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Praeconia Maeonidae magni

2016
978-3-8233-9060-2
Gunter Narr Verlag 
Peter Grossardt

Das Buch behandelt verschiedene Episoden aus der traditionellen Biographie Homers wie seine Dichterweihe, seinen Wettkampf mit Hesiod und seinen Tod nach verlorenem Rätselkampf, die aber in genau umgekehrter Reihenfolge besprochen werden. Schwerpunkte sind das eingehende Studium des 'Certamen Homeri et Hesiodi', das hier als Erneuerung der Troja-Sage aus dem Geiste der Sophistik interpretiert und hypothetisch Gorgias von Leontinoi zugewiesen wird, sowie die Geschichte von der Blendung und der Dichterweihe Homers am Grab des Achilleus (nach den Zeugnissen der 'Vita Romana' und der Platon-Scholien des Hermeias von Alexandria). Diese wird auf der Grundlage internationaler Parallelen - insbesondere aus dem mittelalterlichen Nordwesteuropa - als Leitmythos der Insel Lesbos aus dem 6. Jh. v. Chr. gedeutet. Abgerundet wird das Buch durch einen Anhang zur Behandlung der Episode von der Dichterweihe in den 'Silvae' des Angelo Poliziano und auf einem Gemälde des Pietro Testa, die wertvolle Zeugnisse für die Rezeption einer zu Unrecht vergessenen Episode aus dem Leben Homers darstellen.

Peter Grossardt Praeconia Maeonidae magni Studien zur Entwicklung der Homer-Vita in archaischer und klassischer Zeit L EIPZIGER S TUDIEN ZUR KLASSISCHEN P HILOLOGIE L eipziger S tudien zur kLaSSiSchen p hiLoLogie 10 Neubegründet von Ekkehard Stärk (†) und Kurt Sier Herausgegeben von Marcus Deufert, Ursula Gärtner und Kurt Sier Peter Grossardt Praeconia Maeonidae magni Studien zur Entwicklung der Homer-Vita in archaischer und klassischer Zeit Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http: / / dnb.dnb.de abrufbar. Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Gedruckt auf chlorfrei gebleichtem, säurefreiem, alterungsbeständigem und holzfreiem Werkdruckpapier. © 2016 · Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG Dischingerweg 5 · D-72070 Tübingen Internet: www.narr.de E-Mail: info@narr.de Printed in Germany ISSN 1862-2186 ISBN 978-3-8233-8060-3 gegen für Simeon Stampoulou Angelo Poliziano, ‚Ambra‘, V. 8-13 Cur ego non vocem hanc, aut si quid spiritus olim concipit egregium, si quid mens ardua conscit rarum insigne sibi, si quo se murmure iactat lingua potens, cur non totum in praeconia solvam Maeonidae magni, cuius de gurgite vivo combibit arcanos vatum omnis turba furores? Warum soll ich nicht diese Stimme, oder wenn mein Herz einmal etwas Außerordentliches erfasst, wenn mein erhabener Geist sich einer herausragenden seltenen Gabe bewusst wird, wenn meine mächtige Zunge sich eines Dröhnens rühmt, warum soll ich dann nicht all dies in den Lobpreis des großen Maeonides legen, aus dessen lebendigem Quell die ganze Schar der Dichter das verborgene Rasen trinkt? Vorwort Die hiermit der Öffentlichkeit übergebene Arbeit, die den bestechenden Grundgedanken Felix Jacobys zur unterschiedlichen Herkunft der verschiedenen Motive der traditionellen Homer-Vita 1 in einigen ausgewählten Punkten näher erhellen möchte, ist auch ihrerseits aus höchst unterschiedlichen Quellen gespeist und versucht Fragen der Homer-Rezeption mit Aspekten der griechischen Ethnogenese und Regionalgeographie und mit solchen der vergleichenden Erzählforschung und der allgemeinen Religionsgeschichte zu kombinieren. Konkretes Forschungsobjekt ist damit, wie schon in mehreren vorangegangenen Arbeiten aus meiner Feder, die frühgriechische literarische Tradition, für die uns meist nur eine sehr spärliche Dokumentation vorliegt. Mein methodischer Standpunkt war dabei stets der, dass diese Dürftigkeit oder Unsicherheit der Quellen nicht zu Resignation führen darf, sondern eine Aufforderung dazu sein muss, auf dem Weg sorgfältiger Hypothesenbildung ein möglichst konkretes Bild von den Verhältnissen im frühen Griechenland zu entwerfen. Kritik an solchen Modellen ist jederzeit legitim, sie sollte sich aber Rechenschaft geben über die Gründe, die den Verfasser zu einer bestimmten These veranlasst haben, und sie sollte immer auch die eigene konkurrierende These einer kritischen Betrachtung unterziehen und überprüfen, wie gut diese These in unser Gesamtbild der frühgriechischen Tradition bzw. einzelner Bereiche daraus hineinpasst. Dass die Homer-Viten ein besonders dorniges Forschungsgebiet sind und dass daher immer nur möglichst gute Annäherungen an die historische Wahrheit zu erhoffen sind, wurde auch mir mit fortschreitender Arbeitsdauer zunehmend deutlich. Die antiken Nachrichten zum Leben Homers - die (etwas anderen) praeconia Maeonidae magni, von denen dieses Buch handeln wird 2 - waren lange Zeit eher ein Stiefkind der Homer-Philologie und wurden weniger als Forschungsgebiet eigenen Rechts betrachtet denn als subsidiäres Mittel zur Klärung sonstiger homerischer Fragen wie der nach der Herkunft der Epen oder derjenigen nach ihrer Datierung 3 . Ausnahmen von dieser Tendenz 1 Jacoby 1933. 2 Die Formulierung ist übernommen aus der ‚Ambra’ des Angelo Poliziano, V. 8-13; cf. das Zitat der Verse und die beigegebene Übersetzung auf dem Widmungsblatt sowie den unten angefügten Anhang mit der Darstellung von Homers Dichterweihe am Grab des Achilleus, welche Poliziano auf diese einleitenden Worte folgen lässt. 3 So programmatisch beklagt von Vogt 1959, 193 f. („Es ist der Klärung nicht immer förderlich gewesen, daß die bisherigen Untersuchungen im wesentlichen unter dem Gesichtspunkt der Glaubwürdigkeit der einzelnen Angaben des Certamens und im Hinblick auf die ‚Homerische Frage’ erfolgten und so jeweils den Standort des Verfassers in diesem Kernproblem der klassischen Philologie spiegelten bzw., wenn auch unbewußt, zum Ausgangspunkt nahmen.”). Vorwort VIII hatte es freilich immer schon gegeben, so insbesondere im eben genannten Artikel von Felix Jacoby aus den Dreißiger Jahren des letzten Jahrhunderts, und in den letzten zwanzig Jahren ließ sich eine eigentliche Renaissance dieser Forschungsrichtung beobachten, deren wichtigste Wegmarken ein Aufsatz von Martin L. West und eine Monographie von Barbara Graziosi waren, zu denen später - im Sinne einer Ausweitung des Forschungsthemas - noch eine Monographie von Maarit Kivilo zu den sonstigen griechischen Dichterviten hinzutrat 4 . Zudem besteht inzwischen an der Universität von Durham unter Graziosis Leitung ein umfangreiches Forschungsprojekt mit einem Team von Nachwuchswissenschaftlern, welches sich verschiedenen Spezialaufgaben auf diesem Forschungsfeld widmet („Living poets: a new approach to ancient poetry”). Die in diesem Zusammenhang entstandene Dissertation von Paola Bassino, ein Kommentar zum Certamen Homeri et Hesiodi, welcher noch nicht veröffentlicht ist 5 , konnte allerdings nicht mehr berücksichtigt werden, ebenso wie die Arbeit von Marie-Andrée Colbeaux, die im Jahre 2005 als Dissertation in Lille angenommen wurde, aber seither unveröffentlicht blieb 6 . Mündliche Darstellungen des am Ende dieses Buchs folgenden Kapitels zur Dichterweihe Homers am Grab des Achilleus konnte ich im Frühling 2013 in kurzen Abständen vor verschiedenen Hörergruppen in Leipzig und München sowie an der Großen Mommsen-Tagung in Göttingen vortragen. Mein freundlicher Dank gilt allen, die sich an den nachfolgenden Diskussionen beteiligten, für ihre bald kritischen, bald weiterführenden Beiträge, denen ich, so gut ich konnte, in der nachfolgenden Ausarbeitung Rechnung getragen habe. Schließlich gilt mein herzlicher Dank für fruchtbare Diskussionen und für die Aufnahme der Arbeit in die ‚Leipziger Studien zur Klassischen Philologie’ den Herausgebern der Reihe, Herrn Professor M. Deufert, Frau Professor U. Gärtner und Herrn Professor K. Sier, mein Dank für wertvolle Hilfe in sprachwissenschaftlichen Fragen Herrn Dr. C. Búa (Institut für Romanistik, Leipzig), der Dank für manche erhellende Erörterung zwischen Tür und Angel meinen Institutskollegen, Frau Dr. E. Fantino und Herrn MA J. Schollmeyer. Nicht zuletzt danke ich aber auch den Mitarbeitern des Gunter Narr Verlags in Tübingen für die sorgsame Betreuung des Manuskripts, insbesondere Herrn T. Bub und Frau K. 4 West 1999; Graziosi 2002; Kivilo 2010. Ebenfalls der gesamten biographischen Tradition diente die Studie von M. R. Lefkowitz, die nach einer Erstauflage von 1981 im Jahre 2012 in überarbeiteter Form erschien und die einzelnen Dichter bzw. die auf sie bezogenen Traditionen jeweils in kurzer Form vorstellt. 5 Paola Bassino, Certamen Homeri et Hesiodi: introduction, critical edition and commentary, Dissertation Durham 2013. 6 Marie-Andrée Colbeaux, Raconter la vie d’Homère dans l’Antiquité: édition commentée du traité anonyme ‚Au sujet d’Homère et d’Hésiode, de leurs origines et de leur joute’ et de la ‚Vie d’Homère’ attribuée à Hérodote, Dissertation Lille 2005. Vorwort IX Burger. Die Verantwortung für Fehler, die in der Schlussfassung des Buches stehengeblieben sein mögen, bleibt selbstverständlich allein bei mir. Gewidmet sei die Arbeit dem griechischen Freund, der mir mehrfach gastfreundliche Aufnahme in Eressos, dem Geburtsort der Sappho an der Südwestseite von Lesbos, gewährte, mir damit an klaren Sommertagen einen Blick über die Ägäis auf die Silhouette von Chios ermöglichte und mich auf diese Weise den Antagonismus zwischen Chios und Lesbos, von dem in dieser Arbeit so oft die Rede sein wird, hautnah erleben ließ. Leipzig, Ende August 2016 Hinweise zur Benützung Die Homer-Viten und das ‚Certamen Homeri et Hesiodi’ sind im folgenden nach den Paragraphen in der Ausgabe von Allen 1912a zitiert. Wo Allen keine Paragraphen gibt, sind die Paragraphen bei von Wilamowitz-Moellendorff 1916a genannt, wo auch Wilamowitz auf eine Einteilung in Paragraphen verzichtet, die Paragraphen bei West 2003. Stets angegeben sind aber zur leichteren Auffindung die Seiten- und Zeilenzahlen in den beiden Ausgaben von Allen und Wilamowitz, worauf nur für die ‚Vita’ des Ps.- Herodot verzichtet wurde, weil dort bereits Allen die Einteilung in Paragraphen gibt. Sonderfälle schließlich sind die Homer-Viten Ps.-Plutarchs, die nach Kindstrand 1990 zitiert werden, die Homer-Vita des Proklos, für welche neben den Seitenzahlen von Allen und Wilamowitz auch diejenigen von Severyns 1963 genannt werden, und die Homer-Vita des Hesychios von Milet, die in der ‚Suda’ erhalten ist und daher nach der Edition von Adler 1933 angeführt wird (ergänzt durch die Paragraphen von West 2003). Die Zählung der anonymen Viten folgt dem System von Allen (‚Vita 4’ = ‚Vita Scorialensis 1’, ‚Vita 5’ = ‚Vita Scorialensis 2’); nur die ‚Vita Romana’ (= ‚Vita 6’ Allen) wird auch tatsächlich unter diesem Namen angeführt. Um der komparatistischen Ausrichtung der Arbeit, die insbesondere in Kapitel 4 bemerkbar sein wird, gerecht zu werden, sind im folgenden sämtliche Primärtexte auch (oder nur) in deutscher Übersetzung gegeben, wobei die griechischen und lateinischen Exzerpte vom Verfasser selbst übersetzt wurden, während für die skandinavischen und keltischen Texte diejenigen Übersetzungen konsultiert und zitiert wurden, die in der Bibliographie in der jeweiligen Rubrik genannt sind. Griechische Autoren und Texte sind nach dem Abkürzungssystem des griechisch-englischen Wörterbuchs von LSJ (= H. G. Liddell, R. Scott, A Greek-English Lexicon, revised and augmented throughout by Sir Henry Stuart Jones with the assistance of R. McKenzie, with a supplement, Oxford 1968; Revised supplement, edited by P. G. W. Glare, with the assistance of A. A. Thompson, Oxford 1996) angeführt. Um aber insbesondere fachfremden Lesern keine Rätsel aufzugeben, sind folgende Abweichungen von diesem System vorgenommen worden: Ael. Aristid. = Aelius Aristides; Aisch. = Aischylos; Anth. Pal. = Anthologia Palatina; Apoll. Rhod. = Apollonios von Rhodos; Aristoph. = Aristophanes; Bakch. = Bakchylides; Diod. Sic. = Diodor von Sizilien; Diog. Laert. = Diogenes Laertios; Dion. Hal. = Dionysios von Halikarnassos; Eur. = Euripides; Pind. = Pindar; Plat. = Platon; Plut. = Plutarch; Polyb. = Polybios; Quint. Smyr. = Quintus von Smyrna; Soph. = Sophokles; Steph. Byz. = Stephan von Byzanz; Strab. = Strabon; Thuc. = Thukydides; Xen. = Xenophon. Hinweise zur Benützung XII Lateinische Texte und Inschriften sind nach dem Muster des ‚Index librorum’ des ‚Thesaurus Linguae Latinae’ (2. Aufl., Leipzig 1990) zitiert, ikonographische Zeugnisse nach LIMC (= Lexicon Iconographicum Mythologiae Classicae, München - Zürich 1981-1999), wissenschaftliche Zeitschriften in der abschließenden Bibliographie nach dem Muster der ‚Année Philologique’. Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung ............................................................................................ 1 2. Der Tod des Dichters auf der Insel Ios .......................................... 7 3. Die Erzählung vom Dichterwettstreit zwischen Homer und Hesiod und die Frage nach ihrem Verhältnis zur ‚Vita Herodotea’ ......................................................................................... 27 3.1. Das Sprachspiel mit den Pferdenacken im ‚Certamen’ und im ‚Frieden’ des Aristophanes, die intertextuelle Natur beider Texte und die Frage nach der Priorität ...........................................................29 3.2. Die Behandlung des Dichterwettstreits bei Plutarch und die Frage nach der Entstehung und Entwicklung des Motivs ...........................51 3.3. Das Wechselgespräch zwischen Homer und Hesiod als Darstellung der Troja-Sage...............................................................67 3.4. Die Frage nach der Entstehungszeit und dem Entstehungsort des ‚Certamen’, die Frage nach dem Verhältnis zwischen dem ‚Certamen’ und der ‚Vita Herodotea’ und diejenige nach der Person seines Verfassers ..................................................................74 3.4.1. Die Frage nach der Entstehungszeit und dem Entstehungsort des ‚Certamen’ .........................................................................................75 3.4.2. Die Frage nach der Entstehung, der Urheberschaft und dem literarischen Charakter der ‚Vita Herodotea’..............................................85 3.4.2.1. Der literarische Charakter der ‚Vita Herodotea’ als Rezeption der ‚Odyssee’ und als Parodie auf die ‚Historiai’ des Herodot ..................... 85 3.4.2.2. Der Aufenthalt Homers auf Chios, die motivischen Bezüge zur Lokaltradition von Kyme und die Frage nach dem Verfasser der ‚Vita’.......................................................................................................... 92 3.4.2.3. Mögliche Einwände gegen die Zuweisung der ‚Vita Herodotea’ an Hippias....................................................................................................... 97 3.4.2.4. Die (wahrscheinliche) Rezeption der ‚Vita Herodotea’ bei Sophokles und Kallimachos ...................................................................107 3.4.3. Die Frage nach dem Urheber des ‚Certamen Homeri et Hesiodi’...............................................................................................113 4. Die Blendung und Dichterweihe Homers am Grab des Achilleus ........................................................................................127 4.1. Die Dichterweihe Homers am Grab des Achilleus und die Übertragung des Motivs auf die Lebensbeschreibung des Apollonios von Tyana...........................................................................127 Inhaltsverzeichnis XIV 4.2. Die Parallelerzählungen im nordwesteuropäischen Raum und die Frage nach der Funktion und der originalen Form des Erzähltypus .....................................................................................138 4.2.1. Die Parallelerzählungen im nordwesteuropäischen Raum und die Frage nach ihrer Beziehung zur Legende vom Besuch Homers am Grab des Achilleus..........................................................................................139 4.2.2. Die Frage nach der gesellschaftlichen Funktion des Erzähltypus der Dichterweihe und die Frage nach der originalen Form des Erzählmusters ........................................................................................151 4.3. Die Frage nach dem Alter der Legende und die nach dem Ort ihrer Entstehung ....................................................................................156 4.3.1. Die Frage nach dem Alter der Legende und nach ihrer Abhängigkeit von den homerischen Epen ........................................156 4.3.2. Die Frage nach dem Entstehungsort der Legende ...........................165 4.4. Die Frage nach der Bedeutung der Legende für die Mentalitätsgeschichte Griechenlands in archaischer Zeit ...............187 4.4.1. Die Opposition zwischen den ionischen und den äolischen Ansprüchen auf die Person Homers ..................................................187 4.4.2. Die homerischen Epen zwischen Mündlichkeit und Schriftlichkeit und die Bedeutung der Legende für die Entwicklung des Dichtungsverständnisses in archaischer Zeit ....................................197 4.4.3. Die Erzählung von der Blendung Homers am Grab des Achilleus als charter myth aus Lesbos ...................................................................206 5. Schluss . .................................................................................................209 Appendix: Die Dichterweihe Homers am Grabhügel des Achilleus in der italienischen Tradition von Renaissance und Klassizismus (Angelo Poliziano, Pietro Testa) ......................................................221 Bibliographie 1. Primärliteratur (und davon abgeleitete Übersetzungen und Zusammenfassungen) a) Griechische Texte .................................................................................233 b) Lateinische Texte aus der Zeit der italienischen Renaissance.......237 c) Die nordwesteuropäische Tradition .................................................237 d) Texte aus östlichen Kulturkreisen .....................................................239 2. Sekundärliteratur (und Querverweise zur Primärliteratur) .........240 Inhaltsverzeichnis XV Indices 1. Namen und Sachen .............................................................................267 2. Stellenindex ..........................................................................................276 3. Ikonographisches.................................................................................298 1 Einleitung Den vielleicht wichtigsten Markstein im modernen Studium der antiken Homer-Viten setzte ein langer und dennoch sehr verdichteter Aufsatz von Felix Jacoby aus dem Jahre 1933, in welchem er sich mit den Schlusskapiteln aus Ulrich von Wilamowitz-Moellendorffs Buch zur ‚Ilias’ auseinandersetzte. Hatte Wilamowitz die antiken Traditionen gewissermaßen beim Wort genommen und als Reflex einer tatsächlichen Dichterbiographie verstanden, also der Lebensgeschichte eines kleinasiatischen Dichters, den er mit dem Verfasser der ‚Ilias’ gleichsetzte 1 , so zeigte Jacoby zwar Sympathie für diese frühe Datierung der ‚Ilias’ und für ihre Zuweisung an den ostionischen Raum, mochte aber in den antiken Homer-Viten keine echte biographische Tradition erkennen und sah sich auch außerstande, die verwirrende Vielfalt der Nachrichten auf eine einheitliche Konzeption zurückzuführen 2 . Stattdessen liege hier ein Konglomerat von schon früh formulierten Einzelgeschichten und Einzelansprüchen vor, die von den Rhapsoden des sechsten Jahrhunderts gesammelt und von den ersten Philologen des fünften Jahrhunderts nicht ohne erheblichen Zwang miteinander ausgeglichen worden seien 3 . Vorangegangen war Jacoby in diesen Bemühungen Gustav Wiemer, der in zwei Programmschriften aus den Jahren 1905 bzw. 1908 alle Motive aus den Homer-Viten gesammelt hatte, die mit hoher Wahrscheinlichkeit aus den homerischen Epen selbst abgeleitet sind, und die Entstehung dieser Traditionen bereits in vorklassischer Zeit im Am- 1 Von Wilamowitz-Moellendorff 1916b, 356-376 und 396-439; cf. besonders die Folgerung auf S. 373 („Wenn wir so viel als geschichtlich gelten lassen, so fällt die Lebenszeit dieses Homer mit der Entstehungszeit der Ilias zusammen, die vorhin bestimmt ist, sagen wir um 750, hundert Jahre vor Archilochos. Wenn die beiden unabhängig geführten Untersuchungen nicht in die Irre gegangen sind, so ist es nicht nur erlaubt, es ist beinahe notwendig, den Homer, den die biographische Tradition zeigt, mit dem Iliasdichter zu identifizieren.”). 2 Jacoby 1933; cf. besonders die methodische Abgrenzung von Wilamowitz auf S. 12 Anm. 3, die Formulierung der eigenen methodischen Prinzipien auf den S. 26-29 und die Folgerungen auf den S. 36 f. 3 Jacoby 1933, 26-29 (S. 26: „so besteht doch das was wir wissen aus lauter einzelnen Fakten offensichtlich ganz verschiedener Herkunft; aus lauter Einzelgeschichten Einzelansprüchen Polemiken Repliken und Dupliken”; S. 27: „er [sc. der Verfasser der Homer-Vita, die der erhaltenen ‚Vita Herodotea’ zugrunde liegt] zeichnete nicht etwa eine ihm irgendwie bekannt gewordene einheitliche Tradition auf, sondern er gab die erste Synthese aus vielen sich widersprechenden Einzeltraditionen und Erfindungen, zwang sie in der Art der ältesten Philologie, die keine Varianten duldete, sondern mit fast dichterischer Freiheit komponierte, rücksichtslos in einen einheitlichen Rahmen”). Jacobys methodischer Ansatz fand jüngst Nachfolge in einem Artikel von M. Kivilo (2011), die jedoch zu einer sehr hohen Datierung der lokalen Traditionen neigt und sie zum Teil sogar bis in die dark ages zurückführen will. Kapitel 1 2 biente regional gebundener Volkserzählungen verortet hatte 4 . Heute wird man sagen können, dass der Ansatz von Wiemer und Jacoby sich gegenüber Wilamowitz’ positivistischer Methode weitestgehend durchgesetzt hat: Joachim Latacz bezeichnete diesen Versuch der Rückführung der antiken Viten auf die tatsächliche Dichterbiographie plakativ als „Holzweg” 5 ; Jaume Pòrtulas datierte die Entstehung dieser Traditionen in archaische oder spätarchaische Zeit und verglich das bescheidene Milieu, in welches Homer in diesen Erzählungen gestellt wird, mit der Atmosphäre der frühen Gesellschaftssatire des ‚Margites’, mit der Lebensgeschichte eines Äsop und mit der Selbststilisierung des Jambendichters Hipponax 6 ; und Barbara Graziosi verdeutlichte in ihrer großangelegten Studie den modernen Ansatz gleich schon im Titel der Arbeit („Inventing Homer”) und führte diese rezeptionsorientierte Interpretationsmethode in der Einleitung ihres Buches weiter aus, wo sie darauf hinwies, dass sich aus den Homer-Viten nicht so sehr echte Lebensdaten, sondern vielmehr wichtige Informationen zum Textverständnis der jeweiligen Homerleser gewinnen ließen 7 . Hatten also mehrere Gemeinden aus dem ostionischen Raum wie insbesondere Chios und Smyrna schon früh ernsthafte Ansprüche auf den Dichter erhoben 8 , so stellt sich natürlich die Frage, auf welchem Weg diese Traditionen in die klassische Zeit gelangten und wie sie Eingang fanden in die Homer-Viten der Kaiserzeit, die uns heute vorliegen. Eine naheliegende 4 Wiemer 1905 und 1908, besonders 1908, 12. 5 Latacz 1989, 33 in Kritik an Schadewaldt 1942, 82-89 bzw. 1959, 62-67, der Wilamowitz’ Ansatz aufgegriffen und weitergeführt hatte (doch cf. die modifizierte Position in Latacz 2011 [unten Anm. 13]). 6 Pòrtulas 1994-1995. 7 Graziosi 2002, 2 f. („I maintain that ancient [and, indeed, modern] discussions of the figure of Homer can be seen as testimonies to the significance and meaning of the Homeric poems for specific audiences.”). 8 Die ältesten Belege für die Verbindung des Dichters mit Chios liegen vor im Homerischen Hymnos auf Apollon (V. 172 f.) und bei Simonides (Frg. 19 W. 2 und PMG 652 V). Das älteste explizite Zeugnis für die Herkunft aus Smyrna ist Pindar, der bereits einen Ausgleich mit den Ansprüchen von Chios versucht (Frg. 264 M. = Ps.-Plut. Vit. Hom. 2,2,1: Ὅµηρον τοίνυν Πίνδαρος µὲν ἔφη Χῖόν τε καὶ Σµυρναῖον γενέσθαι - „Pindar zwar sagte also, dass Homer sowohl aus Chios wie aus Smyrna stammte”); cf. Hillgruber 1994, 84, der jedoch annimmt, dass das genannte Zeugnis lediglich eine späte Zusammenziehung der in ‚Vita 5’ § 1 (V p. 247 l. 2-3 Allen = p. 29,5 von Wilamowitz- Moellendorff: Homer nach Pindar aus Smyrna stammend) bzw. in der ‚Vita Romana’ § 2 (V p. 250 l. 7-8 Allen = p. 30,25 von W.-M.: Homer nach Pindar aus Chios gebürtig) referierten Traditionen darstellt. Weitere frühe Zeugnisse für die Herkunft aus Smyrna sind Stesimbrotos von Thasos (FGrHist 107 F 22) und Euagon von Samos (FGrHist 535 F 2 = Frg. 2 Fowler). Eine Anspielung, die sogar Pindar noch vorangeht, liegt möglicherweise bei Asios von Samos (Test. 1 Bern. = Frg. 14 W. 2 ) vor, wie vertreten beispielsweise von Allen 1913, 23 f. bzw. 1924, 38 und Pòrtulas 1994-1995, 354 f.; doch cf. die Kritik an dieser Position bei von Wilamowitz-Moellendorff 1916b, 371 Anm. 1. Einleitung 3 Antwort ist, dass hierfür in erster Linie die Homeriden von Chios verantwortlich waren, also die Vertreter der dortigen Rhapsodengilde, von deren Vermittlungstätigkeit uns noch Isokrates (10,65) und Platon (R. 599 e 5-6) berichten 9 . Auffällig ist allerdings, dass manche Episoden aus dem Leben des Dichters und zwar gerade solche, die hier behandelt werden sollen, in den Homer-Viten kaum Beachtung finden oder ganz von ihnen ausgelassen sind, so beispielsweise die Geschichte vom Wettkampf Homers mit Hesiod, die in keiner antiken Homer-Vita aufgeführt ist 10 und stattdessen Gegenstand einer eigenen Tradition wurde, oder die Geschichte von der Erblindung des Dichters am Grab des Achilleus, die sich nur in einer antiken Vita findet. Dies muss bedeuten, dass diese Geschichten erst entstanden, als in Chios sich bereits ein fester Faktenkanon zum Leben Homers herausgebildet hatte, also frühestens um das Jahr 400 11 , oder dass diese Erzählungen unabhängig waren von den Traditionen aus Chios und vielleicht sogar in expliziter Opposition zu diesen standen. Mit einer Pluralität von Erzähltraditionen ist also auf jeden Fall zu rechnen, und diese Pluralität ist eben wieder ein Reflex des frühen Streits um die Herkunft Homers. Merkwürdig ist ja auch noch ein anderer Umstand: Die Sprache der beiden homerischen Epen weist auf das ionische Dialektgebiet im Westen Kleinasiens hin und dies ist auch der Raum, der namentlich dem Dichter der ‚Ilias’ besonders vertraut erscheint 12 . Dies wiederum scheint gut zusammenzupassen mit den Ansprüchen Smyrnas als Heimat des Dichters 13 . Doch waren diese Ansprüche, wie oben gezeigt, nicht unbestritten, und insbesondere der Name Homers weckt Zweifel daran, ob wir es wirklich 9 Cf. die klassischen Untersuchungen von Allen 1913, 24-26 bzw. 1924, 38-41 und von Wilamowitz-Moellendorff 1916b, 437-439, deren Resultate in neuerer Zeit bekräftigt wurden beispielsweise von Fairweather 1974, 249, Vogt 1991, 368 f., Pòrtulas 2000, 44, Graziosi 2002, 215 f. und West 2003, 311. 10 Lediglich bei Procl. Chr. Vit. Hom. § 6 (V p. 101,9-13 Allen = p. 27,14-19 von Wilamowitz-Moellendorff = p. 72 l. 54 p. 73 l. 58 Severyns) findet sich eine (negative) Bezugnahme auf das Motiv. 11 So geschlossen von West 1967, 441 für die Geschichte vom Wettkampf der beiden Dichterfürsten (in kritischer Auseinandersetzung mit Allen 1913, 24-26 bzw. 1924, 38-41 und Kirk 1950, 150, die für ein höheres Alter plädiert hatten). 12 Zum ionisch-äolischen Mischdialekt der homerischen Epen und zu möglichen Rückschlüssen daraus auf die Heimat des Dichters cf. Ruijgh 1995, 62 und 91 f. und Wachter 2007; zum geschilderten Ambiente, wie es sich insbesondere in den Gleichnissen und Paradeigmata der ‚Ilias’ zeigt, cf. West 1988, 165 und 172, Ruijgh 1996, 7 f. und Latacz 2011, 19 f. (unter Hinweis auf Il. 2,144-149; 2,459-468; 4,141-147; 9,4-8 und 24,602-617). 13 Insofern ist es auch nicht per se verfehlt, wenn Gauer 1996, 523-527 und Latacz 2011, 18 und 22 nun wieder versuchen, die biographische Tradition mit den linguistischen Beobachtungen zu vereinigen und Smyrna damit als tatsächlichen Herkunftsort wenigstens des Iliasdichters zu erweisen. Doch besteht mit Chios zumindest ein zweiter Pol, der ebenso starke Ansprüche auf den Dichter hatte wie Smyrna. Kapitel 1 4 mit einem echten Personennamen und demzufolge mit der tatsächlichen Bezeichnung eines realen Dichters aus Ostionien zu tun haben. Denn der Name scheint zusammengesetzt aus den Wurzeln ὁµ- und ἀρ- (also der Wurzel von ἀραρίσκω ) und damit denjenigen zu bezeichnen, der Liedteile zusammenfügt, könnte also als passender Name eines ionischen Dichters aus dem achten oder siebten Jahrhundert gelten 14 . Umgekehrt ist aber zu sagen, dass Ὅµηρος ein höchst ungewöhnlicher Personenname ist, der erst wieder seit dem dritten Jahrhundert v. Chr. bezeugt ist, und dass er in engster Verbindung steht mit dem Kollektivnamen der Homeriden, die sich als direkte Nachfahren oder mindestens als Nachfolger Homers auf Chios verstanden 15 . Das Studium ähnlicher Kollektivnamen zeigt aber, dass es sich wahrscheinlich nicht um ein echtes Patronymikon handelt, sondern einfach um einen Kollektivbegriff, zu dem nachträglich ein mythischer eponymer Ahnherr hinzuerfunden wurde 16 . Wenn dieses Resultat der modernen Sprachforschung korrekt ist, so bedeutet dies, dass wir uns nicht mehr über die polymorphe Gestalt der antiken Homer-Biographie zu wundern brauchen. Denn diese geht in diesem Fall nicht auf eine reale Person zurück - auch wenn die ‚Ilias’ unzweifelhaft von einem Dichter von sehr individuellem Gestaltungswillen herstammt - sondern hängt eben von einem Dichterbild ab, das von Anfang an von fiktiver Natur war und damit auch leicht verändert und den jeweiligen Gegebenheiten angepasst werden konnte 17 . Die folgende Studie soll daher aufzeigen, dass die Biographie Homers nicht erst im Hellenismus und in der Kaiserzeit mannigfaltigen Veränderungen unterworfen war, als Homer nacheinander zum Athener, Römer, Ägypter oder gar Babylonier erklärt wurde, sondern bereits in archaischer und klassischer Zeit, als verschiedene Gegenden des westlichen Kleinasien und der ägäischen Inselwelt den Dichter für sich in Anspruch nahmen und auch die Regionen des griechischen Mutterlandes bereits leidenschaftlich über ihn diskutierten oder ihn sogar zu einem Bestandteil ihres eigenen legendenhaften Erzählguts machten. Die Studie 14 So noch argumentiert von Janko 1998, 206. 15 So die berühmte Erklärung in den Scholien zu Pind. Nem. 2,1, III p. 29,9-18 Drachmann. 16 So Durante 1957 (S. 111: „... Omero non appartiene al periodo conclusivo della tradizione epica, ma è il capostipite di un γένος certo non meno vetusto di quella tradizione, un archegeta: e come tale va giudicato e interpretato al lume della sensibilità storica moderna, cioè un mito eziologico”), Nagy 1979, 297-300 und 1996, 74 f., Thesleff 1985, 310-312 (mit leicht abweichender Erklärung) und West 1999, 372-376; Vorläufer der These war Schwartz 1940, 8 f. 17 Cf. Foley 1998, der auf ähnliche mythische Dichtergestalten in Jugoslawien und in der Mongolei hinweist und auch für diese archetypischen Dichter Wesenszüge nachweisen kann, die wir in der traditionellen Homer-Biographie finden, wie die Armut und das unstete Wanderleben oder die Blindheit und die ungewöhnlichen Umstände des schließlichen Todes. Einleitung 5 wird sich dabei auf drei Stationen im Leben des Dichters konzentrieren, auf seine Blendung und Dichterweihe, auf seinen Wettkampf mit Hesiod und auf seinen Tod auf der Insel Ios. Aus Gründen der einfacheren Leserlenkung sollen diese drei Episoden aus dem Jugend-, Erwachsenen- und Greisenalter des Dichters hier aber nicht in dieser natürlichen Reihenfolge besprochen werden, sondern just im Krebsgang. 2 Der Tod des Dichters auf der Insel Ios Zu den festen Motiven in der Biographie Homers zählt die Episode seines Todes, der regelmäßig auf der kleinen Ägäis-Insel Ios lokalisiert wird 1 und dadurch zustandekommt, dass der greise Dichter sich von einer Gruppe von frechen Fischerjungen düpieren lässt, die ihm bei ihrer Rückkehr ans Ufer ein Rätsel vorlegen (‚was wir gefangen haben, haben wir zurückgelassen, was wir nicht gefangen haben, führen wir mit uns’, womit nicht Fische gemeint sind, sondern Läuse), das er nicht lösen kann, worauf er entweder aus Betrübnis über seine Unfähigkeit stirbt 2 oder aus Verärgerung und darob verursachter Unachtsamkeit auf dem feuchten Boden ausrutscht und nach drei Tagen seinen Verletzungen erliegt 3 . Vorbereitet ist diese Szene durch eine Weissagung des Orakels von Delphi, das Homer davor warnt, nach Ios, in das Land seiner Mutter, zu reisen, weil ihn dort der Rätselspruch der Fischerjungen und der nachfolgende Tod erwarte 4 . Dies wiederum passt zusammen mit der Nachricht, die bereits Bakchylides und danach Aristoteles und der wenig bekannte Historiker Timomachos überliefern, dass nämlich Homer aus Ios stamme bzw. dort von einer jungen Bewohnerin der Insel und einem Daimon aus dem Gefolge der Musen gezeugt worden sei 5 . Alles deutet also auf eine frühe Entstehung dieser Geschichte und ein glücklicher Zufall fügt es, dass bereits der Philosoph 1 Zur Ausnahme von Mart. Cap. 6,660, der den Tod des Dichters auf Naxos lokalisiert, cf. die Klärung von Usener 1998; zur Frage nach einem möglichen Grab Homers auf Chios cf. unten Anm. 84. 2 Ps.-Plut. Vit. Hom. 1,4,3 (= Arist. Frg. 76 Rose: ὅπερ οὐ δυνηθεὶς συµβαλεῖν Ὅµηρος διὰ τὴν ἀθυµίαν ἐτελεύτησε - „als er nicht imstande war, dies zu erraten, starb Homer vor Mutlosigkeit”); ‚Vita 4’ § 3, V p. 246 l. 17-19 Allen = p. 28,25-27 von Wilamowitz- Moellendorff ( διὰ λύπην ἀποκαρτερήσαντα - „sich vor Kummer zu Tode hungernd”); ‚Vita 5’ § 5, V p. 250 l. 46-47 Allen = p. 30,12-13 von W.-M. ( ἀπὸ θλίψεως - „vor Bedrückung”); ‚Vita Romana’ § 6, V p. 253 l. 57-59 Allen = p. 32,6-8 von W.-M. ( ἀµηχανίᾳ περιπεσόντα - „sich als hilflos erweisend”); Val. Max. 9,12 ext. 3. 3 So in P. Mich. 2754 (Zeilen 13-14), in ‚Certamen’ § 18 (V p. 238 l. 332-335 Allen = p. 45,4-7 von Wilamowitz-Moellendorff) und bei Procl. Chr. Vit. Hom. § 5 (V p. 100,22 - 101,1 Allen = p. 27,3-6 von W.-M. = p. 71 l. 41-44 Severyns). Wieder anders Ps.-Hdt. Vit. Hom. 36, wo der Dichter aus bloßer Altersschwäche stirbt und das zeitliche Zusammentreffen mit dem Rätsel der Fischerjungen als ein rein zufälliges hingestellt wird. 4 ‚Certamen’ § 5 (V p. 227 l. 54 p. 228 l. 62 Allen = p. 36,16-24 von Wilamowitz-Moellendorff); Ps.-Plut. Vit. Hom. 1,4,1-2 (= Arist. Frg. 76 Rose); Procl. Chr. Vit. Hom. § 5 (V p. 100,6-10 Allen = p. 26,20-24 von W.-M. = p. 69 l. 25 p. 70 l. 29 Severyns); Paus. 10,24,2; Steph. Byz. ι 74 Bill.; Anth. Pal. 14,65 und 14,66. 5 Bakchylides, Frg. 48 Maehler; Aristoteles, Frg. 76 Rose; Timomachos, FGrHist 754 F 2; cf. Marx 1925, 412 f., der annimmt, dass Aristoteles und Timomachos von Bakchylides abhängen und dass mit dem Daimon Apollon gemeint war. Kapitel 2 8 Heraklit um das Jahr 500 v. Chr. auf die Geschichte des Läuserätsels anspielt (Heraklit, 22 B 56 D.-K. = Frg. 21 Marcovich [= Hippolytos, Ref. 9,9,6]: ἐξηπάτηνται, φησίν, οἱ ἄνθρωποι πρὸς τὴν γνῶσιν τῶν φανερῶν παραπλησίως Ὁµήρῳ, ὃς ἐγένετο τῶν Ἑλλήνων σοφώτερος πάντων· ἐκεῖνόν τε γὰρ παῖδες φθεῖρας κατακτείνοντες ἐξηπάτησαν εἰπόντες· ὅσα εἴδοµεν καὶ ἐλάβοµεν, ταῦτα ἀπολείποµεν, ὅσα δὲ οὔτε εἴδοµεν οὔτ᾿ ἐλάβοµεν, ταῦτα φέροµεν. - „Heraklit sagt, dass die Menschen der Täuschung verfallen sind in Hinblick auf die Erkenntnis der sichtbaren Dinge, ganz so wie Homer, der weiser war als alle Griechen. Auch jenen nämlich täuschten Jungen, welche Läuse töteten und zu ihm sagten: ‚Was wir gesehen und gefangen haben, das lassen wir zurück, was wir aber weder gesehen noch gefangen haben, das tragen wir bei uns.’”) 6 . Sicher bezeugt ist somit allerdings nur, dass Heraklit das Läuserätsel kannte. Ob Homer bereits in dieser frühen Phase der Legende, so wie wir es später oft finden, die Fischerjungen seinerseits erst mit einer Bemerkung über ihre angebliche arkadische Herkunft zu ihrem Rätsel provozierte und ob diese Geschichte bereits zu Heraklits Zeit mit dem Tod Homers verbunden war, sind dagegen prinzipiell offene Fragen 7 . Umgekehrt lässt sich darauf hinweisen, dass Heraklit als Erkenntniskritiker eben vornehmlich an der Täuschung des weisen Dichters interessiert war und die anderen Elemente der Geschichte somit ohne weiteres weglassen konnte. Die folgenden Ausführungen wollen daher auf der Grundlage eingehenderer Motivvergleiche dafür plädieren, dass die Geschichte ein einheitliches Ganzes darstellt und seit ihrer Verbindung mit der Person Homers im wesentlichen dieselben Erzählmotive aufwies, die wir auch in nachklassischer Zeit immer wieder finden 8 . Was die anfängliche Äußerung Homers gegenüber den Fischerjungen angeht, so ist zunächst zu bemerken, dass die Äußerung dort, wo sie verzeichnet ist 9 , immer in Frageform erscheint und stets die Form eines Hexa- 6 Zur Resonanz dieses Fragments im sonstigen Werk des Philosophen und zu möglichen politischen Implikationen der Erzählung cf. De Martino 1983. 7 So das berechtigte ‚Caveat’ von Koniaris 1971b, 30 f. und 36 (unsichere Verknüpfung des Läuserätsels mit dem Scherz über Arkadien) bzw. von Kirk 1950, 155, O’Sullivan 1992, 85 Anm. 139 und 104 sowie Levine 2002/ 2003, 142 (unsichere Verknüpfung mit dem Motiv des Todes). 8 Unsere Darlegung soll also die Folgerung weiter stärken, die bereits von Wilamowitz-Moellendorff 1916b, 435 in knapper Form gezogen hatte („So bleibt doch das Einfachste, daß er [sc. Heraklit] die ganze Geschichte kannte ...”). 9 Die Äußerung fehlt, von Heraklit abgesehen, bei Ps.-Hdt. Vit. Hom. 35, in der ‚Vita Romana’ § 6 (V p. 253 l. 57-61 Allen = p. 32,6-10 von Wilamowitz-Moellendorff), bei Alkaios von Messene (Anth. Pal. 7,1), bei Val. Max. 9,12 ext. 3, in der Inschrift in der ‚Casa degli epigrammi’ (Epigr. Gr. 1105; Diehl 1930, 47 [Nr. 821e]) sowie möglicherweise im Pap. Mich. 2754 (abgedruckt bei Winter 1925, 125 f. und Kirk 1950, Tod des Dichters 9 meters annimmt. Varianten bestehen nur darin, dass Homer nach dem einen Traditionsstrang nach der Beute der arkadischen Jäger fragt ( ἄνδρες ἀπ᾿ Ἀρκαδίης θηρήτορες, ἦ ῥ᾿ ἔχοµέν τι; - „Männer von Arkadien, ihr Jäger, haben wir etwas gefangen? ”) 10 und nach dem anderen nach der Ausbeute der arkadischen Fischer ( ἄνδρες ἀπ᾿ Ἀρκαδίης ἁλιήτορες, ἦ ῥ᾿ ἔχοµέν τι; - „Männer von Arkadien, ihr Fischer, haben wir etwas gefangen? ”) 11 . Unabhängig davon, welche Variante nun die richtige bzw. die ältere ist, so weist Homers Frage jedenfalls in den Bereich der Jagd oder des damit verwandten Fischfangs, und dies dürfte nun die erste unserer beiden Fragen klären. Denn das Läuserätsel ist in praktisch identischer Form in einer Vielzahl von Kulturen belegt 12 und muss somit, da keine Abhängigkeit von der Homer-Legende ersichtlich ist 13 , traditionell gewesen sein 14 . Auffällig ist nun, dass die neuzeitlichen Beispiele fast regelmäßig im Bereich der eigentlichen Jagd angesiedelt sind. So etwa die Darstellung in einer Oxforder Handschrift aus dem fünfzehnten Jahrhundert (Ad silvas pergo venator cum cane quino. quod capio, perdo; quod fugit, hoc habeo. - „Ich gehe als Jäger zum Wald mit fünf Hunden. Was ich erwische, verliere ich; was mir entgeht, das habe ich.”) oder die in einem niederdeutschen Rätsel („Ein Jäger gäng up de Jagd: Wat hei finnen ded, smet hei weg, un wat hei nich finnen ded, dat behöll hei.” 15 ). Der Witz des Rätsels besteht somit zum einen in der paradoxen Wendung, dass Jagderfolg (capio) hier mit Verlust (perdo) gleichgesetzt wird und Misserfolg auf der Jagd (fugit) mit Beutebesitz (habeo), also letztlich darin, dass sich die beiden Teilsätze nur auf die entdeckten bzw. unentdeckten Läuse beziehen lassen und nicht auf tatsächliche Beutetiere; er besteht aber zum anderen genauso sehr darin, dass diese Jagdparodie vor den Hintergrund der richtigen Jagd mit ihren sinnvolleren Spielregeln gestellt ist. Genau dies ist nun auch der Fall bei unseren Fischerjungen von Ios, und dass hier eine erfolglose Jagd auf Fische einer zumindest partiell erfolgreichen Jagd auf Läuse gegenübergestellt ist, scheint ganz im Sinne des traditionellen Rätsels zu sein, das offenbar hu- 151); cf. die Analyse des Papyrus bei Koniaris 1971b, 37. Lediglich eine freie Wiedergabe der Frage zeigt Ps.-Plut. Vit. Hom. 1,4,3. 10 ‚Certamen’ § 18 (V p. 238 l. 326 Allen = p. 44,31 von Wilamowitz-Moellendorff); Procl. Chr. Vit. Hom. § 5 (V p. 100,16 Allen = p. 26,30 von W.-M. = p. 70 l. 35 Severyns). 11 ‚Vita 4’ § 3 (V p. 246 l. 20 Allen = p. 28,28 von Wilamowitz-Moellendorff); ‚Vita 5’ § 5 (V p. 249 l. 40 Allen = p. 30,6 von W.-M.); Anth. Pal. 9,448,1. 12 Thompson 1955-1958, Motiv H 583.3. 13 Dies gilt selbst für den spätantiken Beleg des Rätseldichters Symphosius (Anth. Lat. 286,30 Riese = 281,30 SB). 14 Cf. Ohlert 1912, 31 f., de Vries 1928, 132 und Levine 2002/ 2003, 142, wo die genauen Referenzen zu den im folgenden genannten Beispielen gegeben sind. 15 Aus Rücksicht auf nicht-deutschsprachige Leser sei hier eine hochdeutsche Übersetzung des Rätsels versucht: „Ein Jäger ging auf die Jagd: Was er fand, das schmiss er weg, und was er nicht fand, das behielt er.” Kapitel 2 10 moristischen Trost bieten will für Jäger, die ihre eigentlichen Jagdziele nicht nach Wunsch erreicht haben. Die Kombination von Jagd und Jagdparodie, die unsere Geschichte vom Tod Homers bietet, war also traditionell und kann somit nur als Ganzes auf die Biographie des Dichters übertragen worden sein. Wiederum fällt aber auf, dass in den neuzeitlichen Beispielen die Geschichte entweder - wie in der Oxforder Handschrift - in der Ich-Form erzählt ist oder - wie im niederdeutschen Rätsel - in der dritten Person, während sie in der Biographie Homers zu einem Dialog zwischen zwei Parteien aufgelöst ist. Im weiteren fällt auf, dass das Motiv im Falle Homers - vom genannten Aphorismus Heraklits abgesehen - regelmäßig mit dem Tod des Protagonisten verknüpft ist, während wir in den sonstigen Belegen zum Läuserätsel nichts dieser Art lesen. Doch scheint genau dies nun die Erklärung für die Auflösung unserer Episode zu einem Dialog zu sein. Denn Homer beginnt, wie gesagt, mit einer Frage an die Fischerjungen, die in die Form eines Hexameters gekleidet ist, und diese antworten darauf mit einem Rätsel, das ebenfalls hexametrisch gehalten ist und einer sehr uniformen Formulierung folgt ( ὅσσ᾿ ἕλοµεν λιπόµεσθα, ὅσ᾿ οὐχ ἕλοµεν φερόµεσθα. - „Was wir erwischt haben, haben wir zurückgelassen, was wir nicht erwischt haben, tragen wir bei uns.”) 16 . Es handelt sich also um einen Wettstreit zweier Dichter, der mit dem Tod der unterlegenen Partei endet, und dies ist ein gebräuchliches Erzählmotiv, das in der frühgriechischen Dichtung immer wieder zu beobachten ist und insbesondere mit verschiedenen Formen der Rätselstellung verknüpft ist. Wenn wir jedoch zunächst noch für einen Moment bei Homer bleiben, so scheint die Frage, die der Dichter an die Fischerjungen richtet, nie eine echte Frage zu sein, da Homer sich immer völlig im klaren darüber scheint, dass die Jungen eben keine Beute von ihrem Fischzug mit nach Hause bringen. Dies wird sehr deutlich gesagt von Ps.-Plutarch (Vit. Hom. 1,4,3: ἔνθα ἐπὶ πέτρας καθεζόµενος ἐθεάσατο ἁλιεῖς προσπλέοντας, ὧν ἐπύθετο εἴ τι ἔχοιεν. οἱ δὲ ἐπὶ τῷ θηρᾶσαι µὲν µηδέν, φθειρίσασθαι δὲ διὰ τὴν ἀπορίαν τῆς θήρας οὕτως ἀπεκρίναντο ... - „Auf einem Felsen sitzend erblickte er dort Fischer, die heransegelten, und fragte sie, ob sie etwas gefangen hätten. Die aber, weil sie nichts erbeutet, sich selbst aber entlaust hatten, antworteten in Ermangelung einer Jagdbeute folgendermaßen ...”), obwohl es seinem vorangehenden Bericht von der Erblindung des Dichters (Vit. Hom. 1,2,3) widerspricht. Doch scheint die Implikation überall dieselbe zu sein, wie sich insbesondere aus der gönnerhaften Wir-Form der Frage ( ἦ ῥ᾿ ἔχοµέν 16 Beispielsweise ‚Certamen’ § 18 (V p. 238 l. 328 Allen = p. 44,33 von Wilamowitz- Moellendorff). Andere Zeugen weisen geringfügige Abweichungen im Text auf, Ps.- Hdt. Vit. Hom. 35 zeigt außerdem neben der metrischen Variante auch noch eine Prosafassung. Tod des Dichters 11 τι; ) ergibt, und Proklos tut in seiner ‚Chrestomathie’ den konsequenten Schritt, diese Szene ( καθεζόµενον δὲ ἐπί τινος ἀκτῆς, θεασάµενον ἁλιεῖς προσειπεῖν αὐτοὺς καὶ ἀνακρῖναι τοῖσδε τοῖς ἔπεσιν ... - „an einem Ufer sitzend, soll er Fischer gesehen haben und sie angesprochen haben, indem er sie mit folgendem Vers fragte ...”) mit einem Protest gegen die allgemeine Auffassung von der Blindheit des Dichters zu verbinden ( τυφλὸν δὲ ὅσοι τοῦτον ἀπεφήναντο, αὐτοί µοι δοκοῦσι τὴν διάνοιαν πεπηρῶσθαι - „diejenigen aber, die versicherten, dass er blind gewesen sei, scheinen mir selber in ihrem Verstand geblendet zu sein” 17 ). Es scheint also, dass die Erzählung letzten Endes aus einem Traditionsstrang stammt, in welchem Homer nicht als blind galt 18 , aber denkbar ist auch, dass er in der Originalversion von Umstehenden gehört hatte, wie es um die Beute der Fischerjungen steht. Jedenfalls zeigen alle Darstellungen der Episode Fischerjungen, die sofort zum (verbalen) Gegenangriff übergehen, und dies kann nur bedeuten, dass sie sich ihrer Schande als erfolgloser Fischer nur zu sehr bewusst sind und wissen, warum der alte Mann diese Frage stellt. Die konkrete Anrede der Fischerjungen als Arkader hat früheren Interpreten einige Schwierigkeiten bereitet, was bisweilen zu textkritischen Emendationsversuchen oder zu komplizierten Entstehungshypothesen führte 19 . Doch haben G. S. Kirk und G. L. Koniaris schon vor einiger Zeit darauf hingewiesen, dass es sich hierbei um einen Scherz Homers handelt, der die Fischerjungen von Ios, also Abkömmlinge einer seit je maritim ausgerichteten Gesellschaft, mit dieser Anrede in neckischer Weise auf ihren offensichtlichen Misserfolg als Fischer hinweisen möchte und sie eben zu diesem Zweck mit typischen Bergbewohnern vergleicht, bei denen solcher Misserfolg nicht verwunderlich wäre 20 . Die Priorität zwischen θηρήτορες und ἁλιήτορες scheint nicht zu klären: θηρήτορες würde auf den Ruhm der Arkader als Jäger in ihren Berggebieten hindeuten, wie er sich insbesondere im mythologischen Jägerpaar Atalante und Meilanion manifestierte 21 , und ist durch die obengenannten internationalen Motivparallelen des Läuserätsels gestützt, die zeigen, dass die Herkunft des Motivs in 17 Procl. Chr. Vit. Hom. § 5 bzw. 6 (V p. 100,13-15 und p. 101,3-4 Allen = p. 26,27-29 und p. 27,8-9 von Wilamowitz-Moellendorff = p. 70 l. 32-34 und p. 72 l. 47-48 Severyns). 18 Dass jedenfalls Heraklit in seiner Darstellung des Läuserätsels den Dichter als sehend auffasste, vertritt plausibel Latacz 2011, 5 f. 19 Schmidt 1875, 98-105; Köchly 1881, 222; Ludwich 1916, 222. 20 Kirk 1950, 160-162 und Koniaris 1971b, 30-36 (unbefriedigend die Rückkehr zu den älteren Hypothesen bei Lambin 2011, 134). 21 Cf. ihre Abbildung als Teilnehmer an der Kalydonischen Jagd auf der François-Vase (LIMC Atalante Nr. 2 = LIMC Meilanion Nr. 2; um 570 v. Chr.), ihre Abbildung auf der Kypselos-Lade (Paus. 5,19,2 = LIMC Atalante Nr. 43 = LIMC Meilanion Nr. 9; Mitte des 6. Jh.s v. Chr.) und die Anspielung auf die beiden bei Thgn. 1287-1294 (nach der Interpretation von Burckhardt 1932, 1564). Kapitel 2 12 Gesellschaften zu suchen ist, für die die Jagd von hoher Bedeutung war. ἁλιήτορες verschärft dagegen die Paradoxie der Anrede noch und lässt deutlicher den metatextuellen Hinweis auf die Schilderung der Arkader im homerischen Schiffskatalog zu, wo hervorgehoben ist, wie wenig maritime Erfahrung die Arkader haben (Hom. Il. 2,614: ἐπεὶ οὔ σφι θαλάσσια ἔργα µεµήλει - „da sie nicht mit der Seefahrt befasst waren”) 22 . Beide Varianten verweisen auf das sechste Jahrhundert als wahrscheinliche Entstehungszeit der Episode, weil gerade in dieser Zeit die Hinweise auf die arkadischen Jäger besonders prominent sind 23 und weil Motivübernahmen aus den homerischen Epen in die Vita des Dichters eben seit diesem Jahrhundert gehäuft auftreten 24 . Der Dichter gibt den Fischerjungen mit ihrer Bezeichnung als Arkader also ein kleines Rätsel auf und die erwartbare Reaktion wäre entweder, dass sie das Rätsel nicht lösen können und auf diese Weise eine gleich doppelte Niederlage bekennen müssen (sc. keine Fische gefangen zu haben und auch ein darauf bezogenes Rätsel nicht lösen zu können), oder dass sie den Scherz verstehen und seine Lösung durch eine Paraphrase aufdecken 25 , aber auch damit eine doppelte Niederlage bekennen müssen, denn das Faktum, dass sie nichts gefangen haben und dass Homer dies mit einem kleinen Rätselwort auf den Punkt gebracht hat, bleibt auch so bestehen. Stattdessen antworten die Jungen mit einem Gegenrätsel 26 , dessen Brillanz eben darin besteht, dass es nicht nur schwer zu lösen ist, sondern auch eine Anknüpfung an das ursprüngliche Rätsel Homers bietet, dass also die Begriffe der Jagd und des Fangs hier eine semantische Verschiebung vom ernsten Thema des Fischfangs auf das komische Thema des Läusefangs erfahren. Die Fischerjungen erweisen sich so zuletzt nicht nur als Sieger im Wettstreit der Worte, sondern überhaupt als brillante Wortkünstler und Dialektiker. Somit ist unbedingt davon auszugehen, dass Homer nach dem ursprünglichen Sinn der Geschichte aus Verärgerung über 22 Cf. Kirk 1950, 162; Kritik an dieser Rückführung auf das homerische Epos übt Koniaris 1971b, 32 f., doch erlaubt sich auch Philostr. Her. 23,14-15 eine scherzhafte Aufnahme dieser Passage des Schiffskatalogs (cf. die Bemerkungen bei Grossardt 2006, 473), und es ist ohne weiteres denkbar, dass solcher Humor auch schon sehr viel früher aufkam. 23 Cf. die in der vorletzten Anmerkung gegebenen Belege. 24 Dokumentiert in den Arbeiten von Wiemer 1905 und 1908 sowie unten in den Kap. 3.4.2.1, 4.3.1 und 5. 25 Etwa im Sinne von ‚Ja, du hast recht, wenn wir in Arkadien auf die Jagd gegangen wären, hätten wir mit unserer offensichtlichen Unfähigkeit im Fischfang dort vielleicht mehr Erfolg gehabt’ (als Antwort auf θηρήτορες ) oder ‚Ja, du hast recht, auch Arkader könnten sich, wenn sie einmal zum Fischfang aufs Meer fahren würden, nicht ungeschickter anstellen als wir gerade eben’ (als Antwort auf ἁλιήτορες ). 26 Dieser Charakter der Interaktion als Kombination von Rätsel und Gegenrätsel ist richtig erkannt von Kirk 1950, 161 f. Tod des Dichters 13 seine Niederlage und über seine Unfähigkeit als Rätsellöser stirbt und nicht, wie es die alternative Tradition will, durch einen Unfall oder durch eine Krankheit 27 . Wenn wir die Geschichte daher abstrakt betrachten, so liegt hier ein Rätsel oder eine Provokation von Person A an die Adresse von Person B vor, und Person B reagiert mit einem Gegenrätsel bzw. einer Gegenprovokation, worauf Person A nicht mehr adäquat reagieren kann und daher den Lebensmut verliert und bald darauf stirbt. Dieses Muster bzw. leichte Abwandlungen davon sind in der (früh-) griechischen Tradition mehrfach belegt, wenn auch nicht immer geradezu der Tod der unterlegenen Partei die Folge ist. Eine Erzählung, deren Alter und Herkunft schwer zu bestimmen ist, die aber unser Muster recht gut repräsentiert, ist die Geschichte vom Rätselwettkampf zwischen König Salomon von Jerusalem und König Eiromos von Tyros (Flavius Josephus, Contra Apionem 1,113-115 [= Jos. AJ 8,147- 149 = Dios, FGrHist 785 F 1]: ... τὸν δὲ τυραννοῦντα Ἱεροσολύµων Σολοµῶνα πέµψαι φασὶ πρὸς τὸν Εἴρωµον αἰνίγµατα καὶ παρ᾿ αὐτοῦ λαβεῖν ἀξιοῦν, τὸν δὲ µὴ δυνηθέντα διακρῖναι τῷ λύσαντι χρήµατα ἀποτίνειν. ὁµολογήσαντα δὲ τὸν Εἴρωµον καὶ µὴ δυνηθέντα λῦσαι τὰ αἰνίγµατα πολλὰ τῶν χρηµάτων εἰς τὸ ἐπιζήµιον ἀναλῶσαι. εἶτα δὲ Ἀβδήµουνόν τινα Τύριον ἄνδρα τά τε προτεθέντα λῦσαι καὶ αὐτὸν ἄλλα προβαλεῖν, ἃ µὴ λύσαντα τὸν Σολοµῶνα πολλὰ τῷ Εἰρώµῳ προσαποτῖσαι χρήµατα. - „... Man sagt, dass Salomon, der Herrscher über Jerusalem Rätsel zu Eiromos geschickt und auch von ihm welche gefordert habe; wer sie nicht erklären könne, müsse dem Lösenden Geld bezahlen. Als aber Eiromos eingewilligt habe und es nicht vermocht habe, die Rätsel zu lösen, habe er große Teile seines Vermögens für die Buße aufgewendet. Daraufhin aber habe Abdemunos, ein Mann aus Tyros, die vorgelegten Rätsel gelöst und andere aufgegeben, und Salomon, der sie nicht lösen konnte, habe dem Eiromos noch viel mehr bezahlt.”). Wenn hier auch gleich von Anfang an von Rätsel und Gegenrätsel die Rede ist, so ist doch unverkennbar, dass die Geschichte eine Entwicklung aufweist und zunächst Salomon als Herausforderer agiert und danach Eiromos zum Gegenangriff übergeht und schließlich obsiegt. Die Parallele zur Geschichte 27 So richtig Heldmann 1982, 70-72 und Hägg 2012, 144. Bezeichnend ist insbesondere, dass selbst Darstellungen, die den Dichter durch einen Sturz zu Tode kommen lassen, wie ‚Certamen’ § 18 (V p. 238 l. 332-335 Allen = p. 45,4-7 von Wilamowitz- Moellendorff) und Procl. Chr. Vit. Hom. § 5 (V p. 100,22 - 101,1 Allen = p. 27,3-6 von W.-M. = p. 71 l. 41-44 Severyns) dennoch auf den einstigen Orakelspruch von Delphi hinweisen und auf die Mutlosigkeit, die Homer deswegen nach seiner Wechselrede mit den Fischerjungen ergriffen habe (Procl. p. 100,22-24 Allen: οὕτω δ᾿ ἐκεῖνον ἀθυµήσαντα σύννουν ἀπιέναι τοῦ χρησµοῦ ἔννοιαν λαµβάνοντα - „da habe jener aber den Mut verloren und sei gedankenschwer weggegangen, weil er sich an den Orakelspruch erinnerte”). Kapitel 2 14 von Homer und den Fischerjungen besteht also darin, dass der Herausforderer sich mit seiner Provokation auf ein gefährliches Spiel einlässt und riskiert, dass sein Gegner sich der Herausforderung gewachsen oder mehr als gewachsen zeigt. Die Strafe, die er erleidet, ist dann umso höher, weil er ja erst durch seine Herausforderung den Wettstreit in Gang gebracht hatte. Diese typische Erzählform des Rätselwettkampfs, in welcher der Fragende zuletzt zum Verlierer wird, steht auch hinter der Geschichte vom Rätsel der Sphinx 28 . Denn die Sphinx agiert hier als Herausforderin, indem sie den Bürgern von Theben ihr Rätsel vom erst vier-, dann zwei- und zuletzt dreibeinigen Wesen vorlegt und nach falscher oder ungenügender Antwort ihren Blutzoll fordert 29 , muss aber nach der korrekten Antwort des Ödipus selber ihren Preis bezahlen und stürzt sich deswegen einen Abhang hinunter 30 . Möglicherweise war Ödipus in einer älteren Form der Geschichte noch nicht als Rätsellöser gesehen, sondern überwältigte die Sphinx mit physischer Kraft 31 . Seit dem fünften Jahrhundert liegen aber literarische Hinweise auf die Lösung des Rätsels durch Ödipus vor - noch zweifelhafte bzw. fragmentarische bei Pindar 32 , eindeutige dann bei den Tragikern 33 - und verschiedene Bildwerke weisen sogar in das sechste Jahr- 28 Mit dem Läuserätsel verglichen von Hess 1960, 33 f. und Lambin 2011, 183-187, die jedoch jeweils nur einen Teil des Musters beachten und daher die Parallelität in den Rollen (Sphinx ~ Homer; Ödipus ~ Fischerjungen) verkennen. Somit ist die Parallelisierung der Sphinx mit den Fischerjungen bei Hess ebenso verfehlt wie der Vergleich zwischen Ödipus und Homer bei Lambin, der deswegen auch zum falschen Schluss gelangt (Lambin S. 185), dass in der Geschichte vom Läuserätsel keine Entsprechung zum Selbstmord der Sphinx vorliege. 29 Diod. Sic. 4,64,3 ( παραγενοµένην εἰς τὰς Θήβας αἴνιγµα προτιθέναι τῷ δυναµένῳ λῦσαι, καὶ πολλοὺς ὑπ᾿ αὐτῆς δι᾿ ἀπορίαν ἀναιρεῖσθαι - „sie sei nach Theben gelangt und habe jedem das Rätsel vorgelegt, der sich anheischig machte, es zu lösen, und viele seien von ihr wegen ihrer Unfähigkeit getötet worden”); cf. auch Asklepiades von Tragilos, FGrHist 12 F 7b, Peisandros, FGrHist 16 F 10 und Paus. 9,26,2. 30 Diod. Sic. 4,64,4; Apollod. Bibl. 3,5,8 ( ἡ µὲν οὖν Σφὶγξ ἀπὸ τῆς ἀκροπόλεως ἑαυτὴν ἔρριψεν - „die Sphinx also stürzte sich von der Akropolis hinunter”); Hyg. fab. 67,5. 31 Wie von Robert 1915, 48-54 und Lowell 1981, 18-20 aus verschiedenen Bildwerken geschlossen. Allerdings datieren die sicheren Zeugnisse für diese Mythenvariante erst aus dem fünften Jahrhundert (LIMC Oidipous Nr. 75-77), sodass die Rückführung auf die ältere Zeit unsicher bleibt und eher von einem anhaltenden Nebeneinander der Varianten als von einer Priorität der Tötungsvariante auszugehen ist; cf. die Diskussion bei Krauskopf 1994, 12. 32 So der Hinweis auf die ‚Weisheit des Ödipus’ bei Pind. Pyth. 4,263 (von Wehrli 1957, 112 Anm. 19 als Anspielung auf die Rätsellösung verstanden; dagegen wendet sich Adorjáni 2013, 7 f., der die Stelle als Hinweis auf das Exil des Helden in Athen versteht) und der isolierte Vers von Pind. Frg. 177d M. ( αἴνιγµα παρθένοι᾿ ἐξ ἀγριᾶν γνάθων - „das Rätsel der Jungfrau aus den grausamen Kinnbacken” [sicherlich zu Recht auf das Rätsel der Sphinx bezogen von Werner 1967, 471, und dann dürfte auch der weitere Schluss auf den rätsellösenden Ödipus zulässig sein]). 33 Soph. OT 1198-1201 und Eur. Ph. 1504-1507. Tod des Dichters 15 hundert zurück 34 . Daher kann es als wahrscheinlich gelten, dass die vollständige Form der Erzählung mit Rätsel, Rätsellösung und Selbstmord der Sphinx bereits im archaischen Epos der ‚Oidipodie’ enthalten war 35 . Das beste Beispiel für unser Erzählmuster liegt in der pseudo-hesiodeischen ‚Melampodie’ vor 36 . Denn dort war geschildert, wie der Seher Kalchas auf seinem Heimweg von Troja nach Klaros im Westen Kleinasiens gelangte und dort mit seinem Seherkollegen Mopsos zusammentraf. Kalchas legte darauf Mopsos ein schwieriges Rätsel vor, nämlich die Frage nach der Anzahl der Feigen an einem bestimmten Feigenbaum, und als Mopsos überraschenderweise eine höchst präzise Antwort zu geben vermochte, starb Kalchas vor Kummer (Hes. Frg. 278 M.-W. = Strab. 14,1,27: λέγεται δὲ Κάλχας ὁ µάντις µετ᾿ Ἀµφιλόχου τοῦ Ἀµφιαράου κατὰ τὴν ἐκ Τροίας ἐπάνοδον πεζῇ δεῦρο ἀφικέσθαι, περιτυχὼν δ᾿ ἑαυτοῦ κρείττονι µάντει κατὰ τὴν Κλάρον Μόψῳ τῷ Μαντοῦς τῆς Τειρεσίου θυγατρός, διὰ λύπην ἀποθανεῖν ... - „Man sagt nämlich, dass Kalchas zusammen mit Amphilochos, dem Sohn des Amphiaraos, auf seinem Rückweg von Troja zu Fuß hierher [sc. nach Kolophon] gelangte, aber, als er in der Gegend von Klaros auf einen Seher stieß, der ihm überlegen war, nämlich Mopsos, den Sohn der Manto, der Tochter des Teiresias, vor Kummer gestorben sei ...”). Dieser sehr geradlinigen Version steht eine Anzahl von Versionen gegenüber, in denen die beiden Seher einander Fragen vorlegen 37 , oder beide vor dasselbe Problem gestellt werden 38 . Daher entwarf eine Reihe 34 LIMC Oidipous Nr. 46 (Bauchamphore im Stil der chalkidischen Vasen, um 530 v. Chr.); LIMC Oidipous Nr. 19 (rotfigurige attische Schale, um 470/ 460 v. Chr.); unsicher ist LIMC Sphinx Nr. 182 (Elfenbeinsiegel aus Chios, um 710 v. Chr.). 35 Cf. Robert 1915, 56 f. und 168, Wehrli 1957, 111 f. und Huxley 1969, 40 sowie die vorsichtige Zustimmung zu dieser These bei Davies 2014, 9-12 und 20 und Cingano 2015, 224 f.; die alternative Hypothese von Lloyd-Jones 2002, 8 und 10, dass das Motiv des Rätsels und der Rätsellösung erst in der attischen Tragödie aufkam, stößt sich an der obengenannten süditalischen Vase (LIMC Oidipous Nr. 46) und sollte daher auszuschließen sein. 36 Zu Gestalt und Datierung der ‚Melampodie’ (wahrscheinlich 6. Jh. v. Chr.) cf. Löffler 1963, 59 f. und Cingano 2009, 121-123, für die Zuweisung unseres Fragments an die ‚Melampodie’ cf. auch Huxley 1969, 58. Jedenfalls ist nicht am Alter der Geschichte zu zweifeln, da der Aufenthalt des Kalchas in Kolophon schon für das archaische Epos der ‚Nostoi’ bezeugt ist (Procl. Chr. p. 94 l. 7-9 Bern.). Auszuscheiden von den frühen Zeugnissen ist allerdings Kallinos (Frg. [8] W. 2 = Strab. 14,4,3), da nach der Lesart eines Palimpsests hier nicht Καλλῖνος, sondern Καλλισθένης zu lesen ist. 37 Lyc. Alex. 424-430 und Apollod. Epit. 6,2-4: Kalchas fragt Mopsos nach der Anzahl der Feigen, Mopsos fragt Kalchas nach der Zahl der Ferkel einer trächtigen Sau. Varianten davon sind die anonyme Version bei Strab. 14,1,27 ( οἱ δέ ... ), wo dieselben Fragen vorliegen, aber von der jeweils anderen Person gestellt werden, und die Version der Scholien zu Lyc. Alex. 427 (p. 82,17 - 83,7 Leone [= p. 157,16-26 Scheer]), wo beide Fragen von Mopsos gestellt werden. 38 Euphorion, Frg. 101 van Groningen (= Frg. 102 Lightfoot: Streit um die Anzahl der Früchte eines Baumes); Konon, Narr. 6 (Frage nach dem besten Rat für König Amphi- Kapitel 2 16 von Interpreten die Hypothese, dass auch in der ‚Melampodie’ beide Seher einander Rätsel aufgaben, dass somit nach der Rätselfrage des Kalchas (Frg. 278 M.-W.: προτεῖναι γάρ τι τοιοῦτο τῷ Μόψῳ τὸν Κάλχαντα ... - „Kalchas habe nämlich dem Mopsos etwas von dieser Art vorgelegt ...”) und nach der korrekten Antwort seines Kontrahenten auch Mopsos dem Kalchas eine Frage vorgelegt habe, und dass dies nur durch einen Zufall der Überlieferung ausgefallen sei 39 . Doch ist diese Annahme nicht zwingend 40 . Denn zum einen kennt die zweitälteste (fragmentarisch) erhaltene Darstellung, diejenige des Pherekydes von Athen 41 , ebenfalls nur eine Frage, nämlich die des Kalchas an Mopsos nach den Ferkeln einer trächtigen Sau, und lässt die Geschichte nach erfolgreicher Antwort des Mopsos ebenfalls mit dem Tod des Kalchas enden, und zum anderen existiert eine italische Sondertradition, wonach Herakles auf seinem Rückweg von Spanien nach Griechenland den in Italien befindlichen Kalchas nach der Anzahl der Feigen gefragt habe und diesen, als Kalchas die richtige Antwort zu nennen wusste und über die Unfähigkeit des Herakles lachte, mit der bloßen Faust erschlug 42 . Da die Stadt Siris, eine Kolonie von Kolophon, wo dieses Geschehen lokalisiert ist, schon im sechsten Jahrhundert v. Chr. zerstört wurde, weist auch diese Variante auf einen frühen Zeitpunkt zurück 43 . Alle früh belegten Versionen kennen also als Konstante den Tod des Kalchas und die Beschränkung auf nur eine Rätselfrage, und da die italische Version zwar deutliche Züge der Kontamination trägt, aber dennoch die Frage nach der Anzahl der Feigen aufweist, dürfte genau die Variante, die uns aus der ‚Melampodie’ überliefert ist, die älteste sein. Wie im Läuserätsel, im Rätselwettkampf von Salomon und Eiromos und in der Geschichte der Sphinx gibt es also auch hier eine klar definierte Rollenverteilung mit einem Herausforderer, der ein Rätsel vorlegt, und einem Kontrahenten, der das Rätsel zu lösen vermag, und wieder ist es der Herausforderer, der seinen Wagemut zuletzt mit einem hohen Preis bezahlt 44 . machos von Lykien); leider nicht näher bekannt ist die Behandlung des Motivs bei Sophokles in der ‚Apaitesis Helenes’ (TrGF 4 F 180). 39 So postuliert von Immisch 1890, 161 und Wagner 1891, 407 f., denen Löffler 1963, 49 folgt. 40 Kritik daran übt daher J. Schwartz 1960, 220 und 222. 41 Pherekydes, FGrHist 3 F 142 (= Frg. 142 Fowler = Strab. 14,1,27). 42 Lyc. Alex. 978-983 und die Scholien zu Alex. 980a (p. 190,9 - 191,6 Leone [= p. 309,13- 22 Scheer]). 43 So richtig Immisch 1890, 159 f. 44 Diese Asymmetrie der Darstellung ist verkannt von Kakridis 1983, 189, der daher die Geschichte vom Seherwettkampf zwischen Kalchas und Mopsos zu Unrecht von den Traditionen um Homer trennt. Tod des Dichters 17 Will man somit die ‚Spielregel’ allgemein formulieren 45 , so scheint die Regel die zu sein, dass der eine der beiden Kontrahenten seinem Gegner ein Rätsel oder eine vergleichbare Denkaufgabe vorlegt und der andere Kontrahent nach besten Kräften darauf antwortet. Ist die Antwort unbefriedigend, wird sich der erste Spielteilnehmer als Sieger betrachten können, ist die Antwort zufriedenstellend, gilt der zweite Teilnehmer als Sieger, und die Niederlage ist für den ersten umso herber, als er durch seine ursprüngliche Frage ja erst den Versuch unternommen hatte, den Kontrahenten in Schwierigkeiten zu bringen. Daher ist für diesen Fall in der Tradition mindestens eine schwere Strafe, aber mehrfach auch der Tod oder sogar der Selbstmord des ersten Teilnehmers verzeichnet (wie etwa im Falle des Kalchas und in dem der Sphinx 46 ), und da wir es hier nicht mit dem realen Leben zu tun haben, sondern mit einem literarischen Motiv, sind die Geschichten natürlich immer so gebaut, dass der Herausforderer zuletzt eine Niederlage erleidet und den Preis für sein forsches Vorgehen bezahlt. Eine Erweiterung kennt dieses Muster, wenn die Antwort des zweiten Teilnehmers nicht mehr einfach in einer korrekten Auflösung des Rätsels besteht, sondern in einem brillanten Gegenrätsel, welches der erste Spieler nun seinerseits nicht mehr lösen kann. So finden wir es in den jüngeren Varianten der Geschichte von Kalchas und Mopsos 47 , wo Mopsos nicht nur selber ein vermeintlich unlösbares Rätsel löst, sondern seinerseits ein nun wirklich vom Gegner nicht mehr zu lösendes Rätsel vorlegt, in der Geschichte von Salomon und Eiromos, die nach leichter Verzögerung wieder in genau dieses Muster einmündet, und in der Geschichte von Homer und den Fischerjungen, wo die Jungen sogleich zum Gegenangriff übergehen, ohne sich zuvor um die Lösung des ihnen aufgegebenen Rätsels zu kümmern. Die Asymmetrie der Handlung bleibt also selbst in dieser erweiterten Form der Erzählung erhalten, weil auch in dieser Form keine Gleichzeitigkeit der Rätselstellung etwa durch eine Drittperson vorliegt, sondern immer ein Nacheinander der beiden Rätsel. Somit kann man auch nicht wirklich von einem kategorischen Unterschied zwischen dem einfacheren Muster und dem erweiterten sprechen, zumal immer die Konstante erhalten bleibt, dass der Herausforderer zuletzt seine Niederlage bekennen muss. Es erstaunt daher nicht mehr, dass auch das ‚Certamen Homeri et Hesiodi’ nach denselben Spielregeln der Asymmetrie abläuft wie die bisher 45 Zu den Regeln im etwas anders gearteten bukolischen Wettgesang cf. Merkelbach 1956. 46 Ein vergleichbares Motiv, das nicht mit Rätseln arbeitet, aber doch den Wettstreit zweier Sänger kennt und wahrscheinlich mit dem Tod oder Selbstmord des Unterlegenen endete, ist die Geschichte vom Wettkampf zwischen den beiden Brüdern Helikon und Kithairon; cf. unten Kap. 3.2, Anm. 138. 47 Sc. in der Version, die bei Lyc. Alex. 424-430 und Apollod. Epit. 6,2-4 verzeichnet ist. Kapitel 2 18 besprochenen Erzählungen 48 und dass es die einfachere Form des Wettstreits ebenso kennt wie die komplexere. So hat Homer auf die Frage Hesiods nach dem Wesen von Gerechtigkeit und Tapferkeit ( ἡ δὲ δικαιοσύνη τε καὶ ἀνδρείη δύναται τί; - „Gerechtigkeit und Tapferkeit aber, was vermögen sie? ”) sofort eine passende Antwort parat (κοινὰς ὠφελίας ἰδίοις µόχθοισι πορίζειν . - „Für allgemeinen Nutzen mit individueller Mühe zu sorgen.”) 49 , und auf die abschließende ethische Frage Hesiods ἡ δ᾿ εὐδαιµονίη τί ποτ᾿ ἀνθρώποισι καλεῖται; („Glück aber, wie wird es von den Menschen beschrieben? ”) antwortet Homer mit dem philosophischen Gemeinplatz λυπηθέντ᾿ ἐλάχιστα θανεῖν ἡσθέντα τε πλεῖστα („Zu sterben, nachdem man möglichst wenig betrübt wurde und möglichst viel Freude empfangen hatte.”) 50 . Etwas anspruchsvoller als diese letztlich doch nur dem bloßen Zweck der Rätsellösung dienenden Antworten ist die Reaktion Homers auf die paradoxe Frage Hesiods, was gleichzeitig das größte Glück und das schlimmste Übel sei ( λέξον µέτρῳ ἐναρµόζων ὅ τι δὴ θνητοῖσι / / κάλλιστόν τε καὶ ἔχθιστον· ποθέω γὰρ ἀκοῦσαι. - „Sage mir, dem Versmaß angepasst, was für die Menschen das Schönste und das Schlimmste ist. Dies möchte ich nämlich hören.” 51 ). Denn Homer antwortet hier mit einem Gedanken ( κάλλιστον µὲν τῶν ἀγαθῶν ἔσται µέτρον εἶναι / / αὐτὸν ἑαυτῷ, τῶν δὲ κακῶν ἔχθιστον ἁπάντων. - „Für sich selber das Maß zu sein, wird das beste aller Güter sein und hinwiederum das schlimmste aller Übel.” 52 ), der nicht nur in eine schwierige sprachliche Form gekleidet ist, sondern auch mit den unterschiedlichen Bedeutungen des Wortes µέτρον (‚Versmaß’ vs. ‚Maß’) spielt und überhaupt auf den Homo-Mensura-Satz des Protagoras (80 B 1 D.-K.) sowie auf das erste Stasimon aus der ‚Antigone’ des Sophokles (V. 332-383) anzuspielen scheint 53 . Ein richtiges Gegenrätsel finden wir schließlich in Homers Antwort auf die Frage Hesiods nach der 48 So vom Verfasser des ‚Certamen’ selbst festgehalten in § 6 (V p. 228 l. 72-74 Allen = p. 37,1-3 von Wilamowitz-Moellendorff: προελθόντα γὰρ εἰς τὸ µέσον πυνθάνεσθαι [sc. τὸν Ἡσίοδον ] τοῦ Ὁµήρου καθ᾿ ἓν ἕκαστον, τὸν δὲ Ὅµηρον ἀποκρίνασθαι - „Hesiod sei nach vorne getreten und habe Homer eine Frage nach der anderen gestellt; Homer aber habe geantwortet”). Die Position von Heldmann 1982, 61 („wird ... der ἀγὼν σοφίας des Certamen, in dem Hesiod nichts weiter als Hilfestellung bei der Aristie Homers leisten darf, zu einem Sonderfall”) verkennt also gerade diese Tradition der asymmetrischen Darstellung. 49 ‚Certamen’ § 11 (V p. 232 l. 168-169 Allen = p. 40,9-10 von Wilamowitz-Moellendorff). 50 ‚Certamen’ § 11 (V p. 232 l. 174-175 Allen = p. 40,15-16 von Wilamowitz-Moellendorff). 51 ‚Certamen’ § 11, V p. 231 l. 153-154 Allen = p. 39,26-27 von Wilamowitz-Moellendorff ( µέτρῳ Barnes: µέτρον cod.). 52 ‚Certamen’ § 11 (V p. 231 l. 158-159 Allen = p. 39,31-32 von Wilamowitz-Moellendorff). 53 Für die genaue Interpretation der Verse und für die mutmaßlichen Anspielungen auf Protagoras und Sophokles cf. unten Kap. 3.4.1, insbesondere Anm. 182. Tod des Dichters 19 Anzahl der griechischen Kriegsteilnehmer vor Troja, die in Form einer atemberaubenden Rechenaufgabe gegeben wird, welche nun Hesiod seinerseits nicht mehr lösen kann 54 . Somit verwundert es nicht, dass Hesiod zwischenhinein immer wieder seinem Ärger oder seiner Verzweiflung über die Antworten seines Kontrahenten Ausdruck gibt, und dass das Verdikt der Kampfrichter schließlich eindeutig zugunsten von Homer ausfällt ( ῥηθέντων δὲ καὶ τούτων, οἱ µὲν Ἕλληνες πάντες τὸν Ὅµηρον ἐκέλευον στεφανοῦν ... - „Als aber auch dies gesagt war, forderten alle Griechen dazu auf, den Homer zu bekränzen ...”); nur König Panedes ist verblendet genug, den beiden Dichtern weitere Aufgaben zu stellen und zuletzt Hesiod zum Sieger zu erklären 55 . Diese Form des Wettkampfs, wie sie uns im erhaltenen ‚Certamen’ entgegentritt und wahrscheinlich schon Teil des ‚Museion’ von Alkidamas bzw. von dessen Vorlage war, dürfte nicht die einzige gewesen sein, in die der Dichterstreit jemals gekleidet war. Denn namentlich bei Plutarch (Conv. sept. sap. 10, 153 f - 154 a) ist eine alternative Tradition erwähnt, wonach - je nach Interpretation der umstrittenen Stelle - entweder der Dichter Lesches dem Hesiod eine Frage vorlegt und die brillante Antwort hinnehmen muss oder Homer in derselben Rolle des Fragestellers agiert 56 . Doch bleibt auch in dieser Version die Konstante erhalten, dass die Rollen zwischen Herausforderer und Kontrahent klar verteilt sind und dass der Herausforderer seinen Übermut zuletzt mit einer Niederlage bezahlt. Wenn nicht alles täuscht, so liegt mit dieser von Plutarch referierten Version sogar wenn nicht die älteste, so doch jedenfalls eine relativ alte Fassung des Wettstreits vor, die also in das frühere fünfte oder gar das sechste Jahrhundert zurückreichen sollte, und wir haben somit einen weiteren Beleg für das Motiv des (asymmetrischen) Rätselkampfs in archaischer oder frühklassischer Zeit. Wir gelangen also zum Resultat, dass in der Geschichte vom Tod Homers zwei traditionelle Erzählmuster miteinander verbunden wurden, der traditionelle Scherz über erfolglose Jäger, die sich für diesen Misserfolg mit dem Rätsel von den gefangenen Läusen schadlos halten, und das soeben herausgearbeitete Muster von Rätsel und Rätsellösung oder Rätsel und Gegenrätsel bzw. von der Niederlage oder sogar vom Tod des Herausforderers 57 . Dieses neugeschaffene Gesamtmuster ist in seiner Anwendung 54 ‚Certamen’ § 10 (V p. 231 l. 138-145 Allen = p. 39,11-18 von Wilamowitz-Moellendorff). 55 ‚Certamen’ § 12 (V p. 232 l. 176-179 Allen = p. 40,17-19 von Wilamowitz-Moellendorff). 56 Cf. die Diskussion unten in Kap. 3.2. 57 Möglicherweise wirkt hier auch noch ein drittes traditionelles Erzählmuster (Thompson 1955-1958, Motiv P 674: „Old person commits suicide when strength fails”, mit Bezug auf eine mittelalterliche irische Legende bei Stokes 1892, 504 f.) in einer Kapitel 2 20 auf Homer sehr stabil. Denn wir finden zwar eine Reihe von Zeugnissen 58 , die - wie Heraklit - Homers Frage nach der Ausbeute der arkadischen Jäger oder Fischer auslassen und dies auch leicht tun konnten, weil die Geschichte in der Kaiserzeit allgemein bekannt war und jedermann wusste, dass dem Rätsel der Fischerjungen eine solche Provokation vorangegangen war 59 . Aber es gibt fast keine Zeugnisse, die darauf verzichten, die Erzählung mit dem Tod des Dichters enden zu lassen 60 , weil dieser offenbar immer als Zielpunkt der Geschichte betrachtet wurde. Selbst die Zeugnisse, die den kausalen Zusammenhang zwischen der Unfähigkeit des Dichters als Rätsellöser und seinem Tod möglichst zurückdrängen oder ganz in Abrede stellen wie die ‚Vita Herodotea’, verraten eben durch ihre Polemik, dass es eine starke Tradition dieser Art gab. Heraklit steht also mit seiner isolierten Behandlung des Rätsels ganz alleine da, und da zum einen die Geschichte eines Dichters, der sich in seiner ureigenen Kunst von gewöhnlichen Fischerjungen bezwingen lässt, aber ansonsten keine daraus hervorgehenden Nachteile erleidet, ein stumpfes Motiv wäre, und da zum anderen schwer zu verstehen wäre, wie ein solches Teilmotiv durch spätere Erweiterungen plötzlich genau die Form annehmen konnte, die wir auch sonst immer wieder finden, verhält es sich sicher so, dass bereits Heraklit die vollständige Form der Geschichte voraussetzt. Diese muss sich also spätestens im sechsten Jahrhundert durch die Verbindung der beiden genannten Erzählmuster herausgebildet und allgemeine Bekanntheit erlangt haben, und bereits Heraklit konnte sich auf einen Teilaspekt daraus spezifisch griechischen, intellektuellen Ausprägung mit hinein; cf. die Anekdote zu Aristoteles, der bei der Betrachtung des Euripos bei Chalkis bzw. seiner wechselnden Strömungen an der Lösung des Problems scheiterte und in Verzweiflung starb (Procop. Goth. 4,6,20: ταῦτα ὁ Σταγειρίτης ἐννοῶν τε καὶ ἀνακυκλῶν ἐπὶ χρόνου µῆκος, δυσθανατῶν ἐπὶ ξυννοίᾳ ἀφίκετο ἐς τὸ µέτρον τοῦ βίου. - „Als der Stageirite sich dies überlegte und lange Zeit darüber nachdachte, gelangte er, in Gedanken versunken, nach schwerem Todeskampf an das Ende des Lebens.”). Die Parallele (festgehalten von Vogt 1959, 204 Anm. 31) besteht also nicht nur im Alter der Protagonisten und in ihrer Verzweiflung über das ungelöste Problem bzw. im folgenden Tod, sondern auch darin, dass das Geschehnis sich in freier Natur weitab von der Heimat oder dem dauerhaften Wohnort des gescheiterten Intellektuellen abspielt. 58 Die Zeugnisse sind genannt oben in Anm. 9. 59 Sinnfällig die Darstellung der Szene auf dem Wandgemälde der ‚Casa degli Epigrammi’ in Pompeji (Homer sinnierend am Meer sitzend, vor ihm zwei dreizehnbis vierzehnjährige Fischerjungen), Abbildungen in: Monumenti 1874-1878, Tafel XXXV 2 und Pugliese Carratelli 1991, 569 Abb. 60, archäologische Beschreibung und Klassifikation bei: Dilthey 1876, 300-305, Schefold 1957, 65 und Richter 1965, 55. Die beigegebene Inschrift hält nur den Rätselspruch der Jungen fest (Epigr. Gr. 1105; Diehl 1930, 47 [Nr. 821e]), nicht auch Homers vorangehende Frage. 60 Die Ausnahme ist Anth. Pal. 9,448, wo in einem Zweizeiler nur die Frage des Dichters und das Gegenrätsel der Fischerjungen in der traditionellen hexametrischen Form gegeben sind und daher kein Platz für einen Hinweis auf Homers Tod blieb. Tod des Dichters 21 beschränken, weil dieser eben seinen eigenen Darstellungszielen besonders förderlich war. Es bleibt zuletzt die Frage, warum die Geschichte zum Tod Homers sich überhaupt mit der Insel Ios verband. Eine Antwort darauf wurde jüngst in einer psychologischen Deutung der Erzählung gegeben, wonach die Rückkehr Homers zur Insel seiner Herkunft - zu seiner µητρίς , wie es beispielsweise bei Pausanias (10,24,2) heißt - bedeute, dass der Dichter am Ende seines Lebens gewissermaßen wieder in den Schoß seiner Mutter zurückkehre und erneut zum Kind werde 61 . Doch selbst wenn man bereit ist, diesem modernen Gedankengang zu folgen, so bietet dieser dennoch keine Erklärung dafür, warum dieses Szenario gerade nach Ios gelegt wurde. Zielführender und besser vereinbar mit den sonstigen Quellen zur Biographie Homers scheint daher eine andere knappe Anregung desselben Autors, wonach die Insel Ios die archetypische Verkörperung des ionischen Siedlungsgebiets sei und die Geschichte somit in Verbindung stehe mit der Tradition von der ionischen Wanderung 62 . Da also nach den eingangs genannten Quellen 63 sowohl die Zeugung des Dichters wie auch sein Tod auf Ios lokalisiert sind, werden hier gewissermaßen die beiden äußersten Eckpunkte eines menschlichen Lebens in Ringform miteinander verbunden und die so charakterisierte Person wird gleichsam zu einem Bürger der Lokalität erhoben, der besonders eng mit seinem Herkunftsland verbunden ist, selbst wenn er den größten Teil seines Lebens gar nicht dort verbracht hat. Um eine moderne (historische) Parallele zu nennen: Martin Luther wurde 1483 in Eisleben (Sachsen-Anhalt) geboren und starb 1546 am selben Ort. Die langen Jahre dazwischen verbrachte er aber keineswegs in Eisleben, sondern zunächst in Mansfeld und Erfurt und dann vorwiegend in Wittenberg. Dennoch führt Eisleben seit 1946, also seit der vierhundertsten Wiederkehr des Todestages, ebenso wie Wittenberg den stolzen Titel ‚Lutherstadt’, obwohl Luther selbst sich wahrscheinlich weit mehr mit Wittenberg verbunden fühlte und aus eher zufälligen Gründen zuletzt in Eisleben starb. Der historische Hintergrund unserer Legende besteht nun offensichtlich darin, dass sich auf Ios schon relativ früh ein Heroenkult um Homer entwickelt hatte 64 . Dieser Kult kristallisierte sich am angeblichen Grab des Dichters, das noch zu Pausanias’ Zeit den Interessierten gezeigt wurde 65 . 61 Lambin 2011, 186 f. 62 Lambin 2011, 183 und 188. 63 Oben in den Anm. 2, 3 und 5. 64 Möglicherweise löste Ios damit Chios als (angebliche) Grabstätte des Dichters ab; cf. Jacoby 1933, 27 bzw. die am Ende dieses Kapitels gegebenen Hinweise. 65 Paus. 10,24,2; weitere bedeutsame Testimonia liegen vor bei Scyl. 58, Strab. 10,5,1 und Plin. nat. 4,69 sowie in diversen Gedichten der ‚Anthologia Palatina’ (7,1-7). Kapitel 2 22 Niederschlag fand der Kult in der lokalen Münzprägung 66 , in der Benennung eines Monats als ‚Homereon’ 67 und in regelmäßigen Gedenkopfern 68 , die wahrscheinlich eben im Monat Homereon dargebracht wurden 69 . Im Zusammenhang mit diesem Kult entwickelte sich nun offenbar die Geschichte vom Tode des Dichters auf Ios bzw. die Verknüpfung dieser Erzählung mit den traditionellen Motiven des Läuserätsels bzw. des Dichteragons und in einem weiteren Schritt wurde der Erzählung die Geschichte von der Zeugung des Dichters auf Ios vorangestellt. Dass all dies in Verbindung mit der Frage nach der ionischen nationalen Identität steht, zeigt die traditionelle Etymologie des Inselnamens (Steph. Byz. ι 74 Bill.: Ἴος· νῆσος τῶν Κυκλάδων, ἀπὸ Ἰώνων οἰκησάντων - „Ios: eine der Kykladeninseln, benannt nach den Ioniern, die sie bewohnten” 70 ), und dass hier auch ein Bezug zur Tradition von der ionischen Wanderung vorliegt, wird sichtbar durch die Nachricht des Aristoteles, der die Zeugung Homers mit der Wanderung synchronisiert (Frg. 76 Rose = Ps.- Plut. Vit. Hom. 1,3,1: καθ᾿ ὃν καιρὸν Νηλεὺς ὁ Κόδρου τῆς Ἰωνικῆς ἀποικίας ἡγεῖτο - „zu dem Zeitpunkt, als Neleus, der Sohn des Kodros, die ionische Auswanderung anführte”), also einen Zeitpunkt für die Lebenszeit Homers nennt, den auch Aristarch später wieder favorisierte 71 , während andere hellenistische Gelehrte dazu neigten, einen erheblichen zeitlichen Abstand zwischen die Wanderung und die Geburt Homers zu legen 72 . Da Homers Mutter, die mit ihm schwanger geht, nach dieser Erzählung des Aristoteles von Piraten nach Smyrna entführt wird und erst dort niederkommt, hat Homer gewissermaßen den Weg der ionischen Wanderer von West nach Ost mitgemacht und wird so zu einem Teil der ionischen Na- 66 Cf. die bekannte Silbermünze von Ios, die aus dem vierten Jahrhundert v. Chr. stammt und das Haupt des Dichters zeigt (Boehringer, Boehringer 1939, 28, mit Tafel 121; Richter 1965, 56, mit Abbildung 121; Schefold 1997, 156, mit Abbildung 71; Deubner 1998, 491, mit Abbildung 4); die Tradition dieser Münzprägung verdeutlicht eine Bronzemünze ähnlicher Gestalt aus dem ersten Jahrhundert v. Chr. (Schefold 1997, 402, mit Abbildung 274). 67 IG XII 5,1,15 (3. Jh. n. Chr.). 68 Cf. das ins Lateinische übertragene Epigramm bei Varro, Frg. 69 Funaioli (= Gell. 3,11,7: capella Homeri candida haec tumulum indicat, / / quod hac Ietae mortuo faciunt sacra. - „Diese weiße Ziege bezeichnet das Grab Homers, weil hier die Ieten dem Toten Opfer darbringen.”). 69 So geschlossen von Bergk 1883b, 511. 70 Abweichend, aber wohl sehr idiosynkratisch Plut. Sert. 1,7 (Ableitung von ἴον - ‚Veilchen’). 71 So bezeugt bei Procl. Chr. Vit Hom. § 7 (V p. 101,13-16 Allen = p. 27,20-22 von Wilamowitz-Moellendorff = p. 73 l. 59-61 Severyns), Tatian, Ad Graecos 31,4 (p. 32,4- 6 Schwartz = p. 58 l. 23-25 Marcovich) und Clem. Al. Strom. 1,117,2. 72 Philochoros, FGrHist 328 F 211 (Lebenszeit des Dichters vierzig Jahre nach der Wanderung); Eratosthenes, FGrHist 241 F 9 (vierzig Jahre vor der Wanderung); Apollodoros von Athen, FGrHist 244 F 63 (hundert Jahre nach der Wanderung). Tod des Dichters 23 tion. Ios sollte also offenbar durch diese Traditionen zu einem Fokalisationspunkt panionischer Identität werden und konnte diese Funktion umso besser erfüllen, als es zwar relativ weit südlich, aber doch mitten in der Ägäis liegt und damit eine Verbindung schaffen konnte zwischen den westionischen Gebieten Attikas und Euboias und dem gesamten ostionischen Bereich der ägäischen Inselwelt und des kleinasiatischen Festlands. Allerdings tun sich hier chronologische Probleme auf: Unser ältester Gewährsmann für die Herkunft Homers aus Ios ist Bakchylides 73 ; wir gewinnen damit also einen terminus ante quem in der ersten Hälfte des fünften Jahrhunderts. Umgekehrt findet sich die klassische Form der Erzählung von der ionischen Wanderung, wonach ionische Flüchtlinge aus der Peloponnes zuerst nach Athen gelangten und danach unter der Führung des Neleus, des Sohnes von König Kodros von Athen, nach Kleinasien übersetzten und dort die zwölf Städte des ionischen Städtebundes gründeten, erst seit dem frühen fünften Jahrhundert 74 . Die Geschichte ist damit als athenischer Gründungsmythos zu betrachten, mit dem die Stadt sich in der Zeit des ionischen Aufstands und der nachfolgenden Perserkriege als Schutzmacht Ioniens profilieren wollte 75 . Es scheint also, dass die oben zitierte Geburtsgeschichte Homers, wie sie bei Aristoteles vorliegt, in der Phase zwischen dem ionischen Aufstand bzw. den Perserkriegen und der dichterischen Produktionszeit des Bakchylides entstand 76 . Dies würde somit bedeuten, dass die Geschichte vom Tod Homers auf Ios, die schon bei Heraklit vorausgesetzt ist und damit wahrscheinlich noch ins sechste Jahrhundert zurückreicht, von der Geburtsgeschichte zu trennen ist, die in der zitierten Form erst im fünften Jahrhundert entstanden sein kann. Das ist aber durchaus denkbar, weil die Geschichte vom Tod des Dichters durch ihre Verbindung mit dem lokalen Heroenkult ohnehin ein deutlich älteres Angesicht zeigt als die eher poetische Geschichte von der Zeugung 73 Frg. 48 Maehler (= ‚Vita 5’ § 1 [V p. 247 l. 5-6 Allen = p. 29,7-8 von Wilamowitz- Moellendorff]). 74 Beispielsweise Pherekydes von Athen, FGrHist 3 F 155 (= Frg. 155 Fowler [= Strab. 14,1,3]); Panyasis, Test. 1 Bern.; Hdt. 1,145-147 und 7,94-95; Thuc. 1,2,6, 1,12,4 und 2,15,4; Hellanikos von Lesbos, FGrHist 4 F 125 (= Frg. 125 Fowler); Isoc. 4,122; Strab. 8,1,2 und 8,7,1; Paus. 5,1,1 und 7,2,1-6; cf. die eingehende Untersuchung von Sakellariou 1958 und die neueren Einschätzungen zum realen Hintergrund der Auswanderungsbewegung und zur mythischen Überhöhung bei Högemann 2002, 1132-1134 und Niemeier 2007, 87-90. 75 Cf. Sakellariou 1958, 30 und Rose 2008, 406 und 419. 76 Möglich ist dies durchaus, da die dichterische Produktion des Bakchylides relativ lange anhielt und das letzte datierbare Epinikion erst im Jahre 452 v. Chr. verfasst wurde; cf. Maehler 1982, 6 f. Kapitel 2 24 des künftigen Genies 77 . Hinzu kommt noch, dass diese Tradition eben nur die Zeugung des Dichters auf Ios geschehen lässt, während die Geburt nach Smyrna verlegt wird. Man musste also auf Ios offenbar ältere Ansprüche Smyrnas berücksichtigen, die ihrerseits bereits ins siebte Jahrhundert zurückreichen sollten, in die Zeit vor der Zerstörung Smyrnas um das Jahr 600 78 , und dies lässt erneut darauf schließen, dass die Nachricht von der Zeugung des Dichters auf Ios nicht allzu alt ist. Wollte man dennoch die These vertreten, dass die Geschichte von der Zeugung des Dichters auf Ios und die von seinem Tod auf der Insel gleichzeitig entstanden sind und überhaupt einen zusammenhängenden organischen Erzählkomplex bilden, so könnte man darauf hinweisen, dass die Synchronisation der Zeugung mit der ionischen Auswanderung ja nicht unbedingt die älteste Version der Erzählung gewesen sein muss. Denkbar ist im Prinzip auch, dass die Geburtsgeschichte zunächst in unabhängiger Form bestand, also sowohl Zeugung als auch Geburt auf Ios stattfinden ließ, und dass erst in einer zweiten Phase die genannte Harmonisierung mit den Ansprüchen Smyrnas und - dadurch bedingt - die Verbindung mit dem attischen Mythos von der Auswanderung der Ionier unter Neleus vorgenommen wurde. Da die Geschichte, wie wir sie bei Aristoteles bzw. Ps.-Plutarch lesen, einiges Lokalkolorit aufweist, sollte sie letztlich doch in Ios selbst entstanden sein, und dann ist es schon vorstellbar, dass die Verbindung der Geschichte mit dem Mythos von der ionischen Wanderung erst eine nachträgliche Erweiterung darstellt. Schließlich ist auch denkbar, dass in einer älteren Erzählstufe nicht an die Wanderung unter Neleus, dem Sohn des Kodros, gedacht war, sondern an die Wanderung, die direkt von Pylos nach Ionien führte 79 , und dass Bakchylides sich noch an eine solche Version hielt. Aristoteles hätte in seinem Résumé der Geschichte dann einfach die eine Wanderungsbewegung durch die andere ersetzt. Unter solchen Voraussetzungen könnte die Geschichte von der Zeugung des Dichters auf Ios also schon älter als das Jahr 500 v. Chr. sein. Letztlich sind das aber doch etwas vage Möglichkeiten, und auch das genannte Lokalkolorit ist bereits auf das engste mit dem Motiv der Übersiedelung von Homers schwangerer Mutter nach Smyrna verbunden und bereitet diese vor (Arist. Frg. 76 Rose = Ps.-Plut. Vit. Hom. 1,3,1-2: ... αἰδεσθεῖσαν τὸ συµβὰν διὰ τὸν ὄγκον τῆς γαστρός, ἐλθεῖν εἴς τι χωρίον καλούµενον Αἴγιναν. εἰς ὃ καταδραµόντας λῃστὰς ἀνδραποδίσαι τὴν προειρηµένην καὶ ἀγαγόντας εἰς Σµύρναν, οὖσαν ὑπὸ Λυδοῖς τότε, τῷ βασιλεῖ τῶν 77 Die organische Verbindung von Herkunft und Tod an demselben Ort, wie sie der oben in Anm. 4 genannte Orakelspruch aus Delphi festhält, wäre somit eine nachträgliche Konstruktion. 78 Cf. von Wilamowitz-Moellendorff 1916b, 369 f., Jacoby 1933, 27 Anm. 2 und 31 f. und Kivilo 2011, 91 f. und 97 sowie unten Kap. 4.4.1. 79 So überliefert bei Mimnermos, Frg. 9-10 W. 2 . Tod des Dichters 25 Λυδῶν ὄντι φίλῳ τοὔνοµα Μαίονι χαρίσασθαι. - „... sie [sc. die künftige Mutter Homers] schämte sich über das Vorgefallene wegen der Schwellung ihres Bauches und ging zu einem Ort namens Aigina. Seeräuber, die dort gelandet waren, versklavten die vorgenannte Frau, brachten sie nach Smyrna, das damals unter der Herrschaft der Lyder stand, und erwiesen sich dem König der Lyder, ihrem Freund mit Namen Maion, damit gefällig.”). Somit deutet, insgesamt gesehen, doch alles darauf hin, dass die Geschichte vom Tod Homers auf Ios und der dahinter stehende Grabkult noch aus dem sechsten Jahrhundert datieren 80 und dass erst in einem zweiten Schritt eine dazu passende Geburtslegende erfunden wurde, die in der ersten Hälfte des fünften Jahrhunderts aufkam und der Geschichte ihre Abrundung verlieh 81 . Ziel dieser Mythenbildung muss es gewesen sein, den Dichter mehr und mehr mit der Insel Ios zu verbinden und ihn damit zuletzt zu einem archetypischen Ionier zu machen. Wenn wir uns also abschließend noch einmal in Erinnerung rufen, dass eben in dieser Zeit der Hochblüte ionischer Kultur, wie sie insbesondere das sechste Jahrhundert darstellte, auch Delos sich als kulturelles Zentrum Ioniens verstand und, wie uns der Homerische Hymnos auf Apollon schildert, ein panionisches Festival veranstaltete (V. 147 f.: ἔνθα τοι ἑλκεχίτωνες Ἰάονες ἠγερέθονται / / αὐτοῖς σὺν παίδεσσι καὶ αἰδοίῃς ἀλόχοισιν - „wo sich dir die schleppgewandeten Ionier versammeln zusammen mit ihren Kindern und ihren ehrwürdigen Gattinnen”; V. 151 f.: φαίη κ᾿ ἀθανάτους καὶ ἀγήρως ἔµµεναι αἰεὶ / / ὃς τότ᾿ ἐπαντιάσει᾿ ὅτ᾿ Ἰάονες ἀθρόοι εἶεν - „wer ihnen begegnete, wenn die Ionier zahlreich versammelt sind, möchte sagen, dass sie unsterblich und auf immer alterslos sind”), und dass dort nicht zuletzt Rhapsoden aus Chios auftraten, die auf Homer als Ahnherrn ihrer Gilde hinwiesen (V. 172 f.: τυφλὸς ἀνήρ, οἰκεῖ δὲ Χίῳ ἔνι παιπαλοέσσῃ, / / τοῦ πᾶσαι µετόπισθεν ἀριστεύουσιν ἀοιδαί - „ein blinder Mann - er wohnt im zerklüfteten Chios - dessen Gesänge allesamt hinkünftig als die besten gelten werden”) 82 und sich möglicherweise bereits zu dieser Zeit auf einen Kult 83 und auf ein Grab des Dichters auf ihrer Insel 84 berufen konn- 80 Der Kult Homers auf Ios entwickelte sich damit wahrscheinlich sogar etwas früher als der Kult des Archilochos auf der Nachbarinsel Paros, der seit der Zeit um 400 v. Chr. nachweisbar ist; cf. Clay 2004, 28 mit Hinweis auf Kritias, 88 B 44 D.-K. (= Ael. VH 10,13 [= Archil. Test. 46 Tarditi = Frg. 295 W. 2 ]) und Alkidamas, Frg. 10 Avezzù (= Arist. Rh. 2,23,11, 1398 b 11-17 [= Archil. Test. 6 Tarditi]). 81 Dies zeigt also auch, dass die genannte psychoanalytische Deutung von Lambin 2011, 186 f. nicht richtig sein kann, weil diese zur Voraussetzung hat, dass das Motiv von Homers Tod auf Ios immer schon durch seine Zeugung auf der Insel vorbereitet war. 82 Für den festlichen Anlass des Hymnos und für die Datierung des relevanten Hymnenteils in die zweite Hälfte des sechsten Jahrhunderts cf. beispielsweise West 1999, 368-372. 83 Ein solcher Kult wurde von Jacoby 1933, 27 aus der Nachricht erschlossen, dass von Argos aus regelmäßige Opfer für den Dichter nach Chios gesandt wurden (‚Certa- Kapitel 2 26 ten, so sehen wir, dass das sechste Jahrhundert eine Zeit war, in der die ionischen Ansprüche auf Homer besonders lautstark erhoben wurden, in der aber auch unter den ionischen Gemeinden keine Einigkeit herrschte, welche von ihnen nun das stärkste Anrecht auf die Person des Dichters oder auf den Vortrag seiner Lieder hatte 85 . Insbesondere die rivalisierenden Ansprüche von Smyrna und Chios konnten selbst von Pindar nur mit einer Kompromissformel bzw. wechselnden Aussagen ausgeglichen werden 86 . Somit kann es uns nicht verwundern, wenn, wie wir im nächsten Kapitel zeigen wollen, bereits zu dieser frühen Zeit die Person Homers auch in Erzählungen des griechischen Mutterlandes eingegliedert wurde, und wenn es eben im sechsten Jahrhundert, wie das darauf folgende Kapitel verdeutlichen soll, zu einer radikalen Bestreitung der ionischen Ansprüche durch die äolischen Gemeinden der nordöstlichen Ägäis kam. men’ § 17, V p. 237 l. 302-308 Allen = p. 44,9-14 von Wilamowitz-Moellendorff). Ergänzend wäre darauf hinzuweisen, dass nach einer Nachricht des Alkidamas (Frg. 10 Avezzù = Arist. Rh. 2,23,11, 1398 b 11-17), die Bewohner von Chios Homer zwar nicht als Mitbürger betrachteten, ihm aber dennoch Ehren zukommen ließen ( καὶ Χῖοι Ὅµηρον οὐκ ὄντα πολίτην [ τετιµήκασι ] - „und auch die Chier verehren Homer, obwohl er nicht ihr Mitbürger ist”), was sich wieder nur als Hinweis auf einen regelmäßigen Kult des Dichters verstehen lässt; cf. Graf 1985, 135-137. 84 Allerdings sind die Nachrichten zu einem solchen Grab verschiedenen Zweifeln ausgesetzt. So liegt in der Nachricht des Solinus (11,17: Chios Homeri tumulo ceteras [sc. Cycladas] antecedit - „Chios übertrifft mit einem Grab des Homer die anderen Kykladen.”) vielleicht eine Verwechslung mit Ios vor (Chios codd.: Ios Salmasius), und die Nachricht des Hypermenes von Chios, wonach Homer einen Diener namens Skindapsos gehabt habe, welcher nach Homers Tod von den Behörden von Chios mit tausend Drachmen bestraft worden sei, weil er den Leichnam seines Herrn nicht verbrannt habe (FGrHist 394 F 1), impliziert zwar ein Grab des Dichters auf Chios oder zumindest sein Ableben auf der Insel, doch gehört die Geschichte zu den zahlreichen singulären Anekdoten, die Photios (Bibl. 190, 152 b 20-23) in der Καινὴ ἱστορία des Ptolemaios Chennos vorfand, der bekannt ist für die Erfindung zahlreicher solcher Erzählungen bzw. ihrer Gewährsmänner. Es bleibt dennoch denkbar, dass solche Nachrichten eine alte apokryphe Tradition von Homers Grab auf Chios weiterführen. 85 Ganz folgerichtig entwickelte sich daher später in den Homer-Viten das Motiv heraus, dass der persönliche Auftritt Homers auf Delos, der in einem Wettkampf mit Hesiod gipfelte (Hes. Frg. 357 M.-W.), dazu geführt habe, dass der Dichter zum Ehrenbürger ganz Ioniens gemacht worden sei (‚Certamen’ § 18, V p. 237 l. 315-321 Allen = p. 44,21-27 von Wilamowitz-Moellendorff); cf. Nagy 2004, 62 f. und Baier 2013, 183 f. und 195 f. 86 Pind. Frg. 264 M.; cf. die Erläuterungen oben in Kap. 1, Anm. 8. 3 Die Erzählung vom Dichterwettstreit zwischen Homer und Hesiod und die Frage nach ihrem Verhältnis zur ‚Vita Herodotea’ Eine Erzählung, die in den sonstigen Homer-Viten erstaunlich wenig Resonanz findet, ist der reizende Bericht vom Dichterwettstreit zwischen Homer und Hesiod anlässlich der Bestattungsfeier für König Amphidamas in Chalkis auf Euboia. Diese Erzählung, die uns zur Hauptsache in einer Schrift aus dem zweiten Jahrhundert n. Chr., dem sogenannten ‚Certamen’, vorliegt, wird von der Forschung seit geraumer Zeit, wenn auch nicht einhellig, auf das ‚Museion’ des Alkidamas zurückgeführt, eines Schülers des Gorgias und führenden Sophisten aus der ersten Hälfte des vierten Jahrhunderts v. Chr., der wie sein Lehrer größten Wert auf die Improvisationsfähigkeit des Redners legte und daher höchst interessiert sein musste an der Improvisationsgabe der beiden Sänger, wie sie uns in dieser Erzählung so brillant vorgeführt wird 1 . Will man es nicht dabei bewenden lassen und stellt sich die Frage, ob es auch vor Alkidamas schon eine Tradition dieses Wettstreits gab 2 , so spielen eine zentrale Rolle zwei Verse, die sich sowohl in der überlieferten Form des ‚Certamen’ finden wie auch in einer burlesken Szene am Schluss von Aristophanes’ ‚Frieden’, wenn auch die genaue Form des Distichons in den beiden Fällen nicht ganz die gleiche ist (‚Certamen’ § 9, V p. 229 l. 107-108 Allen = p. 38,7-8 von Wilamowitz- Moellendorff: δεῖπνον ἔπειθ᾿ εἵλοντο βοῶν κρέα καὐχένας ἵππων / / ἔκλυον ἱδρώοντας, ἐπεὶ πολέµοιο κορέσθην [Stephanus: πτολέµου κορέσθην cod.]; Aristophanes, Pax 1282 f.: ὣς οἱ µὲν δαίνυντο βοῶν κρέα καὐχένας ἵππων / / ἔκλυον ἱδρώοντας, ἐπεὶ πολέµου ἐκόρεσθεν 3 ). Da das ‚Museion’ des Alkidamas höchstwahrscheinlich jünger ist als die im Jahre 421 v. Chr. aufgeführte Komödie des Aristophanes, wurde aus dieser Parallele schon seit 1 Für die überlieferte Form des ‚Certamen’, die erst aus der Zeit Hadrians oder aus der Periode kurz danach datiert, cf. Uden 2010; für die Ableitung dieser Schrift von Alkidamas’ ‚Museion’, die bereits Friedrich Nietzsche postuliert hatte (Nietzsche 1870 und 1873, dazu Vogt 1962), cf. etwa West 1967 und Renehan 1971, kritisch dazu beispielsweise von Wilamowitz-Moellendorff 1916b, 400 f., Dodds 1952, 188 und Koniaris 1971a. Die verschiedenen Papyri, die diese These zu bestätigen scheinen (P. Petr. 1,25,1 = P. Lond. 1, 191 [3. Jh. v. Chr.]; P. Mich. 2754 [2./ 3. Jh. n. Chr.]; Greek Papyrological Society M2 [2. Jh. v. Chr.]) wurden ediert von Mahaffy 1892, 70-73, Winter 1925 bzw. Mandilaras 1992. 2 Dies verneint von Nietzsche, der in Alkidamas den Erfinder des Motivs sah (Nietzsche 1873, 221) und darin vor allem bei Kirchhoff 1892, 891, Busse 1909, 117-119 und West 1967, 440 f. und 2007, 73 Gefolgschaft fand. 3 Zur Übersetzung der beiden Exzerpte cf. die im nächsten Abschnitt folgende Diskussion. Kapitel 3 28 längerer Zeit geschlossen, dass es bereits vor Alkidamas eine Version des ‚Certamen’ gegeben habe, aus der Aristophanes an der genannten Stelle zitiere 4 . Daneben sind freilich auch die Stimmen nie ganz verstummt, die eine solche vor- oder frühklassische Existenz des ‚Certamen’ in Abrede stellen und demzufolge den Ursprung dieser Verse in anderen Zusammenhängen suchen 5 , und H. Erbse wagte zuletzt sogar (wieder) die These, dass Aristophanes die Verse selbst erfunden habe und dass sie erst von dort aus in das Werk des Alkidamas gelangt seien 6 . Die folgenden Ausführungen möchten daher durch einen Vergleich der genannten Szene im ‚Frieden’ mit dem Wettkampf zwischen Homer und Hesiod ein Plädoyer für die Priorität des Dichterwettstreits geben und danach überhaupt einen Versuch unternehmen, die Herkunft und die Natur dieses Motivs sowie das Verhältnis dieser Erzählung zur ‚Vita Herodotea’ näher zu bestimmen. 4 So schon Bergk 1883a, 66 und Meyer 1892 und danach beispielsweise noch von Wilamowitz-Moellendorff 1916b, 405 f., Körte 1927, 262, Vogt 1959, 219-221, Di Benedetto 1969, 164 f., Richardson 1981, 2 und Graziosi 2001, 66. 5 So van Leeuwen 1906, 190, Allen 1912b, 256 bzw. 1924, 23 f. und Milne 1924, 59 Anm. 15, die an eine Herkunft aus dem epischen Gedicht der ‚Epigonoi’ dachten (entsprechend die Aufnahme der Verse als ‚Epigonoi’, Frg. °6 Bern.), bzw. Busse 1909, 116-119 und West 1967, 440 („There is nothing to suggest that Aristophanes associated the lines with Homer and Hesiod.”), die die Verse im Kontext symposiastischer Rätseldichtung verorteten. 6 Erbse 1996, 312 Anm. 9 (Vorläufer dieser These waren Kirchhoff 1892, 886 und Abramowicz 1938, 480 f.). Dichterwettstreit 29 3.1 Das Sprachspiel mit den Pferdenacken im ‚Certamen’ und im ‚Frieden’ des Aristophanes, die intertextuelle Natur beider Texte und die Frage nach der Priorität Es gibt eine ganze Reihe von Argumenten für eine ältere Form des ‚Certamen’, aus der Aristophanes im ‚Frieden’ schöpfen konnte. Dazu zählt etwa der Dichterwettkampf zwischen Aischylos und Euripides in Aristophanes' ‚Fröschen’, der eine Reihe von Parallelen mit dem Wettstreit zwischen Hesiod und Homer aufweist und daher ebenfalls als Argument für eine ältere Version des ‚Certamen’ gelten kann 7 . Ein weiteres Argument ist der generelle Aufbau der Schlussszene des ‚Frieden’ selbst, weil hier zwei jugendliche Sänger auftreten, der Sohn des bekannten Feldherrn Lamachos, der entsprechend in den Zeilen 1270-1287 Verse militärischen Inhalts vorträgt, und der Sohn des als notorischer Feigling verschrienen Politikers Kleonymos, der passenderweise in den Zeilen 1298-1301 Archilochos’ berühmtes Gedicht von seiner Flucht und seinem eingebüßten Schild (Frg. 5 W. 2 ) zitiert und damit das wenn auch grummelnde Wohlgefallen seines Gastgebers Trygaios findet 8 . Diese Globalstruktur entspricht natürlich der Konstellation im ‚Certamen’, wo ebenfalls ein Dichter des Krieges, Homer, einem Dichter des Friedens, Hesiod, gegenübersteht und damit vor dem Kampfrichter Panedes ebenso chancenlos bleibt wie der Sohn des Lamachos vor Trygaios 9 . Es ist im Grundsatz denkbar, dass Alkidamas als kundiger Sophist die beiden aristophanischen Szenen ausgriff, sie mit Hesiods Nachricht von seinem Sieg an den Leichenspielen für König Amphidamas von Euboia (Op. 654-659) kombinierte und aus diesen disparaten Elementen in völlig freier Weise eine ganz neue Erzählung vom Dichterwettkampf zwischen Homer und Hesiod schuf. Wesentlich ökonomischer ist aber sicherlich die umgekehrte Annahme, d.h. dass das Motiv vom Wettkampf zwischen Homer und Hesiod schon vor Aristophanes’ und 7 So nach ersten Anregungen von Radermacher 1921, 30 und Gallavotti 1929, 44 f. vor allem Dornseiff 1944, 136 f. und danach etwa noch Richardson 1981, 2, Rosen 2004, 299-302 und Baier 2013, 155. 8 Cf. Compton-Engle 1999, 328, die daraus jedoch keinen Rückschluss auf das Alter des ‚Certamen’ zieht. 9 Dass die Gestalt und Rolle des Königs Panedes alt sei, wurde bestritten von Heldmann 1982 (86 f. und passim), der annahm, dass erst im zweiten Jahrhundert n. Chr. ein unbekannter Bearbeiter diese Gestalt in die Geschichte eingeführt habe, um damit die Darstellung des Wettkampfs bei Dion Chrysostomos (or. 2,10-12) zu korrigieren. Doch wurde Heldmanns These kritisch aufgenommen (Richardson 1984, O’Sullivan 1992, 63 Anm. 9, Koning 2010, 252 Anm. 50, Visser 2012, 343; freundlicher Luppe 1984), sodass Panedes’ frühe Einführung in den Zusammenhang heute wieder als communis opinio gelten kann; cf. Graziosi 2002, 172-180, die versucht, die Entscheidung des Königs vor dem Hintergrund der politischen Situation im Athen der klassischen Zeit zu interpretieren. Kapitel 3 30 Alkidamas’ Zeit existierte und dass beide Autoren in je eigener Weise sich bei dieser Vorlage bedienten. Von wesentlicher Bedeutung für die Entscheidung dieser Frage dürfte nun die Abfolge der Verse sein, die der Sohn des Lamachos vorträgt, und ihr genauer Wortlaut: Auffällig ist nämlich zunächst, dass der junge Sänger sein Lied mit einem Proömiumsvers beginnt, der nach den antiken Nachrichten aus dem frühgriechischen Epos der ‚Epigonoi’ stammt (Pax 1270 = ‚Epigonoi’, Frg. 1 Bern.: νῦν αὖθ᾿ ὁπλοτέρων ἀνδρῶν ἀρχώµεθα - „Nun wiederum wollen wir beginnen mit einem Lied von rüstigen jungen Männern”) 10 , dann aber, nachdem ihn Trygaios gleich wieder unterbrochen hatte, in V. 1273 schnell zu einem Formelvers der ‚Ilias’ übergeht ( οἱ δ᾿ ὅτε δὴ σχεδὸν ἦσαν ἐπ᾿ ἀλλήλοισιν ἰόντες - „als sie aber nahe waren, aufeinander zuschreitend” 11 ) und in den folgenden zwei Versen (1274: σύν ῥ᾿ ἔβαλον ῥινούς τε καὶ ἀσπίδας ὀµφαλοέσσας - „schlugen sie die Schilde aus Rindsleder gegeneinander und ebenso die gebuckelten Schilde”; 1276: ἔνθα δ᾿ ἅµ᾿ οἰµωγή τε καὶ εὐχωλὴ πέλεν ἀνδρῶν - „da war zugleich Wehklagen und Prahlen der Männer”) mit einem Pastiche fortfährt, das Versteile aus zwei kleinen Szenen der ‚Ilias’ übernimmt 12 . Im zweiten Halbvers von Zeile 1274 greift er jedoch eine Formel auf, die sich zwar an beiden Vorbildstellen wiederfindet 13 , dort aber (wie auch sonst in der ‚Ilias’ 14 ) im Nominativ steht, und nur an einer Stelle der ‚Odyssee’ genau wie im ‚Frieden’ im Akkusativ erscheint 15 . Trygaios, der an dieser Stelle seinen jugendlichen Gast erneut für einen Moment unterbricht und daher von ihm aufgefordert wird, ihm ein passenderes Thema vorzugeben, scheint dies zum Anlass zu nehmen, nun seinerseits einen Vers aus der ‚Odyssee’ zu zitieren und zwar bezeichnenderweise einen Vers, der - Trygaios’ eigenen Heiratsplänen entsprechend - eine Hochzeitsschilderung abrundet (Pax 1280a = Od. 4,15a: ὣς οἱ µὲν δαίνυντο - „so schmausten die einen” [sc. die Gäste bei der Hochzeitsfeier von Menelaos’ Sohn Megapenthes]) 16 , macht dann aber den Fehler, dass er mit der Wendung βοῶν κρέα („Fleisch von Rindern”) Worte anfügt, die ganz andere Assoziationen zulassen. Denn der Sohn des Lamachos nimmt in der Folge zwar diese Versteile auf, ist aber nun durch die Wendung βοῶν κρέα gleichsam auf eine falsche Spur gebracht und beendet das Distichon mit Versteilen, die sich in fast identischer Weise im ‚Certamen’ finden 10 Den ‚Epigonoi’ zugewiesen von den Scholien zu Aristoph. Pax 1270b, p. 178 Holwerda. 11 Hom. Il. 3,15 und weitere zehn Male im selben Epos. 12 Pax 1274a = Hom. Il. 4,447a und 8,61a; Pax 1276 = Il. 4,450 und 8,64. 13 Pax 1274b bzw. Hom. Il. 4,448b und 8,62b. 14 Hom. Il. 12,161; 13,264; 16,214 und 19,360. 15 Hom. Od. 19,32. 16 Der Halbvers ist in den beiden homerischen Epen sonst nicht mehr so belegt. Dichterwettstreit 31 (Pax 1282 f.: ὣς οἱ µὲν δαίνυντο βοῶν κρέα, καὐχένας ἵππων / / ἔκλυον ἱδρώοντας, ἐπεὶ πολέµου ἐκόρεσθεν. - „So schmausten die einen Fleisch von Rindern und schwitzende Nacken von Pferden spannten sie aus, nachdem sie sich am Krieg gesättigt hatten.”). Wie diese Parallele zu den l. 107-108 Allen des ‚Certamen’ zustande kam, ist nun eben die Frage, die erst weiter unten einer Beantwortung wird zugeführt werden können. Schon an dieser Stelle aber sollte darauf hingewiesen werden, dass die ersten Worte von V. 1282 ( ὣς οἱ µὲν δαίνυντο ) sich nicht nur in der ‚Odyssee’ wiederfinden, sondern auch im ‚Certamen’ 17 , und bemerkenswert ist schließlich, dass Trygaios in den V. 1280 f. des ‚Frieden’ seinem Dialogpartner in ganz ähnlicher Weise eine Vorlage gibt wie Hesiod im ‚Certamen’ 18 . Stellten also die bisher besprochenen Verse einen Übergang von den ‚Epigonoi’ zu den beiden homerischen Epen und schließlich zu Versen dar, die im wesentlichen mit solchen aus dem ‚Certamen’ identisch sind, und wandelte sich der Inhalt von hehrer Kriegsthematik zu einem Bild wenn nicht des Friedens, so doch der Kampfpause, so sind die folgenden Verse wieder ganz der Schilderung eines anstehenden Scharmützels gewidmet (Pax 1286 f.: θωρήσσοντ᾿ ἄρ᾿ ἔπειτα πεπαυµένοι ... 19 / / πύργων δ᾿ ἐξεχέοντο, βοὴ δ᾿ ἄσβεστος ὀρώρει - „sie rüsteten sich darauf, nachdem sie abgelassen hatten ..., sie drangen aber aus der Burg hervor und unauslöschliches Kriegsgebrüll hatte sich erhoben”). Hier scheinen zunächst keine eindeutig identifizierbaren Verse oder Halbverse eines bestimmten Epos zitiert zu sein, weswegen auch schon versucht wurde, das gesamte Verspaar den anfangs evozierten ‚Epigonoi’ zuzuweisen 20 . Ein genauerer Blick auf die einzelnen Versteile zeigt aber, dass für diesen Schlussteil doch wieder die ‚Ilias’ Modell gestanden hat. So ist θωρήσσοντο in der ‚Ilias’ zwar nie am Versanfang gebraucht, findet sich aber - in vergleichbaren Kontexten - mehrfach als zweites Wort im Vers 21 ; πεπαυµένοι findet eine sinnige Parallele in Hom. Il. 3,150, wo vom Rat der troischen Ältesten die Rede ist, die sich bereits vom aktiven Kampf zurückgezogen haben ( γήραι δὴ πολέµοιο 17 ‚Certamen’ § 9 (V p. 230 l. 119 Allen = p. 38,19 von Wilamowitz-Moellendorff). 18 So gut Compton-Engle 1999, 328 und Zogg 2014, 159; cf. Telò 2013, der generell auf die Übernahme der hesiodeischen Rolle und Poetik durch Trygaios eingeht. 19 Die Auslassungspunkte bezeichnen eine Intervention des Trygaios ( ἄσµενοι, οἶµαι - „hocherfreut, denke ich”); es müsste aber eigentlich, wie die Fortsetzung zeigt, im Rest des Verses eine Bemerkung des Sängers folgen, wonach die Krieger die zwischenzeitlichen Feierlichkeiten wieder beendet haben und sich nun erneut dem Schlachtgeschehen zuwenden wollen. 20 So von Allen 1912b, 256 bzw. 1924, 23 f., Bernabé 1996, 31, der die Verse als Frg. °7 der ‚Epigonoi’ aufführt, und Zogg 2014, 161 f. 21 Hom. Il. 2,818 (Auszug der Troer in den Kampf) und 19,352 (Rüstung der Griechen für den anstehenden Kampf). Kapitel 3 32 πεπαυµένοι - „des Alters wegen vom Krieg abgelassen habend” 22 ); πύργων steht in der ‚Ilias’ zweimal wie hier am Versanfang 23 ; ἐξεχέοντο ist übernommen aus der Szene des Auszugs der Myrmidonen in den Kampf (Il. 16,259: αὐτίκα δὲ σφήκεσσιν ἐοικότες ἐξεχέοντο 24 - „und sie ergossen sich Wespen gleichend” 25 ); da auch dieser Auszug auf eine wenn auch erzwungene Kampfpause folgt, besteht also wieder eine thematische Analogie; schließlich schafft ἐξεχέοντο im Verein mit der Forstsetzung βοὴ δ᾿ ἄσβεστος ὀρώρει die Verbindung zum nur wenig später folgenden Vers von Il. 16,267 ( ἐκ νηῶν ἐχέοντο· βοὴ δ᾿ ἄσβεστος ὀρώρει - „sie strömten von den Schiffen, unauslöschliches Kriegsgebrüll hatte sich erhoben”) 26 , wo das Simplex χέω mit einer gebräuchlichen Formel der ‚Ilias’ verbunden ist 27 . Nachdem an dieser Stelle das Lied des jungen Sängers von der Friedensthematik wieder zur Kampfschilderung zurückgekehrt ist, erfolgt also auch eine passende Rückkehr zur Phraseologie der ‚Ilias’, und die Passage von V. 1270 bis 1287 des ‚Frieden’ weist damit zur Gänze die genau gleiche Cento-ähnliche Technik auf, wie sie kurz zuvor schon in einem angeblichen Homer-Referat des Trygaios (Pax 1090-1093) zu beobachten gewesen war 28 . Bezeichnend scheint nun, dass der Sohn des Lamachos - bei allen Störversuchen des Trygaios - in seiner Textcollage in mehrfacher Weise eine lineare Erzählfolge einhält. So trägt er in seinem Lied, wie soeben dargestellt, eine zwar einfache, aber doch in sich stimmige Geschichte vor, die mit einem Proömium beginnt und dann erste Kampfhandlungen schildert, bevor nach einer Kampfpause die Entscheidungsschlacht zu beginnen 22 Der einzige Beleg für ein Partizip Perfekt Medium von παύω in den homerischen Epen. Der Sohn des Lamachos hat also gleichsam - unter Beibehaltung ihrer Position im Vers - eine homerische Floskel aufgegriffen, sie aber aus Absicht oder Ungeschick in ihr Gegenteil verkehrt, während Trygaios mit der oben erwähnten Intervention ( ἄσµενοι, οἶµαι ) den homerischen Kontext mit der Aufgabe des Kriegs durch die Ältesten von Troja aufzugreifen scheint (unter Ausnutzung der Doppelbedeutung von θωρήσσοµαι : ‚sich rüsten’ vs. ‚sich betrinken’). Dieser auch von Zogg 2014, 162 Anm. 917 noch verpasste Bezug von Pax 1286 zu Il. 3,150 ist also ein starkes Argument gegen die oben (Anm. 20) referierte These, wonach Pax 1286 f. aus den ‚Epigonoi’ übernommen sei. 23 Hom. Il. 8,165 und 9,574. 24 Der einzige Beleg für diese Form von ἐκχέω in den homerischen Epen. 25 Da zum einen die ‚Wespen’ des Aristophanes nur ein Jahr vor dem ‚Frieden’ aufgeführt wurden und zum anderen der einleitende Vers von Il. 16,259 durch ein ganzes Wespengleichnis weitergeführt wird, kann die Stelle schon bei der Ausarbeitung der erstgenannten Komödie die Aufmerksamkeit des Dichters gefunden haben (cf. insbesondere die Schilderungen von Vesp. 223-229 und 430-432), und so ist es nicht verwunderlich, wenn Aristophanes den Vers von Il. 16,259 hier erneut aufgreift. 26 So bereits richtig Nauck 1879, 105 und van Leeuwen 1906, 191. 27 Die Formel βοὴ δ᾿ ἄσβεστος ὀρώρει findet sich sonst noch in Hom. Il. 11,500; 13,169 und 13,540. 28 Cf. die Hinweise bei Olson 1998, 278 und Zogg 2014, 140 f. Dichterwettstreit 33 scheint. Linear ist aber auch die evozierte Sagenchronologie, denn das Lied beginnt, wie gesagt, mit dem Anfangsvers der ‚Epigonoi’, also mit dem Thema der Kriege gegen Theben, die nach einmütiger Auffassung dem Trojanischen Krieg vorausgingen. Darauf folgen Verse aus der ‚Ilias’ und danach ein gleitender Übergang zur ‚Odyssee’ und zu einem Intermezzo, das der Situation des Sängerkampfes in Chalkis entspricht. Es ist also wieder mit den Stationen ‚Thebanischer Krieg’ - ‚Trojanischer Krieg’ - ‚Situation nach Rückkehr des Menelaos nach Sparta’ - ‚Lebenszeit des Dichters dieser Ereignisse’ die lineare Abfolge eingehalten, bevor dann zuletzt der geschilderte Rückgriff auf die ‚Ilias’ erfolgt und das Lied damit gewissermaßen sein definitives Thema erhält. Noch auffälliger ist freilich, dass die Zitierung und Reihenfolge der drei Epen ‚Epigonoi’, ‚Ilias’ und ‚Odyssee’ bei Aristophanes der Nennung der drei Epen im Schlussteil des ‚Certamen’ (§ 15-16) entspricht, wo zunächst die beiden thebanischen Epen ‚Thebais’ und ‚Epigonoi’ als die Erstlingswerke Homers bezeichnet sind (‚Certamen’ § 15, V p. 235 l. 254-260 Allen = p. 42,29 - 43,1 von Wilamowitz-Moellendorff, mit wörtlichem Zitat des Anfangsverses der ‚Epigonoi’, der auch bei Aristophanes den Anfang macht) und nachher ‚Ilias’ und ‚Odyssee’ in dieser Reihenfolge als die Werke der Reifezeit genannt sind (‚Certamen’ § 16, V p. 236 l. 275-276 Allen = p. 43,16-17 von Wilamowitz-Moellendorff: µετὰ δὲ ταῦτα ποιεῖ τὴν Ὀδύσσειαν, ἔπη µ,β᾿, πεποιηκὼς ἤδη τὴν Ἰλιάδα ἐπῶν µ,εφ᾿. - „Darauf dichtete er die ‚Odyssee’, ein Lied von 12’000 Versen, nachdem er bereits die ‚Ilias’ im Umfang von 15’500 Versen gedichtet hatte.”) 29 . Diese Häufung von Bezügen zwischen dem Lied von Lamachos’ Sohn und dem ‚Certamen Homeri et Hesiodi’, die über die Quasi-Identität von Pax 1282 f. mit ‚Certamen’ l. 107-108 Allen erheblich hinausgeht, kann nun kaum Zufall sein, sondern muss bedeuten, dass entweder das ‚Certamen’ (bzw. Alkidamas) von Aristophanes abhängt oder Aristophanes auf eine Vorform des ‚Certamen’ zurückgreift 30 . Will man die Frage nun endgültig 29 Diese Angaben müssen nicht unbedingt oder nicht zur Gänze von den ‚Pinakes’ des Kallimachos abhängen (wie Allen 1912b, 254 bzw. 1924, 21 vorschlägt), sondern können auch - insbesondere was die genannten Werktitel und die zitierten Anfangsverse angeht - in ältere Zeit zurückreichen und somit schon auf Alkidamas und dessen Vorgänger zurückgehen. 30 Eine Herkunft von Pax 1282 f. bzw. ‚Certamen’ l. 107-108 aus den Rätselspielen des fünften Jahrhunderts, wie sie Busse und West (oben Anm. 4) postulierten, sollte also auszuschließen sein. Zu beachten ist außerdem, dass die Beschreibung der symposiastischen Rätselspiele bei Klearchos von Soloi (Frg. 63 I Wehrli 2 = Ath. 10, 457c - 458a), auf die namentlich Busse sich beruft, von der Reproduktion vollständiger bekannter Verse spricht ( οἱ παλαιοὶ τὴν τῆς παιδείας ἀπόδειξιν ἐν τούτοις ἐποιοῦντο ... τῷ πρώτῳ ἔπος ‹ ἢ › ἰαµβεῖον εἰπόντι τὸ ἐχόµενον ἕκαστον λέγειν καὶ τῷ κεφάλαιον εἰπόντι ἀντειπεῖν τὸ ἑτέρου ποιητοῦ τινος, ‹ ὅτι › εἰς τὴν αὐτὴν εἶπε γνώµην - „die Alten zeigten ihre Bildung auf folgende Weise ... dem ersten, der einen Hexameter oder einen Kapitel 3 34 klären, so ist erneut eine genaue Betrachtung der genannten Verse nötig bzw. der Abweichungen zwischen den beiden Texten, die sich doch auch finden lassen. Denn abgesehen von den unterschiedlichen Anfängen (Aristophanes: ὣς οἱ µὲν δαίνυντο ; ‚Certamen’: δεῖπνον ἔπειθ᾿ εἵλοντο ) fällt vor allem auf, dass der Schluss des zweiten Verses ein je anderer ist (Aristophanes: ἐπεὶ πολέµου ἐκόρεσθεν ; ‚Certamen’: ἐπεὶ πολέµοιο κορέσθην ). Dieser Unterschied scheint von den Interpreten des ‚Certamen’ zumeist übersehen worden zu sein 31 . Doch handelt es sich nur bei der Form ἐκόρεσθεν , die Aristophanes anführt, unzweideutig um eine (epische) Pluralform (wie es auch bei der Langform ἐκορέσθησαν der Fall gewesen wäre 32 ), während κορέσθην von l. 108 des ‚Certamen’, wie die untenstehende Diskussion zeigen wird, normalerweise eine 1. Pers. Sing. sein sollte, sich aber im Ausnahmefall auch als Nebenform zu ἐκόρεσθεν / ἐκορέσθησαν verstehen lässt und somit ebenfalls als 3. Pers. Plur. gelten kann 33 . Warum Aristophanes die Pluralform gebraucht, ist leicht zu sagen. Lamachos’ Sohn erzählt eine zusammenhängende Geschichte über einen Kriegszug junger Männer und verwendet daher durchgehend Pluralformen. Daher kann er selbst dort, wo er den Kriegern eine zwischenzeitliche Erholungspause gewährt, nur eine Form in der 3. Pers. Plur. zur Anwendung bringen. Wesentlich komplizierter verhält es sich im ‚Certamen’, weil dort die beiden Verse ohnehin auf zwei unterschiedliche Sprecher verteilt sind. Hesiod beginnt mit einem Vers, der - in der üblichen Weise - dem Dialogpartner eine kleine Denksportaufgabe aufgibt, denn Konsum von iambischen Vers vorsagte, musste ein jeder den sich daran anschließenden Vers nennen, und dem, der eine wichtige Stelle zitierte, musste man entgegenhalten, was immer ein anderer Dichter zum selben Thema gesagt hatte”) und nicht von der Improvisation neuer Verse, wie sie das ‚Certamen’ durchgehend zeigt. Schließlich müsste man sich fragen, welchen Zweck Aristophanes damit verfolgte, wenn er mitten in einer Collage aus epischen Versatzstücken plötzlich einen symposiastischen Rätselvers zitierte. 31 So anscheinend von Ohlert 1912, 38, Evelyn-White 1936, 575 („Then they dined on the flesh of oxen and their horses’ necks - They unyoked dripping with sweat, when they had had enough of war.”), Schadewaldt 1942, 38 bzw. 1959, 28 („... sie hatten sich müde gestritten.”), Avezzù 1982, 43 („... poi che furono sazi di guerra.”), Gigante 1996, 111, West 2003, 329, Lambin 2011, 112 und Baier 2013, 151, die alle in l. 108 des ‚Certamen’ beim überlieferten Text κορέσθην bleiben und dennoch mit einer Pluralform übersetzen, was zumindest erklärungsbedürftig gewesen wäre. 32 Zum Wechsel zwischen der epischen Sonderform auf θεν und der Normalform auf θησαν in der Endung der 3. Pers. Plur. Aor. Passiv cf. Chantraine 1942, 399-407 bzw. 2013, 387-394, Schwyzer 1953, 758 und Wachter 2000, 98 sowie die weiter unten folgende Diskussion. 33 Die Konjektur κόρεσθεν , die Hermann 1832b, 46 bzw. 1835, 282 in seiner Rezension der Hesiod-Ausgabe von K. Göttling (Göttling 1831) an unserer Stelle vornimmt (gefolgt von Westermann 1845, 37, Nietzsche 1871, 9 und Führer 1991, 1488 [Zeile 44]), löst diese Ambivalenz auf und sollte daher vermieden werden. Dichterwettstreit 35 Pferdefleisch gehörte sonst nicht zu den Gepflogenheiten epischer Helden ( δεῖπνον ἔπειθ᾿ εἵλοντο βοῶν κρέα καὐχένας ἵππων - „als Abendessen nahmen sie darauf zu sich Fleisch von Rindern und Nacken von Pferden”). Homer reagiert auf diese Provokation mit einer von ihm öfter geübten Technik, nämlich indem er die Paradoxie des ihm vorgelegten Verses regelmäßig dadurch auflöst, dass er dessen Schlussteil in stimmiger Weise mit einem neugebildeten Antwortvers verbindet. So beispielsweise im vierten Distichon dieses Abschnitts (‚Certamen’ § 9, V p. 230 l. 113-114 Allen = p. 38,13-14 von Wilamowitz-Moellendorff: [Hesiod] οὗτος ἀνὴρ ἀνδρός τ᾿ ἀγαθοῦ καὶ ἀνάλκιδός ἐστι / / [Homer] µητρός, ἐπεὶ πόλεµος χαλεπὸς πάσῃσι γυναιξίν. - „Dieser Mann stammt von einem tüchtigen Vater und von einer kraftlosen Mutter, da Krieg für alle Frauen beschwerlich ist.”), wo sich der erste Vers zunächst so liest, wie wenn der Vater nicht nur tüchtig, sondern (paradoxerweise) auch kraftlos wäre und erst durch die Fortsetzung deutlich gemacht wird, dass ‚kraftlos’ hier ein Attribut für die Mutter ist. Oder im sechsten Distichon (l. 117-118 Allen = p. 38,17-18 von Wilamowitz-Moellendorff: [Hesiod] αὐτὰρ ἐπεὶ δµήθη γάµῳ Ἄρτεµις ἰοχέαιρα / / [Homer] Καλλιστὼ κατέπεφνεν ἀπ᾿ ἀργυρέοιο βιοῖο. - „Aber nachdem sie sich ehelichen Banden unterworfen hatte, tötete die pfeilesendende Artemis die Kallisto mit Hilfe ihres silbernen Bogens.”), wo zunächst die Schockwirkung angestrebt ist, dass Artemis, die ewig jungfräuliche, womöglich eine Ehe eingegangen war, und erst durch die Fortsetzung ‚richtiggestellt’ wird, dass Artemis nicht das Subjekt des Nebensatzes αὐτὰρ ἐπεὶ δµήθη γάµῳ ist, sondern des Hauptsatzes Καλλιστὼ κατέπεφνεν κτλ. , während Kallisto selbst sich nun plötzlich als Subjekt des vorangestellten Nebensatzes erweist. Oder anders formuliert: Die Abtrennung zwischen Nebensatz und Hauptsatz, die Hesiod für das Ende seines Verses vorgesehen hatte, verschiebt sich nun durch die Anfügung von Homers Vers zur Stelle zwischen den beiden Vokabeln γάµῳ und Ἄρτεµις . Analog dazu ergänzt Homer den genannten Vers von l. 107 zunächst mit einem ἔκλυον ἱδρώοντας , womit die Pferdenacken nicht mehr Objekt zu εἵλοντο sind, sondern zu ἔκλυον (‚sie spannten schwitzende Nacken von Pferden aus’ 34 ), und somit die etwas gruselige Vorstellung von Pferdefleisch essenden Heroen aus der Welt geschafft ist. 34 ἔκλυον ist hier sicher nicht Imperfekt von κλύω - ‚hören’ (wie noch Nietzsche 1873, 243 wollte [„und sie nahmen wahr”]), sondern unaugmentiertes Imperfekt von ἐκλύω - ‚herauslösen’, ‚ausspannen’, ist also ein episches Pendant zur attischen Standardform ἐξέλυον . Die merkwürdige Übersetzung von West 2003, 329 („They cleansed of sweat”) scheint auf einer Vermengung mit Call. Lav. Pall. 9-11 zu beruhen, wo mit den Begriffen unserer Stelle gespielt und das Partizip λυσαµένα (von λύω - ‚lösen’) neben den Aorist ἔκλυσεν (von κλύζω - ‚wegspülen’) gestellt ist (cf. unten Kap. 3.4.2.4). Kapitel 3 36 Doch Hesiod ist keineswegs gewillt, sofort aufzustecken, und fährt daher in l. 109 mit einem Vers fort, der mit dem paradoxen Gedanken spielt, dass die Phryger bzw. Troer 35 , eine von einer Seemacht belagerte Stadtbevölkerung, auf oder bei den Schiffen die besten sein könnten ( καὶ Φρύγες, οἳ πάντων ἀνδρῶν ἐπὶ νηυσὶν ἄριστοι - „auch die Phryger, die von allen Männern bei den Schiffen die besten sind”). Homer hat aber erneut eine überraschende Antwort auf Lager, indem er der Situation wieder eine andere Wendung gibt und die besondere Fähigkeit der Troer in fast blödelndem Ton im Verspeisen von Nachtmählern verortet (l. 110: ἀνδράσι ληιστῆρσιν ἐπ᾿ ἀκτῆς δόρπον ἑλέσθαι [cod.: δόρπα πένεσθαι von Wilamowitz-Moellendorff] - „[die besten sind] in den Augen der Seeräuber 36 , an der Küste das Mahl einzunehmen”). Homer zieht also einmal mehr seinen Kopf auf ingeniöse Art aus der Schlinge, und in dieser Weise scheint es nun bis l. 137 des ‚Certamen’ weiterzugehen, weil nicht nur die bereits genannten Distichen von l. 113-114 und l. 117-118 einen solchen Schlagabtausch mit einem Nonsens-Vers Hesiods und einer brillanten Auflösung Homers zeigen, sondern überhaupt alle kleinen Sequenzen unseres Texts nach diesem Muster gebildet sind, wenn auch in einzelnen Fällen wie vor allem im Distichon von l. 115-116 der Witz der Passage nur noch schwer aufzuhellen ist 37 . Somit scheint in den l. 107-137 des ‚Certamen’ mit den sogenannten γνῶµαι ἀµφίβολοι - „doppeldeutige Aussprüche” (l. 102-103) ein zwar witziges und brillantes, aber letztlich doch eher belangloses Spiel mit den Techniken der Sprachartistik vorzuliegen. Bedenkt man aber noch einmal, dass in den V. 1270- 1287 von Aristophanes’ ‚Frieden’ ein fast lückenloser Homer-Cento vorliegt, und überprüft man, wie weit das auch im ‚Certamen’ der Fall ist, so ergibt sich ein recht anderes Bild. Wenn wir also noch einmal die l. 107 betrachten, mit der Hesiod seine Examination beginnt, so zeigt sich ein einigermaßen erstaunliches Resultat: Denn δεῖπνον ἔπειθ᾿ εἵλοντο entspricht dem Versanfang von Hom. Od. 6,97, 35 Zur Identität oder Quasi-Identität der Phryger mit den Troern cf. unten Anm. 48. 36 Will man den Text nicht wie Wilamowitz ändern, so bleibt kaum noch eine andere Lösung, als den Dativ ἀνδράσι ληιστῆρσιν als Dativ des Standpunkts zu verstehen (so wohl verstanden von Gigante 1996, 111: „per i pirati”; allgemein zu dieser Erscheinung cf. Kühner, Gerth 1898, 421 f. und Schwyzer 1950, 151 f.); vergleichbar wären etwa Soph. OT 40 ( ὦ κράτιστον πᾶσιν Οἰδίπου κάρα - „oh du allen am stärksten erscheinendes Haupt des Ödipus”) und OC 1446 ( ἀνάξιαι γὰρ πᾶσίν ἐστε δυστυχεῖν - „ihr habt es nämlich in aller Augen nicht verdient zu leiden”). Kaum plausibel jedenfalls die ad-hoc-Bedeutung von δόρπον ἑλέσθαι (‚das Abendessen wegnehmen’), die Nietzsche 1873, 243 f., Ohlert 1912, 40, Evelyn-White 1936, 575, Avezzù 1982, 43 und Lambin 2011, 112 versuchen, weil erst drei Zeilen zuvor der synonyme Ausdruck δεῖπνον ἑλέσθαι in der Normalbedeutung ‚das Abendessen einnehmen’ gebraucht worden war. 37 Cf. den Erklärungsversuch weiter unten im selben Abschnitt. Dichterwettstreit 37 findet sich aber sonst in dieser Form nicht mehr im frühgriechischen Epos. βοῶν κρέα findet eine ungefähre Entsprechung in Il. 8,231 ( ἔσθοντες κρέα πολλὰ βοῶν ); die Parallele ist somit nicht perfekt, aber es kommt immerhin βοῶν an dieselbe Stelle im Vers zu liegen, und es fällt auf, dass weitere Belege für die Junktur im frühgriechischen Epos nicht vorliegen. Wenn also bisher eine gewisse Tendenz zur Verwendung singulärer homerischer Wendungen zu beobachten war, Hesiod mithin gewillt scheint, seinen Konkurrenten gerade mit Versatzstücken aus dessen eigenen Werken in Verlegenheit zu bringen, so liegt für den Versschluss καὐχένας ἵππων keine solche Entsprechung vor. Dafür finden wir gleich viermal in der ‚Ilias’ die Formel ἐριαυχένας ἵππους (10,305; 17,496; 18,280; 23,171, jeweils am Vers- ende), die sich immerhin von der dritten bis zur sechsten Silbe genau mit der Wendung Hesiods deckt, und es scheint in Hinblick auf die Fortsetzung unserer Passage durchaus signifikant, dass die erste dieser Stellen sich im zehnten Buch der ‚Ilias’ vorfindet und damit den Blick des Lesers auf die Situation am Abend und in der Nacht nach dem zweiten Kampftag der ‚Ilias’ lenkt. An diese Stelle seines Epos scheint jedenfalls Homer sich erinnert zu fühlen, als nun an ihm die Reihe ist, den unsinnigen Vers seines Kontrahenten wieder einzurenken, und so fährt er fort mit der bereits genannten Wendung ἔκλυον ἱδρώοντας . Diese Wendung entspricht nämlich in der Formulierung wie in der Sache weitgehend einem Formelvers, der sich je einmal in der ‚Ilias’ und in der ‚Odyssee’ findet (Il. 8,543 = Od. 4,39: οἱ δ᾿ ἵππους µὲν λῦσαν ὑπὸ ζυγοῦ ἱδρώοντας - „sie aber lösten die schwitzenden Pferde aus dem Joch”). Dabei mag durchaus auch der ‚Odyssee’-Vers hier von thematischer Relevanz sein, weil diese Szene mit der Ankunft des Telemachos bei Menelaos in Sparta später in l. 119 des ‚Certamen’ noch einmal evoziert wird. Wichtiger scheint im Kontext unserer Passage aber doch die Stelle aus dem achten Buch der ‚Ilias’ zu sein, weil damit das Nachtmahl der Troer und generell die Kampfpause nach dem zweiten Kampftag der ‚Ilias’ eingeleitet wird. Wir scheinen also definitiv von den beiden Dichtern in die gespenstische Atmosphäre am Ende dieses Tages bzw. zu den Büchern 8 bis 10 der ‚Ilias’ ‚entführt’ worden zu sein, in denen uns vorgeführt wird, wie die Griechen von Hektor und seinen Mannen in das Schiffslager zurückgedrängt worden sind und nun mit ansehen müssen, wie die Troer sich draußen in der Ebene vor den Schiffen niederlassen und Vorbereitungen unternehmen für die Erstürmung des Lagers am Folgetag. Schwierig zu beurteilen ist nun die zweite Hälfte des Verses, weil Homer nicht mit der erwartbaren und bei Aristophanes belegten Fortsetzung ἐπεὶ πολέµου ἐκόρεσθεν weiterfährt, sondern - zumindest nach dem Text des Codex Laurentianus (et unicus) bzw. der leichten Verbesserung von H. Stephanus - mit den Worten ἐπεὶ πολέµοιο κορέσθην . Diese Form κορέσθην Kapitel 3 38 sollte aber - gerade wenn man sich vor Augen führt, dass in l. 108 Homer spricht - eine 1. Pers. Sing. Aor. Pass. von κορέννυµι - ‚sättigen’ sein, und zwar nicht nur aus dem Grund, weil das die normale Interpretation einer solchen Endung auf θην wäre, sondern auch deshalb, weil genau diese Form κορέσθην zweimal an derselben Versstelle wie im ‚Certamen’ Verwendung in einem Formelvers der ‚Odyssee’ findet und immer eine 1. Pers. Sing. bezeichnet (4,541 = 10,499: αὐτὰρ ἐπεὶ κλαίων τε κυλινδόµενός τε κορέσθην - „aber nachdem ich mich am Weinen und Herumwälzen [sc. auf dem Boden] gesättigt hatte”) 38 . Der Interpret muss also zunächst versuchen, eine Erklärungsmöglichkeit für die 1. Pers. Sing. zu finden, und eine solche Möglichkeit besteht durchaus, denn schließlich ist schon das vorangehende Imperfekt ἔκλυον doppeldeutig (1. Pers. Sing. vs. 3. Pers. Plur.), und selbst wenn man - gerade in Hinblick auf den genannten Vorbildvers von Il. 8,543 bzw. Od. 4,39 - für ἔκλυον die 1. Pers. Sing. ausschließen möchte, so steht es uns ja frei, nach ἐπεί einen Subjektswechsel anzunehmen 39 . Die Übersetzung von ἐπεὶ πολέµοιο κορέσθην wäre also ‚nachdem ich mich am Krieg gesättigt hatte’ und es müsste damit dann gemeint sein, dass Homer hier in selbstreferentieller Weise auf seine Darstellung im achten Buch der ‚Ilias’ hinweist und verdeutlicht, dass er nach der ausführlichen Beschreibung des zweiten Kampftags vorläufig nicht im selben Stil weiterfahren und stattdessen lieber über mehr als zwei Bücher hinweg das Geschehen am Abend und in der Nacht nach diesem Tag ausführlich schildern wollte. Ist man also bereit, dies so zu akzeptieren, so bekommt die Schlusspointe des Verses richtiggehende metapoetische Qualität, denn damit verdeutlicht der Dichter, dass letztlich er selber der Herr seiner Erzählung ist. Allerdings hat Homer, woran ihn Hesiod in l. 109 dann erinnert, eines nicht bedacht: Die Junktur κορέννυµαι πολέµου stammt von Homer selbst und wurde von ihm selber mit den Troern in (wenn auch verneinte) Verbindung gebracht (Il. 13,634 f.: οὐδὲ δύνανται / / φυλόπιδος κορέσασθαι ὁµοιίου πτολέµοιο - „und sie [sc. die Troer] können sich nicht sättigen am Kampfgetümmel des verderbenden Krieges”). Zu erwarten wäre also, worauf schon ἔκλυον bzw. der Rückbezug auf Il. 8,543 hingedeutet hatte, dass die Troer das Subjekt von l. 108 sind (bzw. es auch schon in l. 107 gewesen waren) und somit auch im temporalen Nebensatz der zweiten Vershälfte von l. 108 das Subjekt sein sollten. Dies jedenfalls scheint der Punkt zu sein, den Hesiod mit dem Anfang von l. 109 ganz stark unterstreicht. Denn der Versbeginn καὶ Φρύγες hängt nach der üblichen Interpretation der Stelle in 38 κόρεσθεν bzw. ἐκόρεσθεν ist dagegen, wiewohl mit einer epischen Verbalendung versehen, im frühgriechischen Epos nicht belegt. 39 Cf. das oben genannte Distichon von l. 117-118, wo es gerade die Antwort Homers ist, die den Leser dazu zwingt, einen solchen Subjektswechsel zwischen dem Nebensatz mit ἐπεί und dem Hauptsatz anzunehmen. Dichterwettstreit 39 der Luft und scheint eines Prädikats zu ermangeln. Dies wäre aber völlig ungewöhnlich im Rahmen unseres Textes, weil all die folgenden Zwei- und Dreizeiler durchaus korrekt gebaute Sätze sind. Will man also eine solche Anomalie vermeiden, so empfiehlt sich die Annahme, dass Hesiod hier gewissermaßen das Satzende, das Homer am Ende von l. 108 intendierte und das die Herausgeber regelmäßig durch die Setzung eines Punktes markieren, ignoriert und die letzten drei Wörter zum Anfang eines längeren (Neben-) Satzes macht, den er mit καὶ Φρύγες gleichsam vervollständigt (‚nachdem auch die Phryger [= Troer] sich am Krieg gesättigt hatten’). Damit ist zum einen dafür gesorgt, dass die Junktur κορέννυµαι πολέµου wieder mit der Personengruppe in Verbindung gebracht ist, für die Homer sie in Il. 13,634 f. einst geprägt hatte, und zum anderen ‚berichtigt’ der Dichter von Askra auf diese Weise gleichsam den ‚Widerspruch’ im Epos seines Konkurrenten, wo zunächst durchaus geschildert ist, wie die Troer am Ende des zweiten Kampftages sich eine nächtliche Pause gönnten, und bei der Darstellung des folgenden Kampftages dieselben Krieger dann doch plötzlich als ‚unersättlich im Kampf’ bezeichnet werden. Hesiod scheint sich also eine Ambivalenz der Form κορέσθην zunutze machen zu wollen, und tatsächlich ist es möglich, die Form nicht nur als 1. Pers. Sing. aufzufassen, sondern auch als 3. Pers. Plur. 40 Grundlage dieser Annahme ist die auf sprachhistorischem Weg rekonstruierte Form der 3. Pers. Plur. Aor. Pass. auf *θηντ . Daraus wurde zunächst nach dem Gesetz der Kürzung von Vokalen vor Liquida oder Nasal und zweitem Konsonanten 41 die Form auf *θεντ und daraus wiederum durch Wegfall des Schlusskonsonanten die Form auf θεν , die erst allmählich durch die auf dem Analogieweg gebildete Form auf θησαν verdrängt wurde. Im Epos bestehen daher beide Formen je nach metrischer Bequemlichkeit gleichberechtigt nebeneinander 42 . Freilich konnte daneben auch eine Form der 3. Pers. Plur. auf θην gebildet werden, wohl nicht als Relikt der älteren Sprachstufe, sondern in Analogie zur 1. Pers. Plur. auf θηµεν und zur 2. Pers. Plur. auf θητε 43 . Dies konnte jederzeit wieder geschehen und so finden wir neben inschriftlichen dialektalen Zeugnissen wie der delphischen Form ἀπελύθην 44 oder der Form ἐστεφανώθην aus Kos 45 auch 40 Ich danke Dr. C. Búa (Leipzig) für wertvolle Hilfe bei der Klärung dieser sprachwissenschaftlichen Frage. 41 Cf. Schwyzer 1953, 279 und 664. 42 Klassisches Beispiel ist das Nebeneinander von ἐλέλιχθεν und ἐλελίχθησαν in Hom. Il. 6,109 bzw. 6,106, doch auch ein Paar wie τάρφθεν und ἐτέρφθησαν (Hom. Od. 6,99; Od. 8,131) illustriert dasselbe Gesetz. 43 Chantraine 1942, 471 f. bzw. 2013, 455 und Schwyzer 1953, 279. 44 GDI 1919,2 (170/ 169 v. Chr.). 45 IG XII 4,2, 456,1 (= GDI 3642,1 = Schwyzer DGE 255,1: um 200 v. Chr.). Kapitel 3 40 ein homerisches Beispiel in der Form µιάνθην von Il. 4,146 ( τοῖοί τοι, Μενέλαε, µιάνθην αἵµατι µηροί - „so wurden dir, Menelaos, die Schenkel mit Blut bespritzt”) 46 . Somit war es an unserer Stelle für Hesiod bzw. für den Verfasser des ‚Certamen’ zumindest nicht ausgeschlossen, in der Form κορέσθην nicht nur eine 1. Pers. Sing. zu erkennen, sondern auch eine 3. Pers. Plur., und er konnte diese latent immer gegebene Interpretationsmöglichkeit nutzen, um den letzten Halbvers Homers aus l. 108 absichtlich fehlzudeuten und im eigenen Sinne weiterzuführen. Aristophanes dagegen, der im Lied des jungen Atheners in Pax 1282 f. nur die Zeilen anführt, die den l. 107-108 des ‚Certamen’ entsprechen, brauchte sich um solche Dinge nicht zu kümmern und verwendete daher die (epische) Normalform ἐκόρεσθεν . Somit fand Hesiod einen eleganten Weg, um zum nächsten Rätselvers von l. 109 überzuleiten 47 , und auch die Phraseologie, die er nun wählt ( καὶ Φρύγες, οἳ πάντων ἀνδρῶν ἐπὶ νηυσὶν ἄριστοι - „und die Phryger, die von allen Männern bei den Schiffen die besten sind”), ist keineswegs eine zufällige. Denn καὶ Φρύγες deutet auf den singulären Versbeginn von Il. 10,431 ( καὶ Φρύγες ἱππόµαχοι 48 ) hin und auch die Fortsetzung οἳ πάντων ἀνδρῶν ἐπὶ νηυσὶν ἄριστοι greift mit Il. 10,306 wieder auf einen Vers aus dem zehnten Buch der ‚Ilias’ zurück. Dieser weist nämlich nicht nur dasselbe Relativpronomen οἵ am Versanfang auf, sondern auch die Junktur ἐπὶ νηυσίν (an derselben Versstelle) und das Schlagwort ἄριστοι , und wiederum ist von Pferden die Rede, ja wir finden im unmittelbar vorangehenden Vers die Formel ἐριαύχενας ἵππους , die erst vor kurzem in l. 107 des ‚Certamen’ den Anstoß für das Rätsel mit den Pferdenacken gegeben hatte (Il. 10,305 f. [Hektor verspricht potentiellen troischen Spähern großzügige Geschenke]: δώσω γὰρ δίφρον τε δύω τ᾿ ἐριαύχενας ἵππους, / / οἵ κεν ἄριστοι ἔωσι θοῇς ἐπὶ νηυσὶν Ἀχαιῶν. - „Ich werde ihm nämlich einen Wagen geben und zwei starknackige Pferde, welche die besten sind bei den schnellen Schiffen der Achaier.”). 46 Cf. Sommer 1909, 210-212, der allerdings dazu tendiert, dass der Dichter selbst die Form auf θεν verwendete (im Sinne eines trochaeus pro spondeo) und dass erst ein späterer Grammatiker die metrische Korrektur vornahm. Die Normalform µιάνθησαν findet sich daneben in Hom. Il. 16,795 und 23,732. 47 Die l. 107-110 des ‚Certamen’ sind daher im Grunde nicht zwei Disticha, sondern ein zusammengehörender Versblock mit gleitenden Übergängen, so wie auch die letzte kurze Sequenz in den l. 133-137 einen zusammenhängenden Versblock darstellt, in welchem Hesiod und Homer sich gegenseitig Stichwörter geben; cf. die Analyse unten in Anm. 70. 48 Die Φρύγες von Il. 10,431 sind nicht gleichzusetzen mit den Troern. Es handelt sich dennoch um Verbündete der Troer, und die Gleichsetzung von Phrygern und Troern war im fünften Jahrhundert Normalität (z.B. TrGF 2 F 569; Aisch. TrGF 3 F 263-272 und 446; Soph. TrGF 4 F 210,77 und 368,2), sodass der Verfasser des ‚Certamen’ leicht mit dieser Assoziation spielen konnte. Dichterwettstreit 41 Hesiod lässt sich also durch die brillante Antwort Homers in l. 108 nicht beirren und bildet mit den l. 107 und 109 eine kleine Fortsetzungsgeschichte, die durchgehend mit homerischen Versatzstücken arbeitet und so dem Rivalen den endgültigen Stoß versetzen soll. Doch auch Homer scheint sich auf der Höhe seines Könnens zu befinden und greift nun seinerseits wieder auf den Fundus seiner Werke zurück. Die genaue Formulierung der Replik mit dem Hinweis auf die Seeräuber, die die ganze Szene angeblich mit Kennerblick verfolgen (l. 110: ἀνδράσι ληιστῆρσιν ἐπ᾿ ἀκτῆς δόρπον ἑλέσθαι - „[die besten sind] in den Augen der Seeräuber, an der Küste das Mahl einzunehmen” 49 ), knüpft nämlich wieder an Homers eigene Dichtungen an, in denen Pluralformen von ληιστήρ recht häufig an derselben Stelle im Vers zu finden sind 50 . Auffällig oft ist dies in Trugreden der Fall, so in Od. 17,425 (mit einer Form von ληιστήρ im Dativ Plural) und vor allem in h. Cer. 125, wo zwar kein Dativ vorliegt, aber dafür die Verbindung mit dem Plural von ἀνήρ ( ἄνδρες ληιστῆρες ἀπήγαγον - „Seeräuber entführten mich [sc. die ältere Frau, als die Demeter sich in dieser Trugrede ausgibt]”) und wo gleich darauf von einem Nachtmahl der Seeräuber am Strand die Rede ist. Dies scheint nun auch die Verbindung mit der Wendung δόρπον ἑλέσθαι ausgelöst zu haben, denn von den zwei homerischen Belegen, die δόρπον am Versende mit einer Form von ἑλέσθαι verbinden (Il. 7,466; Od. 14,347, jeweils in der Form δόρπον ἕλοντο ), findet sich der zweite wieder in einer Trugrede und handelt wieder von Seeräubern, die ihr Schiff am Abend vor Anker legen, um an Land ihr Nachtmahl einzunehmen; die Piraten sind damit gleichsam Experten in dieser menschlichen Aktivität, müssen aber anerkennen, dass ihnen die Troer mit ihrem Nachtmahl vor dem Schiffslager der Griechen in Il. 8,545-565 darin gewissermaßen für einmal den Rang ablaufen. Auch Homer bildet somit in den l. 108 und 110 eine kleine Fortsetzungsgeschichte und er zeigt einmal mehr, dass er seine eigenen Werke immer noch selber am gründlichsten kennt und sie selber am besten verfremden kann. Hinzu kommt noch, dass der ionische Dichter auf den besonderen Status der so entstehenden Verse hinweist, indem er sich just bei den Trugreden bedient, die die stärkste Annäherung an (offengelegte) fiktionale Dichtung sind, die die homerischen Epen kennen 51 . Ist man also bereit, dies so anzuerkennen, so erhält das Distichon von l. 109- 110 genau die gleiche metapoetische Qualität wie die beiden vorangegangenen Zeilen. 49 Zur Textgestalt und zur Interpretation von ἀνδράσι ληιστῆρσιν als Dativus iudicantis cf. oben Anm. 36. 50 Hom. Od. 3,73; 9,254; 16,426 (im Dativ Plural) und 17,425; Hom. h. Cer. 125 und h. Ap. 454. 51 Cf. den gezielten Anschluss an die Trugrede von Hom. Od. 14,191-359 in Ps.-Hdt. Vit. Hom. 22 (unten Kap. 3.4.2.1). Kapitel 3 42 Dieses intertextuelle Spiel mit den homerischen Epen 52 , das wir bisher aufzeigen konnten, muss nicht immer solch brillante Gestalt annehmen, sondern kann sich auch in einfacherer Form zeigen 53 . So entsprechen in der Frage von l. 111 und der Antwort von l. 112 Allen (= p. 38,11-12 von Wilamowitz-Moellendorff, mit Versumstellung) vor allem die Versschlüsse ( καµπύλα τόξα - „den gekrümmten Bogen”; φῦλα γιγάντων - „die Stämme der Giganten”) homerischen Endformeln 54 . In den l. 119 und 120 imitiert der Anfang von Hesiods Frage ( ὡς οἳ µὲν δαίνυντο - „so speisten die einen”) eine singuläre Wendung der ‚Odyssee’ 55 und das Ende der Antwort Homers ( ἄναξ ἀνδρῶν Ἀγαµέµνων - „Agamemnon, der Herr der Männer”) evoziert eine epische Formel, die insbesondere in der ‚Ilias’ ubiquitär ist 56 , und in manchen unserer kleinen ‚Dialoge’ finden sich kaum auffällige Merkmale 57 oder die Übereinstimmung mit den homerischen Epen be- 52 Für die narrative Funktion der im folgenden analysierten Stellen im Kontext der gesamten Partie von ‚Certamen’ l. 97-145 Allen cf. unten Kap. 3.3.; für die einleitenden Zeilen von l. 97-101, die vergleichbare Techniken zeigen wie die l. 107-137, aber bei Plutarch eine Parallelversion finden, cf. Kap. 3.2. 53 Die Arbeitshypothese für die folgende Analyse der l. 111-137 des ‚Certamen’ besteht also wiederum darin, dass die Übereinstimmungen einzelner Formeln oder Teilverse unseres Dialogs mit der homerischen Phraseologie durch den gezielten Rückbezug auf die erhaltenen homerischen Epen bzw. auf einzelne auffällige Stellen daraus zu erklären sind. Die abweichende Erklärung von Allen 1912b, 255 bzw. 1924, 22, wonach die Partien des Hesiod im ‚Certamen’ aus verlorenen Werken des Dichters stammen könnten und die Partien Homers aus den verlorenen Epen des Kyklos, ist dagegen an sich schon unwahrscheinlich (warum sollten gerade all die Hesiod-Verse, die im ‚Certamen’ verwendet sind, verloren gegangen sein und keiner davon sich unter den zahlreichen Hesiod-Papyri wiedergefunden haben? ) und beruht auf einem Fehlverständnis der einleitenden Passage von § 9 des ‚Certamen’ (V p. 229 l. 105-106 Allen = p. 38,4-6 von Wilamowitz-Moellendorff), die schlicht eine Regieanweisung oder Verständnishilfe für den kommenden Dialog ist und keinen Kommentar zur Herkunft der Verse darstellen will. Für Allens schließliche Lösung des Problems (Allen 1912b, 258 bzw. 1924, 27: das ‚Certamen’ als Weiterführung einer entsprechenden Passage eines biographischen Gedichts des Ependichters Lesches) cf. unten Kap. 3.2. 54 καµπύλα τόξα : Il. 3,17; 5,97; 10,333; 12,372 und 21,502, h. Ap. 131 und h. Merc. 515; φῦλα γιγάντων : Od. 7,206 (danach etwa noch Batr. 283 und Quint. Smyr. 11,416). Beide Formeln sind bei Hesiod also nicht belegt. 55 Hom. Od. 4,15. 56 Hom. Il. 1,172; 1,442; 1,506 usw. (gegen fünfundvierzig Belege); daneben auch Hom. Od. 11,397 und 24,121 sowie Hes. Frg. 23a,13 M.-W. 57 Bemerkenswert dennoch, dass die platt klingende Figura etymologica von l. 121 ( δεῖπνον δειπνήσαντες - „das Abendessen gegessen habend”) eine eigentümliche Parallele in der Beschreibung Polyphems in Od. 9,311 f. findet, wo dieselbe Kombination von Substantiv und zugehörigem Partizip Aorist just an die Satzgrenze zu liegen kommt (... ὁπλίσσατο δεῖπνον. / / δειπνήσας δ᾿ ... - „... bereitete er sich das Abendessen. Als er aber gegessen hatte ...”). Dichterwettstreit 43 schränkt sich erneut auf seltene Epitheta 58 oder bestimmte Kombinationen von Substantiv und Epitheton 59 . Doch auch solche Formeln können sehr gezielt eingesetzt sein, wie das Beispiel von l. 128 zeigt, wo der Schluss des Verses ( ἀπείρυσαν ὠκύαλον ναῦν - „sie zogen das schnelle Schiff [an Land]”) die Überleitung zum nächsten Distichon mit der Entführung der Medeia durch die Argonauten vorbereitet 60 . Auch dieser Versschluss evoziert nämlich zwei Verse der ‚Odyssee’ (12,182 und 15,473), und insbesondere die zweite Stelle ( ἔνθ᾿ ἄρα Φοινίκων ἀνδρῶν ἦν ὠκύαλος νηῦς - „wo das Schiff der phönizischen Männer war”) scheint hier von thematischer Relevanz, weil es sich auch dort um die Entführung einer jungen Frau, einer phönizischen Sklavin, handelt bzw. um die des Königskindes Eumaios, der in der Obhut dieser Sklavin gewesen war und nun von fremden Seefahrern geraubt wird. Ähnliches gilt für das bereits oben erwähnte Verspaar von l. 117-118, dessen beide Endformeln Ἄρτεµις ἰοχέαιρα und ἀπ᾿ ἀργυρέοιο βιοῖο auf den ersten Blick eher unauffällig aussehen. So findet sich insbesondere Ἄρτεµις ἰοχέαιρα recht häufig am Versende 61 . Die Formel ἀργυρέοιο βιοῖο ist aber bereits sehr selten und findet sich in der frühgriechischen Epik nur noch in Hom. Il. 1,49 und 24,605, und insbesondere die zweite Stelle steht mit dem Versende πέφνεν ἀπ᾿ ἀργυρέοιο βιοῖο unserem Vers aus dem ‚Certamen’ sehr nahe. Da nun eine der Stellen mit der Formel Ἄρτεµις ἰοχέαιρα sich in Il. 24,606 findet und damit unmittelbar auf den soeben zitierten Vers folgt, scheint es klar, dass in unserem Distichon von l. 117-118 auf diese Passage der ‚Ilias’ angespielt ist. Der Wortwechsel zwischen Hesiod und Homer bzw. der Mythos von der Tötung Kallistos durch Artemis wird also durch die identischen Versschlüsse mit dem Paradeigma von Niobe und ihren Kindern aus dem vierundzwanzigsten Buch der ‚Ilias’ in Verbindung gebracht, wo 58 ἐνὶ σποδῷ αἰθαλοέσσῃ („in der glühenden Asche”) von l. 121 entspricht der metrischen Position der einzigen bei Homer bezeugten weiblichen Belege von αἰθαλόεις in Il. 18,23 und Od. 24,316; die Reihung von ἀνέστιος und ἀθέµιστος („ohne Herd”, „ohne Gesetz”) in l. 130 ist lediglich durch den Parallelbeleg von Il. 9,63 gestützt. 59 Die Junktur φάσγανα κωπήεντα („Schwerter mit Griff”) aus der ersten Hälfte von l. 126 ist im frühgriechischen Epos nur einmal belegt in Il. 15,713 (in abweichender metrischer Position); die gewählte Junktur aus der zweiten Hälfte von l. 126 ( αἰγανέας δολιχαύλους - „Wurfspieße mit langem Rohr”) findet ihre einzige frühgriechische Parallele in Od. 9,156 (in identischer metrischer Position bzw. im selben Kasus). 60 Wohl berechtigt in l. 129 die Konjektur durch von Wilamowitz-Moellendorff (1899, 615 bzw. ‚Certamen’ p. 39,1) Κολχίδ᾿ ἔπειτ᾿ ἤγοντο („sie führten darauf die Kolcherin [= Medeia] weg”) anstelle des überlieferten Κολχίδ᾿ ἔπειτ᾿ ἵκοντο („sie kamen darauf nach Kolchis”), da der Vers sonst kein Rätsel aufgibt und da es sich - nach byzantinischer Aussprache - um minimale Änderungen im Text handelt. 61 Hom. Il. 5,53; 5,447; 6,428; 20,39 und 24,606; Hom. Od. 11,172 und 15,478; Hom. h. Cer. 424. Daneben noch dieselbe Nominativform am Versanfang in Hom. Il. 20,71 und h. Apoll. 199 sowie die Akkusativform am Versende in Hes. Th. 14 und 918 und Hom. h. Apoll. 15 und 159. Kapitel 3 44 es wieder Artemis ist (und zusammen mit ihr ihr Bruder Apollon), die unliebsame menschliche Konkurrenten tötet 62 . Nicht mit singulären Epitheta bzw. mit seltenen Versschlüssen, sondern mit einer auffälligen Kombination von Versanfängen arbeiten die l. 124- 125, in denen geschildert ist, wie die Griechen in der Ebene des Simoeis sitzen und sich selber auffordern, nun in den Kampf zu ziehen ( ἡµεῖς δ᾿ ἂµ πεδίον Σιµοέντιον ἥµενοι οὕτως / / ἴοµεν ἐκ νηῶν ὁδόν ... - „wir aber, die wir so in der Ebene des Simoeis sitzen, wollen unseren Weg von den Schiffen weg gehen ...”). Diese Verse waren vielen Missverständnissen ausgesetzt, was zu Emendationsversuchen 63 , grammatischen Fehlinterpretationen 64 und Unsicherheiten in der Versverteilung 65 geführt hat. Doch ist hier sicher auf den Fürstenrat im zweiten Buch der ‚Ilias’ angespielt, in welchem Nestor zuletzt die markigen Worte (Il. 2,439 f.) ἡµεῖς δ᾿ ἀθρόοι ὧδε κατὰ στρατὸν εὐρὺν Ἀχαιῶν / / ἴοµεν, ὄφρα κε θᾶσσον ἐγείροµεν ὀξὺν Ἄρηα („wir aber wollen in dichter Formation so zum weiten Heerlager der Griechen gehen, damit wir möglichst schnell den scharfen Krieg wecken”) äußert und damit ebenfalls den Aufbruch in die Schlacht anbahnt. Denn Nestor beginnt seine beiden Verse mit denselben Ausdrücken ἡµεῖς δ᾿ bzw. ἴοµεν wie die fragliche Partie des ‚Certamen’, und so können wir nicht nur sicher sein, dass die l. 124-125 des ‚Certamen’ auf den Fürstenrat der ‚Ilias’ zurückweisen 66 , sondern können auch mit Zuversicht beide Verse Hesiod zuweisen und erst mit der folgenden Zeile 126 die Sprechpartie Homers beginnen lassen. Ebenso raffiniert ist l. 131, wo Hesiod einen verbreiteten homerischen Formelvers ( αὐτὰρ ἐπεὶ σπεῖσάν τ᾿ ἔπιόν θ᾿ ὅσον ἤθελε θυµός - „aber nachdem sie das Trankopfer dargebracht und soviel getrunken hatten, wie ihr Herz begehrte” 67 ) aufgreift und ihn mit einem Versschluss aus den 62 So gut beobachtet von Manzin 2011, 36. 63 Zum Emendationsversuch von Barnes in l. 124 ( οὕτως cod.: αὔτως Barnes) cf. die Verwendung von ὧδε im unten zitierten Vers von Il. 2,439. 64 ἴοµεν von l. 125 ist natürlich ein kurzvokaliger Konjunktiv in der Funktion des Hortativus (beispielsweise Evelyn-White 1936, 577: „let us go”) und nicht, wie Ohlert 1912, 42 („gingen wir fort”), West 2003, 331 („we ... stepped”) und Baier 2013, 152 übersetzen, ein Imperfekt. 65 So etwa bei West 1967, 441 (bzw. West 2003, 330) und Avezzù 1982, 42, die l. 124 und l. 125 voneinander trennen, sie also verschiedenen Sprechern zuweisen oder eine Lücke dazwischen postulieren. 66 Jedenfalls zeigen die sonstigen homerischen Belege für verseinleitendes ἴοµεν (Il. 9,625; 12,328; 14,374 und 21,438; Od. 24,432) keinen entsprechenden sprachlichen und inhaltlichen Kontext. 67 Hom. Il. 9,177; Od. 3,342; 3,395; 7,184; 7,228 und 18,427. Es sei noch einmal daran erinnert, dass die unmittelbar vorangehende Zeile des ‚Certamen’ (l. 130) die Reihung der Adjektive von Hom. Il. 9,63 aufgreift; die Fortsetzung in l. 131 liest sich damit in gewisser Weise auch als Weiterführung des Gedankens von Il. 9,63, indem Dichterwettstreit 45 Homerischen Hymnen ( οἶδµα θαλάσσης - „die Woge des Meeres” 68 ) kombiniert und so einen Nonsens-Vers schafft ( αὐτὰρ ἐπεὶ σπεῖσάν τε καὶ ἔκπιον οἶδµα θαλάσσης - „aber nachdem sie das Trankopfer dargebracht und die Woge des Meeres ausgetrunken hatten”). Doch Homer kann auch dies mit einem geschickten Vers kontern und macht dazu insbesondere Gebrauch von einer von ihm selbst stammenden Formel (l. 132: ποντοπορεῖν ἤµελλον ἐυσσέλµων ἐπὶ νηῶν - „[und die Woge des Meeres] zu durchfahren schickten sie sich an auf Schiffen mit gutem Verdeck” 69 ). Schließlich zeigen auch die fünf Verse, mit denen dieser Abschnitt des Wettkampfs endet, wieder dieselbe Technik. Denn schon der Zweizeiler, mit dem Hesiod nach dem ersten Wortwechsel von l. 133-134 70 Homer zum letzten Mal einen Fehdehandschuh hinwirft (l. 135-136: ἐσθίετ᾿ ὦ ξεῖνοι, καὶ πίνετε· µηδέ τις ὑµῶν / / οἴκαδε νοστήσειε φίλην ἐς πατρίδα γαῖαν - „esst, oh Freunde, und trinkt, aber keiner von euch soll heimkehren in sein Vaterland”), scheint Verse aus der ‚Odyssee’ aufzunehmen 71 , und die bündige Antwort Homers in l. 137 ( πηµανθείς, ἀλλ᾿ αὖτις ἀπήµονες οἴκαδ᾿ ἵκοισθε - „[keiner von euch soll heimkehren] von Schaden getroffen, sondern ihr sollt wiederum ungeschädigt nach Hause zurückkehren”) zeigt, dass er immer noch selber am besten mit seinen Versen spielen kann 72 . Besondere Schwierigkeiten bietet der Wortwechsel der l. 115-116 ([Hesiod] οὔτ᾿ ἂρ σοί γε πατὴρ ἐµίγη καὶ πότνια µήτηρ / / [Homer] σῶµα τό γ᾿ ἐσπείραντο διὰ χρυσῆν Ἀφροδίτην ). Dieses Distichon war vielen Zweifeln und Verbesserungsversuchen ausgesetzt ( ἐµίγη cod.: ἔµιγεν Göttling, ἐµίγην nun die Formulierung des noch im selben Buch folgenden Verses von Il. 9,177 aufgenommen wird. 68 Hom. h. Cer. 14 (die Junktur findet sich in frühgriechischer oder klassischer Zeit nur noch bei Orph. Frg. 243,28 Bern., Simon. Epigr. 68,3 [= Anth. Pal. 7,496,3] und Aristoph. Av. 250, in der Kaiserzeit bei Autoren wie Opp. C. 2,147 und Nonn. D. 5,168). 69 Der Versschluss ἐυσσέλµων ἐπὶ νηῶν nach Hom. Od. 8,500 und 24,117, wo wie in l. 132 jeweils von einem Aufbruch der Griechen über das Meer die Rede ist. 70 Zur umstrittenen Sprecherverteilung in den l. 133-137 cf. Di Benedetto 1969, 162 f., der (im Anschluss an Göttling 1831, 246 f. bzw. 1843, 319) zu Recht l. 133 und l. 135- 136 Hesiod zuweist und l. 134 und l. 137 Homer und in den Schlussworten von l. 134 ( καὶ φωνήσας ἔπος ηὔδα - „und das Wort aussprechend sagte er [sc. Agamemnon]”) plausibel ein Stichwort Homers für Hesiod erkennt. 71 Zu l. 135 cf. Od. 10,460 = 12,23 (ἀλλ᾿ ἄγετ᾿ ἐσθίετε βρώµην καὶ πίνετε οἶνον - „aber esst Speise und trinkt Wein”), wo dieselben Imperativformen verwendet sind (die beiden einzigen Belege für diese Kombination des Imperativs von ἐσθίω und πίνω im homerischen Epos); zu l. 136 cf. Od. 2,343 ( οἴκαδε νοστήσειε [am Versanfang wie im ‚Certamen’]) und vor allem Od. 19,258 ( οἴκαδε νοστήσαντα φίλην ἐς πατρίδα γαῖαν ), wo ein ganzer Vers bis auf die Variante νοστήσειε / νοστήσαντα dasselbe Aussehen zeigt. 72 Cf. die Verwendung von ἀπήµονες an derselben Versstelle in Od. 4,487 und die Formel οἴκαδ᾿ ἱκέσθαι in Od. 9,530; 15,66 und 21,211 (jeweils wie hier am Versende). Kapitel 3 46 Wilamowitz; τό γ᾿ ἐσπείραντο cod.: τότε σπείραντε Hermann, τό γε σπείραντε Boissonade 73 ). Doch ist auch hier extensiv mit epischen Formeln gearbeitet. So besteht in den homerischen Epen eine ganze Reihe von Versen, die mit der Formel πατὴρ καὶ πότνια µήτηρ enden oder, wie hier, nach πατήρ ein weiteres Wort wie ein Verb oder ein Attribut dazwischenschieben 74 . Umgekehrt ist die Endformel διὰ χρυσῆν Ἀφροδίτην sehr verbreitet bei Hesiod für den physischen Akt der Liebe 75 . Es scheint hier also einer der Fälle vorzuliegen, wo die beiden Dichter einander auf den Arm nehmen, indem sie gerade eine der Lieblingsformeln des jeweiligen Konkurrenten, die sie selbst sonst nie aufweisen, aufgreifen und dazu benützen, den Gegner möglichst mundtot zu machen 76 . Die jeweiligen Versenden von l. 115 und 116 sind also kaum anzutasten. Doch auch die jeweiligen Versanfänge kennen Parallelen in den homerischen Versen 77 . So geht in Il. 11,452 der Endformel πατὴρ καὶ πότνια µήτηρ der Versanfang ἆ δείλ᾿, οὐ µὲν σοί γε voran, der somit dasselbe Syntagma ( οὐ ) σοί γε aufweist wie l. 115, und in Il. 22,341 f. folgt auf dieselbe Formel am Anfang des nächsten Verses - ganz wie im ‚Certamen’ - das Wort σῶµα . Es könnten also höchstens noch ganz marginale Teile von l. 115 wie der Anfang οὔτ᾿ ἄρ oder die Verbform ἐµίγη angezweifelt werden, zumal l. 116 sowieso in sich vollkommen verständlich ist („... Körper, den sie zeugten im Liebesspiel der goldenen Aphrodite”). Man sollte also versuchen, dem überlieferten Text Sinn abzugewinnen. Es scheint somit der erste der beiden Verse aussagen zu wollen, dass Homers Eltern sich nicht in Liebe miteinander verbanden; dass hier der Singular ἐµίγη gebraucht ist anstelle einer Pluralform wie des Emendationsversuchs ἔµιγεν von Göttling, wäre dann einfach damit zu erklären, dass das Verb aus metrischen oder stilistischen Gründen auf das erste der beiden Glieder folgt und demzufolge nur im Singular stehen kann („... es vermischte sich nicht der Vater und nicht die erhabene Mutter [sc. miteinander]”) 78 . Homers Eltern hätten sich also ganz der sexuellen Enthaltsam- 73 West 2003, 330 erklärt ohnehin den ganzen Abschnitt σῶµα τό γ᾿ ἐσπείραντο für korrupt. 74 Hom. Il. 6,413; 6,429; 6,471; 9,561; 11,452; 13,430; 19,291; 22,239 und 22,341; Od. 6,30; 6,154; 15,385 und 19,462. Hesiod weist die Formel dagegen nicht auf. 75 Hes. Th. 822, 962, 1005 und 1014 (jeweils mit der unkontrahierten Form χρυσέην ); Frg. 23a,35 und 221,3 M.-W. (jeweils mit der kontrahierten Form χρυσῆν ). Homer kennt nur einmal in Il. 5,427 das bloße Versende χρυσῆν Ἀφροδίτην (für die Göttin selbst). 76 Cf. vor allem unten im folgenden Abschnitt die Bemerkungen zum Motiv des Pferderennens bei Plutarch (Conv. sept. sap. 10, 153 f - 154 a) und im ‚Certamen’ (l. 97-101). 77 Beobachtet von Manzin 2011, 35. 78 Cf. die Verwendung der Formel πατὴρ καὶ πότνια µήτηρ in Hom. Il. 6,471 ( ἐκ δὲ γέλασσε πατήρ τε φίλος καὶ πότνια µήτηρ - „aber es lachte heraus der liebe Vater und die erhabene Mutter”), Il. 13,430 und Od. 15,385, wo das Verb den beiden Gliedern Dichterwettstreit 47 keit verschrieben, und die Paradoxie des Verses würde dann darin bestehen, dass dennoch ein junger Mann namens Homer heranwuchs, der damit gleichsam zu einem Nichts erklärt würde. Oder man müsste, was bei den sexuellen Konnotationen dieses Verspaars wohl vorzuziehen ist, den ersten Vers so verstehen, dass Homers Mutter mit einem anderen Mann geschlafen hatte, und der Dichter wäre somit ein Kuckuckskind. So oder so handelt es sich um eine massive Beleidigung, die Homer in irgendeiner Weise kontern muss. Seine ‚Verteidigungsstrategie’ scheint nun darin zu bestehen, dass er eben diesem Singular größeres Gewicht gibt, als Hesiod selbst intendierte, und dem Pronomen σοι , das von Hesiod nur als Dativus ethicus gemeint sein konnte („es vermischte sich dir nicht der Vater und nicht die erhabene Mutter”) 79 , eine andere Interpretation unterlegt und ihn als Dativobjekt auffasst („es vermischte sich mit dir nicht dein Vater und und auch nicht deine erhabene Mutter” 80 , d.h. sie vermischten sich eben miteinander). Ein solcher Vers mit Homer als Dativobjekt wäre an sich noch obszöner, als Hesiod wollte, aber da der Vers negiert ist, ist alles in Ordnung, und der so verstandene Satz unterbindet damit nicht nur sofort jeden Gedanken an ein eventuelles inzestuöses Verhältnis Homers mit seinem Vater oder seiner Mutter, sondern schafft außerdem sogleich den möglichen Ehebruch von Homers Mutter aus der Welt. Möglich wird diese Reinterpretation von l. 115 erst durch das Enjambement σῶµα in Homers Antwortvers 81 , das als Accusativus graecus an µείγνυµαι angeschlossen wird, wodurch die eineinviertel Zeilen nun die Bedeutung erhalten „es vermischte sich mit dir nicht dein Vater und auch nicht deine erhabene Mutter - körperlich (d.h. in anderer Weise durchaus)”. Die Zeilen besagen damit also, dass zwischen Homer und seinen Eltern kein Inzest stattfand und stattdessen ein ganz normaler Umgang bestand, wie er zwischen Eltern und Kindern sein sollte 82 . Der Relativsatz τό γ᾿ ἐσπείραντο διὰ der Formel sogar vorangeht und daher ebenfalls jeweils im Singular gebraucht ist (für ein Verb im Singular, das dem ersten Glied folgt, cf. die Umkehrung der Formel in Od. 24,292 f.: οὐδέ ἑ µήτηρ / / κλαῦσε περιστείλασα πατήρ θ᾿, οἵ µιν τεκόµεσθα - „und es beweinte ihn [sc. Odysseus] die Mutter nicht, ihn in das Leichentuch einhüllend, und nicht der Vater, die wir ihn erzeugten”). Entsprechend die Übersetzung unserer Stelle bei Gigante 1996, 113 („né ... si unirono il padre e la veneranda madre”). 79 Cf. in Verbindung mit unserer Formel zu Vater und Mutter den Gebrauch des Dativs in Od. 6,154 (Odysseus zu Nausikaa: τρὶς µάκαρες µὲν σοί γε πατὴρ καὶ πότνια µήτηρ - „dreimal selig sind dir der Vater und die erhabene Mutter”). 80 Für das Medium µείγνυµαι mit Dativobjekt im Sinne der sexuellen Vereinigung mit einer bestimmten Person cf. beispielsweise Hom. Il. 24,130 f.; Hom. Od. 5,125 f. und 18,325; Hom. h. Merc. 6 f. und h. Ven. 262 f. und 287 sowie Hes. Th. 979 f. 81 Zum Enjambement als häufiger Technik Homers, mit der dieser die Nonsens-Verse Hesiods kontert, cf. Graziosi 2001, 64 und Manzin 2011, 32. 82 Für das Medium µείγνυµαι mit Dativobjekt im Sinne des sozialen Verkehrs mit einer bestimmten Person cf. Hom. Il. 24,90 f.; Hom. Od. 7,246 f.; 9,91 und 15,315 sowie Kapitel 3 48 χρυσῆν Ἀφροδίτην („[... in Hinblick auf den Körper, sc. des Sohnes], den sie zeugten 83 im Liebesspiel der goldenen Aphrodite”), der den Sachverhalt endgültig klärt und Homers Eltern nun definitiv ein ganz normales Eheleben attestiert, lässt sich dann problemlos anfügen, und Homers Ehre ist somit in jeder Weise gerettet, ganz wie die seiner Eltern. Wenn also das Distichon von l. 115-116 ein Wechselspiel von deftigen Zoten darstellt 84 , so sollte nicht vergessen werden, dass eben - intertextuell gelesen - ein besonderer Bezug zu den genannten Versen von Il. 11,452 und 22,341 f. besteht. Dass die Anklänge an diese Ilias-Verse gewollt und nicht zufällig sind, ergibt sich unter anderem daraus, dass die beiden homerischen Stellen dasselbe Thema haben, nämlich die gewährte oder verweigerte Bestattung im Kampf getöteter Krieger, und dass es in beiden Fällen - ganz so wie im ‚Certamen’ - um das pietätsvolle Verhältnis zwischen Eltern und Kindern geht. So rühmt sich an der ersten Stelle Odysseus, dass sein soeben gefallener Kontrahent Sokos von seinen Eltern kein ordentliches Begräbnis erhalten werde, und an der zweiten Stelle bittet der sterbende Hektor seinen Bezwinger Achilleus darum, den Leichnam seinen Eltern zurückzugeben, damit diese für eine ordentliche Beisetzung sorgen können. Es sind also auch an dieser Stelle des ‚Certamen’ bestimmte homerische Szenen evoziert, und es sind für einmal nicht die Kampfpausen, die in Erinnerung gerufen werden, sondern gerade so zentrale Zweikämpfe wie der zwischen Achilleus und Hektor. Bei all den genannten Anklängen an Homer ist natürlich in Rechnung zu stellen, dass sich für das ‚Certamen’ - wie gerade gezeigt - auch (vereinzelte) Anknüpfungspunkte in den Gedichten Hesiods finden und dass die Formelnsprache der homerischen Epen ohnehin nur die Spitze des Eisbergs darstellt und stellvertretend steht für die allgemeine mündliche Dichtersprache, die in frühgriechischer Zeit einmal existiert haben muss und beispielsweise auch in den Kyklischen Epen ihren Niederschlag fand. Hom. h. Cer. 354 f. Ähnlich doppeldeutig wie unser Vers des ‚Certamen’ ist Hom. Od. 6,286-288 (... / / ἥ τ᾿ ἀέκητι φίλων πατρὸς καὶ µητρὸς ἐόντων / / ἀνδράσι µίσγηται πρίν γ᾿ ἀµφάδιον γάµον ἐλθεῖν . - „..., die [sc. eine junge Frau] gegen den Willen ihrer Verwandten, während Vater und Mutter noch leben, mit Männern Umgang pflegt, bevor sie eine öffentliche Ehe schließt.”), was sich ebenfalls genauso gut auf einen bloßen gesellschaftlichen Verkehr wie auf ein sexuelles Verhältnis beziehen lässt. 83 Die Verwendung des Verbs σπείρω für die Erzeugung von Kindern ist erst belegt seit Sophokles (Aj. 1293, Tr. 33, OT 1498) und Euripides (Ion 49 und 554), womit sich unser unten in den Abschnitten 3.4.1 bzw. 3.4.3 gegebener Datierungsvorschlag für das ‚Certamen’ (drittes Viertel des fünften Jahrhunderts bzw. terminus ante quem von 421 v. Chr.) bestätigt. 84 Dieser Antagonismus zwischen den beiden Versen geht verloren in einer Übersetzung wie der von Avezzù 1982, 43 („E non per generarti padre conobbe venerabile madre / / ma il corpo seminarono grazie all’aurea Afrodite”), wonach - von der Negation abgesehen - in beiden Versen dieselbe Information gegeben wäre. Dichterwettstreit 49 Der Verfasser des ‚Certamen’ kann also auch aus diesem allgemeineren Fundus geschöpft haben. Dennoch zeigt die schwindelerregende ‚Fortsetzungsgeschichte’ in den l. 107-110 mit ihren diversen Anknüpfungen an das achte und zehnte Buch der ‚Ilias’, die Übereinstimmung der Versanfänge von l. 124-125 mit der Rede Nestors in Il. 2,439 f. oder das witzige Spiel mit dem Verb πίνω in l. 131, dass hier doch mit höchster Wahrscheinlichkeit an die homerischen Gedichte in ihrer uns bekannten Form angeknüpft ist. Auch braucht es uns nicht weiter zu stören, dass diese Form der Intertextualität anachronistisch ist und im Grunde nicht zusammenstimmt mit der Nachricht in § 16 des ‚Certamen’, wonach ‚Ilias’ und ‚Odyssee’ erst nach dem Wettkampf mit Hesiod entstanden seien. Denn nur kurze Zeit nach seiner Antwort auf die Rätselverse Hesiods zitiert Homer einen ganzen Block von 14 Versen aus der ‚Ilias’ 85 . Der Verfasser des ‚Certamen’ erlaubt sich mithin auch an dieser Stelle einen Bruch seiner Fiktion und es wird damit immer offenkundiger, dass die ganze Auseinandersetzung zwischen Homer und Hesiod für Rezipienten gestaltet ist, die das Werk der beiden Dichter gut kennen. Es bestätigt sich also unsere obige Beobachtung, dass die l. 107-108 des ‚Certamen’ auf bestimmten Partien der homerischen Epen fußen, und wir gelangen somit zu dem Resultat, dass sowohl die Verse von Pax 1282 f. wie auch die teilidentischen Verse des ‚Certamen’ in gezielter, aber je unterschiedlicher Weise auf die homerischen Epen zurückgreifen. Es ist somit vom Grundsatz her ebenso gut möglich, dass Aristophanes sich in selbständiger Form an den homerischen Epen orientierte und nachher von Alkidamas abgeändert und parodiert wurde, wie auch umgekehrt, dass der unbekannte früh- oder hochklassische Verfasser des ‚Certamen’ mit dem homerischen Sprachmaterial spielte und nachher seinerseits von Aristophanes zitiert und abgeändert wurde. Die Vergleichbarkeit von l. 107-108 des ‚Certamen’ mit dem Rest des Werkes und der raffinierte Charakter der beiden Zeilen sprechen dabei eher für deren Priorität, denn es ist nur schwer vorstellbar, dass Alkidamas oder ein anderer Autor seiner Zeit die trotz allem eher einfachen Verse des Aristophanes durch geschickte Retuschen so umgestaltete, dass aus ihnen ein so aberwitziges Spiel mit den homerischen Gedichten werden konnte. Da aber ein führender Sophist wie Alkidamas vielleicht sogar dazu in der Lage war, kann auch dies letztlich die Frage nicht entscheiden. Ausschlaggebend dürfte daher der unterschiedliche Einsatz der beiden Distichen sein. Denn dass Trygaios seinem jungen ‚Duettpartner’ in V. 1280 für einmal eine Vorlage gibt, während er sonst immer nur auf dessen Verse reagiert, kann kaum eine andere Erklärung finden als eben die, dass Aris- 85 ‚Certamen’ § 12 (V p. 233 l. 191-204 Allen = p. 41,2-15 von Wilamowitz-Moellendorff = Hom. Il. 13,126-133 und 13,339-344). Kapitel 3 50 tophanes hier an die traditionelle Erzählung vom Wettgesang zwischen Hesiod und Homer anknüpft, die zur Gänze auf dieser Technik fußt. Und für die Wahl von ὣς οἱ µὲν δαίνυντο anstelle von δεῖπνον ἔπειθ᾿ εἵλοντο am Anfang seines Verses hatte Trygaios gute Gründe, weil diese erstgenannte Wendung in der ‚Odyssee’ (4,15) die Schilderung der Hochzeitsfeierlichkeiten für Megapenthes abrundet und weil Trygaios somit in diesem Versanfang ein gutes Omen für seine eigene Heirat mit Opora erblicken konnte. Umgekehrt hatte der Verfasser des ‚Certamen’ durchaus seine eigenen Gründe, warum er l. 107 mit einer Wendung aus Od. 6,97 beginnen ließ und erst l. 119 mit dem Versbeginn von Od. 4,15 86 , und er dürfte daher bei der Aufnahme dieser homerischen Wendungen kaum an eine Variation der Darstellung des Aristophanes gedacht haben 87 . Zudem haben wir oben gesehen, dass das Distichon von l. 107-108 im ‚Certamen’ nicht für sich steht, sondern aufs engste mit dem folgenden Distichon von l. 109-110 verzahnt ist und zusammen mit diesem eine konzeptionelle Einheit darstellt, deren Funktion es insbesondere ist, auf den fiktionalen Charakter epischer Dichtung hinzuweisen und damit auch den spielerischen Charakter des ‚Certamen’ zu verdeutlichen. Es verhält sich daher sicher so: Der Verfasser des ‚Certamen’ fügte die Hexameter von l. 107-110 - unter Nutzung von ‚Ilias’ und ‚Odyssee’ - in eigener Regie zusammen und führte damit gleichsam vor, dass insbesondere der jeweils zweite Vers der beiden Disticha eben ‚reiner Homer’ war. Aristophanes veränderte daraufhin die Verse des ersten Distichons, um sie in sein ‚Lied vom Kampf’ einfügen zu können, und Alkidamas und nach ihm der kaiserzeitliche Redaktor des uns vorliegenden ‚Certamen’ übernahmen die Verse unverändert aus der früh- oder hochklassischen Vorlage. 86 Für die systematische Verwendung bestimmter Formeln aus der ‚Odyssee’ in den l. 107-137 des ‚Certamen’ cf. unten Kap. 3.3 (zu den hier genannten Versen besonders Anm. 163 und 166). 87 Cf. Di Benedetto 1969, 162 Anm. 4, der δεῖπνον ἔπειθ᾿ εἵλοντο von l. 107 als Lectio difficilior gegenüber ὣς οἳ µὲν δαίνυντο betrachtet. Dichterwettstreit 51 3.2 Die Behandlung des Dichterwettstreits bei Plutarch und die Frage nach der Entstehung und Entwicklung des Motivs Wenn also, wie im letzten Abschnitt gezeigt wurde, die klassische Ausformung des Dichterwettstreits, wie sie uns im kaiserzeitlichen Traktat vorliegt, auf die Zeit vor Aristophanes zurückreicht, so war umgekehrt der erste Ausgangspunkt dieses Erzählmotivs, wie in der Literatur oft festgehalten 88 , sicherlich die Nachricht des Hesiod zu seinem Sieg bei den Leichenspielen für König Amphidamas von Chalkis und zur anschließenden Niederlegung der Siegestrophäe auf dem Helikon als Geschenk für die Musen (Op. 654-659: ἔνθα δ᾿ ἐγὼν ἐπ᾿ ἄεθλα δαίφρονος Ἀµφιδάµαντος / / Χαλκίδα εἰσεπέρησα· τὰ δὲ προπεφραδµένα πολλὰ / / ἄεθλ᾿ ἔθεσαν παῖδες µεγαλήτορες· ἔνθα µέ φηµι / / ὕµνῳ νικήσαντα φέρειν τρίποδ᾿ ὠτώεντα. / / τὸν µὲν ἐγὼ Μούσῃσ᾿ Ἑλικωνιάδεσσ᾿ ἀνέθηκα / / ἔνθα µε τὸ πρῶτον λιγυρῆς ἐπέβησαν ἀοιδῆς. - „Da aber fuhr ich hinüber zu den Wettkämpfen des klugsinnigen Amphidamas nach Chalkis. Viele angekündigte Kampfpreise hatten aber die hochherzigen Söhne ausgesetzt. Da, sage ich, habe ich mit einem Hymnos siegend einen gehenkelten Dreifuß davongetragen. Den weihte ich den Musen des Helikon, wo sie mich zuerst helltönenden Gesang gelehrt hatten.”). Die Geschichte muss daher in ihren Anfängen noch ganz aus der Perspektive Hesiods erzählt worden sein und kann nicht die Form des erhaltenen ‚Certamen’ gehabt haben, wo Hesiod trotz seines Sieges eher schlecht wegkommt. Dennoch ist es nicht leicht, sich ein Bild von den frühen Phasen in der Entwicklung des Motivs zu machen, weil sich ganz unterschiedliche Nachrichten über den Verlauf des Wettkampfs erhalten haben. So vermerkt Johannes Tzetzes in seiner ‚Vita Hesiodi’, dass Homer und Hesiod sich bei diesem Wettkampf gegenseitig Fragen gestellt hätten und Homer allen als Sieger erschienen sei, bevor dann König Panedes verfügt habe, dass jeder der beiden Dichter seine schönsten Verse vortragen solle ( ἐξηρωτηκέναι γὰρ αὐτοὺς πολλὰ πρὸς ἀλλήλους φασὶ δι᾿ ἐπῶν αὐτοσχεδίων καὶ ἀποκρίνασθαι, καὶ πᾶσι τὸν Ὅµηρον τὰ πρωτεῖα λαµβάνειν ... - „man sagt, sie hätten sich gegenseitig viele Fragen in Form improvisierter Verse vorgelegt und die Fragen beantwortet, und allen erschien es, dass Homer den Siegespreis davontrug ...” 89 ). Da aber die Nachricht über die gegenseitige Befragung zum einen sehr isoliert ist (und insbesondere nicht mit dem ‚Certamen’ übereinstimmt, wo immer nur Hesiod Fragen stellt) und da zum anderen der weitere Wettkampfverlauf auch bei Tzetzes ganz wie im ‚Certamen’ 88 Beispielsweise bei Busse 1909, 118, Vogt 1959, 220, Richardson 1981, 1 und West 2003, 299. 89 Tz. Vit. Hes., V p. 222 l. 11-15 Allen = p. 48,30-34 von Wilamowitz-Moellendorff. Kapitel 3 52 geschildert ist, dürfte hier wahrscheinlich doch keine echte Tradition vorliegen und man wird eher schließen, dass Tzetzes die zentrale Szene des ‚Certamen’ ungenau referiert 90 . Etwas anders verhält es sich mit der Nachricht Plutarchs (Conv. sept. sap. 10, 153 f - 154 a), der berichtet, dass die Dichter zunächst Verse aus ihren Werken vorgetragen hätten und erst danach, weil eine sofortige Entscheidung nicht möglich gewesen sei, zu einem Rätselkampf übergegangen seien (153 f: ἐπεὶ δὲ τὰ παρεσκευασµένα τοῖς ποιηταῖς ἔπη χαλεπὴν καὶ δύσκολον ἐποίει τὴν κρίσιν διὰ τὸ ἐφάµιλλον, ἥ τε δόξα τῶν ἀγωνιστῶν, Ὁµήρου καὶ Ἡσιόδου 91 , πολλὴν ἀπορίαν µετ᾿ αἰδοῦς τοῖς κρίνουσι παρεῖχεν, ἐτράποντο πρὸς τοιαύτας ἐρωτήσεις, καί ... - „da nun aber die von den Dichtern vorbereiteten Verse die Entscheidung schwierig und misslich machten wegen ihrer Gleichwertigkeit und da der Ruhm der Wettkämpfer, Homers und Hesiods, den Kampfrichtern viel Ratlosigkeit und Verlegenheit bereitete, wandten sie sich solchen Fragen zu, und ...”); damit sind die hauptsächlichen Wettkampfphasen, wie sie uns im kaiserzeitlichen ‚Certamen’ vorliegen, in ihr genaues Gegenteil verkehrt 92 . Leider ist uns nun durch einen Überlieferungsfehler gerade zu dieser zentralen Passage des Dichterwettstreits ein klares Bild verwehrt, d.h. die Hauptüberlieferung liest in der unmittelbaren Folge des obigen Texts προυβάλλοµεν ὥς φησι Λέσχης 93 , woraus Th. W. Allen προὔβαλ᾿ ὁ µέν (sc. ὁ 90 Cf. Abramowicz 1938, 485-487; zu positiv dagegen die Einschätzung des Testimoniums durch O’Sullivan 1992, 85 f. 91 Diese Apposition Ὁµήρου καὶ Ἡσιόδου wurde von U. von Wilamowitz-Moellendorff 1879, 161 und 1890, 216 f. getilgt, dem aber darin nur Paton, Wegehaupt 1925, 315 und Defradas, Hani, Klaerr 1985, 213 gefolgt sind, nicht auch Bernardakis 1908, 376, Allen 1912a, 218, Babbitt 1928, 390 und Bernardakis, Ingenkamp 2008, 376; cf. auch die Diskussion bei Koning 2010, 260 Anm. 84, der sich für die Beibehaltung des überlieferten Texts ausspricht. 92 Cf. Abramowicz 1938, 489-491, Richardson 1981, 2 und Heldmann 1982, 53-57, die in diesem Ablauf eine alte oder überhaupt die älteste Form des Dichterwettstreits sehen und sich damit von der einstigen Position Nietzsches (1870, 532-536) distanzieren, der das ‚Convivium’ für eine pseudoplutarchische Schrift hielt und (wie nach ihm auch Kirchhoff 1892, 877 f. und von Wilamowitz-Moellendorff 1916b, 404 f.) in dessen Darstellung des Wettkampfs lediglich eine entstellte Form der Standardversion des ‚Certamen’ erkennen mochte (zur Kritik an dieser Position cf. auch Milne 1924, 57 f. und Kawasaki 1985 [cf. die englische Zusammenfassung des Verfassers sowie das Referat bei Visser 2012, 343]). 93 Die Bemerkung von Kirk 1950, 150 Anm. 1 und West 1967, 439, dass ὥς φησι nur in einer Handschrift zu lesen sei, scheint auf einem Missverständnis der Ausgabe von Paton, Wegehaupt (1925 = 2 1974) zu beruhen, wo (unglücklicherweise) einfaches O den Codex Ambr. 528 bezeichnet, aber die hier relevante Sigle O (fettgedruckt) die „codices omnes praeter citatos” meint, also im konkreten Fall die Handschriften P, O, v, α , A und E. Dichterwettstreit 53 Ὅµηρος ) , ὥς φησι Λέσχης gemacht hat 94 („es legte der eine [sc. Homer], wie Lesches sagt, folgendes vor”), die sonstige Handschriftentradition überliefert προὔβαλε µέν, ὥς φασι, Λέσχης 95 („es legte Lesches, wie man sagt, folgendes vor”). Wir wissen also nicht, ob Lesches hier als Referent der Erzählung auftritt und demzufolge Homer als Hesiods Herausforderer fungiert 96 , ob Lesches hier selber als Antagonist von Hesiod agiert und Homer, wie man nach der zweiten Textvariante schließen könnte, sich nur beim anfänglichen Epenvortrag beteiligt, beim folgenden Wortwechsel aber unbeteiligt bleibt 97 , ob gar ein Wettkampf mehrerer Teilnehmer stattfindet, zu denen neben anderen Homer und Lesches zählen 98 , oder ob vollends die Erwähnung des Lesches eine bewusste Änderung durch Plutarchs Quelle 99 oder durch Plutarch selbst 100 , eine in nachantiker Zeit in den Text geratene Randglosse 101 oder überhaupt eine Textverderbnis 102 darstellt. Möglicherweise ist die Lösung aber auch ganz einfach 103 , wenn man sich nur vor Augen hält, dass hier nicht Plutarch in eigener Person berichtet, sondern - im Rahmen eines fiktiven Dialogs - der Tyrann Periander von Korinth, der um das Jahr 600 v. Chr. lebte, also nicht sehr viel später als Lesches, den man gemeinhin in das siebte Jahrhundert datierte 104 . Wenn 94 Allen 1912a, 218 (wie zuvor schon vorgeschlagen von Göttling 1843, XXIV, der aber an einen jüngeren Gewährsmann namens Lesches dachte und nicht an den epischen Dichter, und von Bernardakis 1908, 376). Dieser Textgestalt folgen Babbitt 1928, 390 und Davies 1988, 61 (‚Ilias Parva’, Frg. dub. 2) sowie (mit leichter Variation) die Übersetzung von Snell 1948, 260. 95 So auch der Text bei von Wilamowitz-Moellendorff 1916a, 55 (begründet bei von Wilamowitz-Moellendorff 1879, 161), Paton, Wegehaupt 1925, 315, Defradas, Hani, Klaerr 1985, 213 und Bernardakis, Ingenkamp 2008, 376. 96 So Allen 1912b, 257 f. bzw. 1924, 25-27, der wie zuvor schon Bergk 1883a, 66 an ein episches Gedicht des Lesches dachte, das eine Beschreibung von Homers Leben und damit auch seines Wettkampfs mit Hesiod enthielt; positiv dazu O’Sullivan 1992, 80 f. und 96 Anm. 188, Pòrtulas 2000, 50 und Kivilo 2010, 23 f., ablehnend dagegen von Wilamowitz-Moellendorff 1916b, 405 mit Anm. 2, Kirk 1950, 150 mit Anm. 1, West 1967, 438-440 und Gigante 1996, 42 f. 97 So einst die Interpretation von Welcker 1835, 268-272 bzw. 1865, 251-254 (die Frage wäre dann aber, wie in diesem Fall der Rätselwettkampf das zuvor erfolgte Unentschieden zwischen Hesiod und Homer auflösen konnte). 98 Dies der Vorschlag von Kirk 1950, 150 Anm. 1 und Hess 1960, 19 f. 99 So postuliert durch von Wilamowitz-Moellendorff 1890, 216 f. 100 Dies die alternative These von Milne 1924, 58 Anm. 13. 101 Wie vermutet von West 1967, 439 f. 102 So Kirchhoff 1892, 878-880 und Abramowicz 1938, 490. 103 Nietzsche 1870, 535 kommt ihr nahe. 104 ‚Ilias Parva’ Test. 5 Bern. (= Hier. Chron. p. 94 Helm 3 bzw. Synkellos, p. 253,6-7 Mosshammer: Λέσχης Λέσβιος ὁ τὴν µικρὰν Ἰλιάδα ποιήσας καὶ Ἀλκµαίων ἤκµαζεν. - „Lesches von Lesbos, der die ‚Ilias Parva’ verfasste, und Alkmaion standen in der Blüte ihrer Jahre.” [sc. in der 30. Olympiade bzw. im Jahre 658 v. Chr.]). Kapitel 3 54 nun Plutarch den Periander in bewusst anachronistischer Form das Verhalten eines hellenistischen oder kaiserzeitlichen Gelehrten annehmen lassen wollte, der stets gewissenhaft die Quelle seiner Darstellung nennt 105 , so war es nur natürlich (oder fast unausweichlich), dass ein Dichter der zweiten Garde genannt wurde, der dem ‚Gipfeltreffen’ zwischen Homer und Hesiod als weiterer Teilnehmer oder Beobachter beigewohnt oder durch seine Stellung als wandernder Rhapsode leicht Nachrichten über den Wettkampf in Chalkis in Erfahrung gebracht und weitergegeben haben konnte 106 . Es ist also denkbar, dass die Hauptüberlieferung doch im wesentlichen korrekt ist und dass man mit Th. W. Allen προὔβαλ᾿ ὁ µέν 107 , ὥς φησι Λέσχης, ... ἀπεκρίνατο δ᾿ Ἡσίοδος lesen sollte, nur wäre das dann nicht - im Sinne Allens - die Berufung auf ein Gedicht des Lesches durch Plutarch 108 , sondern der Hinweis Perianders auf eine mündliche Überlieferung 109 . Jedenfalls hält Plutarch bzw. Periander fest, dass damals die berühmtesten Dichter der Zeit zusammengekommen seien ( ἀκούοµεν γὰρ ὅτι καὶ πρὸς τὰς Ἀµφιδάµαντος ταφὰς εἰς Χαλκίδα τῶν τότε σοφῶν οἱ δοκιµώτατοι συνῆλθον - „wir vernehmen nämlich, dass auch zum Begräbnis des Amphidamas die berühmtesten der damaligen Weisen in Chalkis zusammentrafen”), und so kann kaum ein Zweifel sein, dass auch in dieser Version Homer in irgendeiner Form als Teilnehmer des Wettkampfs in Erscheinung trat 110 , zumal, wie wir gleich sehen werden, die Phraseologie und Motivik der homerischen Epen auch in dieser Darstellung des Wettkampfs eine wichtige Rolle spielt 111 . 105 Also gleichsam als Kontrast zu Plut. Quaest. conv. 5,2, 674 f - 675 a, wo Plutarch und seine zeitgenössischen Gesprächspartner den Wettkampf der beiden Dichter als ἕωλα πράγµατα - „abgestandenes Thema” bezeichnen. Noch einen Schritt weiter ging Plutarch im übrigen in seinen wissenschaftlichen Arbeiten (Frg. 84 Sandbach), wo er überhaupt die Passage von Hes. Op. 646-662, auf der das ‚Certamen’ basiert, für interpoliert erklärte (zu den möglichen Gründen für diese Annahme cf. Lamberton 1988, 500-504). 106 Dies mochte umso plausibler wirken, als es auch von Lesches eine Tradition gab, wonach er einen Dichterwettstreit mit dem kyklischen Dichter Arktinos ausgetragen hatte (Phainias von Eressos, Frg. 33 Wehrli 2 ). 107 Oder allenfalls etwas wie προὔβαλε µὲν ‹ Ὅµηρος ›. 108 So die oben erwähnte Interpretation von Allen 1912b, 257 f. bzw. 1924, 25-27. 109 In vergleichbarer Weise beruft sich kurz zuvor (Conv. sept. sap. 8, 152 e-f) der Gesprächsteilnehmer Neiloxenos - denselben chronologischen Rahmen wahrend - auf einen Ausspruch des Archilochos (nach Archil. Frg. 185 W. 2 ). 110 Dies also selbst dann, wenn wir mit von Wilamowitz-Moellendorff die Apposition Ὁµήρου καὶ Ἡσιόδου tilgen (cf. oben Anm. 91). 111 Zweifelhaft ist hingegen, ob es jemals eine Tradition vom Wettkampf zwischen Homer und dem Ependichter Syagros gab (dies also gegen die in mehrfacher Hinsicht irreführende Darstellung von Lefkowitz 2012, 160 Anm. 11). Denn die bei Arist. Frg. 75 Rose (= Diog. Laert. 2,46) vermittelte Nachricht impliziert lediglich eine Dichterwettstreit 55 Wenn wir also, was letztlich doch das Wahrscheinlichste ist, annehmen, dass der Antwort Hesiods ( ἀπεκρίνατο δ᾿ Ἡσίοδος ἐκ τοῦ παρατυχόντος - „es antwortete aber Hesiod aus dem Stegreif”) eine Frage seines Hauptkonkurrenten Homer voranging, und wenn wir die beiden Disticha, die Plutarch überliefert, nach der oben geübten Methode daraufhin überprüfen, wie weit sie an die Lieder der beiden Dichter anknüpfen, so ergibt sich ein einigermaßen erstaunliches Resultat. Denn die Aufforderung, die Homer hier (als unlösbare Aufgabe) an Hesiod richtet ( Μοῦσά µοι ἔννεπε κεῖνα, τὰ µήτ᾿ ἐγένοντο πάροιθε / / µήτ᾿ ἔσται µετόπισθεν. - „Muse, sage mir jenes, was niemals war zuvor und auch in Zukunft niemals sein wird.”), basiert auf einer epischen Standardphrase zum Allwissen über Gegenwart, Zukunft und Vergangenheit 112 und verkehrt diese in ihr Gegenteil 113 . Ja, da auch Hesiod solche Wendungen kennt und sie sogar zu einem Teil seiner Dichterweihe und des folgenden Musen-Hymnos macht (Th. 32: ... ἵνα κλείοιµι τά τ᾿ ἐσσόµενα πρό τ᾿ ἐόντα - „damit ich rühme das Künftige wie das Vorangegangene”; Th. 38: εἰρεῦσαι τά τ᾿ ἐόντα τά τ᾿ ἐσσόµενα πρό τ᾿ ἐόντα - „indem sie [sc. die Musen] das Gegenwärtige sagen und das Künftige wie auch das Vorangegangene”), liegt zunächst die Annahme nahe, dass Homer in den von Plutarch zitierten Versen bzw. in dieser Verknüpfung von Musenanruf und epischer Standardphrase seinen Konkurrenten parodieren und damit herausfordern will. Doch findet sich auch in den homerischen Epen dieselbe Phrase (Il. 1,70: ὃς ᾔδη τά τ᾿ ἐόντα τά τ᾿ ἐσσόµενα πρό τ᾿ ἐόντα - „der [sc. der Seher Kalchas] das Gegenwärtige wusste und das Künftige wie auch das Vorangegangene”), und schaut man etwas genauer auf die einzelnen Elemente dieser anderthalb Hexameter, so fällt auf, dass doch wieder in erster Linie Ausdrücke gebraucht sind, die in den homerischen Epen belegt sind 114 . Rivalität zwischen den Zeitgenossen Homer und Syagros, die dadurch bedingt war, dass auch Syagros als Dichter des Trojanischen Kriegs in Erscheinung trat (Ael. VH 14,21; Eust. Praefatio ad Iliadem, I p. 6,12-15 vdValk), und spricht nicht von einer persönlichen Begegnung der beiden Sänger. 112 West 1967, 440 Anm. 1 vergleicht Hes. Frg. 204,113 M.-W., Solon, Frg. 4,15 W. 2 , Eur. Hel. 14 und den Orakelspruch bei Diod. Sic. 9,3,2. 113 Zur üblichen Dreigliedrigkeit und zu deren Verneinung cf. auch den Beleg bei Plaut. Amph. 553 f. (unten Anm. 124). 114 Wenig plausibel jedenfalls die Annahme von Nietzsche 1870, 536, West 1967, 439 f., Bernabé 1984, 142 f., Scafoglio 2006 und Kelly 2015, 329 f., dass hier der tatsächliche Beginn eines Epos von Lesches oder jedenfalls ein in die ‚Ilias Parva’ eingebauter Musenanruf vorliegt (‚Ilias Parva’ Frg. 1 Bern.; Davies 1988, 60 f. rechnet die Verse dagegen richtigerweise zu den Fragmenta dubia). Denn diese Annahme passt schlecht zum Charakter der Verse als Adynaton, und es wäre sehr verwunderlich, wenn das Pendant im ‚Certamen’ (l. 97-98 Allen), wie noch zu zeigen sein wird, offensichtliche Epenparodie darstellte, aber die funktionsgleichen Verse bei Plutarch echte Tradition repräsentierten. Kapitel 3 56 So findet schon der Beginn der Verse ( Μοῦσά µοι ἔννεπε κεῖνα ) eine recht gute Entsprechung in den Anfangsworten des Homerischen Hymnos an Aphrodite (V. 1: Μοῦσά µοι ἔννεπε ἔργα πολυχρύσου Ἀφροδίτης - „Muse, nenne mir die Werke der vielgoldenen Aphrodite”), und ähnliches zeigt sich in den beiden folgenden Schlüsselbegriffen πάροιθεν und µετόπισθεν . Denn πάροιθεν ist zwar bei Hesiod (Th. 531 und 666) ebenso gut belegt wie bei Homer (Il. 1,360; 1,500 usw.), doch achtet man auf die Position am Versende, so finden sich nur noch Belege bei Homer (Il. 4,185; 14,427; 20,437; 23,213 und 23,498; Od. 6,174 und 16,181). Besonders auffällig in Hinblick auf die Fortsetzung unserer Passage ist zudem, dass einer der Belege (Il. 23,498) sich mitten in der Schilderung des Wagenrennens zu Ehren des verstorbenen Patroklos findet. Überprüft man nun die Verwendung von µετόπισθεν , so ist dieser Ausdruck bei Hesiod sogar in einer recht hohen Dichte zu finden (Th. 210; Op. 127 und 285). Achtet man aber wieder auf die Position im Vers (Grenze vom zweiten zum dritten Versfuß, also vor der Penthemimeres bzw. der weiblichen Zäsur), so liegen wieder nur Belege bei Homer vor, und es lässt sich sogar feststellen, dass diese Position von Homer stark bevorzugt wird (Il. 1,82; 15,645; 15,672 und 23,346; h. Ap. 173) gegenüber sonstigen Positionen im Vers (Od. 11,382 und 24,84). Ja, es liegt mit Il. 23,346 wieder ein solcher Beleg in der Schilderung des Wagenrennens für Patroklos vor. Homer scheint es sich also mit dem Fehdehandschuh, den er Hesiod hinwirft, recht bequem zu machen, indem er sich einfach seiner eigenen epischen Phrasen bedient und sich insbesondere an seine Verse aus dem dreiundzwanzigsten Buch der ‚Ilias’ hält. Hesiod findet nun überraschenderweise doch eine Antwort auf das Adynaton ( ἀλλ᾿ ὅταν ἀµφὶ Δ∆ιὸς τύµβῳ καναχήποδες ἵπποι / / ἅρµατα συντρίψωσιν ἐπειγόµενοι περὶ νίκης - „erst wenn mit den Füßen stampfende Pferde um das Grab des Zeus herum, nach dem Sieg sich drängend, die Wagen zerschmettern”) 115 , und das Interessante ist, dass auch er sich dazu bestimmter homerischer Passagen bedient und ebenfalls gewillt scheint, vor allem die große Szene des Wagenrennens für Patroklos als Inspira- 115 Fernzuhalten ist hier die Tradition vom Grab des Zeus in der Höhle des Ida-Gebirges auf Kreta (Call. Jov. 8 f. und Frg. 202,15-17 Pf.; Anth. Pal. 7,275,6 und 7,746; Diod. Sic. 3,61,2; Philostr. VS 2,4,2; Porph. VP 17; Cic. nat. deor. 3,53; Lact. inst. 1,11,46), weil diese Vorstellung auf einer lokalen Sondertradition zum periodisch sterbenden und wiederauferstehenden Gott beruhte und erst durch die rationalisierende Behandlung des Euhemeros allgemeine Bekanntheit erlangte; cf. Pfister 1909-1912, 385-387 und 393-395, Burkert 1977, 202 bzw. 2011, 200, Schwabl 1978, 1209 f. und Burton 2001, 43 und 49. Da eine solche Vorstellung nicht zusammenpasst mit der Idee des (einmaligen) prächtigen Totenagons, antworten unsere Verse also als Adynaton auf die entsprechende Frage des Herausforderers, und die Besonderheit besteht nicht im Bezug auf eine apokryphe religiöse Tradition, sondern eben darin, dass Hesiod mit dem Hinweis auf ein unmögliches Geschehnis sich brillant aus der Verlegenheit befreit, in die ihn sein Konkurrent mit seiner scheinbar unbeantwortbaren Frage bringen wollte. Dichterwettstreit 57 tionsquelle zu benützen 116 . Denn so wie das imaginäre Wagenrennen Hesiods um das (natürlich inexistente) Grabmal des Zeus herumführt, so müssen auch die Teilnehmer des Wagenrennens für Patroklos um ein Grabmal herumfahren (Il. 23,331: σῆµα ) 117 , und der erste Vers des Distichons, der mit der schwerverständlichen Partikelnkombination ἀλλ᾿ ὅταν einsetzt und mit dem gebräuchlichen Versschluss ἵπποι endet, scheint mit diesen Eckpunkten dem Vers von Il. 23,373 verpflichtet zu sein, der die Schlussphase des Wagenrennens einleitet ( ἀλλ᾿ ὅτε δὴ πύµατον τέλεον δρόµον ὠκέες ἵπποι - „als aber die schnellen Pferde den letzten Umlauf vollendeten”). ἅρµατα am Anfang des zweiten Verses ist wieder ein typischer Beginn eines Hexameters, der offensichtlich traditionell war 118 , doch die Formel ἐπειγόµενοι περὶ νίκης findet sich im frühgriechischen Epos nur in unserer Szene des Wagenrennens für Patroklos 119 , und die Verbindung ist derart auffällig 120 , dass die Annahme eines bewussten Rückbezugs auf die ‚Ilias’ kaum mehr zu vermeiden ist. Hesiod scheint also seinen Kontrahenten mit dessen eigenen Waffen schlagen zu wollen, und weil bei solchen Rätsel- oder Dichterkämpfen offenbar sowieso immer die Regel gilt, dass der Herausgeforderte, wenn er sich als der Herausforderung gewachsen zeigt, als Sieger betrachtet wird 121 , so muss auch Hesiod hier als Sieger gesehen werden, und genau dies ist es, was bei Plutarch im Anschluss an die zitierten Verse zu lesen ist ( καὶ διὰ τοῦτο λέγεται µάλιστα θαυµασθεὶς τοῦ τρίποδος τυχεῖν - „und weil er dafür sehr bewundert wurde, soll er den Dreifuß erhalten haben”). Da Hesiod, wie wir eingangs festhielten, in der ältesten Form des Wettkampfs kaum in einem schiefen Licht gezeigt wor- 116 Die Formel καναχήποδες ἵπποι , mit der Hesiod den ersten Vers seines Zweizeilers beschließt, ist im frühgriechischen Epos nicht belegt, findet sich also insbesondere auch nicht in der Szene des Wagenrennen für Patroklos. Aber da bereits Alkman die Junktur kennt (PMGF 1,47 f. = Frg. 3,47 f. Calame: ἵππον / / ... ἀεθλοφόρον καναχάποδα - „ein mit den Füßen stampfendes, einen Siegerpreis davontragendes Pferd”), kann sie doch eine geläufige epische Phrase gewesen sein, die beispielsweise in der ‚Aithiopis’ in der Szene des Wagenrennens für Achilleus (Procl. Chr. p. 69 l. 22-23 Bern.; Apollod. Epit. 5,5) Verwendung finden konnte. 117 Der von Hesiod gebrauchte Begriff τύµβῳ kehrt auch an der entsprechenden Stelle des ‚Certamen‘ (l. 100) wieder und findet sich an derselben Versstelle bei Hom. Od. 12,15. Die alternative Lesart τύµβον , die P. Petr. 1,25,1 (Z. 45) in seiner Version des ‚Certamen‘ aufweist, ist zwar syntaktisch ebenso gut möglich (Rzach 1892, 142), findet aber keine Parallele in den homerischen Epen, die metrisch identisch wäre. Cf. die allgemeine Diskussion zur Ursache dieser Divergenzen zwischen dem Florentiner Codex und den diversen Papyri bei Bassino 2012. 118 Der Versanfang ist belegt in Hom. Il. 8,435; 8,441; 23,368 und 23,503; Hom. Od. 4,42; Hom. h. Ap. 265 und Hes. Sc. 309. 119 Hom. Il. 23,437 und 23,496. 120 Die Formel scheint überhaupt in der griechischen Dichtung sonst nicht mehr belegt zu sein. 121 Cf. die Beispiele im obigen Kapitel zum Tod Homers. Kapitel 3 58 den sein kann, sollte also genau diese Version, die mit einem glatten Sieg Hesiods endet, dem ursprünglichen Sinn der Erzählung entsprechen. Wenn wir nun in einem zweiten Schritt überprüfen, wie die Verse im erhaltenen ‚Certamen’, die das Gegenstück zu den soeben besprochenen Zeilen bilden, behandelt sind, so fällt zunächst auf, dass sie am Anfang einer ganzen Sequenz mit ähnlichen Rätselfragen stehen (‚Certamen’ § 8, V p. 229 l. 97-101 Allen = p. 37,26-31 von Wilamowitz-Moellendorff). Dies ist nicht weiter verwunderlich, da sie mit einem Musenanruf beginnen und damit offenbar wirklich als Einleitung einer längeren Passage dienen sollen, die sinnigerweise mit der Heimkehr der Griechen von Troja und einer genauen Bestimmung ihrer Anzahl endet (‚Certamen’ § 9, V p. 230 l. 133 p. 231 l. 145 Allen = p. 39,5-18 von W.-M.). Das zweite auffällige Merkmal ist freilich, dass die Rollen nun vertauscht sind, Hesiod also in der Position des Herausforderers erscheint und Homer in der des Herausgeforderten, der dann auch, weil er alle Fragen perfekt beantworten kann, in den Augen der meisten Hörer als klarer Sieger dasteht. Diese Globalstruktur lässt also vielleicht sogar den Rückschluss zu, dass auch die von Plutarch zitierten Verse am Anfang einer längeren Sequenz standen, in der immer wieder Homer Fragen stellte und Hesiod sie perfekt beantwortete, sodass der böotische Sänger zuletzt zu Recht zum Sieger gekürt wurde 122 . Was nun die konkrete Form der Verse angeht, so hat der Musenanruf wieder konventionelle Form und es folgt darauf die Standardformel zu Gegenwart, Zukunft und Vergangenheit (l. 97: Μοῦσ᾿ ἄγε µοι τά τ᾿ ἐόντα τά τ᾿ ἐσσόµενα πρό τ᾿ ἐόντα - „Muse, wohlan, vom Gegenwärtigen, Künftigen und Vergangenen”); der Vers kann also sowohl mit Hesiods Gedichten wie mit denen Homers assoziiert werden 123 . Der zweite von Hesiod vorgebrachte Vers, der die zunächst ausgelassene Negation nachholt (l. 98: τῶν µὲν µηδὲν ἄειδε, σὺ δ᾿ ἄλλης µνῆσαι ἀοιδῆς - „[davon] singe mir nichts, du aber gedenke eines anderen Liedes”) 124 , erlaubt nun aber recht deutliche 122 Die Annahme von Milne 1924, 58 f., dass auch Plutarchs Quelle nur die beiden von ihm zitierten Disticha enthielt, ist also nicht notwendigerweise richtig. 123 Zum Musenanruf sind zu vergleichen Alcm. PMGF 14,1 und 27,1 (= Frg. 4,1 und 84,1 Calame) und Stesich. PMGF 240 und 278 (= Frg. 277 und 327 Finglass) sowie die neue Rekonstruktion von Stesich. PMGF S 89,5 in Frg. 100,9 Finglass (mit dem Kommentar von Davies, Finglass 2014, 416); die Standardformel findet sich, wie oben erläutert, in Hes. Th. 38 und Hom. Il. 1,70. 124 Das Distichon in ‚Certamen’ l. 97-98 entspricht damit - als Einheit betrachtet - der verneinten Form der Standardformel, wie sie bei Plaut. Amph. 553 f. wiederkehrt ([Amphitryon zu Sosias] quia id quod neque est neque fuit neque futurum est / / mihi praedicas - „weil du mir verkündest, was weder ist noch war noch sein wird”). Wenn, wie meist angenommen (z.B. Braun 1991 und Arnott 2010, 280 Anm. 5, anders Lefèvre 1982), der ‚Amphitruo’ auf ein griechisches Vorbild der Mittleren Komödie zurückgeht, so haben wir damit ein indirektes Indiz für die Verwendung der Formel Dichterwettstreit 59 Bezüge zum Werk Homers bzw. zu den Hymnen, die in der Antike ebenfalls Homer zugeschrieben wurden. Die Imperativform ἄειδε ist nämlich bei Hesiod nicht mehr belegt, findet sich dafür aber gleich im ersten Vers der ‚Ilias’ bzw. der ‚Thebais’ 125 , und der Versschluss σὺ δ᾿ ἄλλης µνῆσαι ἀοιδῆς greift eine Formel auf ( ἄλλης µνήσοµ᾿ ἀοιδῆς - „ich werde mich an ein anderes Lied erinnern”), die fast regelmäßig den Schluss der Homerischen Hymnen bildet 126 . Wie wir es bereits oben mehrfach für den langen Abschnitt von l. 107-137 des ‚Certamen’ feststellen konnten, benützt Hesiod also just Verse seines Gegners, die ihn in Verlegenheit bringen sollen. In der Antwort Homers in den l. 100-101 Allen ( οὐδέ ποτ᾿ ἀµφὶ Δ∆ιὸς τύµβῳ καναχήποδες ἵπποι / / ἅρµατα συντρίψουσιν ἐρίζοντες περὶ νίκης. - „Niemals werden mit den Füßen stampfende Pferde um das Grab des Zeus herum im Streit um den Sieg die Wagen zerschmettern.”) finden sich keine so deutlichen intertextuellen Bezüge. Der Versanfang οὐδέ ποτ᾿ , der hier die Stelle des ἀλλ᾿ ὅτε aus der Version des Plutarch einnimmt, ist eine geläufige Formel, die sich im frühgriechischen Epos oft findet 127 . Es hat dennoch gewisse Auffälligkeit für sich, dass einer dieser Belege sich im Homerischen Hymnos an Aphrodite vorfindet, also in dem Gedicht, dessen Anfangsvers in der Parallelversion bei Plutarch evoziert scheint, und dass dieser Beleg ein Adynaton nennt (h. Ven. 16 f.: οὐδέ ποτ᾿ Ἀρτέµιδα χρυσηλάκατον κελαδεινὴν / / δάµναται ἐν φιλότητι φιλοµµειδὴς Ἀφροδίτη - „auch kann niemals die holdlächelnde Aphrodite die brausende Artemis mit den goldenen Pfeilen in Liebe bezwingen”), welches vergleichbar ist mit dem Adynaton zum Grabmal des Zeus. Ebenfalls nicht ganz klar ist die Relevanz des Versschlusses ἐρίζοντες περὶ νίκης , weil dieser im Gegensatz zur Parallelversion Plutarchs ( ἐπειγόµενοι περὶ νίκης ) keiner etablierten Formel entspricht und das Partizip Präsens von ἐρίζω im frühgriechischen Epos ohnehin nicht belegt ist. Da es aber keine metrischen Gründe für die Ersetzung von ἐπειγόµενοι durch das prosodisch gleichwertige ἐρίζοντες gab, scheint es nicht abwegig, hierin eine Anspielung auf die programmatische Passage aus den ‚Werken und Tagen’ Hesiods zu erkennen, in welcher die ἔρις als wesentliche Triebkraft des menschlichen Lebens genannt ist und zuletzt - passend für unseren Kontext - auch vom Streit der Dichter durch Alkidamas, die dem Beleg des Papyrus Flinders (P. Petr. 1,25,1, Z. 38-41) zeitlich sogar noch etwas vorausgeht. 125 Die in Kapitel 15 des ‚Certamen’ - mit wörtlichem Zitat des Anfangsverses (‚Thebais’, Frg. 1 Bern.) - gleichfalls als Werk Homers bezeichnet wird. Interessant ist zudem, dass dieselbe Verbform als unaugmentiertes Imperfekt (‚er sang’) mehrfach in der ‚Odyssee’ an der genau gleichen Versstelle belegt ist wie in unserem Vers im ‚Certamen’ (Od. 1,325; 1,339; 8,83; 8,367; 8,516 und 8,521). 126 Beispielsweise Hom. h. Cer. 495, Ap. 546 und Merc. 580. 127 Hes. Th. 221, 796 und 802; Hes. Op. 230; Hom. Il. 1,155; 5,789; 15,408 und 18,283; Hom. Od. 12,131; Hom. h. Cer. 49 und Ven. 16 (daneben noch zahlreiche Stellen, an denen die Partikelnkombination an anderen Stellen im Vers erscheint). Kapitel 3 60 untereinander die Rede ist (Op. 11-26: ... / / καὶ πτωχὸς πτωχῷ φθονέει καὶ ἀοιδὸς ἀοιδῷ - „es neidet der Bettler dem Bettler und der Sänger dem Sänger”) 128 . Eine solche Bezugnahme auf eine programmatische Partie Hesiods hätte durchaus guten Sinn ergeben in einem Wortwechsel, der einen längeren Dialog zwischen den beiden Dichtern einleitet, zumal Homer soeben noch mit der Wendung σὺ δ᾿ ἄλλης µνῆσαι ἀοιδῆς an seine Funktion als Hymnendichter bzw. an die für dieses Genre typischen Formeln erinnert worden war und nun durch die Aufnahme eines hesiodeischen Schlüsselbegriffs seinem Gegner mit gleicher Münze heimzahlt. Im allgemeinen gilt aber doch, wie wir im letzten Abschnitt festhielten, dass im uns erhaltenen ‚Certamen’ weit überwiegend Bezüge zu den homerischen Gedichten vorliegen, und entsprechend wenig Verwunderung sollte es erregen, wenn in der Darstellung Plutarchs so deutlich auf das Wagenrennen für Patroklos aus der ‚Ilias’ angespielt wird. Denn in der Erzählung vom Dichterwettstreit steht zum einen sowieso der Gedanke des Agonalen im Vordergrund und eine Anknüpfung an denjenigen sportlichen Wettkampf, der im frühgriechischen Epos die ausführlichste Darstellung fand, konnte somit nur natürlich erscheinen. Zum anderen ist der äußere Anlass für den Dichterstreit ja eben eine Begräbnisfeier, und dann lag der Gedanke an die Begräbnisfeier, die einen Höhepunkt im Erzählablauf der ‚Ilias’ darstellt, wiederum sehr nahe. Da somit die Version des Wettkampfs, die uns bei Plutarch vorliegt, und die Standardversion des ‚Certamen’ einerseits eine genaue entgegengesetzte Rollenverteilung aufweisen, aber andererseits, was die Intertextualität mit den frühgriechischen Epen angeht, ein vergleichbares Bild zeigen, sich also in erster Linie an Homer und nicht an Hesiod halten, stellt sich erneut die Frage nach der Entstehung dieser Versionen. Ausgangspunkt dieser Betrachtung muss noch einmal der Umstand sein, dass die Tradition des Motivs ihren letzten Ursprung in Hesiods stolzer Bemerkung zu seinem Sieg in Chalkis (Op. 654-659) hat, dass also der Sieg Hesiods immer eine Konstante der Erzählung sein musste. Zweiter, sich daraus ergebender Gesichtspunkt ist, dass Hesiod in den ältesten Versionen des Wettkampfs noch nicht als zweitrangiger Dichter dargestellt 128 Bezeichnenderweise findet sich eben dieser Begriff des φθονεῖν wieder in der Reaktion des Hesiod auf die brillanten Antworten Homers am Ende des Zentralteils unserer Erzählung (‚Certamen’ § 11, V p. 231 l. 148-150 Allen = p. 39,22-23 von Wilamowitz-Moellendorff: κατὰ πάντα δὴ τοῦ Ὁµήρου ὑπερτεροῦντος φθονῶν ὁ Ἡσίοδος ἄρχεται πάλιν - „als Homer in allen Punkten obsiegte, hob Hesiod voller Neid wieder an”); cf. Koning 2010, 257 f., der jedoch nicht auf den möglichen Zusammenhang der Form ἐρίζοντες mit der ἔρις Hesiods eingeht und daher auch die Verklammerung der gesamten Passage durch die beiden Ausdrücke ἐρίζοντες und φθονῶν nicht erkennt. Dichterwettstreit 61 worden sein kann, weil es widersinnig gewesen wäre, die knappen Bemerkungen in den ‚Werken und Tagen’ zu einer detaillierten Erzählung auszugestalten und Hesiod auf diese Weise sogar zu einem Sieg über Homer zu verhelfen (der in den ‚Werken’ gar nicht genannt ist), dies dann aber gleich wieder mit einer eher negativen Schilderung des böotischen Dichters zu konterkarieren. Drittes Kriterium ist schließlich, dass Rätsel und Wortspiele traditionell eine gewisse Nähe zu gnomischen Äußerungen und zur Populärphilosophie aufweisen, und für diese Dichtungsformen stand weit eher Hesiod als Homer 129 ; denn Homer weist zwar ebenfalls gnomische Äußerungen auf, doch sind sie bei ihm immer Teil der Handlung und kein Selbstzweck 130 . All dies spricht dafür, dass das Motiv vom Zweikampf zwischen Homer und Hesiod in einem Hesiod-freundlichen Milieu entstanden ist, und Carlo Gallavotti vermutete daher, dass das Motiv um das Jahr 600 v. Chr. von böotischen Lehrdichtern entwickelt worden sei, die sich in der Tradition Hesiods sahen und ihrem Meister damit höchste Ehren zukommen lassen wollten 131 . Für diese Annahme spricht nun in der Tat einiges. So wurde der Dreifuß, den Hesiod nach eigenen Angaben nach seinem Sieg in Chalkis den Musen auf dem Helikon geweiht hatte (Op. 658) und den ihn dann auch unsere Standardversion des ‚Certamen’ wieder dort niederlegen lässt (‚Certamen’ § 13, V p. 233 l. 210-214 Allen = p. 41,21-25 von Wilamowitz- Moellendorff), eben am Helikon gezeigt und zwar inmitten einer großen Menge von jüngeren Dreifüßen 132 . Die älteste Weihgabe hatte also offenbar eine kultische Tradition begründet und diente gleichzeitig als Aufhänger für die Geschichte vom Wettkampf, denn die Präsenz dieses Dreifußes musste natürlich Fragen wecken, wie die genauen Umstände in Chalkis 129 Man denke neben den ‚Werken und Tagen’ etwa an die Χείρωνος ὑποθήκαι (Frg. 283- 285 M.-W.). 130 So etwa die verschiedenen Aufforderungen an zürnende Helden, sich wieder zu besinnen (Il. 9,502-512; 13,115 und 15,203), oder Odysseus’ Ermahnung der Eurykleia, nicht über den Tod der Freier zu jubeln (Od. 22,412). 131 Gallavotti 1929, 45-52 (im selben Sinne, wenn auch sehr knapp, bereits von Wilamowitz-Moellendorff 1916b, 404). Leider keine Auseinandersetzung mit Gallavottis These findet sich bei Debiasi 2001 bzw. 2012, dessen alternative Annahme, wonach die Tradition vom Dichterwettstreit sich auf Euboia herausgebildet und der Spiegelung des Kriegs zwischen Chalkis und Eretria gedient habe und schließlich durch Theagenes von Rhegion in schriftliche Form übergeführt worden sei, im Vergleich mit den wesentlich klareren Bezügen zu Böotien, die Gallavotti nennt, recht vage erscheint und insbesondere der abweichenden Version, die bei Plutarch verzeichnet ist, nicht Rechnung trägt. 132 Varro, Frg. 68 Funaioli (= Gell. 3,11,3); Paus. 9,31,3 ( ἐν δὲ τῷ Ἑλικῶνι καὶ ἄλλοι τρίποδες κεῖνται καὶ ἀρχαιότατος, ὃν ἐν Χαλκίκδι λαβεῖν τῇ ἐπ᾿ Εὐρίπῳ λέγουσιν Ἡσίοδον νικήσαντα ᾠδῇ. - „Am Helikon liegen auch sonst Dreifüße und daneben der älteste, den, wie man sagt, Hesiod in Chalkis am Euripos errang, als er mit einem Lied gesiegt hatte.”). Kapitel 3 62 gewesen waren, die es Hesiod erlaubten, den Siegerpreis davonzutragen 133 . Kontext dieser Dedikationen war das Heiligtum der Musen am Fuße des Helikon zwischen Thespiai und Askra (dem Geburtsort Hesiods). Der dort gefeierte Kult reichte nach den archäologischen Zeugnissen bis in archaische Zeit zurück und erfuhr dann ab dem vierten Jahrhundert eine Umgestaltung zu einem panhellenischen Fest, den ‚Museia’, die musische Wettkämpfe verschiedenster Art ausrichteten 134 . Hesiod wurde im Zusammenhang dieser Riten offenbar als Kultheros gefeiert und war spätestens seit dem dritten Jahrhundert zusammen mit den Göttinnen auch Adressat einer eigenen Kultgemeinschaft von συνθύται (IG VII 1785: ὅρος τᾶς γᾶς [ ἱα ] ρᾶς τῶν σ [ υν ] θυτάων τᾶµ Μωσά [ ων τῶ ] ν Εἱσιοδείων - „Die Grenze des heiligen Landes der Kultgemeinschaft der Musen Hesiods”), sodass man sich sogar fragen kann, ob die Verbindung mit dem Heiligtum den Ruhm des Dichters begründete oder nicht umgekehrt erst der Ruhm des Dichters die Einrichtung des Kultes hervorrief 135 . Plutarch war als Einwohner Böotiens natürlich gut mit diesen Traditionen vertraut 136 , und es gab auch lokalhistorische Darstellungen, aus denen später wieder geschöpft werden konnte 137 . Wenn Gallavotti also einen plausiblen Kontext für die Entstehung unseres Motivs nennen konnte 138 und wenn auf diese Weise auch ein Weg aufgezeigt ist, auf dem solche Traditionen Plutarch erreichen konnten, so war Gallavottis weitere Behandlung der Frage nicht gleichermaßen befriedigend. Denn der italienische Gelehrte ging davon aus, dass die Version, die Plutarch zitiert, eine bewusste Abwandlung der Standardversion durch einen antiken Grammatiker war 139 , und missachtete damit, dass es gerade diese Version ist, die mit dem klaren Sieg Hesiods die oben genannten Kriterien zwei und drei in besonders guter Weise erfüllt und somit die Priorität innehaben dürfte gegenüber der Version, die nachher durch Alkidamas und seine Nachfolger kanonisch wurde. Dass Plutarchs Version 133 Dies gilt auch dann, wenn der gezeigte Dreifuß nicht authentisch war, sondern erst einige Zeit nach Hesiod dort niedergelegt wurde. 134 Cf. die zusammenfassende Darstellung bei Manieri 2009, 313-340. 135 Calame 1996, 51 f.; Manieri 2009, 315 f. 136 Plut. De genio Socratis 7, 578 f - 579 a und Amatorius 1, 748 f. 137 So die Schrift Περὶ τοῦ ἐν Ἑλικῶνι ἀγῶνος des Nikokrates (FGrHist 376 F 3-4) und die Schrift Περὶ τοῦ ἐν Ἑλικῶνι Μουσείου des Amphion von Thespiai (FGrHist 387 F 1). 138 Eine vergleichbare böotische Lokaltradition liegt vor im Sängerwettkampf zwischen den Brüdern Helikon und Kithairon, wie er von Korinna, PMG 654 I erzählt war (weitere Behandlungen bei Demetrios von Phaleron, FGrHist 228 F 32a; Ps.-Plut. De Fluviis 2,3; Tz. Hist. 6,913-916 und Tz. Scholia ad Hesiodum, p. 33,4-7 Gaisford 2 ). Dieser endete mit dem Sieg des Kithairon, worauf vielleicht der Selbstmord des Helikon folgte und danach die Verwandlung der beiden Brüder in Berge; cf. die Interpretationen von Page 1953, 20-22, Ebert 1978, Burzacchini 1990, Schachter 2005 und Vergados 2012. 139 Gallavotti 1929, 52-55 (im Gefolge der oben in Anm. 92 zitierten vergleichbaren Thesen von Nietzsche, Kirchhoff und von Wilamowitz-Moellendorff). Dichterwettstreit 63 dennoch vielleicht nicht die allerälteste war, wird nahegelegt durch die oben aufgezeigten Homer-Reminiszenzen, die in den beiden überlieferten Distichen enthalten sind, wodurch der ionische Dichter doch wieder einiges Augenmerk erhält. Es dürfte sich also eher so verhalten, dass der bei Plutarch überlieferten Version vom Wettstreit der Dichter eine noch ältere voranging, in der zwar die Rollen in derselben Weise verteilt waren wie bei Plutarch und Hesiod demzufolge klarer Sieger war, in der aber für die Interaktion der beiden Dichter eher neutrale Verse gebraucht waren, die weder bei Homer noch bei Hesiod besondere Anleihen machten 140 . Oder man kann sogar eine überhaupt älteste Version rekonstruieren, die sich noch eng an den Text Hesiods hielt, wo einfach nur vom Sieg im Dichterwettstreit mit einem eigenen Textausschnitt die Rede ist (Op. 657: ὕµνῳ νικήσαντα 141 ); es wäre dann in einer solchen Version eben Hesiod mit einem Ausschnitt aus seinen Dichtungen Homer gegenübergestanden, der auch einfach eine Probe seines Könnens gab, ohne dass Rätsel dabei irgendeine Rolle gespielt hätten. Ein solcher Wettstreit mit vorher ausgearbeiteten Textproben ist ja auch später regelmäßig ein Teil des Wettkampfs, und in einer gänzlich anderen Tradition über eine Begegnung der beiden Dichter auf der Insel Delos finden wir eben einen solchen Wettkampf, in welchem überhaupt nur ausgearbeitete Partien zum Vortrag kommen (Hes. Frg. 357 M.-W.: ἐν Δ∆ήλῳ τότε πρῶτον ἐγὼ καὶ Ὅµηρος ἀοιδοὶ / / µέλποµεν, ἐν νεαροῖς ὕµνοις ῥάψαντες ἀοιδὴν, / / Φοῖβον Ἀπόλλωνα χρυσάορον, ὃν τέκε Λητώ. - „Auf Delos besangen damals Homer und ich, als Sänger mit neuen Hymnen ein Lied zusammenstellend, zum ersten Mal Phoibos Apollon mit dem goldenen Schwert, den Leto gebar.”) 142 . Wenn wir also zuletzt den Versuch wagen wollen, ein Gesamtbild zur Entwicklung unseres Motivs zu rekonstruieren, so dürfte es sich so verhalten, dass um das Jahr 600 herum im Milieu der böotischen Rhapsoden bzw. der Kultgemeinde Hesiods am Helikon die Erzählung aufkam, dass Hesiod mit seinem Liedvortrag in Chalkis nicht zuletzt Homer besiegte 143 . 140 Dieser Gedanke wird auch dadurch nahegelegt, dass das Motiv des Rätselwettkampfs zwischen Dichtern und insbesondere die Aufgabe, unvollständige bzw. paradoxe Verse zu vervollständigen, Parallelen in Indien und Irland kennt und damit offensichtlich traditionell war (West 2007, 73 f.), also auch leicht in relativ früher Zeit auf das Dichtergespann Homer und Hesiod übertragen werden konnte. 141 Zur Bedeutung von ὕµνος (‚Lied’, ‚episches Gedicht’) an dieser Stelle cf. West 1978, 321. 142 Cf. West 1967, 440, der in diesem Motiv allerdings eine späte Erfindung sieht, und Graziosi 2002, 33 f., die genau umgekehrt eine relativ alte rhapsodische Tradition darin erblickt. 143 Dies wäre dann auch die Erklärung für den oben in Kap. 1 genannten Umstand, dass die Erzählung vom Wettkampf der beiden Dichter in den sonstigen Homer-Viten so gut wie keine Resonanz findet. Denn diese Viten entstanden auf der Basis von traditionellen Erzählungen, die nicht zuletzt von den Homeriden von Chios weiter- Kapitel 3 64 Diese Erzählung wurde dann - wohl noch im selben Milieu - zu einem Rätselwettkampf weiterentwickelt, d.h. auf den Vortrag vorbereiteter Partien aus dem jeweiligen eigenen poetischen Werk folgte nun der eigentliche Rätselkampf, in welchem nach der oben aufgezeigten poetischen Tradition 144 eine klare (asymmetrische) Rollenverteilung bestand zwischen dem Herausforderer Homer, der Rätselfragen stellte, und seinem Kontrahenten Hesiod, der die Rätsel brillant löste und damit verdient den Sieg errang. In einer dritten Entwicklungsstufe kam dann die Version auf, die Plutarch überliefert. In dieser Version besteht zwar immer noch derselbe Ablauf des Wettkampfs und dieselbe Rollenverteilung und Hesiod erringt daher nach wie vor einen glatten Sieg. Doch die einzelnen Rätselverse sind bereits so gebaut, dass nun vornehmlich eine Anknüpfung an das homerische Sprachmaterial vorgenommen ist. Wie diese dritte Stufe zu bewerten ist, lässt sich schwer sagen. Denn zum einen ist es - auf der Ebene der beiden Dialogpartner betrachtet - natürlich ein besonderer Triumph für Hesiod, dass er seinen Kontrahenten gerade mit dessen eigenen Wendungen wie der singulären Junktur ἐπειγόµενοι περὶ νίκης schlagen kann. Zum anderen aber steckt - vom Standpunkt des Verfassers dieser Version her gesehen - in dieser intensiven Homer- Rezeption doch auch ein großes Kompliment an den ionischen Dichter, sodass hier im Grunde ein Ausgleich zwischen den beiden Dichterfürsten erfolgt. Wo diese Version entstand, ist somit schwer zu bestimmen. Der plausibelste Herkunftsort ist aber immer noch Böotien, weil sich so am besten erklärt, wie Plutarch - als Böoter - mit dieser Version vertraut werden konnte, die ansonsten völlig unbekannt ist 145 . Etwas leichter dürfte dagegen die ungefähre Zeit dieser Version zu bestimmen sein. Denn die teils satirische, teils respektvolle Haltung gegenüber Homer, die in der Anknüpfung an seine Verse zum Ausdruck kommt, mochte in einem böo- gegeben wurden, und diese Gilde hatte, wie Eustathios korrekt festhält, kein Interesse daran, eine Geschichte, die mit der Niederlage ihres ‚Schulgründers’ endete, an die Nachwelt zu überliefern; cf. Eust. Praefatio ad Iliadem, I p. 6,28 - 7,1 vdValk ( εἰ δὲ καὶ ἤρισεν Ὅµηρος Ἡσιόδῳ τῷ Ἀσκραίῳ καὶ ἡττήθη, ὅπερ ὄκνος τοῖς Ὁµηρίδαις καὶ λέγειν, ζητητέον ἐν τοῖς εἰς τοῦτο γράψασιν, ἐν οἷς ἔκκεινται καὶ τὰ ῥητὰ τῆς ἔριδος. - „Ob aber Homer auch mit Hesiod von Askra einen Wettkampf austrug und unterlag, was die Homeriden nicht einmal in Worte fassen mögen, muss man bei denen nachprüfen, die darüber geschrieben haben, bei welchen auch die Dialoge des Wettkampfs verzeichnet sind.”). Erst recht muss dies gegolten haben, wenn diese Erzählung im Schoß einer konkurrierenden Rhapsodengruppe aufgekommen war und somit deren Stellung gegenüber derjenigen der Gruppe von Chios stärkte. 144 Cf. die Beispiele oben in Kap. 2. 145 Mit dieser Annahme löst sich somit auch das von Heldmann 1982, 54 Anm. 217 angesprochene Problem, wie die zwei verschiedenen Versionen des Wettkampfs, also die kanonische unseres kaiserzeitlichen ‚Certamen’ und die unkanonische von Plutarch, parallel bis in die Zeit Plutarchs erhalten bleiben konnten. Dichterwettstreit 65 tischen Milieu vielleicht befremdlich wirken und benötigte somit einen Anstoß von außen. Dies dürfte am ehesten die allgemeine Tendenz in spätarchaischer Zeit gewesen sein, Homer - insbesondere auch im Vergleich mit Hesiod - als den allein überragenden Dichter zu sehen 146 . Es scheint hier also eine Reaktion der böotischen Rhapsoden vorzuliegen, die diese Wertung wieder zurechtrücken will und nun nicht gerade eine völlige Umkehrung vornimmt, aber doch auch wieder die Brillanz des eigenen Dichterheros gebührend hervorhebt. Für die Entstehung dieser Version kommt damit am ehesten ein Datum um das Jahr 500 v. Chr. oder in den folgenden fünfzig Jahren in Frage. Die Erzählung vom Wettkampf zwischen Homer und Hesiod, die in ihren Anfängen wohl hauptsächlich der Identitätsfindung einer Rhapsodengemeinschaft gedient hatte, musste also, wenn sie auf den allgemeinen kulturellen Diskurs der Nation einwirken wollte, eine Form annehmen, die geeignet war, diesen Zweck zu erfüllen. Somit konnte sie auch nicht auf Dauer den bloßen Standesinteressen einer lokalen Dichterschule dienen, sondern musste sich dem Trend der Zeit anpassen und erhielt damit einen Eigenwert als Dichtung sui generis. Die entwickeltste Form der Erzählung, die mit dem Namen des Alkidamas verknüpft ist, aber nicht notwendigerweise von ihm selber herstammt, verstärkte diese Tendenz noch und tat dann den entscheidenden Schritt der Umkehrung der Rollen. Die enge intertextuelle Anknüpfung an die Gedichte Homers blieb nun zwar erhalten oder wurde sogar noch ausgebaut, aber Hesiod agierte im Rätselkampf fortan in der Rolle des Herausforderers und Homer in der des Kontrahenten, der mit seinen schlagfertigen Antworten mindestens den moralischen Sieg errang 147 . Da aber Hesiod wegen seiner Bemerkung in den ‚Werken und Tagen’ zuletzt doch stets der offizielle Sieger des Wettkampfs bleiben musste, so machte die Umkehrung der Rollen auch eine Änderung des Wettkampfablaufs nötig und die Rezitation der eigenen Verse, die in der Version Plutarchs den Anfang macht, musste nun an den Schluss gestellt werden. Damit war auch die Einfügung einer weiteren Instanz nötig, die sich im Unterschied zu den sonstigen Kampfrichtern nicht zu sehr von Homers Brillanz im Rätselkampf beeindrucken ließ und stattdessen die Rezitation der vorbereiteten Verse einforderte, und diese Instanz war nun eben König Panedes. Somit dürfte Panedes gleichzeitig mit der Umkehrung der Rollen in den Zusammenhang eingeführt worden sein, und da bereits die zwei von Aristophanes zitierten Verse die Umkehrung der Rollen voraussetzen, muss König Panedes seine Funktion bereits im fünften Jahrhundert erhalten haben. Wenn wir die Entwicklung des 146 Cf. die unten in Kap. 3.4.3 zitierten Aussprüche von Simonides und Kleomenes. 147 Wie festgehalten in ‚Certamen’ § 12 (V p. 232 l. 176-179 Allen = p. 40,17-19 von Wilamowitz-Moellendorff). Kapitel 3 66 Motivs in archaischer und frühklassischer Zeit also richtig rekonstruiert haben, so bedeutet dies, dass der gesamte Wettkampf mit seinen unterschiedlichen Teilen 148 bereits im fünften Jahrhundert in fixierter Form vorlag und wahrscheinlich auch schon mit den Erzählungen vom Tod der beiden Dichter verbunden war 149 . Die Leistung des Alkidamas bestand somit nicht in der Formung dieser Erzählung, sondern in ihrer Aufnahme in das ‚Museion’, also in ein Sammelwerk, das ein Panorama der griechischen Dichtkunst geben wollte und so auch für die Tradierung der darauf bezogenen Geschichten sorgte 150 . 148 Zu den vier Teilen des Wettkampfs cf. die im nächsten Abschnitt folgende Analyse. 149 Zur festen Verbindung des eigentlichen Wettkampfs mit den sonstigen Teilen des ‚Certamen’ wie insbesondere den Erzählungen vom Tod der beiden Dichter ist grundlegend der Aufsatz von Vogt 1959, der gut auf solche Leitmotive wie das Thema der Improvisationskunst oder das fehlgedeutete bzw. unterschätzte Orakel hinweist. 150 Zu dieser Funktion des ‚Museion’ als Schatzhaus der Dichtkunst cf. Vogt 1959, 211 f. und 217-219 sowie West 1967, 438. Dichterwettstreit 67 3.3 Das Wechselgespräch zwischen Homer und Hesiod als Darstellung der Troja-Sage Will man nun versuchen, diesem merkwürdigen literarischen Gebilde, wie es uns im kaiserzeitlichen ‚Certamen’ erhalten ist, wie es aber auch bei Alkidamas und in dessen Vorlage zumindest in ähnlicher Form vorgelegen haben sollte, Sinn abzugewinnen, so ist zunächst der Versuch einer Gliederung des zentralen Teils mit der Auseinandersetzung zwischen den beiden konkurrierenden Sängern zu unternehmen. Dabei ist zunächst der letzte Abschnitt mit den Exzerpten aus den jeweiligen Epen, die König Panedes zu hören verlangt (§ 12), deutlich von den vorangehenden Abschnitten zu scheiden. Für diese vorangehenden Abschnitte käme eine Strukturierung nach inhaltlichen Kriterien bzw. nach der jeweiligen Art des Frage-Antwort-Spiels in Frage. Am sichersten scheint aber eine Unterteilung nach den jeweiligen Einsätzen, und so empfiehlt es sich sicherlich, einen ersten Abschnitt in § 7 zu identifizieren, wo Hesiod zweimal Homer direkt anspricht und ihn nach den Bedingungen für menschliches Glück fragt und dieser zweimal mit einer formvollendeten Verspartie antwortet 151 . Der zweite Abschnitt, der uns hier besonders interessiert (§ 8-10), setzt ein mit einem Musenanruf, und der dritte Abschnitt (§ 11) beginnt wieder mit einer direkten Anrede Homers durch Hesiod und enthält eine größere Anzahl von Sinnsprüchen Homers. Es sind also insgesamt vier Abschnitte zu konstatieren 152 , von denen die drei ersten mit vorläufigen Siegen Homers enden und der letzte dann in der Umkehr Homers Niederlage besiegelt. Die ersten drei Abschnitte bilden somit gegenüber dem vierten noch einmal eine Einheit für sich und stellen ein Triptychon dar, dessen beide Seitenflügel aus populärphilosophischen Elementen bestehen, während der Mittelteil von gänzlich anderer Natur ist. Dieser ist somit als Herzstück der ganzen Passage definiert, setzt sich aber auch seinerseits noch einmal aus drei Teilbereichen zusammen, aus dem einleitenden Musenanruf Hesiods und der Antwort Homers (l. 97-101 Allen), aus den γνῶµαι ἀµφίβολοι und der jeweiligen Auflösung durch Homer (l. 107-137) und aus der abschließenden Frage Hesiods nach der Anzahl der Griechen im Kampf um Troja und der Rechenaufgabe, die Homer seinem Kontrahenten daraufhin entgegenhält (l. 140-145). 151 Die l. 78-79 Allen entsprechen Thgn. 425-428, die l. 84-89 sind Homers eigene Verse aus Od. 9,6-11 (mit leichten Abweichungen am Anfang und am Ende der Partie). 152 Unsere Analyse steht also näher bei Hess 1960, 3 f., obwohl dieser die § 8-10 noch einmal in drei Abschnitte unterteilt und somit insgesamt sechs Abschnitte identifiziert (gefolgt von Koning 2010, 250-252), als bei Vogt 1961, 699, der zwar ebenfalls nur vier Abschnitte identifiziert, aber die l. 97-101 in wenig plausibler Weise noch zum ersten Abschnitt rechnet. Kapitel 3 68 Die beiden Klammerelemente des Musenanrufs und der abschließenden Rechenaufgabe zeigen nun deutlich, dass wir es hier mit einer Darstellung der Troja-Sage zu tun haben, und dieser Eindruck verstärkt sich durch das Studium der γνῶµαι ἀµφίβολοι bzw. der darauf gegebenen Antworten, wie wir es oben in Kap. 3.1 paradigmatisch für die l. 107-110 geleistet haben und wie es unten für einige andere Abschnitte wie für die l. 124-126 mit ihrem Hinweis auf den Simoeis oder die l. 133-137 mit ihren Andeutungen zum Aufbruch der Griechen von Troja noch im einzelnen unternommen werden soll. Dennoch ist auch dieser Zentralteil noch einmal gut strukturiert und ist mit Elementen durchsetzt, die über die Troja-Sage hinausgehen. So findet sich gleich im Abschnitt von l. 111-118 ein Block von vier Distichen, von denen die beiden mittleren in eher gnomischer Weise Fragen der Fortpflanzung behandeln, während die beiden äußeren mit der Hindeutung auf den Kampf der Olympischen Götter mit den Giganten und mit der Anspielung auf die Tötung Kallistos durch Artemis Mythen behandeln, die den Rahmen der Troja-Sage überschreiten und sogar als besondere Domäne Hesiods angesehen werden könnten 153 . Außerdem sind diese beiden letztgenannten Distichen dadurch miteinander verbunden, dass jeweils vom Schießen und Töten mit Pfeilen die Rede ist und dass die beiden Schützen - Herakles und Artemis - außereheliche Kinder des Zeus sind. Somit setzt sich in diesen beiden Distichen das Thema der l. 100-101 fort, weil auch dort schon von Zeus die Rede war, und vor allem ist eine Brücke gebildet zum Dreizeiler von l. 121-123, weil dort mit der Erwähnung Sarpedons wieder von einem außerehelichen Kind dieses Gottes die Rede ist. Da nun zudem in den l. 121-123 wie in den l. 100-101 mit der Vorstellung gespielt wird, dass Zeus sterblich sein könnte, werden also an der letzten der genannten Stellen zwei Themen zusammengeführt, die zuvor schon je einzeln angeschlagen wurden, die Unsterblichkeit des Zeus und sein besonderer Kinderreichtum. Es zieht sich somit ein unverkennbarer motivischer Strang durch diese Darstellung der Troja-Sage hindurch, also gewissermaßen eine Ergänzung der auf die Menschen konzentrierten Handlung durch einen Götterapparat, wie er so kennzeichnend ist für die ‚Ilias’. Dieses Thema kommt mit der Erwähnung Sarpedons an sein Ende, oder anders formuliert: die Erwähnung dieses Zeus-Sohns erlaubt die Rückkehr zur Troja-Sage, weil Sarpedon natürlich ein wichtiger Held der ‚Ilias’ ist, dessen Tod im sechzehnten Buch des Epos eine ausführliche Schilderung erfährt. Doch bedeutet selbst dies nicht, dass der ganze Rest des Wechselgesprächs der Troja-Sage gewidmet wäre. Vielmehr findet sich in den l. 129-130 ein deut- 153 Für die (entscheidende) Beteiligung des Herakles am Kampf der Götter gegen die Giganten cf. Hes. Th. 954 und Frg. 43a,65 M.-W.; für den Mythos von Kallisto cf. Hes. Frg. 163 M.-W. Dichterwettstreit 69 licher Hinweis auf den Argonautenmythos, während das vorangehende und das nachfolgende Distichon (l. 127-128 und 131-132) weder der Troja- Sage noch dem Argonautenmythos exklusiv zuzuordnen sind und somit Übergangselemente bilden, die den Hinweis auf die Fahrt zu König Aietes einklammern. Jedenfalls ist auch dieser mythische Exkurs Nachahmung des Darstellungsstils der homerischen Epen und insbesondere der ‚Ilias’, welche ebenfalls stark dazu neigt, die Troja-Sage mit anderen, in die Handlung eingelegten Mythen zu kontrastieren 154 . All dies zeigt also zumindest, dass man beim Studium des ‚Certamen’ jeweils die Frage Hesiods und die Antwort Homers als Einheit lesen sollte und dass diese Miniaturblöcke wiederum mit anderen solchen Blöcken zusammen betrachtet werden sollten. Das ‚Certamen’ darf somit nicht als Ansammlung einzelner, voneinander unabhängiger Rätselsprüche gesehen werden, sondern muss insgesamt einer seriellen Lektüre unterzogen werden. Erst so ergibt sich aus den scheinbar unsinnigen Einzelversen eine kohärente Darstellung, deren hauptsächliches Thema, die Troja-Sage, durch die Klammerelemente von l. 97-101 und l. 140-145 vorgegeben ist, aber ganz wie in der ‚Ilias’ manche Auflockerung erfährt. Betrachten wir nun aber neben den manifesten Hinweisen auf die Troja- Sage auch die Tiefendimension, die wir oben in Kap. 3.1 aus dem Gebrauch der homerischen Formeln eruieren konnten, so ergibt sich ein noch wesentlich reichhaltigeres Bild. Denn sieht man vom Vorspann in den l. 100- 101 ab, wo auf imaginäre Leichenspiele für Zeus hingedeutet ist, die mindestens in der Parallelversion bei Plutarch (Conv. sept. sap. 10, 153 f - 154 a) einen deutlichen Rückbezug zu den Leichenspielen für Patroklos zulassen, so scheint vor allem von Kampfpausen und gemeinschaftlichen Speisungen die Rede zu sein. Dies mag zwar als arge Reduktion der Troja-Sage erscheinen, doch ist in den l. 115-116 auch auf ein so zentrales Kampfgeschehen wie den Entscheidungskampf zwischen Achilleus und Hektor angespielt, und selbst bei den Schilderungen der Kampfpausen zeigt es sich bei näherem Hinsehen, dass damit doch einige Stationen des Trojanischen Kriegs evoziert sind. So weist im ersten Versblock von l. 107-110 das Syntagma βοῶν κρέα von l. 107, das nur in Il. 8,231 ( ἔσθοντες κρέα πολλὰ βοῶν ) ein Gegenstück aufweist, zurück auf die dort erwähnte Situation der zwischenzeitlichen Stationierung der Griechen auf Lemnos, die der Landung in der Troas und dem Beginn des eigentlichen Krieges also noch voranging 155 ; und der folgende Teil von καὐχένας ἵππων (l. 107) bis ἐπ᾿ ἀκτῆς δόρπον ἑλέσθαι (l. 110) ruft, wie oben gezeigt, die gespenstische At- 154 Beispielsweise mit dem Mythos von der Kalydonischen Jagd (Il. 9,529-599) und dem Mythos von Niobe (Il. 24,602-617). 155 Cf. die Diskussion der Stelle durch Kirk 1990, 318 (die in Il. 8,231 evozierte Zurücklassung des Philoktetes auf Lemnos ist erwähnt in Il. 2,721-723 und war ausführlich geschildert in den ‚Kyprien’ [Procl. Chr. p. 41 l. 50-51 Bern.]). Kapitel 3 70 mosphäre am Abend und in der Nacht nach dem zweiten Kampftag in den Büchern 8 bis 10 der ‚Ilias’ in Erinnerung. Im mittleren Block von l. 119-126 erfolgt dann ein rascher Perspektivenwechsel von einem Mahl der Griechen (l. 119-120) zu einem Mahl und einer Bestattungsfeier der Lykier (l. 121-123) und zum schließlichen Aufbruch der Griechen in die Schlacht (l. 124-126). Wieder ist der Bezug zur ‚Ilias’ eher indirekt, aber letztlich doch recht eindeutig: Die l. 119-120 mit ihrem Hinweis auf das Festmahl, das Agamemnon für seine Leute ausrichtet, erinnern vor allem an zwei Szenen der ‚Ilias’, an das Mahl, das Agamemnon den griechischen Fürsten am ersten Kampftag im Anschluss an die große Heeresversammlung gewährt (Il. 2,402-431), und an das Mahl in der Nacht nach dem zweiten Kampftag, zu dem Agamemnon wieder den engeren Kreis der Fürsten einlädt (Il. 9,89-91). Da im Vorfeld dieser letztgenannten Szene sogar davon die Rede ist, dass Agamemnon Wein herbeischaffen soll, den er aus Thrakien bekommen hat (Il. 9,68-73), rechtfertig sich damit auch die Bemerkung im ‚Certamen’ zur Mittellosigkeit der anderen Griechen ([Hesiod] οὐδὲν ἔχοντες / / [Homer] οἴκοθεν - „obwohl sie nichts hatten, von zu Hause her”). Die Bemerkungen zur Bestattung des Sarpedon in den l. 121-123 greifen die Darstellung in Il. 16,666-683 auf, wo es heißt, dass der im Kampf gefallene Sarpedon auf Befehl seines Vaters Zeus zwar zunächst von den beiden Zwillingsbrüdern Schlaf und Tod nach Lykien entrückt, dort dann aber von seinen Verwandten ordnungsgemäß bestattet worden sei. Die Schilderung schließlich, wie die Griechen in der Ebene des Simoeis sitzen und sich selber auffordern, nun in den Kampf zu ziehen (l. 124-125: ἡµεῖς δ᾿ ἂµ πεδίον Σιµοέντιον ἥµενοι οὕτως / / ἴοµεν ἐκ νηῶν ὁδόν ... - „wir aber, die wir so in der Ebene des Simoeis sitzen, wollen unseren Weg von den Schiffen weg gehen ...”), weist, wie bereits oben in Kap. 3.1 erläutert, auf eine Szene im zweiten Buch der ‚Ilias’ zurück, wo tatsächlich von einer Heeresversammlung bei den Schiffen sitzender Griechen die Rede ist (2,95 f.: τετρήχει δ᾿ ἀγορή, ὑπὸ δὲ στεναχίζετο γαῖα / / λαῶν ἱζόντων - „die Versammlung war in Aufruhr, darunter aber stöhnte die Erde, als das Kriegsvolk sich setzte”), die dann eine Fortführung im Fürstenrat findet, in welchem Nestor zuletzt die entscheidenden Worte von Il. 2,439 f. äußert. Bestätigt wird dieser Rückbezug der l. 124-125 auf die Versammlungsszene in der ‚Ilias’, wie er sich im Rätselwort Hesiods erkennen lässt 156 , durch die Auflösung Homers in l. 126, wo die einleitende Junktur φάσγανα κωπήεντα - „mit einem Griff versehene Schwerter” nur zu deutlich auf den einzigen Parallelbeleg für diese Kombination von Substantiv und Epitheton, der sich in den beiden homerischen Epen findet, hinweist (Il. 15,713). Denn an dieser Stelle ist eben davon die Rede, wie der 156 In der identischen Abfolge der Versanfänge ἡµεῖς δ᾿ und ἴοµεν in den l. 124-125, die denen von Il. 2,439 f. entsprechen. Dichterwettstreit 71 Kampf um das Schiffslager inzwischen seinen Höhepunkt erreicht hat, und die zu Boden fallenden Schwerter machen es sinnfällig, dass nun höchste Gefahr besteht 157 . Im letzten Block der l. 133-137 ist schließlich einmal mehr die Brillanz Homers zu bewundern, der zweimal die ominösen Bemerkungen Hesiods zur möglichen unglücklichen Heimkehr der Griechen kontern kann und sogar noch in l. 134 Hesiod zur Fortsetzung seiner Bemerkungen provoziert 158 . Doch schwingt hier dennoch einiges von der unglücklichen Rückfahrt vieler Griechen mit, von der nicht zuletzt der hier als Sprecher agierende Agamemnon betroffen war, und man gewinnt somit durchaus den Eindruck, dass in diesem Wortwechsel auf die Bemerkungen Nestors in Od. 3,130-198 zum Nachspiel des Trojanischen Kriegs hingedeutet werden soll und dass insbesondere mit l. 135 ( ἐσθίετ᾿ ὦ ξεῖνοι, καὶ πίνετε - „esst, oh Freunde, und trinkt”) nicht nur die Segenswünsche Kirkes zur glücklichen Heimkehr des Odysseus und seiner Gefährten in Od. 10,460-463 und 12,23-27 evoziert werden sollen 159 , sondern auch genau umgekehrt Nestors Äußerung zu den οἴνῳ βεβαρηότες υἷες Ἀχαιῶν („vom Wein beschwerte Söhne der Achaier”) in Od. 3,139, die damals vor den Ruinen des zerstörten Troja auf Geheiß des Agamemnon zur letzten Versammlung vor der Heimkehr zusammenkamen, aber trotz ihres Sieges zu keiner harmonischen Verständigung mehr fanden 160 und zu einem nicht geringen Teil in den Fluten des Meeres umkamen oder zu Hause eine höchst schwierige Situation vorfanden. Betrachtet man also den Wortwechsel zwischen Hesiod und Homer in ‚Certamen’, § 8-10 als einheitliche Geschichte, so ergibt sich dabei eine gebrochene Darstellung der Troja-Sage, die - im Prinzip der ‚Ilias’ nicht so unähnlich - neben der menschlichen eine zweite göttliche Ebene kennt, die immer wieder - ganz im Stile der homerischen Epen - Passagen direkter Rede in den Bericht des epischen Erzählers einfügt 161 , die einzelne gnomische Äußerungen aufweist 162 , die manchen mythologischen Exkurs zeigt, die aber bei all dem durchaus ihre Leitmotive besitzt und namentlich mit 157 Es scheint also gewissermaßen das ἀπ᾿ ὤµων (sc. φάσγανα ἔπεσον ) - „die Schwerter fielen von den Schultern” von Il. 15,714 das ἀµφ᾿ ὤµοισιν ἔχοντες (sc. φάσγανα ) - „die Schwerter um die Schultern tragend” von l. 125 des ‚Certamen’ weiterzuführen. 158 Zur Sprecherverteilung in den l. 133-137 cf. oben Anm. 70. 159 L. 135 greift, wie oben in Anm. 71 erläutert, mit der Aufnahme der Imperativformen ἐσθίετ᾿ und πίνετε vor allem auf den Formelvers von Od. 10,460 = 12,23 zurück, der Teil der (zweimaligen) Verabschiedung des Odysseus durch Kirke ist. 160 Die Episode war möglicherweise traditionell, da auch die ‚Nostoi’ von dieser Versammlung und vom dort ausgebrochenen Streit zwischen Agamemnon und Menelaos berichteten (Procl. Chr. p. 94 l. 3 Bern.). 161 ‚Certamen’, l. 124-126 und l. 135-137. 162 ‚Certamen’, l. 113-116 (zu den vereinzelten gnomischen Äußerungen in der ‚Ilias’ cf. oben Anm. 130). Kapitel 3 72 den Hinweisen auf die verschiedenen Mähler und Versammlungen vor Kriegsbeginn (sc. in Lemnos), während des Kriegsverlaufs und nach Kriegsende ein weites Panorama ausspannt. Zwar liegt hier keine durchgehende lineare Abfolge vor, weil beispielsweise die Hinweise auf den Abend und die Nacht nach dem zweiten Kampftag, also die Hinweise auf den Abschnitt der Bücher 8 bis 10 der ‚Ilias’, die in den l. 107-110 gegeben sind, den Hindeutungen auf die Heeresversammlung und den Fürstenrat im zweiten Buch der ‚Ilias’ in den l. 119-120 bzw. l. 124-126 vorangehen. Auch kommt es gelegentlich zu Kontaminationen wie beispielsweise in den l. 115-116, wo die Zweikämpfe von Odysseus und Achilleus mit Sokos bzw. Hektor übereinandergelegt sind, oder in den l. 119-120, wo die beiden Fürstenversammlungen bei Agamemnon im zweiten und im neunten Buch der ‚Ilias’ zu einer zusammengefasst sind, und es lassen sich auch Raffungen beobachten wie in den l. 124-126, wo nach unserer Analyse auf die markigen Worte Nestors (l. 124-125 ~ Il. 2,439 f.) sogleich der Schiffskampf (l. 126 ~ Il. 15,713) zu folgen scheint. Global gesehen, liegt aber doch eine geordnete Abfolge vor, und es verklammern insbesondere der anfängliche Hinweis auf die Landung in Lemnos, also auf eine Episode der ‚Kyprien’, in l. 107 und der abschließende Hinweis auf die Abfahrt der Griechen von Troja, also auf eine Episode der ‚Nostoi’, in den l. 133-137 das eigentliche Kerngeschehen mit dem Kampf um die Stadt. Geradezu atemberaubend wird es, wenn wir uns nun auch noch die diversen Hinweise auf die Handlung der ‚Odyssee’ anschauen, die in unsere Darstellung der Troja-Sage eingeflochten sind. Die methodische Richtschnur ist dabei einmal mehr die, dass die gehäufte Aufnahme singulärer oder sehr seltener homerischer Wendungen, die das ‚Certamen’ zeigt, kaum einen anderen Schluss zulässt als den, dass hier eben an die jeweilige homerische Passage erinnert werden soll. Somit spielen also die beiden Versatzstücke am Anfang von l. 107 ( δεῖπνον ἔπειθ᾿ εἵλοντο ) und am Ende von l. 110 ( δόρπον ἑλέσθαι ) offenbar auf die echte und die fiktive Heimkehr des Odysseus an 163 und die Formel φῦλα γιγάντων von l. 112 bringt noch einmal den Besuch des Odysseus bei den Phaiaken in Erinnerung 164 ; l. 108 deutet mit dem Versschluss κορέσθην auf den Aufenthalt des Menelaos bei Proteus und vor allem auf den des Odysseus bei Kirke hin 165 ; l. 119 ( ὡς οἳ µὲν δαίνυντο ) nimmt die Hochzeit von Menelaos’ Sohn Megapenthes auf 166 163 Der Beginn von l. 107 ist identisch mit dem von Od. 6,97, evoziert also das gemeinschaftliche Mahl von Nausikaa und den jungen Frauen aus ihrem Gefolge, welches der Begegnung mit Odysseus unmittelbar vorangeht; der Schluss von l. 110 evoziert, wie oben gezeigt, Od. 14,347 und somit eine entscheidende Station in den Irrfahrten des angeblichen Kreters. 164 Die Formel bildet den Abschluss einer längeren Rede des Alkinoos in Od. 7,206. 165 Durch die Anspielung auf das analoge Versende in Od. 4,541 bzw. 10,499. 166 Via den Versbeginn von Od. 4,15, der identisch ist mit dem von l. 119. Dichterwettstreit 73 und nimmt damit auch die Reise des Telemachos in den Büchern 3 und 4 der ‚Odyssee’ mit in unsere Erzählung hinein; die Figura etymologica von l. 121 ( δεῖπνον δειπνήσαντες ) und die singuläre Substantiv-Epitheton-Verbindung von l. 126 ( αἰγανέας δολιχαύλους ) evozieren den Aufenthalt des Odysseus beim Kyklopen Polyphem 167 ; die ebenfalls seltene Substantiv- Epitheton-Kombination von l. 128 ( ὠκύαλον ναῦν ) verweist auf eine Nebenhandlung der ‚Odyssee’, auf die Rückblende mit der Kindheitsgeschichte des Eumaios 168 ; die Kombination der beiden Imperative ἐσθίετε und πίνετε in l. 135 greift, wie nun mehrfach erwähnt, die Verwendung derselben Ausdrücke in den Segenswünschen der Kirke auf 169 ; und die diversen Äußerungen über eine mögliche leidvolle oder leidlose Heimkehr in den l. 135-137 schlagen sowieso das Grundthema der ‚Odyssee’ an 170 . Der Verfasser des ‚Certamen’ schafft es also, aus einem Dialog zwischen Hesiod und Homer eine Gesamtdarstellung der Troja-Sage zu machen, die sinnigerweise mit einem Musenanruf beginnt (l. 97-98) und mit einer Berechnung der Gesamtzahl der griechischen Kriegsteilnehmer endet (l. 143- 145), und wie wenn das noch nicht genug wäre, verknüpft er diese Darstellung mit den wichtigsten Abenteuerstationen des ‚Odysseus’. Der Mittelteil des ‚Certamen’ in den § 8-10 ist also nichts Geringeres als ein Gesamtkunstwerk, das ‚Ilias’ und ‚Odyssee’ in eins zusammenzieht, und da der Wortwechsel der beiden Dichter natürlich auch seine burleske Seite hat, kann man kaum mehr zu einem anderen Schluss gelangen als zu dem, dass hier eine brillante Homer-Parodie vorliegt. 167 Cf. Od. 9,311 f. bzw. 9,156. 168 Cf. die Verwendung derselben Junktur in Od. 15,473 bzw. die Erläuterungen oben in Kap. 3.1. 169 Od. 10,460 = 12,23. 170 Cf. die Erläuterungen oben in Kap. 3.1, insbesondere Anm. 71. Kapitel 3 74 3.4 Die Frage nach der Entstehungszeit und dem Entstehungsort des ‚Certamen’, die Frage nach dem Verhältnis zwischen dem ‚Certamen’ und der ‚Vita Herodotea’ und diejenige nach der Person seines Verfassers Der Dichter Choirilos von Samos soll in der zweiten Hälfte des fünften Jahrhunderts den Stoßseufzer von sich gegeben haben, dass die traditionellen epischen Themen inzwischen erschöpft seien und einem ambitionierten Dichter keinen Raum mehr ließen für eigene kreative Gestaltung (Frg. 2 Bern.: ἆ µάκαρ, ὅστις ἔην κεῖνον χρόνον ἴδρις ἀοιδῆς, / / Μουσάων θεράπων, ὅτ᾿ ἀκήρατος ἦν ἔτι λειµών· / / νῦν δ᾿ ὅτε πάντα δέδασται, ἔχουσι δὲ πείρατα τέχναι, / / ὕστατοι ὥστε δρόµου καταλειπόµεθ᾿, οὐδέ πῃ ἔστι / / πάντῃ παπταίνοντα νεοζυγὲς ἅρµα πελάσσαι. - „Glücklich, wer zu jener Zeit des Sanges kundig war, ein Diener der Musen, als die Wiese noch ungemäht war. Jetzt aber, wo alles verteilt ist und die Künste ihre Grenzen erreicht haben, bleiben wir gleichsam als letzte im Lauf zurück, und selbst wenn einer in alle Richtungen ausschaut, kann er doch nirgendwohin einen neu angeschirrten Wagen lenken.”). Choirilos zog daraus die Konsequenz, sich dem zeitgeschichtlichen Thema der Perserkriege zuzuwenden, und begründete damit die Gattung des historischen Epos (Frg. 1 Bern.: Ἥγεό µοι λόγον ἄλλον, ὅπως Ἀσίης ἀπὸ γαίης / / ἦλθεν ἐς Εὐρώπην πόλεµος µέγας. - „Leite mich an in einer anderen Erzählung, wie aus den Gefilden Asiens ein großer Krieg nach Europa gelangte.”). In der Tat war die epische Darstellung des traditionellen Heldenmythos in spätarchaischer Zeit an ein Ende gelangt. Die Darstellung des Trojanischen Kriegs, aber auch die der anderen überregionalen Mythenzyklen wurde daher seit dem sechsten Jahrhundert mehr und mehr zur Domäne der Lyrik, und seit dem fünften Jahrhundert wurden die großen Mythen zum unerschöpflichen Reservoir der Tragödie für stets neue Gestaltungen. Dabei kam es aber insbesondere im Falle der Troja-Sage immer zu nur sehr punktuellen Behandlungen des Mythos, und eine Gesamtdarstellung der Sage war praktisch ausgeschlossen, wie denn auch Antimachos von Kolophon an der Schwelle vom fünften zum vierten Jahrhundert zwar als Homer-Kritiker tätig war, aber in seiner eigenen Dichtung keine Gesamtbehandlung der homerischen Stoffe versuchte, sondern sich in seinem elegischen Gedicht der ‚Lyde’ lediglich der homerischen Binnenerzählung von Meleagros und Kleopatra bzw. Idas und Marpessa zuwandte 171 und (wahrscheinlich) eine Nebenepisode darstellte wie die von der Heimkehr 171 Antimachos von Kolophon, Frg. 88-89 Matthews (nach Hom. Il. 9,529-599). Dichterwettstreit 75 des Diomedes 172 . Das Unbehagen gegenüber einer epischen Behandlung der Troja-Sage, das Choirilos zum Ausdruck bringt, entsprach somit einer allgemeinen Zeitstimmung. Wollte ein epischer Dichter dieser Jahre also dennoch eine gesamthafte Behandlung des Trojanischen Kriegs unternehmen, musste er sich eine neue Form der Präsentation einfallen lassen, konnte aber auch so den Mythos nur noch in gebrochener Form darstellen. Genau dies geschah nach unserer Analyse im Zentralteil des ‚Certamen Homeri et Hesiodi’. Wir haben es also zweifellos mit einem ambitionierten literarischen Text zu tun, und dann stellt sich natürlich sofort die Frage, wo und wann dieser Text entstanden ist und wer als sein Verfasser in Frage kommt. 3.4.1 Die Frage nach der Entstehungszeit und dem Entstehungsort des ‚Certamen’ Die besondere Eigenart des ‚Certamen’, die wir in den vorangegangenen Abschnitten herausgearbeitet haben, also sein ambitionierter literarischer Charakter und seine Demonstration rhetorischer Brillanz in der Wechselrede zwischen Hesiod und Homer, würde ohne weiteres zusammenstimmen mit der These von der Erfindung des ‚Certamen’ durch Alkidamas, der zu Beginn des vierten Jahrhunderts schrieb und in seinem Traktat Περὶ τῶν τοὺς γραπτοὺς λόγους γραφόντων ἢ περὶ σοφιστῶν („Über diejenigen, die schriftliche Reden verfassen, oder über die Sophisten”) diese Technik der Improvisation gegen die Sichtweise eines Isokrates verteidigte, welcher der ausgearbeiteten Rede den Vorzug gab. Gegen diese These spricht aber nach wie vor die Verwendung des Sinnspruchs von den Pferdenacken in Aristophanes, Pax 1282 f., und wie wir gesehen haben, begann das Unbehagen gegenüber naiver epischer Behandlung eines traditionellen Mythos auch schon einige Zeit vor Alkidamas und Antimachos. Terminus ante quem für die Entstehung unserer Version des ‚Certamen’ ist somit das Jahr 421, als der ‚Frieden’ aufgeführt wurde, und wahrscheinlichste Entstehungszeit ist daher das dritte Viertel des fünften Jahrhunderts bzw. die Jahre unmittelbar vor 421 173 . Höher hinaufzugehen, empfiehlt sich wahrscheinlich nicht. Dies liegt weniger an der intensiven Homer-Rezeption dieses Dichtwerks, denn anspielungsreiche epische Dichtung gab es auch schon im sechsten Jahrhundert 174 . Eher ausschlaggebend sind bestimmte sprachliche Wen- 172 Frg. 90 Matthews. 173 Für eine weitere Einengung der wahrscheinlichen Entstehungszeit des ‚Certamen’ auf den Zeitraum von 425 bis 421 v. Chr. cf. unten Kap. 3.4.3. 174 So etwa im siebten Homerischen Hymnos, demjenigen an Dionysos, der wohl aus der Mitte des sechsten Jahrhunderts stammt, in raffinierter Form mehrere traditionelle Entführungsgeschichten in eine neuerfundene Erzählung von der Entführung Kapitel 3 76 dungen, die in diese Zeit weisen, wie der Gebrauch von σπείρω bzw. σπείροµαι für die Erzeugung von Kindern in l. 116 oder die auffällige Verwendung des Dativus iudicantis in l. 110 175 . Entscheidend aber sein dürfte zum einen, dass die spezifische Form des ‚Certamen’, die uns vorliegt, eine längere Entwicklung voraussetzt und insbesondere auf der Version aufbaut, die uns aus Plutarch bekannt ist, und zum anderen, dass Aristophanes zumindest bei den kundigeren seiner Rezipienten darauf rechnen konnte, dass sie die Anspielung auf das Motiv des Dichterwettkampfs in Pax 1282 f. durchschauen würden, also sich offenbar auf ein Dichtwerk bezog, das noch in frischer Erinnerung war. Überhaupt scheint diese Cento-nahe Dichtungstechnik, wie wir sie in den l. 97-145 des ‚Certamen’ beobachten können, einer verbreiteten Technik des fünften Jahrhunderts zu entsprechen, wie eben wieder Aristophanes mit seinen verschiedenen ‚homerischen’ Einlagen im ‚Frieden’ zeigt 176 . Wenn wir zudem die beiden Flügel unseres Triptychons, also die Paragraphen 7 und 11 des ‚Certamen’, als Teil der originalen Konzeption betrachten, so ergeben sich weitere Anhaltspunkte für diese Datierung: So entspricht die wiederholte gegenseitige Adressierung der beiden Dichter als ‚Sohn des Meles’ bzw. ‚Sohn des Dios’ 177 der Genealogie, die zum damaligen Zeitpunkt geläufig war und aus den beiden hauptsächlichen Repräsentanten der griechischen Dichtkunst Cousins machte 178 , wenn auch die seriöseren Quellen als biologischen Vater Homers Maion nannten 179 und nur die etwas phantasiereicheren und späteren den Dichter geradezu als Sohn des Flusses Meles bezeichneten 180 . Erhellend dürfte aber auch die des Dionysos überführt und beispielsweise in V. 28 den Vers von Od. 17,448 zitiert; cf. Grossardt 1998, 254-281. 175 Cf. oben die Analysen in Anm. 83 bzw. 36. 176 Aristoph. Pax 1090-1093, 1097 f. und 1270-1287. 177 ‚Certamen’ § 7, V p. 228 l. 75 und § 11, V p. 231 l. 151 bzw. l. 156 Allen (= p. 37,5; 39,24 und 39,29 von Wilamowitz-Moellendorff). 178 Cf. Kirchhoff 1892, 884 f., der allerdings von der Annahme ausging, dass das ‚Certamen’ Erfindung des Alkidamas war. 179 Pherekydes von Athen, FGrHist 3 F 167 (= Frg. 167 Fowler); Stesimbrotos von Thasos, FGrHist 107 F 22 (= ‚Vita Romana’ § 2 [V p. 251 l. 15-16 Allen = p. 30,31 - 31,1 von Wilamowitz-Moellendorff] bzw. § 3 [p. 251 l. 25-27 Allen = p. 31,10-11 von W.-M.]); Hellanikos von Lesbos, FGrHist 4 F 5b (= Frg. 5b Fowler); Ephoros von Kyme, FGrHist 70 F 1; Kleanthes, SVF I 592; Procl. Chr. Vit. Hom. § 3 (V p. 99,14-15 Allen = p. 26,8-10 von W.-M. = p. 68 l. 13-14 Severyns). 180 Euagon von Samos, FGrHist 535 F 2 (= Frg. 2 Fowler [= ‚Certamen’ § 3, V p. 226 l. 20- 21 Allen = p. 35,14 von Wilamowitz-Moellendorff]); Kritias von Athen, 88 B 50 D.-K. (= Philostr. VS Dedicatio); ‚Certamen’ § 2 (V p. 226 l. 8-10 Allen = p. 35,2-4 von W.- M.); ‚Vita 4’ § 1 (V p. 245 l. 2-3 Allen = p. 28,10-11 von W.-M.); ‚Vita 5’ § 1 (V p. 247 l. 1-2 Allen = p. 29,4-5 von W.-M.); ‚Vita Romana’ § 3 (V p. 251 l. 28-31 Allen = p. 31,12-14 von W.-M.); Anth. Pal. 7,5,3-4 und 16,292,1 (= Ps.-Plut. Vit. Hom. 1,4,5); Luc. Dem. Enc. 9; Philostr. Im. 2,8. Dichterwettstreit 77 Reaktion Homers auf die paradoxe Frage Hesiods sein, was für die Menschen (gleichzeitig) das größte Glück und das schlimmste Übel sei ( λέξον µέτρῳ ἐναρµόζων ὅ τι δὴ θνητοῖσι / / κάλλιστόν τε καὶ ἔχθιστον· ποθέω γὰρ ἀκοῦσαι. - „Sage mir, dem Versmaß angepasst, was für die Menschen das Schönste und das Schlimmste ist. Dies möchte ich nämlich hören.” 181 ). Denn Homer antwortet hier mit einem Gedanken ( κάλλιστον µὲν τῶν ἀγαθῶν ἔσται µέτρον εἶναι / / αὐτὸν ἑαυτῷ, τῶν δὲ κακῶν ἔχθιστον ἁπάντων. - „Für sich selber das Maß zu sein, wird das beste aller Güter sein und hinwiederum das schlimmste aller Übel.” 182 ), der einige lexikalische und gedankliche Nähe aufweist zum Homo-Mensura-Satz des Protagoras (80 B 1 D.-K.: πάντων χρηµάτων µέτρον ἐστὶν ἄνθρωπος, τῶν µὲν ὄντων ὡς ἔστιν, τῶν δὲ οὐκ ὄντων ὡς οὐκ ἔστιν. - „Der Mensch ist das Maß aller Dinge, zum einen der seienden, dass sie sind, und zum anderen der nicht seienden, dass sie nicht sind.”) 183 , also möglicherweise sogar direkt auf ihn anspielt 184 , und dies zu kombinieren scheint mit dem Gedanken aus dem ersten Stasimon der ‚Antigone’ des Sophokles zu den besonderen Fähigkeiten des menschlichen Geistes im Guten wie im Bösen (Ant. 332-383, bes. 365-367: σοφόν τι τὸ µηχανόεν / / τέχνας ὑπὲρ ἐλπίδ᾿ ἔχων / / τοτὲ µὲν κακόν, ἄλλοτ᾿ ἐπ᾿ ἐσθλὸν ἕρπει. - „Die Findigkeit der Kunst über die Erwartung hinaus als etwas Kluges innehabend, wendet er sich bald dem Schlechten zu und bald dem Edlen.”). Da die ‚Antigone’ wahrscheinlich im Jahre 442 v. Chr. aufgeführt wurde 185 , würde also auch dies zum oben eruierten Zeitraum von ca. 450 bis 421 passen, und selbst wenn wir nicht von einer direkten Anspielung auf Protagoras und Sophokles ausgehen wollen, so 181 ‚Certamen’ § 11, V p. 231 l. 153-154 Allen = p. 39,26-27 von Wilamowitz-Moellendorff ( µέτρῳ Barnes: µέτρον cod.). Dass nicht nach zwei unterschiedlichen Dingen gefragt wird (wie West 2003, 335 anzunehmen scheint), sondern nur nach einer Sache, die gleichzeitig das größte Glück und das schlimmste Übel ist (von Wilamowitz-Moellendorff 1916b, 403 Anm. 1: „zugleich”), ergibt sich aus dem Rätselcharakter der Verse, weil sonst die Antwort sehr einfach wäre und beliebige Dinge mit dem größten Glück bzw. schlimmsten Übel gleichsetzen könnte. 182 ‚Certamen’ § 11, V p. 231 l. 158-159 Allen = p. 39,31-32 von Wilamowitz-Moellendorff; die hier gegebene Interpretation der zitierten Zeilen entspricht den Übersetzungen von Schadewaldt 1942, 41 bzw. 1959, 31 und Gigante 1996, 115; abweichend Evelyn-White 1936, 581, Avezzù 1982, 45, West 2003, 335 („The finest thing is to be the measure of good for oneself, and the worst of all, to be so of evil.”), Lambin 2011, 114 und Baier 2013, 159, wo jeweils die Genitive τῶν ἀγαθῶν und τῶν κακῶν nicht von κάλλιστον bzw. ἔχθιστον abhängig gemacht sind, sondern in weniger plausibler Weise von µέτρον (cf. die letzte Anmerkung). 183 Wie bereits festgehalten bei von Wilamowitz-Moellendorff 1916b, 403 Anm. 1. 184 Dafür spricht, dass der Homo-Mensura-Satz der Anfangssatz der Καταβάλλοντες λόγοι („Niederringende Reden”) war und damit wie die Äußerung Homers im ‚Certamen’ programmatisch am Anfang einer neuen (populärphilosophischen) Sektion stand. 185 So Lesky 1971, 316. Kapitel 3 78 zeigen diese gedanklichen Parallelen doch zumindest, dass der Verfasser des ‚Certamen’ mit der intellektuellen Welt dieses Zeitraums gut vertraut war. Wenn wir uns nun der Frage nach dem Entstehungsort zuwenden, so sprechen einige Argumente für Athen 186 . Dazu zählen die soeben genannten Parallelen zu Protagoras und Sophokles ebenso wie die rasche Rezeption durch Aristophanes und Alkidamas 187 . Ein weiteres Argument lässt sich aber vielleicht durch die oben dargestellte spezifische Form der Homer-Rezeption gewinnen. Denn für ‚homerisch’ galten dem Verfasser des ‚Certamen’ nicht nur der ‚Margites’ und die beiden thebanischen Epen ‚Thebais’ und ‚Epigonoi’ sowie ‚Ilias’ und ‚Odyssee’ 188 , sondern auch die Homerischen Hymnen 189 wie insbesondere der im Schlussteil des Traktats namentlich genannte Apollon-Hymnos 190 . Dieselbe Vertrautheit mit den Hymnen zeigt sich jedoch in der Wettkampfszene selbst, so besonders deutlich in der humoristischen Aufnahme der üblichen Schlussformel der Hymnen in l. 98 und vielleicht auch in der unmittelbaren Fortsetzung in l. 100, wo das Adynaton zum Grab des Zeus mit den genau gleichen Worten eingeleitet wird wie im Hymnos an Aphrodite das Adynaton zur Verführung der Artemis zur Liebe 191 . Solch genaue Kenntnis der Homerischen Hymnen ist am besten in einem der literarischen Zentren wie Athen denkbar, und besonders auffällig ist, dass sich in den lediglich vierzig Versen, die der Mittelteil des ‚Certamen’ umfasst, doch gleich zwei Passagen finden, die sich als Rückbezug auf den Homerischen Hymnos an Demeter verstehen lassen, so l. 110 mit dem Hinweis auf die Seeräuber und auf deren Gewohnheit, abends an Land zu gehen und dort das Essen einzunehmen, was sich unter anderem als Anspielung auf die Trugredenmotive in h. Cer. 123-132 lesen lässt, und l. 131, wo die eher seltene Formel οἶδµα θαλάσσης aus h. Cer. 14 übernommen scheint. Wenn dieser Zusammenhang korrekt so hergestellt wurde, so wäre das ein nicht unbedeutendes 186 Cf. auch die am Schluss dieses Kapitels folgende Diskussion zur demokratischen Gestalt des Epigramms von ‚Certamen’ § 16, was sich in der Tat am besten mit einer Entstehung der Schrift in Athen erklären lässt, zumal Homer das Epigramm nach dieser Erzählversion eben in Athen vorträgt. 187 Auch die Geschichte vom Tod Hesiods (‚Certamen’ § 13-14) war in Athen zumindest nicht unbekannt (Thuc. 3,96,1). 188 Als Werke der Jugend bzw. der Reifezeit erwähnt in ‚Certamen’ § 5 (V p. 227 l. 55 Allen = p. 36,17-18 von Wilamowitz-Moellendorff) bzw. § 15 (p. 235 l. 254-260 Allen = p. 42,29 - 43,1 von W.-M.) und § 16 (p. 236 l. 275-276 Allen = p. 43,16-17 von W.- M.). 189 Cf. auch Ps.-Hdt. Vit. Hom. 9, wo die Hymnen als Frühwerke des Dichters bezeichnet sind. 190 ‚Certamen’ § 18 (V p. 237 l. 316-318 Allen = p. 44,22-24 von Wilamowitz-Moellendorff). 191 Hom. h. Ven. 16; cf. die Diskussion oben in Abschnitt 3.2. Dichterwettstreit 79 Argument für attische Herkunft des ‚Certamen’, weil der Homerische Hymnos an Demeter seinerseits höchstwahrscheinlich aus einem attischen Milieu stammt 192 , aber vor der hellenistischen Zeit nur relativ wenig Verbreitung fand und eben in Athen noch am ehesten bekannt gewesen sein dürfte 193 . Stellen wir uns somit auf dieser Basis die Frage, welcher Autor im fraglichen Zeitraum das ‚Certamen’ in Athen verfasst haben könnte oder wenigstens dort die notwendige Information einholte, um das Werk dann nach seiner Heimkehr nach seinen Vorstellungen formen zu können, so kommen im Prinzip Vertreter zweier Berufsgruppen in Frage, nämlich Rhapsoden und Sophisten. Die Dienste wandernder Rhapsoden waren in Athen vor allem an den Großen Panathenäen gefragt, als die homerischen Epen jeweils zur Gänze vorgetragen wurden, aber auch Wettkämpfe unter den Rhapsoden stattfanden 194 . Die Sophisten dagegen hielten sich vor allem anlässlich von Gesandtschaften ihrer Heimatstädte in Athen auf oder blieben längere Zeit dort, um als Lehrer tätig zu sein. Keine dieser beiden Berufsgruppen lässt sich somit völlig ausschließen 195 . Der spielerische Charakter des ‚Certamen’ und der experimentelle bis frivole Umgang mit der poetischen Tradition deuten aber doch eher auf einen Vertreter der sophistischen Zunft hin. Ein starkes Argument für einen Autor aus diesem Berufskreis ist nun eine Passage aus dem ‚Certamen’, die überhaupt auch ein wichtiges Argument für die Entstehung des Traktats in Athen ist, nämlich Kapitel 16, wo Homer, nachdem er die ‚Ilias’ und die ‚Odyssee’ verfasst hat, sich nach Athen begibt, dort auf König Medon trifft und - weil in der Stadt gerade sehr kalte Temperaturen herrschen - ein improvisiertes Gedicht vorträgt, in welchem er Athen und seine demokratischen Institutionen lobt und zuletzt den Stadtvätern ein Kompliment für das im Rathaus entfachte Feuer ausspricht (‚Certamen’ § 16, V p. 236 l. 278-280 Allen = p. 43,19-20 von Wilamowitz-Moellendorff: ἐν δὲ τῷ βουλευτηρίῳ ψύχους ὄντος καὶ πυρὸς καιοµένου σχεδιάσαι λέγεται τούσδε τοὺς στίχους. - „Als es kalt war und im Versammlungshaus ein Feuer brannte, soll er folgende Verse improvisiert haben.”) 196 . 192 Zur wahrscheinlichen attischen Herkunft des Hymnos cf. Richardson 1974, 5-30 und 52-56. 193 Zu möglichen Spuren der Rezeption des Hymnos im fünften Jahrhundert cf. Richardson 1974, 69 und Faulkner 2011, 197-200. 194 Vortrag der homerischen Epen: Plat. Hipparch. 228 b 6 c 1, Lycurg. Leocr. 102 und Diog. Laert. 1,57; Wettkämpfe unter den Rhapsoden: Plat. Ion 530 b 2-3. 195 Auf eine mögliche Herkunft des ‚Certamen’ aus dem Kreis der Rhapsoden weist daher Graziosi 2001, 69. 196 Ich sehe keinen Grund, Homers Aufenthalt in Athen zusammen mit den anderen Reisestationen aus den Kapiteln 16 bis 18 des ‚Certamen’ als fremden Zusatz auszusondern (so West 1967, 446-449). Das ‚Certamen’ ist deutlich als Abfolge von mehreren Reisestationen Homers konzipiert (Delphi, Chalkis, Delphi, Athen, Korinth, Kapitel 3 80 An dieser Geschichte ist verschiedenes bemerkenswert. So scheint sie beinahe funktionslos, weil der Aufenthalt in Athen nicht weiter geschildert wird und Homer sich sofort nach seinem Auftritt im Rathaus nach Korinth zu begeben scheint. Im weiteren fällt auf, dass die sonstigen Homer-Viten keinen solchen Besuch in Athen kennen und nur eine apokryphe Tradition, die mit Herakleides Pontikos (4. Jh. v. Chr.) beginnt, von einem solchen Besuch zu berichten weiß, der aber keineswegs so freundlich verläuft wie der Besuch im ‚Certamen’, sondern zu einer Verurteilung des Dichters wegen Wahnsinns und Asebie führt 197 . Dennoch lässt der Aufenthalt in Athen sich in gewisser Weise als Fortsetzung von Homers konventioneller Lebensgeschichte verstehen, weil die ‚Vita Herodotea’ zum einen von einer ganz ähnlichen Szene auf Samos berichtet, wo der Dichter im Haus einer lokalen Phratrie (fast) dasselbe Epigramm vorträgt (Vit. Hom. 31), und weil zum anderen Homer in derselben Vita etwas später den Wunsch äußert, von Samos aus nach Athen zu fahren, und nur durch einen Sturm, der ihn nach Ios verschlägt, an der Realisierung dieses Plans gehindert wird (Vit. Hom. 34) 198 . Schließlich gibt es doch einen signifikanten Unterschied im jeweiligen Epigramm, weil Homer in Samos - ganz traditionell - die Würdenträger der Polis lobt (‚Vita Herodotea’ § 31, V p. 211 l. 427-428 Allen = p. 17,9-10 von Wilamowitz-Moellendorff: ἀτὰρ γεραροὶ βασιλῆες / / ἥµενοι εἰν ἀγορῇ κόσµος τ᾿ ἄλλοισιν [ λαοῖσιν Ruhnken] ὁρᾶσθαι - „aber ehrwürdige Könige, die auf dem Marktplatz sitzen, sind für die anderen eine Zierde zu sehen”), während er in Athen - sehr demokratisch - die Bedeutung des einfachen Volkes hervorhebt (‚Certamen’ § 16, V p. 236 l. 283 Allen = p. 43,23 von W.-M.: λαὸς δ᾿ εἰν ἀγορῇσι καθήµενος [sc. κόσµος ] εἰσοράασθαι - „das Volk jedoch, das auf dem Marktplatz sitzt, ist eine Zierde zu sehen”). Dies wäre für sich genommen vielleicht noch nicht sehr auffällig. Doch hält man sich vor Augen, dass das Motiv von Homers Besuch im Rathaus von Athen in der sonstigen griechischen Tradition keine Parallele findet, also entweder gänzlich frei erfunden ist oder eine willkürliche Abwandlung der bei Herakleides Pontikos verzeichneten Tradition darstellt, und dass der Aspekt der Improvisation ( σχεδιάσαι λέγεται ) dabei so stark hervorgehoben ist, so kann man sich schon an die Auftritte der großen Sophisten in Argos, Delos, Ios), und Vogt 1959, 215 weist gut darauf hin, dass die Vorführung von Homers Improvisationskunst in Athen genau der sonstigen Hervorhebung dieser Fertigkeit im ‚Certamen’ entspricht. 197 Herakleides Pontikos, Frg. 169 Wehrli 2 (= Diog. Laert. 2,43); Dares Phrygius, Prologus (= angeblicher Brief des Cornelius Nepos an Sallust); wohl ebenfalls in dieser Motivtradition stehend Dion Chrysostomos 47,5 und Martial 5,10,8. 198 Dieses Muster der versuchten Fahrt zum griechischen Festland, des Sturms, der (unfreiwilligen) Landung auf Ios und des bald folgenden Tods war offensichtlich ohnehin traditionell; cf. die Schilderung bei Ps.-Plut. Vit. Hom. 1,4,3 (= Arist. Frg. 76 Rose), wo Homer nach Theben segelt, um als Rhapsode an den dortigen Kronia teilzunehmen, aber unterwegs in Ios landet und dort den bekannten Tod erleidet. Dichterwettstreit 81 Athen erinnert fühlen und die Szene als Spiegelung ihrer eigenen Tätigkeit verstehen. Eine entsprechende Passage gibt es jedenfalls auch in der ‚Vita Herodotea’, in welcher Homer ohnehin ganz generell nicht nur für seine ausgearbeiteten längeren Dichtungen Lob erhält, sondern eben im Vortrag der Epigramme auch immer wieder seine Improvisationskunst unter Beweis stellt 199 . In einer eigentlichen Schlüsselszene am Anfang von Homers Wanderleben als blinder Dichter wird dies vom Verfasser der ‚Vita’ in fast schon programmatischer Weise verdeutlicht, als der Dichter in Neon Teichos, einer Kolonie der Stadt Kyme, in der Werkstatt des Tychios dem Schuster und dessen Freunden nicht nur seine ausgearbeiteten Werke wie den Zug des Amphiaraos nach Theben und die Götterhymnen vorträgt (‚Vita Herodotea’ § 9: τήν τε ποίησιν αὐτοῖς ἐπεδείκνυτο - „er trug ihnen seine Dichtung vor” 200 ), sondern auch in improvisierender Weise auf die Einwürfe der Umstehenden reagiert ( καὶ περὶ τῶν λεγοµένων ὑπὸ τῶν παρεόντων ἐς τὸ µέσον γνώµας ἀποφαινόµενος θωύµατος ἄξιος ἐφαίνετο εἶναι τοῖς ἀκούουσι - „und als er in Bezug auf das, was von den anderen Anwesenden in die Runde hinein gesagt wurde, treffliche Aussprüche vorbrachte, schien er den Hörern der Bewunderung würdig zu sein” 201 ). Diese γνῶµαι hat man sich im Falle Homers sicherlich in Versgestalt zu denken. Doch sind es eben keine fixierten Sinnsprüche (denn sonst wäre die Bewunderung der Hörer kaum so groß gewesen), sondern aus dem Augen- 199 Zur Betonung des mündlichen Charakters von Dichtung im ‚Certamen’ und in der ‚Vita Herodotea’ cf. auch allgemein Vitali 1990 und Nagy 2004 (bes. S. 44 und 47-56) bzw. Nagy 2015, 69-74, die diese beiden Traktate damit von den übrigen Homer- Viten abgrenzen, die stärker den schriftlichen Charakter von Homers Schaffen hervorheben. 200 Man beachte den technischen Ausdruck ἐπιδείκνυµαι für den Vortrag fixierter Textpartien, wie er beispielsweise in den unten zitierten Äußerungen über Gorgias (Plat. Grg. 447 a 5-6: ἐπεδείξατο ) und Hippias (Plat. Hp. Mi. 363 c 1-3: ἐπιδέδεικται ) wiederkehrt. 201 Es ist nicht völlig klar, ob das Syntagma ἐς τὸ µέσον noch zum vorhergehenden Ausdruck περὶ τῶν λεγοµένων ὑπὸ τῶν παρεόντων gehört (Schadewaldt 1942, 14 bzw. 1959, 11: „zu allem, was man miteinander sprach”) oder zum folgenden Ausdruck γνώµας ἀποφαινόµενος (Nagy 2010, 49: „by commenting in public”; ähnlich West 2003, 363, dem Problem ausweichend dagegen Gigante 1996, 83, Lambin 2011, 95 und Baier 2013, 37). Doch zeigt die Parallele von Cert. § 6 (V p. 228 l. 72-74 Allen = p. 37,2-4 von Wilamowitz-Moellendorff: προελθόντα γὰρ εἰς τὸ µέσον πυνθάνεσθαι [sc. τὸν Ἡσίοδον ] τοῦ Ὁµήρου καθ᾿ ἓν ἕκαστον, τὸν δὲ Ὅµηρον ἀποκρίνασθαι - „Hesiod sei nach vorne getreten und habe Homer eine Frage nach der anderen gestellt; Homer aber habe geantwortet”), dass wahrscheinlich die erste Interpretation die richtige ist. Die Wendung ἐς τὸ µέσον verdeutlicht somit, dass Homer auch in dieser Episode von Neon Teichos von seinen Dialogpartnern, die gleichsam ihren Hut in den Ring werfen, herausgefordert wird und nun zeigen muss, dass er dieser Herausforderung gewachsen ist, ganz so wie es auch die Improvisationskünstler im klassischen Athen tun. Kapitel 3 82 blick geborene, erst durch die Interaktion mit dem Publikum entstandene Miniaturen. Somit kann auch diese Szene eigentlich nur eine versteckte Anspielung eines Sophisten auf seine eigene Kunst der Improvisation darstellen, und wir gelangen daher zur Schlussfolgerung, dass sowohl das ‚Certamen’ wie auch die ‚Vita Herodotea’ aus der Feder eines Sophisten stammen dürfte. Möchte man nun bestimmen, wer für die beiden Werke in Frage kommt, so muss sich die weitere Untersuchung an den bereits genannten Kriterien orientieren. Gesucht wird also insbesondere im Falle des ‚Certamen’ ein Sophist, der sich im fraglichen Zeitraum von ca. 450-421 in Athen aufhielt und dort den öffentlichen Auftritt suchte und die Kunst der Improvisation vorführte und der sich mit den demokratischen Institutionen Athens zu arrangieren wusste, aber auch erhebliches Interesse für die Dichter Homer und Hesiod bzw. überhaupt für den mythologischen Stoff des Trojanischen Kriegs aufbrachte. Für die ‚Vita Herodotea’ sind die Kriterien nicht ganz so streng, aber da das Werk dieselben sophistischen Eigentümlichkeiten aufweist wie das ‚Certamen’, dürfte auch hier an einen Autor aus demselben Personenkreis zu denken sein 202 . Geht man also nach den genannten Kriterien vor, so liegt die größte Wahrscheinlichkeit sicherlich bei Gorgias von Leontinoi und Hippias von Elis. Denn Gorgias, der um 480 v. Chr. in Sizilien geboren wurde, gelangte im Jahre 427 als Anführer einer Gesandtschaft seiner Heimatstadt nach Athen 203 , dürfte sich aber auch danach noch mindestens einmal in der Stadt aufgehalten haben 204 . In Athen hielt er vorgefertigte Prunkreden 205 - darunter einen ‚Epitaphios’ für die im Krieg gefallenen Athener 206 - und erwarb sich generell einen herausragenden Ruf für seine Redekunst und seine Argumentationstechnik 207 . Ganz besonderes Aufsehen erregte er allerdings 202 Die Nähe zwischen den beiden Texten wurde ohnehin oft empfunden; cf. beispielsweise West 2003, 304 und Hägg 2012, 141 f. 203 Thuc. 3,86,3; Diod. Sic. 12,53. 204 Plat. Men. 71 c 5 d 1. 205 Plat. Gorg. 447 a 5-6 ( πολλὰ γὰρ καὶ καλὰ Γοργίας ἡµῖν ὀλίγον πρότερον ἐπεδείξατο - „denn viel Schönes hat Gorgias uns vor kurzem vorgetragen”). 206 Gorg. 82 B 6 D.-K., historisch eingeordnet von Philostr. VS 1,9,2 (= Gorg. 82 A 1 D.- K.). 207 Gorg. 82 A 4 D.-K. (= Diod. Sic. 12,53,3: οὗτος οὖν καταντήσας εἰς τὰς Ἀθήνας καὶ παραχθεὶς εἰς τὸν δῆµον διελέχθη τοῖς Ἀθηναίοις περὶ τῆς συµµαχίας καὶ τῷ ξενίζοντι τῆς λέξεως ἐξέπληξε τοὺς Ἀθηναίους ὄντας εὐφυεῖς καὶ φιλολόγους. - „Als dieser nun nach Athen gelangt war und vor das Volk geführt wurde, sprach er zu den Athenern über das Bündnis [sc. das geplante militärische Bündnis zwischen Athen und Leontinoi] und durch die beeindruckende Form seiner Redeweise frappierte er die Athener, die begabt und sprachlich interessiert waren.”); 82 A 1 D.-K. (= Philostr. VS 1,9,1: διαλεχθεὶς δὲ Ἀθήνῃσιν ἤδη γηράσκων εἰ µὲν ὑπὸ τῶν πολλῶν ἐθαυµάσθη, οὔπω θαῦµα, ὁ δέ, οἶµαι, καὶ τοὺς ἐλλογιµωτάτους ἀνηρτήσατο - „da er aber in Athen in schon vorgerücktem Alter philosophische Reden hielt, so ist es kein Wunder, wenn er Dichterwettstreit 83 durch seine Bereitschaft, zu jedem beliebigen Thema aus dem Stegreif eine Rede zu halten 208 , womit er sich sogar den Nimbus der Allwissenheit verschaffte 209 . Zu seinen berühmten Schülern zählten Isokrates und Alkidamas. Seine Vorliebe für die Dichtung ist belegt durch Philostrats Nachricht, dass er gerne poetische Wörter in seine Reden einflocht 210 , und ein besonderes Interesse am Thema des Trojanischen Kriegs ergibt sich ohnehin aus seiner ‚Helena’ und seinem ‚Palamedes’. Schließlich wissen wir aus guter Quelle, dass Gorgias sich auch zur Person Homers bzw. zu dessen Herkunft Gedanken machte und mit der Rückführung von Homers Familie auf den mythischen Sänger Musaios eine Genealogie favorisierte, die gerade in Athen auf positive Resonanz stoßen musste 211 . Wenn somit Gorgias im Grunde alle genannten Kriterien perfekt erfüllt, so sieht es kaum anders aus im Falle des Hippias von Elis. Denn auch Hippias’ Lebensdaten entsprechen dem oben postulierten Entstehungsdatum des ‚Certamen’ 212 , und es ist bekannt, dass er als offizieller Gesandter seiner Polis gelegentlich nach Athen kam 213 und sich bisweilen sogar über längere Zeit dort aufhielt 214 . Hippias beschäftigte sich immer wieder in mündlicher von der Menge bewundert wurde, doch er band auch die angesehensten Männer an sich”). 208 Gorg. 82 A 1a D.-K. (= Philostr. VS 1 Prooem.: παρελθὼν γὰρ οὗτος ἐς τὸ Ἀθηναίων θέατρον ἐθάρρησεν εἰπεῖν ‚ προβάλλετε ’ καὶ τὸ κινδύνευµα τοῦτο πρῶτος ἀνεφθέγξατο ... - „Als nämlich jener in das Theater von Athen gekommen war, wagte er zu sagen ‚Nennt mir ein Thema! ’ und kündigte als erster dieses Wagnis an ...”); 82 A 1 D.-K. (= Philostr. VS 1,9,1: ὡς µὲν οὖν καὶ ῥᾷστα ἀπεσχεδίαζεν, εἴρηταί µοι κατὰ ἀρχὰς τοῦ λόγου - „dass er sehr leicht aus dem Stegreif sprach, ist von mir am Anfang meines Textes gesagt worden”). 209 Gorg. 82 A 1a D.-K. (= Philostr. VS 1 Proöm.: ἐνδεικνύµενος δήπου πάντα µὲν εἰδέναι, περὶ παντὸς δ᾿ ἂν εἰπεῖν ἐφιεὶς τῷ καιρῷ - „womit er gewissermaßen aufzeigte, dass er alles wusste, aber auch über alles zu reden verstand, sich ganz dem gegenwärtigen Moment anheimgebend”). 210 Gorg. 82 A 1 D.-K. (= Philostr. VS 1,9,1: περιεβάλλετο δὲ καὶ ποιητικὰ ὀνόµατα ὑπὲρ κόσµου καὶ σεµνότητος - „er machte sich aber auch poetische Wörter zu eigen zur Erlangung von Schmuck und Würde”). 211 Gorg. 82 B 25 D.-K. (= Procl. Chr. Vit. Hom. § 4 [V p. 100,5-6 Allen = p. 26,19-20 von Wilamowitz-Moellendorff = p. 69 l. 24 Severyns]: Γοργίας δὲ ὁ Λεοντῖνος εἰς Μουσαῖον αὐτὸν ἀνάγει - „Gorgias von Leontinoi aber führt ihn auf Musaios zurück”); cf. die Darstellung bei Graziosi 2002, 82 f. 212 Hippias war nach Plat. Hp. Ma. 282 e 1-2 (= Hippias, 86 A 7 D.-K.) einiges jünger als Protagoras, der wohl um 490 v. Chr. geboren wurde. Somit dürfte Hippias ein ungefährer Altersgenosse des Sokrates gewesen und damit seinerseits um 470 v. Chr. geboren worden sein. 213 Hippias, 86 A 6 D.-K. (= Plat. Hp. Ma. 281 a 1 b 4). 214 Hippias, 86 A 14 D.-K. (= Xen. Mem. 4,4,5: διὰ χρόνου γὰρ ἀφικόµενος ὁ Ἱππίας Ἀθήναζε παρεγένετο τῷ Σωκράτει - „als er sich nämlich schon längere Zeit in Athen aufhielt, begegnete er dem Sokrates”). Kapitel 3 84 und schriftlicher Form mit homerischen Themen 215 , verfasste insbesondere einen in Troja situierten Dialog zwischen Neoptolemos und Nestor über das richtige Verhalten junger Menschen 216 , trat selber als aktiver Dichter hervor 217 und verfolgte den Plan, eine Anthologie verschiedener Exzerpte aus Dichtung und Prosa zusammenzustellen, die nicht zuletzt Passagen aus Hesiod und Homer enthalten sollte 218 . Der Gedanke, durch die geschickte Auswahl von Verspassagen oder Einzelversen aus Hesiod und Homer ein ‚Certamen’ zu verfassen, das die ursprüngliche böotische Tradition des Motivs weit hinter sich ließ, könnte ihm also nicht fremd erschienen sein, und der spielerische Umgang mit dem dichterischen Material, den das ‚Certamen’ zeigt, hätte sicherlich gut zum beweglichen Geist eines Mannes vom Schlage des Hippias gepasst, der ohnehin den öffentlichen Auftritt in keiner Weise scheute und neben vorbereiteten Reden auch die Kunst der Improvisation vorführte, also genau in dem Bereich brillierte, in welchem auch Homer im ‚Certamen’ seine Kunstfertigkeit zur Schau stellt 219 . Somit ist die alllgemeine Wahrscheinlichkeit einer Verfasserschaft des ‚Certamen’ für Gorgias und Hippias zunächst etwa gleich hoch, und selbstverständlich kommen auch andere Sophisten oder Intellektuelle der Zeit nach wie vor als Urheber der Schrift in Frage. Etwas klarer liegt dagegen der Fall der ‚Vita Herodotea’, weil es hier zumindest einen deutlichen Hinweis für die Abfassung der Schrift durch Hippias gibt. Es sei uns daher gestattet, wenn wir uns zunächst in einem längeren Exkurs dieser ‚Vita’ und der Frage nach ihrer Urheberschaft zuwenden und erst danach versuchen, die Frage nach dem Verfasser des ‚Certamen’ zu entscheiden. 215 Cf. die Hinweise zu seinen wiederholten Vorlesungen über Homer und andere Dichter in Plat. Hp. Mi. 363 c 1-3 und seine eigene Äußerung zum Ethos der homerischen Figuren bei Plat. Hp. Mi. 364 c 4-7 (= Hippias, 86 A 10 D.-K.). 216 Hippias, 86 A 9 D.-K. (= Plat. Hp. Ma. 286 a 5-b 4); 86 A 2 D.-K. (= Philostr. VS 1,11). 217 Hippias, FGrHist 6 T 2 = 86 A 12 D.-K. (= Plat. Hp. Mi. 368 c 8 d 2). 218 Hippias, FGrHist 6 F 4 = 86 B 6 D.-K. (= Clem. Alex. Strom. 6,15,2: ἐγὼ δὲ ἐκ πάντων τούτων τὰ µέγιστα καὶ ὁµόφυλα συνθεὶς τοῦτον καινὸν καὶ πολυειδῆ τὸν λόγον ποιήσοµαι. - „Ich aber habe von all diesen Schriften das Größte und Zusammenpassende vereinigt und werde daraus diese neuartige und vielgestaltige Schrift machen.”). 219 Hippias, 86 A 8 D.-K. (= Plat. Hp. Mi. 363 d 1-4: παρέχω ἐµαυτὸν καὶ λέγοντα ὅτι ἄν τις βούληται ὧν ἄν µοι εἰς ἐπίδειξιν παρεσκευασµένον ᾖ, καὶ ἀποκρινόµενον τῷ βουλοµένῳ ὅτι ἄν τις ἐρωτᾷ - „und ich stelle mich zur Verfügung, um dies vorzutragen, was jemand aus denjenigen Reden hören will, die ich mir zur Vorführung zurechtgelegt habe, und um Antwort zu geben, was auch immer jemand mich fragen will”). Der von Nietzsche 1870, 539 f. und Vogt 1959, 212-216 und 221 hervorgehobene Zusammenhang zwischen der Improvisationskunst Homers im ‚Certamen’ und der Verteidigung dieser Vortragsart durch Alkidamas lässt sich also ebenso gut bereits für Gorgias und Hippias herstellen. Dichterwettstreit 85 3.4.2 Die Frage nach der Entstehung, der Urheberschaft und dem literarischen Charakter der ‚Vita Herodotea’ 3.4.2.1 Der literarische Charakter der ‚Vita Herodotea’ als Rezeption der ‚Odyssee’ und als Parodie auf die ‚Historiai’ des Herodot Wie wir am Ende des letzten Kapitels andeuteten, gibt es Hinweise auf die Abfassung der ‚Vita Herodotea’ durch Hippias von Elis. Ob diese Vita, die sich im Unterschied zum ‚Certamen’ nicht auf eine Episode aus dem Leben Homers konzentriert, sondern einen vollständigen Lebensabriss zu geben sucht, in der heute vorliegenden Fassung schon von Hippias stammen kann, ist freilich ein Problem für sich, weil das Werk explizit Herodot zugeschrieben und im ionischen Dialekt verfasst ist 220 , was zu Lebzeiten des Historikers doch zumindest für einiges Aufsehen gesorgt hätte. Die Vermutungen zur Datierung der Schrift sind daher sehr unterschiedlich und plazieren sie entweder in hellenistische Zeit 221 oder neigen zu einer Einordnung in der frühen Kaiserzeit, als ionisch en vogue war und auch als Sprache verschiedener Werke Lukians oder der ‚Indika’ Arrians diente 222 . Umgekehrt betrachtet, kann die ‚Vita’ aber auch kaum erst in so später Zeit neu entstanden sein. Denn verschiedene wichtige Motive der ‚Vita’ wie das Nahverhältnis Homers zu seinem Stiefvater Phemios (Ps.-Hdt. Vit. Hom. 4) und das Motiv seiner Einkehr in Bolissos auf Chios (Ps.-Hdt. Vit. Hom. 24) finden sich schon im Geschichtswerk des Ephoros von Kyme (4. Jh. v. Chr.) 223 , und der Besuch Homers auf Ithaka ist bereits bei Hermesianax von Kolophon (3. Jh. v. Chr.) 224 und in einer der anonymen Homer- Viten 225 festgehalten, während das dort erstmals auftretende Augenleiden (Ps.-Hdt. Vit. Hom. 7-8) auch schon bei Herakleides Lembos (2. Jh. v. Chr.) verzeichnet ist 226 . G. Wiemer dachte daher für die Entstehung der ‚Vita’ an die peripatetische Schule des vierten Jahrhunderts, die die Gattung der 220 Ps.-Hdt. Vit. Hom. 1 ( Ἡρόδοτος Ἁλικαρνησσεὺς περὶ Ὁµήρου γενέσιος καὶ ἡλικίης καὶ βιοτῆς τάδε ἱστόρηκε, ζητήσας ἐπεξελθεῖν ἐς τὸ ἀτρεκέστατον. - „Herodot von Halikarnassos hat über die Herkunft, die Lebenszeit und den Lebenslauf Homers folgendes erforscht, indem er es möglichst genau untersuchte.”). 221 So etwa von Wilamowitz-Moellendorff 1916b, 416, der an die Zeit von 130-80 v. Chr. dachte, und Graziosi 2002, 73 f., deren These, dass es sich um einen lokalen Text aus dem wiedergegründeten Smyrna zur Stützung des einheimischen Homer-Kultes gehandelt habe, jedoch weder die starken Bezüge zum äolischen Kyme noch den unten besprochenen literarischen Charakter der ‚Vita’ erklären kann. 222 So zuletzt West 2003, 301, wo der Zeitraum von 50-150 n. Chr. genannt ist, und Vasiloudi 2013, 3 Anm. 15, die ebenfalls die Kaiserzeit präferiert. 223 Ephoros von Kyme, FGrHist 70 F 1 bzw. 103. 224 Hermesianax von Kolophon, Frg. 7,27-32 Powell (= Frg. 3,27-32 Lightfoot). 225 ‚Vita 5’ § 5 (V p. 249 l. 35-36 Allen = p. 30,1-2 von Wilamowitz-Moellendorff). 226 Herakleides Lembos, Pol. 32 Schneidewin (= Frg. 64 Dilts); cf. Wiemer 1905, 15 sowie die unten in Kap. 3.4.2.2 folgende Diskussion. Kapitel 3 86 Biographie ohnehin stark weiterentwickelte 227 . Doch auch dies führt noch nicht zu den ersten Anfängen dieser Tradition, da die ‚Vita’ ein prosimetrisches Werk ist, in welches viele Kleingedichte eingelegt sind, die im spätepischen Duktus geschrieben 228 und mit ihrem jeweiligen Prosa-Kontext motivisch eng verbunden sind 229 . Zudem ist diese Eigenart gerade in denjenigen Episoden besonders deutlich bemerkbar, die im kleinasiatischen Festland bzw. auf vorgelagerten Inseln wie Samos spielen, also vorwiegend im ionischen Sprachgebiet 230 . U. von Wilamowitz-Moellendorff zog daher den Schluss, dass es sich um „alte(n) ionische(n) Erzählungsstoff” handle 231 , und dachte sich die Homeriden von Chios als Träger dieser Tradition 232 . Diese Annahme ist sicher plausibel und die Frage ist nur, ob der uns heute vorliegende Erzählzusammenhang schon auf diese frühe Zeit zurückgeht, und hier kann man durchaus skeptisch sein. Denn die ‚Vita’ enthält auch Teile, die nicht mehr notwendigerweise auf den ionischen Bereich verweisen, wie insbesondere die Abschnitte über Homers Reise in den Westen der Oikumene, und vor allem verfügt sie über einen gut strukturierten Duktus der Erzählung, der F. Jacoby dazu veranlasste, den Ursprung dieser kanonischen Form nicht in archaischer Zeit zu suchen, sondern ihn erst in die sophistische Zeit zu legen, also in das fünfte oder spätestens in das vierte Jahrhundert v. Chr. 233 Es verhält sich in der Tat so, dass nicht alle Teile der Schrift den gleichen altertümlichen Eindruck machen. Dies gilt insbesondere für die frühen Wanderungen des Melesigenes, der nach erster Arbeitstätigkeit als 227 Wiemer 1908, 7. 228 Markwald 1986, 281-283 datiert sie daher in ihrer Mehrzahl in das späte siebte oder das sechste Jahrhundert. 229 So beispielsweise von Wilamowitz-Moellendorff 1916b, 417 und Jacoby 1933, 11. 230 So das Ergebnis der Untersuchung von Markwald 1986, 286. 231 Von Wilamowitz-Moellendorff 1916b, 417, dem darin sogar Jacoby 1933, 11 folgte. Bemerkenswert ist insbesondere, dass in Vit. Hom. 11-14 die Bevölkerung von Kyme und vor allem die Obrigkeit dieser äolischen Stadt, die sich weigert, den blinden Dichter in ihrer Gemeinde aufzunehmen, in einem sehr negativen Licht gezeigt wird (Wilamowitz S. 423-425). Die Episode kann also kaum in Kyme selbst oder in einer anderen äolischen Stadt erdacht worden sein und geht daher mit großer Wahrscheinlichkeit auf das genannte ionische Milieu zurück. Somit kann auch die vorliegende Form der ‚Vita’ trotz der erwähnten Parallelen zum Geschichtswerk des Ephoros nicht in Kyme niederlegt worden sein, denn es wäre in diesem Fall wiederum kaum zu verstehen, warum ein Autor aus Kyme die schmähliche Episode nicht einfach wegließ. 232 Von Wilamowitz-Moellendorff 1916b, 436 und 439. 233 Jacoby 1933, 10-12 (S. 10 f.: „... es scheint mir unzweifelhaft, daß nicht nur sein Material, sondern die nur leicht bearbeitete Vorlage voraristotelisch ist, möglicherweise sogar dem 5. Jahrhundert angehört. Diese Vorlage war keineswegs ein ‚Volksbuch’; vielmehr macht die Darstellung durchaus den Eindruck eines gelehrten Traktats - gelehrt natürlich im Sinne der sophistischen Literaturgeschichte, die die Kaiserzeit imitiert ...”). Dichterwettstreit 87 Schullehrer in seiner Heimatstadt Smyrna das Angebot des Schiffseigners und Kaufherrn Mentes annimmt, ihm auf seinen Reisen zu folgen und sich so die Welt anzusehen 234 . Denn dies passt besser zum entwickelten Handelsverkehr des fünften Jahrhunderts als zu den Pionierzeiten des sechsten oder gar siebten Jahrhunderts und vor allem fehlen in diesen Passagen die eingelegten Kleingedichte. Es kommt dann noch hinzu, dass dieser Abschnitt mit der Erwähnung von Mentes und Mentor zwei Personen aus den homerischen Epen auftreten lässt, die hier zu den persönlichen Bekannten des Melesigenes gezählt werden und somit Beispiele sind für die allgemeine Tendenz, die homerischen Gedichte biographisch zu interpretieren und sie als Spiegelbilder von Homers Privatleben zu verstehen 235 . Diese Tendenz ist in der ‚Vita Herodotea’ auch anderswo zu erkennen, so schon ganz am Anfang in § 4, wo der Sänger Phemios aus der ‚Odyssee’ als Stiefvater des Melesigenes bezeichnet ist, und in § 9, wo der Lederarbeiter Tychios aus der ‚Ilias’ als Gastgeber des erblindeten Melesigenes in Neon Teichos auftritt, und sie findet ihre Abrundung und Systematisierung in § 26, wo festgehalten ist, dass es Gefühle der Dankbarkeit ( χάρις ) gewesen seien, die Homer dazu veranlassten, seine verschiedenen Wohltäter zu Figuren seiner Epen zu machen. Was nun aber die Reise mit Mentes und den nachfolgenden Aufenthalt bei Mentor auf Ithaka noch zusätzlich hervorhebt, ist zum einen der nachgerade herodoteische Forschergeist, der dem künftigen Dichter hier unterstellt wird (Vit. Hom. 6: καὶ ὅπου ἑκάστοτε ἀφίκοιτο, πάντα τὰ ἐπιχώρια διεωρᾶτο, καὶ ἱστορέων ἐπυνθάνετο - „und wo immer er jeweils hingelangte, da prüfte er die lokalen Verhältnisse und machte sich durch Forschungen kundig”; Vit. Hom. 7: ἐνταῦθα συνέβη τῷ Μελησιγένει τὰ περὶ Ὀδυσσέως ἐξιστορῆσαι καὶ πυθέσθαι - „dort [sc. auf Ithaka] wurde es Melesigenes zuteil, die Erzählungen über Odysseus zu erfragen und erfahren”) 236 , und zum anderen die Motivation, die den jungen Berufsmann überhaupt erst veranlasst, zu dieser Reise aufzubrechen. Denn der Schiffseigner Mentes verweist bei seinem Angebot zur Mitfahrt nicht zuletzt darauf, dass Melesigenes auf diese Weise die Welt sehen könne (Ps.-Hdt. Vit. Hom. 6: ὅς µιν ἔπεισε τὸν Μελησιγένη µεθ᾿ ἑωυτοῦ πλεῖν καταλύσαντα τὴν διδασκαλίαν, 234 Ps.-Hdt. Vit. Hom. 6. 235 Zu dieser Tendenz cf. unten die Kap. 4.3.1 und 5. 236 Für die Parallele zwischen dem Verhalten Homers und dem Forschergeist Herodots dürfte es genügen, auf die prominente Verwendung der Wortfamilie von ἱστορέω an solchen Stellen wie Hdt. Prooem. ( ἱστορίης ἀπόδεξις - „Darstellung meiner Nachforschungen”) oder 2,113,1 hinzuweisen (gespiegelt in Ps.-Hdt. Vit. Hom. 1: Ἡρόδοτος ... τάδε ἱστόρηκε - „Herodot ... hat dieses erforscht”) bzw. auf die wiederholte Betonung von Herodots Forschungen im Ausland und seinen Gesprächen mit lokalen Gewährsmännern, wie sie insbesondere im Ägypten-Buch zu finden sind (Hdt. 2,3,1; 2,28,1; 2,44,2 [hier in Bezug auf den Herakles-Tempel von Tyros]; 2,99,1; 2,118,1; 2,125,6). Kapitel 3 88 µισθόν τε λαµβάνοντα καὶ τὰ δέοντα πάντα, καὶ ὅτι τὸ χώρας καὶ πόλιας θεήσασθαι ἄξιον εἴη αὐτῷ ἕως νέος ἐστί. - „Dieser überredete den Melesigenes, mit ihm wegzufahren und seine Schule zu schließen und seinen Lohn und alles Notwendige mitzunehmen, indem er ihn überzeugte, dass es richtig für ihn sei, sich die Länder und Städte anzuschauen, solange er noch jung sei.”) 237 , und ganz entsprechend lautet später auch der Bericht, den der nun welterfahrene Dichter dem Ziegenhirten Glaukos auf Chios gibt (Ps.-Hdt. Vit. Hom. 22: ἀπηγεοµένου δὲ Ὁµήρου τήν τε πλάνην τὴν ἑωυτοῦ καὶ τὰς πόλεις ἃς ἐσαπίκοιτο - „als aber Homer von seiner Irrfahrt erzählte und von den Städten, in die er gekommen war”). Eine Irrfahrt oder Wanderung ( πλάνη ) hat Homer also hinter sich und er sah dabei insbesondere eine größere Anzahl von Städten ( πόλεις ). Dies aber ist nun gewiss nichts anderes als das, was einst Odysseus erlebte, weil auch dieser gemäß dem Proömium der ‚Odyssee’ durch die Welt irrte (Od. 1,1 f.: ὃς µάλα πολλὰ / / πλάγχθη - „der sehr viel herumirrte”) und dabei die verschiedenen Städte und deren Bewohner kennenlernte (Od. 1,3: πολλῶν δ᾿ ἀνθρώπων ἴδεν ἄστεα καὶ νόον ἔγνω - „er sah aber vieler Menschen Städte und lernte ihre Sinnesart kennen”) 238 . Dementsprechend gelangt Melesigenes auf seinen Reisen nicht nur nach Ithaka, sondern bereist zuvor die westliche Mittelmeerhälfte (Vit. Hom. 7: ἀνακοµιζόµενοι δὲ ἐκ Τυρσηνίης καὶ { τῆς } Ἰβηρίης ἀπικνέονται ἐς Ἰθάκην. - „Als sie aber von Tyrrhenien und von Iberien zurückgekehrt waren, gelangten sie nach Ithaka.”), ganz wie es der geläufigen Ausdeutung der Abenteuer des Odysseus seit archaischer Zeit entsprach 239 . Allerdings ist die Reise des Odysseus nicht die einzige Assoziation, die der von Ps.-Herodot in § 22 gewählte Begriff πλάνη zulässt. Denn dieser findet ein weiteres auffälliges Echo in der Schilderung von Solons Reise zu Kroisos im Geschichtswerk des echten Herodot, und auch dort ist das Motiv der Wanderung an das der Welterkundung gekoppelt (Hdt. 1,30,2: παρ᾿ ἡµέας γὰρ περὶ σέο λόγος ἀπῖκται πολλὸς καὶ σοφίης εἵνεκεν τῆς σῆς καὶ πλάνης, ὡς φιλοσοφέων γῆν πολλὴν θεωρίης εἵνεκεν ἐπελήλυθας - „zu uns gelangte große Kunde über dich hinsichtlich deiner Weisheit und deiner Wanderungen, dass du nämlich mit philosophischem Interesse zum Zwecke der Betrachtung weit über die Erde gereist bist”) 240 . Da nun Solon seinerseits mit seinen Reisen in den Osten der Oikumene nichts anderes ist als das Urbild für Herodots eigene Reisen in den Nahen Osten und nach 237 Ein Echo darauf dann in Ps.-Hdt. Vit. Hom. 26. 238 Dieser Zusammenhang richtig erkannt von Latacz 1989, 36. 239 So bereits die geographische Fixierung bei Hes. Th. 1011-1016. 240 Weitere Belege für das Wort πλάνη bei Herodot betreffen König Sesostris (2,103,2), den trojanischen Prinzen Paris (2,116,2; 2,116,6) und den Skythenkönig Idanthyrsos (4,126). Diese Belege beziehen sich jedoch nicht auf Erkundungsreisen, sondern auf militärische Expeditionen oder auf eigentliche Irrfahrten. Dichterwettstreit 89 Ägypten, liegt an dieser Stelle der ‚Vita Herodotea’ eine starke Rückbindung an das Werk des Historikers von Halikarnassos vor, die sich nicht mehr auf die explizite Zuweisung unseres Textes an Herodot bzw. auf die ionische Sprachform beschränkt, sondern auch zentrale inhaltliche Elemente aufgreift und sie mit dem eigenen Erzählduktus eng verwebt 241 . Dies wiederum bedeutet aber, dass die ‚Vita’ von Anfang auf Herodot gemünzt gewesen sein muss 242 und dass damit auch das ionische Sprachkleid von Anbeginn an zu diesem Text gehörte und nicht das Resultat einer nachträglichen Bearbeitung gewesen sein kann 243 . Wenn wir jedoch noch für einen Moment bei der Reisestation auf Chios und bei ihrem Rückbezug auf die ‚Odyssee’ bleiben, so ist es ohnehin nicht zu verkennen, wie sehr diese Einkehr Homers beim Ziegenhirten Glaukos der Einkehr des Odysseus bei Eumaios auf Ithaka entspricht und sich verschiedenste Motive mit dieser teilt 244 . Es sind dies die Anreise des jeweiligen Besuchers Homer bzw. Odysseus im Schiff einer Gruppe von Seefahrern und die nächtliche Aussetzung am Strand (Ps.-Hdt. Vit. Hom. 19-20; Hom. Od. 13,113-124), die Wanderung des Besuchers zum jeweiligen Gehöft (Vit. Hom. 20-21; Od. 14,1-4), der unfreundliche Empfang durch eine Meute von Hunden und die Bändigung der Tiere durch den Hirten (Vit. Hom. 21; Od. 14,29-36), die folgende Bewirtung des Besuchers (Vit. Hom. 21; Od. 14,72-110), die Erzählung der Erlebnisse des Reisenden (Vit. Hom. 22; Od. 14,191-359) und das schließliche Geleit des Besuchers zur Herrschaft des Hirten (Vit. Hom. 24; Od. 17,182-341). Man kann also insgesamt konstatieren, dass Homer in seinen frühen Erwachsenenjahren und dann vor allem wieder nach seiner Ankunft in Chios ganz dasselbe erlebt wie einst Odysseus. Er ist damit ein zweiter Odysseus, so wie auch in der späteren Literatur viele Wanderer konstant mit Odysseus verglichen werden und damit ebenfalls dessen Rolle übernehmen 245 . Da Homer zudem nach dieser Geschichte ein Mann aus dem einfachen Volk ist, 241 Cf. auch oben die Bemerkungen zur Verwendung der Wortfamilie von ἱστορέω in den Kapiteln 6 und 7 der ‚Vita’ sowie unten in Anm. 277 die Hinweise zu Ps.-Herodots auktorialer Äußerung ( ὡς δὲ ἐγώ φηµι ) in Kapitel 7, in der sich dieselbe Haltung gegenüber dem Historiker von Halikarnassos zeigt wie hier. 242 Dies somit gegen die Annahme von Bergk 1872, 443, dass die ‚Vita Herodotea’ ein älteres ionisches Werk darstelle, welches erst nachträglich mit dem Namen Herodots versehen worden sei, was eben an der genannten Kongruenz von sprachlicher Form und referiertem Inhalt scheitert. 243 Zu dieser Position, wie sie etwa von M. L. West vertreten wurde, cf. die folgenden Bemerkungen zur Datierung unserer Schrift. 244 So festgehalten von Wiemer 1905, 27-29. 245 Cf. etwa die Wanderungen des Encolpius und seiner Freunde in Petrons ‚Satyrica’ und die Reise des Apollonios von Tyana in Philostrats ‚Vita Apollonii’ (zur Prägung dieser Reisen durch das Odysseus-Muster cf. die Analysen bei Grossardt 2007 bzw. bei van Dijk 2009 und Grossardt 2015). Kapitel 3 90 bedeutet dies, dass auch jeder andere einfache Grieche, der im Leben einigermaßen umhergetrieben wurde, sich nicht nur mit dem Dichter Homer identifizieren konnte, sondern auch mit dessen Vorbild Odysseus, und sich damit auch selbst ungeheuer gehoben fühlen konnte. Es ist hier also nicht nur ein progressives literarisches Verfahren zu konstatieren, welches den Mythos und den Alltag in nachmythischer Zeit einer gegenseitigen Spiegelung unterzieht, sondern auch ein urdemokratischer Gedanke. All dies kann man sich - der These von F. Jacoby entsprechend - tatsächlich gut im Athen des späteren fünften Jahrhunderts vorstellen 246 , wenn es dafür auch, wie wir sehen werden, bereits Vorstufen in älterer Zeit gab. Bei all dem darf man freilich nicht vergessen, dass die Erzählungen, die der heimgekehrte Odysseus seinem treuen Hirten vorträgt (Od. 14,191- 359), selbstverständlich frei erfunden sind 247 . Da die Erlebnisberichte des Melesigenes bei Glaukos, wie oben angemerkt, die genau gleiche Funktion im Gesamtgefüge der Erzählung haben und damit eine offensichtliche Nachahmung darstellen, ist also auch auf sie ein Schatten des Zweifels geworfen. Dies betrifft zunächst einmal die Reisen des Melesigenes in den Westen, deren Sondercharakter als reine Prosaerzählung ohne Verseinlagen wir vorhin ohnehin festgestellt hatten, und die Formel zu den Städten, die Homer auf seinen Wanderungen gesehen haben will (Vit. Hom. 22), stellt nicht nur einen deutlichen Rückbezug dar zur Aufforderung des Mentes, sich die Welt mit ihren verschiedenen Ländern und Siedlungen anzusehen (Vit. Hom. 6), sondern passt auch bestens zum Inhalt der homerischen Trugreden, die die diesbezügliche Ankündigung aus dem Proömium der ‚Odyssee’ (1,3: πολλῶν δ᾿ ἀνθρώπων ἴδεν ἄστεα καὶ νόον ἔγνω - „er sah aber vieler Menschen Städte und lernte ihre Sinnesart kennen”) mit Abenteuerstationen wie Ägypten und Phönizien im Grunde sogar viel besser umsetzen als die echten Irrfahrten des Odysseus mit ihren Abenteuern im Niemandsland der Apologe. Allerdings sind die Reisestationen im Westen der Oikumene, von denen Ps.-Herodot in den Kapiteln 6 bis 8 seines Berichts erzählt, auch bei Herakleides Lembos verzeichnet 248 , wie es denn überhaupt auch sonst verschiedene Zeugnisse für längere Irrfahrten des Homer bzw. einen Aufenthalt 246 Zum beliebten athenischen Gesellschaftsspiel, die homerischen Gestalten mit Personen der Zeitgeschichte gleichzusetzen, cf. Plat. Smp. 221 c 2 d 6. 247 Zur Kontrastfunktion der großen Trugrede an Eumaios in Od. 14,191-359, also des Lebensberichts des angeblichen Kreters, im Vergleich mit der tatsächlichen Biographie des Odysseus cf. die Analyse von Grossardt 1998, 92-116. 248 Herakleides Lembos, Pol. 32 Schneidewin (= Frg. 64 Dilts). Dichterwettstreit 91 auf Ithaka gibt 249 . Die im Westen gelegenen Reisestationen dürften somit einer unabhängigen Traditionslinie angehören, waren also für den Verfasser der ‚Vita’ ebenso traditionelles Material wie die Episoden, die in Kleinasien und auf den vorgelagerten Inseln spielen 250 . Ohnehin sind diese letztgenannten Episoden ebenfalls weit überwiegend in Städten lokalisiert und weisen Schauplätze auf wie Kolophon, Kyme und Phokaia. Daher sollte die Anknüpfung an die homerischen Trugreden in Vit. Hom. 22 nicht so sehr darauf abzielen, die im Westen lokalisierten Abenteuer des Melesigenes von den übrigen Erlebnissen abzuheben, sondern eher darauf, ganz grundsätzlich etwas zur Natur dieser Erzählung zum Ausdruck zu bringen. Wir hatten nämlich vorhin gesehen, dass Melesigenes gerade in seinem Forscherdrang, mit dem er sich überall in der Welt über die lokalen Verhältnisse kundig macht (Vit. Hom. 6) und sich auf Ithaka über die Lebensgeschichte des Odysseus informiert (Vit. Hom. 7), als eigentliches alter ego Herodots fungiert 251 , und dass dies in Vit. Hom. 22 eine weitere Konkretisierung erfährt im Rückbezug auf die Wanderungen des Solon, die ihrerseits nichts anderes sind als der Prototypus für Herodots eigene Forschungsreisen. Wenn also die Binnenerzählung des Melesigenes bei Glaukos nicht nur mit den Trugreden des Odysseus assoziiert ist, sondern auch noch einem Proto-Solon bzw. Proto-Herodot in den Mund gelegt ist, so fällt damit auch auf den echten Herodot ein zweifelhaftes Licht, oder anders formuliert, mit dem gezielten Anschluss an die homerischen Trugreden wird nicht nur der eigene Wahrheitsanspruch unseres Textes untergraben, sondern es wird auch die Zuweisung der ‚Vita’ an Herodot als Fiktion enthüllt und es wird - noch darüber hinausgehend - überhaupt der historiographische Anspruch des Historikers von Halikarnassos in Frage gestellt. An die Stelle einer solchen wissenschaftlichen Darstellung, wie Herodot sie bietet, tritt daher nun die spielerische Darstellungsform, für die unser Text steht. Somit hat die Episode von der Einkehr des Melesigenes bei Glaukos eine wichtige poetologische Funktion für das Verständnis unseres Textes. Denn dieser baut zwar auf überlieferten Erzählungen über das Leben Homers in Kleinasien und im westlichen Mittelmeer auf, will aber gerade nicht eine authentische Darstellung der Ereignisse geben, wie sie Herodot in seinen ‚Historiai’ für sich in Anspruch 249 Hermesianax von Kolophon, Frg. 7,27-32 Powell (= Frg. 3,27-32 Lightfoot); ‚Vita 5’ § 5 (V p. 249 l. 35-36 Allen = p. 30,1-2 von Wilamowitz-Moellendorff); cf. die unten in Kap. 3.4.2.3 folgende Diskussion zur Traditionalität dieser Motive. 250 Der Grund für die Herausbildung dieser frühen Traditionen zum Besuch Homers auf Ithaka bzw. zu seiner Fahrt durch das westliche Mittelmeer dürfte, wie Wiemer 1905, 11 f. ausführt, einfach der gewesen sein, dass man damit erklären konnte, wie Homer zu seiner Detailkenntnis der Schauplätze seiner ‚Odyssee’ gelangte. 251 Cf. oben Anm. 236. Kapitel 3 92 nahm, sondern im Gegenteil eine farbenfrohe Schilderung, die sich von solchen Fragen nach der historischen Korrektheit freimacht und stattdessen autonome literarische Ziele verfolgt. Die Binnenerzählung des Melesigenes bei Glaukos ist also ein wichtiges Fiktionalitätssignal, von welchem letztlich die ganze ‚Vita’ betroffen ist, und man kann dann unseren Text mit seinen diversen Rückbezügen auf die ‚Historiai’ auch nicht mehr als Pseudepigraphon mit ernsthafter Täuschungsabsicht betrachten, sondern nur noch als brillante Herodot-Parodie. 3.4.2.2 Der Aufenthalt Homers auf Chios, die motivischen Bezüge zur Lokaltradition von Kyme und die Frage nach dem Verfasser der ‚Vita’ Wenn also die Offenlegung des Fiktionscharakters unserer Erzählung sicherlich die wichtigste Funktion ist, die den Kapiteln im Mittelteil der ‚Vita Herodotea’ zukommt, so gibt es durchaus noch weitere Aspekte, die Homers Aufenthalt auf Chios interessant machen für unsere Analyse. So ist es doch einigermaßen verwunderlich, dass in der ‚Vita’ nicht geradezu von einem Schweinehirten Eumaios die Rede ist, sondern von einem Ziegenhirten Glaukos. Damit wird die übliche Gleichsetzung von Homers Zeitgenossen und Wohltätern mit den Figuren seines Epos für einmal eher verschleiert. Der Grund dafür kann gewesen sein, dass das in Vit. Hom. 22 eingelegte Epigramm den Namen des Adressaten enthält und diesen damit fixierte. Zudem liegt hier nicht derselbe enge Bezug zwischen Epigramm und Kontext vor, der sich in der ‚Vita Herodotea’ üblicherweise konstatieren lässt. Die oben geschilderte Szene zwischen Homer und Glaukos macht daher eher den Eindruck einer Episode, die als Folie für ein davon unabhängiges Kleingedicht geschrieben wurde, und erweist sich damit insgesamt als späterer Zusatz im Gesamtgefüge der ‚Vita’ 252 . Unsere vorhin formulierte These zum Erfindungscharakter dieser Episode bzw. zu ihrer Sonderfunktion als Fiktionalitätssignal bestätigt sich somit. Die zweite Besonderheit im Aufenthalt Homers auf Chios liegt darin begründet, dass dieser Aufenthalt gewissermaßen zweigeteilt ist, d.h. Homer verbringt nach seiner Einkehr bei Glaukos zunächst längere Zeit bei dessen Herrn in der Gemeinde Bolissos und fungiert dort als Hauslehrer für dessen Söhne (Vit. Hom. 24). Erst danach begibt er sich in die Hauptstadt Chios, wo er seine Tätigkeit als Dichter fortsetzt, aber auch seine eigene Schule eröffnet, heiratet und einen eigenen Hausstand gründet (Vit. Hom. 25) 253 . Nun ist es höchst auffällig, dass Bolissos von Stephanos 252 So nach der Analyse von Markwald 1986, 194-196 und 286, der zudem annimmt, dass das Epigramm an Glaukos aus einer Sammlung von Sinnsprüchen stammt. 253 Zum Weiterleben dieser Motive in der modernen einheimischen Tradition von Chios cf. die interessanten Bemerkungen von Rhomaios 1986, der von einer Reintegration Dichterwettstreit 93 von Byzanz als πόλις Αἰολική bezeichnet wird und dass die Gemeinde nach dem Bericht des Geographen auch bei Ephoros von Kyme, also bei einem Autor aus dem äolischen Sprachgebiet, als Aufenthaltsort Homers genannt worden war 254 . Es ist evident, dass hier zwei Traditionen miteinander verbunden wurden, oder anders formuliert, dass hier die alte, bereits feststehende Tradition vom Leben Homers auf Chios, von seiner Familiengründung und von der darauf zurückgehenden Dichtergilde der Homeriden durch eine Tradition überlagert wurde, welche ihm einen vorangehenden Aufenthalt in Bolissos zuschrieb und damit die äolischen Ansprüche auf den Dichter unterstreichen sollte 255 . Wir befinden uns also mitten im äolisch-ionischen Seilziehen um die Person Homers, das in der archaischen und klassischen Zeit immer wieder zu beobachten ist und uns daher im nächsten Kapitel noch intensiv beschäftigen wird 256 . Dies alles muss vom Verfasser der ‚Vita’ mit Bedacht so gestaltet worden sein. Denn wir haben oben gesehen, dass die ‚Vita’ in ihrem narrativen Kern alten ionischen Erzählstoff bietet, und es ist umgekehrt festzuhalten, dass der Verfasser der ‚Vita’ so nachdrücklich wie kaum jemand sonst die These von der äolischen Herkunft des Dichters vertritt und daher bereits des Erzählstoffs der ‚Vita’ in lokale mündliche Erzählstrata ausgeht; allgemein zu diesem Phänomen cf. Graziosi 2004, 47 f. 254 St. Byz. β 120 Bill. ( Βολισσός· πόλις Αἰολικὴ ἐπ᾿ ἄκρου Χίου πλησίον ... καί φασιν ὅτι Ὅµηρος ἐν τούτῳ τῷ πολισµατίῳ τὰς διατριβὰς ἐποιεῖτο, ὡς Ἔφορος - „Bolissos: eine äolische Stadt auf einer Anhöhe in der Nähe von Chios [sc. der eponymen Hauptstadt der Insel] ... und man sagt, dass Homer sich in diesem Städtchen aufhielt, wie auch Ephoros [FGrHist 70 F 103] berichtet”). Stephanos kannte also offenbar eine Tradition, wonach es sich bei Bolissos um eine äolische Enklave auf der Westseite von Chios handelte und hing dafür wahrscheinlich eben von Ephoros ab (so geschlossen von Ragone 2013, 167 Anm. 191). Kaum plausibel jedenfalls die Erklärung von Sengebusch 1855, 100 f., dass der Geograph sich unter Bolissos eine Siedlung auf dem nahegelegenen äolischen Festland vorgestellt habe, weil die der Insel Chios gegenüber liegende Halbinsel mit Erythrai und Klazomenai ionisches Sprachgebiet war. 255 F 103 des Ephoros wird bestätigt durch F 149 (= Strab. 10,4,19), wo referiert ist, dass verschiedene Gewährsmänner ( τινες ) von einer Begegnung zwischen Homer und Lykurgos auf Chios zu berichten wussten. Da zu diesen Gewährsmännern nach aller Wahrscheinlichkeit auch Ephoros zählte (Ragone 2013, 167 f.), dürfte dieser Homers Aufenthalt auf der Insel einigen Raum in seinem Geschichtswerk gewährt haben. 256 Bezeichnenderweise enthalten die Kapitel über Homers Aufenthalt auf Chios noch eine zweite Passage, die an Traditionen von Kyme anknüpft, nämlich die humoristische Stelle (‚Vita Herodotea’ § 20), wo der schlafende Dichter vom herunterfallenden Zapfen einer Föhre getroffen wird und dem Baum in einem kleinen ‚Strafepigramm’ entgegenhält, dass im Ida-Gebirge in der südlichen Troas eine weitaus prächtigere Föhre mit besseren Zapfen stehe, was der Erzähler der ‚Vita’ durch die Information ergänzt, dass die Bewohner von Kyme sich zu dieser Zeit anschickten, Kebren, die Stadt, auf deren Gebiet die Föhre stand, zu gründen. Diese Bemerkung zur Gründung Kebrens durch Kyme steht wiederum in genauer Übereinstimmung mit einer Nachricht des Ephoros von Kyme (FGrHist 70 F 10). Kapitel 3 94 im Anfangsteil (Vit. Hom. 1) auf die Herkunft von Homers Eltern aus dem äolischen Kyme hinweist 257 . Es handelt sich bei der ‚Vita Herodotea’ also insgesamt um die Bearbeitung einer älteren ionischen Erzählung aus äolischer Perspektive bzw. um die Anknüpfung an Traditionen um die Person Homers, die in der äolischen Hochburg Kyme aufgekommen waren und in Konkurrenz standen zu den ionischen Überlieferungen, und dies liefert nun auch einen Anhaltspunkt für die Identifizierung des Verfassers der ‚Vita’. Es ist nämlich bekannt, dass Hippias von Elis Homer als Bürger von Kyme bezeichnete. Damit entspricht die Ansicht des Hippias nicht nur der soeben genannten Position der ‚Vita Herodotea’, sondern auch derjenigen des Ephoros von Kyme, die denn auch in der ‚Vita Romana’ im selben Atemzug wie die des Hippias genannt ist 258 . Da nun nirgendwo in den erhaltenen Nachrichten über Homer geradezu von einer Geburt des Dichters in Kyme die Rede ist, muss es auch bei Hippias so dargestellt gewesen sein, wie wir es in der ‚Vita Herodotea’ (§ 1-3) und bei Ephoros (FGrHist 70 F 1) finden, dass nämlich Homers Eltern in Kyme lebten und ihr Kind noch dort zeugten, dass aber Homers Mutter zur Vertuschung dieser unehelichen Zeugung nach Smyrna geschickt wurde und erst dort mit ihrem Sohn niederkam 259 . Es wäre nun kaum glaubhaft, dass Hippias sich vom fernen Elis her so sehr zum Bannerträger der äolischen Ansprüche machen wollte, dass er dieses Motiv neu erfand. Es muss sich vielmehr so verhalten haben, dass er eine bereits existierende äolische Tradition aufnahm und in sein Werk integrierte. Mit anderen Worten, die äolische Identität Homers war für Hippias nur Nebensache, und was ihn stattdessen interessierte, war eben die vollständige Lebensgeschichte des Dichters, die natürlich die Erwähnung seiner Herkunft mit einschloss. Es wäre in der Tat schwierig zu sehen, in was für einem Kontext Hippias seine Äußerung zu Homer und dessen äolischen Vorfahren, die sicherlich einigen Raum in Anspruch nahm, getan haben könnte, wenn nicht im Rahmen einer umfassenden Schilderung von Homers Lebenslauf. 257 Noch deutlicher dann die Polemik zur äolischen Herkunft des Dichters in den Schlusskapiteln der ‚Vita’ (§ 37-38), die allerdings ein späterer Zusatz sein dürften; cf. die folgende Darlegung 258 Hippias von Elis, FGrHist 6 F 13 = 86 B 18 D.-K. = Ephoros von Kyme, FGrHist 70 F 99 (= ‚Vita Romana’ § 2 [V p. 251 l. 10-11 Allen = p. 30,27-28 von W.-M.]: Ἱππίας δ᾿ αὖ καὶ Ἔφορος Κυµαῖον - „Hippias hinwiederum und Ephoros bezeichnen ihn als Bürger von Kyme”). Dass hier Hippias von Elis gemeint sein muss, zeigt von Wilamowitz-Moellendorff 1916b, 418 Anm. 3, da homonyme Autoren wie Hippias von Thasos (erwähnt bei Arist. Po. 1461 a 21-23) oder Hippias von Erythrai (FGrHist 421 F 1) zu wenig bekannt waren, um ohne Distinktivum angeführt werden zu können. 259 Cf. auch oben in Kap. 2 den Parallelfall zur Zeugung des Dichters auf Ios, was aber nicht mehr zur Geburt Homers auf der Insel führt, sondern ebenfalls zum Motiv der Niederkunft von Homers Mutter in Smyrna überleitet. Dichterwettstreit 95 Somit stellt sich die Frage, ob die Nachricht zur These des Hippias die Herkunft Homers betreffend (FGrHist 6 F 13 = 86 B 18 D.-K.) nicht geradezu mit der Darstellung am Anfang der ‚Vita Herodotea’ (§ 1-3) zu identifizieren ist, oder anders formuliert, ob die ‚Vita Herodotea’ - auch in ihrem ionischen Sprachgewand und ihrer Zuweisung an Herodot - nicht schon auf Hippias selbst zurückgehen kann und ob nicht bereits er es war, der die Lebensgeschichte des Dichters durch die Parallelisierung mit derjenigen des Odysseus in den Rang einer literarischen Erzählung erhob. Ein Argument dafür sind die vielen Berührungspunkte der ‚Vita Herodotea’ mit dem Geschichtswerk des lokalen Gewährsmanns Ephoros von Kyme, die wir oben aufzeigen konnten, wie insbesondere Homers Nahverhältnis zu seinem Stiefvater und Lehrer Phemios 260 . Diese Parallelen haben in der Forschungsgeschichte des öfteren Anlass zur Vermutung gegeben, dass die ‚Vita’ von Ephoros abhänge 261 . Eine solche Überlegung setzt freilich voraus, dass es in Kyme vor oder neben Ephoros keine entsprechenden Traditionen gegeben habe und dass all diese Motive zum Leben Homers daher als Erfindung des Ephoros zu betrachten seien. Doch besteht für eine solche Annahme bei einem Autor aus der Mitte des vierten Jahrhunderts im Grunde keine Veranlassung, weil die politischen Debatten sicher auch schon lange zuvor entsprechende Gedanken hervorriefen und wir im obengenannten Zitat des Hippias ja ohnehin über einen einschlägigen Beleg aus dem fünften Jahrhundert verfügen 262 . Anstelle einer Neuschöpfung lokaler Traditionen dürfte der Anspruch von Ephoros’ Lokalgeschichte ( Ἐπιχώριος ) daher vielmehr der gewesen sein, das traditionelle einheimische Erzählgut zu sammeln und in eine ansprechende literarische Form zu gießen, um auf diese Weise seiner Heimatstadt in der ideologischen Auseinandersetzung der griechischen Poleis publizistische Schützenhilfe zu geben. In diesem Zusammenhang ist es nun sehr wichtig, dass Ps.-Herodot und Ephoros nicht genau dieselbe Genealogie Homers nennen. Während nämlich Ephoros (FGrHist 70 F 1) den künftigen Dichter zum Sohn des 260 Ps.-Hdt. Vit. Hom. 4; Ephoros, FGrHist 70 F 1. 261 So vor allem Bergk 1872, 443, Schmidt 1875, 53 f. und 115-117 und Wiemer 1905, 9- 11, die These bereits relativierend dagegen Gigante 1996, 26 f. 262 Wichtigste Indizien für die frühe Entstehung dieser Traditionen in Kyme sind neben dem Beleg des Hippias und der gleich zu nennenden Person des Melanopos vor allem der Vormund Kleanax (unten Kap. 4.4.1, Anm. 276) und die Tradition vom Namenswechsel des Dichters nach der Vokabel (sc. ὅµηρος ), die in Kyme für die Blinden gebräuchlich war (Kap. 4.4.1, Anm. 273 und 274). Ragone 2013, 132 f. weist zudem gut darauf hin, dass nach einer Notiz der ‚Vita 5’ neben Ephoros noch weitere Geschichtsschreiber die These von der Herkunft des Dichters aus Kyme vertreten hätten (§ 1 [V p. 247 l. 6-7 Allen = p. 29,8 von Wilamowitz-Moellendorff]: κατὰ δ᾿ Ἔφορον καὶ τοὺς ἱστορικοὺς Κυµαῖος - „nach Ephoros aber und den Geschichtsschreibern sei Homer aus Kyme hergestammt”). Ephoros war also Teil einer breiten Strömung. Kapitel 3 96 Maion und damit zum Neffen des Dios und Cousin Hesiods macht und damit in einiger Nähe steht zur Genealogie, die seit Pherekydes von Athen belegt ist und überhaupt die dominante Version darstellt 263 , nennt die ‚Vita Herodotea’ (§ 1) eine rein äolische Ahnenreihe mit dem Großvater Melanopos aus der thessalischen Landschaft Magnesia, dessen Tochter Kretheis Homers Mutter gewesen sei. Homers Vater war nach dieser Darstellung dagegen ein anonymer Bürger Kymes und nicht Maion, der ohnehin viel eher nach Smyrna gehört als nach Kyme 264 . Der gemeinsame Nenner ist also nur, dass Homers Mutter Kretheis (oder Kritheis) hieß und dass sie das Kind noch in Kyme empfing, aber in Smyrna mit ihm niederkam. Der Sinn dieser zuletzt genannten Konstruktion, die für Kyme offenbar verbindlich war, muss es gewesen sein, die äolischen Ansprüche auf den Dichter zu stärken, ohne geradezu die etablierte Tradition von Homers Geburt in Smyrna in Frage zu stellen 265 . Wenn Ephoros also gewisse Änderungen im Schema des Pherekydes vornimmt und insbesondere die Zeugung des Dichters in Kyme lokalisiert, aber im wesentlichen doch dem Schema folgt 266 , so bedeutet dies, dass er einen Ausgleich versuchte zwischen den alten Ansprüchen Smyrnas, die dem Nachweis eines ionischen Homer dienen sollten, und den lokalen Interessen seiner Heimatstadt, die dem Dichter eine äolische Abkunft zukommen ließ. Der Verfasser der ‚Vita Herodotea’ ignorierte dagegen die nach Smyrna weisende Ahnenreihe und folgte stattdessen eng einer Tradition, die sich ihrerseits nahtlos in die Erzählung von der äolischen Wanderung von Thessalien ins nordwestliche Kleinasien einfügte 267 . Daher dürfte die Version der ‚Vita Herodotea’ in diesem Punkt viel eher als 263 Pherekydes von Athen, FGrHist 3 F 167 (= Frg. 167 Fowler); Hellanikos von Lesbos, FGrHist 4 F 5b (= Frg. 5b Fowler); Damastes von Sigeion, FGrHist 5 F 11b (= Frg. 11b Fowler); Charax von Pergamon, FGrHist 103 F 62. 264 Cf. vor allem die Tradition zum lydischen König Maion bei Arist. Frg. 76 Rose (= Ps.- Plut. Vit. Hom. 1,3,2), die Nachricht des Stesimbrotos zur Herkunft Homers aus Smyrna und zu seiner Zeugung durch Maion (FGrHist 107 F 22 = ‚Vita Romana’ § 2 [V p. 251 l. 15-16 Allen = p. 30,31 - 31,1 von Wilamowitz-Moellendorff] bzw. § 3 [p. 251 l. 25-27 Allen = p. 31,10-11 von W.-M.]) und die dezidierte Äußerung bei Procl. Chr. Vit. Hom. § 3 (V p. 99,14-15 Allen = p. 26,8-10 von W.-M. = p. 68 l. 13-14 Severyns: οἱ µὲν οὖν Σµυρναῖον αὐτὸν ἀποφαινόµενοι Μαίονος µὲν πατρὸς λέγουσιν εἶναι - „diejenigen also, die ihn als Mann aus Smyrna bezeichnen, sagen zum einen, dass er der Sohn des Maion sei”). 265 Es sei hier also noch eimal an die obigen Darlegungen zum Parallelfall der Zeugung Homers auf Ios erinnert. 266 Zur Bearbeitung des älteren Schemas durch Ephoros cf. Rohde 1881, 397-400, Ragone 2005, 463-465 und 2013, 135-137 sowie Biraschi 2013, 306 f. 267 Dies war sowieso der Endzweck dieser Genealogien, wie sich aus Ephoros, FGrHist 70 F 99 (= ‚Vita Romana’ § 2, V p. 251 l. 11-12 Allen = p. 30,28-29 von Wilamowitz- Moellendorff) ersehen lässt, wo das Geschlecht Homers auf Chariphemos, den (thessalischen) Gründer von Kyme, zurückgeführt ist. Dichterwettstreit 97 Ephoros die ursprüngliche Überlieferung aus Kyme wiedergeben 268 , denn dieser war es ja, wie gezeigt, hauptsächlich daran gelegen, Homer nach Kyme ‚heimzuholen’, und sie konzedierte daher gegenüber den Ansprüchen von Smyrna eben nur gerade so viel, wie sie unbedingt musste 269 . Wenn aber die ‚Vita Herodotea’ die authentische äolische Lokaltradition wiedergibt und sich nicht an Ephoros anschließt, obwohl sie mit diesem sonst soviel gemeinsam hat und Ephoros seit dem Erscheinen seines Werkes überhaupt als die Autorität auf diesem Gebiet gelten konnte, dann spricht die Wahrscheinlichkeit sehr dafür, dass die ‚Vita Herodotea’ älter ist als das Geschichtswerk des Ephoros und daher ohne weiteres aus der Feder des Hippias geflossen sein kann 270 . 3.4.2.3 Mögliche Einwände gegen die Zuweisung der ‚Vita Herodotea’ an Hippias Es gibt also gute Gründe für die Zuweisung der ‚Vita Herodotea’ an Hippias. Dennoch sind natürlich auch verschiedene Einwände gegen die These möglich. So wäre es doch recht gewagt gewesen, schon zu Lebzeiten Herodots oder kurz nach dessen Ableben ihm eine solche Arbeit zuzuschreiben, die zudem in Konkurrenz stand zu verschiedenen Äußerungen über Homer, die sich im echten Geschichtswerk fanden 271 . Allerdings kann dieses Pseudepigraphon nach den obigen Überlegungen zum Lebensbericht des Melesigenes gegenüber Glaukos ohnehin kaum eine Schrift mit echter Täuschungsabsicht gewesen sein 272 , sondern muss so oder so eher eher ein Fall von Impersonation gewesen sein, die spielerischen Absichten 268 Zum Lokalcharakter der von Ps.-Herodot vorgebrachten Genealogie cf. bereits von Wilamowitz-Moellendorff 1916b, 418 und Jacoby 1933, 12. Möglicherweise reichte diese Genealogie schon in die Zeit um 500 v. Chr. zurück, da Melanopos auch im Schema des Pherekydes als Urgroßvater Homers aufscheint und außerdem im Hymnendichter Melanopos von Kyme (Paus. 5,7,8) beinahe einen Doppelgänger findet. Es ist also damit zu rechnen, dass die genealogischen Traditionen von Kyme und Smyrna/ Athen sich im Verlauf des fünften und vierten Jahrhunderts immer wieder gegenseitig beeinflussten. 269 Sc. dass Homer trotz äolischer Abkunft in Smyrna geboren war. 270 Die Parallelen zwischen der ‚Vita Herodotea’ und dem Geschichtswerk des Ephoros erklären sich also durch je unabhängige Bezugnahme auf die lokale Tradition Kymes und nicht durch Abhängigkeit in der einen oder anderen Richtung. 271 So etwa Hdt. 2,53,2 (Lebenszeit und kulturgeschichtliche Bedeutung von Homer und Hesiod); 2,117 (die ‚Kyprien’ nicht von Homer stammend); 4,32 (die ‚Epigonoi’ vielleicht nicht von Homer) und 5,67,1 (das Lob der Stadt Argos in den homerischen Gedichten). 272 Zudem hätte der Verfasser der ‚Vita’, wie schon Bergk 1872, 443 festhielt, bei ernsthafter Täuschungsabsicht peinlich genau darauf geachtet, Widersprüche zum tatsächlichen Geschichtswerk des Herodot zu vermeiden, und hätte stattdessen den engen Anschluss an dessen vorhin genannte Positionen zum Leben und Wirken Homers gesucht. Kapitel 3 98 diente und von den kundigeren der zeitgenössischen Leser durchaus durchschaut werden sollte. Im Milieu der Sophisten von Athen im späteren fünften Jahrhundert kann man sich dies ohne weiteres so vorstellen, und es ist generell zu sagen, dass eine Parodie, wie sie die ‚Vita Herodotea’ offenkundig vorstellt, natürlich am besten wirkt, solange das parodierte Werk noch den Nimbus des Neuen hat und noch nicht zum faden Klassiker herabgesunken ist 273 , wie dies denn gerade für das Geschichtswerk des Herodot durch eine parodistische Bezugnahme auf dessen Eingangskapitel in den V. 523-529 der ‚Acharner’ des Aristophanes (425 v. Chr.) nachgewiesen ist 274 . Etwas ernster ist daher der Einwand, dass wir vor der Kaiserzeit keine (expliziten) Hinweise auf die ‚Vita Herodotea’ finden 275 . Der erste namentliche Hinweis findet sich in der Tat erst bei Tatian (um 160 n. Chr.), dessen Bezugnahme auf Herodot weit eher unserer Schrift als den vereinzelten Diskussionen im echten Geschichtswerk gelten dürfte (Ad Graecos 31,3, p. 31,16 - 32,1 Schwartz = p. 57 l. 13 p. 58 l. 20 Marcovich: περὶ γὰρ τῆς Ὁµήρου ποιήσεως γένους τε αὐτοῦ καὶ χρόνου καθ᾿ ὃν ἤκµασε προηρεύνησαν πρεσβύτατοι ‹ µὲν › Θεαγένης τε ὁ Ῥηγῖ ‹ ν › ος, κατὰ Καµβύσην γεγονώς, καὶ Στησίµβροτος ὁ Θάσιος καὶ Ἀντίµαχος ὁ Κολοφώνιος Ἡρόδοτός τε ὁ Ἁλικαρνασσεὺς καὶ Δ∆ιονύσιος ὁ Ὀλύνθιος, µετὰ δὲ ἐκείνους Ἔφορος ὁ Κυµαῖος καὶ Φιλόχορος ὁ Ἀθηναῖος ... - „Über die Dichtung Homers nämlich und über seine Herkunft und die Zeit, zu der er blühte, haben zuerst Theagenes von Rhegion, der unter Kambyses lebte, und Stesimbrotos von Thasos sowie Antimachos von Kolophon, Herodot von Halikarnassos und Dionysios von Olynthos Nachforschungen angestellt, nach jenen aber Ephoros von Kyme und Philochoros von Athen ...”) 276 . Entsprechend sind die obengenannten Hinweise auf den Aufenthalt Homers auf Ithaka und in Bolissos gerade nicht auf ‚Herodot’ zurückgeführt, sondern sind entweder anonym gegeben oder berufen sich auf Ephoros. Es gibt indessen keinen Grund zu der Annahme, dass ein Autor wie Ephoros von Kyme von der ‚Vita Herodotea’ abhängt und damit Anlass gehabt hätte, auf ‚Herodot’ als seine Quelle hinzuweisen. Wir haben viel- 273 Man denke etwa an die Parodien des Euripides, die Aristophanes postwendend vornahm, oder an die Verulkungen der ‚Bucolica’ Vergils, die noch zu Lebzeiten des Dichters aufkamen (Don. vita Verg. § 43 Stok). 274 Cf. die Diskussion bei Olson 2002, LIII f. 275 So der Einwand von Schmidt 1875, 108 f. und 111 f., der daher zu einer Datierung der ‚Vita’ um 140 n. Chr. neigt (Schmidt S. 115). Cf. jedoch den möglichen Hinweis im erwähnten Zitat des Hippias in der ‚Vita Romana’ (§ 2, V p. 251 l. 10-11 Allen = p. 30,27-28 von Wilamowitz-Moellendorff), die humoristische Aufnahme von Kapitel 30 der ‚Vita Herodotea’ in der Anekdote um den alternden Sophokles (TrGF 4 T 77) und die eventuelle Bezugnahme auf Kapitel 19 in Epigramm 58 Pf. des Kallimachos (näher erläutert unten in Kap. 3.4.2.4). 276 Zur Rückführung dieser Bemerkung auf die ‚Vita Herodotea’ cf. West 2003, 301. Dichterwettstreit 99 mehr oben gesehen, dass der Verfasser der ‚Vita Herodotea’ für die These von der Herkunft Homers aus Kyme von älteren lokalen Quellen abhängen dürfte, deren Derivat nachher bei Ephoros wieder greifbar ist. Es ist also auch für die Episoden vom Besuch Homers auf Ithaka und von seiner Niederlassung auf Chios mit einer allgemeineren Tradition zu rechnen, die parallel zur ‚Vita Herodotea’ steht, und tatsächlich gibt es einige Indizien, die in diese Richtung weisen. Schon in der ‚Vita Herodotea’ selbst nämlich findet sich ein Hinweis, dass das Motiv vom Aufenthalt Homers auf Ithaka einer älteren lokalen Tradition entnommen ist. So jedenfalls der Wortlaut in der ‚Vita’, die zwar von einer Augenerkrankung des Dichters auf Ithaka berichtet (§ 7: καὶ τῷ Μελησιγένει συνέβη νοσήσαντι τοὺς ὀφθαλµοὺς κάρτα δεινῶς ἔχειν - „und es widerfuhr Melesigenes [sc. auf Ithaka], dass er an den Augen erkrankte und sich in einem sehr schlechten Zustand befand”), aber dies gerade nicht als Beginn einer dauerhaften Erblindung betrachtet, sondern nur als ersten Krankheitsschub, und in diesem Zusammenhang ausdrücklich gegen eine lokale Überlieferung aus Ithaka polemisiert, welcher unser Autor eine Überlieferung aus Kolophon entgegenstellt ( οἱ µὲν δὴ Ἰθακήσιοι λέγουσι τότε µιν παρ᾿ ἑωυτοῖς τυφλωθῆναι· ὡς δὲ ἐγώ φηµι, τότε µὲν ὑγιῆ γενέσθαι, ὕστερον δὲ ἐν Κολοφῶνι τυφλωθῆναι· συνοµολογοῦσι δέ µοι καὶ Κολοφώνιοι τούτοις. - „Die Bewohner von Ithaka bekräftigen zwar, dass er damals bei ihnen erblindete, wie ich aber meine, wurde er damals wieder gesund und erblindete erst später in Kolophon. Darin pflichten mir auch die Kolophonier bei.” 277 ). Da die Erzählungen von der Blindheit Homers, wie wir im nächsten Kapitel sehen werden, schon im sechsten Jahrhundert einige Verbreitung fanden, ist es durchaus denkbar, dass es tatsächlich eine ithakesische 277 Im übrigen ist die Formulierung mit dem (ablehnenden oder zustimmenden) Hinweis auf indigene Traditionen und der selbstbewussten Erklärung der eigenen Meinung ( ἐγώ ) eine offensichtliche Anknüpfung an den Duktus des echten herodoteischen Geschichtswerks; cf. insbesondere den wichtigen Passus zum Aufenthalt Helenas in Ägypten in Hdt. 2,120,1 ( ταῦτα µὲν Αἰγυπτίων οἱ ἱρέες ἔλεγον, ἐγὼ δὲ τῷ λόγῳ τῷ περὶ Ἑλένης λεχθέντι καὶ αὐτὸς προστίθεµαι, τάδε ἐπιλεγόµενος. - „Dies sagten die Priester der Ägypter, ich aber stimme der über Helena geäußerten Erzählung auch selber zu, indem ich folgendes in Erwägung ziehe.”) oder zuvor schon die vorsichtige Stellungnahme zu den persischen und phönizischen Erzählungen zur Ursache der Feindseligkeiten zwischen Ost und West in Hdt. 1,5,3 ( ταῦτα µέν νυν Πέρσαι τε καὶ Φοίνικες λέγουσι. ἐγὼ δὲ περὶ µὲν τούτων οὐκ ἔρχοµαι ἐρέων ὡς οὕτως ἢ ἄλλως κως ταῦτα ἐγένετο ... - „Dies nun sagen die Perser und die Phönizier. Ich aber will zwar über diese Dinge nicht sagen, dass sie so oder irgendwie anders vor sich gegangen sind ...”) und die pointierte Opposition zwischen Herodots eigener Darstellung von Kroisos’ Zug über den Halys und der landläufigen Auffassung in Hdt. 1,75,3 ( ὡς µὲν ἐγὼ λέγω ... ὡς δὲ ὁ πολλὸς λόγος Ἑλλήνων ... - „wie ich sage ..., wie aber die verbreitete Rede der Hellenen meint ...”); cf. oben die analogen Beobachtungen zum Gebrauch der herodoteischen Vokabeln ἱστορέω und πλάνη in Vit. Hom. 6 bzw. 22. Kapitel 3 100 Lokaltradition dieser Art gab, und die sonstigen Hinweise auf den Aufenthalt des Dichters auf Ithaka bzw. auf seine dort erfolgte Erblindung wie der Hinweis bei Hermesianax von Kolophon, Frg. 7,27-32 Powell (= Frg. 3,27-32 Lightfoot: ... / / ἣν διὰ πολλὰ παθὼν ὀλίγην ἐσενάσσατο νῆσον, / / πολλὸν ἀπ᾿ εὐρείης λειπόµενος πατρίδος. - „Homer erduldete wegen ihr [sc. Penelope, in die der Dichter verliebt war] vieles und hielt sich auf der kleinen Insel [sc. Ithaka] auf, sich weit von seinem geräumigen Vaterland entfernend.”) oder der in der anonymen Homer-Vita (‚Vita 5’ § 5, V p. 249 l. 35-36 Allen = p. 30,1-2 von Wilamowitz-Moellendorff: πλανηθέντα δὲ τὸν Ὅµηρον ἐν Ἰθάκῃ πολύν φασι διατρῖψαι χρόνον - „nachdem er aber viel herumgekommen war, soll Homer viel Zeit auf Ithaka zugebracht haben”) bzw. der Hinweis bei Herakleides Lembos (Pol. 32 Schneidewin = Frg. 64 Dilts: µαρτυρεῖται δὲ καὶ ἐκ Τυρρηνίας Ὅµηρος παραβαλεῖν εἰς Κεφαλληνίαν καὶ Ἰθάκην, ὅτε καὶ τοὺς ὀφθαλµοὺς λέγεται διαφθαρῆναι νοσήσας . - „Es wird aber auch bezeugt, dass Homer von Tyrrhenien nach Kephallenia und Ithaka gelangte, wo er an den Augen erkrankt und dauerhaft daran geschädigt worden sein soll.”) hängen dann rein von dieser Tradition ab oder kontaminieren sie allenfalls mit dem Bericht der ‚Vita Herodotea’. Jedenfalls setzt die romantische Geschichte des Hermesianax (3. Jh. v. Chr.) zur Verliebtheit Homers schon eine solche Tradition zum Aufenthalt des Dichters auf Ithaka voraus, weil kaum anzunehmen ist, dass Hermesianax oder seine Quelle dieses doch reichlich pittoreske Motiv ex nihilo erfunden hat. Wir gelangen also schon damit mindestens in das dritte Jahrhundert v. Chr. zurück. Verstärkt wird dieser Eindruck aber noch durch den Umstand, dass Herakleides Lembos, der im zweiten Jahrhundert v. Chr. aktiv war, mit seinen Bemerkungen zu den Lokaltraditionen von Kephallenia und Ithaka lediglich die ‚Politeiai’ des Aristoteles ausschreibt, welcher seinerseits den lokalen Verhältnissen auf Ithaka darin einigen Raum gewährte (Frg. 504-509 Rose) und daher keinesfalls aus einem belletristischen Werk wie der ‚Vita Herodotea’ schöpfte, sondern sich an einheimische Überlieferungen hielt wie die, gegen welche Ps.-Herodot in § 7 polemisiert. Selbst die so unschuldig klingende Bemerkung aus der ‚Vita 5’ (§ 5) dürfte daher mit ihren Hinweisen auf Homers Irrfahrten ( πλανηθέντα ) auf einer älteren Tradition aufruhen und nicht nur auf den explizit genannten Aufenthalt auf Ithaka hindeuten, sondern auch auf die vorangehende Fahrt nach Italien, die wir bei Herakleides wiederfinden. Es zeigt sich somit, dass die Erlebnisse des Dichters schon relativ früh den Abenteuern des Odysseus angeglichen wurden und daher auch schon in einer relativ frühen Phase der biographischen Tradition in einem recht Dichterwettstreit 101 beträchtlichen Ausmaß auf Ithaka lokalisiert wurden 278 . Die Leistung des Verfassers der ‚Vita Herodotea’ bestand also nicht in der Erfindung dieser Motive, sondern eher in einer gewissen Systematisierung und in ihrer schließlichen Persiflage durch das vorhin besprochene Motiv der Einkehr bei Glaukos mit dem Rückbezug auf die Trugreden des Odysseus. Ähnlich wie mit dem Motiv der Reise in den Westen verhält es sich mit dem Bericht zum Aufenthalt Homers in Bolissos auf Chios. Denn dieser ist, wie wir gesehen haben, auch bei Ephoros bezeugt (FGrHist 70 F 103 = St. Byz. β 120 Bill.), steht dort aber in Verbindung mit einem Hinweis zum äolischen Charakter der Siedlung, den wir in der ‚Vita Herodotea’ nicht finden. Dieser Hinweis dürfte daher auf eine Tradition aus der kleinasiatischen Äolis zurückgehen, die damit einen Gegenpol zu den Traditionen um die Niederlassung Homers in der ionischen Hauptstadt der Insel schaffen wollte, und dass es solche äolische Traditionen tatsächlich gab, zeigen die unterschiedlichen Nachrichten über die Heirat und über die Nachkommen des Dichters 279 . Während nämlich die ‚Vita Herodotea’ (§ 25) berichtet, dass Homer zwei Töchter gezeugt habe (und dies bezeichnenderweise erst nach Homers Übersiedelung in die Hauptstadt), und damit wohl die Tradition der Homeriden von Chios wiedergibt 280 , überliefert ein Passus in der ‚Suda’, dass Homer eine Tochter und zwei Söhne gehabt habe und dass deren Mutter Arsiphone (oder Aresiphone) aus Kyme hergestammt und die Tochter eines Mannes mit dem sprechenden Namen Γνώτωρ - ‚Kenner’ gewesen sei (‚Suda’ ο 251, III p. 525,26-28 Adler [§ 5 West]: γήµας δὲ ἐν Χίῳ Ἀρσιφόνην τὴν Γνώτορος τοῦ Κυµαίου θυγατέρα ἔσχεν υἱεῖς δύο καὶ θυγατέρα µίαν, ἣν ἔγηµε Στασῖνος ὁ ὕπατος Κυπρίων· οἱ δὲ υἱεῖς Ἐρίφων καὶ Θεόλαος. - „Nachdem er aber in Chios Arsiphone, die Tochter des Gnotor aus Kyme, 278 Eine weitere Spur dieser Tradition liegt wohl in den Nachrichten des Demokritos oder Demokrines von Troizen (= Demetrios von Troizen? ) vor, dass Homers Vater der Kaufmann Daemon - ‚Kundig’ bzw. Alemon - ‚Wanderer’ gewesen sei (Cert. § 3 [V p. 226 l. 21-22 Allen = p. 35,15 von Wilamowitz-Moellendorff = Supplementum Hellenisticum 378] bzw. ‚Vita Romana’ § 3 [p. 251 l. 28 Allen = p. 31,12 von W.-M.]), worin sich eben die späteren Erlebnisse des Sohns bzw. diejenigen des Odysseus spiegeln; cf. Wiemer 1905, 12. Eher von später Natur dürfte dagegen die Tradition gewesen sein, wonach Homer als Sohn des Telemachos auch selber aus Ithaka stammte (Cert. § 3 [V p. 227,34-43 Allen = p. 35,27 - 36,5 von W.-M.]; ‚Suda’ ο 251, III p. 525,3-4 und 14 Adler [§ 1 bzw. 2 West]); cf. Wiemer 1905, 17-19 bzw. 1908, 21 f. 279 Zur Herkunft dieser Traditionen aus Kyme und zu ihrer wahrscheinlichen Entstehungszeit (5. Jh.) cf. auch unten die Erläuterungen in Kap. 4.4.1. 280 Welche den Anspruch erhoben, dass die Mitglieder ihrer Gilde Abkömmlinge von Homers direkten Nachkommen seien; cf. vor allem die Darstellung in den Scholien zu Pind. Nem. 2,1 (III p. 29,9-18 Drachmann) sowie Krates von Mallos, Frg. 126* Broggiato (oder Krates von Athen, FGrHist 362 F 5), das ‚Certamen’ § 2 (V p. 226 l. 13-15 Allen = p. 35,6-8 von Wilamowitz-Moellendorff) und Strab. 14,1,35 bzw. den Klärungsversuch bei Ritoók 1970b, 27-29. Kapitel 3 102 geheiratet hatte, hatte er zwei Söhne und eine Tochter, welche Stasinos, der oberste Beamte von Zypern, heiratete. Die Söhne aber waren Eriphon und Theolaos.”) 281 . Es liegt hier also wieder eine Sondertradition vor, die einen Ausgleich zwischen den ionischen und den äolischen Ansprüchen auf den Dichter schaffen sollte und, da sie Homers Kindern mütterlicherseits einen Stammbaum aus Kyme gibt, nur in Kyme selbst entstanden sein kann und auf dasselbe Milieu zurückgehen dürfte, welches auch Homer selbst aus Kyme stammende Eltern zukommen ließ 282 . Ephoros hängt also für das vorangehende Motiv vom Aufenthalt Homers in Bolissos offenbar von einer Lokaltradition aus Kyme ab und geht nicht auf die ‚Vita Herodotea’ zurück. Der Verfasser der ‚Vita’ dagegen hing zwar ebenfalls von dieser Tradition ab, erlaubte sich aber einen freien Umgang mit ihr, d.h. er übernahm zwar das Motiv zu Homers Aufenthalt in Bolissos, schaltete ihm aber - in freier Erfindung - das Motiv der Einkehr bei Glaukos vor und hielt sich im übrigen an die Standardversion aus Chios zu den zwei Töchtern des Dichters, verzichtete also auf eine Erwähnung der abweichenden Tradition aus Kyme, die von zwei Söhnen zu erzählen wusste und diesen einen perfekten äolischen Stammbaum verlieh 283 . Wir können also insgesamt konstatieren, dass die pittoresken Motive der ‚Vita’ wie der Aufenthalt Homers auf Ithaka und seine vorübergehende Niederlassung in Bolissos keine Erfindung der ‚Vita’ waren, sondern Teil eines relativ breiten Traditionsstroms, der auf lokalgeschichtliche Ursprünge zurückgeht, und somit kann es uns auch nicht wundern, dass die sonstigen Belege zu diesen Motiven sich nicht auf ‚Herodot’ berufen, sondern einfach diese anonymen Traditionen weiterführen oder sich auf einen verlässlichen Zeugen wie den Lokalhistoriker Ephoros beziehen. Ohnehin ist zu sagen, dass die hellenistischen Gelehrten, von deren Sammeltätigkeit die im Späthellenismus oder in der Kaiserzeit entstandenen wissenschaftlichen Homer-Viten abhängen, den Romancharakter und die falsche Autorenzuweisung der ‚Vita Herodotea’ ohne weiteres durchschaut haben können und es deswegen (weitestgehend) vermieden, sich darauf zu berufen 284 . Damit ist die Rezeptionsgeschichte der ‚Vita Herodotea’ nicht 281 In derselben Tradition stehend, aber mit teilweise abweichenden Namen Tz. Hist. 13,628-634. 282 Cf. die oben genannten Traditionen von Hippias (FGrHist 6 F 13 = 86 B 18 D.-K.), Ephoros (FGrHist 70 F 1 und 99) und Ps.-Herodot (Vit. Hom. 1-3) sowie die Erläuterungen bei Ragone 2005, 466 f. 283 Die These von Jacoby 1933, 11, dass der Verfasser der ‚Vita Herodotea’ die äolische Herkunft Homers beweisen wollte, ist somit zwar korrekt, bedarf aber doch einer gewissen Relativierung. 284 Eine Ausnahme ist allerdings der genannte Hinweis auf die Theorie zur Herkunft Homers aus Kyme in der ‚Vita Romana’ (§ 2 [V p. 251 l. 10-11 Allen = p. 30,27-28 von Wilamowitz-Moellendorff]), welche bezeichnenderweise nicht auf ‚Herodot’, son- Dichterwettstreit 103 grundverschieden von der des ‚Certamen’, weil auch für dieses Werk zwar eine Reihe von Papyri eine kontinuierliche Rezeption bezeugt, weil aber auf der anderen Seite eine Nennung des Namens von Alkidamas in den Homer-Viten regelmäßig unterbleibt und die frühesten literarischen Testimonia zum Wettkampf zwischen Homer und Hesiod erst in den ersten Jahrhunderten der Kaiserzeit auftauchen und eine Nennung des Alkidamas wieder vermeiden 285 . Die beiden Werke hatten offenbar den Status apokrypher Schriften oder wurden der rein unterhaltenden Literatur zugerechnet, und das lange Schweigen der Quellen über das Homerbuch des ‚Herodot’ ist somit erklärbar. Ein dritter möglicher Einwand gegen die Zuweisung der ‚Vita Herodotea’ an Hippias ist schließlich die sprachliche Gestalt des Werkes, die einige Auffälligkeiten zeigt, die verschiedene Interpreten zum Schluss geführt haben, dass hier ein relativ spätes Erzeugnis der griechischen Literaturgeschichte vorliegen müsse 286 . In dieselbe Richtung deuten die beiden Schlusskapitel der ‚Vita’ (37-38), die mit ihren Hinweisen auf äolische Riten, mit ihrer exakten Berechnung von Homers Lebenszeit und mit dem Verweis auf die athenische Archontenliste gründliche hellenistische Gelehrsamkeit zeigen und damit nicht ins fünfte Jahrhundert zurückreichen können. Eine einfache Lösung wäre es nun, den Erzählzusammenhang der ‚Vita’ von ihrem sprachlichen Gewand zu trennen, d.h. die ionische Sprachform wäre erst ein Produkt einer sprachlichen Überarbeitung, die in der frühen Kaiserzeit erfolgt wäre 287 . Dagegen spricht aber, wie wir oben ausführten, dass die herodoteische Färbung des Traktats nicht nur in der sprachlichen Form besteht, sondern auch im narrativen Duktus, der, wie wir mehrfach aufzeigen konnten, dem jugendlichen Homer einen Forschergeist und eine Reisebereitschaft unterstellt (Vit. Hom. 6-7), die ganz der Selbstdarstellung des Herodot in seinem Geschichtswerk entsprechen, und der daher die herodoteischen Formeln aufs engste mit den dargestellten Ereignissen und der Art der wissenschaftlichen Argumentation verbindet 288 . dern auf Hippias (FGrHist 6 F 13 = 86 B 18 D.-K.) zurückgeführt wird. Es scheint also, dass zumindest einzelne hellenistische Philologen den wahren Autor der ‚Vita’ kannten und daher, wenn sie ausnahmsweise einmal darauf Bezug nahmen, die Schrift auch entsprechend zitierten. 285 D. Chr. 2,10-12; Plut. Conv. sept. sap. 10, 153 f - 154 a und Quaest. conv. 5,2, 674 f - 675 a; Luc. VH 2,22 und Philostr. Her. 43,9. 286 So vor allem Schmidt 1875, 8-15 und von Wilamowitz-Moellendorff 1916b, 415 Anm. 3, die daraus jedoch sehr unterschiedliche Datierungen ableiteten (2. Jh. n. Chr. vs. 2./ 1. Jh. v. Chr.). 287 So offenbar die Annahme von West 2003, der auf S. 304 Jacobys These von der Zusammenstellung der ‚Vita’ in klassischer Zeit übernimmt, sich auf S. 301 aber dennoch für eine Fixierung des Texts in der Kaiserzeit ausspricht. 288 Cf. die obigen Überlegungen zur Bezugnahme auf die ithakesische Lokaltradition in Vit. Hom. 7 und zum Spiel mit dem Wort πλάνη in Vit. Hom. 22. Kapitel 3 104 Es handelt sich also um eine Herodot-Parodie, die von Anfang an so geplant gewesen sein muss und somit auch das ionische Sprachgewand von Anbeginn an mit einschloss. Eine Trennung von Inhalt und Sprache ist daher nicht möglich. Etwas anders sieht es freilich aus in Bezug auf die beiden Kapitel am Schluss der ‚Vita’. Diese sind nämlich von einer geradezu militanten äolischen Gesinnung geprägt, wie wir sie in den vorangehenden Kapiteln trotz allem nicht finden (Vit. Hom. 37: ὅτι δὲ ἦν Αἰολεὺς Ὅµηρος καὶ οὔτε Ἴων οὔτε Δ∆ωριεύς, τοῖς τε εἰρηµένοις δεδήλωταί µοι καὶ δὴ καὶ τοῖσδε τεκµαίρεσθαι παρέχει. - „Dass Homer aber Äoler war und weder Ionier noch Dorer, ist mit dem Gesagten von mir aufgezeigt worden, und lässt sich insbesondere auch aus folgendem erschließen.”). Denn wir hatten oben gesehen, dass der Verfasser der ‚Vita’ zwar eindeutig Position bezieht, was die Herkunft von Homers Familie aus dem äolischen Kyme angeht, und sich damit eng an die Lokaltradition von Kyme anschließt, wie er auch sonst gelegentlich den Standpunkt Kymes einnimmt 289 . Doch es findet sich auch der längere Abschnitt (Vit. Hom. 11-14) zur Hartherzigkeit der Magistrate von Kyme, der einen deutlichen Kontrapunkt zu den Anfangskapiteln der ‚Vita’ setzt 290 , und im ausgedehnten Abschnitt über den Aufenthalt Homers auf Chios ist mehrfach die Chance ausgelassen, die ‚äolische Seite’ des Dichters stärker zu betonen, so im fehlenden Hinweis auf den äolischen Charakter von Homers zwischenzeitlichem Aufenthaltsort Bolissos und in der Beiseitelassung der Tradition zur Herkunft von Homers Ehefrau aus Kyme. Eine militante äolische Gesinnung zeigt sich in all dem gewiss nicht, und die Folgerung muss daher sein, dass die Kapitel 37 und 38 der ‚Vita’ ein späterer Zusatz von fremder Hand sind 291 , der sich an die äolische Tendenz der ‚Vita’ anschloss, diese aber radikal verschärfte 292 . Der Zeitpunkt für diese Erweiterung der ‚Vita Herodotea’ kann das Zeitalter von Hadrian oder die Zeit unmittelbar danach gewesen sein, als auch das 289 Cf. oben in Anm. 256 die Erläuterungen zur Kolonisierung Kebrens durch Kyme. 290 Cf. die Erläuterungen oben in Anm. 231. 291 Dass die beiden Schlusskapitel der ‚Vita Herodotea’ sich in Inhalt und Stil von der vorangehenden Erzählung jedenfalls stark unterscheiden, hielt auch schon Gigante 1996, 14 fest („due capitoli ... che nel loro spessore documentario hanno ben poco a che vedere con il resto della biografia”). 292 Die ‚Vita Herodotea’ endete also in der ursprünglichen Form mit dem Grabepigramm auf Homer (§ 36), mit welchem auch das ‚Certamen’ (§ 18) und eine Reihe anonymer Viten enden (‚Vita 4’ § 3; ‚Vita 5’ § 5; ‚Vita Romana’ § 6), während die erste Lebensbeschreibung des Ps.-Plutarch den chronologischen Lebensabriss ebenfalls mit diesem Epigramm enden lässt (Ps.-Plut. Vit. Hom. 1,4,4) und dann ähnlich wie die ‚Vita Herodotea’ verschiedene Erwägungen zur Herkunft und Lebenszeit des Dichters und zur Zahl und zum Inhalt seiner Werke anfügt. Dichterwettstreit 105 ‚Certamen’ eine solche Überarbeitung erfuhr 293 und als mit Julia Balbilla eine Dichterin zum Gefolge des Kaisers zählte, die versuchte, die äolische Literatursprache wiederzubeleben 294 . Die überarbeitete Version der ‚Vita’ kann also Ausdruck einer solchen äolischen ‚Renaissance’ unter Hadrian gewesen sein, und als Verfasser der hinzugegebenen Kapitel kommt dann Kephalion von Gergis bei Larisa, also unweit von Kyme im äolischen Sprachgebiet, in Frage 295 , der nach den erhaltenen Testimonia in hadrianischer Zeit lebte, nach dem Vorbild Herodots im ionischen Dialekt ein Geschichtswerk in neun Büchern verfasste und auch Interesse zeigte für die Person Homers bzw. für das Rätsel um seine Herkunft 296 . Eine solche Überarbeitung und Neuauflage in hadrianischer Zeit würde zudem erklären, dass eine bis dahin kaum beachtete Schrift wenige Jahrzehnte später bei Tatian die erste deutliche Erwähnung findet. Was nun die sprachlichen Auffälligkeiten der ‚Vita Herodotea’ angeht, so ist es keineswegs ausgemacht, dass es sich immer um späte Merkmale handeln muss 297 . So ist etwa βουλεῖον , das in § 12 der ‚Vita’ anstelle von βουλευτήριον Verwendung findet für den Versammlungsraum des Rats von Kyme und von J. Schmidt für eine sprachliche Idiosynkrasie aus der Verfallszeit des Griechischen gehalten bzw. von U. von Wilamowitz-Moellendorff für hellenistisch erklärt wurde 298 , inzwischen in einer Reihe von Inschriften bezeugt, und darunter auch in einer, die bereits dem frühen vierten Jahrhundert angehört 299 . Die Folgerung sollte also eher sein, dass der Verfasser der ‚Vita’ diese Wortform ganz gezielt wählte, um mit sol- 293 Sc. die Voranstellung der Kapitel 1 bis 4, die auf Hadrian Bezug nehmen und eine Fülle philologischer Gelehrsamkeit ausbreiten. 294 So in den vier Epigrammen (Bernand Inscr. Colosse Memnon 28-31 [Bernand, Bernand 1960, 80-98]), die Balbilla im Jahre 130 n. Chr. während der Reise des Kaisers durch Ägypten in einem äolischen Kunstdialekt verfasste und daraufhin auf der Monumentalstatue Memnons bei Theben eingravieren ließ. 295 Cf. Allen 1912b, 251-253 (= Allen 1924, 16-18), der in Kephalion überhaupt den Verfasser der (ganzen) ‚Vita’ sah. 296 Kephalion von Gergis, FGrHist 93 T 1 (= ‚Suda’ κ 1449 Adler) und T 2 (= Phot. Bibl. 68, 34 a 4-34). 297 Dies also auch gegen die neuere Arbeit von Ruiz Montero, Fernández Zambudio 2005, wo beispielsweise der ausgiebige Gebrauch des Optativs oder die Dominanz von δέ gegenüber καί als Zeichen eines kaiserzeitlichen Archaismus gewertet werden (S. 49 f. bzw. 58), obwohl es doch im Grunde die viel einfachere Hypothese ist, dass hier ein Autor aus klassischer Zeit den normalen syntaktischen Regeln seiner eigenen Epoche folgte. 298 Schmidt 1875, 12; von Wilamowitz-Moellendorff 1916b, 415 Anm. 3 („Nachbildung von ἀρχεῖον , also schwerlich älter als 250 v. Chr.”). 299 SEG 37, 340,21 (Mantineia, frühes 4. Jh. v. Chr., in der arkadischen Dialektform βωλήιον [zur Identität dieser Form mit βουλεῖον cf. LJS Suppl. S. 71); SIG 3 1011,17 (Chalkedon, 3./ 2. Jh. v. Chr.); SIG 3 614,34 (Delphi, 180 v. Chr.); SEG 23, 207,19 (Messenien, Zeit des Augustus). Kapitel 3 106 chen Ausdrücken, die gerade nicht der attischen Hochsprache entsprachen, seinem Werk ‚authentisches’ Lokalkolorit zu geben. Sollte sich aber in Einzelfällen der Verdacht auf späten Sprachduktus ernsthaft erhärten und sich nicht so leicht ausräumen lassen, so ist es auch denkbar, dass der späthellenistische oder kaiserzeitliche Bearbeiter, der die Schlusspassage der Kapitel 37 und 38 hinzufügte und sich immerhin die Mühe nahm, diesen Teil im selben herodoteischen Ionisch zu verfassen, das er in der ihm vorliegenden Schrift vorgefunden hatte, den Text einer generellen Revision unterzog und da und dort den überlieferten Wortlaut durch modernere Begriffe ersetzte. Wollte man wirklich, die Position vertreten, dass die ‚Vita Herodotea’ erst im späten Hellenismus oder in der Kaiserzeit abgefasst wurde, so müsste man sich auch fragen, auf welchem Weg denn die alten Motive zum Leben des Dichters in Kleinasien mit ihren eingelegten Epigrammen in die Kaiserzeit gelangten, wenn es keine solche Fixierung des Erzählzusammenhangs in klassischer Zeit gab, wie wir sie hier für Hippias postuliert haben. Warum der Sophist gerade die Traditionen aus Kyme zur Grundlage seiner Homer-Vita machte, entzieht sich letztlich unserer Kenntnis. Aber dass er darauf Bezug nahm, ist ohnehin durch das Zitat in der ‚Vita Romana’ (§ 2 [= Hippias, FGrHist 6 F 13 = 86 B 18 D.-K.]) gesichert, und wir konnten verschiedentlich feststellen, dass die Ansprüche von Kyme im fünften und vierten Jahrhundert in scharfer Opposition standen zu denen des ionischen Sprachgebiets und dass sie gerade in dieser Konfliktstellung immer wieder Erwähnung finden in der ‚Vita’. Es handelte sich also um eine aktuelle Diskussion über die Herkunft des größten griechischen Dichters, die keinen Intellektuellen der Zeit kalt lassen konnte und nun bei Hippias offenbar ihren ironischen Niederschlag fand. Solche ideologischen Auseinandersetzungen um die Person Homers gab es auch später wieder, aber sie beschränkten sich nicht mehr auf den Konflikt zwischen dem äolischen und dem ionischen Sprachgebiet, sondern waren Teil einer allumfassenden Diskussion zur Herkunft des Verfassers von ‚Ilias’ und ‚Odyssee’, die in unserem Text gänzlich ignoriert ist. So fehlt es insbesondere an Hinweisen auf Aristarchs These zur Herkunft des Dichters aus Athen 300 , die in einem Traktat des späten Hellenismus oder der frühen Kaiserzeit doch kaum völlig unbeachtet geblieben wäre 301 , und dies ist umso auffälliger, als die ‚Vita Herodotea’ in Kapitel 28 detailliert die Passagen nennt, in denen Homer das Lob Athens singt, und damit vielleicht auch schon auf den Streit Athens mit Megara um die Insel Salamis 300 Cf. die unten in Kap. 3.4.3 (Anm. 361) gegebenen Testimonia. 301 Dasselbe gilt aber beispielsweise auch für die These von der Herkunft des Dichters aus Ägypten (im Detail diskutiert von Wiemer 1908, 24-30), die in der ‚Vita Herodotea’ ebenfalls keine Berücksichtigung findet. Dichterwettstreit 107 hindeutet bzw. um den angeblich erst von Solon eingefügten Vers von Il. 2,558 302 . Einem Sophisten, der des öfteren Gastrecht in Athen genoss, hätte eine solche Parteinahme zugunsten Athens sicher gut angestanden, und dieses Verfahren der Erklärung bestimmter Passagen aus dem Schiffskatalog durch Hinweise auf die persönliche Beziehung des Dichters zur jeweiligen lokalen Bevölkerung passt sowieso in die Zeit, wie insbesondere das Parallelbeispiel aus dem ‚Certamen’ (Kap. 17) zu den Versen zeigt, die Homer im Interesse von Argos gedichtet habe 303 . Das spätere fünfte Jahrhundert war somit sicher der Moment in der griechischen Geschichte, der prädestiniert war für die Entstehung eines solchen Werkes, wie es die ‚Vita Herodotea’ darstellt, und nur ein Außenstehender wie Hippias, der weder dem Lager von Kyme noch der ionischen Sprachgruppe um Smyrna angehörte, hatte die Freiheit, die rivalisierenden Lokaltraditionen in der entspannt-neutralen Art zu verbinden, die wir in der ‚Vita’ vorfinden 304 . 3.4.2.4 Die (wahrscheinliche) Rezeption der ‚Vita Herodotea’ bei Sophokles und Kallimachos Nimmt man die Zuweisung der ‚Vita Herodotea’ an Hippias, die wir in den obigen Kapiteln postulierten, einmal als gegeben an, so erscheint auch eine bekannte Stelle bei Athenaios (13, 592a) in neuem Licht. Der Buntschriftsteller erwähnt dort nämlich, wie einst Sophokles als alter Mann sich in die Hetäre Theoris verliebt und sich daher in einem Gebet an Aphrodite gewendet habe, der er ein Epigramm vorgetragen habe, welches fast wortgleich in der ‚Vita Herodotea’ enthalten ist (Soph. TrGF 4 T 77: Σοφοκλῆς δ᾿ ὁ τραγῳδιοποιὸς ἤδη γέρων ὢν ἠράσθη Θεωρίδως τῆς ἑταίρας. ἱκετεύων οὖν τὴν Ἀφροδίτην φησίν· ... ταῦτα µέν ἐστιν ἐκ τῶν εἰς Ὅµηρον ἀνα- 302 Cf. die Äußerungen zu diesem Streit bei Arist. Rh. 1,15,13, 1375 b 30; Strab. 9,1,10; Plut. Sol. 10,2-3; Diog. Laert. 1,48 und 1,57 sowie Quint. inst. 5,11,40. 303 Hom. Il. 2,559-568b (= ‚Certamen’ § 17 [V p. 236 l. 289 p. 237 l. 301 Allen = p. 43,29 - 44,8 von Wilamowitz-Moellendorff]); die Episode bzw. die Erklärung für die Verse war offensichtlich traditionell, da sie zu den besonderen Ehrungen des Dichters in Argos und Chios überleitet und auch in Ps.-Hdt. Vit. Hom. 28 eine kurze Anspielung findet. 304 Ein weiteres Argument für die Entstehung der ‚Vita Herodotea’ in klassischer Zeit besteht im übrigen in den verschiedenen Dichtungen, die hier Homer zugeschrieben werden. Dazu zählen neben der ‚Ilias’ und der ‚Odyssee’ (§ 26-28) nämlich auch der ‚Zug des Amphiaraos gegen Theben’ (§ 9) sowie die ‚Ilias Parva’ und die ‚Phokais’ (§ 16), also auch Kyklische Epen und solche mit nicht-troischer Thematik, ganz so, wie auch das ‚Certamen’ (§ 15) mit der ‚Thebais’ und den ‚Epigonoi’ Kyklische bzw. nicht-troische Epen nennt. Dies widerspricht aber der sonstigen starken Tendenz, die ab dem vierten Jahrhundert fast nur noch die ‚Ilias’ und die ‚Odyssee’ als Werke Homers gelten ließ; cf. von Wilamowitz-Moellendorff 1884, 351-354 (S. 353: „Um 500 sind alle gedichte von Homer; um 350 sind von Homer im wesentlichen nur noch Ilias und Odyssee ...”). Kapitel 3 108 φεροµένων. - „Sophokles aber, der Tragödiendichter, verliebte sich als schon alter Mann in die Hetäre Theoris. Er sprach also zu Aphrodite mit flehender Bitte: ... 305 Dies nun stammt aus den Gedichten, die Homer zugeschrieben werden.”). Das Epigramm findet sich in der ‚Vita Herodotea’ in einer Passage, wo der bereits stark gealterte Homer anlässlich seines Besuchs von Samos von einer Priesterin der Göttin Kurotrophos schroff von den Opferhandlungen weggewiesen wird und sich daher mit einem skoptischen Epigramm rächt, in welchem er der Priesterin ein perverses Verlangen nach kraftlosen Greisen anwünscht, die nicht mehr zum Liebesakt fähig seien, aber dennoch die Lust darauf weiterhin in sich trügen (Ps.-Hdt. Vit. Hom. 30, V. 4: ὧν ὥρη µὲν ἀπήµβλυνται, θυµὸς δὲ µενοινᾷ 306 - „deren Jugendkraft zwar erlahmt ist, deren Sinn aber Verlangen spürt”). Wenn Sophokles nun dieses Epigramm zitiert, so ist er sich sicherlich nur zu bewusst, dass die Verse von ambivalenter Natur sind, denn selbst wenn Aphrodite der Theoris solch starkes Verlangen nach ihm einflößen würde, so könnte er mit seinen fortgeschrittenen Jahren, wie es das Gedicht deutlich genug sagt, dieses Verlangen doch kaum stillen, und weil er ja persönlich an Theoris interessiert ist, trifft der Fluch also im Grunde sehr viel stärker ihn selbst als seine spröde Geliebte. Der attische Dichter konnte das Gedicht somit, wenn er nicht in einen völligen Widersinn verfallen wollte, nur dann auf die eigene Situation anwenden, wenn er dies in selbstironischer Weise tat und eben kraft dieser überlegenen Formulierungsgabe und Schlagfertigkeit im verbalen und emotionalen Kräftemessen mit Theoris zuletzt doch die Oberhand behielt. Mit anderen Worten, er konnte das Epigramm nur dann für die eigenen Zwecke einsetzen, wenn er sich bewusst war, dass das Gedicht bereits in der Vorlage von einem älteren Mann gesprochen worden war 307 , der zwar im Unterschied zu Sophokles nicht persönlich an der Adressatin interessiert war, sich aber als Vertreter seiner Altersgruppe von der schroffen Haltung der Frau doch betroffen fühlen mochte und dies mit den Waffen des Dichters bzw. einer guten Portion Selbstironie kompensierte 308 . Somit unterwirft Sophokles das Epigramm zwar einer etwas anderen Funktion, als in der Vorlage vorzufinden war, setzt aber jedenfalls mit seinem Zitat nicht nur das Epigramm selbst voraus, sondern auch den Kontext, in welchem es in der ‚Vita Herodotea’ geäußert wurde. 305 Zitat von Hom. Epigr. 11 aus Ps.-Hdt. Vit. Hom. 30. 306 Bei Athenaios ὧν ἰσχύς usw. 307 Und nicht etwa, wie man aus dem bloßen Epigramm schließen könnte, von einem jungen mittellosen Liebhaber, der sich auf diese Weise an älteren finanzkräftigen Rivalen schadlos hält. 308 Cf. die Interpretation der Passage bei Markwald 1986, 205 f. Dichterwettstreit 109 Nun ist es möglich, dass Sophokles die Episode bzw. das eingefügte Gedicht noch aus der alten ionischen Tradition kannte, aus der die Einlage ursprünglich herstammte, bzw. aus dem Erzählschatz der Homeriden von Chios, die solche Ereignisse aus dem Leben ihres eponymen Ahnherrn sammelten und weitergaben 309 . Bedenkt man aber, dass der Tragiker im Jahre 406/ 405 im Alter von etwas über neunzig Jahren starb, das Epigramm also vielleicht im Zeitraum von 425 bis 415 v. Chr. rezitierte, so passt das nun wirklich gut zur Lebenszeit des Hippias bzw. zu den Nachrichten über seine längeren Aufenthalte in Athen, und das Studium einer pseudo-herodoteischen Schrift könnte bei einem Mann, der für seine Freundschaft mit Herodot bekannt war 310 , aber einen guten Scherz, wie ihn die ‚Vita Herodotea’ darstellt, immer zu würdigen wusste, keineswegs überraschen 311 . Die Folgerung wäre also, dass die ‚Vita Herodotea’ etwa im Zeitraum von 425 bis 415 entstand, als das Geschichtswerk Herodots schon vorlag 312 , in den ‚Acharnern’ des Aristophanes (425 v. Chr.) bereits einer ersten knappen Parodie unterzogen worden war 313 und nun Anlass geben konnte für eine weiter ausgreifende Parodie, die den herodoteischen Duktus mit einer umfassenden Behandlung von Homers Lebensgeschichte verband und damit ihrerseits zur Veranlassung wurde für eine humoristische Aufnahme durch den gealterten Sophokles 314 . Da es somit doch als wahrscheinlich gelten kann, dass Sophokles die ‚Vita Herodotea’ in einer Form benützte, die der unseren zumindest sehr ähnlich war, stellt sich die Frage, ob nicht auch im Werk des Kallimachos 309 Worauf dann Isokrates (10,65) und Platon (R. 599 e 5-6) Bezug nahmen; cf. unten Kap. 4.3.1. 310 Soph. Eleg. 5 W. 2 (= Plut. An seni 3, 785 b). 311 Während eine derart präzise Bezugnahme auf die alte ionische Tradition, die nur relativ wenigen Zeitgenossen des Sophokles bekannt gewesen sein dürfte und wohl auch dem Tragiker selbst nur schwer zugänglich war, eher unwahrscheinlich ist. 312 Zum terminus ante quem für die Publikation der ‚Historiai’ von 425 v. Chr. cf. Meister 1990, 26 (mit Anm. 14). 313 Zur Parodie von Hdt. 1,1-5 in Aristoph. Ach. 523-529 cf. oben Kap. 3.4.2.3 (mit Anm. 274). 314 Selbst wenn man die Anekdote (mit von Blumenthal 1927, 1042) für unhistorisch hält, so müsste sie ja doch erhebliche Zeit vor Athenaios bzw. schon relativ bald nach Sophokles’ Ableben erfunden worden sein, zumal bereits der Dichter selber die Hetäre in einem Lied erwähnte (TrGF 4 F 765) und das Liebesverhältnis zu ihr sich auch schon im dritten Jahrhundert v. Chr. bei Hermesianax von Kolophon bezeugt findet (Frg. 7,57-60 Powell [= Frg. 3,57-60 Ligthfoot] = TrGF 4 T 78 [ ἔρωτ᾿ ἀγειραιθειαρειδος cod.: ἔρωτ᾿ ἀνέγειρε Θεωρίδος Hermann secutus van Lennep]). Die Anekdote setzt somit eben die Situation der Jahre 425 bis 415 voraus, wie wir sie oben umschrieben haben, und deutet also so oder so stark darauf hin, dass die ‚Vita Herodotea’ nicht erst im zweiten Jahrhundert n. Chr. niedergeschrieben wurde, sondern weit in hellenistische oder, wie hier angenommen, schon in klassische Zeit zurückreicht. Kapitel 3 110 Lesespuren der ‚Vita’ vorliegen, die dem zumeist angenommenen Entstehungsdatum der Biographie (mittlerer bis später Hellenismus oder erste Jahrhunderte der Kaiserzeit) um einiges vorangehen. Dies hatte einst U. von Wilamowitz-Moellendorff postuliert 315 , der zwar die ‚Vita’ relativ spät datierte (130-80 v. Chr.) und Kallimachos somit nicht eine Kenntnis der gesamten ‚Vita’ unterstellte, aber doch immerhin davon ausging, dass Kallimachos an zwei Stellen seines Werkes auf Epigramm 8 der ‚Vita’ anspielt, wo der blinde Homer Seeleute aus Erythrai vergeblich darum bittet, ihm eine Überfahrt nach Chios zu gewähren, und sie in diesem Zusammenhang mit dem Sturmtaucher, einem häufig zu beobachtenden Wasservogel 316 , vergleicht (Ps.-Hdt. Vit. Hom. 19: ναῦται ποντοπόροι, στυγερῇ ἐναλίγκιοι αἴσῃ / / πτωκάσιν αἰθυίῃσι, βίον δύσζηλον ἔχοντες, / / αἰδεῖσθε ξενίοιο Δ∆ιὸς σέβας ὑψιµέδοντος· / / δεινὴ γὰρ µετόπισθεν ὄπις Δ∆ιός, ὅς κ᾿ ἀλίτηται. - „Meerdurchfahrende Seeleute, in Bezug auf euer hassenswertes Los den furchtsamen Sturmtauchern vergleichbar, denn ihr habt ein wenig beneidenswertes Leben. Zeigt Scheu vor Zeus, dem hochwaltenden Hüter des Gastrechts. Denn schlimm ist darauf die Vergeltung des Zeus, wenn einer sich verfehlt.”). Zurückhaltend wird man allerdings in Bezug auf Fragment 178 Pf. aus den ‚Aitia’ sein. Denn der Vergleich mit dem Sturmtaucher, den Kallimachos’ Bekannter, ein Mann von der kleinen Ägäisinsel Ikos, hier vornimmt (V. 33 f.: ἀλλ᾿ ἐµὸς αἰὼν / / κύµασιν αἰθυίης µᾶλλον ἐσῳκίσατο - „mein Leben ist jedoch mehr auf Wellen gebaut als das des Sturmtauchers”), ist von relativ konventioneller Natur 317 und lässt daher nicht notwendigerweise auf einen Rückbezug zu den analogen Motiven in der Homer-Vita schließen. Etwas anders sieht es freilich für Epigramm 58 Pf. aus ( τίς, ξένος ὦ ναυηγέ; ‚ Λεόντιχος ἐνθάδε νεκρὸν / / εὗρεν ἐπ᾿ αἰγιαλοῦ, χῶσε δὲ τῷδε τάφῳ / / δακρύσας ἐπίκηρον ἑὸν βίον· οὐδὲ γὰρ αὐτὸς / / ἥσυχον, αἰθυίῃ δ᾿ ἶσα θαλασσοπορεῖ. ’ - „Wer bist du, fremder Schiffbrüchiger? ‚Leontichos hat mich als Toten hier auf dem Strand gefunden und er bestattete mich in diesem Grab, sein eigenes zerbrechliches Leben beweinend. Denn auch er verbringt seinerseits sein Leben nicht in Ruhe, sondern fährt einem Sturmtaucher gleich übers Meer.’”). In diesem Fall ist nämlich die dargestellte Situation recht ähnlich der des homerischen Epigramms, wo ebenfalls ein Passant, der nicht zu den berufsmäßigen Seefahrern zählt, solchen Seefahrern - seien sie tot oder lebendig - am Meeresufer gegenübersteht und mit ihnen in einen Dialog tritt. Vor allem aber entspricht das Ende von Kallimachos’ Gedicht ( αἰθυίῃ δ᾿ ἶσα θαλασσοπορεῖ ) dem Beginn des ho- 315 Von Wilamowitz-Moellendorff 1916b, 416 bzw. 426. 316 Zur Identifikation der αἴθυια als ‚Sturmtaucher’ cf. Markwald 1986, 156 (mit Anm. 17). 317 Cf. Massimilla 1996, 416 und Harder 2012, 987, die unter anderem auf Arat. 296-298 und Anth. Pal. 7,295,2 (Leonidas von Tarent) hinweisen. Dichterwettstreit 111 merischen Epigramms ( ναῦται ποντοπόροι, στυγερῇ ἐναλίγκιοι αἴσῃ / / πτωκάσιν αἰθυίῃσι ) recht eng im Wortlaut und verbindet ebenfalls (in chiastischer Anordnung) den Seevogelvergleich mit einem Kompositum zur Fahrt über das Meer. Es liegt hier also gleichsam ein abschließendes Wort des Kallimachos zu dem Thema vor, welches das homerische Epigramm vorgegeben hatte, und dass hier tatsächlich an das Gedicht der ‚Vita’ gedacht ist, wird nahegelegt durch das singuläre Kompositum θαλασσοπορέω , das zu den absoluten Hapax legomena der griechischen Literatur zählt und dem gebräuchlichen Epitheton ποντοπόρος , welches das homerische Epigramm aufweist, gewissermaßen einen modernen Kommentar entgegenstellt. Wenn man diese Folgerung vielleicht noch bezweifeln mag, so liegt doch in den Hymnen des Kallimachos eine kaum mehr bestreitbare Anspielung auf eine homerische Vita bzw. auf ein artverwandtes Werk vor, nämlich auf die berüchtigten Verse aus dem ‚Certamen’, welche schon Aristophanes zu einer heiteren Replik veranlasst hatten (‚Certamen’ § 9, V p. 229 l. 107-108 Allen = p. 38,7-8 von Wilamowitz-Moellendorff: δεῖπνον ἔπειθ᾿ εἵλοντο βοῶν κρέα καὐχένας ἵππων / / ἔκλυον ἱδρώοντας, ἐπεὶ πολέµοιο κορέσθην. - „Als Abendessen nahmen sie darauf zu sich Fleisch von Rindern und Nacken von Pferden, schwitzende, spannten sie aus, nachdem ich mich am Krieg gesätttigt hatte.”). Diese Verse sind aufgenommen im Hymnos auf Athene, über welche dort gesagt wird, dass sie nach dem siegreichen Kampf mit den Giganten zuerst ihre Pferde ausschirrte und wusch, bevor sie selber ein Bad nahm (Lav. Pall. 9-11: ἀλλὰ πολὺ πράτιστον ὑφ᾿ ἅρµατος αὐχένας ἵππων / / λυσαµένα παγαῖς ἔκλυσεν Ὠκεανῶ / / ἱδρῶ καὶ ῥαθάµιγγας. - „Aber zuallererst löste sie die Nacken der Pferde vom Wagen und spülte mit dem Quell des Okeanos den Schweiß und die Staubkörner ab.”). Hier liegt nicht nur eine signifikante Übereinstimmung in den Endformeln vor ( καὐχένας ἵππων vs. αὐχένας ἵππων 318 ) und im Motiv des Pferdeschweißes ( ἱδρώοντας vs. ἱδρῶ ) vor, sondern wir finden insbesondere ein Spiel um die Wörter λύω, ἐκλύω und κλύζω vor 319 , d.h. mit den Formen λυσαµένα und ἔκλυσεν zeigt Kallimachos als guter Dichterphilologe, dass er die ungewöhnliche Form ἔκλυον als unaugmentiertes Imperfekt von ἐκλύω - ‚herauslösen’ (und nicht als regelmäßiges Imperfekt von κλύω - ‚hören’) durchschaute, aber auch selber dieses Spiel mit Worten weiterführen konnte, indem er mit ἔκλυσεν eine nicht weniger doppeldeutige, aber genauso wenig von κλύω abzu- 318 Das homerische Epos kennt dagegen, wie oben in Kap. 3.1 erläutert, nur die Endformel ἐριαυχένας ἵππους (Il. 10,305; 17,496; 18,280 und 23,171), weist also niemals die Kombination des Akkusativs αὐχένας mit dem Genitivattribut ἵππων auf. 319 So die gute Beobachtung von Führer 1987 (in kritischer Auseinandersetzung mit Bulloch 1985, 120, der in den Versen des Kallimachos lediglich konventionelle epische Phraseologie erkannte). Kapitel 3 112 leitende Form verwendete. Zudem steht natürlich der Kontext der Stelle mit dem Motiv des Kampfendes nahe bei den Versen des ‚Certamen’ bzw. bei deren Vorbild in der ‚Ilias’ (8,543). Zwar ist auch denkbar, dass Kallimachos sich für die Gestaltung seiner Verse nicht direkt an das ‚Certamen’ anschloss, sondern an dessen Bearbeitung im ‚Frieden’ des Aristophanes (Pax 1282 f.). Doch sind die Götterhymnen des Kallimachos ohnehin viel stärker von der homerischen Dichtung geprägt als von Rückbezügen auf die attische Komödie und insbesondere unsere Stelle mit der Situation des soeben beendeten Kampfes der Götter gegen die Giganten schlägt ein eminent episches Thema an, dessen erste Erwähnungen bei Hesiod vorliegen (Th. 954; Frg. 43a,65 M.-W.), wie denn auch danach mit dem Hinweis auf die Blendung des Teiresias und auf seine ersatzweise dafür gewährte Berufung zum Seher (Lav. Pall. 57- 131) ein Thema Behandlung findet, das eine enge Parallele zur Biographie Homers aufweist. Es dürfte für Kallimachos an dieser Stelle also wesentlich größeren Reiz gehabt haben, den Bezug zum ‚Certamen’ zu suchen, welches Homer und Hesiod zusammenführt, und ein allfälliger Bezug zu Aristophanes konnte dann nur noch von sekundärer Natur sein. Kallimachos nahm also mit einiger Wahrscheinlichkeit Notiz vom ‚Certamen’, dessen Verbreitung im frühen Hellenismus ohnehin durch P. Petr. 1,25,1 gesichert ist, und ein solches Interesse für die Homer-Biographie war bei einem Autor, der in seinen ‚Pinakes’ in 120 Büchern (Frg. 429-453 Pf.) eine höchst umfangreiche Materialsammlung zu allen bedeutenden Schriftstellern zusammenstellte 320 und sich verschiedentlich Gedanken über den Umfang des homerischen Corpus machte 321 , gewisslich zu erwarten. Damit erhöht sich aber auch wieder die Wahrscheinlichkeit, dass in Epigramm 58 tatsächlich ein bewusster Rückbezug zu Epigramm 8 aus der traditionellen Homer-Biographie vorliegt. Wie für Sophokles ist es natürlich auch für Kallimachos möglich, dass er sich dafür noch an den Aufzeichnungen orientierte, die die Homeriden von Chios als besonderen Schatz ihrer Gilde hüteten 322 . Ökonomischer ist aber sicher die Annahme, dass er sich an eine zusammenhängende publizierte Schrift hielt, wie es nach unserer Annahme die ‚Vita Herodotea’ damals bereits seit anderthalb Jahrhunderten war. Wir gelangen also insgesamt zum überraschenden Resultat, dass die Motiv- und Textgeschichte der ‚Vita Herodotea’ recht ähnlich verlief wie die des ‚Certamen’ und dass die jeweilige Erzählung zunächst in lokalen Überlieferungen ihren Platz hatte, bevor sie allmählich reicher ausgestaltet wurde, im späteren fünften Jahrhundert von ihrem Verfasser in die kanoni- 320 Speziell zu Homer die allerdings umstrittenen Frg. 452-453 Pf. 321 Call. Frg. 397 Pf. (der ‚Margites’ von Homer stammend); Epigr. 6 Pf. (die ‚Oichalias Halosis’ nicht von Homer, sondern von Kreophylos stammend). 322 Entsprechend der impliziten Annahme bei von Wilamowitz-Moellendorff 1916b, 426. Dichterwettstreit 113 sche Form gebracht wurde, in den folgenden Jahrhunderten gelegentlich Anlass zu Anspielungen und zu kleineren Veränderungen gab und schließlich in der Kaiserzeit ihre definitive Fixierung erfuhr 323 . ‚Kanonische Form’ bedeutet in diesem Zusammenhang, dass der Motivbestand bereits durch Hippias bzw. den Verfasser des ‚Certamen’ weitestgehend festgelegt wurde 324 und dass die Verspassagen so ihre definitive Gestalt erhielten, dass die dazwischenliegenden Prosapartien in der Regel zwar ebenfalls stabil waren, aber jederzeit punktuelle Änderungen erfahren konnten 325 und dass insbesondere im Anfangs- und im Schlussteil der beiden Werke mit ihren philologischen Ausführungen zur Person Homers bis zuletzt Anpassungen an den aktuellen wissenschaftlichen Stand möglich waren 326 . 3.4.3 Die Frage nach dem Urheber des ‚Certamen Homeri et Hesiodi’ Wenn wir also die Zuweisung der ‚Vita Herodotea’ an Hippias als gesichert annehmen wollen, so stellt sich nun anschließend die Frage, ob die ‚Vita Herodotea’ und das ‚Certamen’ vom selben Verfasser stammen können, mithin die Frage, ob auch das ‚Certamen’ Hippias zuzuordnen ist oder ob wir an einen anderen Verfasser wie etwa Gorgias denken sollten. Prinzipiell denkbar ist die zweifache Zuweisung unserer Traktate an Hippias schon, weil wir oben ein vergleichbares Entstehungsdatum für die beiden 323 Zur wiederholten Veränderung der antiken Schriften zum Leben Homers und zu ihrer schließlichen Fixierung in der Kaiserzeit cf. die Erklärung von Bassino 2012, 42, die auf den Charakter dieser Werke als Materialien für die Schule hinweist. 324 Im ‚Certamen’ also dergestalt, dass sein sophistischer Verfasser die Umkehrung der Rollen als Herausforderer und Kontrahent zwischen Homer und Hesiod vornahm und die Gestalt des Panedes als Schiedsrichter in die Geschichte einführte (oben Kap. 3.2), in der ‚Vita’ insbesondere in der Form, dass Hippias die unterschiedlichen Lokaltraditionen aus Kleinasien, Chios, Samos, Ios und Ithaka zu einer zusammenhängenden Geschichte verwob und diese Lebensgeschichte Homers gesamthaft an den Handlungsgang der ‚Odyssee’ anpasste. 325 Für das 'Certamen' cf. z.B. die Abweichungen im Text, die zwischen Z. 40-44 von P. Petr. 1,25,1 und der entsprechenden Partie des Florentiner Codex (Kap. 8, V p. 229 l. 99 Allen = p. 37,28-29 von Wilamowitz-Moellendorff) vorliegen; für die ‚Vita Herodotea’ cf. Sier 2001, der zwei Fälle von möglicher Interpolation in den Kapiteln 19 und 21 der ‚Vita’ bespricht. 326 Im Falle des ‚Certamen’ ist dabei in erster Linie an die einleitenden Kapitel zur Herkunft und Lebenszeit Homers (Cert. 1-4) zu denken, die wegen ihrer Erwähnung von Kaiser Hadrian erst in römischer Zeit ihre definitive Form gefunden haben können, an den Vergleich zwischen Alkidamas und Eratosthenes bzw. ihrer jeweiligen Darstellung der Geschichte von Hesiods Tod in Kapitel 14 und an die genauen Angaben zur Verszahl von ‚Ilias’ und ‚Odyssee’ in Kapitel 16, die typisch hellenistisch sind, im Falle der ‚Vita’ an die Werkliste in Kapitel 24, die auch späte Gedichte wie die ‚Batrachomachie’ (sc. ‚Batrachomyomachie’) enthält, und vor allem an die beiden Schlusskapitel (Vit. Hom. 37-38), deren Sondercharakter oben diskutiert wurde. Kapitel 3 114 Werke festhalten konnten und weil es ohnehin bedeutsame thematische Übereinstimmungen zwischen ihnen gibt wie vor allem die indirekte Porträtierung des eigenen sophistischen Berufsstandes in der Person des improvisierenden Dichters bzw. in seinen Auftritten im öffentlichen Raum. Diesen Parallelen steht aber eine Reihe von Abweichungen gegenüber, die eher auf unterschiedliche Verfasser hindeuten. Beispielsweise zeigt Homer im Handlungsgang des ‚Certamen’ keine Anzeichen von Blindheit, erkrankt aber in der ‚Vita Herodotea’ schon in jungen Jahren an solcher Sehschwäche; der Dichter hält sich im ‚Certamen’ über weite Strecken seines Lebens im griechischen Mutterland auf, reist auch nach dem Wettkampf in Chalkis durch das griechische Festland und hält sich insbesondere in Athen auf (‚Certamen’ § 16), während er in der ‚Vita’ nie auf das Festland gelangt und auch an den späten Plänen zu einer Reise nach Athen (‚Vita’ § 34) durch seinen Tod gehindert wird; dieser Tod schließlich ist im ‚Certamen’ die Folge von Homers Ausgleiten und damit mittelbar die Folge der Verärgerung über sein Versagen im Rätselkampf mit den Fischerjungen (‚Certamen’ § 18), wohingegen der Verfasser der ‚Vita Herodotea’ ausdrücklich gegen diese Version polemisiert und den Tod rein durch die Altersschwäche des Dichters geschehen lässt (‚Vita’ § 36). Diese Unterschiede müssen nicht unbedingt als Hinweis auf divergierende Verfasserschaft interpretiert werden, sondern könnten auch erklärt werden durch die unterschiedliche Motivtradition (böotische Tradition vom Dichterwettstreit vs. früher ionischer Lebensbericht bzw. Lokaltradition von Kyme), an die sich der jeweilige Verfasser des ‚Certamen’ bzw. der ‚Vita Herodotea’ anschloss, oder genau umgekehrt durch punktuelle Änderungen, die sein Werk danach noch durch fremde Hand erfuhr. Auch könnte man argumentieren, dass die beiden Traktakte - zumindest was die jeweilige klassische Ausprägung des fünften Jahrhunderts angeht - autonomen literarischen Zielen dienten und keine definitive Klärung homerischer Zetemata anstrebten, weswegen eine absolute Harmonisierung und Kohärenz auch nicht erforderlich war. Wenn also die thematischen Unterschiede nicht notwendigerweise zu einem Schluss auf unterschiedliche Verfasser zwingen, so lassen sie sich doch erheblich leichter mit einer solchen Annahme erklären. Ähnlich verhält es sich mit den zwei Epigrammen, die in beiden Werken überliefert sind und jeweils Unterschiede im Versbestand und in der konkreten Versgestalt zeigen. Denn im Falle des oben in Kap. 3.4.1 vorgestellten Epigramms an die Phratrie von Samos bzw. die Stadtoberen von Athen (‚Vita’ § 31; ‚Certamen’ § 16) lassen sich die Unterschiede im Text noch relativ gut mit dem aristokratischen bzw. demokratischen Ambiente des jeweiligen Vortrags erklären 327 . Doch im Falle des Grabepigramms für 327 Cf. von Wilamowitz-Moellendorff 1916b, 431 Anm. 1 und Markwald 1986, 214. Dichterwettstreit 115 König Midas (‚Vita’ § 11; ‚Certamen’ § 15) besteht neben der unterschiedlichen Verszahl auch noch eine Anzahl kleinerer Abweichungen im Wortlaut 328 , für welche keine solche Erklärung ersichtlich ist, weswegen die einfachste Erklärung eben doch die bleibt, dass hier zwei verschiedene Verfasser tätig waren, die unterschiedliche Rezensionen des Epigramms in ihr Werk aufnahmen. Da also eine Zuweisung des ‚Certamen’ an Hippias problematisch erscheint, sollte als hauptsächlicher Kandidat für die Verfasserschaft Gorgias von Leontinoi gelten können, und das Porträt Homers, der in Kapitel 16 des ‚Certamen’ nach Athen gelangt und sich dort in improvisierten Versen an das Volk und die Obrigkeit der Stadt wendet, dürfte damit ein indirektes Selbstporträt des Gorgias darstellen bzw. eine Anspielung auf seinen Besuch der Stadt im Jahre 427 und auf seinen Auftritt vor der Volksversammlung mit den Proben seiner Improvisationskunst 329 . Überhaupt entspricht die Schlagfertigkeit Homers im Wettkampf mit Hesiod ganz den bekannten Fähigkeiten des Gorgias 330 , und es gibt insbesondere eine Stelle im ‚Certamen’, die nun wirklich stark an Gorgias erinnert, nämlich die Passage, wo Homer, nachdem er eine besonders knifflige Frage Hesiods beantwortet hat, diesen nun seinerseits auffordert, beliebige Fragen an ihn zu richten (‚Certamen’ § 11 [V p. 231 l. 160 Allen = p. 40,1 von Wilamowitz-Moellendorff]: ἄλλο δὲ πᾶν ὅ τι σῷ θυµῷ φίλον ἐστὶν ἐρώτα. - „Frage mich aber nach jeglichem anderem, wonach auch immer dir zumute ist.”). Homer ist also bereit für improvisierte Antworten zu jedem beliebigen Thema und er tut damit genau das, was auch Gorgias mit seinem berühmten Ausspruch προβάλλετε - „Nennt mir ein Thema! ” (82 A 1a D.-K.) gegenüber dem Publikum von Athen getan hatte 331 . In noch engerer Parallele zu Homers Aufforderung im ‚Certamen’ steht freilich eine zweite Form der Aufforderung, die Gorgias jeweils ausgesprochen haben soll, nämlich genau wieder die Aufforderung an das Publikum zu Fragen jeglicher Art. So überliefert es der spätantike Philosoph Hermeias von Alexandria (zu Plat. Phdr. 267a, p. 250,21-24 Lucarini/ Moreschini: περὶ δὲ Γοργίου τοῦτο λέγεται, ὅτι ἐρωτᾶν ἐκέλευεν ὅτι τις βούλεται, καὶ µηδενὸς ἐρωτῶντός ποτε, λαβὼν φύλλον εἶπεν εἰς τὸ φύλλον λόγον τινά, εἶτα εἰς τὴν Ἀθηνᾶν, καὶ παµµήκη λόγον ἀπετείνατο. - „Über Gorgias aber wird erzählt, dass er jeweils dazu aufforderte zu fragen, was immer einer wolle, und als einmal niemand eine Frage stellte, nahm er ein Blatt und hielt eine Rede 328 Cf. die Diskussion der unterschiedlichen Textgestalt bzw. der sonstigen Belege für das Epigramm bei Markwald 1986, 35-38. 329 Cf. die oben in Kap. 3.4.1 genannten Testimonia. 330 Cf. etwa die Anekdote über seinen Wortwechsel mit dem Witzbold Chairephon (Philostr. VS 1 Proöm.). 331 So die gute Beobachtung von Vogt 1959, 198 f. Kapitel 3 116 auf das Blatt, danach auf Athene, und so zog er die Rede sehr in die Länge.”). Die hier erzählte Anekdote über die Rede auf das Blatt, die Gorgias gehalten haben soll - offenbar ein Spezimen einer paradoxen Lobrede -, mag spätere Erfindung sein. Die Einleitung der Anekdote mit dem Hinweis auf wiederholte ‚Fragestunden’ dieser Art dürfte aber historisch sein, weil auch Platon für Gorgias’ Auftritt im Haus des Kallikles wieder genau dasselbe referiert (Plat. Grg. 447 c 6-8 = Gorg. 82 A 20 D.-K.: ἐκέλευε γοῦν νυνδὴ ἐρωτᾶν ὅτι τις βούλοιτο τῶν ἔνδον ὄντων, καὶ πρὸς ἅπαντα ἔφη ἀποκρινεῖσθαι. - „Er hat gerade eben die im Haus Anwesenden aufgefordert, ihn zu fragen, was auch immer ein jeder von ihnen wolle, und er sagte, er werde auf alles antworten.”) und es ebenfalls als habituelle Technik des Gorgias darstellt (Plat. Grg. 447 d 6 - 448 a 3: ... καὶ γὰρ νυνδὴ αὐτὰ ταῦτα ἐπηγγελλόµην, καὶ λέγω ὅτι οὐδείς µέ πω ἠρώτηκε καινὸν οὐδὲν πολλῶν ἐτῶν. - „... Denn ich habe gerade eben genau dies in Aussicht gestellt und ich sage, dass noch niemand mich nach etwas Neuem gefragt hat während vieler Jahre.”). Auftritte dieser Art müssen also das besondere Kennzeichen des Gorgias gewesen sein, und da auch Homer im ‚Certamen’ alle nun folgenden Fragen des Hesiod zur vollen Zufriedenheit des Publikums zu beantworten vermag, können wir wieder schließen, dass hier ein verkapptes Porträt des Gorgias vorliegt und dass es höchstwahrscheinlich Gorgias selbst war, der dieses schmeichelhafte Porträt seiner Person zeichnete. Wenn aber die Gestalt Homers im ‚Certamen’ eine Chiffre für eine Gestalt des klassischen Zeitalters vorstellt, dann erhebt sich sofort die Frage, ob das nicht genauso gilt für die beiden anderen Hauptakteure des ‚Certamen’, nämlich für Hesiod und für den Kampfrichter Panedes, und mindestens für den letztgenannten dürfte sich eben dies postulieren lassen. Denn das Urteil des Panedes, der dem Hesiod den Sieg zuerkennt, weil es wichtiger sei den Frieden zu besingen als den Krieg 332 , stellt nach allgemeiner Auffassung ein Fehlurteil dar 333 , und der Name des Königs, der in den verschiedenen Belegen des Wettkampfs als Πανήδης, Πανοίδης oder Πανίδης überliefert ist und vielleicht richtigerweise Πανείδης lauten sollte, ist - da sonst nicht belegt und damit offensichtlich ad-hoc erfunden - sicherlich ein sprechender Name und dürfte ‚Allwissend’ bedeuten 334 . 332 ‚Certamen’ § 13 (V p. 233 l. 207-210 Allen = p. 41,18-21 von Wilamowitz-Moellendorff). 333 So die communis opinio (besonders deutlich formuliert von Vogt 1959, 199), die allerdings immer wieder auch Gegner findet (z.B. West 1967, 443, Heldmann 1982, 25-27 und 52 f. sowie Graziosi 2001, 71). 334 Zur Überlieferung und zur Etymologie des Namens cf. Hermann 1832a, 199 bzw. 1835, 151 und Aly 1949. Nur vereinzelte Nachfolge fand m.W. der Vorschlag von Kirchhoff 1892, 887 und Dornseiff 1944, 137 Anm. 1, den zweiten Bestandteil des Kompositums nicht von οἶδα - ‚wissen’ abzuleiten, sondern von der Wurzel ἡδ- - Dichterwettstreit 117 Dies passt nun erstaunlich gut auch zu Gorgias selbst, der mit seiner Bereitschaft, sofort auf alle ihm vorgelegten Themen improvisierend einzugehen, eben einen solchen Anspruch der Allwissenheit erhob (Gorg. 82 A 1a D.-K. = Philostr. VS 1 Proöm.: ἐνδεικνύµενος δήπου πάντα µὲν εἰδέναι, περὶ παντὸς δ᾿ ἂν εἰπεῖν ἐφιεὶς τῷ καιρῷ - „womit er gewissermaßen aufzeigte, dass er alles wusste, aber auch über alles zu reden verstand, sich ganz dem gegenwärtigen Moment anheimgebend”) 335 . Doch hat Gorgias mit Homer die Person, die er spielen möchte, gewissermaßen schon gefunden, und mindestens genauso gut wie zu Gorgias passt dieser Anspruch der Allwissenheit zu Hippias, dessen besonderes Selbstbewusstsein nicht zuletzt darauf beruhte, dass er all seine Gebrauchsgegenstände selber herstellte 336 , damit auf umfassendes Wissen auf allen Gebieten der menschlichen Kultur verweisen konnte (Hippias, 86 A 12 D.-K. = Plat. Hp. Mi. 368 b 2-5: πάντως δὲ πλείστας τέχνας πάντων σοφώτατος εἶ ἀνθρώπων, ὡς ἐγώ ποτέ σου ἤκουον µεγαλαυχουµένου, πολλὴν σοφίαν καὶ ζηλωτὴν σαυτοῦ διεξιόντος ἐν ἀγορᾷ ἐπὶ ταῖς τραπέζαις. - „Du bist aber überhaupt in den meisten Künsten der weiseste von allen Menschen, wie ich [sc. Sokrates] einmal selber von dir gehört habe, als du dich sehr rühmtest und auf dem Marktplatz bei den Tischen deine umfassende und bewundernswerte Weisheit vorführtest.” 337 ) und diesen Anspruch insbesondere auch in Bezug auf die Dichtkunst erhob, in der er nicht nur selber als aktiver Künstler hervortrat ‚süß’ ( Πανήδης - ‚[dem] Alles recht ist’ [Kirchhoff] bzw. ‚Ganz erfreulich’ [Dornseiff]), so etwa bei Clay 2004, 76 (‚He who pleases all’). 335 Irritierend ist die Nähe dieser Formulierung ( πάντα µὲν εἰδέναι ) zum Namen ‚Panedes’ freilich schon, wie denn auch die genannte Aufforderung Homers (Cert. § 11: ἄλλο δὲ πᾶν ὅ τι σῷ θυµῷ φίλον ἐστὶν ἐρώτα ) große Nähe im oben zitierten Zeugnis Platons zur Improvisationstechnik des Hippias findet (Hp. Mi. 363 d 1-4: ... καὶ ἀποκρινόµενον τῷ βουλοµένῳ ὅτι ἄν τις ἐρωτᾷ - „... und um Antwort zu geben, was auch immer jemand mich fragen will”). Man könnte also auch auf ein Szenario schließen, wonach das ‚Certamen’ von Hippias stammte, der sich selbst in Homer verkörperte und Panedes zur Maske des Gorgias machte. Dagegen spricht aber nach wie vor die wahrscheinliche Zuweisung der ‚Vita Herodotea’ an Hippias bzw. die Differenzen zwischen der ‚Vita’ und dem ‚Certamen’, und die Bereitschaft, auf alle Fragen der Gesprächspartner einzugehen, war, wie wir oben sahen, bei Gorgias mindestens so ausgeprägt (Plat. Grg. 447 c 6-8 und 447 d 6 - 448 a 3; Herm. in Phdr. 267a, p. 250,21-24 Lucarini/ Moreschini) wie bei Hippias. Da nun diese Bereitschaft zur Behandlung beliebiger Gegenstände neben einem ungezwungenen Redefluss immer 336 Plat. Hp. Mi. 368 b 5 c 7 bzw. Apul. flor. 9,16-23. 337 Cf. auch die unmittelbar vorangehende Passage von Hp. Mi. 368 a 8 b 1, wo Sokrates den Hippias dazu auffordert, eine bestimmte methodische Frage κατὰ πασῶν τῶν ἐπιστηµῶν - „in allen Wissensgebieten” zu prüfen. auch die Demonstration einschlägigen Fachwissens implizierte, musste jeder ambitionierte Sophist bestrebt sein, einen solchen Ruf der Allwissenheit zu erwerben (cf. Isoc. 12,18). Philostrats Formulierung ist also kein zwingender Grund, um Gorgias in Panedes wiederzuerkennen, und Gorgias selbst kann leicht genau umgekehrt diese Titulierung in ironischer Weise auf einen seiner Fachkollegen angewandt haben. Kapitel 3 118 (Hippias, FGrHist 6 T 2 = 86 A 12 D.-K. = Plat. Hp. Mi. 368 c 8 d 2), sondern sich auch als Experte für die Produktionen anderer verstand (368 d 2-6: καὶ περὶ τῶν τεχνῶν δὴ ὧν ἄρτι ἔλεγον ἐπιστήµων ἀφικέσθαι διαφερόντως τῶν ἄλλων, καὶ περὶ ῥυθµῶν καὶ ἁρµονιῶν καὶ γραµµάτων ὀρθότητος, καὶ ἄλλα ἔτι πρὸς τούτοις πάνυ πολλά, ὡς ἐγὼ δοκῶ µνηµονεύειν. - „Und auch als Experte auf den Wissensgebieten, die ich soeben erwähnt habe, seist du herbeigekommen, den anderen weit überlegen, insbesondere auf dem Gebiet der Rhythmen und der Harmonien und der Korrektheit im Sprachgebrauch, und noch in sehr vielem anderem, wie ich mich zu erinnern glaube.”). Wir können uns also überlegen, wen wir eher in Panedes wiedererkennen wollen, und da es doch recht unwahrscheinlich ist, dass einer der so selbstbewussten Sophisten des fünften Jahrhunderts sich mit der Gestalt des fehlbaren Königs selbst ironisch aufs Korn nahm, sollte es sich so verhalten, dass Gorgias hier nicht auf sich selber abzielte, sondern ein satirisches Porträt seines allzu stolzen Berufskollegen Hippias zeichnete, zumal dieser seinen Anspruch gerade in Bezug auf das Gebiet der Dichtkunst erhob. Selbstverständlich bleibt diese Zuweisung des ‚Certamen’ an Gorgias Hypothese und man kann auch an andere Sophisten denken, die in der fraglichen Zeit in Athen tätig waren, wie etwa Protagoras, Kritias oder Prodikos. Doch ist für Protagoras kein besonderes Interesse an der Kunst der Improvisation bekannt. Kritias von Athen war zwar ein brillanter Geist, der sich auch selber in der Dichtkunst hervortat. Aber es ist ihm, dem oligarchischen Hardliner, eine besondere Würdigung der demokratischen Strukturen von Athen, wie sie in Kapitel 16 des ‚Certamen’ hervortritt, auf keinen Fall zuzutrauen. Prodikos von Keos dagegen trat wie Gorgias und Hippias als Gesandter seiner Heimatstadt in Athen auf und verschaffte sich so ein großes Renommée 338 . Doch auch er war - ähnlich wie Protagoras - nicht für Improvisationen bekannt, sondern für vorbereitete epideiktische Reden wie insbesondere die Fabel von Herakles am Scheideweg, und er soll interessanterweise gerade mit dieser oftmals vorgetragenen Rede den Unmut des Gorgias hervorgerufen haben, der sich eben dadurch erstmals dazu inspirieren ließ, seine eigene Kunst der Improvisation vorzuführen (Philostr. VS 1 Proöm.: τοῦτο δ᾿ ἐπελθεῖν τῷ Γοργίᾳ διὰ τόδε· ... ὁ δὴ Γοργίας ἐπισκώπτων τὸν Πρόδικον, ὡς ἕωλά τε καὶ πολλάκις εἰρηµένα ἀγορεύοντα, ἐπαφῆκεν ἑαυτὸν τῷ καιρῷ. - „Dies aber [sc. die Idee zur Erfindung der improvisierten Rede] war dem Gorgias aus diesem Grund eingefallen. ... Gorgias nun verspottete den Prodikos, weil er Abgestandenes und oftmals Vorgetragenes vorbringe, und gab sich selbst ganz dem gegenwärtigen Moment anheim.”). Wenn man so will, könnte 338 Prodikos, 84 A 1a D.-K. (= Philostr. VS 1,12). Dichterwettstreit 119 man also sogar - im Sinne des obengenannten ‚Rollenspiels’ 339 - Prodikos mit Hesiod gleichsetzen, der wie dieser seine Stärke mehr im Vortrag vorbereiteter Partien hatte und sich damit zuletzt die Gunst von König Panedes (~ Hippias) erwarb, aber in der Kunst der Improvisation seinem Kontrahenten Homer (~ Gorgias) hoffnungslos unterlegen blieb 340 . Wir sind also noch einmal bei der Frage angelangt, warum der Verfasser des ‚Certamen’ zuletzt doch Hesiod siegen lässt und warum dies gerade an den einander polar gegenüberstehenden Partien zum Landbau bzw. zur Formierung von Schlachtreihen vorgeführt wird 341 . Die erste Frage ist einfach damit zu beantworten, dass Hesiod wegen seiner einstigen Bemerkung in den ‚Werken und Tagen’ (V. 654-659) zuletzt stets zum Sieger erklärt werden musste 342 . Zur Beantwortung der zweiten Frage ist hingegen eine genauere Betrachtung der Art und Weise nötig, wie Homer und Hesiod in spätarchaischer und klassischer Zeit gerade im Kontrast zueinander dargestellt wurden. Mit die ältesten noch existierenden Belege aus dieser Traditionslinie sind zwei Apophthegmata des Simonides von Keos 343 , der sowieso zu den frühesten Zeugen für die Person, den Namen und die Herkunft Homers zählt 344 . Im ersten dieser beiden Aussprüche (Test. 91a Poltera = Test. 47j Campbell 345 : ὁ αὐτὸς ἐρωτηθεὶς πότερος κρείσσων, Ὅµηρος ἢ Ἡσίοδος, εἶπεν· Ἡσίοδον µὲν αἱ Μοῦσαι, Ὅµηρον δὲ αἱ Χάριτες ἐτέκνωσαν. [sic Sternbach: Ὅµηρον µέν ..., Ἡσίοδον δέ ... cod.] - „Als derselbe [sc. Simonides] gefragt wurde, ob Homer oder Hesiod besser sei, sagte er: ‚Den Hesiod zwar ha- 339 Wobei der Begriff ‚Rollenspiel’ hier auch noch die Assoziation zulässt, dass mit der Konstellation des ‚Certamen’, also mit Homer, Hesiod und Panedes als Einzelakteuren und den sonstigen Schiedsrichtern als Kollektivum, gewissermaßen die Grundkonstellation der Tragödie nachgeahmt ist mit ihren drei Rollen bzw. Schauspielern und der lokalen Bevölkerung des Schauplatzes in der Funktion des Chors. Dies wiederum passt gut zur These von der Abfassung des ‚Certamen’ durch Gorgias, da für diesen ein ausgesprochenes Interesse an der Tragödie bzw. ihrer fiktionalen Natur belegt ist (82 B 23 D.-K. = Plut. Glor. Ath. 5, 348 c). 340 Als großes Dreigestirn der Lehrer Griechenlands sind die drei jedenfalls genannt bei Plat. Ap. 19 e 1 - 20 a 2. 341 ‚Certamen’ § 12, V p. 232 l. 180 p. 233 l. 189 Allen (= p. 40,21-30 von Wilamowitz- Moellendorff = Hes. Op. 383-392) bzw. p. 233 l. 191-204 Allen (= p. 41,2-15 von W.- M. = Hom. Il. 13,126-133 und 339-344); zum stilistischen Unterschied zwischen den jeweiligen Verspartien und zur Wertung dieses Unterschieds in der antiken stilkritischen Diskussion cf. Hunter 2014, 302-315. 342 Cf. oben Kap. 3.2. 343 Ebenfalls noch recht früh zu datieren ist Pind. Pae. VIIb (= Frg. 52h Maehler), wo in den V. 11-20 eine Gegenüberstellung der beiden Dichter vorzuliegen scheint und Hesiod für einmal besser abschneidet als Homer; cf. die Interpretation von Koning 2010, 314-316. 344 Simon. Frg. 19,1 und 20,14 W. 2 bzw. PMG 564 (= Frg. 273 Poltera) und PMG 652 V. 345 ‚Gnomologium Vaticanum’, Nr. 514 bzw. Sternbach 1889, 227 (= Sternbach 1963, 189; aus Codex Vaticanus Graecus 743). Kapitel 3 120 ben die Musen geboren, den Homer aber die Chariten.’”) wird in eher anspruchsloser Weise Hesiod den Musen zugeordnet und Homer den Chariten. Diese Sentenz ist sicher als Anknüpfung an die Dichterweihe Hesiods auf dem Helikon (Th. 22-35) zu verstehen, scheint aber mit der µέν δέ -Struktur doch Homer den Vorzug geben zu wollen, und zwar deswegen, weil die Charis seines dichterischen Werkes die größere sei 346 . Letztlich kommt darin also eine literarkritische Haltung zum Ausdruck, die nicht so sehr das Wahrheitskriterium in den Vordergrund stellt, für welches Hesiod seit seiner Dichterweihe durch die Musen vorbildhaft steht, sondern die Anmut der Formulierung, die also der Literatur autonomen Wert beimisst. Ganz ähnlich ist die Stoßrichtung von Test. 91b Poltera (= Test. 47k Campbell = FGrHist 8 F 6 347 : Σιµωνίδης τὸν Ἡσίοδον κηπουρὸν ἔλεγε, τὸν δὲ Ὅµηρον στεφανηπλόκον, τὸν µὲν ὡς φυτεύσαντα τὰς περὶ θεῶν καὶ ἡρώων µυθολογίας, τὸν δὲ ὡς ἐξ αὐτῶν συµπλέξαντα τὸν Ἰλιάδος καὶ Ὀδυσσείας στέφανον. - „Simonides nannte Hesiod einen Gärtner, Homer aber einen Kränzeflechter, den einen, weil er gleichsam die mythischen Traditionen über die Götter und Heroen gepflanzt, den anderen, weil er daraus den Kranz von ‚Ilias’ und ‚Odyssee’ geflochten habe.”). Hier ist der Gegensatz zwischen Hesiod und Homer der, dass Hesiod gewissermaßen als Lieferant von Rohmaterial gesehen wird und Homer als Künstler, der daraus ein dauerhaftes Produkt schafft. Der Ausspruch des Simonides unterscheidet sich damit recht erheblich von der bekannten Äußerung Herodots, wonach Hesiod und Homer in gleicher Weise und zu gleichen Teilen den Griechen ihre Götterwelt gegeben hätten (Hdt. 2,53,2: οὗτοι δέ εἰσι οἱ ποιήσαντες θεογονίην Ἕλλησι καὶ τοῖσι θεοῖσι τὰς ἐπωνυµίας δόντες καὶ τιµάς τε καὶ τέχνας διελόντες καὶ εἴδεα αὐτῶν σηµήναντες. - „Diese aber sind es, die den Griechen ihre Götterwelt geschaffen haben und den Göttern die Beinamen gaben, ihre Vorrechte und Kompetenzen bestimmten und ihr Aussehen festlegten.”). Es bleibt natürlich der Zweifel, ob diese Äußerungen des Simonides authentisch sind 348 . Aber falls es sich so verhält, so ist es doch sehr bemerkenswert, dass im ionischen Bereich, zu dem 346 Anders Koning 2010, 317 f., der denkt, dass Simonides die Frage nach dem besseren Dichter hier offenlassen will. 347 Das Apophthegma ist im Unterschied zu den anderen Aussprüchen des Simonides, die Sternbach im ‚Gnomologium Vaticanum’ sammelte, nicht im Codex Vaticanus Graecus 743 erhalten, sondern im Codex Vaticanus Graecus 1144 (f. 222 v ) und wurde daher auch separat ediert (Sternbach 1888b, 358). 348 Ein terminus ante quem für Test. 91b Poltera ist jedenfalls die Anspielung darauf bei Philostr. Her. 4,12 bzw. 5,3 (ca. 220 n. Chr.), und dies ist auch ein Argument für die Authentizität, weil Philostrat als guter Kenner der griechischen literarischen Tradition dem Apophthegma kaum eine solche programmatische Rolle in seinem eigenen Werk gegeben hätte, wenn er ernsthafte Zweifel an der Urheberschaft gehabt hätte; cf. Grossardt 2014, 27 Anm. 61. Dichterwettstreit 121 die Insel Keos zählte, also in der Region, die den stärksten Anspruch auf Homer erheben konnte, bereits in spätarchaischer oder frühklassischer Zeit 349 eine Sicht auf den Dichter aufkam, die sein Künstlertum und seine überragende Fähigkeit zur Gestaltung ins Zentrum stellte und dies gerade anhand des Kontrasts zu Hesiod zu verdeutlichen suchte 350 . Erhellend ist, wie ungefähr zur selben Zeit Kleomenes von Sparta, der etwa von 525 bis 488 v. Chr. als König seiner Polis geherrscht haben soll, ebenfalls Homer und Hesiod bzw. die jeweiligen Dichtungen miteinander verglich und gleich wie Simonides Homer den höheren Rang zubilligte, aber dies in gänzlich anderer Weise begründete 351 (Plut. Apophth. Lac., Cleom. 1, 223 a 352 : Κλεοµένης ὁ Ἀναξανδρίδεω τὸν µὲν Ὅµηρον Λακεδαιµονίων εἶναι ποιητὴν ἔφη, τὸν δὲ Ἡσίοδον τῶν εἱλώτων· τὸν µὲν γὰρ ὡς χρὴ πολεµεῖν, τὸν δὲ ὡς χρὴ γεωργεῖν παρηγγελκέναι. - „Kleomenes, der Sohn des Anaxandridas, sagte, dass Homer ein Dichter für Spartaner sei, Hesiod aber ein Dichter für Heloten. Der eine habe nämlich verkündigt, wie Krieg zu führen, der andere, wie das Land zu bestellen sei.”). Hier spielen also die ästhetischen Gesichtspunkte keine Rolle, und das ganze Augenmerk liegt stattdessen auf dem Inhalt der Dichtung und auf ihrer ideologischen Verwertbarkeit. Dennoch erhält Homer auch hier den Vorrang vor Hesiod und die Wertung fällt eher noch stärker zu seinen Gunsten aus als bei Simonides. Dies setzt sich fort in den ‚Fröschen’ des Aristophanes, wo Aischylos im Rahmen einer Priamel die Verdienste der verschiedenen Dichter wie Orpheus und Musaios aufzählt, dann aber die Reihung mit Hesiod weiterführt und sie mit dem „göttlichen Homer” abschließt, mit dem Aischylos selbst sich als Verfasser verschiedener Kriegsdramen am meisten identifizieren kann (Aristoph. Ran. 1033-1036: Ἡσίοδος δὲ [sc. κατέδειξε ] / / γῆς ἐργασίας, καρπῶν ὥρας, ἀρότους· ὁ δὲ θεῖος Ὅµηρος / / ἀπὸ τοῦ τιµὴν καὶ κλέος ἔσχεν πλὴν τοῦδ᾿, ὅτι χρήστ᾿ ἐδίδαξεν, / / τάξεις, ἀρετάς, ὁπλίσεις ἀνδρῶν; - „Hesiod aber zeigte die Bearbeitung des Landes, den Zeitpunkt für die Ernte und die Arbeit mit dem Pflug; doch der göttliche Homer, wie erwarb er sich seinen Ruhm wenn nicht damit, dass er Nutzbringendes lehrte, die Aufstellung der Schlachtreihen, die Formen der Tapferkeit und die Bewaffnung der Männer? ”). 349 Zu den Lebensdaten des Simonides cf. die Diskussion bei Poltera 2008, 7 f. 350 Zu sehr vom folgenden Zitat des Kleomenes geprägt und daher verfehlt die Interpretation von Koning 2010, 288 f., wonach die Stoßrichtung des Apophthegmas eine politische sei und Hesiod hier als Dichter für Landarbeiter und Sklaven und Homer als Dichter für Könige gesehen sei. 351 Zur Frage nach der Echtheit des Testimoniums cf. West 1967, 443, der an eine Fälschung aus dem vierten Jahrhundert denkt, und Richardson 1981, 2 Anm. 6, der der Echtheit zuneigt. 352 Dasselbe Apophthegma bei Ael. VH 13,19. Kapitel 3 122 Wenn also der Verfasser des ‚Certamen’ beim abschließenden Vortrag eigener Verspartien den Hesiod Verse zum Landbau vortragen lässt und den Homer solche zur Formierung von Schlachtreihen, so entspricht das dem stereotypen Bild, das man sich spätestens seit frühklassischer Zeit in Sparta wie in Athen von den beiden Dichtern machte 353 , kehrt aber mit der Entscheidung von König Panedes die übliche Wertung in ihr Gegenteil um. Dies ist aber, wie gezeigt, einfach nur Ausfluss der spezifischen literarhistorischen und motivgeschichtlichen Tradition, die zuletzt stets Hesiod zum Sieger erklären musste. Die demokratische Stoßrichtung, die gerade in der Auswahl der genannten Homer-Verse zum Ausdruck kommt, die nicht den heroischen Einzelkampf, sondern die Formierung kollektiver Schlachtreihen in das Zentrum der Betrachtung stellen, verdeutlicht zur Genüge, dass der Verfasser des ‚Certamen’ hier an den Hoplitenkampf der klassischen Zeit dachte und Homer somit als Protodemokraten und Verfechter bürgerlicher Werte gesehen wissen wollte und ihm daher durchaus einen Rang zubilligte, der dem des Hesiod mindestens gleichwertig war 354 . Stellt man sich nun vor Augen, dass das ‚Certamen’ wahrscheinlich von Gorgias stammt und in den Jahren kurz vor 421 v. Chr. verfasst wurde, so zeigt sich in dieser Darstellung Homers durchaus ein aktueller politischer Bezug. Denn Gorgias hielt, wie oben erwähnt, einen Epitaphios auf die im Peloponnesischen Krieg gefallenen Athener (Gorg. 82 A 1 D.-K. = Philostr. VS 1,9,2) und verband dies mit einer deutlichen politischen Aussage hinsichtlich einer nun erforderlichen energischen Bekämpfung der Perser. Diesen Kampf betrachtete Gorgias zwar als gesamtgriechische Aufgabe, sah aber insbesondere die Athener in der Pflicht (loc. cit.: παροξύνων τε γὰρ τοὺς Ἀθηναίους ἐπὶ Μήδους τε καὶ Πέρσας - „die Athener nämlich gegen die Meder und Perser aufwiegelnd”). Gorgias betrieb also keine Friedenspolitik, sondern eher eine Kriegspolitik, verortete den Hauptfeind aber im nicht-griechischen Osten und setzte für seine Zwecke insbesondere auf die große demokratische Schutzmacht im Herzen des griechischen Mutterlandes. Dieser Konflikt zwischen dem klassischen Griechenland und den Persern war aber spätestens seit Herodot als Weiterführung des alten West-Ost-Konflikts gesehen worden, der schon den Trojanischen Krieg ausgelöst hatte, und wenn Gorgias nun im ‚Certamen’ gerade diejenigen Verse Homers herausgriff, die besonders gut als protodemokratischer Ausdruck des gemeingriechischen Wehrwillens verstanden werden konnten, so musste das im damaligen Athen durchaus auf offene Ohren stoßen. Dass man in Athen konsequenterweise die fragwürdige Entscheidung des 353 Cf. auch Graziosi 2002, 178-180, die gut darauf hinweist, wie in Xen. Mem. 1,2,56-59 bei den Versen, auf die Sokrates sich besonders berufen haben soll, wieder genau solche ausgewählt sind, die dieser Opposition entsprechen (Hes. Op. 311 bzw. Hom. Il. 2,188-191 und 198-202). 354 Cf. Graziosi 2002, 175-178. Dichterwettstreit 123 Panedes nicht allzu ernst nehmen und sie insbesondere nicht als verbindliche Richtschnur für die eigene Politik verstehen würde, konnte ein Mann vom Selbstbewusstsein des Gorgias gelassen so erwarten. Unsere Untersuchung sollte also zumindest gezeigt haben, dass das ‚Certamen’ gut in die Jahre nach Gorgias’ erstem Besuch in Athen im Jahre 427 hineinpasste und sowohl die damals neu entwickelte Improvisationstechnik aufgriff wie auch die aktuellen politischen Diskussionen 355 . Es lässt sich daher nun ungefähr folgendes Gesamtszenario entwickeln: Kurz nach dem Jahre 425, als Herodots ‚Historiai’ frisch herausgekommen waren und in den ‚Acharnern’ des Aristophanes (V. 523-529) einer ersten kurzen Parodie unterzogen worden waren, stellte Hippias von Elis unter Benützung verschiedener lokaler Traditionen eine umfassende Biographie Homers zusammen, die gleichzeitig als Herodot-Parodie im größeren Stil gelten konnte und mit der Darstellung in Vit. Hom. 9 bereits einen ersten knappen Hinweis auf die neuentwickelte Improvisationstechnik einbaute, die als Sphragis seiner Person diente und damit seine Verfasserschaft des Traktats in indirekter Weise offenlegte 356 . Vielleicht schon sehr bald darauf machte sich der in die Jahre gekommene Sophokles das zwar alte, aber nun leichter zugängliche Epigramm aus Ps.-Hdt. Vit. Hom. 30 zunutze, um es als ‚Waffe’ im heiteren Streit mit seiner Geliebten Theoris einsetzen zu können (TrGF 4 T 77). Gorgias griff darauf seinerseits - sei es bei einem seiner folgenden Besuche in Athen oder sei es nach seiner Rückkehr nach Sizilien - die ‚Vita Herodotea’ auf, schloss an das bei Hippias nur in Aussicht gestellte Motiv vom Besuch Homers in Athen an (Ps.-Hdt. Vit. Hom. 34), führte es nun aber tatsächlich aus (Cert. 16) und machte es zu einem kleinen Porträt seines eigenen Besuches in Athen und seiner dortigen Aktivitäten auf dem Gebiet der Improvisation und der (demokratischen) politischen Stellungnahme 357 . Der wichtigste Teil dieser Homer-Arbeit blieb aber die Spiegelung von Gorgias’ eigener Improvisationskunst im Auftreten Homers anlässlich des Wettkampfs von Chalkis, und dies führte dann auch im Jahre 421 zur Übernahme zweier zentraler Verse in den ‚Frieden’ des Aristophanes (Pax 1282 f.). 355 Das im dritten Vers des Epigramms von Cert. 16 als Schmuck der Stadt bezeichnete „Volk” ( λαός ) bedeutet damit also nicht nur eine Referenz auf das mythische Volk von König Medon, sondern auch einen Hinweis auf das tapfere Volk der (Gegenwarts-) Athener, dessen Leistung im Peloponnesischen Krieg Gorgias in seinem ‚Epitaphios’ würdigte. 356 Cf. unsere Analyse von Ps.-Hdt. Vit. Hom. 9 oben in Kap. 3.4.1. 357 Im Prinzip ist es natürlich möglich, dass das ‚Certamen’ schon im Jahre 427 verfasst wurde und damit der Entstehung der ‚Vita Herodotea’ vorgriff. Doch weist insbesondere die archaischere Gestalt des Epigramms von Ps.-Hdt. Vit. Hom. 31 im Vergleich mit der moderneren Form in Cert. 16 darauf hin, dass das erstgenannte Werk auch tatsächlich chronologisch vorausging. Kapitel 3 124 Dass sich also alles auf das kurze Zeitfenster der Jahre 425 bis 421 reduziert, sollte nicht als Argument gegen diese Rekonstruktion gewertet werden, sondern eher als Argument dafür. Denn witzige Parodien und Repliken der genannten Art wirken zweifellos immer dann am besten, wenn der durch den jeweiligen Prätext erweckte Eindruck noch frisch ist und der parodierende Autor damit rechnen kann, dass die Vorlage im Gedächtnis der Rezipienten noch lebendig ist. Offensichtlich herrschte in Athen in den ersten Jahren des Peloponnesischen Krieges ein waches geistiges Klima, das nicht nur einheimische Talente wie Sophokles, Euripides, Aristophanes und Sokrates zu literarischen bzw. philosophischen Höchstleistungen anregte, sondern auch auswärtige intellektuelle ‚Stars’ wie Gorgias und Hippias dazu inspirierte, sich an diesen Interaktionen zu beteiligen. Dass die ‚Vita Herodotea’ und das ‚Certamen’ anonym überliefert sind und sich (fast) keine Hinweise für eine Zuweisung der beiden Werke an Hippias bzw. Gorgias finden 358 , mag zwar merkwürdig erscheinen. Doch wenn Hippias und Gorgias mit ihren Schriften zur Biographie Homers nicht so sehr die große Öffentlichkeit suchten, sondern vor allem ein geistreiches Spiel vorlegen wollten, welches hauptsächlich für den engeren Kreis ihrer Freunde und Standesgenossen bestimmt war, so braucht uns diese Anonymität doch wieder nicht allzu sehr zu irritieren, und man kann in diesem Zusammenhang daran erinnern, dass auch die kaiserzeitlichen Beispiele der Homer-Epanorthosis, die aus einem ganz ähnlichen Geist heraus geschrieben wurden, ebenfalls zum Teil eines (authentischen) Verfassernamens entbehren, wie dies insbesondere für die ‚Ephemeris belli Troiani’ des (Ps.-) Diktys von Kreta der Fall ist. Sehr leicht erklärt sich jedenfalls jetzt die Aufnahme des ‚Certamen’ in das ‚Museion’ des Alkidamas. Denn Alkidamas war bekannt als Schüler des Gorgias 359 , und so wird er über ein persönliches Manuskript des Textes verfügt haben, welches er leicht in sein Sammelwerk eingliedern konnte. Wenn wir somit zuletzt noch einmal zurückblicken und uns vergegenwärtigen, dass der Wettkampf zwischen Homer und Hesiod nicht nur in Athen Gegenstand leidenschaftlicher Diskussionen war, sondern zuvor schon in Böotien entsprechende Aufmerksamkeit fand und wohl überhaupt dort erfunden wurde, und dass die beiden Dichter bereits um das 358 Die einzige Ausnahme scheint im Hinweis auf Hippias’ Bemerkung zur Herkunft Homers aus Kyme (Hippias, FGrHist 6 F 13 = 86 B 18 D.-K.) vorzuliegen; eine zweite mögliche Ausnahme ist freilich der Hinweis auf die Rückführung von Homers Genealogie auf Musaios (Gorg. 82 B 25 D.-K.), denn dies könnte in der Originalversion des ‚Certamen’ durchaus in der Anfangspartie gestanden haben, welche dann im zweiten Jahrhundert n. Chr. durch die quasi-wissenschaftlichen Erörterungen der Kapitel 1 bis 4 ersetzt wurde. 359 Alkidamas, Test. 1 Avezzù (= Ath. 13, 592c), Test. 2 (= ‚Suda’ α 1283 Adler) und Test. 13 (= Dion. Hal. Is. 19). Dichterwettstreit 125 Jahr 500 v. Chr. in Sparta und auf der ionischen Insel Keos zur Klärung der eigenen ideologischen oder ästhetischen Position herangezogen wurden, so sehen wir, dass Homer schon in archaischer und frühbzw. hochklassischer Zeit zu einer Figur nationalen Interesses geworden war. Dennoch wurde der Dichter zu dieser frühen Zeit zum Sohn keiner mutterländischen Polis erklärt. Denn die These, dass Homer Athener war, fand erst vom zweiten Jahrhundert v. Chr. an einige Verbreitung 360 , als Aristarch und in seinem Gefolge Dionysios Thrax diese Position vertraten 361 (und dies in erster Linie aus sprachwissenschaftlichen Gründen 362 ), und auch entsprechende Thesen zur Herkunft aus anderen festländischen Regionen wie Thessalien, Argos oder Pylos kamen frühestens in hellenistischer Zeit auf 363 . Einzige Konkurrenzthese zur These von der ionischen Herkunft Homers war in archaischer und klassischer Zeit daher, wie wir in Kapitel 3.4.2.2 sahen, wie wir es aber insbesondere im nächsten längeren Kapitel aufzeigen wollen, diejenige zur Herkunft des Dichters aus der kleinasiatischen Äolis. 360 Mögliche Indizien für eine frühere Entstehung dieser Tradition diskutiert Jacoby 1954, 474 f. (u.a. unter Hinweis auf Kastor von Rhodos, FGrHist 250 F 4, und Archemachos von Euboia, FGrHist 424 F 3). Doch würde auch dies höchstens bis in das vierte Jahrhundert v. Chr. zurückführen, sodass für die frühe Zeit an der Wende vom sechsten zum fünften Jahrhundert eine entsprechende These weiterhin zurückzuweisen wäre. 361 So bezeugt bei Ps.-Plut. Vit. Hom. 2,2,1; ‚Vita 5’ § 1 (V p. 247 l. 7-8 Allen = p. 29,8-9 von Wilamowitz-Moellendorff) und Epiphanios, Adv. haer. 42,11,17, II p. 129,1 Holl/ Dummer (ohne explizite Berufung auf Aristarch auch ‚Vita 4’ § 2 [V p. 245 l. 8 Allen = p. 28,16 von W.-M.]; Anth. Pal. 16,295,6; 16,297,2 und 16,298,2 sowie die ‚Suda’ ο 251, III p. 525,13 Adler [§ 2 West]). 362 Im einzelnen aufgezeigt von Wiemer 1908, 18 f. und Hillgruber 1994, 86. 363 Cf. die Besprechung bei Wiemer 1908, 20-22. 4 Die Blendung und Dichterweihe Homers am Grab des Achilleus 4.1 Die Dichterweihe Homers am Grab des Achilleus und die Übertragung des Motivs auf die Lebensbeschreibung des Apollonios von Tyana Unter den mannigfaltigen Erzählungen der antiken Homer-Legende ragt eine Erzählung der ‚Vita Romana’ 1 wie ein erratischer Block heraus. Sie berichtet, wie Homer erblindet sei, als er einst zum Grab des Achilleus bei Ilion gekommen war und den Heros aus seinem Grab gerufen habe, aber vom Glanz der Waffen geblendet und zum Ausgleich für seine Verstümmelung von Thetis und von den Musen mit der Gabe der Dichtkunst beschenkt worden sei 2 : Τυφλωθῆναι δ᾽ αὐτὸν οὕτω πως λέγουσιν· ἐλθόντα γὰρ ἐπὶ τὸν Ἀχιλλέως τάφον εὔξασθαι θεάσασθαι τὸν ἥρωα τοιοῦτον ὁποῖος προῆλθεν ἐπὶ τὴν µάχην τοῖς δευτέροις ὅπλοις κεκοσµηµένος· ὀφθέντος δ᾽ αὐτῷ τοῦ Ἀχιλλέως τυφλωθῆναι τὸν Ὅµηρον ὑπὸ τῆς τῶν ὅπλων αὐγῆς, ἐλεηθέντα δ᾽ ὑπὸ Θέτιδος καὶ Μουσῶν τιµηθῆναι πρὸς αὐτῶν τῇ ποιητικῇ. Sie sagen aber, dass er auf solche Weise erblindet sei: Er sei nämlich zum Grab des Achilleus gelangt und habe darum gebeten, den Heros so sehen zu können, wie er, mit der zweiten Waffengarnitur versehen, in den Kampf gezogen sei. Als aber Achilleus von ihm erblickt worden sei, sei Homer vom Glanz der Waffen geblendet worden. Er habe aber das Mitleid von Thetis und von den Musen erregt und sei von ihnen mit der Dichtkunst geehrt worden. Diese Geschichte, die im Corpus der antiken Homer-Viten völlig isoliert dasteht, findet dennoch eine Parallele in den Scholien zu Platons ‚Phaidros’, die der spätantike Philosoph Hermeias von Alexandria zusammenstellte 3 : 1 Die ‚Vita VI’ in der Zählung von Th. W. Allen. 2 ‚Vita Romana’ § 5, V p. 252 l. 45-51 Allen = p. 31,26-32 von Wilamowitz-Moellendorff. 3 Hermeias von Alexandria, Scholien zu Platon, Phdr. 243a, p. 80,2-7 Lucarini/ Moreschini (ältere Editionen der Passage bei Ast 1810, 98, K. Hermann 1873, 268 und Couvreur 1901, 75). Kapitel 4 128 Περὶ τῆς Ὁµήρου τυφλώσεως διάφοροι φέρονται ἱστορίαι. οἱ µὲν γὰρ αὐτὸν καὶ τυφλὸν ἐκ γενετῆς λέγουσι καὶ οὕτω τετέχθαι, οἱ δὲ ποιµαίνοντα παρὰ τῷ τάφῳ τοῦ Ἀχιλλέως πολλάς τινας καταβαλέσθαι εἰς τὸν ἥρω χοὰς καὶ στεφάνους, καὶ παρακαλεῖν αὐτὸν ὀφθῆναι αὐτῷ. ὁ δὲ ἥρως ὤφθη µετὰ τῆς πανοπλίας λάµπων, καὶ ὁ Ὅµηρος µὴ ἐνεγκὼν τὴν θέαν καὶ τὴν λαµπηδόνα τῶν ὅπλων ἐτυφλώθη. Über die Erblindung Homers werden verschiedene Geschichten verbreitet. Die einen sagen nämlich, er sei von Geburt an blind gewesen und sei so geboren worden. Die anderen aber, er habe Schafe gehütet beim Grab des Achilleus, habe dem Heros viele Trankspenden und Kränze hinterbracht und ihn aufgefordert, sich ihm zu zeigen. Der Heros aber ließ sich sehen im vollen Glanz seiner Bewaffnung. Und Homer, der den Anblick und den Glanz der Waffen nicht ertrug, sei erblindet. Es ist evident, dass die beiden Texte dieselbe Tradition repräsentieren: In beiden Zeugnissen gelangt Homer zum Grab des Achilleus, betet zu ihm und bittet ihn, sich ihm zu zeigen. Prompt erscheint der Heros und zeigt sich in seinen Waffen, doch der Glanz dieser Rüstung bewirkt die Blendung Homers. Die zusätzlichen Elemente, die die beiden Zeugen aufweisen (‚Vita Romana’: die Waffen sind diejenigen der zweiten Waffengarnitur, Thetis und die Musen treten als weitere Akteure hinzu und beschenken Homer mit der Dichtkunst; Hermeias: Homer ist Schafhirte, er ehrt den Heros mit typischen Gaben wie Trankopfern und einem Kranz) schließen sich nicht gegenseitig aus, sondern geben eher notwendige Informationen, die im jeweils anderen Überlieferungsträger fehlen. So bleibt es etwa in der ‚Vita Romana’ unerklärt, wie Homer zum Grab des Achilleus gelangt und wie er auf den Gedanken kommt, den Heros aus seiner Ruhestätte zu rufen, während umgekehrt die Platon-Scholien die Geschichte mit der Blendung Homers schließen und den Leser im unklaren darüber lassen, wie aus einem blinden Mann von einfacher Herkunft der Dichter von ‚Ilias’ und ‚Odyssee’ werden konnte. Zusammengenommen fügen die beiden Überlieferungsträger sich dagegen zu einer in sich stimmigen Geschichte zusammen, die alle wesentlichen Elemente aufweist, die zum Bericht einer Dichterweihe gehören. Im übrigen ist es auch nicht verwunderlich, dass unsere beiden Quellen einen solchen Verkürzungsprozess vornehmen, da sie beide hauptsächlich an der Ursache von Homers Blindheit interessiert sind (und die Geschichte mit einem entsprechenden Einleitungssatz einführen) und sich daher auf das Motiv der Waffen des Achilleus konzentrieren und die sonstigen Elemente der Geschichte einer ziemlich willkürlichen Selektion unterwerfen 4 . 4 Bezeichnend in diesem Zusammenhang auch die knappe Behandlung, die der Platon-Scholiast (p. 80,7-10 Lucarini/ Moreschini) der alternativen Geschichte der Blendung und Dichterweihe 129 Die erste Frage, die sich somit stellt, ist diejenige nach dem Alter des Archetyps, dessen beide Derivate soeben vorgestellt wurden: Hermeias von Alexandria war erst im fünften Jahrhundert n. Chr. aktiv; bei den Texten, auf die er sich beruft ( οἱ δέ ... [sc. λέγουσιν ]), könnte es sich daher um eine sehr junge Tradition handeln. Die ‚Vita Romana’ dagegen beruft sich für die Geschichte von der Blendung Homers durch die Waffen des Achilleus zwar ebenfalls nur auf ein allgemeines λέγουσιν , zählt aber ansonsten eine Fülle namentlich genannter Gewährsmänner auf, von denen die letzten wie Aristodemos von Nysa und Hypsikrates von Amisos in der Mitte des ersten Jahrhunderts v. Chr. aktiv waren 5 . Die ‚Vita’ kann daher frühestens im (späteren) ersten Jahrhundert v. Chr. entstanden sein und stammt vielleicht von einem kleinasiatischen Grammatiker aus der frühen Kaiserzeit 6 . Wenn die ‚Vita Romana’ nun, wie es ganz den Anschein macht, in der Form erhalten blieb, in der sie niedergeschrieben wurde, also keinen substantiellen Ausdünnungsprozess mehr erlebte 7 , so bedeutet das, dass auch die oben geschilderte Selektion der Motive spätestens im ersten Jahrhundert n. Chr. stattgefunden haben muss. Damit muss aber auch die gemeinsame Quelle, die dem jeweiligen Bericht zur Erblindung Homers in der ‚Vita’ und in den Platon-Scholien zugrunde liegt, mithin die vollständige Geschichte, die sowohl den Hirtenberuf und die Opferhandlungen Homers erwähnte wie auch seine Weihung zum Dichter, bereits in hellenistischer Zeit vorgelegen haben. Zu einem ähnlichen Resultat führt eine allgemeine Überlegung: Die ‚Vita Romana’ zeigt den typischen Aufbau der antiken Dichterviten, die nicht eine kontinuierliche Lebensschilderung geben wollten, sondern ihren Stoff nach bestimmten Rubriken ordneten wie geographische Herkunft, Familie, Lebenszeit, dichterisches Corpus, besondere Ereignisse und Tod 8 . Blendung Homers durch Helena zukommen lässt, die bei ihm im übrigen, genauso wie in der ‚Vita Romana’, direkt auf die Erzählung zur Blendung durch Achilleus folgt. 5 Die in der ‚Vita’ in § 2 bzw. 4 gegebenen Zitate von Aristodemos und Hypsikrates werden geführt als FHG III, p. 307 Müller bzw. FGrHist 190 F 5; zum Werk der beiden Kritiker und zu den Lebensdaten cf. Schwartz 1895 bzw. Funaioli 1914. 6 So Sittl 1888, 277 f.; ähnlich Allen 1913, 19-21 bzw. 1924, 30-34, der zwar die späte Datierung von Aristodemos und Hypsikrates verkannte, aber aus einem allgemeinen Vergleich der verschiedenen Homer-Viten bzw. der darin genannten Gewährsmänner schloss, dass die erhaltenen Viten auf ein Handbuch zurückgingen, das im ersten Jahrhundert n. Chr. entstanden sei. 7 Sittl 1888, 277 f. verweist gut darauf, dass der Verfasser im Einleitungssatz der ‚Vita Romana’ auf die eigene Person Bezug nimmt. Wir verfügen also sicher über den authentischen Beginn der ‚Vita’, und auch die folgenden Passagen erwecken den Eindruck einer planvollen Gestaltung, die kaum eine gravierende Verkürzung erfahren haben dürfte. 8 Die chronologische Gestalt der ‚Vita Herodotea’, die wir oben in Kap. 3.4.2 aufzeigten, ist also atypisch und zeigt, dass diese Vita nicht aus hellenistischer Zeit (oder Kapitel 4 130 Dieser Typus von Lebensbeschreibung war zu dem Zweck bestimmt, wissenschaftlichen Ausgaben oder Kommentaren des jeweiligen Dichters vorangestellt zu werden, und dürfte daher von alexandrinischer Herkunft sein 9 . Ein herausragendes Beispiel dieser Viten-Gattung ist die große Vita des Sophokles (TrGF 4 T 1), die heute noch in einer Vielzahl von Sophokles-Handschriften erhalten ist, aber - ähnlich wie die ‚Vita Romana’ - keine Autoritäten zitiert, die nach dem zweiten Jahrhundert v. Chr. datiert wären. Somit dürfte sie im späteren zweiten Jahrhundert entstanden sein und allenfalls danach noch einen gewissen Verkürzungsprozess erfahren haben 10 . Die ‚Vita Romana’ ist also selbst wohl nicht mehr in hellenistischer Zeit entstanden, dürfte aber in hellenistischem Geiste geschrieben worden sein und sich dazu einer oder mehrerer Homer-Viten bedient haben, die in hellenistischer Zeit entstanden waren und in manchen Punkten noch eine detailliertere Darstellung gegeben hatten, als die ‚Vita Romana’ sie danach bot, also insbesondere noch die vollständige Erzählung vom Besuch Homers am Grab des Achilleus überlieferten und damit Hermeias oder seiner unmittelbaren Vorlage diejenigen Motive der Geschichte tradierten, die wir in der ‚Vita Romana’ vermissen. Ob man für die Datierung unserer Erzählung noch weiter hinaufgehen kann, ob die Geschichte von Homers Besuch bei Achilleus also in die klassische oder gar in die archaische Zeit zurückreicht, wird erst die weitere Untersuchung zeigen können. Wahrscheinlich ist dies freilich von vorneherein, weil die ‚Vita Romana’ - darin vielleicht schon hellenistischen Quellen folgend - parallel zur Blendung Homers durch Achilleus auch eine Geschichte zur Blendung durch Helena überliefert 11 , also offensichtlich beide Legenden aus älterer Tradition übernahm und einander gegenüberstellte. jedenfalls nicht aus der hellenistischen Philologie) stammt und entweder, wie wir postulierten, noch aus klassischer Zeit datiert oder erst aus der Kaiserzeit. 9 Cf. die eingehende Behandlung dieser Frage bei Leo 1901, 17-34 und die Fortführung dieses Ansatzes bei Momigliano 1971, 86-89 (einige Qualifizierungen zu diesem Ansatz bei Hägg 2012, 67-69, die aber den entscheidenden Punkt nicht in Frage stellen). 10 So gefolgert von Leo 1901, 22 f. („Man kann hiernach sagen, dass ein etwa in der Generation nach Aristarch verfasster βίος in der Folge wenigstens Zusätze gelehrten Charakters unter Anführung des Gewährsmannes nicht weiter erfahren hat. Dagegen ist es von vornherein wahrscheinlich, dass er quantitativ vermindert worden ist ...”), dem noch Schorn 2004, 55 folgt. Kritisch dazu Villari 1996, die annimmt, dass die Abweichungen der ‚Vita’ gegenüber einer vergleichbaren Passage bei Athenaios (1, 20e-f) nicht auf einen Prozess der Verkürzung zurückgehen, sondern durch eine je selektive Benützung älterer Quellen (vielleicht Aristoxenos von Tarent) bedingt sind. Die ‚Vita Sophoclis’ würde uns danach heute noch etwa in der Form vorliegen, in der sie ursprünglich niedergeschrieben wurde. 11 Cf. die Besprechung unten in Kap. 4.4.1. Blendung und Dichterweihe 131 Bemerkenswert bleibt auf jeden Fall die äußert seltene Bezeugung unserer Geschichte, für die es neben der ‚Vita Romana’ und den Platon- Scholien nur noch einen weiteren Überlieferungsträger in byzantinischer Zeit gibt 12 , nämlich eine kurze Anspielung in der ‚Exegesis in Homeri Iliadem’ des Johannes Tzetzes und eine darauf bezogene Erläuterung in Tzetzes’ eigenen Scholien zur ‚Exegesis’, die eher den Platon-Scholien folgt als der ‚Vita Romana’, möglicherweise aber auch beide Überlieferungsträger kombinierte und kaum über sonstige Quellen verfügt haben dürfte 13 . Weitaus bedeutsamer als diese Form der Rezeption in Byzanz ist daher der Umstand, dass es durchaus einen weiteren antiken, wenngleich indirekten Zeugen für unsere Erzählung gibt. Es handelt sich um die Lebensbeschreibung des neupythagoreischen Wundertäters Apollonios von Tyana, die der Sophist Flavius Philostrat im Auftrag von Kaiserin Julia Domna verfasste und um das Jahr 220 n. Chr. publizierte. Nach dieser Erzählung kam Apollonios auf dem Rückweg von Indien nach Europa in Ilion vorbei und ließ es sich nicht nehmen, Achilleus aus seinem Grab hervorzurufen, um ihn nach dem wahren Verlauf des Trojanischen Kriegs zu befragen 14 . Dass diese Erzählung von der Homer-Legende abhängt, ergibt sich aus unterschiedlichen Gründen 15 : So ist es zunächst kaum einem Zweifel unterlegen, dass der Besuch des Apollonios am Grab des Achilleus eine Projektion des Besuchs von Caracalla im Herbst 214 am selben Ort ist 16 , wie Philostrat ja auch sonst detailreich auf diesen Besuch anspielt 17 ; die vegetarischen Opfer, die Apollonios - seiner generellen pythagoreischen Haltung Ausdruck verleihend - darbringt 18 , entsprechen aber keineswegs den fleischlichen Opfern Caracallas 19 , sondern stehen den Opfergaben näher, die wir soeben aus der traditionellen Homer-Legende kennengelernt haben. 12 Für die Rezeption der Geschichte in der frühen Neuzeit cf. den beigefügten Anhang mit den Hinweisen zur Darstellung der Erzählung in den ‚Silvae’ des Angelo Poliziano. 13 ‚Exegesis in Homeri Iliadem’ p. 37,19-21 Hermann = p. 57,3-4 Papathomopoulos; Scholien zur ‚Exegesis’ p. 154,4-7 Hermann = p. 458,1-4 Papathomopoulos. Zur Überlieferung der ‚Exegesis’ und zu ihrer Präsenz im Italien der Renaissance cf. den unten beigefügten Anhang, Anm. 8. 14 Philostr. VA 4,11-16. 15 Allgemein zur Vertrautheit Philostrats mit den antiken Traditionen zur Biographie Homers cf. Grossardt 2006, 662 f. und Grossardt 2009b. 16 An einen tatsächlichen Besuch des historischen Apollonios am Grab des Achilleus ist also ohnehin kaum zu denken. 17 So im Motiv des Waffentanzes am Grab des Achilleus durch thessalische Theoroi in Philostr. Her. 53,11, worin sich der Waffentanz Caracallas und seines Gefolges spiegelt (Dio Cassius 78[77],16,7); cf. Grossardt 2006, 726 und allgemein Münscher 1907, 504-508. 18 Philostr. VA 4,11,1 und 4,16,1. 19 Dio Cassius 78(77),16,7; Hdn. 4,8,5. Kapitel 4 132 Zum zweiten ist uns auch schon vor Caracalla eine Reihe von historischen Besuchern dieses Grabs bezeugt wie etwa Xerxes oder Alexander der Große, die alle dem Heros ihre Reverenz erwiesen 20 . Doch ist in diesen Testimonia nie die Rede von einer Evocatio des Heros aus seinem Grab; dieses Motiv finden wir in der Tat nur in der Homer-Legende und in der ‚Vita’ des Apollonios. Zum dritten wird Homer in dieser Episode zum Dichter geweiht, und auch Apollonios hat keinen sehnlicheren Wunsch, als von Achilleus die Wahrheit über den Trojanischen Krieg zu erfahren, worauf er diese korrigierte Version der Ereignisse wenigstens seinen Reisegefährten weitergibt und somit in gewisser Weise in Konkurrenz zu Homer tritt 21 . Und schließlich wird Homer von Achilleus geblendet, während Apollonios - einen signifikanten Kontrast markierend - Achilleus selbstbewusst auffordert, sich ihm zu zeigen, weil seine Augen dann als Zeugen für die Existenz des Heros dienen könnten 22 - und die Augen des Wundertäters bleiben in der Folge in der Tat unversehrt. Es gibt jedoch noch weitere Unterschiede zwischen der Homer-Legende und der Erzählung über den Besuch des Apollonios. Ein wichtiger Unterschied besteht darin, dass Homer seine Dichterweihe und damit auch sein Wissen über die Ereignisse - gut griechisch - von den Musen und von Thetis empfängt, während Apollonios durch Achilleus persönlich über den Verlauf des Trojanischen Kriegs unterrichtet wird. Ein zweiter bedeutsamer Unterschied liegt darin begründet, dass Homer nur kurz zum Grabmal des Achilleus zu treten scheint, während Apollonios eine ganze Nacht auf dem Grabhügel verbringt 23 , also bereits am Abend seine Gefährten wegschickt und sich zum Grabhügel aufmacht 24 , dort die nächtliche Erscheinung erfährt 25 und erst am nächsten Morgen beim ersten 20 Xerxes: Hdt. 7,43,2; Alexander der Große: Diod. Sic. 17,17-18, Plut. Alex. 15,7-9, Arr. An. 1,11-12; cf. die ausführlichere Behandlung dieser Traditionen weiter unten im selben Abschnitt. 21 Ausführlich dazu Grossardt 2009a. 22 VA 4,16,1 (... δεῖξον ἡµῖν τὸ σεαυτοῦ εἶδος, καὶ γὰρ ἂν ὄναιο ἄγαν τῶν ἐµῶν ὀφθαλµῶν, εἰ µάρτυσιν αὐτοῖς τοῦ εἶναι χρήσαιο. - „... zeig uns deine Gestalt. Du würdest nämlich großen Nutzen ziehen von meinen Augen, wenn du sie als Zeugen deiner Existenz gebrauchen würdest.”). 23 Philostr. VA 4,11,1 ( ... τοὺς µὲν ἑταίρους ἐκέλευσεν ἐπὶ τὴν ναῦν χωρεῖν, αὐτὸς δὲ ἐπὶ τοῦ κολωνοῦ τοῦ Ἀχιλλέως ἐννυχεύσειν ἔφη - „... gab er den Gefährten den Befehl, zum Schiff zurückzukehren, er selbst aber, so sagte er, werde die Nacht auf dem Grabhügel des Achilleus verbringen.”). 24 Philostr. VA 4,11,3 ( ... προσέβαινε τῷ κολωνῷ µόνος, οἱ δὲ ἐβάδιζον ἐπὶ τὴν ναῦν ἑσπέρας ἤδη - „Er ging alleine zum Grabhügel vor, die anderen aber gingen zum Schiff zurück, weil es schon Abend war.”). 25 Philostr. VA 4,16,2 ( ἐπὶ τούτοις σεισµὸς µὲν περὶ τὸν κολωνὸν βραχὺς ἐγένετο, πεντάπηχυς δὲ νεανίας ἀνεδόθη Θετταλικὸς τὴν χλαµύδα ... - „Daraufhin entstand ein kurzes Beben rund um den Grabhügel, und ein Jüngling von fünf Ellen Größe kam hervor, ein Thessalier nach seinem Umhang ...”). Blendung und Dichterweihe 133 Hahnenschrei den Ort wieder verlässt und zu seinen Gefährten zurückkehrt 26 . Wahrscheinlich muss man sich die Situation also sogar so vorstellen, dass Apollonios seine Vision nicht im Wachzustand erlebt, sondern im Traum, und dass seine Begegnung mit Achilleus somit den Charakter einer Inkubation hat 27 . Nun könnte man die Hypothese erwägen, dass die Homer-Legende in der uns erhaltenen Form dies einfach sehr verkürzt darstellt und dasselbe Motiv der Übernachtung am Grab impliziert. Dagegen spricht aber schon, dass das Motiv der glänzenden Waffen Sonnenschein und Tageslicht bzw. dadurch verursachte Lichtreflexion voraussetzt 28 , und zum zweiten, dass die ‚Vita Romana’ unmittelbar auf unsere Erzählung eine Geschichte folgen lässt, wie Helena dem Homer im Traum erscheint und ihn zur Vernichtung seiner Werke auffordert 29 , und es wäre doch merkwürdig, wenn derselbe Autor im zweiten Fall das Motiv der Nacht und des Traums so betont ausgeführt, im ersten Fall aber dasselbe interessante Motiv völlig unterdrückt hätte. Eher denkbar wäre daher die umgekehrte Annahme, d.h. dass Philostrat die beiden genannten Motive des nächtlichen Besuchs und der persönlichen Mitteilung durch den Heros frei erfunden hätte 30 . Doch gibt es gerade für diese beiden Motive, wie wir im nächsten Abschnitt sehen werden, bedeutsame Parallelen im mittelalterlichen Nordwesteuropa, sodass es sich um ein altes Erzählmuster handeln dürfte. Bevor wir uns aber diesen mittelalterlichen Parallelen zuwenden können, ist noch ein etwas eingehenderer Blick auf die Geschichte des Grabhügels von Achilleus nötig und ebenso auf die Ehrengaben, die Homer nach der Darstellung der Platon-Scholien dem Heros darbringt: Die wohl bereits seit der Zeit um 1000 v. Chr. allmählich in die Troas eindringenden äolischen Siedler 31 , deren Stammesheros Achilleus war, 26 Philostr. VA 4,16,6 ( ταῦτα εἰπών ... ἀπῆλθε ξὺν ἀστραπῇ µετρίᾳ, καὶ γὰρ δὴ καὶ ἀλεκτρυόνες ἤδη ᾠδῆς ἥπτοντο - „Als er [sc. die Erscheinung des Achilleus] dies gesagt hatte ..., verschwand er mit einem leichten Lichtglanz. Denn die Hähne machten sich bereits an den Gesang.”); VA 4,12 ( ὁ δὲ Ἀπολλώνιος περὶ ὄρθρον ἥκων ... ἔφη ... - „Als Apollonios gegen Morgen zurückkam, sagte er ...”). 27 So auf der Grundlage verschiedener Parallelgeschichten geschlossen von Ogden 2001, 11 f. 28 Dies scheint sicher, weil auch die Passagen aus der ‚Ilias’, von denen unsere Erzählung in diesem Punkt abhängt, bei Tage spielen (cf. unten Kap. 4.3.1). 29 ‚Vita Romana’ § 5, V p. 252 l. 51 p. 253 l. 57 Allen = p. 31,32 - 32,6 von Wilamowitz- Moellendorff. 30 Wozu ich in Grossardt 2009a, 94 noch neigte. 31 Zur Einwanderung der Äoler in die Troas cf. Gauer 2000, 9-12 und Hertel 2008, 158- 160 und 187-193. Von dieser Position, die militärische Auseinandersetzungen zwischen einwandernden Griechen und der angestammten Bevölkerung zumindest für möglich hält, versucht sich nun abzuheben Rose 2008, der das Modell der (kriegerischen) Landnahme durch ein Modell der Handelsbeziehungen und der allmählichen Infiltration und Assimilation ersetzen möchte (Gegenkritik dazu bei Kolb 2010, 263 Kapitel 4 134 dürften schon relativ bald in der Nähe von Ilion einen Grabhügel angelegt oder ausgebaut 32 und diesen zu ihrem kultischen Zentrum gemacht haben 33 . Dies muss nicht unbedingt bedeuten, dass sie sich auch schon in der Nähe des Hügels niederließen und dort eine feste Siedlung gründeten oder gar Ilion selbst besetzten. Entscheidend war wohl nur zum einen die Nähe zum mythischen Schauplatz Troja und zum anderen die Lage des Grabhügels im Eingangsbereich des Hellespont und damit die Kontrolle über diese Meerenge 34 . Dieser Gedanke wird jedenfalls nahegelegt durch den Umstand, dass auch auf der anderen Seite des Hellespont, an der Südspitze der thrakischen Chersonesos, das Grab eines thessalischen Helden, nämlich das des Protesilaos, lokalisiert und zu einem zweiten Kultzentrum äolischer Prägung erhoben wurde 35 . Somit markierten die beiden Grabhügel zusammen einen äolischen Hoheitsanspruch über den Hellespont, wie denn auch im siebten Jahrhundert durch die Gründung der äolischen Siedlung Sigeion in unmittelbarer Nähe zu Ilion und durch die Anlegung mehrerer äolischer Kolonien auf der thrakischen Chersonesos wie Ainos, Alopekonnesos, Madytos und Sestos wieder äolische Machtansprüche über beide Seiten des Hellespont erhoben wurden 36 . [Anm. 5 zu S. 79 f.]). Doch zeigen eben die verschiedenen Grabhügel und Kultstätten, dass die äolischen Stammlande schon relativ früh territoriales Interesse an der Gegend von Troja entwickelt haben müssen, sodass zumindest für dieses begrenzte Territorium doch von gezielter Landnahme auszugehen ist. 32 Der Hügel ist zuerst erwähnt bei Hom. Il. 23,125 f. und 23,245-248 bzw. 23,255-257, Hom. Od. 24,80-84 und in der ‚Aithiopis’ bzw. bei Procl. Chr. p. 69 l. 22 Bern. Zur Frage nach der Identifikation des Grabhügels cf. unten Kap. 4.3.2. 33 So Högemann 2002, 1130-1132. 34 Ein möglicher früher Träger für die äolischen Kulte bei Ilion ist daher die Bevölkerung der Insel Tenedos, für welche äolische Herkunft schon bei Pindar (Nem. 11,33-37), Herodot (1,151,2) und Thukydides (7,57,5) und darauf wieder bei Strabon (13,1,46: ἔχει δὲ τὴν περίµετρον ὅσον ὀγδοήκοντα σταδίων καὶ πόλιν Αἰολίδα - „Tenedos aber hat einen Umfang von gegen achtzig Stadien und eine äolische Polis”) bezeugt ist. Zudem hatte Tenedos spätestens seit archaischer Zeit auch auf dem gegenüberliegenden Festland bei Achaiion Besitzungen; cf. Arist. Rh. 1,15,13, 1375 b 31 und Strab. 13,1,32, 13,1,44 und 13,1,46 sowie die zusammenfassenden Bemerkungen bei Tenger 1999, 121 f. 35 Der von Philostr. Her. 9,1 erwähnte Grabhügel des Protesilaos wurde von Schliemann 1884, 286-295 mit dem prähistorischen Hügel Karaaǧaçtepe identifiziert, der etwa einen Kilometer landeinwärts von der Festung Seddul Bahr in der Nähe der antiken Stadt Elaius liegt (Kritik daran und Alternativvorschläge bei Demangel 1926, 4 und Hertel 2003, 180-182; Abbildungen des Karaaǧaçtepe finden sich bei Schliemann 1884, 287 und Rose 2014, 62). Das Heiligtum und der dort praktizierte Kult sind zuerst erwähnt bei Hdt. 7,33 und 9,116-120 und Thuc. 8,102,3 und danach etwa bei Arist. Frg. 641,49 Rose, Strab. 7 Frg. 21a Radt und 13,1,31, Arr. An. 1,11,5, Paus. 1,34,2 und 3,4,6, Luc. Deor. Conc. 12 und Philostr. Her. 9,5-6; cf. die zusammenfassenden Besprechungen bei Jones 2001 und Grossardt 2006, 30-33. 36 Zur Gründung Sigeions cf. unten Kap. 4.3.2.; der äolische Charakter von Ainos ist bezeugt bei Hdt. 7,58,3, Thuc. 7,57,5, Ephoros von Kyme, FGrHist 70 F 39, Ps.- Blendung und Dichterweihe 135 Mit dieser Anlegung bzw. Übernahme der beiden Grabhügel durch die äolischen Einwanderer muss auch von Anfang an kultische Aktivität verbunden gewesen sein. Diese schimmert noch in den verschiedenen Hinweisen auf den Grabhügel des Achilleus durch, die sich in den homerischen Epen finden 37 , kann aber vielleicht auch aus einer Gedichtzeile des Alkaios erschlossen werden (Frg. 354 Voigt: Ἀχίλλευς ὀ τὰς Σκυθίκας µέδεις - „Achilleus, der über Skythien herrscht”), bei der es sich um einen Auszug aus einem Hymnos handeln könnte, der für eine kultische Feier am Grab des Achilleus bestimmt war 38 . Reiche Fortsetzung fand diese Aktivität in hellenistischer und römischer Zeit, als nach der Neugründung Ilions die Lokalität wieder von einer stattlichen Zahl von Einwohnern besiedelt war und erneut eine regelmäßige Kulttätigkeit aufgenommen wurde 39 . Schwieriger zu bestimmen bzw. zu erklären ist dagegen die Kulttätigkeit an der Grabstätte des Achilleus in den ‚Dark ages’ von ca. 700 bis 300 v. Chr., als der Hügel von Hissarlik, also die Stätte des bronzezeitlichen Troja, entweder gar nicht 40 oder (eher) nur sehr spärlich besiedelt war 41 . Es gab aber jedenfalls auch zu dieser Zeit in der näheren Umgebung griechische Siedlungen wie vor allem die Stadt Sigeion am gleichnamigen Kap oder das etwas weiter südlich gelegene Achilleion 42 . Die vereinzelten (literarischen) Hinweise auf kultische Aktivitäten am Grab des Achilleus in spätarchaischer und klassischer Zeit könnten daher beispielsweise mit den Einwohnern dieser beiden Poleis in Verbindung gebracht werden 43 . Zudem kann es auch aus dem thessalischen Mutterland Festgesandtschaften zum Grab des Achilleus gegeben haben, Skymnos 696 f., Strab. 7 Frg. 21a Radt und Steph. Byz. α 135 Bill., derjenige von Alopekonnesos bei Ps.-Skymnos 706, der von Madytos und Sestos bei Ps.-Skymnos 709 f. und Strab. 7 Frg. 21i Radt. Möglicherweise war auch Elaius, welches in unmittelbarer Nähe zum Grabhügel des Protesilaos liegt und damit direkt gegenüber von Sigeion, zunächst eine äolische Siedlung aus dem siebten Jahrhundert, bevor dann Athen im sechsten Jahrhundert eine Neugründung veranlasste; cf. Isaac 1986, 192 f. 37 So zuletzt Nagy 2012, 48-51. 38 So vorgeschlagen von Hommel 1980, 9 f. 39 Zu den Formen des Achilleus-Kults in hellenistischer und römischer Zeit cf. unten Kap. 4.3.2. 40 Dies das eine mögliche Extrem, wie es etwa bei Korfmann 2002, 211 formuliert ist („We find that archaeology has not yet come up with any unequivocal architectural evidence, with the exception of the Sanctuary to the southwest of the Bronze Age Citadel, for the roughly four centuries in question from about 700 until about 300 BC.”). 41 So die weniger radikale zweite Möglichkeit, die beispielsweise Korfmann 2006, 8 festhält („Phase der Armut in klassischer Zeit”). 42 Zur Lage der beiden Städte und zur Geschichte ihres Konflikts cf. unten Kap. 4.3.2. 43 Zum archäologischen Befund an den beiden in Frage kommenden Hügeln cf. unten Kap. 4.3.2. Kapitel 4 136 wenn auch die diesbezüglichen Schilderungen des Flavius Philostrat einigen Zweifeln ausgesetzt sind 44 . Auffällig ist somit, dass die von den Platon-Scholien genannten Trankspenden und Kränze ( πολλάς τινας καταβαλέσθαι εἰς τὸν ἥρω χοὰς καὶ στεφάνους - „er [sc. Homer] habe dem Heros viele Trankspenden und Kränze hinterbracht”) nicht nur den sonstigen Formen des Heroenkults - im Kern eine Ausweitung des normalen Totenkults - entsprechen 45 , sondern auch in Ilion prominente Parallelen finden. So berichtet uns Herodot, wie schon Xerxes auf seinem Feldzug nach Griechenland vor seinem Übergang über den Hellespont nach Ilion hochstieg, um die Stadt zu besichtigen, und darauf der Athene ein Tieropfer darbrachte und den Heroen der Umgebung Trankspenden (Hdt. 7,43,2: ἐς τὸ Πριάµου Πέργαµον ἀνέβη ἵµερον ἔχων θεήσασθαι. θεησάµενος δὲ καὶ πυθόµενος ἐκείνων ἕκαστα τῇ Ἀθηναίῃ τῇ Ἰλιάδι ἔθυσε βοῦς χιλίας, χοὰς δὲ οἱ µάγοι τοῖσι ἥρωσι ἐχέαντο . - „Er stieg nach Pergamon hoch, nach der Stadt des Priamos, weil er das Verlangen hatte, sie zu besichtigen; als er sie aber besichtigt und von jenen alles erfragt hatte, opferte er der Athene von Ilion tausend Rinder, die Magi aber gossen Trankspenden für die Heroen aus.”) 46 . Dass Xerxes hier, obwohl er die Riten durch seine eigenen Magi durchführen ließ, keinen persischen Gebräuchen folgte, sondern einheimische Kultformen nachahmte, zeigt sich durch die konkrete Darstellung. Denn Xerxes macht den korrekten Unterschied zwischen dem olympischen (Rinder-) Opfer für die Göttin Athene (mit dem technischen Ausdruck θύω ) 47 und einer chthonischen (Trank-) Spende für die Heroen 48 , bewegt sich also ganz in den Bahnen konventioneller griechischer Religionsformen, wie sie ihm von lokalen Gewährsmännern anempfohlen waren. Ebenso sprechend ist die 44 Philostr. Her. 53,8-23; cf. die Besprechung der geschilderten Riten bei Radet 1915 und Rutherford 2009 sowie die Erörterung des historischen Hintergrunds bei Graninger 2011, 149 f. 45 Für Libationen an der Begräbnisstelle von gewöhnlichen Toten oder verstorbenen Heroen cf. beispielsweise Is. 6,51 und 6,65, Apoll. Rhod. 1,1075-1077 (mit den Scholien z. St., p. 94,18-19 Wendel), Luc. Charon 22 und Philops. 21 und die ‚Suda’ ε 1092 Adler sowie die Erläuterungen bei Pfister 1909-1912, 474 f. und 476 und Ekroth 2002, 67 f., 119 f. und 179 Anm. 213; für die Niederlegung von Kränzen im Zusammenhang mit der kultischen Verehrung von Heroen cf. die Beispiele bei Grossardt 2006, 413 (zu ergänzen wäre dort die Bekränzung des Heroons der Gefallenen von Marathon durch die athenischen Epheben in IG 2 2 1006, Z. 26-27 und 69-70 sowie die Ausführungen bei Ekroth 2002, 75-77). 46 Zum Besuch des Xerxes in Ilion und generell zu Ilion als Reiseziel fremder Herrscher cf. Vermeule 1995, Sage 2000, Brena 2004 und Borgeaud 2009/ 2010. 47 Zweites bekanntes Beispiel für ein Opfer für Athene Ilias durch einen auswärtigen Feldherrn ist dasjenige des Spartaners Mindaros im Jahre 411 v. Chr. (Xen. HG 1,1,4). 48 Neben Achilleus dürften damit vor allem Aias und Hektor gemeint gewesen sein, die zu dieser Zeit nördlich bzw. nordöstlich der Stadt ebenfalls Grabmonumente besaßen. Blendung und Dichterweihe 137 Kulthandlung Alexanders des Großen, dem bei seinem Besuch von Ilion im Jahre 334 v. Chr. nicht zuletzt daran gelegen war, einen Kranz am Grab des Achilleus niederzulegen 49 , womit er wieder ganz den griechischen Kultformen folgte. Wenn der Verfasser unserer Legende also ebenfalls die Trankspenden und das Niederlegen eines Kranzes in das Zentrum seiner Erzählung stellte, so war er jedenfalls gut vertraut mit den üblichen Formen des Heroenkults, reflektierte aber wahrscheinlich auch die kultischen Handlungen, wie sie regelmäßig von der Bevölkerung der Troas Achilleus erwiesen wurden und danach bei auswärtigen Besuchern wie Xerxes und Alexander Nachahmung fanden. 49 Plut. Alex. 15,8, Arr. An. 1,12,1 ( καὶ τὸν Ἀχιλλέως ἄρα τάφον ἐστεφάνωσεν - „und er bekränzte also das Grab des Achilleus”) und Ael. VH 12,7. Nachahmung in dieser Kulthandlung fand Alexander bei Caracalla (Hdn. 4,8,4: ἧκεν ἐπὶ τὸν Ἀχιλλέως τάφον, στεφάνοις τε κοσµήσας καὶ ἄνθεσι πολυτελῶς - „er kam zum Grab des Achilleus, es mit Kränzen und Blumen reich schmückend”). Kapitel 4 138 4.2 Die Parallelerzählungen im nordwesteuropäischen Raum und die Frage nach der Funktion und der originalen Form des Erzähltypus Geschichten von der Weihung eines einfachen Mitglieds der Gesellschaft zum Dichter oder religiösen Führer durch eine Gestalt von göttlicher Autorität sind keine Seltenheit 50 . Es zählen dazu so berühmte Beispiele wie das altbabylonische Epos ‚Erra und Išum’, dessen Verfasser Kabti-ilani- Marduk von Gott Erra persönlich im Schlaf den Inhalt der Geschichte erfährt und damit zum Dichter erhoben wird 51 , die Dichterweihe des indischen Weisen Valmiki, der in der Abgeschiedenheit seiner Askese von Gott Brahma den Auftrag zur Abfassung des indischen Nationalepos ‚Ramayana’ erhält 52 , die Berufung von Moses zum Führer seines Volkes 53 und diejenige Mohammeds zum Propheten 54 , verschiedene zentralasiatische Traditionen 55 wie vor allem die kirgisischen Traditionen zur Vermittlung des Nationalepos ‚Manas’ 56 , und - im griechischen Kontext dominierend 57 - die Dichterweihe Hesiods auf dem Helikon durch die neun Musen 58 . Der gemeinsame Nenner dieser Erzählungen besteht in der 50 Die Sammlung der Parallelen wurde ausgelöst durch das Studium der unten vorgestellten Erzählung von Cædmon und erfolgte - nach einer Pionierleistung von Jacob Grimm (Grimm 1876, 579 und 755; Grimm 1878, 276) - vor allem in den Arbeiten von Aurner 1926, Klaeber 1927, Pound 1929 und Whitbread 1939, die dann von Lester 1974 einer kritischen Sichtung unterzogen wurden. Die jeweiligen Hinweise auf die Dichterweihe Homers, die sich in diesen Arbeiten finden, beziehen sich allerdings immer nur auf die bekannte Episode bei Isoc. 10,65 (unten Kap. 4.4.1) und nicht auf unsere Legende. 51 ‚Erra und Išum’ V 42-44 (Cagni 1977, 60; kurze Darstellungen des Epos und der Episode von der Dichterweihe auch bei West 1997, 68 und 287). 52 ‚Ramayana’ 1,2 (Goldman 1984, 127-129); für eine Einordnung der Episode in den Kontext der indischen literarästhetischen Diskussion cf. Goldman 1984, 71 f., für die Verbindung mit der englischen Erzählung von Cædmon cf. Whitbread 1939. 53 ‚Exodus’ 3,1 - 4,17 (Einheitsübersetzung 2005, 56 f.). 54 ‚Koran’, Sure 96 (Koran 1991, 597) bzw. die bei Lings 1983, 43-45 resümierten Sekundärquellen; cf. den Vergleich dieser Erwählung mit der Dichterweihe Cædmons bei Lester 1974, 227, von See 1983, 230 f., Thundy 1989, 108 und O’Donnell 2007, 22-27. 55 In knapper Form gesammelt und besprochen von Ritoók 1970a, 21. 56 Cf. die Nachrichten zur Inspiration des kirgisischen Sängers Jusup Mamay bei Lang 2001, 226 f. (unten Anm. 83). 57 Zu weiteren Beispielen für Dichterweihen im griechischen Kontext cf. unten Kap. 4.4.3. 58 Hes. Th. 22-35; zu den spezifischen Motiven der Dichterweihe Hesiods und zu ihrer Rezeption in mehreren prominenten antiken Texten (Kallimachos, Ennius, Properz) cf. Falter 1934, 13-16 und 80-85 sowie Kambylis 1965, zur Datierung Hesiods bzw. der ‚Theogonie’ - wahrscheinlich auch für die Legende von der Berufung Homers als Blendung und Dichterweihe 139 Berufung des Auserwählten, die er im Traum oder in einer Vision erlebt, und die Person, die ihm seine neue Aufgabe zuweist, ist entweder ein Gott, ein Engel oder ein verstorbener Heros; häufig handelt es sich bei dem Auserkorenen um einen einfachen Hirten, der einsam seiner Arbeit nachgeht 59 , aber durch seine Berufung zum herausragenden Dichter oder politisch-religiösen Führer seiner Nation wird. Anstelle einer Gesamtübersicht über das Motiv soll an dieser Stelle aber lediglich eine Besprechung einiger ausgewählter Beispiele aus dem nordwesteuropäischen Mittelalter gegeben werden. Diese Erzählungen eignen sich deswegen besonders gut für einen Vergleich mit der Legende Homers, weil sie ihr in einigen Punkten besonders nahestehen und weil sie in ihrer Bedeutung für die jeweilige Nation besonders gut zu überblicken sind und somit auch die Bedeutung der Homer-Legende für die griechische Gesellschaft näher erhellen können. 4.2.1 Die Parallelerzählungen im nordwesteuropäischen Raum und die Frage nach ihrer Beziehung zur Legende vom Besuch Homers am Grab des Achilleus Die älteste Parallelerzählung aus dem nordwesteuropäischen Mittelalter findet sich in der um das Jahr 730 datierten ‚Historia ecclesiastica’ des Beda Venerabilis (4,24). Sie erzählt, wie einst der Rinderhirte Cædmon zum Dichter geweiht wurde und daraufhin auch die religiösen Weihen als Klosterbruder in Whitby an der Ostküste Nordenglands erhielt. Cædmon war nämlich zunächst noch längere Zeit seines Erwachsenenlebens Laie gewesen und galt sogar als besonders unbegabt in der Dichtkunst, sodass er jeweils bei festlichen Gelegenheiten, wenn die Teilnehmer reihum aufgefordert wurden, ein weltliches Lied zur allgemeinen Erheiterung beizusteuern, schnell aus der fröhlichen Runde entfloh. Eines Nachts kam es jedoch zu folgender Begebenheit 60 : Quod dum tempore quodam faceret, et relicta domu convivii egressus esset ad stabula iumentorum, quorum ei custodia nocte illa erat delegata, ibique hora conpetenti membra dedisset sopori, adstitit ei quidam per somnium, eumque salutans ac suo appellans nomine ‚Cædmon’, inquit, ‚canta mihi aliquid.’ at ille respondens ‚nescio’ inquit ‚cantare; nam et ideo de convivio egressus huc secessi, quia cantare non poteram.’ rursum ille qui cum eo loquebatur ‚at tamen’ ait ‚mihi terminus post quem anzusehen (unten Anm. 231) - cf. die Diskussion bei Koiv 2011 und den konkreten Vorschlag bei West 2012, 236 f. (ca. 680-660 v. Chr.). 59 So neben Homer, Hesiod und Moses vor allem die unten genannten Dichter Cædmon und Hallbjörn aus dem nordwesteuropäischen Bereich. 60 Zitiert nach der Ausgabe von Colgrave, Minors 1991, 416; die beigegebene Übersetzung stammt vom Verfasser. Kapitel 4 140 cantare habes.’ ‚quid’ inquit ‚debeo cantare? ’ et ille ‚canta’ inquit ‚principium creaturarum.’ quo accepto responso, statim ipse coepit cantare in laudem Dei Conditoris versus quos numquam audierat, quorum iste est sensus 61 : ‚nunc laudare debemus auctorem regni caelestis, potentiam Creatoris et consilium illius, facta Patris gloriae: quomodo ille, cum sit aeternus Deus, omnium miraculorum auctor extitit, qui primo filiis hominum caelum pro culmine tecti, dehinc terram Custos humani generis omnipotens creavit.’ hic est sensus, non autem ordo ipse verborum, quae dormiens ille canebat; neque enim possunt carmina, quamvis optime conposita, ex alia in aliam linguam ad verbum sine detrimento sui decoris ac dignitatis transferri. exsurgens autem a somno, cuncta quae dormiens cantaverat memoriter retenuit, et eis mox plura in eundem modum verba Deo digni carminis adiunxit. Als er dies bei einer bestimmten Gelegenheit so hielt und nach Verlassen des Festsaales zum Stall der Rinder hinausgegangen war, deren Bewachung ihm in dieser Nacht oblag, und dort zur angemessenen Stunde seine Glieder dem Schlaf anheimgegeben hatte, stellte sich jemand im Traum zu ihm, grüßte ihn und sagte, ihn bei seinem Namen nennend: „Cædmon, singe mir etwas! ” Aber jener antwortete: „Ich verstehe es nicht zu singen; denn eben deswegen habe ich die Festgemeinde verlassen und mich hierher zurückgezogen, weil ich nicht singen konnte.” Wiederum sagte jener, der zu ihm sprach: „Dennoch bist du gehalten, für mich zu singen.” „Was muss ich singen? ”, sagte er. Darauf sagte jener: „Singe vom Anfang der Schöpfung! ” 62 Als er diese Antwort erhalten hatte, begann er sogleich, Verse zum Lob Gottes zu singen, welche er niemals gehört hatte und deren Sinn folgender ist: „Jetzt müssen wir den Urheber des himmlischen Reiches loben, die Macht des Schöpfers und seinen Ratschluss, die Taten des Vaters des Ruhms: Wie jener, weil er der ewige Gott ist, als Urheber aller Wunder hervorgetreten ist, er, der zuerst für die Menschensöhne den Himmel als Dachfirst erschaffen hat und darauf als allmächtiger Beschützer des Menschengeschlechtes die Erde.” Dies ist der Sinn, aber nicht die Anordnung selbst der Worte, die jener im Schlaf sang. Lieder können nämlich, auch wenn sie ausgezeichnet verfasst sind, nicht ohne Beeinträchtigung ihrer Schönheit und ihrer Würde von einer Sprache in die andere übertragen werden. Als er sich aber aus seinem Schlaf erhob, behielt er alles, was er 61 Wie Beda im Einleitungsteil seines Kapitels ausführt, war Cædmons Dichtung in seiner angelsächsischen Muttersprache verfasst. Die folgende Wiedergabe durch Beda soll also nur eine lateinische Paraphrase des Liedes sein. Das angelsächsische Original des Hymnos existierte zunächst in unabhängiger Form, wurde aber später einer Reihe von Manuskripten der ‚Historia’ beigefügt (cf. Dobbie 1937, 10 f.). 62 Cf. die engen Parallelen zu diesem Dialog in den Sekundärquellen zu Mohammeds Erwählung (Lings 1983, 43 f.) und in Jusup Mamays Bericht von seiner Dichterweihe als kleiner Junge (unten Anm. 83). Blendung und Dichterweihe 141 schlafend gesungen hatte, im Gedächtnis, und er fügte bald in derselben Weise mehr Worte eines Liedes hinzu, welches Gottes würdig war. Als Cædmon am nächsten Morgen dem ihm vorgesetzten Gutsverwalter von seinem Traum erzählt, wird er verschiedenen Gelehrten und der Äbtissin des nahegelegenen Klosters vorgeführt. Nachdem diese sich von seiner poetischen Gabe überzeugt haben, wird Cædmon in die Klostergemeinschaft aufgenommen und betätigt sich fortan als Sänger, der die Bibel versifiziert, aber auch sonstige theologische Themen in angelsächsischer Verssprache vorträgt. Datieren lässt sich diese Geschichte, wenn die Darstellung des Beda denn einen realen Kern aufweist, in die Zeit zwischen den Jahren 658 und 680 63 . Relativ große Ähnlichkeit mit dieser Erzählung weist der Schluss der altisländischen ‚Erzählung von Þorleif, dem Skalden des Jarls’ (‚Þorleifs þáttr jarlsskálds’) auf. Diese Erzählung, die um das Jahr 1300 niedergeschrieben wurde, beschreibt das Leben des isländischen Helden Þorleif, der im zehnten Jahrhundert gelebt haben soll und in der für Island typischen Weise das Leben eines Abenteurers mit dem Beruf eines Skalden, also eines Gelegenheitssängers, verband 64 . Jahre später soll der Schafhirte Hallbjörn Interesse für die Person des Þorleif entwickelt haben, was zur folgenden bemerkenswerten Episode führte 65 : Damals lebte ein Mann auf Þingvellir, der Þorkell hieß. Er besaß eine große Anzahl Kühe, und er war immer gerne zu Hause. Er war kein Mann von hohem Ansehen. Sein Schafhirte hieß Hallbjörn, und man nannte ihn Schwanz. Er suchte oft Þorleifs Hügel auf und schlief dort in der Nacht. In der Nähe ließ er sein Vieh weiden. Er denkt oft daran, irgendein Lobgedicht über den Hügelbewohner zu machen, und redet immer darüber, wenn er auf dem Hügel liegt. Aber weil er kein Skalde war und die Skaldenkunst niemals gelernt hatte, brachte er kein Gedicht zustande. Sein mangelndes Geschick ließ ihn nie über die erste Zeile hinauskommen, und die lautete so: Hier liegt der Skalde. Zu mehr langte es nicht. 63 So Wrenn 1946, 288 f., der diesen chronologischen Rahmen aus der Amtszeit der genannten Äbtissin (Schwester Hild aus dem Kloster von Whitby) gewinnt. 64 Für eine kurze Einschätzung der Erzählung cf. Kristjánsson 1994, 321. 65 Zitiert nach der Übersetzung von Esser 2011a, 426-428 (eine ältere Übersetzung bei Niedner 1928, 56 f., eine englische Übersetzung der zentralen Ausschnitte bei Kelchner 1935, 129); das isländische Original der Episode findet sich bei Kristjánsson 1956, 227-229. Kapitel 4 142 Es geschah eines Nachts, als er wie so oft auf dem Hügel lag und seiner üblichen Tätigkeit nachging, sich an seinem Preislied über den Hügelbewohner zu versuchen. Dabei schläft er ein, und dann sieht er, dass sich der Hügel öffnet und ein hochgewachsener und wohlgekleideter Mann hinaustrat. Er stieg zu Hallbjörn auf den Hügel hinauf und sprach: „Da liegst du, Hallbjörn, und willst das zustande bringen, was dir nicht gegeben ist: ein Preisgedicht über mich anfertigen. Entweder bemühst du dich um die Dichtkunst, und ich kann dich darin eher als die meisten anderen unterrichten, und es ist zu erwarten, dass das Erfolg hat, oder du darfst dich nicht länger damit abmühen. Ich werde nun für dich eine Strophe sprechen, solltest du sie verstehen und auswendig können, nachdem du aufgewacht bist, wirst du ein guter Skalde werden und Lobgedichte auf viele Herrscher anfertigen, und dann wirst du in dieser Kunst große Erfolge erzielen.” Dann zog er ihn an der Zunge und sprach diese Strophe: Hier liegt der Skalde der Skalden, er war der beste von allen; Ich hörte, dass er Jarl Hákon verhöhnte, der Speerschleuderer. Kein anderer Recke rächte je sich so für Raub, den Hákon verübte, des Jarls schmähliche Würdigung wurde weithin unter den Menschen bekannt. „Nun sollst du deine Skaldentätigkeit damit beginnen, dass du ein Lobgedicht über mich anfertigst, sobald du aufwachst, und sei sehr sorgfältig, was das Versmaß, die Wortwahl und besonders die Kenningar betrifft.” Anschließend verschwand er wieder im Hügel, der sich hinter ihm schloss. Hallbjörn erwacht und glaubt, noch seine Schultern sehen zu können. Er erinnerte sich an das Gedicht und ging nach einer Weile mit seiner Herde heim zum Gehöft und erzählte den Vorfall. Später dichtete Hallbjörn ein Lob auf den Bewohner des Hügels und wurde ein sehr guter Skalde. Er segelte ins Ausland und trug Gedichte über zahlreiche Herrscher vor. Hallbjörn erhielt von ihnen hohe Ehren und kostbare Geschenke und erwarb sich dadurch großen Reichtum. Über ihn erzählt man sich sowohl hierzulande als auch im Ausland viele Geschichten, auch wenn sie hier nicht aufgeschrieben sind. Blendung und Dichterweihe 143 Der Zusammenhang zwischen den zwei Erzählungen ist evident 66 : In beiden Erzählungen steht ein Hirte im Zentrum, der dichterisch unbegabt ist, aber den Wunsch oder die Notwendigkeit verspürt, sich dennoch poetisch zu betätigen. Eines Nachts hat er jedoch eine Traumerscheinung, die ihm einen bestimmten poetischen Text eingibt. Nach dem Erwachen kann der jeweilige Hirte sich gut an den Text erinnern und ist in der Folge problemlos in der Lage, auch eigene poetische Texte zu schaffen. Es liegt also in beiden Fällen das Motiv der Dichterweihe vor 67 . Allerdings gibt es auch Unterschiede zwischen den beiden Erzählungen, die es verbieten, eine direkte oder ausschließliche Abhängigkeit des isländischen þáttr von der englischen Heiligenlegende anzunehmen. So wird etwa Cædmon durch die nächtliche Erscheinung zu einem religiösen Hymnos inspiriert und bleibt danach bei religiöser Dichtung, während Hallbjörn einen tapferen Helden besingt und auch in der Folge weiterhin Heldendichtung pflegt. Der wichtigste Unterschied besteht jedoch darin, dass Hallbjörn sein dichterisches Handwerk direkt am Grab des Helden und durch dessen persönliche Vermittlung lernt. Damit steht Hallbjörn in einer engen Parallele zu dem Homer der antiken Legende und in noch engerer Übereinstimmung mit den nächtlichen Erlebnissen des Apollonios in der ‚Vita’. Jedoch gibt es auch im nordwesteuropäischen Raum eine bedeutsame Parallele zu diesen Erzählmotiven. Es handelt sich um eine Erzählung, die die Entstehung des irischen Nationalepos ‚Táin bó Cúalnge’, also der Geschichte vom Streit um den Prachtsstier der Provinz Ulster, erklären soll. Nach dieser Erzählung, deren bekannteste Ausformung sich im ‚Buch von Leinster’ (Mitte des 12. Jh.s 68 ) findet, soll das Wissen um die ‚Táin’ zwischenzeitlich verloren gegangen sein. Daher wurden verschiedene Anstrengungen unternommen, um den Text des Epos wiederzugewinnen 69 : 66 So neben den oben in Anm. 50 genannten Autoren auch Chadwick, Chadwick 1940, 902 und Bowra 1952, 428. 67 Eher punktuell dagegen die Parallele der Erzählung von Hallbjörn zur Legende von der Grabinschrift des Beda Venerabilis (überliefert in der anonymen ‚Vita’ bei Giles 1843, CLXII), auf die Kristjánsson 1956, C hinweist. Immerhin scheint das Einzelmotiv der angefangenen, aber zunächst nicht zu Ende gebrachten ersten Verszeile (am Grab der gepriesenen Person) sich durch diese Parallele zu erklären, wobei literarischer Einfluss ebenso gut denkbar ist wie eine freie mündliche Tradition. 68 ‚Book of Leinster’ p. 245 b; zur Datierung der Handschrift cf. Windisch 1905, LXVIII. 69 Zitiert nach der Übersetzung von Windisch 1905, LIII f. (ebendort auch das altirische Original); eine ältere deutsche Übersetzung findet sich bei Zimmer 1887, 434 f., eine moderne englische Übertragung bei Kinsella 1970, 1 f. Kapitel 4 144 Da wurden aber Irlands Dichter von Senchán Torpeist 70 zusammengerufen, ob sie die Táin bó Cúalngi in ihrer Vollständigkeit im Gedächtniss hätten. Und sie sagten, dass sie von ihr nur Stücke wüssten. Senchán sagte darauf zu seinen Schülern, wer von ihnen für seinen Segen in die Lande von Letha gehen würde, um die Táin zu lernen, die der Gelehrte für den Culmenn ostwärts genommen hatte 71 . Es ging Émine Enkel des Ninene und Muirgein Sohn des Senchán, ostwärts zu wandern. Zu dem Grab des Fergus mac Roig und vorbei an seinem Stein bei Énloch in Connacht gingen sie. Murgein setzt sich allein bei dem Steine des Fergus hin, und alle gingen von ihm, inzwischen ein Gasthaus für sie zu suchen. Murgein aber sang ein Lied an den Stein, als wäre es Fergus selbst, den er anredete, ... 72 Darauf legte sich der grosse Nebel um ihn, so dass er seine Leute nicht fand bis zum Ende von drei Tagen und drei Nächten. Und der Fergus ging dann zu ihm, in sehr schönem Aufzug, nämlich ein grüner Mantel, ein mit Kapuze versehener Leibrock mit Einziehung von rothen (Faden), ein Schwert mit Goldgriff, Schuhe von Bronze, braunes Haar auf ihm. Fergus erzählte ihm darauf die ganze Táin, wie sie ausgeführt worden war, von Anfang bis zu Ende. Andere sagen aber, dass sie dem Senchán verkündet worden ist, nachdem er zu den Heiligen aus Fergus’ Samen gefastet hatte, und es wäre nicht zu verwundern, wenn es sich so verhielte. Alle gehen dann zu Senchán und erzählen ihm ihre Fahrten, und er war darauf auch zufrieden mit ihnen. Bemerkenswert in unserem Zusammenhang ist, dass wieder von einem jüngeren Mann die Rede ist, der zum Grab eines Helden pilgert und so die Informationen erhält, die es ihm erst ermöglichen, das entsprechende Lied vorzutragen. Wieder ist es aber kein beliebiger Held, der aus seinem Grab herausgerufen wird. Denn Fergus ist zwar - im Unterschied zu Achilleus und Þorleif - nicht die Zentralgestalt der betreffenden Geschichte, aber doch einer der Hauptakteure 73 . Und auch die Situation der Totenbeschwörung ist weitgehend vergleichbar mit der griechischen und der isländischen Tradition, weil Apollonios und Hallbjörn ihren Helden jeweils 70 Halbmythischer Dichter des siebten Jahrhunderts, der zu seiner Zeit den offiziellen Rang des obersten Dichters Irlands innehatte (Windisch 1905, XLVII und LII). 71 Die Rede scheint von einer älteren schriftlichen Niederlegung der ‚Táin’ zu sein. 72 Unverständlicher Text. 73 Cf. die Übersicht über die Rolle des Fergus in der ‚Táin’ bei Windisch 1905, LIX und die weiteren Bemerkungen zur Bedeutung des Fergus in der sonstigen irischen Tradition bei Edel 1997. Blendung und Dichterweihe 145 zur Nachtzeit aus seinem Grab hervorrufen, während Murgein drei Tage lang von einem dichten Nebel umgeben ist und damit ebenfalls in der Dunkelheit agiert. Die Geschichte vom Besuch des Murgein bei Fergus ist also zweifelsohne verwandt mit den Geschichten von Cædmon bzw. Hallbjörn. Dennoch kann sie nicht in direkter Verbindung mit ihnen stehen. Denn Murgein ist kein Hirte, sondern von Anfang an Sänger, und er ist nicht der erste, der die ‚Táin’ erlernt und vorträgt, sondern steht eher für die Erneuerung einer Liedtradition. Dieses Zusatzmotiv des zuerst in Einzelteile zergliederten und nun wieder zu einem Ganzen zusammengesetzten Liedes wird uns in der Folge noch mehrfach beschäftigen. Ungeachtet der geographischen und zeitlichen Nähe sind die drei Beispiele aus England, Irland und Island somit keine Glieder einer Traditionskette, sondern lediglich Repräsentanten einer breiten Motivtradition mit je eigenen Sondermotiven und spezifischen Verbindungen zu den Nachbarerzählungen. Die größere Bedeutung für unser Thema weisen von den drei Geschichten sicherlich diejenigen von Hallbjörn und von Murgein auf, weil sie am Grab bzw. Grabhügel des jeweiligen Helden spielen und somit derselben spezifischen Ausprägung des Motivs der Dichterweihe angehören wie die Geschichte von Homer. Dabei ist aber die Geschichte von Murgein wieder in gewisser Weise ein Sonderfall. Denn die hauptsächlichen Motive, die diese Geschichte von der von Hallbjörn unterscheiden, also das Motiv, dass Murgein von Anfang an ein Dichter ist und nicht erst dazu berufen wird, und dasjenige, dass die ‚Tain’ bereits vorher bekannt war und daher durch den Besuch am Grab ‚nur’ wiedergewonnen werden muss, haben ihre je spezifische Erklärung. So ist das erstgenannte Motiv eine Konstante der irischen Tradition, die sich auch in den Parallelversionen zur Wiedergewinnung der ‚Tain’ finden, die nicht Murgein, sondern dessen Vater Senchán ins Zentrum stellen 74 , und das Motiv der Wiedergewinnung eines älteren, aber zwischenzeitlich in Einzelteile aufgelösten Epos ist ein Wandermotiv mit Parallelen in anderen (indogermanischen) Nationen 75 . Die irische Tradition hat also offenbar das Motiv der Dichterweihe am Grabhügel eines Helden mit dem Motiv der Wiedergewinnung eines Epos in idiosynkratischer Weise verbunden. Somit repräsentiert die Geschichte von Hallbjörn sicherlich den reineren Typus, was ja auch daraus hervorgeht, dass seine Geschichte eine größere motivische Nähe zu der von Homer aufweist. 74 Zu den Parallelversionen, die Murgeins Vater Senchán zum zentralen Helden machen, cf. die weiter unten folgenden Ausführungen und insbesondere die Quellennachweise in Anm. 110. 75 Cf. die unten in Kap. 4.4.2 genannten Belege. Kapitel 4 146 Allerdings finden sich vergleichbare Erzählungen zu Totenerscheinungen an Grabhügeln auch sonst in der mittelalterlichen isländischen Tradition, ohne dass ein Bezug zum Motiv der Dichterweihe vorläge. So findet sich beispielsweise in der ‚Saga von Brennu-Njáll’ (‚Brennu-Njáls saga’) die Erzählung, dass Gunnar, der Held der Saga, im Kampf getötet und in einem eigenen Grabhügel bestattet wurde. Eines Tages gewinnen aber vorbeiziehende Hirten den Eindruck, dass Gunnar in seinem Hügel Strophen aufsagt, und als sie Gunnars Sohn Högni und Skarphéðinn, den Sohn von Gunnars Freund Njáll, darüber informieren, verbringen die beiden eine Nacht am Grabhügel und nehmen nun ihrerseits wahr, wie der Grabhügel sich öffnet und Gunnar eine Strophe hersagt, die die beiden jungen Kämpfer als Aufforderung zur Rächung seiner Person verstehen 76 . In der ‚Erzählung von Þorsteinn Ochsenfuß’ (‚Þorsteins þáttr uxafóts’) dagegen gelangt der jugendliche Held Þorsteinn zusammen mit einem Diener zum Grabhügel des Brynjar und besteht darauf, dass er die Nacht ungestört am Hügel verbringen kann. Tatsächlich erfüllt sich seine Vorahnung, denn er sieht im Traum, wie Brynjar aus dem Hügel heraustritt und ihn einlädt, mit ihm zusammen den Hügel zu betreten. Þorsteinn folgt dieser Einladung (immer noch im Schlaf bzw. Traum), gerät im Innern des Hügels aber in eine kriegerische Auseinandersetzung mit Brynjars bösem Bruder Odd, bei der Þorsteinn zuletzt einen goldenen Ring erkämpft, mit dessen Hilfe seine stumme Mutter zum Sprechen gebracht werden kann. Nach dem Erwachen findet sich Þorsteinn in der Tat im Besitz dieses Rings 77 . Die Verbindung der Motive des Traums und des Grabhügels findet sich also auch sonst in der isländischen Tradition und dieser Motivkomplex kann jederzeit das Teilmotiv hinzunehmen, wie der aus dem Grab hervortretende Held ein Gedicht vorträgt und damit dem Lebensweg des Träumenden eine neue Richtung gibt. Man wird dennoch die Geschichte von Hallbjörn nicht als zufällige Kombination von Einzelmotiven sehen wollen, denn es bleibt das Faktum bestehen, dass diese Erzählung mit dem Motiv der Dichterweihe eines Hirten am Grab eines Helden der Vorzeit eine enge Übereinstimmung mit der Legende von Homer aufweist und dies über eine weite räumliche und zeitliche Distanz hinweg. Es stellt sich somit die Frage, ob diese isländische Erzähltradition nicht überhaupt durch die antiken Erzählungen über die Besuche am Grabhügel des Achilleus hervorgerufen sein kann, ob es sich also, mit anderen Worten formuliert, nicht um einen Fall von Rezeption bzw. von gesunkenem Kulturgut handelt. 76 Wetzig 2011, 604 f. (isländisches Original bei Sveinsson 1954, 192-194). 77 Esser 2011b, 36-39 (isländisches Original bei Vilmundarson, Vilhjámsson 1991, 351- 355). Blendung und Dichterweihe 147 Diese These ist nicht so abwegig, wie sie zunächst vielleicht erscheinen mag, weil es eine Reihe von plausiblen Fällen gibt, die den Rückschluss auf Übernahme byzantinischer oder sonstiger orientalischer Erzählmotive durch die isländischen Sagadichter nahelegen 78 . Allerdings erfolgten diese Übernahmen in einer ersten Welle in mündlicher Form und hatten somit zur Voraussetzung, dass die jeweilige Erzählung in Byzanz große Verbreitung gefunden hatte 79 . Dies war aber bei der Erzählung vom Besuch Homers bei Achilleus gerade nicht der Fall, weil es dazu nur die sehr versteckten Belege in der ‚Vita Romana’, in den Platon-Scholien des Hermeias und in der ‚Exegesis’ des Johannes Tzetzes gab, also in ausgesprochen gelehrten Texten, die obendrein jeweils nur Teilbereiche der Geschichte überliefern. Eine zweite Welle der Rezeption erfolgte im Spätmittelalter, als die isländische Tradition den Schritt von mündlichen Überlieferungsformen zur Buchkultur vollzogen hatte. Dies setzte aber voraus, dass die jeweiligen griechischen Texte bereits ins Lateinische oder in sonstige westeuropäische Sprachen übersetzt waren, weil in Island zur fraglichen Zeit nur diese Sprachen bekannt waren. Spuren von mittelalterlichen Übersetzungen der oben genannten Texte existieren jedoch nicht. Da somit kein plausibler Weg für eine mittelalterliche Übertragung der Homer-Legende in den skandinavischen Bereich besteht, ist als weiterer Schritt zu überprüfen, ob nicht eine Übernahme der Motive aus Philostrats ‚Vita Apollonii’ denkbar ist. Die dortige Episode steht ja in manchen Punkten wie vor allem im Motiv der Nächtigung am Grabhügel und des so hervorgerufenen Traums näher bei der Erzählung von Hallbjörn als die Homer-Legende, und es gibt in der Tat Nachrichten über eine spätantike Übersetzung der ‚Vita’ ins Lateinische 80 . Doch verliert sich die Spur dieser Übersetzung sehr schnell wieder, sodass eine Kenntnis der ‚Vita’ im lateinischen Mittelalter nahezu ausgeschlossen ist. Zudem ist zu bedenken, dass Achilleus in der ‚Vita’ keine geschlossene Darstellung der Troja-Sage gibt, sondern lediglich auf die Spezialfragen des Apollonios antwortet, und dass Apollonios somit auch nicht wirklich zu einem (professionellen) Dichter wird (und natürlich weder vor noch nach seinem Besuch als Schaf- oder Rinderhirte tätig ist). Es ist daher kaum anzunehmen, dass die Passage von VA 4,11-16 für die Entstehung dieser nordwesteuropäischen Tradition verantwortlich war. Die Annahme, dass die Parallele zwischen der Erzählung von Hallbjörn und derjenigen von Homer bzw. Apollonios durch mittelalterliche Rezep- 78 Im einzelnen dargelegt von Schier 1970, 106-109. 79 Schier 1970, 108 f. spricht in diesem Zusammenhang von „Elemente(n) der byzantinischen Unterhaltungsliteratur”. 80 Überliefert bei Sidonius Apollinaris (epist. 8,3,1); für die Frage nach dem Urheber dieser Übersetzung cf. zuletzt Prchlík 2007. Kapitel 4 148 tion zu erklären wäre, kann somit nicht als wahrscheinlich gelten. Sucht man also nach anderen Wegen der Verbindung, so müsste es sich um Formen der Übertragung gehandelt haben, die wesentlich früher stattgefunden haben als die soeben geschilderten Prozesse der mittelalterlichen Rezeption. In Frage käme daher ein gemeinsamer indogermanischer Hintergrund, sei es eine Vererbung in altindogermanischer Zeit oder sei es eine Weitergabe in einer späteren, nur noch einzelne indogermanische Nationen betreffenden Phase 81 oder überhaupt ein Fall horizontaler Transmission zwischen einzelnen indogermanischen Völkern 82 . Da aber die griechische Nation und die germanische Völkerfamilie nicht demselben indogermanischen Sprachzweig angehören und wohl auch schon früh geographisch voneinander getrennt waren, tun sich auch hier Schwierigkeiten auf. Zudem haben wir oben gesehen, dass es vergleichbare Beispiele für Dichterweihen oder religiöse Berufungen gibt, die nicht dem indogermanischen Sprachgebiet angehören, wie die Weihe von Kabti-ilani-Marduk, die Berufungen von Moses und Mohammed und vor allem die kirgisische Tradition der persönlichen Informationsvermittlung durch die Helden des Nationalepos ‚Manas’ selbst 83 . Plausibler als eine rein indogermanische Übertragung ist somit die Annahme einer allgemeinen Wanderung der Motive, und es ist in diesem Zusammenhang noch einmal daran zu erinnern, dass die Erzählungen von Homer und Hallbjörn aufs engste mit bestimmten, historisch und geo- 81 Für solche Prozesse auf ‚tieferer’ Stufe im indogermanischen Stammbaum cf. West 2007, 19-24. 82 Dieser methodische Ansatz diskutiert von Vielle 1996, IX-XI. 83 Diese kirgisische Tradition scheint abgesehen von den nordwesteuropäischen Beispielen überhaupt die beste Parallele zu unserer Geschichte von der Weihung Homers zu sein, weil diese Form der Stoffvermittlung durch die Helden des Epos im Traum des künftigen Sängers dort ein Standardmotiv der Erzählungen ist (Lang 2001, 228: „The idea of ‚dream-teaching’ is popular among Manas singers.”). Besonders gut dokumentiert ist der Fall des Sängers Jusup Mamay, der, obwohl er sein Handwerk und die einheimischen Erzähltraditionen von seinem älteren Bruder gelernt hatte, immer wieder darauf rekurrierte, dass seine Erweckung zum Dichter im Traum erfolgt sei und dass es die Helden des Epos selbst gewesen seien, die ihn entsprechend instruiert hätten; cf. die verschiedenen Versionen dieser Dichterweihe bei Lang 2001, 227 („... Jusup Mamay has told others about the dream, but it is somewhat different with each telling. For example, he said that when he was eight years old he had dreamed about the heroes Manas, Bakay, and Almbet, who told him not to perform Manas before he reached age forty, but that after forty he would become a great manasqi [sc. ein Sänger der obersten Kategorie, der das Nationalepos vorträgt]. He was able to perform immediately upon waking. In the 1960s he told Sakai Yumair, who was responsible for making a record of Manas, that when he was small, he was sleeping in the yurt with a few nomads when he dreamed of a man mounted on a white horse who asked him to perform Manas. Mamay answered, ‚I cannot sing.’ The rider said, ‚You can sing if you open your mouth.’ He sang and awoke singing. From then on he could perform Manas.”). Blendung und Dichterweihe 149 graphisch genau definierten Grabstätten verbunden sind. Hügelgräber dieser Art sind aber seit dem Neolithikum nachgewiesen und finden sich vor allem in Südrussland, Kleinasien und Thrakien sowie im nordwestlichen Europa, wo sie in bestimmten Perioden wie der älteren Bronzezeit oder dem frühen und hohen Mittelalter gehäuft auftreten und anscheinend als wichtige Statussymbole dienten, aber auch die Funktion hatten, territoriale Ansprüche zu markieren 84 . Es scheint also, dass die Erzählungen über Dichterweihen an Hügelgräbern einfach mit dieser Erscheinung mitgewandert sind und sich dann an Personen anschlossen, die für die jeweilige Gemeinschaft von besonderer Bedeutung waren. Fragt man weiter, warum diese Geschichten überhaupt jemals mit der Erscheinung des Grabhügels in Verbindung gebracht wurden, so ist zunächst festzuhalten, dass dies für Dichterweihen ja keineswegs immer der Fall ist. Es ist im Gegenteil in der Mehrzahl der Fälle so, dass ein Gott oder ein Engel den künftigen Dichter oder Propheten in der einsamen Natur aufsucht und ihn auf diese Weise in einen neuen Stand erhebt; dies gilt insbesondere auch für den nordwesteuropäischen Raum, da nicht zuletzt die altenglische Geschichte von Cædmon diesen Typus repräsentiert. Dichterweihen an Grabhügeln, also das entgegengesetzte Motiv, dass ein junger Mensch mit Absicht einen Toten besucht und ihn aus seinem Grab hervorruft, finden wir nur bei Homer und Hallbjörn und - als Teilparallele - beim irischen Barden Murgein. Es handelt sich also um eine Sonderform des Erzähltypus ‚Dichterweihe’, die mit der Vorstellung spielt, dass die Verstorbenen nicht wirklich tot sind, sondern insbesondere an ihrer Grabstätte wiederauferstehen können und mit den Lebenden in Kontakt treten und sie belehren 85 . Rituelle Form fand diese Vorstellung in der kultischen Praxis der Nekromantie, also der Befragung von Toten an ihrer Begräbnisstätte zum Zwecke der Einholung von Rat und Hilfe, wie es auch in Griechenland, aber insbesondere im nahöstlichen Bereich belegt ist 86 . Da wir auch in unseren Erzählungen solche Evokationen finden 87 und darauf 84 Zur Verbreitung der Hügelgräber cf. Schrader 1917-1923, 136, speziell für den nordischen Bereich und für die Funktion der Gräber cf. Capelle 2000. 85 Zur gängigen Vorstellung des ‚lebenden Toten’ cf. Geißlinger 1998, 495-497. 86 Zur Praxis der Nekromantie und zu ihrer Herkunft aus dem Nahen Osten cf. West 1997, 50 f. und 550-552, der neben altassyrischen und hethitischen Beispielen vor allem auf die Herbeirufung des Propheten Samuel durch König Saul (I reg. 28,3-25; Einheitsübersetzung 2005, 299 f.) und auf die Beschwörung des verstorbenen Perserkönigs Dareios durch seine Witwe Atossa (Aisch. Pers. 598-851) hinweist. Zu griechischen Beispielen für Nekromantie cf. Hopfner 1935, Nilsson 1967, 169 f., Wacht 1998, 210 f. und Ogden 2001. 87 Legende von Homer: ‚Vita Romana’ § 5 (V p. 252 l. 46-48 Allen = p. 31,27-29 von Wilamowitz-Moellendorff), Herm. in Phdr. 243a, p. 80,5 Lucarini/ Moreschini ( καὶ παρακαλεῖν αὐτὸν ὀφθῆναι αὐτῷ - „er habe ihn aufgefordert, sich ihm zu zeigen”); Apollonios: Philostr. VA 4,16,1 ( δεῖξον ἡµῖν τὸ σεαυτοῦ εἶδος - „zeig uns deine Kapitel 4 150 eindrucksvolle Beschreibungen der Totenerscheinungen mit detaillierten Hinweisen auf das Erscheinungsbild der Hervorgerufenen 88 , ist es evident, dass hier das gewöhnliche Muster der Totenbefragung aufgegriffen und mit dem Motiv der Dichterweihe kombiniert wurde. Somit scheint es deutlich, dass insbesondere die Erzählung von Hallbjörn und Þorleif in einer alten Tradition steht und nicht oder jedenfalls nicht ausschließlich von der Geschichte von Cædmon oder generell von der altenglischen Erzähltradition abhängt 89 . Weiter stützen lässt sich diese These zum nekromantischen Hintergrund der nordwesteuropäischen Grabhügellegenden durch den Hinweis auf einen anderen bekannten Erzähltypus mit nekromantischer Prägung, der ebenfalls in den Regionen, die uns hier besonders interessieren, einige Verbreitung gefunden hat. Es handelt sich um Geschichten von unglücklichen Helden, denen im Kampf oder in einem Hinterhalt das Haupt vom Leib getrennt wurde, worauf dieser abgetrennte Kopf die Fähigkeit zur Orakelgebung erhielt. Das herausragende griechische Beispiel ist der Sänger Orpheus, der nach dem endgültigen Verlust Eurydikes das weibliche Geschlecht verschmähte und deswegen von den erbosten Frauen Thrakiens enthauptet wurde 90 . Der Kopf des Orpheus wurde daraufhin über die Ägäis nach Lesbos geschwemmt und von der ortsansässigen Bevölkerung in einer Erdspalte bestattet 91 . Dort diente das Haupt - wie uns Philostrat erzählt, wie es aber auch eine Reihe von rotfigurigen Vasenbildern schon für eine sehr viel frühere Epoche bezeugt - als lokales Orakel 92 . Parallelen für dieses Erzählmuster finden Gestalt”); Murgein: Windisch 1905, LIV („Murgein aber sang ein Lied an den Stein, als wäre es Fergus selbst, den er anredete”). 88 Es dürften hier Hinweise auf die Erscheinung von Fergus (Windisch 1905, LIV) und Achilleus vor Apollonios (Philostr. VA 4,16,2) bzw. auf die jeweils geschilderte prachtvolle Kleidung genügen, was sich mit der Erscheinung von Samuel in I reg. 28,14 (Einheitsübersetzung 2005, 299) oder der erschreckten Reaktion des Chors in Aisch. Pers. 694-696 ( σέβοµαι µὲν προσιδέσθαι, / / σέβοµαι δ᾿ ἀντία λέξαι / / σέθεν ἀρχαίῳ περὶ τάρβει - „Ich scheue mich, dich anzuschauen, ich scheue mich, zu dir zu sprechen, aus alter Furcht.”) vergleichen lässt. 89 Denkbar ist in der Tat eine Übernahme des Motivs von der angefangenen, aber zunächst nicht zu Ende gebrachten ersten Verszeile aus der lateinischen Vita des Beda Venerabilis (oben Anm. 67). Doch handelt es sich dabei lediglich um ein Einzelmotiv, welches nach dieser Annahme in die schon weitgehend fixierte Geschichte von Hallbjörn und Þorleif eingefügt worden wäre. 90 Cf. Aisch. ‚Bassarai’, TrGF 3 F 23-25; Plat. R. 620 a 3-6; Isoc. 11,39; Phanokles, Frg. 1,1-10 Powell; Konon, Narr. 45; Apollod. Bibl. 1,3,2; Paus. 9,30,5; Luc. Sat. 8; Philostr. Jun. Im. 6,3 und Ov. met. 11,1-49. 91 Phanokles, Frg. 1,11-22 Powell; Myrsilos von Methymna, FGrHist 477 F 2; Luc. Ind. 11; Ael. Aristid. Or. 24,55; Ov. met. 11,50-60; cf. die Besprechung der Erzählung bei Graf 1987, 85 f. bzw. 92 f. 92 Philostr. VA 4,14 und Her. 28,7-13 bzw. LIMC Orpheus Nr. 68-70; cf. Burges Watson 2013, die jedoch die traditionelle Gleichsetzung der klassischen Vasenbilder mit der Blendung und Dichterweihe 151 sich weltweit 93 , doch insbesondere auch in der keltischen Tradition der britischen Inseln 94 und im skandinavischen Bereich, in welchem die Erzählung vom weissagenden Kopf von Odins Ratgeber Mimir hervorsticht 95 , das Motiv aber auch sonst belegt ist 96 . Wahrscheinlich gelangte dieser Erzähltypus aus dem Nahen Osten nach Griechenland und verbreitete sich so bereits in antiker und mittelalterlicher Zeit bis in die entferntesten Regionen Europas, und Hintergrund dieser Erzählungen dürften nekromantische Riten gewesen sein, die darauf beruhten, mit Hilfe eines Schädels den Geist des Verstorbenen aus der Unterwelt herbeizurufen und zu einer Weissagung zu bewegen 97 . Somit liegt hier eine enge Parallele zu Herkunft, Verbreitung und Funktion unserer Grabhügellegenden vor, und es zeigt sich damit einmal mehr, dass die Dichterweihen Hallbjörns und Homers Repräsentanten ein und desselben Erzählmusters sind. 4.2.2 Die Frage nach der gesellschaftlichen Funktion des Erzähltypus der Dichterweihe und die Frage nach der originalen Form des Erzählmusters Die gesellschaftliche und kulturhistorische Funktion des Erzähltypus von der Dichterweihe lässt sich wiederum mit am besten an den nordwesteuropäischen Beispielen aufzeigen, weswegen sie hier noch einmal der Reihe nach besprochen werden sollen: Der englische Mönch Cædmon steht am Anfang der englischen Literaturgeschichte und kann somit als eine Art von Gründerheros der altenglischen christlichen Dichtung angesehen werden. So jedenfalls wird er bereits von Beda Venerabilis den Lesern präsentiert (Hist. Eccl. 4,24 98 : et quidem et alii post illum in gente Anglorum religiosa poemata facere temtabant, sed nullus eum aequiperare potuit. - „Zwar haben nach ihm auch viele andere bei Philostrat referierten Erzählung ablehnt und die Vasenbilder eher mit thrakischen Erzählungen über Orpheus in Verbindung bringen möchte. 93 Zusammenfassend behandelt von Deonna 1925. 94 Zu den keltischen Erzählungen cf. Ross 1957/ 1958, 36-43 und J. Nagy 1990, 215 f. und 221-224 (mit Diskussion der indogermanischen Bezüge). 95 Belegt in der ‚Edda’, im Teil ‚Völuspá’ § 46 (Krause 2004, 26; Originaltext in Neckel 1914, 11) und im ersten Teil von Snorri Sturlusons ‚Königsbuch’ (‚Heimskringla’), Kap. 4 und 7 (Niedner 1922, 29 und 32; Originaltext in Aðalbjarnarson 1941, 12 f. und 18). 96 So in der ‚Saga von den Leuten auf Eyr’ (‚Eyrbyggja saga’), Kap. 43 (Böldl 2011a, 348; Originaltext in Sveinsson, Þórðarson 1935, 116). 97 Cf. Ogden 2001, 208-216 und Faraone 2004, bes. S. 15 („... a very old necromantic rite that involves the use of a human skull to force a ghost [presumably the original owner of the skull] to return from the underworld and give oracular pronouncements.”). 98 Colgrave, Mynors 1991, 414. Kapitel 4 152 im Volke der Engländer versucht, religiöse Gedichte zu bilden, aber keiner konnte es ihm darin gleichtun.”). Ob es wirklich keine Dichter gab, die schon vor Cædmon christliche Dichtung in englischer Sprache verfassten, lässt sich heute nicht mehr feststellen. Aber der erhaltene Hymnos auf den Schöpfer der Welt zeigt deutlich, dass Cædmon in der Tat die altenglische weltliche Dichtungstechnik, also formale Merkmale wie den Stabreim oder den Gebrauch von Epitheta und sonstigen altgermanischen Schlüsselbegriffen, auf ein christliches Thema anwandte und mit dieser Dichtungsart wegweisend wurde für die mittelalterliche englische Dichtung 99 . Unabhängig davon, ob das Erweckungserlebnis von Whitby für Cædmon (subjektive) Wahrheit war, ob es sich dabei um eine lokale Legende handelte, die in den Jahren nach seinem Tod aufkam, oder ob gar erst Beda Venerabilis die Legende in Anlehnung an andere vergleichbare Geschichten erfand 100 , die Dichterweihe Cædmons hat jedenfalls paradigmatische Bedeutung für das kulturelle Selbstverständnis Englands im Mittelalter und zeigt damit auf, dass solche Geschichten niemals nur marginale Erzählungen sind, die der reinen Fabulierlust einzelner entspringen. Nicht von ganz so zentraler Bedeutung scheint die Geschichte von Hallbjörn in ‚Þorleifs þáttr jarlsskálds’. Dennoch sagen der þáttr und die ihm angehängte Erzählung von Hallbjörn ganz Wesentliches über das altisländische Dichtungsverständnis aus. Die Lebensgeschichte des isländischen Skalden Þorleif, der mit dem norwegischen Jarl Hákon 101 in Konflikt gerät, ihn mit einem Spottlied dem allgemeinen Gelächter preisgibt und dafür zuletzt mit seinem Leben bezahlen muss, folgt nämlich einem verbreiteten Muster der altisländischen þættir 102 , die häufig einen Konflikt zwischen einem isländischen Skalden und einem norwegischen König darstellen. Während aber der typische Plot davon erzählt, wie der 99 Cf. die unterschiedlich nuancierten, aber im Kern übereinstimmenden Darlegungen von Wrenn 1946, 286 f., von See 1983, 226-229, Wallace-Hadrill 1988, 166 und O’Donnell 2007, 32-36 und 49 f. 100 Cf. dazu von See 1983, 231-233, der annimmt, dass die Geschichte erst von Beda erfunden wurde, und dass dieser sich dazu der Geschichte von der Berufung Mohammeds bediente, und Thundy 1989, 109, der mindestens von indirekter Beeinflussung durch die arabische Tradition ausgeht. Gegen eine solche These der literarischen Rezeption sprechen freilich Parallelen in nicht-literarischen Traditionen wie insbesondere denen zur Berufung kirgisischer Sänger wie Jusup Mamay (oben Anm. 83). 101 Zu den Lebensdaten von Jarl Hákon cf. Krause 1999, 392 (Herrschaftszeit von 970 bis 995). Der Titel ‚Jarl’ bezeichnet einen Landesregenten, dem lediglich der Königstitel zur höchsten Würde fehlt (Baetke 1976, 313). 102 Zur Definition des Begriffs þáttr cf. Baetke 1976, 766 („selbständige [kurze] Erzählung”), zur Abgrenzung von der längeren saga cf. Lange 1957 und Böldl 2011b, 203. Blendung und Dichterweihe 153 Held zum König reist, ihn dort beleidigt, sich schließlich aber auch wieder mit ihm aussöhnt, ist dieses Muster in ‚Þorleifs þáttr jarlsskálds’ in sein Gegenteil verkehrt 103 , und die scheinbare Lobpreisung des Jarls stellt sich zuletzt als herber Tadel heraus 104 . Die Geschichte von Þorleif und Jarl Hákon steht somit paradigmatisch für die Möglichkeit der Skaldendichtung zum sogenannten nið, der skandinavischen Form der Schmähdichtung 105 . Da zudem Hákon einer der letzten großen Vertreter des skandinavischen Heidentums war, während der dänische König, bei dem Þorleif zwischenzeitlich Zuflucht findet, bereits das Christentum repräsentiert, sind hier auch ganz grundsätzliche weltanschauliche Konflikte thematisiert 106 . Wenn Hallbjörn also durch seine nächtliche Dichterweihe seinerseits zum Sänger dieses archetypischen Schmähdichters wird, so steht auch er selbst und mit ihm seine Dichtkunst letztlich doch ganz im Zentrum des altisländischen Interesses für die Dichtung. Muss somit die Bedeutung für die spätmittelalterliche isländische Gesellschaft, die dem þáttr von Þorleif zukommt, eigens aufgezeigt werden, so liegt die zentrale Bedeutung der ‚Táin’ für die mittelalterliche irische Gesellschaft wieder ganz offen zutage. Es handelt sich um das irische Nationalepos schlechthin, dessen zentrale Stellung schon daraus erhellt, dass es weitaus länger ist als alle übrigen irischen Epen und Legenden und dass es einen Konflikt zwischen der Provinz Ulster und den vier anderen irischen Provinzen darstellt, also einen Krieg, der das ganze Land erfasste und nicht nur von regionaler Bedeutung war 107 . Dementsprechend gibt es vom frühen zwölften Jahrhundert an eine große Zahl von Handschriften und Rezensionen, die die Geschichte vom Rinderraub darstellen. Diesen Handschriften dürften aber seit dem achten Jahrhundert ältere schriftliche Fassungen vorangegangen sein, die entweder ebenfalls die ganze Geschichte darstellten 108 oder jedenfalls Teile daraus 109 und damit die anhaltende mündliche Überlieferung des Epos festigten. Entspre- 103 Zum typischen Muster und zu seiner Umkehrung in der Geschichte von Þorleif cf. Harris 1972, 7 und 18-20 sowie Lindow 2001, 218 f.; generell zur gesellschaftskritischen Stoßrichtung der þættir cf. Lange 1957, 155. 104 Esser 2011a, 422, mit der expliziten Reaktion Hákons („Mir scheint, dieses ist fast eher eine Schmähung als ein Preislied.”). 105 Zur Qualifikation von Þorleifs Gedicht als nið cf. Harris 1976, 9 f. (cf. auch die Definition des nið bei Baetke 1976, 444 [„was zur Beschimpfung, Verhöhnung dient, sei es Wort oder Tat”] sowie die Begriffsklärung bei Böldl 2011c, 284); generell zur altnordischen Schmähdichtung als gefürchteter Form der Dichtkunst cf. von See 2011, 37 f. 106 Harris 1976, 9 f. 107 Alles Wesentliche dazu bereits von Zimmer 1887, 426 deutlich ausgesprochen. 108 So die klassische Darstellung von Thurneysen 1921, 96-113, (kritisch) weitergeführt von Ó hUiginn 1993, 151-154. 109 Dies die alternative Position von Tristram 1995, 69 f. und 76 f. Kapitel 4 154 chend gibt es eine reiche Tradition von Erzählungen, die davon berichten, wie die ‚Táin’ erhalten blieb und niedergeschrieben wurde. Die bekannteste davon ist die oben referierte Geschichte vom Barden Murgein, die im selben Codex, dem ‚Book of Leinster’, niedergelegt ist (p. 245 b), in dem sich auch die überhaupt längste Fassung der ‚Táin’ findet. Schon am Ende dieser Erzählung ist aber angedeutet, dass nach einer anderen Version nicht Murgein, sondern dessen Vater Senchán das Epos wiederfand, und es besteht in der Tat eine ganze Reihe von Erzählungen, die davon berichten, wie Senchán zum Grab des Fergus zieht, ihn durch rituelles Fasten und durch ein Gebet aus seinem Grab hervorruft und von Fergus darauf den Inhalt des Epos erfährt 110 . Der gemeinsame Nenner dieser Geschichten besteht also immer in der Notwendigkeit, die zuvor verlorengegangene ‚Táin’ wiederzufinden, und in der Person des verstorbenen Helden Fergus, der den Inhalt der Geschichte aus seinem Grab heraus kundtut. Unterschiede bestehen dagegen in der Person des Barden, der die Geschichte vernimmt, und vor allem in der Art und Weise, wie der Barde darauf mit der Geschichte verfährt. Denn wenn Murgein ein rein mündlicher Dichter zu sein scheint, so wird in den Geschichten um Senchán meist hervorgehoben, wie Senchán (oder der Heilige Ciarán an seiner Stelle) das (prosimetrische) Epos zuletzt niederschreibt und so der Nachwelt erhält. Es wird in diesen Alternativversionen also der schriftliche Charakter der ‚Táin’ stärker betont. Doch da die Geschichte von Murgein, wie oben erläutert, im selben Codex niedergelegt ist wie die ausführlichste Fassung der ‚Táin’, so erhält auch sie aitiologische Funktion und erklärt, wie es zu solchen schriftlichen Aufzeichnungen kommen konnte. An der zentralen Bedeutung dieser Legenden für die Kulturgeschichte und das nationale Selbstverständnis Irlands kann somit kein Zweifel sein. Die entsprechende Frage nach der genauen gesellschaftlichen Funktion und der kulturhistorischen Bedeutung der Legende von Homers Besuch am Grab des Achilleus wird erst weiter unten nach einer Besprechung von Entstehungszeit und Entstehungsort der Legende einer Beantwortung nähergeführt werden können 111 . Schon jetzt dürfte es aber deutlich geworden sein, dass Erzählungen aus dem Typus der Dichterweihe am Grab eines Helden der Vorzeit ebenso wie andere vergleichbare Erzählungen über Berufungen zum Dichter oder Religionsführer immer zum zentralen 110 Edition der irischen Originaltexte bei K. Meyer 1905, 2-6 und Joynt 1931; Referate des Inhalts bei Thurneysen 1921, 253-267 und Carney 1955, 167-169 und 171-179; vertiefende Besprechungen bei Thurneysen 1933, 209, Carney 1955, 179-181 und 187 f., J. Nagy 1983, 139-142, Ó hUiginn 1993, 155 f., Murray 2001 und Dooley 2006, 53 f. und 56-59. 111 Cf. unten Kap. 4.4.3. Blendung und Dichterweihe 155 Erzählgut der jeweiligen Gemeinschaft gehören, die die betreffende Erzählung hervorgebracht hat. Versucht man nun, die originale Form des Erzähltypus zu rekonstruieren, der in je unabhängiger Weise auf die griechische und auf die nordwesteuropäische Tradition eingewirkt hat, so besteht hier natürlich das methodische Problem der beständigen Fluktuation, der mündliche Erzählformen ausgesetzt sind 112 . Dennoch besitzen wir in der oben aufgezeigten Anbindung dieses Erzähltypus an das Ritual der Nekromantie einen festen Punkt. Nimmt man nun die Erzählungen von Homer, Apollonios, Hallbjörn und Murgein zusammen, abstrahiert von den je singulären Motiven und sucht stattdessen nach gemeinsamen Elementen, die den Kern der eigentlichen Evocatio umkleiden, so dürfte sich am ehesten folgender Grundtypus rekonstruieren lassen: Ein junger Hirte ohne poetische Vorbildung und besondere Begabung begibt sich zum Grab eines Helden, der durch seine kriegerischen Aktivitäten in das Gedächtnis seiner Nation eingegangen ist. Nachdem der Hirte den Bewohner des Grabs in einer nächtlichen Zeremonie hervorgerufen hat, tritt der Held im vollen Glanz seines Ornats aus seiner Ruhestätte heraus und berichtet seinem Besucher in poetischer Form von seinen Erlebnissen. Alternativ dazu kann der junge Besucher sich auch einfach mit einer Vorahnung oder dem festen Wunsch nach einer Begegnung in der Nähe des Grabs schlafen legen und erfährt die Botschaft des Heros im Traum. Nach dem Ende der Zeremonie oder nach dem Erwachen aus seinem Schlaf merkt sich der junge Hirte das so empfangene Gedicht und trägt es den Menschen in seiner Umwelt vor. Er ist nun überhaupt in der Lage, gut zu dichten, und wird daher zu einem gefeierten Dichter seines Landes 113 . Dieser Grundtypus ist in der Legende von Homer vor allem dahingehend verändert, dass der Hirte nun über seine Berufung hinaus auch das Schicksal der Blendung erleidet und dass er die Gabe der Dichtung nicht von Achilleus selber, sondern von Thetis und den Musen geschenkt erhält. Besser erhalten ist der Typus dagegen in der Geschichte vom Besuch des Apollonios bei Achilleus, der zur Instruktion des Besuchers durch den Heros selbst führt. Wie es zu dieser Geschichte kam und wie Philostrat Kenntnis solcher Versionen erlangen konnte, wird Gegenstand der folgenden Abschnitte sein. 112 So zu beobachten in den oben auf S. 146 genannten isländischen Teilparallelen zu unserem Muster und - für den griechischen Bereich - in der Variante bei Paus. 9,30,10, wo ein Hirte am Grab des Orpheus zwar nicht zum Dichter geweiht wird, aber doch zur Mittagszeit im Schlaf die Lieder des Heros laut zu singen beginnt. 113 Für die letztgenannten Motive sei hier noch einmal an die Parallele in der oben referierten Geschichte von der Dichterweihe Jusup Mamays durch die Helden des Epos ‚Manas’ erinnert (Lang 2001, 227: „He sang and awoke singing. From then on he could perform Manas.”). Kapitel 4 156 4.3 Die Frage nach dem Alter der Legende und die nach dem Ort ihrer Entstehung Die obigen Kapitel dürften gezeigt haben, dass die Legende vom Besuch Homers am Grabmal des Achilleus mindestens bis in hellenistische Zeit zurückreicht und dass umgekehrt das Motiv der Dichterweihe an der Begräbnisstätte eines Helden ein altes Erzählmotiv ist, das unabhängig voneinander in ganz unterschiedlichen geographischen Räumen auftrat und somit auf sehr frühe Zeit zurückgehen dürfte. Ein weiteres Resultat der vorangehenden Kapitel war, dass dieses Erzählmotiv im nordwesteuropäischen Raum immer von grundlegender Bedeutung für die jeweilige Nation bzw. für deren literarische Tradition ist. Das Erzählmotiv der Dichterweihe erfüllt in diesen Kulturen somit das Hauptkriterium, um als charter myth der jeweiligen Nation gelten zu können, also als aitiologischer Mythos, der einen Umstand von entscheidender Bedeutung für die jeweilige Gesellschaft erklärt und daher von der Gesellschaft als ganzer getragen wird 114 . Es stellt sich damit die Frage, ob auch die Erzählung vom Besuch Homers am Grab des Achilleus eine vergleichbare Funktion im antiken Griechenland hatte, d.h. wir müssen uns zunächst fragen, wann das Erzählmotiv mit der Gestalt Homers in Verbindung gebracht wurde, wo diese Verbindung zustande kam und in welcher Form das Motiv existierte, bevor wir uns dann in einem weiteren Kapitel der Frage nach der Bedeutung der Legende für das Milieu ihrer Entstehung zuwenden können. 4.3.1 Die Frage nach dem Alter der Legende und nach ihrer Abhängigkeit von den homerischen Epen Was das Alter der Legende betrifft, so ist zunächst ganz allgemein zu konstatieren, dass die Homer-Biographie sich offenbar recht früh entwickelte, denn wesentliche Elemente dieser Biographie sind schon im sechsten oder fünften Jahrhundert v. Chr. belegt. So ist etwa die Herkunft des großen Vorbilds schon bei den Dichtern, die um das Jahr 500 tätig waren, ein Thema, und Simonides (PMG 652 V; Frg. 19,1 W. 2 ) plädierte anscheinend dafür, dass Homer aus Chios stammte, während sein Neffe Bakchylides (Frg. 48 M.) sich für Ios aussprach und dessen Rivale Pindar (Frg. 264 M.) einen Ausgleich zwischen den Ansprüchen von Chios und 114 Der Begriff und das Konzept des charter myth, die in der angelsächsischen Philologie und Kulturwissenschaft sehr verbreitet sind, gehen zurück auf eine ethnologische Studie von B. Malinowski (Malinowski 1926, bes. S. 35-43, 56 und 120 f.: „myth serves principally to establish a sociological charter, or a retrospective moral pattern of behaviour, or the primeval supreme miracle of magic”); für eine kritische Würdigung dieses Konzepts aus gräzistischer Sicht cf. Kirk 1974, 59-63. Blendung und Dichterweihe 157 Smyrna versuchte 115 . Das Corpus des Epikers war gleichfalls Gegenstand der Diskussion, und bereits Archilochos (Frg. 303 W. 2 ) und Kallinos (Frg. 6 W. 2 ) sollen Homer den ‚Margites’ bzw. die ‚Thebais’ zugewiesen haben 116 und etwas später soll Pindar (Frg. 265 M.) diesem ‚Werkeverzeichnis’ auch noch die ‚Kyprien’ hinzugefügt haben. Die Tradition vom Wettkampf zwischen Hesiod und Homer scheint schon früh aus einer Passage bei Hesiod (Op. 654-659) herausentwickelt worden zu sein 117 . Die zahlreichen Epigramme, die in der ‚Vita Herodotea’ enthalten sind, deuten mit ihrem spätepischen Duktus darauf hin, dass Homers Reisestationen in Kleinasien relativ altes Erzählgut waren 118 , und die berühmte Geschichte vom Läuserätsel, das indirekt zum Tod Homers führte, findet sich bereits bei Heraklit (22 B 56 D.-K. = Frg. 21 Marcovich) 119 . An der frühen Ausgestaltung dieser Traditionen kann also kein Zweifel sein 120 , und es spricht einiges dafür, dass insbesondere die Gemeinschaft der Homeriden von Chios 121 , also die Rhapsodengilde der Insel, die in Homer ihren eponymen Ahnherrn erblickte, wesentlich mitverantwortlich war für die Sammlung und Weitergabe dieser Nachrichten 122 . 115 Schwerlich richtig ist freilich die Annahme von Kivilo 2011, 87 Anm. 14, dass bereits Anaximenes von Milet sich im sechsten Jahrhundert für die Herkunft des Dichters aus Chios ausgesprochen habe, weil mit dem Zeugnis in der ‚Vita Romana’ § 2 (V p. 250 l. 5-9 Allen = p. 30,24-26 von Wilamowitz-Moellendorff) wohl doch gemäß der allgemeinen Annahme der Homer-Kritiker Anaximenes von Lampsakos (FGrHist 72 F 30) gemeint ist und nicht der milesische Philosoph. Denn Anaximenes konnte zwar von Milet her leicht Kenntnis der Lokaltraditionen aus Chios erlangen, aber es fragt sich, in welchem Kontext er sich dazu geäußert haben könnte, und es ist sehr unklar, warum ein Grammatiker wie der Verfasser der ‚Vita Romana’ sich auf den vorsokratischen Philosophen berufen hätte, wo doch beispielsweise auch in keiner antiken Homer-Vita bei der Schilderung von Homers Tod auf Ios Bezug auf die Darstellung des Heraklit (22 B 56 D.-K. = Frg. 21 Marcovich) genommen ist. 116 Cf. die Diskussion dieser (problematischen) Zeugnisse bei West 1999, 376 f. und Graziosi 2002, 68 f. 117 Cf. oben Kap. 3.2. 118 Cf. oben Kap. 3.4.2.1. 119 Cf. oben Kap. 2. 120 Cf. Pòrtulas 1994-1995, der auf die prinzipielle Übereinstimmung der Lebensbeschreibung Homers mit anderen populären Erzählformen der archaischen Zeit hinweist wie der Lebensgeschichte des Äsop oder der Selbststilisierung des Jambendichters Hipponax. 121 Seit kurzem auch epigraphisch auf Chios bezeugt (SEG 56, 1003; zu den literarischen Testimonia cf. unten Kap. 4.4.2, Anm. 321). 122 So das Resultat der klassischen Untersuchungen durch Allen 1913, 24-26 bzw. 1924, 38-41, von Wilamowitz-Moellendorff 1916b, 437-439 und Jacoby 1933, 8 f. und 26-29, in jüngerer Zeit erneuert durch Fairweather 1974, 249, Vogt 1991, 368 f., West 1999, 367, Pòrtulas 2000, 44 und Graziosi 2002, 215 f. Die wichtigsten einschlägigen Testimonia sind Isoc. 10,65 und Plat. R. 599 e 5-6. Kapitel 4 158 Ein Element aus der Biographie Homers, das uns hier besonders interessiert, ist die Frage nach der Blindheit des Dichters. In dieser Frage gingen die Meinungen weit auseinander und reichten von der Position, dass Homer von Geburt an blind gewesen sei 123 , über die vermittelnde Ansicht, dass der Dichter erst im Erwachsenenleben an den Augen erkrankt sei 124 , bis hin zur radikalen Bestreitung jeglicher Sehbehinderung 125 . Die ersten Zeugnisse für die Blindheit Homers erscheinen aber jedenfalls recht früh, und zwar sowohl in literarischen Quellen 126 wie in archäologischen 127 . Eines der wichtigsten Zeugnisse ist zweifellos die Nachricht der ‚Vita Romana’ über die Blendung Homers durch Helena (‚Vita Romana’ § 5, V p. 252 l. 51 p. 253 l. 57 Allen = p. 31,32 - 32,6 von Wilamowitz-Moellendorff 128 : ἄλλοι δέ φασι τοῦτο αὐτὸν πεπονθέναι διὰ µῆνιν τῆς Ἑλένης ὀργισθείσης αὐτῷ διότι εἶπεν αὐτὴν καταλελοιπέναι µὲν τὸν πρότερον ἄνδρα, ἠκολουθηκέναι δὲ Ἀλεξάνδρῳ· οὕτως γοῦν ... [lacuna] , ὅτι καὶ παρέστη αὐτῷ, φησίν, νυκτὸς ἡ ψυχὴ τῆς ἡρωίνης παραινοῦσα καῦσαι τὰς ποιήσεις αὐτοῦ, < καλῶς δὲ > εἰ τοῦτο ποιήσοι πράξοι· τὸν δὲ µὴ ἀνασχέσθαι ποιῆσαι τοῦτο. - „Andere aber sagen, dass ihm dies widerfahren sei wegen des Unmuts der erzürnten Helena, weil er nämlich gesagt hatte, dass sie den vormaligen Mann verlassen habe und stattdessen dem Alexandros gefolgt sei. So also, sagt ... 129 , sei auch nachts die Seele der Heroine zu ihm herangetreten und habe ihn gemahnt, seine Dichtungen zu verbrennen. Es werde ihm gut ergehen, wenn er dies tue. Er aber habe es nicht ertragen, dies zu tun.”). Da bereits Isokrates (10,65) auf die Geschichte Bezug nimmt (wenn er sie auch in ihr Gegenteil verkehrt) und ausdrücklich bestätigt, dass sie von den 123 ‚Suda’ ο 251 (III p. 526,8-9 Adler [§ 7 West]). 124 Beispielsweise Ps.-Hdt. Vit. Hom. 7-8 und Paus. 4,33,7. 125 Luc. VH 2,20; Procl. Chr. Vit. Hom. § 6 (V p. 101,3-5 Allen = p. 27,8-10 von Wilamowitz-Moellendorff = p. 72 l. 47-49 Severyns); Vell. 1,5,3. 126 So das Porträt des Dichters als τυφλὸς ἀνήρ in Hom. h. Ap. 172 f. bzw. die Interpretation der Passage durch Thuc. 3,104; cf. Burkert 1987, 54-56 und West 1999, 369- 372, die zu Recht darauf hinweisen, dass hier ein Fall von Impersonation vorliegt, dass also ein Vertreter der Homeriden von Chios die Rolle des blinden Homer ‚spielt’. Anlass für den Hymnos waren wahrscheinlich die kombinierten pythischen und delischen Feierlichkeiten unter Polykrates im Jahre 523 v. Chr. (West S. 369). 127 So die (verlorene) Bronzestatue Homers aus Olympia aus der Zeit um 450 v. Chr. (verzeichnet bei Paus. 5,26,2), deren wichtigste Kopie, der Homer-Kopf aus trajanischer Zeit, in der Münchner Glyptothek aufbewahrt wird. Der Kopf zeigt einen sinnierenden älteren Mann mit geschlossenen Augen; die Interpretation als Darstellung des blinden Homer wird heute allgemein vertreten. Cf. Boehringer, Boehringer 1939, 28 f. und 35-38 (mit den Tafeln 6-8), Richter 1965, 47 f. (mit den Abbildungen 1 und 8-9), Schefold 1997, 92 (mit Abbildung 28) und Deubner 1998, 489 (mit den Abbildungen 1-3). 128 Textgestalt nach West 2003, 436. 129 Der Name des Gewährsmannes ist ausgefallen. Blendung und Dichterweihe 159 Homeriden herstamme, sind wir also auch mit dieser Geschichte auf die Rhapsoden von Chios und auf den Zeitraum des sechsten oder allenfalls des fünften Jahrhunderts verwiesen 130 . Die Geschichte vom Besuch Homers am Grab des Achilleus und von seiner Blendung daselbst ist offenbar eine Alternative zu dieser Erzählung 131 und schon dies spricht für ein vergleichbares Alter, also für eine Entstehung in archaischer Zeit. Etwas näher begründen lässt sich diese These durch die Einzelmotive der Legende und durch deren Herleitung aus den homerischen Epen: Zunächst ist nämlich festzuhalten, dass die Geschichte von der Dichterweihe Homers nach der Version der ‚Vita Romana’ mit den Motiven der Blendung und der zum Ausgleich dafür gewährten Verleihung der Dichtkunst eine typische Kompensationserzählung ist, die in nahezu perfekter Parallele zur Porträtierung des Sängers Demodokos im achten Buch der ‚Odyssee’ steht (Hom. Od. 8,62-64: ἐρίηρον ἀοιδόν, / / τὸν περὶ Μοῦσ᾿ ἐφίλησε, δίδου δ᾿ ἀγαθόν τε κακόν τε· / / ὀφθαλµῶν µὲν ἄµερσε, δίδου δ᾿ ἡδεῖαν ἀοιδήν - „... den trauten Sänger, den die Muse ausnehmend liebte, und sie gab ihm Gutes wie Übles: Sie beraubte ihn zwar seiner Augen, aber gab ihm süßen Gesang”). Die antike Homer-Kritik neigte daher zur Auffassung, dass Homer sich mit der Gestalt des Demodokos selber ein Denkmal gesetzt und seine eigenen Persönlichkeitsmerkmale auf den Sänger am Hof der Phaiaken projiziert habe 132 . Heute wird man eher umgekehrt annehmen, dass eben aus dieser Passage der ‚Odyssee’ die entsprechenden Wesenszüge Homers übernommen wurden 133 . Dies muss nicht unbedingt in sehr früher Zeit geschehen sein, passt aber doch am besten in die archaische Periode, als die Homer-Biographie auch sonst ihre verbindlichen Züge erhielt 134 . Stützen lässt sich diese Folgerung zudem durch eine Reihe von Parallelfällen, die ebenfalls schon der frühen Zeit angehören. So gehört die Geschichte von Ödipus, der seine vertiefte Einsicht in die menschlichen Dinge eben seinen Verfehlungen und der dafür auferlegten Strafe ver- 130 Cf. die Besprechung der Erzählung bei Grossardt 2012, 55-57 sowie unten in Kap. 4.4.1. 131 Cf. auch die weitere Diskussion unten in Kap. 4.4.1. 132 Max. Tyr. 38,1; E und V Scholien zu Hom. Od. 8,63, I p. 361,9-10 Dind. bzw. Porph. ad Od. 8,63 (p. 72,16-17 Schrader: τινὲς δέ φασιν εἰς ἑαυτὸν ταῦτα αἰνίττεσθαι τὸν ποιητήν . - „Einige aber sagen, dass Homer damit auf sich selber hindeute.”); (vorsichtige) moderne Nachfolge fand diese Position bei Kivilo 2011, 100 Anm. 121. 133 So bereits die Annahme von Wiemer 1905, 22 f. und 25 (allgemein zu den Motiven der Homer-Biographie, die aus den homerischen Epen genommen sind, cf. Fairweather 1974, 235 f., Latacz 1989, 33-40 und Lefkowitz 2012, 15 und 24). 134 Wiemer 1908, 12 denkt an eine Entstehung der Vorstellung vom blinden Dichter in Kreisen des Volkes, was etwas vage ist, aber in der Datierung auf denselben Zeitraum führt. Kapitel 4 160 dankte, zu den bereits im Epos gut etablierten Mythen 135 , wenn auch die Blindheit des Heros für die vorklassische Zeit nur indirekt erschlossen werden kann 136 . Keine Zweifel diesbezüglich bestehen dagegen für den thebanischen Seher Teiresias, von dessen Blindheit bereits die ‚Odyssee’ weiß (10,492 f.). Wie die Blindheit zustande kam, wird dann unterschiedlich erklärt 137 . Die bekannteste Version, nach welcher Teiresias seine Blendung als Strafe für einen Blick auf die badende Athene erlitt, ist uns vor allem durch die breite Darstellung bei Kallimachos überliefert 138 . Sie findet sich aber bereits im frühen fünften Jahrhundert in sehr ähnlicher Form bei Pherekydes von Athen und geht damit sicherlich ebenfalls auf die archaische Zeit zurück. Bemerkenswert ist nun, wie das Element des Mitleids, welches Thetis und die Musen nach der Darstellung der ‚Vita Romana’ veranlasste, den erblindeten Homer mit der Dichtergabe zu entschädigen 139 , bei Pherekydes bzw. im Referat der Geschichte des Teiresias durch Apollodoros zwar nicht explizit erwähnt, aber doch deutlich impliziert ist (Pherekydes von Athen, FGrHist 3 F 92a [= Frg. 92a Fowler] = Apollod. Bibl. 3,6,7: Χαρικλοῦς δὲ δεοµένης ἀποκαταστῆσαι πάλιν τὰς ὁράσεις, µὴ δυναµένην τοῦτο ποιῆσαι, τὰς ἀκοὰς διακαθάρασαν πᾶσαν ὀρνίθων φωνὴν ποιῆσαι συνεῖναι, καὶ σκῆπτρον αὐτῷ δωρήσασθαι κράνειον, ὃ φέρων ὁµοίως τοῖς βλέπουσιν ἐβάδιζεν. - „Als Chariklo [sc. eine Nymphe aus dem Gefolge der Athene und gleichzeitig die Mutter des Teiresias] aber darum gebeten habe, dass sie ihm sein Sehvermögen wieder herstellen möge, habe Athene dies nicht tun können. Sie habe aber sein Gehör gereinigt und dafür gesorgt, dass er jede Stimme der Vögel verstehen konnte, und sie habe ihm einen Stab aus dem Holz des Hartriegels geschenkt, mit dessen Hilfe er genauso gehen konnte wie die Sehenden.”), und wie dieses selbe Motiv, wenn auch zunächst mehr auf Teiresias’ Mutter bezogen, bei Kallimachos dann seinen expliziten Ausdruck findet (Lav. Pall. 95: θεὰ δ᾿ ἐλέησεν ἑταίραν - „die Göttin aber fasste Mitleid mit ihrer Freundin”) und wieder zu einer Reihe von Kompensationsgeschenken für das erblindete Opfer führt (Lav. Pall. 119-131). Da 135 Hom. Il. 23,679 f.; Hom. Od. 11,271-280; ‚Thebais’ Frg. 2 und 3 Bern.; ‚Kyprien’ bzw. Procl. Chr. p. 40 l. 28 Bern.; Hes. Op. 161-163; Hes. Frg. 192 M.-W. 136 Cf. die Diskussionen bei Graziosi 2002, 144 f. und Torres-Guerra 2015, 230 f.; zurückhaltend allerdings Cingano 2015, 223 f. 137 Cf. die eher für sich stehende Version bei Hes. Frg. 275 M.-W. (= Apollod. Bibl. 3,6,7), wo die Blendung des Teiresias auf seine Einwirkung auf einen Streit zwischen Zeus und Hera zurückgeführt wird, aber ebenfalls schon in der Verleihung der Sehergabe ihren Ausgleich findet. 138 Call. Lav. Pall. 57-131. 139 ‚Vita Romana’ § 5 (V p. 252 l. 50-51 Allen = p. 31,31-32 von Wilamowitz-Moellendorff: ἐλεηθέντα δ᾽ ὑπὸ Θέτιδος καὶ Μουσῶν τιµηθῆναι πρὸς αὐτῶν τῇ ποιητικῇ . - „Er habe aber das Mitleid von Thetis und von den Musen erregt und sei von ihnen mit der Dichtkunst geehrt worden.”). Blendung und Dichterweihe 161 also die beiden Blendungsgeschichten zu Homer und Teiresias im wesentlichen dasselbe Erzählmuster aufweisen, kann die eine der beiden Geschichten von der anderen abhängen oder sie können als je unabhängige Repräsentanten desselben allgemeinen Musters gelten 140 , und wir sind jedenfalls dank der Bezeugung bei Pherekydes wieder auf das sechste Jahrhundert als das wahrscheinlichste bzw. spätestmögliche Datum für die Entstehung dieser Traditionen verwiesen. Das Motiv der Blindheit und dasjenige der ersatzweise verliehenen Dichtkunst sind jedoch nicht die einzigen Elemente der Legende, welche aus den homerischen Epen selbst genommen wurden. Ein weiteres Motiv ist dasjenige der glänzenden Waffen, welche Homer geblendet haben sollen. Denn die ‚Vita Romana’ sagt ausdrücklich, dass es sich dabei um die zweite Waffengarnitur gehandelt habe ( τοῖς δευτέροις ὅπλοις κεκοσµηµένος ), die Achilleus erst erlangte, als er seine erste Rüstung seinem Freund Patroklos leihweise übergeben und dieser sie an Hektor verloren hatte. Dass dieses Motiv nur aus der ‚Ilias’ übernommen sein kann, ergibt sich aus dem Umstand, dass die bekannte Geschichte vom Streit um die Waffen des Achilleus, den Aias und Odysseus miteinander austrugen 141 , sich mit der Existenz zweier Rüstungen nicht vereinbaren lässt; die zweite Garnitur ist somit eine junge Erfindung, die höchstwahrscheinlich erst der Dichter der ‚Ilias’ aufgebracht hat 142 . Als weitere Folge ergibt es sich somit, dass auch das Blendungsmotiv in unserer Legende von der ‚Ilias’ abhängt, denn der besondere Glanz dieser Waffen ist ebenfalls schon in der ‚Ilias’ bezeugt 143 und ebenso der Schrecken, der von ihnen ausging 144 . 140 Die vorstehend erwähnten Geschichten sind ohnehin lediglich eine spezielle Ausformung des allgemeinen frühgriechischen Gedankens, dass die Götter den Menschen selbst im besten Fall nur eine Mischung von Freude und Leid verleihen würden (Hom. Il. 24,525-533); cf. Garland 1995, 99-102. 141 Beispielsweise Hom. Od. 11,543-551, die ‚Ilias Parva’ (Frg. 2 bzw. Procl. Chr. p. 74 l. 3-5 Bern.), Soph. Aj. 441-449 und 1239-1245 sowie Apollod. Epit. 5,6. 142 So korrekt geschlossen von Ph. Kakridis 1961, 288-294. 143 Cf. vor allem Hom. Il. 18,610 ( τεῦξ᾿ ἄρα οἱ θώρηκα φαεινότερον πυρὸς αὐγῆς - „Hephaistos schuf also für ihn einen Brustpanzer, der heller war als der Schein des Feuers”), 18,616 f. ( ἡ δ᾿ ἴρηξ ὣς ἄλτο κατ᾿ Οὐλύµπου νιφόεντος, / / τεύχεα µαρµαίροντα παρ᾿ Ἡφαίστοιο φέρουσα . - „Thetis aber sprang wie ein Habicht vom schneereichen Olymp herunter und brachte glänzende Waffen von Hephaistos herbei.”), 19,367-383 und 397 f. ( ὄπιθεν δὲ κορυσσάµενος βῆ Ἀχιλλεύς, / / τεύχεσι παµφαίνων ὥς τ᾿ ἠλέκτωρ Ὑπερίων - „hinterher aber ging Achilleus, der sich gerüstet hatte, und leuchtete mit seinen Waffen wie der strahlende Hyperion”) und 22,134 f. ( ἀµφὶ δὲ χαλκὸς ἐλάµπετο εἴκελος αὐγῇ / / ἢ πυρὸς αἰθοµένου ἢ ἠελίου ἀνιόντος . - „Ringsherum aber leuchtete das Erz, dem Strahl des brennenden Feuers ähnlich oder dem der aufgehenden Sonne.”). 144 So die Reaktion der Myrmidonen in Hom. Il. 19,14 f. ( Μυρµιδόνας δ᾿ ἄρα πάντας ἕλε τρόµος, οὐδέ τις ἔτλη / / ἄντην εἰσιδέειν, ἀλλ᾿ ἔτρεσαν - „die Myrmidonen aber ergriff sämtliche ein Zittern, und keiner brachte es über sich, gerade hinzublicken, sondern Kapitel 4 162 Dieser Zusammenhang dürfte nun erneut einen ernstzunehmenden Hinweis für die Datierung der Legende liefern. Denn das Motiv der glänzenden Waffen ist für unsere Legende, die ja die Blindheit Homers erklären will, absolut unerlässlich und funktionell. Nicht gleichermaßen funktionell, wenn auch von sehr eindrucksvollem Charakter, ist das Motiv dagegen in einer anderen berühmten Passage der griechischen Dichtung. Es handelt sich um die Parodos von Euripides’ ‚Hekabe’, wonach Achilleus unmittelbar nach der Beendigung des Trojanischen Kriegs aus seinem Grabhügel hervorgetreten sei, um nach der Opferung der Polyxene zu verlangen (E. Hec. 109-111 [der Chor der Troerinnen zu Hekabe]: τύµβου δ᾿ ἐπιβὰς / / οἶσθ᾿ ὅτε χρυσέοις ἐφάνη σὺν ὅπλοις, / / τὰς ποντοπόρους δ᾿ ἔσχε σχεδίας - „du weißt aber, wie er sich mit seinen goldenen Waffen über dem Grabhügel erhob, die meerdurchfahrenden Schiffe aber zurückhielt”). Möglicherweise hatte vor Euripides schon Sophokles in seiner ‚Polyxene’ und noch früher Simonides in einem seiner lyrischen Gedichte die Erscheinung des Achilleus in entsprechender Weise ausgestaltet, denn Ps.- Longinos lobt die beiden Dichter für eine besonders anschauliche Schilderung der Szene 145 . Umgekehrt war das Motiv der Totenerscheinung im ältesten Zeugnis, den kyklischen ‚Nostoi’, nach dem Referat des Proklos eher dezent behandelt und sprach lediglich von einer Warnung des Achilleus an seine ehemaligen Kampfgefährten 146 . Ob damit auch die Forderung nach der Opferung der Polyxene impliziert war, ist unklar 147 . Jedenfalls gab es für den Dichter der ‚Nostoi’ keinen besonderen Grund, Achilleus in voller sie erbebten”) und die Hektors in 22,136 f. ( Ἕκτορα δ᾿, ὡς ἐνόησεν, ἕλε τρόµος· οὐδ᾿ ἄρ᾿ ἔτ᾿ ἔτλη / / αὖθι µένειν, ὀπίσω δὲ πύλας λίπε, βῆ δὲ φοβηθείς . - „Den Hektor aber, wie er es bemerkte, ergriff ein Zittern; und er brachte es nicht mehr über sich, dort zu bleiben, sondern er ließ die Tore hinter sich und lief flüchtend davon.”); cf. die Diskussion bei Wiemer 1905, 24 f. 145 Ps.-Longin. 15,7, im Anschluss an Soph. TrGF 4 F 522-528 bzw. Simon. PMG 557 (= Frg. 277 Poltera). 146 Procl. Chr. p. 94 l. 9-11 Bern. ( τῶν δὲ περὶ τὸν Ἀγαµέµνονα ἀποπλεόντων Ἀχιλλέως εἴδωλον ἐπιφανὲν πειρᾶται διακωλύειν προλέγον τὰ συµβησόµενα . - „Als aber Agamemnon und sein Gefolge wegsegeln wollten, zeigte sich der Schatten des Achilleus und versuchte, sie davon abzuhalten, indem er ihnen das Kommende vorhersagte.”). 147 Die Tötung der Polyxene soll nach den antiken Zeugnissen sowohl in den ‚Kyprien’ (Frg. 34 Bern.: Tötung durch Odysseus und Diomedes bei der Eroberung der Stadt) wie in der ‚Iliupersis’ (Procl. Chr. p. 89 l. 22-23 Bern.: Opferung der Königstochter über dem Grab des Achilleus während der Vorbereitung zur Abfahrt) geschildert gewesen sein. Insbesondere die ‚Iliupersis’ zeigt damit eine Konkurrenzversion zu den ‚Nostoi’, und es scheint denkbar, dass die ‚Kyprien’ und die ‚Iliupersis’ nur die Opferung aufwiesen und nicht auch die Totenerscheinung und die ‚Nostoi’ nur die Totenerscheinung und nicht auch die Opferung, sodass die Kombination der beiden Motive erst das Werk der lyrischen und dramatischen Dichter gewesen wäre (cf. die Diskussionen bei Stephanopoulos 1980, 74-77 und Michelakis 2002, 60 f. und 74). Blendung und Dichterweihe 163 Montur zu zeigen, und auch die nachklassischen Dichter, die von der Erscheinung des Achilleus und von seiner Forderung nach Tötung der Polyxene berichten, lassen die Waffen unerwähnt oder sprechen allenfalls ganz generell von der ehrfuchtgebietenden und wehrhaften Gestalt des Heros 148 . Somit scheint es, dass die hervorgehobene Erwähnung der Waffen durch Euripides ein Sonderfall war, und dies wiederum könnte bedeuten, dass Euripides das Motiv eben aus der Legende vom Besuch Homers am Grabhügel des Achilleus übernommen hat. Die Aufführung der ‚Hekabe’ um das Jahr 425 wäre somit ein terminus ante quem für unsere Legende. Falls aber die ‚Nostoi’ oder andere frühgriechische Dichtungen bei der Erwähnung dieser Geistererscheinung doch schon speziell auf die Waffen des Achilleus hinwiesen, so könnte auch dies als Indiz für eine frühe Entstehung unserer Legende gewertet werden, denn sie hätte sich damit immerhin gut in die Erzähltraditionen ihrer Zeit eingefügt. Ein drittes Element der Geschichte, das aus der epischen Tradition abgeleitet scheint, ist schließlich das Motiv der Begegnung mit Thetis und den Musen am Grab des Achilleus ( ἐλεηθέντα δ᾽ ὑπὸ Θέτιδος καὶ Μουσῶν ... ). Denn dieses Motiv ist sicher nicht ohne Zusammenhang mit der berühmten Geschichte vom gemeinsamen Besuch der Musen und der Nereiden bei der Bestattung des Achilleus 149 , wie er Teil der chronologischen Darstellung in der ‚Aithiopis’ war, wie er aber auch in der Rückschau der zweiten ‚Nekyia’ ausführlich geschildert ist. Naturgemäß wird dabei Thetis als Mutter des Verstorbenen unter den Nereiden immer besonders hervorgehoben 150 . Offenbar hatte sich nun unter dem Einfluss dieser epischen Traditionen beim Grabhügel des Achilleus ein Kult der Nereiden herausgebildet, der bis weit in die Kaiserzeit hinein weiterbestand 151 . Wiederum aber dürfte Thetis bei dieser kultischen Verehrung 148 Anth. Pal. 9,117; Quint. Smyr. 14,179-227; Tryph. 686 f.; Ov. met. 13,441-448; Sen. Tro. 168-202. 149 Unbefriedigend dagegen die Position von Wiemer 1905, 26, der denkt, dass Thetis mit ihrem Auftreten in der Erzählung einfach das von ihr angerichtete Unheil (sc. die Blendung Homers durch Waffen, die sie einst bei Hephaistos bestellt hatte) wiedergutmachen wolle, weil sich so die enge Koppelung von Thetis und den Musen in unserer Geschichte nicht erklären lässt. 150 ‚Aithiopis’ bzw. Procl. Chr. p. 69 l. 20-21 Bern. ( καὶ Θέτις ἀφικοµένη σὺν Μούσαις καὶ ταῖς ἀδελφαῖς θρηνεῖ τὸν παῖδα . - „Und Thetis kommt mit den Musen und ihren Schwestern und beklagt ihren Sohn.”); Hom. Od. 24,47-62 ( µήτηρ δ᾿ ἐξ ἁλὸς ἦλθε σὺν ἀθανάτῃσ᾿ ἁλίῃσι ... Μοῦσαι δ᾿ ἐννέα πᾶσαι ἀµειβόµεναι ὀπὶ καλῇ / / θρήνεον ... - „Die Mutter aber kam aus dem Meer mit den unsterblichen Meeresgöttinnen ... Die neun Musen aber klagten, indem sie alle mit schöner Stimme antworteten ...”). 151 Cf. die Diskussion in Grossardt 2013, 364-368 unter besonderem Hinweis auf Philostrat, VA 4,16,4 und Her. 51,7. Kapitel 4 164 im Vergleich mit ihren Schwestern eine gewisse Sonderstellung genossen haben 152 . Eine solche Verehrung der Nereiden am Grabhügel des Achilleus kann nicht überraschen, weil es ein berühmtes Zeugnis des Pausanias gibt zur gemeinsamen Verehrung, die die Gottheiten vielerorts in Küstennähe innehatten 153 , und weil dieses Zeugnis sich in moderner Zeit durch mehrere einschlägige Inschriften bestätigt hat 154 , so durch Inschriften aus Apollonia in Illyrien 155 , durch eine Inschrift aus dem kleinasiatischen Erythrai 156 und durch eine aus Olbia am Schwarzen Meer 157 . Ein Datierungshinweis für unsere Legende lässt sich daraus nicht unbedingt gewinnen, weil die genannten Inschriften meist recht spät datiert sind und wir nicht wissen, wie weit der jeweilige Kult zeitlich zurückreichte. Dennoch könnte insbesondere im Falle des Grabhügels von Achilleus, unmittelbar bei der Einfahrt in die Dardanellen, eine Entstehung im sechsten (oder gar schon im siebten) Jahrhundert nicht verwundern, weil der von Milet ausgehende Kult des Achilleus auf der Schwarzmeerinsel Leuke und der damit verbundene Kult des Heros in Olbia und Umgebung sich in eben dieser Zeit entwickelten 158 und weil dies gerade im äolischen Raum in zeitgenössischen Quellen reflektiert wurde 159 . Zudem handelte es sich bei der Verehrung der Nereiden um einen typischen Seefahrerkult, der gerade in schwierigen Lebenslagen und an gefährlichen Passagen beson- 152 Cf. die Herbeirufung der Thetis in Philostr. Her. 53,10, wenn Philostrat diesen kultischen Ruf auch thessalischen Festgesandten und nicht der lokalen Bevölkerung Ilions zuweist. 153 Paus. 2,1,8, anlässlich einer Erwähnung des Kults der Nereiden auf dem Isthmos von Korinth ( ταύταις καὶ ἑτέρωθι τῆς Ἑλλάδος βωµοὺς οἶδα ὄντας, τοὺς δὲ καὶ τεµένη σφίσιν ἀναθέντας πρὸς ἠιόσιν [ πρὸς ἠιόσιν Preller: ποιµαίνισιν codd.] , ἔνθα καὶ Ἀχιλλεῖ τιµαί. - „Ich weiß, dass sie [sc. die Nereiden] auch an anderen Orten Griechenlands Altäre besitzen und dass manche ihnen auch heilige Bezirke an Meeresufern geweiht haben, wo auch Achilleus Ehrungen empfängt.”). 154 Die Einschätzung von Graf 1985, 351-353, der den Kult der Nereiden möglichst von dem des Achilleus trennen wollte, war somit zu negativ. 155 SEG 57, 554 und 555 (gemeinsame Verehrung von Achilleus und Thetis; cf. die Editio princeps der beiden Inschriften durch Cabanes 2007 und die ausführliche Diskussion durch Oller Guzmán 2008). 156 SIG 3 1014, Z. 51-52 und Z. 76 (= IGSK 2, 201 [= IEryth. 2, 201], a 18-19 und a 43: gemeinsame Verehrung des Achilleus und der Nereiden). 157 IOSPE I 2 142 (= Latyschev 1916, 166 f.: gemeinsame Verehrung von Achilleus und Thetis). 158 Zum Kult des Achilleus auf der Schwarzmeerinsel Leuke cf. nun den Beitrag von Ochotnikov 2006, zu seinem Kult in Olbia und an sonstigen Kultstätten der nördlichen Schwarzmeerküste cf. den Beitrag von Bujskich 2006. 159 Alc. Frg. 354 Voigt ( Ἀχίλλευς ὀ τὰς Σκυθίκας µέδεις - „Achilleus, der über Skythien herrscht”); cf. Hommel 1980, 9 f., der annimmt, dass es sich bei diesem Lied um einen Hymnos handelte, der für eine kultische Feier für Achilleus am Kap Sigeion bestimmt war. Blendung und Dichterweihe 165 dere Aktualität erhielt 160 . Es scheint also doch ganz so, dass sich am Grabhügel des Achilleus in archaischer Zeit unter dem Einfluss epischer Traditionen, aber auch konkreter nautischer Bedürfnisse eine gemeinsame kultische Verehrung der Nereiden und des Achilleus herausbildete 161 und dass dies sich dann auch in unserer Legende vom Besuch Homers bei Achilleus niederschlug. Das sechste Jahrhundert kann also insgesamt sicherlich als die wahrscheinlichste Zeit für die Entstehung der Legende betrachtet werden, wenn auch spätere Datierungen weiterhin nicht auszuschließen sind 162 . 4.3.2 Die Frage nach dem Entstehungsort der Legende Wenn wir uns nun überlegen, wo die Legende entstanden sein könnte, so gibt uns wieder die oben in Kap. 4.3.1 referierte Geschichte von der Blendung Homers durch Helena einen wichtigen (negativen) Hinweis. Denn diese Geschichte war offenbar im Kreis der Homeriden von Chios entstanden und diente deren Interessen 163 . Somit ist auszuschließen, dass auch die Legende von der Blendung durch Achilleus in Chios entstanden ist, denn es wäre nicht sinnvoll gewesen, zwei Legenden zur Blindheit Homers zu erfinden, die die Entstehung seiner Epen begründeten und damit in ernsthafter Konkurrenz zueinander standen. Den zweiten wichtigen Hinweis gibt uns die - trotz allem - eher geringe Prominenz, die der Kult der Nereiden am Grabhügel des Achilleus genoss. Die Legende von der Blendung Homers und der Dichterweihe durch Thetis und die Musen kann daher nur von einem Personenkreis erfunden worden sein, der in relativer geographischer Nähe zu Troja ansässig war und daher mit den lokalen Kulten mindestens vom Hörensagen her vertraut war 164 . Damit reduziert sich der Kreis der ‚Kandidaten’ auf die kleinasiatischen Städte, 160 Cf. beispielsweise Sappho, Frg. 5,1 Voigt (mit der Vervollständigung des Texts in Burris, Fish, Obbink 2014, 11: die Nereiden sollen für gute Heimkehr von Sapphos Bruder nach Lesbos sorgen), Eur. Hel. 1584-1587, Soph. Ph. 1469-1471, Anth. Pal. 6,349 und Arr. An. 1,11,6 (Alexander der Große opfert Poseidon und den Nereiden während der Überfahrt über den Hellespont einen Stier und bringt ihnen eine Trankspende dar). 161 Dies also auf der Grundlage eines älteren Achilleus-Kultes bei Ilion, der zunächst lediglich Ausdruck der äolischen Landnahme in der Troas gewesen war und noch nicht den Bedürfnissen milesischer Seefahrer gedient hatte (oben Kap. 4.1). Wahrscheinlich haben sich am Grabhügel des Achilleus also ältere äolische und jüngere milesische Kultformen überlagert, wie dies denn gerade das vorgenannte Fragment des Alkaios (Frg. 354 Voigt) bezeugt. 162 Cf. die weitere Diskussion unten in Kap. 4.3.2. 163 Cf. die weitere Ausführung unten in Kap. 4.4.2. 164 Cf. auch oben in Kap. 4.1 die Bemerkungen zu den Opfergaben Homers am Grab des Achilleus und zu den Parallelen in den Berichten über die Besuche von Xerxes und Alexander dem Großen am selben Grab. Kapitel 4 166 die besonderen Anspruch auf Homer erhoben, wie Smyrna, Kolophon und Kyme, auf eine Insel in relativer Nähe zu Ilion wie Lesbos und damit auf die Bevölkerung der westlichen Troas selbst, die noch bis weit ins fünfte Jahrhundert unter der Kontrolle von Lesbos stand, auf das Innere der Troas wie beispielsweise auf die Einwohner von Kenchreai und schließlich auf Athen, welches in archaischer und klassischer Zeit am Kap Sigeion, an der Nordwestspitze der Troas, einen wichtigen Außenposten hatte. Diese Frage nach der geographischen Herkunft der Legende wird wegen der dürftigen Quellenlage immer schwierig bleiben und wird auch in unserer Arbeit nur im Sinne einer Hypothese beantwortet werden können. Höhere und geringere Wahrscheinlichkeiten gibt es gleichwohl, und nach diesem Kriterium können einzelne der oben genannten Städte recht schnell aus der weiteren Untersuchung ausgeschlossen werden. So war zwar der Anspruch Smyrnas auf Homer sehr stark und konzentrierte sich insbesondere auf die Geschichte von der Geburt des Dichters am lokalen Fluss Meles oder gar als Sohn des Flusses 165 . Entsprechend gab es seit hellenistischer Zeit in Smyrna sogar einen eigenen Homer-Kult 166 . Doch da die Stadt um das Jahr 600 v. Chr. zerstört und erst in hellenistischer Zeit wieder aufgebaut wurde, müsste die Legende vom Besuch Homers am Grab des Achilleus, wenn sie in Smyrna entstand, entweder schon im siebten Jahrhundert aufgekommen sein oder erst in hellenistischer Zeit, also gerade nicht im Zeitraum, der oben als der wahrscheinlichste bestimmt wurde 167 . Ebenso problematisch wäre die Annahme, dass die Legende in Kolophon entstand, denn Kolophon sprang gewissermaßen für das zerstörte Smyrna in die Bresche 168 . Seine Ansprüche auf Homer datieren daher erst aus klassischer bis hellenistischer Zeit und wurden hauptsächlich von den eigenen Bürgern wie den Dichtern Antimachos und Nikander gestützt 169 . Zudem befand Kolophon sich in noch größerer Entfernung vom Kap Sigeion als Smyrna und ein eigentliches Gegenindiz für die Entstehung 165 Cf. beispielsweise das ‚Certamen’ § 2 (V p. 226 l. 7-12 Allen = p. 35,1-6 von Wilamowitz-Moellendorff), Ps.-Hdt. Vit. Hom. 3 und Ps.-Plut. Vit. Hom. 1,2,3 (= Ephoros von Kyme, FGrHist 70 F 1). 166 Strab. 14,1,37; Paus. 7,5,13; Cic. Arch. 19 (generell zu den Homer-Kulten an verschiedenen Stätten des östlichen Mittelmeerraums cf. die Testimoniensammlung bei Clay 2004, 136-143 sowie die Auswertung dieser Quellen bei Pinkwart 1965, 169- 173). 167 Allgemein zur Geschichte und zu den Ansprüchen Smyrnas cf. Jacoby 1933, 31 f. 168 Jacoby 1933, 33. 169 Antimachos, Frg. 166 Matthews und Nikander, Frg. 14 Schneider; daneben noch Anth. Pal. 16,292 (bzw. Ps.-Plut. Vit. Hom. 1,4,5) und 16,296,1 (Antipatros von Sidon), Procl. Chr. Vit. Hom. § 2 (V p. 99,11 Allen = p. 26,5-6 von Wilamowitz-Moellendorff = p. 68 l. 9 Severyns), die ‚Suda’ ο 251 (III p. 525,12 Adler [§ 2 West]) und Cic. Arch. 19. Blendung und Dichterweihe 167 unserer Legende in Kolophon besteht in der offenbar recht starken Tradition zur Erblindung des Dichters in Kolophon selbst 170 . Denn wenn dies die etablierte lokale Tradition war, dann wird man sich in Kolophon kaum noch eine weitere Legende ausgedacht haben, die die Erblindung des Dichters am weitentfernten Grabhügel des Achilleus bei Ilion lokalisierte. Etwas besser begründbar wäre daher die These von der Entstehung der Legende in Kyme, das etwas weiter nördlich lag und seit dem fünften Jahrhundert die äolischen Ansprüche auf Homer bündelte 171 . Allerdings fehlt es auch für Kyme an konkreten Indizien, dass die Legende tatsächlich dort ihren Ursprung hatte, und wir finden wieder ein Gegenindiz in den konkreten Testimonia zur Herkunft Homers, die wir aus der einheimischen Tradition gewinnen können. Denn nach dem lokalen Historiker Ephoros hatte Homer zwar Vorfahren aus Kyme und wurde dort gezeugt, er wurde aber bereits in Smyrna geboren und verbrachte seine Jugend dort als Stiefsohn des Schulmeisters Phemios 172 . Dies lässt sich aber kaum noch vereinbaren mit unserer Legende, weil Homer hier als einheimischer Hirte aus der Umgebung von Ilion agiert und keine biographischen Gemeinsamkeiten aufweist mit dem künftigen Dichter aus Smyrna, der schon in der Schule seines Stiefvaters mit der Dichtung in Kontakt kommt und daraufhin selber von Anfang an den Beruf eines Lehrers ausübt 173 . Geht man also zur Landschaft der Troas selbst über, so gab es merkwürdige Traditionen, wonach Homer in der kleinen Landstadt Kenchreai, im Inneren der Troas, geboren sein 174 oder auf seinen Wanderungen dort 170 So mit Nachdruck Ps.-Hdt. Vit. Hom. 7-8. 171 Cf. die Diskussionen oben in den Kap. 3.4.2.2 und 3.4.2.3 sowie unten in Kap. 4.4.1. 172 Ephoros von Kyme, FGrHist 70 F 1 (= Ps.-Plut. Vit. Hom. 1,2) und F 99 (= ‚Vita Romana’ § 2 [V p. 251 l. 10-12 Allen = p. 30,27-29 von Wilamowitz-Moellendorff]); zur Charakteristik dieser Erzählung als äolischer Überlagerung einer älteren ionischattischen Version der Geburtslegende cf. oben Kap. 3.4.2.2 und unten Kap. 4.4.1. 173 Zum ‚Schulstoff’ bei Phemios cf. Ps.-Hdt. Vit. Hom. 4 ( ... Φήµιος τοὔνοµα, παῖδας γράµµατα καὶ τὴν ἄλλην µουσικὴν διδάσκων. - „... ein Mann namens Phemios, der die Buben das Lesen und Schreiben sowie die sonstigen musischen Künste lehrte.”); zur Übernahme der Schule durch Melesigenes nach Phemios’ Tod cf. Ps.-Hdt. Vit. Hom. 5. 174 ‚Suda’ ο 251 (III p. 525,13 Adler [§ 2 West]: οἱ δὲ ἐκ Τροίας ἀπὸ χωρίου Κεγχρεῶν - „andere aber sagen, dass er aus der Troas aus dem Städtchen Kenchreai hergestammt sei”). Ebenfalls auf Kenchreai zu beziehen ist wohl Inscr. Perg. 203, Z. 9-12, eine Inschrift aus hellenistischer Zeit, die am Sockel einer Statue Homers im Athene- Heiligtum von Pergamon angebracht war ( Τὸν περιδήριτον κοσµήτορα θεῖον [ Ὅ ] µηρον / / λεύσσετ᾿, ἐν ᾧ πᾶσαι νεῖκος ἔθεντο πόλεις· / / Σµύρνα, Χίος, Κολοφ [ ῶ ] ν, Κύµη, κ [ α ] ὶ πᾶσα Πελασγὶς / / Ἑλλὰς καὶ νήσων ἄστεα καὶ Τροίης. - „Ihr seht den vielumstrittenen Verkünder des Ruhms, den göttlichen Homer, um den alle Gemeinden einen Zank austrugen: Smyrna, Chios, Kolophon, Kyme und das ganze pelasgische Griechenland sowie die Städte der Inseln und der Troas.”); cf. Fränkel 1890, 121, der die Inschrift zu Recht mit den bekannten Nachrichten zu Kenchreai zusammenstellt (dass nach der Annahme von Clay 2004, 89 und 137 hier mit Τροίης die Stadt Troja Kapitel 4 168 die Geschichte des Trojanischen Kriegs erfahren haben soll 175 . Wahrscheinlich war damit gemeint, dass Homer in Kenchreai in Kontakt kam mit Bewohnern der Stadt 176 , die sich auf versprengte Einwohner Trojas zurückführten, welche nach der Eroberung der Stadt dorthin geflüchtet waren und eine neue Siedlung gegründet hatten 177 . Wenn dieser Zusammenhang richtig hergestellt ist und Homer nach dieser Version seine Kenntnis von der Zerstörung Trojas somit aus einheimischer Überlieferung erhielt 178 , so bedeutet das aber gleichzeitig, dass die Geschichte vom Besuch Homers bei Achilleus nicht in Kenchreai entstanden sein kann. Denn die zwei Geschichten, die beide erklären, wie Homer zum Dichter des Trojanischen Kriegs wurde, stehen in Konkurrenz zueinander und schließen sich daher gegenseitig aus. Somit verbleiben Athen und Lesbos als wichtigste Kandidaten für die Entstehung unserer Legende. Auch zwischen diesen beiden Orten wird die Entscheidung schwierig bleiben, und es ist zunächst vorauszuschicken, dass solche Legenden wie die von der Dichterweihe Homers typischerweise einer Erklärung dafür dienten, wie es zur Existenz eines schriftlich vorliegenden Epos, also im konkreten Fall einer schriftlichen Fassung der ‚Ilias’, kam (oder jedenfalls die Existenz einer solchen Fassung voraussetzen) 179 , was zur fraglichen Zeit an beiden Orten der Fall gewesen sein bzw. Ilion und nicht die Landschaft Troas gemeint sei, verbietet dagegen die gewählte Formulierung, die den Genitiv Τροίης mit νήσων parallel stellt und beide Genitive von einer Mehrzahl von ἄστεα abhängig macht, also mit Τροίης nicht noch einmal eine einzelne Stadt bezeichnen kann). 175 Steph. Byz. κ 146 Bill. ( Κεγχρέαι· πόλις Τρωάδος, ἐν ᾗ διέτριψεν Ὅµηρος µανθάνων τὰ κατὰ τοὺς Τρῶας. - „Kenchreai: eine Stadt in der Troas, wo Homer sich aufhielt und die Geschichte der Troer erfuhr.”). 176 Oder selber zu den Bürgern der Stadt zählte, wenn die beiden genannten Testimonia auf dieselbe Tradition zurückgehen. 177 Cf. den Parallelfall des (fiktiven) Troja-Historikers Kephalon (genannt bei Hegesianax von Alexandria, FGrHist 45 T 7), der aus Gergis stammte, einer in derselben Gegend der Troas gelegenen Stadt, deren Bewohner den Anspruch erhoben, Nachfahren der geflüchteten Troer zu sein (Hdt. 5,122,2 und 7,43,2), und sich damit für eine authentische Kenntnis des Trojanischen Kriegs verbürgen konnten (cf. die Diskussion in Grossardt 1998, 368 f. bzw. Grossardt 2006, 61 f.). 178 So angedeutet bei Wiemer 1908, 31, wo Homer allerdings etwas stark in die Rolle eines modernen Historikers hineingleitet („Denn dieser [sc. Homer] konnte doch auch lange nach den Ereignissen selbst an Ort und Stelle die im Volksmunde lebenden Erinnerungen daran [sc. an den Trojanischen Krieg] erkundet und die Örtlichkeit in Augenschein genommen haben ...”). Unbefriedigend jedenfalls die Position von Marx 1925, 409 f., dass die Nachricht der ‚Suda’ zur Herkunft Homers aus der Troas lediglich späte Spekulation war, die einfach nur das Faktum seiner Verfasserschaft der ‚Ilias’ erklären sollte. 179 Cf. die Erläuterungen unten in Kap. 4.4.2. Blendung und Dichterweihe 169 dürfte 180 . Beide Poleis hatten also ausreichende Motivation für die Erfindung einer solchen Legende. Allerdings war die Rezeption der homerischen Epen in Athen im sechsten Jahrhundert eng an den Vortrag an den Großen Panathenäen gebunden und dieser erfolgte durch professionelle Rhapsoden 181 , die als Vertreter einer ionischen Polis wiederum in enger Verbindung mit den Homeriden von Chios gestanden haben dürften 182 . Man wird sich also in Athen und in seinen Kolonien, wenn man sich überhaupt Gedanken zur Blindheit Homers machte, eher an die Version von Chios gehalten haben, welche, wie oben dargestellt, von der Blendung des Dichters durch Helena sprach. Dennoch kann Athen nicht vorschnell aus dem Kreis der Kandidaten ausgeschlossen werden. Was not tut, ist somit eine genauere Betrachtung der lokalen Verhältnisse in der westlichen Troas. Mit anderen Worten, bevor eine Entscheidung zwischen Athen und Lesbos getroffen werden kann, muss zunächst der Grabhügel, an welchem die Legende spielt, identifiziert werden und es muss eine Abklärung der Frage erfolgen, in welchem Verhältnis die athenischen und äolischen Siedler der Troas zu diesem Grabhügel standen. Damit gelangt man allerdings in eines der dornigsten und umstrittensten Arbeitsgebiete der trojanischen Geographie. Denn es wird in der Forschung seit langer Zeit darüber debattiert, ob der Grabhügel des Achilleus mit dem Orhaniye Tepe 183 ca. 1,5 bis 2 km südlich des Kap Sigeion direkt am Eingang in den Hellespont oder mit dem Beșik Tepe (auch: Sivri Tepe) an der Westküste der Troas ca. 12 km südlich des Kap Sigeion zu identifizieren sei. Nachdem der französische Ausgräber Jean Baptiste Lechevalier im späten achtzehnten Jahrhundert die Identifizierung mit dem Orhaniye Tepe vorgenommen hatte, war dies lange Zeit communis opinio, bis im zwanzigsten Jahrhundert im Zuge der Frage nach der Lokalisierung des griechischen Schiffslagers die Aufmerksamkeit mehr auf den Beșik Tepe gerichtet wurde und schließlich John M. Cook in seiner detaillierten 180 Zur Existenz einer schriftlichen Fassung der ‚Ilias’ in Athen um das Jahr 570 v. Chr. cf. Burkert 2012, zum Vorliegen eines fixierten Texts in Lesbos zu Beginn des sechsten Jahrhunderts cf. West 2002, 209 f. (näher ausgeführt unten in Kap. 4.4.2). 181 Plat. Hipparch. 228 b 6 c 1; Lycurg. Leocr. 102; Diog. Laert. 1,57. 182 Wenn es sich bei den Rhapsoden von Athen nicht überhaupt, wie G. Nagy (1992, 48; 2010, 59-65) und M. L. West (1999, 382) annehmen, zunächst um Homeriden aus Chios handelte. 183 Der Hügel wird in der Forschung meist einfach nur als ‚Grabhügel des Achilleus’ bezeichnet, und Cook 1973, 160 vermerkt sogar explizit, dass ihm von der Bevölkerung der Troas kein anderer einheimischer Name zu Gehör kam. Es scheint sich in den vergangenen Jahrzehnten aber doch der Name ‚Orhaniye Tepe’ (nach Sultan Orhan I., dem Eroberer des westlichen Kleinasien) eingebürgert oder stärker verbreitet zu haben (Bieg, Aslan 2006, 133), und diese Bezeichnung ist im Rahmen unserer Untersuchung sicher vorzuziehen, da damit ein Präjudiz zugunsten dieses Hügels vermieden wird. Kapitel 4 170 Studie zur Topographie der Troas ein ‚Machtwort’ zugunsten dieses Hügels sprach 184 . Der Orhaniye Tepe ist fast unmittelbar an der Meeresküste gelegen und weist an seiner Nordseite eine Höhe von 12 m und an der Südseite eine Höhe von 4 m auf 185 . Er wurde nach den ersten Sondierungsgrabungen aus dem achtzehnten Jahrhundert im Jahre 1882 von Heinrich Schliemann noch einmal gründlich untersucht. Diese Grabungen ergaben prähistorische, submykenische und klassische Keramik 186 , wobei die Identität und Herkunft der älteren Fundstücke allerdings unklar ist 187 . Entsprechend stammt der Hügel schon aus vorgriechischer Zeit 188 oder wurde erst in der archaischen Periode aufgeworfen 189 . Der Beșik Tepe liegt leicht im Landesinneren in der Nähe der Siedlung von Beșika Burnu 190 . Er ist 13 m hoch, wobei die Grabung Schliemanns aus dem Jahre 1879 die Besonderheit ergab, dass der Hügel zwar zur Gänze künstlich angelegt ist, aber aus zwei unterschiedlichen Teilen besteht, aus einer unteren Schicht von etwa fünf Metern aus wechselnden Lagen von Humus und Lehmerde und aus einer oberen Schicht von etwa acht Metern aus bloßer Lehmerde; nur in der unteren Schicht fand sich eine Vielzahl prähistorischer Fundstücke 191 . Dieser Befund, der durch die neueren Grabungen von Manfred Korfmann und Charles B. Rose in den Jahren 1983 bzw. 1998 und 1999 im wesentlichen bestätigt werden konnte 192 , lässt sich am besten so verstehen, dass der untere Teil des Hügels aus prähistorischer Zeit stammt und der obere Teil aus einer zweiten späteren Bauphase 193 184 Cook 1973, 185 f.; bedeutendster Kritiker dieser These und damit Befürworter einer Rückkehr zur Position Lechevaliers ist Hertel 2003, 161-174. 185 So die Maße nach Schliemann 1884, 274 f. Bilder des Orhaniye Tepe sind erstaunlich schwer zu finden und beschränken sich auf frühe Zeichnungen und Photographien. Solche sind publiziert bei Schliemann 1874 (Tafeln 127 und 178), Schliemann 1881, 728 (Abb. 1513), Hertel 2003 (Tafel 40) und Burgess 2009, 121. 186 Schliemann 1884, 278-281; Hertel 2003, 169 f. 187 So der Einwand von Winnefeld 1902, 544 und Cook 1973, 163 f. 188 So gefolgert von Hertel 2003, 172. 189 So Cook 1973, 164 f. 190 Abbildungen des Beșik Tepe sind leicht zu finden; cf. beispielsweise Cook 1973 (Tafel 18b), Burgess 2009, 123, Blum, Thater, Thumm-Doǧrayan 2014, 788 (Abb. 15) oder Rose 2014, 61 und 191. 191 Schliemann 1881, 740 f. 192 Korfmann 1985 169 („Dabei sind die dunklen Schichten mit prähistorischem Scherbenmaterial im unteren Bereich des etwa 13 m hohen Tumulus hervorzuheben.”) bzw. Rose 2000, 65 und 2014, 190. 193 So die Interpretation von Cook 1973, 174. Der Einwand von Hertel 2003, 162 und Zwingmann 2012, 100 Anm. 421 (gegen Rose 2000, 65 f.), dass es keine Anhaltspunkte für einen vorhellenistischen Grabhügel gebe, ist also nicht triftig. Blendung und Dichterweihe 171 (während andere Erklärungsversuche eher problematisch sind 194 ). Allerdings konnte nun durch die neuen Funde auch die zweite Bauphase näher präzisiert werden, weil im oberen Bereich, aber dennoch im Innern des Hügels eine Scherbe aus dem dritten Jahrhundert v. Chr. gefunden wurde 195 , womit ein terminus post quem für die Vergrößerung des Hügels gegeben ist 196 . Zudem datieren einzelne andere Fundstücke dieser oberen Schicht aus archaischer und klassischer Zeit, was beweist, dass der Hügel und dessen unmittelbare Umgebung auch in dieser Phase von der umliegenden Bevölkerung besucht wurde 197 . Welcher der beiden Hügel nun mit dem Grab des Achilleus zu identifizieren ist, bleibt weiterhin eine schwierige Frage, da die beiden entscheidenden Testimonia von Strabon 13,1,32 ( ἔστι δὲ τὸ µῆκος τῆς παραλίας ταύτης ἀπὸ τοῦ Ῥοιτείου µέχρι Σιγείου καὶ τοῦ Ἀχιλλέως µνήµατος εὐθυπλοούντων ἑξήκοντα σταδίων ... τοῦ µὲν οὖν Ἀχιλλέως καὶ ἱερόν ἐστι καὶ µνῆµα πρὸς τῷ Σιγείῳ - „die Länge dieses Küstenstreifens von Rhoiteion bis Sigeion und zum Grabmal des Achilleus beträgt bei direkter Fahrt sechzig Stadien ... dem Achilleus also ist sowohl ein Heiligtum zu eigen als auch ein Grabmal bei Sigeion”) und 13,1,39 ( Ἀχίλλειον δ᾿ ἐστὶν ὁ τόπος ἐν ᾧ τὸ Ἀχιλλέως µνῆµα, κατοικία µικρά - „Achilleion ist der Ort, an dem sich das Grabmal des Achilleus befindet, eine kleine Ansiedlung”) einander zu widersprechen scheinen. Man hat allerdings nicht den Eindruck, dass die beiden Testimonia, je für sich genommen, falsche Information vermitteln: In 13,1,32 ist die Distanzangabe für die Entfernung zwischen Rhoiteion und Sigeion auf dem langgestreckten Kamm an der Westseite der Troas an der Stelle des späteren Dorfes Yenișehir 198 einigermaßen zutreffend und der Orhaniye Tepe findet sich in der Tat fast unmittelbar am nördlichen Ende des Hügelzugs. 194 Dies gilt insbesondere für die beiden alternativen Erklärungsversuche Korfmanns: Die Erklärung von Korfmann 1985, 169, wonach der gesamte Hügel erst aus hellenistischer Zeit datiere und die Besonderheit der unteren Schichten daher rühre, dass diese aus der Erde aus der näheren Umgebung des Kultplatzes stammten, während die oberen Schichten aus größerer Entfernung herbeigebracht worden seien, birgt die Schwierigkeit in sich, dass sich im unteren Bereich gar keine Keramikreste aus historischer Zeit gefunden haben, die man aber in diesem Fall doch erwarten dürfte, weil der Beșik Tepe in großer Nähe zur Siedlung von Beșika Burnu lag. Die zweite Deutung von Korfmann 2000, 43, wonach die neolithischen Siedlungsreste in hellenistischer Zeit absichtlich in den Hügel eingelassen worden seien, um dem Heros und der Lokalität spezielle Reverenz zu erweisen, weckt wiederum die Frage, warum die Erbauer des Hügels nur im unteren Bereich so agiert hätten. 195 Korfmann 1999, 29. 196 Rose 2000, 65 f. 197 Cf. Rose 1999, 63. 198 Für die Lokalisierung von Sigeion cf. Cook 1973, 184 f. und Bieg, Aslan 2006, 141 f.; eine Luftaufnahme des Hügelzugs findet sich bei Bieg 2006, 367 (Abb. 7). Kapitel 4 172 Man muss also schließen, dass Strabon bzw. sein Gewährsmann, der exzellente Ortskenner Demetrios von Skepsis 199 , tatsächlich den Orhaniye Tepe im Auge hatte und ihn zu Recht mit dem Grab des Achilleus identifizierte 200 . Umgekehrt scheint auch die Bemerkung von 13,1,39 korrekt, da es nur zu plausibel ist, dass eine Landkolonie nach einem nahegelegenen Heiligtum benannt ist. Die Forschung war daher lange Zeit dazu geneigt, auch Achilleion in der nordwestlichen Ecke der Troas in der Nähe von Sigeion zu lokalisieren 201 . In seiner Studie von 1973 konnte J. M. Cook allerdings mit einer Reihe von Argumenten plausibel machen, dass Achilleion im politischen Gefüge der Region einige Bedeutung hatte und daher nicht direkt bei Sigeion lag, sondern mit der Fundstätte von Beșika Burnu 12 km südlich des Kap Sigeion zu identifzieren ist 202 . In der Tat haben neuere Grabungen dort recht bedeutsame Siedlungsreste gefunden, die gerade aus dem Zeitraum datieren, der uns hier besonders interessiert, und damit Cooks Folgerung weiter stärken 203 . Achilleion befand sich somit in nächster Nähe des Beșik Tepe und dieser muss schon in archaischer Zeit als Grabmal des Achilleus identifiziert worden sein. Es bestehen also zwei Hügel, die in der Antike mit dem Grabmal des Achilleus assoziiert wurden, und die neuere Forschung kam daher zu dem Schluss, dass es nicht ratsam sei, die alte Streitfrage zugunsten des einen oder des anderen Hügels entscheiden zu wollen, weil hier offenbar konkurrierende Ansprüche unterschiedlicher Personengruppen vorliegen, die Achilleus und sein Grab jeweils für sich beanspruchten 204 . Wie es zu diesen konkurrierenden Ansprüchen kam, zeigt ein Blick in die Geschichte der nordwestlichen Troas in archaischer Zeit: Sigeion hatte 199 Zu den Interessen und Arbeitsprinzipien des Demetrios von Skepsis cf. die Diskussion bei Trachsel 2007, 200-219. 200 Wer mit Winnefeld 1902, 544 und Rose 2014, 299 Anm. 102 annimmt, dass der Hügel das Grab eines vornehmen Einwohners von Sigeion aus archaischer oder klassischer Zeit darstellte, muss also auch bereit sein zur Annahme, dass der Hügel in spätklassischer oder frühhellenistischer Zeit eine Umwidmung an Achilleus erfuhr, was aber kaum denkbar scheint. 201 So noch Hertel 2003, 220, der Achilleion mit dem späteren Dorf Yenișehir identifiziert und Sigeion mit dem leicht südlich davon gelegenen ‚Spratt’s Plateau’. Es ist aber nahezu ausgeschlossen, dass zwei feindliche Forts so nahe beieinander lagen (so richtig Burgess 2009, 117). 202 Cook 1973, 180-186; Abbildungen des kleinen Kaps von Beșika Burnu finden sich bei Cook 1973 (Tafel 18b), Korfmann 2006, 6 (Abb. 7), Bieg 2006, 367 (Abb. 6) und Blum, Thater, Thumm-Doǧrayan 2014, 786 (Abb. 13). 203 Korfmann 1988, 394 f. und Kossatz 1988 mit Hinweisen auf Keramikfunde aus der Zeit von 580 bis 535 v. Chr. und auf Reste einer zeitgleichen Festungsmauer. Danach scheint die Siedlung für eine Weile verlassen gewesen zu sein, bis es zu einer Neugründung in hellenistischer Zeit kam (Korfmann, S. 395), was zur oben geschilderten Erhöhung des Beșik Tepe zur selben Zeit passt. 204 So Burgess 2009, 124-126 und Nagy 2010, 153 f. und 177-180. Blendung und Dichterweihe 173 zu den Kolonien Mytilenes, der Residenzstadt von Lesbos, gehört, die im siebten Jahrhundert sowohl südlich der Dardanellen wie auch nördlich davon eingerichtet wurden 205 . Um das Jahr 600 kam es jedoch zu einem Konflikt zwischen Athen und Mytilene um die Kontrolle über Sigeion, der sich im Verlauf des folgenden Jahrhunderts in mehreren Schüben erneuerte, wenn auch, bedingt durch die Spärlichkeit und Widersprüchlichkeit unserer Quellen, keine genaue Rekonstruktion der militärischen Auseinandersetzungen mehr möglich ist 206 . Das Resultat war jedenfalls, dass Sigeion definitiv in athenischen Besitz überging 207 und dass Mytilene dafür Achilleion gründete und von dort aus seinen Einfluss über die Region geltend machte 208 . Athen konnte so von Sigeion aus die Einfahrt in den Hellespont und damit den Seeweg in das Schwarze Meer kontrollieren 209 und hatte den zusätzlichen Vorteil, dass es nun einen Außenposten in nächster Nähe von Troja hatte und sich somit die Rolle einer Hüterin des homerischen Erbes aneignen konnte 210 . Sowohl Athen als auch Mytilene verfügte nun also über eine Pflanzbzw. Garnisonsstadt in der Nähe von Ilion und war gewillt, dieses Erbe durch einen Kult für Achilleus zu pflegen. Es sind nun im wesentlichen zwei Szenarios denkbar: Die eine Möglichkeit ist die, dass seit submykenischer oder geometrischer Zeit ein äolischer Achilleus-Kult am Orhaniye Tepe bestand, dass Mytilene diesen Kult durch die Gründung der nahegelegenen Stadt Sigeion in der zweiten Hälfte des siebten Jahrhunderts unter seine direkte Kontrolle nahm, und dass dann ab 600 v. Chr. Athen mit der Übernahme Sigeions auch den Kult des Heros zu seiner Sache machte. Mytilene hätte dann gewissermaßen zum Ersatz den prähistorischen Hügel bei Beșika Burnu zum neuen Achilleus-Mahnmal erklärt und zur Stärkung des Kults 205 Zur Kolonisierung der westlichen Troas im siebten Jahrhundert cf. Tenger 1999, 122 f.; zur Besiedlung der thrakischen Chersonesos durch äolische Siedler cf. die oben in Kap. 4.1, Anm. 36 genannten Belege zu Ainos, Alopekonnesos, Sestos und Madytos. 206 Cf. die Darstellungen des Konflikts bzw. die Diskussionen der darauf bezogenen Testimonia bei Berve 1967, 62, Manfredini 1981, Viviers 1987 und Tenger 1999, 129 f. 207 Hdt. 5,94-95; Timae. FGrHist 566 F 129; Strab. 13,1,38. 208 Strab. 13,1,39 ( ἐπιτειχισθῆναι µὲν γὰρ ὑπὸ τῶν Μιτυληναίων τὸν τόπον τοῦτον τῷ Σιγείῳ - „dieser Platz [sc. Achilleion] sei nämlich von den Mytilenäern als Bollwerk gegen Sigeion angelegt worden”). 209 Dazu passt, dass Athen etwa zur selben Zeit durch Miltiades den Älteren in Elaius an der Südspitze der thrakischen Chersonesos eine Kolonie einrichten ließ (Hdt. 6,36-38; Ephoros von Kyme, FGrHist 70 F 40; Ps.-Skymnos 707 f.; Marcellin. Vita Thucydidis 3-10) und damit die älteren äolischen Ansprüche auf die Örtlichkeit an sich nahm (zur älteren Siedlungsphase in Elaius cf. Isaac 1986, 192 f.). 210 Cf. Aigner 1978 und Rose 2014, 58 und 64. Ein beredtes Zeugnis für diese Haltung ist die Rede der Athene in Aisch. Eum. 397-402, in der die Göttin die Situation des fünften Jahrhunderts in anachronistischer Weise mit der mythischen Frühzeit vermengt. Kapitel 4 174 am Kap von Beșika Burnu die nach dem Heros benannte Stadt Achilleion angelegt. Nach der Neugründung Ilions durch die Nachfolger Alexanders des Großen wurde im Verlauf des dritten Jahrhunderts dieser Grabhügel monumental ausgebaut und damit zur ‚quasi-offiziellen’ Verehrungsstätte des Heros erklärt 211 . Die zweite Möglichkeit besteht darin, dass der prähistorische Hügel bei Beșika Burnu seit dem Vordringen der Äoler in die Troas als Grabmal des Achilleus betrachtet wurde, dass Athen nach der Eroberung Sigeions mit dem Orhaniye Tepe einen alternativen Grabhügel anlegte, und dass Mytilene sich daraufhin herausgefordert sah, durch die Gründung von Achilleion und die intensivierte Weiterführung des Kults am Beșik Tepe die alten Ansprüche auf den Heros zu unterstreichen. Dass ein solcher Grabhügel auch bei relativ kleinen Ausmaßen, wie sie dem Beșik Tepe vor der Erneuerung im dritten Jahrhundert zu eigen waren, von großer Bedeutung für die jeweilige Gemeinde sein konnte, zeigen die wiederholten Hinweise auf die bescheidene Gestalt des Grabhügels von Hektor bei Ophryneion 212 . Wie auch immer man sich zwischen diesen beiden Möglichkeiten entscheiden mag, es ist klar, dass im sechsten Jahrhundert in der nordwestlichen Troas eine Art von Patt zwischen Athen und Mytilene herrschte und dass nach dem Prinzip ‚Konkurrenz belebt das Geschäft’ auch der Achilleus-Kult von dieser Situation profitierte. Somit kann es nicht mehr verwundern, dass nach unserer obigen Analyse gerade dieses Jahrhundert sich als der wahrscheinlichste Zeitraum für die Entstehung unserer Legende von der Dichterweihe Homers herausstellte. Welche der beiden Gemeinden nun verantwortlich war für die Erfindung der Legende und an welchem der beiden Hügel die Erzählung lokalisiert wurde, ist damit aber weiterhin eine offene Frage. Für Athen als Ort der Erfindung spricht die zunehmende kulturelle Dominanz der Stadt im sechsten Jahrhundert 213 , und es ließe sich auf diese Weise auch am besten erklären, wie Euripides mit der Erzählung bekannt werden und das Motiv der glänzenden Waffen aus ihr übernehmen und zu einem Teil seiner Parodos in der ‚Hekabe’ (V. 109 f.) machen konnte. Weitere konkrete Anhaltspunkte fehlen aber, und es ist noch einmal daran zu erinnern, dass die Legende offenbar die Existenz einer schriftlich fixierten ‚Ilias’ erklären soll. Die Erklärung, die in Athen im sechsten Jahrhundert aufkam, war aber 211 Zur Einfügung dieses Bauprojekts in die ambitionierte Bau- und Restaurationspolitik von Ilion im dritten Jahrhundert v. Chr. cf. Rose 2000, 66 und 2014, 190 f. 212 Anth. Pal. 7,137; Lucan. 9,975-977; Ps.-Verg. Aetna 590 f. (parvum / / conspicimus magni tumulum ducis - „wir erblicken den kleinen Grabhügel des großen Führers”). 213 Für Athen als Zentrum des griechischen literarischen Lebens im späten sechsten Jahrhundert cf. West 1999, 380-382. Blendung und Dichterweihe 175 eine gänzlich andere 214 . Zudem dürften wir, wenn die Geschichte denn aus Athen stammte, erwarten, dass sie in der antiken poetischen Tradition oder bei den attischen Rednern und Mythographen und in der nachklassischen griechischen Literaturkritik eine weit größere Prominenz genoss, als tatsächlich der Fall ist, denn es ist ja immerhin von der Dichterweihe des größten griechischen Dichters die Rede und damit vom einzigen ernstzunehmenden Gegenentwurf zur Dichterweihe Hesiods auf dem Helikon. Daher muss eine Entstehung der Legende in Athen letztlich doch eher als unwahrscheinlich gelten. Auch für Lesbos oder allgemein den nordäolischen Raum fehlt es an zwingenden Beweisen. Einige Indizien, die in diese Richtung weisen, gibt es gleichwohl: Nicht mehr sehr viel Gewicht wird man heute allerdings auf die einstige These von Th. W. Allen legen, wonach die Darstellung des Plutarch im zehnten Kapitel des ‚Convivium septem sapientium’ (153 f - 154 a) einen Hinweis bilde auf eine ältere Fassung des ‚Certamen Homeri et Hesiodi’ durch den lesbischen Epiker Lesches von Mytilene und damit überhaupt auf eine Darstellung der Lebensumstände Homers durch Lesches 215 . Denn Plutarch hat hier offenbar eine recht freie Bezugnahme auf die überlieferten Traditionen zum ‚Certamen’ vorgenommen und insbesondere die Person des Lesches selber in den Zusammenhang eingeführt 216 . Dass es bereits im siebten Jahrhundert in Lesbos eine zusammenhängende Darstellung von Homers Leben gab, ist also kaum anzunehmen. Ein stärkeres Indiz für eine Entstehung der Legende im nordäolischen Raum besteht daher in der Person des Schafhirten, der den Hügel des Achilleus besucht. Denn diesen Hirten kann man sich nur als Vertreter der lokalen Bevölkerung vorstellen 217 , und es ist schwer denkbar, dass eine Gemeinschaft, die keinen Bezug zu den lokalen Verhältnissen hatte, einen Schafhirten zum Helden einer Geschichte erhob, die darauf hinausläuft, dass dieser Hirte zuletzt nichts Geringeres als die ‚Ilias’ dichtet und damit zum Übervater der griechischen Dichtungstradition wird. Nun gibt es eine recht ansehnliche Zahl von Testimonia zu Begegnungen der lokalen Landbevölkerung der Troas mit den verstorbenen Heroen der homerischen Erzählung. So berichtet Flavius Philostrat im 214 Cf. unten Kap. 4.4.2. 215 Allen 1912b, 257 f. bzw. 1924, 25-27. 216 Cf. die Diskussion oben in Kap. 3.2. 217 Eine Spur dieser Tradition findet sich vielleicht noch in der Nachricht des Kirchenvaters Epiphanios, dass Homer nach Meinung einiger Phryger, d.h. Bewohner der Troas, gewesen sei (Adv. haer. 42,11,17, II p. 128,30 Holl/ Dummer: ... ἄλλοι Φρύγα ...); allerdings ist auch denkbar, dass diese Nachricht mit den oben referierten Verbindungen Homers zur Stadt Kenchreai zusammenhängt (so die Vermutung von Wiemer 1908, 31 Anm. 1). Kapitel 4 176 ‚Heroikos’ einmal ganz allgemein, dass die lokalen Heroen in der Ebene von Ilion oftmals von den dortigen Hirten gesehen würden (Her. 18,2: ὁρῶνται, ἔφην, ὁρῶνται ἔτι βουκόλοις τε τοῖς ἐν τῷ πεδίῳ καὶ νοµεῦσι µεγάλοι καὶ θεῖοι - „sie werden, ich sagte es ja, noch heute von den Rinderhirten auf der Ebene und von sonstigen Hirten gesehen, in großer und göttlicher Gestalt”; analog dazu Her. 21,1), und er präzisiert wenig später, dass es sich dabei nicht zuletzt um Achilleus handle, der an seinem Aussehen und am Glanz seiner Waffen zu erkennen sei (Her. 22,2: ξυµβάλλονται δὲ αὐτὸν Ἀχιλλέα εἶναι τῇ τε ὥρᾳ τοῦ εἴδους καὶ τῷ µεγέθει καὶ τῇ ἀστραπῇ τῶν ὅπλων. - „Dass es sich um Achilleus handelt, schließt man aus der jugendlichen Schönheit seiner Gestalt, aus seiner Größe und aus dem Glanz seiner Waffen.”). Entsprechend findet sich auch im Vorfeld unserer Erzählung zur Befragung des Achilleus durch Apollonios von Tyana eine Bemerkung, wonach die Reisegefährten des Apollonios diesen von seinen Plänen zum Besuch des Heros abbringen wollten, weil es in Ilion bekannt sei, dass Achilleus immer wieder aus seinem Grab heraustrete und sich in furchterregender Gestalt zeige (VA 4,11,2: τόν τε Ἀχιλλέα φοβερὸν ἔτι φασκόντων φαίνεσθαι, τουτὶ γὰρ καὶ τοὺς ἐν τῷ Ἰλίῳ περὶ αὐτοῦ πεπεῖσθαι - „wobei sie sagten, dass Achilleus sich nach wie vor furchterregend zeige, dies sei nämlich auch die Überzeugung hinsichtlich seiner Person, die bei den Menschen von Ilion herrsche”). Dass dieser Glaube an Geistererscheinungen in der Troas und ihren Nachbarregionen relativ verbreitet war und sich nicht nur auf Achilleus bezog bzw. nicht nur von Philostrat beglaubigt wurde, zeigt schon der Hinweis Herodots (7,33 und 9,116-120) auf die Bestrafung des persischen Satrapen Artayktes durch den Heros Protesilaos bei dessen Heiligtum an der Südspitze der thrakischen Chersonesos direkt gegenüber von Ilion. Denselben Wunderglauben belegt aber auch eine Bemerkung des Maximos von Tyros zur Erscheinung Hektors in der Ebene vor Troja (9,7: ὁ δὲ Ἕκτωρ κατὰ χώραν µένει, ὡς ὁ Ἰλιέων λόγος, καὶ φαντάζεται πηδῶν ἀνὰ τὸ πεδίον καὶ ἀστράπτων. - „Hektor aber bleibt im Gebiet, wie die Erzählung der Leute von Ilion besagt, und er zeigt sich über die Ebene springend und glänzend.”) und eine offenbar weit herum bekannte Erzählung über einen Streit lokaler Hirten mit dem Großen Aias an dessen Grabmal bei Rhoiteion im Norden von Ilion (Anth. Pal. 9,177; Philostr. Her. 18,4-5) 218 . 218 Meine These in Grossardt 2006, 444, dass die Geschichte aus nach-hadrianischer Zeit datieren müsse, beruhte auf einer voreiligen Zusammenziehung von Philostr. Her. 18,3 und 18,4-5 und ist daher zurückzunehmen. Weitere Zeugnisse Philostrats zu Begegnungen der lokalen Bevölkerung mit den verstorbenen Helden des Trojanischen Kriegs, die vielleicht von einheimischer Tradition abhängen, sind der Bericht zur Begegnung eines lokalen Bauern mit Palamedes (Her. 21,2-8), die Geschichte von der Begegnung einer jungen Frau aus Ilion mit dem Geist des Antilochos (Her. 22,3) Blendung und Dichterweihe 177 Es handelt sich also offenbar um Vorstellungen, die in der Gegend von Ilion geläufig waren, und immer wieder sind es Hirten, denen solche Begegnungen mit den Heroen unterstellt werden. Dies schließt natürlich nicht aus, dass die Geschichte vom Besuch Homers am Grab des Achilleus in Sigeion erfunden wurde, in dessen Nähe ebenfalls Weideplätze waren, deutet aber doch eher auf die äolische Bevölkerung der Gegend hin, die einfach viel zahlreicher war und sich sicher sehr viel stärker auf die agrarischen Ressourcen der umliegenden Landstriche stützte als der Handels- und Militärposten Sigeion. Wäre die Geschichte dagegen tatsächlich in Sigeion erfunden worden und hätte sie einen Hirten aus der unmittelbaren Umgebung der Stadt zu ihrem Helden gemacht, dann wäre der künftige Dichter ja im Grunde ein (Proto-) Athener gewesen 219 und dann könnten wir auch erwarten, dass die Geschichte in Athen weit prominentere Resonanz fand, als in Wirklichkeit der Fall ist 220 . Ein gänzlich anderes Argument für die Entstehung der Legende im nordäolischen Raum bzw. auf Lesbos besteht in der Art und Weise, wie die Legende in der ‚Vita Romana’ eingeführt wird. Die Erzählung von der Erblindung Homers folgt dort nämlich auf das Referat seiner verschiedenen Namen, wobei die Geschichte seines Namenswechsels in der üblichen Form tradiert wird (‚Vita Romana’ § 5, V p. 252 l. 41-45 Allen = p. 31,22-26 von Wilamowitz-Moellendorff: ἐκαλεῖτο δ᾿ ἐκ γενετῆς ‹ Μελησιγένης › ἢ Μελησαγόρας, αὖθις δ᾿ Ὅµηρος ἐλέχθη κατὰ τὴν Λεσβίων διάλεκτον, ἕνεκεν τῆς περὶ τοὺς ὀφθαλµοὺς συµφορᾶς, οὗτοι γὰρ τοὺς τυφλοὺς ὁµήρους λέγουσιν, ἢ διότι παῖς ὢν ὅµηρον ἐδόθη βασιλεῖ, ὅ ἐστιν ἐνέχυρον. - „Er wurde aber von Geburt an ‚Melesigenes’ oder ‚Melesagoras’ gerufen, danach aber wurde er nach dem Dialekt der Lesbier ‚Homeros’ genannt wegen seines Augenleidens - diese nennen die Blinden nämlich ‚homeroi’ - oder weil er als Kind als ‚homeron’ dem persischen König gegeben wurde, was so viel ist wie ‚Pfand’.”). Das Besondere an dieser Geschichte ist nun aber zunächst, dass wir mit dem Namen ‚Melesagoras’ einen Namen vorfinden, der sonst für Homer nicht belegt ist 221 und in Opposition steht zum Namen ‚Melesigenes’, der von den antiken Quellen jeweils im Zusammenhang mit der Geburt Homers in Smyrna angeführt und mit dem lokalen Fluss Meles in Ver- und die Erzählung von der Intervention des Patroklos bei einem Streit einheimischer Hirten (Her. 22,3). 219 Cf. etwa die triumphale Darstellung in Anth. Pal. 11,442,5-6, wonach Homer ein Bürger Athens sei, weil seine Geburtsstadt Smyrna eine athenische Kolonie sei. 220 Fernzuhalten ist hier die spätere These Aristarchs, dass Homer Athener gewesen sei, die rein sprachwissenschaftlich begründet war; cf. oben Kap. 3.4.3 (Anm. 361 und 362). 221 So nach Raddatz 1913, 2199, der nur diesen einen Beleg nennt. Kapitel 4 178 bindung gebracht wird 222 ; wir tun hier also offenbar einen Blick in eine Tradition zum Leben Homers, die uns sonst unbekannt ist und daher von stark eingeschränkter - wohl nur lokaler oder regionaler - Bedeutung gewesen sein muss 223 . Ebenso auffällig ist es aber, dass das Wort ὅµηρος - ‚blind’ hier als spezifisch lesbisches Dialektwort bezeichnet wird und nicht in der normalen Weise als allgemeiner Äolismus 224 oder als lokaler Ausdruck der äolischen Stadt Kyme 225 oder sogar als ionisches Wort aus Smyrna 226 . Die unmittelbare Fortsetzung der Erzählung, also die Geschichte vom Besuch Homers am Grab des Achilleus, die mit einem λέγουσιν eingeführt wird ( τυφλωθῆναι δ᾽ αὐτὸν οὕτω πως λέγουσιν ... ), kann nun einfach aus einer anderen Quelle hinzugezogen sein und λέγουσιν entspräche dann einem einfachen ‚man sagt’, wie denn auch bald darauf die alternative Tradition zur Blendung Homers durch Helena durch ein allgemeines ἄλλοι δέ φασι eingeleitet ist. Auffällig bleibt dieser unmittelbare Anschluss an die Passage zum lesbischen Dialekt gleichwohl, und wenn man sich überlegt, wie denn der Verfasser der ‚Vita Romana’ bzw. dessen hellenistischer Vorgänger Kenntnis von der äußerst seltenen Erzählung über Homers Besuch bei Achilleus erlangen konnte, so besteht wohl die beste Möglichkeit eben darin, dass der hellenistische Philologe sich kundig machte über verschiedene Lokaltraditionen, im Zuge dieser Forschungen auf eine Tradition aus Lesbos 222 Beispielsweise Ps.-Hdt. Vit. Hom. 3; ‚Certamen’ § 2 (V p. 226 l. 8-10 Allen = p. 35,2-4 von Wilamowitz-Moellendorff) und Procl. Chr. Vit. Hom. § 3 (V p. 99,15-17 Allen = p. 26,10-11 von W.-M. = p. 68 l. 14-15 Severyns). Interessant ist also, dass der Name ‚Melesagoras’ - ‚der sich um die Belange der Agora kümmert’ nach demselben Muster mit dem Vorderglied µέλει gebildet ist, wie es von sprachwissenschaftlicher Warte auch für ‚Melesigenes’ - ‚der sich um seine Familie kümmert’ anzunehmen ist (Marx 1889/ 1890, 7 und 1925, 6-8), obwohl die antiken Quellen für ‚Melesigenes’ immer nur die Ableitung vom Namen des Flusses nennen. Somit ist anzunehmen, dass die Nachricht zum Namen ‚Melesagoras’ auf eine alte Tradition zurückgeht, die in eine Zeit zurückreicht, als die volksetymologische Deutung von ‚Melesigenes’ sich noch nicht allgemein durchgesetzt hatte. 223 Dasselbe dürfte für den ebenfalls nur einmal bezeugten Namen ‚Melesianax’ (‚Vita 4’ § 1, V p. 245 l. 4-5 Allen = p. 28,12-13 von Wilamowitz-Moellendorff) gelten, wo wohl wieder vom Vorderglied µέλει auszugehen ist; cf. von Wilamowitz-Moellendorff 1916b, 376 Anm. 1, der auf der Grundlage dieser Parallele auch zu Recht die Position von Maass 1911, 546 f. verwirft, wonach das Vorderglied in diesen verschiedenen Namen jeweils nicht das Verb µέλει sei, sondern ein hypothetisches Fest Μελήσια , welches Maass mit dem in Ps.-Hdt. Vit. Hom. 3 genannten Fest gleichsetzt, an welchem Homers Mutter ihren Sohn gebar. 224 So im ‚Certamen’ § 3 (V p. 227 l. 30-32 Allen = p. 35,23-25 von Wilamowitz-Moellendorff) und in ‚Vita 4’ § 1 (V p. 245 l. 5-6 Allen = p. 28,13-14 von W.-M.). 225 So Ps.-Hdt. Vit. Hom. 13 und Ps.-Plut. Vit. Hom. 1,2,3 (= Ephoros von Kyme, FGrHist 70 F 1). 226 So die Erklärung im ‚Certamen’ § 2 (V p. 226 l. 11-12 Allen = p. 35,4-6 von Wilamowitz-Moellendorff) und die zweite Variante bei Ps.-Plut. Vit. Hom. 1,2,3. Blendung und Dichterweihe 179 zum Namenswechsel des Dichters nach erfolgter Erblindung stieß und im Zusammenhang damit auch Kenntnis der lesbischen Tradition zur Dichterweihe Homers erlangte. Hätte es sich bei der Geschichte der Dichterweihe nicht um eine solche eher apokryphe Lokaltradition gehandelt, könnten wir in der Tat erwarten, dass die Geschichte sehr viel bekannter war und ähnlich wie die folgende Geschichte zur Blendung durch Helena, die von Isokrates (10,65) aufgegriffen wurde, weitere Spuren in der allgemeinen griechischen Diskussion hinterließ. Dies ist aber gerade nicht der Fall. Diese Überlegung impliziert freilich, dass bei der Entstehung der Legende gewissermaßen ein Zweistufenprozess vorlag, zuerst eine Übertragung des internationalen Erzählmusters von der Dichterweihe auf den einheimischen Schafhirten Melesagoras bzw. Homer durch die lokale äolische Bevölkerung der Troas und danach eine literarische Verarbeitung dieser Erzählung durch die Mutterstadt auf Lesbos. Diese Annahme hilft aber, den merkwürdigen Umstand zu erklären, dass die Erzählung vom Besuch des Apollonios am Grab des Achilleus, die sich bei Philostrat findet, in wichtigen Punkten näher bei den internationalen Vergleichsbeispielen steht als die Parallelerzählung vom Besuch Homers am selben Grab. Dies ist - neben der fehlenden Blendung - vor allem das Motiv, dass der Besucher vom Heros selbst über die mythischen Geschehnisse der heroischen Zeit informiert wird, und zum zweiten das damit assoziierte Motiv, dass diese Wissensübertragung während einer Übernachtung am Grab, also in einer Situation der Inkubation, erfolgt. Beide Elemente finden sich bei Apollonios und in den nordwesteuropäischen Erzählungen wie vor allem in denen über Murgein bzw. Hallbjörn, aber gerade nicht in der Erzählung über Homer, weil dieser das Grab am Tag besucht und sein Wissen über die Vorzeit von Thetis und den Musen erhält 227 . Da Philostrat sicher von der Erzählung über die Dichterweihe Homers, wie sie die ‚Vita Romana’ repräsentiert, beeinflusst war 228 , könnte man annehmen, dass er bei seiner Übertragung der Geschichte auf Apollonios die beiden genannten Punkte einfach in eigener Regie abänderte. Das wäre aber dann doch eine recht zufällige Rückkehr zum internationalen Muster, und wenn das Motiv der Inkubation sich leicht aus sonstigen Erzählungen oder aus der religiösen Praxis auf unsere Geschichte übertragen ließ, so gab 227 Cf. die Diskussion oben in Kap. 4.1. 228 Es soll an dieser Stelle also nicht behauptet werden, dass Philostrat sein Wissen über die Dichterweihe Homers am Grabhügel des Achilleus nur aus lokalen Überlieferungen bezog, sondern dass er diese lokalen Überlieferungen mit seinem Wissen über die Behandlung des Motivs in den wissenschaftlichen Homer-Viten der Zeit kombinierte. Auf ein solches Szenario deutet jedenfalls die oben erwähnte Hervorhebung der unversehrten Augen des Apollonios (VA 4,16,1) hin, welche sich leicht als Kontrastmotiv zur Blendung Homers in der 'Vita' verstehen lässt, jedoch keinen vergleichbaren Anknüpfungspunkt in den internationalen Motivparallelen findet. Kapitel 4 180 es in der griechischen literarischen Tradition keine vergleichbaren Vorbilder für das Motiv der Informationsübertragung durch den Heros selbst. Wesentlich ökonomischer ist daher die Annahme, dass das alte Erzählmuster - im Sinne eines Wandermotivs, das mit der Ausbreitung bestimmter Kultformen mitwanderte - spätestens im sechsten Jahrhundert den Bewohnern der Troas bekannt wurde, von ihnen auf Homer und Achilleus übertragen wurde und in dieser Form - d.h. als Dichterweihe ohne Blendungsmotiv - in der lokalen Tradition, also direkt am Beșik Tepe und in den umliegenden Gemeinden, bis in die Kaiserzeit erhalten blieb. Philostrat, der Bürger von Lemnos, dessen präzise Kenntnis der Troas und ihrer Erzähltraditionen keinem Zweifel unterliegt, erfuhr dann auf seinen Streifzügen durch die Troas von dieser Erzählung und übertrug sie nun seinerseits - in modernisierter Form - auf seinen Romanhelden Apollonios 229 . Freilich kann auch die Erzählung von Homer und Achilleus schon in der Troas die Anpassung an den griechischen Kontext erfahren haben, die wir oben konstatieren konnten. Denn namentlich das Motiv der Anwesenheit der Thetis scheint mit einem lokalen Kult der Nereus-Töchter am Grabhügel des Achilleus zusammenzuhängen 230 . Andere Elemente der Geschichte wie insbesondere das Motiv der Informationsvermittlung durch die Musen oder das Motiv der gleißenden Waffen und der dadurch hervorgerufenen Blendung bzw. der dafür gewährten Kompensation, die keinen Anknüpfungspunkt im internationalen Erzählmuster finden und stattdessen eine gute Kenntnis von ‚Ilias’ und ‚Odyssee’ voraussetzen, wurden dagegen eher erst in Lesbos auf die Erzählung übertragen 231 . Doch auch das Motiv von der Präsenz der Thetis dürfte in den Poleis der Insel auf positive Resonanz gestoßen sein, weil es auf Lesbos, wie uns Antikleides von Athen und Plutarch überliefern, einen bedeutsamen Kult des Poseidon und 229 Die Modernisierung bestand, wie oben in den Kap. 4.1 und 4.2.1 erläutert, vor allem darin, dass Achilleus dem Apollonios keinen zusammenhängenden Bericht vom Trojanischen Krieg gibt, sondern auf Einzelfragen antwortet. Diese Fragen decken aber dann doch große Bereiche der Troja-Sage ab, und in seinem nur wenig später folgenden ‚Heroikos’ lässt Philostrat dann den zweiten thessalischen Helden, der einen Grabhügel in der Nähe von Ilion besaß, nämlich Protesilaos, bei dessen Besuchen am Hügel längere Unterhaltungen mit seinem Tempeldiener führen, die wiederum auf ein Referat wesentlicher Teile der Troja-Sage hinauslaufen. Was Philostrats persönliche Vertrautheit mit der Troas angeht, so findet sich neben den Traditionen um Achilleus ein weiteres deutliches Beispiel in VA 4,13,3, wo der Sophist seine Schilderung des Heiligtums von Palamedes an der Südküste der Troas mit einem Hinweis auf seine persönliche Autopsie unterstreicht ( ὡς κἀγὼ εἶδον - „wie ich selber sah“). 230 Cf. oben Kap. 4.3.1. 231 Da man in Lesbos zur fraglichen Zeit auch Hesiod bereits kannte (Kronzeuge dafür ist die Korrespondenz zwischen Hes. Op. 582-588 und Alc. Frg. 347 Voigt, cf. beispielsweise Kassel 1981, 11 f., Meyerhoff 1984, 158-160 und West 2002, 209), ist es also durchaus denkbar, dass die Geschichte auch ein Gegenentwurf zur Dichterweihe Hesiods durch die Musen auf dem Helikon (Th. 22-35) sein sollte. Blendung und Dichterweihe 181 der Nereiden gab 232 , und weil daher auch Sappho in schwierigen Lebenslagen durchaus geneigt war, die Nereiden um ihre Hilfe anzuflehen 233 . Wenn wir uns daher abschließend überlegen, in welchem konkreten Kontext auf Lesbos die Legende ihren Platz hatte, so ist es denkbar, dass die Erzählung vor allem in politischen Kreisen von Mytilene, der Mutterstadt Achilleions, zirkulierte. Da aber, wie gezeigt, die kultischen Elemente in dieser Erzählung sehr wichtig sind und ein - im engeren Sinne - politisches Anliegen der Erzählung nicht ersichtlich ist, sei hier ein anderer Vorschlag unterbreitet: Das zweifellos wichtigste kultische Zentrum auf Lesbos war das Bundesheiligtum in Messon, dem heutigen Messa, etwa fünf Kilometer nördlich von Pyrrha am oberen Ende des Golfs von Kalloni, also tatsächlich in sehr zentraler Position. Von diesem Heiligtum spricht bereits Alkaios mehrfach in seinen Liedern (Frg. 129,2-3 Voigt: τέµενος µέγα / / ξῦνον - „das große gemeinsame Heiligtum”; Frg. 130b,13: µακάρων ἐς τέµ [ ε ] νος θέων - „in das Heiligtum der seligen Götter”), und auch Sappho spielt einmal auf die dort verehrte Trias von Zeus, Hera und Dionysos an (Frg. 17 Voigt). Das Heiligtum muss also bereits um das Jahr 600 v. Chr. bestanden haben und erfuhr noch einmal eine Aufwertung durch einen bedeutenden Tempelbau im frühen vierten Jahrhundert v. Chr. 234 Hier kam es zu jährlichen gemeinschaftlichen Opfern der verschiedenen lesbischen Poleis (Hsch. µ 932 Latte: µεσοστροφώνιαι ἡµέραι· ἐν αἷς Λέσβιοι κοινὴν θυσίαν ἐπιτελοῦσιν. - „Um die Mitte kreisende [? ] Tage: An denen die Lesbier das gemeinschaftliche Opfer darbringen.”) mit einem rituellen Ruf der Frauen von Lesbos (Alc. Frg. 130b,18-20 Voigt: περὶ δὲ βρέµει / / ἄχω θεσπεσία γυναίκων / / ἴρα [ ς ὀ ] λολύγας ἐνιαυσίας - „es tönt aber ringsherum der herrliche Schall des jährlichen heiligen Rufs der Frauen”), und hier fand auch der berühmte Schönheitswettbewerb der Frauen von Lesbos ( τὰ Καλλιστεῖα ) statt, auf den vielleicht bereits die ‚Ilias’ anspielt 235 . Teil dieser Veranstaltungen waren Chortänze der Mädchen von Lesbos 236 , und dies 232 Antikleides von Athen, FGrHist 140 F 4 (= Ath. 11, 466c - 781c); Plut. Conv. sept. sap. 20, 163 b (cf. auch die Parallele in Plut. Soll. anim. 36, 984 e = Myrsilos von Methymna, FGrHist 477 F 14). 233 Sappho, Frg. 5,1 Voigt (mit der Vervollständigung des Texts in Burris, Fish, Obbink 2014, 11): die Nereiden sollen für eine gute Heimkehr von Sapphos Bruder nach Lesbos sorgen. 234 Zum archäologischen Befund cf. Koldewey 1890, 47-61 (mit den Tafeln 18-26), zur Identifizierung der Fundstätte mit dem von Alkaios genannten τέµενος cf. L. Robert 1960, 300-315, zur Trias des Heiligtums Page 1955, 168 f. und Meyerhoff 1984, 215- 218. 235 Alc. Frg. 130b,17-18 Voigt, Theophr. Frg. 564 Fortenbaugh (= Ath. 13, 610a), A Scholien zu Hom. Il. 9,129, I p. 306,1-4 Dind., Hsch. π 4342 Hansen; zur möglichen Anspielung in Hom. Il. 9,128-130 cf. beispielsweise Nagy 2010, 241 f. 236 So jedenfalls nach dem pseudepigraphen Epigramm der Sappho (Anth. Pal. 9,189). Kapitel 4 182 kann dann auch zu Rezitationen monodischer Lyrik und zum Vortrag epischer Dichtung durch einheimische oder auswärtige Rhapsoden geführt haben 237 . In einen solchen Kontext hätte somit unsere Legende von der Dichterweihe Homers am Grabhügel des Achilleus bestens hineingepasst, und auch der Name, den Homer - gemäß (wahrscheinlicher) lesbischer Tradition - zunächst innegehabt haben soll, Μελησαγόρας - ‚der sich um die Belange der Agora kümmert’, hätte sehr gut harmoniert mit einer Dichterperson, die in Messon gewissermaßen zum Schutzpatron einer Bundesfeier geworden war. Unsere Hypothese besteht also insgesamt darin, dass die Legende von der Dichterweihe Homers in der nördlichen Äolis in der unmittelbaren Umgebung von Ilion bzw. in Achilleion entstand und dann auf Lesbos ihre feste Form fand, wobei der Auslöser für die Herausbildung und Festigung der Legende nicht zuletzt die Konkurrenz zu Athen im Streit um die Oberhoheit über die westliche Troas bzw. um die Kontrolle über den Kult für Achilleus war, der als thessalischer Heros seinen äolischen ‚Landsleuten’ letztlich doch viel näher stehen musste als den Bürgern Athens. Der Schauplatz dieser imaginierten Dichterweihe war der Beșik Tepe in der Form, wie er sich vor seinem monumentalen Ausbau im dritten Jahrhundert den Verehrern des Achilleus präsentierte. Von dieser Position aus lässt sich nun im Sinne einer Gegenprobe noch einmal die Frage überprüfen, ob tatsächlich das sechste Jahrhundert als wahrscheinlichster Zeitraum für die Entstehung der Legende gelten kann oder ob nicht ein späterer Zeitpunkt als plausibler erscheint. Betrachtet man also die Situation im genannten geographischen Raum, wie sie sich in der Zeit danach darstellte, so kann die Periode vom fünften bis etwa zum dritten Jahrhundert, also bis zum ungefähren Zeitpunkt, in welchem die hellenistische Homer-Vita entstand, in deren Tradition die ‚Vita Romana’ steht, ebenfalls nicht völlig ausgeschlossen werden. Man stößt aber bei einer solchen Annahme doch immer auf recht erhebliche Schwierigkeiten. Das fünfte Jahrhundert muss deswegen als eher unwahrscheinlich gelten, weil Lesbos und mit ihm der Küstenstreifen der westlichen Troas bis zum Ausbruch des Peloponnesischen Kriegs Teil des attisch-delischen Seebundes war und damit unter der Oberhoheit Athens stand. Man hatte in Lesbos oder unter der äolischen Bevölkerung der Troas somit kaum Anlass, mit Selbstbewusstsein eine Geschichte zu erfinden, die einen Hirten der Troas zum späteren Verfasser von ‚Ilias’ und ‚Odyssee’ macht, 237 So - gestützt auf das ‚homerische’ Lied der Hochzeit von Hektor und Andromache (Sappho, Frg. 44 Voigt) - geschlossen von Nagy 2010, 240 (zum Vortrag der eigentlichen homerischen Dichtung in Lesbos cf. West 2002, 209 f. und 217 f. sowie unten Kap. 4.4.2). Blendung und Dichterweihe 183 ja man hätte in diesem Fall sogar riskiert, dass Athen dann mit einigem Recht verkündet hätte, dass Homer gewissermaßen einer seiner Mitbürger war. Zudem versuchte Mytilene bald nach Ausbruch des Peloponnesischen Kriegs, vom Seebund abzufallen, was aber im Jahre 427 zu einer verheerenden Niederlage führte und zuletzt die Konsequenz nach sich zog, dass Mytilene die Kontrolle über seine Pflanzstädte an der Westküste der Troas endgültig verlor 238 . Somit war die vormalige enge Verbindung zwischen der Troas und Lesbos zerschnitten, was der Entstehung und Verbreitung unserer Legende nicht förderlich sein konnte. Ohnehin waren die Verhältnisse in der Troas zur Zeit des Peloponnesischen Krieges und darauf im vierten Jahrhundert bis zu den Feldzügen Alexanders des Großen sehr instabil. Die dominante Macht in der Region zu dieser Zeit war das persische Königreich, und nur der westliche Küstenstreifen der Troas war davon ausgenommen, blieb aber für lange Zeit ein Spielball athenischer, spartanischer und persischer Machtinteressen 239 . Der Entstehung unserer Legende kann auch diese Situation kaum günstig gewesen sein. Wiederum anders stellt sich die Situation in der hellenistischen Zeit dar. Denn die nördliche Troas hatte durch das Dekret Alexanders des Großen zur Neugründung Ilions eine erhebliche Aufwertung erfahren 240 , und dies führte auch zur oben geschilderten Erneuerung der kultischen Aktivität am Grabhügel des Achilleus (Beșik Tepe) im dritten Jahrhundert. Die Erfindung einer passenden Legende, die einen Sohn der Polis zum größten Dichter Griechenlands macht, hätte also durchaus eine wirkmächtige ideologische Flankierung dieses städtebaulichen und kultischen Programms sein können. Überhaupt könnte die Legende, da Ilion nun wieder konstant besiedelt war und Nachbarstädte wie Sigeion und Achilleion wieder deutlich überstrahlte, in hellenistischer Zeit nur dort erfunden worden sein. Doch wäre es dann schwer zu sehen, warum die Geschichte, wenn sie denn ein Ausdruck eines solchen ambitionierten ideologischen Progamms in heller hellenistischer Zeit war, nicht größere Bekanntheit erlangte, und es stellt sich überhaupt die Frage, ob die Legende wirklich zur spezifischen Form der Achilleus-Verehrung passt, wie sie damals in Ilion gepflegt wurde. 238 Cf. Thuc. 3,50,3 ( παρέλαβον δὲ καὶ τὰ ἐν τῇ ἠπείρῳ πολίσµατα οἱ Ἀθηναῖοι ὅσων Μυτιληναῖοι ἐκράτουν, καὶ ὑπήκουον ὕστερον Ἀθηναίων. - „Die Athener nahmen aber auch die Städte auf dem Festland, soweit Mytilene über sie herrschte, in ihren Besitz, und so waren sie in der Folge von den Athenern abhängig.”) bzw. die kommentierenden Bemerkungen von Tenger 1999, 134 und Bieg 2006, 368. 239 Cf. die Darstellungen von Cook 1961, 10 f. und 1973, 363 f., Sekunda 1988, 175 f., Tenger 1999, 134-142 und Rose 2006, 190. 240 Strab. 13,1,26. Kapitel 4 184 Denn die Einwohner Ilions sahen sich, nachdem sie nun gewissermaßen zum lebendigen Museum geworden waren, nicht mehr so sehr als (äolische) Griechen, sondern als Nachfahren des alten Troja 241 . Entsprechend ambivalent war das Verhältnis, das die Bürger der Stadt gegenüber Achilleus hatten. Eigentlicher Schutzheros der Stadt war mindestens seit der Kaiserzeit Hektor 242 . Achilleus dagegen wurde außerhalb der Stadt an seinem Grabhügel mit einem Tempel und mit chthonischen Opfergaben geehrt 243 . Dass er dabei aber weniger als Patron denn als furchterregender Rachedämon gesehen wurde, den es mit solchen Opfergaben milde zu stimmen galt, verdeutlichen mehrere Passagen bei Philostrat. So berichtet der Sophist in der ‚Vita Apollonii’, dass die Bewohner Ilions große Furcht vor Achilleus empfänden 244 , dass der Heros Apollonios angewiesen habe, einen jungen Mann aus Paros, der seine Herkunft von Priamos herleitete, aus seinem Gefolge zu entfernen 245 , und dass er die Annahme der Opfergaben, die die Bewohner ihm regelmäßig darbrächten, ebenso regelmäßig verweigere, und zwar wegen seiner einstigen Ermordung durch Paris und dessen Helfer im Tempel des Apollon Thymbraios 246 . In ähnlicher Weise 241 Dies besonders deutlich in Dion von Prusas ‚Troikos logos’, wo die Geschichte von der Eroberung Trojas durch die Griechen als ‚Lüge’ entlarvt wird (insbesondere D. Chr. 11,4 und 11,154), oder in der Bemerkung Lukians (Pisc. 38), dass die Bürger von Ilion in ihrem Theater ihr eigenes Leid vorgeführt sähen; cf. auch die generelle Bewertung von Erskine 2001, 105 („Instead of seeing themselves as Greeks who had supplanted the Trojans, the Ilians felt it added to their own glory to place themselves in a direct line from the Trojans.”). 242 So vor allem belegt in Luc. Deor. Conc. 12, Athenagoras, Apol. 1,1 ( ὁ µὲν Ἰλιεὺς θεὸν Ἕκτορα λέγει - „die Bewohner von Ilion betrachten Hektor als Gott”) und Philostr. Her. 19,3-9. 243 Strab. 13,1,32 ( καὶ ἐναγίζουσιν οἱ Ἰλιεῖς πᾶσι καὶ τούτοις καὶ τῷ Αἴαντι - „und die Bewohner Ilions opfern all diesen [sc. Achilleus, Patroklos und Antilochos] und auch dem Aias”). 244 Cf. das obengenannte Zitat von VA 4,11,2 ( τόν τε Ἀχιλλέα φοβερὸν ἔτι φασκόντων φαίνεσθαι, τουτὶ γὰρ καὶ τοὺς ἐν τῷ Ἰλίῳ περὶ αὐτοῦ πεπεῖσθαι - „wobei sie [sc. die Gefährten des Apollonios] sagten, dass Achilleus sich nach wie vor furchterregend zeige, dies sei nämlich auch die Überzeugung hinsichtlich seiner Person, die bei den Menschen von Ilion herrsche”). 245 Philostr. VA 4,12. 246 Philostr. VA 4,16,3 ( οἳ τοσούσδε ἄνδρας ὑπ᾿ ἐµοῦ ἀφαιρεθέντες δηµοσίᾳ τε θύουσί µοι καὶ ὡραίων ἀπάρχονται καὶ ἱκετηρίαν τιθέµενοι σπονδὰς αἰτοῦσιν, ἃς ἐγὼ οὐ δώσω - „die [sc. die Troer] soviele Männer durch mich verloren haben und mir dennoch öffentlich opfern, mir Erstlingsfrüchte schenken und einen Olivenzweig niederlegen, um Frieden bittend, den ich ihnen nicht gewähren werde”). Diese Geschichte von der Ermordung des Achilleus im Thymbraion (Dict. 4,10-11; Dares, Kap. 34; Philostr. Her. 51,5-6; Scholia vetera zu Lyc. Alex. 269a, p. 54,10-19 Leone [= p. 116,3-13 Scheer]; Hyg. fab. 110) ist nicht, wie oftmals postuliert, ein Produkt aus hellenistischer Zeit (so beispielsweise noch Burgess 1995, 229 Anm. 49), sondern geht höchstwahrscheinlich auf die Tragödie ‚Hektoros lytra’ (TrGF 1,76 F 2a) des Dionysios I. zurück, die an den Lenäen des Jahres 367 v. Chr. aufgeführt wurde (cf. Gros- Blendung und Dichterweihe 185 berichtet der ‚Heroikos’ desselben Autors, dass Achilleus einst von seinem Ruhesitz auf der Insel Leuke im Schwarzen Meer her einen Kaufmann angewiesen habe, eine junge Frau aus Ilion herbeizubringen, weil sie die letzte Nachfahrin aus dem Geschlecht des Priamos und des Dardanos sei, und prompt wird die junge Frau daraufhin von Achilleus in Stücke gerissen 247 . Dass dies alles nicht nur verschrobene Phantasie des Philostrat ist, zeigen die Berichte über das Heroon Hektors in Ilion selbst. Der dortigen Statue des einheimischen Heros sei nämlich eine Statue des Achilleus gegenübergestellt worden, die auf Hektor bzw. auf dessen plastische Repräsentation eine äußerst schreckenerregende Wirkung ausübe 248 . Es wird also deutlich, dass Achilleus im hellenistischen und römischen Ilion als strafender Heros gesehen wurde. Dazu würde eine Blendung des opfernden Schafhirten Homer an sich noch recht gut passen. Doch ist die Dichterweihe am Grab des Helden gleichzeitig natürlich auch eine ungeheure Auszeichnung des Hirten und seiner Polis, und dies passt nun überhaupt nicht zum soeben umrissenen Spannungsverhältnis zwischen Achilleus und Ilion. Geht man aber umgekehrt davon aus, dass dieses Spannungsverhältnis sich erst allmählich entwickelte und sich womöglich erst in römischer Zeit voll herausbildete, als die Kaiser des julisch-claudischen Herrscherhauses sich als Abkömmlinge Trojas verstanden und deswegen die trojanische Seite so stark gegenüber den griechischen Angreifern favorisierten, so tun sich wieder neue Schwierigkeiten auf. Denn bei einer solchen Grundannahme könnte man zwar postulieren, dass die Legende noch im dritten Jahrhundert im Zuge der Neugründung Ilions und der Monumentalisierung des Beșik Tepe erdacht wurde. Doch hätte dies dann gewissermaßen durch die Leitung der neuen Polis geschehen müssen und hätte somit offiziellen Charakter gehabt. Mit anderen Worten, die gewaltige Auszeichnung des einheimischen Hirten Homer hätte in diesem Fall zu einem offiziellen Dichterkult führen müssen, wie wir ihn aus derselben Zeit von Smyrna her kennen 249 , und dies hätte dann bei der prominenten Stellung Ilions auch erheblichen Niederschlag in literarischen, epigraphischen, numismatischen und archäologischen Quellen finden müssen, wo- sardt 2005). Das genannte Motiv des Rachezorns von Achilleus gegenüber den Bewohnern von Ilion kann sich also durchaus schon in früher hellenistischer Zeit etabliert haben. 247 Philostr. Her. 56,6-10. 248 Jul. Ep. 79 Bidez; Lux. anth. 367 Happ (= Anth. Lat. 367 Riese = 362 Shackleton Bailey). Der architektonische Komplex zeigt also auf jeden Fall, dass auch die Bevölkerung Ilions von einem feindlichen Verhältnis zwischen Achilleus und ihrem Stadtheros bzw. ihr selbst ausging, selbst wenn, wie es denkbar erscheint, die Statue des Achilleus ein späterer Zusatz des Ensembles war und ihre Aufstellung erst in das dritte oder vierte Jahrhundert n. Chr. fiel. 249 Strab. 14,1,37; Paus. 7,5,13; Cic. Arch. 19. Kapitel 4 186 von sich aber keine Spur erhalten hat 250 . Somit kann eine Entstehung der Legende im wiedergegründeten Ilion und damit überhaupt in hellenistischer Zeit nicht als plausibel gelten. Der wahrscheinlichste Zeitraum bleibt daher das sechste Jahrhundert und damit genau das Jahrhundert, in welchem auch sonst die meisten Motive der Homer-Vita allmählich ihre Form fanden. 250 Repräsentant der äolischen Ansprüche auf Homer blieb auch in hellenistischer Zeit vielmehr Kyme; cf. Inscr. Perg. 203, Z. 15-18 ( Μυρίος Αἰολίδαισιν ὑπέρ σεο µόχθος, Ὅµηρε, / / Κυµαίοις ἱερ [ ᾶ ] ς τ᾿ ἐνναέταισ [ ι ] Χίου, / / µυρία δὲ Σµύρνᾳ Κολοφῶνί τε νείκεα λείπεις· / / µούνῳ δὲ γνωστὰ Ζηνὶ τεὰ γένεσις. - „Unendliche Mühsal um deinetwillen, Homer, hinterlässt du den Äolern von Kyme und den Bewohnern des heiligen Chios, unendlichen Zank auch Smyrna und Kolophon. Einzig dem Zeus aber ist deine Herkunft bekannt.”). Blendung und Dichterweihe 187 4.4 Die Frage nach der Bedeutung der Legende für die Mentalitätsgeschichte Griechenlands in archaischer Zeit Unsere bisherige Untersuchung ergab das Resultat, dass die Geschichte von der Blendung und der Dichterweihe Homers am Grab des Achilleus höchstwahrscheinlich im äolischen Raum entstand, und dass der erste Anstoß zu dieser Legendenbildung in der Troas selbst lag, worauf die Geschichte dann in Lesbos ihre definitive Form erhielt. Wahrscheinlichster Zeitpunkt für diese Vorgänge ist das sechste Jahrhundert, als mit Achilleion in unmittelbarer Nähe zum Beșik Tepe ein mächtiger Außenposten Mytilenes bestand. Somit stellt sich die Frage, wie sich die Erzählung in das geistige Klima dieses Jahrhunderts einfügte, oder anders formuliert, welche kulturellen und nationalen Anliegen der Zeit mit dieser Erzählung gestützt werden sollten. Dabei scheinen zwei Aspekte besonders interessant, der Streit um die ethnische Zugehörigkeit Homers und die Diskussion um die Mündlichkeit oder Schriftlichkeit seiner Epen und damit überhaupt um das Verständnis seiner Dichtung in archaischer Zeit. 4.4.1 Die Opposition zwischen den ionischen und den äolischen Ansprüchen auf die Person Homers So sehr auch der Streit um die Person Homers in hellenistischer und römischer Zeit zu den unterschiedlichsten Theorien zu seiner Herkunft geführt hatte, so deutlich scheint es heute aus dialektalen Gründen, aber auch aus solchen der geschilderten Szenerie, dass zumindest die ‚Ilias’ im kleinasiatischen Festland Ioniens entstand 251 . Die starke Tradition, die Homers Geburt in Smyrna lokalisiert, sollte daher einen realen Hintergrund haben und mindestens die Herkunftsregion richtig bezeichnen. Ihre Stärke zeigt sich im übrigen ja auch darin, dass die Tradition selbst dann noch bestehen blieb, als Smyrna um das Jahr 600 v. Chr. zerstört wurde und daher seine Ansprüche nicht mehr selber vertreten konnte 252 . Selbst die Lokaltradition von Chios, die spätestens seit dem sechsten Jahrhundert die Position verfocht, dass Homer wie danach seine Nachkommen, die Homeriden, auf Chios gelebt habe, erhob diesen Anspruch immer nur in Bezug auf das Erwachsenenleben des Dichters und klammerte seine Geburt und Jugend aus 253 , und auch die lokale Tradition der Bevölkerung von Ios ließ nur die 251 Cf. oben Kap. 1, bes. Anm. 12. 252 Der Anspruch muss also, wie von Wilamowitz-Moellendorff 1916b, 369 f., Jacoby 1933, 31 f. und Kivilo 2011, 91 f. und 97 richtig anmerken, älter als das Jahr 600 sein. 253 Cf. West 2003, 310. Kapitel 4 188 Zeugung und den Tod des Dichters auf der Insel geschehen, respektierte aber den Ehrentitel Smyrnas als Geburtsstadt Homers 254 . Die besondere Eigenheit Smyrnas war nun aber, dass die Stadt im Grenzgebiet zwischen der ionischen und der äolischen Sprachzone lag und dass sie, zunächst eine äolische Gründung 255 , noch vor dem Jahre 688 v. Chr. von der ionischen Stadt Kolophon erobert und darauf in den ionischen Zwölfstädtebund aufgenommen wurde 256 , bevor sie um das Jahr 600 von König Alyattes von Lydien zerstört wurde 257 und unbewohnt blieb, bis es im Hellenismus zu einer Neugründung kam. Dieser schwankende nationale Status und das genannte Vakuum in archaischer und klassischer Zeit gaben nun offenbar Anlass zu verschiedenen Gründungslegenden, und so behauptete neben dem äolischen Kyme, das ältere Ansprüche geltend machen konnte 258 , bald auch das ionische Ephesos 259 und zuletzt sogar Athen 260 , Mutterstadt von Smyrna zu sein. Die ethnische Zugehörigkeit Homers war somit von Anfang an ambivalent, und so kann es nicht verwundern, dass spätestens seit dem sechsten Jahrhundert verschiedene ionische und äolische Gemeinden Anspruch auf Homer erhoben. Stets dominant blieben dabei die ionischen Ansprüche 261 , die mit der Geschichte von der Zeugung und dem Tod Homers auf Ios, mit der Nachricht von seiner Geburt in Smyrna und mit der Tradition seiner Familiengründung auf Chios breite Abstützung erfuhren 262 . Es erstaunt daher nicht, dass spätestens im frühen fünften Jahrhundert eine Genealogie aufkam, die den Dichter zum Nachfahren des Orpheus und zum Cousin Hesiods machte und ihn als Sohn des Maion nach Smyrna verwies 263 , ohne auf den 254 Cf. die Diskussion oben in Kap. 2 mit dem Hinweis auf Aristoteles, Frg. 76 Rose (= Ps.-Plut. Vit. Hom. 1,3,1). 255 So bezeugt von Mimn. Frg. 9,6 W. 2 (= FGrHist 578 F 3); Hdt. 1,149,1; Metrodoros von Chios, FGrHist 43 F 3; Call. Epigr. 5,12 Pf. und Paus. 7,5,1. 256 Hdt. 1,150 und Strab. 14,1,4; der terminus ante quem ergibt sich aus Paus. 5,8,7. 257 Thgn. 1103 f.; Hdt. 1,16,2 und Nic. Dam. FGrHist 90 F 64. 258 Hom. Epigr. 4, V. 3-7 (= Ps.-Hdt. Vit. Hom. 14) und Ps.-Hdt. Vit. Hom. 2 und 38 (Gründung durch den thessalischen Kolonisten Theseus, einen Nachfahren des Admetos). 259 Mimn. FGrHist 578 F 3 (= Strab. 14,1,4). 260 So Anth. Pal. 11,442,5-6, Ael. Aristid. Or. 1,328, 17,5, 19,4 und 21,4 sowie Tac. ann. 4,56,1 (Gründung der Stadt durch Theseus, den Athener). 261 Konkreter Ausdruck dieser Dominanz ist, wie Jacoby 1933, 13 anmerkt, dass der Name des Dichters immer nur in der ionischen Form Ὅµηρος aufscheint und nie in der äolischen Ὅµαρος . 262 Weswegen noch Platon in der Mitte des vierten Jahrhunderts den Spartaner Megillos sagen lassen konnte, dass Homer in erster Linie nicht die Lebensart der Spartaner, sondern die der Ionier dargestellt habe (Lg. 680 c 7 d 1: οὐ µέντοι Λακωνικόν γε ἀλλά τινα µᾶλλον Ἰωνικὸν βίον διεξέρχεται ἑκάστοτε - „freilich stellt er [sc. Homer] keine spartanische Lebensweise dar, sondern eher jeweils eine ionische”). 263 Für die Verbindung Maions mit Smyrna cf. oben Kap. 3.4.2.2 (Anm. 264). Blendung und Dichterweihe 189 äolischen Hintergrund der Stadt oder ihres großen Sohnes näher hinzuweisen 264 . Diese Genealogie findet sich zuerst bei Pherekydes von Athen, also einem Vertreter des ionischen Sprachgebiets 265 , war aber offenbar so stark, dass auch ein Vertreter der kleinasiatischen Seite wie Damastes von Sigeion und sogar Hellanikos von Lesbos sich ihr widerspruchslos anschlossen 266 . Freilich regte sich dagegen doch wieder Opposition von äolischer Seite, die sich spätestens seit der zweiten Hälfte des fünften Jahrhunderts wieder verstärkt auf die Stadt Kyme auf dem äolischen Festland konzentrierte. Fassbar ist diese Tradition für uns zuerst bei dem Sophisten Hippias von Elis, der Homer als Bürger Kymes bezeichnet haben soll 267 und sich damit wahrscheinlich auf den rein äolischen Stammbaum des Dichters bezog, der sich in der ‚Vita Herodotea’ wiederfindet und offensichtlich der einheimischen Tradition Kymes entsprach, die zwar die etablierte Überlieferung zur Geburt des Dichters in Smyrna nicht anzutasten wagte, diesem aber doch Eltern zukommen ließ, die in Kyme beheimatet waren und damit ganz der äolischen Sprachgemeinschaft angehörten 268 . In breiter Form finden wir diese lokalen Traditionen dann im vierten Jahrhundert bei Ephoros von Kyme, der sich zwar nicht genau auf den heterodoxen äolischen Stammbaum aus Kyme bezog und stattdessen die von Pherekydes und seinen Nachfolgern propagierte ‚ionische’ Genealogie aufgriff, diese aber einer gezielten Abwandlung unterzog und somit einen Ausgleich zwischen den Ansprüchen der beiden Sprachgruppen erreichte 269 . Da diese genealogi- 264 Allerdings bedeutet die familiäre Verbindung mit Hesiod, der seinerseits deutlich auf die Herkunft seiner Familie aus Kyme hingewiesen hatte (Op. 635 f.), doch wieder ein indirektes Eingeständnis, dass auch Homer Beziehungen zu Kyme hatte, und dies ist noch verstärkt durch die Aufnahme des Melanopos, einer fest in Kyme verwurzelten Person, in den Stammbaum als Urgroßvater der beiden Dichter; cf. oben Kap. 3.4.2.2 (Anm. 268). 265 Pherekydes von Athen, FGrHist 3 F 167 (= Frg. 167 Fowler = Procl. Chr. Vit. Hom. § 4 [V p. 99,20 - 100,5 Allen = p. 26,14-19 von Wilamowitz-Moellendorff = p. 69 l. 19-22 Severyns]) 266 Damastes, FGrHist 5 F 11b (= Frg. 11b Fowler) und Hellanikos von Lesbos, FGrHist 4 F 5b (= Frg. 5b Fowler) bzw. die kommentierenden Bemerkungen von Rohde 1881, 386-388 und Raddatz 1913, 2192. Zur Frage nach dem Lokalpatriotismus des Hellanikos, der durch dieses Fragment in Frage gestellt scheint, aber offenbar ohnehin nur von begrenzter Natur war und gelegentlich hinter seinen systematisierenden Bemühungen zurückstehen musste, cf. Ambaglio 2005. 267 Hippias von Elis, FGrHist 6 F 13 (= 86 B 18 D.-K. = ‚Vita Romana’ § 2 [V p. 251 l. 10- 11 Allen = p. 30,27-28 von Wilamowitz-Moellendorff]). 268 Cf. die Diskussion oben in Kap. 3.4.2.2, wo der Versuch unternommen wurde, die Nachricht zu Hippias mit dem einschlägigen Kapitel in der ‚Vita Herodotea’ (Vit. Hom. 1) zu identifizieren. 269 Ephoros von Kyme, FGrHist 70 F 1 (= Ps.-Plut. Vit. Hom. 1,2) und F 99 (= ‚Vita Romana’ § 2 [V p. 251 l. 10-12 Allen = p. 30,27-29 von Wilamowitz-Moellendorff]); cf. Kapitel 4 190 schen Fragen bei Ephoros zudem Bestandteil einer breiten Darlegung von Homers Lebensgang waren, konnte die These zur äolischen Herkunft Homers sich fortan einiger wissenschaftlicher Autorität erfreuen 270 . Die Diskussion kam daher in der Folgezeit nie völlig zur Ruhe. So forderten Zopyros von Magnesia und der Aristoteles-Schüler Dikaiarchos sogar, dass die homerischen Gedichte in den äolischen Dialekt umgesetzt werden sollten 271 , und der hellenistische oder kaiserzeitliche Bearbeiter der herodoteischen ‚Vita’ verfocht den ‚äolischen Homer’ mit geradezu religiösem Eifer 272 . Das sechste Jahrhundert scheint eine Leerstelle in dieser Traditionslinie zu sein. Doch ist es gut denkbar, dass gerade in diesem Jahrhundert die Tradition vom Namenswechsel des Dichters aufkam, wonach Homer zuerst Melesigenes geheißen habe und den Namen Ὅµηρος aus dem Grund erhalten habe, weil dies der Begriff gewesen sei, den man in Kyme bzw. überhaupt im äolischen Sprachgebiet für die Blinden gebrauchte 273 . Diese Tradition setzt nämlich das Motiv der Erblindung des Dichters im Jugend- oder Erwachsenenalter voraus, und dass Homer bereits im sechsten Jahrhundert als blinder Sänger galt, beweist der τυφλὸς ἀνήρ aus Chios, den schon der Apollon-Hymnos (V. 172) kennt 274 . Kyme erhob also schon vor dem fünften Jahrhundert Anspruch auf den Dichter und dürfte dies vor allem mit der alten Tradition zur Gründung Smyrnas durch Kolonisten aus Kyme begründet haben 275 . Demselben sechsten Jahrhundert gehörte aber nach unserer Analyse die Paralleltradition an, wonach der ursprüngliche Name des Dichters nicht Melesigenes, sondern Melesagoras gewesen sei, und diese Tradition dürfte Rohde 1881, 397-400, Ragone 2005, 463-465 und 2013, 135-137 sowie Biraschi 2013, 306 f. 270 Cf. die ausführliche Besprechung oben in Kap. 3.4.2.2. 271 Zopyrus von Magnesia, FGrHist 494 F 3; Dikaiarchos, Frg. 90 Wehrli 2 . 272 Ps.-Hdt. Vit. Hom. 37 (als Verstärkung der Ansprüche von Ps.-Hdt. Vit. Hom. 1-3); Zweifel an dieser Theorie zur Herkunft des Dichters meldete allerdings Strab. 13,3,6 an. 273 So das ‚Certamen’ § 3 (V p. 227 l. 30-32 Allen = p. 35,23-25 von Wilamowitz-Moellendorff) und die ‚Vita 4’ § 1 (V p. 245 l. 5-6 Allen = p. 28,13-14 von W.-M.: allgemeiner Äolismus) bzw. Ps.-Hdt. Vit. Hom. 13 und Ps.-Plut. Vit. Hom. 1,2,3 (= Ephoros von Kyme, FGrHist 70 F 1: Dialektwort aus Kyme). 274 Dass diese Tradition von der Erblindung des Dichters schon im sechsten Jahrhundert nach Kyme gelangte, legt Ps.-Hdt. Vit. Hom. 13 nahe. Denn die dortige Erzählung von den ὅµηροι - ‚Blinden’, die die Stadtväter nicht aufnehmen wollten, ist zwar von einem Milieu erfunden worden, welches Kyme feindlich gesinnt war, gibt aber gerade damit zu erkennen, dass man von dieser volksetymologischen Deutung bzw. von ihrer Herkunft aus Kyme Bescheid wusste, und das in die Erzählung eingelegte Epigramm (Vit. Hom. 14) ist jedenfalls von erheblichem Alter. 275 Für die archaische Zeit belegt in Hom. Epigr. 4, V. 3-7 (= Ps.-Hdt. Vit. Hom. 14), danach auch Ps.-Hdt. Vit. Hom. 2 und 38. Blendung und Dichterweihe 191 eben zusammen mit der Geschichte von der Dichterweihe und Blendung Homers am Grabhügel des Achilleus aufgekommen sein und daher in Lesbos ihre feste Form gefunden haben. Wenn somit die Tradition von Kyme von Anfang an den Ausgleich mit den Ansprüchen von Smyrna suchte und daher immer von eher defensiver Natur war, so liegt mit der Tradition aus Lesbos ein radikaler Gegenentwurf vor, der sich von der Tradition zur Geburt des Dichters im ionischen Smyrna gänzlich löste und ihn stattdessen zu einem einheimischen Bewohner der Troas machte, also zu einem Sohn einer Apoikia Mytilenes, der damit von rein äolischer Abkunft war. Dass von dieser radikalen Position im fünften Jahrhundert nichts mehr zu hören ist und dass sich nur noch via die Erzählung aus der ‚Vita Romana’ bzw. den Platon-Scholien des Hermeias eine sehr schwache Spur in die späteren Jahrhunderte gerettet hat, ist nicht sonderlich erstaunlich. Denn durch den Beitritt zum attisch-delischen Seebund verlor Lesbos seine Selbständigkeit und konnte nie mehr die alte Machtstellung zurückgewinnen. Daher wurden die äolischen Ansprüche auf Homer im fünften Jahrhundert wieder verstärkt von Kyme übernommen 276 , und die oben referierte alte Tradition, nach welcher Smyrna eine äolische Gründung bzw. eine Pflanzstadt des äolischen Kyme war, wurde nun wieder mit größerer Vehemenz vertreten, weil auf diese Weise der in Smyrna geborene Homer ins äolische Sprachgebiet ‚zurückgeholt’ werden konnte 277 . Dieser Streit um Homer zeigt durchaus Ähnlichkeit mit den Traditionen zur ionischen bzw. äolischen Wanderung nach Kleinasien, die in ihrer kanonischen Form jeweils auf das frühe fünfte Jahrhundert zurückreichen 278 , als in der Zeit der 276 Ein mögliches Indiz für die Übernahme lesbischer Traditionen durch Kyme ist die Gestalt des Argivers Kleanax, dem nach der lokalen Überlieferung Homers spätere Mutter Kretheis als junges Mädchen anvertraut wurde (Ps.-Hdt. Vit. Hom. 1-2). Denn die Kleanaktiden, als deren Ahnherr Kleanax zu betrachten ist, zählten zu den führenden Geschlechtern von Lesbos (Sappho, Frg. 98b,7 Voigt; Alc. Frg. 112,23 Voigt; Strab. 13,2,3) und dürften ähnlich wie die Penthiliden (unten Anm. 280) eine Herkunft aus der Peloponnes geltend gemacht haben; cf. von Wilamowitz-Moellendorff 1916b, 419 und Kivilo 2011, 91. 277 Dass Homer noch in Kyme gezeugt worden sei, bevor seine Mutter dann mit ihm in Smyrna niederkam (Ps.-Hdt. Vit. Hom. 2-3; Ephoros von Kyme, FGrHist 70 F 1), sollte daher eben die entscheidende Neuerung des fünften Jahrhunderts gewesen sein, mit der die Ansprüche von Kyme auch in einer Zeit der ionisch-attischen Dominanz wieder stärker in den Vordergrund gestellt werden konnten. 278 Zu den Traditionen um die ionische Wanderung cf. oben Kap. 2; zur Tradition der äolischen Wanderung, die von den Nachkommen des Orestes angeführt worden sein und zur Gründung der griechischen Städte auf Lesbos sowie zur Kolonisierung des Festlands geführt haben soll (Pherekydes von Athen, FGrHist 3 F 155 [= Frg. 155 Fowler]; Pind. Nem. 11,33-37; Hellanikos von Lesbos, FGrHist 4 F 32 [= Frg. 32 Fowler]; Demon von Athen, FGrHist 327 F 17; Lyc. Alex. 1374-1377 bzw. die Scholia vetera zu Alex. 1374, p. 247,6-13 Leone [= p. 379,28 - 380,9 Scheer]; Strab. 9,2,3 und Kapitel 4 192 Perserkriege Fragen nationaler Identität virulenter denn je geworden waren 279 , die aber auch in vorklassischer Zeit schon eine Grundlage hatten 280 . Auch der Streit um Homer ist daher Ausdruck dieser nationalen Selbstfindung in archaischer und frühklassischer Zeit, denn es ging um nichts Geringeres als darum, sich denjenigen Dichter anzueignen, der nicht nur selber Teil dieser Wanderungsbewegungen gewesen war 281 , sondern vor allem auch den Trojanischen Krieg besungen hatte und damit das eine große Ereignis in der griechischen Frühgeschichte, das als Feldzug von West nach Ost der späteren Kolonisierung Kleinasiens den Weg gewiesen hatte 282 . Die Geschichte von der Dichterweihe Homers am Grabhügel des Achilleus ist somit Teil eines Jahrhunderte währenden Konflikts um die Person des Dichters, und dass es hier immer wieder um den Kampf zwischen ionischen und äolischen Ansprüchen geht, zeigt eben das Motiv der Blindheit. Denn es ist durchaus bezeichnend, dass die ‚Vita Romana’ zwei in gleicher Ausführlichkeit referierte Erzählungen zur Entstehung von Homers Blindheit kennt, unsere Geschichte über die Begegnung des jungen Schafhirten mit Achilleus und das bekannte Motiv von der Blendung Homers durch Helena (‚Vita Romana’ § 5, V p. 252 l. 51 - 253 l. 57 Allen = p. 31,32 - 32,6 von Wilamowitz-Moellendorff 283 : ἄλλοι δέ φασι τοῦτο αὐτὸν πεπονθέναι διὰ µῆνιν τῆς Ἑλένης ὀργισθείσης αὐτῷ διότι εἶπεν αὐτὴν καταλελοιπέναι µὲν τὸν πρότερον ἄνδρα, ἠκολουθηκέναι δὲ Ἀλεξάνδρῳ· οὕτως γοῦν ... [lacuna] , ὅτι καὶ παρέστη αὐτῷ, φησίν, νυκτὸς ἡ ψυχὴ τῆς ἡρωίνης παραινοῦσα καῦσαι τὰς ποιήσεις αὐτοῦ, < καλῶς δὲ > εἰ τοῦτο ποιήσοι πράξοι· τὸν δὲ µὴ ἀνασχέσθαι ποιῆσαι τοῦτο. - „Andere aber sagen, dass ihm dies widerfahren sei wegen des Unmuts der erzürnten Helena, weil er nämlich 13,1,3; Paus. 3,2,1; Vell. 1,2,3 und 1,4,3-4) cf. die systematische Darlegung von Bérard 1959. 279 Zur Datierung dieser Traditionen und zu den dahinterstehenden ideologischen Ansprüchen cf. Rose 2008, 419 und 421 f. 280 Zur vorklassischen Tradition der ionischen Wanderung cf. den Beleg bei Mimn. Frg. 9 W. 2 . Die vorklassische Tradition der äolischen Wanderung zeigt sich im Umstand, dass eines der bedeutendsten lesbischen Adelsgeschlechter sich als ‚Penthiliden’ bezeichnete (Sappho, Frg. 71 Voigt; Alc. Frg. 75 und 302b Voigt; Arist. Pol. 1311 b 26- 30), also als Nachkommen des Penthilos und damit des Sohnes von Orestes, der die Mission angeführt hatte (Demon von Athen, FGrHist 327 F 17; Strab. 9,2,5 und 13,1,3; Paus. 3,2,1); cf. Spencer 1995, 303 f. Besonders bezeichnend ist somit, dass die Penthiliden bei Alc. Frg. 70,6 Voigt geradezu als ‚Atreiden’ bezeichnet werden. 281 Zur Synchronisierung von Homers Geburt mit der ionischen bzw. äolischen Wanderung cf. oben Kap. 2 (Anm. 71) und unten Kap. 5 (Anm. 5). 282 Sprechend in diesem Zusammenhang die Tradition bei Strab. 9,2,3, wonach die äolischen Auswanderer sich in Aulis zur Überfahrt versammelt hätten, also genau dort, wo auch Agamemnon zuvor seine Truppen zusammengezogen hatte (so gut beobachtet von Rose 2008, 402). 283 Textgestalt nach West 2003, 436. Blendung und Dichterweihe 193 gesagt hatte, dass sie den vormaligen Mann verlassen habe und stattdessen dem Alexandros gefolgt sei. So also, sagt ... 284 , sei auch nachts die Seele der Heroine zu ihm herangetreten und habe ihn gemahnt, seine Dichtungen zu verbrennen. Es werde ihm gut ergehen, wenn er dies tue. Er aber habe es nicht ertragen, dies zu tun.”). Dass mit den ἄλλοι dieses Textes die Homeriden von Chios gemeint sein müssen, ergibt sich aus der Darstellung bei Isokrates (10,65: λέγουσιν δέ τινες καὶ τῶν Ὁµηριδῶν ὡς ἐπιστᾶσα τῆς νυκτὸς Ὁµήρῳ προσέταξεν ποιεῖν περὶ τῶν στρατευσαµένων ἐπὶ Τροίαν, βουλοµένη τὸν ἐκείνων θάνατον ζηλωτότερον ἢ τὸν βίον τὸν τῶν ἄλλων καταστῆσαι. - „Es sagen aber einige der Homeriden, dass sie [sc. Helena] nachts zu Homer herantrat und ihm auftrug, ein Lied zu dichten über diejenigen, die nach Troja gezogen waren. Sie wollte nämlich den Tod jener Männer beneidenswerter aussehen lassen als das Leben der anderen.”) 285 . Denn Isokrates spricht zwar nicht von der Blindheit des Dichters, aber er nennt doch das analoge Motiv von der Erscheinung Helenas im Traum Homers, und es geht letztlich in beiden Fällen darum zu zeigen, wie die homerische ‚Ilias’ zustande kam, nämlich einmal gegen den Willen der Heroine und einmal gerade umgekehrt auf ihre Order hin. Somit scheint es deutlich, dass Isokrates, dessen Ziel es ja eben ist, Helena zu preisen (10,14), die traditionelle Geschichte der Homeriden so verändert hat, dass bereits der Auftrag Helenas an Homer eine Anweisung zu ihrer Lobpreisung war 286 , womit Isokrates für seine eigene Lobrede einen quasi-mythischen Präzedenzfall vorweisen kann. Der attische Redner hat die Erzählung also in diesem zentralen Punkt in ihr genaues Gegenteil verkehrt, folgt aber ansonsten der überlieferten Geschichte und nennt seine Quelle, die Homeriden, in ganz korrekter Weise 287 . Wir verfügen damit also über einen terminus ante quem für die Erzählung aus der ‚Vita Romana’ im frühen vierten Jahrhundert. Dass man aber für die Datierung der Geschichte wahrscheinlich noch erheblich weiter zurückgehen kann, nämlich ins sechste Jahrhundert, zeigt die ‚Palinodie’ des Stesichoros (PMGF 192-193 = Frg. 91 bzw. 90 Finglass) 288 . Diese wies nämlich nach der Version der ‚Suda’, die von den verschiedenen überlieferten Varianten zur Geschichte von der Blendung und Heilung des Ste- 284 Der Name des Gewährsmannes ist ausgefallen. 285 Ausführlicher zu einigen Punkten der folgenden Darstellung bereits Grossardt 2012, 55-57; knapp auch Tulli 2012, 867. 286 Weil es nämlich, wie Isokrates verschiedentlich sagt (10,48 und 10,52-53), eine Ehre war, für Helena zu sterben. 287 Dass im genannten Zitat des Isokrates mit den Homeriden jedenfalls die Vertreter der Sängergilde von Chios und nicht beliebige Homer-Kenner gemeint sein müssen, zeigt Ritoók 1970b, 5 f. 288 Zur Aktivitätszeit des Stesichoros cf. West 1971, 302-306, der allerdings mit der Festlegung auf den Zeitraum von etwa 560-540 v. Chr. recht tief hinuntergeht. Kapitel 4 194 sichoros am ehesten dem Original des sizilischen Dichters entsprechen dürfte 289 , Motive auf, die wiederum in engster Verwandtschaft stehen zu den Motiven aus der ‚Vita Romana’ bzw. dem Enkomion des Isokrates. Denn erneut ist von einem Traum des Dichters die Rede, erneut ist es Helena, die dem Träumenden erscheint und ihm Anweisungen gibt, und wieder betreffen die Anweisungen ein Dichtwerk, welches den Trojanischen Krieg und insbesondere die Rolle der Helena darin zum Thema macht (‚Suda’ σ 1095 Adler: φασὶ δὲ αὐτὸν γράψαντα ψόγον Ἑλένης τυφλωθῆναι, πάλιν δὲ γράψαντα Ἑλένης ἐγκώµιον ἐξ ὀνείρου, τὴν παλινῳδίαν, ἀναβλέψαι. - „Man sagt aber, dass er [sc. Stesichoros], nachdem er einen Tadel Helenas verfasst hatte, geblendet worden sei. Als er aber infolge eines Traums wieder ein Lob Helenas, die ‚Palinodie’, verfasst hatte, habe er wieder sehen können.” 290 ). Es ist also kaum bestreitbar, dass die ‚Palinodie’ und die Geschichte von der Blendung Homers durch Helena zusammenhängen, und man wird auch kaum die Position vertreten wollen, dass die ‚Palinodie’ zu einer Übertragung des Blindheitsmotivs in die Biographie Homers geführt hat 291 , denn die Blindheit des Stesichoros ist nur eine temporäre, während diejenige Homers dauerhaft ist und in Parallele steht zum verbreiteten Muster 289 Wie zu zeigen versucht von Grossardt 2012, 48-57. Gegen diese Position wenden sich nun Davies, Finglass 2014, 338 f., die das Traummotiv in der ‚Suda’ für eine spätere Erfindung von unbekannter Hand halten, und vor allem Schollmeyer 2014, der in der Erklärung Platons (Phdr. 243 a 6-7: ἅτε µουσικὸς ὢν ἔγνω τὴν αἰτίαν - „weil er [sc. Stesichoros] musisch war, erkannte er den Grund [sc. für seine Blindheit]”) einen Reflex der ‚Palinodie’ sieht, in welcher Stesichoros als Vertreter der modernen Textualität seine höhere Einsicht gegenüber dem traditionsbestimmten Dichter Homer explizit geltend gemacht habe (Schollmeyer S. 243 f. und 249 f.) und daher den Anspruch erhoben habe, die Ursache für seine Blindheit aus eigener Denkkraft erkannt zu haben (S. 248 f.). Doch steht dies in Konflikt mit der nur wenig vorausgehenden Behauptung des Sokrates, den Anstoß zu seiner ‚Palinodie’ durch die göttliche Stimme seines Daimonions erhalten zu haben (Phdr. 242 b 8 c 2), und die Deutung von µουσικός als τεχνίτης der µουσική (Schollmeyer S. 244) nimmt nicht nur einen harschen Bruch zwischen 243 a 6-7 und 248 d 3 (wo µουσικός , wie Schollmeyer S. 242 einräumt, die Bedeutung ‚musisch inspiriert’ aufweist) in Kauf, sondern stößt sich auch mit der schon bald auf die zentrale Stelle folgenden Passage von Phdr. 245 a 1- 8, wo Sokrates nach nochmaliger Berufung auf Stesichoros (244 a 2-3) auf den manischen Charakter der echten, weil von den Musen geschickten, dichterischen Inspiration hinweist. Platon hatte somit seine ganz eigenen Gründe für seine Darstellung von Stesichoros’ Schicksal, und die wahrscheinlichste Lösung bleibt daher, dass der Dichter selbst in der ‚Palinodie’ - ganz so wie es die ‚Suda’ darstellt - als Quelle seiner Erkenntnis eine Traumerscheinung der Helena genannt hatte. 290 Dass der Traum des Stesichoros eine Erscheinung der Helena zum Gegenstand hatte, ergibt sich u.a. aus der aktiven Rolle, die auch Isokrates in seinem Referat der Erzählung (10,64: ἐνεδείξατο δὲ καὶ Στησιχόρῳ τῷ ποιητῇ τὴν αὑτῆς δύναµιν ... - „Sie zeigte aber auch dem Dichter Stesichoros ihre Macht ...”) Helena zubilligt. 291 So allerdings vertreten von Baudy 2001, 39. Blendung und Dichterweihe 195 weiser blinder Männer, wie es von Teiresias und Ödipus repräsentiert wird. Es ist daher deutlich, dass Stesichoros sich hier von einem geläufigen Denkschema abzuheben sucht und daher sicherlich derjenige ist, der die Motive aus der Biographie des Dichterkollegen auf die eigene Person übertrug, sie aber in höchst signifikanter Weise abänderte 292 . Allerdings ist damit noch nicht unbedingt gesagt, dass Stesichoros auch die Rolle der Helena und ihre Erscheinung im Traum des Dichters aus der Biographie Homers bzw. aus der Lokaltradition von Chios übernommen hat. Denn insbesondere das Muster der blasphemischen Äußerung, die der Dichter tut, der nachfolgenden Blendung durch die beleidigte Göttin, der folgenden Abbitte des Sünders und seiner schließlichen Heilung durch dieselbe Göttin basiert auf einem etablierten Erzählmuster mit nahöstlichen Wurzeln und ist mit einiger Wahrscheinlichkeit aus zeitgenössischen Erzählungen über die ägyptische Göttin Isis übernommen 293 . Es gibt also im wesentlichen zwei Möglichkeiten: Entweder hat Stesichoros das Blendungsmotiv von Isis auf Helena übertragen, und dieses neugeschaffene Motiv einer zürnenden und strafenden Helena wurde dann von den Homeriden aus Chios in ihr lokales Erzählgut übernommen, womit die vielleicht sehr alte Tradition vom blinden Dichter Homer nun ihre exakte Begründung erhielt. Oder die Tradition aus Chios hatte unabhängige Wurzeln, und Stesichoros seinerseits übertrug das Motiv der durch Blendung strafenden Helena aus der Lokaltradition von Chios auf seine ‚Palinodie’ und kombinierte dieses Motiv mit dem genannten Muster aus den Erzählungen über Isis 294 . In diesem zweitgenannten Fall würde uns der Zusammenhang zwischen diesen Geschichten einen willkommenen terminus ante quem für die Tradition aus Chios liefern, die somit älter sein müsste als die ‚Palinodie’ und spätestens im früheren sechsten Jahrhundert aufgekommen wäre. Doch auch im umgekehrten Fall der Rezeption des Stesichoros durch die Homeriden von Chios wäre wohl kaum ein sehr großer Zeitraum zwischen die beiden Erzählungen zu legen, sodass wir für die Geschichte von Chios wieder auf ein Entstehungsdatum geführt würden, welches in der Mitte oder spätestens in der zweiten Hälfte des sechsten Jahrhunderts liegt 295 . 292 So richtig Graziosi 2002, 149 f. 293 Diese These ausführlich begründet von Grossardt 2012, 61-68. 294 Diese Möglichkeit ist letztlich wohl vorzuziehen, weil Stesichoros sich so im Unterschied zu dem Homer der ‚Vita Romana’ (§ 5) nicht weigert, auf eine Traumerscheinung der Helena zu hören und daher geheilt wird, also gerade in diesem zentralen Motiv des Verhältnisses zu Helena seine Überlegenheit gegenüber Homer demonstriert. 295 Terminus ante quem für die Blindheit Homers ist ohnehin die Erwähnung des „blinden Mannes von Chios” in den V. 172 f. des Apollon-Hymnos, welcher wahrscheinlich im Jahre 523 aufgeführt wurde (oben Anm. 126). Kapitel 4 196 Die Tradition vom blinden Dichter Homer hatte damit auf jeden Fall ihre kanonische, von den Homeriden von Chios verbürgte Erklärung gefunden. Dass diese Erklärung aber nicht einmal im ionischen Dialektgebiet ohne Konkurrenz blieb, zeigt die Geschichte aus der ‚Vita’ des Ps.-Herodot, die Homers Erkrankung auf natürliche Ursachen zurückführt und die endgültige Erblindung des Dichters - offenbar in Anknüpfung an eine etablierte Lokaltradition - in Kolophon lokalisiert. Es fehlt hier also der religiöse Impuls, der den oben erwähnten Geschichten anhaftet. Doch steht die Blindheit Homers auch hier in engstem Zusammenhang mit seiner dichterischen Produktion, weil sie zusammenfällt mit dem Beginn seiner kreativen Tätigkeit (Ps.-Hdt. Vit. Hom. 8: ἐκ δὲ τῆς Κολοφῶνος τυφλὸς ἐὼν ἀπικνέεται ἐς τὴν Σµύρναν, καὶ οὕτως ἐπεχείρει τῇ ποιήσει. - „Aus Kolophon kam er als blinder Mann nach Smyrna und so wandte er sich der Dichtung zu.”) 296 . Genau dieser Zusammenhang, also die Blindheit als Voraussetzung für dichterische Produktion, besteht nun auch in der Geschichte von der Blendung Homers am Grabhügel des Achilleus, und die Erzählung datiert nach unserer obigen Analyse aus dem sechsten Jahrhundert, am ehesten aus der Zeit zwischen 580 und 535 v. Chr., als sich mit Achilleion in der Nähe des Beșik Tepe eine Kolonie Mytilenes etabliert hatte, die den territorialen Ansprüchen Athens bzw. Sigeions Widerstand leisten sollte. Wir sind also immer wieder auf den Zeitraum des sechsten Jahrhunderts zurückgeführt, und es ist daher kaum denkbar, dass kein Zusammenhang besteht zwischen den beiden Erzählungen zur Blindheit Homers, die in der ‚Vita Romana’ in so sinnreicher Weise direkt aufeinander folgen. Welche von den beiden Erzählungen nun die ältere ist und welche der Gegenentwurf, ist eine schwierige Frage, zumal auch die obigen chronologischen Überlegungen zum zeitlichen Verhältnis mit Stesichoros kein eindeutiges Resultat ergaben. Für die Priorität der Erzählung aus Lesbos spricht der Umstand, dass Lesbos im sechsten Jahrhundert seine Hochblüte hatte und danach allmählich an Bedeutung verlor, und dass Achilleion, die Stadt, in der die Erzählung entstanden sein dürfte, ganz folgerichtig ebenfalls nur eine kurze Blüte erlebte und im genannten Zeitraum von etwa 580 bis 535 v. Chr. existierte. Vom chronologischen Standpunkt her ist also eine Übertragung der Motive aus Lesbos nach Chios etwas einfacher zu erklären als die entgegengesetzte Übertragung von Chios nach Lesbos 297 . 296 Im Kontext der anderen Homer-Viten ausführlich besprochen von Beecroft 2011, 3 f. 297 Cf. Baier 2013, 183 f. und 194-197, der wegen der ursprünglich äolischen Identität Smyrnas generell zur Priorität der äolischen Ansprüche auf Homer neigt und die ionischen Ansprüche als Gegenreaktion wertet. Allerdings gewichtet Baier die Rolle Athens dabei sehr stark und vernachlässigt beispielsweise, dass die Geschichtsklitterung von der führenden Rolle Athens bei der ionischen Wanderung erst in nachpeisistratidischer Zeit aufkam (Sakellariou 1958, 25 f. und 30 bzw. oben Kap. 2). Blendung und Dichterweihe 197 Umgekehrt lässt sich aber sagen, dass die ionischen Ansprüche auf Homer insgesamt doch immer die wesentlich stärkeren waren und zudem den Vorteil hatten, dass sie sich auf die ionische Sprachgestalt der Epen berufen konnten. Der Anspruch der Homeriden von Chios mit der kombinierten Behauptung zu Blindheit und ionischer Nationalität des Dichters (Hom. h. Ap. 172 f.: τυφλὸς ἀνήρ, οἰκεῖ δὲ Χίῳ ἔνι παιπαλοέσσῃ, / / τοῦ πᾶσαι µετόπισθεν ἀριστεύουσιν ἀοιδαί - „ein blinder Mann - er wohnt im zerklüfteten Chios - dessen Gesänge allesamt hinkünftig als die besten gelten werden”) hatte daher nie Schwierigkeiten, Gehör in ganz Griechenland zu finden, und dürfte daher weit eher eine selbstbewusste Erklärung und keine bloße Polemik gegen äolische Ansprüche dargestellt haben. Die äolischen Ansprüche waren dagegen immer eher in der schwächeren Position, und man hatte somit in Lesbos und auf dem äolischen Festland durchaus genügend Grund, eine eigene Geschichte zur Herkunft und Blendung Homers zu erfinden und damit gerade in diesem zentralen Punkt gegen die Vereinnahmung des Dichters durch die ionischen Gemeinden aufzubegehren. Unter motivischen oder kulturgeschichtlichen Gesichtspunkten wird man also eher zur Priorität der Geschichte von der Blendung Homers durch Helena neigen 298 , und dies sollte der ausschlaggebende Aspekt sein, auch wenn die Frage beim derzeitigen Kenntnisstand nicht definitiv lösbar scheint. Deutlich sollte aber auf jeden Fall geworden sein, dass das sechste Jahrhundert eine Zeit intensiver ideologischer Auseinandersetzungen zwischen den verschiedenen griechischen Ethnien war und dass dieser Streit gerade auch an der Person Homers und an der Frage nach den Ursachen für seine Blindheit ausgetragen wurde. 4.4.2 Die homerischen Epen zwischen Mündlichkeit und Schriftlichkeit und die Bedeutung der Legende für die Entwicklung des Dichtungsverständnisses in archaischer Zeit Die homerischen Epen oder jedenfalls die ‚Ilias’ müssen auf Lesbos um das Jahr 600 v. Chr. gut bekannt gewesen sein. Dafür spricht beispielsweise die enge kombinierte Bezugnahme eines Liedes von Alkaios (Frg. 44 Voigt) auf die Szene der Herbeirufung der Thetis durch Achilleus bzw. die Szene des folgenden Bittgangs von Thetis zu Zeus aus dem ersten Buch der ‚Ilias’ (Il. 1,348-427 bzw. 1,493-530) und damit überhaupt auf das Thema der ‚Menis’, der Vergleich des jungen Bräutigams mit Achilleus in einem Hochzeitslied der Sappho (Frg. 218 Voigt) und die enge Anknüpfung an die 298 Dafür spricht nicht zuletzt, dass nach unserer obigen Analyse (Kap. 4.3.2) die älteste Version von Homers Dichterweihe, die noch in Achilleion selbst entstanden war, zwar das Motiv der Inkubation aufwies, aber das Motiv der Blendung noch nicht kannte. Die nachfolgende Einfügung des Blendungsmotivs in Lesbos kann also eben Reaktion auf das entsprechende Motiv aus Chios gewesen sein. Kapitel 4 198 Darstellung verschiedener homerischer Frauenfiguren in den Liedern derselben Dichterin (Frg. 16: Helena; Frg. 44: Andromache) 299 , aber auch - unabhängig von der Frage nach ihrem konkreten Wahrheitsgehalt - die Nachricht des Herakleides Pontikos, dass bereits Terpander von Lesbos im siebten Jahrhundert neben seinen eigenen Epen auch die homerischen Gedichte vorgetragen habe (Terpander s.v. Clonas, Test. 1 Davies = Herakleides Pontikos, Frg. 157 Wehrli 2 = Plut. De musica 3, 1132 c: καὶ γὰρ τὸν Τέρπανδρον ἔφη κιθαρῳδικῶν ποιητὴν ὄντα νόµων , κατὰ νόµον ἕκαστον τοῖς ἔπεσιν τοῖς ἑαυτοῦ καὶ τοῖς Ὁµήρου µέλη περιτιθέντα ᾄδειν ἐν τοῖς ἀγῶσιν. - „Denn auch Terpander, ein Schöpfer von Harmonien zur Kithara, sagte er [sc. Herakleides], habe in jeder Harmonie seinen eigenen Hexametern und denen Homers Melodien unterlegt und sie so in den Wettkämpfen singend vorgetragen.”) 300 . Somit kann man davon ausgehen, dass bereits zu dieser frühen Zeit Manuskripte der ‚Ilias’ auf Lesbos verfügbar waren, die den späteren Handschriften mindestens sehr ähnlich waren, oder man kann zumindest schließen, dass das Epos durch regelmäßige Vorträge von (auswärtigen) Rhapsoden immer wieder in Erinnerung gerufen wurde 301 . Zeugnisse für eine frühe Rezeption der ‚Odyssee’ fehlen auf Lesbos dagegen 302 . Immerhin zeigt aber eine (Teil-) Parallele von Sappho, Frg. 17 Voigt 303 mit Od. 3,168- 175, dass die Traditionen von der Heimkehr der griechischen Helden aus Troja in Lesbos gut bekannt waren 304 , und bedenkt man, dass selbst ein sizilischer Dichter wie Stesichoros in der ersten Hälfte des sechsten Jahrhunderts über eine genaue Kenntnis der ‚Odyssee’ verfügte 305 , wird man kaum bezweifeln, dass das Epos spätestens in dieser Zeit auch Lesbos erreichte. In Athen dürfte die Situation etwa dieselbe gewesen sein, denn es lässt sich aufgrund verschiedener Indizien postulieren, dass dort bereits um 570 v. Chr. Texte der homerischen Epen zur Verfügung standen 306 . Diese Situation machten Peisistratos und seine Söhne sich zunutze, um sich als Hüter dieser Texte zu profilieren. Konkreter Ausdruck dieser ‚Kulturpolitik’ war die Legende, wonach einige Zeit nach Homers Tod nur noch Bruchstücke seiner Werke vorhanden gewesen seien und Peisistratos dafür gesorgt 299 Zusammen mit weiteren (möglichen) Bezugnahmen auf die ‚Ilias’ bzw. die weitere Troja-Sage besprochen von West 2002, 209-214. 300 In die Diskussion eingebracht von Kivilo 2011, 96 f. 301 So gefolgert von West 2002, 209 f. und 217 f. 302 West 2002, 214. 303 Cf. den neu ergänzten Text von Burris, Fish, Obbink 2014, 10. 304 Cf. die detaillierte Besprechung bei Page 1955, 59 f. und Meyerhoff 1984, 223 f. 305 Zur Rezeption von Hom. Od. 15,160-181 in PMGF 209 (= Stesich. Frg. 170 Finglass) cf. Grossardt 2012, 40 f. (mit weiterer Literatur). 306 So aus attischen Vasenbildern geschlossen von Burkert 2012. Blendung und Dichterweihe 199 habe, dass sie wieder zu ganzen Epen zusammengefügt wurden 307 . Diese Legende, die erst seit Cicero bezeugt ist 308 , galt vielen Interpreten als wertlose späte Erfindung 309 . Doch weisen einige Testimonia doch schon auf das vierte Jahrhundert v. Chr. hin 310 , und Gregory Nagy konnte den Nachweis erbringen, dass es sich bei dieser Erzählung um einen Wandermythos mit Parallelen in Indien, Iran und Irland handelt und dass dieser Mythos daher höchstwahrscheinlich schon von den Peisistratiden selbst mit dem homerischen Epos verbunden wurde 311 . Eine solche Erzählung von einem in Einzelteile zerfallenen und wieder zusammengesetzten Text konnte gelegentlich auch in paradoxer Weise auf eine vorwiegend mündliche Dichtungstradition angewendet werden, wie das in der Überlieferung des drawidischen Volkes der Telugu im Südosten Indiens der Fall ist, dessen traditionelles Epos ‚Palnativiracaritra’ in einer Fülle von mündlichen und schriftlichen Erscheinungsformen bekannt ist. Es bestehen in den erhaltenen Handschriften allerdings keine vollständigen Fassungen der Geschichte, sondern nur Ausschnitte, die den Sängern aus den untersten Kasten als Grundlage für ihren Vortrag dienen. Diese Situation wird von den Sängern damit erklärt, dass der Brahmane Śrinathudu, der das Epos einst auf Geheiß von Gott Cennakeśava verfasst hatte, bald den Zorn desselben Gottes erregte und das Epos daher auf dessen Verlangen wieder in Stücke zerriss 312 . Die heute vorliegenden vollständigen Fassungen sind daher gelehrte Konstrukte oder moderne Nachdichtungen 313 , die dem Epos - ganz explizit - den Status eines Produkts der schriftlichen Hochkultur verleihen sollen 314 . Wenn die Erzählung vom zerstückelten und wieder zusammengesetzten Epos in diesem Fall also eine reale Basis in den partiellen Darstellungen hat, die in verschiedenen Handschriften niedergelegt sind, so ist dies weniger sicher in den zwei Beispielen aus der mittelalterlichen Hochkultur, die sich in Irland und Iran finden. In diesen Fällen ist das erwähnte Muster eher als Retroprojektion anzusehen, die dem Zweck diente, die Existenz 307 Cf. vor allem Flavius Josephus, Ap. 1,12, Paus. 7,26,13, Ael. VH 13,14, Anth. Pal. 11,442, die Scholien zu Dionysios Thrax p. 29,16 - 30,24 Hilgard und die ‚Suda’ ο 251, III p. 525,29 - 526,4 Adler (§ 6 West); vergleichbare Legenden über Solon und Lykurgos sind verzeichnet bei Diog. Laert. 1,57 bzw. Plut. Lyc. 4,5-6. 308 Cic. de orat. 3,137. 309 Cf. beispielsweise noch Graziosi 2002, 206 f. 310 So Merkelbach 1952. 311 Nagy 1992, 45-49 und 1995, 172-174. 312 So die Legende bei Roghair 1982, 10. 313 Roghair 1982, 11-13 und 16. 314 Cf. neben der grundlegenden Analyse von Roghair noch die knappe Bewertung dieser epischen Tradition bei Blackburn 1989, 32 (mit Anm. 25) sowie die allgemeinen Bemerkungen zum komplexen Verhältnis zwischen schriftlichen und mündlichen Dichtungsformen, wie es in Indien durchgängig festzustellen ist, bei Smith 1990, 17 f. Kapitel 4 200 eines schriftlichen Großepos zu erklären, welches zwar aus einer noch weitgehend mündlichen Dichtungstradition hervorgegangen war, aber seinerseits bereits einer Welt der Textualität angehörte. So markiert etwa die irische Legende vom Barden Murgein (oben Kap. 4.2.1) in geradezu exemplarischer Form den Übergang von der Mündlichkeit zur Schriftlichkeit 315 . Denn der Barde erlernt die zuvor verlorene bzw. nur noch in Einzelteilen erhaltene ‚Táin’ zwar am Grab des Fergus aus dem Munde des verstorbenen Helden und scheint nicht an eine schriftliche Niederlegung des Texts zu denken; möglicherweise haben wir also bei dieser imaginären mündlichen Version sogar an eine rein metrische Fassung zu denken. Erhalten ist die Legende aber im ‚Book of Leinster’, also in dem Codex, der auch die längste schriftliche Fassung - und das heißt im irischen Kontext immer eine prosimetrische Fassung - der Táin enthält. Mindestens in den Augen der Schreiber, die die Legende im ‚Book of Leinster’ niedergelegt haben, hatte die Erzählung also die Funktion, die Existenz eines schriftlich vorliegenden Texts zu erklären. Entsprechend wird in den anderen Versionen der Geschichte von der Wiedergewinnung der ‚Táin’ meist explizit betont, dass das Werk zuletzt schriftlich aufgezeichnet wurde, und in späteren Handschriften ist die Legende sogar dem eigentlichen Epos direkt vorangestellt 316 . Wieder etwas anders gelagert ist der Fall des iranischen Epos ‚Schahname’ und der ihm vorangestellten Legende 317 . Denn danach soll das alte ‚Buch der Könige’, das von einem unbekannten Verfasser stammte, in viele Einzelteile zerteilt gewesen sein, und erst nach einer Sammlung und Zusammenfügung der einzelnen Teile verfügte man wieder über das ganze Buch, das dann in mehreren Anläufen in Poesie umgesetzt wurde, bis zuletzt das ‚Schahname’ des Ferdausi daraus hervorging. Ob es dieses alte Königsbuch wirklich jemals gab, ist umstritten, wie auch die Forschung weiterhin lebhaft debattiert, ob die iranische Epentradition in erster Linie eine mündliche war oder eine schriftliche 318 . Die Legende von der Wiedergewinnung des Texts ist aber auf jeden Fall in das Epos des Ferdausi inkorporiert, und dies bedeutet, dass auch für ihn die Funktion der Legende nur darin bestehen konnte, die Existenz eines schriftlich vorliegenden Texts zu begründen. Damit ist deutlich, dass auch in Athen die Funktion der Erzählung nur die sein konnte, auf einen fixierten Text hinzudeuten, als dessen Patrone 315 Zur komplexen Interaktion von mündlichen und schriftlichen Erzählformen in der irischen Tradition cf. den status quaestionis bei J. Nagy 1986. 316 Cf. die bibliographischen Angaben oben in Kap. 4.2.2, Anm. 110. 317 ‚Schahname’, Prolog, V. 108-160 (Kanus-Credé 2002, 6-9). 318 Cf. die Kontroverse zwischen Yamamoto 2003, 53-80 und Omidsalar 2005. Blendung und Dichterweihe 201 Peisistratos und seine Söhne sich im sechsten Jahrhundert verstanden 319 . Was die Legende allerdings ausließ, war die Frage nach der ursprünglichen Entstehung des Texts, also die Frage nach der Inspirationsquelle des Dichters und die nach der erstmaligen Fixierung des Texts durch den Dichter selber. Diesen Fragen widmen sich nun eben unsere beiden Legenden aus der ‚Vita Romana’, und es scheint somit kein Zufall, dass die beiden Legenden nach unseren obigen Überlegungen ebenfalls aus dem sechsten Jahrhundert stammen. Dass die Erzählungen auf schriftliche Texte hindeuten, ist besonders deutlich in der Legende von Chios. Denn Homer weigerte sich nach dieser Darstellung, der Weisung Helenas zur Verbrennung seiner Werke Folge zu leisten, und wurde dafür mit Blindheit gestraft. Dies kann nur bedeuten, dass er seine Werke eben nicht vernichtete bzw. dass sie noch erhalten waren, und da die Erzählung von den Homeriden von Chios stammt, kann der Sinn der Geschichte letztlich nur der sein zu begründen, wie die Homeriden zu ihrem Homer-Text gekommen waren, der die Grundlage für ihre Vortragstätigkeit als Rhapsoden war 320 . Die allgemeine Geschichte dieser Rhapsodengilde von Chios, wie sie sich beispielsweise in Bezugnahmen bei Pindar, Akusilaos und Hellanikos darstellt 321 , der Hinweis auf den τυφλὸς ἀνήρ aus Chios im homerischen Apollon-Hymnos (V. 172 f.), aber auch die ironische Aufnahme dieser Blindheitslegende in Isokrates’ Lobrede auf Helena (10,65) und vielleicht zuvor schon in der ‚Palinodie’ des Stesichoros (PMGF 192-193 = Frg. 91 bzw. 90 Finglass) zeigen, dass wir es hier mit einer mächtigen Lokaltradition aus archaischer Zeit zu tun haben. Die Erzählung aus Lesbos kehrt nun im Vergleich mit der Erzählung aus Chios das Verhältnis zwischen Blindheit und dichterischer Produktion genau um 322 : Erst mit bzw. nach seiner Blendung wird Homer zum Dichter, und wir müssen daher annehmen, dass der junge Dichter, ganz so wie es die Legende von Kolophon darstellt 323 , seine Dichtungen rein improvisierend verfasste und sie darauf im Diktat schriftlich niederlegte 324 (oder 319 Dies also gegen Nagy 1992, 45 und 1995, 172, der in der Geschichte vom wiedergewonnenen Homer-Text lediglich eine Metapher für eine anhaltende mündliche Tradition des Epos sieht. 320 Zu den sonstigen Indizien für die Existenz eines Homer-Texts in Chios cf. Janko 1992, 31. 321 Pind. Nem. 2,1-5 und Acus. FGrHist 2 F 2 (= Frg. 2 Fowler) bzw. Hellanic. FGrHist 4 F 20 (= Frg. 20 Fowler = Harp. Ο 19 Keaney); zusammen mit den anderen Testimonia zu den Homeriden besprochen bei Ritoók 1970b und Graziosi 2002, 208-217. 322 So richtig erkannt von Beecroft 2011, 13. 323 Ps.-Hdt. Vit. Hom. 8: Homer beginnt nach erfolgter Erblindung zu dichten. 324 Dass Homer seine Dichtungen durch das Diktat niederlegte, ist in der ‚Vita Herodotea’ meist nur impliziert, findet sich aber einmal doch explizit in der Episode von Homers Aufenthalt beim Schullehrer Thestorides in Phokaia (Vit. Hom. 16: ἐπεὶ Kapitel 4 202 sie allenfalls mündlich an die folgenden Generationen von Rhapsoden weitergab). Ohnehin kann man sich einen Schafhirten, wie es Homer nach dieser Erzählung zunächst gewesen sein soll, zur fraglichen Zeit nur als Analphabeten vorstellen. Warum der schriftliche Charakter der homerischen Epen in Lesbos nicht stärker betont wurde, können wir nur zu erraten versuchen. Möglicherweise lag es daran, dass es auf Lesbos im Unterschied zu Chios keine organisierte Gilde von Rhapsoden gab, die ein Interesse daran hatte, ihren Homertext als den einzig authentischen hinzustellen, und damit fast notgedrungen eine entsprechende Legende erfand. Dass es aber auch mit unterschiedlichen Mentalitäten zu tun hatte, mögen vielleicht die folgenden Überlegungen verdeutlichen. Schaut man sich nämlich noch einmal die Legende aus Chios an, so sehen wir einen Homer, der mit großem künstlerischem Selbstbewusstsein agiert. Die Weigerung, seine Dichtungen zu verbrennen, also die Schande aus der Welt zu schaffen, die er mit der ‚Ilias’ über Helena gebracht hatte, mag dabei durchaus zunächst durch ein starkes Wahrheitsethos bedingt sein. Eine nicht geringere Rolle scheint aber auch der Stolz auf das abgeschlossene Werk zu spielen, denn es heißt ausdrücklich, dass Homer durch Helenas Forderung sich in seinem persönlichen Empfinden getroffen fühlte (‚Vita Romana’ § 5, V p. 253 l. 56-57 Allen = p. 32,6 von Wilamowitz- Moellendorff: τὸν δὲ µὴ ἀνασχέσθαι ποιῆσαι τοῦτο. - „Er aber habe es nicht ertragen, dies zu tun.”) und sich somit auch in seiner künstlerischen Individualität in Frage gestellt sah. Homer scheint es in dieser Geschichte also um mehr als nur um die reine historische Wahrheit zu gehen und es ist ihm offenbar eher um die spezifische Gestalt seines individuellen Werkes zu tun, das er nicht dem Vergessen anheimgeben möchte. Wenn wir nun bedenken, dass die Geschichte mit hoher Wahrscheinlichkeit aus dem sechsten Jahrhundert stammt, so sehen wir, dass ihr Held mit seinem individuellen Kunstanspruch ein typischer Vertreter seiner Zeit, also der archaischen Epoche, ist. Denn diese ist dadurch gekennzeichnet, dass sie nicht mehr den reinen Wahrheitsanspruch der alten Epik weiterführte, die sich als bloße Trägerin der mémoire collective verstanden hatte, sondern - gewissermaßen auf halbem Wege zu völliger literarischer Autonomie - dem Dichter zunehmende Freiheit und Selbständigkeit gewährte 325 . Ersichtlich ist das etwa darin, dass Solon die Musen zwar noch anruft, sie aber nicht mehr als Garantinnen der Wahrheit δὲ τήν τε Φωκαίδα καὶ τἄλλα πάντα παρὰ τοῦ Ὁµήρου ὁ Θεστορίδης ἐγράψατο, διενοήθη ἐκ τῆς Φωκαίης ἀπαλλάσσεσθαι, τὴν ποίησιν θέλων τοῦ Ὁµήρου ἐξιδιώσασθαι. - „Als Thestorides aber die ‚Phokais’ und alles Übrige nach der Vorgabe Homers niedergeschrieben hatte, überlegte er sich, sich von Phokaia zu entfernen, weil er sich die Dichtung Homers aneignen wollte.”). 325 Zum poetologischen Selbstverständnis der archaischen Epoche cf. Kannicht 1980, 22- 26, Rösler 1980, 297-299 und Puelma 1989, 79-89. Blendung und Dichterweihe 203 nennt, sondern in ihnen eher Ansprechpartnerinnen und Schutzgottheiten sieht, denen er seine technische Versiertheit und seinen Erfolg im Leben verdankt 326 ; Stesichoros führt mit dem Doppelgedicht der ‚Helena’ und der ‚Palinodie’ vor, dass sich mythische Traditionen von zwei Seiten her betrachten lassen und daher nicht mehr unbedingt sakrosankt sind; und Pindar erwartet zwar vom Dichter ein Festhalten an der Wahrheit, unterstreicht gleichzeitig aber auch, dass es die konkrete Gestalt des einzelnen Gedichtes ist, also die individuelle Formulierungskunst, welche der Dichtung ihren ureigenen Reiz verleiht 327 . Wir sehen im sechsten und frühen fünften Jahrhundert also eine zunehmende Emanzipation der Dichter von der Tradition, der sie entstammen, und so scheint es nur folgerichtig, dass die Erzählung aus Chios sich auf das Endprodukt dieser literarischen Tätigkeit konzentriert und die Frage nach dem Werden des Textes eher an den Rand drängt, also insbesondere von keiner (übernatürlichen) Dichterweihe berichtet. Die Geschichte aus Lesbos zeigt uns nun einen sehr anderen Homer, der nicht so gut zu dieser modernistischen Strömung passt. Zwar entspricht auch diese Erzählung nicht mehr genau dem alten Wandermythos, wonach der aus dem Grab hervorgerufene Held höchstselbst dem Besucher seine einstigen Ruhmestaten referiert und ihm damit den Grundstock für die künftige Dichtungstätigkeit gibt, sondern es sind die Musen und mit ihnen Thetis, die die Dichterweihe vornehmen. Dies ist durchaus als Modernisierung und als Anpassung an die griechischen Verhältnisse zu werten, weil spätestens nach dem Bekanntwerden der Dichterweihe Hesiods durch die Musen am Helikon (Hes. Th. 22-35) und nach der Verbreitung der ‚Ilias’ mit ihren diversen Musenanrufen kaum mehr eine andere Form der Dichterweihe denkbar war. Ansonsten aber sind wir mit einem sehr konservativen Dichterbild konfrontiert. Denn der junge Schafhirte und künftige Dichter lehnt sich - im Unterschied zu seinem Doppelgänger aus Chios - keineswegs gegen die Autorität von Göttern und Heroen auf, sondern agiert sehr pietätsvoll, bringt Achilleus Opfergaben dar und wird zwar wegen seiner unvorsichtigen Vorgehensweise geblendet, wird zum Ausgleich dafür aber für seine hingebungsvolle Haltung von den göttlichen Mächten mit der Verleihung der Dichtkunst belohnt und geehrt (‚Vita Romana’ § 5, V p. 252 l. 50-51 Allen = p. 31,32 von Wilamowitz-Moellendorff: τιµηθῆναι πρὸς αὐτῶν τῇ ποιητικῇ - „und er sei von ihnen mit der Dichtkunst geehrt worden”). Dieser Ausdruck ποιητική ist nun sehr allgemein, aber es gibt keinen Grund, hier von der Definition abzuweichen, die 326 Solon, Frg. 13 W. 2 (V. 1-6 und 51 f.) bzw. die kommentierenden Bemerkungen von Kannicht 1980, 22-24. 327 Cf. Puelma 1989, 86-89 mit Hinweis auf Stellen wie Pind. Ol. 1,28-34 oder Nem. 7,20- 24. Kapitel 4 204 Platon in seinem ‚Gorgias’ (502 c 5-7) gibt, wonach die Dichtkunst ( ποίησις bzw. ποιητική ) aus µέλος , ῥυθµός , µέτρον und λόγοι besteht und somit neben den formalen Aspekten von Musik und Metrik auch den inhaltlichen Aspekt der λόγοι, also den der referierten Geschehnisse, umfasst. Diese Aspekte, und zwar als Einheit gesehen und nicht so analytisch auseinandergenommen wie bei Platon, sind es nun, die das Dichtungsverständnis des frühgriechischen Epos ausmachen. Erster Kronzeuge dafür ist gerade wieder der zweite frühgriechische Hirte, der eine Dichterweihe erfuhr, also Hesiod, dem die Musen, wie es gleich von Anfang weg heißt, schönen Gesang eingaben (Hes. Th. 22 f.: αἵ νύ ποθ᾿ Ἡσίοδον καλὴν ἐδίδαξαν ἀοιδήν, / / ἄρνας ποιµαίνονθ᾿ Ἑλικῶνος ὑπὸ ζαθέοιο. - „Die also einst den Hesiod schönen Gesang lehrten, als er am Fuß des hochheiligen Helikon Schafe hütete.”). Dass damit auch Inhalte gemeint sind, zeigt der Schluss der Szene, wo in einer kleinen Ringkomposition wieder ein Begriff aus der Wortfamilie von ἀοιδή aufscheint, aber nun auch mit bestimmten Inhalten verbunden ist wie insbesondere dem Geschlechtsverband der Götter und dem Wesen der Musen (Th. 31-34: ἐνέπνευσαν δέ µοι αὐδὴν / / θέσπιν, ἵνα κλείοιµι τά τ᾿ ἐσσόµενα πρό τ᾿ ἐόντα, / / καί µε κέλονθ᾿ ὑµνεῖν µακάρων γένος αἰὲν ἐόντων, / / σφᾶς δ᾿ αὐτὰς πρῶτόν τε καὶ ὕστατον αἰὲν ἀείδειν. - „Sie hauchten mir aber eine göttliche Stimme ein, damit ich das Künftige und das Vorangegangene rühme, und sie trugen mir auf, das Geschlecht der immer seienden Götter zu preisen, sie selbst aber zum Anfang und zum Schluss immer zu besingen.”). Entsprechend beginnt die ‚Theogonie’ dann auch mit der Geburtsgeschichte der Musen (V. 36-103) und fährt fort mit einem großen Panorama der Genealogie der griechischen Götter, wozu Hesiod eben - nach eigenem Bekunden - kaum in der Lage gewesen wären, wenn ihm nicht die Musen das dazu nötige Wissen eingegeben hätten (V. 104 f.). Nicht viel weniger deutlich als Hesiod ist in dieser Beziehung aber der Odyssee-Dichter, der dem Odysseus entsprechende Worte in den Mund legt, mit denen dieser den Liedvortrag des Hofsängers Demodokos rühmt (Od. 8,488-491: ἢ σέ γε Μοῦσ᾿ ἐδίδαξε, Δ∆ιὸς πάις, ἢ σέ γ᾿ Ἀπόλλων· / / λίην γὰρ κατὰ κόσµον Ἀχαιῶν οἶτον ἀείδεις, / / ὅσσ᾿ ἕρξαν τ᾿ ἔπαθόν τε καὶ ὅσσ᾿ ἐµόγησαν Ἀχαιοί, / / ὥς τε που ἢ αὐτὸς παρεὼν ἢ ἄλλου ἀκούσας. - „Entweder hat dich jedenfalls die Muse, die Tochter des Zeus, gelehrt oder Apollon. So sehr nämlich besingst du das Geschick der Achaier in der Ordnung, was sie getan und was sie erlitten haben und womit die Achaier sich mühten, wie wenn du entweder selber irgendwie dabei gewesen wärest oder es von einem anderen gehört hättest.”). Hier ist bemerkenswert, wie Sachkenntnis mit poetisch-technischer Kompetenz zusammengestellt wird, ja Blendung und Dichterweihe 205 im Grunde mit dieser identifiziert wird 328 , oder anders formuliert: wie das Kompliment zu göttlich vermittelter Sachkenntnis keineswegs implizieren soll, dass der Sänger nicht auch aus eigener Kunstfertigkeit seinen Beitrag zu einem gelungenen Liedvortrag geleistet hat 329 , sondern beides als Teil einer besonderen Auszeichnung verstanden wird. Ganz ähnlich sind daher dann auch die Komplimente, die Alkinoos, der König der Phaiaken, dem Odysseus selbst für den Vortrag seiner Lebensgeschichte zollt (Od. 11,367-369: σοὶ δ᾿ ἔπι µὲν µορφὴ ἐπέων, ἔνι δὲ φρένες ἐσθλαί, / / µῦθον δ᾿ ὡς ὅτ᾿ ἀοιδὸς ἐπισταµένως κατέλεξας, / / πάντων Ἀργείων σέο τ᾿ αὐτοῦ κήδεα λυγρά. - „Dir aber ist Gestalt der Worte zu eigen, in dir aber ist ein tüchtiger Sinn, und du hast die Geschichte wie ein Sänger kundig vorgetragen, die schrecklichen Kümmernisse aller Argiver und deine eigenen.”). Da unsere Legende von der Dichterweihe Homers am Grab des Achilleus, wie oben in Kap. 4.3.1 dargestellt, mit der Kombination von Blindheit und dichterischer Befähigung eben das Schicksal des Demodokos spiegelt, die Blindheit also nach dem auch von Teiresias und Ödipus repräsentierten Muster als Voraussetzung für eine vertiefte Einsicht in die menschlichen Dinge betrachtet und nicht - wie es in den ionischen Traditionen verzeichnet ist - als Behinderung der Dichtungstätigkeit oder gar als Ursache für eine leidvolle Existenz als Bettelpoet, ist es sicher mehr als ein bloßer Zufall, dass wir in dieser Legende genau dasselbe Dichtungsverständnis vorfinden, und es handelt sich somit entweder um einen sinnreichen Parallelfall zur Geschichte von Demodokos oder, wie wir oben postuliert haben, um einen Fall direkter Rezeption aus der ‚Odyssee’. Die Legende repräsentiert damit auf jeden Fall dieselbe frühgriechische Mentalität, die auch in der ‚Odyssee’ zum Ausdruck kommt, und nimmt deren Betrachtungsweise ins sechste Jahrhundert hinüber. Sie setzt also mit ihrem Beharren auf dem göttlichen Ursprung der Dichtung und ihrem Festhalten an der Einheit von Form und Inhalt dem moderneren Verständnis des ionischen Sprachraums, der zur selben Zeit der dichterischen Autonomie schon wesentlich mehr Freiraum einräumte, ein deutliches konservatives Bekenntnis 328 Cf. Puelma 1989, 68 Anm. 6 („Die Formel κατὰ κόσµον ... verbindet mit dem Anspruch auf ‚richtige Ordnung’ - nicht ‚Schmuck’ - ... neben dem formalen auch einen inhaltlichen Aspekt: die kunstgerechte Vorführung des traditionellen Mythenstoffes durch den ἀοιδός gewährleistet die richtige Bewahrung der wahren Geschichte, die sich sonst im Munde nicht fachkundiger Sänger verformt und verflüchtigt.”) und 69 Anm. 7 („Es handelt sich ... um eine komplementäre Einheit von traditionellem Mythenschatz, der zum Repertoire des ἀοιδός gehört, und dessen Fähigkeit, diesen in der Berufspraxis des mündlichen Gesangsvortrages mit eigenen Kräften wirkungsvoll zu gestalten.”). 329 Cf. Halliwell 2011, 55-57 und 85 f. („‚Eyewitness’ authenticity does not in any case obscure the suggestion in κατὰ κόσµον of something not just passively reproduced but actively shaped and enhanced by the singer’s own mastery of words ...”). Kapitel 4 206 entgegen. Dass unsere Legende im Unterschied zu der von Chios den Aspekt der Schriftlichkeit nicht stärker betont, ja die schriftliche Niederlegung der Epen ganz im Impliziten belässt und Homer noch als rein mündlichen Dichter darstellt, ist somit nur folgerichtig 330 . 4.4.3 Die Erzählung von der Blendung Homers am Grab des Achilleus als charter myth aus Lesbos Wir haben das obige Kap. 4.3 mit der Frage begonnen, ob mit der Geschichte von der Blendung und Dichterweihe Homers ein charter myth vorliege, ob die Geschichte also für Griechenland ähnliche Bedeutung aufwies, wie sie die Parallelgeschichten über Dichterweihen in Nordwesteuropa für die jeweilige mittelalterliche Gesellschaft Englands, Islands bzw. Irlands innehatten. In einem Punkt muss man diese Frage wohl verneinen, nämlich in Hinblick auf überregionale Ausstrahlung. Denn die Geschichte blieb, soweit wir urteilen können, stets im Schatten der konkurrierenden Geschichte zur Blendung Homers durch Helena und sie erlangte auch nie - mirabile dictu - denselben Bekanntheitsgrad, wie er der Dichterweihe Hesiods in der ‚Theogonie’ zuteil wurde, ja sie wurde sogar überschattet von den Erzählungen zur Initiation jüngerer Dichter wie Aischylos und Pindar 331 . Eher vergleichbar mit unserer Erzählung dürfte daher die Geschichte von der Dichterweihe des Archilochos auf Paros sein, die eng mit dem heimischen Kult des Dichters verbunden war 332 und hauptsächlich von regionaler Bedeutung blieb 333 . Doch zeigt genau diese lokale Tradition von Paros, dass Geschichten von einer Dichterweihe für die jeweilige Gemeinschaft, in der die Erzählung aufkam, von überragender Bedeutung sein können, und genau dies ist die Definition des Begriffes charter myth, ganz gleichgültig, ob es sich bei der jeweiligen Trägerschaft um eine sehr kleine oder um eine sehr große Gemeinschaft handelt. Somit ist es auch passend, dass wir keinen individuellen Urheber oder auch nur Gewährsmann für die Geschichte von der Dichterweihe Homers kennen: Sie war eben offenbar keine individuelle Erfindung eines Autors mit persönlichem literarischem Anspruch, sondern beruhte auf einer anonymen Lokaltradition am 330 Die Legende aus Lesbos mit ihrem nur impliziten Hinweis auf schriftliche Fassungen der homerischen Epen entspricht somit der irischen Erzählung von der Wiederfindung der ‚Táin’ durch den Barden Murgein, während parallele irische Fassungen die schließliche Fixierung des Epos durch die Schrift explizit festhalten (oben Kap. 4.2.2). 331 Zur Dichterweihe des Aischylos cf. Paus. 1,21,2, zu der Pindars cf. Paus. 9,23,2-3 bzw. die ‚Vita Ambrosiana’, I p. 1,6-11 Drachmann (= Chamaileon, Frg. 32a Wehrli 2 = Istros, FGrHist 334 F 77) und I p. 2,6-9 Drachmann. 332 Archilochos, Test. 4 (E 1 col. II) Tarditi, Z. 22-57. 333 Bemerkenswert freilich die Rezeption des Orakelspruchs der Z. 50-52 in einer Reihe späterer Zeugnisse (Test. 9, 50, 115 und 179 Tarditi). Blendung und Dichterweihe 207 Beșik Tepe und wurde dann in Lesbos zu einem nationalen äolischen Mythos erhoben 334 , dessen Sitz im Leben vielleicht die jährliche Bundesfeier der Poleis von Lesbos in Messon am Golf von Kalloni war 335 . Schließlich musste man in Lesbos, dessen führendes Adelsgeschlecht der Penthiliden sich auf Penthilos, den Sohn des Orestes und somit Enkel des Agamemnon, zurückführte, diesem die leitende Rolle bei der äolischen Wanderung zuwies und diese Wanderung als Wiederholung des Trojanischen Kriegs verstand 336 , jedes Interesse daran haben, dass auch der Sänger dieses Krieges durch seine Herkunft aus der Troas als Mitglied der eigenen Gemeinschaft gelten konnte. Die Insel Lesbos bzw. ihre spezifische Mentalität wurde vor rund zwei Jahrzehnten zum Gegenstand einer detaillierten Studie von N. Spencer gemacht. Danach blieb Lesbos auch nach der Einwanderung größerer griechischer Bevölkerungsgruppen Teil des anatolischen Kulturraums 337 und behielt selbst in archaischer Zeit noch seinen konservativen Charakter, der sich in der anhaltenden Verbindung zum kleinasiatischen Festland, aber auch in einem nostalgischen Rückblick zur heroischen Epoche der homerischen Epen zeigte 338 . Hauptsächlicher Träger dieser Kultur war daher die konservative Adelswelt der führenden Familien, die, wenngleich untereinander aufs äußerste zerstritten, an ihren politischen und ökonomischen Privilegien festhielten und in kultureller Hinsicht eine homogene Gesinnung zeigten. Was dagegen fehlte, war ein bürgerliches Gegengewicht, wie es sich in den ionischen Poleis zur selben Zeit unter anderem durch die aufkommende Philosophie und Logographie manifestierte. In diese Welt passt nun unsere Geschichte von der Dichterweihe Homers am Grab des Achilleus sehr gut hinein: Der große Dichter der heroi- 334 Es ist in diesem Zusammenhang noch einmal daran zu erinnern, dass die äolischen Städte der nordwestlichen Troas bis zum Peloponnesischen Krieg unter der Kontrolle Mytilenes blieben (oben Kap. 4.3.2, Anm. 238), was noch Strabon (13,2,1 und 13,3,6) zur Bemerkung veranlasste, dass Lesbos (zusammen mit Kyme) die Mutterstadt der äolischen Poleis sei. In Mytilene konnte man sich daher zur fraglichen Zeit ohne weiteres auf den Standpunkt stellen, dass ein Schafhirte aus einer Apoikia Mytilenes, wie es Achilleion war, gleichzeitig auch Bürger Mytilenes sei, und man wird sich auch kaum die Frage gestellt haben, ob dieser Hirte nun vor oder nach der Gründung der verschiedenen lesbischen Kolonien in der Troas gelebt hatte (cf. den bereits oben in Kap. 4.3.2, Anm. 210 genannten Anachronismus bei Aisch. Eum. 397-402). 335 Cf. die Erläuterungen oben in Kap. 4.3.2. 336 Cf. oben die in den Anm. 278, 280 und 282 genannten Belege. 337 Spencer 1995, 272 und 288. Die Einwanderung äolischer Bevölkerungsgruppen nach Lesbos dürfte um das Jahr 1000 v. Chr. begonnen haben und dauerte noch bis zur geometrischen Periode (Spencer S. 276 f.). Die Niederlassung der äolischen Kolonisten in Lesbos erfolgte daher etwa im selben Zeitraum wie die der ersten äolischen Siedler in der westlichen Troas, bis dann etwa ab dem Jahre 700 ohnehin auch dort von Lesbos her eine verstärkte Siedlungstätigkeit erfolgte (oben Kap. 4.1). 338 Spencer 1995, 293 und 303-305; ähnlich zuvor schon Aloni 1986, 7-9. Kapitel 4 208 schen Welt war damit Äoler und pflegte Adelswerte - man denke nur an die Episode vom Streit des Odysseus mit Thersites im zweiten Buch der ‚Ilias’ 339 -, die dem Denken der lesbischen Clans in schönster Weise entgegenkamen. Er war aber auch ein Dichter, der dank seiner Begegnung mit Achilleus - einem äolischen Helden! - in direkter Verbindung mit der heroischen Welt stand und somit als Vermittler dieser Welt in das Ambiente der archaischen Poleis fungieren konnte und der bei diesen Bemühungen zudem gestützt war durch die göttliche Autorität, die ihm die Dichterweihe durch Thetis und die Musen verlieh. Die Geschichte von der Dichterweihe Homers transportiert damit ein antiintellektuelles Bild der Dichtkunst, das so wohl nur im sechsten Jahrhundert aufkommen konnte und sich nur in Lesbos entfalten konnte, als die Insel noch auf der Höhe ihrer Macht war, bevor sie dann vom späteren sechsten Jahrhundert an immer mehr in Abhängigkeit der Perser bzw. Athens und Spartas geriet. Somit trägt die Erzählung von der Dichterweihe Homers, so charmant oder tragisch-rührend sie uns heute erscheinen mag, einen ernsten ideologischen Anspruch in sich, wie er nur zu diesem bestimmten Ambiente passte. Sie wies damit einen festen Platz im Leben der Bevölkerung von Lesbos auf, und man darf sich daher nicht mehr wundern, dass die Erzählung nach dem Machtverlust der Insel nur noch sehr geringe Resonanz fand, und dass auch die festländischen äolischen Ansprüche auf die Person Homers, wie sie sich in Kyme vom fünften Jahrhundert an wieder verstärkt zeigten, im Vergleich damit doch von eher beschränkter Bedeutung waren und sich mit ihrer defensiven Natur nie wirklich gegen die ionischen Ansprüche auf den Dichterfürsten durchsetzen konnten 340 . 339 Hom. Il. 2,243-277. 340 Immerhin gab es, wie wir oben in Kap. 3.4.2.2 bzw. 3.4.2.3 zeigten, mit dem Motiv von Homers Zeugung in Kyme (Ephoros von Kyme, FGrHist 70 F 1), dem des Aufenthalts von Homer in der äolischen Stadt Bolissos (Ephoros F 103) und dem der äolischen Herkunft von Homers Frau Arsiphone (‚Suda’ ο 251, III p. 525,26-28 Adler [§ 5 West]) recht beachtliche Versuche der Bevölkerung von Kyme, die ionische Tradition durch äolische Elemente zu überlagern, die danach doch einige Wirkung entfalteten und auch den Verfasser der ‚Vita Herodotea’ zur Gestaltung seines Werkes anregten. 5 Schluss Joachim Latacz beschließt in einer vor wenigen Jahren erschienenen Übersicht über die antiken Homer-Viten den Abschnitt über den Lebens- und Wirkungsraum des Dichters mit der Bemerkung, dass es nur schwer verständlich sei, dass keine der antiken Biographien Ilion als Geburts- oder Aufenthaltsort des Dichters nenne 1 . Diese Beobachtung ist korrekt, aber nur wenn man sie stricto sensu nimmt. Denn wir haben oben gesehen, dass nach einer der vielen in der ‚Suda’ referierten Traditionen die Stadt Kenchreai im Inneren der Troas, also eine Stadt im Bannkreis Ilions, der Geburtsort gewesen sein soll 2 , und nach der Tradition, die der Kirchenvater Epiphanios vermittelt, soll Homer Phryger gewesen sein 3 , was sich allgemein auf den Landstrich im Nordwesten Kleinasiens beziehen lässt, aber auch ganz gezielt eine Herkunft aus Ilion bezeichnen könnte 4 . Die größte Annäherung an Ilion oder jedenfalls die ergiebigste Passage aus dieser Traditionslinie ist aber sicherlich unsere Erzählung zur Dichterweihe Homers am Grabhügel des Achilleus, wie sie sich aus dem einschlägigen Abschnitt in der ‚Vita Romana’ und aus dem Eintrag in den Platon-Scholien des Hermeias von Alexandria rekonstruieren lässt. Denn diese Geschichte impliziert nicht nur die Herkunft des künftigen Dichters aus Ilion oder aus dessen nächster Umgebung, sondern verbindet diese Herkunft mit dem Motiv der Blendung und der damit einhergehenden Dichterweihe und vermittelt uns damit eine bedeutungsschwere Botschaft, die - nach unserer Hypothese - im sechsten Jahrhundert in der Troas selbst aufkam und dann in Lesbos definitive Form fand und dem Zweck diente, dem ionischen Homer aus Smyrna und Chios einen äolischen Homer aus der Troas selbst entgegenzusetzen. Wieso diese Tradition gerade im sechsten Jahrhundert aufkam, wurde von uns oben mit den politischen und kulturellen Verhältnissen in der nordöstlichen Ägäis erklärt, also mit der Machtstellung von Lesbos zur fraglichen Zeit und mit dem Aufkommen einer Tradition zur Blindheit Homers, die spätestens im sechsten Jahrhundert im Kreis der Homeriden von Chios entstanden war und mit der Geschichte von der Blendung des Dichters durch Helena bald auch eine einprägsame Erklärung erhielt. Es liegt hier also eine Opposition zwischen äolischen und ionischen Ansprü- 1 Latacz 2011, 21. 2 ‚Suda’ ο 251 (III p. 525,13 Adler [§ 2 West]). Wohl ebenfalls auf Kenchreai zu beziehen ist Inscr. Perg. 203, Z. 12; cf. Kap. 4.3.2, Anm. 174. 3 Epiphanios, Adv. haer. 42,11,17, II p. 128,30 Holl/ Dummer. 4 Zur (gelegentlichen) Gleichsetzung der Phryger mit den Troern cf. oben Kap. 3.1, Anm. 48. Kapitel 5 210 chen auf den Dichterfürsten vor, die sich im fünften Jahrhundert fortsetzt, aber dann vor allem in der äolischen Küstenstadt Kyme hervortritt und sich nicht mehr in erster Linie auf das Motiv von Homers Blindheit fokussiert, sondern in eher noch grundsätzlicherer Weise auf die Frage nach seiner familiären Herkunft und ethnischen Zugehörigkeit. Homer wurde somit zur Projektionsfläche für die ideologischen Differenzen zwischen den verschiedenen griechischen Ethnien, die in archaischer und frühklassischer Zeit einem starken Selbstfindungsprozess unterlagen und daher ein großes Interesse daran hatten, den berühmtesten aller griechischen Dichter zu einem Vertreter ihrer Gemeinschaft zu machen. Es ist somit sicher kein Zufall, dass der Streit um die Herkunft Homers, der sich zwischen der ionischen und der äolischen Volksgemeinschaft zeigt, gerade zu der Zeit so virulent wurde, als beide Volksgruppen ausgearbeitete Mythen zur Wanderung ihrer Vorfahren aus dem griechischen Festland nach Kleinasien entwickelten und diese dann auch mit der Lebenszeit des Dichters synchronisierten 5 , und es ist nur folgerichtig, dass mit Kyme eine Stadt zum Fokalisationspunkt dieses Streits wurde, die in unmittelbarer Nähe zur Grenze zwischen dem ionischen und dem äolischen Dialektgebiet lag und daher besonders gut den Widerpart spielen konnte gegen die nahegelegenen ionischen Hochburgen wie Chios, Kolophon und vor allem das damals in Ruinen liegende, aber immer noch von seinem vormaligen Ruf zehrende Smyrna, als dessen Mutterstadt Kyme sich ohnehin betrachtete. Diese Opposition zwischen den ionischen und den äolischen Ansprüchen auf den Verfasser der bedeutendsten griechischen Epen setzte sich auch im Hellenismus fort und fand eine späte Nachblüte in hadrianischer Zeit, als im Rahmen eines wiedererstarkten äolischen Nationalbewusstseins die weitaus ältere ‚Vita Herodotea’ einer letzten Überarbeitung unterzogen wurde, um auf diese Weise als Waffe im neubelebten ideologischen Kampf zwischen den griechischen Ethnien dienen zu können. Das Fundament für diesen Streit wurde aber bereits im sechsten Jahrhundert gelegt, also zu einer Zeit, als die Biographie des Dichters, wie etwa das Motiv vom Tod des Dichters auf Ios zeigt oder das seines Wettkampfs mit Hesiod in Chalkis, ohnehin in unterschiedlicher Form und in verschiedenen Gegenden Griechenlands eine reiche Ausgestaltung erfuhr. Es müssen also neben den erwähnten ideologischen Differenzen noch andere Gründe gewesen sein, die gerade dieses Jahrhundert für die Entstehung dieser Legenden prädestinierten. 5 Dies besonders deutlich in der Geschichte von der Zeugung Homers auf Ios, welche von den Gewährsmännern explizit mit der ionischen Wanderung synchronisiert wird (Arist. Frg. 76 Rose = Ps.-Plut. Vit. Hom. 1,3,1). Dasselbe Denkmuster zeigt sich aber auch von äolischer Seite in den Bemerkungen des Ps.-Herodot zur Gründung Kymes durch thessalische Siedler, die bald zur Zeugung Homers in Kyme führt (Vit. Hom. 1-2). Schluss 211 In diesem Zusammenhang ist zunächst darauf hinzuweisen, dass das sechste Jahrhundert als Zeitalter der etablierten Kolonien und des verstärkten Überseehandels zweifellos eine Zeit erleichterter Verkehrsströme war. Mit diesen Kontakten ergab sich die Möglichkeit zum Austausch vielfältiger Informationen und damit selbstverständlich auch zum Austausch des jeweiligen Traditionswissens, also grundlegender Mythen der einzelnen Gesellschaften. Ein solches Beispiel haben wir oben in Kap. 4.4.2 mit der Geschichte des fragmentierten und wieder zusammengesetzten Homer-Texts kennengelernt. Dieses Geschichtenmuster, das die Peisistratiden in der zweiten Hälfte des sechsten Jahrhunderts auf die homerischen Epen bzw. auf ihren Vater übertrugen, findet sich auch sonst in der Mehrzahl der bekannten Fälle in indogermanischen Gesellschaften und scheint der indogermanischen Mentalität besonders gut entsprochen zu haben. Es kann dennoch nicht aus altindogermanischer Zeit ererbt sein, weil es ‚heilige Bücher’ und damit eine entwickelte Schriftlichkeit voraussetzt. Es handelt sich also wahrscheinlich um einen Fall horizontaler Transmission zwischen indogermanischen Einzelnationen. Doch auch Kulturkontakte zu den nahöstlichen Völkern nicht-indogermanischer Herkunft sind für diese Zeit in reichem Maße belegt 6 . So dürfte beispielsweise das zentrale Motiv aus der ‚Palinodie’ des Stesichoros, die Blendung des Dichters durch Helena und die Heilung des Sehsinns nach erfolgter Abbitte (PMGF 192-193 = Frg. 91 bzw. 90 Finglass), von zeitgenössischen ägyptischen Traditionen über die Göttin Isis abgeleitet sein, die vielleicht über die griechische Kolonie Kyrene in Libyen nach Griechenland gelangten 7 . Was nun unser Motiv der Dichterweihe Homers am Grab des Achilleus angeht, so finden sich die besten Parallelen im mittelalterlichen Nordwesteuropa und wir verfügen insbesondere mit der Geschichte von der Berufung des isländischen Schafhirten Hallbjörn am Grab des Þorleif über einen nahezu deckungsgleichen Fall. Wie für das Muster des zerstückelten und wieder zusammengesetzten Nationalepos befinden wir uns also im indogermanischen Bereich 8 , und dies ist auch nicht weiter verwunderlich, weil das Thema des Heldentums und seiner Verherrlichung im Heldengesang dort besonders virulent war 9 . Doch wie wir gesehen haben, gibt es Ge- 6 Zum sechsten und frühen fünften Jahrhundert als einer der Hauptphasen nahöstlichen Einflusses auf Griechenland cf. West 1997, VII, 495 und 544. 7 Zur Übernahme des Erzählmusters von Blendung und Heilung aus den Erzählungen über Isis cf. Grossardt 2012, 61-68. 8 Folgerichtig somit auch, dass in der irischen Geschichte von der Wiederfindung des Nationalepos ‚Táin’ durch den Barden Murgein die beiden indogermanischen Erzählmuster miteinander kombiniert wurden. 9 Cf. West 2007, 26-29 und 396-410 (S. 410: „But we have seen enough to establish beyond any reasonable doubt that the idea of posthumous fame was a pervasive theme of Indo-European poetry. ... The hero whose feats achieved acclaim and Kapitel 5 212 schichten von Dichterweihen auch im nahöstlichen und zentralasiatischen Bereich und die konkrete Form unserer Erzählung als Akt der Nekromantie scheint wieder eher von nahöstlicher Herkunft zu sein, sodass sich hier offenbar Traditionen unterschiedlicher Herkunft vermischt haben. Offensichtlich erreichten diese Traditionen spätestens im frühen sechsten Jahrhundert die Troas und wurden auf den Grabhügel des Achilleus übertragen, worauf sie zum Anlass für eine entsprechende Geschichte über den jungen Schafhirten und baldigen Dichter Homer wurden. All dies ist aber mehr eine Voraussetzung für die Entstehung der biographischen Traditionen um die Person Homers und noch keine hinlängliche Erklärung, warum diese Traditionen gerade im sechsten Jahrhundert in verschiedenen Gegenden Griechenlands so sehr aufblühten, wofür die drei hier behandelten Themen des Todes auf Ios, des Wettkampfs mit Hesiod in Chalkis und der Dichterweihe in der Troas nur Beispiele sind. Der Grund dafür dürfte neben den obengenannten ethnischen Differenzen vor allem der gewesen sein, dass die Person Homers im sechsten Jahrhundert gewissermaßen zum Problem geworden war: Man kannte die Epen, die in Form erster Manuskripte vorlagen und durch die Vortragstätigkeit der Rhapsoden allmählich allgemeine Verbreitung erlangten, und man wusste von einem mythischen Dichter namens Homer, dem beinahe alle bekannten Epen zugeschrieben wurden. Die Welt, in der diese Epen entstanden waren, war aber eine fremde geworden, und man hatte insbesondere keine sichere Kenntnis über den Urheber dieser Lieder. Daher wurden gerade im sechsten Jahrhundert verschiedene Interpretationsansätze entwickelt, die das Ziel hatten, diese Kluft wieder zu überbrücken. Träger dieser Bemühungen dürften nicht zuletzt wandernde Rhapsoden gewesen sein, die am jeweiligen Gastort, wie es uns Platons ‚Ion’ lebhaft schildert, die homerischen Epen nicht nur vortragen, sondern auch auslegen mussten 10 . Im Zusammenhang damit kamen sicherlich auch Fragen nach der Person des Dichters auf, und die starke Tendenz, Homers Leben in bescheidenen Farben zu zeichnen, dürfte daher auch mit dem eher niedrigen Status der Rhapsoden in archaischer Zeit zu tun haben, die ihr eigenes prekäres Wanderleben nun auf den mythischen Dichter projizierten 11 . Dies führte dann auch zur immer wieder feststellbaren Neigung, renown in his lifetime could hope that after the death of his body his name would remain ...”). 10 Plat. Ion 530 b 5 d 3. 11 Cf. vor allem von Wilamowitz-Moellendorff 1916b, 367 und 421 („drängt sich der Schluß auf, daß dieses ganze Leben [sc. die ‚Vita Herodotea’] von einem armen Rhapsoden erzählt worden ist”) und Schadewaldt 1942, 53 f. („Und so ist man gewiß auf der rechten Spur, wenn man glaubt, daß zumal die alten Rhapsoden die Erinnerungen an ihn pflegten und schließlich zur zusammenhängenden Erzählung verwoben. Dies muß im Lauf des sechsten Jahrhunderts gewesen sein.”) und 86-88 Schluss 213 Elemente von Homers Biographie in den Epen selbst wiederentdecken zu wollen bzw. verschiedenste Motive der homerischen Epen durch den persönlichen biographischen Hintergrund ihres Verfassers zu erklären. Wir haben diese Tendenz oben am Beispiel des Demodokos kennengelernt, dessen Blindheit und Dichtertalent von der antiken Philologie als Spiegelung von Homers eigener Lebenssituation betrachtet wurde. Es mussten von den Trägern der jeweiligen Legende also Erlebnisse und Persönlichkeitsmerkmale Homers erfunden werden, die in Parallele standen zu den Motiven der Dichtung, und das Beispiel der Blendung und nachfolgenden Dichterweihe am Grabhügel des Achilleus ist nun eben eine solche biographische Episode, die dies besonders gut leistet, zumal sie auch noch das Motiv der glänzenden Waffen des Achilleus aufnimmt, das sich in der ‚Ilias’ findet (und von den Erfindern der Legende tatsächlich nur von dort bezogen werden konnte). Wenn also unsere obige Analyse, die diese Legende in den Zeitraum von etwa 580 bis 535 v. Chr. datierte, richtig ist, so passt dies sehr gut zur allgemeinen Tendenz dieses Jahrhunderts mit seinem starken Interesse an der Biographie Homers. Neben dieser biographischen Interpretationsmethode kamen freilich bald auch anspruchsvollere Formen der Interpretation bzw. der Homer- Kritik auf. So vor allem bei Xenophanes von Kolophon, der vielleicht zunächst selber noch als Rhapsode tätig war 12 , aber mit der Zeit Zweifel am ethischen Gehalt der homerischen Epen entwickelte und dem Dichter daher geradezu Amoral in der Darstellung der Götter vorwarf 13 . Reaktion auf solche Vorwürfe muss die berühmte Interpretationsrichtung des Theagenes von Rhegion gewesen sein, der als erster versuchte, die homerischen Epen allegorisch zu deuten und dies eben an der Theomachie im einundzwanzigsten Buch der ‚Ilias’ vordemonstriert haben soll 14 . Damit konnte nun erstmals der Gegensatz zwischen der scheinbaren homerischen Amoralität und den hohen moralischen Ansprüchen der vorsokratischen Philo- bzw. Schadewaldt 1959, 40 f. und 65 f. sowie noch Lesky 1968, 689, Pòrtulas 2000, 44 f., Graziosi 2004, 52 f. und Latacz 2011, 6 und 17. Für eine Relativierung dieser Sichtweise cf. jedoch die unten in Anm. 25 zitierte Bemerkung von Jacoby 1933, 9 Anm. 1, und es ist ohnehin noch einmal darauf hinzuweisen, dass es, wie Foley 1998 herausgestellt hat, internationale Parallelen zu dieser Art der mythischen Dichterbiographie gibt, sodass wahrscheinlich auch die Homeriden von Chios oder sonstige Rhapsoden die Biographie ihres Ahnherrn bzw. Archegeten mit vorgegebenen Motiven ausstatteten und nicht aussschließlich von ihrer eigenen prekären Lebenssituation ausgingen. 12 So noch die Annahme von Pfeiffer 1978, 25 und Latacz 2011, 4, in Frage gestellt da- 13 Xenophanes von Kolophon, 21 B 11 und 12 D.-K. 14 Theagenes von Rhegion, 8 A 2 D.-K. gegen bei von Fritz 1967, 1543 und Pozdnev 2016, 12-16. Kapitel 5 214 sophie wieder ausgeglichen werden 15 . Dass dieser Ansatz aber nicht nur eine ethische Stoßrichtung hatte, sondern auch bereits philologisch motiviert war bzw. immer noch der alten Informationspflicht der Rhapsoden genügen wollte, zeigt der Umstand, dass es eben derselbe Kritiker war, der als erster die Biographie des Dichters einer systematischen Prüfung unterzog (Theagenes von Rhegion, 8 A 1 D.-K. [= Tatian, Ad Graecos 31,3, p. 31,16 - 32,1 Schwartz = p. 57 l. 13 p. 58 l. 20 Marcovich]: περὶ γὰρ τῆς Ὁµήρου ποιήσεως γένους τε αὐτοῦ καὶ χρόνου καθ᾿ ὃν ἤκµασε προηρεύνησαν πρεσβύτατοι ‹ µὲν › Θεαγένης τε ὁ Ῥηγῖ ‹ ν › ος, κατὰ Καµβύσην γεγονώς, καὶ Στησίµβροτος ὁ Θάσιος καὶ Ἀντίµαχος ὁ Κολοφώνιος Ἡρόδοτός τε ὁ Ἁλικαρνασσεὺς καὶ Δ∆ιονύσιος ὁ Ὀλύνθιος ... - „Über die Dichtung Homers nämlich und über seine Herkunft und die Zeit, zu der er blühte, haben zuerst Theagenes von Rhegion, der unter Kambyses lebte, und Stesimbrotos von Thasos sowie Antimachos von Kolophon, Herodot von Halikarnassos und Dionysios von Olynthos Nachforschungen angestellt ...”) 16 . Wenn wir jedoch noch für einen Moment bei der vorhin genannten Methode bleiben, die homerischen Dichtungen als Reflex seiner persönlichen Biographie zu verstehen, so erfuhr dieser Interpretationsansatz seine deutlichste Ausprägung erst in der ‚Vita Herodotea’, in der eine ganze Reihe von homerischen Figuren wie die beiden Ratgeber Mentes und Mentor aus der ‚Odyssee’, der Sänger Phemios aus demselben Epos und der Schuster Tychios aus der ‚Ilias’ als persönliche Bekannte Homers ‚identifiziert’ sind 17 und mit dem Ziegenhirten Glaukos ein eigentlicher Doppelgänger zum Schweinehirten Eumaios aus der ‚Odyssee’ vorliegt. Diese Vita dürfte in ihrer kanonischen Form erst aus dem späteren fünften Jahrhundert datieren und stammt nach unserer Annahme aus der Feder des Sophisten Hippias von Elis 18 . Ein großer Teil der Motive ist aber älter 19 , und was die homerischen Figuren angeht, die in der ‚Vita’ wiederkehren, so können insbesondere Tychios und Phemios schon aus diesen älteren Erzählstrata stammen. Denn der Schuster Tychios, der in Neon Teichos residiert und den blinden Dichter gastfreundlich aufnimmt (Ps.- Hdt. Vit. Hom. 9) und seinen Namen sowie seinen Beruf der Schilderung in der ‚Ilias’ (7,219-223) verdankt, sollte, wie das eingelegte Epigramm nahe- 15 Cf. Detienne 1962, 65-67, der allerdings annimmt, dass Theagenes diese Form der Homer-Auslegung vom zeitgenössischen Pythagoreismus übernahm. 16 Cf. die Einordnung dieses Zeugnisses in die Geschichte der antiken Homer-Bio- 17 Cf. insbesondere die zusammenfassenden Bemerkungen bei Ps.-Hdt. Vit. Hom. 26. 18 Cf. unsere Analyse oben in Kap. 3.4.2.2 bzw. 3.4.2.3. 19 Es sei hier noch einmal an den „alte(n) ionische(n) Erzählungsstoff” erinnert, den von Wilamowitz-Moellendorff 1916b, 417 für weite Teile der ‚Vita Herodotea’ konstatierte, sowie an die ithakesische Lokaltradition zur Erblindung Homers, gegen welche Ps.-Herodot (Vit. Hom. 7) polemisiert. graphie bei Pfeiffer 1978, 27 f. und Graziosi 2002, 76; kritisch dazu freilich Pozdnev 2016, 16-23. Schluss 215 legt, schon im sechsten Jahrhundert zu dieser Funktion gelangt sein. Phemios dagegen steht in seiner Funktion als Stiefvater Homers (Ps.-Hdt. Vit. Hom. 4) zwar in Konkurrenz zu Homers Vater Maion 20 und geht daher schwerlich auf authentische Lokaltradition aus Smyrna zurück. Doch ist er als Stiefvater auch bei Ephoros von Kyme (FGrHist 70 F 1) erwähnt, der wiederum kaum von der ‚Vita Herodotea’ abhängt 21 . Somit geht die Figur des Phemios wohl auf die Lokaltradition von Kyme zurück, was für die Datierung immerhin noch auf das (frühere) fünfte Jahrhundert weist. Was die weiteren Personen angeht, so ist die Beurteilung schwieriger, doch waren möglicherweise auch Mentes und Mentor bereits Teil der älteren Tradition. Denn Homers Aufenthalt auf Ithaka ist auch unabhängig von der ‚Vita Herodotea’ bezeugt 22 und das Motiv wird bereits von dieser einer (partiellen) Kritik unterzogen 23 . Das Motiv von Homers Reise in die Heimat des Odysseus dürfte also älter als unser Text gewesen sein, und in diesem Fall ist es gut denkbar, dass auch Mentes und Mentor in diesen Erzählungen bereits Erwähnung fanden 24 . Die schließliche Systematisierung dieses biographischen Prinzips, die Homers Reise in eine perfekte Parallele stellt zu den Abenteuern des Odysseus, und vor allem die Persiflage dieses Verfahrens, die mit dem Motiv der Einkehr bei Glaukos auf die Trugreden des Odysseus zurückweist und damit den eigenen Wahrheitsanspruch gänzlich desavouiert, dürfte aber erst ein Werk des späteren fünften Jahrhunderts gewesen sein und geht, wenn wir uns nicht täuschen, auf den Sophisten Hippias von Elis zurück oder doch jedenfalls auf einen 20 Maion als Vater (oder Stiefvater) Homers bezeugt u.a. bei Pherekydes von Athen, FGrHist 3 F 167 (= Frg. 167 Fowler), Hellanikos von Lesbos, FGrHist 4 F 5b (= Frg. 5b Fowler), Aristoteles, Frg. 76 Rose, Ephoros von Kyme, FGrHist 70 F 1 und Kleanthes, SVF I 592. 21 Dies zeigt sich eben in der Genealogie Homers, die bei Ephoros erheblich abweicht von der Genealogie bei Ps.-Hdt. Vit. Hom. 1. Außerdem sei hier noch einmal in Erinnerung gerufen, dass es in Kyme ohnehin eigenständige Traditionen zur Person Homers gab wie die zur Einkehr des Dichters in Bolissos bzw. zum äolischen Charakter der Polis (Ephoros von Kyme, FGrHist 70 F 103) oder die zu Homers Schwiegervater Gnotor (‚Suda’ ο 251, III p. 525,26-28 Adler [§ 5 West]); cf. oben Kap. 3.4.2.2 bzw. 3.4.2.3. 22 Hermesianax von Kolophon, Frg. 7,27-32 Powell (= Frg. 3,27-32 Lightfoot); Herakleides Lembos, Pol. 32 Schneidewin (= Frg. 64 Dilts); ‚Vita 5’ § 5 (V p. 249 l. 35-36 Allen = p. 30,1-2 von Wilamowitz-Moellendorff). 23 Ps.-Hdt. Vit. Hom. 7. 24 Dieser Gedanke wird auch dadurch nahegelegt, dass an der genannten Stelle des Hermesianax von Kolophon (Frg. 7,27-32 Powell) Penelope in ganz analoger Weise als persönliche Bekannte des Dichters ‚identifiziert’ ist. Das Verfahren der biographischen Gedichtinterpretation geht also auch in Bezug auf das Figurenarsenal von Ithaka mindestens bis in das dritte Jahrhundert v. Chr. zurück und kann durchaus noch einiges älter sein. Kapitel 5 216 Vertreter seines Berufsstands, der dem altionischen Erzählstoff damit neue literarische Weihen zu verleihen suchte. Nachdem also bereits das sechste Jahrhundert Episoden aus dem Leben des Dichters erfunden hatte, die dazu geeignet waren, unterschiedlichen lokalen oder regionalen Ansprüchen zu dienen und damit zu Waffen im Kampf um die kulturelle Hegemonie in Griechenland zu werden 25 , setzte sich dieser Trend im fünften Jahrhundert fort, nahm aber nun eine zusätzliche Wendung und diente mehr und mehr autonomen künstlerischen Interessen 26 . Dies ist genau das, was wir oben auch für die Tradition vom Dichterwettkampf zwischen Homer und Hesiod feststellen konnten, die von böotischer Herkunft war und der Stützung einer lokalen Dichterschule dienen sollte, aber noch im fünften Jahrhundert nach Athen gelangte und dort die definitive Prägung erhielt. Es bleibt natürlich Hypothese, dass das ‚Certamen’ von Gorgias von Leontinoi stammt und damit wie die ‚Vita Herodotea’ seine entscheidende Ausprägung durch einen der führenden Sophisten aus den Anfangsjahren des Peloponnesischen Kriegs erfuhr. Aber dass die beiden Erzählungen eine vergleichbare Charakteristik zeigen 27 , wird man kaum bestreiten wollen, und es ist eben der romanhafte bis ironische Duktus der beiden Arbeiten, der diese von den anderen antiken Homer-Viten absetzt, die in einem wesentlich trockeneren wissenschaftlichen Stil geschrieben sind und daher nicht denselben literarischen Anspruch erheben wie das ‚Certamen’ oder die ‚Vita Herodotea’ 28 . 25 Cf. Jacoby 1933, der eben aus diesem Grund die oben genannte These zur Entstehung der Homer-Biographie in den Erzählungen der Rhapsoden relativiert (S. 9 Anm. 1: „Wohl aber ist zu sagen, daß auch die Rhapsoden meist nur Vermittler sind und darüber hinaus die ersten gelehrten Konstrukteure; primär scheinen lokale Überlieferung oder aber lokale Ansprüche. Erfindungen der Rhapsoden scheinen selten gewesen zu sein und betreffen jedenfalls nicht das Wesentliche.”). 26 Diese Literarisierung der alten Erzähltraditionen war es schließlich auch, die den alten Streit um die Herkunft Homers überwand, der in späteren Jahren meistens nur noch mit einem humoristischen non liquet beantwortet wurde; cf. neben den einschlägigen Epigrammen zu den sieben oder mehr rivalisierenden Städten (Anth. Pal. 16,294-299) solche Stellen wie Philostr. Her. 44,2-3 und Hld. 3,14,4 sowie das salomonische Verdikt des Grammatikers Proklos (Vit. Hom. § 2, V p. 99,13-14 Allen = p. 26,7-8 von Wilamowitz-Moellendorff = p. 68 l. 11-12 Severyns: καὶ καθόλου πᾶσα πόλις ἀντιποιεῖται τἀνδρός, ὅθεν εἰκότως ἂν κοσµοπολίτης λέγοιτο. - „Und überhaupt erhebt jede Stadt Anspruch auf den Mann, weswegen er passenderweise als Weltbürger bezeichnet werden könnte.”). 27 So etwa noch West 2003, 304 und Hägg 2012, 141 f. 28 Jacobys Verdikt zum „Eindruck eines gelehrten Traktats”, den die ‚Vita Herodotea’ mache (Jacoby 1933, 11), bedarf also doch einer gewissen Einschränkung, weil bei einer solchen Charakterisierung die Gefahr besteht, dass der kategoriale Unterschied zwischen den literarischen Homer-Viten aus der klassischen Zeit und den wissenschaftlichen Viten aus der hellenistischen und römischen Epoche verwischt wird. Schluss 217 Die noch aus dem siebten oder sechsten Jahrhundert überlieferten Erzählungen verloren somit im fünften Jahrhundert durch diese literarische Bearbeitung - sei sie nun das Werk der beiden genannten Sophisten oder anderer vergleichbarer Geister - mehr und mehr ihre ideologische Funktion, wurden aber dafür sprachliche Kunstwerke mit einiger Strahlkraft für ganz Griechenland, wenn sie auch eher zur Unterhaltungsliteratur gerechnet wurden und sich daher in der antiken wissenschaftlichen Literatur nur selten zitiert finden und eher etwas waren für gewitzte Köpfe wie Aristophanes, der im ‚Frieden’ humorvoll auf den Wortwechsel zwischen Hesiod und Homer anspielte, oder den alternden Sophokles, der sich in seiner Liebespein das Epigramm aus Kapitel 30 der ‚Vita Herodotea’ aneignete 29 , bzw. Kallimachos, der nicht nur in seinem Hymnos an Athene den bereits von Aristophanes aufgenommenen Faden weiterspann, sondern wahrscheinlich auch in seinen Epigrammen auf eines der Epigramme aus der ‚Vita Herodotea’ Bezug nahm 30 . Überhaupt wurde die Biographie Homers seit spätklassischer Zeit nun verschiedensten burlesken Behandlungen unterzogen 31 , aus denen vor allem die Geschichte von seinem Besuch in Athen und von der dort erfolgten Verurteilung des Dichters wegen Wahnsinns und Asebie 32 und die Erzählung von seinem längeren Aufenhalt in Ithaka wegen seiner Verliebtheit in Penelope 33 herausstechen. Zusammen mit der älteren Tradition vom rastlosen Wanderleben Homers führte dies zum populären Bild des heimatlosen Bettelpoeten, dessen mühebeladenes Leben Ovids Vater seinem Sohn später in so eindringlichen Worten als Warnung vor Augen führte (trist. 4,10,21 f.: saepe pater dixit ‚studium quid inutile temptas? / / Maeonides nullas ipse reliquit opes.’ - „Oft sagte mein Vater: ‚Was gibst du dich mit einer unnützen Beschäftigung ab? Maeonides hat selber keine Reichtümer hinterlassen.’”). Eine Erzählung wie die von der Dichterweihe Homers am Grabhügel des Achilleus, die diesem Klischee nicht entsprach und die zudem außerhalb des dominanten ionischen Sprachgebiets beheimatet war, sodass ihr der Schritt von der lokalen Legende zum literarischen Kunstwerk nicht gelang, verlor dagegen mit der Zeit immer mehr an Bedeutung und fand 29 Aristoph. Pax. 1282 f. (cf. oben Kap. 3.1); Soph. TrGF 4 T 77 (oben Kap. 3.4.2.4). 30 Call. Lav. Pall. 9-11 bzw. Epigr. 58 Pf. (oben Kap. 3.4.2.4). 31 Leider nicht näher bekannt ist die Komödie Ὅµηρος ἢ Ἀσκηταί ( Σοφισταί varia lectio) des Metagenes von Athen (Frg. 10-12 K.-A.), die kurz nach 400 v. Chr. aufgeführt wurde. Sie könnte Homer selbst in einen komischen Zusammenhang gestellt haben, aber auch seine frühen Erklärer, die „wissenschaftlichen Experten” des Doppeltitels, aufs Korn genommen haben. 32 Herakleides Pontikos, Frg. 169 Wehrli 2 (= Diog. Laert. 2,43); Dares Phrygius, Prologus (= angeblicher Brief des Cornelius Nepos an Sallust); wohl ebenfalls in dieser Motivtradition stehend Dion Chrysostomos 47,5 und Martial 5,10,8. 33 Hermesianax von Kolophon, Frg. 7,27-32 Powell (= Frg. 3,27-32 Lightfoot). Kapitel 5 218 daher nur noch ganz vereinzelt Erwähnung in antiquarischen oder gelehrten Texten. Dies mag sogar der normale Gang der Dinge gewesen sein 34 . Doch sollte die Geschichte für uns heute eine heilsame Erinnerung sein, dass Homer auch im sechsten und frühen fünften Jahrhundert keineswegs immer nur als der kranke und verarmte Wanderer angesehen wurde, als den ihn anderthalb Jahrhunderte nach Ovid auch Lukian in seiner ‚Lobrede auf Demosthenes’ hinstellt (Dem. Enc. 9: [ φασίν ] καὶ µηδ᾿ ὅπως πρὸς τὸν Ἡσίοδον εἶχεν ἡλικίας σαφῶς εἰδέναι, τύχην δὲ πενίας ἢ πάθος ὀµµάτων - „sie sagen, sie wüssten auch nicht einmal genau, wie sich sein Alter zu dem des Hesiod verhalte, aber dass er das Schicksal der Armut oder eine Krankheit an den Augen erlitten habe”). Dieses landläufige Homer-Bild aus Hellenismus und Kaiserzeit ist also ein Rezeptionsphänomen 35 , das zwar an eine alte Tradition anschließen konnte, diese aber in einseitiger Weise verabsolutierte und von allen anderen Traditionen absah, die ein weitaus ehrfürchtigeres Verhältnis zum großen Dichter zeigten und selbst solche Motive wie Armut und Blindheit aus einer wohlwollenden Perspektive betrachteten oder sie gar als persönliche Auszeichnung verstanden. Denn schon die Tradition der Homeriden von Chios führt uns mit ihrer Erzählung von der Blendung des Dichters durch Helena einen wesentlich anderen, weitaus selbstbewussteren Homer vor 36 , und wenn wir uns die berühmte Geschichte vom ungelösten Läuserätsel und vom folgenden Tod des Dichters auf Ios ansehen, so fügte sich diese kuriose Erzählung zwar nahtlos in die sonstigen frühen Traditionen zum Leben Homers ein, die im ionischen Sprachgebiet aufgekommen waren, und regte daher die Phantasie der Menschen, wie die Vielzahl der Testimonia von Heraklit bis zu pompejanischen Wandgemälden zeigt 37 , zu immer neuen Darstellungen an. Doch lag der ursprüngliche Impuls zu dieser Geschichte keineswegs im Verlangen nach einer burlesken Erzählung, die den großen Dichter auf durchschnittliches Menschenmaß herunterholen sollte, sondern im Wunsch nach einer Kultstätte, die als Fokalisationspunkt einer panionischen Identitätsfindung in Zeiten des raschen gesellschaftlichen Umbruchs dienen konnte. Diese religiöse Dimension der 34 Cf. den Fall der älteren böotischen Form des Dichterwettstreits mit Homer als dem Herausforderer und Hesiod als dem Kontrahenten und Sieger, die von der literarischen attischen Version fast vollständig verdrängt wurde und sich daher nur noch im Werk des lokalen Autors Plutarch (Conv. sept. sap. 10, 153 f - 154 a) verzeichnet findet. 35 Zur Fortsetzung dieser Rezeptionstendenz in der modernen Zeit, wie sie sich vor allem in der oben zitierten Arbeit von Schadewaldt 1942 bzw. 1959 zeigt, cf. Vogt 1991, 373 f. 36 ‚Vita Romana’ § 5, V p. 252 l. 51 p. 253 l. 57 Allen = p. 31,32 - 32,6 von Wilamowitz- Moellendorff; cf. oben die Besprechung in Kap. 4.4.1. 37 Heraklit, 22 B 56 D.-K. = Frg. 21 Marcovich; Wandgemälde in der ‚Casa degli Epigrammi’ (oben Kap. 2, Anm. 59). Schluss 219 Erzählung wurde im Verlauf der Jahrhunderte immer mehr überschattet von der Faszination, die das Paradoxon des sprachlosen Dichters ausübte, und es mag auch sein, dass die Insel Ios mit ihrer bescheidenen Größe auf Dauer den bedeutenderen ionischen Kult- und Gedenkstätten Homers wie Chios, Delos und Smyrna nicht standhalten konnte. Doch dass man in Ios selbst bis weit in die Kaiserzeit hinein an diesen bereits aus archaischer Zeit stammenden kultischen Traditionen festhielt, zeigt neben der anhaltenden Münzproduktion, Hinweisen auf regelmäßige Opfergaben und einschlägigen Inschriften insbesondere auch eine bedeutsame Bemerkung des Periegeten Pausanias 38 . Dieselbe Erscheinung zeigt sich nun auch in unserer äolischen Geschichte von der Blendung Homers und von seiner gleichzeitigen Dichterweihe am Grab des Achilleus, die einer hochsakralen Sphäre angehört und einst einen richtiggehenden Leitmythos für die Insel Lesbos und vielleicht überhaupt für die Gemeinschaft der Äoler dargestellt haben muss 39 . Zwar fiel diese Erzählung im diametralen Gegensatz zur Geschichte vom Läuserätsel der Ungunst der Zeit fast völlig zum Opfer, weil sie den dominierenden ionischen Erzähltraditionen zum Leben Homers machtlos gegenüberstand und weil sie nicht in das tragikomische Homer-Bild hineinpasste, in das die ionischen Traditionen immer stärker einmündeten. Der dahinterstehende religiöse Impuls war aber in beiden Fällen genau derselbe, zumal beide Traditionen in archaischer Zeit entstanden und damals ihre Hochblüte erlebten. Zu dieser Zeit muss die Bedeutung unserer Legende von Homers Dichterweihe am Grab des Achilleus somit noch eine ganz andere gewesen sein, als die dürftige Überlieferung in Hellenismus und Kaiserzeit glauben lässt. Es war daher durchaus kein Fehlgriff, wenn Angelo Poliziano im Jahre 1485 in seiner ‚Ambra’ (V. 260-298) gerade diese Episode zum Auftakt bzw. ersten Höhepunkt seiner praeconia Maeonidae magni machte und damit der Erzählung unter neuen Auspizien ihre alte Bedeutung und Würde wiedergab 40 . 38 Münzen aus dem vierten bzw. ersten Jahrhundert v. Chr.: Schefold 1997, 156 (mit Abbildung 71) bzw. 402 (mit Abbildung 274); regelmäßige Opfergaben: Varro, Frg. 69 Funaioli = Gell. 3,11,7); kaiserzeitliche Inschriften: IG XII 5,1,15 (3. Jh. n. Chr.); Bemerkung des Periegeten: Paus. 10,24,2; cf. die eingehendere Darstellung oben in Kap. 2. 39 Da auch das Motiv des Wettkampfs zwischen Homer und Hesiod nach unserer obigen Annahme (Kap. 3.2) im Kreis einer Kultgemeinschaft bzw. einer dazu vereinigten Gruppe von Rhapsoden entstanden ist, gehören also alle drei hier behandelten Episoden aus dem Leben Homers letztlich einer sakralen Sphäre an und keine ist - im vorgenannten Sinne - freie Erfindung einzelner wandernder Rhapsoden. 40 Cf. die Diskussion dieser Darstellung in der folgenden Appendix. Appendix Die Dichterweihe Homers am Grabhügel des Achilleus in der italienischen Tradition von Renaissance und Klassizismus (Angelo Poliziano, Pietro Testa) So selten wie die Erzählung von der Dichterweihe Homers am Grabhügel des Achilleus in der Antike belegt ist, so wenig bekannt ist sie auch in der Moderne. Dennoch findet sie sich in eigentlich recht prominenter Form in zwei Beispielen der frühneuzeitlichen italienischen Tradition, in einem längeren Abschnitt der ‚Ambra’, des dritten Teils der ‚Silvae’ des Angelo Poliziano, und in einem Gemälde des Pietro Testa aus der Mitte des siebzehnten Jahrhunderts. Die folgenden Erläuterungen wollen daher diese Werke kurz vorstellen und dann etwas näher auf die Quellenfrage eingehen. Gegenstand der ‚Ambra’ sind die Biographie und das Schaffen des Dichterfürsten Homer. Die ‚Ambra’ ist in Hexametern verfasst und bildete den poetischen Auftakt zu seiner Homer-Vorlesung, die Poliziano im akademischen Jahr 1485/ 1486 an der Universität von Florenz hielt; das Gedicht wurde noch im November 1485 in Florenz gedruckt und erlangte daraufhin weite Bekanntheit 1 . Vorausgegangen war eine lange Beschäftigung Polizianos mit Homer, insbesondere als Übersetzer, aber auch im Sinne eines detaillierten philologischen Studiums 2 . Polizianos Quellen für die Abfassung der ‚Ambra’ waren daher neben den homerischen Epen selbst sonstige antike Dichtungen wie die ‚Posthomerica’ des Quintus von Smyrna und diverse antike Prosaschriften wie insbesondere die Homer- Viten des Ps.-Herodot und des Ps.-Plutarch, die Poliziano in der Bibliothek seines Gönners Lorenzo de’ Medici zugänglich waren 3 . Einer der Höhepunkte der Darstellung ist die Geschichte von der Begegnung Homers mit dem Geist des Achilleus (‚Ambra’, V. 260-298), die 1 Cf. die Zusammenstellung der einschlägigen Testimonia bei Maïer 1966, 426 f. und Perosa 1994, XXXVII f. 2 Eingehend besprochen von Maïer 1966, 83-98. 3 Cf. die allgemeine Übersicht über Polizianos Quellen bei Fantazzi 2004, XV f. und die genaue Auflistung der Handschriften des Ps.-Herodot und des Ps.-Plutarch bei Maïer 1966, 91 Anm. 45. Appendix 222 ihrerseits wiederum Teil einer längeren Passage zum Heranwachsen des jungen Dichtergenies ist 4 : 260 265 270 275 280 285 290 295 Iamque insana sacrum vis insertusque medullis exstimulat vatem Aeacides, iam parturit altum mens opus, et magnis animosa accingitur ausis. ille tamen quaenam ora sui, qui vultus Achilli quive oculi, quantus maternis fulguret armis, scire avet (ah nimius voti! ); violentaque fundens murmura, terribilem tumulo ciet improbus umbram. continuo Sigeus apex concussus in aequor procumbit, raucumque gemit Rhoeteia contra litora, et effusis tremit ardua fontibus Ide, semiustumque cavo Xanthus crinem abdidit antro. ecce tuens torvum, nec vati impune videndus, Phthius honoratis heros adstabat in armis, qualis Peliaca Teucros obtriverat hasta, Priamiden versa a Danais dum quaereret ira ultor, et heu fluviis miseros campisque fugaret. flammeus ignescit thorax, auroque minatur terrifico radiatus apex; in nubila surgit fraxinus, et longa rursum Hectora vulnerat umbra; ipse ardens clypeo ostentat terramque fretumque, atque indefessum solem, solisque sororem iam plenam, et tacito volventia sidera mundo. ergo his defixus vates, dum singula visu explorat miser incauto, dum lumina figit, lumina nox pepulit; tum vero exterritus haesit, voxque repressa metu, et gelidos tremor impulit artus. at iuvenem sacer Aonium miseratus Achilles (quandoquidem, Saturne, tuas inflectere leges haud licitum cuiquam), clypeo excipit, oraque iungens inspuit augurium; baculum dat deinde potentem Tiresiae magni, qui quondam Pallada nudam vidit, et hoc raptam pensavit munere lucem, suetus inoffensos baculo duce tendere gressus. nec deest ipse sibi; quin sacro instincta furore ora movet, tantique parat solatia damni. Aeaciden tamen, Aeaciden caelo aequat et astris, 4 Text mit geringfügigen Abweichungen zitiert nach Bausi 1996, 129-132 (ein Lesetext mit englischer Übersetzung findet sich bei Fantazzi 2004, 86-89); die deutsche Übertragung stammt vom Verfasser. Dichterweihe Homers in italienischer Tradition 223 Aeaciden famae levat arduus alite curru, unum Dardanidis, unum componit Achivis Aeaciden, unum ante omnis miratur amatque. Schon treibt die Gewalt des Wahnsinns und der in das Mark eingedrungene Aiakide den heiligen Dichter an, schon bringt sein Geist ein erhabenes Werk hervor und gürtet sich beherzt für ein großes Wagnis. (263) Jener jedoch trachtet zu wissen, wie denn das Gesicht, das Antlitz seines Achilleus sei oder wie die Augen, in wie großer Gestalt er in den Waffen der Mutter glänze (oh, welche Vermessenheit im Wunsch! ), und kräftige Töne von sich gebend, ruft er ruchlos den furchterregenden Schatten aus seinem Grabhügel hervor. (267) Sogleich streckt sich die erschütterte Landspitze von Sigeion ins Meer vor und stöhnt rauh gegenüber den Ufern von Rhoiteion; es zittert der steile Ida, nachdem Quellen hervorgesprudelt sind, und der Xanthos verbirgt sein halbverbranntes Haar in einer geräumigen Höhle. (271) Sieh da, düster schauend und auch von einem Dichter nicht straflos zu erblicken, stand der Held aus Phthia in den ehrenvollen Waffen da, wie er einst mit der Lanze vom Pelion die Teukrer vernichtet hatte, als er den Zorn von den Danaern weggewendet hatte und als Rächer den Priamiden suchte und - oh Schrecknis - die Unglücklichen in den Flüssen und auf den Feldern verfolgte. (276) Der flammende Brustpanzer leuchtet auf und mit schrecklichem Gold droht der strahlende Helm, zu den Wolken erhebt sich die eschene Lanze und sie verwundet Hektor erneut mit ihrem langen Schatten. Er selbst zeigt glühend auf seinem Schild das Land und das Meer und auch die unermüdliche Sonne und die Schwester der Sonne, die schon voll ist, sowie die Sterne, die im stillen Weltall dahinziehen. (282) Während also der Dichter die Aufmerksamkeit darauf richtet und das einzelne in seinem Unglück mit einem unvorsichtigen Blick mustert, während er die Augen fest gerichtet hält, schlägt dunkle Nacht seine Augen. Da aber blieb er erschrocken stehen, seine Stimme versagte vor Angst und ein Zittern ergriff seine kalten Glieder. (286) Achilleus jedoch empfand Mitleid mit dem aonischen Jüngling (da es ja, Saturnus, niemandem erlaubt ist, deine Gesetze zu beugen), er nahm ihn mit dem Schild auf und, den Mund zum Mund führend, spie er Weissagekunst in ihn hinein. Daraufhin gab er ihm den mächtigen Stab des großen Teiresias, der einst Pallas nackt gesehen hatte und mit diesem Geschenk einen Ausgleich für das geraubte Augenlicht erhielt, fortan daran gewöhnt, mit dem Stab als Führer ungehinderte Schritte zu tun. (293) Auch lässt er sich selbst nicht im Stich, nein, Appendix 224 er bewegt seinen von heiliger Wut getriebenen Mund und verschafft sich Trost für solch großen Verlust. Dennoch macht er den Aiakiden, ihn den Aiakiden, dem Himmel und den Sternen gleich und erhebt den Aiakiden mit dem geflügelten Karren des Ruhms steil in die Höhe. (297) Ihn allein vergleicht er mit den Dardaniden, ihn, den Aiakiden, allein mit den Achaiern, ihn allein bewundert und liebt er vor allen. Die Besonderheit in Polizianos Darstellung im Vergleich mit der antiken Tradition besteht nun darin, dass Homer schon sehr früh in kindlichem Spieltrieb beginnt, auf der Flöte zu blasen (V. 233-239), und als junger Erwachsener - wiederum ohne jede Anleitung - sich der Dichtung zuwendet und starkes Interesse für diese Kunstform entwickelt (V. 253-259). Die folgende Begegnung mit Achilleus ist also keine eigentliche Initiation in die Dichtkunst, aber doch eine Dichterweihe im Sinne der Erwählung des künftigen Dichters durch eine Person von göttlicher Autorität und damit im Sinne einer Sanktionierung natürlicher Anlagen durch eine übernatürliche Instanz 5 . Da Poliziano mit dieser Erzählung dem Übervater der Dichtkunst ein Denkmal setzt und somit auch sein eigenes größtes Vorbild benennt, hat die Episode in der Polizian-Forschung naturgemäß einige Aufmerksamkeit gefunden, und Polizianos Quelle schien gesichert, da sich nachweisen lässt, dass der humanistische Dichter gute Kenntnis der Platon-Scholien des Hermeias besaß und sich insbesondere mit dem Eintrag zur Begegnung Homers mit Achilleus (Herm. in Phdr. 243a, p. 80,2-7 Lucarini/ Moreschini) gründlich beschäftigt hatte 6 . Auffällig allerdings ist, dass keines der spezifischen Merkmale dieser Version in der ‚Ambra’ Berücksichtigung findet, so insbesondere nicht das pittoreske Motiv, dass Homer als Schafhirte zum Grab des Achilleus gelangt 7 , und ebensowenig das folgende Motiv der Opfergaben für Achilleus. Nicht weniger auffällig ist freilich, dass in den Platon-Scholien im Grunde gar nicht von einer Dichterweihe die Rede ist, denn Hermeias spricht lediglich von der Blendung des künftigen Poeten 8 . Bleibt man in der Quellenfrage bei dieser Festlegung auf 5 Zur Einordnung der Passage in den poetologischen Diskurs der Renaissance cf. Cropper 1980, 264 f. und Galand-Hallyn 1995, 139-144. 6 Poliziano exzerpierte eigenhändig in Codex Magl. VIII 1420 (f. 100 r-v ) die Passage zur Blindheit der beiden Dichter Homer und Stesichoros aus dem Kommentar des Hermeias (p. 80,2-27 Lucarini/ Moreschini); cf. Maïer 1965, 122. 7 Es sei denn, man sieht in Homers vorangehender Beschäftigung mit der Panflöte und der Dichtkunst den Hirtenberuf impliziert. Aber auch dann bleibt es bemerkenswert, dass Poliziano nicht explizit darauf eingeht. 8 Dasselbe gilt auch für die kurze Behandlung der Erzählung in der ‚Exegesis in Homeri Iliadem’ des Johannes Tzetzes (p. 37,19-21 Hermann = p. 57,3-4 Papathomopoulos; p. 154,4-7 Hermann = p. 458,1-4 Papathomopoulos). Ohnehin ist festzuhal- Dichterweihe Homers in italienischer Tradition 225 die Platon-Scholien 9 , so muss man also annehmen, dass Poliziano selbständig erahnte, dass diese Geschichte auf eine Dichterweihe hinauslief. Eine solche Annahme ist nicht unmöglich, da im Schlussteil der Episode starke Anklänge an die Geschichte von der Blendung des Teiresias durch Athene und von seiner Berufung zum Seher vorliegen 10 , die insbesondere Kallimachos in seinem Hymnos an Pallas Athene mit reichen Farben gezeichnet hatte 11 . ten, dass Poliziano zwar Interesse für diesen Text zeigte und eigenhändig Exzerpte aus dem wichtigsten Überlieferungsträger (heute Codex R 16.33 des Trinity College von Cambridge) anfertigte, dass aber diese Beschäftigung mit dem Text erst in das Jahr 1491 fiel (Daneloni 2009, 98 f.) und damit um einige Jahre zu spät kam für eine Verarbeitung in der ‚Ambra’. 9 So nach dem Vorbild von Allacci 1640, 145-147 beispielsweise noch Cropper 1980, 263 und Fantazzi 2004, 177 Anm. 65. 10 Ein weiteres Merkmal des Texts, das ‚Einspucken’ der Weissagekunst (V. 288 f.: oraque iungens / / inspuit augurium), das sich weder durch die antiken Zeugnisse zur Dichterweihe Homers noch durch die Sage von Teiresias erklären lässt, findet eine ungefähre Parallele in Polizianos eigener ‚Manto’ im Motiv der Dichterweihe des neugeborenen Vergil durch die Seherin Manto (V. 313 f.: osculaque ore legens sacrum inspiravit amorem / / afflavitque animum - „Küsse mit dem Mund empfangend, hauchte sie heilige Liebe in ihn ein und blies ihm Mut zu”) und erklärt sich wohl zuletzt durch die Geschichte des jungen Branchos, der, geküsst durch Apollon, gleichfalls zum Seher wurde (Konon, Narr. 33; Lact. Plac. Schol. Stat. Theb. 8,198, p. 513-514 Sweeney [= Varro, Ant. rer. div. Frg. 252 Cardauns]: hic cum in silvis Apollinem osculatus fuisset, comprehensus est ab eo et accepta corona virgaque vaticinari coepit et subito nusquam comparuit. - „Als dieser in den Wäldern den Apollon geküsst hatte, wurde er von ihm gepackt, und nachdem er den Kranz und den Stab erhalten hatte, begann er zu weissagen und war plötzlich nirgendwo mehr zu sehen.”). Das Motiv der Seherbzw. Dichterweihe mittels eines Kusses ist in der ‚Ambra’ also in sehr passender Weise von Apollon und Branchos auf Achilleus und Homer übertragen. 11 So bereits beobachtet von Allacci 1640, 144. Die Parallelen sind insbesondere die Metapher der Nacht für die Blendung der Augen (Call. Lav. Pall. 82: παιδὸς δ᾿ ὄµµατα νὺξ ἔλαβεν - „Nacht aber ergriff die Augen des Jünglings”; ‚Ambra’ 284: lumina nox pepulit); die Sprachlosigkeit und das Erstarren der Glieder (V. 83 f.: ἑστάκη δ᾿ ἄφθογγος, ἐκόλλασαν γὰρ ἀνῖαι / / γώνατα καὶ φωνὰν ἔσχεν ἀµαχανία - „er aber stand sprachlos da, Schmerzen banden ihm nämlich die Knie und Machtlosigkeit hielt die Stimme zurück”; V. 284 f.: tum vero exterritus haesit, / / voxque repressa metu, et gelidos tremor impulit artus); das Mitleid mit dem geblendeten Jüngling bzw. seiner Mutter (V. 95: θεὰ δ᾿ ἐλέησεν ἑταίραν - „die Göttin aber hatte Mitleid mit ihrer Gefährtin”; V. 286: iuvenem ... miseratus); der Hinweis auf das Gesetz des Kronos (V. 100: Κρόνιοι δ᾿ ὧδε λέγοντι νόµοι - „so aber verfügen es die Gesetze des Kronos”; V. 287 f.: Saturne, tuas inflectere leges / / haud licitum cuiquam); die Betonung des Sehertums des Geblendeten (V. 121: µάντιν ἐπεὶ θησῶ νιν ἀοίδιµον ἐσσοµένοισιν - „da ich ihn zu einem Seher machen werde, der von künftigen Generationen besungen wird”; V. 261: vatem usw.) und der Stab, der den Blinden nun durch die Welt führen wird (V. 127: δωσῶ καὶ µέγα βάκτρον, ὅ οἱ πόδας ἐς δέον ἀξεῖ - „ich werde ihm auch einen großen Stab geben, der seine Füße in gewünschter Weise führen wird”; V. 289 f.: baculum dat deinde potentem / / Tiresiae magni und V. 292: inoffensos baculo duce tendere gressus). Appendix 226 Dennoch ist eine Berufung zum Seher nicht genau dasselbe wie die Erwählung eines Dichters. Somit bleibt es bemerkenswert, dass Poliziano die Begegnung Homers mit Achilleus zur Episode einer Dichterweihe macht, und die Forschung zur ‚Ambra’ litt lange Zeit daran, dass man nicht erkannte, dass mit der ‚Vita Romana’ ein zweiter antiker Textzeuge vorliegt 12 , der die Geschichte behandelt und im Unterschied zu den Platon- Scholien ausdrücklich auf ihren Charakter als Dichterweihe eingeht 13 . Zudem findet sich dort auch das Motiv des Mitleids, das dem soeben Geblendeten entgegengebracht wird, und wir erhalten nur hier die explizite Information, dass es sich bei den Waffen, die die Blendung bewirken, um die zweite Waffengarnitur handelt, die Achilleus von Thetis erhalten hatte (‚Vita Romana’ § 5, V p. 252 l. 48 Allen = p. 31,29 von Wilamowitz-Moellendorff: τοῖς δευτέροις ὅπλοις κεκοσµηµένος - „mit der zweiten Waffengarnitur versehen”), ganz so wie auch Poliziano von den Waffen der Thetis spricht (V. 264: quantus maternis fulguret armis). Zwar erwähnt der florentinische Humanist den Umstand, dass es zuletzt Thetis und die Musen waren, die Homer zum Dichter weihten, nicht. Doch ist dies auch nicht gravierender als die genannte Auslassung von Homers Hirtenberuf oder seiner Opfer für Achilleus, die bei Hermeias hervorstechen, und es lässt sich immerhin darauf hinweisen, dass es nach Polizianos Schilderung eben Thetis ist, die mit ihrem Gang zu Zeus und mit der Bitte um ein ehrendes Gedächtnis für ihren verstorbenen Sohn die folgende Dichterweihe Homers erst auslöst 14 . Zudem kann die Konzentration auf die Begegnung von Achilleus und Homer, die Polizianos Darstellung auszeichnet, bewusster künstlerischer Wille gewesen sein, wie eine solche einfache Personenkonstellation denn auch dem alten Erzählmuster der Dichterweihe, wie wir es in verschiedenen nicht-antiken Texten finden, vollauf entspricht 15 . Die Frage ist also, ob Poliziano die ‚Vita Roma- 12 Hinweise auf die ‚Vita Romana’ als mögliches Vorbild Polizianos nun allerdings bei Klecker 1994, 90 f. und Galand-Hallyn 1995, 193. 13 Cf. den Text und die Übersetzung des Auszugs oben in Kap. 4.1. 14 ‚Ambra’, V. 83-201; cf. insbesondere die abschließenden Worte der Thetis (V. 111 f.: si neque perpetuae saltem illum munere laudis / / dignaris, pater, et Lethen parva accolet umbra - „wenn du, Vater, ihn nicht wenigstens der Gabe ewigen Ruhms würdigst und er als geringer Schatten am Lethestrom leben wird”) und die korrespondierende Passage in der Antwort des Zeus (V. 155 f.: famaque, ne dubita, centeno gutture vestros / / indefessa canet caeloque aequabit honores - „und Kunde, zweifle nicht daran, wird eure Ehre aus hundert Kehlen unermüdlich besingen und sie dem Himmel gleichmachen”) sowie das Echo im bereits zitierten V. 295 (Aeaciden tamen, Aeaciden caelo aequat et astris - „dennoch macht er [sc. Homer] den Aiakiden dem Himmel und den Sternen gleich”). 15 Cf. die oben in Kap. 4.2.1 genannten Beispiele für Dichterweihen außerhalb des Bereichs der griechisch-römischen Antike. Dichterweihe Homers in italienischer Tradition 227 na’ kennen konnte und die genannten Motive somit von dort bezog bzw. mit der aus Hermeias bekannten Darstellung kombinierte. Prinzipiell fremd könnte ihm der Gedanke jedenfalls nicht gewesen sein, da er, wie oben dargelegt, die jeweilige Homer-Vita des Ps.-Herodot bzw. Ps.-Plutarch kannte und für sein Werk heranzog 16 . Poliziano war also vertraut mit der Gattung der Homer-Viten und müsste daher jedes Interesse daran gehabt haben, weitere Vertreter dieser Textsorte ausfindig zu machen und zu studieren. Nun fügt es sich, dass Polizianos Zeitgenosse, der griechische Gelehrte Konstantinos Laskaris (1434-1501), von 1466 an seinen Wohnsitz in Messina hatte und auf unbekanntem Wege in den Besitz des Codex Romanus Graecus 6 gelangte, der im frühen zehnten Jahrhundert in Süditalien beschrieben worden war und bis heute den einzigen unabhängigen Textzeugen für die ‚Vita Romana’ darstellt 17 . Dass Laskaris diesen Codex gründlich studierte und insbesondere der ‚Vita’ seine Aufmerksamkeit schenkte, ist durch den Umstand belegt, dass er eigenhändig eine verkürzte Form dieser Lebensbeschreibung im Codex Matrit. 4629 niederlegte 18 . Dass Poliziano und Laskaris sich jemals persönlich begegneten, ist unwahrscheinlich. Aber wir haben doch Kenntnis indirekter bzw. brieflicher Kontakte zwischen den beiden Humanisten in Form eines Briefes von Laskaris’ Schüler Pietro Bembo an Poliziano vom 18. November 1493 19 . Poliziano hatte Bembo um die Abschrift neuentdeckter Fragmente aus Claudians griechischer Version seiner ‚Gigantomachie’ gebeten, die in Laskaris’ Besitz waren. Bembo erfüllte ihm diesen Wunsch gerne und fügte selbstverständlich auch Grüße seines Lehrers an Poliziano hinzu (Bembo 1582, 11: Constantinus te salvere plurimum iubet. is te sic admiratur, ut amet, sic amat, ut, in quo tibi usui esse vel cura eius vel studium vel etiam labor possit, nihil sis ab eo frustra postulaturus. - „Konstantinos lässt dir herzliche Grüße ausrichten. Er bewundert dich so, dass er dich liebt, und liebt dich so, dass du bei den Dingen, bei denen dir seine Mühe, sein Einsatz oder auch seine Arbeit von Nutzen sein kann, nichts vergeblich von ihm verlangen wirst.”). Eine solche Formulierung wäre kaum denkbar, wenn es nicht zuvor schon Verbindungen zwischen Laskaris und Poliziano gegeben hätte, die viel- 16 Die hauptsächlichen Berührungspunkte sind die Überlieferung zur Gründung Smyrnas durch den Thessalier Theseus in ‚Ambra’, V. 206-209 bzw. Ps.-Hdt. Vit. Hom. 2 und die Zeugung Homers durch Kritheis und einen göttlichen Vater in ‚Ambra’, V. 213-218 bzw. Ps.-Plut. Vit. Hom. 1,3,1-2. 17 So referiert von Montanari 1979, 43 (irrig dagegen der Hinweis auf weitere zwanzig Handschriften des Texts bei Latacz 2011, 14). 18 Montanari 1979, 46 f. und 66 f., mit einem Abdruck dieses Textzeugen auf den S. 70 f. 19 Abgedruckt bei Bembo 1582, 10-12; cf. die kommentierenden Bemerkungen von Martínez Manzano 1994, 27 f. und 177 f. Appendix 228 leicht auch schon in die Zeit vor 1485, dem Entstehungsdatum der ‚Ambra’, zurückreichen. Jedenfalls wissen wir, dass Poliziano bereits 1484 die griechische Grammatik des Laskaris studierte und eigenhändig Exzerpte daraus anfertigte 20 . Denkbar ist also eine Verbindung zwischen den beiden Gelehrten zu dieser frühen Zeit durchaus, und somit ist es auch möglich, dass Poliziano bereits vor 1485 Kenntnis vom Inhalt der ‚Vita Romana’ erhielt, beispielsweise durch eine briefliche Notiz des Laskaris oder durch irgendeine indirekte Form der Vermittlung. Die Renaissance-Forschung sollte daher diese Möglichkeit im Auge behalten und damit auch die Frage, ob Poliziano für seine Darstellung der Dichterweihe in der ‚Ambra’ neben den Platon-Scholien des Hermeias nicht doch auch auf die ‚Vita Romana’ rekurrierte. Ähnlich wie für die ‚Ambra’ Polizianos ist die Lage für das Gemälde des Pietro Testa (1612-1650). Es zeigt den erblindeten Dichter in reifen Mannesjahren, wie er vor Achilleus sitzt, welcher seinerseits im vollen Ornat neben seinem Pferd steht. Weitere Figuren sind zwei sich balgende Knaben im Vordergrund des Bildes (wahrscheinlich Eros und Anteros), das Pferd des Helden, ein Betreuer des Pferdes und eine weibliche (? ) Figur im Halbdunkel auf der linken Bildseite. Die Darstellung eines Grabmals im Hintergrund macht die Interpretation als Begegnung zwischen Homer und dem aus dem Grab hervorgerufenen Achilleus sicher 21 . Das Bild, das bis zur Zeit der Weimarer Republik im Wallraf-Richartz-Museum in Köln aufbewahrt wurde, dann aber verkauft wurde und zur Zeit nicht lokalisiert werden kann, ist einzigartig, da keine sonstige ikonographische Tradition für dieses Sujet existiert. Testa, der mutmaßliche Schöpfer des Gemäldes 22 , hängt aber wahrscheinlich auch nicht (oder jedenfalls nicht ausschließlich 23 ) von Poliziano ab, weil dieser Homer ausdrücklich als Jüngling bezeichnet (V. 286: iuvenem), während Testa einen bärtigen Dichter im Alter von vielleicht sechzig Jahren darstellt. Die Forschung gelangte daher auch für Testa zum Schluss, dass hier die Platon-Scholien des Hermeias von Alexandria Vorbild waren 24 . Erneut ist aber festzuhalten, dass eine große inhaltliche Diskrepanz zwischen dem neuzeitlichen Kunstprodukt und dem antiken Scholion vorliegt, da Testa genau wie Poliziano auf die Dar- 20 Maïer 1965, 230 mit Hinweis auf den Parisinus Graecus 3069, ff. 215 r - 223 r ; die beigefügte Subscriptio Polizianos ist datiert vom 9. Juni 1484. 21 Cf. die Reproduktionen bei Schleier 1970 (Abb. 13) und Cropper 1980 (Tafel 39) bzw. die auf diesen Anhang folgende Abbildung. Die Identifikation der Hauptpersonen geht zurück auf J. Niessen (hier zitiert nach Niessen 1888, 185 f., Nr. 840). 22 So zuerst postuliert von Schleier 1970, dem Cropper 1980 folgte. 23 Für einen möglichen Bezugspunkt in der Person der Thetis cf. unten Anm. 30. 24 So Schleier 1970, 666, der annahm, dass Testa durch einen gelehrten Gönner indirekte Kenntnis eines Manuskripts der Platon-Scholien erlangte, und Cropper 1980, 262 f., die auf den Abdruck und die lateinische Übersetzung des relevanten Scholions bei Allacci 1640, 145-147 hinweist. Dichterweihe Homers in italienischer Tradition 229 stellung der pittoresken Motive von Homers Hirtenberuf und seinen Opfern für Achilleus verzichtet. Es stellt sich somit wieder die Frage, ob nicht auch die ‚Vita Romana’ auf den Künstler eingewirkt haben kann. Denn der Codex Romanus Graecus 6, der die ‚Vita’ enthält, war im späteren sechzehnten Jahrhundert im Besitz des französischen Humanisten Marc Antoine Muret, der sich von 1563 bis zu seinem Tod im Jahre 1585 in Rom aufhielt 25 . Danach gelangte die Handschrift in die Bibliothek des Collegium Romanum der Jesuiten, die 1622 gegründet wurde 26 , könnte also in irgendeiner Form zur Kenntnis Testas gelangt sein, der die Jahre seines Erwachsenenlebens weitgehend in Rom verbrachte und dort sein Spätwerk schuf 27 . Ein Anhaltspunkt für eine solche Annahme ist möglicherweise die Figur im Halbdunkel auf der linken Bildseite, die von Niessen als Muse identifiziert wurde und von Schleier als Muse oder Genius 28 . Die Musen sind wichtige Figuren in der Darstellung der Episode in der ‚Vita Romana’, da sie es sind, die zusammen mit Thetis Homer zuletzt die Dichtkunst verleihen. Die Frage an die Kunstgeschichte ist somit, ob es sich bei dieser änigmatischen Figur nicht tatsächlich um eine Muse oder nicht vielmehr sogar um Thetis handeln könnte 29 und damit um eine Figur, die Testa eben aus der ‚Vita Romana’ übernahm 30 . 25 Sittl 1888, 255; Montanari 1979, 43 f. 26 Cf. Piccolomini 1890, 451, Schimberg 1890, 423 und Tamilia 1902, 223. 27 Für einen Überblick über Testas späte Werke, zu denen unser Bild zählt, cf. Gregori, Schleier 1989, 900. 28 Niessen 1888, 185 f.; Schleier 1970, 666. 29 Nach Schleier 1970, 666 handelt es sich bei dem Gegenstand, den die Figur in der linken Hand hält, wahrscheinlich um einen Schild. Es könnte sich bei dieser Darstellung also um einen Hinweis auf den Schild handeln, den einst Thetis von Hephaistos zu Achilleus gebracht hatte, zumal Achilleus selbst bei Testa zwar in seinen glänzenden Brustpanzer gekleidet ist (analog zu Hom. Il. 18,610), aber keinen Schild oder gar Angriffswaffen bei sich trägt. 30 Eine weitere Möglichkeit ist freilich, dass Testa - inspiriert durch die homerische Darstellung - Thetis in eigener Verantwortung in den Zusammenhang einfügte und dass er sich für die konkrete Zeichnung der Nereide dann an Poliziano orientierte, weil die Figur im Halbdunkel - soweit die Reproduktionen ein Urteil zulassen - in ihrem Aussehen ganz der Schilderung der Thetis in V. 89 von Polizianos ‚Ambra’ entspricht (procurrit turbata comas et pectore nudo - „sie [sc. Thetis auf ihrem Bittgang zu Zeus] lief voran, die Haare aufgelöst und mit nackter Brust”). Pietro Testa: „Achill und der blinde Homer“ (gegen 1650). Repro: © Rheinisches Bildarchiv Köln (rba_011759), Abdruck mit freundlicher Genehmigung. Bibliographie Zum Zwecke der besseren Übersicht ist in der folgenden Bibliographie die Primärliteratur von der Sekundärliteratur getrennt und analytisch aufgegliedert, innerhalb der einzelnen kleinen Sektionen aber wiederum alphabetisch aufgelistet. In Zweifelsfällen sind die Leser gebeten, in der alphabetischen Liste der Sekundärliteratur den Namen des jeweiligen Herausgebers ausfindig zu machen und diesem Eintrag dann die Information zu entnehmen, in welcher Rubrik der Primärliteratur ein bestimmter Text bibliographisch aufgeschlüsselt ist. Griechische und lateinische Texte, die sich in der folgenden Zusammenstellung der Primärliteratur nicht finden, sind nach aktuell gebräuchlichen Ausgaben zitiert, deren Identifikation keine Schwierigkeiten bereiten sollte. 1. Primärliteratur (und davon abgeleitete Übersetzungen und Zusammenfassungen) a) Griechische Texte a1) Ausgaben und Übersetzungen der Homer-Viten: Suidae lexicon, edidit Ada Adler, Pars III: Κ-Ο.ΩΩ , Leipzig 1933 (= Adler 1933) Homeri opera, recognovit brevique adnotatione critica instruxit Thomas W. Allen, Tomus V Hymnos, Cyclum, Fragmenta, Margiten, Batrachomyomachiam, Vitas continens, Oxford 1912 (= Allen 1912a) Mario Baier, Neun Leben des Homer. Eine Übersetzung und Erläuterung der antiken Biographien, Hamburg 2013 (= Baier 2013) Giuseppe Esposito Vulgo Gigante, Vite di Omero, Napoli 1996 (= Gigante 1996) [Plutarchi] De Homero, edidit Jan Fredrik Kindstrand, Leipzig 1990 (= Kindstrand 1990) Gérard Lambin, Le roman d’Homère. Comment naît un poète, Rennes 2011 (= Lambin 2011) Legende von Homer, dem fahrenden Sänger. Ein altgriechisches Lesebuch, übersetzt und erläutert von Wolfgang Schadewaldt, Leipzig 1942, 2 1959 (= Schadewaldt 1942 bzw. 1959) Albert Severyns, Recherches sur la Chrestomathie de Proclos. IV. La Vita Homeri et les Sommaires du Cycle, Paris 1963 (= Severyns 1963) Bibliographie 234 Maria Vasiloudi, Vita Homeri Herodotea. Textgeschichte, Edition, Übersetzung, Berlin - Boston 2013 (= Vasiloudi 2013) Homeric Hymns, Homeric Apocrypha, Lives of Homer, edited and translated by Martin L. West, Cambridge (Mass.) - London 2003 (= West 2003) Βιογράφοι . Vitarum scriptores Graeci minores, edidit Antonius Westermann, Braunschweig 1845 (= Westermann 1845) Vitae Homeri et Hesiodi, in usum scholarum edidit Udalricus de Wilamowitz-Moellendorff, Berlin 1916 (= von Wilamowitz-Moellendorff 1916a) a2) Ausgaben und Übersetzungen des ‚Certamen Homeri et Hesiodi’ (soweit nicht oben unter Punkt a1 genannt); die Papyri mit Versresten zum Thema des Wettkampfs zwischen Homer und Hesiod bzw. den Folgekapiteln der Schrift (Alkidamas? ): Alcidamante, Orazioni e frammenti. Testo, introduzione, traduzione e note a cura di Guido Avezzù, Roma 1982 (= Avezzù 1982) Hesiodi Opera et dies, recensuit Aristides Colonna, Milano - Varese 1959 (= Colonna 1959) Hesiod, Homeric Hymns, Epic Cycle, Homerica, with an English translation by Hugh G. Evelyn-White, Cambridge (Mass.) - London 3 1936 (= Evelyn-White 1936) Hesiodi carmina, recensuit et commentariis instruxit Carolus Goettlingius, Gotha - Erfurt 1831; editio altera, Gotha 1843 (= Göttling 1831 bzw. 1843) Certamen quod dicitur Homeri et Hesiodi e codice Florentino post Henricum Stephanum denuo edidit Fridericus Nietzsche, in: Acta Societatis Philologae Lipsiensis, edidit Fridericus Ritschelius, Tomi primi fasciculus I, Leipzig 1871, 1-23 (= Nietzsche 1871 [auch in: Nietzsche 1982, 339- 364]) Hesiodi Carmina, recensuit Aloisius Rzach, editio tertia, accedit certamen quod dicitur Homeri et Hesiodi, Leipzig 1913 (= Rzach 1913) The Flinders Petrie papyri, with transcriptions, commentaries and index by John P. Mahaffy, 1. Autotypes I to XXX, Dublin 1891 (= Mahaffy 1891) Basil Mandilaras, A new papyrus fragment of the Certamen Homeri et Hesiodi, in: Mario Capasso (Hrg.), Papiri letterari greci e latini, Galatina 1992, 53-62 (= Mandilaras 1992) Giovanna Menci, Un epigramma del Certamen Homeri et Hesiodi (309-312 Allen) in P.Duk. inv. 665, ZPE 180, 2012, 43-47 (= Menci 2012) J. G. Winter, A new fragment on the life of Homer, TAPhA 56, 1925, 120- 129 (= Winter 1925) Primärliteratur 235 a3) Die Legende vom Besuch Homers am Grab des Achilleus in den Platon-Scholien des Hermeias und in der ‚Exegesis in Homeri Iliadem’ des Johannes Tzetzes: Platonis Phaedrus, recensuit, Hermiae scholiis e codice Monacensi XI suisque commentariis illustravit Fridericus Astius, Leipzig 1810 (= Ast 1810) Hermeias von Alexandrien, Kommentar zu Platons „Phaidros”, übersetzt und eingeleitet von Hildegund Bernard, Tübingen 1997 (= Bernard 1997) Hermiae Alexandrini in Platonis Phaedrum scholia, edidit Paul Couvreur, Paris 1901 (Novae huius libri impressioni indicem verborum epilogumque addidit Clemens Zintzen, Hildesheim - New York 1971) (= Couvreur 1901) Platonis dialogi secundum Thrasylli tetralogias dispositi ex recognitione Caroli Friderici Hermanni, Vol. VI, Leipzig 1873 (= K. Hermann 1873) Hermias Alexandrinus, In Platonis Phaedrum scholia, ediderunt Carlo M. Lucarini et Claudio Moreschini, Berlin - Boston 2012 (= Lucarini, Moreschini 2012) Draconis Stratonicensis Liber de metris poeticis, Ioannis Tzetzae Exegesis in Homeri Iliadem, primum edidit et indices addidit Godofredus Hermannus, Leipzig 1812 (= Hermann 1812) Ἐξήγησις Ἰωάννου γραµµατικοῦ τοῦ Τζέτζου εἰς τὴν Ὁµήρου Ἰλιάδα, ἐκδίδει Μανόλης Παπαθοµόπουλος , Athen 2007 (= Papathomopoulos 2007) a4) Ausgaben und Übersetzungen von Plutarchs ‚Convivium septem sapientium’: Plutarch, Moralia, with an English translation by Frank Cole Babbitt, Volume II, Cambridge (Mass.) - London 1928 (= Babbitt 1928) Plutarchi Chaeronensis Moralia, recognovit Gregorius N. Bernardakis, Vol. I, Leipzig 1908 (= Bernardakis 1908) Plutarchi Moralia, recognovit Gregorius N. Bernardakis, editionem maiorem curaverunt Panagiotes D. Bernardakis, Henricus Gerardus Ingenkamp, Vol. I, Athen 2008 (= Bernardakis, Ingenkamp 2008) Plutarque, Œuvres morales, Tome II: traités 10-14, texte établi et traduit par Jean Defradas, Jean Hani et Robert Klaerr, Paris 1985 (= Defradas, Hani, Klaerr 1985) Bibliographie 236 Plutarchi Moralia, Vol. I, recensuerunt et emendaverunt W. R. Paton et I. Wegehaupt, praefationem scripsit M. Pohlenz, Leipzig 1925, editionem correctiorem curavit Hans Gärtner, Leipzig 1974 (= Paton, Wegehaupt 1925) Plutarch, Von der Ruhe des Gemütes und andere philosophische Schriften, übertragen und eingeleitet von Bruno Snell, Zürich 1948 (= Snell 1948) a5) Die ‚Vita Apollonii’ und der ‚Heroikos’ des Flavius Philostrat: Philostratus, The Life of Apollonius of Tyana, edited and translated by Christopher P. Jones, Zwei Bände, Cambridge (Mass.) - London 2005 (= Jones 2005) Flavii Philostrati Heroicus, edidit Ludo de Lannoy Leipzig 1977 (= de Lannoy 1977) a6) Sonstiges: Poetarum epicorum Graecorum testimonia et fragmenta, Pars I, edidit Albertus Bernabé, editio correctior editionis primae (MCMLXXXVII), Stuttgart - Leipzig 1996 (= Bernabé 1996) André et Etienne Bernand, Les inscriptions grecques et latines du Colosse de Memnon, Paris 1960 (= Bernand, Bernand 1960) Epicorum Graecorum fragmenta, edidit Malcolm Davies, Göttingen 1988 (= Davies 1988) Ernst Diehl, Pompeianische Wandinschriften und Verwandtes, zweite vermehrte Auflage, Berlin 1930 (= Diehl 1930) Die Inschriften von Pergamon, herausgegeben von Max Fränkel, 1. Bis zum Ende der Königszeit (Altertümer von Pergamon VIII 1), Berlin 1890 (= Fränkel 1890) Vasilij V. Latyschev, Inscriptiones antiquae orae septentrionalis Ponti Euxini Graecae et Latinae, Vol. 1, St. Petersburg 2 1916 (Nachdruck: Hildesheim 1965) (= Latyschev 1916) Leo Sternbach, De Gnomologio Vaticano inedito, WS 9, 1887, 175-206; 10, 1888, 1-49 und 211-260; 11, 1889, 43-64 und 192-242 (als Monographie gesamthaft veröffentlicht von Otto Luschnat unter dem Titel: Gnomologium Vaticanum e codice Vaticano Graeco 743 edidit Leo Sternbach, Berlin 1963) (= Sternbach 1887, 1888a und 1889 bzw. Sternbach 1963) Leo Sternbach, Gnomica, in: Commentationes philologae, quibus Ottoni Ribbeckio praeceptori inlustri congratulantur discipuli Lipsienses, Leipzig 1888, 355-362 (= Sternbach 1888b) Primärliteratur 237 Pindar, Siegesgesänge und Fragmente, griechisch und deutsch, herausgegeben und übersetzt von Oskar Werner, München 1967 (= Werner 1967) b) Lateinische Texte aus der Zeit der italienischen Renaissance Angelo Poliziano, Silvae, a cura di Francesco Bausi, Firenze 1996 (= Bausi 1996) Petri Bembi Epistolarum familiarium libri sex et diversorum in eius mortem Epitaphia, Köln 1582 (= Bembo 1582) Angelo Poliziano, Silvae, edited and translated by Charles Fantazzi, Cambridge (Mass.) - London 2004 (= Fantazzi 2004) Alessandro Perosa, Un commento inedito all’ „Ambra” del Poliziano, Roma 1994 (= Perosa 1994) c) Die nordwesteuropäische Tradition c1) Die Geschichte von Cædmon in der ‚Historia ecclesiastica’ des Beda Venerabilis; die anonyme Vita des Beda Venerabilis: Bede’s Ecclesiastical History of the English People, edited by Bertram Colgrave and R. A. B. Mynors, Oxford 2 1991 (= Colgrave, Mynors 1991) J. A. Giles, The complete works of Venerable Bede, Vol. I: Life, Poems, Letters, London 1843 (S. CLXI-CLXII: ‚Vita alia Venerabilis Bedae presbyteri’) (= Giles 1843) c2) Die isländische Erzählung ‚Þorleifs þáttr jarlsskálds’; sonstige nordische Erzählungen mit vergleichbaren Motiven (Saga von Brennu-Njáll; Erzählung von Þorsteinn Ochsenfuß; Edda; Heimskringla; Saga von den Leuten auf Eyr) Die Erzählung von Þorleif, dem Skalden des Jarls, aus dem Altisländischen und mit einer Einleitung von Thomas Esser, in: Isländersagas 4, herausgegeben von Klaus Böldl, Andreas Vollmer und Julia Zernack, Frankfurt am Main 2011, 415-428 (= Esser 2011a) Dreams in old Norse literature and their affinities in folklore, with an appendix containing the Icelandic texts and translations by Georgia Dunham Kelchner, Cambridge 1935 (= Kelchner 1935) Bibliographie 238 Jónas Kristjánsson (Hrg.), Eyfirðinga sǫgur, Reykjavik 1956 (= Kristjánsson 1956) Norwegische Königsgeschichten, Erster Band: Novellenartige Erzählungen (þaettir), übertragen von Felix Niedner, Thule 17, Jena 1928 (= Niedner 1928) Einar Ól. Sveinsson (Hrg.), Brennu-Njáls saga, Reykjavik 1954 (= Sveinsson 1954) Die Saga von Brennu-Njáll, aus dem Altisländischen und mit einer Einleitung von Karl-Ludwig Wetzig, in: Isländersagas 1, herausgegeben von Klaus Böldl, Andreas Vollmer und Julia Zernack, Frankfurt am Main 2011, 449-814 (= Wetzig 2011) Die Erzählung von Þorsteinn Ochsenfuß, aus dem Altisländischen und mit einer Einleitung von Thomas Esser, in: Isländersagas 4, herausgegeben von Klaus Böldl, Andreas Vollmer und Julia Zernack, Frankfurt am Main 2011, 29-51 (= Esser 2011b) Þorhallur Vilmundarson, Bjarni Vilhjálmsson (Hrgg.), Harðar saga, Reykjavik 1991 (= Vilmundarson, Vilhjálmsson 1991) Die Götter- und Heldenlieder der Älteren Edda, übersetzt, kommentiert und herausgegeben von Arnulf Krause, Stuttgart 2004 (= Krause 2004) Edda, Die Lieder des Codex Regius nebst verwandten Denkmälern, herausgegeben von Gustav Neckel, I. Text, Heidelberg 1914 (= Neckel 1914) Bjarni Aðalbjarnarson (Hrg.), Snorri Sturluson, Heimskringla I., Reykjavik 1941 (= Aðalbjarnarson 1941) Snorris Königsbuch (Heimskringla), Erster Band, übertragen von Felix Niedner, Thule 14, Jena 1922 (= Niedner 1922) Die Saga von den Leuten auf Eyr, Die Lebensgeschichte des Goden Snorri, aus dem Altisländischen und mit einer Einleitung von Klaus Böldl, in: Isländersagas 2, herausgegeben von Klaus Böldl, Andreas Vollmer und Julia Zernack, Frankfurt am Main 2011, 253-407 (= Böldl 2011a) Einar Ól. Sveinsson, Matthías Þorðarson (Hrgg.), Eyrbyggja saga, Reykjavik 1935 (= Sveinsson, Þorðarson 1935) Primärliteratur 239 c3) Die ‚Táin bó Cúalnge’, die Geschichte vom Barden Murgein; sonstige Erzählungen über die Wiedererlangung der ‚Táin’: The Táin, translated from the Irish epic Táin Bó Cuailnge by Thomas Kinsella, Oxford 1970 (= Kinsella 1970) Táin Bó Cúalnge from the Book of Leinster, edited by Cecile O’Rahilly, Dublin 1967 (= O’Rahilly 1967) Die altirische Heldensage Táin bó Cúalnge, nach dem Buch von Leinster in Text und Uebersetzung mit einer Einleitung herausgegeben von Ernst Windisch, Leipzig 1905 (= Windisch 1905) Heinrich Zimmer, Keltische Studien, Zeitschrift für vergleichende Sprachforschung 28, 1887, 417-689 (= Zimmer 1887) Tromdámh Guaire, edited by Maud Joynt, Mediaeval and modern Irish series 2, Dublin 1931 (= Joynt 1931) Kuno Meyer, Neue Mitteilungen aus irischen Handschriften, Archiv für celtische Lexikographie 3, 1905, 1-7 (= K. Meyer 1905) d) Texte aus östlichen Kulturkreisen Luigi Cagni, The poem of Erra, Sources from the ancient near east 1,3, Malibu 1977 (= Cagni 1977) Die Bibel - Altes und Neues Testament. Einheitsübersetzung, Freiburg - Basel - Wien 2005 (Originalpublikation: Stuttgart 1980) (= Einheitsübersetzung 2005) The Ramayana of Valmiki, an epic of ancient India, Volume I: Balakanda, introduction and translation by Robert P. Goldman, annotation by Robert P. Goldman and Sally J. Sutherland, Princeton 1984 (= Goldman 1984) Abu’l Qasim Firdousi, Das Königsbuch, Buch I-VI, revidierte Übertragung von Helmhart Kanus-Credé, Glückstadt 2002 (= Kanus-Credé 2002) Der Koran, aus dem Arabischen übersetzt von Max Henning, Einleitung und Anmerkungen von Annemarie Schimmel, durchgesehene und verbesserte Ausgabe, Stuttgart 1991 (= Koran 1991) Martin Lings, Muhammad: his life based on the earliest sources, Rochester 1983 (= Lings 1983) The epic of Palnadu: a study and translation of Palnati Virula Katha, a Telegu oral tradition from Andhra Pradesh, India, by Gene H. Roghair, Oxford 1982 (= Roghair 1982) Bibliographie 240 2. Sekundärliteratur (und Querverweise zur Primärliteratur) Abramowicz 1938: Sophia Abramowicz, De Homeri cum Hesiodo certamine, Eos 39, 1938, 477-492 Aðalbjarnarson 1941: cf. oben Abschnitt 1c2 Adler 1933: cf. oben Abschnitt 1a1 Adorjáni 2013: Zsolt Adorjáni, Die Weisheit des Oidipus. Zu Pindars Pythie 4,263-269, MH 70, 2013, 3-9 Aigner 1978: Heribert Aigner, Sigeion und die peisistratidische Homerförderung, RhM 121, 1978, 204-209 Allacci 1640: Leonis Allatii De patria Homeri, Lyon 1640 Allen 1912a: cf. oben Abschnitt 1a1 Allen 1912b bzw. 1913: Thomas W. Allen, Lives of Homer, JHS 32, 1912, 250-260 bzw. 33, 1913, 19-26 Allen 1924: Thomas W. Allen, Homer: the origins and the transmission, Oxford 1924 Aloni 1986: Antonio Aloni, Tradizioni archaiche della Troade e composizione dell’Iliade, Milano 1986 Aly 1949: Wolfgang Aly, Paneides, RE XVIII 3, Stuttgart 1949, 583 Ambaglio 2005: Delfino Ambaglio, Ellanico, un Lokalpatriotismus problematico, in: Alfonso Mele, Maria Luisa Napolitano, Amedeo Visconti (Hrgg.), Eoli et Eolide tra madrepatria e colonie, Napoli 2005, 135-144 Arnott 2010: W. Geoffrey Arnott, Middle Comedy, in: Gregory W. Dobrov (Hrg.), Brill’s companion to the study of Greek comedy, Leiden 2010, 279-331 Ast 1810: cf. oben Abschnitt 1a3 Aurner 1926: Nellie Slayton Aurner, Bede and Pausanias, Modern Language Notes 41, 1926, 535-536 Avezzù 1982: cf. oben Abschnitt 1a2 Babbitt 1928: cf. oben Abschnitt 1a4 Baetke 1976: Walter Baetke, Wörterbuch zur altnordischen Prosaliteratur, 2., durchgesehene Auflage, Berlin 1976 Baier 2013: cf. oben Abschnitt 1a1 Bassino 2012: Paola Bassino, Certamen Homeri et Hesiodi. Nuovi spunti per una riconsiderazione delle testimonianze papiracee, ZPE 180, 2012, 38-42 Baudy 2001: Gerhard Baudy, Blindheit und Wahnsinn. Das Kultbild im poetologischen Diskurs der Antike: Stesichoros und die homerische Helena, in: Gerhart von Graevenitz, Stefan Rieger, Felix Thürlemann (Hrgg.), Die Unvermeidlichkeit der Bilder, Tübingen 2001, 31-57 Sekundärliteratur 241 Bausi 1996: cf. oben Abschnitt 1b Beecroft 2011: Alexander J. Beecroft, Blindness and literacy in the Lives of Homer, CQ 61, 2011, 1-18 Bembo 1582: cf. oben Abschnitt 1b Bérard 1959: Jean Bérard, La migration éolienne, RA 1959, Fasz. 1, 1-28 Bergk 1872: Theodor Bergk, Griechische Literaturgeschichte, Erster Band, Berlin 1872 Bergk 1883a: Theodor Bergk, Griechische Literaturgeschichte, Zweiter Band, aus dem Nachlass herausgegeben von Gustav Hinrichs, Berlin 1883 Bergk 1883b: Theodor Bergk, Lucians ἐγκώµιον Δ∆ηµοσθένους und der Gedenktag Homers, Hermes 18, 1883, 510-514 Bernabé 1984: Alberto Bernabé, ¿Más de una Ilias Parva? , EClas 26 (87), 1984, 141-150 Bernabé 1996: cf. oben Abschnitt 1a6 Bernand, Bernand 1960: cf. oben Abschnitt 1a6 Bernard 1997: cf. oben Abschnitt 1a3 Bernardakis 1908: cf. oben Abschnitt 1a4 Bernardakis, Ingenkamp 2008: cf. oben Abschnitt 1a4 Berve 1967: Helmut Berve, Die Tyrannis bei den Griechen, Erster Band: Darstellung; Zweiter Band: Anmerkungen, München 1967 Bieg 2006: Gebhard Bieg, Archäologie und Geschichte einer Landschaft - Die Troas von der griechischen Kolonisation bis in die byzantinische Zeit, in: Manfred Korfmann (Hrg.), Troia. Archäologie eines Siedlungshügels und seiner Landschaft, Mainz 2006, 361-372 Bieg, Aslan 2006: Gebhard Bieg, Rüstem Aslan, Eine Quellhöhle in Spratt’s Plateau (Subasi Tepe) - Wo lag Sigeion? , Studia Troica 16, 2006, 133-145 Biraschi 2013: Anna Maria Biraschi, Eforo e Omero, in: Pia de Fidio, Clara Talamo (Hrgg.), Eforo di Cuma nella storia della storiografia greca, Volume primo, Napoli 2013, 303-330 Blackburn 1989: Stuart H. Blackburn, Patterns of development for Indian oral epics, in: Stuart H. Blackburn, Peter J. Claus, Joyce B. Flueckiger, Susan S. Wadley (Hrgg.), Oral epics in India, Berkeley - Los Angeles - London 1989, 15-32 Blum, Thater, Thumm-Doǧrayan 2014: Stephan W. E. Blum, Mariana Thater, Diane Thumm-Doǧrayan, Die Besiedlung der Troas vom Neolithikum bis zum Beginn der mittleren Bronzezeit: Chronologische Sequenz und Siedlungsstruktur, in: Ernst Pernicka, Charles Brian Rose, Peter Jablonka (Hrgg.), Troia 1987-2012: Grabungen und Forschungen I (For- Bibliographie 242 schungsgeschichte, Methoden und Landschaft), Teil 2, Bonn 2014, 770- 863 von Blumenthal 1927: Albrecht von Blumenthal, Sophokles 1), RE III A 1, Stuttgart 1927, 1040-1094 Boehringer, Boehringer 1939: Robert und Erich Boehringer, Homer: Bildnisse und Nachweise. Band I: Rundwerke, Breslau 1939 Böldl 2011a: cf. oben Abschnitt 1c2 Böldl 2011b: Klaus Böldl, Fiktion, Geschichte, Wirklichkeit. Isländersagas als literarische Gattung, in: Klaus Böldl, Andreas Vollmer, Julia Zernack (Hrgg.), Isländersagas. Texte und Kontexte, Frankfurt am Main 2011, 195-211 Böldl 2011c: Klaus Böldl, Glossar, in: Klaus Böldl, Andreas Vollmer, Julia Zernack (Hrgg.), Isländersagas. Texte und Kontexte, Frankfurt am Main 2011, 260-296 Borgeaud 2009/ 2010: Philippe Borgeaud, Trojan excursions: a recurrent ritual from Xerxes to Julian, HR 49, 2009/ 2010, 339-353 Bowie 1993: Ewen L. Bowie, Lies, fiction and slander in early Greek poetry, in: Christopher Gill, Timothy P. Wiseman (Hrgg.), Lies and fiction in the ancient world, Exeter 1993, 1-37 Bowra 1952: Cecil Maurice Bowra, Heroic poetry, London 1952 Braun 1991: Ludwig Braun, Keine griechischen Originale für Amphitruo und Menaechmi? , WJA 17, 1991, 193-215 Brena 2004: Fabrizio Brena, Trümmerromantik als Touristenziel? Kaiserliche Troia-Besuche in Antike und Neuzeit, in: Heinz Hofmann (Hrg.), Troia. Von Homer bis heute, Tübingen 2004, 101-117 Bujskich 2006: Sergej B. Bujskich, Kap Bejkuš - Kap des Achilleus: eine Kultstätte des göttlichen Heros im Mündungsgebiet des Bug, in: Joachim Hupe (Hrg.), Der Achilleus-Kult im nördlichen Schwarzmeerraum vom Beginn der griechischen Kolonisation bis in die römische Kaiserzeit. 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Burgess, The death and afterlife of Achilles, Baltimore 2009 Burkert 1977 bzw. 2011: Walter Burkert, Griechische Religion der archaischen und klassischen Epoche, Stuttgart 1977; zweite, überarbeitete und erweiterte Auflage, Stuttgart 2011 Burkert 1987: Walter Burkert, The making of Homer in the sixth century B.C.: rhapsodes versus Stesichoros, in: Papers on the Amasis painter and his world, Malibu 1987, 43-62 (auch in: Walter Burkert, Kleine Schriften I: Homerica, herausgegeben von Christoph Riedweg, Göttingen 2001, 198- 217) Burkert 2012: Walter Burkert, Der Abschluss der Ilias im Zeugnis korinthischer und attischer Vasen (580/ 560 v. Chr.), MH 69, 2012, 1-11 Burris, Fish, Obbink 2014: Simon Burris, Jeffrey Fish, Dirk Obbink, New fragments of book 1 of Sappho, ZPE 189, 2014, 1-28 Burton 2001: Diana Burton, The death of gods in Greek succession myths, in: Felix Budelmann, Pantelis Michelakis (Hrgg.), Homer, tragedy and beyond: essays in honour of P. E. 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Ergebnisse der Ausgrabungen in den vorhistorischen und historischen Schichten von Ilion, Athen 1902, 535-548 Winter 1925: cf. oben Abschnitt 1a2 Wrenn 1946: C. L. Wrenn, The poetry of Cædmon, Proceedings of the British Academy 32, 1946, 277-295 Yamamoto 2003: Kumiko Yamamoto, The oral background of Persian epics: storytelling and poetry, Leiden 2003 Zajonz 2002: Sandra Zajonz, Isokrates’ Enkomion auf Helena. Ein Kommentar, Göttingen 2002 Zimmer 1887: cf. oben Abschnitt 1c3 Zogg 2014: Fabian Zogg, Lust am Lesen. Literarische Anspielungen im Frieden des Aristophanes, München 2014 Zwingmann 2012: Nicola Zwingmann, Antiker Tourismus in Kleinasien und auf den vorgelagerten Inseln. Selbstvergewisserung in der Fremde, Bonn 2012 Indices 1. Namen und Sachen Achaiion: 134 Anm. 34 Achilleion: 135, 171 f., 173 f., 181 f., 183, 187, 196, 197 Anm. 298, 207 Anm. 334 Achilleus: 48, 57 Anm. 116, 69, 72, 127-208, 209, 211-213, 217, 219, 221-229 Admetos: 188 Anm. 258 Adynaton: 55, 56, 56 Anm. 115, 59, 78 Agamemnon: 70, 71, 72, 162 Anm. 146, 192 Anm. 282, 207 Ägypten: 4, 87 Anm. 236, 99 Anm. 277, 105 Anm. 294, 106 Anm. 301 Aias von Salamis: 136 Anm. 48, 161, 176, 184 Anm. 243 Aietes: 69 Ainos: 134, 134 Anm. 36, 173 Anm. 205 Aischylos: 29, 121 f., 206 Alexander der Große: 132, 137, 165 Anm. 160, 165 Anm. 164, 174, 183 Alkidamas: 19, 27 f., 29 f., 49 f., 58 Anm. 124, 62, 65 f., 75, 78, 83, 103, 113 Anm. 326, 124 Alkinoos: 72 Anm. 164, 205 allegorische Homer-Interpretation: 213 f. Allen, Thomas W.: 3 Anm. 9, 3 Anm. 11, 33 Anm. 29, 42 Anm. 53, 52 f., 54, 175 Aloni, Antonio: 207 Anm. 338 Alopekonnesos: 134, 134 Anm. 36, 173 Anm. 205 Alyattes: 188 Amphiaraos: 81, 107 Anm. 304 Amphidamas: 29, 51 Anaximenes von Lampsakos: 157 Anm. 115 Anaximenes von Milet: 157 Anm. 115 Andromache: 182 Anm. 237, 198 Anteros: 228 Antilochos: 176 Anm. 218, 184 Anm. 243 Antimachos von Kolophon: 74 f., 166 äolische ‚Renaissance‘: 105, 210 äolische Wanderung: 96, 133 f., 191 f., 207, 210 Aphrodite: 45 f., 56, 59, 78, 107 f. Apollon: 44, 63, 78, 184, 204, 225 Anm. 10 Apollonia: 164 Apollonios von Tyana: 89 Anm. 245, 131-133, 143, 144 f., 147, 149 Anm. 87, 150 Anm. 88, 155, 176, 179 f., 184 Archilochos (Dichterweihe des A., Kult des A.): 25 Anm. 80, 206 Argonauten: 69 Argos: 25 Anm. 83, 97 Anm. 271, 107, 125, 191 Anm. 276 Aristarch: 106, 125, 177 Anm. 220 Aristodemos von Nysa: 129 Aristophanes: 27 f., 29 f., 49 f., 78, 98 Anm. 273, 111 f., 121 f., 124, 217 Indices 268 Aristoteles: 19 Anm. 57 Aristoxenos von Tarent: 130 Anm. 10 Arkadien: 11 f. Arktinos: 54 Anm. 106 Arsiphone: 101 f., 208 Anm. 340 Artayktes: 176 Artemis: 35, 43 f., 59, 68 Askra: 62 Äsop: 2, 157 Anm. 120 Atalante: 11 Atossa: 149 Anm. 86 Athen: 4, 78-84, 106 f., 114- 116, 122-125, 134 Anm. 36, 166, 168 f., 173 f., 174 f., 177, 177 Anm. 219, 182 f., 188, 196, 196 Anm. 297, 198 f., 200 f., 208, 216, 217 Athene: 111 f., 115 f., 136, 160, 167 Anm. 174, 173 Anm. 210, 217, 225 Atreiden: 192 Anm. 280 attisch-delischer Seebund: 182 f., 191 Aulis: 192 Anm. 282 Babylon: 4 Baier, Mario: 26 Anm. 85, 196 Anm. 297 Batrachomyomachie: 113 Anm. 326 Beda Venerabilis: 139-141, 143 Anm. 67, 150 Anm. 89, 151 f. Bembo, Pietro: 227 Bergk, Theodor: 22 Anm. 69, 28 Anm. 4, 53 Anm. 96, 89 Anm. 242, 95 Anm. 261, 97 Anm. 272 Beșik Tepe: 169, 170 f., 173 f., 180, 182 f., 185, 187, 196, 207 Beșika Burnu: 170, 171 Anm. 194, 172, 173 f. biographische Interpretationsmethode: 87, 100 f., 159, 213, 214, 215 Anm. 24 Bolissos: 85, 92 f., 98, 101 f., 208 Anm. 340, 215 Anm. 21 Book of Leinster: cf. Buch von Leinster Böotien: 60-65, 216, 218 Anm. 34 Brahma: 138 Branchos: 225 Anm. 10 Brennu-Njáls saga (Saga von Brennu-Njáll): 146, 155 Anm. 112 Buch von Leinster: 143, 154, 200 Burgess, Jonathan: 172 Anm. 204 Burkert, Walter: 158 Anm. 126, 169 Anm. 180, 198 Anm. 306 Busse, Adolf: 27 Anm. 2, 28 Anm. 5, 33 Anm. 30 Byzanz: 147 Caedmon: 138 Anm. 52, 138 Anm. 54, 139-141, 139 Anm. 59, 145, 150, 151 f. Caracalla: 131 f., 137 Anm. 49 Cennakeśava: 199 Chairephon: 115 Anm. 330 Chalkis: 27, 33, 51, 54, 60-64, 114, 123, 210, 212 Chariklo: 160 Chariphemos: 96 Anm. 267 Chariten: 119 f. charter myth: 156, 206-208 Chersonesos: cf. Thrakien Chios: 2-4, 21 Anm. 64, 25 f., 63 Anm. 143, 88, 89, 92-97, 99, 101 f., 104, 110, 156 f., 165, 169, 186 Anm. 250, 187 f., 193-197, 201-203, 206, 209 f., 212 Anm. 11, 218 f. Namen und Sachen 269 Choirilos von Samos: 74 f. Ciarán: 154 Cicero: 199 Claudian: 227 Cook, John M.: 169 f. Cornelius Nepos: 80 Anm. 197, 217 Anm. 32 Dardanos: 185 Dareios: 149 Anm. 86 Delos: 25, 26 Anm. 85, 63, 219 Demeter: 78 f. Demetrios von Skepsis: 172 Demodokos: 159, 204 f., 213 Demokritos von Troizen: 101 Anm. 278 Dichterviten (als literarische Gattung): 85 f., 129 f., 216 Anm. 28, 227 Dikaiarchos: 190 Diktys von Kreta: 124 Diomedes: 75, 162 Anm. 147 Dionysios I.: 184 Anm. 246 Dionysios Thrax: 125 Dionysos: 75 Anm. 174, 181 Dios: 76, 96 Dornseiff, Franz: 29 Anm. 7, 116 Anm. 334 Durante, Marcello: 4 Anm. 16 Edda: 151 Anm. 95 Eiromos: 13, 17 Eisleben: 21 Elaius: 134 Anm. 35, 134 Anm. 36, 173 Anm. 209 Encolpius: 89 Anm. 245 Ennius: 138 Anm. 58 Epanorthosis Homeri: 124 Ephesos: 188 Ephoros von Kyme: 94-97, 98 f., 101 f., 189 f. Eratosthenes: 113 Anm. 326 Erbse, Hartmut: 28 Eriphon: 101 f. Eris: 59, 60 Anm. 128 Eros: 228 Erra und Išum: 138 Erythrai: 164 Eumaios: 43, 73, 89, 90 Anm. 247, 92, 214 Euripides: 29, 98 Anm. 273, 124 Euripos: 19 Anm. 57 Eurydike: 150 Eurykleia: 61 Anm. 130 Evocatio: 132, 149 f., 155 Eyrbyggja saga (Saga von den Leuten auf Eyr): 151 Anm. 96 Ferdausi: 200 Fergus: 144 f., 150 Anm. 88, 154, 200 Fiktionalitätssignale: 92 Foley, John Miles: 4 Anm. 17, 212 Anm. 11 Gallavotti, Carlo: 61 f. Gergis: 105, 168 Anm. 177 Gigante, Giuseppe E. V.: 95 Anm. 261, 104 Anm. 291 Giganten: 68, 72, 111 f., 227 Glaukos: 88-90, 92, 102, 214 f. Gnotor: 101 f., 215 Anm. 21 Gorgias: 27, 82-84, 113-124, 216 Grabhügel: 127 f., 131-137, 146, 149, 169-174, 209 Grabkult: 136 Graziosi, Barbara: VIII, 2, 63 Anm. 142, 79 Anm. 195, 83 Anm. 211, 116 Anm. 333, 122 Anm. 353, 195 Anm. 292, 201 Anm. 321 Grimm, Jacob: 138 Anm. 50 Hadrian: 104 f., 113 Anm. 326, 210 Indices 270 Hákon: 152 f. Hallbjörn: 139 Anm. 59, 141- 143, 144 f., 146, 149, 150, 152 f., 155, 179, 211 Heimskringla: 151 Anm. 95 Hektor: 48, 69, 72, 136 Anm. 48, 161, 161 Anm. 144, 174, 176, 182 Anm. 237, 184 f. Heldmann, Konrad: 18 Anm. 48, 29 Anm. 9, 64 Anm. 145, 116 Anm. 333 Helena: 83, 99 Anm. 277, 128 Anm. 4, 130, 133, 158, 165, 169, 178 f., 192-197, 198, 201 f., 206, 209, 211, 218 Helikon: 17 Anm. 46, 61 f., 62 Anm. 138, 120, 138, 175, 180 Anm. 231, 203 Hellespont: 134, 136, 165 Anm. 160, 169, 173 Hephaistos: 161 Anm. 143, 229 Anm. 29 Hera: 181 Herakles: 16, 68, 87 Anm. 236, 118 Heraklit: 7 f., 10, 20 f., 23, 157, 218 Hermann, Gottfried: 116 Anm. 334 Herodot: 85, 87, 88 f., 90 f., 97 f., 103-105, 109, 120, 123 Heroenkult: 136 f. Hesiod (Dichterweihe des H., Kult des H.): 62, 63 f., 120, 138, 139 Anm. 59, 175, 180 Anm. 231, 203 f., 206 Hess, Konrad: 14 Anm. 28, 53 Anm. 98, 67 Anm. 152 Hippias von Elis: 82-84, 85, 94-97, 97-107, 113-119, 123 f., 189, 214-216 Hippias von Erythrai: 94 Anm. 258 Hippias von Thasos: 94 Anm. 258 Hipponax: 2, 157 Anm. 120 historisches Epos: 74 Homeriden: 2 f., 4, 63 Anm. 143, 86, 93, 101, 109, 112, 157, 158 f., 158 Anm. 126, 165, 169, 187, 193-197, 201, 209, 212 Anm. 11, 218 Hypsikrates von Amisos: 129 Idanthyrsos: 88 Anm. 240 Idas: 74 Impersonation: 97, 158 Anm. 126 Inkubation: 133, 179 ionische Wanderung: 22-24, 191 f., 196 Anm. 297, 210 ionischer Aufstand: 23 ionischer Städtebund: 23, 188 Ios: 5, 7-26, 80, 94 Anm. 259, 96 Anm. 265, 156, 187 f., 210, 210 Anm. 5, 218 f. Isis: 195, 211 Isokrates: 75, 83, 193 f., 201 Ithaka: 85, 87, 89, 90 f., 98, 99- 101, 214 Anm. 19, 215 Jacoby, Felix: VII, 1 f., 21 Anm. 64, 24 Anm. 78, 25 Anm. 82, 86, 90, 97 Anm. 268, 102 Anm. 283, 125 Anm. 360, 166 Anm. 167 und 168, 188 Anm. 260, 212 Anm. 11, 216 Anm. 25 und 28 Julia Balbilla: 105 Julia Domna: 131 Kabti-ilani-Marduk: 138, 148 Kalchas: 15, 17, 55 Kallimachos: 33 Anm. 29, 109- 112, 138 Anm. 58, 217, 225 Kallisteia: 181 Namen und Sachen 271 Kallisto: 35, 43, 68 Kalydonische Jagd: 69 Anm. 154 Karaaǧaçtepe: 134 Anm. 35 Kebren: 93 Anm. 256, 104 Anm. 289 Kenchreai: 166, 167 f., 175 Anm. 217, 209 Keos: 121, 124 f. Kephalion von Gergis: 105 Kephalon von Gergis: 168 Anm. 177 Kiarán: cf. Ciarán Kirchhoff, Adolf: 27 Anm. 2, 28 Anm. 6, 76 Anm. 178, 116 Anm. 334 Kirk, G. S.: 3 Anm. 11, 11 f., 53 Anm. 98, 156 Anm. 114 Kirke: 71, 72, 73 Kithairon: 17 Anm. 46, 62 Anm. 138 Kivilo, Maarit: VIII, 1 Anm. 3, 157 Anm. 115, 159 Anm. 132 Klaros: 15 Kleanaktiden: 191 Anm. 276 Kleanax: 95 Anm. 262, 191 Anm. 276 Kleomenes: 121 Kleonymos: 29 Kleopatra (Frau des Meleagros): 74 Kodros: 23 Kolophon: 16, 99, 166 f., 186 Anm. 250, 188, 196, 201, 210 Koniaris, George L.: 11 f. Korfmann, Manfred: 170, 171 Anm. 194 Kranz (im Heroenkult): 136 f. Kreophylos: 112 Anm. 321 Kreta: 56 Anm. 115, 72 Anm. 163, 90 Anm. 247, 124 Kretheis (Kritheis): 96, 191 Anm. 276, 227 Anm. 16 Kritias: 118 Kroisos: 88, 99 Anm. 277 Kronos: 225 Anm. 11 Kurotrophos: 108 Kyme: 86 Anm. 231, 92-97, 101 f., 104, 106 f., 166 f., 186 Anm. 250, 188-192, 189 Anm. 264, 207 Anm. 334, 208, 210, 215 Kyrene: 211 Lamachos: 29 Lambin, Gérard: 14 Anm. 28, 21, 25 Anm. 81 Larisa: 105 Laskaris, Konstantinos: 227 f. Latacz, Joachim: 2, 11 Anm. 18, 88 Anm. 238, 209 Läuserätsel: 7-10, 16, 19-22, 157, 218 f. Lechevalier, Jean Baptiste: 169 Lefkowitz, Mary R.: VIII Anm. 4, 54 Anm. 111 Lemnos: 69, 72 Lesbos: 150, 165 Anm. 160, 166, 175-183, 191, 191 Anm. 276, 196 f., 197 f., 201-204, 206-208, 209, 219 Lesches: 19, 52-54, 55 Anm. 114, 175 Leuke: 164, 185 Libation: 136 Anm. 45 Lukian: 218 Luther, Martin: 21 Lykurgos (Gesetzgeber von Sparta): 93 Anm. 255, 199 Anm. 307 Madytos: 134, 134 Anm. 36, 173 Anm. 205 Maion: 24 f., 76, 95 f., 96 Anm. 264, 188, 215 Indices 272 Malinowski, Bronislaw.: 156 Anm. 114 Mamay, Jusup: 138 Anm. 56, 140 Anm. 62, 148 Anm. 83, 152 Anm. 100, 155 Anm. 113 Manas: 138, 148, 155 Anm. 113 Manto: 225 Anm. 10 Margites: 2, 78, 112 Anm. 321, 157 Markwald, Georg: 86 Am. 228, 92 Anm. 252, 114 Anm. 327 Marpessa: 74 Medeia: 43 Anm. 60 Medici, Lorenzo de’: 221 Medon: 79, 123 Anm. 355 Megapenthes: 30, 50, 72 Megara: 106 Meilanion: 11 Melampodie: 15 Melanopos (Großvater Homers): 95 Anm. 262, 96, 97 Anm. 268, 189 Anm. 264 Melanopos (Hymnendichter von Kyme): 97 Anm. 268 Meleagros: 74 Meles: 76, 166, 177 Memnon: 105 Anm. 294 Menelaos: 30, 37, 71 Anm. 160, 72, 158, 192 f. Mentes: 87 f., 214 f. Mentor: 87, 214 f. Messon (Messa): 181 f., 207 Midas: 115 Milet: 164, 165 Anm. 161 Miltiades, der Ältere: 173 Anm. 209 Mimir: 151 Mindaros: 136 Anm. 47 Mohammed: 138, 140 Anm. 62, 148, 152 Anm. 100 Mopsos: 15, 17 Moses: 138, 139 Anm. 59, 148 Mündlichkeit und Schriftlichkeit: 153 f., 197-206 Muret, Marc-Antoine: 229 Murgein: 144 f., 149, 149 Anm. 87, 154 f., 179, 200, 206 Anm. 330, 211 Anm. 8 Musaios: 83, 121, 124 Anm. 358 Musen: 55, 58, 61 f., 67 f., 73, 119 f., 128, 132, 138, 155, 160, 163, 165, 179, 180, 202-204, 208, 226, 229 Myrmidonen: 161 Anm. 144 Mytilene: 173 f., 181, 183, 187, 191, 196, 207 Anm. 334 Nagy, Gregory: 26 Anm. 85, 81 Anm. 199, 135 Anm. 37, 172 Anm. 204, 182 Anm. 237, 199, 201 Anm. 319 Nausikaa: 47 Anm. 79, 72 Anm. 163 Neid: 60 Anm. 128 Nekromantie: 149 f., 150 f., 155, 212 Neleus: 23, 24 Neon Teichos: 81, 87, 214 Neoptolemos: 84 Nereiden: 163-165, 180 f. Nestor: 44, 49, 70, 71, 72, 84 Nietzsche, Friedrich: 27 Anm. 1, 27 Anm. 2, 84 Anm. 219 Nikander: 166 Niobe: 43, 69 Anm. 154 Odin: 151 Ödipus: 159 f., 194 f., 205 Odysseus: 47 Anm. 79, 48, 61 Anm. 130, 71, 72, 88, 89, 91, 100, 161, 162 Anm. 147, 204 f., 208, 215 Oidipodie: 15 Olbia: 164 Ophryneion: 174 Namen und Sachen 273 Orestes: 191 Anm. 278, 192 Anm. 280, 207 Orhan bzw. Orhaniye Tepe: 169 f., 171 f., 173 f. Orpheus: 121, 150, 155 Anm. 112, 188 Ovid: 217 Palamedes: 83, 176 Anm. 218, 180 Anm. 229 Palnativiracaritra: 199 Panathenäen: 79, 169 Panedes: 19, 29, 51, 65, 113 Anm. 324, 116-119, 122 f. Paris: 88 Anm. 240, 158, 184, 192 f. Parodie: 9 f., 55 Anm. 114, 73, 92, 98, 104, 109, 123 f. Paros: 25 Anm. 80, 184, 206 Patroklos: 56 f., 60, 69, 161, 176 Anm. 218, 184 Anm. 243 Peisistratos bzw. Peisistratiden: 198 f., 200 f., 211 Peloponnesischer Krieg: 123 Anm. 355, 124, 182 f., 207 Anm. 334, 216 Penelope: 100, 215 Anm. 24 Penthilos bzw. Penthiliden: 191 Anm. 276, 192 Anm. 280, 207 Pergamon: 167 Anm. 174 Periander von Korinth: 53 f. Perser bzw. Perserkriege: 23, 74, 122, 136, 183, 191 f., 208 Phaiaken: 72, 159, 205 Phemios: 85, 87, 95, 167, 214 f. Philostrat, Flavius: 83, 131- 133, 136, 147, 150, 155, 175 f., 179 f., 184 f. Phryger (auch im Sinne von ‚Troer‘): 36, 39, 40, 40 Anm. 48, 175 Anm. 217, 209 Pindar: 203, 206 Platon: 194 Anm. 289, 204, 212 Poliziano, Angelo: 131 Anm. 12, 219, 221-229 Polykrates: 158 Anm. 126 Polyphem: 73 Polyxene: 162 Pòrtulas, Jaume: 2 Poseidon: 165 Anm. 160, 180 f. Priamos: 184 f. Prodikos: 118 f. Properz: 138 Anm. 58 Protagoras: 118 Protesilaos: 134, 176, 180 Anm. 229 Proteus: 72 Ptolemaios Chennos: 26 Anm. 84 Pylos: 125 Pythagoreismus: 214 Anm. 15 Quintus von Smyrna: 221 Raddatz, Georg W.: 177 Anm. 221, 189 Anm. 266 Ragone, Giuseppe: 93 Anm. 254 und 255, 95 Anm. 262, 96 Anm. 266, 102 Anm. 282, 189 Anm. 269 Ramayana: 138 Rhapsoden: 1, 3, 25, 54, 63-65, 63 Anm. 143, 79, 157, 159, 169, 182, 198, 201 f., 212-214, 216 Anm. 25, 219 Anm. 39 Rhoiteion: 171, 176 Richardson, N. J.: 29 Anm. 7, 79 Anm. 192, 121 Anm. 351 Ritoók, Zsigmond: 101 Anm. 280, 138 Anm. 55, 193 Anm. 287, 201 Anm. 321 Rohde, Erwin: 96 Anm. 266, 189 Anm. 266 und 269 Rom: 4, 229 Rose, Charles Brian: 170 Indices 274 Salamis: 106 f. Sallust: 80 Anm. 197, 217 Anm. 32 Salomon: 13, 17 Samos: 80, 86, 108, 114 Samuel: 149 Anm. 86, 150 Anm. 88 Sarpedon: 68, 70 Saturnus: cf. Kronos Saul: 149 Anm. 86 Schadewaldt, Wolfgang: 2 Anm. 5, 212 Anm. 11, 218 Anm. 35 Schahname: 200 Schiffskatalog: 107 Schliemann, Heinrich: 134 Anm. 35, 170 Schmähdichtung: 153 Schmidt, Johannes: 95 Anm. 261, 105 Schollmeyer, Jonas: 194 Anm. 289 Senchán: 144 f., 154 Sesostris: 88 Anm. 240 Sestos: 134, 134 Anm. 36, 173 Anm. 205 Sigeion: 134, 134 Anm. 36, 135, 171-174, 177, 183, 196 Simonides: 119-121 Siris: 16 Skalde (Beruf des S.): 141-143 Skaldendichtung: 153 Smyrna: 2-4, 26, 94 Anm. 259, 96 f., 107, 156 f., 166 f., 177, 177 Anm. 219, 186 Anm. 250, 187-192, 196 Anm. 298, 209 f., 215, 219, 227 Anm. 16 Snorri Sturluson: 151 Anm. 95 Sokos: 48, 72 Sokrates: 83 Anm. 212, 83 Anm. 214, 117, 117 Anm. 337, 122 Anm. 353, 124, 194 Anm. 289 Solon: 88 f., 91, 107, 199 Anm. 307, 202 f. Sophokles: 98 Anm. 275, 107- 109, 123, 124, 130, 217 Sparta: 121 f., 124 f., 183, 188 Anm. 262, 208 Spencer, Nigel: 207 Sphinx: 14 f., 17 Spratt’s Plateau: 172 Anm. 201 Śrinathudu: 199 Stesichoros: 193-195, 198, 201, 203, 211 Syagros: 54 Anm. 111 Táin bó Cúalnge: 143-145, 153 f., 200, 206 Anm. 330, 211 Anm. 8 Teiresias: 112, 160 f., 194 f., 205, 225 Telemachos: 37, 73, 101 Anm. 278 Telugu: 199 Tenedos: 134 Anm. 34 Terpander: 198 Testa, Pietro: 228 f. Theagenes von Rhegion: 61 Anm. 131, 213 f. Theben: 80 Anm. 198, 81, 107 Anm. 304 Theolaos: 101 f. Theomachie: 213 f. Theoris: 107-109, 123, 217 Thersites: 208 Theseus, der Athener: 188 Anm. 260 Theseus, der Thessalier: 188 Anm. 258, 227 Anm. 16 Thespiai: 62 Thessalien: 96, 125, 131 Anm. 17, 133 f., 135, 164 Anm. 152, 180 Anm. 229, 182, 188 Anm. 258, 210 Anm. 5, 227 Anm. 16 Namen und Sachen 275 Thetis: 128, 132, 155, 160, 161 Anm. 143, 163 f., 165, 179, 180, 197, 203, 208, 226, 229 Þorleif (Thorleif): 141-143, 144, 150, 152 f., 211 Þorleifs þáttr jarlsskálds (Erzählung von Thorleif, dem Skalden des Jarls): 141- 143, 152 f. Þorsteins þáttr uxafóts (Erzählung von Thorsteinn Ochsenfuß): 146, 155 Anm. 112 Thrakien: 134, 150, 173 Anm. 205, 173 Anm. 209, 176 Totenkult: 136 Trankspenden (im Grab- und Heroenkult): 136 f. Traum: 139, 143, 146, 147, 148 Anm. 83, 155, 193 Trugreden des Odysseus bzw. der Demeter: 41, 78, 90 f., 101, 215 Trygaios: 29, 30 f., 32, 49 f. Tychios: 81, 87, 214 Tzetzes, Johannes: 131, 147, 224 Anm. 8 Valmiki: 138 Vasiloudi, Maria: 85 Anm. 222 Vergil: 98 Anm. 273 Vitali, Luca: 81 Anm. 199 Vogt, Ernst: VII Anm. 3, 19 Anm. 57, 27 Anm. 1, 66 Anm. 149, 66 Anm. 150, 67 Anm. 152, 79 Anm. 196, 84 Anm. 219, 115 Anm. 331, 116 Anm. 333, 218 Anm. 35 Welcker, Friedrich G.: 53 Anm. 97 West, Martin L.: VIII, 3 Anm. 11, 27 Anm. 2, 28 Anm. 5, 33 Anm. 30, 63 Anm. 140, 63 Anm. 142, 66 Anm. 150, 79 Anm. 196, 85 Anm. 222, 103 Anm. 287, 116 Anm. 333, 121 Anm. 351, 158 Anm. 126, 174 Anm. 213, 182 Anm. 237, 187 Anm. 253, 198 Anm. 299, 198 Anm. 301, 211 Anm. 6, 211 Anm. 9 Whitby: 139 Wiemer, Gustav: 1 f., 91 Anm. 250, 95 Anm. 261, 101 Anm. 278, 159 Anm. 134 Wilamowitz-Moellendorff, Ulrich von: 1 f., 3 Anm. 9, 8 Anm. 8, 24 Anm. 78, 61 Anm. 131, 77 Anm. 183, 86, 97 Anm. 268, 105, 110, 114 Anm. 327, 191 Anm. 276, 212 Anm. 11, 214 Anm. 19 Wittenberg: 21 Xenophanes von Kolophon: 213 Xerxes: 132, 136 f., 165 Anm. 164 Yenișehir: 171, 172 Anm. 201 zerrissener und wieder zusammengesetzter Text: 145, 198-201, 211 Zeus: 56 f., 59, 68, 69, 78, 181, 186 Anm. 250, 197, 204, 226 Zopyros von Magnesia: 190 Indices 276 2. Stellenindex A ELIAN VH 10,13: 25 Anm. 80 VH 12,7: 137 Anm. 49 VH 13,14: 199 Anm. 307 VH 13,19: 121 VH 14,21: 54 Anm. 111 A ELIUS A RISTIDES Or. 1,328: 188 Anm. 260 Or. 17,5: 188 Anm. 260 Or. 19,4: 188 Anm. 260 Or. 21,4: 188 Anm. 260 Or. 24,55: 150 Anm. 91 A ISCHYLOS Fragmente (TrGF 3): F 23-25: 150 Anm. 90 F 263-272: 40 Anm. 48 F 446: 40 Anm. 48 erhaltene Tragödien: Eum. 397-402: 173 Anm. 210, 207 Anm. 334 Pers. 598-851: 149 Anm. 86 Pers. 694-696: 150 Anm. 88 A KUSILAOS (FGrHist 2) F 2: 201 Anm. 321 A LKAIOS (Voigt) Frg. 44: 197 Frg. 70,6: 192 Anm. 280 Frg. 75: 192 Anm. 280 Frg. 112,23: 191 Anm. 276 Frg. 129,2-3: 181 Frg. 130b,13: 181 Frg. 130b,17-18: 181 Anm. 235 Frg. 130b,18-20: 181 Frg. 302b: 192 Anm. 280 Frg. 347: 180 Anm. 231 Frg. 354: 135, 164 Anm. 159, 165 Anm. 161 A LKAIOS von M ESSENE Anth. Pal. 7,1: 8 Anm. 9 A LKIDAMAS (Avezzù) Test. 1: 124 Anm. 359 Test. 2: 124 Anm. 359 Test. 13: 124 Anm. 359 Frg. 10: 25 Anm. 80, 25 Anm. 83 A LKMAN (PMGF) 1,47 f.: 57 Anm. 116 14,1: 58 Anm. 123 27,1: 58 Anm. 123 A MPHION von T HESPIAI (FGrHist 387) F 1: 62 Anm. 137 A NAXIMENES von L AMPSAKOS (FGrHist 72) F 30: 157 Anm. 115 A NTHOLOGIA L ATINA (Riese) 286,30: 9 Anm. 12 367: 185 Anm. 248 A NTHOLOGIA P ALATINA 6,349: 165 Anm. 160 7,1: 8 Anm. 9, 21 Anm. 65 7,2: 21 Anm. 65 7,3: 21 Anm. 65 7,4: 21 Anm. 65 7,5: 21 Anm. 65, 76 Anm. 180 7,6: 21 Anm. 65 7,7: 21 Anm. 65 7,137: 174 Anm. 212 7,275,6: 56 Anm. 115 7,295,2: 110 Anm. 317 7,496,3: 45 Anm. 68 7,746: 56 Anm. 115 Stellenindex 277 9,117: 163 Anm. 148 9,177: 176 9,189: 181 Anm. 236 9,448: 9 Anm. 11, 20 Anm. 60 11,442: 177 Anm. 219, 188 Anm. 260, 199 Anm. 307 14,65: 7 Anm. 4 14,66: 7 Anm. 4 16,292: 76 Anm. 180, 166 Anm. 169 16,294: 216 Anm. 26 16,295: 125 Anm. 361, 216 Anm. 26 16,296: 166 Anm. 169, 216 Anm. 26 16,297: 125 Anm. 361, 216 Anm. 26 16,298: 125 Anm. 361, 216 Anm. 26 16,299: 216 Anm. 26 A NTIKLEIDES von A THEN (FGrHist 140) F 4: 181 Anm. 232 A NTIMACHOS von K OLOPHON (Matthews) Frg. 88: 74 Anm. 171 Frg. 89: 74 Anm. 171 Frg. 90: 75 Anm. 172 Frg. 166: 166 Anm. 169 A NTIPATROS von S IDON Anth. Pal. 16,296,1: 166 Anm. 169 A POLLODOROS von A THEN (FGrHist 244) F 63: 22 Anm. 72 A POLLODOROS , der M YTHO - GRAPH Bibl. 1,3,2: 150 Anm. 90 Bibl. 3,5,8: 14 Anm. 30 Bibl. 3,6,7: 160, 160 Anm. 137 Epit. 5,5: 57 Anm. 116 Epit. 5,6: 161 Anm. 141 Epit. 6,2-4: 15 Anm. 37, 17 Anm. 47 A POLLONIOS von R HODOS 1,1075-1077: 136 Anm. 45 A POLLONIOS von R HODOS , S CHOLIEN zu 1,1075-1077: 136 Anm. 45 A PULEIUS flor. 9,16-23: 117 Anm. 336 A RAT 296-298: 110 Anm. 317 A RCHEMACHOS von E UBOIA (FGrHist 424) F 3: 125 Anm. 360 A RCHILOCHOS Testimonien (Tarditi): Test. 4: 206 Anm. 332 Test. 6: 25 Anm. 80 Test. 9: 206 Anm. 333 Test. 46: 25 Anm. 80 Test. 50: 206 Anm. 333 Test. 115: 206 Anm. 333 Test. 179: 206 Anm. 333 Fragmente (West 2 ): Frg. 5: 29 Frg. 185: 54 Anm. 109 Frg. 295: 25 Anm. 80 Frg. 303: 157 A RISTODEMOS von N YSA (FHG) Vol. III p. 307 Müller: 129 Anm. 5 Indices 278 A RISTOPHANES Ach. 523-529: 98, 109 Anm. 313, 123 Av. 250: 45 Anm. 68 Pax 1090-1093: 76 Anm. 176 Pax 1097 f.: 76 Anm. 176 Pax 1270-1287: 29, 76 Anm. 176 Pax 1270: 30 Pax 1273: 30 Pax 1274: 30 Pax 1276: 30 Pax 1280 f.: 31 Pax 1280: 30, 49 Pax 1282 f.: 27 f., 31, 33 Anm. 30, 40, 49 f., 65, 75 f., 111 f., 123, 217 Anm. 29 Pax 1286 f.: 31 f. Pax 1298-1301: 29 Ran. 1033-1036: 121 Vesp. 223-229: 32 Anm. 25 Vesp. 430-432: 32 Anm. 25 A RISTOPHANES , S CHOLIEN zu Pax 1270: 30 Anm. 10 A RISTOTELES Fragmente (Rose): Frg. 75: 54 Anm. 111 Frg. 76: 7 Anm. 2, 7 Anm. 4, 7 Anm. 5, 22, 24, 80 Anm. 198, 96 Anm. 264, 188 Anm. 254, 210 Anm. 5, 215 Anm. 20 Frg. 504-509: 100 Frg. 641,49: 134 Anm. 35 erhaltene Werke: Po. 1461 a 21-23: 94 Anm. 258 Pol. 1311 b 26-30: 192 Anm. 280 Rh. 1,15,13, 1375 b 30: 107 Anm. 302 Rh. 1,15,13, 1375 b 31: 134 Anm. 34 Rh. 2,23,11, 1398 b 11-17: 25 Anm. 80, 25 Anm. 83 A RRIAN An. 1,11-12: 132 Anm. 20 An. 1,11,5: 134 Anm. 35 An. 1,11,6: 165 Anm. 160 An. 1,12,1: 137 Anm. 49 A SIOS (Bernabé) Test. 1: 2 Anm. 8 A SKLEPIADES von T RAGILOS (FGrHist 12) F 7b: 14 Anm. 29 A THENAGORAS Apol. 1,1: 184 Anm. 242 A THENAIOS 1, 20e-f: 130 Anm. 10 10, 457c - 458a: 33 Anm. 30 11, 466c - 781c: 181 Anm. 232 13, 592a: 107 f. 13, 592c: 124 Anm. 359 13, 610a: 181 Anm. 235 B AKCHYLIDES Fragmente (Maehler): Frg. 48: 7 Anm. 5, 23 Anm. 73, 156 B ATRACHOMYOMACHIE 283: 42 Anm. 54 B EDA V ENERABILIS Hist. eccl. 4,24: 139-141, 151 f. C ERTAMEN H OMERI ET H ESIODI 1-4: 105 Anm. 293, 113 Anm. 326, 124 Anm. 358 Stellenindex 279 2: 76 Anm. 180, 101 Anm. 280, 166 Anm. 165, 178 Anm. 222, 178 Anm. 226 3: 76 Anm. 180, 101 Anm. 278, 178 Anm. 224, 190 Anm. 273 5: 7 Anm. 4, 78 Anm. 188 6: 81 Anm. 201 7: 67, 76 8-10: 67 8: 58, 113 Anm. 325 9: 27 f., 31 Anm. 17, 35-49, 58, 68-73, 111 10: 19 Anm. 54 11: 18, 60 Anm. 128, 67, 76, 115, 117 Anm. 335 12: 19 Anm. 55, 49 Anm. 85, 65 Anm. 147, 67, 119 Anm. 341 13: 61, 78 Anm. 187, 116 Anm. 332 14: 78 Anm. 187, 113 Anm. 326 15: 33, 59 Anm. 125, 78 Anm. 188, 107 Anm. 304, 115 16: 33, 49, 78 Anm. 186, 78 Anm. 188, 79, 80, 114 f., 118, 123 17: 25 Anm. 83, 107, 107 Anm. 303 18: 7 Anm. 3, 9 Anm. 10, 10 Anm. 16, 13 Anm. 27, 26 Anm. 85, 78 Anm. 190, 104 Anm. 292, 114 C HAMAILEON (Wehrli 2 ) Frg. 32a: 206 Anm. 331 C HARAX von P ERGAMON (FGrHist 103) F 62: 96 Anm. 263 C HOIRILOS von S AMOS (Bernabé) Frg. 1: 74 Frg. 2: 74 C ICERO Arch. 19: 166 Anm. 166, 166 Anm. 169, 185 Anm. 249 de orat. 3,137: 199 Anm. 308 nat. deor. 3,53: 56 Anm. 115 D AMASTES von S IGEION (FGrHist 5) F 11b: 96 Anm. 263, 189 Anm. 266 D ARES P HRYGIUS Prologus: 80 Anm. 197, 217 Anm. 32 34: 184 Anm. 246 D EMETRIOS von P HALERON (FGrHist 228) F 32a: 62 Anm. 138 D EMON von A THEN (FGrHist 327) F 17: 191 Anm. 278, 192 Anm. 280 D IKAIARCHOS (Wehrli 2 ) Frg. 90: 190 Anm. 271 D IKTYS von K RETA 4,10-11: 184 Anm. 246 D IO C ASSIUS 78(77),16,7: 131 Anm. 17, 131 Anm. 19 D IODOR von S IZILIEN 3,61,2: 56 Anm. 115 4,64,3: 14 Anm. 29 4,64,4: 14 Anm. 30 9,3,2: 55 Anm. 112 12,53: 82 Anm. 203, 82 Anm. 207 17,17-18: 132 Anm. 20 Indices 280 D IOGENES L AERTIOS 1,48: 107 Anm. 302 1,57: 79 Anm. 194, 107 Anm. 302, 169 Anm. 181, 199 Anm. 307 2,43: 80 Anm. 197, 217 Anm. 32 2,46: 54 Anm. 111 D ION C HRYSOSTOMOS 2,10-12: 29 Anm. 9, 103 Anm. 285 11,4: 184 Anm. 241 11,154: 184 Anm. 241 47,5: 80 Anm. 197, 217 Anm. 32 D IONYSIOS von H ALIKAR - NASSOS Is. 19: 124 Anm. 359 D IONYSIOS , der Monarch von S YRAKUS (TrGF 1,76) F 2a: 184 Anm. 246 D IONYSIOS T HRAX , S CHOLIEN zu p. 29,16 - 30,24 Hilgard: 199 Anm. 307 D IOS (FGrHist 785) F 1: 13 D ONAT Vita Verg. § 4 Stok: 98 Anm. 273 E DDA Volüspa § 46: 151 Anm. 95 E PHOROS von K YME (FGrHist 70) F 1: 76 Anm. 179, 85 Anm. 223, 94, 95-97, 102 Anm. 282, 166 Anm. 165, 167 Anm. 172, 178 Anm. 225, 189 Anm. 269, 190 Anm. 273, 191 Anm. 276, 215 F 10: 93 Anm. 256, 208 Anm. 340, 215 Anm. 20 F 39: 134 Anm. 36 F 40: 173 Anm. 209 F 99: 94 Anm. 258, 96 Anm. 267, 102 Anm. 282, 167 Anm. 172, 189 Anm. 269 F 103: 85 Anm. 223, 93 Anm. 254, 93 Anm. 255, 101, 208 Anm. 340, 215 Anm. 21 F 149: 93 Anm. 255 E PIPHANIOS Adv. haer. 42,11,17: 125 Anm. 361, 175 Anm. 217, 209 Anm. 3 E RATOSTHENES (FGrHist 241) F 9: 22 Anm. 72 E RRA UND I ŠUM V 42-44: 138 Anm. 51 E UAGON von S AMOS (FGrHist 535) F 2: 2 Anm. 8, 76 Anm. 180 E UPHORION (van Groningen) Frg. 101: 15 Anm. 38 E URIPIDES Hec. 109-111: 162, 174 Hel. 14: 55 Anm. 112 Hel. 1584-1587: 165 Anm. 160 Ion 49: 48 Anm. 83 Ion 554: 48 Anm. 83 Stellenindex 281 Ph. 1504-1507: 14 Anm. 33 E USTATHIOS Praefatio ad Iliadem: 54 Anm. 111, 63 Anm. 143 G ELLIUS 3,11,3: 61 Anm. 132 3,11,7: 22 Anm. 68, 219 Anm. 38 G NOMOLOGIUM V ATICANUM (Sternbach) 514: 119 Anm. 345 G ORGIAS (Diels-Kranz) 82 A 1: 82 Anm. 206, 82 Anm. 207, 83 Anm. 208, 83 Anm. 210, 122 82 A 1a: 83 Anm. 208, 83 Anm. 209, 117 82 A 4: 82 Anm. 207 82 A 20: 116 82 B 6: 82 Anm. 206 82 B 23: 119 Anm. 339 82 B 25: 83 Anm. 211, 124 Anm. 358 H ARPOKRATION (Keaney) Ο 19: 201 Anm. 321 H EGESIANAX von A LEXANDRIA (FGrHist 45) T 7: 168 Anm. 177 H ELIODOR 3,14,4: 216 Anm. 26 H ELLANIKOS von L ESBOS (FGrHist 4) F 5b: 76 Anm. 179, 96 Anm. 263, 189 Anm. 266, 215 Anm. 20 F 20: 201 Anm. 321 F 32: 191 Anm. 278 F 125: 23 Anm. 74 H ELLENISTISCHE D ICHTUNG (Supplementum Hellenisticum) SH 378: 101 Anm. 278 H ERAKLEIDES L EMBOS (Dilts) Frg. 64: 85 Anm. 226, 90 Anm. 248, 100, 215 Anm. 22 H ERAKLEIDES P ONTIKOS (Wehrli 2 ) Frg. 157: 198 Frg. 169: 80 Anm. 197, 217 Anm. 32 H ERAKLIT (Diels-Kranz) 22 B 56: 8, 20 f., 157, 157 Anm. 115, 218 Anm. 37 H ERMEIAS von A LEXANDRIA zu Plat. Phdr. 243a: 128, 149 Anm. 87 zu Plat. Phdr. 267a: 115 f., 117 Anm. 335 H ERMESIANAX von K OLOPHON (Powell) Frg. 7,27-32: 85 Anm. 224, 91 Anm. 249, 100, 215 Anm. 22, 215 Anm. 24, 217 Anm. 33 Frg. 7,57-60: 109 Anm. 314 H ERODIAN 4,8,4: 137 Anm. 49 4,8,5: 131 Anm. 19 H ERODOT Proömium: 87 Anm. 236 1,1-5: 109 Anm. 313 Indices 282 1,5,3: 99 Anm. 277 1,16,2: 188 Anm. 257 1,30,2: 88 1,75,3; 99 Anm. 277 1,145-147: 23 Anm. 74 1,149,1: 188 Anm. 255 1,150: 188 Anm. 256 1,151,2: 134 Anm. 34 2,3,1: 87 Anm. 236 2,28,1: 87 Anm. 236 2,44,2: 87 Anm. 236 2,53,2: 97 Anm. 271, 120 2,99,1: 87 Anm. 236 2,103,2: 88 Anm. 240 2,113,1: 87 Anm. 236 2,116,2: 88 Anm. 240 2,116,6: 88 Anm. 240 2,117: 97 Anm. 271 2,118,1: 87 Anm. 236 2,120,1: 99 Anm. 277 2,125,6: 87 Anm. 236 4,32: 97 Anm. 271 4,126: 88 Anm. 240 5,67,1: 97 Anm. 271 5,94-95: 173 Anm. 207 5,122,2: 168 Anm. 177 6,36-38: 173 Anm. 209 7,33: 134 Anm. 35, 176 7,43,2: 132 Anm. 20, 136, 168 Anm. 177 7,58,3: 134 Anm. 36 7,94-95: 23 Anm. 74 9,116-120: 134 Anm. 35, 176 P S .-H ERODOT Vit. Hom. 1-3: 94, 95, 102 Anm. 282, 190 Anm. 272 Vit. Hom. 1-2: 191 Anm. 276, 210 Anm. 5 Vit. Hom. 1: 87 Anm. 236, 94, 95 f., 189 Anm. 268, 215 Anm. 21 Vit. Hom. 2-3: 191 Anm. 277 Vit. Hom. 2: 188 Anm. 258, 190 Anm. 275, 227 Anm. 16 Vit. Hom. 3: 166 Anm. 165, 178 Anm. 222, 178 Anm. 223 Vit. Hom. 4: 85, 87, 95 Anm. 260, 215 Vit. Hom. 6-7: 103 Vit. Hom. 6: 87 f., 89 Anm. 241, 90, 91, 99 Anm. 277 Vit. Hom. 7-8: 85, 158 Anm. 124, 167 Anm. 170 Vit. Hom. 7: 87, 88, 89 Anm. 241, 91, 99, 100, 103 Anm. 288, 214 Anm. 19, 215 Anm. 23 Vit. Hom. 8: 196, 201 Anm. 323 Vit. Hom. 9: 78 Anm. 189, 81, 87, 107 Anm. 304, 123, 214 Vit. Hom. 11-14: 86 Anm. 231, 104 Vit. Hom. 11: 115 Vit. Hom. 12: 105 Vit. Hom. 13: 178 Anm. 225, 190 Anm. 273, 190 Anm. 274 Vit. Hom. 14: 188 Anm. 258, 190 Anm. 275 Vit. Hom. 16: 107 Anm. 304, 113 Anm. 326, 201 Anm. 324 Vit. Hom. 19-20: 89 Vit. Hom. 19: 98 Anm. 275, 113 Anm. 325 Vit. Hom. 20-21: 89 Vit. Hom. 20: 93 Anm. 256 Vit. Hom. 21: 89, 113 Anm. 325 Vit. Hom. 22: 41 Anm. 51, 88, 89, 90, 91, 92, 99 Anm. 277, 103 Anm. 288 Vit. Hom. 24: 85, 89, 92, 113 Anm. 326 Vit. Hom. 25: 92, 101 Vit. Hom. 26-28: 107 Anm. 304 Stellenindex 283 Vit. Hom. 26: 87, 88 Anm. 237, 214 Anm. 17 Vit. Hom. 28: 106, 107 Anm. 303 Vit. Hom. 30: 98 Anm. 275, 108, 123, 217 Vit. Hom. 31: 80, 114, 123 Anm. 357 Vit. Hom. 34: 80, 114, 123 Vit. Hom. 35: 8 Anm. 9, 10 Anm. 16 Vit. Hom. 36: 7 Anm. 3, 104 Anm. 292, 114 Vit. Hom. 37-38: 94 Anm. 257, 103-105, 106, 113 Anm. 326 Vit. Hom. 37: 190 Anm. 272 Vit. Hom. 38: 188 Anm. 258, 190 Anm. 275 (P S .-) H ESIOD Fragmente (Merkelbach-West): Frg. 23a,13: 42 Anm. 56 Frg. 23a,35: 46 Anm. 75 Frg. 43a,65: 68 Anm. 153, 112 Frg. 163: 68 Anm. 153 Frg. 192: 160 Anm. 135 Frg. 204,113: 55 Anm. 112 Frg. 221,3: 46 Anm. 75 Frg. 275: 160 Anm. 137 Frg. 278: 15 Frg. 283-285: 61 Anm. 129 Frg. 357: 26 Anm. 85, 63 erhaltene Werke: Op. 11-26: 60 Op. 127: 56 Op. 161-163: 160 Anm. 135 Op. 230: 59 Anm. 127 Op. 285: 56 Op. 311: 122 Anm. 353 Op. 383-392: 119 Anm. 341 Op. 582-588: 180 Anm. 231 Op. 635 f.: 189 Anm. 264 Op. 646-662: 54 Anm. 105 Op. 654-659: 29, 51, 60, 119, 157 Op. 657: 63 Op. 658: 61 Sc. 309: 57 Anm. 118 Th. 14: 43 Anm. 61 Th. 22-35: 120, 138 Anm. 58, 180 Anm. 231, 203 Th. 22 f.: 204 Th. 31-34: 204 Th. 32: 55 Th. 36-103: 204 Th. 38: 55, 58 Anm. 123 Th. 104 f.: 204 Th. 210: 56 Th. 221: 59 Anm. 127 Th. 531: 56 Th. 666: 56 Th. 796: 59 Anm. 127 Th. 802: 59 Anm. 127 Th. 822: 46 Anm. 75 Th. 918: 43 Anm. 61 Th. 954: 68 Anm. 153, 112 Th. 962: 46 Anm. 75 Th. 979 f.: 47 Anm. 80 Th. 1005: 46 Anm. 75 Th. 1011-1016: 88 Anm. 239 Th. 1014: 46 Anm. 75 H ESYCH µ 932 Latte: 181 π 4342 Hansen: 181 Anm. 235 H IERONYMUS Chron. p. 94 Helm 3 : 53 Anm. 104 H IPPIAS von E LIS historische Fragmente (FGrHist 6): T 2: 84 Anm. 217, 118 F 4: 84 Anm. 218 Indices 284 F 13: 94 Anm. 258, 95, 102 Anm. 282, 102 Anm. 284, 106, 124 Anm. 358, 189 Anm. 267 philosophische Fragmente (Diels-Kranz): 86 A 2: 84 Anm. 216 86 A 6: 83 Anm. 213 86 A 7: 83 Anm. 212 86 A 8: 84 Anm. 219 86 A 9: 84 Anm. 216 86 A 10: 84 Anm. 215 86 A 12: 84 Anm. 217, 118 86 A 14: 83 Anm. 214 86 B 6: 84 Anm. 218 86 B 18: 94 Anm. 258, 95, 102 Anm. 282, 102 Anm. 284, 106, 124 Anm. 358, 189 Anm. 267 H IPPIAS von E RYTHRAI (FGrHist 421) F 1: 94 Anm. 258 H IPPOLYTOS Ref. 9,9,6: 8 H OMER , I LIAS 1,49: 43 1,70: 55, 58 Anm. 123 1,82: 56 1,155: 59 Anm. 127 1,172: 42 Anm. 56 1,348-427: 197 1,360: 56 1,442: 42 Anm. 56 1,493-530: 197 1,500: 56 1,506: 42 Anm. 56 2,95 f.: 70 2,144-149: 3 Anm. 12 2,188-191: 122 Anm. 353 2,198-202: 122 Anm. 353 2,243-277: 208 Anm. 339 2,402-431: 70 2,439 f.: 44, 49, 70, 72 2,439: 44 Anm. 63 2,459-468: 3 Anm. 12 2,558: 107 2,559-568b: 107 Anm. 303 2,614: 12 2,721-723: 69 Anm. 155 2,818: 31 Anm. 21 3,15: 30 Anm. 11 3,17: 42 Anm. 54 3,150: 31 f. 4,141-147: 3 Anm. 12 4,146: 40 4,185: 56 4,447: 30 Anm. 12 4,448: 30 Anm. 13 4,450: 30 Anm. 12 5,53: 43 Anm. 61 5,97: 42 Anm. 54 5,427: 46 Anm. 75 5,447: 43 Anm. 61 5,789: 59 Anm. 127 6,106: 39 Anm. 42 6,109: 39 Anm. 42 6,413: 46 Anm. 74 6,428: 43 Anm. 61 6,429: 46 Anm. 74 6,471: 46 Anm. 74, 46 Anm. 78 7,219-223: 214 7,466: 41 8,61: 30 Anm. 12 8,62: 30 Anm. 13 8,64: 30 Anm. 12 8,165: 32 Anm. 23 8,231: 37, 69 8,435: 57 Anm. 118 8,441: 57 Anm. 118 8,543: 37, 38, 112 8,545-565: 41 9,4-8: 3 Anm. 12 9,63: 43 Anm. 58, 44 Anm. 67 9,68-73: 70 9,89-91: 70 Stellenindex 285 9,128-130: 181 Anm. 235 9,177: 44 Anm. 67 9,502-515: 61 Anm. 130 9,529-599: 69 Anm. 154, 74 Anm. 171 9,561: 46 Anm. 74 9,574: 32 Anm. 23 9,625: 44 Anm. 66 10,305 f.: 40 10,305: 37, 111 Anm. 318 10,306: 40 10,333: 42 Anm. 54 10,431: 40, 40 Anm. 48 11,452: 46, 46 Anm. 74 11,500: 32 Anm. 27, 48 12,161: 30 Anm. 14 12,328: 44 Anm. 66 12,372: 42 Anm. 54 13,115: 61 Anm. 130 13,126-133: 49 Anm. 85, 119 Anm. 341 13,169: 32 Anm. 27 13,264: 30 Anm. 14 13,339-344: 49 Anm. 85, 119 Anm. 341 13,430: 46 Anm. 74, 46 Anm. 78 13,540: 32 Anm. 27 13,634 f.: 38, 39 14,227: 56 14,374: 44 Anm. 66 15,203: 61 Anm. 130 15,408: 59 Anm. 127 15,645: 56 15,672: 56 15,713: 43 Anm. 59, 70, 72 15,714: 71 Anm. 157 16,214: 30 Anm. 14 16,259: 32 16,267: 32 16,666-683: 70 f. 16,795: 40 Anm. 46 17,496: 37, 111 Anm. 318 18,23: 43 Anm. 58 18,280: 37, 111 Anm. 318 18,283: 59 Anm. 127 18,610: 161 Anm. 143, 229 Anm. 29 18,616 f.: 161 Anm. 143 19,14 f.: 161 Anm. 144 19,291: 46 Anm. 74 19,352: 31 Anm. 21 19,360: 30 Anm. 14 19,367-383: 161 Anm. 143 19,397 f.: 161 Anm. 143 20,39: 43 Anm. 61 20,71: 43 Anm. 61 20,437: 56 21,438: 44 Anm. 66 21,502: 42 Anm. 54 22,134 f.: 161 Anm. 143 22,136 f.: 161 Anm. 144 22,239: 46 Anm. 74 22,341 f.: 46, 46 Anm. 74 23,125 f.: 134 Anm. 32 23,171: 37, 48, 111 Anm. 318 23,213: 56 23,245-248: 134 Anm. 32 23,255-257: 134 Anm. 32 23,331: 57 23,346: 56 23,368: 57 Anm. 118 23,373: 57 23,437: 57 Anm. 119, 64 23,496: 57 Anm. 119, 64 23,498: 56 23,503: 57 Anm. 118 23,679 f.: 160 Anm. 135 23,732: 40 Anm. 46 24,90 f.: 47 Anm. 82 24,130 f.: 47 Anm. 80 24,525-533: 161 Anm. 140 24,602-617: 3 Anm. 12, 69 Anm. 154 24,605: 43 24,606: 43, 43 Anm. 61 Indices 286 H OMER , O DYSSEE 1,1 f.: 88 1,3: 88, 90 1,325: 59 Anm. 125 1,339: 59 Anm. 125 2,343: 45 Anm. 71 3,73: 41 Anm. 50 3,130-198: 71 3,139: 71 3,168-175: 198 3,342: 44 Anm. 67 3,395: 44 Anm. 67 4,15: 30, 42 Anm. 55, 50, 72 Anm. 166 4,39: 37, 38 4,42: 57 Anm. 118 4,487: 45 Anm. 72 4,541: 38 5,125 f.: 47 Anm. 80 6,30: 46 Anm. 74 6,97: 36 f., 50, 72 Anm. 163 6,99: 39 Anm. 42 6,154: 46 Anm. 74, 47 Anm. 79 6,174: 56 6,181: 56 6,286-288: 47 Anm. 82 7,184: 44 Anm. 67 7,206: 42 Anm. 54, 72 Anm. 164 7,228: 44 Anm. 67 7,246 f.: 47 Anm. 82 8,62-64: 159 8,83: 59 Anm. 125 8,131: 39 Anm. 42 8,367: 59 Anm. 125 8,488-491: 204 f. 8,500: 45 Anm. 69 8,516: 59 Anm. 125 8,521: 59 Anm. 125 9,6-11: 67 Anm. 151 9,91: 47 Anm. 82 9,156: 43 Anm. 59, 73 Anm. 167 9,254: 41 Anm. 50 9,311 f.: 42 Anm. 57, 73 Anm. 167 9,530: 45 Anm. 72 10,460-463: 71 10,460: 45 Anm. 71, 71 Anm. 159, 73 Anm. 169 10,492 f.: 160 10,499: 38 11,172: 43 Anm. 61 11,271-280: 160 Anm. 135 11,367-369: 205 11,382: 56 11,397: 42 Anm. 56 11,543-551: 161 Anm. 141 12,15: 57 Anm. 117 12,23-27: 71 12,23: 45 Anm. 71, 71 Anm. 159, 73 Anm. 169 12,131: 59 Anm. 127 12,182: 43 13,113-124: 89 14,1-4: 89 14,29-36: 89 14,72-110: 89 14,191-359: 41 Anm. 51, 89 f. 14,347: 41, 72 Anm. 163 15,66: 45 Anm. 72 15,160-181: 198 Anm. 305 15,315: 47 Anm. 82 15,385: 46 Anm. 74, 46 Anm. 78 15,473: 43, 73 Anm. 168 15,478: 43 Anm. 61 16,426: 41 Anm. 50 17,182-341: 89 17,425: 41, 41 Anm. 50 17,448: 75 Anm. 174 18,325: 47 Anm. 80 18,427: 44 Anm. 67 19,32: 30 Anm. 15 19,258: 45 Anm. 71 19,462: 46 Anm. 74 Stellenindex 287 21,211: 45 Anm. 72 22,412: 61 Anm. 130 24,47-62: 163 Anm. 150 24,80-84: 134 Anm. 32 24,84: 56 24,117: 45 Anm. 69 24,121: 42 Anm. 56 24,292: 46 Anm. 78 24,316: 43 Anm. 58 24,432: 44 Anm. 66 H OMER , H YMNEN Ap. 15: 43 Anm. 61 Ap. 131: 42 Anm. 54 Ap. 147 f.: 25 Ap. 151 f.: 25 Ap. 159: 43 Anm. 61 Ap. 172 f.: 2 Anm. 8, 25, 158 Anm. 126, 195 Anm. 295, 197, 201 Ap. 172: 190 Ap. 173: 56 Ap. 199: 43 Anm. 61 Ap. 265: 57 Anm. 118 Ap. 454: 41 Anm. 50 Ap. 546: 59 Anm. 126 Bacch. 28: 75 Anm. 174 Cer. 14: 45 Anm. 68, 78 Cer. 49: 59 Anm. 127 Cer. 123-132: 78 Cer. 125: 41, 41 Anm. 50 Cer. 354 f.: 47 Anm. 82 Cer. 424: 43 Anm. 61 Cer. 495: 59 Anm. 126 Merc. 6 f.: 47 Anm. 80 Merc. 518: 42 Anm. 54 Merc. 580: 59 Anm. 126 Ven. 1: 56 Ven. 16 f.: 59 Ven. 16: 59 Anm. 127, 78 Anm. 191 Ven. 262 f.: 47 Anm. 80 Ven. 287: 47 Anm. 80 H OMER , S CHOLIEN zu Il. 9,129: 181 Anm. 235 Od. 8,63: 159 Anm. 132 H OMER , V ITEN des cf. Certamen, Ps.-Herodot, Ps.-Plutarch, Proklos, Suda ο 251, Vitae Homeri H YGIN fab. 67,5: 14 Anm. 30 fab. 110: 184 Anm. 246 H YPERMENES von C HIOS (FGrHist 394) F 1: 26 Anm. 84 H YPSIKRATES von A MISOS (FGrHist 190) F 5: 129 Anm. 5 I NSCHRIFTEN Bernand Inscr. Colosse Memnon 28-31: 105 Anm. 294 Epigr. Gr. 1105: 8 Anm. 9, 20 Anm. 59 GDI 1919,2: 39 Anm. 44 GDI 3642,1: 39 Anm. 45 IG 2 2 1006: 136 Anm. 45 IG VII 1785: 62 IG XII 4,2,456,1: 39 Anm. 45 IG XII 5,1,15: 22 Anm. 67, 219 Anm. 38 IGSK 2, 201: 164 Anm. 156 Inscr. Perg. 203: 167 Anm. 174, 186 Anm. 250, 209 Anm. 2 IOSPE I 2 142: 164 Anm. 157 Schwyzer DGE 255,1: 39 Anm. 45 SEG 23, 207,19: 105 Anm. 299 SEG 37, 340,21: 105 Anm. 299 SEG 56, 1003: 157 Anm. 121 Indices 288 SEG 57, 554: 164 Anm. 155 SEG 57, 555: 164 Anm. 155 SIG 3 614,34: 105 Anm. 299 SIG 3 1011,17: 105 Anm. 299 SIG 3 1014: 164 Anm. 156 I SAIOS 6,51: 136 Anm. 45 6,65: 136 Anm. 45 I SOKRATES 4,122: 23 Anm. 74 10,14: 193 10,48: 193 Anm. 286 10,52-53: 193 Anm. 286 10,64: 194 Anm. 290 10,65: 3, 109 Anm. 309, 138 Anm. 50, 157 Anm. 122, 158, 179, 193, 201 11,39: 150 Anm. 90 12,18: 117 Anm. 335 I STROS (FGrHist 334) F 77: 206 Anm. 331 J OSEPHUS , F LAVIUS AJ 8,147-149: 13 Ap. 1,12: 199 Anm. 307 Ap. 1,113-115: 13 J ULIAN , Kaiser Ep. 79 Bidez: 185 Anm. 248 K ALLIMACHOS (Pfeiffer) Fragmente: Frg. 178: 110 Frg. 202,15-17: 56 Anm. 115 Frg. 397: 112 Anm. 321 Frg. 429-453: 112 Epigramme: 5,12: 188 Anm. 255 6: 112 Anm. 321 58: 98 Anm. 275, 110 f., 112, 217 Anm. 30 Hymnen: Jov. 8 f.: 56 Anm. 115 Lav. Pall. 9-11: 35 Anm. 34, 111 f., 217 Anm. 30 Lav. Pall. 57-131: 112, 160 Anm. 138 Lav. Pall. 82: 225 Anm. 11 Lav. Pall. 83 f.: 225 Anm. 11 Lav. Pall. 95: 160, 225 Anm. 11 Lav. Pall. 100: 225 Anm. 11 Lav. Pall. 119-131: 160 Lav. Pall. 121: 225 Anm. 11 Lav. Pall. 127: 225 Anm. 11 K ALLINOS (West 2 ) Frg. 6: 157 Frg. [8]: 15 Anm. 36 K ASTOR von R HODOS (FGrHist 250) F 4: 125 Anm. 360 K EPHALION von G ERGIS (FGrHist 93) T 1: 105 Anm. 296 T 2: 105 Anm. 296 K EPHALON von G ERGIS cf. Hegesianax von Alexandria K LEANTHES (SVF) I 592: 76 Anm. 179, 215 Anm. 20 K LEARCHOS von S OLOI (Wehrli 2 ) Frg. 63 I: 33 Anm. 30 K LEMENS von A LEXANDRIA Strom. 1,117,2: 22 Anm. 71 Strom. 6,15,2: 84 Anm. 218 Stellenindex 289 K ONON Narr. 6: 15 Anm. 38 Narr. 33: 225 Anm. 10 Narr. 45: 150 Anm. 90 K ORAN Sure 96: 138 Anm. 54 K ORINNA (PMG) 654 I: 62 Anm. 138 K RATES von A THEN (FGrHist 362) F 5: 101 Anm. 280 K RATES von M ALLOS (Broggiato) Frg. 126*: 101 Anm. 280 K RITIAS (Diels-Kranz) 88 B 44: 25 Anm. 80 88 B 50: 76 Anm. 180 K YKLISCHE E PEN (Bernabé) (cf. auch Thebanische Epen) K YPRIEN : Frg. 34: 162 Anm. 147 Procl. Chr. p. 40 l. 28: 160 Anm. 135 Procl. Chr. p. 41 l. 50-51: 69 Anm. 155 A ITHIOPIS : Procl. Chr. p. 69 l. 20-21: 163 Anm. 150 Procl. Chr. p. 69 l. 22-23: 57 Anm. 116 Procl. Chr. p. 69 l. 22: 134 Anm. 32 I LIAS P ARVA : Test. 5: 53 Anm. 104 Frg. 1: 55 Anm. 114 Frg. 2: 161 Anm. 141 Procl. Chr. p. 74 l. 3-5: 161 Anm. 141 I LIUPERSIS : Procl. Chr. p. 89 l. 22-23: 162 Anm. 147 N OSTOI : Procl. Chr. p. 94 l. 3: 71 Anm. 160 Procl. Chr. p. 94 l. 7-9: 15 Anm. 36 Procl. Chr. p. 94 l. 9-11: 162 Anm. 146 L ACTANTIUS P LACIDUS Scholien zu Statius, Theb. 8,198: 225 Anm. 10 L AKTANZ inst. 1,11,46: 56 Anm. 115 L EONIDAS von T ARENT Anth. Pal. 7,295,2: 110 Anm. 317 P S .-L ONGINOS 15,7: 162 Anm. 145 L UKAN 9,975-977: 174 Anm. 212 L UKIAN Charon 22: 136 Anm. 45 Dem. Enc. 9: 76 Anm. 180, 218 Deor. Conc. 12: 134 Anm. 35, 184 Anm. 242 Ind. 11: 150 Anm. 91 Philops. 21: 136 Anm. 45 Pisc. 38: 184 Anm. 241 Sat. 8: 150 Anm. 90 VH 2,20: 158 Anm. 125 VH 2,22: 103 Anm. 285 L UXURIUS anth. 367 Happ: 185 Anm. 248 Indices 290 L YKOPHRON Alex. 424-430: 15 Anm. 37, 17 Anm. 47 Alex. 978-983: 16 Anm. 42 Alex. 1374-1377: 191 Anm. 278 L YKOPHRON , S CHOLIEN zu Alex. 269a: 184 Anm. 246 Alex. 427: 15 Anm. 37 Alex. 980a: 16 Anm. 42 Alex. 1374: 191 Anm. 278 L YKURGOS Leocr. 102: 79 Anm. 194, 169 Anm. 181 M ARKELLINOS Vit. Thuc. 3-10: 173 Anm. 209 M ARTIAL 5,10,8: 80 Anm. 197, 217 Anm. 32 M ARTIANUS C APELLA 6,660: 7 Anm. 1 M AXIMOS von T YROS 9,7: 176 38,1: 159 Anm. 132 M ETAGENES von A THEN (Kassel-Austin) Frg. 10-12: 217 Anm. 31 M ETRODOROS von C HIOS (FGrHist 43) F 3: 188 Anm. 255 M IMNERMOS elegische Fragmente (West 2 ): Frg. 9: 24 Anm. 79, 188 Anm. 255, 192 Anm. 280 Frg. 10: 24 Anm. 79 historische Fragmente (FGrHist 578): F 3: 188 Anm. 255, 188 Anm. 259 M YRSILOS von M ETHYMNA (FGrHist 477) F 2: 150 Anm. 91 F 14: 181 Anm. 232 N IKANDER Frg. 14 Schneider: 166 Anm. 169 N IKOKRATES (FGrHist 376) F 3-4: 62 Anm. 137 N IKOLAOS von D AMASKOS (FGrHist 90) F 64: 188 Anm. 257 N ONNOS D. 5,168: 45 Anm. 68 O PPIAN von A PAMEIA C. 2,147: 45 Anm. 68 O RPHEUS (Bernabé) Frg. 243,28: 45 Anm. 68 O VID met. 11,1-49: 150 Anm. 90 met. 11,50-60: 150 Anm. 91 met. 13,441-448: 163 Anm. 148 trist. 4,10,21 f.: 217 P ANYASIS (Bernabé) Test. 1: 23 Anm. 74 P APYRI Greek Papyrological Society M2: 27 Anm. 1 Stellenindex 291 P. Lond. 1, 191: cf. P. Petr. 1,25,1 P. Mich. 2754: 7 Anm. 3, 8 Anm. 9, 27 Anm. 1 P. Petr. 1,25,1: 27 Anm. 1, 57 Anm. 117, 58 Anm. 124, 112, 113 Anm. 325 P AUSANIAS 1,21,2: 206 Anm. 331 1,34,2: 134 Anm. 35 2,1,8: 164 Anm. 153 3,2,1: 191 Anm. 278, 192 Anm. 280 3,4,6: 134 Anm. 35 4,33,7: 158 Anm. 124 5,1,1: 23 Anm. 74 5,7,8: 97 Anm. 268 5,8,7: 188 Anm. 256 5,19,2: 11 Anm. 21 5,26,2: 158 Anm. 127 7,2,1-6: 23 Anm. 74 7,5,1: 188 Anm. 255 7,5,13: 166 Anm. 166, 185 Anm. 249 7,26,13: 199 Anm. 307 9,23,2-3: 206 Anm. 331 9,26,2: 14 Anm. 29 9,30,5: 150 Anm. 90 9,30,10: 155 Anm. 112 9,31,3: 61 Anm. 132 10,24,2: 7 Anm. 4, 21, 21 Anm. 65, 219 Anm. 38 P EISANDROS (FGrHist 16) F 10: 14 Anm. 29 P HAINIAS von E RESSOS (Wehrli 2 ) Frg. 33: 54 Anm. 106 P HANOKLES (Powell) Frg. 1,1-10: 150 Anm. 90 Frg. 1,11-20: 150 Anm. 91 P HEREKYDES von A THEN (FGrHist 3) F 92a: 160 F 142: 16 Anm. 41 F 155: 23 Anm. 74, 191 Anm. 278 F 167: 76 Anm. 179, 96 Anm. 263, 189 Anm. 265, 215 Anm. 20 P HILOCHOROS (FGrHist 328) F 211: 22 Anm. 72 P HILOSTRAT , F LAVIUS Her. 4,12: 120 Anm. 348 Her. 5,3: 120 Anm. 348 Her. 9,1: 134 Anm. 35 Her. 9,5-6: 134 Anm. 35 Her. 18,2: 176 Her. 18,3: 176 Anm. 218 Her. 18,4-5: 176, 176 Anm. 218 Her. 19,3-9: 184 Anm. 242 Her. 21,1: 176 Her. 21,2-8: 176 Anm. 218 Her. 22,2: 176 Her. 22,3: 176 Anm. 218 Her. 23,14-15: 12 Anm. 22 Her. 28,7-13: 150 Anm. 92 Her. 43,9: 103 Anm. 285 Her. 44,2-3: 216 Anm. 26 Her. 51,5-6: 184 Anm. 246 Her. 51,7: 163 Anm. 151 Her. 53,8-23: 136 Anm. 44 Her. 53,10: 164 Anm. 152 Her. 53,11: 131 Anm. 17 Her. 56,6-10: 185 Anm. 247 Im. 2,8: 76 Anm. 180 VA 4,11-16: 131-133, 147 VA 4,11,1: 131 Anm. 18, 132 Anm. 23 VA 4,11,2: 176, 184 Anm. 244 Indices 292 VA 4,11,3: 132 Anm. 24 VA 4,12: 133 Anm. 26, 184 Anm. 245 VA 4,13,3: 180 Anm. 229 VA 4,14: 150 Anm. 92 VA 4,16,1: 131 Anm. 18, 132 Anm. 22, 149 Anm. 87, 179 Anm. 228 VA 4,16,2: 132 Anm. 25, 150 Anm. 88 VA 4,16,3: 184 Anm. 246 VA 4,16,4: 163 Anm. 151 VA 4,16,6: 133 Anm. 26 VS Dedicatio: 76 Anm. 180 VS 1 Proöm.: 83 Anm. 208, 83 Anm. 209, 115 Anm. 330, 117, 118 VS 1,9,1: 82 Anm. 207, 83 Anm. 208, 83 Anm. 210 VS 1,9,2: 82 Anm. 206, 122 VS 1,11: 84 Anm. 216 VS 1,12: 118 Anm. 338 VS 2,4,2: 56 Anm. 115 P HILOSTRAT , der J ÜNGERE Im. 6,3: 150 Anm. 90 P HOTIOS Bibl. 68, 34 a 4-34: 105 Anm. 296 Bibl. 190, 152 b 20-23: 26 Anm. 84 P INDAR Fragmente (Maehler): Frg. 52h: 119 Anm. 343 Frg. 177d: 14 Anm. 32 Frg. 264: 2 Anm. 8, 26 Anm. 86, 156 Frg. 265: 157 erhaltene Lieder: Nem. 2,1-5: 201 Anm. 321 Nem. 7,20-24: 203 Anm. 327 Nem. 11,33-37: 134 Anm. 34, 191 Anm. 278 Ol. 1,28-34: 203 Anm. 327 Pyth. 4,263: 14 Anm. 32 P INDAR , S CHOLIEN zu Nem. 2,1: 4 Anm. 15, 101 Anm. 280 P INDAR , V ITEN des (Drachmann) Vita Ambrosiana, I p. 1,6-11: 206 Anm. 331 Vita Ambrosiana, I p. 2,6-9: 206 Anm. 331 P LATON Ap. 19 e 1 - 20 a 2: 119 Anm. 340 Grg. 447 a 5-6: 81 Anm. 200, 82 Anm. 205 Grg. 447 c 6-8: 116 Grg. 447 d 6 - 448 a 3: 116, 117 Anm. 335 Grg. 502 c 5-7: 204 Hipparch. 228 b 6 c 1: 79 Anm. 194, 169 Anm. 181 Hp. Ma. 281 a 1 b 4: 83 Anm. 213 Hp. Ma. 282 e 1-2: 83 Anm. 212 Hp. Ma. 286 a 5 b 4: 84 Anm. 216 Hp. Mi. 363 c 1-3: 81 Anm. 200, 84 Anm. 215 Hp. Mi. 363 d 1-4: 84 Anm. 219, 117 Anm. 335 Hp. Mi. 364 c 4-7: 84 Anm. 215 Hp. Mi. 368 a 8 b 1: 117 Anm. 337 Hp. Mi. 368 b 2-5: 117 Hp. Mi. 368 b 5 c 7: 117 Anm. 336 Stellenindex 293 Hp. Mi. 368 c 8 d 2: 84 Anm. 217, 118 Hp. Mi. 368 d 2-6: 118 Ion 530 b 2-3: 79 Anm. 194 Ion 530 b 5 d 3: 212 Anm. 10 Lg. c 7 d 1: 188 Anm. 262 Men. 71 c 5 d 1: 82 Anm. 204 Phdr. 242 b 8 c 2: 194 Anm. 289 Phdr. 243 a 6-7: 194 Anm. 289 Phdr. 244 a 2-3: 194 Anm. 289 Phdr. 245 a 1-8: 194 Anm. 289 Phdr. 248 d 3: 194 Anm. 289 R. 599 e 5-6: 3, 109 Anm. 309, 157 Anm. 122 R. 620 a 3-6: 150 Anm. 90 Smp. 221 c 2 d 6: 90 Anm. 248 P LAUTUS Amph. 553 f.: 55 Anm. 113, 58 Anm. 124 P LINIUS , der Ä LTERE nat. 4,69: 21 Anm. 65 P LUTARCH Fragmente (Sandbach): Frg. 84: 54 Anm. 105 Moralia: 152 e-f: 54 Anm. 109 153 f - 154 a: 19, 46 Anm. 76, 51-66, 69, 103 Anm. 285, 175, 218 Anm. 34 163 b: 181 Anm. 232 223 a: 121 348 c: 119 Anm. 339 578 f - 579 a: 62 Anm. 136 674 f - 675 a: 54 Anm. 105, 103 Anm. 285 748 f: 62 Anm. 138 785 b: 109 Anm. 310 984 e: 181 Anm. 232 1132 c: 198 Vitae: Alex. 15,7-9: 132 Anm. 20 Alex. 15,8: 137 Anm. 49 Lyc. 4,5-6: 199 Anm. 307 Sert. 1,7: 22 Anm. 70 Sol. 10,2-3: 107 Anm. 302 P S .-P LUTARCH De fluviis 2,3: 62 Anm. 138 Vit. Hom. 1,2: 167 Anm. 172, 189 Anm. 269 Vit. Hom. 1,2,3: 10, 166 Anm. 165, 178 Anm. 225, 178 Anm. 226, 190 Anm. 273 Vit. Hom. 1,3,1-2: 24, 227 Anm. 16 Vit. Hom. 1,3,1: 22, 188 Anm. 254, 210 Anm. 5 Vit. Hom. 1,3,2: 96 Anm. 264 Vit. Hom. 1,4,1-2: 7 Anm. 4 Vit. Hom. 1,4,3: 7 Anm. 2, 8 Anm. 9, 10, 80 Anm. 198 Vit. Hom. 1,4,4: 104 Anm. 292 Vit. Hom. 1,4,5: 76 Anm. 180, 166 Anm. 169 Vit. Hom. 2,2,1: 2 Anm. 8, 125 Anm. 361 P OLIZIANO , A NGELO Ambra 8-13: VII Anm. 2 Ambra 83-201: 226 Anm. 14 Ambra 89: 229 Anm. 30 Ambra 111 f.: 226 Anm. 14 Ambra 155 f.: 226 Anm. 14 Ambra 206-209: 227 Anm. 16 Ambra 213-218: 227 Anm. 16 Ambra 233-239: 224 Ambra 253-259: 224 Ambra 260-298: 219, 221-228 Ambra 261: 225 Anm. 11 Ambra 284 f.: 225 Anm. 11 Ambra 286: 225 Anm. 11, 228 Ambra 287 f.: 225 Anm. 11 Indices 294 Ambra 288 f.: 225 Anm. 10 Ambra 289: 225 Anm. 11 Ambra 292: 225 Anm. 11 Ambra 295: 226 Anm. 14 Manto 313 f.: 225 Anm. 10 P ORPHYRIOS zu Hom. Od. 8,63: 159 Anm. 132 VP 17: 56 Anm. 115 P RODIKOS (Diels-Kranz) 84 A 1a: 118 Anm. 338 P ROKLOS Vit. Hom. 2: 166 Anm. 169, 216 Anm. 26 Vit. Hom. 3: 76 Anm. 179, 96 Anm. 264, 178 Anm. 222 Vit. Hom. 4: 83 Anm. 211, 189 Anm. 265 Vit. Hom. 5: 7 Anm. 3, 7 Anm. 4, 9 Anm. 10, 11, 11 Anm. 17, 13 Anm. 27 Vit. Hom. 6: 3 Anm. 10, 11, 11 Anm. 17, 158 Anm. 125 Vit. Hom. 7: 22 Anm. 71 P ROKOPIOS Goth. 4,6,20: 19 Anm. 57 P ROTAGORAS (Diels-Kranz) 80 B 1: 18, 77 Q UINTILIAN inst. 5,11,40: 107 Anm. 302 Q UINTUS von S MYRNA 11,416: 42 Anm. 54 14,179-227: 163 Anm. 148 R AMAYANA 1,2: 138 Anm. 52 S APPHO (Voigt) Frg. 5,1: 165 Anm. 160, 181 Anm. 233 Frg. 16: 198 Frg. 17: 181, 198 Frg. 44: 182 Anm. 237, 198 Frg. 71: 192 Anm. 280 Frg. 98b,7: 191 Anm. 276 Frg. 218: 197 S CHAHNAME Prolog, V. 108-160: 200 Anm. 317 S ENECA , der J ÜNGERE Tro. 168-202: 163 Anm. 148 S IDONIUS A POLLINARIS epist. 8,3,1: 147 Anm. 80 S IMONIDES Testimonien (Poltera): 91a: 119 91b: 120 elegische Fragmente (West 2 ): 19: 2 Anm. 8, 119 Anm. 344, 156 20,14: 119 Anm. 344 historische Fragmente (FGrHist 8): F 6: 120 lyrische Fragmente (PMG): 557: 162 Anm. 145 564: 119 Anm. 344 652 V: 2 Anm. 8, 119 Anm. 344, 156 Epigramme (Page): 68,3: 45 Anm. 68 S KYLAX 58: 21 Anm. 65 Stellenindex 295 P S .-S KYMNOS 696 f.: 134 Anm. 36 706: 134 Anm. 36 707 f.: 173 Anm. 209 709 f.: 134 Anm. 36 S OLINUS 11,17: 26 Anm. 84 S OLON (West 2 ) Frg. 4,15: 55 Anm. 112 Frg. 13,1-6: 203 Anm. 326 Frg. 13,51 f.: 203 Anm. 326 S OPHOKLES elegische Fragmente (West 2 ): Frg. 5: 109 Anm. 310 tragische Fragmente (TrGF 4): T 77: 98 Anm. 275, 107 f., 123, 217 Anm. 29 T 78: 109 Anm. 314 F 180: 15 Anm. 38 F 210,77: 40 Anm. 48 F 368,2: 40 Anm. 48 F 522-528: 162 Anm. 145 F 765: 109 Anm. 314 erhaltene Tragödien: Aj. 441-449: 161 Anm. 141 Aj. 1239-1245: 161 Anm. 141 Aj. 1293: 48 Anm. 83 Ant. 332-383: 18, 77 OC 1446: 36 Anm. 36 OT 40: 36 Anm. 36 OT 1198-1201: 14 Anm. 33 OT 1498: 48 Anm. 83 Ph. 1469-1471: 165 Anm. 160 Tr. 33: 48 Anm. 83 S TEPHAN von B YZANZ (Billerbeck) α 135: 134 Anm. 36 β 120: 93 Anm. 254 ι 74: 7 Anm. 4, 22 κ 146: 168 Anm. 175 S TESICHOROS (PMGF) 170: 198 Anm. 305 192-193: 193-195, 201, 211 240: 58 Anm. 123 278: 58 Anm. 123 S 89,5: 58 Anm. 123 S TESIMBROTOS von T HASOS (FGrHist 107) F 22: 2 Anm. 8, 76 Anm. 179, 96 Anm. 264 S TRABON 7 Frg. 21a Radt: 134 Anm. 35, 134 Anm. 36 7 Frg. 21i Radt: 134 Anm. 36 8,1,2: 23 Anm. 74 8,7,1: 23 Anm. 74 9,1,10: 107 Anm. 302 9,2,3: 191 Anm. 278, 192 Anm. 282 9,2,5: 192 Anm. 280 10,4,19: 93 Anm. 255 10,5,1: 21 Anm. 65 13,1,3: 191 Anm. 278, 192 Anm. 280 13,1,26: 183 Anm. 240 13,1,31: 134 Anm. 35 13,1,32: 134 Anm. 34, 171, 184 Anm. 243 13,1,38: 173 Anm. 207 13,1,39: 171 f., 173 Anm. 208 13,1,44: 134 Anm. 34 13,1,46: 134 Anm. 34 13,2,1: 207 Anm. 334 13,2,3: 191 Anm. 276 13,3,6: 190 Anm. 272, 207 Anm. 334 14,1,3: 23 Anm. 74 14,1,4: 188 Anm. 256, 188 Anm. 259 Indices 296 14,1,27: 15, 15 Anm. 37, 16 Anm. 41 14,1,35: 101 Anm. 280 14,1,37: 166 Anm. 166, 185 Anm. 249 14,4,3: 15 Anm. 36 S UDA (Adler) α 1283: 124 Anm. 359 ε 1092: 136 Anm. 45 κ 1449: 105 Anm. 296 ο 251: 101, 101 Anm. 278, 125 Anm. 361, 158 Anm. 123, 166 Anm. 169, 167 Anm. 174, 199 Anm. 307, 208 Anm. 340, 209 Anm. 2, 215 Anm. 21 σ 1095: 193 f. S YNKELLOS (Mosshammer) p. 253,6-7: 53 Anm. 104 T ACITUS ann. 4,56,1: 188 Anm. 260 T ATIAN Ad Graecos 31,3: 98, 105, 214 Ad Graecos 31,4: 22 Anm. 71 T ERPANDER s.v. Clonas, Test. 1 Davies: 198 T ESTAMENT , A LTES Exodus 3,1 - 4,7: 138 Anm. 53 I reg. 28,3-25: 149 Anm. 86 I reg. 28,14: 150 Anm. 88 T HEAGENES von R HEGION (Diels-Kranz) 8 A 1: 214 8 A 2: 213 Anm. 14 T HEBANISCHE E PEN (Bernabé) T HEBAIS : Frg. 1: 59 Anm. 125 Frg. 2: 160 Anm. 135 Frg. 3: 160 Anm. 135 E PIGONOI : Frg. 1: 30 Frg. °6: 28 Anm. 5 Frg. °7: 31 Anm. 20 T HEOGNIS 425-428: 67 Anm. 151 1103 f.: 188 Anm. 257 1287-1294: 11 Anm. 21 T HEOPHRAST Frg. 564 Fortenbaugh: 181 Anm. 235 T HUKYDIDES 1,2,6: 23 Anm. 74 1,12,4: 23 Anm. 74 2,15,4: 23 Anm. 74 3,50,3: 183 Anm. 238 3,86,3: 82 Anm. 203 3,96,1: 78 Anm. 187 3,104: 158 Anm. 126 7,57,5: 134 Anm. 34, 134 Anm. 36 8,102,3: 134 Anm. 35 T IMAIOS (FGrHist 566) F 129: 173 Anm. 207 T IMOMACHOS (FGrHist 754) F 2: 7 Anm. 5 T RAGIKER (anonyme Fragmente, TrGF 2) F 569: 40 Anm. 48 T RIPHIODOR 686 f.: 163 Anm. 148 Stellenindex 297 T ZETZES , J OHANNES Exegesis in Homeri Iliadem, p. 37,19-21 Hermann: 131 Anm. 13, 224 Anm. 8 Hist. 6,913-916: 62 Anm. 138 Hist. 13,628-634: 102 Anm. 281 Scholia ad Hesiodum, p. 33,4- 7 Gaisford 2 : 62 Anm. 138 Scholien zur ‚Exegesis‘, p. 154,4-7 Hermann: 131 Anm. 13, 224 Anm. 8 Vit. Hes. p. 221 l. 11-15 Allen: 51 V ALERIUS M AXIMUS 9,12 ext. 3: 7 Anm. 2 V ARRO Antiquitates rerum divinarum (Cardauns): Frg. 252: 225 Anm. 10 grammatische Fragmente (Funaioli): Frg. 68: 61 Anm. 132 Frg. 69: 22 Anm. 68, 219 Anm. 38 V ELLEIUS P ATERCULUS 1,2,3: 191 Anm. 278 1,4,3-4: 191 Anm. 278 1,5,3: 158 Anm. 125 P S .-V ERGIL Aetna 590 f.: 174 Anm. 212 V ITAE H OMERI (anonyme Viten) Vit. 4,1: 76 Anm. 180, 178 Anm. 223, 178 Anm. 224, 190 Anm. 273 Vit. 4,2: 125 Anm. 361 Vit. 4,3: 7 Anm. 2, 9 Anm. 11, 104 Anm. 292 Vit. 5,1: 2 Anm. 8, 23 Anm. 73, 76 Anm. 180, 95 Anm. 262, 125 Anm. 361 Vit. 5,5: 7 Anm. 2, 9 Anm. 11, 85 Anm. 225, 91 Anm. 249, 100, 104 Anm. 292, 215 Anm. 22 Vit. Rom. 2: 76 Anm. 179, 94 Anm. 258, 96 Anm. 264, 96 Anm. 267, 98 Anm. 275, 102 Anm. 284, 106, 129 Anm. 5, 157 Anm. 115, 167 Anm. 172, 189 Anm. 267, 189 Anm. 269 Vit. Rom. 3: 76 Anm. 179, 76 Anm. 180, 96 Anm. 264, 101 Anm. 278 Vit. Rom. 4: 129 Anm. 5 Vit. Rom. 5: 127, 133 Anm. 29, 149 Anm. 87, 158, 160 Anm. 139, 177, 192 f., 195 Anm. 294, 202, 203, 218 Anm. 36, 226 Vit. Rom. 6: 7 Anm. 2, 8 Anm. 9, 104 Anm. 292 X ENOPHANES von K OLOPHON (Diels-Kranz) 21 B 11: 213 Anm. 13 21 B 12: 213 Anm. 13 X ENOPHON HG 1,1,4: 136 Anm. 47 Mem. 1,2,56-59: 122 Anm. 353 Mem. 4,4,5: 83 Anm. 214 Z OPYROS von M AGNESIA (FGrHist 494) F 3: 190 Anm. 271 Indices 298 3. Ikonographisches Homer (Bronzemünze aus Ios, 1. Jh. v. Chr.): 22 Anm. 66, 219 Anm. 38 Homer (Bronzestatue von Olympia): 158 Anm. 127 Homer (Kopf der Münchner Glyptothek): 158 Anm. 127 Homer (Silbermünze aus Ios, 4. Jh. v. Chr.): 22 Anm. 66, 219 Anm. 38 Homer (Wandgemälde von Pompeji): 20 Anm. 59, 218 Anm. 37 LIMC Atalante Nr. 2: 11 Anm. 21 LIMC Atalante Nr. 43: 11 Anm. 21 LIMC Meilanion Nr. 2: 11 Anm. 21 LIMC Meilanion Nr. 9: 11 Anm. 21 LIMC Oidipous Nr. 19: 15 Anm. 34 LIMC Oidipous Nr. 46: 15 Anm. 34, 15 Anm. 35 LIMC Oidipous Nr. 75: 14 Anm. 31 LIMC Oidipous Nr. 76: 14 Anm. 31 LIMC Oidipous Nr. 77: 14 Anm. 31 LIMC Orpheus Nr. 68: 150 Anm. 92 LIMC Orpheus Nr. 69: 150 Anm. 92 LIMC Orpheus Nr. 70: 150 Anm. 92 LIMC Sphinx Nr. 182: 15 Anm. 34 Das Buch behandelt verschiedene Episoden aus der traditionellen Biographie Homers wie seine Dichterweihe, seinen Wettkampf mit Hesiod und seinen Tod nach verlorenem Rätselkampf, die aber in genau umgekehrter Reihenfolge besprochen werden. Schwerpunkte sind das eingehende Studium des ,Certamen Homeri et Hesiodi‘, das hier als Erneuerung der Troja-Sage aus dem Geiste der Sophistik interpretiert und hypothetisch Gorgias von Leontinoi zugewiesen wird, sowie die Geschichte von der Blendung und der Dichterweihe Homers am Grab des Achilleus (nach den Zeugnissen der ‚Vita Romana‘ und der Platon-Scholien des Hermeias von Alexandria). Diese wird auf der Grundlage internationaler Parallelen - insbesondere aus dem mittelalterlichen Nordwesteuropa - als Leitmythos der Insel Lesbos aus dem 6. Jh. v. Chr. gedeutet. Abgerundet wird das Buch durch einen Anhang zur Behandlung der Episode von der Dichterweihe in den ‚Silvae‘ des Angelo Poliziano und auf einem Gemälde des Pietro Testa, die wertvolle Zeugnisse ür die Rezeption einer zu Unrecht vergessenen Episode aus dem Leben Homers darstellen. L EIPZIGER S TUDIEN ZUR KLASSISCHEN P HILOLOGIE 10 ISBN 978-3-8233-8060-3