessen eruiert wird. Kindliche Beteiligung an der Interaktion Anders als die interaktionistisch-kognitivistischen Ansätze, die die Rolle der Lernenden größtenteils auf die der Informationsverarbeitenden reduzieren (vgl. u. a. Ohm 2007: 26), die lediglich ein gewisses Maß an Aufmerksamkeit und kognitiver Kapazität zur Verarbeitung des sprachlichen Inputs zur Verfügung 6.2 Mikroebene: Sprachliche Gestaltung der Erzieherin-Kind-Interaktionen 317 6.2.3.1 6.2.3.1.1 stellen müssen (siehe dazu auch die Aufmerksamkeitshypothese nach Schmidt 1990; vgl. Kapitel 4.1.4), sprechen die interaktionistisch-soziokulturellen An‐ sätze den Novizen von Anfang an eine aktive Rolle in ihren eigenen Erwerbs‐ prozessen zu, die sich durch eine fortschreitende Partizipation - von der Fremdzur Selbstregulation - auszeichnet. Infolge der soziokulturellen Verortung der vorliegenden Arbeit sind daher im Vergleich zu kognitivistisch orientierten In‐ teraktionsstudien weniger das Ausmaß an kindlicher Aufmerksamkeit (siehe dazu beispielsweise Ricart Brede 2011: 219 f.; Weitz et al. 2010: 21; Weitz 2012: 71), sondern vielmehr die spezifischen verbalen und nonverbalen Mittel, die das Kind zur Teilhabe an den Interaktionsprozessen mit den deutsch- und englisch‐ sprachigen Fachkräften befähigen, von Interesse. An den verbalen und nonver‐ balen kindlichen Verständigungsmöglichkeiten bzw. der Art der sprachlichen Partizipation, die auch von dem Alter des einzelnen Kindes abhängig sind, lässt sich zudem der Grad der noch bestehenden Fremdregulation in Form der benö‐ tigten sprachlichen Unterstützung des Novizen durch den Experten, hier der Erzieherinnen des TU -Kinderhauses, ablesen (vgl. Senyildiz 2010a: 38). In diesem Sinne dient die Darstellung der kindlichen Teilhabe gleichermaßen als Ausgangs- und Anknüpfungspunkt für die sich anschließende Ergebnisdarstel‐ lung des responsiven Interaktionsverhaltens der Erzieherinnen. Nonverbale Interaktionsbeteiligung Während der für erst-, zweit- und fremdsprachliche Erwerbsprozesse charak‐ teristischen silent period (siehe dazu auch Kapitel 3.1) dienen die rezeptiven Fer‐ tigkeiten aufgrund der noch begrenzten produktiven Sprachkompetenzen als relevanter Gradmesser zur Beurteilung des kindlichen Sprachentwicklungsni‐ veaus (vgl. Nauwerck 2005: 115). Das rezeptive Sprachverständnis lässt sich wiederum anhand der nonverbalen Interaktionsbeteiligung des Kindes ablesen, indem es auf eine verbale Frage oder Aufforderung eine angemessene nonver‐ bale Reaktion zeigt. Das folgende Kapitel trägt daher die zentralen Analyseer‐ gebnisse zu dem Aspekt der kindlichen Interaktionsbeteiligung zusammen und veranschaulicht diese anhand verschiedener Auszüge aus dem Datenkorpus. Referentielle Gesten Nicht nur die untersuchten Erzieherinnen (vgl. Kapitel 6.2.1.2.1), sondern auch die Kleinkinder setzen in der Interaktion zu einem hohen Maße referentielle Zeigegesten ein. Diese zeichnen sich, da sie auf einen in der Situation vorhan‐ denen außersprachlichen Referenten verweisen, durch eine hohe Kontextge‐ bundenheit aus (vgl. Vogt 2007: 14). Als zentrales Ergebnis der Mikroanalyse lässt sich festhalten, dass die kindlichen Zeigegesten das mit Abstand dominie‐ 6 Ergebnisse der empirischen Untersuchung 318 rende nonverbale Mittel sind, das die Kinder in Interaktionen mit den Erziehe‐ rinnen verwenden. In dem analysierten Datenkorpus wurden die referentiellen Gesten auffallend häufig in Literacy-Aktivitäten eingesetzt, so dass deren Ver‐ wendung im Folgenden anhand von Sequenzen, in denen die interaktive Be‐ schäftigung mit dem Medium Buch im Vordergrund steht, veranschaulicht wird: An Beispiel 31 (Transkript 3E1 251 012lit) fällt zunächst auf, dass sich das an der Bilderbuchbetrachtung beteiligte Kind K1 in keinem Gesprächsbeitrag verbal, sondern ausschließlich nonverbal beteiligt. Da Erzieherin 3E1 kontinuierlich die in dem Bilderbuch illustrierten Tiere benennt und dadurch hohe Redeanteile hat, suggeriert die Situation zunächst ein spezifisches Hierarchieverhältnis, das 6.2 Mikroebene: Sprachliche Gestaltung der Erzieherin-Kind-Interaktionen 319 durch eine deutliche Rollenverteilung von Experte vs. Novize geprägt ist. Bei einer genaueren Betrachtung der nonverbalen kindlichen Interaktionsbeteili‐ gung zeigt sich jedoch, dass K1 den Vorgang der gemeinsamen Bilderbuchbe‐ trachtung durch den Einsatz referentieller Gesten maßgeblich steuert. K1 lenkt die Aufmerksamkeit der Interaktionspartnerin durch das Zeigen auf die abge‐ bildeten Tiere gezielt auf die für K1 interessanten Inhalte des Buches (Zeile 15), so dass die Zeigegeste gleichzeitig der indirekten Aufforderung zum Benennen des Tieres durch 3E1 (Zeile 16) dient. Dieses Prinzip wiederholt sich im weiteren Verlauf der Sequenz, indem K1 erneut mit Zeigegesten auf die abgebildeten Tiere verweist (Zeile 21, 24, 27, 29), die daraufhin im jeweils folgenden turn von Er‐ zieherin 3E1 benannt werden (Zeile 22, 25, 28, 30). Auf diese Weise lenkt K1 die Aufmerksamkeit auf bestimmte außersprachliche Referenten und fordert durch die Zeigegesten einen spezifischen sprachlichen Input von 3E1 ein. Zudem steuert sie im Rahmen der Literacy-Aktivität das Tempo der gemeinsamen Be‐ trachtung zusätzlich durch das selbstständige Umblättern der Buchseiten (Zeile 17, 19, 26) sowie das abschließende Zuklappen des Buches (Zeile 31). Die refe‐ rentiellen Gesten übernehmen in dieser Interaktionssequenz daher zusammen‐ fassend eine aufmerksamkeitslenkende und inputeinfordernde Funktion, mit‐ hilfe derer das beteiligte Kind den Interaktionsprozess maßgeblich steuert. Auch Beispiel 32 (Transkript 2E2 221 112lit) stellt einen Auszug aus einer Literacy-Aktivität dar; allerdings zeigen sich in dieser Interaktionssequenz be‐ reits erste verbale Interaktionsversuche des beteiligten Kindes K1. Mithilfe der referentiellen Gesten verweist K1 auch hier auf bestimmte Ausschnitte des Bu‐ ches (Zeile 50), versucht diese jedoch gleichzeitig zu versprachlichen. Die Ver‐ wendung der referentiellen Gesten bildet in diesem Zusammenhang den not‐ wendigen Situationsbezug bzw. Verweis auf die Abbildungen, um die Einwort‐ äußerung des Kindes einordnen zu können (Zeile 50). Diese Einwortäußerung wird schließlich von Erzieherin 2E2 aufgegriffen und in Form einer Expansion zu einer vollständigen Äußerung erweitert (zu den Expansionen kindlicher Äu‐ ßerungen siehe auch Kapitel 6.2.4.1.4.3). Durch die Kombination aus referen‐ tieller Geste und Einwortäußerung gelingt es K1 folglich, eine vollständige Be‐ nennung und anschließende Beschreibung der in dem Buch illustrierten Objekte seitens der Erzieherin zu elizitieren (Zeile 51-53). Diese spezifische Verwendung der referentiellen Gesten wiederholt sich im weiteren Verlauf dieser Interakti‐ onssequenz nochmals. In Zeile 54 verweist K1 mit einer Zeigegeste auf die im Buch abgebildete Kehrmaschine und imitiert die Geräusche derselben mithilfe onomatopoetischer Mittel. Auch dieser Interaktionsversuch, der vor allem auf‐ grund des referentiellen Verweises auf die abgebildete Kehrmaschine verständ‐ lich ist, wird von der Fachkraft wiederum in Form einer Expansion aufgegriffen 6 Ergebnisse der empirischen Untersuchung 320 6.2.3.1.2 und dadurch in die von K1 intendierte Aussageabsicht überführt (Zeile 55-57). Diese beschriebene Abfolge aus kindlicher Zeigegeste und Versprachlichung der Geste bzw. Expansion der kindlichen Einwortäußerung zeigt sich anschließend noch ein drittes Mal (Zeile 58-60). Ausgehend von den Analyseergebnissen zum Einsatz kindlicher Zeigegesten, die an den angeführten Beispielen nachskizziert wurden, lassen sich zentrale und übergreifende Funktionen ableiten. Während die referentiellen Gesten von den Erzieherinnen der Einrichtung sprachbegleitend, d. h. parallel und zur non‐ verbalen Untermauerung der verbalen Botschaften eingesetzt werden und damit eine zusätzliche kontextualisierende Verstehenshilfe bieten, haben die von den Kindern in der Interaktion verwendeten referentiellen Gesten eine primär sprachersetzende Funktion. Sie fungieren in der Interaktion als Platzhalter für lexikalische Lücken und kompensieren damit das noch rudimentäre verbale Ausdrucksvermögen des Kindes. In dieser Funktion können die referentiellen Gesten entweder komplett sprachersetzend eingesetzt werden, so dass sie das ausschließliche Mittel zum Transport der kindlichen Äußerungsabsichten dar‐ stellen (siehe Beispiel 31) oder aber sprachkomplettierend wirken, indem sie die noch begrenzten sprachlichen Ausdrucksmittel (Onomatopoetika, Einwortäu‐ ßerungen) vervollständigen und den kommunikativen Absichten des Kindes den erforderlichen Kontext bieten (siehe Beispiel 32). Zusammenfassend lässt sich daher feststellen, dass den referentiellen Gesten im Rahmen der kindlichen In‐ teraktionsbeteiligung eine zentrale Funktion zukommt, da sie die begrenzten sprachlichen Ausdrucksmöglichkeiten kompensieren bzw. komplettieren. Sie werden von den unterdreijährigen Kindern teilweise bereits zielgerichtet ein‐ gesetzt, um sprachlichen Input einzufordern und bestimmte sprachliche Struk‐ turen bei den Erzieherinnen zu elizitieren. Daher stützen die vorliegenden Er‐ gebnisse die Annahme, dass der Einsatz von Zeigegesten eine wichtige Vorläu‐ ferfähigkeit für den Spracherwerb und insbesondere für den Lexikonerwerb darstellt (vgl. Ritterfeld 2000: 410; Vogt 2007: 15). Symbolische Gesten Als weiteres nonverbales Ausdrucksmittel verwenden die Kleinkinder in der Interaktion mit den Erzieherinnen symbolische Gesten, die - wie die folgenden Beispiele verdeutlichen - eine Handlung, ein Objekt oder eine Eigenschaft bild‐ lich darstellen bzw. simulieren: 6.2 Mikroebene: Sprachliche Gestaltung der Erzieherin-Kind-Interaktionen 321 In Beispiel 33 (Transkript 2E12 211 121gespr-5) versucht K1 der englischspra‐ chigen Erzieherin 2E1 zu erklären, dass es mit einer Schere etwas schneiden möchte und stellt dazu das Schneiden mit einer Schere symbolisch-pantomi‐ misch mithilfe der Finger dar (Zeile 25). Diese symbolische Geste wird von 2E1 jedoch zunächst missverstanden und dahingehend interpretiert, dass K1 sich mit einer Schere in die Finger geschnitten hat (Zeile 26), woraufhin K1 präzisiert, dass es Papier schneiden möchte (Zeile 27). Das Beispiel deutet an, dass das Kind die symbolische Geste zielgerichtet zur Verdeutlichung der kommunikativen Absicht einsetzt. Vor diesem Hintergrund stellt die Nachfrage von Erzieherin 2E1 eine wichtige Rückmeldung dar, da sie dem Kind Feedback dazu gibt, dass sie die Geste anders interpretiert hat als sie von dem Kind gemeint war. In Beispiel 34 (Transkript 3E3 171 012lit) werden im Rahmen einer gemein‐ samen Bilderbuchbetrachtung symbolische Gesten als nonverbales kindliches Ausdrucksmittel eingesetzt. Das an der Interaktion beteiligte Kind K3 stellt die Antwort auf die Frage der Erzieherin, was der Waschbär auf dem Bild macht (Zeile 265), bildlich nach. Indem es die Hände vor den Mund hält (Zeile 266) symbolisiert es, dass der Bär gerade frisst und ergänzt die symbolische Geste mit einer Einwortäußerung („essen“, Zeile 266). Die pantomimische Darstellung der Handlung dient daher als Lückenfüller bzw. der Vervollständigung der Ein‐ wortäußerung und ersetzt damit die noch fehlenden sprachlichen Mittel. Die Kombination aus symbolischer Darstellung und ergänzender Einwortäußerung 6 Ergebnisse der empirischen Untersuchung 322 6.2.3.1.3 wird von 3E3 hier richtig gedeutet und im Anschluss bestätigend und expan‐ dierend aufgegriffen (Zeile 267 f.). An den Beispielen wird zum einen deutlich, dass die Herausforderung be‐ züglich der Verwendung symbolischer Gesten insbesondere darin besteht, dass diese von den Interaktionspartnerinnen in der jeweiligen Situation richtig ge‐ deutet werden müssen, um eine verständnisfördernde Wirkung haben zu können. Dies ist in Beispiel 33 (Zeile 26) zunächst nicht gelungen. Zum anderen veranschaulichen die Transkriptausschnitte, dass die zielgerichtete und eindeu‐ tige Verwendung von Gesten zur Unterstützung verbaler Äußerungen zunächst erlernt werden muss. Da die symbolischen Gesten im Vergleich zu den referen‐ tiellen Gesten weniger kontextgebunden eingesetzt werden und somit einen eher abstrakten und arbiträreren Charakter haben (vgl. Vogt 2007: 14), ist der Bezug zwischen der Geste und dem Objekt bzw. der Handlung, auf die verwiesen wird, nicht immer eindeutig. Die angemessene Verwendung erfordert daher ein gewisses kognitives Entwicklungsniveau und Abstraktionsvermögen, das sich bei den einbis dreijährigen im bilingualen TU -Kinderhaus betreuten Kleinkin‐ dern erst allmählich entwickelt. Vor diesem Hintergrund ist auch zu erklären, dass die symbolischen Gesten von den Kindern deutlich seltener verwendet werden als die zuvor beschriebenen referentiellen Gesten (n=18 vs. n=212). Dennoch ähneln die symbolischen Gesten den referentiellen Gesten aus funk‐ tionaler Sicht insofern, als dass auch diese zu großen Teilen sprachersetzend und zum Füllen sprachlicher Lücken eingesetzt werden. Sie kontextualisieren die zumeist auf Einwortantworten beschränkten verbalen Botschaften der Kinder und verdeutlichen dadurch deren kommunikative Absichten. Die sprachersetzende bzw. sprachkompensierende Funktion, die die kindliche Ver‐ wendung symbolischer Gesten kennzeichnet, stellt zugleich einen wesentlichen Unterschied zu dem Einsatz jener Gesten bei den Erzieherinnen dar. Diese nutzen - so wurde als Merkmal des sprachlichen Inputs der Erzieherinnen he‐ rausgearbeitet - symbolische Gesten sprachbegleitend und -unterstützend, um den kindlichen InteraktionspartnerInnen zusätzlich zu den verbalen Bot‐ schaften eine visuelle Verstehenshilfe anzubieten und ihre vollständigen sprach‐ lichen Aussagen durch einen Situationsbezug zu kontextualisieren (vgl. Ka‐ pitel 6.2.1.2.2). Konventionelle Gesten Neben den referentiellen und symbolischen Gesten verwenden die Kinder in den analysierten Interaktionssequenzen zudem konventionelle Gesten. Hierbei handelt es sich, wie die folgenden Beispiele demonstrieren, um konventionali‐ sierte, oft auch kulturspezifisch erworbene nonverbale Gesten. Dementspre‐ 6.2 Mikroebene: Sprachliche Gestaltung der Erzieherin-Kind-Interaktionen 323 chend ist die Verwendung der konventionellen Gesten bzw. der Bezug zwischen der visuellen Darstellung der Geste und deren zugrunde liegender Bedeutung arbiträrer als die der auf einen konkreten Gegenstand verweisenden referen‐ tiellen oder der pantomimisch-darstellenden symbolischen Gesten (vgl. Vogt 2007: 14). Der situationsangemessene Einsatz der konventionellen Gesten muss daher von den Kindern in der Interaktion mit Bezugsperson (siehe dazu insbe‐ sondere Beispiel 36) zunächst erlernt werden. Die folgenden Beispiele veran‐ schaulichen, wie die konventionellen Gesten von den Kindern verwendet werden: In Beispiel 35 (Transkript 4E2 051 212gest2) zeigt sich im Rahmen einer gestal‐ terisch-künstlerischen Bastelaktivität exemplarisch, wie konventionelle Gesten als Teil des kindlichen Ausdrucksvermögens verwendet werden. Als typische konventionelle Gesten werden in dieser Situation von dem beteiligten Kind K1 das Nicken als Signal der Zustimmung und Bejahung (Zeile 65) sowie das ge‐ genteilige Kopfschütteln als Ausdruck der Ablehnung und Verneinung (Zeile 72) eingesetzt. Die Verwendung dieser nonverbalen Mittel erfolgt dabei sowohl sprachbegleitend, wie bei dem zustimmenden Nicken, das parallel zu einer ver‐ balen Äußerung des Kindes eingesetzt wird und diese unterstreicht (Zeile 65), 6 Ergebnisse der empirischen Untersuchung 324 111 Auch in der Untersuchung von Wörle (2013: 188) wird das Kopfschütteln des Kindes als Teil des nonverbalen kommunikationsstrategischen Verhaltens in bilingualen Kitas beschrieben. als auch sprachkompensierend. Dies ist bei dem Kopfschütteln der Fall (Zeile 72). Der verbale kindliche Gesprächsbeitrag ist an dieser Stelle unverständlich bzw. ohne klar ersichtliche kommunikative Absicht, so dass die konventionelle Geste in diesem Gesprächsbeitrag die wesentliche Verständigungsebene dar‐ stellt. Zudem kann der vorliegende Ausschnitt als ein Beispiel für eine zielge‐ richtete Verwendung der konventionellen Zeichen eingeordnet werden. Die beschriebenen gestischen Mittel stellen in dieser Sequenz eine situationsange‐ messene Antwort auf die von Erzieherin 4E2 in den jeweils vorausgehenden turns gestellten Fragen (Zeile 64, 71) dar und werden daher von dem Kind ziel‐ gerichtet als kommunikatives Mittel eingesetzt. Im Gegensatz dazu kann an Beispiel 36 (Transkript 3E1 241 012org) veran‐ schaulicht werden, dass die konventionellen Gesten sowie deren funktionaler Einsatz in sprachlichen Interaktionsprozessen von den einbis dreijährigen im bilingualen TU -Kinderhaus betreuten Kleinkindern erst allmählich erworben werden. In dieser organisatorischen Sequenz ermutigt die englischsprachige Erzieherin 3E1 das Kind K2, sich nicht noch einmal von K1 den Schnuller weg‐ nehmen zu lassen und verdeutlicht ihre verbale Botschaft dabei durch das warn‐ ende Heben des Zeigefingers (Zeile 10 f.). Daraufhin imitiert K2 die konventio‐ nelle Geste, die Erzieherin 3E1 K2 zuvor präsentiert hat (Zeile 12). Anhand dieser Abfolge aus Präsentation und anschließender Imitation der Geste wird deutlich, dass die Erzieherinnen der Krippeneinrichtung nicht nur in Bezug auf den rein sprachlichen, d. h. verbal produzierten Input, sondern auch hinsichtlich des nonverbalen Inputs und der Verwendung von Gesten eine modellhafte Funktion übernehmen. So scheinen die Kinder die nonverbalen Kommunikationsmittel der Erzieherinnen in gemeinsamen Interaktionsprozessen nicht nur intensiv zu beobachten, sondern beginnen, wie das Beispiel 36 zeigt, diese zu imitieren und für ihre eigenen kommunikativen Absichten einzusetzen. Bezogen auf das gesamte Datenkorpus dominieren bei den konventionellen Gesten einfache Ausdrucksmittel wie das Kopfnicken zur Zustimmung und das Kopfschütteln zur Ablehnung (siehe Beispiel 35). 111 Weitere, vereinzelt auftau‐ chende Gesten sind beispielsweise das Schulterzucken als Ausdruck der Unsi‐ cherheit (siehe dazu Transkript 3E1 311 012fikt, Zeile 252) oder das Winken zur Verabschiedung (Transkript 4E1 131 212fikt BK , Zeile 175). Im Vergleich zu den zuvor beschriebenen gestischen Mittel sind die konventionellen Gesten jedoch deutlich seltener vertreten als beispielsweise die referentiellen Gesten (n=51 vs. n=212). Dies erklärt sich insbesondere aufgrund der Arbitrarität der konventi‐ 6.2 Mikroebene: Sprachliche Gestaltung der Erzieherin-Kind-Interaktionen 325 6.2.3.1.4 onellen Gesten, die es bedingt, dass deren funktional angemessene Verwendung sich erst allmählich in den Erzieherin-Kind-Interaktionen (siehe dazu Beispiel 36) zu entwickeln beginnt. Ausführen einer (Spiel-)Handlung Ob ein Kind einen verbal produzierten Sprechakt, z. B. eine Frage oder eine Auf‐ forderung, einer Fachkraft verstanden hat, lässt sich in erster Linie anhand der nonverbalen kindlichen Reaktion ablesen (vgl. Kiening 2011: 81; Nauwerck 2005: 140). Demnach lässt das nonverbale Verhalten wichtige Rückschlüsse auf die rezeptiven Fertigkeiten eines Kindes zu (vgl. McLaughlin et al. 1995: 7; Wörle 2013: 185-188). Im Folgenden werden daher Situationen des bilingualen Kita-Alltags vorgestellt, in denen das nonverbale kindliche Verhalten Auf‐ schlüsse über das kindliche Sprachverständnis gibt: In Beispiel 37 (Transkript 2E1 201 112fikt) suchen die englischsprachige Erzie‐ herin 2E1 und das anwesende Kind K1 nach einer Puppe. Die rezeptiven Kom‐ petenzen im Englischen lassen sich in dieser Sequenz gleich an zwei kindlichen Reaktion bemessen. Zunächst reagiert K1 auf die Äußerung der Erzieherin 2E1, dass sie die Puppe gefunden habe (Zeile 54), indem es diese unmittelbar darauf vom Boden aufhebt (Zeile 55). Auch auf die anschließende Frage von 2E1, ob sie die Puppe für K1 halten solle (Zeile 58), reagiert K1 nonverbal und übergibt 2E1 die Puppe (Zeile 59). Anhand des nonverbalen Verhaltens des Kindes in diesem 6 Ergebnisse der empirischen Untersuchung 326 Interaktionsausschnitt ist erkennbar, dass es die einzelnen Gesprächsbeiträge der englischsprachigen Fachkraft verstanden hat und in der Lage ist, nonverbal auf die englischsprachigen Aussagen und Fragen zu reagieren. Auch Beispiel 38 (Transkript 2E2 221 112lit) verdeutlicht anhand einer Lite‐ racy-Aktivität, wie Kinder nonverbal, d. h. durch das Ausführen einer (Spiel-)Handlung, an Interaktionsprozessen teilhaben können. Bei der gemein‐ samen Bilderbuchbetrachtung fordert Erzieherin 2E2 die anwesenden Kinder auf, die nächste Seite des Buches aufzuschlagen (Zeile 66, 68). Zwar blättert K2 hier zunächst in die falsche Richtung - K2 blättert im Buch eine Seite zurück anstatt vor (Zeile 69) - doch wird anhand der ausgeführten kindlichen Handlung ersichtlich, dass K2 die verbale Aufforderung von 2E2 grundsätzlich verstanden hat. Nach der nochmaligen Präzisierung von 2E2 (Zeile 70 f.) blättert K2 schließ‐ lich die richtige, d. h. die nächste Seite des Buches auf (Zeile 72). Auch in dieser Sequenz ist die nonverbale Interaktionsbeteiligung des Kindes als Reaktion auf einen verbalen turn der Erzieherin als Indiz für die bereits vorhandenen rezept‐ iven Kompetenzen zu werten. Als übergreifende Erkenntnis lässt sich demzufolge festhalten, dass das non‐ verbale Ausführen einer Handlung als Reaktion auf eine verbale Frage oder Bitte einer pädagogischen Fachkraft nicht nur die bereits vorhandenen rezeptiven Kompetenzen widerspiegelt, sondern die Kinder in Form angemessener non‐ verbaler Reaktionen zudem bereits über ein hohes Maß an Sprachhandlungsfä‐ higkeit verfügen. Auch mit den begrenzten produktiven Sprachkompetenzen werden sie von den Erzieherinnen als aktive InteraktionspartnerInnen wahr‐ genommen, die - wie die oben angeführten Beispiele veranschaulichen - In‐ teraktionsprozesse durch die nonverbale Beteiligung und das Ausführen ange‐ messener Handlungen steuern und voranbringen können. Die hier skizzierte Bedeutung nonverbaler kindlicher Handlungen erinnert zudem an das Prinzip der total physical response (vgl. Asher 1966), welches be‐ reits früh Eingang in die didaktisch-methodischen Prinzipien der frühen Fremd‐ sprachenvermittlung im Primarbereich gefunden hat. Hierbei erlangen Kinder in Spielen wie „Simon says …“ durch das Ausführen der geforderten Handlungen und Bewegungen auch bereits in einem frühen Stadium des Erwerbsprozesses 6.2 Mikroebene: Sprachliche Gestaltung der Erzieherin-Kind-Interaktionen 327 112 Die Methode der total physical response wird dennoch kritisch betrachtet. Die Kritik‐ punkte beziehen sich in erster Linie auf die starke Lehrerzentrierung der Methode sowie die ausschließliche Förderung der Fertigkeit des Hörverstehens (siehe auch Lauerbach 1997: 136). Die Methode sollte daher möglichst mit anderen Ansätzen kombiniert werden, die den Lernenden eine aktivere Rolle in ihrem eigenen Erwerbsbzw. Lern‐ prozess zukommen lassen. 113 In Abgrenzung zu den kindlichen Äußerungen mit erkennbarer kommunikativer Ab‐ sicht wurden unverständliche Äußerungen der Kinder kodiert. Hierbei handelt es sich um kindliche Gesprächsbeiträge, die im Transkript durch eine inhaltsleere Klammer ( ) markiert wurden. An diesen Stellen ist in dem Ausgangsvideo hörbar, dass das Kind bestimmte Laute artikuliert, allerdings sind diese nicht zu identifizieren bzw. ist keine klare kommunikative Absicht in den Verbalisierungen erkennbar (vgl. Kiening 2011: 80). Zum einen könnte dies an technischen Mängeln, d. h. in der mangelnden Tonqua‐ lität der Videodaten, begründet liegen oder aber auch darin, dass Kinder insbesondere zu Beginn der produktiven Sprachverwendung unspezifische Laute äußern, deren kom‐ munikative Absicht nicht eindeutig erschlossen werden kann. 6.2.3.2 6.2.3.2.1 während der charakteristischen silent period ein hohes Maß an sprachlicher Handlungsfähigkeit. 112 Verbale Interaktionsbeteiligung Obwohl die rezeptiven den produktiven kindlichen Sprachkompetenzen bis zum Ende der Kita-Zeit weit voraus sind (für die Entwicklung der L2 Englisch wurde dies beispielsweise von Kersten 2010: 3; Weitz / Rohde 2010: 65; Wode 2009: 88 gezeigt; siehe dazu auch Kapitel 3.1.1) und die Kinder, so wie im Rahmen des vorausgehenden Kapitels aufgezeigt wurde, verschiedene nonverbale Mittel mit überwiegend sprachersetzender Funktion einsetzen, zeigen sich in den Daten bereits eigene Sprachproduktionen der Kinder. Als verbale Interaktionsbeteili‐ gung wurden diesbezüglich eindeutige kindliche Verbalisierungen bezeichnet, denen eine klar erkennbare kommunikative Absicht zugrunde liegt (vgl. Kiening 2011: 81). 113 Im Kontext der frühen und immersiven Fremdsprachenvermittlung ist dabei insbesondere von Interesse, wie die unterdreijährigen Kleinkinder mit dem in der Einrichtung praktizierten Prinzip der funktionalen Sprachentren‐ nung (one person - one language) umgehen, d. h. in welcher Sprache sie sich an die jeweils deutsch- und englischsprachigen Erzieherinnen der Einrichtung wenden und wie sie ihr noch begrenztes Repertoire an verbalen Ausdrucks‐ möglichkeiten dabei einsetzen. Mit den englischsprachigen Erzieherinnen Im Folgenden wird anhand verschiedener Datenbelege veranschaulicht, welche Möglichkeiten die im bilingualen TU -Kinderhaus betreuten Kleinkinder haben, sich in der Interaktion mit den englischsprachigen Fachkräften verbal zu betei‐ 6 Ergebnisse der empirischen Untersuchung 328 6.2.3.2.1.1 ligen. Die Ergebnisdarstellung kreist dabei insbesondere um die Frage, inwie‐ weit die Kinder auf die deutsche Umgebungssprache als Kommunikationsme‐ dium mit den englischsprachigen Erzieherinnen zurückgreifen und in welchen Interaktionskontexten sie bereits erste eigene Versuche der produktiven Ver‐ wendung des Englischen unternehmen. Auch das im Rahmen der frühkindli‐ chen Mehrsprachigkeit bekannte Phänomen des code-mixing wird in diesem Zusammenhang aufgegriffen und hinsichtlich der immersiven Erwerbsbedin‐ gungen der bilingualen Krippeneinrichtung eingeordnet. Nicht-zielsprachliche Äußerungen Ausgehend von der vorgenommenen Mikroanalyse stellt die deutsche Umge‐ bungssprache, die zugleich die Erstsprache vieler Kinder der Einrichtung ist, auch in der Interaktion mit den englischsprachigen Erzieherinnen das bevor‐ zugte verbale Kommunikationsmedium der Kinder dar. Die folgenden Beispiele veranschaulichen, wie diese zweisprachigen Kommunikationssituationen und die zugrunde liegende Sprachenverteilung von den beteiligten Interaktions‐ partnerInnen gestaltet werden: 6.2 Mikroebene: Sprachliche Gestaltung der Erzieherin-Kind-Interaktionen 329 In Beispiel 39 (Transkript 4E1 131 212fikt BK ) wird direkt zu Beginn des gemein‐ samen Fiktionsspiels deutlich, dass das beteiligte Kind K1 die deutsche Erst‐ sprache eigeninitiativ und selbstbewusst in der Interaktion mit der englisch‐ sprachigen Erzieherin 4E1 einsetzt, indem es die Spielsequenz mit einer an 4E1 gerichteten und auf Deutsch formulierten Frage eröffnet (Zeile 01). Gemäß der personengebundenen Sprachverwendung produziert Erzieherin 4E1 daraufhin eine englische Antwort. Auch auf diese englischsprachigen Gesprächsbeiträge reagiert K1 kommunikativ angemessenen mit auf Deutsch verbalisierten Ant‐ worten (Zeile 03 / 08). Lediglich auf die von 4E1 formulierte W-Frage (Zeile 10) stellt die in der Erstsprache formulierte Verneinung keine angemessene sprach‐ liche Reaktion dar (Zeile 11). Abgesehen davon spiegelt das Beispiel jedoch das Funktionieren sowie die Akzeptanz des Prinzips der personengebundenen Sprachverwendung im bilingualen Kita-Alltag wider. Auch in Beispiel 40 (Transkript 2E12 211 121gespr2) ist es das an der Sequenz beteiligte Kind, das das Gespräch mit der englischsprachigen Erzieherin 2E1 initiiert. So berichtet K1 auf Deutsch, dass sie zu spät gekommen sei (Zeile 01, 04, 08) und deshalb das Frühstück verpasst habe (Zeile 10). Auf diese in der deutschen Erstsprache formulierten Gesprächsbeiträge reagiert die englisch‐ sprachige Fachkraft 2E1 wiederum mit Expansionen und Bestätigungen (Zeile 05 f.; Zeile 14 f.) sowie Rückfragen (Zeile 11 f.). Diese Reaktionen der Fachkraft dienen K1 der Absicherung, dass ihre erstsprachlichen Äußerungen verstanden wurden (vgl. Kersten et al. 2010a: 111; Steinlen et al. 2013: 88). Die beschriebenen Beispiele illustrieren die praktische Umsetzung des Prin‐ zips der personengebundenen Sprachverwendung. Sie belegen, dass diese spe‐ 6 Ergebnisse der empirischen Untersuchung 330 6.2.3.2.1.2 zifische Sprachenverteilung bereits für die Unterdreijährigen, da sie ihre deut‐ sche Erstsprache als selbstverständliches Kommunikationsmittel in der Inter‐ aktion mit den fremdsprachigen Fachkräften einsetzen, nachvollziehbar zu sein scheint. Durch die Fortsetzung der Interaktion sowie das Zeigen einer sprach‐ lichen Reaktion auf die erstsprachlichen Interaktionsversuche der Kinder wird den Kindern die Sicherheit vermittelt, von den fremdsprachigen Fachkräften verstanden zu werden. Für die Kinder besteht somit kein Zwang, die L2 zu be‐ nutzen (siehe auch Weitz et al. 2010: 18; Weitz 2012: 69 f). Die Erlaubnis, die L1 zu benutzen, entspricht den zentralen Prinzipien der Immersionsmethode (vgl. Burmeister / Pasternak 2004: 27; Swain / Lapkin 2006: 42) und wird von Kersten et al. (2010a: 109) darüber hinaus als Teil des vorschulischen scaffoldings ver‐ standen. Des Weiteren zeigt sich an den Datenbelegen die bedeutungstragende Rolle der L1 für den Zweit- und Fremdsprachenerwerb, da diese die Kinder auf‐ grund der noch defizitären produktiven Kompetenzen in der L2 überhaupt erst zur verbalen Interaktion mit den fremdsprachigen Fachkräften befähigt. Dem‐ zufolge stützen die Analyseergebnisse die Annahme, dass von dem Einsatz der L1 eine eher unterstützende Wirkung auf die zweit- und fremdsprachlichen kindlichen Erwerbsprozesse ausgeht (vgl. u. a. Senyildiz 2010a: 41). Der produk‐ tive Rückgriff auf die L1 stellt für die unterdreijährigen Kinder das dominierende verbale Werkzeug dar, mithilfe dessen sie ihre Bedürfnisse und Wünsche in der Interaktion mit den englischsprachigen Fachkräften kommunikativ mediieren können. Zugleich widersprechen diese Ergebnisse jedoch den Erkenntnissen Wörles (2014: 49), die der aktiven Nutzung der L1, bei ihr als „L1-basierte Stra‐ tegie“ beschrieben, lediglich eine untergeordnete Rolle für die Kommunikation mit den fremdsprachigen ErzieherInnen zuspricht. Diese Diskrepanz der Er‐ gebnisse legt nahe, dass die Erstbzw. Umgebungssprache als verbales Aus‐ drucksmittel in immersiven Erwerbskontexten für die hier untersuchte Alters‐ gruppe der Einbis Dreijährigen eine grundlegend andere Bedeutung hat als für die von Wörle (2014) untersuchten vierbis sechsjährigen immersiv betreuten Kindergartenkinder. Zielsprachliche Äußerungen Trotz der beschriebenen Relevanz des Deutschen als verbalem Ausdrucksmittel weist das Datenkorpus eine Reihe von Interaktionssequenzen auf, in denen die unterdreijährigen bilingual betreuten Kinder in der Interaktion mit den eng‐ lischsprachigen Fachkräften erste zielsprachliche, d. h. englische Interaktions‐ beteiligungen zeigen. Exemplarisch wird dies an den folgenden Beispielen 41 und 42 aufgezeigt: 6.2 Mikroebene: Sprachliche Gestaltung der Erzieherin-Kind-Interaktionen 331 Beispiel 41 (Transkript 2 EP 201 112körp) stellt das Rutschen auf der im Grup‐ penraum befindlichen Rutsche als typisches und ritualisiertes Bewegungsspiel des Kita-Alltags dar. Diese wiederkehrenden Handlungsabläufe wurden von der englischsprachigen Erzieherin 2 EP zuvor handlungsbegleitend versprachlicht, so dass den Kindern der Gruppe die lexikalischen Bezeichnungen rezeptiv ge‐ läufig sind. In der vorliegenden Situation übernimmt K1 z. T. das handlungs‐ begleitende Sprechen, indem es seine Handlungen und Bewegungsabläufe in den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln in der L2 Englisch versprachlicht. Bei diesen Versprachlichungen handelt es sich durchgängig um Einwortäuße‐ rungen, die jeweils einen Teilaspekt des Situationskontextes erfassen und stell‐ vertretend für eine komplette Äußerung stehen (Zeile 48, 51, 56 f.). Die Verwen‐ 6 Ergebnisse der empirischen Untersuchung 332 dung des Englischen wird von Erzieherin 2 EP konsequent bestätigt und zu der von K1 intendierte Äußerungsabsicht erweitert (Zeile 49 f., 52, 63), so dass K1 zu weiteren Sprachproduktionen im Englischen ermutigt wird, und ihm gleich‐ zeitig weitere zielsprachliche Äußerungsmodelle präsentiert werden (zu der Funktion der Bestätigungen und Expansionen der kindlichen Äußerungen siehe auch Kapitel 6.2.4.1.1 bzw. 6.2.4.1.4.3). Auch Beispiel 42 (Transkript 4E1 131 212fikt BK ) ist ein anschauliches Beispiel für die kindliche Sprachproduktion in der englischen Immersionssprache. Hier greift das Kind K3 einen Teil des vorausgehenden Gesprächsbeitrages, der von der englischsprachigen Fachkraft 4E1 zuvor zusätzlich suprasegmental markiert wurde („eggs“, Zeile 51), als partielle Wiederholung auf, indem daraufhin das Wort „egg“ (Zeile 53) produziert wird. Dieser imitierenden verbalen Sprachpro‐ duktion wird von 4E1 wiederum in Form eines bestätigenden Nickens zuge‐ stimmt (Zeile 54). Im Anschluss nimmt K3 jedoch eigeninitiativ und ohne vorher eine Form korrektiven Feedbacks erhalten zu haben, eine grammatische Selbst‐ korrektur der vorherigen Äußerung vor, indem es das Substantiv „egg“ plurali‐ siert (Zeile 55), so dass dieses mit der ursprünglichen Äußerung von 4E1 (Zeile 50 f.) konform ist. Da K3 hier selbstständig die Diskrepanz zwischen der eigenen Produktion (Zeile 53) und der Vorlage durch die Äußerung von 4E1 (Zeile 51) bemerkt und diese schließlich selbstständig korrigiert, werden grammatische Selbstkorrekturen von Wörle (2013: 211 f.) bereits als erstes Anzeichen eines sich anbahnenden Sprachbewusstseins gewertet. Bezüglich der produktiven Verwendung des Englischen bestätigen die prä‐ sentierten Ergebnisse die bisherigen Erkenntnisse, wonach es sich bei den ersten Produktionsversuchen um zumeist imitative Übernahmen einzelner Wörter oder Formeln handelt (vgl. Rohde 2005: 160). Anhand der Ergebnisse kann je‐ doch erstmals auf empirischer Grundlage gezeigt werden, dass bereits unter‐ dreijährige Kinder, und hier überwiegend die Kinder ab dem zweiten Lebensjahr, eine in einer bilingualen Kita immersiv erworbene Fremdsprache produktiv sowie der jeweiligen Interaktionssituation angemessen verwenden können. Zudem kann die Tatsache, dass die Kinder sich trotz ihres noch begrenzten Ausdrucksvermögens und trotz des Wissens, dass die englischsprachigen Er‐ zieherinnen auch die deutsche L1 bzw. L2 der Kinder verstehen, versuchen, die englische Sprache als Kommunikationsmedium einzusetzen, als Indiz für die natürliche kindliche Sprachlernbereitschaft sowie das kindliche Interesse an Sprache(n) gewertet werden. 6.2 Mikroebene: Sprachliche Gestaltung der Erzieherin-Kind-Interaktionen 333 114 Hier fällt auf, dass die englischsprachige Fachkraft 4E1 die Tischdecke bzw. die Mal‐ unterlage auf dem Tisch als blanket (=‛Bettdecke’) und nicht als das gebräuchlichere tablecloth (=‛Tischdecke’) bezeichnet. Die Korrektheit des sprachlichen Inputs wurde in der vorliegenden Mikroanalyse ausgeklammert, könnte jedoch in Anschlussstudien aufgegriffen werden (siehe dazu auch die Forschungsperspektiven in Kapitel 7). 6.2.3.2.1.3 Code-Mixing Neben den bisher vorgestellten Ergebnissen, wonach die bilingual betreuten Kleinkinder in erster Linie auf das Deutsche zurückgreifen, jedoch auch erste produktive Verwendungen der L2 bzw. L3 Englisch zeigen, enthält das analy‐ sierte Korpus auch kindliche turns, in denen englische und deutsche Elemente in einem Satz vermischt werden. Bei diesem, auch als code-mixing bezeichnetem Phänomen bauen die Kinder einzelne fremdsprachliche Wörter in ihre an‐ sonsten deutschen Äußerungen ein (vgl. Burmeister / Pasternak 2004: 27; Kersten et al. 2010a: 111; Steinlen et al. 2013: 89). Die folgenden Beispiele geben einen Einblick, wie das Phänomen des code-mixing von den Kleinkindern in der Interaktion mit den englischsprachigen Fachkräften der Einrichtung realisiert wird: 114 In Beispiel 43 (Transkript 4E11 912 121gest) bemerkt die englischsprachige Er‐ zieherin 4E1 zunächst, dass die Kinder beim gemeinsamen Basteln in die Tisch‐ decke schneiden (Zeile 05 f.), erlaubt ihnen dies jedoch weiterhin (Zeile 08 f., 6 Ergebnisse der empirischen Untersuchung 334 11). Daraufhin erwidert K2, dass sie keine Tischdecke mehr haben (Zeile 12). Dabei wird das Substantiv „blanket“ von K2 in den ansonsten deutsch reali‐ sierten Satz eingefügt und dadurch die beiden Codes, das Englische und das Deutsche, vermischt. Ein Grund für das code-mixing, d. h. das Einfügen der eng‐ lischsprachigen Bezeichnung „blanket“ in die deutsche Äußerung (siehe dazu auch Kersten et al. 2010a: 111; Steinlen et al. 2013: 89), könnte darin liegen, dass dem Kind die deutsche Entsprechung für die sprachliche Bezeichnung der Tischdecke fehlt. Da es sich bei der Bezeichnung der Tischdecke um ein in der kindlichen Lebenswelt und im Kita-Alltag wenig gebräuchliches Wort handelt, würde das code-mixing in der vorliegenden Sequenz demnach aufgrund der feh‐ lenden sprachlichen Doublette im Deutschen auf Englisch reproduziert werden. Das code-mixing könnte daher aus funktionaler Perspektive als kommunikati‐ onsstrategisches Mittel zur Überwindung bzw. Kompensation lexikalischer Lü‐ cken im Deutschen dienen (vgl. auch Wörle 2013: 157-163). In Beispiel 44 (Transkript 4E1 131 212fikt BK ) taucht das code-mixing in einem ähnlichen Verwendungskontext auf. Hier geht der kindlichen Äußerung zu‐ nächst eine Frage der englischsprachigen Erzieherin 4E1 voraus, die das Kind K1 beim Spiel in der Küchenecke nach Kaffee fragt (Zeile 116). K1 verneint die Frage und erwidert, dass es keinen Kaffee habe (Zeile 117). Wie in Beispiel 43 übernimmt K1 die englische Bezeichnung „coffee“ in ihre deutsche Äußerung. Im Gegensatz zu Beispiel 43 ist in dieser Interaktionssequenz hingegen nicht von einer lexikalischen Lücke im Deutschen als Grund für das kindliche code-mixing auszugehen. Die deutsche Entsprechung „Kaffee“ ist den Kindern der Einrichtung aus den Spielen in der Küchenecke durchaus geläufig und wird an anderen Stellen des Datenkorpus produktiv von den Kindern verwendet. Demzufolge könnte in dem vorliegenden Beispiel nicht die Kompensation einer lexikalischen Lücke, sondern möglicherweise die phonetische Ähnlichkeit ein Faktor sein, der das code-mixing bedingt. Die deutsche Bezeichnung „Kaffee“ und die englische Entsprechung „coffee“ weisen starke Ähnlichkeiten in der phonetischen Realisierung auf - es unterscheiden sich hier lediglich die Voka‐ lisierungen, die Anlaute sind homofon - die in der produktiven Verwendung und durch den Einfluss der unmittelbar zuvor dargebotenen englischen Be‐ zeichnung zur einer Verwechslung bzw. Überlagerung auf der Performanzebene führen. Die skizzierten Ergebnisse lassen sich folglich dahingehend einordnen, dass das kindliche code-mixing zum einen als kindliche Kommunikationsstrategie zur Überwindung lexikalischer Lücken und Aufrechterhaltung der Kommunikation eingesetzt werden kann (siehe dazu auch Méron-Minuth 2009: 126; Wörle 2013: 157 f.) oder aber - in Abhängigkeit des jeweiligen Interaktionskontextes - auch 6.2 Mikroebene: Sprachliche Gestaltung der Erzieherin-Kind-Interaktionen 335 6.2.3.2.2 6.2.3.2.2.1 ein spontanes und möglicherweise auf phonetischer Ähnlichkeit beruhendes Interferenzphänomen darstellen könnte. Bei der Interpretation der Ergebnisse ist auch zu berücksichtigen, dass das code-mixing zwar über lange Zeit durchaus kritisch und als Indiz für eine mangelnde Trennung zweier Sprachsysteme be‐ wertet wurde, sich in der jüngeren Mehrsprachigkeitsforschung jedoch zuneh‐ mend die Erkenntnis durchsetzt, dass es sich bei dem code-mixing um ein na‐ türliches Phänomen des bilingualen Spracherwerbs handelt (u. a. Rothweiler 2007: 116 f.). Für das Forschungsfeld der frühen Fremdsprachenvermittlung in immersiven Kitas wäre an dieser Stelle für den verstärkten Einsatz von Longi‐ tudinalstudien zu plädieren, die das Vorkommen des code-mixing über einen längeren Zeitraum dokumentieren, um auf der Grundlage longitudinaler Daten Aussagen über die Bedeutung des code-mixing für den Verlauf der kindlichen Sprachentwicklung in den bilingualen Einrichtungen ableiten zu können. Mit den deutschsprachigen Erzieherinnen In bilingualen Kitas wird neben dem Deutschen zwar eine weitere Sprache, hier das Englische, immersiv vermittelt, dennoch bildet die Vermittlung und alters‐ gerechte Entwicklung der deutschen Umgebungssprache als Erstbzw. Zweit- oder Drittsprache der Kinder weiterhin einen der zentralen Bildungsaufträge nicht nur monolingualer, sondern auch bilingualer Einrichtungen im Elemen‐ tarbereich. Vor diesem Hintergrund ist neben der Darstellung des verbalen In‐ teraktionsverhaltens mit den englischsprachigen Erzieherinnen auch von Inte‐ resse, wie die bilingual betreuten Kinder mit den deutschsprachigen Fachkräften der Einrichtung verbal interagieren. Die folgende Ergebnisdarstellung orientiert sich demzufolge an der Frage, wie die Kinder ihr Sprachenrepertoire in der Kommunikation einsetzen und welchen Einfluss die bilinguale Erwerbsumge‐ bung auf die Interaktion mit den deutschsprachigen Erzieherinnen hat. Zielsprachliche Äußerungen In der Interaktion mit den deutschsprachigen Erzieherinnen stellt eine ziel‐ sprachliche Interaktionsbeteiligung, d. h. eine deutschsprachige Äußerungen des Kindes, die Regel dar. Anders als bei der kindlichen Kommunikation mit den englischsprachigen Erzieherinnen, bei denen zielsprachliche, d. h. englische Äu‐ ßerungen, selten und zumeist auf Imitationen oder Einwortäußerungen be‐ schränkt sind, ist das Deutsche nicht nur die dominierende Umgebungssprache, sondern auch die Erstsprache vieler Kinder der Einrichtung. Die folgenden Bei‐ spiele veranschaulichen daher anhand zweier Datenbelege, wie die Kinder in ihrer deutschen Erstbzw. Zweitsprache mit den deutschsprachigen Erziehe‐ rinnen interagieren. 6 Ergebnisse der empirischen Untersuchung 336 Beispiel 45 (Transkript 3E3 181 012fikt) gibt einen Einblick in die Möglichkeiten der zielsprachlichen Teilhabe eines Kindes im Rahmen eines Fiktions- und Rol‐ lenspiels und zeigt, dass es sich bei den kindlichen Gesprächsbeiträgen bereits um vollständige und zielsprachlich korrekte Sätze handelt (Zeile 41, 47, 49). Auch die nonverbale Interaktionsbeteiligung des Kindes spiegelt wider, dass es über ein umfangreiches rezeptives Verständnis der deutschen Sprache verfügt (Zeile 53). Die kindlichen turns werden von Erzieherin 3E3 bestätigt (Zeile 48, 51, 57) und aufgegriffen (z. B. Zeile 50, 52), so dass K1 eine Rückmeldung über die sprachliche Korrektheit der Äußerungen erhält. Insgesamt belegt das Anker‐ beispiel damit, dass sich das beteiligte Kind in dem beschriebenen Interaktions‐ kontext bereits umfassend verständlich machen kann. 6.2 Mikroebene: Sprachliche Gestaltung der Erzieherin-Kind-Interaktionen 337 6.2.3.2.2.2 In Beispiel 46 (Transkript 2E3 041 212fikt) lässt sich an den kindlichen turns hingegen ablesen, dass die Möglichkeiten der kindlichen verbalen Teilhabe in dieser Situation noch wesentlich eingeschränkter sind. Diese sind zum Teil un‐ verständlich bzw. nicht eindeutig identifizierbar (Zeile 04) und beschränken sich im weiteren Verlauf auf Einwortäußerungen (Zeile 08, 11). Diese Einwortäuße‐ rungen stellen zugleich Verbalisierungen dar, die möglicherweise durch den sprachlichen Input in den vorausgehenden turns der Erzieherin 2E3 beeinflusst werden. In diesen Gesprächsbeiträgen wurde die relevante Information „wi‐ ckeln“ von der Fachkraft suprasegmental markiert und dadurch für K1 deutlich hervorgehoben (Zeile 02). Dieses zuvor lautlich betonte Schlüsselwort wird schließlich von K1 in ihren turns imitiert (Zeile 08, 11). Selbstständige und ini‐ tiierende Beiträge, wie in Beispiel 45, werden hier jedoch nicht produziert. Ausgehend von den vorgestellten Beispielen lässt sich nachvollziehen, dass die Spannbreite an sprachlicher Teilhabe in der L1 bzw. L2 Deutsch und das sprachliche Entwicklungsniveau der einbis dreijährigen im bilingualen TU -Kinderhaus betreuten Kinder altersspezifisch variiert. Das Spektrum ziel‐ sprachlicher Interaktionen der Kinder reicht dabei von ersten imitierenden Pro‐ duktionsversuchen (siehe Beispiel 46) bei den einjährigen Kindern bis hin zur Verwendung vollständiger und zielsprachlich korrekter Sätze (siehe Beispiel 45) bei den fast dreijährigen Kindern. Dies verwundert nicht angesichts der Tatsache, dass die ersten drei Lebensjahre das für den Spracherwerb ausschlag‐ gebende Entwicklungsfenster darstellen (vgl. Grimm 1999: 31). Für die deutsch‐ sprachigen Fachkräfte impliziert dies, im Kita-Alltag auf die unterschiedlichen Sprachentwicklungsniveaus der Kinder einzugehen, d. h. die Interaktion mit den Kindern in Abhängigkeit von den Möglichkeiten ihrer verbalen Teilhabe anzu‐ regen sowie auf die individuellen verbalen Äußerungsmöglichkeiten responsiv zu reagieren. Nicht-zielsprachliche Äußerungen Deutsch stellt - so wurde an den oben beschriebenen Beispielen 45 und 46 deutlich - als Erstbzw. Zweitsprache das dominierende verbale Ausdrucks‐ mittel der Kleinkinder dar. Dennoch enthält das analysierte Korpus einige Bei‐ spiele, in denen die Kinder in ihren verbalen Interaktionsversuchen auf eine andere Sprache als Deutsch zurückgreifen. Die folgenden Beispiele geben einen exemplarischen Einblick, wie die Kinder weitere, ihnen zur Verfügung stehende verbale Ausdrucksmöglichkeiten in Interaktionsprozessen mit den deutschen Erzieherinnen der Einrichtung verwenden: 6 Ergebnisse der empirischen Untersuchung 338 In Beispiel 47 (Transkript 3E2 181 012lit) produziert das Kind K1 während der gemeinsamen Bilderbuchbetrachtung mit der deutschsprachigen Erzieherin 3E2 spontan die englischsprachige Äußerung „hello“ (Zeile 311, 313). Diese kindliche Äußerung dient in der vorliegenden Literacy-Aktivität der Beschreibung einer im Buch abgebildeten Person, die einem anderen Jungen zuwinkt (Zeile 306- 310). Der Grund für den kindlichen Sprachwechsel vom Deutschen ins Engli‐ sche, auch als code-switching bezeichnet, könnte hier auf situativ-kontextuelle Faktoren zurückzuführen sein. Bei den Gesprächsinhalten - Austausch über die sich zuwinkenden Personen im Bilderbuch (Zeile 306-310) - handelt es sich um ritualisierte Vorgänge des Kita-Alltags. Das Winken und die begleitend einge‐ setzte konventionelle Geste der Winkbewegung (Zeile 307) sind den Kindern auch aus der Interaktion mit den englischsprachigen Erzieherinnen geläufig. Die Begrüßung und das Winken werden von den englischsprachigen Erziehe‐ 6.2 Mikroebene: Sprachliche Gestaltung der Erzieherin-Kind-Interaktionen 339 rinnen ebenso wie in dem vorliegenden Beispiel zur szenischen Darstellung und Veranschaulichung von Bilderbuchinhalten, aber zum Beispiel auch zur Begrü‐ ßung in verschiedenen Formen des Spiels, insbesondere in Fiktions- und Rollenspielen, eingesetzt. Möglicherweise stand das hier beteiligte Kind K1 un‐ mittelbar zuvor über eine Spiel- oder Beschäftigungsaktivität mit einer eng‐ lischsprachigen Fachkraft in Interaktion, so dass der englischsprachige Input in der hier vorliegenden Interaktion mit der deutschen Erzieherin noch nachhallt. Eine irrtümliche, beispielsweise durch phonetische Ähnlichkeit, wie sie bei dem Deutschen „hallo“ und dem englischen Pendant „hello“ durchaus gegeben ist (siehe dazu auch das Beispiel 44 und die Ausführungen zum code-mixing), be‐ dingte Verwendung des Englischen ist in Anbetracht der nachfolgenden turns hingegen als unwahrscheinlich einzustufen. Erzieherin 3E2 korrigiert die eng‐ lische Sprachverwendung hier zunächst implizit, indem sie diese ins Deutsche überträgt und K1 damit die deutsche Entsprechung modellhaft vorgibt (Zeile 312), doch K1 produziert auch nach der Darbietung des deutschen Äußerungs‐ modells erneut das englische „hello“ (Zeile 313). In Beispiel 48 (Transkript 4E32 012 121gest) ärgert sich K1 darüber, dass K3 ihm sein gemaltes Bild weggenommen hat (Zeile 252). Die sprachliche Reaktion von K1 erfolgt hier auch auf Englisch (Zeile 259 f., 262). Auch hier liegt die Ver‐ mutung nahe, dass die englische Sprachproduktion durch die phonetische Ähn‐ lichkeit der deutschen und englischen Bezeichnungen bedingt ist. Zunächst weisen das deutsche Possessivpronomen „mein“ und die englische Entspre‐ chung „my“ durch den identischen Anlaut und die darauffolgende homofone Silbe eine gewisse Ähnlichkeit in der lautlichen Realisierung auf. Die Homofonie setzt sich auch bei dem folgenden „Mickey Maus“ (Zeile 260, 262) fort. Hier ist lautlich noch weniger zu unterscheiden, ob dies von K1 gemäß der englisch‐ sprachigen oder deutschsprachigen Lautung realisiert wird. Eine weitere Er‐ klärung könnte in dem Interaktionskontext liegen. An der Bastelaktivität, aus der der oben beschriebene Transkriptauszug entnommen wurde, war zunächst auch die englischsprachige Erzieherin der Gruppe beteiligt. Demzufolge könnte das Kind K1 hier, obwohl jetzt die deutschsprachige Erzieherin 4E3 seine Inter‐ aktionspartnerin ist, noch mit der Internalisierung des englischen Inputs be‐ schäftigt sein, was sich in den englischen Äußerungen widerspiegelt. Zusammenfassend bleibt hinsichtlich der nicht-zielsprachlichen Interakti‐ onsbeteiligung der Kinder mit den deutschsprachigen Erzieherinnen festzu‐ halten, dass die englischsprachigen kindlichen Äußerungen als punktuelle Ein‐ zelfälle, die beispielsweise durch Homofonie oder den jeweiligen Gesprächs‐ kontext bedingt sein können, betrachtet werden sollten. Insgesamt stellen die anhand der Beispiele beschriebenen englischen Äußerungen der Kinder in der 6 Ergebnisse der empirischen Untersuchung 340 6.2.3.2.2.3 Interaktion mit den deutschsprachigen Erzieherinnen jedoch eine Ausnahme dar, denen bezogen auf das gesamte analysierte Korpus eine vernachlässigend geringe Relevanz zukommt. Code-Mixing Das Phänomen des code-mixing, das im Zuge der kindlichen Sprachverwendung mit den englischsprachigen Erzieherinnen bereits eingehend vorgestellt wurde (vgl. Kapitel 6.2.3.2.1.3), nimmt in dem Interaktionsverhalten der Kinder mit den deutschen Erzieherinnen eine untergeordnete Stellung ein. Demnach sind an die deutschsprachigen Erzieherinnen adressierte Gesprächsbeiträge, in denen die Kinder deutsch- und englischsprachige Elemente mischen, äußerst selten. Das folgende Beispiel stellt eines der wenigen Datenbelege dar, in denen code-mixing in der Kommunikation mit einer deutschsprachigen Erzieherin auf‐ tritt: Beispiel 49 stammt aus der identischen Interaktionssequenz (Transkript 4E32 012 121gest), aus der auch das Beispiel 48 („nicht-zielsprachliche Äuße‐ rungen“) entnommen wurde. Dementsprechend handelt es sich bei dem Kind K1 hier um dasselbe Kind wie in Beispiel 48. K1 weist in diesem Ausschnitt - da das weitere beteiligte Kind K3 auch ein Auto haben möchte (Zeile 167 f.) - darauf hin, dass es sein Auto ist („my auto“, Zeile 170). Das code-mixing, d. h. das Mi‐ schen der Sprachen besteht hier darin, dass K1, identisch zu dem Beispiel 48, das englische Possessivpronomen „my“ voranstellt, worauf hier jedoch das ein‐ deutig als deutschsprachig identifizierbare Substantiv „Auto“ folgt (Zeile 170). Die gemischtsprachliche Verbalisierung wird von der Fachkraft 4E3 in ihrem folgenden turn bestätigt und zu einem vollständigen Deklarativsatz erweitert (Zeile 171). Insgesamt deutet die Tatsache, dass das code-mixing als sprachliches Merkmal in der Interaktin mit den deutschen Erzieherinnen insgesamt lediglich n=3 auf‐ taucht, diese zudem allesamt in der einen hier vorgestellten Interaktionssequenz (Transkript 4E32 012 121gest) verortet sind sowie ausschließlich von einem ein‐ zigen Kind realisiert werden, darauf hin, dass das Mischen der beiden Sprachen 6.2 Mikroebene: Sprachliche Gestaltung der Erzieherin-Kind-Interaktionen 341 6.2.3.3 in der Kommunikation der Kinder mit den deutschsprachigen Erzieherinnen in dem untersuchten Feld eine untergeordnete Rolle spielt. Vor dem Hintergrund dieser äußerst geringen Vorkommenshäufigkeit lässt sich daher schlussfolgern, dass die Kinder das Prinzip der personengebundenen Sprachverwendung wei‐ testgehend verinnerlicht haben. Die Sorge vieler Eltern, der frühe Kontakt zu einer weiteren Sprache könne zu einer Vermischung der beiden Sprachen in deutschsprachigen Interaktionskontexten führen, scheint daher ausgehend von den vorliegenden Analyseergebnissen unbegründet zu sein. Keine kindliche Interaktionsbeteiligung Die vorgestellten nonverbalen und verbalen Möglichkeiten der kindlichen In‐ teraktionsbeteiligung demonstrieren, dass die im bilingualen TU -Kinderhaus betreuten Kleinkinder bereits ein umfangreiches Repertoire an sprachlichen und nicht-sprachlichen Mitteln erworben haben, um sich in der Kommunikation mit den Fachkräften der Einrichtung zu verständigen. Dennoch enthält das analy‐ sierte Korpus auch kindliche turns ohne eine adäquate nonverbale oder verbale Interaktionsbeteiligung. Jene Gesprächsbeiträge, in denen keinerlei kommuni‐ kativ-interaktive Partizipation oder eine adäquate Spielhandlung des Kindes er‐ kennbar ist, obwohl dies im Kontext der vorausgehenden Gesprächsbeiträge obligatorisch wäre (vgl. Kiening 2011: 81), werden im Folgenden näher be‐ schrieben und bezüglich ihrer Bedeutung für das Forschungsfeld verortet. In den Beispielen 50 und 51 bleiben die sprachlichen Impulse der beteiligten Erzieherinnen 1E1 und 1E3 ohne eine angemessene nonverbale oder verbale kindliche Reaktion. In Beispiel 50 fordert 1E1 die beteiligten Kinder auf, nicht mehr mit den Spielzeugautos durch den Raum zu werfen (Zeile 05). Diese Frage, die sich als action reflective question (vgl. Kapitel 6.2.2.1.3) konkret auf die Hand‐ 6 Ergebnisse der empirischen Untersuchung 342 lung der Kinder bezieht, wird weder von dem weggehenden Kind (Zeile 06) noch von dem anderen beteiligten Kind, das daraufhin noch ein weiteres Spielzeug‐ auto durch den Raum wirft (Zeile 07), zur Kenntnis genommen. In Beispiel 51 versucht Erzieherin 1E3 ebenfalls, sich in Form einer Frage (Zeile 02) verständlich zu machen sowie zusätzlich durch das Rufen des Namens von K2 (Zeile 03), die kindliche Aufmerksamkeit zu fokussieren. Doch auch in dieser Situation erfolgt keine angemessene kindliche Reaktion. Das erneute Auskippen der Spielzeugkiste (Zeile 04) demonstriert im Gegenteil, dass das an‐ wesende Kind K2 den Gesprächsbeitrag von Erzieherin 1E3 entweder nicht wahrgenommen oder aber bewusst ignoriert hat. Die fehlende Interaktionsbeteiligung und das Ausbleiben eines sozialen Sig‐ nals seitens der kindlichen InteraktionspartnerInnen sind damit u. a. auf das Fehlen eines gemeinsamen Aufmerksamkeitsfokus zwischen Erzieherin und Kind zurückzuführen. Zwar versucht Erzieherin 1E3 in Beispiel 51, diesen ein‐ zufordern (Zeile 03), doch gelingt es ihr nicht, die kindliche Aufmerksamkeit für sich zu gewinnen. Neben diesen ersten Annahmen, die einen fehlenden geteilten Aufmerksamkeitsfokus als Auslöser für die Brüche in der Erzieherin-Kind-In‐ teraktion vermuten, heben jene Situationen zugleich das Potenzial für zukünf‐ tige Forschungsaktivitäten hervor. An jenen Bruchstellen, an denen eine kind‐ liche Interaktionsbeteiligung auf eine zuvor an das Kind gerichtete Frage oder Aufforderung ausbleibt, könnten eingehende Kontextanalysen erfolgen, die die Rahmenbedingungen und möglichen Störfaktoren identifizieren, die das Aus‐ bleiben einer kommunikativen Reaktion seitens des Kindes begünstigen. Die Ergebnisdarstellung des vorliegenden Teilkapitels hat gezeigt, dass die bilingual betreuten Kleinkinder aktiv an Interaktionsprozessen mit den Erzie‐ herinnen der Einrichtung partizipieren. Dazu nutzen die unterdreijährigen Kinder - in Abhängigkeit von dem Alter des einzelnen Kindes - verschiedene nonverbale und verbale Ausdrucksmöglichkeiten. Sie machen in der Kommu‐ nikation mithilfe nonverbal-gestischer Mittel auf ihre Wünsche und Bedürfnisse aufmerksam und nutzen dazu insbesondere referentielle Zeigegesten und in ge‐ ringerem Maße auch konventionelle sowie symbolische Gesten. Das Ausführen einer adäquaten Handlung kann als Teil der nonverbalen Interaktionsbeteili‐ gung zudem Aufschluss über die rezeptiven Sprachkompetenzen des Kindes geben. Die verbalen Gesprächsbeiträge der Kinder finden in der Interaktion mit den englischsprachigen Fachkräften - wohlwissend, dass sie auf Deutsch ver‐ standen werden - zwar überwiegend auf Deutsch statt, allerdings zeigen sie bereits erste produktive Verwendungen der neuen Sprache. In der Interaktion mit den deutschsprachigen Erzieherinnen sind die kindlichen Gesprächsbei‐ träge fast ausschließlich zielsprachlich deutsch, englischsprachige Äußerungen 6.2 Mikroebene: Sprachliche Gestaltung der Erzieherin-Kind-Interaktionen 343 115 Eine responsive Äußerung ist demnach derjenige turn, der sich unmittelbar auf eine vorangegangene Äußerung des Kindes bezieht (vgl. Kiening 2011: 74). 6.2.4 gegenüber deutschsprachigen Erzieherinnen beschränken sich auf wenige Ein‐ zelfälle. Das code-mixing, bei dem englisch- und deutschsprachige Elemente in einer Äußerung gemischt werden, tritt in der Interaktion mit den englischspra‐ chigen Erzieherinnen vereinzelt auf, nimmt aber insbesondere in der Kommu‐ nikation mit den deutschsprachigen Fachkräften einen geringen Stellenwert in den verbalen Produktionen der Kinder ein. Responsivität und Feedback-Verhalten Nachdem im vorausgehenden Kapitel die Möglichkeiten der kindlichen Parti‐ zipation eingehend dargestellt wurden, wird in diesem Kapitel wiederum die Perspektive der pädagogischen Fachkräfte betrachtet, indem die Reaktionen der Erzieherinnen auf die kindliche Interaktionsbeteiligung in den Fokus gerückt werden. In diesem Zusammenhang ist insbesondere der Aspekt der Responsi‐ vität, der die „Fähigkeit, auf sprachliche Äußerungen des Kindes adäquat ein‐ zugehen, sie aufzunehmen und Anregungen für die Weiterführung zu geben“ (Knapp et al. 2010: 61) bzw. „die Reaktionen auf verbales und nonverbales Ver‐ halten des Kindes“ (Kiening 2011: 73) einschließt, von Interesse. In diesem Sinne kommt dem sprachlichen Input eine wesentliche Rückmeldefunktion bezüglich der Angemessenheit der Interaktionsversuche der Kinder zu (vgl. Ritterfeld 2000: 408). Ausgehend von der soziokulturellen Verortung der Studie bezieht sich die Analyse nicht nur auf die in den interaktionistisch-kognitivistischen Ansätzen beforschten Formen des korrektiven Feedbacks in sprachlichen Re‐ paratursequenzen, sondern schließt gemäß dem soziokulturellen Verständnis von Spracherwerb auch weitere responsiv-rückmeldende Interaktionsmuster wie bestätigende, lobende oder hinterfragende reponsive Äußerungen der Er‐ zieherinnen in die Betrachtung ein. Im Folgenden werden daher die für die „res‐ ponsiven Verhaltensmuster“ (Vigil et al. 2005: 108) bzw. für das Feedback-Ver‐ halten der untersuchten Erzieherinnen konstitutiven sprachlichen Merkmale auf der Grundlage der responsiven Äußerungen rekonstruiert. 115 In diesem Zu‐ sammenhang wird auch thematisiert, wie die Erzieherinnen des TU -Kinder‐ hauses mit nonverbalen Gesprächsbeiträgen der Kinder umgehen. 6 Ergebnisse der empirischen Untersuchung 344 6.2.4.1 6.2.4.1.1 6.2.4.1.1.1 Reaktion auf verbale kindliche Interaktionsversuche Aus der Ergebnisdarstellung zur kindlichen Interaktionsbeteiligung ist hervor‐ gegangen, dass die im TU -Kinderhaus betreuten Kleinkinder verbale, aber auf‐ grund der untersuchten Altersgruppe zu einem hohen Maße auch nonverbale Mittel in der Kommunikation mit den Erzieherinnen verwenden. Da die Art des kindlichen Outputs - verbal oder nonverbal - wiederum verschiedene Formen der responsiven Rückmeldung bedingt, gliedert sich die folgende Ergebnisdar‐ stellung in das sich hier anschließende Teilkapitel, das das responsive Interak‐ tionsverhalten der Erzieherinnen auf die verbalen Gesprächsbeiträge beschreibt, sowie das Teilkapitel 6.2.4.2, in dem die Rückmeldungen der Erzieherinnen auf nonverbale Interaktionsversuche der Kinder vorgestellt werden. Positives Feedback Positives Feedback (vgl. Kersten et al. 2010a: 108; Södergård 2008: 167), auch bezeichnet als acknowledgement of a declarative utterance by the child (vgl. Hoff- Ginsberg 1986: 156), gibt dem Kind eine positiv-bestärkende Rückmeldung über die Korrektheit bzw. Angemessenheit seiner sprachlichen Äußerung und sig‐ nalisiert, dass die verbale Botschaft von der / dem InteraktionspartnerIn ver‐ standen wurde. Die Äußerungen, die Elemente positiven Feedback enthalten, haben daher eine akzeptierende bzw. bestärkende Funktion für den weiteren Interaktionsverlauf (siehe auch Pei 2012: 119 f.) und können - wie im Folgenden anhand der empirischen Daten demonstriert wird - entweder als einfache Be‐ stätigung oder als explizit-wertschätzendes Lob realisiert werden. Neutrale Bestätigungen Neutrale Bestätigungen einer Äußerung, definiert als minimal feedback (Söder‐ gård 2008: 167), wie „ja“, „ok“ oder „mhm“, stellen die häufigste Form des posi‐ tiven Feedbacks dar. Die beiden folgenden Beispiele aus dem Datenkorpus geben einen Einblick, in welchen Interaktionskontexten Bestätigungen als minimales Feedback realisiert werden: 6.2 Mikroebene: Sprachliche Gestaltung der Erzieherin-Kind-Interaktionen 345 116 Die genaue Form des responsiven Aufgriffs der kindlichen Äußerung kann an dieser Stelle nicht eindeutig bestimmt werden, da es sich um eine unverständliche verbale Äußerung des Kindes handelt. Aus diesem Grund kann nicht näher darauf eingegangen werden, ob die responsive Äußerung der Erzieherin expandierende oder wiederholende Elemente der vorangegangenen kindlichen Verbalisierung enthält. In Beispiel 52 (Transkript 2 EP 201 112körp), in dem die englischsprachige Erzie‐ herin 2 EP K2 auffordert, K1 seine Puppe zurückzugeben, werden die verbalen Interaktionsversuche der Kinder kontinuierlich von der Fachkraft bestätigt. Die von K2 produzierte, jedoch unverständliche Äußerung (Zeile 110) wird im fol‐ genden turn von 2 EP zunächst expandierend bzw. partiell wiederholend aufge‐ griffen (Zeile 111). 116 Durch das Bejahen „yes“ (Zeile 112) sowie das gestische Nicken (Zeile 111) erhält K2 jedoch zugleich die positive Rückmeldung, dass der Gesprächsbeitrag von 2 EP verstanden wurde. Auch der folgende Gesprächsbei‐ trag von K2, „baby“ (Zeile 113), wird von 2 EP durch das neutrale Gesprächs‐ partikel „mhm“ und nonverbal durch das begleitende Nicken (Zeile 114) bestä‐ 6 Ergebnisse der empirischen Untersuchung 346 6.2.4.1.1.2 tigt und dadurch Zustimmung für die kindliche Verbalisierung vermittelt. Auf die neutrale Bestätigung folgt schließlich noch eine präzisierende Expansion, indem 2 EP darauf hinweist, dass es sich um K1s Puppe handelt (Zeile 115). Da‐ raufhin zeigt K1 auf eine andere Puppe und verbalisiert K2s Namen (Zeile 116). Auch dieser kindliche Gesprächsbeitrag wird von 2 EP mit positivem Feedback versehen, indem sie K1s Äußerung bejaht (Zeile 117) und explizit als „richtig“ (Zeile 118) markiert. Auf die neutrale Bestätigung folgen erneut eine Expansion der kindlichen (Zeile 119) und schließlich eine Erweiterung der eigenen Äuße‐ rung (Zeile 120). Auch in Beispiel 53 (Transkript 2E2 221 112lit) weisen die responsiven Äuße‐ rungen der deutschsprachigen Erzieherin 2E2 bei einer gemeinsamen Bilder‐ buchbetrachtung ähnliche Elemente positiven Feedbacks auf. Auf den Hinweis von K1 auf einen in dem Buch abgebildeten Bagger (Zeile 27) reagiert Erzieherin 2E2 mit einem neutral bestätigendem „oh ja“ (Zeile 28) und greift den kindlichen Gesprächsbeitrag anschließend in Form einer Erweiterung auf (ebd.). Auch den wiederholten Hinweis von K1 auf den abgebildeten Bagger (Zeile 30) bestätigt 2E2 mit dem neutralen Gesprächspartikel „mhm“ (Zeile 31). In Zeile 36 greift K1 einen Teil des von 2E2 zuvor produzierten turns auf („haben“) worauf 3E3 erneut mit dem Gesprächspartikel „mhm“ reagiert und zusätzlich die konven‐ tionelle Geste des Nickens einsetzt (Zeile 37). Dadurch wird K1 sowohl verbal als auch nonverbal in seinem Interaktionsversuch bestätigt. Zusammenfassend dienen die von den Erzieherinnen produzierten neutralen Bestätigungen dazu, das Kind in einer gelungenen Sprachproduktion zu bestä‐ tigen bzw. die Angemessenheit des kindlichen Sprechaktes rückzumelden sowie zu signalisieren, dass die verbale Botschaft verstanden wurde (siehe auch Beller et al. 2007: 9; Ritterfeld 2000: 417). In diesem Sinne ermutigen sie zugleich zu weiteren sprachlichen Äußerungen (siehe auch Kurtenbach et al. 2013: 30) und begünstigen damit die Aufrechterhaltung des Dialoges (vgl. Kiening 2011: 77). Explizites Lob Eine weitere Form des positiven Feedbacks stellen responsive Äußerungen dar, in denen die verbalen Gesprächsbeiträge der Kinder - wie in den folgenden Beispielen - explizit gelobt bzw. wertgeschätzt werden. 6.2 Mikroebene: Sprachliche Gestaltung der Erzieherin-Kind-Interaktionen 347 In Beispiel 54 (Transkript 3E2 251 012gespr BK ) fordert die deutschsprachige Er‐ zieherin 3E2 das anwesende Kind K1 auf, den Spielzeugbetonmischer mit den anderen Kindern der Gruppe zu teilen. K1 hingegen möchte den Betonmischer für das Kind K3, das zu diesem Zeitpunkt allerdings nicht im Gruppenraum ist, aufheben. Auf die Erklärung der Erzieherin 3E2 hin, dass K3 nicht in der Gruppe ist (Zeile 33-35), lenkt K1 schließlich ein, indem es sich bereiterklärt, den Be‐ tonmischer an die anderen Kinder der Gruppe abzugeben (Zeile 36 f.). In der folgenden responsiven Äußerung reagiert 3E2 mit einem explizit wertschätz‐ enden Lob, indem sie die vorangegangene kindliche Äußerung und die Absicht zum Teilen als „eine gute Idee“ hervorhebt (Zeile 38). Diese Wertschätzung des kindlichen Gesprächsbeitrages wird zusätzlich durch die suprasegmentale Her‐ vorhebung des positiven Schlüsselwortes „gute“ (Zeile 38) unterstrichen. Die responsive Äußerung, mithilfe derer 3E2 ihre Wertschätzung verbalisiert, dient daher als positiv-bestärkende Rückmeldung, die die Angemessenheit und den gelungenen Sprechakt des Kindes explizit hervorhebt. Explizit wertschätzendes positives Feedback findet sich auch bei den eng‐ lischsprachigen Fachkräften der Einrichtung, das exemplarisch an Beispiel 55 (Transkript 3E1 311 012fikt) veranschaulicht werden kann. In dieser Spielse‐ quenz kommentiert das beteiligte Kind K2 ihre Handlung - das Beladen des Spielzeuglastwagens mit Kastanien (Zeile 29) - mit der Aussage, dass der Last‐ wagen losfährt (Zeile 30). Auch diese kindliche Äußerung wird, obwohl sie nicht-zielsprachlich, d. h. auf Deutsch stattfindet, von der englischsprachigen 6 Ergebnisse der empirischen Untersuchung 348 117 Die sich kontinuierlich wandelnde Bezugsnorm im kindlichen Spracherwerb wird bei‐ spielsweise daran deutlich, dass zu Beginn der produktiven Sprachverwendung zu‐ nächst einfache kindliche Vokalisationen bestätigt werden, während bereits kurze Zeit später eindeutige Verbalisierungen in Form von klar identifizierbaren Wörtern von den erwachsenen GesprächspartnerInnen erwartet werden (vgl. Ritterfeld 2000: 417). Erzieherin 3E3 zunächst neutral bestätigt (Zeile 31) und schließlich wertschät‐ zend hervorgehoben. Als sogenannte praise marker (Södergård 2008: 167) fun‐ gieren der Ausruf „super“ (Zeile 32), der zusätzlich lautlich markiert wird, sowie der anschließend lobende Kommentar „it’s a good idea“ (Zeile 33). Es ist anzunehmen, dass diese, in der vorliegenden Interaktionssequenz sogar doppelt verbalisierte positive Wertschätzung, insbesondere in der Interaktion mit den englischsprachigen Erzieherinnen von Bedeutung ist. Den kindlichen InteraktionspartnerInnen wird auf diese Weise die Sicherheit vermittelt, dass ihre Versuche der produktiven Sprachverwendung, auch wenn sie auf Deutsch verbalisiert werden, von den englischsprachigen Erzieherinnen verstanden werden. Durch das positive Feedback auf die nicht-zielsprachliche Interakti‐ onsbeteiligung der Kinder wird daher eine wertschätzende und positive Ge‐ sprächsatmosphäre geschaffen. Zugleich wird das in der Immersionsmethode leitende Prinzip, dass Kinder zwar ermutigt, aber nicht gezwungen werden sollten, die L2 zu benutzen (vgl. Weitz et al. 2010: 18; Weitz 2012: 69 f.), unter‐ mauert. Im Vergleich zu den neutralen Bestätigungen fällt allerdings auf, dass die responsiven Äußerungen mit explizit lobend-wertschätzenden Elementen einen verhältnismäßig geringen Anteil in dem analysierten Korpus einnehmen (n=163 vs. n=22). Dieses Analyseergebnis deckt sich mit den Erkenntnissen em‐ pirischer Vorarbeiten aus den Bereichen des Erstspracherwerbs (vgl. Kiening 2011: 117) und des immersiven Zweitbzw. Fremdsprachenerwerbs in immer‐ siven Kitas (vgl. Södergård 2008: 167). Als mögliche Erklärung für diesen ge‐ ringen Anteil an explizit lobenden Rückmeldungen gegenüber den neutralen Bestätigungen erscheint mir die Begründung Södergårds (ebd.), dass pädagogi‐ sche Fachkräfte aufgrund der implizit-alltagsintegrierten Vermittlung und der inzidentellen Aneignung von Sprache in immersiven Erwerbskontexten davon ausgehen, „that language and linguistic achievements should not have to much focus in immersion contexts“, durchaus plausibel. Auch die Tatsache, dass sich die Bezugsnorm, an der die kindliche Sprachproduktion beurteilt wird, konti‐ nuierlich ändert 117 und dementsprechend auch die Form des positiven Feedbacks von den individuellen Erwartungen der einzelnen Fachkraft abhängig ist, könnte eine weitere Erklärung dafür sein, warum explizites Lob nicht als durch‐ gängiges und konsequentes responsives Interaktionsmuster angewendet wird. 6.2 Mikroebene: Sprachliche Gestaltung der Erzieherin-Kind-Interaktionen 349 6.2.4.1.2 6.2.4.1.2.1 Responsives Frageverhalten Responsive Frageformen stellen eine weitere Möglichkeit dar, Feedback zu einem kindlichen Sprechakt zu geben. Diese beziehen sich, anders als die initi‐ ierend-gesprächsevozierenden Frageformen (vgl. Kapitel 6.2.2.1), auf eine un‐ mittelbar vorhergehende kindliche Äußerung und enthalten eine Rückmeldung zu der Verständlichkeit des Gesprächsbeitrages. In diesem Zusammenhang mo‐ tivieren sie das Kind indirekt, sich genauer auszudrücken oder implizieren die Bitte, die eigene Äußerung zu wiederholen bzw. anzupassen (vgl. Kolonko 2011: 58). Die im Zuge der Datenanalyse ermittelten responsiven Frageformen werden im Folgenden an empirischen Belegen vorgestellt und näher beschrieben. Verständnisnachfragen Bei den sogenannten Verständnisnachfragen, auch als verbal reflective questions bezeichnet (vgl. Hoff-Ginsberg 1986: 156 f.), wiederholen die Fachkräfte Teile der kindlichen Äußerung. Daher stellt diese Form der Fragen - wie auch an den folgenden Beispielen nachvollzogen werden kann - in der Interaktion eine Art comprehension check bzw. eine Verständnisrückversicherung dar (vgl. Hoff-Ginsberg 1986: 156): In Beispiel 56 (Transkript 1E2 271 112orga) äußert das Kind K1 gegenüber der deutschsprachigen Erzieherin 1E2 in Form einer Zweiwortäußerung („Buch lesen“, Zeile 03), dass diese ein Buch vorlesen soll. Um sicherzugehen, dass 1E2 K1 richtig verstanden hat, greift die Fachkraft die kindliche Äußerung auf, ex‐ 6 Ergebnisse der empirischen Untersuchung 350 118 Der Begriff des Sprechausdrucks bezieht sich auf „situations- und stimmungsadäquat konventionalisierte Gestaltungsweisen im Sprechschall“ (Bose et al. 2013: 68). pandiert diese und gibt sie als Verständnisnachfrage an K1 zurück (Zeile 05). Die Verständnisnachfrage gibt K1 zunächst eine Rückmeldung über die Unvollstän‐ digkeit der Äußerung. Da 1E2 die ursprüngliche Äußerung „Buch lesen“ (Zeile 03) jedoch zugleich um die fehlenden sprachlichen Strukturen ergänzt (Zeile 05), liefert ihm die Rückfrage darüber hinaus auch ein Äußerungsmodell. An der kindlichen Reaktion - K1 verweist mit einer referentiellen Geste auf das Buch (Zeile 06) und setzt sich schließlich neben 1E2 (Zeile 07) - ist wiederum zu er‐ kennen, dass die verbal reflective question von K1 verstanden wurde. Folglich dient die Verständnisnachfrage in diesem Beispiel dazu, die fragmentarisch for‐ mulierten kindlichen Wünsche und Handlungsabsichten interaktiv auszuhan‐ deln und das gegenseitige Verständnis kommunikativ abzusichern. Beispiel 57 (Transkript 4E1 051 212fikt BK ), in dem die englischsprachige Er‐ zieherin 4E1 und zwei Kinder (K1 und K2) in einem gemeinsamen Fiktionsspiel eine Stoffmaus in einer Tasche verstecken, weist eine ähnliche Form der res‐ ponsiven Verständnisabsicherung auf. Auf die Frage der Erzieherin, wer die Maus versteckt hat, antwortet K1, dass es die Maus in der Tasche versteckt habe (Zeile 28). An der verbalen Interaktionsbeteiligung von K1 zeigt sich jedoch an den in Klammern stehenden Satzteilen im Transkript, dass ihre Äußerung z. T. unverständlich ist (Zeile 28). Aus diesem Grund gibt Fachkraft die kindliche Äußerung als Verständnisnachfrage an K1 zurück, indem sie nochmals nach‐ fragt, ob sie die Maus habe (Zeile 29). Die Schlüsselwörter der verbal reflective question „you“ und „mouse“ sind dabei zusätzlich mit einem Wortakzent ver‐ sehen (Zeile 29) und auch durch den Sprechausdruck 118 - die englischsprachige Erzieherin spricht hier mit auffällig aufgeregter Intonation - wird zusätzliche Spannung erzeugt und die kindliche Aufmerksamkeit fokussiert. Die kindliche Reaktion auf den comprehension check geschieht auch hier nonverbal, da das Kind K2 mit einer Zeigegeste auf die Tasche von K1 deutet (Zeile 29), um zu signalisieren, dass sich die Maus darin befindet. In diesem Sinne wird auch in dieser Interaktionssequenz die Bedeutung der kindlichen turns mithilfe der res‐ ponsiven Verständnisnachfragen interaktiv erarbeitet. Ausgehend von den Analyseergebnissen sowie den in diesem Zusammen‐ hang vorgestellten Datenbeispielen bleibt demzufolge festzuhalten, dass die Fachkräfte Verständnisnachfragen als responsives Interaktionsmuster insbe‐ sondere in Situationen verwenden, in denen die verbalen Gesprächsbeitrage der kindlichen KommunikationspartnerInnen unvollständig (siehe dazu Beispiel 56) oder schwer verständlich (siehe dazu Beispiel 57) sind. In jenen Kommuni‐ 6.2 Mikroebene: Sprachliche Gestaltung der Erzieherin-Kind-Interaktionen 351 6.2.4.1.2.2 kationssituationen geben die Verständnisnachfragen ein implizit-indirektes Feedback über das Nicht-Verstehen der kindlichen Äußerung und bieten als rückfragende comprehension checks eine Interpretation über die vermutete Äu‐ ßerungsabsicht des Kindes. Klärungsaufforderungen Neben den zuvor vorgestellten Verständnisnachfragen stellen sogenannte Klä‐ rungsaufforderungen eine weitere responsive Frageform der untersuchten Er‐ zieherinnen dar. Mithilfe der Klärungsaufforderungen, auch als clarification re‐ quest (vgl. Lyster / Ranta 1997: 47; Lyster 2002: 243) oder als repair question (vgl. Hoff-Ginsberg 1986: 156) bezeichnet, wird von der / dem InteraktionspartnerIn eine Wiederholung der vorangegangenen Äußerung mit einer Vervollständi‐ gung bzw. Korrektur erbeten. Die clarification requests zeichnen sich dement‐ sprechend dadurch aus, dass „the teacher indicates to the student, by using phrases such as ‘pardon me’ and ‘I don’t understand’, that the message has not been understood or that the utterance is ill-formed in some way, and that a repetition or reformulation is needed” (Lyster 2002: 243). Im Folgenden wird anhand zweier Datenbelege veranschaulicht, in welchen Interaktionskontexten die Klärungsaufforderungen von den Erzieherinnen als responsive Nachfrage an die kindlichen GesprächspartnerInnen adressiert werden: 6 Ergebnisse der empirischen Untersuchung 352 In Beispiel 58 (Transkript 3E2 171 012fikt) erfragt Erzieherin 3E2 in der Spiel‐ küche, was K1 in seiner Schale gemacht bzw. gekocht habe (Zeile 105). Der sprachliche Output, den K1 als Antwort auf diese Frage produziert, ist allerdings nur bedingt verständlich: So wird deutlich, dass K1 etwas mit / aus Äpfeln zu‐ bereitet hat, der zweite Wortteil bleibt hingegen unverständlich (Zeile 106). An‐ ders als bei den Verständnisnachfragen, bei denen charakteristischerweise ein Teil der kindlichen Äußerung wiederholt und als Frage umformuliert wird (vgl. Kapitel 6.2.4.1.2.1), produziert 3E2 hier eine Klärungsaufforderung („Was hast du gemacht? “, Zeile 107), mit der sie expliziert, dass sie die vorangegangene Äußerung von K1 nicht verstanden hat und daher um eine Wiederholung bittet. Da auch auf diese Bitte um Reformulierung erneut eine nur bedingt verständ‐ liche Äußerung folgt (Zeile 108), gelingt es 3E2 schließlich, durch das Formu‐ lieren von Hypothesen über die vermutete Bedeutung des Gesagten (Zeile 109 f., 114) die Äußerungsabsicht von K1, „Apfelsaftschorle“ (Zeile 115), zu erschließen. In der vorliegenden Interaktionssequenz erweist sich daher nicht die eigentliche explizite Klärungsaufforderung, sondern vielmehr die im Anschluss angebo‐ tenen Interpretationen des kindlichen Sprechaktes als zielführender. In Beispiel 59 (Transkript 4E1 051 212fikt) kommentiert das Kind K1 die Spiel‐ handlung in Anwesenheit der englischsprachigen Erzieherin 4E1 in ihrer spa‐ 6.2 Mikroebene: Sprachliche Gestaltung der Erzieherin-Kind-Interaktionen 353 119 Die Interaktionssequenz ist damit zugleich ein weiteres Beispiel für eine nicht-ziel‐ sprachliche kindliche Interaktionsbeteiligung. Da es sich bei den nicht-zielsprachlichen Äußerungen der Kinder fast ausschließlich um Verbalisierungen in der deutschen Um‐ gebungs- und Erstsprache vieler Kinder handelt (siehe dazu Kapitel 6.2.3.2.1.1), stellt der vorliegende Ausschnitt eines der wenigen Beispiele dar, in denen die Kinder in einer anderen als deutschen Erstsprache mit den englischsprachigen Erzieherinnen inter‐ agieren. nischen Erstsprache (Zeile 46). 119 Auch hier signalisiert die Erzieherin mit einer clarification request, hier realisiert mit dem Gesprächspartikel „mh? “ (Zeile 47), dass sie die spanische Äußerung von K1 nicht verstanden hat und um eine nochmalige Formulierung bittet. K1 reagiert zunächst nicht auf das von 4E1 geäußerte Signal des Nicht-Verstehens, da es die Spielhandlung zunächst weiter auf Spanisch kommentiert (Zeile 49), wechselt im darauffolgenden turn jedoch schließlich ins Deutsche (Zeile 50 f.). Der Sprachenwechsel zurück ins Deutsche deutet an, dass K1 das mithilfe der repair question geäußerte Signal des Nicht-Verstehens verstanden und als Bitte zum Sprachenwechsel gedeutet hat. Auf die deutschsprachigen Äußerungen des Kindes reagiert die englischspra‐ chige Erzieherin, da sie diese versteht, impliziter, indem sie durch comprehension checks das gegenseitige Verständnis absichert (Zeile 52). Abgesehen von den hier vorgestellten Datenbelegen wurden die expliziten Klärungsaufforderungen (clarification requests) äußerst selten (n=12) in dem analysierten Datenkorpus identifiziert. Der direkte Vergleich mit den Verständ‐ nisnachfragen (verbal reflective questions) zeigt, dass diese Form der Nachfrage auf einen kindlichen Gesprächsbeitrag einen wesentlich höheren Stellenwert (n=84) in dem responsiven Interaktionsverhalten der Erzieherinnen als die Klä‐ rungsaufforderungen zu haben scheint. Dabei werden die Klärungsaufforde‐ rungen von den englischsprachigen Erzieherinnen interessanterweise noch seltener (n=3) verwendet als von den deutschsprachigen Fachkräften. Mögli‐ cherweise ist dies auf den unterschiedlichen Grad an Explizitheit der respon‐ siven Frageformen zurückzuführen (zum Grad der Explizitheit verschiedener Feedbackformen siehe auch Lyster 1998: 186-189). Die clarification requests signalisieren das Nicht-Verstehen und die Einforderung der Wiederholung ex‐ pliziter bzw. offensiver, während die verbal reflective questions durch die partielle Äußerungswiederholung zur Absicherung des gegenseitigen Verständnisses eine implizitere Form der Rückmeldung geben. Denkbar wäre, dass insbeson‐ dere die englischsprachigen Erzieherinnen befürchten, das Kind durch eine zu offensive Rückmeldung in der Sprachproduktion zu hemmen und daher im Sinne der Aufrechterhaltung einer positiven und interaktionsfördernden Ge‐ 6 Ergebnisse der empirischen Untersuchung 354 120 Schoormann / Schlak (2011: 78) weisen darauf hin, dass die Begriffe des korrektiven Feedbacks und des negativen Feedbacks in der Forschungsliteratur zum Zweitspra‐ chenerwerb häufig synonym verwendet werden. Dennoch ziehe ich im Folgenden die Bezeichnung des korrektiven Feedbacks vor, da sie mir zum einen geläufiger und zum anderen weniger negativ-wertend konnotiert zu sein scheint. 6.2.4.1.3 sprächsatmosphäre bei Nicht-Verstehen auf eine differenzierte Bedeutungsaus‐ handlung verzichten. Korrektives Feedback Neben dem positiven Feedback und responsiven Frageformen können respon‐ sive Äußerungen auch eine korrigierende Rückmeldung enthalten. Eine korri‐ gierende Rückmeldung, auch als korrektives Feedback 120 bezeichnet, stellt dem‐ nach eine Reaktion auf eine fehlerhafte und unvollständige Äußerung dar (vgl. Ellis et al. 2006: 340). Uneinigkeit herrscht indes darüber, ob Fehler möglichst implizit korrigiert werden sollten (siehe dazu beispielsweise Long 2007: 114) oder ob der Annahme Lysters (u. a. 2007: 102) folgend, ausschließlich explizite Korrekturen in formfokussierten Interaktionen zur Weiterentwicklung der Lernersprache beitragen können (zur detaillierten Gegenüberstellung und Dis‐ kussion dieser Perspektiven siehe Schoormann / Schlak 2011). Vor diesem Hin‐ tergrund wird im Folgenden dargestellt, wie die Erzieherinnen des bilingualen TU -Kinderhauses auf Fehler im kindlichen Output reagieren und die Form des korrektiven Feedbacks hinsichtlich ihres Grades an Explizitheit diskutiert. In Beispiel 60 (Transkript 2E1 201 112fikt) produziert das Kind K1 im Rahmen eines Fiktionsspiels in der Spielküche die Einwortäußerung „cook“ (Zeile 64). Die englischsprachige Erzieherin 2E1 überführt diese fragmentarische Einwort‐ äußerung in eine vollständige zielsprachliche Äußerung, indem sie das erfor‐ 6.2 Mikroebene: Sprachliche Gestaltung der Erzieherin-Kind-Interaktionen 355 derliche Personalpronomen „she“ als Verweis auf das kochende Kind sowie die Verlaufsform des Präsens (present progressive) zur Kennzeichnung der mo‐ mentan im Ablauf befindlichen Handlung überführt (Zeile 65). Diese Art des korrektiven Feedbacks wird als recast (dt. „Umgestaltung“) bezeichnet, der „a well-formed reformulation of a learner utterance with the original meaning“ (Lyster 2002: 240) darstellt. Da der recast keinen direkten Hinweis auf den Fehler oder die fehlenden Elemente enthält und diesen nicht metalinguistisch durch z. B. Kommentare wie „Das heißt aber …“ oder „You should better say …“ markiert, wird diese Form des korrektiven Feedbacks als implizit eingestuft (vgl. Lyster / Ranta 1997: 47). Des Weiteren liefert der recast das zielsprachlich kor‐ rekte Modell der zuvor fehlerhaften Äußerung, so dass er der / dem Interakti‐ onspartnerIn positive Evidenz bereitstellt (vgl. Long 1996: 413; Schoor‐ mann / Schlak 2011: 79). Im Anschluss an diese implizite Korrektur bestätigt die Erzieherin den kindlichen turn sowohl verbal mit einem bejahenden „yes“ als auch nonverbal mit einem zustimmenden Nicken (Zeile 66), so dass das Kind trotz korrigierender Rückmeldung zu weiteren Sprachproduktionen motiviert wird. Ankerbeispiel 61 bezieht sich auf eine Literacy-Aktivität (Transkript 3E2 181 012lit), in der sich die deutschsprachige Erzieherin 3E2 mit dem Kind K1 gemäß des Prinzips des dialogischen Vorlesens über ein Bauernhof-Buch austauscht. Die in diesem Zusammenhang von K1 formulierte Vermutung, dass das Schaf das Huhn auffressen will (Zeile 203), weist einen Fehler in der Ge‐ nuskongruenz („und dann *den* Huhn auffressen“) auf. In dem darauffolgenden turn greift die Erzieherin die kindliche Äußerung auf, korrigiert das fehlerhafte Element und meldet die korrigierte Formulierung schließlich an K1 zurück (Zeile 204). Auch bei dieser Fehlerkorrektur handelt es sich um einen recast, da das Feedback keinen explizit-metalinguistischen Hinweis auf die Fehlerhaftigkeit der Äußerung enthält. Zudem wird an diesem Beispiel deutlich, dass recasts in Abhängigkeit des jeweiligen Gesprächskontextes nicht nur als Deklarativsätze (siehe dazu Beispiel 60), sondern die korrigierte Äußerung des Kindes auch als Frage an den / die GesprächspartnerIn (siehe dazu Beispiel 61) zurückgemeldet werden können (vgl. Sheen 2006: 371). Die beiden Beispiele stehen exemplarisch für die Form des korrektiven Feed‐ backs, das die Erzieherinnen zur Rückmeldung fehlerhafter oder unvollstän‐ diger Gesprächsbeiträge der Kinder anwenden. Demnach stellen die beschrie‐ benen recasts in dem untersuchten Datenkorpus die ausschließliche Form der korrigierenden Rückmeldung dar. Explizite Feedback-Formen, wie beispiels‐ weise die explizite Korrektur (explicit correction), metalinguistische Hinweise (metalinguistic feedback / metalinguistic clues), die den Lernenden lediglich die 6 Ergebnisse der empirischen Untersuchung 356 121 Bezüglich der Kontroverse um den Grad an Explizitheit der Korrekturstrategien wird insbesondere für die Interaktion mit kindlichen Lernenden vermutet, dass von direkten Korrekturen kindlicher Äußerungen, die einen expliziten Hinweis auf den produzierten Fehler enthalten, eine sprachhemmende und die natürliche Sprechfreude des Kindes negative beeinflussende Wirkung ausgeht (vgl. Kurtenbach et al. 2013: 44; Ritterfeld 2000: 418). Von implizitem Feedback, so wie es anhand der angeführten Datenbelege rekonstruiert wurde, wird hingegen eine sprachförderliche Wirkung angenommen, da dem Kind durch die korrigierte Wiederholung ein sprachliches Modell sowie die kor‐ rekte Verwendung der sprachlichen Strukturen präsentiert werden (vgl. Kurtenbach et al. 2013: 35; Ritterfeld / Siegert 2000: 38; Snow 1987: 22). Dennoch wird auch die sprach‐ förderliche bzw. sprachhemmende Wirkung verschiedener Korrekturformate kontro‐ vers diskutiert. Verfechter expliziter und formbezogener Korrekturen berufen sich ins‐ besondere auf das Argument, dass implizite Korrekturen von den Lernenden oftmals schlichtweg nicht wahrgenommen werden (vgl. u. a. Lyster 2007: 98 f.). Fehlerhaftigkeit der Äußerung rückmelden, nicht aber die korrigierte Version darbieten oder die Feedback-Strategie der Elizitierung (elicitation), bei dem die Lernenden direkt zu einer Reformulierung ihrer Äußerung aufgefordert werden, ließen sich in den Daten hingegen nicht finden (für einen Überblick über die verschiedenen Feedback-Typen siehe Lyster / Ranta 1997: 46-49; Lyster 1998: 189; Lyster 2002: 238-246). 121 Die Tatsache, dass die responsiven Äußerungen der Erzieherinnen des bilin‐ gualen TU -Kinderhauses ausschließlich implizite Formen des korrektiven Feed‐ backs aufweisen, deckt sich mit einigen empirischen Vorarbeiten. So nimmt Lyster (2007: 93) an, dass recasts die verbreitetste Form des Feedbacks in im‐ mersiven Erwerbs- und Lernkontexten sind und Södergård (2008: 267 f.) bestä‐ tigt speziell für den Kontext immersiv-bilingualer Kitas, dass recasts „the most frequently applied corrective feedback strategy“ sind (für die frühe Fremdspra‐ chenvermittlung in der Grundschule siehe Burmeister / Pasternak 2004: 27). Auch Studien zur kindgerichteten Sprache von Erwachsenen im kindlichen Erstspracherwerb belegen, dass auf Fehler häufiger mit implizitem Feedback als mit expliziter Korrektur reagiert wird (vgl. Mitchell / Myles 2004: 162). In diesem Sinne bestätigen die Ergebnisse dieser Studie das Vorkommen impliziter kor‐ rektiver Feedback-Formen auch für die Erwerbs- und Interaktionsbedingungen unterdreijähriger Kinder in immersiv-bilingualen Kitas. Dennoch fällt der quantitative Stellenwert des korrektiven Feedbacks - ins‐ besondere im Vergleich mit den Aufgriffen kindlicher Äußerungen wie Expan‐ sionen oder Imitationen (siehe im folgenden Kapitel) - in den analysierten Er‐ zieherin-Kind-Interaktionen überraschend gering aus. Dies könnte wiederum auf die Möglichkeiten der verbalen Partizipation der unterdreijährigen Kinder zurückzuführen sein. Die verbale Teilhabe der Kinder ist noch zu großen Teilen durch fragmentarische Äußerungen geprägt. Diese überwiegend Ein- und Zwei‐ 6.2 Mikroebene: Sprachliche Gestaltung der Erzieherin-Kind-Interaktionen 357 6.2.4.1.4 6.2.4.1.4.1 wortäußerungen sind zwar unvollständig, jedoch zugleich weniger anfällig für bestimmte Fehlertypen, wie Syntaxfehler. Dementsprechend steht den Erziehe‐ rinnen bei der Interaktion mit den einbis dreijährigen Krippenkindern weniger korrekturbedürftiges sprachliches Ausgangsmaterial als in der Kommunikation mit dreibis sechsjährigen Kindergartenkindern zur Verfügung. Dies könnte erklären, warum das korrektive Feedback bei der hier untersuchten Alters‐ gruppe weniger relevant zu sein scheint als die expandierenden und imitier‐ enden responsiven Interaktionsmuster, die im Folgenden vorgestellt werden. Aufgriff der kindlichen Äußerung Aufgriffe kindlicher Äußerungen stellen ein weiteres responsives Element des Interaktionsverhaltens dar. Bei diesen Aufgriffen handelt es sich um responsive turns, in denen mindestens ein Substantiv oder ein Verb der vorangegangenen kindlichen Äußerung wiederholt und in einen neuen Gesprächsbeitrag der Er‐ zieherin eingebaut wird (vgl. Hoff-Ginsberg 1986: 156). Auf der Grundlage der Analyseergebnisse lassen sich die responsiven Aufgriffe nochmals dahingehend differenzieren, ob der sprachliche Output des Kindes lediglich wiederholt oder aber umgeformt oder erweitert wird. Das folgende Teilkapitel beschreibt die verschiedenen Formen von Aufgriffen und verortet deren Funktion im Kontext des Untersuchungsgegenstandes. Wiederholung der kindlichen Äußerung Die Wiederholung einer kindlichen Äußerung, verstanden als Imitation bzw. wörtliche Wiederholung ohne Veränderung des vorausgehenden kindlichen Gesprächsbeitrages, stellt eine einfache Form des Aufgriffs dar (vgl. Grimm 1999: 57). Für den immersiv-bilingualen Erwerbskontext umschließt der Begriff der Imitation bzw. der wörtlichen Wiederholung zudem die möglichst wortgetreue Übertragung eines kindlichen Sprechaktes von einer Sprache in eine andere, um erfassen zu können, wann englischsprachige Fachkräfte in der deutschen Um‐ gebungssprache realisierte Gesprächsbeiträge der Kinder aufgreifen und diese im Englischen wiedergeben. In diesem Verwendungszusammenhang wird die Imitation bzw. Wiederholung einer kindlichen Äußerung auch als non-corrective repetition (Södergård 2008: 166) oder als modeling through translation (ebd.) be‐ zeichnet. Die folgenden Beispiele aus dem Datenkorpus dienen der Veranschau‐ lichung, in welchen Interaktionskontexten Imitationen als reaktives Element des Interaktionsgeschehens von den Erzieherinnen eingesetzt werden: 6 Ergebnisse der empirischen Untersuchung 358 In Beispiel 62 (Transkript 3E2 181 012lit) entdecken Erzieherin 3E2 und das an der Literacy-Aktivität beteiligte Kind K1 ein Schwein bzw. ein Ferkel in einem Bilderbuch, welches von der Fachkraft als „Ferkelchen“ (Zeile 187) bezeichnet wird. Da K1 diese Bezeichnung offenbar nicht geläufig ist, gibt es die Bezeich‐ nung fragend an 3E2 zurück (Zeile 188). Diese Äußerung wird von 3E2 aufge‐ griffen und wiederum wörtlich, allerdings mit sinkender Intonation, wiederholt (Zeile 189). Der Imitation des kindlichen turns kommt hier - verstärkt durch den Einsatz paraverbaler (Absenken der Tonhöhe bei der wörtlichen Wiederholung, nochmalige lautliche Betonung des Schlüsselwortes mit einem Fokusakzent) sowie nonverbaler Mittel (die konventionelle Geste des Nickens) - eine ein‐ deutig bestätigende Funktion im Sinne des positiven Feedbacks zu (siehe auch Grimm 1999: 57). Durch die wörtliche Wiederholung wird dem Kind hier im Gegensatz zu einer einfachen neutralen Bestätigung (vgl. Kapitel 6.2.4.1.1.1) die eigene Äußerung nochmals präsentiert und dadurch eine zusätzliche Möglich‐ keit zur Verarbeitung des sprachlichen Inputs gegeben. Darüber hinaus stellt das responsive Element der Imitation in der obigen Interaktionssequenz eine Form der gegenseitigen Verständnissicherung dar (vgl. Kurtenbach et al. 2013: 32; Ritterfeld 2000: 415). Auch in Beispiel 63 (Transkript 2 EP 2 811 122lit2), in dem sich die englisch‐ sprachige Erzieherin 2 EP und K1 bei der gemeinsamen Betrachtung des Ich-Bu‐ ches über den letzten Elternnachmittag unterhalten, greift die Fachkraft den kindlichen Sprechakt als wörtliche Wiederholung bzw. Übersetzung auf. Auf die Äußerung von K1, dass es zum letzten Elternachmittag Kekse mitgebracht habe (Zeile 70), reagiert die englischsprachige Erzieherin 2 EP zunächst mit einer 6.2 Mikroebene: Sprachliche Gestaltung der Erzieherin-Kind-Interaktionen 359 122 Der Verweis bezieht sich auf Seite 28 des Anhangs in der Arbeit von Ricart Brede (2011). 6.2.4.1.4.2 neutralen Bestätigung (Zeile 71). Daraufhin folgt eine Wiederholung der kind‐ lichen Äußerung bzw. eine Übersetzung ins Englische im Sinne des modeling through translation (Zeile 72). Durch die wörtliche Überführung des Gesprächs‐ beitrags in die L2 wird der / dem kindlichen InteraktionspartnerIn eine sprach‐ liche Äußerungsvorlage präsentiert, die demonstriert, wie der Sprechakt im Englischen produziert wird (siehe auch Södergård 2008: 166; Steinlen et al. 2013: 83). Gleichzeitig übernimmt die übersetzte Wiederholung des kindlichen Out‐ puts auch hier, wie in Beispiel 62, eine bestätigende Funktion, die rückmeldet, dass die kindliche Äußerung korrekt war und verstanden wurde. Diese Funktion der Wiederholung bzw. Übersetzung der kindlichen Äußerung wird durch die nochmalige neutrale Bestätigung (Zeile 73) zusätzlich untermauert. Die imitierenden Wiederholungen des kindlichen Outputs durch die Erzie‐ herinnen dienen demzufolge, wie anhand der angeführten Beispiele rekonstru‐ iert wurde, der Bestätigung des Interaktionsversuchs sowie der Absicherung des gegenseitigen Verständnisses. Anders als bei den neutralen Bestätigungen und dem expliziten Lob, die als positives Feedback ebenfalls eine bestätigende Funk‐ tion in sprachlichen Interaktionsprozessen übernehmen (vgl. Kapitel 6.2.4.1.1), bieten die Imitationen jedoch den Vorteil, dass die Kinder ihre eigenen Äuße‐ rungen ein zweites Mal von den Erzieherinnen dargeboten bekommen und demnach eine weitere Möglichkeit erhalten, den sprachlichen Input rezeptiv zu verarbeiten. Die übersetzten Wiederholungen der englischsprachigen Erziehe‐ rinnen (modeling through translation) können zudem gezielt dazu genutzt werden, den Kindern zielsprachliche Äußerungsmodelle ihrer eigenen Ge‐ sprächsbeiträge zu präsentieren und so ein systematisches Einhören in die Sprache (vgl. Nauwerck 2005: 157) während der charakteristischen silent period in der L2 bzw. L3 Englisch ermöglichen. Partielle Wiederholungen Neben den Imitationen als vollständige Wiederholung einer kindlichen Äuße‐ rung stellen partielle Wiederholungen bzw. Umformungen eine weitere Mög‐ lichkeit des responsiven Aufgriffs dar. Diese zeichnen sich dadurch aus, dass der / die KommunikationspartnerIn mindestens ein gleiches Substantiv oder Verb wie die Kinder verwendet und dieses in eine neue Äußerung einbaut (vgl. Ricart Brede 2011: 28 122 ). Weitere Bezeichnungen für diese Form des Aufgriffs, bei der Teile der kindlichen Äußerung übernommen, aber auch neue eingebaut werden, sind Umformung (vgl. Knapp et al. 2010: 101), partielle Wiedergabe (vgl. Ritterfeld 2000: 416) oder Wiederholung mit Transformation (vgl. Grimm 1999: 6 Ergebnisse der empirischen Untersuchung 360 57). Zur Verdeutlichung der Analyseergebnisse werden die Verwendungskon‐ texte sowie die funktionalen Merkmale partieller Wiederholungen anhand der folgenden Beispiele aus dem Datenkorpus näher beschrieben: In Beispiel 64 (Transkript 3E2 181 012lit) entdeckt K1 während der gemeinsamen Bilderbuchbetrachtung mit Erzieherin 3E2 einen abgebildeten Tankwagen in dem Buch (Zeile 15). Diese Vermutung greift Erzieherin 3E2 in dem folgenden turn auf und bestätigt, dass der in dem Buch abgebildete Wagen tatsächlich wie ein Tankwagen aussieht (Zeile 16). Das reaktive Element der responsiven Äu‐ ßerung stellt demnach das Substantiv „Tankwagen“ dar, das von 3E2 aus dem kindlichen Sprechakt aufgegriffen und in eine neue Äußerung überführt wird. Gleichzeitig bestätigt sie die kindliche Interaktionsbeteiligung zunächst non‐ verbal durch ihr zustimmendes Nicken (Zeile 16) und später nochmals explizit verbal (Zeile 19). Der partiellen Wiederholung bzw. Umformung der kindlichen Äußerung kommt daher in dem vorliegenden Verwendungskontext eine bestä‐ tigend-motivierende Funktion zu. Darüber hinaus - und dies ist der zentrale Unterschied zu den zuvor beschriebenen Imitationen - enthalten die Umfor‐ mungen der kindlichen Äußerungen neue Elemente und inhaltliche Informati‐ onen, die für den Fortgang des Gesprächs anregende und weiterführende Im‐ pulse liefern. Diese doppelte, d. h. bestätigende als auch zur weiteren sprachlichen Inter‐ aktion stimulierende Funktion der partiellen Wiederholungen wird auch an‐ hand des Beispiels 65 (Transkript 3E1 311 012fikt) deutlich. In diesem Ausschnitt nimmt das beteiligte Kind K1 der englischsprachigen Erzieherin 3E1 Gefäß und Löffel weg und kommentiert diese nonverbale Handlung damit, dass es Beides jetzt in die Waschmaschine bringt (Zeile 115). Die darauffolgende responsive 6.2 Mikroebene: Sprachliche Gestaltung der Erzieherin-Kind-Interaktionen 361 123 Aufgrund der Tatsache, dass die englischsprachige Erzieherin 3E1 das von K1 einge‐ führte Substantiv „Waschmaschine“ im Englischen mit dishwasher anstelle von washing machine als englischem Äquivalent von „Waschmaschine“ übersetzt, wird deutlich, dass sie die partielle Wiederholung gleichzeitig für die Darbietung von korrektivem Feed‐ back nutzt, indem sie „Waschmaschine“ als das eigentlich in der Situation gemeinte dishwasher als implizites recast an K1 rückmeldet. 6.2.4.1.4.3 Äußerung von 3E1 greift das Substantiv „Waschmaschine“ bzw. „Spülma‐ schine“ 123 als reaktives Element der kindlichen Äußerung auf und präzisiert diese durch das Hinzufügen des Verbs „waschen“ (Zeile 116), so dass die kindliche Äußerung in diesem Gesprächsbeitrag von der englischsprachigen Fachkraft umgeformt wird. Ähnlich wie bei der zuvor beschriebenen Sequenz (Beispiel 64) enthält die responsive Umformung der Erzieherin auch hier ein neutrales Bestätigungssignal („yeah“, Zeile 116). Zusammenfassend werden die partiellen Wiederholungen bzw. Umfor‐ mungen in dem analysierten Korpus daher zur Fortführung eines von dem Kind eingeführten Dialogthemas und der gleichzeitigen Einführung neuer Ge‐ sprächsimpulse genutzt. Durch die Wiederholung einzelner Elemente dient diese Form des Aufgriffs zudem als Bestätigung der kindlichen Sprachproduk‐ tion. Ein Vergleich der Analyseergebnisse zwischen Imitationen (vollständige Wiederholung) und Umformungen (partielle Wiederholung) zeigt jedoch, dass die vollständigen gegenüber den partiellen Wiederholungen klar dominieren (n=101 vs. n=23) und insbesondere die englischsprachigen Erzieherinnen den kindlichen Output wesentlich häufiger vollständig wiederholen bzw. wörtlich übersetzen als umformen. Diese Erkenntnisse lassen sich dahingehend inter‐ pretieren, dass die englischsprachigen Erzieherinnen die Priorität der Interak‐ tion vermutlich darin sehen, die kindliche Sprachproduktion durch positives Feedback (neutrale Bestätigungen und auch Imitationen) zu bestärken sowie Verständnis (durch z. B. Verständnisnachfragen) abzusichern, um die Kinder in ihrer verbalen Interaktionsbeteiligung nicht zu verunsichern bzw. zu überfor‐ dern. Expansionen Neben Imitationen und Umformungen stellen sogenannte Expansionen bzw. Erweiterungen eine weitere Möglichkeit dar, Teile kindlicher Äußerungen auf‐ zugreifen. Unter Expansionen werden responsive Äußerungen verstanden, die „unvollständige Äußerungen des Kindes wiederholen und dabei die fehlenden Elemente hinzufügen“ (Szagun 2006: 178; vgl. auch Kiening 2011: 76; Knapp et al. 2010: 101; Ritterfeld 2000: 416). Die folgenden Beispiele zeigen, wie die Er‐ 6 Ergebnisse der empirischen Untersuchung 362 zieherinnen kindliche Sprechakte aufgreifen und diese in Form von Expansi‐ onen zu kompletten Äußerungen vervollständigen: An Beispiel 66 (Transkript 4E1 131 212fikt BK ) wird einführend nochmals deut‐ lich, dass sich in der Altersgruppe der Unterdreijährigen insbesondere die ein‐ jährigen Kleinkinder größtenteils mithilfe von Einwortäußerungen verstän‐ digen (Zeile 71). Dieser fragmentarische Sprechakt wird von der englischspra‐ chigen Erzieherin 4E1 aufgegriffen und um die fehlenden sprachlichen Strukturen zu einem vollständigen Deklarativsatz expandiert (Zeile 72). Dabei ändert sich der semantische Gehalt der vorausgehenden Äußerung von K1 nicht, sondern es werden lediglich die fehlenden grammatischen Strukturen ergänzt. In dem darauffolgenden turn präzisiert 4E1 ihre eigene Aussage nochmals in‐ haltlich, indem sie die Farbe der Gabel ergänzt (Zeile 73). Auf ähnliche Weise wird die kindliche Äußerung in Beispiel 67 (Transkript 4E21 212 121lit) erweitert. Auch hier handelt es sich um eine verkürzt-fragmen‐ tarische Aussage des Kindes K1 („zu ende“ Zeile 120), mit der es das Zuklappen des Buches begleitet und so das Ende der gemeinsamen Bilderbuchbetrachtung markiert. Auf diesen Gesprächsbeitrag reagiert die deutschsprachige Erzieherin 4E3 zunächst mit einer neutralen Bestätigung (Zeile 121), greift schließlich die kindliche Äußerung „zu ende“ auf und erweitert diese um die präzisierende Zu‐ satzinformation „[…] ist die Geschichte“ zu einem vollständigen Deklarativsatz (Zeile 122). Insbesondere diese Kombination aus Bestätigung und Expansion der kindli‐ chen Äußerung scheint gemäß der Analyseergebnisse ein charakteristisches Muster des responsiven Interaktionsverhaltens der Erzieherinnen des TU -Kin‐ derhauses zu bilden, da es sich anhand zahlreicher weiterer Datenbelege bestä‐ tigen lässt (vgl. u. a. Transkript 4E21 212 121lit, Zeile 79 f.; Transkript 4E32 012 121gest, Zeile 137 f.). Zusammenfassend setzen die untersuchten Er‐ 6.2 Mikroebene: Sprachliche Gestaltung der Erzieherin-Kind-Interaktionen 363 6.2.4.2 6.2.4.2.1 zieherinnen Expansionen daher vor allem in Interaktionszusammenhängen ein, in denen die Kinder semantisch korrekte, jedoch inhaltlich unvollständige bzw. ergänzungsbedürftige turns produzieren. Um die inhaltlich-semantische Ange‐ messenheit der Interaktionsversuche wertzuschätzen, kombinieren sie die Er‐ weiterungen mit Bestätigungen. Die Expansionen an sich bieten das Potenzial, dass die Kinder ihre Aufmerksamkeit und informationsverarbeitenden Kapazi‐ täten - da der semantische Aspekt der Situation verstanden wurde - auf die formalen Aspekte der Sprachverwendung lenken können, da die Expansionen ihnen den semantischen Gehalt in vollständigen und grammatisch korrekten Formen präsentieren (vgl. Szagun 2006: 187). Reaktion auf nonverbale kindliche Interaktionsversuche Die Ergebnisdarstellung zu den Möglichkeiten der kindlichen Interaktionsbe‐ teiligung hat verdeutlicht, dass sich diese zu einem erheblichen Anteil aus non‐ verbalen Elementen speisen (vgl. Kapitel 6.2.3.1). Da die Responsivität sowohl die Reaktionen auf die verbale als auch die nonverbale Partizipation des Kindes umschließt (vgl. Kiening 2011: 73) und sich die Reaktionen der pädagogischen Fachkräfte auf verbale und nonverbale kindliche Interaktionsversuche gezwun‐ genermaßen unterscheiden, da bei der nonverbalen Teilhabe kein verbales Aus‐ gangsmaterial zur Verfügung steht, auf das beispielsweise in Form von Imitati‐ onen oder Expansionen reagiert werden könnte, werden in dem folgenden Teil‐ kapitel die zentralen Analyseergebnisse zu dem spezifischen Umgang der Erzieherinnen des TU -Kinderhauses mit nonverbalen Gesprächsbeiträgen der Kinder dezidiert dargestellt. Positives Feedback Die Analyseergebnisse zeigen, dass die untersuchten Erzieherinnen in vielen Fällen mit einer Bestätigung oder einem Lob auf die nonverbale Interaktions‐ beteiligung eines Kindes reagieren. Responsive Äußerungen der Erzieherinnen, in denen eine Bestätigung oder ein Lob auf eine nonverbale Handlung des Kindes enthalten ist, werden im Folgenden unter Bezugnahme auf Datenbelege näher beschrieben: 6 Ergebnisse der empirischen Untersuchung 364 In Beispiel 68 (Transkript 3E2 171 012fikt) füllen die deutschsprachige Erzieherin 3E2 und die Kinder Kastanien in verschiedene Gefäße um. Dabei weist das Kind K4 in dieser Sequenz ausschließlich nonverbale Gesprächsbeiträge auf (Zeile 82, 84, 89). Diese nonverbalen Handlungen - das Umfüllen der Kastanien von dem Topf in den Becher - belegen zunächst, dass K4 die Handlungsaufforderung von 3E2 (Zeile 79-81) verstanden hat. Das Ausführen der entsprechenden Hand‐ lungen wird von Erzieherin 3E2 kontinuierlich mit positivem Feedback ver‐ sehen. So lobt sie den Beginn der gewünschten Handlung - das Herausnehmen der Kastanien aus dem Topf (Zeile 82) - mit dem euphorisch-lobenden Ausruf „bravo“ (Zeile 83), der zudem lautlich besonders hervorgehoben wird. Auf das endgültige Umfüllen der Kastanien in den Becher (Zeile 84, 89) reagiert sie je‐ weils mit einem wertschätzenden Dank (Zeile 85, 90). Durch die fortwährende verbale Reaktion auf die nonverbale Interaktionsbeteiligung erhält K4 eine Rückmeldung hinsichtlich der Angemessenheit seiner ausgeführten Hand‐ lungen und die bestätigenden Rückmeldungen vermitteln zudem, dass es als InteraktionspartnerIn wahrgenommen wird. Auch Beispiel 69 (Transkript 3E1 311 012fikt) zeichnet sich durch spezifische Reaktionen auf nonverbale kindliche turns aus. Hier bittet die englischsprachige Erzieherin 3E1 das anwesende Kind K1 zunächst, ihr einen Becher aus der Spiel‐ küche zu holen, was von K2 im Anschluss als nonverbale Handlung ausgeführt wird (Zeile 259). Der darauffolgende responsive turn von 3E1 wird zunächst mit 6.2 Mikroebene: Sprachliche Gestaltung der Erzieherin-Kind-Interaktionen 365 6.2.4.2.2 einer neutralen Bestätigung eingeleitet („yes“, Zeile 260), auf den anschließend ein in Bezug auf die ausgeführte Handlung ausformulierter Dank („thank you for bringing a cup“, Zeile 261) sowie eine nochmalige verkürzte Wiederholung des Dankes folgt („thank you“, Zeile 262). Dieser Gesprächsbeitrag von 3E1 konstituiert sich aus einem Dreischritt, wobei über die einzelnen Elemente dieses Dreischritts jeweils positives Feedback, anfangs neutral bestätigend („yes“) und schließlich zweimal explizit lobend-wertschätzend („thank you“), transportiert wird. In diesem Sinne schafft das positive Feedback der Interakti‐ onspartnerin auch hier eine wertschätzende Gesprächsatmosphäre, die das Kind in seiner nonverbalen Partizipation bestärkt und auf diese Weise nicht nur zur Aufrechterhaltung des gemeinsamen Spiels, sondern womöglich sogar schritt‐ weise zu einer verbalen Teilhabe an den Interaktionen anregen kann. Versprachlichung Neben dem positiven Feedback mittels bestätigender oder lobender Rückmel‐ dungen stellt die Versprachlichung eine weitere gängige Reaktion auf die non‐ verbale Interaktionsbeteiligung eines Kindes dar. Hierbei wird, wie die fol‐ genden Beispiele zeigen, die gestisch-nonverbale Partizipation des Kindes in eine sprachliche Äußerung überführt (vgl. Kiening 2011: 76). 6 Ergebnisse der empirischen Untersuchung 366 In Beispiel 70 (Transkript 2 EP 2 811 121fikt) versprachlicht die englischsprachige Erzieherin 2 EP gleich mehrere aufeinanderfolgende Gesprächsbeiträge des Kindes K3. Zunächst verbalisiert sie ihre Beobachtung, dass K3 ihr einen mit Kastanien gefüllten Messbecher entgegenstreckt (Zeile 70). Direkt im Anschluss an die Versprachlichung nimmt sie zudem nochmals mit positivem Feedback Bezug auf die kindliche Handlung („super“, Zeile 71). Auch die kindlichen Spiel‐ handlungen im weiteren Verlauf der Sequenz - das Ausschütten der Kastanien aus dem Messbecher in eine Schüssel (Zeile 74) sowie das Zurückfüllen der Kas‐ tanien aus der Schüssel zurück in den Messbecher (Zeile 76) - werden unmit‐ telbar im Anschluss an die vollzogene Handlung im Rahmen der jeweils res‐ ponsiven Äußerungen von 2 EP versprachlicht (Zeile 75, 77). Ein weiterer Datenbeleg, in dem die nonverbalen Handlungen durch eine Erzieherin versprachlicht werden, findet sich in Beispiel 71 (Transkript 3E3 171 012lit). Hier bringt K1 der deutschsprachigen Erzieherin 3E3 ein Buch (Zeile 01) und signalisiert dadurch, dass es dieses gemeinsam mit 3E3 anschauen möchte. Erzieherin 3E3 greift dieses nonverbale Signal auf, indem sie die Hand‐ lung von K1 versprachlicht und auch hier - wie in Beispiel 70 (Zeile 70) - das Schlüsselwort „Buch“ suprasegmental durch einen Wortakzent betont (Zeile 02). Im Anschluss an die Versprachlichung (Zeile 02) bestätigt sie die nonverbale Handlung von K1 zusätzlich mit positivem Feedback („toll“, Zeile 03). Zudem versprachlicht sie die implizite Intention des kindlichen Sprechaktes, ge‐ meinsam das Bilderbuch anzuschauen (Zeile 03). Parallel dazu öffnet sie einla‐ dend die Arme, wodurch der Vorschlag der gemeinsamen Bilderbuchbetrach‐ tung nochmals unterstrichen wird (Zeile 03). Auch die darauffolgende nonver‐ bale Reaktion von K1 - das zögerliche Stehenbleiben bzw. Verharren vor 3E3 (Zeile 04) - wird von 3E3 in Form einer Frage aufgegriffen und auf diese Weise in versprachlichter Form an K1 rückgemeldet (Zeile 05). Die Versprachlichung der kindlichen Handlung dient ausgehend von den Er‐ gebnissen der Mikroanalyse dazu, den kindlichen InteraktionspartnerInnen zu signalisieren, dass ihre nonverbale Interaktionsbeteiligung wahrgenommen und verstanden wurde. Da die Versprachlichung zudem häufig mit positivem Feed‐ back kombiniert wird, geht von der verbalen Spiegelung der nonverbalen In‐ teraktionsbeteiligung durch die pädagogische Fachkraft - ähnlich der Imitation als Reaktion auf einen verbalen kindlichen Gesprächsbeitrag - zudem eine be‐ stätigende Wirkung aus. Darüber hinaus ist anzunehmen, dass dem handlungs‐ begleitenden Sprechen eine zentrale Bedeutung für den kindlichen Wortschatz‐ erwerb und dem Ausbau des Lexikons zukommt. Trotz der insbesondere wäh‐ rend der silent period dominierenden nonverbalen Interaktionsbeteiligung können die Kinder auf diese Weise vielfältige rezeptive Erfahrungen mit der 6.2 Mikroebene: Sprachliche Gestaltung der Erzieherin-Kind-Interaktionen 367 6.2.5 deutschen Umgebungssprache und insbesondere mit dem Englischen als weitere in der Einrichtung vertretene Sprache sammeln, da ihnen die für die Verbali‐ sierung erforderlichen sprachlichen Strukturen und lexikalischen Ausdrucks‐ mittel unmittelbar in den konkreten Handlungs- und Verwendungskontexten präsentiert werden. Demzufolge verdeutlicht das responsive Element der Ver‐ sprachlichung nonverbaler turns, dass die Erzieherinnen in der Interaktion mit den Unterdreijährigen zu einer Art „Sprachrohr“ (Ennulat 2007: o. A.) des Kindes und seiner Handlungen werden. Zusammenfassung der Ergebnisse Im Rahmen des vorliegenden Kapitels wurde die Mikroebene der Erzie‐ herin-Kind-Interaktionen beleuchtet und in diesem Zusammenhang die Ergeb‐ nisse zu den Merkmalen des kindgerichteten Inputs und der interaktiven Sprachverwendung der Erzieherinnen mit einem besonderen Fokus auf deren funktionalen Aspekten beschrieben. Bezüglich der für diesen Auswertungs‐ schritt leitenden Forschungsfrage (Welche Charakteristika weisen der Input und das sprachliche Interaktionsverhalten der Erzieherinnen auf ? ) werden an dieser Stelle die zentralen Erkenntnisse nochmals zusammenfassend aufgegriffen. Zu Beginn des Kapitels wurde zunächst herausgearbeitet, dass der kindge‐ richtete Input der Erzieherinnen in dem immersiven Erwerbskontext der untersuchten deutsch-englisch bilingualen Krippeneinrichtung spezifische Merkmale aufweist. Infolge der Analyseergebnisse stellt insbesondere die Auf‐ merksamkeitslenkung, die auf lexikalisch-semantischer Ebene durch die Ver‐ wendung von attention devices sowie auf phonetischer Ebene durch die supra‐ segmentale Markierung von bedeutungstragenden Schlüsselwörtern realisiert wird, ein charakteristisches funktionales Merkmal des kindgerichteten Inputs der Fachkräfte dar. Zusätzlich dazu zeichnet sich die Sprachverwendung der Erzieherinnen des TU -Kinderhauses durch ein hohes Maß an nonverbaler Kon‐ textualisierung aus. Durch den sprachbegleitenden Einsatz referentieller als auch konventioneller und symbolischer Gesten wird den Kindern eine weitere Verstehensebene eröffnet, die es ihnen ermöglicht, den semantischen Gehalt einer Äußerung nicht nur aus den dargebotenen sprachlichen Strukturen, son‐ dern parallel dazu aus der gestischen Visualisierung, d. h. z. B. mithilfe deikti‐ scher Verweise auf außersprachliche Referenten oder die symbolisch-pantomi‐ mische Darstellung einer Handlung, zu rekonstruieren. Neben der Aufmerk‐ samkeitslenkung und nonverbalen Kontextualisierung wurde dargelegt, dass der von den pädagogischen Fachkräften dargebotene Input verschiedene re‐ 6 Ergebnisse der empirischen Untersuchung 368 dundante Elemente aufweist. Redundanz wird auf der Performanzebene insbe‐ sondere durch Selbstwiederholungen, Paraphrasierungen und Expansionen der eigenen Äußerungen hergestellt und dient dazu, das kindliche Verständnis des dargebotenen Inputs durch die wiederholende und z. T. abgewandelte bzw. er‐ weiterte Reformulierung eines Gesprächsbeitrages zu sichern. Von diesen übergeordneten Merkmalen des sprachlichen Inputs ausgehend erfolgte die Ergebnisdarstellung interaktiver Elemente der Erzieherin- Kind-Kommunikation anhand eines Dreischritts aus initiierend-gesprächsevo‐ zierenden Elementen, der kindlichen Partizipation sowie reaktiv-responsiver Aspekte der Interaktion. Um Interaktionsprozesse zu initiieren, nutzen die Er‐ zieherinnen vor allem echte Fragen, wohingegen Testfragen einen eher gerin‐ geren Stellenwert einnehmen. Wie sich an dem Antwortverhalten der kindli‐ chen InteraktionspartnerInnen ablesen ließ, unterscheidet sich die gesprächs‐ evozierende Wirkung der verschiedenen Frageformen dahingehend, dass echte Fragen offenbar zu längeren und selbstständigeren sprachlichen Produktionen motivieren, wohingegen sich die Antworten auf Testfragen oftmals auf Ein‐ wortäußerungen beschränken. Zwar konnten auch sogenannte report questions häufig in den Daten identifiziert werden, die gesprächsinitiierende Funktion dieses Fragetyps wird ausgehend von den Analyseergebnissen allerdings als gering eingeschätzt. Anhand der sich anschließenden Ergebnisdarstellung zu den Möglichkeiten der kindlichen Teilhabe an den Interaktionen konnte gezeigt werden, dass die Kleinkinder sowohl verschiedene nonverbale als auch verbale Verständigungs‐ mittel nutzen. In Bezug auf die nonverbale Interaktionsbeteiligung bedienen sie sich insbesondere referentieller Gesten, um ihre Wünsche und Absichten ge‐ genüber den Erzieherinnen zu verdeutlichen, symbolische und konventionelle Gesten sind hingegen deutlich seltener vertreten und entwickeln sich erst all‐ mählich. Ferner konnte anhand der nonverbalen kindlichen Gesprächsbeiträge, z. B. das Ausführen einer angemessenen (Spiel-)Handlung, aufgezeigt werden, dass diese entwicklungsspezifische Rückschlüsse auf die rezeptiven Kompe‐ tenzen eines Kindes zulassen. Zur verbalen Interaktion greifen die Kinder - auch in der Interaktion mit den englischsprachigen Fachkräften - größtenteils auf die deutsche Umgebungssprache zurück, da diese dem Kind durch ein responsives Interaktionsverhalten rückmelden, dass sie auch die auf Deutsch produzierten turns verstehen. Dennoch sind bereits erste produktive Verwendungen des Eng‐ lischen zu beobachten, die sich meistens auf Übernahmen einzelner zuvor geh‐ örter Wörter oder die Reproduktion fester Wendungen (chunks) beziehen. Das Phänomen des code-mixing tritt in Anbetracht der Analyseergebnisse insbeson‐ dere dann auf, wenn Kinder einzelne englische Wörter aus dem jeweiligen Si‐ 6.2 Mikroebene: Sprachliche Gestaltung der Erzieherin-Kind-Interaktionen 369 tuationskontext, z. B. zur spontanen Überbrückung lexikalischer Lücken, in eine deutschsprachige Äußerung einbauen. Über das gesamte Korpus hinweg be‐ trachtet tritt das code-mixing jedoch eher selten auf. Im Zuge der darauf aufbauenden Ergebnisdarstellung zu der Responsivität und dem Feedback-Verhalten als der dritten Säule des Interaktionsgeschehens wurde an verschiedenen Datenbelegen nachgezeichnet, dass die Erzieherinnen des TU -Kinderhauses auf vielfältige Weise auf die verbalen Interaktionsver‐ suche der Kinder eingehen. In diesem Zusammenhang konnte gezeigt werden, dass die englischsprachigen Erzieherinnen nicht nur auf zielsprachliche Äuße‐ rungen, sondern auch auf in der deutschen Umgebungssprache realisierte Ge‐ sprächsbeiträge der Kinder Rückmeldungen geben. Dieser responsive Umgang verdeutlicht, dass die Erzieherinnen die Erstsprache der Kinder gemäß der in‐ teraktionistisch-soziokulturellen Perspektive auf den Spracherwerb nicht ledig‐ lich dulden, sondern als ein mögliches Kommunikationsmittel der Kinder wert‐ schätzen. Neben positivem Feedback, das vorwiegend als neutrale Bestätigung und in wesentlich geringerem Umfang als explizites Lob realisiert wird und eine positiv-bestärkende Rückmeldung zu der Angemessenheit eines verbalen turns liefert, nutzen die Erzieherinnen der Krippeneinrichtung responsive Frage‐ formen wie Verständnisnachfragen oder Klärungsaufforderungen, um das ge‐ genseitige Verständnis abzusichern bzw. das Kind zu einer Wiederholung bzw. Korrektur des vorausgehenden turns aufzufordern. Korrektives Feedback als Rückmeldung zu einer fehlerhaften oder unvollständigen kindlichen Äußerung nimmt angesichts der Analyseergebnisse einen unerwartet geringen Stellenwert im responsiven Interaktionsverhalten der Fachkräfte ein. Diesbezüglich greifen die Erzieherinnen allerdings ausschließlich auf recasts als implizite Form der Korrektur zurück, während explizite Korrekturverfahren, die einen expliziten Hinweis auf den Fehler beinhalten, nicht in den Daten zu finden sind. Wesentlich bedeutsamer als das korrektive Feedback scheinen verschiedene Formen des Aufgriffs kindlicher Äußerungen, wie Imitationen, Umformungen und Expan‐ sionen der kindlichen Gesprächsbeiträge, zu sein. Hier greifen im Speziellen die englischsprachigen Erzieherinnen auch die deutschsprachigen Äußerungen der Kinder in Form von Imitationen oder Expansionen auf und bieten ihnen auf diese Weise zielsprachliche Äußerungsmodelle im Englischen an. Zudem wurde aus den Analyseergebnissen geschlussfolgert, dass die untersuchten Erziehe‐ rinnen oftmals verschiedene responsive Einzelelemente kombinieren. So werden kindliche Äußerungen häufig zunächst mit positivem Feedback ver‐ sehen, anschließend jedoch nochmals in Form einer Expansion oder Imitation aufgegriffen. Des Weiteren zeigen die Fachkräfte auch auf nonverbale Ge‐ sprächsbeiträge der Kinder verschiedene responsive Interaktionsmuster. Sie 6 Ergebnisse der empirischen Untersuchung 370 verbalisieren nicht nur positives Feedback zur Angemessenheit des nonverbalen Verhaltens, sondern versprachlichen die nonverbalen turns auch. Da es dem Kind auf diese Weise ermöglicht wird, trotz mangelnder bzw. rudimentärer ei‐ gener aktiver Sprachkompetenzen rezeptive Erfahrungen in der deutschen Um‐ gebungssprache und der L2 bzw. L3 Englisch zu sammeln, ist anzunehmen, dass die Versprachlichung als handlungsbegleitendes Sprechen in erster Linie dem kindlichen Wortschatzerwerb zugutekommt. Durch die verschiedenen respon‐ siven Rückmeldungen auf die kindliche Interaktionspartizipation wird den Kin‐ dern die Sicherheit vermittelt, in der immersiven Erwerbsumgebung der bilin‐ gualen Kita mit ihrem Repertoire an nonverbalen und verbalen kommunikativen Mitteln sprachhandlungsfähig zu sein. 6.2 Mikroebene: Sprachliche Gestaltung der Erzieherin-Kind-Interaktionen 371 7 Fazit und Ausblick Das übergeordnete Ziel der durchgeführten Studie war es, den kindgerichteten Input sowie das verbale und nonverbale Interaktionsverhalten von deutsch- und englischsprachigen Fachkräften in einer nach der Immersionsmethode arbei‐ tenden bilingualen Krippeneinrichtung videogestützt zu beobachten und mit‐ hilfe eines qualitativ-deskriptiven und mehrschrittigen Auswertungsdesigns zu beschreiben. Die Erkenntnisse der interaktionistisch-soziokulturell orientierten Untersuchung bestätigen einerseits die Befunde der bisherigen Forschung, bringen aber im Sinne der Hypothesengenerierung (vgl. Grotjahn 1993: 230 f.) andererseits auch neue Erkenntnisse hervor, die bislang nicht explizit themati‐ siert wurden und demnach neue Impulse für die Erforschung des frühen Fremd‐ sprachenerwerbs liefern können. In diesem abschließenden Kapitel der vorlie‐ genden Forschungsarbeit werden die zentralen Erkenntnisse der durchge‐ führten Videostudie daher zunächst im Kontext des derzeitigen Forschungsstandes zu der Thematik der frühen Fremdsprachenvermittlung ver‐ ortet sowie der Beitrag der Studie für das Forschungsgebiet aufgezeigt. Auch die Möglichkeiten und Grenzen des entwickelten Forschungsdesigns werden ab‐ schließend kritisch reflektiert und alternative Vorgehensweisen aufgezeigt, die schließlich in Anschlussstudien aufgegriffen werden können. Abschließend werden weiterführende Fragestellungen, die aus der vorliegenden Arbeit er‐ wachsen sind, als bestehende Desiderata aufgezeigt und damit ein perspektivi‐ scher Ausblick auf mögliche zukünftige Forschungsaktivitäten gegeben, zu denen diese Studie anregen möchte. Diskussion und Einordnung der Ergebnisse Auf der Makroebene des Datenmaterials wurden unter der leitenden Fragestel‐ lung, welche Arten von Erzieherin-Kind-Interaktionen während der Freispiel‐ zeit in der bilingualen Einrichtung zustande kommen, zunächst die in den In‐ teraktionen stattfindenden Aktivitäten als Handlungsrahmen sowie die Sozial‐ formen als soziale Dimension der Erzieherin-Kind-Interaktionen beschrieben. Die Ergebnisse dieses Analyseschritts haben verdeutlicht, dass die im bilingu‐ alen TU -Kinderhaus betreuten Kleinkinder die in der Einrichtung vertretenen Sprachen (Deutsch und Englisch) als authentisches Kommunikationsmedium in verschiedenen und vielfältigen Handlungskontexten eingebettet erleben. Dass unter den beschriebenen Handlungsformen vor allem Literacy-Aktivitäten stark vertreten sind, ist in Anbetracht der derzeitigen Forschungslage der frühen Literacy-Förderung, die eine vorschulische Auseinandersetzung mit und An‐ bahnung von schriftsprachlichen Kompetenzen für die kindliche (Sprach)Ent‐ wicklung als förderlich erachtet (vgl. u. a. Jampert et al. 2007: 179; Stiftung Lesen 2011: 24), als durchaus positiv einzuordnen. Im Vergleich mit bestehenden Stu‐ dien (siehe z. B. König 2006: 234) ist der hohe Anteil an Literacy-Aktivitäten jedoch zugleich als ungewöhnlich bzw. einzigartig einzustufen. Gleichermaßen kontrastiert der ebenfalls hohe Anteil an Fiktions- und Rollenspielen mit dem Forschungsstand (siehe z. B. Brandt / Wolf 1985: 138) und scheint insbesondere für den Bereich der Unterdreijährigen untypisch zu sein. Zudem wurden die Aktivitäten im Rahmen dieses Analyseschritts in Bezug auf eine mögliche per‐ sonensowie gruppenspezifische Verteilung betrachtet. Die Erkenntnisse der vorliegenden Studie geben damit erstmals Aufschluss darüber, dass die Aktivi‐ täten höchst unterschiedlich auf die einzelnen Personen und Gruppen der Ein‐ richtung, jedoch nicht sprachenspezifisch auf die deutsch- und englischspra‐ chigen Erzieherinnen, verteilt sind. Ausgehend von diesen personen- und grup‐ penspezifischen Handlungsmustern deutet sich an, dass die konkreten Erfahrungen, die Kinder innerhalb einer Einrichtung sammeln, in Abhängigkeit von den Gruppen, in denen sie betreut werden sowie den in diesen Gruppen tätigen Erzieherinnen, höchst unterschiedlich ausfallen können. Die makroanalytisch beschriebenen Sozialformen der identifizierten Erzie‐ herin-Kind-Interaktionen weisen des Weiteren einen hohen Anteil an dyadi‐ schen Interaktionssituationen, in denen sich die Erzieherinnen mit ausschließ‐ lich einem Kind beschäftigen, auf. Dieses Teilergebnis könnte wegweisende Im‐ plikationen für die derzeitig im Elementarbereich geführte Qualitätsdebatte haben, da hier der empirische Beleg geliefert wird, dass sich günstige struktu‐ relle Rahmenbedingungen in einer Betreuungseinrichtung, die im bilingualen TU -Kinderhaus insbesondere durch den überdurchschnittlichen Betreuungs‐ schlüssel gegeben sind, in einem hohen Anteil an 1: 1-Interaktionen unmittelbar auf der prozessualen Handlungsebene des pädagogischen Alltags widerspiegeln können. Die Ergebnisse demonstrieren damit eine eindeutige Wechselwirkung zwischen den strukturellen und prozessualen Qualitätsdimensionen einer Ein‐ richtung und ließen sich im Zuge der Qualitätsdebatte als Plädoyer für eine Verbesserung des Betreuungsschlüssels weiterführen. Ein gutes Betreuungs‐ verhältnis scheint dabei jedoch insbesondere für bilinguale und nach der Im‐ mersionsmethode arbeitende Kitas, in denen die Sprachverwendung personen‐ bezogen nach dem Prinzip one person - one language erfolgt, bedeutsam zu sein, da die beteiligten Sprachen hier über die einzelnen Personen repräsentiert 7 Fazit und Ausblick 373 werden und eine ausreichende Kontaktintensität zu den über die Personen ver‐ mittelten Sprachen gewährleistet sein sollte (siehe dazu auch Steinlen et al. 2010a: 71; Wode 2009: 91). Dennoch sind die gewonnenen Erkenntnisse - die beschriebene Wechselwirkung zwischen der strukturellen und prozessualen Qualitätsdimension - sicherlich auch auf monolinguale Kitas übertragbar. Um die pädagogische Qualität auf der prozessualen Ebene nachhaltig zu verbessern, sollte daher auch in einsprachigen Einrichtungen eine Optimierung der struk‐ turellen Rahmenbedingungen, insbesondere in Form des Betreuungsschlüssels, angestrebt werden. Der zweite Analyseschritt hat auf der Mikroebene der Interaktion verdeut‐ licht, dass der kindgerichtete Input und das sprachliche Interaktionsverhalten der deutsch- und englischsprachigen Erzieherinnen verschiedene Elemente auf‐ weisen, die sich dem in der interaktionistisch-soziokulturellen Theorie be‐ schriebenen Konzept des scaffoldings zuordnen lassen (siehe dazu Kapitel 4.2.3). So bilden die in der Analyse herausgearbeiteten Input-Merkmale der Aufmerk‐ samkeitslenkung, nonverbalen Kontextualisierung und Redundanz ein spezifi‐ sches sprachliches Unterstützungssystem, das das Kind dazu befähigt, dem Input trotz eingeschränkter Sprachkompetenzen relevante Informationen zu ent‐ nehmen und dem bilingualen Kita-Alltag rezeptiv folgen zu können. Die Ergeb‐ nisse der vorliegenden Studie können damit erstmals auf empirischer Grundlage nachweisen, dass in ErzieherIn-Kind-Interaktionen in immersiv-bilingualen Krippeneinrichtungen sprachliche Hilfestellungen im Sinne des scaffoldings verwendet werden. Insbesondere in Bezug auf das Merkmal der nonverbalen Kontextualisierung handelt es sich meines Wissens zudem um die erste For‐ schungsarbeit, die diese nicht nur nennt, sondern in die spezifischen gestischen Mittel aufschlüsselt und datengeleitet beschreibt. In diesem Zusammenhang wurden verschiedene nonverbale Kontextualisierungsmittel identifiziert (refe‐ rentielle, konventionelle und symbolische Gesten) und deren spezifische Funk‐ tion in verschiedenen Interaktionskontexten beschrieben (vgl. Beispiele 7-12 der Ergebnisdarstellung). Auf diese Weise konnte anhand der Transkripte he‐ rausgearbeitet werden, dass verbale Gesprächsbeiträge durch die gestische Kon‐ textualisierung in den jeweiligen Situationskontext eingebettet werden und dem Kind dadurch eine zusätzliche Verstehensebene eröffnen. Demzufolge ist das Kind nicht auf das Verständnis des verbalen sprachlichen Inputs angewiesen, sondern kann auf die nonverbale Begleitung der Äußerung zurückgreifen, um die Bedeutung des Gesagten zu erschließen. Dieses Prinzip erinnert damit auch an die sogenannte „Stummfilmtechnik“ (u. a. Kersten et al. 2009: 7), die bereits für die Sprachverwendung in immersiven Spracherwerbskontexten beschrieben wurde. Dass diese Stummfilmtechnik für die immersive Vermittlung von Spra‐ 7 Fazit und Ausblick 374 chen in der Altersgruppe der unterdreijährigen Kinder von besonderer Bedeu‐ tung ist, wurde im Zuge der Ergebnisdarstellung anhand verschiedener Daten‐ belege veranschaulicht. Bei den gesprächsevozierenden Frageformen zeigen sich einige Parallelen zu den Ergebnissen von Nauwerck (2005). Nauwerck (2005: 143) machte in ihrer Untersuchung darauf aufmerksam, dass von einem echten Informationsaus‐ tausch und authentischen Gesprächsanlässen eine förderliche Wirkung, von stupidem Abfragen mit offensichtlichem Übungscharakter hingegen ein eher negativer Effekt auf den Spracherwerb angenommen wird. Bestätigt werden konnten die Annahmen Nauwercks (2005) dahingehend, dass die untersuchten unterdreijährigen Kinder mit einem unterschiedlichen Antwortverhalten auf verschiedene Frageformen reagieren. So evozierten die an die Kinder gerich‐ teten Testfragen lediglich knappe Einwort-Antworten auf Seiten der Kinder, während sie auf echte Fragen mit umfangreicheren und vollständigen Äuße‐ rungen reagierten (vgl. Beispiele 19-22 der Ergebnisdarstellung). Zusätzlich zu den Erkenntnissen von Nauwerck (2005) liefern die Ergebnisse Anhaltspunkte dafür, dass die untersuchten Erzieherinnen Fragen, die sich auf die konkrete Situation und das konkrete Handeln beziehen (hier als action reflective questions bezeichnet), häufig zu Beginn einer Interaktionssequenz an die Kinder richten und diese zur Gesprächseröffnung nutzen. In Bezug auf das Feedback-Verhalten der Erzieherinnen verdeutlichen die Analyseergebnisse, dass die Erzieherinnen in der Interaktion mit den Unter‐ dreijährigen spezifische responsive Verhaltensmuster zeigen, die sich von den Ergebnissen bisheriger und mit höheren Altersgruppen durchgeführter Studien unterscheiden. Zwar bestätigt auch die vorliegende Studie die Abwesenheit ex‐ pliziter Korrekturen (vgl. Weitz et al. 2010: 18 f.; Weitz 2012: 70; Weitz 2015: 302), jedoch ist auch der Anteil implizit-korrektiven Feedbacks in Form von recasts überraschend gering. Im Unterschied zu der bisherigen Forschungslage weisen die vorliegenden Analyseergebnisse auf eine deutliche Dominanz der bestätigenden und nicht-korrektiven gegenüber den korrigierenden Rückmel‐ dungen in dem Feedback-Verhalten der Erzieherinnen hin. So bestätigen die Fachkräfte sowohl verbale als auch nonverbale Gesprächsbeiträge der Kinder durchgängig mit positivem Feedback und greifen diese z. B. mithilfe von Imita‐ tionen oder Expansionen auf, wohingegen korrektives Feedback in dem analy‐ sierten Korpus nur vereinzelt vorzufinden ist. Dies könnte - wie bereits im Zuge der Ergebnisdarstellung erörtert wurde - auf die noch begrenzten produktiven Sprachkompetenzen der Kinder, auch im Deutschen, insbesondere aber im Eng‐ lischen, zurückzuführen sein. Die von den Kindern überwiegend produzierten Ein- oder Zweiwortäußerungen (vgl. Beispiel 41, 42, 46-48 der Ergebnisdarstel‐ 7 Fazit und Ausblick 375 lung) sind aufgrund ihrer fehlenden syntaktisch-morphologischen Struktur we‐ niger fehleranfällig für z. B. Syntaxfehler. Dementsprechend enthält das Korpus wenig korrekturbedürftige verbale kindliche Gesprächsbeiträge, auf die die Er‐ zieherinnen mit korrektivem Feedback reagieren könnten. Die Ergebnisse deuten daher ein enges Passungsverhältnis zwischen dem sprachlichen Output der Kinder einererseits und den responsiven Verhaltensmustern der Erziehe‐ rinnen andererseits an. In longitudinalen Anschlussstudien ist dementspre‐ chend zu überprüfen, ob der Anteil des korrektiven Feedbacks gemäß dieser Hypothese mit zunehmenden produktiven Sprachkompetenzen der Kinder steigt. Gezeigt werden konnte zudem, dass die beschriebenen Merkmale des Inputs und der Interaktion nicht isoliert, sondern häufig in Kombination auftreten. So enthält ein Gesprächsbeitrag einer Erzieherin beispielsweise oftmals eine Form von Aufmerksamkeitslenkung, z. B. realisiert durch einen Wortakzent oder re‐ ference language, sowie eine zusätzliche nonverbale Kontextualisierung der ver‐ balen Botschaft durch z. B. eine referentielle Geste. Auch bei den gesprächsini‐ tiierenden Äußerungen sowie dem Feedback kann es zu Überschneidungen bzw. Doppelungen mit Formen der Aufmerksamkeitslenkung, nonverbalen Kontex‐ tualisierung oder Redundanz kommen. Die Multifunktionalität der Daten (vgl. Bose et al. 2013: 72), d. h. der Umstand, dass sich verschiedene Funktionen und Wirkungen von turns in Gesprächen überschneiden können, wurde auch for‐ schungsstrategisch berücksichtigt. Dies geschah durch die Kodierung mittels occurence-codes, bei denen auch Mehrfachkodierungen möglich sind (vgl. Hu‐ gener 2006b: 93; Petko et al. 2003: 275). Auf diese Weise konnten Überlappungen im Datenkorpus abgebildet und die oben beschriebenen Zusammenhänge zwi‐ schen einzelnen Merkmalen sichtbar gemacht werden. Diese Merkmalskombi‐ nationen, z. B. die zusätzliche nonverbale Begleitung eines verbal geäußerten positiven Feedbacks durch die konventionelle Geste des Kopfnickens (vgl. Bei‐ spiel 52, 53) oder die zusätzliche suprasegmentale Markierung von neu hinzu‐ gefügten Informationen in einer expandierenden Äußerung zur Fokussierung der kindlichen Aufmerksamkeit (vgl. Beispiel 17), erinnern an das von Pe‐ regoy / Boyle (1999) beschriebene Konzept der multiple embedded scaffolds als „simultaneous use of several scaffolds to support second language learner`s comprehension and participation“ (Peregoy / Boyle 1999: 136). Die Erziehe‐ rinnen bauen demzufolge mehrere der identifizierten Merkmale in Kombination in eine Äußerung ein, so dass die verbalen Botschaften mehrere safety nets (Peregoy 1991: 474) enthalten, die den Kindern bei der Bedeutungserschließung des Gesagten nützlich sein können. Dabei fällt auf, dass vor allem verschiedene Formen des Feedbacks häufig miteinander kombiniert werden. Oftmals folgt auf 7 Fazit und Ausblick 376 einen kindlichen Gesprächsbeitrag zunächst positives Feedback zur Bestätigung der Äußerung, woran sich wiederum ein Aufgriff - z. B. in Form einer partiellen Wiederholung (vgl. Beispiel 64, 65) oder einer Expansion (vgl. Beispiel 66, 67) - anschließt. Das spezifische Zusammenspiel verschiedener sprachlicher Unter‐ stützungssysteme, bei Peregoy / Boyle (1999) als multiple embedded scaffolds bezeichnet, wird auch in der jüngst erschienenen Dissertationsstudie von Weitz (2015) dokumentiert, da auch Weitz (2015: 297) annimmt, „dass sich der Ge‐ brauch von bestimmten sprachlichen Merkmalen oder Kontextualisierungs‐ techniken gegenseitig bedingt“. Die Ergebnisse der vorliegenden Studie liefern damit nicht nur die empirische Evidenz dafür, dass der sprachliche Input von Fachkräften in einer immersiv-bilingualen Kita für unterdreijährige Kinder spe‐ zifische Scaffolding-Elemente enthält, sondern suggerieren auch die Existenz der multiple embedded scaffolds in der frühkindlichen immersiven Erzie‐ herin-Kind-Interaktion. Entwickelte Hypothesen und Reichweite der Erkenntnisse Ausgehend von der Diskussion und Einordnung der Ergebnisse in den For‐ schungsstand lassen sich im Sinne der Hypothesenbildung als konstitutivem Merkmal der qualitativen Forschungsmethodologie folgende Hypothesen aus den Untersuchungsergebnissen ableiten: • Gespräche, Literacy-Aktivitäten sowie Fiktions- und Rollenspiele domi‐ nieren in den Erzieherin-Kind-Interaktionen als rahmengebende Akti‐ vität. • Dyadische Interaktionssituationen, in denen eine Fachkraft mit aus‐ schließlich einem Kind interagiert, stellen die dominierende Sozialform in der videografierten Freispielzeit dar. • Der kindgerichtete Input der Erzieherinnen weist spezifische sprachliche Merkmale auf: Er zeichnet sich durch ein hohes Maß an Aufmerksam‐ keitslenkung, Redundanz und nonverbaler Kontextualisierung aus. • Die Erzieherinnen animieren die Kinder auf vielfältige Weise zur verbalen Teilhabe, wobei die verschiedenen gesprächsevozierenden Äußerungen ein unterschiedlich umfangreiches Antwortverhalten auf der Seite der kindlichen InteraktionspartnerInnen bedingen. • Die bilingual betreuten Kleinkinder verfügen über nonverbale und ver‐ bale Kommunikationsmittel, die sie sowohl in der Interaktion mit den deutschals auch englischsprachigen Erzieherinnen bereits größtenteils zielgerichtet einsetzen, so dass sie im bilingualen Kita-Alltag sprach‐ handlungsfähig sind. 7 Fazit und Ausblick 377 • Das Feedback-Verhalten der Erzieherinnen zeichnet sich durch einen hohen Anteil an positivem Feedback und verschiedenen Formen des Auf‐ griffs der kindlichen Äußerungen aus, während korrektives Feedback hingegen eine untergeordnete Rolle in der Interaktion mit den unter‐ dreijährigen Kindern spielt. • Die verschiedenen sprachlichen Merkmale treten nicht isoliert vonei‐ nander, sondern in einem komplexen Zusammenspiel auf, das ein spezi‐ fisches sprachliches Unterstützungssystems im Sinne des scaffoldings bildet. Die entwickelten Hypothesen kondensieren die Ergebnisse der vorliegenden empirischen Arbeit und bilden folglich den Abschluss der durchgeführten ex‐ plorativ-interpretativ orientierten Untersuchung. Zugleich können sie als Aus‐ gangsbzw. Anknüpfungspunkt für Anschlussstudien genutzt werden, in denen die im Rahmen dieser Studie entwickelten Hypothesen vertiefend untersucht und ggf. mithilfe quantitativer Verfahren überprüft werden können. Um die Hypothesen jedoch für zukünftige Forschungsaktivitäten nutzbar zu machen, ist zunächst eine Diskussion der Reichweite bzw. Limitation der Forschungser‐ gebnisse und den daraus entwickelten Hypothesen notwendig. Bei der vorliegenden Studie handelt es sich um eine für das qualitative For‐ schungsparadigma typische Einzelfalluntersuchung, so dass die skizzierten Hy‐ pothesen nicht ohne weiteres generalisierbar sind (vgl. Grotjahn 1993: 228). Sie besitzen demzufolge zunächst einen ausschließlichen Geltungsbereich für das Untersuchungsfeld des deutsch-englisch bilingualen TU -Kinderhauses. Bei der Beschreibung des Untersuchungsfeldes wurde dargelegt, dass die Einrichtung eine universitätszugehörige Institution ist, die demzufolge von einer spezifi‐ schen Klientel besucht wird. Zudem wurde aufgezeigt, dass in der Einrichtung mit einem über dem bundesdeutschen Durchschnitt liegenden Betreuungs‐ schlüssel günstige strukturelle Rahmenbedingungen gegeben sind. Eine weitere Limitation der Ergebnisse ergibt sich aus dem Umstand, dass mit der Freispiel‐ zeit lediglich ein spezifischer Ausschnitt aus dem Kita-Alltag videogestützt er‐ hoben und analysiert wurde, so dass andere Elemente des bilingualen Kita-All‐ tags, wie die Essenssituationen oder die Bewegungsaktivitäten im Sportraum, bewusst ausgeklammert wurden. Jene strukturellen Rahmenbedingungen der Einrichtung sowie die kontextuellen Faktoren der Datenerhebung gilt es bei der Rezeption der Ergebnisse und der Übertragbarkeit auf andere Forschungskon‐ texte zu berücksichtigen. Um die im Rahmen dieser Studie gewonnenen Er‐ kenntnisse zu erhärten bzw. zu widerlegen, ist es daher erforderlich, die Über‐ 7 Fazit und Ausblick 378 tragbarkeit bzw. die Limitation der vorliegenden Ergebnisse in Form von an‐ schließenden Vergleichsstudien kritisch auszuloten. Trotz der aufgezeigten Limitation liefern die Ergebnisse erste wichtige Im‐ pulse für die frühe sprachliche Bildung im Elementarbereich. Die Studie eröffnet durch die Beschreibung der Rahmenbedingungen und Ausgestaltung von sprachlichen Interaktionsprozessen zwischen Erzieherin und Kind als erste in einer bilingualen Krippeneinrichtung durchgeführte Forschungsarbeit eine em‐ pirisch abgesicherte Innensicht in die Funktionsweise immersiv-bilingualer Be‐ treuungseinrichtungen für Unterdreijährige. Indem sie die Spracherwerbsbe‐ dingungen anhand der aufbereiteten Videodaten gegenstandsnah nachzeichnet, ermöglicht die Studie einen erstmaligen Nachvollzug der Bedingungen und Möglichkeiten der frühkindlich-immersiven Sprachenvermittlung. Für die den öffentlichen Diskurs bestimmende Bildungsdiskussion im Ele‐ mentarbereich zeigen die Erkenntnisse das Potenzial einer bereits im Klein‐ kindalter einsetzenden immersiven Aneignung von Sprachen auf, auf die in nachfolgenden Bildungsinstitutionen systematisch aufgebaut werden sollte. In diesem Sinne untermauert die Studie auch die bestehenden Modelle zur mehr‐ sprachigen Bildung wie die integrierte Konzeption der Fremdsprachenvermitt‐ lung Wodes (2002 / 2009) oder das prototypische Modell des Gesamtsprachen‐ curriculums Hufeisens (2005 / 2011) und zeigt, dass immersiv-bilinguale Krip‐ peneinrichtungen die erste institutionalisierte Stufe jener Ansätze bilden sowie dazu beitragen können, Mehrsprachigkeit als durchgängiges Bildungselement zu implementieren und die 3-Sprachenformel nachhaltig umzusetzen. Neben dem Beitrag zu dem derzeitigen Forschungsstand können die Ergeb‐ nisse der Studie in Kombination mit den Videodaten auch eine praktische Re‐ levanz für das untersuchte Feld haben, indem sie für die Qualifizierung von ErzieherInnen in bilingualen Betreuungseinrichtungen nutzbar gemacht werden. Während das Potenzial von Videos im Bereich der Lehrerbildung zu‐ nehmend erkannt wird (u. a. Reusser 2005), da diese eine „Brücke über die Kluft zwischen didaktischer Theorie und Praxis“ (Petko et al. 2003: 278) bauen und damit einen „Kristallisationspunkt in der fachdidaktischen Verständigung“ (ebd.) bilden können, werden Videos in der Aus- und Weiterbildung von Ele‐ mentarpädagogInnen noch selten eingesetzt. Eine erste Initiative in diese Rich‐ tung stellt das Heidelberger Trainingsprogramm dar, in dem Videosupervision als Instrument zur Selbstbeobachtung eingesetzt wird (vgl. Buschmann et al. 2010: 89). Videogestützte Fortbildungskonzeptionen, die sich gezielt an Erzie‐ herInnen in bilingualen Einrichtungen richten, existieren bislang jedoch nicht. Bereits in der Ausbildungsphase könnten Videos mit dem Ziel, angehende Er‐ zieherInnen mit den Prinzipien bilingualen Lernens und der immersiven Sprach‐ 7 Fazit und Ausblick 379 vermittlung vertraut zu machen und mit bilingualen Kitas ein mögliches spä‐ teres Berufsfeld aufzuzeigen, eingesetzt werden. Dies wäre nicht nur lohnens‐ wert, da jene Aspekte in den derzeitigen Ausbildungsstrukturen lediglich am Rande bzw. standortabhängig mit höchst unterschiedlicher Gewichtung be‐ trachtet werden (vgl. Grosbüsch / Numrich 2014: 43), sondern auch dringend erforderlich, da die Einstellung qualifizierten Personals nach wie vor eine der größten Hürden bei der Einrichtung bilingualer Betreuungsinstitutionen ist (Kersten et al. 2010b: 84 f.). In dieser Phase könnten die Videos demzufolge mit überwiegend „illustrierender Funktion“ (Schramm / Aguado 2010: 203) bzw. um zu „zeigen, worüber man spricht“ (Reusser 2005: 10) eingesetzt werden. Für den Berufseinstieg und die berufsbegleitende Weiterbildung wäre schließlich auch die Nutzung der Videos zur Selbstbeobachtung oder kollegialen Beobachtung denkbar, so dass sie als Reflexionsinstrument bzw. als Medium der kollegialen Verständigung dienen können (vgl. Schramm / Aguado 2010: 203). Dass in diesem Bereich ein hoher Bedarf an Austausch zu der Ausgestaltung der Im‐ mersionsmethode und insbesondere zu Fragen der konkreten Sprachverwen‐ dung unter den in bilingualen Einrichtungen beschäftigten PädagogInnen be‐ steht, ist im Rahmen verschiedener durchgeführter Workshops deutlich ge‐ worden. Die verschiedenen Kompetenzbereiche des „sprachförderbezogenen Wissens, Könnens und Machens“ (Hopp et al. 2010: 614) von ErzieherInnen in bilingualen Kitas könnten auf diese Weise praxisnah sowie ausbildungs- und berufsbegleitend entwickelt und systematisch ausgebaut werden. Forschungsperspektiven Das Anliegen der durchgeführten Studie war, die Rahmenbedingungen sowie die konkrete Gestaltung von Interaktionsprozessen zwischen ErzieherInnen und unterdreijährigen Kindern in dem bislang unerforschten Untersuchungs‐ feld einer immersiv-bilingualen Krippeneinrichtung möglichst kontextualisiert und holistisch zu beschreiben. Das entwickelte explorativ-deskriptive For‐ schungsdesign war demnach vorrangig an der Identifizierung und Beschreibung verschiedener Merkmale des Interaktionsgeschehens interessiert. Aus dieser forschungsmethodischen Anlage sowie den Ergebnissen der vorliegenden Studie lassen sich weiterführende Fragestellungen und forschungsmethodische Zugriffe ableiten, die zu verschiedensten Forschungsaktivitäten im Bereich des vorschulischen (Fremd)Sprachenerwerbs in immersiv-bilingualen Kitas moti‐ vieren können und für die die vorliegende Studie einen geeigneten Anknüp‐ fungspunkt bilden könnte. Zum einen implizieren das gewählte qualitativ-explorative Forschungsdesign und die damit verbundenen forschungsmethodischen Prinzipien der Offenheit 7 Fazit und Ausblick 380 124 Auch Weitz (2015: 360) macht auf das Potenzial von Folgestudien aufmerksam, die un‐ tersuchen, ob sich der Sprachgebrauch von ErzieherInnen in bilingualen Kitas je nach Aktivitätstyp ändert und plädiert für die Datenerhebung mittels teilnehmender Be‐ obachtung dafür, dass Beobachtende „strengere Vorgaben für die Auswahl der Be‐ obachtungssequenzen erhalten, so dass von einer erhöhten Vergleichbarkeit und Re‐ präsentativität der Daten ausgegangen werden kann“ (ebd.). und Kontextualität (vgl. Grotjahn 1993: 231), dass zugunsten der Kontextualität und Authentizität der Daten auf eine zu starke Standardisierung der Erhebungs‐ situation verzichtet wurde. Die Datenerhebung und das zu diesem Zweck ent‐ wickelte Aufnahmekonzept erhoben den Anspruch, sich möglichst wenig in‐ vasiv in den Kita-Alltag einzufügen, so dass Videodaten in natürlichen Interak‐ tionssituationen während der Freispielzeit generiert werden konnten. Eine Stärke der Daten ist daher, dass sie für diese Zeitspanne das gesamte Spektrum an in der bilingualen Einrichtung vorkommenden Interaktionsformen reprä‐ sentieren. Die inhaltliche Breite der Daten stellt jedoch zugleich eine Schwach‐ stelle dar, da sie bestimmte Auswertungsverfahren, wie beispielsweise verglei‐ chende Analysen, erschwert. Vergleichende Analysen könnten beispielsweise vertiefend untersuchen, ob (a) spezifische Unterschiede zwischen der Sprach‐ verwendung deutsch- und englischsprachiger ErzieherInnen existieren, (b) in‐ dividuelle Muster einzelner ErzieherInnen vorliegen oder (c) aktivitätenspezi‐ fische Muster des Inputs existieren, d. h. eruiert werden, ob sich die Sprachver‐ wendung von ErzieherInnen in Abhängigkeit von der rahmengebenden Aktivität der Interaktionssituation (z. B. organisatorisch-pflegerische Tätigkeit, Literacy-Aktivität) ändert. 124 Um jene spezifischen Muster bzw. Unterschiede der Sprachverwendung datengeleitet rekonstruieren zu können, bedürfte es einer stärkeren Regulierung bzw. Standardisierung der Erhebungsbedingungen. Eine denkbare Standardisierung des Datenerhebungsszenarios wäre beispielsweise, verschiedene ErzieherInnen zu bitten, mit einem Kind eine spezielle Seite eines Bilderbuches zu betrachten. Anhand jener, inhaltlich äquivalenter Situationen böte sich eine geeignete Vergleichsfolie, anhand derer vergleichende Analysen vorgenommen und personenspezifische oder aktivitätenspezifische Muster he‐ rausgearbeitet werden könnten. Derart vertiefende kontrastive Analysen wären meines Erachtens ein lohnenswertes Unterfangen, das die vorliegende explo‐ rativ-deskriptive Studie optimal ergänzen und weiterführen könnte. Ausgehend von dem interaktionistisch-soziokulturellen Rahmenmodell der Studie galten das Erkenntnisinteresse und der inhaltliche Fokus der Analyse der Identifizierung und kontextualisierten Beschreibung funktionaler Elemente sowie insbesondere den Scaffolding-Elementen in dem sprachlichen Handeln der Erzieherinnen. In Anschlussstudien wären daher auch andere Analyse‐ 7 Fazit und Ausblick 381 schwerpunkte zu diskutieren, die nicht die funktionalen Aspekte, sondern syn‐ taktische Eigenarten oder auch quantitative Maße des Inputs fokussieren. Diese Analysen könnten auf empirischer Grundlage zu der Forderung Stellung nehmen, der kindgerichtete Input solle eine gewisse strukturelle Breite und syntaktische Vielfalt abdecken (siehe z. B. Kersten et al. 2010a: 105; Steinlen et al. 2013: 82). Von Interesse wären jene Studien nicht nur, da Weitz (2015: 384) den strukturellen Eigenschaften des Inputs einen empirisch messbaren Einfluss auf die sprachliche Entwicklung von dreibis sechsjährigen bilingual betreuten Kindern zuspricht, sondern auch, da Unterschiede in der sprachlichen Komple‐ xität und dem quantitativen Umfang der Gesprächsbeiträge der deutsch- und englischsprachigen Erzieherinnen bereits an verschiedenen Datenbelegen der mikroanalytischen Ergebnisdarstellung (vgl. Kapitel 6.2) offensichtlich ge‐ worden sind. Zudem war der Aspekt der syntaktischen und lexikalischen Kom‐ plexität und damit eher quantitativer Input-Maße für den Bereich der im‐ mersiv-bilingualen Betreuung von unterdreijährigen Kindern bis dato noch nicht Gegenstand empirischer Forschungsarbeiten. Als möglicher Indikator für die Komplexität des sprachlichen Inputs könnte in Anlehnung an Hoff-Ginsberg (1986: 156) die mittlere Äußerungslänge ( MLU =mean length of utterance), die angibt, wie viele Morpheme eine Äußerung durchschnittlich umfasst, bestimmt werden. Auch die durchschnittliche Anzahl der Verbalphrasen pro Äußerung ( VP / utt= mean number of verbal phrases per utterance), die durchschnittliche Anzahl der Nominalphrasen pro Äußerung ( NP / utt=mean number of noun phrases per utterance) sowie die Anzahl an Wörtern pro Nominalphrase könnten als mögliche Indikatoren zur Analyse der Komplexität des sprachlichen Inputs herangezogen werden (vgl. ebd.: 156 f; siehe auch Ricart Brede 2011: 147). Im Zusammenhang mit linguistischen Analysen, die an strukturellen und quantitativen Kriterien des Inputs interessiert sind, könnte zudem die sprach‐ liche Korrektheit des dargebotenen Inputs aufgegriffen werden. So deutet sich in dem analysierten Korpus an, dass die Gesprächsbeiträge der englischspra‐ chigen Erzieherinnen an einigen Stellen Elemente enthalten, die beispielsweise in lexikalischer Hinsicht (vgl. dazu Beispiel 43 in Kapitel 6.2) nicht der ziel‐ sprachlichen Norm zu entsprechen scheinen. Die Frage der Korrektheit des sprachlichen Inputs wird zwar seit geraumer Zeit insbesondere für nichterst‐ sprachliche ErzieherInnen, die die zu vermittelnde Fremdsprache in einer Ein‐ richtung vertreten, diskutiert, ist jedoch meines Wissens bisher nicht empirisch untersucht worden. Diesbezüglich sollten künftige Forschungsarbeiten der Fra‐ gestellung nachgehen, wie sich der sprachliche Input der nichterstsprachlichen Kräfte von den erstsprachlichen Kräften hinsichtlich der sprachlichen Korrekt‐ heit sowie der lexikalischen und syntaktischen Breite unterscheidet. Jene Stu‐ 7 Fazit und Ausblick 382 dien könnten zu einem empirisch fundierten Diskurs beitragen, ob der Einsatz erstsprachlicher Fachkräfte in Bezug auf die rein sprachlichen Kompetenzen und insbesondere die sprachliche Korrektheit tatsächlich vorteilhafter ist als die Beschäftigung von nichterstsprachlichen Kräften mit guten Kenntnissen in der zu vermittelnden Sprache. Auch zu diesem Teilbereich liegen bisher keine em‐ pirisch abgesicherten Erkenntnisse vor (siehe dazu auch die Ausführungen Wodes 2009: 97). Zu beachten ist auch, dass es sich bei der vorliegenden Studie um eine in erster Linie linguistisch motivierte Untersuchung handelt. Dieser Schwerpunkt der Analyse sollte jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass bei der frühen Ver‐ mittlung von Sprachen und insbesondere in der konkreten Ausgestaltung von Interaktionsprozessen mit unterdreijährigen Kleinkindern nicht zuletzt auch pädagogische Aspekte relevant sind. Untersuchungen zu ErzieherIn-Kind-In‐ teraktionen aus dem Bereich der Frühpädagogik weisen darauf hin, dass erfolg‐ reiche Interaktionsprozesse vor allem einen sensitiv-responsiven Umgang mit kindlichen InteraktionspartnerInnen seitens der ErzieherInnen erfordern (vgl. Remsperger 2011). Jene Aspekte wurden in der vorliegenden Analyse aufgrund des an sprachlichen Merkmalen ausgerichteten Erkenntnisinteresses größten‐ teils ausgeblendet. Perspektivisch wäre jedoch eine Annäherung bzw. stärkere Verzahnung linguistischer und pädagogischer Forschungsaktivitäten in dem Bereich der vorschulischen Fremdsprachenvermittlung wünschenswert, um die Bedingungen und Bedürfnisse der kindlichen (Sprach)Entwicklung umfassend verstehen und das Forschungsfeld der bilingualen Kitas ganzheitlich und mehr‐ dimensional erschließen zu können. Im Rahmen der durchgeführten Untersuchung wurden die Möglichkeiten der kindlichen Interaktionsbeteiligung lediglich marginal betrachtet und vorrangig als Ausgangsmaterial für die detaillierte Analyse des Inputs und des Interakti‐ onsverhaltens der Erzieherinnen genutzt. Diese erste Betrachtung der kindli‐ chen Perspektive hat dennoch gezeigt, dass die bilingual betreuten unterdrei‐ jährigen Kinder bereits über ein breites Repertoire an verbalen und nonverbalen Kommunikationsmitteln verfügen, die sie in der Interaktion mit den deutsch- und englischsprachigen Erzieherinnen bereits größtenteils zielgerichtet ein‐ setzen, wobei die nonverbalen und verbalen Ausdrucksmöglichkeiten in Ab‐ hängigkeit von dem Alter des einzelnen Kindes - ein fast dreijähriges Kind ver‐ fügt über andere Ausdrucksmöglichkeiten als ein einjähriges Kind - variieren. Da der Fokus der Studie auf der Fachkraft-Kind-Interaktion - in der Termino‐ logie der soziokulturellen Theorie als Experten-Novizen-Interaktionen be‐ zeichnet (siehe z. B. Schoormann / Schlak 2012: 179) - lag, wurden Interaktions‐ prozesse der Kinder untereinander nicht in der Analyse berücksichtigt. For‐ 7 Fazit und Ausblick 383 schungsarbeiten wie die von Senyildiz (2010b: 79) deuten jedoch an, dass es bereits im kindlichen vorschulischen Zweitsprachenerwerb zu sprachförderli‐ chen Interaktionen kommt, in denen die Kinder untereinander sprachliche Hil‐ festellungen leisten. Von Interesse wäre demnach, ob auch in bilingualen Kitas peer-Interaktionen auftreten, die sprachliche Hilfestellungen im Sinne des kol‐ lektiven scaffoldings (vgl. Donato 1998) enthalten. Dieser Fragestellung könnte in soziokulturell ausgerichteten Anschlussstudien mit der Analyse von No‐ vizen-Novizen-Interaktionen in bilingualen Kitas nachgegangen werden. Zwar legen die von Weitz (2015: 356) durchgeführten quantitativen Analysen nahe, dass es einen statistisch signifikanten Zusammenhang zwischen der Anzahl an Kindern mit englischer Erstsprache und der rezeptiven grammatischen Ent‐ wicklung von Kindern in deutsch-englischen Kitas gibt, doch lässt sich anhand der statistischen Zusammenhänge noch nicht nachvollziehen, wie sich der för‐ derliche Effekt der Anwesenheit der Kinder mit L1 Englisch in Novizen-No‐ vizen-Interaktionen auf der konkreten Handlungsebene ausdrückt. Auf diesem Gebiet besteht daher weiterhin erheblicher Forschungsbedarf. Aus forschungsmethodischer Sicht bildet - da bislang kein Instrument zur Erfassung von Interaktionsprozessen in bilingualen Krippeneinrichtungen zwi‐ schen ErzieherInnen und unterdreijährigen Kindern vorlag - die Entwicklung der Beobachtungssysteme neben den inhaltlichen Ergebnissen das wesentliche forschungsmethodische Verdienst der Arbeit. So können mithilfe der beiden ei‐ gens für die vorliegende Studie entwickelten Instrumente zunächst die Rah‐ menbedingungen der Interaktion makroanalytisch auf der Grundlage der Vide‐ odaten erfasst und schließlich die Mikroebene der Interaktion transkriptbasiert rekonstruiert werden. Wünschenswert wäre, dass die entwickelten Instrumente über die vorliegende Studie hinweg Anwendung finden und in weiteren For‐ schungskontexten validiert und weiterentwickelt werden. So könnte das In‐ strument beispielsweise in einzelnen Teilbereichen weiter ausdifferenziert und dadurch individuelle Schwerpunktsetzungen für unterschiedliche Fragestel‐ lungen und Erkenntnisinteressen gesetzt werden. Die oben aufgezeigten Desiderata beziehen sich - sei es in Form anderer in‐ haltlicher Schwerpunktsetzungen bei der Analyse des Inputs von ErzieherInnen oder aber durch die Fokussierung der kindlichen Perspektive (z. B. kollektives scaffolding in Novizen-Novizen-Interaktionen) - allesamt auf die direkt be‐ obachtbare Ebene des Interaktionsgeschehens. Wie bereits bei der Darstellung der Erhebungsinstrumente und der Merkmale der Videografie sowie im Zuge der Ergebnisdarstellung verdeutlicht wurde, können mithilfe des Instrumentes der Videografie Sichtstrukturen von Interaktionsprozessen dokumentiert und menschliches Handeln aus einer Außenperspektive rekonstruiert werden. Die 7 Fazit und Ausblick 384 Innensicht der beforschten AkteurInnen und ihre mentalen Konstrukte können durch diesen forschungsmethodischen Zugriff jedoch nicht erschlossen werden. Um die handlungsleitenden Motive, die ErzieherInnen zur Verwendung be‐ stimmter Feedback-Formen oder gesprächsevozierender Äußerungen bewegen, eruieren und um nachvollziehen zu können, ob sich ErzieherInnen der von ihnen verwendeten sprachlichen Mittel bewusst sind oder ob diese eher intuitiv pro‐ duziert werden, bedarf es des zusätzlichen Einsatzes introspektiver Verfahren, die einen Zugang zu der Innenperspektive der beforschten Individuen ermög‐ lichen. Eine verstärkte Kombination interaktionaler und introspektiv-mentaler Daten, die die Beobachtungsdaten zu den mentalen Konstrukten und Hand‐ lungsmotiven der Personen in Beziehung setzen (siehe auch Schramm / Aguado 2010: 198), wäre daher ein sicherlich lohnenswertes Anschlussprojekt, um das sprachliche Handeln von ErzieherInnen in bilingualen Betreuungseinrich‐ tungen umfassend zu erschließen. Neben diesen Einzelaspekten, die in künftigen Studien bearbeitet werden könnten, zeichnet sich für den Bereich der vorschulischen Fremdsprachenver‐ mittlung noch ein übergreifendes Desiderat ab: Die Beschäftigung mit diesem Themenkomplex weist sowohl in der Theorie (z. B. durchgeführte empirische Studien und Publikationslage) als auch in der Praxis (z. B. Sprachenangebot in den Einrichtungen selbst, Informationsveranstaltungen für Interessierte sowie Weiterbildungsmöglichkeiten für ErzieherInnen) eine geringe sprachliche Viel‐ falt und ein starkes Ungleichgewicht zugunsten des Englischen auf. Da in An‐ betracht des zunehmenden öffentlichen Interesses an der vorschulischen Fremd‐ sprachenvermittlung sowie des Betreuungsplatzausbaus im Bereich der Unter‐ dreijährigen derzeit davon auszugehen ist, dass die Anzahl und Bedeutung bilingualer Betreuungseinrichtungen in den nächsten Jahren weiter ansteigen wird, sollte - um die derzeit bestehenden english-only-Tendenzen abzufedern sowie der europäischen Sprachenvielfalt Rechnung zu tragen - perspektivisch sowohl in der öffentlichen als auch wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit der vorschulischen Fremdsprachenvermittlung ein stärkerer Einbezug weiterer, bislang vernachlässigter, Sprachenkombinationen angestrebt werden. 7 Fazit und Ausblick 385 Literaturverzeichnis Aguado, Karin (2000). Empirische Fremdsprachenerwerbsforschung. Ein Plädoyer für mehr Transparenz. In Karin Aguado (Hrsg.), Zur Methodologie in der Fremdsprachen‐ erwerbsforschung (S. 119-131). Baltmannsweiler: Schneider Verlag Hohengehren. Aguado, Karin (2002). Imitation als Erwerbsstrategie. Interaktive und kognitive Dimensi‐ onen des Fremdsprachenerwerbs. Habilitationsschrift. Online verfügbar unter: http: / / karin.aguado.de / publikationen / downloads / imitationalserwerbsstrategie-pdf (20. 07. 16). Aguado, Karin (2010a). Sozial-interaktionistische Ansätze. In Hans-Jürgen Krumm, Christian Fandrych, Britta Hufeisen & Claudia Riemer (Hrsg.), Deutsch als Fremd- und Zweitsprache. Ein internationales Handbuch (S. 817-826). Berlin: De Gruyter. Aguado, Karin (2010b). Input. In Hans Barkowski & Hans-Jürgen Krumm (Hrsg.), Fach‐ lexikon Deutsch als Fremd- und Zweitsprache (S. 132). Tübingen/ Basel: Francke Verlag. Aguado, Karin (2010c). Interdependenzhypothese. In Hans Barkowski & Hans-Jürgen Krumm (Hrsg.), Fachlexikon Deutsch als Fremd- und Zweitsprache (S. 136). Tübingen/ Basel: Francke Verlag. Aguado, Karin (2014). Triangulation. In Julia Settinieri, Sevilen Demirkaya, Alexis Feld‐ meier, Nazan Gültekin-Karakoç & Claudia Riemer (Hrsg.), Empirische Forschungsme‐ thoden für Deutsch als Fremd- und Zweitsprache. Eine Einführung (S. 47-56). Paderborn: UTB. Ahrenholz, Bernt (2008). Erstsprache - Zweitsprache - Fremdsprache. In Bernt Ahren‐ holz & Ingelore Oomen-Welke (Hrsg.), Deutsch als Zweitsprache (S. 3-13). Baltmanns‐ weiler: Schneider Verlag Hohengehren. Albers, Timm (2009). Sprache und Interaktion im Kindergarten: Eine quantitativ-qualita‐ tive Analyse der sprachlichen und kommunikativen Kompetenzen von dreibis sechs‐ jährigen Kindern. Bad Heilbrunn: Klinkhardt. Aljaafreh, Ali & Lantolf, James P. (1994). Negative feedback as regulation and second language learning in the zone of proximal development. The modern language journal, 78 (4), 465-483. Amann, Klaus & Hirschauer, Stefan (1997). Die Befremdung der eigenen Kultur. Ein Pro‐ gramm. In: Stefan Hirschauer & Klaus Amann (Hrsg.), Die Befremdung der eigenen Kultur. Zur ethnographischen Herausforderung soziologischer Empirie (S. 7-52). Frank‐ furt am Main: Suhrkamp. Andresen, Helga (2002). Interaktion, Sprache und Spiel. Zur Funktion des Rollenspiels für die Sprachentwicklung im Vorschulalter. Tübingen: Narr. Apeltauer, Ernst (1992). Sind Kinder bessere Sprachenlerner? . Lernen in Deutschland, 1992 (1), 6-20. Apeltauer, Ernst (1997). Grundlagen des Erst- und Zweitsprachenerwerbs. München: Lan‐ genscheidt. Apeltauer, Ernst (2001). Bilingualismus - Mehrsprachigkeit. In Gerhard Helbig, Lutz Götze, Gert Henrici & Hans-Jürgen Krumm (Hrsg.), Deutsch als Fremdsprache - ein internationales Handbuch (S. 628-638). Berlin: De Gruyter. Apeltauer, Ernst (2007). Grundlagen vorschulischer Sprachförderung. Flensburger Papiere zur Mehrsprachigkeit und Kulturenvielfalt im Unterricht. Sonderheft Nr. 4. Apeltauer, Ernst (2012). Das Kieler Modell: Sprachliche Frühförderung von Kindern mit Migrationshintergrund. In Bernt Ahrenholz (Hrsg.), Deutsch als Zweitsprache - Vo‐ raussetzungen und Konzepte für die Förderung von Kindern und Jugendlichen mit Mi‐ grationshintergrund (S. 111-134). Freiburg im Breisgau: Fillibach. Aronin, Larissa & Singleton, David (2012). Multilingualism. Amsterdam/ Philadelphia: John Benjamins. Arzberger, Christina & Erhorn, Jan (2013). Sprachförderung in Bewegung. Bewegungsan‐ gebote für Klein- und Vorschulkinder. Online verfügbar unter: http: / / li.hamburg.de/ contentblob/ 4269256/ data/ pdf-sprachfoerderung-in-bewegungbewegungsangebote-fuer-klein-und-vorschulkinder.pdf (20. 07. 16). Asher, James J. (1966). The learning strategy of the total physical response: A review. Modern language journal, 50 (2), 79-84. Atteslander, Peter (2008). Methoden der empirischen Sozialforschung. Berlin: Erich Schmidt Verlag. Aufschnaiter, Stefan von & Welzel, Manuela (Hrsg.) (2001). Nutzung von Videodaten zur Untersuchung von Lehr-Lern-Prozessen. Aktuelle Methoden empirischer pädagogischer Forschung. Münster: Waxmann. Au-Yeung, James, Howell, Peter, Davis, Stephen, Sackin, Stevie & Cunniffe, Paul (2000). Introducing the preschoolers’ reception of syntax test (ROST). Proceedings of the con‐ ference on cognitive development. Besançon, France. Bahns, Jens & Vogel, Thomas (1992). 'Was Hänschen nicht lernt …'. Der Faktor Alter beim Fremdsprachenlernen. Lernen in Deutschland, 1992 (1), 20-30. Baker, Colin (2011). Foundations of Bilingual Education and Bilingualism. Bristol u. a.: Multilingual Matters. Baumert, Jürgen, Klieme, Eckhard, Neubrand, Michael, Prenzel, Manfred, Schiefele, Ul‐ rich, Schneider, Wolfgang, Stanat, Petra, Tillmann, Klaus-Jürgen & Weiß, Manfred (2001). PISA 2000. Basiskompetenzen von Schülerinnen und Schülern im internationalen Vergleich. Opladen: Leske und Budrich. Literaturverzeichnis 388 Beebe, Leslie (1985). Input: Choosing the right stuff. In Susan Gass & Carolyn Madden (Hrsg.), Input in second language acquisition (S. 404-414). Rowley, MA: Newbury House. Beller, Kuno, Beller, Simone, Mertens, Hans & Preissing, Christa (2007). Abschlussbericht des Projekts Erzieherqualifikation zur Erhöhung des sprachlichen Anregungsniveaus in Tageseinrichtungen für Kinder. Eine Interventionsstudie. Online verfügbar unter: http: / / www.beller-kkp.de / downloads / ESIA1Abschlussbericht.pdf (20. 07. 16). Bertelsmann Stiftung (2013). Eine Frage der Qualität: Kitas haben oft zu wenig Personal. "Länderreport Frühkindliche Bildungssysteme": Bildungschancen von Kindern unter‐ scheiden sich zwischen Ost und West und zwischen Betreuungsformen.Online verfügbar unter: http: / / www.bertelsmann-stiftung.de/ de/ presse/ pressemitteilungen/ ressemitteilung/ pid/ eine-frage-der-qualitaet-kitas-haben-oft-zu-wenig-personal/ (20. 07. 16). Beyer, Beate (2013). Soziale Ungleichheit im Kindergarten: Orientierungs- und Handlungs‐ muster pädagogischer Fachkräfte. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften. Bickes, Hans & Pauli, Ute (2009). Erst- und Zweitspracherwerb. Paderborn: Fink/ UTB. Blaser, Regula, Preuss, Ulrich, Groner, Marina, Groner, Rudolf & Felder, Wilhelm (2007). Kurz-, mittel- und langfristige Effekte eines Trainings in phonologischer Bewusstheit und in Buchstaben-Laut-Korrespondenz auf die phonologische Bewusstheit und die Lese- und Rechtschreibleistung. Zeitschrift für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psy‐ chotherapie, 35, 273-280. Bleyhl, Werner (2002). Über die Verstehensmethode. In Ministerium für Kultus, Jugend und Sport Baden-Württemberg (Hrsg.), Fremdsprachen in der Grundschule. Lehren und Lernen mit dem Konzept des kommunikativen Unterrichts (S. 7-13). Stuttgart: Hugo Matthaes. Bleyhl, Werner (2007). Bedingungen für einen optimalen Fremdsprachenunterricht: ein Kriterienkatalog für erfolgreiche Lernarrangements im Fremdsprachenunterricht. Er‐ ziehung und Unterricht, 157 (3 / 4), 174-183. Block, David (2003). The social turn in second language acquisition. Washington, D. C.: Georgetown University Press. Bloom, Lois (1993). The transition from infancy to language. Acquiring the power of ex‐ pression. Cambridge: Cambridge University Press. Bogliotti, Caroline, Serniclaes, Willy, Messaoud-Galusi, Souhila & Sprenger-Charolles, Liliane (2008). Discrimination of speech sounds by children with dyslexia: Compari‐ sons with chronological age and reading level controls. Journal of experimental child psychology, 10, 137-155. Bonhoeffer-Zoltman, Anne, Hesketh, Amy, Schick, Kim & Weitz, Martina (2013). Bilin‐ guale Früherziehung in der Kita - die Cologne Bumblebees. In Anja Steinlen & And‐ Literaturverzeichnis 389 reas Rohde (Hrsg.), Mehrsprachigkeit in bilingualen Kindertagesstätten und Schulen. Voraussetzungen - Methoden - Erfolge (S. 62-71). Berlin: Dohrmann Verlag. Bortz, Jürgen & Döring, Nicola (2006). Forschungsmethoden und Evaluation. Für Human- und Sozialwissenschaftler. Heidelberg: Springer Verlag. Bose, Ines & Kurtenbach, Stephanie (2013). Analysen zu Gesprächen zwischen Erziehe‐ rinnen und Kindern - Einführung in diesen Band. In Stephanie Kurtenbach & Ines Bose (Hrsg.), Gespräche zwischen Erzieherinnen und Kindern. Beobachtung, Analyse, Förderung (S. 7-21). Frankfurt am Main: Peter Lang. Bose, Ines, Kurtenbach, Stephanie & Nixdorf, Sophie (2013). Formen und Funktionen des Sprechausdrucks zwischen Erzieherinnen und Kindern. In Stephanie Kurtenbach & Ines Bose (Hrsg.), Gespräche zwischen Erzieherinnen und Kindern. Beobachtung, Ana‐ lyse, Förderung (S. 67-100). Frankfurt am Main: Peter Lang. Brandt, Walter & Wolf, Bernhard (1985). Erzieherverhalten und Lernumwelt des Kinder‐ gartens. In Horst Nickel (Hrsg.), Sozialisation im Vorschulalter (S. 122-140). Weinheim: VCH. Braun, Barbara (2007). Gemeinsam ein Bilderbuch lesen - Vermitteln und Aneignen in der Kommunikation von Mutter und Kind. In Katharina Meng & Jochen Rehbein (Hrsg.), Kindliche Kommunikation - einsprachig und mehrsprachig (S. 127-154). Münster: Waxmann. Breidenstein, Georg (2007). Teilnahme am Unterricht. Ethnographische Studien zum Schü‐ lerjob. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften. Brinker, Klaus & Sager, Sven F. (2001). Linguistische Gesprächsanalyse. Eine Einführung. Berlin: Schmidt. Brockmeier, Jens (1997). Literales Bewusstsein. Schriftlichkeit und das Verhältnis von Sprache und Kultur. München: Fink. Bruyn, Severyn (1966). The human perspective in sociology: the methodology of participant observation. New York: Englewood Cliffs. Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (2001). Gesetz betreffend das Urheberrecht an Werken der bildenden Künste und der Photographie. Online verfügbar unter: http: / / www.gesetze-im-internet.de / bundesrecht / kunsturhg / gesamt.pdf (20. 07. 16). Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) (2014). Gute Kinderbetreuung. Online verfügbar unter: http: / / www.bmfsfj.de / BMFSFJ / Kinder-und-Jugend / kinderbetreuung.html (20. 07. 16). Bundeszentrale für politische Bildung (1998). Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutsch‐ land. Ulm: Ebner. Burmeister, Petra (2013). Immersion. In Wolfgang Hallet & Frank Königs (2013), Hand‐ buch Bilingualer Unterricht. Content and language integrated learning (S. 160-167). Seelze-Velber: Kallmeyer/ Klett. Literaturverzeichnis 390 Burmeister, Petra & Pasternak, Ruth (2004). Früh und intensiv: Englische Immersion in der Grundschule am Beispiel der Claus-Rixen-Grundschule in Altenholz. In Fachver‐ band Moderne Fremdsprachen fmf, Landesverband Schleswig-Holstein (Hrsg.), Mit‐ teilungsblatt August 2004, 24-30. Buschmann, Anke, Jooss, Bettina, Simon, Stephanie & Sachse, Steffi (2010). Alltagsin‐ tegrierte Sprachförderung in Krippe und Kindergarten. Das ‛Heidelberger Trainings‐ programm’. Ein sprachbasiertes Interaktionstraining für den Frühbereich. Interdiszip‐ linär, 18 (2), 84-95. Byram, Michael (2004). Routledge encyclopedia of language teaching and learning. London: Routledge. Cathomas, Rico (2005). Schule und Zweisprachigkeit. Immersiver Unterricht: Internatio‐ naler Forschungsstand und eine empirische Untersuchung am Beispiel des rätoroma‐ nisch-deutschen Schulmodells. Münster: Waxmann. Chilla, Solveig, Rothweiler, Monika & Babur, Ezel (2010). Kindliche Mehrsprachigkeit: Grundlagen - Störungen - Diagnostik. München: Reinhardt. Clarke-Stewart, Alison & Gruber, Christian (1984). Day care forms and features. In Ri‐ chard Ainslie (Hrsg.), The child and the day care setting (S. 35-62). New York: Praeger Special Studies. Cummins, James (1979). Cognitive/ academic language proficiency, linguistic interde‐ pendence, the optimal age question and some other matters. Working papers on bilin‐ gualism, 19, 197-205. Datler, Wilfried, Funder, Antonia, Hover-Reisner, Nina, Fürstaller, Maria & Ereky-Ste‐ vens, Katharina ( 2012). Eingewöhnung von Krippenkindern: Forschungsmethoden zu Verhalten, Interaktion und Beziehung in der Wiener Kinderkrippenstudie. In Su‐ sanne Viernickel, Doris Edelmann, Hilmar Hoffmann & Anke König (Hrsg.), Krippen‐ forschung. Methoden, Konzepte, Beispiele (S. 59-73). München: Ernst Reinhardt. De Houwer, Annick (2009). Bilingual first language acquisition. Clevedon: Multilingual Matters. Demirkaya, Sevilen (2014). Analyse qualitativer Daten. In Julia Settinieri, Sevilen De‐ mirkaya, Alexis Feldmeier, Nazan Gültekin-Karakoç & Claudia Riemer (Hrsg.), Empi‐ rische Forschungsmethoden für Deutsch als Fremd- und Zweitsprache (S. 213-227). Eine Einführung. Paderborn: UTB. Deppermann, Arnulf (2000). Ethnographische Gesprächsanalyse: Zu Nutzen und Not‐ wendigkeit von Ethnographie für die Konversationsanalyse. Gesprächsforschung - Online-Zeitschrift zur verbalen Interaktion, 2000 (1), 96-124. Online verfügbar unter: http: / / www.gespraechsforschung-ozs.de / heft2000 / ga-deppermann.pdf (20. 07. 16). Detzer, Kurt (1999). Homo oeconomicus und homo faber - dominierende Menschenbilder in Wirtschaft und Technik? . In Rolf Oerter (Hrsg.), Menschenbilder in der modernen Literaturverzeichnis 391 Gesellschaft: Konzeptionen des Menschen in Wissenschaft, Bildung, Kunst, Wirtschaft und Politik (S. 99-115). Stuttgart: Enke. Dinkelaker, Jörg & Herrle, Matthias (2009). Erziehungswissenschaftliche Videographie. Eine Einführung. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften. Dittmar, Norbert (2009). Transkription. Ein Leitfaden mit Aufgaben für Studenten, Forscher und Laien. Opladen: Leske und Budrich. Dittrich, Gisela (2002). Wenn Kinder gefilmt werden - eine Anleitung zur gezielten Be‐ obachtung mit der Videokamera. In Mechthild Dörfler, Gisela Dittrich & Kornelia Schneider (Hrsg.), Konflikte unter Kindern - Ein Kinderspiel für Erwachsene? Arbeits‐ materialien für die Praxis (Teil B, 3). Weinheim: Beltz. Donato, Richard (1998). Collective scaffolding in second language learning. In James Lantolf & Gabriela Appel (Hrsg.), Vygotskian approaches to second language research (S. 33-56). Norwood, N. J.: Ablex Publishing. Döpke, Susanne (1992). One parent - one language: an interactional approach. Amsterdam: John Benjamins. Dörnyei, Zoltan (1994). Motivation and motivating in the foreign language classroom. The modern language journal, 78 (3), 273-284. Dörnyei, Zoltan & Csizér, Kata (2002). Some dynamics of language attitudes and moti‐ vation: Results of a longitudinal nationwide survey. Applied linguistics, 23 (4), 421- 462. Doyé, Peter & Hurrell, Alison (1998). Fremdsprachenlernen in der Grundschule. Im Alter von 5 / 6 bis 10 / 11 Jahren. Wien: ÖBV Pädagogischer Verlag. Dresing, Thorsten & Pehl, Thorsten (2011). Praxisbuch Transkription. Regelsysteme, Soft‐ ware und praktische Anleitungen für qualitative ForscherInnen. Marburg: Eigenverlag. Dunn, Lloyd, Dunn, Leota, Whetton, Chris & Pintilie, David (1982). The british picture vocabulary scale. Windsor: National Foundation for Educational Research. Dunn, Lloyd, Dunn, Leota, Whetton, Chris & Burley, Juliet (1997). The british picture vocabulary scale II. Windsor. National Foundation for Educational Research. Dunn, Lloyd, Dunn, Leota & Williams, Kathleen (1997). Peabody picture vocabulary test. Circle Press: American Guidance Service. Early, Margaret M. (1985). Input and interactions in content classrooms: foreigner talk and teacher talk in classroom discourse. Unveröffentlichte Dissertation an der Universität Los Angeles. Edelenbos, Peter, Johnstone, Richard & Kubanek, Angelika (2006). Die wichtigsten päda‐ gogischen Grundsätze für die fremdsprachliche Früherziehung Sprachen für die Kinder Europas Forschungsveröffentlichungen, gute Praxis & zentrale Prinzipien Endbericht der Studie EAC 89 / 04 (Lot 1). Online verfügbar unter: http: / / edz.bib.uni-mannheim.de / daten / edz-b / gdbk/ 07 / Main_pedag_principles_de.pdf (20. 07. 16). Literaturverzeichnis 392 Edelenbos, Peter & Kubanek, Angelika (2009). Gute Praxis im Fremdsprachen-Frühbeginn. Braunschweig: Westermann. Edelmann, Rudolf (1995). Chants in der Fremdsprachlichen Vorschulung der Grund‐ schule. Erziehung und Unterricht, 145 (2 / 3), 115-124. Edmondson, Willis & House, Juliane (2011). Einführung in die Sprachlehrforschung. Tü‐ bingen: Narr. Educcare (2015). Bildung auf bestmöglicher Basis. Online verfügbar unter: http: / / www.educcare.de / educcare-bildungskonzept.html (20. 07. 16). Ehlich, Konrad & Rehbein, Jochen (1976). Halbinterpretative Arbeitstranskriptionen (HIAT). Linguistische Berichte, 45, 21-41. Einsiedler, Wolfgang (1994). Das Spiel der Kinder. Zur Pädagogik und Psychologie des Kin‐ derspiels. Bad Heilbrunn: Klinkhardt. Ellis, Rod (1994). The study of second language acquisition. Oxford: Oxford University Press. Ellis, Rod, Tanaka, Yoshihiro & Yamazaki, Asako (1994). Classroom interaction, compre‐ hension and the acquisition of L2 word meanings. Language learning, 44 (3), 449- 491. Ellis, Rod (2001). The metaphorical constructions of second language learners. In: Michael Breen (Hrsg.), Learner contributions to language learning. New directions in research (S. 65-85). London: Longman. Ellis, Rod, Loewen, Shawn & Erlam, Rosemary (2006). Implicit and explicit corrective feedback and the acquisition of L2 grammar. Studies in second language acquisition, 28 (2), 339-368. Elley, Warwick (1989). Vocabulary acquisition from listening to stories. Reading research quarterly, 24 (2), 174-187. Elschenbroich, Donata (2001). Weltwissen der Siebenjährigen. Wie Kinder die Welt entde‐ cken können. München: Goldmann. Elsner, Daniela (2010). Englisch in der Grundschule unterrichten. Grundlagen, Methoden, Praxisbeispiele. München: Oldenbourg. Ennulat, Gertrud (2007). Das Gruppenleben der unter Dreijährigen und seine Anforde‐ rungen an Kinder und ErzieherInnen. In Martin Textor (Hrsg.), Kindergartenpäda‐ gogik. Online-Handbuch. Online verfügbar unter: http: / / www.kindergartenpaedagogik.de/ 1810.html (20. 07. 16). Erb, Egon (1997). Gegenstands- und Problemkonstituierung: Subjekt-Modelle (in) der Psychologie. In: Norbert Groeben (Hrsg.), Zur Programmatik einer sozialwissenschaft‐ lichen Psychologie. Band I: Metatheoretische Perspektiven, 1. Halbband: Gegenstands‐ verständnis, Menschenbilder, Methodologie und Ethik (S. 139-239). Münster: Aschen‐ dorff. Literaturverzeichnis 393 Erickson, Frederick (1992). Ethnographic microanalysis of interaction. In: Margaret Le‐ Compte, Wendy Millroy & Judith Preissle (Hrsg), The handbook of qualitative research in education (S. 201-225). San Diego, CA: Academic Press. Europäische Kommission (1996). Weißbuch zur allgemeinen und beruflichen Bildung. Lehren und Lernen. Auf dem Weg zur kognitiven Gesellschaft. Online verfügbar unter: http: / / europa.eu / documents / comm / white_papers / pdf / com95_590_de.pdf (20. 07. 16). European Commission Network on Childcare and Other Measures to Reconcile the Em‐ ployment and Family Responsibilities of Men and Women (1996). Quality targets in services for young children. Proposals for a ten year action programme. Online verfügbar unter: http: / / www.childcarecanada.org / sites / default / files / Qualitypaperthree.pdf (20. 07. 16). Faas, Stefan (2013). Berufliche Anforderungen und berufsbezogenes Wissen von Erziehe‐ rinnen. Theoretische und empirische Rekonstruktionen. Wiesbaden: Springer. Fabbro, Franco (1999). The neurolinguistics of bilingualism. An introduction. Hove: Psy‐ chology Press. Ferguson, Charles (1975). Towards a characterization of english foreigner talk. Anthro‐ pological linguistics, 17 (1), 1-14. Ferguson, Charles & De Bose, Charles (1977). Simplified registers, broken languages and pidginization. In Albert Valdman (Hrsg.), Pidgin and creole (S. 99-125). Bloomington: Indiana University Press. Fischer, Dietlind & Schratz, Michael (2005). Videos in der Lehrerbildung. Journal für Leh‐ rerInnenbildung, 5 (2), 4-7. Flick, Uwe (2004). Qualitative Sozialforschung. Eine Einführung. Reinbek: Rowohlt. Flick, Uwe (2009). An introduction to qualitative research. Los Angeles: SAGE. Flick, Uwe (2011). Triangulation. Eine Einführung. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwis‐ senschaften. Flick, Uwe (2013). Triangulation in der qualitativen Forschung. In Uwe Flick, Ernst von Kardorff & Ines Steinke (Hrsg.), Qualitative Forschung. Ein Handbuch (S. 309-318). Reinbek bei Hamburg: Rowohlt-Taschenbuch-Verlag. Flick, Uwe, Kardorff, Ernst von & Steinke, Ines (2013). Was ist qualitative Forschung? Einleitung und Überblick. In Uwe Flick, Ernst von Kardorff & Ines Steinke (Hrsg.), Qualitative Forschung. Ein Handbuch (S. 13-29). Reinbek bei Hamburg: Rowohlt-Ta‐ schenbuch-Verlag. FMKS (2014). Bilinguale Kitas in Deutschland. Online verfügbar unter: http: / / www.fmks-online.de / download.html (20. 07. 16). Fong-Kan, Pui & Kohnert, Kathryn (2008). Fast mapping by bilingual preschool children. Journal of child language, 35 (3), 495-514. Literaturverzeichnis 394 Foster, Pauline & Ohta, Amy (2005). Negotiation for meaning and peer assistance in se‐ cond language classrooms. Applied linguistics, 26 (3), 402-430. Franceschini, Rita (2002). Das Gehirn als Kulturinskription. In Johannes Müller-Lancé & Claudia Riehl (Hrsg.), Ein Kopf - viele Sprachen: Koexistenz, Interaktion und Vermitt‐ lung (S. 45-62). Aachen: Shaker. Fromkin, Victoria, Krashen, Stephen, Curtiss, Susan, Rigler, David & Rigler, Marilyn (1974). The development of language in Genie: A case of language acquisition beyond the `critical period’. Brain and language, 1, 81-107. Froschauer, Ulrike & Lueger, Manfred (2003). Das qualitative Interview. Zur Praxis inter‐ pretativer Analyse sozialer Systeme. Wien: UTB. Fthenakis, Wassilios (1981). Bilingualismus-Bikulturalismus in der frühen Kindheit. In Wassilios Fthenakis, Georg Scheid, Alfons Schorb & Wulf Steinmann (Hrsg.), Bil‐ dungswirklichkeit, Bildungsforschung, Bildungsplanung (S. 33-82). Donauwörth: Auer. Fthenakis, Wassilios (1985). Bilingual-bikulturelle Entwicklung des Kindes. Ein Handbuch für Psychologen, Pädagogen und Linguisten. München: Hueber. Fthenakis, Wassilios (2004). Bildungs- und Erziehungsziele für Kinder unter sechs Jahren - nationale und internationale Perspektiven. In Gabriele Faust, Margarete Götz & Hartmut Hacker (Hrsg.), Anschlussfähige Bildungsprozesse im Elementar- und Pri‐ marbereich (S. 9-26). Bad Heilbrunn: Klinkhardt. Fthenakis, Wassilios (Hrsg.) (2003). Elementarpädagogik nach PISA. Wie aus Kinderta‐ gesstätten Bildungseinrichtungen werden können. Freiburg / Basel / Wien: Herder. Gardner, Robert & Lambert, Wallace (1959). Motivational variables in second language acquisition. Canadian journal of psychology, 13 (4), 266-272. Gardner, Robert & Lambert, Wallace (1972). Attitudes and motivation in second-language learning. Rowley, MA: Newbury House. Gardner, Robert (1985). Social psychology and second language learning. The role of atti‐ tudes and motivation. London: Arnold. Garvey, Catherine (1978). Spielen. Stuttgart. Klett Cotta. Gass, Susan (1997). Input, interaction and the second language learner. Mahwah, NJ: Law‐ rence Erlbaum. Gass, Susan (2007). Input and interaction. In: Catherine Doughty & Michael Long (Hrsg.), The handbook of second language acquisition (S. 224-255). Oxford: Blackwell. Gass, Susan (2010). Interactionist perspectives on second language acquisition. In Robert Kaplan (Hrsg.), The Oxford handbook of applied linguistics (S. 217-231). New York: Oxford University Press. Gass, Susan, Mackey, Alison & Pica, Teresa (1998). The role of input and interaction in second language acquisition. Introduction to the special issue. The modern language journal, 82 (3), 299-307. Literaturverzeichnis 395 Gass, Susan & Selinker, Larry (1994). Second language acquisition. An introductory course. Hillsdale, NJ: Lawrence Erlbaum Associates. Gebauer, Sandra, Zaunbauer, Anna & Möller, Jens (2012). Erstsprachliche Leistungsent‐ wicklung im Immersionsunterricht: Vorteile trotz Unterrichts in einer Fremdsprache? . Zeitschrift für Pädagogische Psychologie, 26 (3), 183-196. Geertz, Clifford (1983). Dichte Beschreibung. Beiträge zum Verstehen kultureller Systeme. Stuttgart: Suhrkamp. Gendron, Jean-Denis (1972). La situation de la langue française au Québec. La langue de travail. Quebec: L’Editeur officiel du Québec. Genesee, Fred (1987). Learning through two languages. Cambridge, MA: Newbury House. Genesee, Fred (1989). Early bilingual development: one language or two? . Journal of child language, 16 (1), 161-179. Geyer, Sabrina (2011). Bilderbücher im DaF-Unterricht der Primarstufe. Frühes Deutsch, 22, 47-50. Ghanbari, Shahram (2002). Einführung in die Statistik für Sozial- und Erziehungswissen‐ schaftler. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften. Gibbons, Pauline (2002). Scaffolding language, scaffolding learning: Teaching second lang‐ uage learners in the mainstream classroom. Portsmouth, N. H.: Heinemann. Gibbons, Pauline (2009). English learners, academic literacy, and thinking. Portsmouth, N. H.: Heinemann. Glesne, Corrine & Peshkin, Alan (1992). Becoming qualitative researchers. An introduction. White Plains, N. Y: Longman. Göbel, Kerstin (2010). Videographie als Verfahren zur Erforschung von Lehr-/ Lernproz‐ essen im Fremdsprachenunterricht. In Karin Aguado, Karen Schramm & Helmut J. Vollmer (Hrsg.), Fremdsprachliches Handeln beobachten, messen, evaluieren (S. 277-305). Frankfurt am Main: Peter Lang. Gogolin, Ingrid (1994). Der monolinguale Habitus der multilingualen Schule. Münster: Waxmann. Gold, Raymond (1958). Roles in sociological field observations. Social Forces, 36 (3), 217- 223. Greve, Werner & Wentura, Dirk (1997). Wissenschaftliche Beobachtung: Eine Einführung. Weinheim: Beltz Grimm, Hannelore (1999). Störungen der Sprachentwicklung: Grundlagen - Ursachen - Di-agnose - Intervention - Prävention. Göttingen: Hogrefe. Grimm, Hannelore, Aktas, Maren & Frevert, Sabine (2001). SETK 3-5: Sprachentwick‐ lungstest für dreibis fünfjährige Kinder: Diagnose von Sprachverarbeitungsfähigkeiten und auditiven Gedächtnisleistungen. Göttingen: Hogrefe. Literaturverzeichnis 396 Grosbüsch, Hannah & Numrich, Rosa (2014). Wege zur / zum ErzieherIn. Unveröffentlichte Projektarbeit im Rahmen des Seminars „Fremdsprachenerwerb im frühen Kindesalter“ an der Technischen Universität Darmstadt. Grotjahn, Rüdiger (1987). On the methodological basis of introspective methods. In Claus Faerch & Gabriele Kasper (Hrsg.), Introspection in second language research (S. 54-81). Clevedon: Multilingual Matters. Grotjahn, Rüdiger (1993). Qualitative vs. quantitative Fremdsprachenforschung: Eine klärungsbedürftige und unfruchtbare Dichotomie. In Johannes-Peter Timm & Helmut J. Vollmer (Hrsg.), Kontroversen in der Fremdsprachenforschung (S. 223-248). Dokumentation des 14. Kongresses für Fremdsprachendidaktik, veranstaltet von der Deutschen Gesellschaft für Fremdsprachenforschung (DGFF), Essen, 7.-9. Oktober 1991. Bochum: Brockmeyer. Grotjahn, Rüdiger (2000). Einige Thesen zur empirischen Forschungsmethodologie. In Karin Aguado (Hrsg.), Zur Methodologie in der empirischen Fremdsprachenforschung (S. 19-30). Baltmannsweiler: Schneider Verlag Hohengehren. Grotjahn, Rüdiger (2003). Konzepte für die Erforschung des Lehrens und Lernens fremder Sprachen: Forschungsmethodologischer Überblick. In Karl-Richard Bausch, Herbert Christ & Hans-Jürgen Krumm (Hrsg.), Handbuch Fremdsprachenunterricht (S. 493- 499). Tübingen / Basel: Francke. Grotjahn, Rüdiger (2005). Subjektmodelle. Implikationen für die Theoriebildung und Forschungsmethodologie der Sprachlehr- und Sprachlernforschung. Zeitschrift für Fremdsprachenforschung, 1 (16), 23-56. Grotjahn, Rüdiger (2006). Zur Methodologie der Fremdsprachenerwerbsforschung. In Peter Scherfer & Dieter Wolff (Hrsg.), Vom Lehren und Lernen fremder Sprachen. Eine vorläufige Bestandsaufnahme (S. 247-270). Frankfurt am Main: Peter Lang. Grunenberg, Heiko & Kuckartz, Udo (2010). Deskriptive Statistik in der qualitativen So‐ zialforschung. In Barbara Friebertshäuser, Antje Langer & Annedore Prengel (Hrsg.), Handbuch Qualitative Forschung in der Erziehungswissenschaft (S. 487-500). Wein‐ heim/ München: Juventa. Guillemin, Marilys & Gillam, Lynn (2004). Ethics, reflexivity and ‛ethically important moments’ in research. Qualitative inquiry, 10 (2), 261-280. Gültekin-Karakoç, Nazan & Feldmeier, Alexis (2014). Analyse quantitativer Daten. In Julia Settinieri, Sevilen Demirkaya, Alexis Feldmeier, Nazan Gültekin- Karakoç & Claudia Riemer (Hrsg.): Empirische Forschungsmethoden für Deutsch als Fremd- und Zweitsprache (S. 183-211). Stuttgart: UTB. Häckel, Alexandra & Piske, Thorsten (2011). Zur Entwicklung der sprachlichen Fähig‐ keiten bei deutsch-englisch bilingual betreuten Kindergartenkindern mit und ohne Migrationshintergrund. In Andreas Krafft & Carmen Spiegel (Hrsg.), Sprachliche För‐ Literaturverzeichnis 397 derung und Weiterbildung - transdisziplinär (S. 11-31). Forum Angewandte Linguistik. Band 51. Frankfurt am Main: Peter Lang. Häder, Michael (2010). Empirische Sozialforschung. Eine Einführung. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften. Håkansson, Gisela (1986). Quantitative studies of teacher talk. In Gabriele Kaspar (Hrsg), Learning, teaching and communication in the foreign language classroom (S. 83-98). Aarhus: Aarhus University Press. Hall, Rogers (2000). Videorecording as theory. In Anthony Kelly & Richard Lesh (Hrsg.), Handbook of research design in mathematics and science education (S. 647-664). Mahwah, New Jersey: Lawrence Erlbaum. Hamers, Josiane & Blanc, Michel (Hrsg.) (1989), Bilinguality, bilingualism. Cambridge: Cambridge University Press. Hammond, Jenny & Gibbons, Pauline (2005). Putting scaffolding to work: The contribu‐ tion of scaffolding in articulating ESL education. Prospect, 20 (1), 6-30. Haugen, Einar (1953). The norwegian language in America: A study in bilingual behaviour. Philadelphia: University of Pennsylvania Press. Haug-Schnabel, Gabriele (2011). Warum wir Bildungsvereinbarungen für Kinder von null bis drei Jahren brauchen - Ein Plädoyer. Kindergarten heute, 4, 4-10. Hauser-Schäublin, Brigitta (2003). Teilnehmende Beobachtung. In Bettina Beer (Hrsg.), Methoden und Techniken der Feldforschung (S. 33-55). Berlin: Dietrich Reimer Verlag. Hayes, Cheryl, Palmer, John & Zaslow, Martha (Hrsg.) (1990): Who cares for America’s children? Child care policy for the 1990s. Panel on child care policy, committee on child development research and public policy, commission on behavioral and social sciences and education, national research council. Washington: National Academy Press. Heim, Katja (2013). CLIL: Teaching the art: Physical education, art, music. In Daniela Elsner & Jörg-U. Keßler (Hrsg.), Bilingual education in primary school. Aspects of im‐ mersion, CLIL and bilingual modules (S. 61-71). Tübingen: Narr. Heimlich, Ulrich (2001). Einführung in die Spielpädagogik. Eine Orientierungshilfe für so‐ zial-, schul- und heilpädagogische Arbeitsfelder. Bad Heilbrunn: Klinkhardt. Helmke, Andreas, Göbel, Kerstin, Hosenfeld, Ingmar, Schrader, Friedrich-Wilhelm, Helmke, Tuyet & Wagner, Wolfgang (2007). Die Videostudie im DESI-Projekt: Anlage, Ziele, Kameramanual. Universität Koblenz-Landau: Campus Landau. Henle, Dieter & Plieninger, Martin (2007). Das Heidenheimer Modell. Sprachförderung im Übergang vom Kindergarten in die Grundschule. In Martin Plieninger & Eva Schu‐ macher (Hrsg.), Auf den Anfang kommt es an - Bildung und Erziehung im Kindergarten und im Übergang zur Grundschule (S. 89-132). Schwäbisch Gmünd: Gmünder Hoch‐ schulreihe. Herrle, Matthias, Kade, Jochen & Nolda, Sigrid (2010). Erziehungswissenschaftliche Vi‐ deographie. In Barbara Friebertshäuser, Antje Langer & Annedore Prengel (Hrsg.), Literaturverzeichnis 398 Handbuch qualitative Forschungsmethoden in der Erziehungswissenschaft (S. 599-619). Weinheim: Juventa-Verlag. Hessisches Ministerium für Soziales und Integration (2014). Bildung von Anfang an. Bil‐ dungs- und Erziehungsplan für Kinder von 0 bis 10 Jahren in Hessen. Online verfügbar unter: https: / / bep.hessen.de / irj / BEP_Internet (20. 07. 16). Hinnenkamp, Volker (2010). Sprachmischung. In Hans Barkowski & Hans-Jürgen Krumm (Hrsg.), Fachlexikon Deutsch als Fremd- und Zweitsprache (S. 305). Tübingen/ Basel: Francke Verlag. Hoff-Ginsberg, Erika (1985). Some contributions of mothers’ speech to their children’s syntactic growth. Journal of child language, 12 (2), 367-385. Hoff-Ginsberg, Erika (1986). Function and structure in maternal speech. Their relation to the child’s development of syntax. Developmental psychology, 22 (2), 155-163. Hoff-Ginsberg, Erika (1991). Mother-child conversations in different social classes and communicative settings. Child development, 62 (4), 782-796. Höhle, Mandy (2010). Paraphrase. In Hans Barkowski & Hans-Jürgen Krumm (Hrsg.), Fachlexikon Deutsch als Fremd- und Zweitsprache (S. 239-240). Tübingen / Basel: Francke Verlag. Hopf, Christel (2013). Forschungsethik und qualitative Forschung. In Uwe Flick, Ernst von Kardorff & Ines Steinke (Hrsg.), Qualitative Forschung. Ein Handbuch (S. 589- 600). Reinbek bei Hamburg: Rowohlt-Taschenbuch-Verlag. Hopp, Holger, Thoma, Dieter & Tracy, Rosemarie (2010). Sprachförderkompetenz päda‐ gogischer Fachkräfte. Ein sprachwissenschaftliches Modell. Zeitschrift für Erziehungs‐ wissenschaft, 13 (4), 609-629. Hoppe-Graff, Siegfried & Vieweg, Ulrike (2012). Spiel. In Uwe Sandfuchs, Wolfgang Melzer, Bernd Dühlmeier & Adly Rausch (Hrsg.), Handbuch Erziehung (S. 609-615). Bad Heilbrunn: Klinkhardt. Hornecker, Eva (2004). Videobasierte Interaktionsanalyse - der Blick durch die (Zeit-)Lupe auf das Interaktionsgeschehen kooperativer Arbeit. Online verfügbar unter: http: / / www.ehornecker.de / Papers / KOPRA_Final.pdf (20. 07. 16). Howell, Peter, Davis, Stephen & Au-Yeung, James (2003). Syntactic development in fluent children, children who stutter and children who have english as an additional lang‐ uage. Child language teaching and therapy, 19 (3), 311-337. Howes, Carollee (1983). Caregiver behavior in centers and family day care. Journal of applied developmental psychology, 4 (1), 99-107. Howes, Carollee (1988). Relations between early child care and schooling. Developmental psychology, 24 (1), 53-57. Howes, Carollee & Olenick, Michael (1986). Family and child care Influences on childrens’ compliance. Child development, 57 (1), 202-216. Literaturverzeichnis 399 Hufeisen, Britta (2005). Gesamtsprachencurriculum: Einflussfaktoren und Bedingungs‐ gefüge. In Britta Hufeisen & Madeline Lutjeharms (Hrsg.), Gesamtsprachencurri‐ culum - Integrierte Sprachendidaktik - Common Curriculum. Theoretische Überle‐ gungen und Beispiele der Umsetzung (S. 9-18). Tübingen: Narr. Hufeisen, Britta (2011). Gesamtsprachencurriculum: Weitere Überlegungen zu einem prototypischen Modell. In Rupprecht Baur & Britta Hufeisen (Hrsg.), „Vieles ist sehr ähnlich“ - Individuelle und gesellschaftliche Mehrsprachigkeit als bildungspolitische Aufgabe (S. 265-282). Baltmannsweiler: Schneider Verlag Hohengehren. Hufeisen, Britta & Neuner, Gerhard (Hrsg.) (2003), Mehrsprachigkeitskonzept - Tertiär‐ sprachen - Deutsch nach Englisch. Strasbourg: Council of Europe Publishing. Hufeisen, Britta & Riemer, Claudia (2010). Spracherwerb und Sprachenlernen. In Hans-Jürgen Krumm, Christian Fandrych, Britta Hufeisen & Claudia Riemer (Hrsg.), Deutsch als Fremd- und Zweitsprache. Ein internationales Handbuch (S. 738-753). Berlin: De Gruyter. Hugener, Isabelle (2006a). Überblick über die Beobachtungsinstrumente. In Isabelle Hu‐ gener, Christine Pauli & Kurt Reusser (Hrsg.), Dokumentation der Erhebungs- und Auswertungsinstrumente zur schweizerisch-deutschen Videostudie „Unterrichtsqualität, Lernverhalten und mathematisches Verständnis“. 3. Videoanalysen (S. 45-54). Frankfurt am Main: GFPF. Hugener, Isabelle (2006b). Funktionen im Lernprozess. In Isabelle Hugener, Christine Pauli & Kurt Reusser (Hrsg.), Dokumentation der Erhebungs- und Auswertungsinstru‐ mente zur schweizerisch-deutschen Videostudie „Unterrichtsqualität, Lernverhalten und mathematisches Verständnis“. 3. Videoanalysen (S. 89-110). Frankfurt am Main: GFPF. Hugener, Isabelle & Drollinger-Vetter, Barbara (2006). Inhaltsbezogene Aktivitäten. In Isabelle Hugener, Christine Pauli & Kurt Reusser (Hrsg.), Dokumentation der Erhe‐ bungs- und Auswertungsinstrumente zur schweizerisch-deutschen Videostudie „Unter‐ richtsqualität, Lernverhalten und mathematisches Verständnis“. 3. Videoanalysen (S. 62- 88). Frankfurt am Main. GFPF. Hugener, Isabelle, Rakoczy, Katrin, Pauli, Christine & Reusser, Kurt (2006). Videobasierte Unterrichtsforschung: Integration verschiedener Methoden der Videoanalyse für eine differenzierte Sicht auf Lehr-Lernprozesse. In Sybille Rahm, Ingelore Mammes & Mi‐ chael Schratz (Hrsg.), Schulpädagogische Forschung, Band 1: Unterrichtsforschung - Perspektiven innovativer Ansätze (S. 41-53). Innsbruck: Studienverlag. Huhn, Norbert (2005). Mit Video einen Blick auf Verhaltensmuster konstruieren. Über‐ legungen für eine visuelle Interpretation von Videografien. In Günter Mey (Hrsg.), Handbuch qualitative Entwicklungspsychologie (S. 413-434). Köln: Studienverlag. Huhn, Norbert, Dittrich, Gisela, Dörfler, Mechthild & Schneider, Kornelia (2000). Vide‐ ografieren als Beobachtungsmethode in der Sozialforschung - am Beispiel eines Feld‐ forschungsprojektes zum Konfliktverhalten von Kindern. In Friederike Heinzel Literaturverzeichnis 400 (Hrsg.), Methoden der Kindheitsforschung. Ein Überblick über Forschungszugänge zur kindlichen Perspektive (S. 185-204). Weinheim/ München: Beltz. Huhn, Norbert & Schneider, Kornelia (2003). Forschungserfahrungen mit Körpersprache von Kindern. In Heinz Hengst & Helga Kelle (Hrsg.), Kinder - Körper - Identitäten. Theoretische und empirische Annäherungen an kulturelle Praxis und sozialen Wandel (S. 183-204). Weinheim/ München: Juventa-Verlag. Huppertz, Norbert (1992). Erleben und Bilden im Kindergarten. Der lebensbezogene Ansatz als Modell für die Planung der Arbeit. Freiburg: Herder. Huppertz, Norbert (2000). Bilinguale Bildung - Französisch im Kindergarten. Das Projekt am Oberrhein. Ilsede: Brackmann. Huppertz, Norbert (2001). Heute gelernt, morgen gelehrt - Französisch so früh! Das Pro‐ jekt am Oberrhein. In Forum Bildung (Hrsg.), Fremdsprachenerwerb - Wie früh und wie anders? Workshop des Forum Bildung am 14. September in Berlin. Online verfügbar unter: http: / / www.blk-bonn.de / papers / forum-bildung / band13.pdf (20. 07. 16). Huppertz, Norbert (2003). Der Lebensbezogene Didaktikansatz als Grundlage für die bi‐ linguale Bildung im Kindergarten. In Norbert Huppertz (Hrsg.), Fremdsprachen im Kindergarten. Didaktik - Methodik - Praxis (S. 13-34). Oberried: PAIS-Verlag. Huppertz, Norbert (Hrsg.) (1999). Französisch so früh? - Bilinguale Bildung im Kinder‐ garten. Oberried bei Freiburg: Pais-Verlag. Huppertz, Norbert & Müller, Stefanie (2002). Bilinguale Bildung - Französisch im Kinder‐ garten. Abschlussbericht des INTERREG II-Projektes. Universitärer Forschungsbericht, Freiburg. Hussy, Walter, Schreier, Margrit & Echterhoff, Gerald (2013). Forschungsmethoden in Psy‐ chologie und Sozialwissenschaften für Bachelor. Berlin: Springer-Verlag. Hyltenstam, Kenneth & Abrahamsson, Niclas (2003). Maturational constraints in second language acquisition. In Catherine Doughty & Michael Long (Hrsg.), Handbook of second language acquisition (S. 539-588). Oxford: Blackwell. Irion, Thomas (2002). Einsatz von Digitaltechnologien bei der Erhebung, Aufbereitung und Analyse multicodaler Daten. Forum qualitative Sozialforschung, 3, (2), Art. 16. Online verfügbar unter: http: / / www.qualitative-research.net / index.php / fqs / rt / printerFriendly/ 855/ 1858 (20. 07. 16). Iverson, Jana, Capirci, Olga, Longobardi, Emiddia & Caselli, M. Cristina (1999). Gesturing in mother-child-interactions. Cognitive development, 14, 57-75. Jacobs, Jennifer, Garnier, Helen, Gallimore, Ronald, Hollingsworth, Hilary, Bogard Givvin, Karen, Rust, Keith, Kawanaka, Takako, Smith, Margaret, Wearne, Diana, Man‐ aster, Alfred, Etterbeek, Wallae, Hiebert, James, Stigler, James & Gonzales, Patrick (2003). Third international mathematicsand science study 1999 video study technical Literaturverzeichnis 401 report. Volume1: Mathematics (No. NCES (2003-012). Washington: National Center for Education Statistics, Institute of Education Statistics, U. S. Department of Education. Jampert, Karin (2002). Schlüsselsituation Sprache. Spracherwerb im Kindergarten unter be‐ sonderer Berücksichtigung des Spracherwerbs bei mehrsprachigen Kindern. Opladen: Leske und Budrich. Jampert, Karin, Best, Petra, Guadatiello, Angela, Holler, Doris & Zehnbauer, Anne (Hrsg.) (2007). Schlüsselkompetenz Sprache. Sprachliche Bildung und Förderung im Kinder‐ garten. Konzepte, Projekte und Maßnahmen. Weimar / Berlin: verlag das netz. Janich, Peter (1998). Zwischen natürlicher Disposition und kultürlicher Lebensbewälti‐ gung: Kognitionswissenschaften und Menschenbild im Streit der Wissenschaftsvers‐ tändnisse. In Peter Gold & Andreas Engel (Hrsg.), Der Mensch in der Perspektive der Kognitionswissenschaften (S. 373-394). Frankfurt am Main: Suhrkamp. Jantscher, Elisabeth (1998). Frühes Fremdsprachenlernen: Eine Bestandsaufnahme aus ös‐ terreichischer Sicht. Graz: Zentrum für Schulentwicklung. Jooß-Weinbach, Margarete (2012). Ein Bündnis mit den Jüngsten? Die Herausforde‐ rungen professioneller Interaktion mit Krippenkindern. In Susanne Viernickel, Doris Edelmann, Hilmar Hoffmann & Anke König (Hrsg.), Krippenforschung. Methoden, Konzepte, Beispiele (S. 119-128). München: Ernst Reinhardt. Jugendministerkonferenz / Kultusministerkonferenz (2004). Gemeinsamer Rahmen der Länder für die frühe Bildung in Kindertageseinrichtungen. Online verfügbar unter: http: / / www.kmk.org / fileadmin / veroeffentlichungen_beschluesse/ 2004/ 2004_06_03-Fruehe-Bildung-Kindertageseinrichtungen.pdf (20. 07. 16). Keifenheim, Barbara (2003). Der Einsatz von Film und Video. In Bettina Beer (Hrsg.), Methoden und Techniken der Feldforschung (S. 249-263). Berlin: Dietrich Reimer Verlag. Kelle, Helga (2010). Die Komplexität der Wirklichkeit als Problem qualitativer Forschung. In Barbara Friebertshäuser, Antje Langer & Annedore Prengel (Hrsg.), Handbuch qua‐ litative Forschungsmethoden in der Erziehungswissenschaft (S. 101-118). Weinheim: Ju‐ venta-Verlag. Kelle, Udo (2013). Computergestützte Analyse qualitativer Daten. In Uwe Flick, Ernst von Kardoff & Ines Steinke (Hrsg.), Qualitative Forschung. Ein Handbuch (S. 485-502). Reinbek bei Hamburg: Rowohlt-Taschenbuch-Verlag. Kelle, Udo & Kluge, Susann (2010). Vom Einzelfall zum Typus. Fallvergleich und Kontras‐ tierung in der qualitativen Sozialforschung. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissen‐ schaften. Kersten, Kristin (2005). Bilinguale Kindergärten und Grundschulen: Wissenschaft und Praxis im Kieler Immersionsprojekt. In Piotra Baron (Hrsg.), Bilingualität im Kinder‐ garten und in der Primarstufe. Bessere Zukunftschancen für unsere Kinder (S. 22-33). Opole: Niemieckie Towarzystwo Oswiatowe. Literaturverzeichnis 402 Kersten, Kristin, Fischer, Uta, Burmeister, Petra & Lommel, Annette (2009). Leitfaden für die Einrichtung von Immersions-Angeboten in Grundschulen. Online verfügbar unter: www.fmks-online.de/ _wd_showdoc.php? pic=674 (20. 07. 16). Kersten, Kristin (2010). ELIAS. Early language and intercultural acquisition studies. Final report. http: / / www.elias.bilikita.org / docs / elias_2010_final_report.pdf (20. 07. 16). Kersten, Kristin, Rohde, Andreas, Schelletter, Christina & Steinlen, Anja (2010a). Guide‐ lines for language use in bilingual preschools. In Kristin Kersten, Andreas Rohde, Christina Schelletter & Anja Steinlen (Hrsg), Bilingual preschools: Best practices (S. 103-116). Trier: WVT. Kersten, Kristin, Drewing, Martina, Granados, Jessica, Leloux, Barbara, Lommel, Annette, Schneider, Anke & Taylos, Sarah (2010b). How to start a bilingual preschool: Practical guidelines. In Kristin Kersten, AndreasRohde, Christina Schelletter & Steinlen, Anja (Hrsg.), Bilingual preschools. Vol. I: Best practices (S. 77-101). Trier: WVT. Kersten, Kristin, Piske, Thorsten, Rohde, Andreas, Steinlen, Anja & Weitz, Martina (2010c). ELIAS grammar test. Online verfügbar unter: http: / / www.elias.bilikita.org / docs / grammar_test_full_version.pdf (20. 07. 16). Kersten, Kristin, Rohde, Andreas, Schelletter Christina & Steinlen, Anja (Hrsg.) (2010), Bilingual preschools. Vol. I: Learning and development. Trier: WVT. Kersten, Kristin, Rohde, Andreas, Schelletter, Christina & Steinlen, Anja (Hrsg.) (2010). Bilingual preschools. Vol. II: Best practices. Trier: WVT. Kersten, Kristin (2012). Fremdsprachenerwerb im Kindesalter: Forschungsergebnisse aus bilingualen Kitas. In Friedrich Lenz (Hrsg.), Bilinguales Lernen. Unterrichtskonzepte zur Förderung sachfachbezogener und interkultureller Kompetenz (S. 25-56). Frankfurt am Main: Peter Lang. Kersten, Kristin & Rohde, Andreas (2013). On the road to nowhere? The transition problem of bilingual teaching programmes. In Daniela Elsner & Jörg-U. Keßler (Hrsg.), Bilingual education in primary school. Aspects of immersion, CLIL, and bilingual moduls (S. 93-117). Tübingen: Narr. Kieferle, Christa & Reichert-Garschhammer, Eva (2014). Die Bedürfnisse mehrsprachiger Kinder im Blick - ein inklusives Bildungskonzept. Babylonia, 2014 (1), 36-40. Kielhöfer, Bernd (1989). Frühkindlicher Bilingualismus. In Karl-Richard Bausch, Herbert Christ, Werner Hüllen & Hans-Jürgen Krumm (Hrsg.), Handbuch Fremdsprachenun‐ terricht (S. 359-363). Tübingen: Francke. Kielhöfer, Bernd & Jonekeit, Sylvie (1983). Zweisprachige Kindererziehung. Tübingen: Stauffenberg. Kiening, Daniela (2011). Ausgewählte Aspekte der sprachlichen Mutter-Kind-Interaktion bei 2-jährigen Kindern mit spätem Sprechbeginn. Dissertation an der Ludwig-Maximi‐ lians-Universität München. Online verfügbar unter: https: / / edoc.ub.uni-muenchen.de/ 13517/ 1 / Kiening_Daniela.pdf (20. 07. 16). Literaturverzeichnis 403 Kim, Karl, Relkin, Norman, Lee, Kyoung-Min & Hirsch, Joy (1997). Distinct cortical areas associated with native and second languages. Nature, 388, 171-174. Klemm, Ulrich (2003). PISA und die international bildungspolitische Diskussion der letzten vierzig Jahre. Stichpunkte zu einem vernachlässigten Kontext. Zeitschrift für international Bildungsforschung und Entwicklungspädagogik, 26, 23-25. Kleppin, Karin (2001). Motivation. Nur ein Mythos? Teil I. Deutsch als Fremdsprache, 4, 219-225. Klicpera, Christian & Gasteiger-Klicpera, Barbara (1994). Die langfristige Entwicklung von der mündlichen Lesefertigkeit bei schwachen und guten Lesern. Zeitschrift für Entwicklungspsychologie und Pädadagogische Psychologie, 26, 278-290. Klippel, Johanna (2013). Sprachlernsituation Auslandsstudium. Eine qualitative Studie zu Lernerfahrungen ausländischer Studierender in Deutschland. Baltmannsweiler: Schneider Verlag Hohengehren. Kluge, Norbert (2003). Anthropologie der Kindheit. Zugänge zu einem modernen Ver‐ ständnis von Kindsein in pädagogischer Betrachtungsweise. Bad Heilbrunn: Klinkhardt. Knapp, Werner, Kucharz, Diemut & Gasteiger-Klicpera, Barbara (2010). Sprache fördern im Kindergarten. Umsetzung wissenschaftlicher Erkenntnisse in die Praxis. Weinheim/ Basel: Beltz. Knapp, Werner & Ricart Brede, Julia (2012). Videographie als Methode zur Aufzeichnung und Analyse sprachlicher Lehr-Lernsituationen. Vorschläge zur Systematisierung am Beispiel (vor-)schulischer Sprachförderung. In Bernt Ahrenholz (Hrsg.), Einblicke in die Zweitspracherwerbsforschung und ihre methodischen Verfahren (S. 219-236). Berlin: De Gruyter. Kniffka, Gabriele (2010). Scaffolding. Universität Duisburg Essen/ Stiftung Mercator. On‐ line verfügbar unter: https: / / www.uni-due.de / imperia / md / content / prodaz / scaffolding.pdf (20. 07. 16). Kniffka, Gabriele & Siebert-Ott, Gesa (2012). Deutsch als Zweitsprache - Lehren und Lernen. Paderborn: Schöningh. Knoblauch, Hubert & Schnettler, Bernt (2007). Videographie. Erhebung und Analyse qualitativer Videodaten. In Renate Buber & Hartmut Holzmüller (Hrsg.), Qualitative Marktforschung. Theorie, Methode, Analysen (S. 585-599). Wiesbaden: Gabler. Knoll, Steffen & Stigler, James (1999). Management and analysis of large-scale video sur‐ veys using the software vPrism. International journal of educational research, 31 (8), 725-734. Kohn, Kurt (2007). Englisch als globale Lingua Franca: Eine Herausforderung für die Schule. In Tanja Anstatt (Hrsg.), Mehrsprachigkeit bei Kindern und Erwachsenen. Er‐ werb - Formen - Förderung (S. 207-222). Tübingen: Narr. Literaturverzeichnis 404 Kolb, Annika & Mayer, Nikola (2009a). Gemeinsam den Übergang meistern - ein euro‐ päisches Projekt zum Fremdsprachenunterricht der Primar- und Sekundarstufe. PH-FR, 2, 32-33. Kolb, Annika & Mayer, Nikola (2009b). Ganzheitlich, spielerisch und mit viel Bewegung. Keine Brüche am Übergang im Fremdsprachenunterricht zwischen den Schulstufen - das europäische PRI-SEC-CO Projekt. Daktylos, 14 (2), 12-13. Kolb, Annika & Mayer, Nicola (2010). Mehr Kontinuität! Englischkenntnisse aus der Grundschule weiterentwickeln. Der fremdsprachliche Unterricht Englisch, 44 (103), 2- 9. Kolb, Steffen (2004). Verlässlichkeit von Inhaltsanalysedaten. Reliabilitätstest, Errechnen und Interpretieren von Reliabilitätskoeffizienten für mehr als zwei Codierer. Medien & Kommunikationswissenschaft, 52 (3), 335-354. Kolonko, Beate (2011). Spracherwerb im Kindergarten. Grundlagen für die sprachpädago‐ gische Arbeit von ErzieherInnen. Freiburg: Centaurus. Kommission der Europäischen Gemeinschaften (2003). Förderung des Sprachenlernens und der Sprachenvielfalt: Aktionsplan 2004-2006. Online verfügbar unter: http: / / eur-lex.europa.eu / legal-content / DE / TXT / PDF/ ? uri=CELEX: 52003DC0449&from=DE (20. 07. 16). König, Anke (2006). Dialogisch-entwickelnde Interaktionsprozesse zwischen ErzieherIn und Kind(-ern). Eine Videostudie aus dem Alltag des Kindergartens. Online verfügbar unter: http: / / d-nb.info/ 99778640X/ 34 (20. 07. 16). König, Anke (2007). Dialogisch-entwickelnde Interaktionsprozesse als Ausgangspunkt für die Bildungsarbeit im Kindergarten. Bildungsforschung, 4 (1). Online verfügbar unter: http: / / bildungsforschung.org / index.php / bildungsforschung / article / viewFile/ 54/ 57 (20. 07. 16). Königs, Frank (2010). Zweitsprachenerwerb und Fremdsprachenlernen: Begriff und Kon‐ zepte. In Hans-Jürgen Krumm, Christian Fandrych, Britta Hufeisen & Claudia Riemer (Hrsg.), Deutsch als Fremd- und Zweitsprache. Ein internationales Handbuch (S. 754- 763). Berlin: De Gruyter. Kowal, Sabine & O’Connell, Daniel (2013). Zur Transkription von Gesprächen. In Uwe Flick, Ernst von Kardoff & Ines Steinke (Hrsg.), Qualitative Forschung. Ein Handbuch (S. 437-447). Reinbek bei Hamburg: Rowohlt-Taschenbuch-Verlag. Krammer, Kathrin & Reusser, Kurt (2005): Unterrichtsvideos als Medium der Aus- und Weiterbildung von Lehrpersonen. Beiträge zur Lehrerbildung, 23 (1), 35-50. Krashen, Stephen (1981). Second language acquisition and second language learning. Ox‐ ford: Pergamon. Krashen, Stephen (1982). Principles and practice in second language acquisition. Oxford: Pergamon. Literaturverzeichnis 405 Krashen, Stephen (1985). The input-hypothesis: Issues and implications. London: Longman. Kreutzer, Franziska & Kurtenbach, Stephanie (2013). Mythen und Legenden der Sprach‐ förderung - Erfahrungen aus einer gewachsenen Kooperation. In Stephanie Kurten‐ bach & Ines Bose (Hrsg.), Gespräche zwischen Erzieherinnen und Kindern. Beobachtung, Analyse, Förderung (S. 167-183). Frankfurt am Main: Peter Lang. Kromrey, Helmut (1988). Akzeptanz- und Begleitforschung. Methodische Ansätze, Mög‐ lichkeiten und Grenzen. Massacommunicatie, 3, 221-242. Kromrey, Helmut (2007). Empirische Sozialforschung. Modelle und Methoden der standar‐ disierten Datenerhebung und Datenauswertung. Stuttgart: UTB. Krumm, Hans-Jürgen (2003). Sprachenpolitik und Mehrsprachigkeit. In Britta Hufeisen & Gerhard Neuner (Hrsg.), Mehrsprachigkeitskonzept - Tertiärsprachen - Deutsch nach Englisch (S. 35-50). Strasbourg: Council of Europe Publishing. Krumm, Hans-Jürgen (2005). Von der additiven zur curricularen Mehrsprachigkeit: Über die Notwendigkeit der Einbeziehung von Minderheiten-, Migranten- und Nachbars‐ prachen. In Britta Hufeisen & Madeline Lutjeharms (Hrsg.), Gesamtsprachencurri‐ culum - Integrierte Sprachendidaktik - Common Curriculum. Theoretische Überle‐ gungen und Beispiele der Umsetzung (S. 27-36). Tübingen: Narr. Kuckartz, Udo (2010). Einführung in die computergestützte Analyse qualitativer Daten. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften. Kuckartz, Udo & Grunenberg, Heiko (2010). Qualitative Daten computergestützt aus‐ werten: Methoden, Techniken, Software. In Barbara Friebertshäuser, Antje Langer & Annedore Prengel (Hrsg.), Handbuch qualitative Forschungsmethoden in der Erzie‐ hungswissenschaft (S. 501-514). Weinheim: Juventa-Verlag. Kuhs, Katharina (2010). Submersion. In Hans Barkowski & Hans-Jürgen Krumm (Hrsg.), Fachlexikon Deutsch als Fremd- und Zweitsprache (S. 324). Tübingen/ Basel: Francke Verlag. Kurtenbach, Stephanie, Bose, Ines & Thieme, Tabitha (2013). Gemeinsam ein Bilderbuch anschauen - Untersuchung zum Gesprächsverhalten von Erzieherinnen. In Stephanie Kurtenbach & Ines Bose (Hrsg.), Gespräche zwischen Erzieherinnen und Kindern. Be‐ obachtung, Analyse, Förderung (S. 23-50). Frankfurt am Main: Peter Lang. Küspert, Petra (1998). Phonologische Bewußtheit und Schriftspracherwerb. Zu den Effekten vorschulischer Förderung der phonologischen Bewußtheit auf den Erwerb des Lesens und Rechtschreibens. Frankfurt am Main: Peter Lang. Lambert, Wallace, Hodgson, Richard, Gardner, Robert & Fillenbaum, Samuel (1960). Eva‐ luational reactions to spoken languages. Journal of abnormal and social psychology, 60 (1), 44-51. Lambert, Wallace & Tucker, G. Richard (1972). The bilingual education of children. The St. Lambert experiment. Rowley, MA: Newbury House. Literaturverzeichnis 406 Lamnek, Siegfried (2010). Qualitative Sozialforschung. Ein Lehrbuch. Weinheim/ Basel: Beltz. Langer, Antje (2010). Transkribieren - Grundlagen und Regeln. In Barbara Frieberts‐ häuser, Antje Langer & Annedore Prengel (Hrsg.), Handbuch qualitative Forschungs‐ methoden in der Erziehungswissenschaft (S. 515-526). Weinheim: Juventa-Verlag. Lantolf, James (1994). Sociocultural theory and second language learning. Introduction to the special issue. The modern language journal, 78 (4), 418-420. Lantolf, James (2000). Sociocultural theory and second language learning. Oxford: Oxford University Press. Lantolf, James (2002). Sociocultural theory and second language acquisition. In Robert Kaplan (Hrsg.), The oxford handbook of applied linguistics (S. 104-114). New York: Ox‐ ford University Press. Lantolf, James (2006). Sociocultural theory and L2: State of the art. Studies in second lan‐ guage acquisition, 28 (1), 67-109. Lantolf, James (2009). Introducing sociocultural theory. In James Lantolf (Hrsg.), Socio‐ cultural theory and second language learning (S. 1-26). Oxford: Oxford University Press. Lantolf, James (2011). The sociocultural approach to second language acquisition: Soci‐ ocultural theory, second language acquisition, and artificial L2 development. In Dwight Atkinson (Hrsg.), Alternative approaches to second language acquisition (S. 24-47). London, New York: Routledge. Lantolf, James & Appel, Gabriela (1998). Vygotskian approaches to second language re‐ search. Norwood, N. J.: Ablex. Lantolf, James & Poehner, Matthew (2011). Dynamic assessment in the classroom: Vy‐ gotskian praxis for second language development. Language teaching research, 15 (1), 11-33. Lantolf, James & Thorne, Steven (2007). Sociocultural theory and second language lear‐ ning. In Bill VanPatten & Jessica Williams (Hrsg.), Theories in second language acqui‐ sition. An Introduction (S. 201-224). Mahwah, N. J.: Lawrence Erlbaum. Lauerbach, Gerda (1997). Fünf Mikro-Analysen unterrichtlicher Interaktion. Bericht aus dem Goethe-Institut Projekt ‛Sprachbrücke’. In Michael Legutke (Hrsg.), Sprachen‐ lernen - Primarschule - Unterrichtsanalyse (S. 133-176). München: Goethe-Institut München. Le Pape Racine, Christine (2003). Mehrsprachigkeit und Immersion. Versuch einer Sys‐ tematisierung lerntheoretischer und didaktischer Grundlagen sowie äußerer Rah‐ menbedingungen, auch aus schweizerischer Sicht. In Britta Hufeisen & Neuner, Ger‐ hard (Hrsg.), Mehrsprachigkeitskonzept - Tertiärsprachen - Deutsch nach Englisch (S. 105-132). Strasbourg: Council of Europe Publishing. Literaturverzeichnis 407 Legewie, Heiner (1994). Globalauswertung von Dokumenten. In Andreas Boehm, And‐ reas Mengel & Thomas Muhr (Hrsg.), Texte verstehen. Konzepte, Methoden, Werkzeuge (S. 177-182). Konstanz: UVK. Legutke, Michael, Müller-Hartmann, Andreas & Schocker-von Ditfurth, Marita (2009). Teaching english in the primary school. Stuttgart: Klett. Lengyel, Drorit (2009). Zweitspracherwerb in der Kita. Eine integrative Sicht auf die sprach‐ liche und kognitive Entwicklung mehrsprachiger Kinder. Münster: Waxmann. Lenneberg, Eric (1967). Biological foundations of language. New York: Wiley. Leu, Hans-Rudolf & Remsperger, Regina (2004). Bildungsarbeit in der Praxis: Beobach‐ tungsverfahren als Ergänzung zu curricularen Vorgaben. In Ilse Wehrmann (Hrsg.), Kindergärten und ihre Zukunft (S. 167-180). Weinheim: Beltz. List, Gudula (2007). Förderung von Mehrsprachigkeit in der Kita. München: Deutsches Jugendinstitut. Long, Michael (1996). The role of the linguistic environment in second language acqui‐ sition. In: William Ritchie & Tej Bhatia (Hrsg.), Handbook of second language acquisi‐ tion (S. 413-468). San Diego, New York, Boston: Academic Press. Long, Michael (2007). Problems in SLA. Mahwah, N. J.: Lawrence Erlbaum. Lüders, Christian (1995). Von der teilnehmenden Beobachtung zur ethnographischen Beschreibung. In Eckhard König & Peter Zedler (Hrsg.), Bilanz qualitativer Forschung. Band 2: Methoden (S. 311-342). Weinheim: Deutscher Studien Verlag. Lüders, Christian (2003). Teilnehmende Beobachtung. In Ralf Bohnsack, Winfried Ma‐ rotzki & Michael Meuser (Hrsg.), Hauptbegriffe qualitativer Sozialforschung (S. 151- 153). Opladen: Leske und Budrich. Lüders, Christian (2013a). Beobachten im Feld und Ethnographie. In Uwe Flick, Ernst von Kardoff & Ines Steinke (Hrsg.), Qualitative Forschung. Ein Handbuch (S. 384-401). Reinbek bei Hamburg: Rowohlt-Taschenbuch-Verlag. Lüders, Christian (2013b). Herausforderungen qualitativer Forschung. In Uwe Flick, Ernst von Kardoff & Ines Steinke (Hrsg.), Qualitative Forschung. Ein Handbuch (S. 632-642). Reinbek bei Hamburg: Rowohlt-Taschenbuch-Verlag. Lueger, Manfred (2000). Grundlagen qualitativer Feldforschung. Stuttgart: UTB. Luff, Paul & Heath, Christian (2012). Some ‛technical challenges’ of video analyses: social actions, objects, material realities and the problems of perspective. Qualitative re‐ search, 12 (3), 255-279. Lyster, Roy (1998). Negotiation of form, recasts, and explicit correction in relation to error types and learner repair in immersion classrooms. Language learning, 48 (2), 183- 218. Lyster, Roy (2002). Negotiation in immersion teacher-student interaction. International journal of educational research, 37 (3), 237-253. Literaturverzeichnis 408 Lyster, Roy (2007). Learning and teaching languages through content: A counterbalanced approach. Amsterdam: Benjamins. Lyster, Roy & Ranta, Leila (1997). Corrective feedback and learner uptake. Negotiation of form in communicative classrooms. Studies in second language acquisition, 19 (1), 37-66. MacIntyre, Peter, Clément, Richard & Noels, Kimberly (2007). Affective variables, attitude and personality in context. In Dalila Ayoun (Hrsg), Handbook of french applied lingu‐ istics (S. 270-298). Philadelphia, PA: John Benjamins. Mackey, William (1970). The description of bilingualism. In Joshua Fishman (Hrsg.), Readings in the sociology of language (S. 554-584). Den Haag: Mouton. Mackey, Alison (2006). Epilogue. From introspections, brain-scans, and memory tests to the role of social context: advancing research on interaction and learning. Studies in second language acquisition, 28 (2), 369-379. Mackey, Alison & Gass, Susan (2005). Second language research. Methodology and de‐ sign. Mahwah, New Jersey: Lawrence Erlbaum. Mackey, Alison & Philp, Jenefer (1998). Conversational interaction and second language development: Recast, responses, and red herring? . The modern language journal, 82 (3), 338-356. Macnamara, John (1969). How can one measure the extent of a person’s bilingual profi‐ ciency? . In Louis Kelly (Hrsg.), Description and measurement of bilingualism: An in‐ ternational seminar (S. 79-97). Toronto: University of Toronto Press. MacWhinney, Brian (1991). The CHILDES project: Computational tools for analyzing talk. Hillsdale, NJ: Lawrence Erlbaum. Maier, Wolfgang (1974). Französisch im Elementarbereich. Didaktischer Handlungsentwurf, erstellt im Auftrag des Bayerischen Staatsministeriums für Unterricht und Kultur. Bad Honnef: Deutsch-französisches Jugendwerk. Mangold International GmbH (o. A.). Interact. Die professionelle Software zur Auswertung von Beobachtungsdaten. Online verfügbar unter: https: / / www.mangold-international.com / de / software / interact (20. 07. 16). McLaughlin, Barry (1984). Second language acquisition in childhood. Hillsdale: Lawrence Erlbaum. McLaughlin, Barry, Blanchard, Antoinette & Osanai, Yuka (1995). Assessing language de‐ velopment in bilingual preschool children. NCBE program information guide series no. 22.Online verfügbar unter: http: / / files.eric.ed.gov / fulltext / ED388088.pdf (20. 07. 16). Meisel, Jürgen M. (2007). Mehrsprachigkeit in der frühen Kindheit: Zur Rolle des Alters bei Erwerbsbeginn. In Tanja Anstatt (Hrsg.), Mehrsprachigkeit bei Kindern und Er‐ wachsenen. Erwerb - Formen - Förderung (S. 93-113). Tübingen: Narr. Mempel, Caterina & Mehhorn, Grit (2014). Datenaufbereitung: Transkription und An‐ notation. In Julia Settinieri, Sevilen Demirkaya, Alexis Feldmeier, Nazan Gültekin-Ka‐ Literaturverzeichnis 409 rakoç & Claudia Riemer (Hrsg.): Empirische Forschungsmethoden für Deutsch als Fremd- und Zweitsprache. Eine Einführung (S. 147-166). Paderborn: UTB. Merkens, Hans (2013). Auswahlverfahren, Sampling, Fallkonstruktion. In Uwe Flick, Ernst von Kardoff & Ines Steinke (Hrsg.), Qualitative Forschung. Ein Handbuch (S. 286-299). Reinbek bei Hamburg: Rowohlt-Taschenbuch-Verlag. Méron-Minuth, Sylvie (2009). Kommunikationsstrategien von Grundschülern im Franzö‐ sischunterricht. Eine Untersuchung zu den ersten vier Lernjahren. Tübingen: Narr. Miethe, Ingrid (2010). Forschungsethik. In Barbara Friebertshäuser, Antje Langer & An‐ nedore Prengel (Hrsg.), Handbuch qualitative Forschungsmethoden in der Erziehungs‐ wissenschaft (S. 927-937). Weinheim: Juventa-Verlag. Miles, Matthew & Huberman, A. Michael (1994). Qualitative data analysis. An expanded sourcebook. Thousand Oaks: SAGE. Mitchell, Rosamond & Myles, Florence (2004), Second language learning theory. New York: Oxford University Press. Moldaschl, Manfred (2010). Reflexiver Theoriegebrauch - die Brillenmethodik. Zur Me‐ thodologie wissenschaftlichen Denkens. Papers and reprints of the department of in‐ novation research and sustainable resource management, 12, 1-14. Möller, Christine (2013). Zur Geschichte und Zukunft des bilingualen Unterrichts“. In Anja Steinlen & Andreas Rohde (Hrsg.), Mehrsprachigkeit in bilingualen Kindertages‐ stätten und Schulen. Voraussetzungen - Methoden - Erfolge (S. 14-30). Berlin: Dohr‐ mann-Verlag. Mruck, Katja (2000). Qualitative Sozialforschung in Deutschland. Forum Qualitative So‐ zialforschung, 1 (1): Art. 4. Online verfügbar unter: http: / / www.qualitative-research.net / index.php / fqs / article / view/ 1114/ 2465 (20. 07. 16). Muhr, Thomas (1994). Atlas.ti computer aided text interpretation and theory building. User’s manual. Berlin: Scientific Software Development. Müller, Stefanie (2003). Fremdsprachen im Kindergarten - Eine Bestandsaufnahme. In Norbert Huppertz (Hrsg.), Fremdsprachen im Kindergarten. Didaktik - Methodik - Praxis (S. 61-90). Oberried: PAIS-Verlag. Müller, Stefanie (2006). Theoretische und praktische Implementierung der bilingualen Bil‐ dung im Kindergarten - Konzeption einer lebensbezogenen bilingualen Didaktik. Online verfügbar unter: http: / / www.plattform-educare.org / Dissertationen / VeroeffentlichungFreiDok_Diss.pdf (20. 07. 16). Naiman, Neil, Fröhlich, Maria, Stern, Hans H. & Todesco, Angie (1978). The good language learner: A report. Toronto: Ontario Institut for Studies in Education. Natorp, Elke (1975). Französisch im Vorschulalter. Die Neuere Sprachen, 24, 495-512. Natorp, Elke (1978). Französisch als erste Fremdsprache im Elementarbereich. Untersu‐ chungen zu Sprachtransfer und Fremdsprachenlernerfolg. Donauwörth: Auer. Literaturverzeichnis 410 Nauwerck, Patricia (2005). Zweisprachigkeit im Kindergarten. Konzepte und Bedingungen für das Gelingen. Freiburg: Fillibach. Nauwerck, Patricia (2008). Vorschulische Sprachbegegnung. In Bernt Ahrenholz & In‐ gelore Oomen-Welke (Hrsg.), Deutsch als Zweitsprache (S. 467-478). Baltmannsweiler: Schneider Verlag Hohengehren. Newport, Elissa, Gleitman, Henry & Gleitman, Lila (1977). Mother, I’d rather do it myself: some effects and non-effects of maternal style. In Catherine Snow & Charles Ferguson (Hrsg.), Talking to children: Language input and acquisition (S. 109-149). Cambridge: Cambridge University Press. Nickel, Sven (2005). Literacy beginnt in der Familie. Family Literacy: eine Aufgabe für die Schule? . In Bernhard Hofmann & Ada Sasse (Hrsg.), Übergänge. Kinder und Schrift zwischen Kindergarten und Schule (S. 179-188). Berlin: dgls. Nickel, Sven (2007). Beobachtung kindlicher Literacy-Erfahrungen im Übergang von Kindergarten und Schule. In Ulrike Graf & Elisabeth Moser Opitz (Hrsg.), Diagnose und Förderung im Elementarbereich und Grundschulunterricht (S. 87-104). Baltmanns‐ weiler: Schneider Verlag Hohengehren. Nicoladis, Elena & Genesee, Fred (1997). Language development in preschool bilingual children. Journal of speech language pathology, 21 (4), 258-270. Nitsch Cordula (2007). Mehrsprachigkeit: Eine neurowissenschaftliche Perspektive. In Tanja Anstatt (Hrsg.), Mehrsprachigkeit bei Kindern und Erwachsenen. Erwerb - Formen - Förderung (S. 47-68). Tübingen: Narr. Nolda, Sigrid (2007). Videobasierte Kursforschung. Mögliche Erträge von interpretativen Videoanalysen für die Erforschung des organisierten Lernens Erwachsener. Zeitschrift für Erziehungswissenschaft, 10 (4), 478-492. OECD (2006). Ein guter Start ins Leben II: Frühkindliche Betreuung, Bildung und Erzie‐ hung. Zusammenfassung in Deutsch. Online verfügbar unter: http: / / www.oecd.org / edu / school/ 37519496.pdf (20. 07. 16). Oerter, Rolf (1997). Psychologie des Spiels. Weinheim / Basel: Beltz. Ohm, Udo (2007). Informationsverarbeitung vs. Partizipation: Zweitspracherwerb aus kognitiv-interaktionistischer und soziokultureller Perspektive. In: Ruth Eßer & Hans-Jürgen Krumm (Hrsg.), Bausteine für Babylon. Festschrift zum 60. Geburtstag von Hans Barkowski (S. 24-33). München: Iudicum. Ohta, Amy (2001). Second language acquisition processes in the classroom. Learning japa‐ nese. Mahwah, N. J.: Erlbaum. Ortega, Lourdes (2007). Second language learning explained? SLA across nine contem‐ porary theories. In Bill VanPatten & Jessica Williams (Hrsg.), Theories in second lang‐ uage acquisition. An introduction (S. 225-250). Mahwah, N. J.: Lawrence Erlbaum. Oswald, Hans (2010). Was heißt qualitativ forschen? Warnungen, Fehlerquellen, Mög‐ lichkeiten. In Barbara Friebertshäuser, Antje Langer & Annedore Prengel (Hrsg.), Literaturverzeichnis 411 Handbuch Qualitative Forschungsmethoden in der Erziehungswissenschaft (S. 183-201). Weinheim/ München: Juventa. Papoušek, Mechthild (1994). Vom ersten Schrei zum ersten Wort. Anfänge der Sprachent‐ wicklung in der vorsprachlichen Kommunikation. Bern: Huber. Pauli, Christine (2006a). Aufbereitung der Videodaten. In Isabelle Hugener, Christine Pauli & Kurt Reusser (Hrsg.), Dokumentation der Erhebungs- und Auswertungsinstru‐ mente zur schweizerisch-deutschen Videostudie „Unterrichtsqualität, Lernverhalten und mathematisches Verständnis“. 3. Videoanalysen (S. 38-45). Frankfurt am Main. GFPF. Pauli, Christine (2006a). Klassengespräch. In Isabelle Hugener, Christine Pauli & Kurt Reusser (Hrsg.), Dokumentation der Erhebungs- und Auswertungsinstrumente zur schweizerisch-deutschen Videostudie „Unterrichtsqualität, Lernverhalten und mathema‐ tisches Verständnis“. 3. Videoanalysen (S. 124-147). Frankfurt am Main: GFPF. Pauli, Christine & Reusser, Kurt (2006). Von international vergleichenden Video Surveys zur videobasierten Unterrichtsforschung und -entwicklung. Zeitschrift für Päda‐ gogik, 52 (6), 774-798. Pei, Miao (2012). Teacher’s discoursal strategies in providing positive feedback to student responses: a study o f four english immersion teachers in people’s republic of china. International education, 41 (2), 110-126. Penfields, Wilder & Roberts, Lamar (1959): Speech and brain mechanism. Princeton, NY: Princeton University Press. Peregoy, Suzanne (1991). Environmental scaffolds and learner responses in a two-way spanish immersion kindergarten. The canadian modern language review, 47 (3), 463- 476. Peregoy, Suzanne & Boyle, Owen (1999). Multiple embedded scaffolds: Support for eng‐ lish speakers in a two-way spanish immersion kindergarten. Bilingual research journal, 23 (2 / 3), 135-146. Peshkin, Alan (1984). Odd man out: The participant observer in an absolutist setting. Sociology of education, 57 (4), 254-264. Petit, Jean (2001). Warum Französisch als erste Fremdsprache in der Grundschule? . Online verfügbar unter: https: / / www.ph-karlsruhe.de/ fileadmin/ user_upload/ dozenten/ schlemminger/ linguistique/ Petit-FLE-ecole-prim-b.pdf (20. 07. 16). Petko, Dominik (2006). Kameraskript. In Isabelle Hugener, Christine Pauli & Kurt Reusser (Hrsg.), Dokumentation der Erhebungs- und Auswertungsinstrumente zur schweize‐ risch-deutschen Videostudie „Unterrichtsqualität, Lernverhalten und mathematisches Verständnis“. 3. Videoanalysen (S. 15-38). Frankfurt am Main: GFPF. Petko, Dominik, Waldis, Monika, Pauli, Christine & Reusser, Kurt (2003): Methodologi‐ sche Überlegungen zur videogestützten Forschung in der Mathematikdidaktik. An‐ sätze der TIMSS 1999 Video Studie und ihrer schweizerischen Erweiterung. Zentral‐ blatt für Didaktik der Mathematik, 35 (6), 265-280. Literaturverzeichnis 412 Pica, Teresa (1994). Research on negotiation: what does it reveal about second-language learning conditions, processes and outcomes? . Language learning, 44 (3), 493-527. Pilypaityte, Lina (2009). Forderungen der europäischen Sprachenpolitik an den Fremd‐ sprachenunterricht. Language in different contexts. Research papers, 3 (1), 242-250. Piske, Thorsten (2013). Immersion für Kinder mit Lernschwierigkeiten und für Kinder nicht-deutscher Muttersprache: Chance oder Risiko. In Anja Steinlen & Andreas Rohde (Hrsg.), Mehrsprachigkeit in bilingualen Kindertagesstätten und Grundschulen. Voraussetzngen - Methoden - Erfolge (S. 45-59). Berlin: Dohrmann Verlag. Rauschenbach, Thomas (2004). Bildung für alle Kinder - Zur Neubestimmung des Bil‐ dungsauftrags in Kindertageseinrichtungen. In Ilse Wehrmann (Hrsg.), Kindergärten und ihre Zukunft (S. 111-122). Weinheim/ Basel/ Berlin: Beltz. Rehbein, Jochen & Grießhaber, Wilhelm (1996). L2-Erwerb versus L1-Erwerb: Methodo‐ logische Aspekte ihrer Erforschung. In Konrad Ehlich (Hrsg.), Kindliche Sprachent‐ wicklung (S. 67-119). Opladen: Westdeutscher Verlag. Reich, Hans, Roth, Hans-Joachim, Dirim, Inci, Jørgensen, Jens, List, Gudula, Neumann, Ursula, Siebert-Ott, Gesa, Steinmüller, Ulrich, Teunissen, Frans, Vallen, Ton & Wurnig, Vera (2002) (Hrsg.): Spracherwerb zweisprachig aufwachsender Kinder und Jugendlicher. Ein Überblick über den Stand der nationalen und internationalen Forschung. Hamburg: Behörde für Schule, Jugend und Berufsbildung. Reinders, Heinz (2005). Qualitative Interviews mit Jugendlichen führen. Ein Leitfaden. München: Oldenbourg. Remsperger, Regina (2011). Sensitive Responsivität - Zur Qualität pädagogischen Handelns im Kindergarten. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften. Reusser, Kurt (2005). Situiertes Lernen mit Unterrichtsvideos. Unterrichtsvideografie als Medium des situierten beruflichen Lernens. Journal für Lehrerinnen- und Lehrerbil‐ dung, 5 (2), 8-18. Reyer, Jürgen & Franke-Meyer, Diana (2008). Muss der Bildungsauftrag des Kindergar‐ tens ‚eigenständig‘ sein? . Zeitschrift für Pädagogik, 54 (6), 888-905. Ricart Brede, Julia (2011). Videobasierte Qualitätsanalyse vorschulischer Sprachförderein‐ heiten. Freiburg im Breisgau: Fillibach. Ricart Brede, Julia (2014). Beobachtung. In Julia Settinieri, Sevilen Demirkaya, Alexis Feldmeier, Nazan Gültekin-Karakoç & Claudia Riemer (Hrsg.), Empirische Forschungs‐ methoden für Deutsch als Fremd- und Zweitsprache. Eine Einführung (S. 137-146). Pa‐ derborn: UTB. Ricart, Brede, Julia, Knapp, Werner, Gasteiger-Klicpera, Barbara & Kucharz, Diemut (2010). Die Entwicklung von Beobachtungssystemen in der videobasierten Forschung am Beispiel von Qualitätsanalysen vorschulischer Sprachfördereinheiten. In Karin Aguado, Karen Schramm, Helmut J. Vollmer (Hrsg.), Fremdsprachliches Handeln be‐ obachten, messen und evaluieren (S. 257-275). Frankfurt am Main: Peter Lang. Literaturverzeichnis 413 Rice, Mabel, Huston, Aletha, Truglio, Rosemarie & Wright, John (1990). Words from 'Se‐ same Street': Learning vocabulary while viewing. Developmental psychology, 26 (3), 421-428. Rice, Mabel & Watkins, Ruth (1996). 'Show me X' New views of an old assessment tech‐ nique. In Kevin Cole, Phillip Dale & Donna Thal (Hrsg.), Communication and language intervention: Vol. 6. Assessment of communication and language (S. 183-206). Baltimore: Paul. H. Brookes. Rice, Mabel & Woodsmall, Linda (1988). Lessons from television: Children’s word lear‐ ning when viewing. Child development, 59 (2), 420-429. Riehl, Claudia (2007). Das mehrsprachige Gehirn. Online verfügbar unter: http: / / ganztag-blk.de/ ganztags-box/ cms/ upload/ sprachfrderung/ BS_3/ Artikel_Das_mehrsprachige_Gehirn.pdf (20. 07. 16). Riemer, Claudia (1997). Individuelle Unterschiede im Fremdsprachenerwerb: Eine Longitu‐ dinalstudie über die Wechselwirksamkeit ausgewählter Einflussfaktoren. Baltmanns‐ weiler: Schneider Verlag Hohengehren. Riemer, Claudia (2006). Entwicklungen in der qualitativen Fremdsprachenforschung: Quantifizierung als Chance oder Problem? . In Johannes-Peter Timm (Hrsg.), Fremd‐ sprachenlernen und Fremdsprachenforschung: Kompetenzen, Standards, Lernformen, Evaluation (S. 451-464). Tübingen: Narr. Riemer, Claudia (2010). Empirische Unterrichtsforschung und Action Research. In Wolf‐ gang Hallet & Frank Königs (Hrsg.), Handbuch Fremdsprachendidaktik (S. 359-363). Seelze: Kallmeyer. Riemer, Claudia (2014). Forschungsmethodologie Deutsch als Fremd- und Zweitsprache. In Julia Settinieri, Sevilen Demirkaya, Alexis Feldmeier Nazan Gültekin-Karakoç & Claudia Riemer (Hrsg.), Empirische Forschungsmethoden für Deutsch als Fremd- und Zweitsprache. Eine Einführung (S. 15-31). Paderborn: UTB. Riemer, Claudia & Schlak, Torsten (2004). Der Faktor Motivation in der Fremdsprachen‐ forschung. Einleitung in das Themenheft. Zeitschrift für Interkulturellen Fremdspra‐ chenunterricht, 9 (2), 1-3. Rimmele, Rolf (2002). Videograph. Kiel: IPN Institut für die Pädagogik der Naturwissen‐ schaften an der Universität Kiel. Ritterfeld, Ute (2000). Welchen und wie viel Input braucht das Kind? . In Hannelore Grimm (Hrsg.), Enzyklopädie der Psychologie C III, Band 3: Sprachentwicklung (S. 403-432). Göttingen: Hogrefe. Ritterfeld, Ute & Siegert, Susanne (2000). Die Bedeutung naiver Sprachlehrstrategien in Erwachsenen-Kind-Dyaden. Logos Interdisziplinär, 8 (1), 37-43. Rixius, Julia & Neuhaus, Birgit (2010). Die Qualität des Unterrichtsgesprächs im Biolo‐ gieunterricht - eine Videostudie. Erkenntnisweg Biologiedidaktik, 9, 179-193. Roche, Jörg (2008). Fremdsprachenerwerb - Fremdsprachendidaktik. Tübingen: Narr. Literaturverzeichnis 414 Rodríguez, James, Díaz, Rafael, Duran, David & Espinosa, Linda (1995). The impact of preschool education on the language development of spanish-speaking children. Early childhood research quarterly, 10 (4), 475-490. Rohde, Andreas (2005). Lexikalische Prinzipien des Erst- und Zweitspracherwerbs. Trier: WVT. Rohde, Andreas (2010). Receptive L2 lexical knowledge in bilingual preschool children. In Kristin Kersten, Thorsten Piske, Andreas Rohde & Anja Steinlen (Hrsg.), Bilingual preschools. Vol. I: Learning and development (S. 45-68). Trier: WVT. Rohde, Andreas (2013). Die Bedeutung der Erstsprache für den Erwerb weiterer Sprachen. In Anja Steinlen & Andreas Rohde (Hrsg.), Mehrsprachigkeit in bilingualen Kinderta‐ gesstätten und Schulen. Voraussetzungen - Methoden - Erfolge (S. 31-44). Berlin: Dohr‐ mann Verlag. Rohde, Andreas & Steinlen, Anja (2013). Vorwort. In Anja Steinlen & Andreas Rohde (Hrsg.), Mehrsprachigkeit in bilingualen Kindertagesstätten und Schulen. Vorausset‐ zungen - Methoden - Erfolge (S. 7-11). Berlin: Dohrmann Verlag. Rohde, Andreas & Tiefenthal, Christine (2000). Aspects of lexical acquisition. Fast map‐ ping in early L2 lexical acquisition. Studia linguistica, 54 (2), 167-174. Rohde, Andreas & Tiefenthal, Chrstine (2002). On L2 lexical abilities. In Petra Burmeister, Thorsten Piske & Andreas Rohde (Hrsg.). An integrated view of language development. Papers in honor of Henning Wode (S. 494-471). Trier: WVT. Rohrmann, Tim (1996). Beobachtungsverfahren und Befragungsmöglichkeiten von Kindern im Kleinkindalter. Eine Expertise im Rahmen des Projekts „Konfliktverhalten von Kindern in Kindertagesstätten“ des Deutschen Jugendinstituts e. V. München. München: Deut‐ sches Jugendinstitut. Ronjat, Jules (1913). Le développement du langage observé chez un enfant bilingue. Paris: Champion. Rösler, Dietmar (1994). Deutsch als Fremdsprache. Stuttgart/ Weimar: Metzler. Roth, Ellen (1999). Prävention von Lese-Rechtschreibschwierigkeiten: Evaluation einer vor‐ schulischen Förderung der phonologischen Bewußtheit und der Buchstabenkenntnis. Frankfurt am Main: Peter Lang. Roth, Hans-Joachim (2007). Scaffolding - ein Ansatz zur aufbauenden Sprachförderung. Online verfügbar unter: http: / / ganztag-blk.de/ ganztags-box/ cms/ upload/ sprachfrderung/ BS_3/ Artikel_Scaffolding__ein_Ansatz_soll_in_Materialien.pdf (20. 07. 16). Rothweiler, Monika (2007). Bilingualer Spracherwerb und Zweitspracherwerb. In: Markus Steinbach, Ruth Albert, Heiko Girnth, Annette Hohenberger, Bettina Küm‐ merling-Meibauer, Jörg Meibauer, Monika Rothweiler & Monika Schwarz-Friese (Hrsg.), Schnittstellen der germanistischen Linguistik (S. 103-135). Stuttgart/ Weimar: Metzler. Literaturverzeichnis 415 Rounds, Patricia (1996). The classroom-based researcher as fieldworker: strangers in a strange land. In Jacquelyn Schachter & Susan Gass (Hrsg.), Second language classroom research: Issues and opportunities (S. 45-60). Mahwah, N. J.: Lawrence Erlbaum. Rymarczyk, Jutta (2003). Kunst auf Englisch. Ein Plädoyer für die Erweiterung des bilin‐ gualen Sachfachkanons. München: Langenscheidt-Longman. Rymarczyk, Jutta (2010). Sich ein Bild machen und darüber reden - Das Fach Kunst im bilingualen Unterricht. In Sabine Doff (Hrsg.), Bilingualer Sachfachunterricht in der Sekundarstufe (S. 89-103). Tübingen: Narr. Sarter, Heidemarie (2001). Frühes Sprachenlernen in Kindergarten und Grundschule: Je früher, desto anders! Erfahrungen aus dem Ausland, aktuelle Situation in Deutschland und Konsequenzen für die Aus- und Weiterbildung der Lehrenden. In Forum Bildung (Hrsg.), Fremdsprachenerwerb - Wie früh und wie anders? Workshop des Forum Bildung am 14. September in Berlin (S. 10-23). Online verfügbar unter: http: / / www.blk-bonn.de / papers / forum-bildung / band13.pdf (20. 07. 16). Saussure, Ferdinand de (1967). Grundfragen der allgemeinen Sprachwissenschaft (Cours de linguistique générale). Berlin: De Gruyter. Schäfer, Gerd (Hrsg.) (2005). Bildung beginnt mit der Geburt. Ein offener Bildungsplan für Kindertageseinrichtungen in Nordrhein-Westfalen. Weinheim / Basel: Beltz. Schmelter, Lars (2014). Gütekriterien. In Julia Settinieri, Sevilen Demirkaya, Alexis Feld‐ meier, Nazan Gültekin-Karakoç & Claudia Riemer (Hrsg.), Empirische Forschungsme‐ thoden für Deutsch als Fremd- und Zweitsprache. Eine Einführung (S. 33-45). Paderborn: UTB. Schmid-Schönbein, Gisela (1978). Möglichkeiten und Grenzen des gesteuerten Fremdspra‐ chenerwerbs im Vorschulalter. München: Minerva-Publikationen. Schmid-Schönbein, Gisela (2008). Didaktik und Methodik für den Englischunterricht: Kom‐ pakter Überblick. Ziele - Inhalte - Verfahren: Für die Klassen 1 bis 4. Berlin: Cornelsen Scriptor. Schmidt Richard & Frota, Sylvia (1986). Developing basic conversational ability in a se‐ cond language: A case study of an adult learner of portuguese. In Richard Day (Hrsg), Talking to learn. Conversation in second language acquisition (S. 237-326). Rowley, Mass.: Newbury House. Schmidt, Richard (1990). The role of consciousness in second language learning. Applied linguistics, 11 (2), 129-158. Schmidt, Richard (1992). Awareness and second language acquisition. Annual review of applied linguistics, 13, 206-226. Schmidt, Richard (1994). Deconstructing consciousness in search of useful definitions for applied linguistics. In Jan Hulstijn & Richard Schmidt (Hrsg.), Consciousness in second language learning (S. 11-26). Amsterdam / Hiafa / Dublin: AILA. Literaturverzeichnis 416 Schneider, Kornelia (2003). Beobachtung von Konflikten unter Kindern - Entdeckungs‐ reisen mit der Videokamera. KiTa spezial,1, 28-31. Scholz, Gerold (2005). Teilnehmende Beobachtung: eine Methodologie oder eine Me‐ thode? . In Günter Mey (Hrsg.), Handbuch qualitative Entwicklungspsychologie (S. 381- 411). Köln: Studienverlag. Schoormann, Matthias & Schlak, Torsten (2011), Zur Komplexität mündlicher Fehler‐ korrekturen. Beiträge zur Fremdsprachenvermittlung, 51, 77-105. Schoormann, Matthias & Schlak, Torsten (2012). Sollte korrektives Feedback maßge‐ schneidert werden? Zur Berücksichtigung kontextueller und individueller Faktoren bei der mündlichen Fehlerkorrektur im Zweit-/ Fremdsprachenunterricht. Zeitschrift für Interkulturellen Fremdsprachenunterricht, 17 (2), 172-190. Schramm, Karen (2014). Besondere Forschungsansätze: Videobasierte Unterrichtsfor‐ schung. In Julia Settinieri, Sevilen Demirkaya, Alexis Feldmeier, Nazan Gültekin-Ka‐ rakoç & Claudia Riemer (Hrsg.), Empirische Forschungsmethoden für Deutsch als Fremd- und Zweitsprache. Eine Einführung (S. 243-254). Paderborn: UTB. Schramm, Karen & Aguado, Karin (2010). Videographie in den Fachdidaktiken - Ein Überblick. In Karin Aguado, Karen Schramm & Helmut J. Vollmer (Hrsg.), Fremd‐ sprachliches Handeln beobachten, messen und evaluieren (S. 185-214). Frankfurt am Main: Peter Lang. Schreier, Margrit (2007). Qualitative Stichprobenkonzepte. In Gabriele Naderer & Eva Balzer (Hrsg.), Qualitative Marktforschung in Theorie und Praxis (S. 231-247).Wies‐ baden: Gabler. Schwartz, Morris S. & Schwartz, Charlotte G. (1955). Problems in participant observation. American journal of sociology, 60 (4), 343-353. Seidel, Tina, Kobarg, Mareike & Rimmele, Rolf (2003). Aufbereitung der Videodaten. In Tina Seidel, Manfred Prenzel, Reinders Duit & Manfred Lehrke (Hrsg.), Technischer Bericht zur Videostudie „Lehr-Lern-Prozesse im Physikunterricht“ (S. 47-67). Kiel: IPN. Selting, Margret, Auer, Peter, Barden, Birgit, Bergmann, Jörg, Couper-Kuhlen, Elizabeth, Günthner, Susanne, Meier, Christoph, Quasthoff, Uta, Schlobinski, Peter & Uhlmann, Susanne (1998). Gesprächsanalytisches Transkriptionssystem (GAT). Linguistische Berichte, 173, 91-122. Selting, Margret, Auer, Peter, Barth-Weingarten, Dagmar, Bergmann, Jörg, Bergmann, Pia, Birkner, Karin, Couper-Kuhlen, Elizabeth, Deppermann, Arnulf, Gilles, Peter, Günthner, Susanne, Hartung, Martin, Kern, Friederike, Mertzlufft, Christine, Meyer, Christian, Morek, Miriam, Oberzaucher, Frank, Peters, Jörg, Quasthoff, Uta, Schütte, Wilfried, Stukenbrock, Anja & Uhmann, Susanne (2009). Gesprächsanalytisches Transkriptionssystem 2 (GAT 2). Gesprächsforschung - Online-Zeitschrift zur verbalen Interaktion, 10, 353-402. Online verfügbar unter: http: / / www.gespraechsforschung-ozs.de / heft2009 / px-gat2.pdf (20. 07. 16). Literaturverzeichnis 417 Senyildiz, Anastasia (2010a). Wenn Kinder mit Eltern gemeinsam Deutsch lernen. Sozio‐ kulturell orientierte Fallstudien zur Entwicklung erst- und zweitsprachlicher Kompe‐ tenzen bei russischsprachigen Vorschulkindern. Tübingen: Stauffenburg. Senyildiz, Anastasia (2010b). Kollektives Scaffolding im frühen Zweitspracherwerb. Stu‐ dien zur deutschen Sprache und Literatur, 23 (1), 71-81. Settinieri, Julia (2014). Planung einer empirischen Studie. In Julia Settinieri, Sevilen De‐ mirkaya, Alexis Feldmeier, Nazan Gültekin-Karakoç & Claudia Riemer (Hrsg.), Empi‐ rische Forschungsmethoden für Deutsch als Fremd- und Zweitsprache (S. 57-71). Eine Einführung. Paderborn: UTB. Sharwood Smith, Michael (1993). Input enhancement in instructed SLA. Theoretical bases. Studies in second language acquisition, 15 (2), 165-179. Sheen, Younghee (2006). Exploring the relationship between characteristics of recasts and learner uptake. Language teaching research, 10 (4), 361-392. Shenton, Andrew & Hayter, Susan (2004). Strategies for gaining access to organisations and informants in qualitative studies. Education for information, 22 (3 / 4), 223-231. Shtyrov Yury, Pihko, Elina & Pulvermüller, Friedemann (2005). Determinants of domi‐ nance. Is language laterality explained by physical or linguistic features of speech? . Neuroimage, 27 (1), 37-47. Siebert-Ott, Gesa (2010). Zweitsprache. In Hans Barkowski & Hans-Jürgen Krumm (Hrsg.), Fachlexikon Deutsch als Fremd- und Zweitsprache (S. 366). Tübingen/ Basel: Francke Verlag. Simard, Daphnée & Wong, Wynne (2001). Alertness, orientation, and detection: the con‐ ceptualization of attentional functions in SLA. Studies in second language acquisition, 23 (1), 103-124. Singer, Wolf (2001). Was kann ein Mensch wann lernen? . Online verfügbar unter: http: / / www.brain.mpg.de/ fileadmin/ user_upload/ images/ Research/ Emeriti/ Singer/ mckinsey.pdf (20. 07. 16). Singleton, David (1999). Exploring the second language mental lexicon. Cambridge: Cam‐ bridge University Press. Siraj-Blatchford, Iram, Sylva, Kathy, Muttock, Stella, Gilden, Rose & Bell, Danny (2002). Researching effective pedagogy in early years (REPEY). Research report no 356. Online verfügbar unter: http: / / www.327matters.org / Docs / RR356.pdf (20. 07. 16). Skehan, Peter (1998). A cognitive approach to language learning. Oxford: Oxford Univer‐ sity Press. Skinner, Burrhus (1974). Die Wissenschaft vom Lernen und die Kunst des Lehrens. In Franz Weinert (Hrsg.), Pädagogische Psychologie (S. 247-258). Köln: Kiepenheuer & Witsch. Skutnabb-Kangas, Tove (1981). Bilingualism or not: The education of minorities. Clevedon, Avon: Multilingual Matters. Literaturverzeichnis 418 Snow, Catherine (1972). Mothers’ speech to children learning language. Child develop‐ ment, 43, 549-565. Snow, Catherine (1977). Mothers’ speech research: from input to interaction. In Catherine Snow & Charles Ferguson (Hrsg.), Talking to children: Language input and acquisition (S. 31-48). Cambridge: Cambridge University Press. Snow, Marguerite A. (1987). Immersion teacher handbook. Los Angeles: UCLA. Södergård, Margareta (2008). Teacher strategies for second language production in im‐ mersion kindergarten in Finland. In Tara Williams Fortune & Diane Tedick (Hrsg.), Pathways to multilingualism: Envolving perspectives on immersion education (S. 152- 173). Clevedon: Multilingual Matters. Sopata, Aldona (2010). Der frühe Fremdsprachenunterricht - je früher desto besser? . Glottodidactica. An international journal of applied linguistics, 36, 95-105. Spada, Nina, Ranta, Leila & Lightbown, Patsy (1996). Working with teachers in second language acquisition research. In Jacquelyn Schachter & Susan Gass (Hrsg), Second language classroom research: Issues and opportunities (S. 31-44). Mahwah, N. J.: Law‐ rence Erlbaum. Sprenger, Anne (1989). Teilnehmende Beobachtung in prekären Handlungssituationen - Das Beispiel Intensivstation. In Reiner Aster, Hans Merkens & Michael Repp (Hrsg.), Teilnehmende Beobachtung. Werkstattberichte und methodologische Reflexionen (S. 35- 57). Frankfurt am Main: Campus. Statistische Ämter des Bundes und der Länder (2014). Kindertagesbetreuung regional 2014. Ein Vergleich aller 402 Kreise in Deutschland. Online verfügbar unter: https: / / www.destatis.de/ DE/ Publikationen/ Thematisch/ Soziales/ inderJugendhilfe/ KindertagesbetreuungRegional5225405147004.pdf ? __blob=publicationFile (20. 07. 16). Statistisches Bundesamt (2012). Kindertagesbetreuung in Deutschland 2012. Begleitmate‐ rial zur Pressekonferenz am 6. November 2012 in Berlin. Online verfügbar unter: https: / / www.destatis.de / DE / PresseService / Presse / Pressekonferenzen/ 2012 / kindertagesbetreuung / begleitmaterial_PDF.pdf ? __blob=publicationFile (20. 07. 16). Steinke, Ines (1999). Kriterien qualitativer Forschung. Ansätze zur Bewertung quali‐ tativ-empirischer Sozialforschung. Weinheim: Juventa-Verlag. Steinke, Ines (2007). Qualitätssicherung in der qualitativen Forschung. In Udo Kuckartz, Heiko Grunenberg & Thorsten Dresing (Hrsg.), Qualitative Datenanalyse - compu‐ tergestützt. Methodische Hintergründe und Beispiel aus der Forschungspraxis (S. 176- 187). Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften. Steinke, Ines (2013). Gütekriterien qualitativer Forschung. In Uwe Flick, Ernst von Kar‐ dorff & Ines Steinke (Hrsg.), Qualitative Forschung. Ein Handbuch (S. 319-331). Reinbek bei Hamburg: Rowohlt-Taschenbuch-Verlag. Literaturverzeichnis 419 Steinlen, Anja & Wettlaufer, Jörg (2005). Kiel picture pointing test. Grammar and vocabu‐ lary. Online test. Mimeo: University of Kiel. Steinlen, Anja, Håkansson, Gisela, Housen, Alex & Schelletter, Christina (2010a). Recep‐ tive L2 grammar knowledge development in bilingual preschools. In Kristin Kersten, Thorsten Piske, Andreas Rohde & Anja Steinlen (Hrsg.), Bilingual preschools. Vol. I: Learning and development (S. 79-100). Trier: WVT. Steinlen, Anja, Neils, Katharina, Piske, Thorsten & Trumpp, Christian (2010b). SETK 3- 5: A developmental language test on german for 3-to-5-year-old children. In Kristin Kersten, Thorsten Piske, Andreas Rohde & Anja Steinlen (Hrsg.), Bilingual preschools. Vol. I: Learning and development (S. 119-135). Trier: WVT. Steinlen, Anja, Massler, Ute, Schelletter, Christina, Thomas, Shannon, Akerman, Suzanne, Burmeister, Petra, Buyl, Aafke, Ewig, Michael, Flyman Mattsson, Anna, Gerlich, Lydia, Håkansson, Gisela, Housen, Alex, Kalbe, Elke, Kersten, Holger, Kersten, Kristin, Neils, Katharina, Pahl, Svenja, Piske, Thorsten, Ramsey, Rachel, Rohde, Andreas, Weitz, Martina & Wippermann, Insa (2010c). Results of the ELIAS research studies: A sum‐ mary. In Kristin Kersten, Andreas Rohde, Christina Schelletter & Anja Steinlen (Hrsg.), Bilingual preschools. Vol. II: Best practices (S. 35-76). Trier: WVT. Steinlen, Anja, Kersten, Kristin, Tiefenthal, Christine, Wippermann, Insa & Flymann Mattsson, Anna (2013). Empfehlungen für die Verwendung der Fremdsprache in bi‐ lingualen Kindergärten. In Anja Steinlen & Andreas Rohde (Hrsg.), Mehrsprachigkeit in bilingualen Kindertagesstätten und Schulen. Voraussetzungen - Methoden - Erfolge (S. 79-93). Berlin: Dohrmann Verlag. Stiftung Lesen (2011). Vorlese-Studie 2011. Die Bedeutung des Vorlesens für die Entwicklung von Kindern. Repräsentative Befragung von 10-19-Jährigen. Eine Studie der Stiftung Lesen, der Deutschen Bahn und der ZEIT. Online verfügbar unter: https: / / www.stiftunglesen.de / download.php? type=documentpdf&id=504 (20. 07. 16). Stiftung Lesen (2014). Vorlesestudie 2014. Vorlesen macht Familien stark. Repräsentative Befragung von Eltern und Kindern im Alter von 2 bis 8 Jahren. Online verfügbar unter: http: / / www.stiftunglesen.de / download.php? type=documentpdf&id=1357 (20. 07. 16). Storch, Neomy (2002). Patterns of interaction in ESL pair work. Language learning, 52 (1), 119-158. Swain, Merrill (1985). Communicative competence: some roles of comprehensible input and comprehensible output in its development. In Susan Gass & Carolyn Madden (Hrsg.), Input in second language acquisition (S. 235-256). New York: Newbury House. Swain, Merrill (1995). Three functions of output in second language learning. In Guy Cook & Barbara Seidelhofer (Hrsg.), Principle & practice in applied linguistics. Studies in honour of H. G. Widdowson (S. 125-143). Oxford: Oxford University Press. Literaturverzeichnis 420 Swain, Merrill (1998). Focus on form through conscious reflection. In Catherine Doughty & Jessica Williams (Hrsg.), Focus on form in classroom second language acquisition (S. 64-81). New York, NY: Cambridge University Press. Swain, Merrill (2000). French immersion research in Canada: recent contributions to sla and applied linguistics. Annual review of applied linguistics, 20, 199-212. Swain, Merrill (2005). The output-hypothesis: Theory and research. In Eli Hinkel (Hrsg.), Handbook of research in second language teaching and learning (S. 471-483). Mahwah, NJ: Lawrence Erlbaum. Swain, Merrill & Johnson, Robert (1997). Immersion education: A category within bilin‐ gual education. In Robert Johnson & Merrill Swain (Hrsg.), Immersion education. In‐ ternational perspectives (S. 1-16). Cambridge: Cambridge University Press. Swain, Merrill & Lapkin, Sharon (1984). Evaluating bilingual education: A canadian case study. Clevedon, Avon: Multilingual Matters. Swain, Merrill & Lapkin, Sharon (1998). Interaction and second language learning: two adolescents French immersion students working together. The modern language journal, 82 (3), 320-336. Swain, Merrill & Lapkin, Sharon (2005). The envolving sociopolitical context of immer‐ sion education in Canada: Some implications for program development. International journal of applied linguistics, 15 (2), 169-186. Swain, Merrill & Lapkin, Sharon (2006). Multilingualism through immersion education? . In Dieter Wolff (Hrsg.), Mehrsprachige Individuen - vielsprachige Gesellschaften (S. 31-45). Frankfurt am Main: Peter Lang. Sylva, Kathy, Melhuish, Edward, Sammons, Pam, Siraj-Blatchford, Iram, Taggart, Brenda & Elliott, Karen (2003). The effective provision of pre-school education (EPPE) project: Findings from the pre-school period. Online verfügbar unter: http: / / eppe.ioe.ac.uk / eppe / eppepdfs / eppe_brief2503.pdf (20. 07. 16). Szagun, Gisela (2006). Sprachentwicklung beim Kind. Ein Lehrbuch. Weinheim/ Basel: Beltz. Tachetti, Maddalena (2013). User guide for ELAN linguistic annotator (version 4.1.0). On‐ line verfügbar unter: http: / / www.mpi.nl / corpus / manuals / manual-elan_ug.pdf (20. 07. 16). Tardif, Claudette (1994). Classroom teacher talk in early immersion.The canadian modern language review, 50 (3), 466-481. Thiel, Thomas (2003). Film- und Videotechnik in der Psychologie - Eine erkenntnisthe‐ oretische Analyse mit Jean Piaget und ein historischer Rückblick auf Kurt Lewin und Arnold Gesell. In Heidi Keller (Hrsg.), Handbuch der Kleinkindforschung (S. 649-708). Bern: Huber. Literaturverzeichnis 421 Thoma, Dieter & Tracy, Rosemarie (2006). Deutsch als frühe Zweitsprache: zweite Erst‐ sprache? . In Bernt Ahrenholz (Hrsg.), Kinder mit Migrationshintergrund: Spracherwerb und Fördermöglichkeiten (S. 58-79). Freiburg: Fillibach. Thürmann, Eike (2005). Eine eigenständige Methodik für den bilingualen Sachfachun‐ terricht. In Gerhard Bach & Susanne Niemeier (Hrsg.), Bilingualer Unterricht. Grund‐ lagen, Methoden, Praxis, Perspektiven (S. 71-89). Frankfurt am Main: Peter Lang. Thürmann, Eike (2010). Zur Konstruktion von Sprachgerüsten im bilingualen Sachfach‐ unterricht. In Sabine Doff (Hrsg.), Bilingualer Unterricht in der Sekundarstufe. Eine Einführung (S. 137-153). Tübingen: Narr. Tiefenthal, Christine (1999). Die Entwicklung des Wortschatzes der Fremdsprache in einem deutsch-englisch bilingualen Kindergarten. Magisterarbeit an der Universität Kiel. Tietze, Wolfgang (1998). Wie gut sind unsere Kindergärten? Eine Untersuchung zur päda‐ gogischen Qualität in deutschen Kindergärten. Berlin: Luchterhand. Tietze, Wolfgang (2004). Notwendigkeit und Perspektiven von Qualitätsentwicklung und Qualitätssicherung in Kindertageseinrichtungen. In Ilse Wehrmann (Hrsg.), Kinder‐ gärten und ihre Zukunft (S. 406-419). Weinheim/ Basel/ Berlin: Beltz. TNS Opinion & Social (2012). Die europäischen Bürger und ihre Sprachen: Bericht. Online verfügbar unter: http: / / ec.europa.eu / public_opinion / archives / ebs / ebs_386_de.pdf (20. 07. 16). Tracy, Rosemarie & Gawlitzek-Maiwald, Ira (2000). Bilingualismus in der frühen Kind‐ heit. In Hannelore Grimm (Hrsg.), Enzyklopädie der Psychologie. Band 3: Sprachent‐ wicklung (S. 495-535). Göttingen: Hogrefe. Tucker, Gary & D’Anglejan, Alison (1972). An approach to bilingual education: The St. Lambert experiment. In Merrill Swain (Hrsg.), Bilingual schooling. Some experiences in Canada and the United States (S. 15-21). Ontario: Ontario Institute for Studies in Education Symposium Series No 1. Tuma, René, Schnettler, Bernt & Knoblauch, Hubert (2013). Videographie: Einführung in die interpretative Videoanalyse sozialer Situationen. Wiesbaden: VS Verlag für Sozial‐ wissenschaften. Van Lier, Leo (2009). From input to affordance: Social-interactive learning from an eco‐ logical perspective. In James Lantolf (Hrsg.), Sociocultural theory and second language learning (S. 245-259). Oxford: Oxford University Press. VERBI (2013). MaxQDA - The art of data analysis - Referenzhandbuch. VERBI Software. Consult. Sozialforschung. GmbH Berlin, Germany. Online verfügbar unter: http: / / www.maxqda.de / download / manuals / MAX11_manual_ger.pdf (20. 07. 16). Viernickel, Susanne (2012). Krippen im Spiegel der Wissenschaft: Diskurslinien und For‐ schungsfragen. In Susanne Viernickel, Doris Edelmann, Hilmar Hoffmann & Anke König (Hrsg.), Krippenforschung. Methoden, Konzepte, Beispiele (S. 15-23). München: Ernst Reinhardt. Literaturverzeichnis 422 Viernickel, Susanne, Edelmann, Doris, Hoffmann, Hilmar & König, Anke (2012). Vorwort der HerausgeberInnen. In Susanne Viernickel, Doris Edelmann, Hilmar Hoffmann & Anke König (Hrsg.): Krippenforschung. Methoden, Konzepte, Beispiele (S. 11-13). Mün‐ chen: Ernst Reinhardt. Viernickel, Susanne & Schwarz, Stefanie (2009). Schlüssel zu guter Bildung, Erziehung und Betreuung - Wissenschaftliche Parameter zur Bestimmung der pädagogischen Fach‐ kraft-Kind-Relation. Online verfügbar unter: http: / / www.gew.de/ index.php? eID=dumpFile&t=f&f=26405&token=d4c11a627e9b10904f97f9166f06a2593ef47c94&‐ sdownload= (20.07.16). Vigil, Debra, Hodges, Jennifer & Klee, Thomas (2005). Quantity and quality of parental language input to late-talking toddlers during play. Child language teaching and the‐ rapy, 21 (2), 107-122. Vogt, Susanne (2007). Zur Rolle von Gesten im Spracherwerb. In Jürgen Tesak (Hrsg.), An den Grenzen der Logopädie (S. 11-23). Schließlitz: Schultz Kirchner Verlag. Vygotsky, Lew (1934 / 1993). Denken und Sprache. Frankfurt am Main: Fischer Taschen‐ buch Verlag. Wagner-Willi, Monika (2008). Die dokumentarische Videointerpretation in der erzie‐ hungswissenschaftlichen Ethnographieforschung. In Bettina Hünersdorf, Christoph Maeder & Burkhard Müller (Hrsg.), Ethnographie und Erziehungswissenschaft. Metho‐ dologische Reflexionen und empirische Annäherungen (S. 221-231). Weinheim, Mün‐ chen: Juventa-Verlag. Waldis, Monika (2006). Methode. In Kurt Reusser, Christine Pauli & Monika Waldis (Hrsg.): Unterrichtsgestaltung und Unterrichtsqualität - Ergebnisse einer internationalen und schweizerischen Videostudie zum Mathematikunterricht (S. 33-56). Münster: Wax‐ mann. Wannack, Evelyne, Arnaldi, Ursula & Schütz, Annalise (2011). Das freie Spiel im Kin‐ dergarten. 4bis8. Fachzeitschrift für Kindergarten und Unterstufe - Spezialausgabe: Die Bedeutung des freien Spiels in der Kindergartendidaktik, 7-9. Wehrmann, Ilse (2006). Bildungspläne als Steuerungsinstrumente der frühkindlichen Er‐ ziehung, Bildung und Betreuung. Zur Rolle der Bildungspläne im Rahmen des Reform‐ bedarfs. Online verfügbar unter: http: / / www.plattform-educare.org / INTERIMS‐ ORDNER%20F%C3 %9CR%20PDF-DATEIEN / Dissertatin%20warum%20Bildungspl %C3 %A4ne.pdf (20. 07. 16). Weiss, Jewgenija (1971). Inhalt und Methoden des Russischunterrichts im Kindergarten (äl‐ tere Gruppe) und der Einfluss des Erlernens einer Fremdsprache auf die geistige Ent‐ wicklung des Vorschulkindes. Berlin: o. V. Weitz, Martina (2012). IQOS (Input Quality Observation Scheme) als Beobachtungsin‐ strument in bilingualen Kindergärten. In Friedrich Lenz (Hrsg.), Bilinguales Lernen. Literaturverzeichnis 423 Unterrichtskonzepte zur Förderung sachfachbezogener und interkultureller Kompetenz (S. 57-77). Frankfurt am Main: Peter Lang. Weitz, Martina (2015). Die Rolle des L2-Inputs in bilingualen Kindergärten. Frankfurt am Main: Peter Lang. Weitz, Martina, Pahl, Svenja, Flyman Mattsson, Anna, Buyl, Aafke & Kalbe, Elke (2010). The input quality observation scheme (IQOS): The nature of L2 input and its influence on L2 development in bilingual preschools. In Kristin Kersten, Thorsten Piske, And‐ reas Rohde & Anja Steinlen (Hrsg.), Bilingual preschools. Vol. I: Learning and develop‐ ment (S. 5-44). Trier: WVT. Weitz, Martina & Rohde, Andreas (2010). German children’s L2 English vocabulary in bilingual kindergarten programmes in Germany: Why do the children’s scores differ so strongly from each other? . In Christiane Bongartz & Jutta Rymarczyk (Hrsg.), Languages across the curriculum: Ein multiperspektivischer Zugang (S. 51-70). Frank‐ furt am Main: Peter Lang. Wenzel, Veronika (2004). Der zweisprachige Kindergarten in der Euregio. Online verfügbar unter: https: / / www.gronau.de / media / custom/ 1486_394_1.PDF (20. 07. 16). Wesche, Marjorie (2002). Early French immersion: How has the original Canadian model stood the test of time? . In Petra Burmeister, Thorsten Piske & Andreas Rohde (Hrsg.), An integrated view of language development. Papers in honor of Henning Wode (S. 357- 379). Trier: WVT. Wesche, Marjorie & Paribakht, T. Sima (1996). Assessing second language vocabulary knowledge: Depth versus breadth. Canadian modern language review, 53 (1), 13-40. Williams, Jessica (2005). Form-focused instruction. In Eli Hinkel (Hrsg.), Handbook of research in second language teaching and learning (S. 671-691). Mahwah, NJ: Lawrence Earlbaum. Winsler, Adam, Díaz, Rafael, Espinosa, Linda & Rodríguez, James (1999). When learning a second language does not mean losing the first: Bilingual language development in low-income, spanish-speaking children attending bilingual preschool. Child develop‐ ment, 70 (2), 349-362. Winter, Eva (2003). Methodische Prinzipien der frühen Sprachvermittlung. In Norbert Huppertz (Hrsg.), Fremdsprachen im Kindergarten. Didaktik - Methodik - Praxis (S. 91-108). Oberried: PAIS-Verlag. Wippermann, Insa, Tiefenthal, Christine, Schober, Annelie & Gotthardt, Lena (2010). Profiles of the ELIAS preschools. In Kristin Kersten, Thorsten Piske, Andreas Rohde & Anja Steinlen (Hrsg.), Bilingual preschools. Vol. I: Learning and development (S. 239- 261). Trier: WVT. Wirtz, Markus (2006). Methoden zur Bestimmung der Beurteilerübereinstimmung. In Franz Petermann & Michael Eid (Hrsg.), Handbuch der Psychologischen Diagnostik (S. 369-382). Göttingen: Hogrefe. Literaturverzeichnis 424 Wirtz, Markus & Kutschmann, Marcus (2007). Analyse der Beurteilerübereinstimmung für kategoriale Daten mittels Cohns Kappa und alternativer Maße. Rehabilitation, 46 (6), 370-377. Wode, Henning (1990). Immersion: Mehrsprachigkeit durch mehrsprachigen Unterricht. Informationshefte zum Lernen in der Fremdsprache, Heft 1: Eichstätt / Kiel: EKIB. Wode, Henning (1995). Lernen in der Fremdsprache. Grundzüge von Immersion und bilin‐ gualem Unterricht. Ismaning: Hueber. Wode, Henning (2002). Fremdsprachenvermittlung in Kita, Grundschule und Sekundar‐ breich: Ein integrierter Ansatz. In Claudia Finkbeiner (Hrsg.), Bilingualität und Mehr‐ sprachigkeit (S. 33-42). Hannover: Schroedel. Wode, Henning (2006). Mehrsprachigkeit durch immersive KiTas. Eine überzeugende Methode zum nachhaltigen Fremdsprachenerwerb. In Hildegard Rieder-Aigner (Hrsg.), Zukunfts-Handbuch Kindertageseinrichtungen: Qualitätsmanagement für Träger, Leitung, Team (S. 1-16). Regensburg/ Berlin: Walhalla. Wode, Henning (2009). Frühes Fremdsprachenlernen in bilingualen Kindergärten und Grundschulen. Braunschweig: Westermann. Wolff, Stephan (2013). Wege ins Feld und ihre Varianten. In Uwe Flick, Ernst von Kardorff & Ines Steinke (Hrsg.), Qualitative Forschung. Ein Handbuch (S. 334-349). Reinbek bei Hamburg: Rowohlt-Taschenbuch-Verlag. Wong Fillmore, Lily (1979). Individual differences in second language acquisition. In Charles Fillmore, Daniel Kempler & William Wang (Hrsg.), Individual differences in language ability and behaviour (S. 202-228). New York: Academic Press. Wood, David, Bruner, Jerome & Ross, Gail (1976). The role of tutoring in problem solving. Journal of child psychology and psychiatry, 17 (2), 89-100. Wörle, Jutta (2013). Kommunikationsstrategien und Anzeichen für Sprachbewusstheit von Kindern beim Französischlernen in einer Kindertagesstätte in der Rheinschiene. Balt‐ mannsweiler: Schneider Verlag Hohengehren. Wörle, Jutta (2014). Bleu, rouge und rouge-orange. Wie heißt auf Französisch gelb? Kin‐ dergartenkinder entwickeln kommunikative Sprachenkompetenz mit Hilfe von kom‐ munikationsstrategischem und sprachbewusstem Verhalten. Babylonia (Sonderheft: Je früher desto besser? Früher Fremdsprachenunterricht), 48-49. Zangl, Renate (1998). Dynamische Muster in der sprachlichen Ontogenese. Bilingualismus, Erst- und Fremdspracherwerb. Tübingen: Narr. Zaunbauer, Anna, Bonerad, Eva-Marie & Möller, Jens (2005). Muttersprachliches Lese‐ verständnis immersiv unterrichteter Kinder. Zeitschrift für Pädagogische Psychologie, 19 (4), 233-235. Zaunbauer, Anna & Möller, Jens (2006). Schriftsprachliche und mathematische Leis‐ tungen in der Erstsprache: Ein Vergleich monolingual und teilimmersiv unterrichteter Literaturverzeichnis 425 Kinder der zweiten und dritten Klassenstufe. Zeitschrift für Fremdsprachenforschung, 17 (2), 181-200. Zaunbauer, Anna & Möller, Jens (2007). Schulleistungen monolingual und immersiv un‐ terrichteter Kinder am Ende des 1. Schuljahres. Zeitschrift für Entwicklungspsychologie und Pädagogische Psychologie, 39 (3), 141-153. Zaunbauer, Anna & Möller, Jens (2010). Schulleistungsentwicklung immersiv unterrich‐ teter Grundschüler in den ersten zwei Schuljahren. Psychologie in Erziehung und Un‐ terricht, 57, 30-45. Zydatiß, Wolfgang (2000). Bilingualer Unterricht in der Grundschule. Entwurf eines Sprach‐ erwerbskonzepts für zweisprachige Immersionsprogramme. Ismaning: Hueber. Literaturverzeichnis 426 Anhang 428 Anhang Anhang 1: Einverständniserklärung (Muster) Anhang 429 430 Anhang Anhang 431 Anhang 2: Kameramanual Anhang 2: Kameramanual Zeitpunkt der Aufnahme ca. 9.30 Uhr-10.30 Uhr (nach dem Früh‐ stück der Gruppen) Vorbereitung der Aufnahme Aufbau des Kameraequipments, Kurzinterview mit den Erzieherinnen Kameraeinsatz Zwei-Kamera-Prinzip: E-Kamera (Hauptkamera; Funktion: hat als Erzieherinnen-Kamera die Erziehe‐ rinnen der Gruppe und die Interaktionen, in die diese involviert sind, im Fokus), back-up-Kamera (zusätzliche Kamera; Funktion: Verringerung von Datenver‐ lust) Kamerapositionierung E-Kamera auf Stativ (siehe Foto unten) back-up-Kamera fest installiert, auf Schrank stehend (siehe Foto unten) Kameraführung/ Kamerabedienung E-Kamera wird von der Forscherin be‐ dient, ist zoom- und schwenkbar, hat nach dem Rotationsprinzip jeweils eine Erzie‐ herin der Gruppe im Fokus (E1→E2→E3) back-up-Kamera läuft durchgängig, wird nach Inbetriebnahme nicht mehr bedient, liefert Überblicksbild Nachbereitung der Aufnahme zügiger Abbau des Equipments, doppelte Datensicherung des Videomate‐ rials Tab. 14: Kameramanual Anhang 448 432 Anhang Anhang 3: Kodiermanual Makroanalyse Beobachtungsaspekt Kategorie/ Merkmal Referenzquelle Explikation Aktivität Gespräch König 2006: 368 Der kommunikative Austausch über ein bestimmtes Thema, z.B. der Besuch der Großeltern oder das Wetter, steht im Mittelpunkt der Interaktion. Literacy -Aktivität König 2006: 234; Nickel 2007: 87 Das Medium Buch bildet den Beschäftigungsgegenstand der Interaktion zwischen Erzieherin und Kind. Fiktions- und Rollenspiel Heimlich 2001: 34; König 2006: 267 Fiktive Handlungen der SpielpartnerInnen, „So-tun-als-ob- Spiele“ dominieren die Erzieherin-Kind-Interaktion. Organisatorischpflegerische Tätigkeit König 2006: 368; Ricart Brede 2011: 184 Eine organisatorisch-pflegerische Tätigkeit, z.B. das Anziehen der Schuhe oder das Trösten eines Kindes, steht im Vordergrund der Interaktion. Funktions- und Übungsspiel Hoppe-Graff/ Vieweg 2012: 611; Kluge 2003: 177 Das Einüben und die Erprobung der Handhabung bzw. Funktion von Objekten und Spielgegenständen, z.B. das Umfüllen von Kastanien von einem Gefäß in ein anderes, bildet den Beschäftigungsgegenstand der Interaktion. Gestalterischkünstlerische Aktivität König 2006: 234 Eine gestalterisch-künstlerische Tätigkeit, z.B. das gemeinsame Basteln oder Malen, steht im Vordergrund der Erzieherin-Kind-Interaktion. Anhang 433 Bewegungsspiel Hoppe-Graff/ Vieweg 2012: 612; König 2006: 367f. Der Körper dient als Medium der Aktivität bzw. eine ausgeführte Bewegungsaktivität, z.B. das Zurollen eines Balls, konstituiert den Gegenstand der Interaktion zwischen Erzieherin und Kind. Musikalischrhythmische Aktivität Heim 2013: 68; Kersten et al. 2010: 110 Das gemeinsame Singen eines Liedes, das (zu einem Lied gehörige) rhythmische Klatschen, die gestischpantomimische Begleitung eines Liedes oder vereinzelt auch das Vorbzw. Nachsprechen eines Reims bildet das zentrale Merkmal der Interaktion. Regelspiel König 2006: 233 Ein Spiel, dessen Spielprozess und Verlauf durch klar definierte Spielregeln gelenkt wird (z.B. ein Puzzle) bildet den Beschäftigungsgegenstand zwischen Erzieherin und Kind. Konstruktionsspiel Arzberger/ Erhorn 2013: 24; Heimlich 2001: 37 Konstruierende, d.h. bauende, errichtende oder herstellende Tätigkeiten stehen im Vordergrund der Interaktion zwischen Erzieherin und Kind. Nicht-kindgerichtete Aktivität ohne Referenzquelle Bei der Erzieherin ist keine aktive Partizipation in einer kindgerichteten Aktivität bzw. in einer Interaktion ersichtlich. Sozialform Dyadische Interaktion: Eine Erzieherin ein Kind König 2006: 232 Die Erzieherin interagiert ausschließlich mit einem einzigen Kind. Polyadische Interaktion I: ohne Referenzquelle Die Erzieherin interagiert mit zwei Kindern gleichzeitig. 434 Anhang Eine Erzieherin zwei Kinder Polyadische Interaktion II: Erzieherin - Kleingruppe König 2006: 232 Die Erzieherin interagiert mit mehr als zwei Kindern, d.h. mit einer Kleingruppe, gleichzeitig. Erzieherin 1E1 ohne Referenzquelle englischsprachige Erzieherin in Gruppe 1 1E2 s.o. deutschsprachige Erzieherin in Gruppe 1 1E3 s.o. deutschsprachige Erzieherin in Gruppe 1 2E1 s.o. englischsprachige Erzieherin in Gruppe 2 2E2 s.o. deutschsprachige Erzieherin in Gruppe 2 2E3 s.o. deutschsprachige Erzieherin in Gruppe 2 2EP s.o. weitere englischsprachige Kraft in Gruppe 2 (als Praktikantin im Anerkennungsjahr beschäftigt) 3E1 s.o. englischsprachige Erzieherin in Gruppe 3 3E2 s.o. deutschsprachige Erzieherin in Gruppe 3 3E3 s.o. deutschsprachige Erzieherin in Gruppe 3 4E1 s.o. englischsprachige Erzieherin in Gruppe 4 4E2 s.o. deutschsprachige Erzieherin in Gruppe 4 4E3 s.o. deutschsprachige Erzieherin in Gruppe 4 Anhang 435 Nr. Tag Zeitangabe Dauer Erzie herin Sprache Name/ Szene Aktivität 1 06.11.12(1) 00: 00-01: 09 min 1: 09 min 1E1 Englisch 1E10611121konstr Konstruktionsspiel 2 06.11.12(1) 16: 24-17: 24 min 1: 00 min 1E1 Englisch 1E10611121org Organisatorischpflegerische Tätigkeit 3 08.11.12 16: 56-17: 42 min 0: 46 min 1E1 Englisch 1E1081112orga Organisatorischpflegerische Tätigkeit 4 08.11.12 28: 46-29: 54 min 1: 08 min 1E1 Englisch 1E1081112org2 Organisatorischpflegerische Tätigkeit 5 20.11.12 01: 12-04: 37 min 3: 25 min 2E1 Englisch 2E1201112fikt Fiktions- und Rollenspiel 6 22.11.12(1) 01: 18-02: 37 min 1: 19 min 2E1 Englisch 2E12211121gespr Gespräch 7 22.11.12(1) 04: 28-05: 00 min 0: 32 min 2E1 Englisch 2E12211121gespr2 Gespräch 8 22.11.12(2) 08: 50-09: 35 min 0: 45 min 2E1 Englisch 2E12211122gespr Gespräch 9 29.11.12 04: 16-04: 55 min 0: 39 min 2E1 Englisch 2E1291112gespr Gespräch 10 29.11.12 06: 50-07: 34 min 0: 44 min 2E1 Englisch 2E1291112reg Regelspiel 11 20.11.12 00: 00-06: 17 min 6: 17 min 2EP Englisch 2EP201112körp Bewegungsspiel 12 20.11.12 06: 53-07: 33 min 0: 40 min 2EP Englisch 2EP201112gespr Gespräch 13 20.11.12 17: 45-18: 28 min 0: 43 min 2EP Englisch 2EP201112gespr3 Gespräch 14 28.11.12(1) 01: 37-06: 10 min 4: 33 min 2EP Englisch 2EP2811121fikt Fiktions- und Rollenspiel 15 28.11.12(2) 03: 00-05: 41 min 2: 41 min 2EP Englisch 2EP2811122lit Literacy -Aktivität 16 28.11.12(2) 18: 50-22: 45 min 3: 55 min 2EP Englisch 2EP2811122lit2 Literacy -Aktivität Anhang 4: Übersicht über die ausgewählten Interaktionssequenzen 436 Anhang Bei den mit dieser Angabe gekennzeichneten Interaktionssequenzen wurde zur Transkription neben der E-Kamera als Hauptkamera zusätzlich auf das Material der backup -Kamera zurückgegriffen. Dies war insbesondere dann erforderlich, wenn beispielsweise die Tonqualität des Materials auf der E-Kamera von geringer Qualität war. In jenen Fällen wurde das Material zusätzlich mit dem der backup -Kamera abgeglichen, um die Gefahr des Datenverlustes zu verringern und die Qualität der Transkripte zu erhöhen. Bei den mit dieser Angabe gekennzeichneten Interaktionssequenzen erfolgte der Zugriff auf die Daten sowie die Erstellung der Transkripte ausschließlich auf Grundlage der backup -Kamera. Dies war beispielsweise erforderlich, wenn es bei der E-Kamera zu lang andauernden Beeinträchtigungen der Tonqualität kam (z. B. lautes Trommeln während der gesamten Dauer der Sequenz direkt neben der E-Kamera) oder aber die entsprechende Interaktionssituation räumlich zu weit von der E-Kamera entfernt war und beispielsweise durch parallel stattfindende Handlungen aus der Perspektive der E-Kamera schlecht einsehbar war. 17 29.11.12(1) 07: 13-08: 07 min 0: 54 min 2EP Englisch 2EP2911121gespr Gespräch 18 29.11.12(2) 14: 11-15: 25 min 1: 14 min 2EP Englisch 2EP2911122org2 Organisatorischpflegerische Tätigkeit 19 29.11.12(2) 11: 10-12: 38 min 1: 28 min 2EP Englisch 2EP2911122lit Literacy -Aktivität 20 17.10.12 (+ backup - Kamera) 21: 12-24: 54 min 01: 03: 00-Ende 3: 42 min 3E1 Englisch 3E1171012gespr/ 3E1171012gesprBK Gespräch 21 18.10.12 ( backup- Kamera) 43: 15-44: 45 min 1: 30 min 3E1 Englisch 3E1181012konstrBK Konstruktionsspiel 22 24.10.12 (+ backup - Kamera) 17: 40-19: 45 min 21: 00-23: 15 min 2: 05 min 2: 15 min 3E1 Englisch 3E1241012org/ 3E1241012orgBK Organisatorischpflegerische Tätigkeit 23 25.10.12 21: 04-25: 32 min 4: 28 min 3E1 Englisch 3E1251012lit Literacy -Aktivität 24 31.10.12 16: 28-23: 06 min 6: 38 min 3E1 Englisch 3E1311012fikt Fiktions- und Rollenspiel 25 05.12.12 01: 35-03: 03 min 1: 28 min 4E1 Englisch 4E1051212fikt Fiktions- und Rollenspiel 125 126 125 126 Anhang 437 26 05.12.12 ( backup - Kamera) 13: 05-15: 40 min 2: 35 min 4E1 Englisch 4E1051212fiktBK Fiktions- und Rollenspiel 27 13.12.12 (1) ( backup - Kamera) 38: 20-43: 20 min 5: 00 min 4E1 Englisch 4E1131212fiktBK Fiktions- und Rollenspiel 28 19.12.12(1) 03: 24-05: 43 min 2: 19 min 4E1 Englisch 4E11912121gest Gestalterischkünstlerische Aktivität 29 19.12.12(1) 05: 43-07: 53 min 2: 10 min 4E1 Englisch 4E11912121lit Literacy -Aktivität 30 19.12.12(3) 03: 15-05: 00 min 1: 45 min 4E1 Englisch 4E11912123lit Literacy -Aktivität 31 20.12.12(2) 05: 56-06: 43 min 0: 47 min 4E1 Englisch 4E12012122org Organisatorischpflegerische Tätigkeit 438 Anhang Nr. Tag Zeitangabe Dauer Erziezieherin Sprache/ Szene Name/ Szene Aktivität 1 01.11.12(1) 12: 05-13: 20 min 1: 15 min 1E2 Deutsch 1E2011121gespr Gespräch 2 08.11.12 07: 09-07: 55 min 0: 46 min 1E2 Deutsch 1E2081112gespr Gespräch 3 27.11.12 24: 43-26: 30 min 1: 47 min 1E2 Deutsch 1E2271112org Organisatorischpflegerische Tätigkeit 4 13.11.12(2) 04: 29-05: 59 min 1: 30 min 1E3 Deutsch 1E31311122lit Literacy -Aktivität 5 11.12.12 03: 46-05: 10 min 1: 24 min 1E3 Deutsch 1E3111212org Organisatorischpflegerische Tätigkeit 6 22.11.12 13: 25-14: 17 min 0: 52 min 2E2 Deutsch 2E2221112gespr Gespräch 7 22.11.12 14: 07-16: 29 min 2: 22 min 2E2 Deutsch 2E2221112lit Literacy -Aktivität 8 04.12.12 29: 18-30: 49 min 1: 31 min 2E3 Deutsch 2E3041212fikt Fiktions- und Rollenspiel 9 04.12.12 42: 01-43: 00 min 0: 59 min 2E3 Deutsch 2E3041212gespr Gespräch 10 17.10.12 09: 08-12: 40 min 3: 32 min 3E2 Deutsch 3E2171012fikt Fiktions- und Rollenspiel 11 18.10.12 03: 25-13: 22 min 9: 57 min 3E2 Deutsch 3E2181012lit Literacy -Aktivität 12 25.10.12 ( backup - Kamera) 03: 40-05: 08 min 1: 28 min 3E2 Deutsch 3E2251012gesprBK Gespräch 13 17.10.12 08: 16-13: 48 min 5: 32 min 3E3 Deutsch 3E3171012lit Literacy- Aktivität 14 18.10.12 09: 01-10: 40 min 1: 39 min 3E3 Deutsch 3E318.1012fikt Fiktions- und Rollenspiel 15 31.10.12 05: 21-07: 18 min 1: 57 min 3E3 Deutsch 3E3311012lit2 Literacy -Aktivität Anhang 439 16 31.10.12 15: 01-17: 39 min 2: 38 min 3E3 Deutsch 3E3311012funkt Funktions- und Übungsspiel 17 05.12.12 04: 31-07: 21 min 2: 50 min 4E2 Deutsch 4E2051212gest2 Gestalterischkünstlerische Aktivität 18 12.12.12 (1) 17: 45-21: 29 min 3: 44 min 4E2 Deutsch 4E212121lit Literacy- Aktivität 19 13.12.12 (1) (+ backup - Kamera) 00: 00-01: 24 min 02: 30-04: 00 min 1: 24 min 1: 30 min 4E3 Deutsch 4E31312121gespr/ 4E3131212gesprBK Gespräch 20 20.12.12(2) ( backup - Kamera) 44: 15-45: 40 min 1: 25 min 4E3 Deutsch 4E3201212orgBK Organisatorischpflegerische Tätigkeit 21 20.12.12 (1) 01: 30-08: 37 min 7: 07 min 4E3 Deutsch 4E32012121gest Gestalterischkünstlerische Aktivität 440 Anhang Anhang 5: Kodiermanual Mikroanalyse Beobachtungsaspekt Oberkategorie Einzelkategorie/ Merkmal Referenzquelle Explikation Merkmale des kindgerichteten Inputs Aufmerksamkeitslenkung attention devices Hoff-Ginsberg 1986: 156 aufmerksamkeitslenkende verbale Mittel z.B. Deixis bzw. reference language prosodischsuprasegmentale Markierungen Ritterfeld 2000: 413 Fokussierung einzelner Elemente eines Gesprächsbeitrags durch lautliche Betonung, z.B. durch einen Wortakzent metalinguistische Aufmerksamkeitslenkung ohne Referenzquelle Explizite Thematisierung metalinguistischer Aspekte oder sprachlicher Phänomene, auf die kindliche Aufmerksamkeit gelenkt werden soll. nonverbale Kontextualisierung referentielle Geste Iverson et al. 1999: 61; Vogt 2007: 14 deiktische Zeigegesten, die auf einen konkreten außersprachlichen Referenten verweisen symbolische Geste Iverson et al. 1999: 62; Vogt 2007: 14 abstraktere Zeichen, die häufig auf einen außersprachlichen, abwesenden Referenten verweisen, indem ein Objekt oder Anhang 441 eine Tätigkeit ikonisch, d.h. bildlich mithilfe gestischpantomimischer Mittel dargestellt wird konventionelle Geste Iverson et al. 1999: 62; Kiening 2011: 81; Vogt 2007: 14 arbiträre Zeichen, z.B. Winken zum Abschied, Kopfnicken zur Signalisierung von Zustimmung oder Kopfschütteln als Ausdruck der Verneinung, die Verwendung unterliegt kulturspezifischen Ausprägungen Redundanz Wiederholung der eigenen Äußerung Tardif 1994: 476 Die Erzieherin wiederholt/ imitiert ihre eigene zuvor verbalisierte Äußerung und gibt dem Kind dadurch eine erneute Verstehensmöglichkeit. Paraphrasierung der eigenen Äußerung Höhle 2010: 239f Die Erzieherin nimmt eine partielle bzw. modifizierte Wiederholung ihrer eigenen Äußerung, auch als Umformung bezeichnet, vor. Expansion der eigenen Äußerung Hoff-Ginsberg 1985: 373; Ritterfeld 2000: Die Erzieherin wiederholt Elemente der vorausgehenden 442 Anhang 415 Proposition und erweitert diese unmittelbar im Anschluss. Gesprächsevozierende Äußerungen Gesprächsevozierendes Frageverhalten echte Fragen Hoff-Ginsberg 1986: 157; Kiening 2011: 78 Die von der Erzieherin gestellte Frage dient dem wirklichen Informationsgewinn, die Antwort ist der Erzieherin nicht bekannt. Testfragen Hoff-Ginsberg 1986: 156; Kiening 2011: 78 Fragen das kindliche Wissen ab, die Antwort ist der Erzieherin bekannt, auch als Quizfragen bezeichnet. action reflective questions Hoff-Ginsberg 1986: 156 Fragen, die sich auf die aktuelle Tätigkeit des Kindes beziehen report questions Hoff-Ginsberg 1986: 156 Als Deklarativsatz formulierte Frage prompts Hoff-Ginsberg 1986: 156 Nachfragen zu vorausgehender, unbeantworteter Frage weitere gesprächsevozierende Äußerungen request for insertation/ fill in the blank/ request for translation Lyster/ Ranta 1997: 48; Zydatiß 2000: 75 Die Erzieherin gibt einen sprachlichen Strukturrahmen bzw. eine lexikalische Lücke vor, die von dem Kind gefüllt werden soll. Anhang 443 Kindliche Beteiligung an der Interaktion nonverbale Interaktionsbeteiligung referentielle Gesten Vogt 2007: 14 deiktische Zeigegesten, die auf einen in der Situation vorhandenen außersprachlichen Referenten verweisen symbolische Gesten Vogt 2007: 14 abstraktere Zeichen, die häufig auf einen außersprachlichen, abwesenden Referenten verweisen, indem ein Objekt oder eine Tätigkeit ikonisch, d.h. bildlich mithilfe gestischpantomimischer Mittel dargestellt wird konventionelle Gesten Vogt 2007: 14 arbiträre Zeichen, z.B. Winken zum Abschied, Kopfnicken zur Signalisierung von Zustimmung oder Kopfschütteln als Ausdruck der Verneinung, die Verwendung unterliegt kulturspezifischen Ausprägungen Ausführen einer (Spiel-) Handlung Kiening 2011: 81; Nauwerck 2005: 140 Das Kind reagiert auf die Äußerung einer Erzieherin, indem es eine verbale Aufforderung 444 Anhang oder Frage nonverbal ausführt bzw. nonverbal darauf reagiert, z.B. das Bringen einer Puppe. verbale Interaktionsbeteiligung ( in der Interaktion mit den englischsprachigen Erzieherinnen) nicht-zielsprachliche Äußerungen Burmeister/ Pasternak 2004: 27; Swain/ Lapkin 2006: 42 Das Kind nutzt eine andere Sprache als Englisch, zumeist die deutsche Umgebungssprache, in der Interaktion mit der englischsprachigen Fachkraft. zielsprachliche Äußerungen Rohde 2005: 160 Das Kind verwendet das Englische in der Interaktion mit einer englischsprachigen Fachkraft produktiv. code-mixing Burmeister/ Pasternak 2004: 27; Kersten et al. 2010a: 111; Steinlen et al. 2013: 89 Das Kind vermischt deutsch- und englischsprachige Elemente innerhalb eines Gesprächsbeitrags, z.B. Einbau einzelner englischsprachiger Elemente in eine deutschsprachige Äußerung. Verbale Interaktionsbeteiligung (mit den zielsprachliche Äußerungen ohne Referenzquelle Das Kind verwendet das Deutsche in der Interaktion mit der deutschsprachigen Fachkraft produktiv. Anhang 445 deutschsprachigen Erzieherinnen) nicht-zielsprachliche Äußerungen ohne Referenzquelle Das Kind verwendet eine andere Sprache, z.B. eine andere L1 oder das Englische, in der Interaktion mit einer deutschsprachigen Fachkraft. code-mixing ohne Referenzquelle Das Kind vermischt in der Interaktion mit einer deutschsprachigen Erzieherin deutsch- und englischsprachige Elemente innerhalb eines Gesprächsbeitrags. keine kindliche Interaktionsbeteiligung keine weiteren Einzelkategorien Kiening 2011: 81 Das Kind zeigt keine kommunikativ-sprachliche Reaktion (verbal oder nonverbal) auf den Interaktionsversuch der Erzieherin. Responsivität und- Feedback-Verhalten positives Feedback neutrale Bestätigungen Södergård 2008: 167 Die Erzieherin reagiert auf eine kindliche Äußerung mit minimalem, bestätigenden Feedback, z.B. „ja“,“mhm“, „ok“. explizites Lob Södergård 2008: 167 Die Erzieherin hebt einen kindlichen turn durch explizites Lob (auch praise markers ) wie „super“, „bravo“ hervor. 446 Anhang (auf verbale kindliche Interaktionsversuche) responsives Frageverhalten Verständnisnachfragen (verbal reflective questions) Hoff-Ginsberg 1986: 156 Rückfrage zur Absicherung, ob der kindliche turn korrekt verstanden wurde, enthält oft eine partielle Wiederholung der kindlichen Äußerung Klärungsaufforderungen (repair questions/ clarification requests) Hoff-Ginsberg 1986: 156; Lyster/ Ranta 1997: 47; Lyster 2002: 243 Rückfrage, mit der eine Wiederholung der vorangegangenen Äußerung mit einer Vervollständigung bzw. Korrektur von dem Kind erbeten wird. korrektives Feedback recasts Lyster 2002: 240; Lyster/ Ranta 1997: 47; Long 1996: 413; Schoormann/ Schlak 2011: 79 Reaktion auf eine fehlerhafte und unvollständige Äußerung des Kindes; implizite Korrektur, die durch die korrekte Wiederholung dem Kind zugleich positive Evidenz bereitstellt. Aufgriff der kindlichen Äußerung Wiederholung (auch modeling through translation; noncorrective repetition ) Grimm 1999: 57; Södergård 2008: 166 Imitation bzw. wörtliche Wiederholung/ Übersetzung des vorausgehenden kindlichen Gesprächsbeitrags durch die Erzieherin partielle Wiederholung Grimm 1999: 57; Knapp et al. 2010: Die Äußerung des Kindes wird zum Teil wiederholt (z.B. Sub- Anhang 447 (mit Weiterführung) 101; Ritterfeld 2000: 416; stantiv oder Verb) und gleichzeitig in eine neue Äußerung überführt. Expansion Szagun 2006: 178; Kiening 2011: 76; Knapp et al. 2010: 101; Ritterfeld 2000: 416 Der kindliche Sprechakt wird von der Erzieherin aufgegriffen und durch das Hinzufügen fehlender Elemente in eine vollständige Äußerung überführt. Reaktion auf nonverbale kindliche Interaktionsversuche positives Feedback keine weiteren Einzelkategorien ohne Referenzquelle Die Erzieherin reagiert mit einer neutralen Bestätigung oder ein einem expliziten Lob auf eine nonverbale Interaktionsbeteiligung des Kindes. Versprachlichung keine weiteren Einzelkategorien Kiening 2011: 76 Die gestisch-nonverbale Partizipation des Kindes wird in eine sprachliche Äußerung überführt. Die Analyse entlang des dargestellten Kategoriensystems ist als zyklischer Prozess zu verstehen. Wenn es sich bei der Versprachlichung eines nonverbalen kindlichen Interaktionsversuchs zugleich um einen initiierenden Kommentar handelt, wird dies entsprechend doppelt kodiert. Neuinitiierungen sind demzufolge in der Analyseschleife enthalten und die Interaktion bzw. die Analyse endet nicht zwangsläufig bei dieser Kategorie. 127 127 448 Anhang Anhang 6: Aktivitäten der Erzieherinnen (Kreuztabelle) Aktivität 1E1 1E2 1E3 2E1 2E2 2E3 2EP 3E1 3E2 3E3 4E1 4E2 4E3 Gesamt Fiktions- und Rollenspiele 00: 01: 11 00: 04: 29 00: 00: 00 00: 05: 12 00: 10: 41 00: 12: 43 00: 06: 44 00: 23: 35 00: 10: 56 00: 02: 52 00: 17: 22 00: 04: 19 00: 53: 48 Funktions- und Übungsspiele 00: 31: 43 00: 16: 22 00: 07: 48 00: 03: 06 00: 00: 00 00: 05: 05 00: 00: 00 00: 07: 29 00: 00: 00 00: 27: 08 00: 00: 00 00: 02: 31 00: 00: 00 01: 41: 12 Zeilenprozente 31,34 % 16,17 % 7,71 % 3,06 % 0,00 % 5,02 % 0,00 % 7,39 % 0,0 0% 26,81 % 0,00 % 2,49 % 0,00 % 100,00 % Spaltenprozente 35,61 % 11,71 % 7,42 % 3,87 % 0,00 % 7,55 % 0,00 % 6,42 % 0,00 % 45,08 % 0,00 % 4,91 % 0,00 % 8,27 % Gespräche 00: 09: 43 00: 56: 07 00: 28: 46 00: 06: 50 00: 08: 40 00: 14: 50 00: 26: 15 00: 21: 52 00: 13: 39 00: 03: 20 00: 25: 15 00: 12: 18 00: 21: 05 04: 08: 40 Zeilenprozente 3,91 % 22,57 % 11,57 % 2,75 % 3,49 % 5,97 % 10,56 % 8,79 % 5,49 % 1,34 % 10,15 % 4,95 % 8,48 % 100,00 % Spaltenprozente 10,91 % 40,16 % 27,38 % 8,54 % 16,07 % 22,04 % 25,02 % 18,75 % 13,78 % 5,54 % 22,67 % 23,98 % 14,55 % 20,32 % Gestalterischkünstlerische Aktivitäten 00: 00: 00 00: 00: 00 00: 00: 00 00: 20: 29 00: 00: 31 00: 00: 00 00: 00: 00 00: 00: 00 00: 00: 00 00: 00: 00 00: 17: 24 00: 17: 41 00: 34: 05 01: 30: 10 Zeilenprozente 0,00 % 0,00 % 0,00 % 22,72 % 0,57 % 0,00 % 0,00 % 0,00 % 0,00 % 0,00 % 19,30 % 19,61 % 37,80 % 100,00 % Spaltenprozente 0,00 % 0,00 % 0,00 % 25,59 % 0,96 % 0,00 % 0,00 % 0,00 % 0,00 % 0,00 % 15,62 % 34,47 % 23,52 % 7,37 % Die Zeilenprozente geben die relativen Häufigkeiten bezogen auf die jeweiligen Zeilensummen an. In Bezug auf den vorliegenden Untersuchungsgegenstand lässt sich an den Zeilenprozenten ablesen, welche Anteile der jeweiligen Kategorie, hier Fiktions- und Rollenspiele, auf die einzelnen Erzieherinnen entfallen. Die Gesamtaufnahmedauer der einzelnen Kategorie, bei den Fiktions- und Rollenspielen 02: 33: 52 Stunden, bildet hier die Bezugsgröße, d.h. 100 %. Die Spaltenprozente geben die relativen Häufigkeiten bezogen auf die jeweilige Spaltensumme an. In Bezug auf den vorliegenden Untersuchungsgegenstand lässt sich an den Spaltenprozenten ablesen, welchen Anteil die jeweilige Kategorie, hier Fiktions- und Rollenspiele, in dem individuellen Profil und an der Aufnahmezeit der einzelnen Erzieherin einnimmt. Die Aufnahmezeit der einzelnen Erzieherin, bei 1E1 01: 29: 04 Stunden, bildet hier die Bezugsgröße, d.h. 100 %. In diesem Zusammenhang ist auch darauf hinzuweisen, dass die Bezugsgröße (100 %) bei den einzelnen Erzieherinnen aufgrund der jeweils unterschiedlichen Aufnahmedauer schwankt. Die unterschiedliche Aufnahmedauer der einzelnen Fachkräfte erklärt sich vor allem durch die notwendige Flexibilität des entwickelten Aufnahmekonzepts aber auch durch z. B. krankheitsbedingte Fehlzeiten einzelner Untersuchungsteilnehmerinnen. 129 128 129 02: 33: 52 Zeilenprozente 0,77 % 2,91 % 0,00 % 3,38 % 6,94 % 8,26 % 4,38 % 15,33 % 7,11 % 1,86 % 11,29 % 2,81 % 34,97 % 100,00 % Spaltenprozente 1,33 % 3,21 % 0,00 % 6,50 % 19,81 % 18,89 % 6,42 % 20,22 % 11,04 % 4,76 % 15,59 % 8,41 % 37,13 % 12,58 % 128 Anhang 449 Nichtkindgerichtete Aktivitäten 00: 10: 01 00: 06: 53 00: 25: 11 00: 01: 56 00: 06: 08 00: 13: 53 00: 07: 27 00: 15: 56 00: 21: 25 00: 04: 10 00: 02: 07 00: 00: 43 00: 04: 37 02: 00: 27 Zeilenprozente 8,32 % 5,71 % 20,91 % 1,61 % 5,09 % 11,53 % 6,19 % 13,23 % 17,78 % 3,46 % 1,76 % 0,59 % 3,83 % 100,00 % Spaltenprozente 11,25 % 4,93 % 23,97 % 2,42 % 11,37 % 20,62 % 7,10 % 13,66 % 21,62 % 6,92 % 1,90 % 1,40 % 3,19 % 9,84 % Konstruktionsspiele 00: 05: 03 00: 03: 30 00: 01: 50 00: 05: 34 00: 00: 00 00: 00: 00 00: 00: 00 00: 01: 12 00: 02: 49 00: 00: 00 00: 03: 35 00: 01: 05 00: 00: 00 00: 24: 38 Zeilenprozente 20,50 % 14,21 % 7,44 % 22,60 % 0,00 % 0,00 % 0,00 % 4,87 % 11,43 % 0,00 % 14,55 % 4,40 % 0,00 % 100,00 % Spaltenprozente 5,67 % 2,51 % 1,74 % 6,95 % 0,00 % 0,00 % 0,00 % 1,03 % 2,84 % 0,00 % 3,22 % 2,11 % 0,00 % 2,01 % Bewegungsspiele 00: 03: 34 00: 02: 51 00: 10: 15 00: 00: 00 00: 00: 00 00: 00: 20 00: 20: 46 00: 11: 32 00: 10: 33 00: 00: 00 00: 01: 03 00: 00: 00 00: 00: 00 01: 00: 54 Zeilenprozente 5,86 % 4,68 % 16,83 % 0,00 % 0,00 % 0,55 % 34,10 % 18,94 % 17,32 % 0,00 % 1,72 % 0,00 % 0,00 % 100,00 % Spaltenprozente 4,00 % 2,04 % 9,76 % 0,00 % 0,00 % 0,50 % 19,79 % 9,89 % 10,65 % 0,00 % 0,94 % 0,00 % 0,00 % 4,98 % Literacy- Aktivtäten 00: 07: 43 00: 10: 31 00: 22: 31 00: 14: 04 00: 08: 47 00: 14: 34 00: 22: 52 00: 07: 36 00: 30: 57 00: 17: 04 00: 19: 14 00: 08: 32 00: 09: 53 03: 14: 18 Zeilenprozente 3,97 % 5,41 % 11,59 % 7,24 % 4,52 % 7,50 % 11,77 % 3,91 % 15,93 % 8,78 % 9,90 % 4,39 % 5,09 % 100,00 % Spaltenprozente 8,66 % 7,53 % 21,43 % 17,57 % 16,29 % 21,64 % 21,80 % 6,52 % 31,25 % 28,36 % 17,27 % 16,63 % 6,82 % 15,88 % Organisatorischpflegerische Tätigkeit 00: 17: 19 00: 22: 53 00: 08: 43 00: 15: 32 00: 07: 41 00: 05: 54 00: 12: 27 00: 09: 26 00: 04: 10 00: 05: 37 00: 21: 18 00: 04: 09 00: 15: 39 02: 30: 48 Zeilenprozente 11,48 % 15,17 % 5,78 % 10,30 % 5,10 % 3,91 % 8,26 % 6,26 % 2,76 % 3,72 % 14,12 % 2,75 % 10,38 % 100,00 % Spaltenprozente 19,44 % 16,38 % 8,30 % 19,40 % 14,25 % 8,76 % 11,87 % 8,09 % 4,21 % 9,33 % 19,13 % 8,09 % 10,80 % 12,33 % Regelspiele 00: 00: 00 00: 00: 00 00: 00: 00 00: 06: 55 00: 08: 21 00: 00: 00 00: 07: 28 00: 00: 00 00: 00: 00 00: 00: 00 00: 00: 00 00: 00: 00 00: 03: 51 00: 26: 35 Zeilenprozente 0,00 % 0,00 % 0,00 % 26,02 % 31,41 % 0,00 % 28,09 % 0,00 % 0,00 % 0,00 % 0,00 % 0,00 % 14,48 % 100,00 % Spaltenprozente 0,00 % 0,00 % 0,00 % 8,64 % 15,48 % 0,00 % 7,12 % 0,00 % 0,00 % 0,00 % 0,00 % 0,00 % 2,66 % 2,17 % Musikalischrhythmische Aktivität 00: 02: 47 00: 16: 07 00: 00: 00 00: 00: 25 00: 03: 07 00: 00: 00 00: 00: 56 00: 18: 01 00: 04: 34 00: 00: 00 00: 04: 04 00: 00: 00 00: 01: 55 00: 51: 56 Zeilenprozente 5,36 % 31,03 % 0,00 % 0,80 % 6,00 % 0,00 % 1,80 % 34,69 % 8,79 % 0,00 % 7,83 % 0,00 % 3,69 % 100,00 % Spaltenprozente 3,13 % 11,54 % 0,00 % 0,52 % 5,78 % 0,00 % 0,89 % 15,45 % 4,61 % 0,00 % 3,65 % 0,00 % 1,32 % 4,24 % Gesamt 01: 29: 04 02: 19: 43 01: 45: 04 01: 20: 03 00: 53: 56 01: 07: 19 01: 44: 55 01: 56: 39 01: 39: 03 01: 00: 11 01: 51: 22 00: 51: 18 02: 24: 53 20: 23: 30 100,00 % 100,00 % 100,00 % 100,00 % 100,00 % 100,00 % 100,00 % 100,00 % 100,00 % 100,00 % 100,00 % 100,00 % 100,00 % 100,00 % 450 Anhang Anhang 7: Aktivitäten der deutschsprachigen Erzieherinnen (Kreuztabelle) Aktivität 1E2 1E3 2E2 2E3 3E2 3E3 4E2 4E3 Gesamt Fiktions- und Rollenspiele 00: 04: 29 00: 00: 00 00: 10: 41 00: 12: 43 00: 10: 56 00: 02: 52 00: 04: 19 00: 53: 48 01: 39: 48 Zeilenprozente 4,49 % 0,00 % 10,70 % 12,74 % 10,96 % 2,87 % 4,33 % 53,91 % 100,000 % Spaltenprozente 3,21 % 0,00 % 19,81 % 18,89 % 11,04 % 4,76 % 8,41 % 37,13 % 13,83 % Funktions- und Übungsspiele 00: 16: 22 00: 07: 48 00: 00: 00 00: 05: 05 00: 00: 00 00: 27: 08 00: 02: 31 00: 00: 00 00: 58: 54 Zeilenprozente 27,79 % 13,24 % 0,00 % 8,63 % 0,00 % 46,07 % 4,27 % 0,00 % 100,000 % Spaltenprozente 11,71 % 7,42 % 0,00 % 7,55 % 0,00 % 45,08 % 4,91 % 0,00 % 8,16 % Gespräche 00: 56: 07 00: 28: 46 00: 08: 40 00: 14: 50 00: 13: 39 00: 03: 20 00: 12: 18 00: 21: 05 02: 38: 45 Zeilenprozente 35,35 % 18,12 % 5,46 % 9,34 % 8,60 % 2,10 % 7,75 % 13,28 % 100,000 % Spaltenprozente 40,16 % 27,38 % 16,07 % 22,04 % 13,78 % 5,54 % 23,98 % 14,55 % 22,00 % Gestalterisch-künstlerische Aktivitäten 00: 00: 00 00: 00: 00 00: 00: 31 00: 00: 00 00: 00: 00 00: 00: 00 00: 17: 41 00: 34: 05 00: 52: 17 Zeilenprozente 0,00 % 0,00 % 0,99 % 0,00 % 0,00 % 0,00 % 33,82 % 65,19 % 100,000 % Spaltenprozente 0,00 % 0,00 % 0,96 % 0,00 % 0,00 % 0,00 % 34,47 % 23,52 % 7,25 % Nicht-kindgerichtete Aktivitäten 00: 06: 53 00: 25: 11 00: 06: 08 00: 13: 53 00: 21: 25 00: 04: 10 00: 00: 43 00: 04: 37 01: 23: 00 Zeilenprozente 8,29 % 30,34 % 7,39 % 16,73 % 25,80 % 5,02 % 0,86 % 5,56 % 100,000 % Spaltenprozente 4,93 % 23,97 % 11,37 % 20,62 % 21,62 % 6,92 % 1,40 % 3,19 % 11,50 % Konstruktionsspiele 00: 03: 30 00: 01: 50 00: 00: 00 00: 00: 00 00: 02: 49 00: 00: 00 00: 01: 05 00: 00: 00 00: 09: 14 Zeilenprozente 37,91 % 19,86 % 0,00 % 0,00 % 30,51 % 0,00 % 11,73 % 0,00 % 100,000 % Spaltenprozente 2,51 % 1,74 % 0,00 % 0,00 % 2,84 % 0,00 % 2,11 % 0,00 % 1,28 % Anhang 451 Bewegungsspiele 00: 02: 51 00: 10: 15 00: 00: 00 00: 00: 20 00: 10: 33 00: 00: 00 00: 00: 00 00: 00: 00 00: 23: 59 Zeilenprozente 11,88 % 42,74 % 0,00 % 1,39 % 43,99 % 0,00 % 0,00 % 0,00 % 100,000 % Spaltenprozente 2,04 % 9,76 % 0,00 % 0,50 % 10,65 % 0,00 % 0,00 % 0,00 % 3,32 % Literacy-Aktivtäten 00: 10: 31 00: 22: 31 00: 08: 47 00: 14: 34 00: 30: 57 00: 17: 04 00: 08: 32 00: 09: 53 02: 02: 49 Zeilenprozente 8,56 % 18,33 % 7,15 % 11,86 % 25,20 % 13,90 % 6,95 % 8,05 % 100,000 % Spaltenprozente 7,53 % 21,43 % 16,29 % 21,64 % 31,25 % 28,36 % 16,63 % 6,82 % 17,02 % Organisatorisch-pflegerische Tätigkeiten 00: 22: 53 00: 08: 43 00: 07: 41 00: 05: 54 00: 04: 10 00: 05: 37 00: 04: 09 00: 15: 39 01: 14: 46 Zeilenprozente 30,61 % 11,66 % 10,28 % 7,89 % 5,57 % 7,51 % 5,55 % 20,93 % 100,000 % Spaltenprozente 16,38 % 8,30 % 14,25 % 8,76 % 4,21 % 9,33 % 8,09 % 10,80 % 10,36 % Regelspiele 00: 00: 00 00: 00: 00 00: 08: 21 00: 00: 00 00: 00: 00 00: 00: 00 00: 00: 00 00: 03: 51 00: 12: 12 Zeilenprozente 0,00 % 0,00 % 68,44 % 0,00 % 0,00 % 0,00 % 0,00 % 31,56 % 100,000 % Spaltenprozente 0,00 % 0,00 % 15,48 % 0,00 % 0,00 % 0,00 % 0,00 % 2,66 % 1,69 % Musikalisch-rhythmische Aktivitäten 00: 16: 07 00: 00: 00 00: 03: 07 00: 00: 00 00: 04: 34 00: 00: 00 00: 00: 00 00: 01: 55 00: 25: 43 Zeilenprozente 62,67 % 0,00 % 12,12 % 0,00 % 17,76 % 0,00 % 0,00 % 7,45 % 100,000 % Spaltenprozente 11,54 % 0,00 % 5,78 % 0,00 % 4,61 % 0,00 % 0,00 % 1,32 % 3,56 % Gesamt 02: 19: 43 01: 45: 04 00: 53: 56 01: 07: 19 01: 39: 03 01: 00: 11 00: 51: 18 02: 24: 53 12: 01: 27 100,000 % 100,000 % 100,000 % 100,000 % 100,000 % 100,000 % 100,000 % 100,000 % 100,000 % 452 Anhang Anhang 8: Aktivitäten der englischsprachigen Erzieherinnen (Kreuztabelle) Aktivität 1E1 2E1 2EP 3E1 4E1 Gesamt Fiktions- und Rollenspiele 00: 01: 11 00: 05: 12 00: 06: 44 00: 23: 35 00: 17: 22 00: 54: 04 Zeilenprozente 2,19 % 9,62 % 12,45 % 43,62 % 32,12 % 100,000 % Spaltenprozente 1,33 % 6,50 % 6,42 % 20,22 % 15,59 % 10,77 % Funktions- und Übungsspiele 00: 31: 43 00: 03: 06 00: 00: 00 00: 07: 29 00: 00: 00 00: 42: 18 Zeilenprozente 74,98 % 7,33 % 0,00 % 17,69 % 0,00 % 100,000 % Spaltenprozente 35,61 % 3,87 % 0,00 % 6,42 % 0,00 % 8,43 % Gespräche 00: 09: 43 00: 06: 50 00: 26: 15 00: 21: 52 00: 25: 15 01: 29: 55 Zeilenprozente 10,81 % 7,60 % 29,19 % 24,32 % 28,08 % 100,000 % Spaltenprozente 10,91 % 8,54 % 25,02 % 18,75 % 22,67 % 17,91 % Gestalterisch-künstlerische Aktivitäten 00: 00: 00 00: 20: 29 00: 00: 00 00: 00: 00 00: 17: 24 00: 37: 53 Zeilenprozente 0,00 % 54,07 % 0,00 % 0,00 % 45,93 % 100,000 % Spaltenprozente 0,00 % 25,59 % 0,00% 0,00% 15,62 % 7,55% Nicht-kindgerichtete Aktivitäten 00: 10: 01 00: 01: 56 00: 07: 27 00: 15: 56 00: 02: 07 00: 37: 27 Zeilenprozente 26,75 % 5,16 % 19,89 % 42,55 % 5,65 % 100,000 % Spaltenprozente 11,25 % 2,42 % 7,10% 13,66% 1,90 % 7,46% Konstruktionsspiele 00: 05: 03 00: 05: 34 00: 00: 00 00: 01: 12 00: 03: 35 00: 15: 24 Zeilenprozente 32,79 % 36,15 % 0,00 % 7,79 % 23,27 % 100,000 % Spaltenprozente 5,67 % 6,95 % 0,00 % 1,03 % 3,22 % 3,07 % Anhang 453 Bewegungsspiele 00: 03: 34 00: 00: 00 00: 20: 46 00: 11: 32 00: 01: 03 00: 36: 55 Zeilenprozente 9,66 % 0,00 % 56,25 % 31,24 % 2,84 % 100,000 % Spaltenprozente 4,00% 0,00 % 19,79 % 9,89 % 0,94 % 7,35 % Literacy-Aktivtäten 00: 07: 43 00: 14: 04 00: 22: 52 00: 07: 36 00: 19: 14 01: 11: 29 Zeilenprozente 10,80 % 19,68 % 31,99 % 10,63 % 26,91 % 100,000 % Spaltenprozente 8,66 % 17,57 % 21,80 % 6,52 % 17,27 % 14,24 % Zeilenprozente 22,78 % 20,43 % 16,37 % 12,41 % 28,01 % 100,000 % Spaltenprozente 19,44% 19,40 % 11,87 % 8,09 % 19,13 % 15,14 % Regelspiel 00: 00: 00 00: 06: 55 00: 07: 28 00: 00: 00 00: 00: 00 00: 14: 23 Zeilenprozente 0,00 % 48,09 % 51,91 % 0,00 % 0,00 % 100,000 % Spaltenprozente 0,00% 8,64 % 7,12 % 0,00 % 0,00 % 2,86 % Musikalisch-rhythmische Aktivitäten 00: 02: 47 00: 00: 25 00: 00: 56 00: 18: 01 00: 04: 04 00: 26: 13 Zeilenprozente 10,62% 1,59 % 3,56 % 68,72 % 15,51 % 100,000 % Spaltenprozente 3,13 % 0,52 % 0,89 % 15,45 % 3,65 % 5,22 % Gesamt 01: 29: 04 01: 20: 03 01: 44: 55 01: 56: 39 01: 51: 22 08: 22: 03 100,000 % 100,000% 100,000 % 100,000 % 100,000 % 100,000 % Organisatorisch-pflegerische Tätigkeiten 00: 17: 19 00: 15: 32 00: 12: 27 00: 09: 26 00: 21: 18 01: 16: 02 454 Anhang Anhang 9: Sozialformen der Erzieherinnen (Kreuztabelle) 1E1 1E2 1E3 2E1 2E2 2E3 2EP 3E1 3E2 3E3 4E1 4E2 4E3 Gesamt Dyadische Interaktionen: Eine Erzieherin - ein Kind 00: 50: 49 00: 32: 54 00: 30: 59 00: 26: 40 00: 21: 34 00: 20: 36 00: 24: 16 00: 51: 56 00: 24: 25 00: 25: 01 00: 28: 15 00: 16: 22 01: 07: 26 07: 01: 13 Zeilenprozente 12,06 % 7,81 % 7,36 % 6,33 % 5,12 % 4,89 % 5,76 % 12,33 % 5,80 % 5,94 % 6,71 % 3,89 % 16,01 % 100,00 % Spaltenprozente 64,30 % 24,77 % 38,79 % 34,17 % 45,10 % 38,56 % 24,90 % 51,57 % 31,44 % 44,66 % 25,86 % 32,36 % 48,08 % 38,19 % Polyadische Interaktionen: Eine Erzieherin - zwei Kinder 00: 16: 30 00: 28: 46 00: 12: 11 00: 14: 06 00: 13: 27 00: 19: 51 00: 32: 09 00: 31: 10 00: 20: 03 00: 09: 41 00: 29: 46 00: 15: 50 00: 37: 59 04: 41: 29 Zeilenprozente 5,86 % 10,22 % 4,33 % 5,01 % 4,78 % 7,05 % 11,42 % 11,07 % 7,12 % 3,44 % 10,57 % 5,62 % 13,49 % 100,00 % Spaltenprozente 20,88 % 21,66 % 15,25 % 18,07 % 28,13 % 37,16 % 32,99 % 30,95 % 25,82 % 17,29 % 27,25 % 31,30 % 27,08 % 25,52 % Polyadische Interaktionen: Erzieherin - Kleingruppe 00: 11: 43 01: 11: 08 00: 36: 43 00: 37: 16 00: 12: 48 00: 12: 58 00: 41: 03 00: 17: 36 00: 33: 11 00: 21: 19 00: 51: 13 00: 18: 23 00: 34: 51 06: 40: 12 Zeilenprozente 2,93 % 17,77 % 9,17 % 9,31 % 3,20 % 3,24 % 10,26 % 4,40 % 8,29 % 5,33 % 12,80 % 4,59 % 8,71 % 100,00 % Spaltenprozente 14,82 % 53,56 % 45,96 % 47,76 % 26,77 % 24,27 % 42,12 % 17,48 % 42,73 % 38,05 % 46,89 % 36,34 % 24,85 % 36,29 % Gesamt 01: 19: 02 02: 12: 48 01: 19: 53 01: 18: 02 00: 47: 49 00: 53: 25 01: 37: 28 01: 40: 42 01: 17: 39 00: 56: 01 01: 49: 14 00: 50: 35 02: 20: 16 18: 22: 54 100,00 % 100,00 % 100,00 % 100,00 % 100,00 % 100,00 % 100,00 % 100,00 % 100,00 % 100,00 % 100,00 % 100,00 % 100,00 % 100,00 % Anhang 455 Anhang 10: Sozialformen der deutschsprachigen Erzieherinnen (Kreuztabelle) Sozialform 1E2 1E3 2E2 2E3 3E2 3E3 4E2 4E3 Gesamt Dyadische Interaktionen: Eine Erzieherin - ein Kind 00: 32: 54 00: 30: 59 00: 21: 34 00: 20: 36 00: 24: 25 00: 25: 01 00: 16: 22 01: 07: 26 03: 59: 17 Zeilenprozente 13,75 % 12,95 % 9,01 % 8,61 % 10,20 % 10,45 % 6,84 % 28,18 % 100,00 % Spaltenprozente 24,77 % 38,79 % 45,10 % 38,56 % 31,44 % 44,66 % 32,36 % 48,08 % 37,48 % Polyadische Interaktionen: Eine Erzieherin - zwei Kinder 00: 28: 46 00: 12: 11 00: 13: 27 00: 19: 51 00: 20: 03 00: 09: 41 00: 15: 50 00: 37: 59 02: 37: 48 Zeilenprozente 18,23 % 7,72 % 8,52 % 12,58 % 12,71 % 6,14 % 10,03 % 24,07 % 100,00 % Spaltenprozente 21,66 % 15,25 % 28,13 % 37,16 % 25,82 % 17,29 % 31,30 % 27,08 % 24,72 % Polyadische Interaktionen: Erzieherin - Kleingruppe 01: 11: 08 00: 36: 43 00: 12: 48 00: 12: 58 00: 33: 11 00: 21: 19 00: 18: 23 00: 34: 51 04: 01: 21 Zeilenprozente 29,47 % 15,21 % 5,30 % 5,37 % 13,75 % 8,83 % 7,62 % 14,44 % 100,00 % Spaltenprozente 53,56 % 45,96 % 26,77 % 24,27 % 42,73 % 38,05 % 36,34 % 24,85 % 37,80 % Gesamt 02: 12: 48 01: 19: 53 00: 47: 49 00: 53: 25 01: 17: 39 00: 56: 01 00: 50: 35 02: 20: 16 10: 38: 26 100,00 % 100,00 % 100,00 % 100,00 % 100,00 % 100,00 % 100,00 % 100,00 % 100,00 % 456 Anhang Anhang 11: Sozialformen der englischsprachigen Erzieherinnen (Kreuztabelle) Sozialform 1E1 2E1 2EP 3E1 4E1 Gesamt Dyadische Interaktionen: Eine Erzieherin - ein Kind 00: 50: 49 00: 26: 40 00: 24: 16 00: 51: 56 00: 28: 15 03: 01: 56 Zeilenprozente 27,93 % 14,66 % 13,34 % 28,55 % 15,53 % 100,00 % Spaltenprozente 64,30 % 34,17 % 24,90 % 51,57 % 25,86 % 39,17 % Polyadische Interaktionen: Eine Erzieherin - zwei Kinder 00: 16: 30 00: 14: 06 00: 32: 09 00: 31: 10 00: 29: 46 02: 03: 41 Zeilenprozente 13,34 % 11,40 % 25,99 % 25,20 % 24,07 % 100,00 % Spaltenprozente 20,88 % 18,07 % 32,99 % 30,95 % 27,25 % 26,63 % Polyadische Interaktionen: Erzieherin - Kleingruppe 00: 11: 43 00: 37: 16 00: 41: 03 00: 17: 36 00: 51: 13 02: 38: 51 Zeilenprozente 7,38 % 23,46 % 25,84 % 11,08 % 32,24 % 100,00 % Spaltenprozente 14,82 % 47,76 % 42,12 % 17,48 % 46,89 % 34,20 % Gesamt 01: 19: 02 01: 18: 02 01: 37: 28 01: 40: 42 01: 49: 14 07: 44: 28 100,00 % 100,00 % 100,00 % 100,00 % 100,00 % 100,00 % Abbildungsverzeichnis Abb. 1 Anzahl und Entwicklung bilingualer Kitas in Deutschland im Jahr 2004 (linke Säule) und 2014 (rechte Säule) . . . . . . . 37 Abb. 2 Angebotene Fremdsprachen in bilingualen Kitas in Deutschland (2014) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 Abb. 3 Generierung der Forschungsfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 Abb. 4 Darstellung des Auswertungsdesigns und des methodischen Vorgehens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 Abb. 5 Durchführung der Makroanalyse in MaxQDA 11 (Screenshot) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 Abb. 6 Entwicklung eines Beobachtungsinstrumentes (in Anlehnung an Ricart Brede 2014: 142) . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 Abb. 7 Durchführung der Mikroanalyse in MaxQDA (Screenshot) 212 Abb. 8 Zeitanteile der Aktivitäten an der Gesamtaufnahme . . . . . 223 Abb. 9 Zeitanteile der Sozialformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 266 Tabellenverzeichnis Tab. 1 Überblick über die Aktivitäten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 Tab. 2 Datenbeispiele der Kategorie Gespräche . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227 Tab. 3 Datenbeispiele der Kategorie Literacy-Aktivitäten . . . . . . . . . 230 Tab. 4 Datenbeispiele der Kategorie Fiktions- und Rollenspiele . . . . 237 Tab. 5 Datenbeispiele der Kategorie Organisatorisch-pflegerische Tätigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241 Tab. 6 Datenbeispiele der Kategorie Funktions- und Übungsspiele . . 244 Tab. 7 Datenbeispiele der Kategorie Gestalterisch-künstlerische Aktivitäten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 247 Tab. 8 Datenbeispiele der Kategorie Bewegungsspiele . . . . . . . . . . . . 251 Tab. 9 Datenbeispiele der Kategorie Musikalisch-rhythmische Aktivitäten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253 Tab. 10 Datenbeispiele der Kategorie Regelspiele . . . . . . . . . . . . . . . . . 256 Tab. 11 Datenbeispiele der Kategorie Konstruktionsspiele . . . . . . . . . . 258 Tab. 12 Datenbeispiele der Kategorie Nicht-kindgerichtete Aktivitäten 261 Tab. 13 Überblick über die Sozialformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 265 Giessener Beiträge zur Fremdsprachendidaktik Giessener Beiträge Giessener Beiträge zur Fremdsprachendidaktik ISBN 978-3-8233-8058-0 Seifert Früher Fremdsprachenerwerb im Elementarbereich Heidi Seifert Früher Fremdsprachenerwerb im Elementarbereich Eine empirische Videostudie zu Erzieherin-Kind-Interaktionen in einer deutsch-englischen Krippeneinrichtung Die Vorverlegung des Fremdsprachenerwerbs in den Elementarbereich ist eines der erklärten Ziele der europäischen Sprachenpolitik zur Förderung der individuellen Mehrsprachigkeit. Trotz der kontinuierlich steigenden Anzahl bilingualer Kitas in Deutschland fehlte es jedoch bislang an Studien, die die Spracherwerbsbedingungen in den nach der Immersionsmethode arbeitenden bilingualen Einrichtungen explizit untersuchen. Die Studie leistet einen Beitrag zur Aufarbeitung dieses Desiderats, indem Erzieherin-Kind-Interaktionen aus einer interaktionistisch-soziokulturellen Perspektive auf den Spracherwerb beleuchtet und mittels eines videobasierten und mehrschrittigen Forschungsdesigns in einer deutsch-englisch bilingualen Krippe untersucht wurden. Die Erkenntnisse der Studie lassen sowohl Aussagen über die Rahmenbedingungen als auch über die konkrete sprachliche Ausgestaltung der Interaktionsprozesse zu und unterstreichen die Bedeutung sprachlicher Interaktion für den frühkindlichen bilingualen Spracherwerb.