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Sozialgeschichte - interkulturell: Übersetzen ins Französische

2016
978-3-8233-9090-9
Gunter Narr Verlag 
Fritz Nies

Das gehäufte Zusammentreffen von Kulturen hat den Forschungsraum verändert. Der Austausch rückt ins Zentrum. Bekannt sind Bezüge zwischen sozialem Ort, Weltbild und Lebenspraxis. Hier sollen sie indes nicht in einem homogenen Raum, sondern im interkulturellen Wechselspiel aufgezeigt werden. Eine zentrale Mittlerrolle und die Zielsprache Französisch dienen als Beispiele. Sie zeigen den Nutzen einer Sozialgeschichte des Übersetzens für das Verstehen interkultureller Vorgänge. Dominant gesetzt werden diverse soziale Merkmale. Dabei kommen unvermutete Übersetzertypen ins Blickfeld. Jedem Typus entsprechen Verhaltensmuster: im Hinblick auf Theorie und Praxis der Vermittlung, Wahl von Sprachen und Werken, Vorlieben für Themenfelder oder Genres, Aktualität der Vorlagen, Übertragungstreue.

Fritz Nies Sozialgeschichte ‒ interkulturell: Übersetzen ins Französische Sozialgeschichte - interkulturell: Übersetzen ins Französische TRANSFER Literatur - Übersetzung - Kultur 23 Herausgegeben von Monika Gomille, Bernd Kortländer, Hans T. Siepe Fritz Nies Sozialgeschichte - interkulturell: Übersetzen ins Französische Gedruckt mit Unterstützung der Anton-Betz-Stiftung der Rheinischen Post e. V. Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http: / / dnb.dnb.de abrufbar. © 2016 · Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG Dischingerweg 5 · D-72070 Tübingen Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Gedruckt auf chlorfrei gebleichtem und säurefreiem Werkdruckpapier. Internet: www.narr.de E-Mail: info@narr.de Satz: typoscript GmbH, Walddorfhäslach Printed in Germany ISSN 0939-9941 ISBN 978-3-8233-8090-0 Inhaltsverzeichnis 1 Zum Einstieg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 2 Frustrierter Feudaladel, belesene Legisten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 3 Martialische Mittler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 4 Weiter Gesichtskreis: Juristen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 5 Gehemmte Sekretäre? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 6 Kurzgeschlossen: Journalisten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 7 Enzyklopädisten und Revolutionäre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 8 Hauslehrer und Erzieher . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 9 Buchhersteller, Buchhändler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 10 Entlastete Damen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 11 Immigranten und Emigranten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 12 Stolze Mehrzweck-Rhetoriker . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 13 Fazit und Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 Bibliographischer Hinweis auf eigene Vorarbeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 Index erwähnter Übersetzer ins Französische . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 1 Zum Einstieg Im Zeichen des zunehmend abrupten Aufeinandertreffens verschiedener Kulturen innerhalb Europas wie weit darüber hinaus - im Gefolge wirtschaftlicher Globalisierung, neuer Verkehrsmittel und revolutionärer Kommunikationstechnik - erfährt die Forschungslandschaft eine tiefgreifende Wandlung. Prozesse der interkulturellen Kommunikation und des Wissenstransfers rücken immer mehr ins Zentrum des Interesses. Kulturwissenschaftliche Analysen solcher Prozesse sind indes noch meist auf die Jetztzeit fixiert. 1 Das verführt leicht zum Trugschluss, es dürfte sich bei ihnen einmal mehr um nagelneue Globalisierungsfolgen handeln. Doch damit verspielt man heuristisches Potential, das in ähnlichen Phänomenen vergangener Zeiten ebenso wie in deren Alterität liegt. Seit Max Weber und Emile Durkheim waren und sind Wechselbezüge zwischen sozialem Ort, Weltbild und Lebenspraxis immer wieder Gegenstand historischer Fragen, Erkenntnisse und Debatten gewesen. Näherhin beeindruckten Arbeiten auch von Literaturhistorikern - wie Lucien Goldmann, der Werner-Krauss-Schule, Erich Köhlers und seiner Schüler, unlängst Frank-Rutger Hausmanns 2 - mit dem Nachweis derartiger Wechselwirkungen. Der Unterschied meiner Studie zu Arbeiten der genannten Gewährsleute liegt darin, dass Wurzeln des sozialhistorischen Beziehungsgeflechts hier nicht freigelegt werden sollen innerhalb eines als einheitlich gedachten Kulturraums, sondern anhand jenes Austauschs zwischen Kultur- und Sprachräumen, der neuerdings erhöhte Aufmerksamkeit findet. An diesem vielfältigen interkulturellen Geben und Nehmen waren bis zum heutigen Tag die verschiedensten sozialen Gruppen beteiligt. Nennen wir nur, für den hier gewählten Zeitraum, seit dem Mittelalter oder späterhin, Wandermönche und Wanderprediger, Missionare, Pilger und Kreuzfahrer, fahrende Schüler, Lehrer an Hohen Schulen, Händler, Architekten und Bauleute, Steinmetze, Kunsthandwerker und bildende Künstler, Komponisten und Musikanten, Söldner und Offiziere, umherziehende Komödianten, Journalisten usf. Für die folgende Studie wählte ich dagegen beispielhaft in die Augen fallende Trägergruppen des Übersetzens von Büchern, einer zentralen Mittlerfunktion im Literatur- und Wissenstransfer. Sie sollen begleitet werden über einen rund sechs Jahrhunderte umspannenden Zeitraum. Welche Verfahrensweise mag sich für mein Vorhaben eignen? Schon in den 1970er Jahren, als eine Modewelle statistischer Rezeptionsstudien in den 1 Siehe etwa die Synthese von Hans-Jürgen Lüsebrink, Interkulturelle Kommunikation, Stuttgart/ Weimar 2005. 2 Siehe etwa Frank-Rutger Hausmann, Die Anfänge der italienischen Literatur aus der Praxis der Religion und des Rechts, Heidelberg 2006. Geistes- und Sozialwissenschaften ihrem Scheitelpunkt zustrebte, erwies sich die Ausdeutung von Mengen gleichartiger Elemente (der Korrelate eines egalitaristischen Menschen- und Weltbilds) als Passepartout zu literarhistorischen Einsichten nur beschränkt hilfreich. Inzwischen sind - wohl nicht zuletzt im Gefolge eines zerfallenen Sowjetimperiums und des ‘wissenschaftlichen Sozialismus’ als seinem Überbau - quantifizierende Sozial- und Mentalitätsgeschichte bei Kulturwissenschaftlern weithin ins gedankliche Abseits geraten. Im Umfeld einer bei Sozial-, Lebens- und Naturwissenschaften weiterhin herrschenden Zahlenfixiertheit lässt sich indes aus Denkweisen, die nur dem Individuellen Rechnung tragen, wohl kaum mehr eine Literaturdeutung vorstellen, der nennenswerte Aufmerksamkeit zuteil würde. Gerade die Suche nach sozialen Typologien und Strukturmustern legt die Beachtung sowohl qualitativer wie quantitativer Aspekte nahe. Damit stellt sich, einmal mehr, die Schlüsselfrage nach dem Konnex zwischen Struktur und Ereignis, allgemeiner Norm und individueller Abweichung: dem herausragenden Autor oder Kulturvermittler, dem Einzeladressaten, Ausnahmeleser, beispielhaften Einzeltext hier, den sozialen Typen in Produktion, interkulturellem Transfer, Textverbänden und Genres, in literarischer Breitenwirkung dort. Um dieses Grundproblem auf einsichtige Weise lösen zu können, muss man, wie gesagt, auch die vergleichende Geschichte von Mengen ins Auge fassen. Spätestens seit Produktion, Verbreitung und Rezeption von Büchern schubweise zum Massenphänomen mutierte, dürfte die (noch unlängst selbst bei manch marxistischem Literatursoziologen übliche) Fixierung auf eine Geschichte einsamer Dichterfürsten, Sonderleser und Spitzenwerke, literarischer ‘Haupt- und Staatsaktionen’ anachronistisch wirken. Die plane Projektion ihrer Erträge auf das literarische Gesamtsystem müsste zu eklatanten Fehlschlüssen führen. Betonen wir nochmals: Was wir dringend brauchen als Gegengewicht zur gängigen Betrachtung von Einzelerscheinungen, ist eine Geschichte von Textverbänden wie Mentalitätsprofilen ihrer Trägergruppen. Erst wenn auch sie sich zumindest umrisshaft abzeichnet, werden wir besser abschätzen können, welcher Rang den als «Grands Traducteurs français» Gefeierten 3 innerhalb des literarischen Feldes ihrer Zeit gebührt, oder ob und wie sich der Zustrom aus fremden Literaturen und Genres auswirkte auf die als Glanzlichter gerühmten Autoren und Einzelwerke. 4 3 Wie Madame Dacier, Houdar de La Motte, Gérard de Nerval. Siehe dazu und zum Folgenden etwa E. Cary, Les Grands Traducteurs français, Genève 1963. Auf oft zitierte Einzelübersetzer fokussiert sind auch A. Lefevere, Translation/ History/ Culture: A Source Book, London/ New York 1992, sowie Jürgen von Stackelberg, Literarische Rezeptionsformen, Frankfurt/ M. 1972, Kap. 1. 4 Siehe zu alledem Nies, Schnell und viel - Gattungsbildung in Frankreich zur Zeit des Endlospapiers, in: Helmut Pfeiffer/ Hans Robert Jauß/ Françoise Gaillard, Art social und Art industriel. Funktionen der Kunst im Zeitalter des Industrialismus, München 1987, p. 408 s. 2 Kapitel 1 Die folgenden, als exemplarisch gedachten Kapitel präsentieren Ansätze der angestrebten Doppelstrategie wechselseitiger Erhellung: einzelner aussagekräftiger Buchtitel und Textauszüge, ungewöhnlicher Mittlerfiguren, individueller Abweichungen von Normen hier, Annahme des alten Auftrags Galileos an die Wissenschaft, „messbar zu machen, was noch nicht gemessen werden kann“ dort - also systematische Mitnutzung jener quantitativen Komponenten, die in deskriptiv-induktiven Wissenschaften schon so lange unverzichtbar sind - und wo immer möglich ein Arbeiten auch mit großen Zahlen, Hochrechnungen Näherungswerten, Wahrscheinlichkeiten. Um die Chancen exakter Quantifizierung allerdings scheint es speziell beim gewählten Arbeitsfeld schlecht bestellt. Betonen doch Experten zu Recht, „bio-bibliographische Informationsquellen“ seien auf diesem Feld „bis auf den heutigen Tag schwach entwickelt“. 5 Man beklagt aus diesem Grund das Fehlen von «bases explicites et cohérentes» für den Entwurf einer Geschichte des Übersetzens. In der Tat sind serielle Sekundärquellen rar und selten verlässlich. Noch Henri van Hoofs Dictionnaire universel des Traducteurs von 1993 etwa erweist sich als ebenso lückenhaft wie unpräzise. Keinesfalls allumfassend sind auch die Epochen-Bibliographien französischer Literatur von Alexandre Cioranescu für das sechzehnte bis achtzehnte Jahrhundert. Offenbar wurden dort einzig Autoren und Übersetzer beachtet, deren Lebenswerk zumindest teilweise der Belletristik zugeschlagen werden konnte. Die Textgestalt der diversen Manuskripte mittelalterlicher Handschriftfamilien wiederum war so mannigfaltig, dass Grenzen zwischen Übertragung und eigenständiger Nachgestaltung oft schwierig zu ziehen sind. Für den Ozean neuzeitlicher Druckerzeugnisse schließlich würde eine Sichtung allein des Bestands der Französischen Nationalbibliothek, schon vom Umfang her, die Kräfte jedes Einzelforschers bei weitem übersteigen, wollte er dort sämtliche Übersetzungen herausfiltern. Die großen Nationalbiographien wieder sind - bibliographisch wie biographisch - meist wenig ergiebig, wenn es um Personen geht, die sich vor allem als Übersetzer einen Namen machten. Soweit sie überhaupt Erwähnung finden, gehen die Informationen oft kaum über anekdotische Details hinaus. Sie würden klare sozialstatistische Zuweisungen selbst dann verbieten, wenn man wichtige Faktoren wie die soziale Mobilität unbeachtet ließe. Hoffen kann man also nur, aufgrund einer möglichst breit angelegten Erfassung von Personen und Texten Näherungswerte zu erzielen, die wenigstens beschränkt repräsentativ sind. Trotz aller Vorbehalte zugrunde gelegt sind daher im Folgenden vor allem die Einträge in den sieben Bänden von Alexandre Cioranescus Bibliographie de la 5 Jörn Albrecht, Literarische Übersetzung: Geschichte, Theorie, kulturelle Wirkung, Darmstadt 1998, p. 44. - Folgendes Zitat: José Lambert, La traduction, in: M. Angenot u. a. (ed.), Théorie littéraire. Problèmes et perspectives, Paris: PUF 1989. Siehe auch H.-G. Roloff, Vorschlag zu einer europäischen Übersetzungs-Bibliographie, TRANS. Internet-Zeitschrift für Kulturwissenschaften, August 1998. Zum Einstieg 3 littérature française (1959-1999). Sie wurden angereichert durch Funde in großen Spezialbiographien und Bibliographien 6 sowie in einigen Studien zu Einzelpersönlichkeiten. Die Dimension dabei angefallener Datenmengen schließt detaillierte Einzelnachweise natürlich in den meisten Bereichen aus. Sie zwingt in den Folgekapiteln zur systematischen Verknappung des Anmerkungsteils. 7 Ebenso nötigt sie zum Verzicht auf wünschbare Register sämtlicher Übersetzungen und ihrer Auflagen, übersetzter Originalautoren oder Originalwerke, so aufschlussreich solche Verzeichnisse wirkungsgeschichtlich gewesen wären. Nur eine knappe Auswahl zitierter Autoren wissenschaftlicher Studien gibt in seltenen Fällen weiterführende Hinweise. Einzig ein Verzeichnis namentlich erwähnter Übersetzer ins Französische schien vertretbar - in der Hoffnung, es könnte zum Ausgangspunkt einer vertieften Sozialgeschichte der Zunft werden. Auf eine weit umfangreichere Liste unter Einschluss hier nicht erwähnter Übersetzer, die versucht, bis zur Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert dem Ideal relativer Vollständigkeit näher zu kommen, in einer meiner früheren Publikationen kann nur hingewiesen werden. 8 Doch nun vom Wie zum Was meines Vorhabens: Angestrebt werden Umrisse einer sozialhistorischen Übersetzertypologie, mit Hinweisen auf Vernetzungen und Affinitäten der verschiedenen Mittlertypen. Im Zentrum des Blickfelds soll die Trägerschicht aller Einbürgerungen in den französischen Sprachraum stehen. Meine Analysen beschränken sich dabei auf einen langen Zeitraum, der von den frühesten Belegen im Mittelalter bis zur Wende vom achtzehnten zum neunzehnten Jahrhundert reicht, d. h. bis zur Epoche des tiefen geistigen und sozialen Umbruchs durch die Revolution und das Premier Empire. Denn nach diesem tiefen Einschnitt sollte bald eine so gewaltige Flutwelle interkultureller Massenproduktion über den Buchmarkt hereinbrechen, dass sie für den Einzelforscher nicht mehr annähernd eindämmbar gewesen wäre. 6 B. Balteau et al., Dictionnaire de biographie française, Paris, Letouzey et Ané, 1932-. . . . ; J. Fr. Michaud, Biographie universelle, Paris: Michaud, 1811-1862; F. Hoefer, Nouvelle biographie générale, Paris: Firmin-Didot, 1862-1866; Henri van Hoof, Dictionnaire universel des traducteurs, loc. cit.; Raphael Levy, Chronologie approximative de la littérature française du Moyen Age, Tübingen 1957; Liselotte Bihl/ Karl Epting, Bibliographie französischer Übersetzungen aus dem Deutschen, Tübingen 1987; im Internet Wikipedia und der Karlsruher virtuelle Katalog. 7 Zitate aus oder Erwähnungen von Übersetzungen werden dort fast ausnahmslos nur nachgewiesen durch den Familiennamen des Übersetzers (falls mehrere Übersetzer des gleichen Familiennamens belegt sind, durch den Vornamen ergänzt) plus Erscheinungsjahr der Übertragung. Diese kargen Angaben lassen sich jedoch, in den weitaus meisten Fällen, mit vertretbarem Aufwand ergänzen anhand des Karlsruher Virtuellen Katalogs und der übrigen in Anm. 6 genannten Quellen. 8 Siehe Fritz Nies, Schnittpunkt Frankreich, loc. cit. [Anm. 8], Personenregister „Übersetzer (und Pseudo-Übersetzer)“, p. 222-254. 4 Kapitel 1 Von wenigen Ausnahmen abgesehen, entstanden die Abschnitte der folgenden Studie aus Vorarbeiten mehrerer Jahrzehnte. 9 Diese wurden aktualisiert, berichtigt, ergänzt oder gekürzt, dem heutigen Gesamtkonzept angepasst. Eine derart lange Entstehungsphase war, angesichts der zu verarbeitenden Datenmengen, leider nicht zu vermeiden. Dennoch bildet das daraus entstandene Ganze noch immer ein recht weitmaschiges Netz. Dringend zu wünschen wäre also, dass dieses seine prinzipielle Brauchbarkeit für erste sozialhistorische Fischzüge unter Beweis stellt und damit zugleich Kollegen - besser noch ganze Forschergruppen - zum Knüpfen engerer Maschen provoziert. 9 Siehe „Bibliographischer Hinweis auf eigene Vorarbeiten“ am Ende des Bandes. Zum Einstieg 5 2 Frustrierter Feudaladel, belesene Legisten Wenn gefragt werden soll nach der geistigen Prägung von Übersetzern durch soziale Kollektive sowie nach ihren daraus erwachsenen Aktivitäten, liegt es beim Dreiständesystem des französischen Ancien Régime nahe, einen dominanten Einfluss des ererbten oder errungenen Standes zu vermuten. Allerdings könnte man annehmen, zumindest auf den ersten Blick, die Elite der Aristokratie habe eine weit größere Distanz zur Welt der Bücher gewahrt als Klerus und Dritter Stand. Noch am Beginn des 17. Jahrhunderts ließen sich zahlreiche Äußerungen französischer Adelskreise registrieren, ein Gentilhomme brauche „nichts zu wissen und zu können als das Waffenhandwerk“. Auch die zum allbekannten Sprichwort geronnene Behauptung von Molières Mascarille «Les gens de qualité savent tout sans avoir rien appris» evoziert kaum den Typ des eifrigen Lesers. 10 Auf dem Feld von - im weiten Wortsinn - literarischen Aktivitäten trug die Aristokratie gerne eine «ignorance [. . .] voulue, affectée, glorieuse» 11 zur Schau. Was speziell das Übersetzen angeht, galt es 1623 für Charles Sorel, der als Sieur de Souvigny wohl dem Kleinadel angehörte, als «chose très servile» 12 und folglich eines adligen Standesgenossen unwürdig. Wäre also jede Enquete über den Beitrag des Adels zur Übersetzungsgeschichte ein Versuch am untauglichen Objekt, der unweigerlich in Sackgassen führen müsste? Vor einer Bildung von Hypothesen über die faktischen Adelsanteile am interkulturellen Wissenstransfer bleiben allerdings diverse Schwierigkeiten zu überwinden. Zu ihnen gehören natürlich generelle Probleme der Erschließung sozio-biographischer Daten, die schon im Eingangskapitel erwähnt wurden und sich in gleicher Weise für andere Mittlertypen stellen. Zusätzlich ergibt sich als entscheidende Frage, woran Zugehörigkeit bestimmter Personen zum Adel überhaupt erkennbar ist, vor allem im konkreten Zeitraum ihrer übersetzerischen Aktivitäten. Kannte doch Frankreich keine Adelsmatrikel. Auf einige daraus folgende Unwägbarkeiten sei - unabhängig von standesrechtlichen Wandlungen - kurz hingewiesen: Neben Aristokraten mit Adelstiteln gab es eine «noblesse non titrée», und die vermeintliche «particule nobiliaire» de besaß nur wenig Aussagekraft. Adel war keineswegs immer erblich, das Übertragungsrecht auf Nachkommen hing teilweise ab von der Amtsdauer persönlich Geadelter. Man konnte mit der Erhebung in den 10 Les Précieuses ridicules (1659), Szene 9. 11 Zitate bei Georges d’Avenel, La Noblesse française sous Richelieu. Etude d’histoire sociale, Paris 1901, p. 284; Fritz Nies, Gattungspoetik und Publikumsstruktur. Zur Geschichte der Sévignébriefe, München 1972, p. 24 Anm.; cf. zu alledem die dort nachgewiesene Fachliteratur. 12 Siehe Nies, Schnittpunkt Frankreich, [Anm. 8] p. 54. Adelsstand verbundene Ämter kaufen und danach wieder veräußern. 13 Schließlich und endlich stand auch Bürgerlichen der Erwerb ursprünglich adliger Lehensgüter offen, die sie ihrem Namen hinzufügen konnten. Das Anreden mit illegalen «titres de courtoisie» war bei dieser so verwirrenden Gesamtlage ebenso gängig wie die widerrechtliche Aneignung von Titeln. Unter dem Vorbehalt solcher Unwägbarkeiten wurden im Erhebungszeitraum - grob geschätzt - mehr als dreizehnhundert Werke übertragen von Übersetzern und Übersetzerinnen, die mit Sicherheit oder wahrscheinlich dem Adel angehörten bzw. entstammten. Das ist ein verblüffend reicher Ertrag an Importen angesichts gedämpfter Erwartungen. Denn die Aristokratie war ja nur eine winzige Minderheit innerhalb der Gesamtbevölkerung. 14 Eine Minderheit zudem, die teilweise starke Abneigung gegen Schreibkram und Federfuchser zur Schau trug und, wie ein späteres Kapitel zeigen wird, schriftliche Arbeiten aller Art gerne einem Sekretär übertrug. Wer also waren jene übersetzenden Aristokraten, deren Stand man nicht gerade mit der Vorstellung mehr oder weniger entsagungsvoller Arbeit am Schreibpult zu verbinden pflegt? Um nicht in mühsamen - und häufig ergebnislos bleibenden - genealogischen Forschungen zu versinken, konzentriere ich mich hier auf Übersetzer, die im Buchtitel oder in Sekundärquellen über das de hinaus einen oder mehrere Adelstitel führten beziehungsweise, etwa als hochrangige Kleriker, zweifelsfrei adliger Herkunft waren. Was die Anteile einzelner Epochen angeht, lässt sich über das gesamte Mittelalter hin nur eine Handvoll Übertragungen Aristokraten zuweisen. 15 Diese begnügten sich einstweilen fast immer mit den weniger arbeitsintensiven Rollen des Mäzens, Protektors oder Auftraggebers. 16 Erst seit dem 16. Jahrhundert sind übersetzende Adlige weit häufiger nachweisbar - und zwar schon gleich in dreistelliger Zahl. In jedem der beiden folgenden Jahrhunderte sollte ihre Anzahl nochmals deutlich wachsen. Mancher Vertreter eines Standes, dessen Alltag spätere Zeiten weit eher mit dem Gedanken an Muße und süßes Nichtstun verbinden sollten, pflegte sogar recht beachtlichen Eifer am Schreibpult zu entwickeln. So kam etwa der Baron Holbach auf zweiundzwanzig Buchübersetzungen, Blaise de Vigenère auf siebzehn, der Baron de Bock auf sechzehn. Dabei drängt sich die Frage auf, ob die unkriegerische Aneignung fremdsprachiger Schriften beschränkt oder konzentriert blieb auf bestimmte Fraktionen bzw. Ebenen innerhalb der Hierarchie des hergebrachten Kriegerstands. Beginnen wir mit einem eindrucksvollen Beispiel: 1651 erschien, im gravitätischen Folio-Format, La 13 Nicht nur die vom Altadel als «savonnette à vilain» geschmähte Sinekure eines «secrétaire du roi». Der Ämterkauf spielte vor allem im Rechts- und Finanzwesen seit dem frühen 17. Jahrhundert eine bedeutende Rolle. 14 Schätzungen liegen meist zwischen 1 % bis 2 %. 15 Die vermutlich ersten waren der Ecuyer Richard d’Annebaut, aus der Sippe der Seigneurs d’Annebaut, und Raymond, seigneur d’Avignon. 16 Siehe Fritz Nies, Schnittpunkt Frankreich, [Anm. 8] p. 22. 8 Kapitel 2 guerre des Suisses, traduite du premier livre des Commentaires de Jule César par Louis XIV Dieudonné, roy de France et de Navarre. Mit der Publikation dieses Produkts des Jungmonarchen, der sich auch später noch als «premier gentilhomme» seines Reiches verstand, wurde Übersetzen der Gesellschaftselite seines Doppelreiches präsentiert als Leistung, die selbst einem zu großen Taten berufenen Herrscher geziemt. Konnte der erst dreizehnjährige Monarch doch dem durch seine Erzieher sorgsam ausgewählten antiken Kriegsbericht wertvolle Anregungen für seine erwünschte Zukunft als Eroberer entnehmen. Beim geistigen und sozialen Umfeld dieser Konsekration war es kaum verwunderlich, dass in der Folge Spitzenvertreter der Standeshierarchie es dem Sonnenkönig gleichtun wollten, so der Prince de Ligne und insgesamt sechs Inhaber des stolzen «Duc»-Titels. 17 Ihre Transferleistung blieb, wie bereits angedeutet, innerhalb des Zweiten Standes alles andere als isoliert. Auf der Skala französischer Adelstitel und ständischer Erkennungszeichen gab es bald keine einzige Rangstelle, deren Vertreter übersetzerisch gänzlich inaktiv geblieben wären, bis hinunter zum «hobereau», 18 dem titellosen kleinen Landedelmann. Deutliche Unterschiede zeichneten sich allerdings ab hinsichtlich der Häufigkeit, mit der man sich der sprachlichen Einbürgerung widmete. Besonders zahlreich waren Übersetzer, die als «sieur de» qualifiziert wurden (101 Personen), 19 gefolgt von den Einstufungen «seigneur de» (73), «noble» (45), «baron» (42), «comte» und «marquis» (je 35), 20 «dame» (31), «chevalier» (33), «écuyer» (19), «gentilhomme» (12) usw. Insgesamt kann man aus dieser Rangliste ableiten, dass Träger der genannten Titel, die fast alle auf einstige Verdienste des Kriegerstands im feudalistischen Lehnswesen rückführbar waren, sich in recht stattlicher Zahl als Übersetzer engagierten, und dass dabei ein eindeutiger Schwerpunkt auf dem niederen Schwertadel lag. Doch weit über zweihundert Werke wurden übertragen durch Adlige bürgerlicher Herkunft, die sich nicht auf Verdienste ihrer Vorfahren im Waffenhandwerk berufen und mit einem jener ‚alten‘ Titel schmücken konnten. Stattdessen hatten sie aber ein Jura-Studium absolviert und danach meist angesehene Ämter im Justizwesen oder in der staatlichen Verwaltung käuflich erworben, die mit persönlichem und - nach den erwähnten Bewährungsfristen - auch erblichem Adel verbunden waren. Sie bildeten jene «noblesse de robe», die seit dem frühen 17. Jahrhundert durch wachsende Anzahl und Kaufpreis der Ämter verstärkt Einnahmen in die chronisch leere Staatskasse spülte. Zugleich wurde durch den Machtzuwachs dieser Auf- 17 Beginnend mit Aimar Hennequin im 16. Jahrhundert, gefolgt vom Duc de Luynes im 17. Jahrhundert, den Ducs de La Rochefoucauld, de Plaisance, de Nivernais, Colbert d’Estouteville im 18. Jahrhundert sowie zwei Herzoginnen. 18 Etwa Pixérécourt. 19 Kein sicheres Indiz für Zugehörigkeit zum Adel, wurde jedoch auch als Synonym für «seigneur de» gebraucht, das den Besitzer eines Lehens kennzeichnete. 20 Dazu «baronne» (6), «comtesse» (4), «marquise» (3). Frustrierter Feudaladel, belesene Legisten 9 steigerschicht die aufsässige «noblesse d’épée» politisch geschwächt und für den absolutistischen Herrscher ein Kollektiv ergebener und verlässlicher Funktionäre geschaffen. Wichtiger in unserem Zusammenhang ist anderes: Diese «robins» nahmen rege teil am intellektuellen Leben, waren gebildet, belesen, vertraut mit der soliden Auslegung von Texten. Solche Vorzüge prädestinierten sie natürlich auch für das Übersetzen. Eine annähernd gleichgroße Zahl übersetzter Werke wie die Robins publizierten Kleriker adliger Herkunft, denen meist die höchsten katholischen Ämter und Würden vorbehalten waren. 21 Über ihre Qualifikation für die Deutung fremdsprachiger Texte wie ihre Bereitschaft zu deren Übertragung lässt sich Ähnliches sagen wie bei den Legisten, gehörte doch die verbindliche Auslegung kanonisierter Schriften der Frohbotschaft zum Auftrag ihres Hauptamts. Was ziemlich rätselhaft zu bleiben scheint, ist also einzig der Antrieb eines stattlichen Teils des althergebrachten Schwertadels, zum Übersetzungsvolumen beizutragen. Hier sind wir vorerst auf schwierig beweisbare Arbeitshypothesen angewiesen. Es mag sein, dass ein Teil der zunehmend, vor allem nach der fehlgeschlagenen Fronde von 1648-53, politisch entmachteten und perspektivlosen Kaste nach einem neuen, standesgemäß geduldeten und vorzeigbaren Zeitvertreib suchte und dabei das Übersetzen entdeckte. Diese Art der Ablenkung vom Alltag der Provinz mag vor allem jenen willkommen gewesen sein, die zu den Vergnügungen des Hoflebens in Versailles keinen Zugang erhielten oder durch sie finanziell überfordert waren. Zur vermuteten Funktion des Übersetzens als Heilmittel gegen Langeweile findet sich ein aufschlussreiches Eingeständnis beim Erstübersetzer des Amadis de Gaule. In seiner Vorrede erwähnte Herberay des Essarts, der Kriegsgott habe seit einigen Jahren die christlichen Fürsten verlassen. Durch diese lange Waffenruhe sei das Kriegsgerät eingerostet: «reduict de l’impetueuse vie des armes, ou bien du repos & loisir» habe der Schreiber daher begonnen - «pour euiter la trop pernitieuse oysiueté» - fremde Bücher zu lesen und sei dabei auf den Ritterroman von Amadis gestoßen. Da spanische Standesgenossen diesen immer wieder gerühmt hätten, habe er «prins plaisir à le communiquer par translation». 22 Nicht auszuschließen ist auch, in einem zunehmend verarmten Altadel, dessen Haupteinkünfte aus meist unrentabel gewordenen Lehnsgütern stammten, 23 dass manchem die - gewiss recht bescheidenen - Verlagshonorare für Übersetztes willkommen waren zur Aufstockung seiner knappen Finanzen. Waren Adligen doch zahlreiche andere Erwerbsquellen untersagt, wollten sie ihre Standesvorrechte nicht verlieren. Dafür könnte sprechen, dass Aristokraten zwar nicht die einzigen waren, die bei der Publikation von 21 Die Würde des Erzbischofs oder Bischofs, des Abtes oder der Äbtissin großer Klöster. 22 Herberay des Essarts 1540, Prologue du Translateur. 23 Sprichwörtlich für diese Entwicklung wurde der Satz Madame de Sévignés im Brief vom 21. 10. 1673 «Je crie famine sur un tas de blé» (Lettres ed. Gérard-Gailly, Paris 1953, I, p. 615). 10 Kapitel 2 Übertragungen ihren Namen auf dem Titelblatt vermieden. Doch es scheint, als sei von keinem anderen Übersetzertyp das Inkognito auch nur annähernd gleich oft gewählt worden, entweder ganz oder weitgehend, durch Reduktion auf bloße Initialen bzw. ein Pseudonym. Die vielen Hunderte solch anonymer Publikationen 24 waren gewiss schlecht geeignet, literarischen Ruhm auf sich zu ziehen. Sie könnten sich eher durch die Verlegenheit erklären, einen wenig standesgemäß wirkenden Nebenerwerb vor dem Leserkreis zu kaschieren. Galt diese Tätigkeit doch, wie erwähnt, selbst einem Kleinadligen wie Charles Sorel als «servile» - eine Art Frondienst von Leibeigenen also, der unvereinbar schien mit echt adliger Lebensweise. Wenn es nicht primär das materielle Zubrot war, welchen emotionalen Gewinn, welche intellektuelle Bereicherung konnten gerade aristokratische Mittler und Leser ziehen aus der Akklimatisierung fremder Lesestoffe? Einige ihrer Publikationen sprachen schon im Titel die eigenen Standesgenossen an. So bei dem Manuel du cheualier Chrestien des Erasmus, einem Dialogue de la noblesse, einer Vita Alexanders des Großen, die diesen als Image de la fortune et de la vaillance, à la noblesse française pries, oder in einem Miroir de la noblesse de Hasbaye. Der Titel eines Ritterromans charakterisiert diesen ebenfalls als «Ouurage qui sert de miroir à tous les princes & Cheualiers». 25 Ein andermal sprach die Vorrede als Adressaten «Mesdames & seigneurs» an und verdeutlichte, dass diese «illustre, noble, honneste, & paisible assistance» aus der importierten Tragödie Gewinn ziehen sollte. In weiteren Fällen ließ etwa der übertragene Text Senecas oder einiger Satiren Juvenals erkennen, dass es dort zentral um das Wesen echten Adels oder um die «clémence» als eine Kardinaltugend der «chevalerie» ging. Schauen wir genauer hin, welche thematischen Schwerpunkte andere Importe hatten und welchen Genres sie angehörten. Kaum verwunderlich ist, dass weit über zweihundert der transferierten Schriften in einen religiösen Kontext gehörten, angefangen bei Übertragungen der Psalmen und anderer biblischer Texte über deren Exegese bis hin zur konfessionellen und kirchenfeindlichen Polemik oder Apologetik. Zu all diesen Themenfeldern steuerten allein katholische Kleriker adliger Herkunft fünf Dutzend Titel bei. Erinnern wir uns daran, dass Aristokraten im Glaubensstreit der Reformationszeit auf beiden Seiten tragende Rollen spielten, und dass danach, im siebzehnten und frühen achtzehnten Jahrhundert, die Jesuiten mit einer laxen, „mondänen“ Moralauffassung vor allem dem Alt- und Hofadel zu gefallen suchten, wogegen das Milieu der «noblesse de robe» zur rigideren Moral der Jansenisten tendierte. Es liegt nahe, dass all jene Fraktionen auch in der Buch- 24 Beim Stand von 450 Publikationen ohne vollen Übersetzernamen wurde die Überprüfung weiterer Belege abgebrochen. 25 Louis Berquin 1518, Guy Le Fèvre de la Boderie 1584, Soulfour 1629, Salbray 1673, Rosset 1617-26. - Zum Folgenden: etwa Michel d’Amboise 1544, Cappel 1578. Frustrierter Feudaladel, belesene Legisten 11 produktion anderer Kulturen nach Werken suchten, die ihre eigene Position zu stärken versprachen. Zahlenmäßig rangierten historiographische Schriften nicht weit hinter jenen mit religiöser Thematik. Auch das dürfte wenig überraschend wirken. War doch der Adel derjenige unter den drei Ständen, der seine Sonderstellung - kraft erreichter oder erhoffter Erblichkeit - unmittelbar aus der Vergangenheit und den durch Vorfahren erworbenen Verdiensten ableitete. Von den Importen dieser Kategorie schilderte eine ganze Reihe das Leben von «hommes illustres» unter den eigenen Standesgenossen, besonders jener Feldherren und Kriegshelden anderer Nationen, die wichtige politische Rollen gespielt hatten und als Vorbild 26 für die eigene oder - seltener - als Warnung dienen konnten. Weit öfter noch widmete man sich einem oder mehreren jener Alleinherrscher, die - ähnlich wie in Frankreich - zu übermächtigen Gegenspielern der aristokratischen Eliten ihrer Länder geworden waren: den Cäsaren, Königen, Tyrannen, Usurpatoren der Macht. 27 Neben solchen Einzel- und Gruppenporträts importierte man theoretische Traktate darüber, wie Fürsten regieren sollten oder sich in der Realität verhielten. Gleich zweimal übertrug man im 16. Jahrhundert Machiavellis wertungsfreie Rezepte zur Erringung und Wahrung der Macht. 28 Dann wieder ermahnte man den Herrscher zur Erfüllung seiner Pflichten, mit Titeln wie Le monarque parfait, ou le devoir d’un prince chrétien oder Le maître et son serviteur, ou les devoirs réciproques d’un souverain et de son ministère. Man meldete Forderungen an für die Education des princes destinés au trône. Dass der französische Adel einst die politischen Geschicke seiner Nation wesentlich mitbestimmt hatte und inzwischen der verlorenen Führungsrolle nachtrauerte, spiegelt sich in der Übertragung eines halben Hunderts von Geschichtswerken, die den Regierungsformen mächtiger Reiche der Antike und Neuzeit, den Gründen ihres Aufstieg und Falls gewidmet waren. Wenn dabei unter den nachantiken Staatsgebilden England und das Deutsche Reich zahlenmäßig das Hauptinteresse auf sich zogen, ist auch dies gewiss kein Zufall. Hatte doch dort der Adel - in unterschiedlicher Weise 29 - weit mehr politische Macht bewahrt als 26 Siehe etwa die Sammelwerke Du Haillan 1568, Vasse 1785 oder die Biographien von Einzelpersönlichkeiten Cappel 1574, Tende 1681, Anne Dacier 1695, Lafite 1787, Lally- Tollendal 1790, Bock 1792, Nivernais 1807? , Bourgoing 1807. - Zum Folgenden: Félibien 1650 (zu Olivarez), Lafite 1773 (zu Struensee), Bock 1787 (zu Trenck). 27 Siehe etwa Berthault de la Grise 1531, 1540, Le Blond 1553, Vintimille 1554, Boaistuau 1559, Montlyard 1559, Hotman 1603, Dagoneau 1608, Séguier 1614, Virion 1621, Vieux- Maisons 1638, Du Teil 1641, Vion d’Alibray 1644, Vaugelas 1659, Le Hayer 1662, Pidou de Saint-Olon 1690, Lavaur 1726, Bissy 1750, Tschudi 1755, Louise-Félicité Guinement de Kéralio dame Robert 1786, La Harpe 1770, Jean-François Bourgoing 1805, Montolieu 1812, Pixérécourt 1822, Lespinasse de Langeac 1826. 28 Cappel 1553, Gohorry 1571. - Zum Folgenden: Lannel 1625, Champigny 1760, Jean- François Bourgoing 1777. 29 In England durch das House of Lords des Parlaments, im Deutschen Reich durch die schwache Zentralgewalt. 12 Kapitel 2 im benachbarten Frankreich. Natürlich wurden solch kritische Vergleiche nur mit aller gebotenen Vorsicht publiziert. Die Vorrede der erwähnten Auflistung wechselseitiger Verpflichtungen von Souverän und dessen staatstragenden Untertanen durch einen deutschen Autor betonte verharmlosend, man wolle französischen Lesern nur «plusieurs usages des Cours de l’Empire, qu’ils ignorent peut-être» nahebringen. 30 Es kommt der Erwartung entgegen, wenn gut drei Dutzend Werke Kriegen, 31 Bürgerkriegen, 32 Verschwörungen, Eroberungsfeldzügen 33 gewidmet waren, die entweder andere Nationen oder Frankreich als Schauplatz hatten und jene Ereignisse aus einer ungewohnten Perspektive von jenseits der französischen Grenzen schilderten. Dazu kamen Lehrbücher der Art Le guidon des capitaines. Avec un excellent traité pour apprendre à tirer les armes oder Maximes de guerre relatives à la guerre de campagne et à celle des sièges. 34 All dies durfte hohes Interesse bei Übersetzern wie Lesern eines Standes voraussetzen, dessen Gedankenwelt seit Jahrhunderten bestimmt war durch die Überzeugung, seinen Vertretern und deren soldatischen Tugenden gebühre entscheidender Anteil am Ausgang gewaltsamer Auseinandersetzungen, sei es als Angehöriger einer Eliteeinheit von Adligen, als Anführer eines eigenen Regiments oder ganzer Heere. Beim Interesse an drei Dutzend Schilderungen abenteuerlicher Reisen in unbekannte Fernen schließlich mag da und dort eine vage Erinnerung mitgespielt haben, dass schon die fahrenden Ritter mittelalterlicher Literatur immer wieder in die Fremde gezogen waren auf die Suche nach Abenteuern. 35 Damit kommen wir zum Anteil fiktionaler Literatur. Er lag zwar unter demjenigen bisher besprochener und sonstiger Importe, wirkt aber mit rund dreihundert Werken immerhin recht stattlich. Welche Charakteristika zeichnen sich ab bei solchen Texten, die keine plane Wiedergabe der wirklichen Umwelt zu sein vorgaben, sondern ihre Leser in das Reich der Phantasie entführen wollten? Eine nennenswerte Werkgruppe bildeten rund fünf Dutzend importierter Heldenepen, deren Zahl vom sechzehnten bis zum achtzehnten Jahrhundert anstieg. Vor allem Homer reizte wieder und wieder zur zeitgemäßen Umformung, wobei die kriegerische Ilias deutlich gegen- 30 Champigny 1760, Préface du Traducteur. 31 Siehe etwa Vintimille 1547, Herberay des Essarts 1550, Amelin 1554, Basilicos 1555, Chomedey 1541, 1582, 1593, Villegagnon 1562, Vigenère 1576, La Vallée du Maine 1589, Cayet 1598, Louis XIV 1651, Kéralio 1773, 1777, La Luzerne 1777, Romance 1784, Bock 1789. 32 Etwa Georges de Brébeuf 1654, Du Teil 1670, La Roche-Guilhem 1683. 33 Etwa Fumée 1568, Witard 1581, Vigenère 1584, Samuel Broë 1678, 1685, 1691, 1700, Démeunier 1775. 34 Villamont 1609, Sinclaire 1771. 35 Vereinzelt blieb die Übertragung genealogischer Studien aus dem Lateinischen (Héris 1595, Montlyard 1596) oder von Schriften über Eigenheiten und «vices» des Hoflebens (François de Rosset 1619, Vallières 1622, Matné de Morville 1771). Frustrierter Feudaladel, belesene Legisten 13 über der Odyssee bevorzugt wurde. 36 Ähnliches galt für Vergils Aeneis 37 oder für die Rolands-Epen von Boyardo, Ariost und Tasso. 38 Ergänzt wurde diese Palette durch Autoren der Antike (Hesiod, Cornelius Nepos, Lucanus, Valerius Flaccus) 39 wie der Neuzeit, angefangen bei Jerónimo Fernandez über Camoëns und Macpherson bis hin zu Wielands Oberon. Waren auch die Importe verklärender Heldendichtung in fast erdrückender Überzahl vorhanden, gab es doch vielsagende Ausnahmen. Beginnend mit der Nachfrondezeit signalisierten einige als «poëme (héroï-)comique» firmierende Beispiele das Erlahmen adliger Versuche, sich weiterhin an erfundenem Heldentum zu berauschen: So die Homer zugeschriebene Guerre comique zwischen Fröschen und Mäusen, Tassonis Seau enlevé oder Forteguerris Richardet. 40 Ein ansehnlicher Importanteil entfiel mit gut zweihundert Titeln auf Romane und kürzere Formen fiktionaler Erzählprosa - Indiz für zunehmende Tendenzen des Standes, eine frustrierende Lebenswelt gegen diverse Angebote importierter Phantasiewelten zu tauschen. Nicht selten waren die Autoren jener Erzählungen ebenfalls Aristokraten, oder sie präsentierten Protagonisten, die dem Adel Englands oder Deutschlands angehörten. Nur ein geringer Prozentsatz allerdings entfiel dabei, mit gut zwei Dutzend Titeln, auf Fiktionen aus dem Bannkreis der spanischen und europäischen Ritterromane. Ihre Reihe hatte um 1540 begonnen mit den Schilderungen um Amadis de Gaule, der Chronique du très vaillant et redouté Don Florès de Grèce, den Rittern Palmerin d’Olive, Tiran le Blanc, Esplandian und anderen, setzte sich fort mit der Histoire du Chevalier du Soleil und seinen «immortelles prouesses» wie mit denen von Spheramond, dem Calloandre fidelle. 41 Doch vom frühen siebzehnten bis zum späten achtzehnten Jahrhundert machten sich Aristokraten 36 Cotel 1578, Du Souhait 1614, Certon 1604, 1615, Anne Dacier 1711, 1716, Cogolin 1751, Gin 1784, Lebrun 1775, 1819, Villette 1778, Lespinasse de Langeac 1778, Beaumanoir 1781, Valéri 1782, Turgot. 37 Etwa Crenne 1541, Des Masures 1547, Du Bellay 1552, 1560, Le Chevalier d’Agneaux 1582, Gournay 1620, Segrais 1668, Algay de Martignac 1681, La Landelle de Saint-Rémy 1736, Turgot 1778, 1800, Rivarol 1797. Wieweit auch Übertragungen von Vergils Georgica, seiner Eklogen und anderer Werke der Hirtendichtung als Verklärung des Landlebens aus Sicht des auf Lehnsgütern lebenden Landadels deutbar sind, bedarf noch der Klärung. 38 Etwa Rapin 1572, Vigenère 1581, Nervèze 1599, François de Rosset 1615, La Ronce 1619, Le Riche 1648, Gomez de Vasconcellos 1685-86, Lebrun 1774, François de Neufchateau 1778, Tressan 1780, La Harpe 1802, Creuzé de Lesser 1815. 39 Gin 1785, Cubières-Palmezeaux 1800, Saint-Simon 1771, La Harpe 1800, Dureau de la Malle 1811. - Zum Folgenden: Bueil 1625, La Harpe 1776, Aiguillon 1762, Saint-Simon 1774, Loeve-Veimars 1824. 40 Scudéry 1668, Creuzé de Lesser 1796, Nivernais 1796. 41 Herberay des Essarts 1540, 1552, Paulmy 1546, Guillaume Aubert 1555, Montreux 1577, François de Rosset 1617-26, 1618, 1619, Vital d’Audiguier 1609, 1618, Montlyard 1623, Scudéry 1668, Caylus 1737, 1740, Lubert 1751, Tressan 1779, Paulmy 1780. 14 Kapitel 2 auch an diverse Übertragungen der Histoire de l’ingénieux et redoutable chevalier, Dom Quichot de la Manche. Sie enthüllten erbarmungslos, dass fahrende Ritter, ihre Heldentaten und höfische Liebe schon seit langem nur noch in der Phantasiewelt der Bücher existierten. 42 Schon zuvor hatte man mit einigen Schelmenromanen Gegenbilder der ritterlichen Protagonisten und ihrer Taten eingebürgert, und am Ende des 18. Jahrhunderts sprach ein adliger Übersetzer nur noch verächtlich von den «monstrueux romans de chevalerie». 43 42 Cesar Oudin 1614, François de Rosset 1618, Florian 1799. - Zum Folgenden etwa: Vital d’Audiguier 1618, 1620, François Bertaut 1653. 43 Florian 1799, Avertissement du Traducteur, p. 7. Frustrierter Feudaladel, belesene Legisten 15 3 Martialische Mittler Wie die folgenden Kapitel zeigen werden, gab und gibt es eine Fülle von Berufen, die eng verknüpft sind mit der Produktion schriftlicher wie mündlicher Texte, ihrer Lektüre, Vortragsweise oder Verbreitung, die somit relativ große Nähe zur Tätigkeit des Übersetzers aufweisen. Nennen wir nur, für die lange Ära des Ancien Régime, Hauptaktivitäten von Spielarten des Klerus (Predigern oder gelehrten Mönchen), die Beredsamkeit fordernden juristischen Metiers wie Anwalt oder Richter, das Wirken als Privatsekretär oder Erzieher, als Drucker oder Verlagsbuchhändler, späterhin die Tätigkeit des Journalisten, des politischen Redners der Revolutionsdekade. 44 Unter ihnen allen darf man, wie sich noch bestätigen wird, zu Recht nicht wenige Übersetzer vermuten. Auf den ersten Blick schwer denkbar dagegen ist eine Affinität zwischen dem Kriegshandwerk, das primär auf physischer Fitness und Hochleistung basiert, und der Geistestätigkeit des Übersetzens von Büchern. Die Armee forderte nicht zuletzt Qualitäten wie Todesmut, Draufgängertum, körperliche Gewandtheit. Für die abwägende Schreibtischarbeit dagegen waren und sind Geduld und stilistisches Feingefühl schwer verzichtbar. Neigung und Befähigung für das erstere Metier scheint somit die für das zweite völlig auszuschließen. Ist das Suchen nach übersetzenden Militärs also ein müßiges Unterfangen und gleicht bestenfalls dem nach Nadeln im sprichwörtlichen Heuhaufen? Wagen wir das Experiment ungeachtet solcher Bedenken, und zwar für die gesamte Periode des Ancien Régime bis hin zur Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert, als die «levée en masse» ab 1793 einen Umbruch brachte: von Söldnertruppen und einer wohlbedacht gewählten Berufslaufbahn ihrer Offiziere hin zum Volksheer aus Wehrpflichtigen. Verblüffender Weise lässt sich, nach bloßer Sichtung biographischer Standard-Repertorien, leicht ein und ein halbes Hundert von Übersetzern mit militärischer Karriere nachweisen. Sie transferierten zwischen vier- und fünfhundert Werke 45 von rund 260 erschließbaren Autoren ins Französische. Bei einer zusätzlichen Zählung nach Bänden wäre diese Zahl natürlich um einige weitere Hunderte aufzustocken. Der Durchschnitt publizierter Werke pro Übersetzer der Gruppe lag bei drei Titeln. Dieser Mittelwert wirkt, aus heutiger Sicht, als Lebensleistung recht bescheiden. Doch im Zeitalter eines noch geringen beruflichen Spezialisierungsgrads der Übersetzerzunft war er durchaus beachtlich. Er 44 Siehe zu den erwähnten Gruppen Fritz Nies u. a. in Yves Chevrel/ Jean-Yves Masson (ed.), Histoire des traductions en langue française: XVIIe - XVIIIe siècle, Lagrasse: Verdier 2014, p. 128 s., 134-138, 141-145. 45 Genauer: 433 Titel (dazu kommen 21 weitere, bei denen es sich wahrscheinlich um Pseudo-Übersetzungen handelt). übertraf den Wert für die Gesamtheit der Mittlergilde und selbst den der traditionell gern übersetzenden Juristen. 46 Die Rekordhalter unter den militärisch erfahrenen Übersetzern lebten in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts: Marc-Antoine Eidous mit 43 Titeln, gefolgt von Jean-Nicolas de Bock mit 17 und Jean-Henri Castéra mit 15. Die beiden frühesten Belege indes stammen bereits von 1453/ 55, als der «roi d’armes» Gilles le Bouvier das Recouvrement de la duché de Normandie Robert Blondels aus dem Lateinischen übertrug, Loys de Beauvau den Filostrato Boccaccios aus dem Italienischen. In das 16. und 17. Jahrhundert gehört dann schon ein rundes Fünftel der Gesamtzahl übersetzender Kriegsleute und übertragener Titel. Vier Fünftel dagegen stammen erwartungsgemäß aus dem 18. und frühen 19. Jahrhundert. Denn es war eben dieser Zeitraum, der mit einer bis dahin einmaligen Blütezeit des Übersetzens ins Französische zusammenfiel. 47 Womit lässt sich der unerwartete soldatische Hang zu einer frustrierend und wenig ruhmvoll wirkenden Fronarbeit schreibender Stubenhocker deuten? Hatten etwa die meisten Militärs bei Kriegszügen im Feindesland erfahren, wie wertvoll die Beherrschung fremder Idiome sein kann, wenn es darum geht, sich wichtige Informationen zu beschaffen? Nutzten sie eifrig ihre Aufenthalte in jenen Gebieten, um Kenntnisse der Landessprache zu erwerben oder zu verbessern? Ermutigte sie diese Fähigkeit später zum Übersetzen in ihre eigene Sprache? Pauschal erweisen sich eine solche Vermutungen als schwer haltbar. Zwar lassen sich für ein halbes Hundert übersetzender Militärs Auslandseinsätze nachweisen - vor allem im deutschen, aber auch im italienischen Sprachraum, in Flandern, Spanien, Ungarn, Schweden, den jungen Vereinigten Staaten -, bevor sie Übersetzungen publizierten. Doch der Ertrag anschließender Importe aus vier der genannten Sprachen blieb, mit 56 Titeln von 23 Übersetzern, vergleichsweise dürftig. Eine andere Beobachtung ermutigt zu tauglicheren Hypothesen. Die erfassten Übersetzer mit bekannter Biographie erreichten praktisch ausnahmslos Offiziersränge. Zwischen zwei Dritteln und vier Fünfteln 48 von ihnen entstammten der Aristokratie. Erst seit den Revolutionskriegen sollte sich auch eine nennenswerte Anzahl nichtadliger «roturiers» finden lassen. Wie schon im vorangehenden Kapitel erwähnt, suchte gerade der traditionelle Kriegerstand des Adels, seit seiner endgültigen politischen Entmachtung um die Mitte des Grand Siècle, verstärkt nach Ersatztätigkeiten, die mit adligem Lebensstil vereinbar waren. Die männliche Fraktion des Standes konnte längst nicht mehr als bildungsfern gelten. Dazu kam, dass von einem 46 Durchschnittswerte: Gesamtheit aller Übersetzer 2,3 Titel, Juristen 2,54, Militärs 2,93. 47 Siehe dazu Fritz Nies, Schnittpunkt Frankreich [Anm. 8] passim. 48 Soweit man die sogenannte «particule nobiliaire» de mit berücksichtigt - ein allerdings sehr unsicheres Indiz, wie schon im letzten Kapitel erwähnt. Zugehörigkeit zur Aristokratie lässt sich dagegen besser aus dem Dienst in bestimmten Einheiten ableiten. So hatten mousquetaires, chevau-légers, gardes du corps, gendarmes de la garde nur adlige Offiziere. 18 Kapitel 3 stehenden Heer vor der Revolutionszeit nur sehr eingeschränkt die Rede sein kann, weil nach Friedensschlüssen aus Kostengründen viele Regimenter aufgelöst wurden und ihre Kommandeure nach Hause zurückkehrten. 49 Zudem verursachte die langsam verstärkte Kasernierung Perioden erzwungener Untätigkeit, die zu literarischen Tätigkeiten ermunterte. Zu prüfen bleibt natürlich, wie oft Offizierskarrieren schon nach einer kurzen Episode abbrachen, aus enttäuschter Aufstiegshoffnung oder weil man einsah, dass sie keiner echten Berufung entsprachen und die eigenen Fähigkeiten überforderten. In der Tat beschränkte sich das militärische Engagement mancher Übersetzer auf wenige Jahre. 50 Einige weitere gaben die Laufbahn aufgrund ihrer wenig robusten Gesundheit auf. 51 Doch wieder andere dienten drei, vier Jahrzehnte und mehr. 52 Unzutreffend wäre übrigens die Vermutung, die meisten translatorisch Tätigen seien wohl wenig brauchbare Soldaten und Vorgesetzte oder gar Drückeberger gewesen. Denn von sechzehn unter ihnen vermerken sogar Kurzbiographien ausdrücklich, sie hätten sich hervorgetan durch Mut und Tapferkeit auf dem Schlachtfeld, im Feldzug, bei der Belagerung und Einnahme von Festungen. Andere wurden schwer verwundet. 53 Weit über ein halbes Hundert stieg so folgerichtig bis in hohe und höchste Ränge der militärischen Hierarchie auf. 54 Die Vermutung liegt nahe, dass während der Dauer ihres starken militärischen Engagements die Hauptenergie jener Eliten einzig dem Kriegshandwerk galt. Aus welchen Lebensphasen stammten also die so zeitaufwendigen Übersetzungen? Nur vereinzelte entstanden vor Eintritt in die Armee (oder Marine). Dies ist nicht verwunderlich, weil die Militärlaufbahn Adliger meist sehr früh begann. Bei Charles-Louis de Mauroy schon mit dreizehn Jahren, bei Alexandre-Vincent Pineu Duval, Louis-Félix de Kéralio, François-Jean La Porte du Theil oder Armand de Saint-Hilaire mit vierzehn Jahren, bei anderen mit fünfzehn, sechzehn oder siebzehn. Immerhin rund dreißig Texte dürften dagegen im Zeitraum der militärischen Karrieren eingebürgert worden sein. Die überwältigende Mehrheit der Übertragungen allerdings erschien in einer späteren Lebensphase des Übersetzers, nach dessen Ausscheiden aus dem Militärdienst. Für die Gesamtheit aller Erfassten mit bekanntem Geburtsjahr 49 Etwa der Baron de Beaumanoir 1765. 50 Etwa bei Joseph-Louis Cambis de Velleron, Anne-Claude de Caylus, Marie-Joseph Chénier, Claude-Joseph Dorat, Claude-François de Lezay-Marnézia. 51 Etwa Pierre-François de Boaton, Chabanon de Maugris, Louis-Jules Mancini-Mazarini duc du Nivernais. 52 Claude de Thyard de Bissy erreichte 65 Dienstjahre, Jean-Baptiste Armand de Choiseul- Meuse 64. Höchst stattliche militärische Langzeit-Karrieren hatten etwa auch François- Jean de Chastellux, Egide-Louis de Lespinasse de Langeac, Charles-Louis de Mauroy. 53 So Nicolas L’Héritier de Nouvelon. 54 Colonel, lieutenant-colonel, commandant (en chef/ en second), général, général-major, lieutenant général, maréchal de camp, etc. Martialische Mittler 19 betrug so das Lebensalter bei Erscheinen der ersten Übertragung im Schnitt 42 Jahre. Welche Schlüsse lassen sich, auch ohne genaue Textvergleiche, ziehen hinsichtlich der Art, in der diese Gruppe übersetzte? Fünf Dutzend Übertragungen erschienen noch im selben Jahr wie das Original oder im Verlauf des Folgejahres. Allein Castéra brachte es auf dreizehn solcher Schnell- Importe, Bock auf acht. Bei damaligen Rahmenbedingungen (hoher Zeitaufwand beim Aufspüren und bei der Beschaffung eines meist im Ausland verlegten Originals, Verlagssuche, Verschriftlichung der neuen Version, Entziffern der Handschrift durch den Drucker, Handsatz usf.) bedeutete dies, dass dann für die eigentliche Übertragungsarbeit recht wenig Zeit blieb. Außerdem kamen, in einem halben Hundert von Fällen, innerhalb eines Jahreszeitraums mehrere Übertragungen ein und desselben Mittlers auf den Buchmarkt: am häufigsten zwei bis drei, manchmal vier oder fünf. Eidous brachte es sogar bis auf sieben. 55 Rund eineinhalb Hunderte der erfassten Texte wurden zudem durch polyvalente Mittler verfertigt, die aus zwei oder gar drei Sprachen übertrugen. Der Verdacht liegt nahe, deren Kompetenz sei nicht in jedem jener Idiome gleich hoch gewesen. Rund vierzig Mal schließlich kündigte schon der Titel eine «imitation» oder «traduction libre» an. Deutlicher noch als in solchen Zusätzen erklärten sich Übersetzer in vielen Dutzenden von Vorworten. Dort nannten und begründeten sie Freiheiten, die sie sich im Umgang mit dem Originaltext genommen hatten: Ergänzungen, stilistische Glättung und dringend erscheinende Verbesserungen, vor allem Kürzung von angeblich Überflüssigem und «détails un peu longs». 56 Ganz vereinzelt nur entschuldigten sie sich für solche Abweichungen, etwa mit der «précipitation», die eine nur viermonatige Bearbeitungsfrist verursacht habe. 57 Weit häufiger griffen sie das seit dem 17. Jahrhundert beliebte Argument auf, eine Anpassung an nationale Geschmacksnormen habe die Eingriffe erzwungen. Solche Schutzbehauptungen dürften indes oft auch zum Wegzaubern schwieriger Textpassagen gedient haben. Kurz und gut: Häufig übertrug man sozusagen im Sturmlauf oder Galopp. Gleich attackierender Infanterie oder Kavallerie hielt man sich dabei, um im Bildfeld zu bleiben, wohl kaum bei Kleinigkeiten und stilistischen Finessen auf. Übersetzt wurde durch die Gruppe aus einem runden Dutzend von Idiomen. Führend war Englisch mit annähernd 30 % aller Titel. Fast gleichauf folgten dann schon die alten Sprachen mit 29 % (Latein mit 21 % und 55 Cf. etwa auch Jean-Henri Castéra, Maximilien-Henri de Saint-Simon. 56 Cubières-Palmezeaux 1789. Hier eine Auswahl weiterer einschlägiger Vorworte: Vital d’Audiguier 1619; Vion de Dalibray 1637; G. de Scudéry 1642; Bourdon de Sigrais 1743, p. XXII; Colbert d’Estouteville 1748; Duperrier-Dumouriez 1764; Eidous 1769, p. XI; Chastellux 1773; Tressan 1780, p. 8; Beaumanoir 1781; Boaton 1784; Bock 1792; Louis- Claude de Saint-Martin 1802; Vanderbourg 1802; Sevelinges 1802; Bourgoing 1805, p. XXIII; Bourgoing 1807; Dumouriez 1807, p. III. 57 Charles-François-Dominique de Villers 1808, préface p. XVII. 20 Kapitel 3 Griechisch mit 8 %, d. h. immerhin 32 Titeln). Die nicht abwegige Vermutung, dem übersetzenden Teil des Offizierskorps sei antikes Bildungsgut weitgehend fremd bzw. uninteressant geblieben, wäre also völlig falsch. Den nächsten Rang belegte Deutsch mit 22 %, gefolgt von Italienisch mit 11 % und Spanisch mit 7 %. Vereinzelt blieben Importe aus dem Portugiesischen, Schwedischen, Persischen, dem Sanskrit oder Madegassischen. Welche Genres wurden bevorzugt? Unter den Grundgattungen Schöner Literatur fiel der Löwenanteil mit gut hundert Titeln - aus heutiger Sicht eher unerwartet - an Werke in gebundener Sprache, d. h. hier an Versepen und Lyrik. Hätte man doch speziell bei diesem Mittlertyp wohl kaum viele Schöngeister vermutet, denen primär sprachlicher Wohlklang und Harmonie am Herzen lagen. Danach erst folgten in weitem Abstand, mit nur rund halb so vielen Titeln, kürzere Erzählprosa und Romane. Das Schlusslicht bildeten gut zwei Dutzend Theaterstücke. Doch ungeachtet eines stattlichen Gesamtanteils stammte die Mehrzahl aller Übertragungen nicht aus dem Reich der Belletristik. Bei der dominanten, eher sachbezogenen als ästhetisch anspruchsvollen Werkgruppe fällt vor allem eine imposante Bandbreite an Formen wie an Wissensgebieten ins Auge. Abhandlungen, Essays, Briefsammlungen u. a. m. widmeten sich Themen und Problemen der Historiographie oder Theologie, der Medizin und diverser Naturwissenschaften 58 , der Philosophie und Pädagogik. Neben Texten aus der Bibel und der religiösen Sphäre wurden zwei Dutzend Schilderungen von Reisen in ferne Länder eingebürgert. Außer Garten- und Ackerbau fanden Redekunst, Fürstenspiegel, Regeln für das Verhalten bei Hof und in der Gesellschaft ebenso Beachtung wie Fragen der Ethik und Moral, der Ästhetik, der Politik. Beschließen wir diese kunterbunte Serie von Importen durch Schriften, die sich beschäftigten mit dem Phänomen des Wunders, der Literatur und der Oper, der Sprache und dem Übersetzen, dem Altern und der Liebe, den Frauen oder dem Polizeiwesen. War unsere Mittlergruppe von Amateuren demnach allseitig offen und übertrug wahllos, was ihr unter die Augen kam? Dieser Eindruck erweist sich bei näherem Hinsehen als irreführend. Schon ein Überblick bevorzugter Originalautoren zeigt, dass Dutzende von ihnen ebenfalls an Schlachten und Feldzügen teilgenommen oder, in diversen Rangstufen, militärische Kommandogewalt ausgeübt hatten. Diese stattliche Autorenliste reicht von der Antike und dem Mittelalter bis zum frühen 19. Jahrhundert. Sie legt die Vermutung nahe, oft habe ein Gefühl berufsständischer Verwandtschaft zwischen literarischem Urheber und Mittler die Textauswahl des letzteren wesentlich mitbestimmt. Schauen wir genauer hin. Vom 15. bis zum frühen 19. Jahrhundert entstanden weit über drei Dutzend Übertragungen, die man späterhin als berufstypische Fachliteratur rubriziert hätte. Zu ihnen gehörten etwa Bio- 58 Chemie, Botanik, Zoologie, Mineralogie, Astronomie. Martialische Mittler 21 graphien von oder biographische Details über beispielhafte Heerführer und Befehlshaber. Sie galten Gestalten der jüngsten Vergangenheit (Laudon, Münnich, dem jungen Bonaparte) 59 ebenso wie denen früherer Zeiten (Marschall Schomberg, Karl der Große) und nicht zuletzt der Antike (Alkibiades, Agathokles von Syrakus, Atilius Regulus, Cyrus, Agricola, Tarquinius Superbus). 60 Gegenwartsnähe einstiger Feldherren und die daraus ableitbare Nutzanwendung wurden mehrfach offengelegt. Für Schomberg etwa geschah dies durch die Vorrede. Für Charlemagne, siegreichen Begründer eines Reichs europäischer Dimension, ist schon das Publikationsjahr aufschlussreich. 61 Es war jenes Jahr 1805, in dem der frisch gekrönte Kaiser Napoleon seine Siege über Österreich feierte. Im «Avant-propos du traducteur» folgte ein Wink mit dem Zaunpfahl: «l’ouvrage rappellera une époque qui a plus d’un trait de ressemblance avec des tems beaucoup plus modernes». Schon Kaiser Karl sei - ganz wie sein Nachfolger Napoleon - ein unermüdlicher Krieger und Held voller kriegerischer Talente und Tugenden gewesen. Mit ihnen sei es ihm gelungen, zwanzig Völker unter seinem Zepter zu vereinen. Eine weitere Gruppe militärischer Lehrbücher gab Schilderungen von Schlachten, Feldzügen und Kriegen, sei es zeitnaher 62 oder längst vergangener 63 . Etwas unerwartet mag erscheinen, dass bei alledem den gelehrten Kriegsleuten nicht primär Biographen und Geschichtsschreiber ihrer Zeit als Gewährsleute galten, 64 sondern gleichermaßen Chronisten der Antike. 65 Seltener allerdings waren Musterbeispiele martialischer Redekunst, sei es von Feldherren der Antike oder der jeweiligen Gegenwart. 66 Ein dritter Block importierter Lehrbücher bestand aus theoretischen Traktaten, deren belehrende Absicht nicht selten durch Elemente wie Ecole de l’Officier, leçons, instructions schon im Titel betont wurde. Sie handelten von der Kriegskunst im allgemeinen, von Fragen der Taktik im Feld und bei Belagerungen, galten Anweisungen eines Kriegsherrn an das Offizierskorps oder Fragen der Disziplin. 67 Einmal mehr gehörten nicht wenige unter den Import-Autoritäten des 18. Jahrhunderts zu den Zeitgenossen des Übersetzers. Dreimal war es 59 Bock 1792, Bourgoing 1797, 1807. 60 Eidous 1752, Jean-Laurent-Claude de La Gravière 1783, La Luzerne 1777, Friedrich Aloysius von Brühl 1787, Louis-Jules duc du Nivernais 1807? , Vion d’Alibray 1644. 61 Dumouriez 1807, Jean-François Bourgoing 1805. 62 Vaulcher 1550, Duverdier 1569, Eidous 1766, Bock 1789, Bourgoing 1804, Sevelinges 1804, 1812, 1831. 63 Herberay des Essarts 1550, Villegagnon 1562, Dumouriez 1807, Antraigues 1805, Bourgoing 1805, Villers 1808. 64 Avila y Zúniga, Archenholz, Hegewisch, Cambridge, Heeren. 65 Polybios, Flavius Josephus, Atilius Regulus, Xenophon, Tacitus. 66 Etwa «aux officiers et aux soldats des différentes armées américaines» (Chastellux 1786; siehe auch La Gravière 1783). 67 Bourdon de Sigrais 1743, Bouchard de Bussy 1757, Guischardt 1758, Faesch 1761, Sinclaire 1762, 1771, Hans Moritz von Brühl 1770, Ligne 1779, Bock 1791, Tranchant de la Verne 1801, 1808. 22 Kapitel 3 der Preussenkönig Friedrich II. höchstselbst, mit Anordnungen an seine Generäle, dem Règlement pour la cavalerie sowie einer Instruction secrette dérobée à S. M. le roi de Prusse contenant les ordres secrets expédiés aux officiers de son armée. Als weitere bereichernde Lehrmeister erschienen dreimal Bülow, mehrfach Archenholz, dann Lindenau, Khevenhueller und Heeren. Diese Fülle deutscher Verfassernamen verdeutlicht den Nimbus, der in Frankreichs Fachkreisen vor allem preußische Kriegskunst seit dem Siebenjährigen Krieg bis zur Niederlage von 1806 verklärte. Vertraut wirkt inzwischen schon, dass neben Zeitgenossen antike Theoretiker neu übertragen wurden, etwa die Milice des Grecs, ou Tactique von Aelianus Tacitus, die Institutions militaires des Vegetius oder die Mémoires militaires von Onasandros und Arrianus. 68 Enthalte doch, wie Übersetzer-Vorreden unterstreichen, Vegetius nach wie vor «des leçons pour perfectionner la science des Armes». Gleich ihm könnten Onosandros wie Arrianus zeigen, dass trotz der Erfindung neuer Waffen und des Schießpulvers «l’Art militaire des Anciens sera toujours l’Ecole des bons Officiers». Doch praxisorientierte Ratgeber waren nicht die einzigen Importe, die auffallen durch große Nähe zur Gedankenwelt einer ständisch stark vom Adel geprägten Mittlergruppe. Ein erster Hinweis: Der soldatischen Fraktion des Adels waren, allein im 18. Jahrhundert, fünf Bearbeitungen der Ilias oder einzelner ihrer Glanzstellen zu verdanken. Dagegen ließ auch sie die Odyssee gänzlich unbeachtet. Anzunehmen ist also, ganz wie ihre Standesgenossen ohne militiärische Praxis hätten auch sie an Homer nicht Irrfahrten und seltsame Abenteuer mit mythischen Wesen gefesselt, sondern kriegerische Glanztaten, Kampf- und Belagerungsszenen. 69 Das bestätigen klare Vorlieben dieses Übersetzertyps für weitere Heldenepen, wie wir sie bei den längst unkriegerisch gewordenen Standesgenossen ebenfalls konstatierten. So verwundert es nicht, dass man zwei Übertragungen verfertigte von Ariosts Roland furieux, eine weitere von Boyardos Roland l’Amoureux. 70 Dazu kamen französische Fassungen des Thrasibule von Cornelius Nepos, von La Pharsale, von Boccaccios Filostrato, der Luziades des Camôens, von Schönaichs Arminius ou la Germanie délivrée, von Macphersons Temora, Wielands Obéron und sogar des Poème épique sur les exploits du héros Napoléon Bonaparte eines obskuren Griechen. Neben vielen Heldenliedern reizten einzelne Varianten des Trauerspiels, einer zweiten Gattung des hohen Stils mit heroischen Gestalten. So etwa Addisons Stück über Cato, den antiken Kämpfer für einen demokra- 68 Bouchaud de Bussy 1757, Bourdon de Sigrais 1743, Guischardt 1758 (folgende Zitate ib. Préface und Discours préliminaire p. 1). 69 Cogolin 1751, Lespinasse de Langeac 1778, Villette 1778, Beaumanoir 1781, Poisson de la Chabeaussière 1798. 70 Rapin 1572, Tressan 1780. - Zum Folgenden: Cubières-Palmezeaux 1800, Saint-Simon 1771, Loys de Beauvau 1455, Eidous 1769, Gaubier de Barrault 1772, Saint-Simon 1771, 1774, Boaton 1784, Lavallée 1802. Martialische Mittler 23 tischen Staat, oder Shakespeares Tragödie vom venezianischen General Othello. 71 Weit häufiger noch unternahm man es, besonders im 18. Jahrhundert, fremdsprachige Ritterromane zu akklimatisieren, und das oft erst Jahrhunderte nach ihrer Entstehung, im Idiom von Europas adligen Eliten. Ihre Helden sind natürlich opfermutig, leidensfähig, tapfer und gefürchtet im Zweikampf oder in der Schlacht. 72 Bei Boccaccio tötet so Troilus, der Sohn des Priamus, allein an die tausend Mann. Er und seinesgleichen suchen das Abenteuer, sind zahllosen Gefahren ausgesetzt, manche fallen zeitweise als Gefangene in die Hand von Feinden. Vor allem aber ergänzten die Fiktionen um Amadis, Théogène, Persiles oder Caloandre topische Motive des Heldenepos meist um die zweite Dominante seiner Nachbargattung, des vom Mittelalter überkommenen höfischen Romans: die Verherrlichung dienender, treuer und reiner Liebe. 73 All jene Protagonisten aus fremdem Land sind Vorbilder nicht nur des Heldentums wie der Leidensfähigkeit, sondern auch adliger Gesittung über alle nationalen Grenzen hinweg. Schwerpunkt dieser importierten Lobpreisungen des eigenen Standes ist das achtzehnte und frühe neunzehnte Jahrhundert. Man darf sie gewiss sehen als Bestreben von Nachkommen der alten Kriegerkaste, einen im Hochmittelalter wurzelnden Mythos ihrer wohlverdienten Sonderstellung fortzuschreiben, «[de] conserver dans la Noblesse Françoise l’ancien esprit de la Chevalerie». 74 Unverkennbar war dieses Anliegen, dem Mythos des Schwertadels durch Importe Glanz zu verleihen zu einer Zeit, die sein Selbstwertgefühl längst tief erschüttert hatte. 75 Dieser Zwiespalt zwischen einstigem Glanz und glanzlos gewordener Realität der eigenen Zeit wird in einigen schon erwähnten Importen offenbar, die den vertrauten Motivbestand auf unernste Weise nutzten. In der (Georges de Scudéry zugeschriebenen) Version einer Homer- Parodie Batrachomyomachie, der Guerre comique (1668) zwischen Fröschen und Mäusen, oder im komischen Epos Hudibras Butlers (übersetzt 1757), dem Don Quichotte de la Manche des Cervantes (1799). 76 Kommen wir zu einer knappen Bilanz. Eine Teilfraktion von Aristokraten mit militärischer Karriere war, vor allem nach deren Ende, übersetzerisch 71 Saint-Simon 1771, Douin 1773, Chéron de la Bruyère 1789. (Siehe auch Dorat 1770: Les deux reines. Drame héroïque). 72 Siehe etwa Herberay des Essarts 1552, Scudéry 1668, Caylus 1737 und 1740, Tressan 1779. 73 Siehe etwa Loys de Beauvau 1455, Herberay des Essarts 1540-46, 1552, Vital d’Audiguier 1609, Scudéry 1668, Caylus 1740, Tressan 1779. 74 Tressan 1780, Epitre dédicatoire. 75 Zum Mythos allgemein siehe Martin Wrede (ed.): Die Inszenierung der heroischen Monarchie, München 2014, zu literarischen Leitfiguren im 16. Jahrhundert ib. Dietmar Rieger, Amadis und andere, p. 40-56. 76 Town(e)ley 1757, Florian 1799, vermutlich auch der mir nicht zugänglichen Ausoniade (Leroux 1807). 24 Kapitel 3 unerwartet aktiv, und dies selbst bei der Einbürgerung von Werken aus der Gelehrtensprache Latein. Sie waren offenbar, ganz wie andere Standesgenossen, keineswegs dagegen gefeit, sich bei ihrer Arbeit in die verklärte Vergangenheit ihres Standes zu flüchten. Doch es scheint, als sei ständischer Eskapismus bei ihrer Auswahl etwas weniger häufig gewesen als die Beschäftigung mit Texten, die besondere Nähe zur Realität ihres Metiers besaßen und so Nutzen versprachen für beruflichen Erfolg und eine optimistische Lebensperspektive. Wünschbar wäre natürlich die Absicherung dieser Skizze durch ergänzende Daten. So wären, neben Einträgen in Sammelwerken, soziobiographische Studien zu Einzelübersetzern zu sichten mit dem Ziel, weitere Militärkarrieren nachzuweisen und im genauen Zeitablauf zu rekonstruieren. Die häufigen Vorreden und Widmungsbriefe verdienten umfassendere Analysen mit Blick auf Selbstbild, Zielgruppe und Absichten der Schreiber. Eine breit angelegte Sichtung solcher Paratexte lässt zudem Aufschluss darüber erhoffen, ob und wieweit Übertragungen etwa der Complainte de la Paix von Erasmus, eines Romans von Pratt über die malheurs de la guerre civile, 77 ein nicht seltener Hang zur Bukolik die starke Sehnsucht gerade des Kriegerstandes nach einer friedlicheren Welt spiegelten. Oder wieweit die Einbürgerung zahlreicher Werke, die um frühen Tod und Grab und Jenseits kreisen, 78 darauf zurückgeht, dass gerade dieser Berufsstand sich immer wieder der Erfahrung eines vorzeitigen gewaltsamen Lebensendes konfrontiert sah. Anbieten würde sich schließlich ein Vergleich mit dem Anteil, den Militärs erreichten bei Übertragungen zwischen anderen Sprachenpaaren, etwa aus dem Französischen ins Deutsche 79 oder Englische - in Sprachräume also, in denen das Ansehen der Volkssprache, ganz wie das soziale und politische Gewicht von Aristokraten oder ihrer Fraktion mit militärischer Laufbahn, nicht identisch waren mit ihrem Status in Frankreich. 77 Louis de Berquin 1525, Sauseuil 1783. - Zum Folgenden: Übertragungen im Umkreis der Bukolik siehe etwa Bonarelli della Rovere, Cervantes, Gay, Gessner, Tasso, Vergil (Du Cros 1630, Pichou 1631, Florian 1783, Saint-Simon 1771, La Gravière 1765, Boaton 1780, Vion 1632, Choiseul-Meuse 1784, Lespinasse de Langeac 1806). 78 In Tragödie und Epos, Elegien und Schauerromanen, den Night Thoughts Edward Youngs (Bissy 1768, Moissy 1770), dem Cimetière de Campagne Thomas Grays, den Gedichten von Helen Williams (Boufflers 1808) usf. 79 Eine (aufgrund kleiner Zahlen wenig aussagekräftige) Stichprobe für die erste Hälfte des 18. Jahrhunderts ergab 13 Titel bei Übersetzungen aus dem Deutschen ins Französische gegenüber nur vier bei denen in der Gegenrichtung. Martialische Mittler 25 4 Weiter Gesichtskreis: Juristen Ist es nur Zufall, wenn der Historiker bei Übersetzungen ins Französische sehr häufig auf Namen stößt, deren Träger durch Studium oder Beruf der Juristerei verbunden waren? Es hatte sich ja bereits bei den übersetzerisch tätigen Aristokraten abgezeichnet, dass Juristen unter ihnen vermutlich eine starke Fraktion bildeten. Lässt sich also eine generelle Verbindung entdecken zwischen der Geistes- und Lebenswelt von Rechtskennern einerseits, ihrer Mittlerrolle im interkulturellen Literatur- und Wissenstransfer andererseits? Beim Versuch einer Antwort auf diese Doppelfrage sollen als Kontrastfolie vor allem die Mediziner dienen, Mitglieder der zweiten weltlichen „Berufsfakultät“ hoher Schulen in unserem Erhebungszeitraum. Zu beachten ist dabei gewiss jene schon gestreifte Sonderrolle, die den zunehmend einflussreichen Légistes über Jahrhunderte hin zufiel für die theoretische Legitimation und das praktische Funktionieren des französischen Staatswesens. 80 Zum andern ist zu fragen, welchen Anteil an der gesamten Übersetzungsproduktion die Beiträge dieser Gruppe ausmachten. Und schließlich: Stammten sie von literarisch Unbedeutenden, oder waren unter den Mittlergestalten auch solche, die als Verfasser von Originalwerken Rang und Namen erringen konnten? Zu den juristisch geschulten Spitzenliteraten, die zusätzlich als Übersetzer hervortraten, gehörten im 16. Jahrhundert etwa Maurice Scève und Sébillet. Im übernächsten Jahrhundert waren es d’Alembert, Le Sage und der Abbé Prévost, um nur wenige Namen zu nennen. Vor allem im Siècle classique gab es eine ganze Reihe eng mit dem Klassikbegriff verbundener, zugleich im Übersetzen erfahrener Originalautoren wie Pierre Corneille, La Bruyère, La Fontaine, Malherbe oder Boileau-Despréaux, der «législateur [! ] du Parnasse». Das wirft eine Frage auf, die weit über unser Thema hinausgreift: Ist ein Wechselbezug wahrscheinlich zwischen juristischer Vorbildung und dem als ‘klassiktypisch’ geltenden Streben nach Fixierung allgemeingültiger sozialer, sprachlicher, stilistischer und poetischer Normen und Regeln in der Literatur? Der früheste Eintrag auf einer - bis zum Ende des Ancien Régime mehr als fünf Jahrhunderte überspannenden - chronologischen Liste übersetzender Juristen gebührt wohl um 1280 Richard d’Annebaut, mit seiner Übertragung der Institutes Justinians. In den beiden nächsten Jahrhunderten sollte er allerdings nur vereinzelte Nachfolger finden. Ein explosionsartiges Wachstum der Menge aus juristischer Feder stammender Übersetzungen erfolgte erst im zweiten Drittel des 16. Jahrhunderts. Seit damals stiegen die Titel- 80 Zu Auswirkungen dieser Sonderrolle sogar auf die Sprachgeschichte siehe etwa W. von Wartburg, Evolution et structure de la langue française, Berne, 3 1946, p. 118 s., 143 s. zahlen in den Folgeepochen weiter an. Insgesamt lässt sich bis zum Ende des Premier Empire unschwer ein knappes Tausend Werke finden, die von Juristen importiert wurden. Das sind gut 15 % der Gesamtsumme von Importen, und damit wird die Berufsgruppe zu einem der wirkmächtigsten unter allen berufsständisch definierten Mittlertypen. Dazu kam, dass eine dreistellige Zahl ihrer Übertragungen mehrere, teils viele Neuauflagen und Nachdrucke erreichte, deren Summe nochmals in die Hunderte geht. Begnügen wir uns mit wenigen Beispielen: Übersetzungen von Bèze und Marillac erzielten zweistellige Auflagenzahlen, ein Titel von Teissier kam auf zwölf, Lebruns Jérusalem délivrée auf dreizehn, Pierre Corneilles Imitation de Jésus- Christ sogar auf 26 Druckfassungen. Die oft so erfolgreiche Einbürgerung des runden Tausends von Originalen verantworteten 370 juristisch Vorgebildete. Das waren dreimal mehr als übersetzende Mediziner, und ihr Anteil am Titelaufkommen lag sogar um das Dreieinhalbfache höher. Die Titelzahl pro Kopf betrug bei Juristen durchschnittlich 2,54 (bei Medizinern nur 2,24). Unter den Rechtskundigen brachten es nicht wenige auf zweistellige Zahlen übersetzter Werke. 81 Rekordhalter war François de Belleforest mit über dreißig (teils mehrbis vielbändigen) Werken, gefolgt von René Gaultier und Philippe-Florent de Puisieux mit jeweils über zwanzig. Solche Spitzenwerte könnten selbst für hauptberufliche, mit allen modernen Hilfsmitteln ausgestattete Übersetzer unserer Tage als ein stolzes Lebenswerk gelten. Zu beachten ist zudem, dass die Übertragungen etwa Belleforests neben einer stattlichen literarischen Eigenproduktion entstanden. 82 Skizzieren wir kurz Stellung und häufigste Positionswechsel der Übersetzer innerhalb wie außerhalb des juristischen Berufsfelds. Mehr als die Hälfte aller Titel wurde übertragen von bei Gericht zugelassenen Anwälten. Über zweihundert weitere Übertragungen verdanken wir Leuten, von denen nur bekannt ist, dass sie bis zur Graduierung (docteur, bachelier, licencié), teils auch ohne Abschluss, juristische Studien betrieben hatten. Die restlichen gut zweihundert Titel verantworteten Inhaber verschiedenster juristischer Ämter: königliche Anwälte (Vorläufer der heutigen Staatsanwälte), Richter unterschiedlicher Ressorts, Conseillers und Präsidenten diverser Gerichtshöfe in einer komplexen und sich wandelnden Hierarchie. Die Ausübung eines Teils jener (bis zur Revolution käuflichen) Ämter war, wie erwähnt, mit dem Aufstieg in persönlichen oder sogar erblichen Adel verbunden. Andere wieder blieben in der oberen Randzone des Dritten Standes angesiedelt. Insgesamt gesehen handelte es sich also um eine dynamische Zwischenschicht des Ständestaats, in der Juristerei als Vehikel eines angestrebten gesellschaftlichen Aufstiegs galt. Anders gesagt: Solide Bildung, Belesenheit, 81 So etwa Barère de Vieuzac, Bonneville, Démeunier, Louis Giry, Habert, Perrot d’Ablancourt, Seyssel, Teissier, Turgot. 82 Andere Dauerübersetzer waren als Rechtsexperten hauptberuflich mehr oder weniger stark gefordert. 28 Kapitel 4 Expertenwissen bedeuteten ihr Gewichte, die sie in die soziale Waagschale werfen konnten gegenüber der «noblesse de sang», der auf kriegerischfeudale Ursprünge stolzen «noblesse d’épée». In diesem Kontext dürfte es kaum überraschen, dass mindestens zweihundert Werke übertragen wurden von Mitgliedern jenes rechtskundigen Amtsadels, der sogenannten «noblesse de robe». Weit über hundert Importe schließlich verdanken wir Berufswechslern, die pendelten zwischen Juristerei und jenem Klerikerstand, den ebenfalls seit je besondere Nähe zu Schrifttexten fremder Sprache sowie zu deren Einbürgerung auszeichnete. Fast gleich viele Werke entfielen speziell auf rechtskundige Protagonisten der Revolutionsperiode, die in den diversen Volksvertretungen 83 Abgeordnetensitze errangen. Mehrere von ihnen bekleideten dort sogar das Spitzenamt eines Präsidenten. 84 Dies wirft die Frage auf, wieweit das politische Handeln solch wichtiger Akteure gesteuert wurde durch Gedankengut anderer Kulturen, das sie sich übersetzend anverwandelt hatten. Doch von diesem epochentypischen Detail zurück zum Zeitübergreifenden. Ein gutes Hundert fremder Originale adaptierten Juristen, die zeitweise Sekretäre hoher Herren waren und damit besondere Affinität zur Herstellung schriftlicher Texte hatten. Sechs Dutzend Übertragungen verdanken wir Rechtskundigen, die als Botschafter, Geschäftsträger im Ausland, Legationssekretäre Verwendung fanden. Vier Dutzend weitere stammten von zeitweiligen Angehörigen der Armee mit juristischer Vorbildung. Gemeinsam war den beiden letztgenannten Gruppen, dass fremde Länder sowie deren Sprachen (und wohl nicht selten auch Druckerzeugnisse) in ihren Erfahrungshorizont gehörten. Von immerhin zwei Fünfteln aller Importe ist bekannt, dass ihre juristisch geprägten Übersetzer sich jenseits der Landes- und Sprachgrenzen aufgehalten hatten. Dieser Eindruck hoher geographischer Mobilität wird verstärkt durch einen Abgleich des Geburts- und Sterbeorts jener Mittler, deren biographische Eckdaten bekannt sind. Für zwei Drittel von ihnen sind Geburts- und Sterbeort verschieden. 85 Innerhalb dieser Gruppe erfolgte der Ortswechsel zu einem guten Drittel innerhalb der Provinzen bzw. von dort nach Paris oder in das Ausland. Beim letzteren Zielraum ist der, mit fast einem Drittel, stattliche Anteil hugenottischer Juristen zu beachten. Unter ihnen wurden bekanntlich viele durch religiöse Wirren, späterhin durch die Aufhebung des Toleranzedikts zur Emigration gezwungen. Wenig erstaunlich ist auch, dass bei knapp zwei Dritteln der Ortswechsler die Hauptstadt zum Zielort gebürtiger Provinzler wurde. Bis heute ist ja der Ausdruck «monter à Paris» für viele französische Glückssucher mit der Hoffnung auf erhöhte Aufstiegs-Chancen verbunden. Bei den 83 Etats généraux, Convention, Assemblée législative, Conseil des Cinq-Cents, Conseil des Anciens. 84 Barère de Vieuzac, Guyton de Morveau, Bonneville, Lablée. 85 Grundlage war eine umfängliche Titel-Stichprobe (Übersetzer mit Familiennamen von A bis Ma-). Weiter Gesichtskreis: Juristen 29 genannten Verhältniszahlen sind nicht einmal jene Umsiedler berücksichtigt, die einen Großteil ihres Lebens fern der Heimat verbrachten, um schließlich spät zu ihrem Ursprung heimzukehren, wie etwa der Vielübersetzer Barère de Vieuzac. Natürlich war auch die Bandbreite zeitweise oder dauerhaft ausgeübter Berufe wesentlich größer, als es die bisher erwähnten Hauptsparten vermuten lassen. Die Skala reichte vom Rechtsprofessor zum jungen Hauslehrer über den Polizeikommissar, Verlagsbuchhändler und Drucker, Redakteur, Publizisten, Bibliothekar bis hin zum Ingenieur oder Schauspieler. Insgesamt gesehen war also die soziale wie geographische Mobilität juristisch geschulter Übersetzer - innerhalb eines weithin als eher statisch geltenden Gesellschaftssystems - höchst beachtlich. Welches Profil lassen die Werke erkennen, denen sich diese Berufsgruppe widmete? Die übersetzten Originale stammten, bei augenfälliger Vorliebe für alte Sprachen, aus einem Dutzend verschiedener Idiome 86 - eine beim damaligen Interessehorizont recht ansehnliche Zahl. 87 Die Beschäftigung mit mehreren Literaturen, die sich bei den Juristen in ihrer Gesamtheit beobachten lässt, gilt folglich auch für viele Einzel-Übersetzer. Beschränken wir uns auf eine Stichprobe bei Vielübersetzern mit zweistelliger Titelzahl. Fast ausnahmslos 88 war ihnen sprachliche Einspurigkeit fremd: Sie übertrugen Werke aus zwei, drei 89 oder (wie Gaultier und Perrot d’Ablancourt) vier Ausgangssprachen. Turgot brachte es sogar auf deren fünf. Die eingebürgerten Werke stammten aus sämtlichen Epochen seit der Antike. Vermuten lassen könnte eine bereits erwähnte (bei Medizinern noch stärker ausgeprägte) Vorliebe für alte Sprachen, dass die Aufmerksamkeit von Rechtskundigen zentriert gewesen sei auf längst vergangene Zeiten und vor allem auf jenes Altertum, dem sich schon im Mittelalter ihr erster bekannter Zunftgenosse gewidmet hatte. Doch diese Hypothese erwiese sich schnell als falsch: Fast zweihundert der Übertragungen erschienen maximal fünf Jahre nach dem jeweiligen Original, 90 nicht selten sogar im selben Kalenderjahr wie dieses. Sie belegen eindrucksvoll ein hohes Interesse nicht allein an Gegenwartsliteratur im weiten Wortsinn, sondern speziell eine starke Neugier und breite Belesenheit auf dem Markt der Neuerscheinungen fremder Sprachräume, zu denen natürlich auch das europaweit gängige Gelehrten-Idiom Neulatein gehörte. 86 Latein, Griechisch, Hebräisch, Englisch, Italienisch, Spanisch, Deutsch, Niederländisch, Russisch, Dänisch, Portugiesisch, Provenzalisch. 87 Zusätzlich gab so manche Pseudo-Übersetzung vor, auf chinesische, japanische, arabische, indische, ägyptische Vorlagen zurückzugreifen. 88 Mit Ausnahme von Habert und Démeunier. 89 Etwa Barère de Vieuzac, Belleforest, Bonneville, Giry, Puisieux, Seyssel, Teissier u. a. 90 Davon 48 % im 18. Jahrhundert, 26 % im 16. Jahrhundert. 30 Kapitel 4 Welche Inhalte hatten die Werke, deren Einbürgerung Rechtskundigen besonders am Herzen lag? Verhielten sie sich ähnlich wie Mediziner? Bei diesen war die reichliche Hälfte aller Übertragungen Fachtexten der eigenen Disziplin gewidmet. Das kam gewiss der Fortbildung beruflich verwandter, aber des Lateinischen wohl meist unkundiger Wundärzte und Chirurgen entgegen, aber ebenso dem Interesse an der eigenen Gesundheit beim potentiellen Leserkreis aus sozialen Eliten ohne Hochschulbildung. Ging also die (mit dem zweiten Drittel des 16. Jahrhunderts einsetzende) rege Übersetzungstätigkeit von Juristen gleichfalls zurück auf das Bedürfnis, seit Umstellung des Gerichtswesens auf die Muttersprache (Edikt von Villers- Cotterets 1539) fremdsprachiges Rechtsgut ihres Faches jedermann verständlich zu machen? Einmal mehr erwartet uns eine Überraschung. Einbürgerungen juristischer Fachliteratur im strikten Wortsinn nehmen nur ganze 6,5 % des Gesamtvolumens ein. Dagegen belaufen sich allein die summierten Anteile der drei belletristischen Grundgattungen auf über 40 %. 91 Die Bearbeitung von Werken in gebundener Sprache demonstrierte sogar bei einem runden Hundert von Fällen den Ehrgeiz, deren Versform zu bewahren. Dreistellige Zahlen erreichten Übersetzungen religiösen und theologischen Einschlags einerseits, aus dem historischen Themenbereich andererseits. Weitere nennenswerte Gruppen sind Musterbeispiele (wie Cicero) und Rezepte für den Bereich der Redekunst, Reiseberichte, Titel zu Philosophie und Moral oder Staatskunst. Doch die thematische Spannweite reichte bis hin zur Medizin, Pharmazie, Physik und Chemie, zur Biologie und Geographie, zu Wirtschaft und Handel, Acker- und Gartenbau oder Enkomiastik. Natürlich verschoben sich im Lauf der Jahrhunderte manche Schwerpunkte. Die Zahl von Übersetzungen aus dem religiös-theologischen Bereich etwa schrumpfte nach dem 16. und 17. Jahrhundert beträchtlich, ebenso wie jene aus der Sparte Beredsamkeit. Doch insgesamt gesehen vermitteln übersetzende Juristen - in ungleich stärkerem Maße als Adepten der Heilkunst - den Eindruck, ihnen sei „nichts Menschliches fremd“ gewesen. Sie wirkten nur selten fasziniert von der physiologischen Seite menschlicher Existenz, stattdessen ungemein häufig von ihrer historischen, sozialen, politischen, wirtschaftlichen Bedingtheit, der Sinnfrage im Diesseits und der jenseitigen Bestimmung, den ästhetischen Hervorbringungen der Einbildungskraft, der Erkundung von Kosmos und natürlicher Umwelt. Die weiter oben aufgeworfene Frage, ob ihre Übersetzungstätigkeit Lebenspraxis und Handeln von fast vierhundert Mittlern vergangener Zeiten mitbestimmt haben könnte, ist vorerst nicht annähernd zu beantworten. Wissen wir doch über zu viele Biographien zu wenig oder fast nichts. Doch schon der Vergleich von Publikationszahlen und politischen Eckdaten legt einige Wahrscheinlichkeits-Schlüsse nahe. So erreichte nicht nur die Fre- 91 Bei Medizinern dagegen nur 14,6 %. Weiter Gesichtskreis: Juristen 31 quenzkurve des Übersetzungsaufkommens insgesamt, 92 sondern auch die von Juristen verantworteter Übertragungen ihren absoluten Gipfelpunkt im vorrevolutionären Jahrzehnt. Dies führt zur Vermutung, jener Zustrom fremden Gedankenguts in nie gekannter Stärke habe dazu beigetragen, die politischen, religiösen, sozialen Umwälzungen des revolutionären Dezenniums auszulösen. Diese Annahme soll abschließend an drei Beispielen zweier politischer Akteure illustriert werden, deren Lebenslauf hinreichend bekannt ist. Wenn der künftige Republikaner Bonneville Mitte der 1780er Jahre französische Fassungen von Schillers Räubern und Goethes Götz von Berlichingen herausbrachte, liegt die politische Lesart beider Sturm-und- Drang-Dramen auf der Hand. Ist doch Götz glühender Verfechter freiheitlichen Menschentums, Rebell gegen Fürstenmacht, Schützer der Bedrängten und Unterdrückten. Und nicht von ungefähr trug die Zweitfassung der Räuber das (apokryphe, aber treffende) Motto „in tirannos“. Wenn Démeunier, 1789 Abgeordneter und Präsident der Nationalversammlung, 1784-91 als Mitübersetzer der siebenbändigen Histoire des progrès et de la chute de la République romaine des schottischen Sozialethikers Adam Ferguson firmierte, ist sehr wahrscheinlich, dass die Beschäftigung mit dessen aufklärerischem Gedankengut einfloss in das politische Wirken des gemäßigten französischen Spitzenpolitikers auf dem Weg zur Republik. Dass in umgekehrter Richtung Studienfach und Beruf auf die Aktivitäten der Sprachmittler abfärbten, dürfte diese Skizze einsichtig gemacht haben. Der stattliche Anteil von Rechtskundigen am Übersetzungsvolumen mag zum Gutteil auf folgende Ursache rückführbar sein: Während Mediziner ihre Diagnosen aus der Deutung körperlicher Symptome herleiteten, war (und ist bis heute) Auslegung von Texten das Hauptgeschäft der Rechtsfindung - einer wesensmäßig hermeneutischen Disziplin. Eben dieser hermeneutische Prozess aber macht eine der beiden Dominanten auch übersetzerischen Handelns aus. Dessen andere Hauptkomponente besteht bekanntlich im Schaffen eines neuen Textes. Angesichts des klaren Schwerpunkts juristischer Übersetzer im belletristischen Bereich zeichnet sich wiederum eine verblüffende Nähe ab zwischen Berufstätigkeit und der Vorbereitung auf diese einerseits, der Ausformung neuer Texte andererseits. Nicht von ungefähr stammt über die Hälfte aller Juristen-Übertragungen von Anwälten, deren Berufserfolg (anders als bei Inhabern eines Richteramtes) wesentlich abhing von der Eloquenz ihres Plädoyers. Führten doch sämtliche Auflagen des Dictionnaire de l’Académie française bis zum Ende unseres Erhebungszeitraums nicht zufällig «avocat éloquent» oder «l’éloquence du barreau» als gängige Redewendungen auf. Beredsamkeit aber galt über den gesamten Zeitraum hin als 92 Siehe dazu Fritz Nies, Schöngeister und Brandstifter. Französische Revolutionäre und Encyclopédistes als Übersetzer. In: Jörg Engelbrecht/ Stephan Laux (Hg.), Landes- und Reichsgeschichte, Bielefeld 2004, p. 303 und passim. 32 Kapitel 4 prinzipiell erlernbare, festen Regeln unterworfene Kunst, und die Poetik war der Rhetorik noch nahe verwandt. Dieser Denkweise gemäß konnte Vaugelas an dem Tertullian-Übersetzer Louis Giry den Charme seiner Eloquenz rühmen oder ein Perrot d’Ablancourt vor allem nach Regeln der Eleganz streben. 93 93 Siehe Roger Zuber, Les „Belles Infidèles“ et la formation du goût classique. Perrot d’Ablancourt et Guez de Balzac, Paris: Colin 1968 [Paris: Michel ²1995] passim. Weiter Gesichtskreis: Juristen 33 5 Gehemmte Sekretäre? Vernehmen Angehörige der älteren Generation heute das Wort secrétaire, sehen sie wohl spontan jene unscheinbare Stenotypistin vor sich, deren Aufgabe bis zur Computer-Ära darin bestand, wortwörtlich und ohne einen Hauch von Originalität einzig all das sauber zu Papier zu bringen, was Vorgesetzte ihr diktiert hatten. Eine Wesensverwandtschaft zwischen solch serviler Fronarbeit und dem Metier des Literaturübersetzers ist schwer vorstellbar. Braucht dieser doch zum Übertragen von Texten in sein eigenes Idiom, das anders strukturiert ist als die Ausgangssprache, ein tüchtiges Quantum an kreativer Einbildungskraft. Er muss die Gabe besitzen, neue Wörter zu prägen, lexikalische Entlehnungen umschreibend verständlich zu machen, originelle Wendungen und Metaphern zu finden oder neue Reime für Verstexte. Was die Rolle eines Sekretärs vergangener Jahrhunderte angeht, ruft uns eine Bemerkung von Madame de Sévigné in Erinnerung, dass er manchmal größere Spielräume beanspruchte, als mancher ihm zugestehen wollte. Sie schrieb ihrer Tochter am 8. April 1676: Je n’aime point à avoir des secrétaires qui aient plus d’esprit que moi; ils font les entendus, je n’ose leur faire écrire tout ce que je pense. 94 Eine ihr so wenig sympathische Spielart von Sekretär, der auf eigene geistreiche Einfälle stolze Besserwisser, war also damals offenbar hin und wieder anzutreffen. Weniger abfällig formuliert hielt sich dieser Typus für berechtigt oder gar verpflichtet, den Text von Briefen oder Schriftstücken zu redigieren und zu vervollkommnen, von denen man ihm stichwortartig ein bloßes Gerüst vorgegeben hatte, indem er das Fehlende ergänzte und dabei besondere stilistische Gewandtheit unter Beweis stellte. Dieses Rollenverständnis kam natürlich der Arbeit eines guten Übersetzers weit näher als der Tätigkeit späterer Stenotypistinnen. Grund genug, Ausschau zu halten nach denen, die im Dienst «des souverains, des seigneurs» 95 oder ganzer Körperschaften standen und die Aufgabe hatten, für ihre Brotherren Briefe oder sonstige Texte fertigzustellen, 96 und die zusätzlich ganze Bücher übertrugen. 94 Nach der Lettres-Ausgabe von Gérard-Gailly. Diese Bemerkung zitieren auch Littré und der Dictionnaire général s. v. secrétaire. Siehe weiterhin die Definitionen des Dictionnaire de l’Académie française, Ausgaben 1694, 1762 und 1835, sowie Französisches etymologisches Wörterbuch (FEW) 11,373 b. 95 FEW 7,199 a. 96 Nur selten leisteten sich auch Literaten einen Sekretär. Dessen oft schwierig zu bestimmende Beschäftigungsdauer bei anderen Arbeitgebern pendelte zwischen einem Jahr und einem Halbjahrhundert. Manchmal war «secrétaire» ein bloßer Ehrentitel und mit einer Sinekure verknüpft (so der käufliche Adelstitel «secrétaire du roi» im 18. Jahrhundert). Es fällt nicht allzu schwer, bei dieser Suche öfter fündig zu werden. Die Durchsicht der gängigsten biographischen und bibliographischen Repertorien 97 liefert ein reichliches Hundert an Übersetzern, die als Sekretäre tätig waren. Sie übertrugen mindestens 440 Werke von etwa 250 Originalautoren im Umfang von mehr als 560 Bänden. Der früheste Beleg stammt von dem gebürtigen Italiener Bonaventure de Sienne. Er war Sekretär des Königs Alfonso X el Sabio von Kastilien und starb 1274. Seine zweifache Übersetzungsleistung - aus dem Kastilischen ins Lateinische und Französische - galt der Echelle de Mahomet, einer arabischen Erzählung von der Himmelfahrt des Propheten. Auf ein knappes Dutzend stieg die Zahl von Sekretärs- Übersetzungen im 15. Jahrhundert. Das sechzehnte wurde bereits zu ihrer Blütezeit, mit mehr als einer guten Hälfte der Gesamtzahl. Rund ein weiteres Drittel der Übertragungen entfiel auf das Grand Siècle der Klassik. Doch schon für das Jahrhundert der Aufklärung ist ein verblüffender, vorerst rätselhafter Rückgang der Produktion auf ganze 1,3 % der zeitübergreifenden Gesamtsumme zu verzeichnen. War doch diese Epoche, wie oben schon kurz erwähnt, mit weitem Abstand die bis dahin einmalige Blütezeit des Übersetzens ins Französische. Ich werde auf dieses Rätsel zurückkommen. Doch vorher zum arithmetischen Mittel der Anzahl pro Kopf importierter Werke. Es beträgt 4,2 und liegt damit klar über dem Mittelwert für die Gesamtheit der Übersetzerzunft. Rekordhalter nach Werkzahl war Gabriel Chappuys (ca. 1546-1613? ), Sekretär des Cardinal de Guise und Sekretär- Dolmetscher des Königs Henri IV, mit rund sechzig Titeln im Verlauf von vier Jahrzehnten. Auf Rang zwei folgte ihm Pierre du Ryer (1606? -1658? ) mit rund dreißig Titeln, als Dritter und Vierter Nicolas Fontaine (1625-1709) und Blaise de Vigenère (1523-1596). Für sie und ihre Kollegen lag das mittlere Alter beim Erscheinen der jeweils ersten Übersetzung bei über 41 Jahren. 98 Die sprachliche Adaptierung eines Buches bedeutete also alles andere als eine bloße jugendliche Fingerübung zwecks Eignungsnachweis für einen Sekretärsposten. Sie war eine Leistung von Routiniers im reifen Mannesalter und im Vollbesitz ihrer beruflichen Fähigkeiten. Was die Auswahl zu übersetzender Bücher angeht, fiel diese wohl in zahlreichen Fällen nicht in die alleinige Verantwortung dieser Übersetzer- Spielart. Manchmal waren, wie man aus Vorreden und Widmungen erfährt, die eigentlichen Triebfedern der Einbürgerung ein Originalautor oder hochgestellte Damen und Herren, ein namhafter Übersetzer-Kollege oder ein Verlagsbuchhändler. 99 Weit öfter aber ging, vom 13. bis zum 16. Jahrhundert, die Wahl auf Anregungen oder den konkreten Auftrag des Brotherrn zurück. Sie spiegelte also auch oder vor allem den Geschmack, die Interessen, die 97 Siehe das Kapitel „Zum Einstieg“, Anm. 6. 98 Auf der Basis einer Stichprobe von 70 Übersetzungen. 99 Siehe z. B. die Paratexte von Piles 1668, Famé 1543, Jean Martin 1545, 1551, Chappuys 1588. 36 Kapitel 5 Vorlieben dessen wider, der vermutlich die Kosten des Vorhabens bestritt. 100 Was die zahlreichen Werke angeht, die aus weniger offenkundigen Gründen übertragen wurden, kündigen ihre Titel weit seltener als erwartet eine Sammlung von Lettres oder Epistres an, d. h. von Musterbeispielen eben jenes Genres, dessen geschickte Ausgestaltung als distinktives Merkmal für das Arbeitsfeld eines Sekretärs galt. 101 Auch Theaterstücke stießen nur selten auf das Interesse derer, die auf einer Suche nach attraktiven Buchimporten waren. Dagegen war, in Dutzenden von Fällen, das Schlüsselwort des Titels eine Spielart religiöser, diplomatischer, politischer oder sonstiger Beredsamkeit. Am häufigsten begegnen uns sermon, oraison (funèbre), discours, dialogue, oder auch harangue, homélie, colloque, conversation, dialogisme. Dementsprechend liegen die römischen Redner Cicero (mehr als 30 Titel) und Seneca (18 Titel) an der Spitze einer Rangliste häufig durch Sekretäre übertragener Autoren. Ein reichliches Drittel ihrer Importe gehörte in die religiöse Sphäre. Das dürfte kaum überraschen in jenem Zeitalter von Reformation und Gegenreformation, in dem auch die Übersetzungstätigkeit hochherrschaftlicher Sekretäre ihren Höhepunkt erreichte. Aber eine stattliche Anzahl übertragener Werke war auch der poetisch überhöhten Lebenswelt jener hohen Herren gewidmet, die ihre Brotgeber waren: in Epen und Trauerspielen, Ritterromanen und Chroniken, von denen Ruhmestaten oder tragische Schicksale hochgeborener Helden gepriesen wurden; oder Traktaten, die sich mit den Hauptaktivitäten der Mächtigen und ihrer Höflinge beschäftigten: Regeln für die Regierungs- oder Kriegskunst, für das Verhalten bei Hof oder auf der Jagd usw. Begnügen wir uns mit der Nennung der Amadis-Romane und der Enéide, von Autoren wie Homer (acht Publikationen), Ariost (7), Guevara (4), Castiglione (3), Machiavelli (2) oder Gracián. Welche Ausgangssprachen erfreuten sich in der Gruppe der größten Beliebtheit? Auf Rang eins lagen die antiken Sprachen mit eindrucksvollen 70 %. Doch angesichts einer universitären Ausbildung der allermeisten Sekretäre wirkt dieser Anteil wenig erstaunlich. Besonders häufig waren sie Kleriker 102 oder hatten eine juristische Vorbildung 103 , waren also von daher 100 Siehe etwa Bonaventure de Sienne, die zahlreichen Übersetzungen von Laurent de Premierfait am Beginn des 15. Jahrhunderts, wenig später die von Jean Mielot, dann von Rasse de Brunhamel 1456, Sévin 1542, Antoine Le Maçon 1545, Jean Martin 1545, Jean- Antoine de Baïf 1567, Esmenard 1808. 101 Nachweisbar war nur ein Dutzend Beispiele von Briefübersetzungen. 102 Erwähnen wir nur Jean Mielot, Laurent de Premierfait und Pierre Bersuire für das Mittelalter, René Berthault de la Grise, Jacques Colin, Des Masures, Desportes, Du Bellay für das 16. Jahrhundert, Jean Bertaut, Balesdens, Conrart, Nicolas Fontaine für das siebzehnte. 103 Etwa Bonaventure de Sienne im Mittelalter, Jean Bodin, Du Troncy, Fame, Anthoine de Macault, Jean Martin, Pelletier im 16. Jahrhundert, Certon, Gabriel Gilbert, Hay du Chastelet, Antoine Le Maistre, Malherbe im siebzehnten. Gehemmte Sekretäre? 37 mit der Antike und ihren Sprachen vertraut. Italienisch folgte mit 17,6 % auf dem zweiten Rang. Er entspricht einer Hauptphase des interkulturellen Wirkens der Gruppe im 16. Jahrhundert, das oft durch Reisen und Aufenthalte in Italien vorbereitet oder begleitet wurde. 104 Fünf andere lebende Sprachen teilten sich in die verbleibenden 12,9 %. Diese bescheidene Rolle fast aller lebenden Sprachen entspricht dem meist eher sesshaften Leben eines Sekretärs, dessen Dienstherr erwartete, dass er ihm ständig zur Verfügung stand. Das Metier bot so wohl nur geringe Chancen, mehrere andere Länder und Kulturen sowie die Feinheiten ihrer Idiome kennenzulernen. Ein Sonderfall war ein reichliches Dutzend von Botschafts- und Legationssekretären. 105 Von einer Ausnahme abgesehen, ist die Rangliste der meistübersetzten Autoren deckungsgleich mit der Hierarchie der Ausgangssprachen. Auf Cicero und Seneca folgte der spanische Dominikaner Luis de Granada (11 Übersetzungen), vor Homer und Vergil (je 8), Ariost (7) und Boccaccio (6). Kommen wir zur Art und Weise, in der Sekretäre fremde Originale zu bearbeiten pflegten. Im Verlauf des 18. Jahrhunderts war im Untertitel der Vermerk «traduction libre» bei einigen Dutzenden von Werken aufgeführt, die durch Nichtsekretäre übersetzt worden waren. Aber kein einziges Mal ließ sich diese Ankündigung als Titelzusatz einer der wenigen Übertragungen entdecken, die noch von Sekretären verantwortet wurden. War vielleicht das von Forderungen nach getreuer Wiedergabe befreite Übersetzen gerade für sie eine bizarre Vorstellung, die ihnen zutiefst widerstrebte? Prüfen wir eine Reihe von Widmungstexten und Vorreden daraufhin, wie die Sekretäre selbst ihre Arbeitsweise einschätzten. Um die Unmenge tendenziell gleicher Äußerungen zu verdeutlichen, soll im Folgenden ausgiebiger als sonst zitiert werden. Natürlich gehörten Bitten um Nachsicht für Schwächen der eigenen Bemühungen, im Rahmen der obligaten captatio benevolentiae, zum Bestand rhetorischer Gemeinplätze. Oft entschuldigten sich so die übersetzenden Sekretäre für die «imperfections de l’Ouvrier & de l’Ouvrage», ihre «insuffisance», den «stile contraint» und die «rudesse» ihres Ausdrucks, für Fehler und vorgeblich unentschuldbare Mängel. Kurz - sie räumen verschämt ein, das Original hätte einen «plus excellent traducteur» verdient gehabt. 106 Im 104 Siehe für das 16. Jahrhundert z. B. Jean-Antoine de Baïf, Gabriel Chappuys, Desportes, Du Bellay, Du Haillan, Du Tronchet, Vigenère; für das 17. Jahrhundert Amelot de la Houssaye, Félibien, Piles, Régnier-Desmarais; im 19. Jahrhundert Creuzé de Lesser, Villetard. - Bonaventure de Sienne war Italiener von Geburt, Antoine Oudin Sohn eines Italieners. 105 Etwa Amelot de la Houssaye, Chappuys, Creuzé de Lesser, Du Bellay, Duché de Vancy, Félibien, La Fouleresse, Lescarbot, Piles, Régnier-Desmarais, Tende, Villetard. 106 Siehe zum Vorangehenden die (zumeist unpaginierten) Widmungsbriefe und Vorreden von: Dolet 1539, Fame 1543, Des Masures 1547, Cappel 1553, Chappuys 1578, Vigenère 1595, Jean-Pierre Camus 1633, César Oudin 1634, Pierre Du Ryer 1634, 1641, Longepierre 1688, Régnier-Desmarais 1710, 1721, Godescard 1797. - Folgendes Zitat: Lamare 1801. 38 Kapitel 5 Gegensatz dazu blieben selbstsichere Bemerkungen wie «je ne me suis point astraint à [. . .] traduire littéralement» bis Anfang des 19. Jahrhunderts eine höchst seltene Ausnahme. Stattdessen wurden die Vorreden niemals müde, in immer neuen Varianten zu betonen, man sei seinem Original «tres-fidéle» gewesen, sei ihm «exactement», «pas à pas», «mot à mot» oder «à la lettre» gefolgt, habe doch diese Art des Übersetzens als «la loy du traducteur» zu gelten. Man verkündete, das Ziel nicht gewesen «de faire profession d’elegant orateur, mais de fidelle traducteur». Man scheute auch nicht zurück vor Superlativen wie «[ma traduction est] aussi exacte qu’aucune qui ait encore paru», oder sie sei «si fidéle, que je pourrais me vanter, qu’il seroit assés difficile d’en faire une, qui le fût davantage». Manchmal insistierte man sogar darauf, wie weit solche Texttreue zu gehen habe: «j’ay suivi l’intention du Poëte, où j’ay esté contraint de borner mes periodes à sa mode, sans me vouloir amuser à paraphraser». Ein andermal hieß es: «un traducteur est obligé, non-seulement de s’attacher exactement au sens de son Auteur, mais d’en conserver aussi les figures & le stile». 107 Das belegt eine hohe Sensibilität speziell dieses Übersetzertyps für herkömmliche Normen der Poetik und syntaktische Harmonien. Schließlich unterstrich man gerne, es sei «pas faute de soins ni d’application» gewesen, wenn man es nicht immer geschafft habe, sich möglichst weit dem «sens de l’original» anzunähern. Voller Stolz insistierte man auf einer «fidélité [. . .] jusqu’au scrupule». 108 Ein Vergleich der Erscheinungsdaten mit denen der Originale bestätigt, dass die meisten Sekretäre es nicht besonders eilig hatten, Gegenwartsliteratur möglichst druckfrisch zu präsentieren. Sie pflegten sich vielmehr ausgiebig Zeit zu nehmen für die Überarbeitung ihrer Texte. Gabriel Chappuys, Pierre Du Ryer 109 und Nicolas Fontaine (1625-1709) waren die einzigen, die innerhalb einer Jahresfrist mehrere Bücher publizierten. Und es kam sehr selten vor, dass eine französische Fassung die gleiche Jahreszahl wie das Originalwerk trug. 110 Alles in allem gesehen gewinnt man den Eindruck, der Berufsstand sei über Jahrhunderte hin gewohnt gewesen, so exakt wie nur möglich die Vorstellungen der Brotherren sprachlich umzusetzen. Dabei hatte man wohl das Ideal absoluter Genauigkeit auch beim Übersetzen so sehr verinnerlicht, 107 Siehe zum Vorstehenden Amelot de la Houssaye 1682, 1683, 1677, Félibien 1672, Chappuys 1578, Vigenère 1595, Gruget 1557, Longepierre 1682, Du Souhait 1614, Régnier-Desmarais 1674. Cf. auch Geuffroy 1543, Le Maçon 1545, Jacques Vincent 1549, Piles 1668, Segrais 1668. 108 La Fouleresse 1697, Longepierre 1682. 109 Er war ständig in finanziellen Nöten und arbeitete für einen Hungerlohn der Verlagsbuchhändler. So soll ihn Sommaville mit «un écu par feuille» abgespeist haben (siehe Hoefer und Wikipedia l. c.). 110 Nur in rund zwanzig Fällen, vor allem bei Grabreden, Begrüßungsreden für Staatsgäste usf. Gehemmte Sekretäre? 39 dass im 17. und 18. Jahrhundert, als die «belles infidèles» weithin als Stilideal galten, der Buchmarkt einen ganz anderen Übersetzertyp bevorzugte. Das wäre eine naheliegende Lösung des oben erwähnten Rätsels, warum übersetzende Sekretäre fast völlig von der Bildfläche verschwanden gerade in jenem Zeitraum, der zur Blütezeit des Übersetzens ins Französische wurde. 111 111 Falls der Grund nicht in einem gleichzeitigen Niedergang des Sekretärs-Metiers selbst zu suchen ist. 40 Kapitel 5 6 Kurzgeschlossen: Journalisten Journalisten und Übersetzer beflügelt ein gleichartiges Anliegen. Sie möchten die Leser ihres Sprachraums informieren über das, was diesseits, aber auch jenseits der Grenzen an Wissenswertem geschieht, was man nah und fern denkt und vor allem publiziert. 112 Auf den ersten Blick ist man zu vermuten geneigt, diese gemeinsame Funktion habe im 18. Jahrhundert - einer Blütezeit beider beruflicher Aktivitäten - zahlreiche Literaten dazu veranlasst, sie abwechselnd oder gleichzeitig auszuüben. Doch ist diese Erwartung nicht voreilig? Die Adressaten des Journalisten dürften sich primär, wenn nicht ausschließlich für die Aktualität interessieren. Folglich ist er ständig auf der Jagd nach den allerneusten Neuigkeiten. Hat er sie entdeckt, muss er seinen Artikel oder seine Rezension möglichst schnell in leicht konsumierbare Form bringen, oft wohl auch unter Verzicht auf stilistische Feinheiten, damit ihm kein Konkurrent zuvorkommt. Das dürfte mehr oder minder auch für eine Epoche gelten, die noch keine Tageszeitungen kannte. 113 Das Übersetzen voluminöser Texte im Buchformat dagegen ist eine ebenso mühsame wie langwierige Arbeit. Vom Übersetzer wird erwartet, dass er das Original getreu überträgt, wörtlich oder zumindest sinngemäß. Er muss geduldig, manchmal über Wochen oder Monate hin, nach dem treffenden Ausdruck in der Zielsprache suchen. Geht es also doch um zwei völlig gegensätzliche Arten der Textherstellung, die ebenso unvereinbare Fähigkeiten erfordern? Dieser Verdacht drängt sich umso eher auf, als noch unter heutigen Berufsübersetzern nur wenige den Ehrgeiz erkennen lassen, auch nach journalistischen Lorbeeren zu streben. 114 Sollte also die Ausschau nach übersetzenden Journalisten eines längst vergangenen Jahrhunderts wieder einer Suche nach der legendären Nadel im Heuhaufen gleichen? Vor allem aber: Welche Maßstäbe kann man bei der Suche anlegen? Wer beispielsweise soll im 18. Jahrhundert als Journalist gelten, wie viele Artikel musste man publiziert haben, um auf die neue Berufsbezeichnung Anrecht zu haben? Und was die Übersetzer angeht, fehlt auch für sie eine nur annähernd zuverlässige Bio-Bibliographie. Als Grundlage habe ich daher eine verglei- 112 Der Dictionnaire de l’Académie française betonte 1762, ein «journal» habe die Aufgabe, zu informieren über «Livres nouveaux» und «ce qui se passe dans la République des Lettres». 113 Bekanntlich wurde das Journal de Paris, die erste französische Tageszeitung, erst 1777 gegründet. 114 Siehe Cornelia Lauber, Selbstporträts. Zum soziologischen Profil von Literaturübersetzern aus dem Französischen, Tübingen: Narr, 1996, p. 41-44. chende Auswertung des Dictionnaire des journalistes 115 und der in Cioranescus Bibliographie de la littérature française du XVIIIe siècle 116 verzeichneten Übersetzungen gewählt, ungeachtet aller in beiden großen Repertorien bestehenden Lücken. Die Ergebnisse von Cioranescus Überprüfung ergänze ich, wie auch sonst, durch Übersetzer 117 und Übertragungen, auf die ich in anderen Verzeichnissen stieß. Der Ertrag dieser Ernte auf recht verschiedenen Datenfeldern birgt eine positive Überraschung. Allein die ergiebigsten 118 erbringen die stattliche Summe von 170 Übersetzer-Journalisten. Unter ihnen finden sich viele Berühmtheiten aus Politik, Literatur und Geisteswelt. 119 Einige Dutzend (zum Teil allerdings nur kurzlebige) Periodika verdankten ihnen ihre Entstehung. Nicht weniger oft fungierten sie als deren Direktoren, weit häufiger noch arbeiteten sie als Redakteure, waren regelmäßige oder gelegentliche Mitarbeiter des Mercure de France oder des Journal encyclopédique, des Journal étranger, des Journal des Savants, des Journal de Trévoux oder zahlreicher anderer Zeitschriften. Viele der fraglichen Blätter betonten schon durch den gewählten Titel ihren internationalen Anspruch. Manche verhießen Informationen über den gesamten Kontinent: Courrier de l’Europe, Gazette littéraire (et universelle) de l’Europe, Bibliothèque raisonnée des ouvrages des savans de l’Europe, Mercure historique et politique de l’Europe, Journal général de l’Europe, L’Europe savante, Mercure national et étranger usw. Ebenso oft rückten die Titel den Buchmarkt eines Nachbarlands oder gleich mehrerer solcher Länder in den Blick: Bibliothèque angloise/ britannique, Censeur universel anglais, Mémoires littéraires de la Grande-Bretagne, (Nouvelle) Bibliothèque germanique, Journal littéraire d’Allemagne, de Suisse et du Nord oder Bibliothèque italienne, Journal helvétique, La Spectatrice danoise, Mercure de Russie und so fort. Die Titel wieder anderer Blätter trugen stolz ihren außerfranzösischen Erscheinungsort zur Schau: Bern und Genf, Den Haag, Leiden und Rotterdam, Warschau und Zweibrücken. Selbst dort, wo man im Titel solche Winke mit dem Zaunpfahl 115 Jean Sgard (dir.) et al.: Dictionnaire des journalistes (1600-1789), Grenoble: Presses Universitaires, 1976/ Oxford,Voltaire Foundation, 1999. 116 Paris: Editions du CNRS 1969. 117 So verzeichnet Cioranescu von den Journalisten-Übersetzern beispielsweise nicht Barbeyrac, Bruhier d’Ablaincourt, Cadet-de-Vaux, Chais, Jean Deschamps, Deyverdun, Lallemant, Mérian oder Pfeffel, ebenso fehlen viele Versionen anderer Übersetzer. Bei Stichproben in Standard-Repertorien (wie den Katalogen der Bibliothèque nationale de France oder biographischen Wörterbüchern) entdeckt man ohne Schwierigkeiten ein reichliches Hundert solch fehlender Titel. 118 Ergänzen wir J. Balteau et al. (dir.), Dictionnaire de biographie française, Paris, Letouzey et Ané, 1932-. . .; den Karlsruher Virtuellen Katalog im Internet; für deutsche Importe L. Bihl/ K. Epting, Bibliographie französischer Übersetzungen aus dem Deutschen, Tübingen: Niemeyer, 1987. 119 Von Diderot und Rousseau, Marmontel und La Harpe, Rivarol und dem Abbé Prévost bis zu Mirabeau und Turgot. 42 Kapitel 6 unterließ, lag der Publikationsort recht oft jenseits der französischen Staatsgrenzen und versprach so indirekt allen Interessenten innerhalb dieses Herrschaftsgebiets einen souveränen Überblick über den Buchmarkt eines benachbarten Kulturraums. Soweit weder Titel noch Sitz des Blattes eine transnationale Perspektive betonten, wurde diese spätestens im Programmtext mancher Gründer deutlich, wie bei dem Journal des Savans oder den Jesuiten des Journal de Trévoux. Die erfassten Journalisten arbeiteten also für eine periodische Presse, die sich als weitgehend transnational darstellte. Zugleich waren sie verantwortlich für rund 700 übersetzte Texte im Buchformat von 400 identifizierten Autoren aus einem Dutzend fremder Sprachräume. 120 Das sind imposante Zahlen, denn sie entsprechen fast einem Viertel dessen, was im Verlauf des Jahrhunderts durch benannte oder erschlossene Übersetzer insgesamt eingebürgert wurde. Die Zahl von Journalisten angefertigter französischer Fassungen - mehr als vier pro Person - liegt weit über dem Mittelwert 121 für sämtliche Übersetzungen der Epoche. Rekordhalter war mit rund dreißig Übertragungen Michel Huber, Mitarbeiter des Journal étranger, gefolgt von dem evangelischen Berliner Pastor Jean-Henri-Samuel Formey (18), der als Redakteur eines halben Dutzends von Blättern tätig war, vor Griffet de Labaume (17) auf Rang drei und dem Notar Antoine-Marie-Henri Boulard (16), Redakteur des Journal de la librairie. 122 Einmal mehr also recht eindrucksvolle Lebensleistungen für einen Mittlertyp, der nicht ausschließlich oder primär als Übersetzer aktiv war. Welche Kategorie von Büchern lag den übersetzenden Journalisten besonders am Herzen? Was die Ausgangssprachen angeht, scheint uns eine Enttäuschung zu erwarten. Die gleichen Journalisten, die man ausschließlich von der Aktualität fasziniert glaubte, übertrugen in durchschnittlich einem von vier Fällen Originale aus den alten Sprachen. Beim näheren Hinsehen allerdings stellt man fest, dass dieser Anteil geringer ist als bei der Gesamtheit aller Übersetzer der Epoche. 123 Dazu kommt, dass nur die reichliche Hälfte aus alten Sprachen übertragener Schriften aus der (heidnischen oder christlichen) Antike stammte. Alle anderen waren neulateinisch, d. h. in der Lingua franca der europäischen Gelehrtenwelt verfasste Texte. Jedes zweite dieser Originale war im 18. Jahrhundert erschienen, manchmal erst im selben Jahr wie seine Übersetzung. Der Löwenanteil aller Journalisten- 120 Von Englisch, Latein, Deutsch, Italienisch, Griechisch, Spanisch, Niederländisch, Schwedisch, Potugiesisch, Russisch, Arabisch. 121 Er beträgt nur 2,3 pro Person (siehe F. Nies, «La France, pays ouvert: l’afflux des richesses exogènes par la traduction au XVIII e siècle», Revue d’Histoire littéraire de la France 113, 2013, p. 55-70). 122 Ergänzen wir diese Rangliste durch die Namen Desfontaines (14 Übersetzungen), Louis-Sébastien Mercier (13), Suard und La Place (je 12) sowie Gue(u)deville, Kéralio, Laveaux, Robinet, Seigneux de Correvon, Van Effen (je 10). 123 Für sie beträgt er 30 %. Kurzgeschlossen: Journalisten 43 Importe entfiel jedoch auf Werke einer lebenden Sprache, nämlich des Englischen, mit 41 %. Dessen Anteil war weit höher, als es die 30 % bei der Gesamtheit aller Übersetzungen der Epoche erwarten lassen. Das ist nicht weiter verwunderlich, wenn man bedenkt, dass Englisch die Sprache eben jenes Landes war, dessen periodische Presse den damaligen französischen Journalisten als Vorbild diente. Ebenso kommt es nicht unerwartet, dass gerade Zeitungen oft - in fast zweihundert Fällen - ihre Titel anreicherten mit dem Adjektiv «nouveau(x)», Substantiven wie «nouvelles» oder «nouvellistes» oder Wörtern verwandter Bedeutung. Doch nicht nur diese Blätter insistierten auf dem Neuheitswert ihres Inhalts. Auch bei rund dreißig durch Journalisten übertragenen Werken, die aus früheren Jahrhunderten oder gar der Antike stammten, wurde der Titel durch den Zusatz «traduit nouvellement» geschmückt. Die Neuübersetzung habe man dem «goût présent» angepasst und sie durch neue Erläuterungen oder Anmerkungen bereichert. Waren die eingebürgerten Originale jüngeren Datums, spiegelten gut dreißig weitere Titel und Vorreden jenes unablässige Bemühen, Neues und Unerhörtes zu bieten. Eine Fülle von Varianten betonte, dass es sich bei dem jeweils präsentierten Buch um eine «nouveauté hardie» handle, oder um einen von Newton entdeckten «nouveau chemin», eine «nouvelle histoire universelle» Imhofs, um eine «sur un nouveau plan» verfaßte Arbeit von Henry, um neue philosophische Texte, neue Idyllen, Fabeln oder Briefe, neue Auszüge, Prinzipien oder Forschungen, eine neue Apologie, Methode oder Sammlung, um neulich entdeckte Hymnen oder Fragmente, einen neuen Robinson, Don Quichotte oder Spectateur. Ich habe hier nur deshalb so ausführlich zitiert, weil ich verdeutlichen wollte, dass kaum eine Schreibweise oder gedruckte Information denkbar war, die man nicht von vornherein mit dem Gütesiegel der Novität aufzuwerten versucht hätte. Vor allem in den 1770er und 1780er Jahren verfiel man, mit emphatischen Versprechungen, in einen wahren Neuheitenrausch. Immer wieder schlug die journalistische Faszination von allem, was aktuell war, bei übersetzerischen Erzeugnissen gleichfalls durch. So ist man keineswegs erstaunt darüber, dass 72 % der Journalisten-Übersetzungen Werken galten, die aus dem 18. Jahrhundert selbst stammten. Die Verknüpfung von Gegenwartsnähe und aufklärerischem Elan spiegelte sich in einer Vorrede von Seigneux de Correvon. Sie drückte seine tiefe Befriedigung darüber aus, durch Übertragungen fremder Werke «des idées nouvelles» zu verbreiten im «esprit d’un grand nombre de lecteurs». 124 Wieweit hatte dieser zum Ideal eines ganzen Metiers erhobene Wunsch, sich so weit wie nur irgend möglich der literarischen Aktualität benachbarter Nationen zu nähern, Auswirkungen auf die Geschwindigkeit des realen Transfers? Nicht selten erschienen Journalisten-Übersetzungen mit verblüffender Schnelligkeit auf dem Buchmarkt. In dem knappen Zeitraum von fünf 124 Vorrede zur Übersetzung des Romans Usong Albrecht von Hallers, Paris: s. n. 1760, p. V s. 44 Kapitel 6 Jahren nach Erscheinen des Originals waren die französischen Fassungen von 233 Werken käuflich. Achtundsechzig davon kamen schon nach einem Jahr auf dem Markt. Und eine vergleichende Analyse zeigt, dass mit jedem verstrichenen Jahr die Zahl der Übersetzungen schrumpfte. Das Interesse von Journalisten wie Verlegern für die Einbürgerung offenbar schnell als veraltet geltender Originale schwand also rapide dahin. 125 So nimmt es nicht wunder, wenn ein halbes Hundert französischer Fassungen schon im selben Jahr greifbar war, in dem der Autor den fremdsprachigen Originaltext veröffentlicht hatte. Zu Beginn der Vorrede einer im Jahr nach dem Original veröffentlichten Übersetzung wagte Paul-Henri Mallet sogar zu behaupten, die Texte seines Sammelbandes «devroient déjà être traduites dans les principales langues de l’Europe». 126 Die hier eingeforderte Geschwindigkeit des Transfers muss verwundern, wenn man die zahlreichen Hindernisse bedenkt, die dem internationalen Austausch umfänglicher Druckwerke damals im Weg standen. Erinnern wir nur daran, wie schwierig es war, sich über Buchmarkt-Neuheiten von jenseits der französischen Grenzen zu informieren. Die notwendigen Ermittlungen und Vorlaufzeiten waren höchst zeitraubend: Briefe, Pakete oder Reisende brauchten Wochen oder gar mehr als einen Monat, um von den großen ausländischen Buchmessen oder Verlagen beispielsweise nach Paris zu gelangen. Anschließend musste der Übersetzer einen interessierten Verleger finden oder vice versa, und die Niederschrift des Manuskripts mit dem Gänsekiel erforderte nicht weniger Zeit als sein anschließendes Entziffern durch den Drucker. Gab es Rahmenbedingungen, die dennoch die recht unerwartete Schnelligkeit zahlreicher Importe begünstigten? Es scheint, als hätten Verfasser von Journalisten-Übersetzungen nur selten den Kontakt zu Korrespondenten weiter gepflegt, die sie zuvor während eines Auslandsaufenthalts 127 getroffen hatten. Doch analysieren wir unsere Stichprobe jener Werke, deren Übersetzung die gleiche Jahreszahl trug wie das Original, mit Blick auf sonstige Gemeinsamkeiten. 128 Sehr schnell stellt man fest, dass beide Ausgaben als Erscheinungsort oft dieselbe Stadt 129 oder sogar denselben Ver- 125 Zwei Jahre nach Publikation des Originals = 47 Übersetzungen, drei Jahre danach = 29 Übersetzungen, vier Jahre danach = 23 Übersetzungen, fünf Jahre danach = 16 Übersetzungen. 126 Forme du gouvernement de Suède, Copenhague/ Genève: s. n. 1756, p. 3. 127 Solche Aufenthalte sind nachgewiesen etwa für Huber 1798, Laveaux 1788, Mirabeau 1777, Prévost d’Exiles 1745-47. 128 Die große Zahl berücksichtigter Übersetzungen macht auch hier wie im Folgenden unmöglich, bibliographische Nachweise in gewohnter Ausführlichkeit zu geben. 129 Übersetzungen von Brumoy 1733, Dubois-Fontanelle 1788, Charles-Guillaume-Frédéric Dumas 1773, Feller 1782, Formey 1767, Genest 1761, Joncourt 1737, 1762, Laveaux 1785, Rousset de Missy 1729, Suard 1777. Kurzgeschlossen: Journalisten 45 leger 130 nannten. War sogar der Übersetzer in derselben Stadt ansässig wie der Verleger von Original und/ oder Übersetzung, brachte solche Nähe natürlich in einem guten Dutzend von Fällen zusätzlichen Zeitgewinn. 131 Genauer zu prüfen bleibt jener Drang, der sämtliche Mitglieder der Gruppe auszeichnete: ihre Vorliebe für ein Engagement als Journalist. In einigen der hinreichend bekannten Biographien folgten diese journalistischen Aktivitäten chronologisch auf die übersetzerischen, in anderen gingen sie ihnen voraus. Mehrheitlich jedoch, in je drei von fünf Fällen fielen beide Tätigkeiten, ganz oder annähernd, in denselben Zeitraum. So drängt sich die Vermutung auf, sie hätten wechselseitig aufeinander eingewirkt. Kann man nachweisen, dass die Doppelrolle manchen Mittler dazu bewegte, in einer Zeitschrift die Besprechung des zuvor oder danach von ihm übersetzten Buches zu platzieren? Im Rahmen meiner Skizze lassen sich solche Vermutungen leider nicht zuverlässig überprüfen. In Einzelfällen allerdings ist eine Überlappung beider Tätigkeitsfelder in anderer Weise unverkennbar. So wenn Marmontel, ehemaliger Direktor des Mercure, eben dort 1761 seine Einbürgerung von La Pharsale publizierte, oder wenn ein Dutzend seiner Kollegen ihn nachahmten und ihre Übertragung demselben Blatt 132 oder anderen Periodika überließen. Andere wieder übersetzten Auszüge oder lange Artikelserien ausländischer Blätter fast durchgehend englischen Ursprungs: The Spectator, The Tatler, The Guardian, The Rambler, oder aus Deutschland Der Kinderfreund. 133 Mirabeau schließlich sollte 1788 eine Abhandlung Miltons Sur la liberté de la presse - „unlicensed printing“ - in eben dem Jahr veröffentlichen, das als entscheidender Zeitpunkt der politischen Ideengeschichte gelten darf und ein Thema aufgriff, das gerade für französische Journalisten brennende Aktualität besaß. Unabhängig vom Extremfall der Sofort-Übersetzungen konnten journalistische Mittler zum Gutteil diverse weitere Vorteile nutzen, um den langen und mit Hindernissen gespickten Einbürgerungs-Parcours fremder Literaturwerke abzukürzen. So wurden über zwei Drittel jener Werke von Journalisten importiert, die jenseits der französischen Grenzen lebten oder sich dort lange aufgehalten hatten. Die damalige Zeit unsicherer und schlechter Straßennetze, rudimentärer Verkehrsmittel stellt man sich ja gerne vor als Epoche durchweg sesshafter Existenzen. Doch die übersetzenden Journalisten zeich- 130 Übersetzungen von Formey 1738, 1782, d’Alletz 1775, Huber 1774, Laveaux 1785, Pingeron 1769. 131 Für Übersetzungen von Arnex, Bochat, Brumoy, Formey, Framery, Genest, Granet, Huber, Guillaume Imbert, Kéralio, Laveaux, François-Louis-Claude Marin, Mirabeau. 132 Carra 1776, Feutry 1752, Frasnay 1734, Jean-Jacques Rousseau 1750. - Zum Folgenden: Diderot 1774, Jean Hardouin 1707, Huber 1762, Kéralio 1773, Larcher 1751, Mailly 1765, Meusnier de Querlon 1742, Rivarol 1797, Turgot 1795. 133 Berquin 1782-83, Boulard 1725, Joncourt 1754 (8 Bände), La Chapelle 1724 (2 Bände), Luzac 1757 (2 Bände), Moet 1754 (8 Bände), Van Effen 1723 (3 Bände). 46 Kapitel 6 neten sich - darin den Juristen und einigen anderen Übersetzertypen ähnlich - durch einen überraschenden Mobilitätsgrad aus: Die einen waren außerhalb des französischen Sprachraums geboren, andere sollten dort ihr Leben beschließen. Einige stammten aus der Grenzregion zwischen deutschsprachiger Schweiz und frankophonem oder italienischsprachigem Raum. 134 Manchen vertriebenen Hugenotten unter ihnen verschlug es nach Holland als dem gelobten Land einer besseren Zukunft. Andere Journalisten bereisten vor allem den deutschsprachigen Raum, hatten dort gelebt, gearbeitet, studiert oder eine neue Heimat gefunden, 135 wieder andere hatten England oder das anglophone Nordamerika 136 kennen gelernt oder Italien, 137 Spanien, Schweden, Polen oder Russland. Unnötig zu betonen, dass derartige längere Aufenthalte eine ausgezeichnete Gelegenheit boten, sich vertraut zu machen mit der jeweiligen Landessprache wie mit den Neuerscheinungen auf dem Buchmarkt des Gastlandes. Gegen Ende des Ancien Régime hatte ein gutes Hundert journalistischer Übersetzer (das entspricht einem Anteil von fast 60 % ihrer Gesamtzahl) auf die eine oder andere Weise solch nützliche Erfahrungen gesammelt über das Leben fremdländischer Eliten, ihre Literatur und Geisteswelt. Und nicht von ungefähr übersetzte diese mit kulturellen Außenwelten vertraute Untergruppe fast 70 % der verzeichneten Importe. Rund die Hälfte jener Mittler mit Erfahrung in fremden Ländern konnte sich rühmen, gerade diejenige Kultur gut zu kennen, deren Schriften sie übersetzen wollten. 138 Nennen wir nur wenige Beispiele. Bevor sie sich ans Werk machten, hatte Hermilly in Madrid gelebt und Janiçon in Irland studiert, Nadal war Botschafter in England gewesen, Vanderbourg wegen der Revolutionswirren nach Deutschland emigriert, und so fort. Um die zur Übertragung erforderliche Zeit abzukürzen, arbeiteten rund dreißig Journalisten in gut fünf Dutzend Fällen einmal oder mehrfach mit Kollegen zusammen, 139 die teils wie sie das journalistische Metier aus- 134 Jean-Marie-Benoît Clément, Jean Le Clerc, Paul-Henri Mallet und Jean-Jacques Rousseau stammten aus Genf, Ruchat starb in Lausanne, dem Geburtsort von Deyverdun, usw. 135 Arnex, Bochat, Jean Des Champs, Formey, Huber, Laveaux, Luchet, Paul-Henri Mallet, Meister, Louis-Sébastien Mercier, Merian, Pfeffel, Rivarol, Seigneux de Correvon, Toussaint, Louis-d’Ussieux, Vanderbourg und andere. 136 Brissot de Warville, Des Maiseaux, Fontanes, Genest, Janiçon, La Chapelle, Larcher, Mich(a)el de La Roche, Mirabeau, Missy, Moet, Nadal, Peltier, Antoine-François Prévost, Saint-Hyacinthe. - Zum Folgenden: Kéralio, Jean Le Clerc, La Harpe u. a. 137 Buffier, Cubières-Palmezeaux, Deleyre, Ginguené, Marsy, Pingeron, Jean-Jacques Rousseau u. a. - Zum Folgenden: Hermilly, Le Clerc, Linguet, Paul-Henri Mallet u. a. 138 Siehe die Namen der vorangehenden Fußnoten. 139 Boulard, Jean Des Champs, Després, Dinouart, Hermilly, Huber, Merian, Mirabeau, Antoine-François Prévost, Suard und die Tandems Jean Des Champs/ Després, 1797, 1799, Huber/ Turgot 1760, 1764, 1777, Rousset de Missy/ Scheurleer 1713, 1714, Saint- Hyacinthe/ Van Effen 1720, 1720-21, Charles-Joseph Panckoucke/ Framery 1785, 1787. Kurzgeschlossen: Journalisten 47 übten. 140 Solche Teams von zwei bis sieben Partnern fanden sich natürlich bei Großprojekten zusammen, die zahlreiche Bände umfassten. Doch in rund zehn Fällen umfassten Gemeinschafts-Übersetzungen nicht mehr als zwei Bände, in zehn weiteren nur einen einzigen Band oder relativ wenige Seiten. So teilten sich Boulard und ein Kollege sogar die Übertragung eines halben Hunderts Seiten, ähnlich wie François-Louis-Claude Marin und die Duchesse d’Aiguillon bei einem Gedicht, dessen französische Fassung noch im selben Jahr wie das Original erschien. War das Manuskript druckreif, gab es bekanntlich eine gängige Gepflogenheit, um durch Umgehung der Zensur auch - und bei hochaktuellen Themen nicht zuletzt - Zeit zu gewinnen: die Wahl eines Verlegers jenseits der französischen Grenzen. Nicht zufällig war bei Journalisten-Übersetzungen mit bekanntem Verlagsort der amtliche Vermerk «avec privilège» ebenso selten 141 wie eine «permission tacite» der Behörde. Mehr als die Hälfte der Importe erschien nachweislich im Ausland - zur Zeit der Monarchie ebenso wie der jungen Republik: vor allem in Holland, aber auch in Deutschland, in England, in der Schweiz, in Lüttich und Brüssel oder andernorts. Und all diese fremdländischen Verleger veröffentlichten keineswegs nur Übertragungen aus ihrer eigenen Landessprache. Welche Buchkategorien und Themen zogen die meiste Aufmerksamkeit journalistischer Mittler auf sich? Beginnen wir mit den Sofort-Übersetzungen. Es liegt nahe, dass manche sich auf die politische Aktualität des betreffenden Jahres bezogen: Streitigkeiten zwischen Staaten oder geistlichen und weltlichen Autoritäten, die Krönung oder Abdankung eines Herrschers, den Sturz eines Ministers, die Ereignisse der Revolutionsjahre. 142 Aber auch die Anziehungskraft der - im engen oder weiteren Wortsinn - literarischen Neuheiten war unübersehbar und manifestierte sich in den verschiedensten Genres, von der Versdichtung bis zum englischen Roman 143 über die Reiseschilderung, 144 die Predigt, das Pamphlet und Erziehungshandbuch oder theologische, philosophische, historiographische, mathematische Traktate, bis hin zu Abhandlungen über Ichthyologie. 140 So die Tandems Isaac de Beausobre/ Lenfant, Boulard/ Leclerc de Sept-Chênes, Des Champs/ Després, Diderot/ Toussaint, Framery/ Charles-Joseph Panckoucke, Hermilly/ La Harpe, Huber/ Turgot, Huber/ Boulard, Le Blanc de Guillet/ Turben, Merian/ Robinet, Charles-Joseph Panckoucke/ Framery, Antoine-François Prévost/ Van Effen, Robinet/ Merian, Saint-Hyacinthe/ Van Effen. 141 Einige Ausnahmen: Jean-Louis Aubert 1765, Feutry 1754-59, Framery 1775, Huber 1762, 1766, Linguet 1770. 142 Siehe etwa Alletz 1775, Bochat 1727, Brumoy 1724, Feller 1782, Genest 1755, 1756, 1761, Guillaume Imbert 1790, Kéralio 1790, Laveaux 1785, Raynal 1782. 143 Huber 1756, Marin 1762, Arnaud Berquin 1786-87, Jean Des Champs 1791, 1793, Dubois- Fontanelle 1788, Formey 1782. 144 Siehe etwa Arnex 1793, Jean Brunet 1763, Mirabeau 1788, Antoine-François Prévost 1745-47, Suard 1767. 48 Kapitel 6 Diese Beispiele unmittelbarer Einbürgerung deuten im Wesentlichen schon die Bandbreite dessen an, was insgesamt von der Gruppe übersetzt wurde. Was die Verteilung nach gängigen Gattungsmustern angeht, entfiel fast die Hälfte auf die belletristische Trias (Verstexte, Erzählprosa, Theaterstücke). Auffallend ist dabei, dass Texte in gebundener Sprache den ersten Rang einnahmen, wenn man die zeitraubenden Schwierigkeiten bedenkt, die speziell solche Originale dem Übersetzer bereiten. 145 Scheint doch diese Vorliebe schwer vereinbar mit der auf größtmögliche Aktualität fixierten journalistischen Mentalität. Auf Rang zwei folgten Romane und dann erst, in weitem Abstand, Bühnenwerke. Häufiger aber als Übertragung von Romanen, historiographischen Werken, Reiseschilderungen war die von Büchern religiöser Thematik, die ja den Buchmarkt der Epoche noch immer weitgehend beherrschten. Allerdings wurden kurioserweise nur relativ wenige Bücher dieser Kategorie übersetzt von Journalisten, die sich auf eine theologische Ausbildung berufen konnten. Erinnern wir uns, dass ein ähnliches Phänomen schon bei Übersetzern mit juristischem Studium und aus anderen Berufsgruppen zu beobachten war, die sich nur selten mit fachspezifischen Werken befassten. Einzige Ausnahme waren journalistisch aktive Ärzte, die wie ihre Berufskollegen eine ausgeprägte Vorliebe für medizinische Traktate erkennen ließen. Insgesamt gesehen boten die übersetzenden Journalisten das Bild überzeugter Dilettanten, deren immense Neugier auf eine möglichst breite Palette von Unvertrautem zielte. Expertentum haftete in ihren Augen offenbar der Makel von Beschränktheit an. Dank dieser Haltung fehlt im Verzeichnis ihrer Übersetzungen praktisch keines der damals bekannten Wissensgebiete, von den größten angefangen bis hin zu den kleinsten. Außer den schon erwähnten Themenfeldern erscheinen, in bunter Reihe und teils überlappend: die Literaturen von Antike und Mittelalter mit ihrer Geschichte, Wirtschaft und Handel, Geographie und Astrologie, Moral und Psychologie, Physik und Optik, Chemie und Pharmazie, Metallurgie, Zoologie und Botanik, Naturgeschichte und Geographie, Archäologie und Numismatik, Landwirtschaft und Gartenbau, Infanterietaktik und Artilleriewesen, Schlosserhandwerk, die Kunst des Zeichnens, der Farbenmischung und des Tuchbleichens, Schifffahrt und Schiffsbau und all das, was man später als Linguistik, Politologie, Kriminologie, Mikroskopie usw. bezeichnen sollte. Wagen wir eine Hypothese hinsichtlich der durchschnittlichen Qualität von Journalisten-Übersetzungen. Die Zahl jährlich zu bewältigender Arbeiten war nicht allzu groß. Nur ganz vereinzelt erschienen mehr als drei Produkte desselben Übersetzers. 146 Doch man blieb der Gewohnheit getreu, aktuelle Texte relativ schnell zum Druck zu bringen, ohne bei Kleinigkeiten zu verweilen. Möglichen Einwänden kam man zuvor durch Berufung auf 145 Nicht zufällig betonten rund zwanzig Übertragungen ausdrücklich schon im Titel, es handle sich um eine Versfassung. 146 Etwa von Des Maizeaux 1720, von Huber 1766, 1798. Kurzgeschlossen: Journalisten 49 übersetzerische Freiheit. Vor allem im Bereich der Belletristik kündigte so vorsorglich ein halbes Hundert von Titeln an, die folgende Fassung sei eine «freie» Übersetzung oder «imitation». Nicht selten bemühten sich zusätzlich einführende Paratexte um Ausreden für Abweichungen vom Original. So brüsteten sich manche Übersetzer, sie hätten «superfluités & répétitions» eines keineswegs fehlerfreien Originals beseitigt. 147 Doch der Verdacht ist nur schwer von der Hand zu weisen, manches Mal sei der Grund für solche Amputationen eher die Umgehung von Verständnis- oder Wiedergabeproblemen gewesen. Erwähnung verdient vielleicht auch, dass fast zwei Drittel der importierten Werke von fünf Dutzend Journalisten verantwortet wurden, die aus zwei oder drei Ausgangssprachen übersetzten. Boulard, Formey, Kéralio, La Harpe, Paul-Henri Mallet, Seigneux de Correvon, Turgot und Ussieux übersetzten sogar Werke aus vier verschiedenen Ausgangssprachen. Eine gewisse Skepsis scheint daher angebracht, was ihre multilinguale Kompetenz betrifft. Zu alledem kam der schon erwähnte, weit verbreitete und programmatische Dilettantismus in der Auswahl von Wissensgebieten sowie die flüchtige Arbeitsweise vor allem bei Sofort-Übersetzungen. So klagte Rousset de Missy, in der Vorrede einer im Jahr nach dem Original erschienenen Fassung, offen über «beaucoup de précipitation» bei seiner Arbeit, verursacht durch die Angst des Verlegers «d‘être prévenû par quelqu’autre». 148 Stellt man schließlich das Stilgemisch in Rechnung, das durch die recht gängige Arbeitsteilung entstand, liegt die Vermutung nahe, dass aus der Gesamtheit negativer Faktoren eine eher bescheidene Qualität vieler Journalisten-Übersetzungen resultierte. Es versteht sich von selbst, dass diese Hypothese durch detaillierte und breit angelegte Vergleiche zwischen Originalen und ihren französischen Einbürgerungen zu überprüfen wäre. Bei solchen Vergleichen wäre weniger zu achten auf stilistische Brillanz, auf Freiheit oder Detailtreue des Transfers oder ähnlich unpräzise und kontroverse Allgemeinbegriffe. Stattdessen sollte man sich beschränken auf die Häufigkeit konkreter Fehldeutungen, Missverständnisse oder völlig unverständlicher Stellen. Weit fesselnder scheinen andere Forschungsperspektiven. So gehörte eine stattliche Reihe von Journalisten-Übersetzern zu den führenden Protagonisten der Aufklärung 149 und den sie ablösenden Revolutionären. Das wirft die Frage auf, ob und wieweit ihre Übersetzungen dazu beigetragen haben mögen, jenes gewaltige ideologische, politische und sozialen Beben auszulösen, das Frankreichs Ancien Régime wie ein Kartenhaus einstürzen ließ. Dieser Leitfrage wird das folgende Kapitel nachgehen. Einstweilen bleibt festzuhalten: Gegen alle Erwartung war das entstehende Metier des Journa- 147 Siehe als einen von vielen Bochat 1742, préface p. III. 148 Anthony Collins, Discours sur la liberté de penser, Londres 1714, p. VIII. 149 Nennen wir aus der ersten Reihe hier nur Diderot, Formey, Paul-Henri Mallet, Toussaint, D’Alembert, Rousseau. 50 Kapitel 6 listen und das althergebrachte des Übersetzers, in einer für die Geschichte Frankreichs und Europas entscheidenden Epoche, mitnichten unvereinbar. Vielmehr ergänzten sich beide Aktivitäten in wirkungsvoller Weise. Journalisten zählten zu den eifrigsten Übersetzern, sobald es darum ging, möglichst schnell in den unterschiedlichsten Genres und Wissensfeldern neue Horizonte zu öffnen. Kurzgeschlossen: Journalisten 51 7 Enzyklopädisten und Revolutionäre Die Aufklärungsepoche Europas war bekanntlich geprägt durch eine lange ungefährdete Hegemonie französischer Kultur. Man könnte daher vermuten, Frankreichs kulturelle und intellektuelle Eliten seien überzeugt gewesen, vom Ausland nichts mehr lernen zu können und nur noch das übrige Europa mit den eigenen geistigen Spitzenprodukten beglücken zu sollen. Wir haben jedoch schon mehrmals erwähnt, dass im Frankreich des 18. Jahrhunderts, insbesondere dessen zweiter Hälfte, so viel übersetzt wurde wie nie zuvor. Das Ansehen all dessen, was aus fremden Sprachräumen stammte, war derart überwältigend, dass sogar ein reichliches Hundert französischer Originaltitel das Publikum unter der Maske von Übersetzungen anzulocken versuchte. 150 Nicht von ungefähr erreichte die steil ansteigende Frequenzkurve echter Übersetzungen gerade im vorrevolutionären Jahrzehnt ihren eindrucksvollen Gipfelpunkt. 151 Dazu kommt ein weiteres gewichtiges Phänomen: Die große Mehrheit während der zweiten Jahrhunderthälfte übersetzter Texte stammte aus dem eigenen Jahrhundert und spiegelte somit ein starkes Bestreben, das dem Grand Siècle 152 noch fremd gewesen war: vor allem gegenwartsnahe Stimmen anderer Sprachräume vernehmbar zu machen. Was die sprachliche Herkunft der Importe angeht, war das Englische nicht nur führend, sondern erreichte einen Prozentsatz, der höher war als die Anteile der alten Sprachen 153 und die der Summe aller nachantiken Idiome. 150 Die Faszinationskraft des Labels „Übersetzung“ machte sich in Pseudo-Übersetzungen u. a. eine stattliche Reihe jener Encyclopédistes und Revolutionäre zunutze, die Gegenstand dieses Kapitels sind. Nennen wir Baculard d’Arnaud, Baillet de Saint-Julien, Bignon, Bourgoing, Cahusac, Chantreau, Chénier, Coustard de Massi, Dumaniant, Ginguené, Grouvelle, Holbach, Lally-Tollendal, La Vicomterie de Saint-Samson, Lenglet du Fresnoy/ Dufresnoy, Lezay-Marnézia, Mellinet, Rousseau, Saint-Lambert, mehrfach Eidous, Riccoboni, Voltaire. 151 Siehe dazu und zum Folgenden Fritz Nies, «L’Allemagne a succédé à la gloire de l’Italie». Traductions et traducteurs de l’allemand au Siècle des Lumières, in: E. Dautel/ G. Volz (Hgg.), Horizons inattendus. Mélanges offerts à Jean-Paul Barbe, Tübingen 1999, p. 215-216. 152 Siehe dazu Fritz Nies, Geschäft des Königs, Dichters, Hungerleiders: Übersetzerischer Literaturimport in Frankreichs Grand Siècle, Germanisch-Romanische Monatsschrift N. F. 53, 2003, p. 295-308. 153 Dabei ist zu berücksichtigen, dass diese nicht nur Texte der Antike und der frühchristlichen Zeit bis zum Mittelalter umfassten, sondern auch gelehrte Traktate des 17. und 18. Jahrhunderts. Von den im Folgenden behandelten Übersetzungen galt dies etwa für Werke von Friedrich Hofmann, Gottfried Lengnich, Kahle, Christian von Wolff, Bogislaus Ph. von Chemnitz, Joh. Swammerdam, Swedenborg, Toben-Olaf Bergmann, J. G. Wallerius. Diese Flut literarischer und intellektueller Importe aus dem anglophonen Raum erinnert nachdrücklich daran, dass die wohlbekannte französische „Anglomanie“ jener Zeit vor allem von Übersetzungen ausging und geprägt wurde. Und die beispiellose Offenheit für Geistesprodukte anderer Kulturräume (in der zweiten Jahrhunderthälfte nicht zuletzt auch des deutschen), vor allem kurz vor Ausbruch der Revolution, legt einmal mehr die Frage nahe: Wieweit trug jener starke Zustrom fremden Gedankenguts dazu bei, den Boden zu bereiten für die Umwälzungen des revolutionären Dezenniums? Bildete doch gerade der angelsächsische Sprachraum, aus dem die meisten Importe stammten, einen ausgesprochenen Gegenpol sozialer Organisation zum absolutistischen Frankreich jenes Zeitraums. Das Vereinigte Königreich war eine konstitutionelle Monarchie, in deren kollektivem Gedächtnis und in deren Literatur relativ frische revolutionäre und republikanische Erinnerungen ebenso bewahrt wurden wie die Hinrichtung eines absolutistischen Monarchen. Die Vorherrschaft des Parlaments war in Großbritannien gesichert. Seine sonst wenig rigorose anglikanische Staatskirche steuerte strikt antikatholischen Kurs. In wirtschaftlicher Hinsicht feierte dort die liberalistische Doktrin ihre ersten Erfolge, und so fort. Was die jenseits des Atlantiks entstehenden Vereinigten Staaten angeht, proklamierte deren Bill of Rights gerade die Volkssouveränität und die allgemeinen Menschenrechte, verkündete die Pressefreiheit usw. Jede Verbreitung vertiefter Kenntnisse über derlei angelsächsische Realitäten und Ideologien musste natürlich das französische System seiner unangefochtenen Geltung berauben und dessen geistige Grundlagen untergraben. Auch der deutsche Kulturraum, dessen Importe in der zweiten Jahrhunderthälfte auf Rang zwei vorrückten, stellte in politischer wie religiöser Hinsicht Gegenmodelle zum eigenen Staat vor Augen. So drängt sich ein Experiment auf: Die Überprüfung, welche Rolle das Einbürgern fremden Gedankenguts spielte für geistige und politische Eliten, denen im revolutionären Vor- und Umfeld zweifelsohne besondere Bedeutung zukam. Die erste Gruppe bilden jene Encyclopédistes, die als ‚Kerntruppe’ der französischen Aufklärung gelten und als solche wesentlich das Klima mit erzeugten, welches schließlich zur Eruption führen sollte. Als zweite Testgruppe sollen jene Akteure dienen, die sich während des revolutionären Dezenniums 1789-99 öffentlich aktiv im Neuerungsprozess engagierten, meist in gehobener Funktion als Mitglieder der Stände- und Volksvertretungen. Wieweit wurden die Angehörigen beider Gruppen als Übersetzer tätig oder waren als solche bereits tätig gewesen, als sie am Großprojekt der Encyclopédie bzw. an der späteren faktischen Neugestaltung von Staat und Gesellschaft mitwirkten? Welches waren gegebenenfalls die Texte, zu denen sie dem französischen Lesepublikum Zugang eröffnen wollten und um deren Anverwandlung bis in die letzten Nuancen hinein sie sich über Monate hinweg bemühten? Unterschieden sich die beiden chronologisch aufeinanderfolgenden Gruppen, zwischen denen es nur ver- 54 Kapitel 7 einzelte Überschneidungen gab, 154 hinsichtlich ihrer translatorischen Vorlieben? Man sollte vermuten, ihre beruflichen, literarischen, politischen Aktivitäten hätten den Mitgliedern beider Gruppen kaum Spielräume gelassen für das entsagungsvolle und zeitraubende Geschäft der Adaption fremder Geistesprodukte. Entgegen dieser Erwartung lassen sich jedoch ab den 1740er Jahren mühelos über 330 Titel zusammenstellen, deren Übertragung wir gut dreißig Encyclopédistes 155 und danach einem halben Hundert engagierter Revolutionäre verdanken. Zu den ersteren gehörte sogar eine Reihe von Haupt-Beiträgern der Encyclopédie, wie der Herausgeber Diderot selbst, Beauzée, Du Marsais, Eidous, Formey, Holbach, Mallet und Toussaint. 156 Unter den Revolutionären mit übersetzerischem Ehrgeiz waren viele Abgeordnete der sich ablösenden Stände- und Volksvertretungen: von Etats généraux, 157 Assemblée nationale 158 und Constituante, 159 Assemblée législative 160 und Convention nationale, 161 Conseil des Cinq-Cents 162 und Conseil des Anciens. 163 Nicht wenige brachten es dort oder in revolutionären Clubs gar zur Schlüsselposition des Präsidenten 164 oder Secrétaire. 165 Ihre hohen anderweitigen Belastungen hinderten Encyclopédistes wie Protagonisten des Revolutionsdramas jedoch nicht im geringsten, ein (noch nach heutigen 154 Von übersetzerisch aktiven Encyclopédistes wirkten nur noch Boufflers, Deleyre, Lezay- Marnézia und Marmontel in revolutionären Volksvertretungen mit. 155 Als Basis für ihre Identifikation diente vor allem Frank Arthur & Serena L. Kafker, The Encyclopedists as individuals: a biographical dictionary of the authors of the Encyclopédie, Oxford: The Voltaire Foundation 1988. 156 Nur einige Beispiele für den Umfang ihrer Mitwirkung: Nach Kafker, The Encyclopedists steuerten zur Encyclopédie bei: Cahusac über 120 Artikel, Du Marsais rund 120 Artikel, Formey über 110, Eidous mindestens 450, Holbach allein Hunderte unsignierter Artikel neben den signierten, Edme-François Mallet über 600 (davon über 550 zur Geschichte). 157 Anson, Barère de Vieuzac, Boisgelin de Cucé, Démeunier, Dupont de Nemours, Lally- Tollendal, Lezay-Marnézia, Menu de Chomorceau, Mirabeau, Ségur, Volney. 158 Butini, Coustard de Massi. 159 Lebrun, Menu de Chomorceau, Mirabeau, Moreau de Saint-Méry, Mosneron de Launay. 160 Boulard, Chéron de la Bruyère, Coustard de Massi, Gaudin, Lebrun-Tossa, Mosneron de Launay, Pastoret, Ramond de Carbonnières. 161 Barrère de Vieuzac, Brissot de Warville, Carra, Marie-Joseph Chénier, Collot d’Herbois, Coustard de Massi, Deleyre, Marat, Louis-Sébastien Mercier, Moline, Pons de Verdun. 162 Cacault, Marie-Joseph Chénier, Louis-Bernard Guyton de Morveau, Charles-François Lebrun, Le Marcis, Louis-Sébastien Mercier, Claude-Emmanuel de Pastoret, Pons de Verdun. 163 Marmontel. Dazu kam noch eine lange Reihe revolutionärer Aktivisten von weniger hohem Rang: Chantreau, Alexandre-Vincent Pineu Duval, Mandar, Billardon de Sauvigny, Bonneville, Boufflers, Cabanis, Cerutti, Crignon d’Ouzouër, Ginguené, Marandon, Mulot, Poisson de la Chabeaussière, Ronsin u. a. 164 Barère de Vieuzac, Boisgelin de Cucé, Chéron de la Bruyère, Mirabeau, Lablée. 165 Moline, Collot d’Herbois, Démeunier, Marie-Joseph Chénier. Enzyklopädisten und Revolutionäre 55 Maßstäben) teils imposantes übersetzerisches Oeuvre zustande zu bringen: Eidous brachte es auf gut 40 übertragene Titel, Holbach auf immerhin 27, Formey auf 21. 166 Morellet und Demeunier publizierten je 15, Barère de Vieuzac und Louis-Sébastien Mercier je 13 Übersetzungen. Schon diese Größenordnungen mögen das eminente Gewicht verdeutlichen, das solche Nebenbei-Vielübersetzer ihren geistigen Kurierdiensten beimaßen. Eindrucksvoll ist, einmal mehr, die oft große Schnelligkeit des Transfers und die hohe Arbeitsgeschwindigkeit jener anderweitig stark beanspruchten Übersetzer: In drei Dutzend Fällen erschien die französische Fassung (bzw. deren erste Bände) innerhalb von zwei Jahren nach Publikation des fremdsprachigen Originals, manchmal sogar noch im selben Jahr. 167 Solch hoher Aktualitätsgrad erforderte nicht zuletzt einen schnellen interkulturellen Informationsfluss. Er mag für das damalige Umfeld mit seinen bescheidenen Kommunikationsmitteln, wie schon im Kapitel über die Journalisten erwähnt, recht verblüffend wirken. Und er wirkt umso erstaunlicher, als Frankreich über fast vier Jahrzehnte des Jahrhunderts hin im Krieg lag mit den Herkunftsländern der weitaus meisten übersetzten Werke. 168 Auch hatten sich nur relativ wenige Übersetzer vor Realisierung ihrer Projekte in jenen Ländern aufgehalten oder persönliche Beziehungen zu ihnen geknüpft. 169 In rund vier Dutzend Fällen brachte ein und derselbe Übersetzer innerhalb eines Jahres mehrere Titel auf den Markt. Spitzenleistungen waren hier je sechs Titel von Eidous (dem Grimm vorwarf «Je crois qu’il ne lui faut que quinze jours pour traduire un volume») 170 im Jahr 1767 und von Holbach im Folgejahr - Rekorde, deren Überbietung einmal mehr hauptberuflichen Übersetzern unserer Zeit recht schwer fallen dürfte. Beachtung verdient in dieser Hinsicht auch die Tatsache, dass rund vier Dutzend der übersetzten Werke den beachtlichen Umfang von drei, vier, fünf oder mehr Bänden hatten. 171 Zwei Drittel dieser Großprojekte wurden von Einzelübersetzern bewältigt, 166 Siehe Rolf Geisslers Bibliographie von Formeys Übersetzungen in Jens Häseler (Hg.): La Correspondance de Jean Henri Samuel Formey (1711-1797): Inventaire alphabétique, Paris: Champion 2003, p. 448-455. 167 So etwa Bonnevilles Übertragungen von Schillers Don Karlos oder Kabale und Liebe; die Übersetzungen Chéron de la Bruyères von Edgeworth, Démeuniers von Bolts, Formeys von Koehler, Imberts von Lloyd, Mirabeaus von Watson und Keates, Ramond de Carbonnières von Coxe. 168 Großbritannien, aber auch dem deutschen Kaiserreich, Preußen usf. 169 Aufgrund gängiger biographischer Repertorien ist dies feststellbar für nur gut 15 % der Übersetzer (Bonneville, Bouchaud, Bourgoing, Buffon, Cacault, Alexandre-Vincent Pineu Duval, Eidous, Formey, Holbach, Mirabeau, Mosneron de Launay, Rousseau, Toussaint). 170 Nach Kafker, Encyclopédists, p. 128. 171 Sogar auf 12 Bände brachte es das Nouveau Théâtre allemand, übertragen von Bonneville und Friedel, auf 14 Bände Büschings Géographie universelle, auf sieben Fergusons Histoire de la République romaine in der Übertragung von Démeunier und Gibelin, usf. 56 Kapitel 7 bei den restlichen teilten zwei oder drei Mitwirken die Last unter sich auf. 172 Das mag zu stilistischen Mischprodukten geführt haben, die wohl vor allem bei belletristischen Texten störend ins Gewicht fielen. Ganz allgemein dürfte übrigens das Ineinander dieser und anderer negativer Rahmenbedingungen (meist bescheidene Sprachenkompetenz, Aktualitätsstreben, hastiges Arbeiten, sonstige berufliche oder politische Belastungen) dazu geführt haben, dass die Durchschnittsqualität der französischen Versionen eher mäßig war. So signalisierten auch hier rund dreißig Übertragungen durch Formeln wie «traduction libre» o. ä. mit entwaffnender Offenheit schon auf dem Titelblatt, man habe es bei der Transposition nicht allzu genau genommen. Doch welches waren die Textarten und Werke, wer die Autoren, denen die Aufmerksamkeit der ideologisch vernetzten Importeure galt? Bei diesem Übersetzertyp, dessen Kernanliegen die Verbesserung der politischen und sozialen Verhältnisse war, ist man natürlich geneigt, eine ausgesprochene (oder gar ausschließliche) Bevorzugung gegenwartsnaher Sachprosa mit einschlägiger Thematik zu vermuten. Derartige Erwartungen allerdings werden zumindest teilweise enttäuscht. Gewiss übersetzte man, wie wir sahen, viel Aktuelles, doch fast ein Viertel aller Übertragungen stammte aus jenen alten Sprachen, zu denen Revolutionäre eine noch deutlicher ausgeprägte Neigung zeigten als Encyclopédistes. 173 Handelte es sich hierbei um Versuche einer Rückvergewisserung bei modellhaften Welten ferner Vergangenheit gerade in einer Zeit, die sämtliche gegenwartsnahen Fixpunkte verloren zu haben schien? Unter Einbezug nachantiker Literaturen (die vor allem von Encyclopédistes, mit über 80 %, deutlich bevorzugt wurden) stammte ein knappes Drittel aller übertragenen Titel aus dem Bereich der Belletristik (Epos und Lyrik, Theater, Roman). Sogar drei Viertel der beteiligten Übersetzer fühlten sich zu Beiträgen aus dieser Sparte berufen. Überraschend ist, dass in der Rangliste belletristischer Importe die neue Modegattung des Romans das Schlusslicht bildete. 174 Fast zwei Drittel aller im engeren Sinn ‚literarischen’ Einfuhren entfielen dagegen auf Spielarten der Versdichtung einschließlich des Verstheaters. Die Hälfte jener Texte war antiken Ursprungs. 175 Von Übersetzern der gesellschaftlich-politischen Avantgarde hätte man wohl kaum erwartet, dass sie in ihrer großen Mehrheit ausgesprochen schöngeistige Neigungen zeigten. Sie wirkten darüber hinaus, 172 An solchen Kooperationen beteiligten sich insgesamt 17 Übersetzer aus dem hier interessierenden Umfeld. Unter den Vielübersetzern kooperierte Démeunier bei Großprojekten dreimal mit Kollegen, Eidous arbeitete fast ausnahmslos als Einzelgänger. 173 Mit 27 % gegenüber gut 18 %. 174 Insgesamt nur 22 Titel, davon über die Hälfte englischen Ursprungs. Innerhalb des Gesamtkorpus aller Übertragungen entfielen auf Romane sogar nur 6,6 %. Einzig Morellet übersetzte gleich vier fiktionale Erzählungen. 175 Auch eine Reihe weiterer Originale stammte aus früheren Jahrhunderten (erwähnt seien allein sieben Shakespeare-Übertragungen, aber auch Titel von Calderón, Ariost, Tasso, Boccaccio, Milton und anderen) Enzyklopädisten und Revolutionäre 57 was ihre literarästhetischen Vorlieben angeht, ebenso mehrheitlich ausgesprochen konservativ. Zwei besonders augenfällige Beispiele mögen dies illustrieren: Poisson de la Chabeaussière, ein glühender Anhänger der Revolution, sollte ausgerechnet die 1795 postum unter Mirabeaus Namen erschienene Übertragung von Tibulls Liebeselegien laut für sich reklamieren. Und Le Marcis, Mitglied im Conseil des Cinq-Cents, publizierte 1799 eine Neufassung von Les amours d’Ovide. Ein weiteres Teilkorpus von Übertragungen (gut 30 Titel), fast ausschließlich von Encyclopédistes verantwortet, 176 hatte ebenfalls keinen direkten Bezug zur damaligen gesellschaftlich-politischen Situation. Es waren Werke aus dem Bereich der neuen empirischen Wissenschaften (Physik, Chemie, Biologie, Mineralogie und Metallurgie, Medizin), wie sie der allgemeinen Bildungsprogrammatik von Aufklärern entsprachen. Selbst ein Marat, der zum Inbegriff revolutionären Blutrauschs werden sollte, hatte 1787 eine neue französische Version der Optique de Newton vorgelegt. Welche Rolle spielten daneben Werke und Textarten, deren Thematik handgreiflichen Einfluss auf die politische Entwicklung des geistigen Klimas und speziell der Aufklärungs-Ideologie sowie auf die konkrete Umsetzung der neuen Leitgedanken vermuten lässt? Augenfällig ist hier der - mit über 40 Titeln ungemein stattliche - Anteil historiographischer Schriften, darunter mehr als ein Dutzend vielbändiger Großprojekte. Fast zwei Drittel jener Geschichtswerke waren aus dem Englischen übertragen. Thematisch reichten sie von der Geschichte des antiken Griechenland und des römischen Imperiums (oder spezieller der römischen Republik) 177 bis zur Entstehung der Vereinigten Staaten von Amerika und der Vorgeschichte New Yorks oder des damals noch spanischen Kalifornien, 178 über die Histoire de l’Europe moderne oder die Englands «jusqu’à nos jours», die Histoire des gouvernements du Nord oder Histoire des guerres civiles en France oder die Geschichte bestimmter gesellschaftlicher Gruppen wie der Protestanten oder der Flibustiers. Ein weiteres ansehnliches Teilkorpus bilden (mit über dreißig Titeln) Beschreibungen anderer Länder, Erdteile und Weltgegenden, die nicht primär historiographisch ausgerichtet waren. Meist handelte es sich um 176 An der Spitze lagen hier Eidous, mit Übersetzungen vor allem aus dem Englischen, und der frühe Holbach mit Titeln deutschen Ursprungs. Beteiligt waren des weiteren Buffon, Diderot, Formey, Guéneau de Montbeillard, Guyton de Morveau und Toussaint. 177 Übersetzungen Démeuniers von Ferguson und Sallusts von Brosses. Wie unmittelbar und teils gewaltsam modellhafte Konstellationen der Antike auf die eigene Situation bezogen wurden, zeigt Hans-Jürgen Lüsebrink, La parole en spectacle. L’oralité dans les représentations de la tragédie Brutus de Voltaire pendant la Révolution française, in: Hèlène Millot/ Corinne Saminadayar-Perrin (ed.), Spectacles de la parole, Eds des Cahiers intempestifs 2003, p. 149-151. 178 Übersetzungen von Smith, Burck, Buriel und Robertson durch die Encyclopédistes Eidous und Morellet. - Zum Folgenden: Übersetzungen von Russell, Lyttelton, Williams, Davila, Graham, Archenholz, Hansen. 58 Kapitel 7 Reiseschilderungen oder, spezieller, um Berichte von Entdeckungsfahrten. Auch unter ihnen befand sich eine ganze Reihe vielbändiger Großprojekte meist englischer Herkunft. 179 Die Mehrzahl einschlägiger Titel fand, ganz wie historiographische Neuheiten, umgehend ihren Übersetzer (allein siebenmal Démeunier) und Verleger. 180 Die Übertragungen solch topographischer Werke verkündeten oft schon im Titel, dass sie Sitten und Gebräuche, Gesetzgebung und Strafvollzug, Handel und den «état civil et politique» des betreffenden Landes einbezogen oder zum Gegenstand hatten, 181 und ihre geographische Spannweite reichte vom Nordpol bis zur Südsee, von Ostasien bis zur Südspitze Afrikas und Amerikas. Dabei galt erwartungsgemäß den wachsenden Kolonialreichen der europäischen Mächte, vor allem Englands, ein besonderes Augenmerk. Doch ganz wie bei historiographischen Schilderungen rückten, verstärkt in den beiden letzten Dezennien des Jahrhunderts, auch die europäischen Nachbarländer selbst ins Blickfeld: das staatlich zerrissene Italien, die protestantischen Nordstaaten Schweden und Dänemark, die holländische Republik und ihre Entstehung, die Schweizer Eidgenossenschaft, der Deutsche Fürstenbund, ein durch die Glorious Revolution tiefgreifend verändertes Großbritannien. 182 Wie schon eingangs vermutet, dürfte das in außerfranzösischer Sicht entworfene Bild solcher Staatengebilde, Gesellschaftsmodelle und Kulturen, die sich von der absolutistischen Monarchie Frankreichs grundlegend unterschieden, bei Übersetzern wie französischem Lesepublikum viel dazu beigetragen haben, den Geltungsanspruch des eigenen Modells zu unterhöhlen. War man doch (verstärkt während des letzten Jahrhundertdrittels) höchst begierig, den fremden Blick auf die aktuellen eigenen Verhältnisse zu ertragen und zu befragen, wie er einzig erkennbar wurde durch das Prisma übersetzter Schilderungen, insbesondere von ausländischen Frankreichreisenden. 183 Doch es wäre gewiss voreilig, belletristische Übersetzungen ausklammern zu wollen, wenn es um die Verbreitung aufklärerischen oder revolutionären Denkens und Fühlens ging. Wenn Bonneville, künftiger Republikaner und 179 Übersetzungen von Bell (durch Démeunier), Cook, Coxe, Hawkesworth, Townson, Vancouver. 180 Außer einigen bereits genannten siehe Übersetzungen von Bolts, Brydone, Dallaway, Jefferson, Keate, Lengnich, Mulgrave, Taylor, Townson. 181 Übersetzungen von Baker, Holyrod, Baretty, Bolts, Coxe, Halded, Lyttelton, Romilly, Taylor. 182 Übersetzungen von Baretty, Coxe, Knox, Montrose, Müller, Watson, Williams und anderen. 183 Berichte der englischen Frankreichreisenden Maihows (1763), John Moore (1782-83), Samuel Romilly (1788), Arthur Young (1793) sowie, aus dem Englischen übersetzt, des Italieners G. Beretti (1777). Cf. auch französischen Verhältnissen geltende Übersetzungen von Nickolls (1754), Jefferson 1755), Tell Truth (1756), Talbot (1768), Stanhope (1790), Burke (1790, 1797), Helen M. Williams (1791), Paine (1791), Kotzebues Der weibliche Jacobiner-Clubb (1792), von Tooke (1799), von F. J. L. Meyers Fragmente aus Paris im VIten Jahr der französischen Republik, usw. Enzyklopädisten und Revolutionäre 59 Vorkämpfer der Pressefreiheit, zusammen mit Friedel um die Mitte der 1780er Jahre eine Übersetzung von Schillers Jugenddramen und Goethes Götz von Berlichingen herausbrachte, lag deren politische Lesart auf der Hand. Dies gilt natürlich auch für die französische Fassung der Räuber und das (apokryphe, aber treffende) Motto „in Tyrannos“ ihrer Zweitfassung. Es gilt für Übertragungen des um Freiheit und Despotismus kreisenden, mit einem Tyrannenmord endenden „republikanischen Trauerspiels“ Die Verschwörung des Fiesko zu Genua; für die Entlarvung abgrundtiefer Verderbtheit herrschender Eliten in Kabale und Liebe; und schließlich den Don Carlos mit seinem Aufeinanderprallen von despotischem Absolutismus und schwärmerischem Entwurf einer völkerbeglückenden Menschheitsordnung des Republikaners Posa, sein sprichwörtlich gewordenes Ultimatum „Geben Sie Gedankenfreiheit“. Ähnlich wie Schillers Sympathieträger ist auch Goethes Götz ein glühender Verfechter freiheitlichen Menschentums, Rebell gegen Fürstenmacht, Beschützer der Bedrängten und Unterdrückten. Gewiss trat die hochbrisante politische Thematik belletristischer Importe nicht immer so offen zutage wie bei diesen Stücken. Und es wird sich kaum exakt bestimmen lassen, wie viel etwa die in Miltons Paradise lost gestaltete Theodizee- Problematik oder Popes Forderung, das Glücksstreben als gesellschaftlichpolitische Aufgabe zu begreifen, in ihren französischen Fassungen den Boden mitbereiteten für die Umwälzungen im Frankreich der 1790er Jahre. 184 Gestattet sei ein kurzer verlagshistorischer Querverweis am Rande: Bis 1790 erschienen mehr als siebzig der hier erfassten belletristischen wie nichtbelletristischen Übertragungen außerhalb der französischen Staatsgrenzen - vor allem in Amsterdam und anderen Städten der Niederlande, in London und der Schweiz, aber auch in Deutschland. Das mag bei einem Gutteil dieser Importe als Indiz dafür gelten, dass es um geistige Konterbande ging, deren Eindringen dem französischen Staatsapparat schon vor der Drucklegung als gefährlich galt. Auf das Gesamtkorpus aller in diesem Kapitel analysierten Titel bezogen, entfällt knapp die Hälfte der Texte mit explizit politischen, gesellschafts- und religionskritischen Titelsignalen auf übersetzende Encyclopédistes. Angesichts ihrer geringeren Zahl zeigten sie also anteilmäßig ein deutlich stärkeres Interesse an diesem Problemkomplex als danach die aktiven Revolutionäre. Direkte Einwirkung bestimmter übertragener Titel auf die Ideologie oder das politische Handeln des betreffenden Übersetzers ist vorerst nicht eben häufig mit Sicherheit nachweisbar, und die sorgfältige Prüfung im Einzelfall bleibt ein dringendes Desiderat. Mag doch der Materialist Holbach einiges Hobbes verdankt haben, Holbachs Atheismus mancherlei dem Freidenker Collins. Naigeons Antiklerikalismus wäre auf den Hintergrund des Pamphlets von Gordon und Trenchard zu projizieren, derjenige Diderots vor der Gedanken- 184 Übersetzungen Miltons und Popes durch Boisjolin, Marmontel, Louis-Sébastien Mercier, Mosneron de Launay. 60 Kapitel 7 welt Shaftesburys zu sehen. Brissot de Warville, Gründer der Société des Amis des Noirs, mag einen Teil der Motivation für sein künftiges Engagement aus Macintoshs Reisebericht geschöpft haben. In die ökonomischen Theoreme Turgots dürften Anregungen Tuckers eingegangen sein. Der engagierte Revolutionär Mandar hatte 1790 eine Übertragung von De la souveraineté du peuple Needhams veröffentlicht, der Volkstribun Mirabeau seit den späten 1770er Jahren eine ganze Reihe Übersetzungen von Watson, Price, Milton, Holyrod und Graham vorgelegt, deren Bezug zum Geschehen der frühen Revolutionsphase augenfällig ist (Studien zur «révolution américaine» und Englands Glorious Revolution, zur Entstehung der niederländischen Republik, Pressefreiheit usf.). Auch Démeunier und Ramond de Carbonnières übertrugen Werke, die eine aktualitätsnahe politische Lesart nahe legten. Aufs Ganze gesehen, mag jedoch manche Erwartung von einer durchgehend unmittelbaren Befruchtung des politisch-revolutionären Prozesses durch übersetzerische Aktivitäten eher enttäuscht werden. Eine ganze Reihe von Akteuren des Revolutionsdramas gaben ihr Debüt als Übersetzer erst nach Auslaufen des politischen Engagements: Anson, Barère de Vieuzac, Boisjolin, Chantreau, Marie-Joseph Chénier, Duval, Ginguené, Ségur und Volney. Und bei einem Barère de Vieuzac mag die Wahl der dann übertragenen Titel eher im Bemühen gründen, das Geschehen der letzten Jahre besser zu verstehen, als im Streben nach Handlungsanweisungen für die Zukunft. 185 Der beachtliche Drang übersetzender Revolutionäre zur Wahl auch belletristischer Titel, vor allem aber von Werken einer fernen Antike könnte zum Gutteil gründen in ihrem Wunsch nach Rückzugsmöglichkeiten in Gegenwelten zur verworrenen Alltagswirklichkeit. Allerdings waren, wie wir sahen, die meisten und wirkmächtigsten ideologischen Waffen für ihre politischen Kämpfe des Dezenniums bereits eingeschmuggelt worden: durch die Vorgänger-Generation von Aufklärern und besonders die Encyclopédistes. Denn die französische Revolution - das macht unsere Skizze deutlich - war nicht nur in ihren Auswirkungen, sondern auch von ihren geistigen Voraussetzungen her alles andere als ein rein französisches, sie war ein europäisches Ereignis. Diese Erkenntnis dürfte bis heute aus der Außensicht leichter gewinnbar sein als aus der Perspektive jenes stolzen republikanischen Patriotismus, der hexagonale Geschichtsforschung noch weitgehend prägt. 185 Cf. dazu die übersetzten Werke von Taylor und Moyle (1801), Cucco (1807), Aspin (1810), Brooke (1815). Enzyklopädisten und Revolutionäre 61 8 Hauslehrer und Erzieher Es geht hier um eine Gestalt, die im Zeitalter des staatlichen Schulwesens seit langem aus unserem kollektiven Gedächtnis verschwunden ist. Und doch spielte dieser soziale Typus über ein halbes Jahrtausend hin eine wichtige Rolle in der Bildungsgeschichte nicht nur Frankreichs. Ich spreche von dem «précepteur», 186 der betraut wurde mit der häuslichen Erziehung von Kindern und Jugendlichen mit wohlhabenden oder adligen Eltern. Gehörten die Schüler einem Fürstenhaus an, pflegte sich der ranghöchste unter mehreren Erziehern mit dem pompösen Titel «gouverneur» 187 zu schmücken. Denn seit dem 17. Jahrhundert arbeiteten manchmal mehrere Präzeptoren oder «sousprécepteurs» unter der Leitung eines solchen Gouverneurs. 188 So ist es kaum überraschend, dass jene Hauslehrer, als Protagonisten oder bloße Statisten, ihre Spuren auch in Spitzenwerken der französischen und europäischen Literatur hinterlassen haben. Rufen wir uns nur den «homme de qualité» des Abbé Prévost in Erinnerung, oder bei Laurence Sterne die von Tristram Shandys Vater geforderten Qualitäten des idealen Erziehers, den Curé de village Honoré de Balzacs, Le Sagouin François Mauriacs. Ich habe weder die Absicht, diese als literarische Gedächtnisstütze gedachte Serie zu verlängern, noch zu entscheiden, ob jene einstige Art von Privatlehrer ein «métier de chien» ausübte oder eher Chancen sozialen Aufstiegs geboten bekam, 189 ob Hauslehrer verachteter waren als Türsteher oder vielmehr mit Wohltaten und Pfründen überhäuft wurden. 190 Ich werde mich auch nicht aufhalten bei den unter Literaten so beliebten Komplikationen, die zwischen Präzeptoren, 186 Seltener findet sich die Bezeichnung «instituteur». 187 Siehe Walter v. Wartburg, Französisches etymologisches Wörterbuch 4, 724 a und 301 b oder die Ausgaben von 1694, 1762, 1798, 1835 des Dictionnaire de l’Académie française. 188 So war der Herzog von Beauvilliers «gouverneur», Fénelon «précepteur» der Kinder des Königs. 189 Siehe etwa H. Duranton, Un métier de chien. Précepteurs, demoiselles de compagnie et bohème littéraire dans le refuge allemand, Dix-huitième Siècle nº 17, 1985, p. 297-315; Herbert Christ, L’enseignement du français en Allemagne entre 1648 et 1815, Documents pour l’histoire du français langue étrangère et seconde nº 18, déc. 1996, p. 63-83; Daniel Roche, Le précepteur dans la noblesse française: instituteur privilégié ou domestique? , in G. Frühsorge et al., Gesinde im 18. Jahrhundert, Hamburg 1995, besonders p. 220-235. 190 Zur Verachtung, unter der Hauslehrer litten, siehe Rollin, zitiert bei Littré s. v. précepteur. Von einer Reihe der in diesem Kapitel erwähnten Präzeptoren ist bekannt, dass sie durch ihre Dienstherren mit Gratifikationen bedacht wurden. So Belleau, Caraccioli, Condillac, Crousaz, Dinouart, Du Bois de Saint-Gelais, Hédelin, Massieu, Massuet, Sablier. Schülerinnen und deren Umfeld durch Liebesaffären verursacht wurden. 191 Doch am Rand sei erwähnt, dass unter den Erfindern derartiger Geschichten einige waren, die selbst zeitweise als Hauslehrer ihren Lebensunterhalt verdient hatten. 192 Widmen wir uns den in unserem Kontext wichtigeren Fragen: Was war die Vorgeschichte jener Hauslehrer, welches ihre soziale Herkunft, was brachte gerade sie in einer bestimmten Lebensphase dazu, Übersetzungen anzufertigen und zu publizieren, und mit welcher Art von Importen wollten sie die heimische Sprachgemeinschaft zum Kauf verlocken? Eine annähernd genaue Zahl übersetzerisch ausgewiesener Hauslehrer lässt sich noch schwerer bestimmen als bei anderen sozialen Gruppen. Denn die großen biographischen Repertorien oder auch Studien zu Einzelpersonen dürften, ganz wie Zeitzeugen, Perioden des Präzeptorats in vielen Lebensläufen mit Schweigen übergangen haben. Galten doch solche Perioden bei Persönlichkeiten, die in den Tempel des Ruhms aufgenommen worden waren - als Schriftsteller, Minister, Hochschullehrer, Akademiemitglieder usf. - gewiss für wenig glanzvoll, wenn es sich nicht gerade um den Posten eines Prinzenerziehers handelte. 193 Ungeachtet solcher Dunkelziffern lässt sich vom vierzehnten bis zum frühen 19. Jahrhundert, allein durch Auswertung bio-bibliographischer Standardquellen, 194 unschwer ein gutes Hundert 195 Namen von Hauslehrern zusammentragen, die auch als Übersetzer tätig wurden. Sie verantworteten die Übertragung von rund 370 Werken. Diese können über 250 Originalautoren zugeordnet werden. Als erster verkörperte die Verschmelzung zweier ungleicher Metiers vermutlich Nicole Oresme in den beiden Jahrzehnten von 1350 bis 1370. Die Liste seiner Nachfolger liest sich wie ein Gotha französischer Literatur und Geisteswelt, angefangen bei Jacques Amyot und Rémy Belleau bis hin zu Jean-Jacques Rousseau und vielen anderen. Rekordhalter nach Anzahl übersetzter Werke war der Abbé Prévost, gefolgt von Philippe Goibaud du Bois und dem Deutschen Jakob Friedrich von Bielfeld (mit je fünfzehn Übertragungen). Einmal mehr also recht achtbare Lebensleistungen im Zeitalter des Gänsekiels, und dies umso mehr, als das Übersetzen auch hier ja nur als eine Tätigkeit neben anderen praktiziert wurde. Im Durchschnitt übertrugen 191 Erinnern wir nur an Abélard und Héloïse, an Le Contrat in den Contes von La Fontaine, Rousseaus Nouvelle Héloïse oder, noch Jahrzehnte nach Ende des Ancien Régime, an Stendhals Le Rouge et le Noir. 192 Etwa Antoine-François Prévost, Jean-Jacques Rousseau. 193 Unter den im Folgenden erwähnten Präzeptoren-Übersetzern war jeder dritte Mitglied einer jener Akademien, die sich im 18. Jahrhundert der Aufklärungsbewegung verschrieben hatten. Jeder fünfte war Hochschulprofessor, ebenfalls jeder fünfte von Adel. 194 Siehe Anm. 6. 195 Genau: 114. 64 Kapitel 8 die Kollegen des Spitzentrios mehr als drei Werke pro Person und lagen damit deutlich über dem Mittelwert der Übersetzer-Gesamtheit. 196 Kommen wir zu den vermutlichen Gründen der Gruppe, auf zwei ungleichen beruflichen Registern zu spielen. Versuchen wir als erstes, das soziologische Profil der Probanden zu schärfen: Welches Alter hatten die Hauslehrer zu Beginn ihrer Tätigkeit, und von wann stammten ihre Übersetzungen? Das Durchschnittsalter bei Übernahme ihrer ersten Stelle betrug vierunddreißig Jahre. 197 Bei Erscheinen ihrer ersten Übersetzung dagegen waren sie im Schnitt schon vierzig Jahre alt. 198 Anders gesagt: Nur bei einem Viertel erfolgreicher Kandidaturen für das Präzeptorenamt hätten publizierte Übersetzungen als zusätzlicher Eignungsnachweis dienen können. Noch seltener scheint eine Gleichzeitigkeit von Präzeptorat und Übersetzungen - etwa als denkbare Methode, die Bezüge des Erziehers aufzurunden. 199 In fast drei Vierteln der hinreichend bekannten Biographien geht das Präzeptorat den Übersetzungen voraus. Die Vermutung liegt daher nahe, dass in den weitaus meisten Fällen Erfahrungen als Pädagoge auch die spätere Arbeit des Sprachmittlers befruchteten. Gewiss ist der mögliche Einwand zu berücksichtigen, Hauslehrerzeiten seien unter den zahllosen Einflüssen auf das Leben eines Mannes meist nicht mehr gewesen als kurze Zwischenspiele. Doch immerhin konnte ein einziges Präzeptorat bis zu zehn Jahren dauern, 200 und nicht selten wurde ein bewährter Präzeptor ein zweites, drittes oder gar viertes Mal verpflichtet. 201 Manchmal ist die enge Verbindung zwischen Hauslehrertätigkeit und übersetzerischer Aktivität recht augenfällig. So wurde Nicole Oresme durch König Charles V, seinen ehemaligen Schüler, ausdrücklich beauftragt «[de] translater pour le bien commun». La Mothe le Vayer rühmte seinen Epitomé de l’histoire romaine als «mis en français sur les traductions de Monsieur, frère unique du roi», der sein früherer Schüler war. Doujat widmete seine Übertragung eines Abrégé de l’histoire romaine dem Dauphin, zu dessen Präzeptoren er gehörte. Sanadon oder Accarias de Sérionne widmeten ihren Zöglingen andere Übertragungen römischer Werke. 202 Und im Haus seines Arbeitgebers war es, wo Barbeu du Bourg den Autor 203 kennenlernte, dessen Schriften er 196 Siehe Fritz Nies, Schnittpunkt [Anm. 8], p. 16, 67, 80, 91, 155. 197 Auf der Basis einer leider wenig umfänglichen Stichprobe von 56 für unsere Fragestellung verwertbaren Biographien (Durchschnitt bis zum 16. Jahrhundert 21 Jahre, im siebzehnten 37 Jahre, im achtzehnten 34 Jahre). 198 Auf der Basis von 109 Biographien. 199 Vermutliche Gleichzeitigkeit etwa bei Amyot, Binninger, Ruchat, Sanadon. Von etwa der Hälfte übersetzender Präzeptoren ist bekannt, dass sie bescheidener Herkunft oder aber verschuldet und ruiniert waren. 200 Etwa Hervet, Condillac, Duhan de Jandun, Janiçon. 201 Drei und mehr Präzeptorate etwa: Amyot, Fleury, Rou, Deyverdun, Du Marsais, Paul- Henri Mallet. 202 Die Gedichte von Horaz (1728) und L’Etna von P. Cornelius Severus (1736). 203 Lord Bolingbroke. Hauslehrer und Erzieher 65 später übersetzen sollte. Selbst dort, wo solch eindeutige biographische Verbindungen fehlen, entdeckt man Affinitäten zwischen pädagogischer Routine und Übersetzen. Hatten doch in den didaktischen Konzepten des siebzehnten und achtzehnten Jahrhunderts einschlägige Übungen (vor allem ausgehend von Texten der alten Sprachen) einen hohen Stellenwert. 204 Vom fünfzehnten bis zum achtzehnten Jahrhundert - also in einem Zeitraum, der nach landläufiger Anschauung weithin durch sesshafte Existenzen geprägt war - stellten übersetzende Präzeptoren eine wenig erwartete Mobilität unter Beweis. Weniger schon allein dadurch, dass ihr Geburtsort fast nie mit dem Sterbeort übereinstimmte. Doch ein reichliches Dutzend von ihnen war sogar im Ausland geboren, rund dreißig sollten dort sterben. 205 Im 18. Jahrhundert stammte eine nicht geringe Fraktion aus der Westschweiz, die an deutsches Sprachgebiet grenzte, andere endeten dort ihr Leben. 206 Viele unter den Hugenotten strebten nach Holland. Rund zwei Dutzend ihrer Landsleute wiederum zogen einen Arbeitsplatz im deutschen Sprachraum vor, 207 dessen Adelshäuser dem Vernehmen nach seit dem 16. Jahrhundert ganz vernarrt in Präzeptoren waren, die dem frankophonen Raum entstammten, Franzosen oder Abkömmlinge emigrierter Kalvinisten waren. 208 Rund fünfzehn ihrer Kollegen unterrichteten in England 209 oder Italien, Polen oder sogar Russland. Unnötig, einmal mehr zu betonen, dass solch längere Aufenthalte jenseits der Grenzen eine ideale Gelegenheit boten, sich vertraut zu machen mit der Sprache und möglichst auch der Literatur eines Gastlandes. Weniger effektiv dürfte eine weitere Möglichkeit gewesen sein, Sprache und Geisteswelt eines fremden Landes zu erkunden: Vor allem im Jahrhundert der Aufklärung begleitete ein Präzeptor oft seine Schüler als 204 Siehe für das 17. Jahrhundert etwa F. Nies, Schnittpunkt [Anm. 8], p. 41 s. Für das folgende Jahrhundert cf. H. Besse, Les techniques de traduction dans l’étude des langues au XVIII e siècle, Documents pour l’histoire du français langue étrangère ou seconde nº 8, sept. 1991, p. 77 s., 83 s. und passim. 205 Zur geographischen Mobilität kam manchmal eine konfessionelle: ein Castellion, ein Florent Chrestien etwa wechselten im 16. Jahrhundert die Konfession, Maubert de Gouvest und Antoine-François Prévost im 18. Jahrhundert. 206 Pierre Clément, Jean Le Clerc, Paul-Henri Mallet und Rousseau waren Genfer. Ruchat starb in Lausanne, dem Geburtsort von Crousaz und Deyverdun. Jean-Louis Bridel starb in Montreux, Garcin in Neuchâtel, u. s. w. Zur Bedeutung zweisprachiger Bewohner von Grenzregionen einerseits, emigrierter Hugenotten andererseits für das Metier des Sprachmeisters cf. André Reboullet, Hollyband ou l’archetype, documents pour l’histoire du français langue étrangère ou seconde nº 9, 1992, p. 1. - Zum Folgenden: Aleaume, Bayle, Rou, Crousaz, Janiçon, Jean Le Clerc, Massuet. 207 So Chevreau, Jacques Accarias de Sérionne, Arnex, Barruel, Binninger, Boaton, Bock, Deyverdun, Duvernoy, Duhan de Jandun, Le Roy de Lozembrune, Paul-Henri Mallet, Maubert de Gouvest, Moulines, Rivarol, Ruchat. 208 Siehe dazu das Zitat von Pasquier bei Littré s. v. précepteur. 209 Hervet, Rou, Dutens, Famin, Goffaux, Janiçon, Polier de Bottens, Antoine-François Prévost. - Zum Folgenden: Condillac, Kéralio, Jean Le Clerc; Caraccioli, Dupont de Nemours; La Harpe. 66 Kapitel 8 Mentor auf jenem «grand tour» durch Europa, der zur Abrundung ihrer Erziehung bestimmt war. 210 Denn die Verweildauer solcher „Cavaliersreisen“ in einem der Zielländer war im Normalfall nicht nur kürzer als die Erziehungsphase im heimischen Umfeld. Die Reisenden dürften auch untereinander meist die Muttersprache der Zöglinge als primäres Verständigungsmittel benutzt haben. Wie dem auch sei: Gegen Ende des Ancien Régime konnten sich drei Viertel unserer Präzeptorgruppe rühmen, auf die eine oder andere Weise Erfahrungen gesammelt zu haben mit dem Leben sozialer Eliten und der Geisteswelt jenseits heimischer Sprachgrenzen. Wenig erstaunlich ist, dass diese weitgereisten Übersetzer meistens Werke mehrerer Ausgangssprachen einbürgerten. Dazu gehörten wie bei anderen Übersetzerkollegen Texte der antiken Idiome, daneben aber auch englische, deutsche, italienische und spanische Originale. Ein gutes Hundert jener Werke stammte - auch das kaum verwunderlich - aus Sprachen eben der Länder, die sie selbst bereist oder bewohnt hatten. 211 Die geistige Offenheit der als Übersetzer tätigen Präzeptoren, ihre Neugier auf das, was im französischen Sprachraum fehlte, lag klar über dem Mittelwert der Übersetzer-Gesamtheit. Das belegt allein die Durchschnittszahl übersetzter Werke. Was den persönlichen Ausbildungsgang übersetzender Präzeptoren angeht, war jeder zweite von ihnen Geistlicher oder hatte Theologie studiert 212 - auch dies eine wenig überraschende Quote angesichts der Rolle, die der damalige Klerus im französischen Bildungssystem spielte. Im Verhältnis zum Bevölkerungsanteil einerseits, zur Zahl übersetzter Werke andererseits spielten protestantische Präzeptoren eine relativ gewichtige Rolle. 213 Im katholischen Milieu war die Erziehung der Eliten offenbar weniger individualistisch. Sie erfolgte zum Gutteil in Jesuitenkollegs, 214 bei Oratorianern oder anderen religiösen Orden. Die protestantischen Eliten dagegen, deren Schulen unter vielen repressiven Maßnahmen der Staatsmacht litten, scheinen die häusliche Erziehung durch Präzeptoren bevorzugt zu haben. Dass diese beim Übersetzen eine Vorliebe für Schriften ihrer ausländischen Glaubensbrüder zeigten, ist leicht verständlich. Welches waren die Werke, die eingebürgert wurden durch Mittler, deren Auswahl ihre Konfession, ihr Hochschulstudium und zeitweiser Hauptberuf, ihre pädagogischen Erfahrungen und Bildungsreisen mitbestimmt haben dürf- 210 Schon im 16. Jahrhundert hatten etwa Charles Estienne und Hervet an den Auslandsreisen ihrer Zöglinge teilgenommen. Im 17. Jahrhundert war dies beispielsweise bei Roger de Piles der Fall, im achtzehnten bei Boaton, Jean-Louis Bridel, Pierre Clément, Coste, Coupé, Coyer, Deyverdun, Guénée, Kilg, Pierre-Louis Le Roy, Le Scène-Desmaisons, Morellet u. a. 211 In der Hälfte aller Fälle war dies Deutschland, gefolgt von England und Italien. 212 Sehr gering dagegen war die Zahl derer, die Jura oder Medizin studiert hatten. 213 Sie übersetzten etwa ein Drittel der berücksichtigten Werke. 214 Bis zum Verbot des Ordens 1773. Hauslehrer und Erzieher 67 ten? Im 18. Jahrhundert stammten schon fast zwei Drittel der Originale aus der eigenen Epoche. Diese Schwerpunktbildung im Bereich zeitgenössischer Literatur mag überraschen angesichts der Tatsache, dass die für Zöglinge katholischer Schulen bestimmten Übersetzungsübungen ihren Akzent auf alte Sprachen setzten. Unter den Präzeptoren jedoch trugen die bei Reisen und Aufenthalten in fremden Sprachräumen gemachten Entdeckungen den Sieg davon über das Prestige der griechisch-römischen Antike. Folgte daraus ein deutlicher Unterschied zwischen dem Bildungshorizont der Eliten beider Konfessionen? Auf den journalistischen Übersetzern gewidmeten Seiten wurde schon erwähnt, welche Faktoren eine schnelle Einbürgerung fremder Texte erschwerten. Dennoch legten natürlich auch die Mittler dieses Kapitels Wert darauf, gerade bei zeitnahen Originalen die Übersetzung recht bald auf den Markt zu bringen. Fünfzehnmal geschah dies im Folgejahr, in zwanzig Fällen sogar noch in eben dem Jahr, in dem auch das Original publiziert worden war. Die Anziehungskraft von literarischen Neuheiten anderer Länder auf Präzeptoren zeigte sich, vor allem im 18. Jahrhundert, in recht verschiedenen Genres: von der Versdichtung bis hin zum Roman, über die Reiseschilderung oder die gelehrte Abhandlung, und nicht zuletzt in Schriften, in denen sich die Sicht fremder Länder auf politische Ereignisse in Frankreich und Europa spiegelte. 215 Das stetige Bemühen, Neues zu bieten, manifestierte sich seit Mitte des 16. Jahrhunderts auch in rund dreißig Übersetzungen (vor allem aus alten Sprachen) durch die explizite Titelankündigung einer «traduction nouvelle». Was die Verteilung übersetzter Texte auf übliche Buchkategorien betrifft, fiel der Löwenanteil an die belletristische Triade (Theater, Erzählprosa, Versdichtung). Erwähnenswert ist einmal mehr - angesichts zusätzlicher Widerstände, die gebundene Sprache jeder Übertragung entgegensetzt - eine auffällige Vorliebe für Verstexte. Nicht von ungefähr kündigt bei rund vierzig Publikationen schon der Titel ausdrücklich an, es handle sich um Übersetzungen in gebundener Sprache - Beleg für den Ehrgeiz der Pädagogen, gleich den Originalautoren voll als Poeten anerkannt zu werden. Zahlreicher als die Übersetzungen von Romanen und Reiseschilderungen waren die von Schriften religiöser Thematik. Allerdings gehörte nur jedes dritte Buch, das durch einen theologisch geschulten Präzeptor übertragen wurde, in die religiöse Sphäre. Insgesamt gesehen fanden sich alle Wissensgebiete, die als wichtig für die Bildung eines Honnête Homme galten, auf der Liste übersetzter Schriften: Neben Religion und Geschichtsschreibung finden sich dort die alten Sprachen und Literaturen (etwa die Ethiques, die Politique und 215 Vom Tridentiner Konzil (Hervet 1564) bis zur Französischen Revolution (Massieu 1790) über die «troubles d’Angleterre» (Bayle 1686, Dutens 1787) oder den Siebenjährigen Krieg (Arnex 1789). 68 Kapitel 8 die Economiques des Aristoteles), die Philosophie und Geographie, die Physik und die Mathematik. 216 Rund dreißig Übersetzungen gaben ihre pädagogische Zielsetzung schon im Titel zu erkennen. Sei es, dass sie Sammlungen von Fabeln, also des didaktischen Genres par excellence ankündigten (von Aesop, den Deutschen Lichtwer, Gellert und Lessing, oder eine Blütenlese von Apologues historiques). 217 Sei es, dass man Sammlungen von Maximen und «instructions aussi utiles que faciles à retenir» anbot (Aphorismen, «belles sentences» antiker Autoren, «propos moralisez»), die didaktische Dichtung Popes Essai sur l’homme oder Les Offices, die Cicero an seinen Sohn richtete, um ihm seine Pflichten vor Augen zu stellen. 218 Eine ganze Anzahl weiterer Titel betonte auf andere Weise den pädagogischen Gehalt des übersetzten Werkes. Etwa durch den Untertitel «ouvrage instructif» der Lettres de Mentor à un jeune seigneur, durch Formulierungen wie Institution du Prince chrétien oder eine Instruction pour le gouverneur du Prince Royal de Suède, die den Erziehern des Dauphin als Vorbild empfohlen wurde, oder De l’éducation des enfants, einen Recueil de voyages Campes «pour l’instruction et l’amusement de la jeunesse», seinen Nouveau Robinson «pour l’instruction et l’amusement des enfants», schließlich und endlich Livres de S. Augustin de la manière d’enseigner les principes de la religion oder eine Bibliothèque des dames «contenant des règles pour leur conduite». 219 In wieder anderen Fällen kündigten die Vorreden der Übersetzungen kurz und bündig «un guide», eine «leçon» oder «principes moraux» an oder ausführlicher «Règles générales pour [. . .] apprendre à se bien conduire dans toutes les circonstances de la vie», oder man versprach das Äquivalent eines «bon traité de morale». 220 Dominique Ricard, ein Plutarch-Übersetzer, legte Wert darauf, in den Vies des hommes illustres deren gute und schlechte Eigenschaften hervorzuheben. Accarias de Sérionne unterstrich in seiner Vorrede die «grande utilité» der übersetzten Texte, die zum Auswendiglernen geeignet seien, für «ceux qui sont chargés d’élever de jeunes gens» und ihnen «[l‘]amour pour la vertu» einzupflanzen. 221 Das Gesamtergebnis der vorstehenden Erhebung mag banal wirken: Präzeptoren blieben, meist erst nach dessen Ende, den Zielen ihres Erzieheramts auch als Übersetzer treu. Sorgfältig wählten sie, im Hinblick auf ihren 216 Übersetzungen von Aleaume, Chevreau, Goibaud, Antoine Le Maistre, Massieu, Moulines, Pluche. 217 Übersetzungen von Haudent 1547, Bielfeld 1757, Binninger 1782, Rauquil-Lieutaud 1790. - Folgendes Zitat: Boaton 1783, Préface. 218 Übersetzungen von Augé 1556, Haudent 1551, 1556, Accarias de Sérionne 1736, Claude- François-Xavier Millot 1761, Goibaud 1791, Coupé 1796. 219 Übersetzungen von Caraccioli 1776, Antoine-François Prévost 1764, Augé 1555, Paul- Henri Mallet 1756, Pierre Coste 1695, Arnex 1785, 1793, Goibaud 1678, Janiçon 1719. 220 Siehe etwa Übersetzungen von Goibaud 1678, Janiçon 1719, Binninger 1782 p. VII, Coupé 1796 p. 1. 221 Ricard 1798 p. XIII, Accarias de Sérionne ²1736, p. XIV s. Hauslehrer und Erzieher 69 Nutzwert für junge Seelen, die einer Einbürgerung für würdig gehaltenen Werke aus. Selbst im Bereich der Belletristik findet man nichts (oder fast nichts) 222 Zweideutiges, Unernstes, „Unmoralisches“. Man kann sich schwer vorstellen, ein Präzeptor hätte sich etwa zur Übertragung der Tragikomödie Der Hofmeister oder die Vorteile der Privaterziehung von Lenz entschlossen - eines Stücks zwar aus der eigenen beruflichen Sphäre, in dem jedoch der Präzeptor die Tochter seines Arbeitgebers schwängert und diese ihrerseits ihrem Verlobten untreu ist. Stattdessen wurden Mémoires pour servir à l’histoire de la vertu importiert oder Geschichten über die vertu récompensée. 223 Trotz ihres moralischen Rigorismus besteht kein Zweifel daran, dass diese kleine soziale Gruppe nicht unwesentlich dazu beitrug, in allen großen Bereichen des Wissens und der Literatur dem Denken der Aufklärung in anderen Ländern eine französische Stimme zu verleihen. 222 Erwähnt sei eine der seltenen Ausnahmen: Brébeufs Aeneide de Virgile en vers burlesques (1650). 223 Antoine-François Prévost 1762, Untertitel von Pamela ; Antoine-François Prévost 1742. 70 Kapitel 8 9 Buchhersteller, Buchhändler Bekanntlich konnten, zumindest im Normalfall, zu Zeiten des Ancien Régime weder Schriftsteller noch Übersetzer einzig mit Produkten ihrer Feder einen auskömmlichen Lebensunterhalt sicherstellen. Dazu brauchten sie zusätzlich ein zweites (oder gar drittes) Metier. Auf den ersten Blick scheint es für beide Spielarten der schreibenden Zunft nahezuliegen, dabei an jene benachbarten Berufsfelder zu denken, die man gemeinhin als «métiers du livre» zusammenfasst - also Drucker, Verleger und Buchhändler - wollten normale Textproduzenten sich doch gedruckt sehen und erhofften einen Absatz ihrer Bücher bei zahlreichen potentiellen Lesern. Der Drucker allerdings übte einen rein handwerklichen Beruf aus, und seine Tätigkeit beschränkte sich auf die reine Reproduktion. Er brauchte weder die Gabe, sich in den Autor eines Originaltextes zu versetzen, noch jene Prise von schöpferischer Sensibilität und Einfallsreichtum, auf die der gute Sprachmittler schwerlich verzichten kann. Verleger und Buchhändler wiederum waren Geschäftsleute, denen einzig die Finanzierung und Organisation des Drucks sowie der Vertrieb des Fertigprodukts anheimfiel. So gesehen scheint die Vorstellung recht abwegig, jene Büchermacher und Buchverkäufer könnten oft eine natürliche Neigung zum Übersetzen entwickelt haben. Entgegen dieser Erwartung zeigt sich jedoch, dass wieder einmal die Suche nach der Kombination zweier Tätigkeiten durchaus lohnt, die auf den ersten Blick schwer zu verbinden schienen. Denn vom zweiten Viertel des sechzehnten Jahrhunderts bis zum Beginn des neunzehnten übertrugen fünf Dutzend Vertreter der drei erwähnten Buchberufe - die man oft zugleich ausübte 224 - rund zweihundertdreißig Werke von teils vier, fünf oder sechs Bänden Umfang 225 ins Französische. 226 Das entspricht 3,8 Werken pro Person, ein Mittelwert, der klar über dem der Übersetzer-Gesamtheit und dem einiger ihrer wichtigen Fraktionen liegt. Zwar begnügte sich ein Drittel der Übersetzer aus Buchberufen mit einer einzigen Übertragung. Doch andererseits waren unter den produktivsten von ihnen mehrere, die über zwanzig Werke einbürgerten, 227 und Frédéric Morel der Jüngere kam sogar auf die Rekordsumme von zweiunddreißig. In rund dreißig Fällen publizierte ein und dieselbe Person binnen eines Jahres mehrere Werke - manchmal vier, fünf oder sechs. Nicolas de Bonneville 224 Fast die Hälfte der Übersetzer unserer Erhebung bezeichnete sich als imprimeur, ein wenig öfter als imprimeur-libraire oder éditeur-libraire. Erst ab dem 18. Jahrhundert bürgerte sich libraire als alleinige Berufsbezeichnung ein. 225 Siehe etwa Jansen 1778, Lottin 1790, Cramer 1798 (je 4 Bände); Lemierre d’Argy 1815 (5 Bände); Luzac 1772, Théodore-Pierre Bertin 1810 (je 6 Bände). 226 Nur in Einzelfällen wurde auch in Fremdsprachen übertragen. 227 Théodore-Pierre Bertin, Nicolas de Bonneville, Hendrik Jansen. kam einmal sogar auf die recht stattliche Zahl von jährlich neun Theaterstücken. Solche Beispiele verdeutlichen, dass die Anführer der Rangliste ihre meiste Zeit mit Übersetzen verbracht haben dürften, bei ihnen also kaum mehr von einer nur nebenberuflichen Tätigkeit gesprochen werden kann. Auf den ersten Blick könnte man vermuten, die genannten Rekord- und Durchschnittszahlen seien das Resultat eines besonders starken Bestrebens gewesen, schnellstmöglich viele Neuheiten des ausländischen Buchmarkts zu importieren. Doch meistens interessierten sich die Büchermacher und Buchverkäufer recht wenig (weit seltener etwa als übersetzende Journalisten des 18. Jahrhunderts) für die literarische Aktualität anderer Kulturkreise. Nur jede zwölfte ihrer Übersetzungen erschien im Jahr nach der Originalausgabe, noch vereinzelter war eine Publikation im selben Jahr. 228 Wieweit waren die Hunderte hier analysierter Einfuhren für Druckerei oder Laden ihres Übersetzers während jener Perioden bestimmt, in denen ihm nicht genügend andere geeignete Manuskripte zur Verfügung standen? Das war der Fall für je zwei von fünf Werken. Es hatte den Nutzeffekt, das Import-Verfahren zu vereinfachen und sich den üblichen Umweg über weitere Beteiligte zu sparen. Als Selbstübersetzer verloren Drucker oder Verlagsbuchhändler keine Zeit damit, den Wert fremder Manuskripte zu prüfen, sie brauchten keinen Partner für die Kalkulation der Druckkosten, die Übernahme des Vertriebs und des Absatzrisikos. Was die verbleibenden drei Fünftel importierter Werke angeht, bei denen die Übersetzer im Auftrag von Kollegen arbeiteten, durften letztere dem Urteil eines Fachmanns vertrauen, was die Absatzchancen eines Vorhabens anging. Unter den aktivsten Übersetzern der Gruppe waren einige, deren Übertragungen vor allem zum Eigenverkauf bestimmt waren, wie die von Frédéric Morel dem Jüngeren im späten sechzehnten und frühen siebzehnten Jahrhundert, oder die von Charles-Frédéric Cramer nach 1795. Andere arbeiteten durchgängig nur für Kollegen, wie etwa Nicolas de Bonneville im 18. Jahrhundert. Die Doppelrolle führte gelegentlich dazu, dass die Vorrede einer Übertragung abrupt in den falschen Part verfiel. So wenn Hendrik Jansen, in seiner «Préface du Traducteur», ein Loblied anstimmte nicht nur über die Vorzüge des vorgestellten Textes, sondern auch über mehrere andere Werke «que nous nous proposons de publier». 229 Er vergaß also, dass er hier weniger als Verleger denn als Übersetzer auftreten wollte. Aus welchen Sprachen stammten die Originale, die unsere janusköpfigen Importeure überzeugten von ihrer Eignung für ein Zweitpublikum des eigenen Kulturkreises? Im 16. Jahrhundert lagen die alten Sprachen an der Spitze, mit fast zwei Dritteln der übersetzten Werke. Dieser Anteil sollte in 228 Im selben Jahr wie das Original erschienen nur die Übersetzungen von Edoard (1553), Jennis (1616), Zetter (1617), Bonneville (1781, 1784, 1785), Heinzmann (1797) und Couret de Villeneuve (1798). 229 Lettres familières de Winckelmann, sur divers sujets, Paris: Couturier 1781, p. VIII. 72 Kapitel 9 den folgenden Jahrhunderten schnell schrumpfen auf weniger als ein Drittel im siebzehnten und nur noch ein Zehntel im achtzehnten. Anders gesagt: In ihrer großen Mehrheit waren diese Handwerker und Händler, vor allem zur Zeit der Renaissance, gelehrte Leute und verfügten über eine solide Ausbildung in den antiken Sprachen und Kulturen. Erwähnen wir nur wenige Beispiele: Von Cianeus wissen wir, dass er im 16. Jahrhundert eine gründliche humanistische Schulung genossen hatte, ebenso wie Charles Estienne und Frédéric Morel der Jüngere. Couret de Villeneuve und Cramer waren sogar eine Zeitlang als Professoren tätig. Ein Halbdutzend ihrer Kollegen hatte erfolgreich juristische Studien abgeschlossen, 230 Charles Estienne und Guéroult ein Medizinstudium, Cramer seine Theologie. In manchen Fällen wurden Bildungsgang oder andere berufliche Aktivitäten des Übersetzers deutlich spürbar bei seiner Werkauswahl. So übertrug Robert III Estienne, der zeitweise als Advokat plädierte, die Rhétorique des Aristoteles. Lesfargues, auch er vorübergehend Advokat, nahm sich die Controverses von Seneca Rhetor vor sowie die Reden Ciceros gegen Verres, beides antike Musterbeispiele juristischer Beredsamkeit. Frédéric Morel der Jüngere, Professor der Beredsamkeit, bürgerte ein reichliches Dutzend von Discours und Sermons, ein Plaidoyé und ein Panégyrique ein. Insgesamt allerdings waren solche Affinitäten zwischen Ausbildung oder zeitweiser Tätigkeit in akademischen Berufen einerseits, übersetzerischen Vorlieben andererseits recht selten. Was bei der Auswahl weit mehr zählte, war offenbar die Verkäuflichkeit der Importe. Kehren wir kurz zu den Ausgangssprachen zurück. Was die lebenden Sprachen angeht, sind für das 16. Jahrhundert einige wenige Übersetzungen aus dem Italienischen und Spanischen zu verzeichnen. Im achtzehnten Jahrhundert dagegen dominierten klar Importe aus dem Englischen und Deutschen. Das Deutsche rückte wohl sogar auf den ersten Rang vor, eine im vielzitierten Zeitalter allgemeiner «anglomanie» Frankreichs recht unerwartete Feststellung. Deutet sich hier ein Zusammenhang an zwischen Wohn- und Geschäftsort der Mittler einerseits und andererseits der leichteren Erreichbarkeit eines sprachlich-literarischen Raums, dessen Produkte es vorzustellen galt, auf dem Landweg? Unter diesem Gesichtspunkt war England gegenüber literarischen Zentren des Festlands benachteiligt. Spielte dieser Faktor eine stärkere Rolle gerade bei einem Mittlertyp, für den Kostenkalkulation zum Alltagsgeschäft gehörte? Jean des Tournes, Louis Garon und François Grasset arbeiteten in Genf, Lausanne, Lyon und übersetzten aus dem Italienischen. Lucas Jennis, Jacob von Zetter, Johann Peter Zubrodt und Conrad Salomon Walther übertrugen aus dem Deutschen und hatten ihre Offizin oder ihren Laden in Frankfurt oder Dresden. Hendrik Jansen war Buchhändler in Den Haag und übersetzte aus dem Deutschen wie dem Niederländischen. Für einen drei Jahrhunderte umfassenden Gesamt- 230 Crespin, Lesfargues, Wapy, Bonneville, Luzac, Née de la Rochelle. Buchhersteller, Buchhändler 73 zeitraum ergeben die Beiträge der Genannten allerdings nur einen recht bescheidenen Anteil. Die reichliche Hälfte ihrer Kollegen aber lebte und arbeitete in Paris, dem Produktionszentrum ihrer Ware. Wie oft hatte man sich mit Ausgangssprachen der übertragenen nachantiken Originale vertraut machen können auf Reisen oder bei Aufenthalten im betreffenden Land? Bonneville, Übersetzer von vier englischen Werken, hatte England bereist. Der Shakespeare-Übersetzer Buffardin war von den Engländern deportiert worden. Cramer und Heinzmann waren eingewanderte Deutsche und Übersetzer aus ihrer Muttersprache. Aber einmal mehr handelte es sich hier um eher isolierte Fälle eines beruflichen Milieus, das nach dem 16. Jahrhundert überwiegend durch Sesshaftigkeit geprägt war. Was ihre Sprachenkompetenz betrifft, waren die meisten Übersetzer aus Buchberufen nicht nur zweisprachig. Denn jeder zweite übersetzte aus zwei, jeder fünfte sogar aus drei Fremdsprachen. Soweit man aus biographischen Repertorien für das Buchgewerbe auf Zugehörigkeit zu einer Konfession schließen kann - eine gerade in französischen Handbüchern eher seltene Information - liegen Hugenotten auf Rang eins der recht lückenhaften Statistik. 231 Hatte die kalvinistische Doktrin Auswirkungen auf das Schaffen des Übersetzertyps, besonders was thematische Schwerpunkte seiner Textauswahl betrifft? Zumindest für das 16. Jahrhundert sind solche Auswirkungen unübersehbar. Vor allem in Genf, dem Ursprung und Zentrum des Kalvinismus, übersetzten und verlegten Hugenotten: das Neue Testament oder die gesamte Bibel, die Psalmen, ein Versepos und eine Tragödie mit religiöser Thematik, eine bissige Satire gegen die Katholiken wie L’Alcoran des Cordeliers, einen detaillierten Bericht über das Massaker von 1562, dessen Opfer hugenottische Glaubensbrüder in Toulouse geworden waren. Selbst bei Werken der heidnischen Antike schlug man gern die Brücke zur christlichen Religion. So betonte Guillaume Guéroult 1550, in der Vorrede seiner Sentences de Marc Tulle Cicéron, «nous auons trouué bon d’adiouster les sentences qui semblent mieux approcher à la religion chrestienne», und er eröffnete seine Sammlung mit Sentenzen «De Dieu & de la Nature d’iceluy». Das verlegerische Engagement jener hugenottischen Importeure für die Sache der Reformation erlosch jedoch seit Beginn des 17. Jahrhunderts. Selbst nach Widerruf des Toleranzedikts von Nantes sollten sie nicht mehr in die Debatte um religiöse Themen eingreifen. Ihr schneller Interesseschwund am Religiösen mag ein Indiz dafür sein, dass sie - mit kalvinistisch geprägtem Geschäftssinn - ein feineres Gespür hatten als viele ihrer katholischen Kollegen für den sich abzeichnenden Trend des Buchmarkts hin zu weltlichen Themen und neuen Wissensgebieten, in die es nun verstärkt Kapital und Arbeit zu investieren galt. Innerhalb des weltlichen Bereichs gab es gegenüber anderen Übersetzertypen kaum auffällige Abwei- 231 Etwa Badius, Jean-Frédéric Bernard, Cramer, Crespin, Robert I Estienne, Guéroult, Luzac, Saugrain, Tournes. 74 Kapitel 9 chungen. Auf dem einstigen Spitzenrang religiöser Literatur etablierte sich bis zum 18. Jahrhundert vor allem die Belletristik (besonders Theaterstücke, Romane und Novellen). Unnötig zu betonen, dass dann auch die Zahl anderer Kategorien und Themen deutlich anstieg, von der Stenographie bis zu den Kinderspielen, vom Stillen der Kleinkinder bis zur Gedanken- und Pressefreiheit, den Künsten, der Arithmetik und den vielen Periodika. Mit Ausnahme der erwähnten chronologischen Verlagerung des Schwerpunkts von der religiösen zur weltlichen Sphäre entspricht die Skala der Genres und Themenkreise annähernd der des Buchmarkts als Ganzes: Belletristik, Historiographie, Medizin, Religiöses, Reisebeschreibungen und Geographie, Ästhetik, politische Theorie usw. Eine kurze Bilanz: Entgegen der Erwartung wurden die Tätigkeiten des Druckers, Verlegers und Buchhändlers einerseits, des Übersetzers andererseits durchaus in Personalunion ausgeübt. Über drei Jahrhunderte hin war nicht selten das Wirken dessen, der fremdsprachige Originale ins Französische transponierte, durch die Aktivitäten dessen abgerundet, der die Manuskripte vervielfältigte und unter die Leute brachte. Hatte doch solch wechselseitige Ergänzung unübersehbare Vorteile. Verglichen mit der Gesamtheit der Übersetzer 232 oder Kombinationen mit anderen Berufsständen war die Gruppe zwar zahlenmäßig relativ klein, übersetzerisch aber besonders aktiv. Wie ein Vergleich etwa mit der Gesamtheit kalvinistischer Emigranten im 18. Jahrhundert zeigen wird, unterschied sie sich in ihrer Textauswahl nicht unwesentlich von sonstigen Spielarten hugenottischer Mittler. 232 Siehe dazu in Fritz Nies, Schnittpunkt Frankreich, loc. cit. [Anm. 8], die Liste „Übersetzer (und Pseudo-Übersetzer) ins Französische“ p. 222-254. Manche der dort verzeichneten Daten wurden inzwischen aktualisiert. Buchhersteller, Buchhändler 75 10 Entlastete Damen Lässt dieses Kapitel eine jener zahlreichen Gender Studies erwarten, deren Gesamtergebnis von vornherein absehbar scheint? Denn vom Hier und Jetzt aus gesehen könnte der Schluss naheliegen, das Bücher-Übersetzen sei, ähnlich wie heutzutage, eine seit je überwiegend weibliche Aktivität gewesen. 233 Gilt sie doch, aus Sicht einer originalitätssüchtigen Moderne, als eher anspruchslose Nachahmung echt literarischer Tätigkeit. Denn das Gütesiegel vorbildlicher Schöpferkraft scheint ihr zu fehlen. Aus herkömmlicher Männer-Perspektive mochte sie so dem „schwachen“ Geschlecht am ehesten überlassen bleiben. Ein Rückblick in zeitliche und räumliche Ferne würde indes auf Verfechter dieser These wohl frustrierend wirken. Im Französischen fehlten nämlich Belege für das Femininum traductrice über ein halbes Jahrtausend hin ganz und sollten auch danach lange vereinzelt bleiben: Auf einen Hapax bei Guez de Balzac (vor 1651) 234 folgte erst 1720 ein zweiter Beleg im Journal des Sçavans. Dort wurde das Femininum in einer Lobrede auf Anne Dacier verwandt, mit der ausdrücklichen Einschränkung «s’il est permis de hazarder ce terme». Später nutzte es Voltaire erneut zu einem Kompliment an dieselbe Dame, mit dem er sie galant zum staunenswerten Einzelfall erhob: Madame, sans vouloir troubler la paix de votre ménage, je vous dirai que je vous estime et vous respecte encore plus que votre mari; car il n’est pas le seul traducteur et commentateur; et vous êtes la seule traductrice et commentatrice. 235 Kurz, über viele Jahrhunderte hin verspürte die französische Sprachgemeinschaft wenig Drang, den spezifisch weiblichen Beitrag am Literatur- und Wissenstransfer unmissverständlich zu benennen. Noch bis zu den zwanziger Jahren des 19. Jahrhunderts sollten sich Übersetzerinnen selbst, auf dem Titelblatt oder im Vorwort, dutzendfach als traducteur, aber kaum einmal als traductrice bezeichnen - Ausdruck geringen weiblichen Selbstwertgefühls oder des Anspruchs auf Gleichrangigkeit mit typisch männlicher Leistung? Mangelndes Vertrauen in gerechte Anerkennung weiblicher Mittlerdienste dürfte sich auch darin spiegeln, dass bei zwei Fünfteln aller einschlägigen Druckwerke über Jahrhunderte hin der Name einer Garantin für die Über- 233 Im Übersetzer-Verzeichnis 1982/ 83 des „Verbands deutscher Übersetzer Wissenschaftlicher und Literarischer Werke“ betrug der Anteil von Frauen 62 % (nach Cornelia Lauber, Selbstporträts: Zum soziologischen Profil von Literaturübersetzern aus dem Französischen, Tübingen 1996, p. 16; cf. auch ib. p. 79) 234 Nach W. von Wartburg, Französisches etymologisches Wörterbuch Bd. 13/ 2, 154 a. 235 Beide Belege bei Bruno Garnier, „Anne Dacier“, note 2, in Jean Delisle (ed.), Portraits de Traductrices, Arras 2002. Das Voltaire-Zitat sollten auch die vielzitierten Referenzwerke französischer Lexikographen Bescherelle 1850 und Emile Littré 1863-72 übernehmen. tragungsqualität ganz fehlte oder schamhaft durch bloße Initialen bzw. Umschreibungen angedeutet war, oder wenn die Übersetzerin vereinzelt sogar unter dem Namen ihres Ehemanns firmierte. 236 Natürlich lässt sich einwenden, verständliche Leerstellen im Bereich der Benennungsgeschichte müssten nicht zwingend faktische Anteile der Geschlechter am Transfer spiegeln. In der Tat war Anne Dacier weder die erste noch die zu damaliger Zeit einzige Übersetzerin ins Französische. Die Reihe ihrer Vorläuferinnen begann schon um 1180-90 mit Marie de France, und deren Vorbild sollte im 16. Jahrhundert ein halbes Dutzend teils literarisch namhafter Geschlechtsgenossinnen nachfolgen. Allerdings sollten die Zahlen der pro Dekade eingebürgerten Titel aus weiblicher Feder bis Mitte des 18. Jahrhunderts im einstelligen Bereich bleiben. Erst ab dann vervielfachte sich deren Anzahl, und im Zeitraum 1750-1829 erschienen 81 % der hier insgesamt erfassten 270 Titel von 97 identifizierten Übersetzerinnen. 237 Das war zwar noch immer nur ein kleiner Bruchteil der männlichen Produktion und ist als Arbeitsgrundlage, verglichen mit manchen Übersetzertypen des andern Geschlechts, 238 recht schmal. Doch sie mag hinreichen zumindest für vorläufige quantitative Näherungswerte. Der erste von ihnen gilt dem Gesamtertrag pro Person. Er liegt, mit durchschnittlich rund zweieinhalb eingebürgerten Werken, nahe beim Mittelwert sämtlicher Übertragungen. 239 Doch auch er ist, verglichen mit dem einiger dominanter männlicher Übersetzertypen, eher bescheiden. Im Folgenden soll versucht werden, nicht ausschließlich auf das Frausein als soziales Merkmal zu starren. Welche weiteren Charakteristika lassen sich also Übersetzerinnen zuordnen, deren sozio-biographische Daten erschließbar sind? 240 Ihre Zugehörigkeit, sei es durch Herkunft oder Heirat, zur relativ schmalen Standeselite des Adels oszilliert zwischen der reichlichen Hälfte und (falls man die sogenannte «particule nobiliaire» de teilweise als Indiz akzeptiert), drei Vierteln der Personenzahl. Die Spannbreite reicht dabei von den Spitzen des Hochadels 241 über die «noblesse titrée» bis hinab in Niederungen des Kleinadels. Auffallend ist dabei innerhalb des niederen Adels ein Schwerpunkt durch zwei Dutzend Inhaberinnen des bescheidenen Titels 236 So noch bei Guizot 1821. 237 Dazu kommen 28 identifizierte oder vermutliche Pseudo-Übersetzungen. Ihre Beachtung lohnt insoweit, als sie Charakteristika echter Übertagungen nachahmten und Rückschlüsse auf diese erlauben. 238 Etwa der in früheren Kapiteln betrachteten Kleriker, Juristen, Berufs-Sekretäre, Militärs, Hauslehrer. 239 Genauer 2,9 (bzw. 2,4 - nach Abzug des Extremwerts von 40 Titeln der Vielübersetzerin Jeanne-Isabelle de Montolieu). 240 Um den Aufwand angesichts der großen Personenzahl beherrschbar zu halten, war im Normalfall eine Beschränkung auf gängige biographische Repertorien notwendig. 241 Eine Königin von Preußen, eine Kurfürstin von Sachsen, zwei Herzoginnen. - Zum Folgenden: Baronne (4 x), Comtesse (5 x), Marquise (4 x). 78 Kapitel 10 dame (de). Was das Lebensalter angeht, in dem die Übertragungen entstanden, liegt der statistische Mittelwert in deren Erscheinungsjahr bei 47,2 Jahren. 242 Anders gesagt: Die Transfer-Tätigkeit fiel meist erst in eine Lebensphase, die vermutlich von Belastungen durch Schwangerschaften und teils zahlreiche Geburten 243 bereits befreit war. Dazu kamen nicht selten weitere Entlastungs- Faktoren: Mindestens ein reichliches halbes Hundert Publikationen stammte von Übersetzerinnen im Witwenstand. Einige weitere waren noch unverheiratet oder blieben es auf Dauer. 244 Andere waren geschieden, lebten von ihrem Ehemann legal oder faktisch getrennt. Wieder andere gehörten kollektiven religiösen Frauengemeinschaften an (Kloster, Damenstift). 245 Sie alle hatten gemeinsam, dass sie von ehelichen (und den daraus folgenden gesellschaftlichen) Verpflichtungen entbunden waren. Wieweit dadurch ihr Alltag monotoner ausfiel und sie so ermuntert wurden zum Übersetzen als (para)literarischem, auch mit adligem Lebensstil vereinbaren Zeitvertreib, bliebe am Einzelfall zu prüfen. Doch gelegentlich wurde die Mittler-Aktivität auch mit ausgelöst von der bedrängten wirtschaftlichen Lage von (teils verwitweten) Übersetzerinnen. 246 Analysieren wir die Verfahrensweise übersetzender Frauen und ihre Produktpalette. Ein (schon erwähnter) sprunghafter Anstieg der Titelzahl während der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts bedeutete keinen deutlichen Zuwachs des weiblichen Anteils am Austausch. Ist doch die Publikationskurve nicht geschlechtstypisch: Sie ähnelt, auf niederem Niveau, stark derjenigen männlicher Mittlergruppen sowie der Gesamtheit eingebürgerter Werke. 247 Unterschiedlich ist der Kurvenverlauf einzig in der Revolutionsdekade und im Premier Empire. Innerhalb dieses Zeitraums fällt die Gesamt- Frequenzkurve der Importe steil ab, die Kurve der - vom politischen und kriegerischen Geschehen offenbar weniger belasteten - Übersetzerinnen hält sich dagegen auf hohem Niveau. So hatten Frauen offenbar ein überpropor- 242 Basis: 203 Titel. 243 Nur einige Beispiele: die sächsische Kurfürstin Maria Antonia Walpurgis hatte neun Kinder, Jeanne-Marie Guyon du Chesnoy fünf, Emilie du Châtelet und Germaine de Staël je vier. 244 Etwa Anne Parent, Catherine des Roches, Marie de Gournay, Marie-Jeanne L’Héritier de Villandon. - Zum Folgenden etwa: Hélisenne de Crenne, Louise de Rivarol, Jeanne- Louise Campan, Germaine de Staël, Elisabeth Christine von Preußen, Marie-Jeanne Riccoboni, Madeleine-Elisabeth de Bon. 245 Etwa Marie de France (? ), Françoise Oudeau, Louise-Marie Chastenay de Lenty, Marie- Elisabeth de Polier, Marie-Eléonore de Rohan, Marie-Madeleine de Rochechouart- Mortemart, Julienne Morell, Mademoiselle de Bazincourt. 246 Etwa Marie-Sophie de Grouchy-Condorcet, Louise de Rivarol, Cornélie-Pétrouille Wouters de Vasse, Félicité Brissot de Warville, Octavie Belot/ Durey de Meynières, Marie-Jeanne L’Héritier de Villandon. 247 Siehe dazu die Frequenzkurve in Fritz Nies, Schnittpunkt Frankreich, loc. cit. [Anm. 8], p. 7; zur beschränkten Aussagekraft aufgrund der Quellenlage cf. ib. Anm. 1. Entlastete Damen 79 tionales Verdienst daran, dass in einer Zeit innerer wie äußerer Wirren und Blockaden die Wissensbzw. Literaturzufuhr nicht ganz versiegte. Weitere Abweichungen ergeben sich aus Feinanalysen des Zahlenmaterials. Beginnen wir mit dem Anteil einzelner Ausgangssprachen. Frauen beschränkten sich, aus noch zu klärenden Beweggründen, zu 90 % auf Übertragungen aus einer einzigen Sprache. Dass dabei seit der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts englische Originale mit 52 % den Löwenanteil ausmachten, in weitem Abstand gefolgt von deutschen Texten mit einem reichlichen Viertel; dass Italienisch und Spanisch dagegen klar abfielen, entspricht weitgehend den von männlichen Übersetzertypen vertrauten Erwartungen. Eher überraschend indes ist der dritte Rang alter Sprachen mit reichlich 15 % und klarem Schwerpunkt auf einer bis 1769 reichenden Frühphase. Blieb doch die Universität, als dominante Institution für den Erwerb und Gebrauch von Kenntnissen antiker Idiome, Angehörigen des weiblichen Geschlechts noch prinzipiell versperrt. 248 Wie also schufen diese die sprachlichen Grundlagen für ihre translatorischen Aktivitäten? Anne Dacier wurde von ihrem Vater, «professeur en la langue grecque», in die Sprachen der griechisch-römischen Antike eingeführt, ähnlich wie später Gabrielle-Emilie du Châtelet. Manche ihrer Geschlechtsgenossinnen wurden in einem Kloster erzogen, 249 standen ihm gar als Äbtissin vor, 250 waren einfache Ordensschwester oder «pensionnaire du roi» in einer Abtei. Marie de Gournay brachte sich Griechisch und Latein als Autodidaktin bei, indem sie Originale mit vorhandenen Übersetzungen verglich. Von Jeanne de Montégut-Ségla berichtete der Sohn, als Herausgeber ihrer postum erschienenen Schriften: 251 Elle apprit d’elle-même, & sans maître, [. . .] l’Italien, l’Espagnol. [. . .] Elle s’amusa à lire les livres Latins qu’elle voyoit entre mes mains; elle assistoit aux leçons qu’on me donnoit [. . .]. Ma mère apprit l’Anglois avec la même facilité que le Latin; elle avoit déjà quelque connoissance du Grec, lorsque le mauvais état de sa santé la força de l’abandonner. (p. V-XI) Ähnlich dieser so lernbegierigen wie sprachbegabten Mutter mag auch manch andere von der Erziehung ihrer Söhne durch Hauslehrer profitiert haben. Was die Aneignung von Kenntnissen lebender Fremdsprachen angeht, waren Frauen gegenüber Männern gleichfalls benachteiligt. Beruflich begründete Aufenthalte in fremden Sprachräumen schieden für sie aus. Für lange und riskante Auslandsreisen stand ihnen nur die Kutsche, nicht aber 248 Eine seltene Ausnahme war die Nonne Julienne Morell, die im Alter von vier Jahren Latein zu erlernen begann und in Avignon als erste Frau einen Doktorgrad der Rechte erwerben sollte. 249 Jeanne-Bouvier de Guyon; Mademoiselle de Bazincourt; Julienne Morell. 250 Marie de France (? ), Marie-Madeleine Feuillet, Marie-Eléonore de Rohan, Marie- Madeleine de Rochechouart-Mortemart. 251 OEuvres mêlées, 1768, Préface. 80 Kapitel 10 das Reitpferd zur Verfügung. Erwartungsgemäß waren so nicht wenige Übersetzerinnen im Gebiet der gewählten Ausgangssprache geboren, 252 andere wurden dort erzogen oder heirateten einen Sprecher dieses Idioms, 253 waren längere Jahre im betreffenden Land zu Hause. Ganz vereinzelt kamen sie mit dem fremden Sprachraum nur als Reisende in Kontakt. 254 Wie war es um den Aktualitätsgrad weiblicher Übertragungen bestellt? In einer gegen Mitte des 18. Jahrhunderts endenden Frühphase stammten nur wenige eingebürgerte Originale aus demselben Jahrhundert, in dem die Übersetzerin lebte (was die beachtliche Rolle antiker Ausgangssprachen bereits vermuten ließ). Danach stieg der Anteil zeitnaher Originale sprunghaft an auf rund drei Viertel aller Importe. Im achtzehnten Jahrhundert und dem ersten Drittel des neunzehnten erschienen reichlich zwei Dutzend Übersetzungen noch im selben Jahr wie deren Original, siebzehn weitere im Folgejahr. Hinsichtlich der Importgeschwindigkeit verdient auch Erwähnung, dass während des genannten Zeitraums zwei dutzendmal innerhalb eines Jahres zwei Übersetzungen aus derselben Feder erschienen, in zehn weiteren Fällen drei. 255 Damit kam eine Reihe von Übersetzerinnen offenbar steigender Nachfrage nach frischem Lesefutter aus fremden Landen entgegen. So ist es kaum verwunderlich, wenn im achtzehnten und frühen neunzehnten Jahrhundert Übersetzerinnen in reichlich drei Dutzend von Fällen ungeniert eingestanden, mit ihrem Original recht frei umgegangen zu sein. Lassen sich Vorlieben für oder Abneigung gegen bestimmte literarische Genres oder Themenbereiche erkennen? Auffallend ist, bei den literarischen ‚Grundgattungen‘ im engeren Sinn, ein eher schwaches Interesse am Theater. Es setzte erst spät ein mit Anne Dacier und sollte insgesamt nur zwei Dutzend Übertragungen, besonders von Komödien, zur Folge haben. Dagegen brachten es Spielarten der Versdichtung (Epos, Lyrik) auf fast das Doppelte. Der Löwenanteil indes entfiel, mit 54 % des Gesamtaufkommens und einer Hochblüte zwischen 1780 und 1829, auf Romane und kürzere Spielarten fiktionaler Erzählprosa. Werke einiger weiterer Buchsparten verdienen, ungeachtet geringer Anteile, insofern Erwähnung, als eine Bearbeitung solcher Wissensgebiete durch Frauen noch höchst ungewöhnlich schien. So vermerkte eine «Préface historique» anlässlich der Einbürgerung von 252 Jeanne-Eléonore de Cérenville, Königin Elisabeth Christine von Preußen, Madame Faber, Marie-Elisabeth de Lafite, Louise de Rivarol. - Zum Folgenden: Albine-Hortense Cornu. 253 Cornélie-Pétrouille de Vasse. - Zum Folgenden: Françoise-Albine de Benoist, Félicité Brissot de Warville, Marie de France, Marie-Joséphine de Monbart, Marie-Elisabeth de Polier. 254 Marie-Anne dame Du Bocage, Germaine de Staël. 255 Dreimal waren es sogar vier Titel (Matné de Morville 1771, Cornélie-Pétrouille de Vasse 1784, Jeanne-Isabelle de Montolieu 1812), einmal fünf (Fanny Collet 1821). Entlastete Damen 81 Newtons Principes mathématiques de la philosophie naturelle durch Madame du Châtelet: Cette traduction que les plus savans Hommes de France devoient faire [. . .], une femme l’a entreprise & achevée à l’étonnement & à la gloire de son pays [. . .] ç’eut été beaucoup pour une femme de sçavoir la Géométrie ordinaire . . . (1759, p. V) Im «Avertissement» ihrer Version von Humes Histoire d’Angleterre, contenant la maison de Tudor räumte Octavie Durey de Meynières ein, die «majesté de l’Histoire» gehöre normalerweise nicht zu den «sujets d’étude familiers aux femmes». 256 Und in seiner Vorbemerkung zur französischen Fassung von Montagues Histoire du gouvernement des anciennes Républiques stellte ein Überarbeiter seine Übersetzerin, mit Ausnahme von Stilfragen, den Männern gleich: «[Elle] ne tient à son sexe que par les graces simples & touchantes». Solche Kommentare lenken den Blick auf eine Reihe weiterer Übertragungen durch Frauen, besonders des 18. Jahrhunderts, aus den genannten Wissenschaften. Gut vertreten ist die Historiographie; 257 ähnliches gilt von Naturwissenschaften (Chemie, Physik, Astronomie, Pharmazie, Osteologie, Physiognomik) und Medizin. Erwähnen wir als Beispiel nur Observation de la longitude héliocentrique du noeud de Mars, faite en Décembre 1783, in der Übertragung von Claudine de Morveau im Journal des Sçavans (Juin 1787, p. 443). Im Vor- und Umfeld der Revolution wurden diese selteneren Arbeitsgebiete ergänzt durch Einbürgerung einer Reihe gesellschaftskritischer und politischer Schriften aus England. 258 Kommen wir zu der doppelten Frage, welche Interessenten die Übersetzerinnen mit ihren Importen erreichen wollten, und in wieweit dabei die Geschlechterdifferenz eine Rolle spielte. Ein Teil der vieldutzendfach vorhandenen und schon mehrfach zitierten Paratexte (Widmungsbriefe, Vorreden) verspricht, bei der Beantwortung hilfreich zu sein. Trotzte doch etwa Jeanne-Isabelle de Montolieu den Kritikern ihrer Originalautorin mit dem Satz «Madame Caroline Pichler est une femme aussi, cela seul me donnerait le désir de la défendre». 259 Marie-Jeanne L’Héritier de Villandon nannte als Auftraggeber «deux dames aussi distinguées par leur mérite que par leur rang». Unter den Adressaten von Widmungsbriefen, fast durchgehend 256 1768, Bd. III, p. II. - Folgendes Zitat: Le Geai d’Ourxigné 1769, Avertissement. 257 Etwa Belot 1763-66, Dacier 1695, Du Bocage 1759, Lafite 1773, Robert 1782-84, Saint- Martin 1685, Thiroux d’Arconville 1782, Vasse 1785, Zoutelandt 1709. - Zum Folgenden etwa: Alyon 1810, Lafite 1781, Guibert 1803, Claudine Guyton de Morveau 1785, viermal Thiroux d’Arconville 1759, Zoutelandt 1730. 258 Etwa von Félicité Brissot de Warville 1786, Marie-Louise Grouchy-Condorcet 1791, Louise de Rivarol 1791, 1796, Louise-Félicité Robert 1788. Einzelbelege weiterer Buchsparten wie Reiseschilderungen ließen sich hinzufügen (Montolieu 1818, Louise-Félicité Robert 1785, 1809). 259 Agathoclès 3 1817, Préface du Traducteur p. 6. - Folgendes Zitat: Les épitres héroïques d’Ovide, 1732, Avertissement p. IX. 82 Kapitel 10 Persönlichkeiten von Rang, finden sich viele hochadlige Damen, 260 erst im frühen 19. Jahrhundert neben dem eigenen Sohn auch Schwester, Nichte, Freundin oder Originalautorin der jeweiligen Übersetzerin. Nun zu Hinweisen auf die nachgeordnete eigentliche Zielgruppe: Marie de France umschrieb sie noch geschlechterneutral mit «laïe genz»; Anne Dacier wollte «Monseigneur le Dauphin», aber darüber hinaus «tout le monde» und speziell den «jeunes gens» die Lektüre antiker Dichtung erleichtern. Doch sie sprach auch schon gezielt Angehörige ihres «Sexe aimable, [. . .] charmant» an. Im 18. Jahrhundert sollten ihre Nachfolgerinnen keineswegs häufiger das eigene Geschlecht apostrophieren. Wenn sie nicht unterschiedslos «tous les lecteurs» anvisierten oder «Gens de Lettres» und «Gens de bien», waren es «les enfans» und «la jeunesse». Nur vereinzelt hob man aus jener Leserschar unbestimmten Geschlechts die «jeunes personnes» oder «surtout nos lectrices» ins Blickfeld. 261 Anders gesagt: Der Wirkungsanspruch von Übersetzerinnen ging meist über das rein weibliche Milieu hinaus. Von wem stammten die eingebürgerten Originale? Über fünf Dutzend Titel des achtzehnten und frühen neunzehnten Jahrhunderts, die allermeisten davon Romane, waren Produkte einer (englischen oder deutschen) Schriftstellerin. Im Hinblick auf die Schöpfer importierter Texte wird also eine geschlechtstypische Wahlverwandtschaft deutlich sichtbar. Das macht neugierig auf die schon im Titel evozierten Figurenkonstellationen oder Protagonisten. Nur ein Dutzendmal kündigt der Buchtitel eine Paarbeziehung zwischen Mann und Frau an. Mehr als ein halbes Hundert der Titel dagegen nennt ausschließlich weibliche Hauptfiguren. 262 Von drei Ausnahmen abgesehen 263 handelt es sich dabei um Einzelpersonen. In fünfzehn Fällen sind diese durch ihren Namen oder zusätzliche Titel als Aristokratinnen kenntlich gemacht. In zehn weiteren Fällen haben sie bürgerliche Familiennamen. Solches Vorwissen lässt auch sie, schon vor Beginn der eigentlichen Geschichte, als eingewoben erscheinen in den sozialen Verbund ihres Standes oder zumindest einer Familie. Durch zwanzig, d. h. doppelt so viele Buchtitel dagegen erfahren Interessenten nur den Vornamen einer von solchen Bindungen freigestellten Heldin, deren Individualität also auch dort betont wird, wo man nicht zusätzlich ihre Isolation (z. B. als Waise) hervorhebt. 264 Wieweit 260 Princesse, Duchesse, Marquise, Comtesse, etc. - Siehe zu alledem etwa: Rohan 1681, L’Héritier de Villandon 1732, Le Guay de Prémonval 1751, Lubert 1751, Thiroux d’Arconville 1756, Belot 1765, Lafite 1773, Polier 1787, 1792, Louise de Rivarol 1791, Montolieu 1795, 1823, 1824, Bon 1814. 261 Siehe zu alledem etwa Marie de France um 1190, Anne Dacier 1681, 1716, 1754, Robert 1775, Lafite 1775, 1787 (Titel), Bon 1813, Montolieu 1803, 1817. 262 Die meisten Beispiele stammen von Fanny Collet, Elisabeth de Bon und Jeanne-Isabelle de Montolieu. 263 Zwillingsschwestern, Tante und Nichte, Schwiegermutter und Schwiegertochter (Marie de Romieu 1607, Bon 1821, Montolieu 1825). 264 So etwa bei Marie Wouters L’Orpheline, ou l’histoire de Miss Amélie Scott, 1786. Entlastete Damen 83 sich unter derartiger Individuation emanzipatorische Bestrebungen des weiblichen Geschlechts verbergen, bliebe am jeweiligen Erzähltext zu überprüfen. Denn es mag kein Zufall sein, wenn biographische Notizen zu einer Reihe übersetzender Damen diese als Streiterinnen für Frauenrechte beschwören. So klagte etwa Madeleine des Roches schon im 16. Jahrhundert, häusliche Pflichten hätten sie daran gehindert, sich stärker geistigen Aktivitäten zu widmen. Marie de Gournay wird ebenso als Frauenrechtlerin charakterisiert wie Gabrielle-Emilie du Châtelet, Marie-Anne du Bocage, Marie-Anne Robert oder Louise-Félicité Robert. Einige weitere Damen übersetzten Werke englischer Feministinnen wie Aphra Behn, Mary Hays oder Jane Austen. 265 Plakative Titel wie La femme n’est pas inférieure à l’homme oder Le modèle des femmes 266 ermuntern zur Ergänzung der vorstehenden Namensreihe. Wie translatorische Aktivitäten in dieser Perspektive einzuordnen sind, bleibt zu erkunden. Unübersehbar ist darüber hinaus, dass eine stattliche Anzahl von Übersetzerinnen auffällt durch besonders hohe Soziabilität. 267 Entweder waren ihre Salons Treffpunkte namhafter Literaten und Gelehrter besonders der Aufklärungszeit, oder aber sie glänzten in den Salons anderer. 268 Auch hier wäre Querverbindungen und Wechselwirkungen nachzugehen zwischen Konversationsthemen solch regelmäßiger Gesprächsrunden und den übersetzten Werken. 265 Thiroux d’Arconville 1761, Guizot 1799, Montolieu 1815. 266 Puisieux 1750, Bon 1813. 267 Bekannt waren die Salons von Anne-Charlotte duchesse d’Aiguillon, Isabelle de Charrière, Elisabeth-Sophie Chéron, Anne-Marie du Bocage, Adelaïde-Gillette Dufrénoy, Louise-Marie Dupin de Chenonceaux, Sophie de Grouchy-Condorcet, Amélie Panckoucke Suard. 268 Marie-Jeanne Riccoboni u. a. 84 Kapitel 10 11 Immigranten und Emigranten Als Migranten aus dem oder in den französischen Sprachraum 269 sollen hier Personen gelten, die ohne Aussicht oder Absicht auf Rückkehr in die alte Heimat - sei es für viele Jahre oder bis zum Lebensende - in einer fremden Kultur oder mehreren lebten. 270 Für sie gehörte die Notwendigkeit häufigen Überwechselns von der Sprache ihrer Herkunft zum Idiom einer neuen, unvertrauten Kultur unter die alltäglichen Langzeit-Erfahrungen. Fühlten sie sich durch solch dauerhafte Prägung öfter als andere berufen zum Mittleramt des Übersetzers ganzer Bücher? Bedeutet doch auch deren Übertragung zwischen zwei Sprachen zu leben, mit ständigem Hin und Her zwischen unterschiedlichen Denk- und Ausdrucksweisen. Oder benötigten die Ankömmlinge ihre volle Energie zur Stillung dringlicher Bedürfnisse des Alltagslebens in ungewohnter Umwelt, sodass für zusätzliche zeitraubende Dienste als Sprachmittler kein Raum mehr blieb? Geben wir diese doppelte Frage weiter an unsere Datenbank. Sie weist rund hundertfünfzig Übersetzer aus, die auf Dauer in einen neuen Sprachraum übersiedelten oder, in selteneren Fällen, solche Übersiedler als Eltern hatten. Darf doch auch von solchen Nachkommen der ersten Generation als wahrscheinlich gelten, dass ihnen im Normalfall die Herkunftssprache der Eltern noch und die des Ziellands schon relativ vertraut war. 271 Die recht stattliche Gruppe von Aus- und Einwanderern übertrug rund fünfhundert Werke von über 320 namentlich bekannten Autoren ins Französische. Knapp vier Fünftel der Migranten verließen freiwillig oder, häufiger noch, gezwungen den französischen Sprachraum, das verbleibende reichliche Fünftel war dorthin einwandert. Der Arbeitsertrag übersetzender Immigranten war pro Kopf gut doppelt so hoch wie der von Emigranten. Deren Nachkommen lagen mit ihrer Durchschnittsleistung ebenfalls deutlich über ihrer Elterngeneration. Das mag damit zu tun haben, dass Immigranten meist freiwillig zuwanderten und bessere Kenntnisse des Französischen mitbrachten als jene, die unter übermächtigen Zwängen dessen Sprachraum verlassen hatten und in einem völlig fremden Umfeld Fuß fassen mussten. Eine Feinanalyse wichtiger Gründe und Zeiträume der Wanderungsbewegungen wird diese Hypothese stützen. Über drei Viertel der importierten Werke waren Übersetzern zu verdanken, deren 269 Maßgeblich ist dieser Sprachraum, nicht die Staatsangehörigkeit. 270 Dazu sollen auch Einzelfälle einer vorher nicht absehbaren Rückkehr nach langer Zeit gehören, wie derjenigen von Huber, Crousaz oder Kentzinger. 271 Führend nach Titelzahl unter diesen Nachkommen der ersten Emigrantengeneration waren Formey (19 Titel) und Joncourt (15 Titel). universitäre Ausbildung als gesichert gelten kann. Nur für wenige Importe 272 zeichneten Migrantinnen verantwortlich. Unter den männlichen Besuchern von Hohen Schulen waren die Theologen mit weitem Abstand führend. Innerhalb der Gruppe akademischer Mittler übertrugen sie zwei Drittel aller Titel, Angehörige beider weltlicher Fakultäten zusammen nur das verbleibende Drittel. 273 Werfen wir einen kurzen Blick auf die chronologische Abfolge: Die erste ins Französische übersetzende Emigrantin dürfte in den 1180er Jahren Marie de France gewesen sein. Sie lebte vermutlich lange am englischen Hof und soll nach neueren Hypothesen bei ihrem Tod Äbtissin des Klosters von Shaftesbury oder Reading gewesen sein. Immigranten des folgenden Jahrhunderts waren Bonaventure de Sienne und Willem van Moerbeke. Ersterer stammte aus dem italienischen, letzterer aus dem flämischen Sprachraum. Für das Spätmittelalter sind ebenfalls nur vereinzelte einschlägige Belege bekannt. Im 16. Jahrhundert stieg der Anteil von Migranten-Übersetzungen auf knapp 10 % der Gesamtsumme importierter Werke, im 17. Jahrhundert auf gut 13 %. Rund 72 % entstanden im 18. Jahrhundert, der allgemeinen Blütezeit also von Literatur- und Wissenszufuhr ins Französische. Ursache der Emigration war, abgesehen von seltenen Ausnahmen, 274 in der großen Mehrheit aller Fälle eine religiös begründete politische Bedrohung. So bei einigen Jansenisten, 275 einem aus der Kutte gesprungenen Mönch, 276 Jesuiten nach Aufhebung ihres Ordens. 277 Über zwei Drittel aller übersetzenden Emigranten jedoch waren Kalvinisten, unter ihnen fast drei Dutzend Prediger und Pastoren. Zeitliche Schwerpunkte der Auswanderung dieser Gruppe von „Hugenotten“ waren zum einen die Reformationszeit und die daraus entstandenen Bürgerkriege, 278 vor allem aber die Fluchtperiode nach Aufhebung des Toleranzedikts von Nantes im Jahr 1685. Dazu sollte ein Jahrhundert später die Emigrationswelle im Umfeld der Revolution kommen, für die bekanntlich nicht mehr allein religiöse Gründe ursächlich waren. 279 Als häufigste Zielorte aus Frankreich emigrierter Übersetzer erscheinen immer wieder Städte der Vereinigten Niederlande, 280 daneben London und Berlin. 272 Rund 30 Titel. 273 Mediziner 37 Titel, Juristen ein halbes Hundert. 274 Etwa der Arzt d’Alquié, Belin de Ballu, Saint Jean de Brébeuf, Marie-Josephine de Monbart, Seyssel, Tachard, Uriot. 275 Etwa Barbeau de la Bruyère, Le Gros, Quesnel, Viaixnes. 276 Maubert de Gouvest. 277 Etwa Des Billons/ Desbillons, Feller. 278 Etwa bei François Hotman, Marot, Muret, dem katholischen Ligueur Raynssant de Viezmaison. 279 Etwa bei Esmenard, Grou, Kentzinger, Querbeuf, Rivarol, Vauvilliers. 280 Den Haag, Amsterdam, Rotterdam, Leiden. 86 Kapitel 11 Welches waren die wichtigsten Herkunftssprachen der eingebürgerten Werke? 281 Es könnte auf den ersten Blick überraschend wirken, dass die antiken Sprachen, einmal mehr, mit gut 36 % an der Spitze lagen. Wäre man doch vielleicht anzunehmen geneigt, das Hauptinteresse aus ihrem heimatlichen Umfeld Gerissener könne wohl kaum einer fernen Vorzeit gegolten haben. Doch auf die vorchristliche Antike entfiel nur ein vergleichsweise bescheidener Anteil der übertragenen lateinischen und griechischen Originale. Denn die erwähnte Dominanz emigrierter oder von ihnen abstammender Theologen blieb natürlich nicht folgenlos. Fragmentarische oder komplette Neuübersetzungen der Bibel, 282 Rückgriffe auf Neudeutungen von Werken frühchristlicher Tradition 283 trugen im Zwist der Glaubensrichtungen zur Selbstvergewisserung der Ausgebürgerten und Verfolgten bei. Eine derart gefestigte eigene Überzeugung sollte offenbar für die gesamte Sprachgemeinschaft der verlorenen Heimat und des gebildeten Europa sichtbar werden und nicht auf das Idiom von Gelehrten beschränkt bleiben. Zum derart aktualisierten Verständnis alter religiöser Schlüsseltexte kamen noch weit über fünf Dutzend Übertragungen aus dem Neulateinischen, der transkulturellen Verkehrssprache damaliger Wissenschaft. Deren Originale stammten vorwiegend von deutschen oder niederländischen Autoren, aber auch solchen des übrigen nichtkatholischen Europa. Sie waren nicht selten erst kurz vor ihrer Übertragung erschienen und so von hohem Aktualitätswert. Auf Rang zwei der Herkunftssprachen lag Deutsch mit 30 %, vor dem Englischen mit 25 %. Neben diesen führenden Sprachen der Ungelehrten in nichtkatholischen Regionen Europas waren die Idiome Italiens und Spaniens, der großen katholischen Bastionen, nur in Spurenelementen vertreten. Welche Genres, Themenbereiche und Sachgebiete zogen die besondere Aufmerksamkeit übersetzender Migranten auf sich? Die drei belletristischen Grundgattungen kamen auf annähernd gleichgroße Anteile: Versepos und Lyrik lagen knapp vor historiographischen Darstellungen, danach folgten Theaterstücke und fiktionale Erzählprosa. Augenfällig ist dagegen der weite Rückstand dieser Kategorien Schöner Literatur auf jene Werke der Sachprosa, die schon im Titel ein religiöses Thema ankündigten. Das erinnert uns an die beträchtlichen Anteile der Kalvinisten und kalvinistischen Geistlichen wie 281 Die großen biographischen Repertorien verzeichnen nur für jeden vierten Übersetzer das Jahr der Emigration. Da weitere Recherchen im Hinblick auf die erhoffbaren Erträge zu aufwendig schienen, wurde im Folgenden meist darauf verzichtet, zu unterscheiden nach Schriften, die vor oder nach der Auswanderung übertragen wurden. So muss vorerst die Frage offen bleiben, wieweit Übertragungen die Emigration mit verursachten (wie etwa bei Clément Marot) oder eine Reaktion auf diese waren. 282 Etwa Marot 1539, Castellion 1555, Tremellius 1557, Pierre Morin 1578, Samuel Des Marets 1669, Quesnel 1693, Le Cène 1696, Viaixnes 1710, Térond 1715, Isaac de Beausobre 1718, Lenfant 1718. 283 Etwa Seyssel um 1532, Paul Colomiès 1673, Lenfant 1688, Teissier 1685, 1710 u. a. m. Immigranten und Emigranten 87 anderer Abweichler von katholischer Orthodoxie unter den Emigranten. Bei Immigranten dagegen fehlt ein entsprechender weltanschaulicher Schwerpunkt, selbst unter den nach Werkzahl führenden Übersetzern des 18. Jahrhunderts. Beim Baron von Holbach zwar ist, neben anderen aufklärerischen Themen, ein radikal religionskritischer Schwerpunkt nicht zu übersehen. Doch seinen auf der Rangliste benachbarten Kollegen deutscher Herkunft lag offenbar weit mehr daran, im französischen Sprachraum vor allem die Belletristik, aber auch die Kunsttheorie 284 und Ästhetik ihrer alten Heimat in größtmöglicher Breite und Vielfalt publik zu machen. Diese Vorliebe für Schöne Literatur galt für Michel Huber, besonders mit seinem vierbändigen Choix de poésies allemandes (1766), für Junkers Théâtre allemand (vier Bände 1785) oder Choix varié de poésies philosophiques (1770) ebenso wie für Friedels monumentales Nouveau Théâtre allemand (1782-83) in 12 Bänden und manch anderes mehr. Eine Bevorzugung der Romangattung durch Übersetzerinnen, die sich im letzten Kapitel andeutete, gilt in gewissem Maße auch für eineinhalb Dutzend von Werken, deren Einbürgerung von Migrantinnen 285 verantwortet wurde. Wenden wir den Blick kurz von größeren Werkgruppen zu Einzelautoren. In einer Reihe von Fällen mögen sich emigrierte Übersetzer, aus einem Gefühl der Schicksalsgemeinschaft und Geistesverwandtschaft heraus, dem Werk von Autoren zugewandt haben, die nach Kerkerhaft, als Geißeln, Kriegsgefangene oder Verbannte gleich ihnen im Exil lebten 286 oder aus ihrer Heimat fliehen mussten. 287 Deren Reihe reicht von Ovid, Polybios und Seneca über Dante, Grotius und Heinsius bis hin zu dem Schweden Philip Johan Strahlenberg und August von Kotzebue. Solch biographische Nähe zum Originalautor blieb indessen relativ selten. Ungleich häufiger fühlten sich Emigranten hingezogen zu Autoren und Werken, die sich bestimmten, gerade für ihre Gruppe essentiell wichtigen Themen und Problemkreisen gewidmet hatten. Dies galt vor allem für herausragende Vertreter der Naturrechtslehre im 18. Jahrhundert. Deren Ausgestaltung beraubte das - vom göttlichen Recht hergeleitete - Gottesgnadentum der Herrscher ihres verlorenen Heimatlandes seiner philosophischen Grundlagen. So übertrug Barbeyrac, einziger namhafter Verfechter der Naturrechtstheorie von französischer Herkunft, De iure belli ac pacis von Hugo Grotius und De legibus naturae von Richard Cumberland. Ebenso reizten ihn und zwei seiner Mitemigranten vier Schriften Samuel von Pufendorfs zu fünf Übertragungen. 288 Insgesamt zehn Versionen der Principes du droit de la nature et des gens, der Institutions du droit de la 284 Nicht von ungefähr war Winckelmann (11 Übertragungen von Huber und Jansen) der Lieblingsautor zweier Vielschreiber unter den übersetzenden Immigranten. 285 So von den Damen Brayer de Saint-Léon, Cérenville, Lafite, Polier, Sainte-Hélène. 286 Siehe etwa Marot 1534, Casaubon 1609, La Barre de Beaumarchais 1728, La Mettrie 1748, Barbeau de la Bruyère 1757. 287 Siehe etwa Rivet 1625, 1626, 1631, Des Maizeaux 1720, Barbeyrac 1724, Bilderbeck 1807. 288 Alquié 1669, Teissier 1690, 1696, Barbeyrac 1706, 1707. 88 Kapitel 11 nature et des gens und anderer Schriften Christian von Wolffs publizierten Jean Des Champs, Formey und Luzac. 289 Ähnlich stießen Publikationen zu (religiöser) Toleranz, Religions-, Gewissens- und Gedankenfreiheit auf besonderes Interesse. Lag doch vor allem den verfolgten und vertriebenen Hugenotten viel an erfolgreicher Verwirklichung dieser Leitideen. Sie konnten sich aber dabei kaum auf richtungweisende Originalwerke des französischen Sprachraums berufen. So übertrugen sie einschlägige Schriften von Hugo Grotius, Richard Bentley, Anthony Collins, Jan Crell, Thomas Gordon, Gotthold Ephraim Lessing, Gerardus Noodt oder Adriaan Paets. 290 Die Bevorzugung solcher Themenkreise lenkt den Blick auf eine Vielzahl weiterer Titel, deren Originalautoren ganz allgemein als Vordenker oder Exponenten der Aufklärung gelten: von Leibniz (2 Übersetzungen) über David Hume (3) und Christian Fürchtegott Gellert (6) bis hin zu Moses Mendelssohn, Thomas Hobbes (2), Joachim Heinrich Campe (4) oder Albrecht von Haller. Neben den Namen solcher Spitzenautoren des deutschen und englischen Kulturraums verdeutlicht mehr als ein halbes Hundert von Buchtiteln, dass der von Emigranten verantwortete Wissenstransfer das Projekt der Aufklärung in seiner ganzen Bandbreite spiegelt: so eine (nicht zuletzt durch Reiseberichte gewonnene) neue Sicht auf die Weltreligionen von Islam, Judentum, Konfuzianismus und Hinduismus, 291 eine entschiedene Hinwendung zur Mathematik, 292 zu den Naturwissenschaften, 293 der Erkenntnistheorie, 294 zu Fortschritten der Medizin und Anatomie, 295 zu ökonomischen 296 und pädagogischen 297 Fragen, zum Völkerrecht und Problemen der Strafjustiz. Auch und gerade Emigranten hatten so einen erheblichen Anteil an der Verbreitung aufklärerischer Ideen und Wissensvorräte der Nachbarkulturen im Sprachraum ihrer alten Heimat. Nicht zuletzt war in alledem jenes Gedankengut enthalten, das sich für die Zukunft der Bourbonen-Monarchie als mächtiger politischer Sprengsatz erweisen sollte. 289 Jean Des Champs 1736, 1736, 1737, 1740, 1743, 1745, Formey 1746, 1758, 1758, Luzac 1772. 290 Barbeyrac 1707, 1724, La Chapelle 1738, Rousset de Missy 1714, Le Cène 1759, Holbach 1769, Friedel 1783 u. a. 291 Etwa Alquié 1670, Hernandez 1758, 1759, Mourier 1773, Wicquefort 1663, 1667. 292 Etwa Joncourt 1746, 1 755 1756, 1762, Jansen 1789. 293 La Mettrie 1741, Joncourt 1746, Rousset de Missy 1726, Saint-Blancard 1744, Holbach 1752, Bouillier 1745, Massuet 1739. 294 Etwa Jean Des Champs 1736. 295 Massuet 1734, 1756, La Mettrie 1735, 1745, Bruzen de la Martinière 1743, Formey 1774, Koraès 1787, Toussaint 1746-48, Zoutelandt 1730. 296 Galiani 1770, Toussaint 1754, Bion 1726, Bruzen de la Martinière 1720. 297 Etwa Junker 1784, Huber 1774, 1777, Teissier 1699, 1700. Immigranten und Emigranten 89 12 Stolze Mehrzweck-Rhetoriker In diesem Kapitel soll der Frage nachgegangen werden, wieweit sich ein Übersetzertyp definieren lässt, der mehrere recht verschiedene Berufsstände in sich vereint. Um die Besonderheit dieser Großgruppe herauszuarbeiten, wird sich öfter eine Konfrontation von frankophonem und deutschsprachigem Raum anbieten. Ein solcher Vergleich macht als erstes deutlich, dass die nationalkulturelle Reputation des Übersetzer-Metiers keineswegs dem Umfang der Importe entspricht. Vielmehr fällt ein recht seltsamer Widerspruch ins Auge: Im deutschen Sprachraum wird - heutzutage wie schon in früheren Zeiten - sehr viel mehr übersetzt. Dennoch genießen seine Übersetzer offenbar ein weit geringeres Ansehen als bei unseren westlichen Nachbarn. Kritiker und Publikum blicken auf sie herab, und sie lassen sich widerspruchslos als „Stiefkinder der Literatur“ titulieren oder gar als „die ärmsten aller Schweine“ beschimpfen. 298 Unverkennbar mangelt es ihnen an Selbstbewusstsein. Sie räumen bereitwillig ein, Übersetzen sei immer eine mehr oder weniger defizitäre Angelegenheit. Nicht im Traum würde ihnen einfallen, in offenen Überbietungs-Wettstreit mit dem Originalautor zu treten. In den weitaus meisten Fällen gesteht ein deutscher Übersetzer sich und andern nicht die Versuchung ein, gegen jene absolute Worttreue zu verstoßen, die er einem als sakrosankt geltenden Original schuldig zu sein glaubt, um dessen gesamten Text oder auch nur eine als unvollkommen empfundene Passage zu verbessern. In Frankreich dagegen hat sich in der kollektiven Erinnerung ein stärkeres Bewusstsein von der Würde jener erhalten, deren Amt es ist, das literarische und geistige Erbe der Nation zu bereichern. 299 Beim genaueren Hinsehen hat es den Anschein, als sei ihr Stolz ein Langzeitphänomen, das sich über acht Jahrhunderte hin herausbildete und verfestigte. Im Mittelalter galt zwar die peinliche Sorgfalt exakter sprachlicher Transposition für gewisse Textarten - beim göttlichen Wort der Bibel ebenso wie in Heiligenleben - als hoher Wert. Doch sobald es darum ging, ihr eigentliches Verdienst hervorzuheben, hielten sich Übersetzer weltlicher Texte schon kaum mehr damit auf, ihre besondere Pingeligkeit hervorzukehren. So schrieb Jofroy de Waterford, ein Dominikaner des 13. Jahrhunderts und einer von mehreren Übersetzern des Secret des Secrets, vom Verhältnis seiner volkssprachlichen Fassung zu deren Quelle «souvent i metterai autres bones paroles». Zugleich rügte er einen Überschuss an «paroles» und «oscure 298 Zitate aus Artikeln von A. Rossmann im Mannheimer Morgen (1979) und Gregor Dotzauer in Der Tagesspiegel vom 26. 1. 2001, als zwei Beispiele von vielen möglichen. 299 Ausführliche Belegnachweise für den vorstehenden Abschnitt und das Folgende bei Fritz Nies, Schnittpunkt Frankreich. loc. cit. [Anm. 8], passim. manieres de parler» nicht nur derer, die seinen griechischen Text ins Arabische und Lateinische übertragen hatten, sondern auch des ursprünglichen Verfassers. Denn was Jofroy mehr als alles andere anstrebte, war die Wahrheit nun «cortement» (in Worten unserer Zeit ausgedrückt „wie bei Hof üblich“) zu sagen. Dies ist, wohlgemerkt im Munde eines Übersetzers, ein erster Widerschein jener Ambition, die Jahrhunderte später zur Ausgestaltung einer «rhétorique de la cour» führen sollte. 300 Und Jofroy blieb nicht der einzige, der die Freiheit einforderte, «sozjoindre et acreistre» zu dürfen, um den importierten Text zur Vollendung zu bringen. Jean d’Antioche de Harens, der 1282 Ciceros Rhétorique übertrug, ist dafür nur ein Zeuge unter anderen. 301 Eine ganze Reihe seiner Kollegen pflegte sich zu rühmen, den eingebürgerten Text in Verse gefasst zu haben - auch auf die Gefahr hin, es mit der Worttreue nicht allzu genau nehmen zu können. Kurz, die sprachlichen Umformer des Mittelalters emanzipierten sich schon so offen wie weitgehend, und mit beachtlicher Selbstsicherheit, von der Autorität ihrer Vorlage. Im 16. Jahrhundert sollte der Advokat Sebillet in seinem Art poétique das Übersetzen herausstreichen: Die «pure et argentine invention» der «estimés poétes» gebe es «dorée et enrichie» wieder 302 - in anderen Worten: aufgewertet und verschönert. Im anschließenden Zeitalter der Klassik bestand man noch nachdrücklicher auf seinem Recht, den Originaltext zu verbessern. Ein einziges Beispiel für diesen Anspruch mag hier genügen. 1640 pries die Vorrede der französischen Fassung von La Stratonice diese mit pathetischen Metaphern im Vergleich zu ihrer Vorlage als «fleur qui rend vne odeur plus agréable et plus forte», «vn arbre qui porte des fruits plus doux, & plus savoureux». 303 Gewiss habe man bei solcher Veredelung immer Exzesse zu vermeiden und sich um ein «juste milieu» zu bemühen. Doch eine ganze Reihe von Schlüsselbegriffen spiegelte den gestiegenen ästhetischen Ehrgeiz der Übersetzer. Die entscheidende Richtlinie war von nun an «traduire élégamment», und zwar mit «grâce» und «naturel», «finesse» und «clarté», aber stets mit dem Anrecht auf jene Verbesserungen, auf die manchmal schon der Buchtitel stolz hinwies. Denn als anrüchig galt vor allem jegliche pedantische Kleinigkeitskrämerei. Geschaffen werden sollten französische Werke, die «hardies, pleines de feu & de jugement» waren, ähnlich denen des Advokaten Perrot d’Ablancourt, den man gerne als Vorbild rühmte. 304 Auf 300 Siehe Marc Fumaroli, L’âge de l‘éloquence. Rhétorique et «Res literaria» de la Renaissance au Seuil de l’époque classique, Genève 2 1994, passim. 301 Siehe Ulrich Mölk, Französische Literarästhetik des 12. und 13. Jahrhunderts, Tübingen: Niemeyer 1969, p. 106. 302 Zitiert in Joachim Du Bellay, Deffence et illustration de la langue françoise, ed. Henri Chamard, Reprint Genève 1969, p. 97 Anm. 303 Übersetzung von Claude de Malleville und Pierre d’Audiguier. Vorwort zitiert nach Frank Rutger Hausmann, Französische Renaissance, Stuttgart 1997, p. 85. 304 Zu Einzelheiten siehe Fritz Nies, Schnittpunkt, loc. cit. [Anm. 8] Kap. I.3; zum Folgenden siehe ibid. passim. 92 Kapitel 12 dem Kulminationspunkt einer bis ins 18. Jahrhundert reichenden Mode, der die sogenannten «belles infidèles» als Maßstab galten, sollten zahlreiche Symptome die ästhetischen Ansprüche der Übersetzer verdeutlichen. So betonte man von neuem die Meriten einer Versübersetzung, mit der man Heimatrecht im Reich der Poesie einforderte. Zugleich stand jener Sinn für das rechte Maß und Mäßigung hoch im Kurs, den die vorherrschende Ästhetik der Klassik forderte. Kurz gesagt: Man war stolz, übersetzend an der Ausformung eines Werkes der Schönen Literatur zu arbeiten. Und im Kontext der berühmten Querelle des Anciens et des Modernes fanden Übersetzer zunehmend Gefallen an der Vorstellung, dass jedes Original, sogar aus einer lange unerreichbar geglaubten Antike, überboten werden könne. So musste bei Johann Hermann Widerhold 1676 schon als Wörterbuch-Weisheit der Beispielsatz herhalten «La traduction de Quinte Curse est une copie qui vaut bien l’original.». 305 Im Aufklärungszeitalter trieb ein weiterer Anspruch, den man zuvor nie so unverhüllt anzumelden gewagt hätte, das Selbstbewusstsein der Übersetzer im französischen Sprachraum auf einen unüberbietbaren Gipfelpunkt. Als Beispiel mag Gabriel Seigneux de Correvon genügen, ein Welschschweizer und gelernter Jurist, der betonte: 306 Heureusement la langue française est devenue presque universelle, en sorte qu’un ouvrage rendu en français se trouve à l’usage de l’Europe entière, & pour ainsi dire de tous les hommes. Auf diesem Hintergrund sollte man mehr als je zuvor die Freiheit des Übersetzers propagieren, seine Vorlage verbessernd umzuschreiben. Gewiss fehlte in einigen Vorreden auch der Begriff «fidélité» nicht, doch seine Bedeutung blieb fast immer recht vage. 307 Dagegen betonten Hunderte von Ausgaben, auf dem Titelblatt oder im Vorspann, ein Recht auf Beschneidung von vorgeblichem Wildwuchs, die zum Verdienst erhoben wurde. Einige Beispiele sollen die Art und Weise verdeutlichen, in der jene «affineurs» gewollt Verrat am Original übten, um ihm vorgeblich zu dienen. Vor allem im Bereich der Belletristik wiesen Übersetzer oft schon im Titel ausdrücklich darauf hin, ihre Übertragung oder «imitation» habe als «libre» zu gelten. Und es war alles andere als selten, dass ihre Paratexte zu teils wortreichen Begründungen ausholten, dass und warum man sich welche Freiheiten habe nehmen müssen. So wurde gar behauptet, eine berühmte, namentlich genannte deutsche Romanautorin habe gebeten, man solle ihren Text mit 305 Nach der lateinischen und deutschen Variante des Satzes handelte es sich dabei um die „neueste Französische Übersetzung“, also die von Vaugelas verfasste. 306 1772 anlässlich seiner Übersetzung von Hallers Usong. 307 Cf. Geneviève Roche, Les traductions-relais en Allemagne au XVIIIe siècle, Paris: CNRS 2001, p. 63. Stolze Mehrzweck-Rhetoriker 93 «assez de liberté» übertragen, um dessen Fehler auszumerzen. 308 Der Jesuit Desfontaines tadelte bei Swift «[des] endroits faibles, et même très mauvais» und betonte stolz, er habe jene Schwächen natürlich beseitigt. Einer seiner Kollegen schrieb, er habe selbstverständlich «corrections» vorgenommen und «plusieurs superfluités» gestrichen. Ein anderer wieder rühmte sich vollmundig «je change, j’ajoute, je retranche». Das mag genügen als Ausfluss des Stolzes, den damalige Übersetzer darüber spürten, als befremdlich empfundene Importe für ihren neuen Publikumskreis vervollkommnet zu haben. Über ein halbes Jahrtausend hin war so stets das Selbstwertgefühl spürbar, eine hohe zivilisatorische Mission zu erfüllen. Sie wurde darin gesehen, eingebürgerten Werken jenen Glanz zu verleihen, den Rohdiamanten erst durch sachkundiges Schleifen erhalten. Noch um die Mitte des 19. Jahrhunderts bewunderte man den Advokaten Louis Giry dafür, dass er «par les charmes de son éloquence» zwei Jahrhunderte zuvor verstanden habe, «les rochers et les épines» Tertullians in «jardins délicieux» zu verwandeln. 309 Und Paul Claudel sollte Perrot d’Ablancourt lobpreisen, es sei ihm gelungen, «une véritable transsubstantiation» von Tacitus zu vollbringen 310 - ein Bild, das die französische Textfassung quasi in die Sphäre des religiösen Mysteriums erhob. Wie ist die so typische Selbstgewissheit französischer Übersetzer, wie der von ihren Bewunderern gezollte Tribut zu erklären, bis hin zur Revolte der Romantiker und über diese hinaus? Unter welchen Voraussetzungen konnte sich die weit verbreitete Überzeugung herausbilden und verfestigen, weit mehr als schlichte „Fährleute“ zu sein, die möglichst unverändert den Inhalt von Originalen in ein anderes Idiom transportieren? Woher stammte die Gewissheit, vor allem ästhetischen Ansprüchen genügen zu müssen und damit dem importierten Werk etwas Wesentliches, einen ausgesprochenen Mehrwert hinzufügen zu können? Bei Antworten auf derlei Fragen begnügte man sich lange mit Erklärungsversuchen, die nationale Stereotypen bemühten. Dafür mag Luise Gottsched als Zeugin dienen, eine Dichterin des 18. Jahrhunderts, die vier Sprachen praktizierte und aus dem Englischen wie dem Französischen ins Deutsche übersetzte. Sie klagte, „dass nichts ungetreuers und abweichenders zu finden sey, als die Uebersetzungen der Franzosen“, worin sie also eine spezifische nationale Besonderheit sah. Als deren Ursache glaubte sie die „natürliche Leichtsinnigkeit dieses Volks“ zu erkennen, oder vielmehr ein inneres hochmüthiges Vorurtheil, nach welchem es denket, ein Schriftsteller müsse sich nothwendig unter seinen Händen verschönern, es möge auch mit ihm 308 Marie-Sophie de la Roche, Mémoires de Mademoiselle de Sternheim, 1773, p. XI. - Zum Folgenden: Jean-Charles de Laveaux in J. M. Miller, Sigevart, 1785, p. V, VII. 309 Tyrtée Tastet, Histoire des quarante fauteuils de l‘Académie française IV, 1855, p. 555. 310 Paul Claudel, Oeuvres complètes XXIX, Paris: Gallimard 1986, p. 58. 94 Kapitel 12 machen, was es wolle, [. . .] so ist es doch gewiss, dass ein jeder, der nur eine französische Uebersetzung auf die Probe stellen will, dieses erfahren wird. 311 Damit wurde also, stark abwertend, die stolze Selbsteinschätzung französischer Übersetzer auch aus deutscher Außensicht bestätigt. Mittlerweile ist man gegenüber solch pauschal völkerpsychologisch begründeten Vorwürfen längst misstrauisch geworden. Stattdessen haben wir von Max Weber, Lucien Goldmann, Pierre Bourdieu und anderen 312 gelernt, Wechselbezüge zu entdecken zwischen sozialem Milieu einerseits, Weltsicht und intellektuellen oder literarischen Praktiken andererseits. Der Suche nach derartigen Bezügen waren ja schon alle bisherigen Abschnitte dieses Bandes gewidmet. Zwar befasste sich noch Roger Zuber in seiner imposanten Abhandlung über Leitideen der Übersetzer im Grand Siècle 313 primär mit prägenden Einzelgestalten und ging so gut wie nie auf deren kollektive Zugehörigkeit ein. 314 Doch ist es purer Zufall, dass uns seit Beginn dieses Kapitels so oft die Namen von Klerikern und Juristen begegnet sind oder die von Übersetzern, die Theologie oder Rechtswissenschaft zumindest studiert hatten? Und weiter: Gibt es nennenswerte latente Gemeinsamkeiten zwischen diesen so gegensätzlich wirkenden Bildungswegen und Berufsfeldern, oder führt die Sozialgeschichte hier in eine Sackgasse? Bei einer möglichst breit angelegten Erfassung und Analyse zeigt sich, dass von den Buchimporten des französischen Sprachraums die große Mehrheit - in absoluten Zahlen mehrere Tausend Werke 315 - tatsächlich durch Übersetzer verantwortet wurden, die Theologen oder Professoren waren oder eine solide juristische Ausbildung genossen hatten. Doch noch immer bleibt die Frage offen, was die Mitglieder dieser Berufsgruppen verband im Hinblick auf ihre sprachlich-kulturelle Mittlertätigkeit. Schauen wir also genauer hin. Unter den übersetzerisch aktiven katholischen Klerikern findet man hauptsächlich Angehörige von Orden und Kongregationen, die sich nicht zuletzt oder gar vorwiegend dem Predigeramt widmeten. Seit dem Mittelalter trifft man auf Dominikaner, Augustiner und Franziskaner, seit dem 16. Jahrhundert auf Oratorianer und Kapuziner. Um allein die Jesuiten 311 Vorrede zur Übersetzung von Popes Lockenraub, 1744; zitiert nach Reinhard Tgahrt et al., Weltliteratur. Die Lust am Übersetzen im Jahrhundert Goethes, [Ausstellungskatalog] Marbach 2 1989, p. 69. 312 Siehe etwa Frank Rutger Hausmann, Die Anfänge der italienischen Literatur aus der Praxis der Religion und des Rechts, loc. cit. 313 Roger Zuber, Les «Belles Infidèles» et la formation du goût classique. Perrot d’Ablancourt et Guez de Balzac, Paris: Colin 1968 [ 2 1995]. 314 Für die Periode vor 1625 erwähnt Zuber [Anm. 313] nur einmal kurz «les pasteurs de Genève». 315 Insgesamt fast 6600 Übersetzungen, die vor allem durch die Bibliographien von Alexandre Cioranescu erfasst wurden. Natürlich sind davon im Folgenden jene Werke abzuziehen, von deren Übersetzer wir nichts oder zu wenig wissen. Stolze Mehrzweck-Rhetoriker 95 herauszugreifen: Ein rundes Hundert von ihnen publizierte zwischen Ende des sechzehnten und Ende des 18. Jahrhunderts mehrere hundert Übersetzungen. Dazu kam, dass während der gesamten klassischen Periode Jesuiten- Kollegs fast ein Monopol besaßen für die Ausbildung im Hinblick auf Ziele und Techniken der Rhetorik. 316 Angesichts dieser Vorzugsstellung würde es nahe liegen, die Übersetzungen einer Menge ehemaliger Jesuitenschüler gleichfalls zu berücksichtigen. Doch deren Zahl auch nur annähernd zu bestimmen, wäre wohl ein aussichtsloses Unterfangen. 317 Nicht selten gehörten die hier relevanten geistlichen Praktiker der Redekunst unter die großen Stars der Kanzelberedsamkeit 318 oder wurden mit offiziellen Ehrentiteln wie «prédicateur du roi» 319 ausgezeichnet. Worin bestand nun die Affinität dieser Predigtkünstler zur Übersetzung? Erinnern wir uns daran, dass Gegenstand der Predigt das Göttliche ist, das wesenhaft Unbekannte, Mysteriöse, Unbegreifliche - kurz all das, was gängige Sprache nicht auszudrücken vermag. Und weil das göttliche Wort eine höchst geheimnisvolle Sprache darstellt, bedarf es der Entschlüsselung, der Deutung, der Transposition in eine für die Gemeinschaft aller Gläubigen verständliche Umgangssprache. Diese so schwierige Umsetzung erfordert ständige Rückgriffe auf Bilder und Tropen, um das erahnbar zu machen, was menschliches Verständnis übersteigt. All dies: sprachliche Entschlüsselung und anschließende Umformung von Unverständlichem, nicht zuletzt mithilfe suggestiver Bildsprache, gehört gleichermaßen zum Handwerk des Übersetzers. Nicht zu vergessen ist, dass seit dem 16. Jahrhundert die Korporation der katholischen Prediger verstärkt wurde durch fünf Dutzend protestantischer Pastoren, die ihrerseits verantwortlich waren für fast zweihundert Übersetzungen. Bekanntlich bestand deren wichtigste Amtspflicht im Verkünden der Frohbotschaft durch die Predigt. Auf relevante Unterschiede ihrer Berufsauffassung zu der von katholischen Amtsbrüdern werden wir später zurückkommen. Werfen wir zunächst einen kurzen Blick auf den Lehrkörper von Kollegs und Universitäten: Hier rekrutierten sich die Übersetzer in ihrer großen Mehrheit unter den Professoren der Beredsamkeit. Die vermutlich ersten von ihnen waren, schon im Mittelalter, Bernard de Tours und Robert Gaguin. 316 Siehe etwa Chantal Grell, Histoire intellectuelle et culturelle de la France du Grand Siècle, Paris: Nathan 2000, p. 30 s., 33 s.; Marc Fumaroli loc. cit. p. 30 s. 317 Begnügen wir uns mit einer kleinen Auswahl von Namen: Brosses, Cazotte, Cocquard, Crébillon, der Professor der Beredsamkeit Desfontaines (13 Übersetzungen), Féraud, Gaubil, Nicolas Gédoyn, Gervaise, Goujet, Gresset, Grou, Gueullette, Houdar de la Motte, Lantier, Luce de Lancival, Malfilatre, Marmontel, Morellet, François de Neufchateau, Pigenat, Querbeuf, Raynal, Saint-Ange, Viaixnes. 318 So Fléchier, Massillon, Catrou oder Luce de Lancival, um nur einige Beispiele zu nennen, oder der Jesuit François Véron, dessen Predigten jeweils zwischen neun- und zehntausend Hörer angelockt haben sollen. 319 Edmond Auger, Bourlet de Vauxcelles, Cauvigny, Denis-Xavier Clément, Coeffeteau, Du Petit-Puy de Roseville, Fauchet, Jean-Baptiste-Louis de La Roche, Rocquigny de Bulonde, Sorbin, Suarez de Sainte-Marie, Charles Véron. 96 Kapitel 12 Unter dem reichlich halben Hundert ihrer Nachfolger gab es viele Jesuiten 320 sowie, allerdings weit weniger häufig, Oratorianer. Insgesamt übersetzten Professoren der Beredsamkeit ebenfalls fast zweihundert Werke. Doch die beträchtliche Bedeutung jener Fraktion der Dozentenzunft für den geistigliterarischen Transfer blieb natürlich nicht auf eigene Publikationen beschränkt. Sie erstreckte sich auch auf ihre pädagogische Arbeit. In Frankreichs Lehrplänen genoss der Rhetorik-Unterricht, vom mittelalterlichen Trivium bis hin zum Ende des 19. Jahrhunderts, eine Vorzugsstellung. Vom dritten Jahr des Collège an spielte auch die Übersetzung griechischer und vor allem römischer Autoren in allen pädagogischen Programmen des Grand Siècle (Port-Royal, Oratorianer, Jesuiten) eine wichtige Rolle für den Bildungsweg der gesellschaftlichen Eliten. Und erinnern wir uns daran, dass die stattliche Schar der Rhetorik-Lehrer an Schulen und Hochschulen bis ins 19. Jahrhundert hinein verstärkt wurde durch übersetzende Präzeptoren, 321 die sie mit ausgebildet hatten. Kehren wir nun zu den Juristen zurück, denen schon ein früheres Kapitel gewidmet war. 322 Wie dort erwähnt, publizierten sie an Übersetzungen dreimal mehr als die Mediziner, d. h. Mitglieder der anderen auf eine weltliche Karriere vorbereitenden Fakultät, die sich ja gleichfalls beruflich der antiken Sprachen bediente. Der erste auf der Liste rechtskundiger Übersetzer war wohl, wie erwähnt, um 1280 Richard d’Annebaut. Wie wir ebenfalls schon erfahren haben, war seit dem zweiten Drittel des 16. Jahrhunderts ein rascher Anstieg der Zahl durch Juristen eingebürgerter Werke zu verzeichnen, und in den folgenden Epochen sollten diese Ziffern ständig weiter steigen. Zu Hunderten demonstrierten die Rechtsgelehrten ihren Hang zum Übersetzen, und bis zum Ende des Premier Empire beliefen sich ihre einschlägigen Erzeugnisse insgesamt auf mehr als ein Tausend. Ein gutes Dutzend von ihnen war derart geschäftig, dass jeder mehr als zehn Übertragungen veröffentlichte. François de Belleforest war allein für dreißig verantwortlich, René Gaultier und Philippe-Florent de Puisieux für jeweils über zwanzig. Diesen drei Namen könnte man die zahlreicher ihrer Kollegen von besonderer Produktivität hinzufügen, etwa die von Claude de Seyssel, François Habert, Jean Martin, Claude Nicole, Louis Giry, Nicolas Perrot d’Ablancourt, Antoine Teissier, Nicolas de Bonneville, Jean-Nicolas Démeunier, François de Rosset, Anne-Robert Turgot, Bertrand Barère de Vieuzac. Was verband solche Vielübersetzer mit den Kanzelrednern und Rhetorik- Lehrern? Die übersetzenden Juristen waren zu mindestens zwei Dritteln 320 Etwa Antoine Adam, Avril, Bouhours, Coyssard (9 Übersetzungen), Du Cerceau, Feller, Féraud, Fléchier, Grou, Jean Hardouin, Thomas Le Blanc, Le Jay, Alard Le Roy, Jean- Baptiste de Machault, Claude-François-Xavier Millot, Périn, Querbeuf, Sanadon, Tarteron. - Zum Folgenden etwa: Laurent-Pierre Bérenger, La Bléterie, Jean-Baptiste Souchay. 321 Cf. dazu oben Kap. 8 „Hauslehrer und Erzieher“. 322 Cf. zum Folgenden oben Kap. 4 „Weiter Gesichtskreis: Juristen“ Stolze Mehrzweck-Rhetoriker 97 weder Richter noch Verwaltungsbeamte, sondern freiberufliche Advokaten 323 oder königliche Anwälte bzw. staatliche Ankläger. Anders gesagt: Für sie alle hingen Karrierechancen und berufliche Erfolge vor Gericht ganz wesentlich ab von den «charmes» ihrer Beredsamkeit in brillanten Plädoyers. 324 Welcher Art waren die Werke, deren Einbürgerung jenen Anwälten und anderen juristisch Vorgebildeten besonders am Herzen lag? Wie das ihnen gewidmete Kapitel schon deutlich machte, war es, von wenigen Ausnahmen abgesehen, nicht die gesetzeskundliche Fachliteratur ihres Metiers. Übertragen wurden vielmehr Schriften der verschiedensten Genres und zu unterschiedlichsten Themen- und Problembereichen. Es scheint, als habe man sich allem und jedem widmen wollen, was entweder die Lösung schwieriger sprachlich-stilistischer Umformungs-Probleme erforderte oder aber diese Umformung erleichtern sollte. Dazu gehörten natürlich nicht zuletzt Rhetorik-Leitfäden oder die als exemplarisch geltenden Werke Ciceros und anderer namhafter Redner der Antike. 325 So verwundert es wenig, dass der gleiche Schwerpunkt auch für Professoren der Beredsamkeit, Jesuiten und andere Prediger galt. Sie hatten ebenfalls einen Hang zur Bearbeitung Quintilians, der Poetik des Aristoteles, von Platons Dialogen, der Reden von Demosthenes, Aischines, Herodot, Thukydides und Cicero, 326 eine Vorliebe für die Übertragung von Erbauungs- und Bußpredigten, Homilien, Grab-, Fest- und Lobreden, Ansprachen, Vorträgen und Dialogen, für Mustersammlungen von Redensarten und Gemeinplätzen, von idiomatischen und bildhaften Ausdrücken der alten wie der neueren Sprachen. 327 323 Nennen wir nur einige der Produktivsten unter ihnen: Gaultier, Rosset, Puisieux, Giry, Perrot d’Ablancourt, Teissier, Bonneville, Démeunier, Barère de Vieuzac. 324 Siehe Ph.-A. Merlin, Répertoire universel et raisonné de jurisprudence, Paris: Garnery 1827, I, p. 641, 647, 664 s. 325 Siehe dazu allein im achtzehnten Jahrhundert Übersetzungen von Alletz, Bouhier, Daru, Jean-Louis Le Bel, Maucroix, Salvemini di Castiglione. 326 Im achtzehnten Jahrhundert: Auger, Batteux, Dinouart, Nicolas Gédoyn, Grou, Claude- François-Xavier Millot, Mongault, Olivet, Etienne Philippe, Antoine-François Prévost. Die Liste lässt sich ergänzen durch Aneau im sechzehnten Jahrhundert und La Fontaine, Pure und andere im siebzehnten. 327 Erwähnen wir für das sechzehnte Jahrhundert etwa Barnabé de Saulces, Du Pinet de Noroy, Espence und Montlyard, für das siebzehnte Charon, Coeffeteau, Jean de La Montagne, Le Clerc, Turrien Le Febvre, Maimbourg, Rivet, Seguenot, Siméon, Soulfour, Vienne; für das achtzehnte Athanase Auger, Isaac de Beausobre, Bourlet de Vauxcelles, Charbuy, Coupé, Dinouart, Duranti de Bonrecueil, Formey, Joncourt, Le Cointe, Niceron, Querbeuf, Jean-Alphonse Rosset, Ruchat. Auf der Suche nach Musterbeispielen der Redekunst orientierten sich die protestantischen Autoren erwartungsgemäß überwiegend an reformierten Territorien - England, Holland, Deutsches Reich - und ihren Rednern (Musculus, Heinsius, Tillotson, Doddridge, Sherlock, R. Lucas, Burnet). Im siebzehnten Jahrhundert war ein Drittel der von protestantischen Rhetoren übersetzten Werke englischer Herkunft, im achtzehnten stieg deren Anteil auf die Hälfte. Die katholischen Kleriker dagegen wählten die Kirchenväter (Johannes Chrysostomos, Basilius der Große, Augustinus) oder ihre Glaubensbrüder vor allem in Spanien 98 Kapitel 12 Insgesamt gesehen vereinten die drei Prototypen übersetzender Berufs- Rhetoren also eine große Neugier auf ungemein vielfältige Wissensgebiete und Lebensbereiche 328 mit hoher stilistischer Kunstfertigkeit, die sie intensiver rhetorischer Schulung und Theoriebildung über Sprachgrenzen hinaus verdankten. Welcher Stellenwert der Redekunst und ihren Sparten im kollektiven Bewusstsein Frankreichs über zweieinhalb Jahrhunderte hin zukam, mag die normbildende Tradition des Dictionnaire de l’Académie française illustrieren. In sämtlichen Ausgaben von 1694 bis 1932 waren «éloquence de la chaire» ebenso wie «éloquence du barreau» als feststehende Begriffe ausgewiesen, und auch der „Professor in Redekunst“ wurde eigens erwähnt. 329 Diese lehr- und erlernbare Kunst der Rede nun war in vielem dem Übersetzergeschäft verwandt. Beide erforderten eine ausgezeichnete Beherrschung der Textanalyse und ihrer Techniken, des Ornatus und der Tropologie, der Paraphrase, der Figurae und Metaphern - kurz vieler wichtiger Komponenten der traditionellen französischen Poetik. Kein Wunder also, dass solche Techniker des Schönen sich keineswegs für bescheidene Diener fremdländischer Autoren hielten, sondern für Schöpfer geschickt umgeschmolzener und dadurch klar aufgewerteter Texte. An naheliegenden Forschungsthemen für die Zukunft besteht kein Mangel. So fehlen vorerst Antworten auf die Fragen, wie und in welchem Maß die Praxis der französischen Übersetzerzunft auch über 1830 und die Romantik hinaus durch rhetorische Überlieferungen geprägt blieb oder bis heute bleibt. Schrumpften seitdem beim Literatur- und Wissenstransfer vielleicht nur Anteile der alten Prototypen von Berufs-Rhetoren, deren Phalanx seit der Revolutionszeit verstärkt wurde durch die Koryphäen politischer Beredsamkeit? Zu berücksichtigen ist bei alledem, dass Frankreichs Romantiker erklärte Feinde der Rhetorik, ihrer Regelwerke und Normen waren. Bekanntlich löste Victor Hugos Slogan «Guerre à la rhétorique» 330 eine heftige Attacke gegen die überkommene Doktrin aus, die gegen Ende des 19. Jahrhunderts zur Streichung des Rhetorik-Unterrichts in den schulischen Lehrplänen führen sollte. Doch kehren wir vorerst zurück zum Ausgangspunkt dieses Kapitels: einem Vergleich mit dem deutschen Sprachraum und dem heutzutage auffallend bescheidenen Ansehen seiner Übersetzer. Könnte dieses Defizit - neben einem lange ungebrochenen französischem Stolz auf den euro- und Italien (Luis de Granada, Gaspar de la Figuera, Pedro de Valderrama, Caracciolo, Ferdinandi, Carretto, Valerio, Willermet). 328 Im achtzehnten Jahrhundert stieg der belletristische Anteil auf über 50 %, wogegen der von theologischen und religiösen Schriften auf 40 % zurückging (zum Vergleich: im 16. Jahrhundert waren es noch 74 %, im 17. Jahrhundert 48 %). 329 Im Artikel «éloquence». 330 Im Poem der Contemplations «Réponse à un acte d’accusation». Stolze Mehrzweck-Rhetoriker 99 päischen, ja weltweiten Spitzenrang der eigenen Sprache und Literatur - zu tun haben mit dem hierzulande weit bescheideneren Status einer als erlernbar geltenden Redekunst? Es gehört zu den Binsenwahrheiten, einerseits „das Fehlen einer rhetorischen Tradition“ und das „schlechte Ansehen“ der Rhetorik in Deutschland zu konstatieren 331 und andererseits die entscheidende Rolle zu betonen, die fromme Protestanten, vor allem Pastoren und deren Söhne, für das deutsche literarische Leben gespielt haben sollen. 332 Der evangelische Pastor nun unterschied sich nicht unwesentlich vom katholischen Geistlichen. Dessen Idealbild war, voller Selbstsicherheit als Wahrer und Treuhänder der Frohbotschaft einschließlich ihrer mündlichen Tradition zu walten, über deren einzig richtige, möglichst brillante Auslegung zu wachen. Die protestantische Predigt dagegen stand zwar im Zentrum des Gottesdienstes. Dennoch begriff der Redner sich dort primär als verlässlicher Kenner und schlichter Diener des einzig maßgebenden Wortlauts der Heiligen Schrift, ohne Deutungsvorrecht gegenüber anderen Gläubigen. Wieweit begünstigte sein Einfluss, in unserem mehrheitlich protestantischen Sprachraum, eine demutsvollere Praxis und Theorie der Übersetzung, die zaghafter am Wortlaut des sakrosankten Originals klebte? War es also kein Zufall, wenn gerade die Übersetzerin Luise Gottsched, die sich an anderer Stelle als bekennende „Protestantinn“ 333 zu erkennen gab, als strenge Kritikerin französischer Übersetzungspraxis auftrat? Abgesehen von solch direktem religiösem Bezug: Wieweit bedingten die „Erfindung des Originals“ und die ihm geschuldete absolute Treue 334 - zwei im deutschen Raum seit dem 18. Jahrhundert dominante Leitideen - den bescheideneren Rang unserer Übersetzer? Zurück zur Rolle der Rhetorik: Den Ansätzen einer politisch-parlamentarischen Beredsamkeit fehlte hierzulande, im Vergleich zu Frankreich, lange der demokratische Nährboden. Wieweit ist es dort selbstbewussten Debattenrednern von der Ersten bis zur Dritten Republik gelungen, auch durch übersetzerische Aktivitäten eine ganz andere Rhetorik sprachlicher Einbürgerung zu schaffen? 335 Wieweit zeichneten sich in Frankreich, vor allem im klassischen Zeitalter, vielleicht gar mehrere sozial differenzierte Rhetoriken des Übersetzens ab: eine mondäne Rhetorik der Jesuiten (und Advokaten? ), die vor allem Eleganz und Wahrscheinlichkeit erstrebte, eine 331 Wikipedia Artikel Rhetorik 1.3 vom 30. 7. 2015. 332 Eine Enquete zu Übersetzungen aus dem Französischen ins Deutsche für die Periode 1700-1759 brachte folgende Resultate: Von insgesamt 300 Werken, deren Übersetzer sich einer Konfession zuordnen ließen, wurden nur 28 % von Katholiken verantwortet, 72 % von Protestanten (unter diesen wiederum waren 49 % Pastoren oder Theologen, 14 % Professoren der Beredsamkeit, 10 % Advokaten. 333 Siehe Tgahrt l. c., p. 70. 334 Siehe Andreas Poltermann, Die Erfindung des Originals. Zur Geschichte der Übersetzungskonzeptionen in Deutschland im 18. Jahrhundert. In: Brigitte Schultze (ed.): Die literarische Übersetzung. Fallstudien zu ihrer Kulturgeschichte, Berlin 1987, p.14-52. 335 Cf. dazu oben Kap. 7 „Enzyklopädisten und Revolutionäre“. 100 Kapitel 12 auf Wahrheit hinzielende Rhetorik der Richter, 336 eine ehrfurchtsvolle der Kalvinisten, eine gedämpfte der Jansenisten? Näherten sich die Übertragungen aller Rhetorentypen in Syntax und Wortwahl der gesprochenen Sprache? Offene Fragen ohne Ende. 336 Siehe Marc Fumaroli, L’âge de l‘éloquence, loc. cit. Kap. II und III. - Zum Folgenden siehe Roger Zuber, Les «Belles Infidèles», loc. cit. Kap. I,4 [Anm. 313] zur panischen Angst der jansenistischen Übersetzer vor theologischen Irrtümern, zu ihrer Ablehnung der Paraphrase, der Wichtigkeit einer Wort-für-Wort-Übertragung. Stolze Mehrzweck-Rhetoriker 101 13 Fazit und Ausblick Von Beginn an stand fest: Aufgrund der beträchtlichen Lückenhaftigkeit, Verschiedenheit und Unschärfe des greifbaren historischen Datenmaterials war eine Vollerhebung nach gängigen sozialstatistischen Kategorien (Stand, Beruf, Geschlecht, Bildungsgang usf.) völlig ausgeschlossen. Nach Auswertung der Materialbasis zeigte sich zudem, dass bei vielen Faktoren zur Bestimmung des sozialen Orts die erreichten Zahlen zu klein blieben, um belastbare Schätzwerte oder Hochrechnungen zu erlauben. Daher habe ich zwar versucht, ein Grundraster häufig belegter Komponenten auf möglichst viele Kapitel anzuwenden. Verzichtet wurde dagegen darauf, einzig um des Systemzwangs willen auch jene Kategorien überall zu beachten, die für den betreffenden Übersetzertyp nichtssagend geblieben wären. In der Kapitelabfolge wurden, auf dem Weg zur Bildung einer Übersetzertypologie, recht verschieden geartete Charakteristika dominant gesetzt oder zusätzlich berücksichtigt. Solche Besonderheiten konnten der Ort im Ständesystem sein, die Konfession, der Ausbildungsgang, andere berufliche Aktivitäten, aber auch eine ideologische oder praktische Projektgemeinschaft wie die Encyclopédistes, die Intensität rhetorischer Prägung, das Geschlecht, ja sogar Einflüsse von Paarbeziehung und Familienstand, Lebensalter und weiblicher Fruchtbarkeitsphase, oder aber der Bekanntenkreis, die freiwillige oder aufgezwungene Mobilität, etc. Wenn im Index der Übersetzer bei nicht wenigen Namen die Seitenzahlen auf mehrere Kapitel verweisen, ist schon dies ein Indiz dafür, dass - je nach Gewichtung und Kombination der Komponenten - Vertreter eines Übersetzertyps zugleich einem oder mehreren anderen zugeschlagen werden konnten. So waren Offiziere wie Vauquelin de la Fresnaye und Jean-François Bourgoing auch Juristen, ihr Berufskollege Kéralio auch Professor usf. Die gewonnenen Verhältniszahlen über Handlungsroutinen einzelner Mittlertypen, die Abweichungen von jenen Normen zeigen, dass natürlich von völliger sozialer Determiniertheit des Übersetzerverhaltens nicht die Rede sein kann. Es verblieben offenbar mehr oder weniger bedeutsame Freiräume für individuelle Entscheidungen, deren Gründe sich weitgehend unserem Zugriff entziehen. Dennoch dürften die Resultate hinreichend deutlich gemacht haben, dass eine breit angelegte, gleichermaßen auf quantitative wie qualitative Annäherung gestützte Sozialgeschichte des Übersetzens ungemein hilfreich ist für das Verstehen eines der wichtigsten interkulturellen Prozesse im literarischen Feld. Durch sie kommen, neben nicht unerwarteten, auch völlig überraschende Mittlertypen ins Blickfeld: deren Einbindung in soziale Netzwerke und Bedingtheiten ebenso wie die Befreiung aus diesen, oder Gründe der Herausbildung wie der relativen Kurz- oder Langlebigkeit eines Typus. Dem jeweiligen Übersetzertyp lassen sich konkrete Handlungsmuster zuordnen: im Hinblick auf Intensität wie Theorie und Praxis der Mittlertätigkeit, auf deren ideologische Hintergründe, den Aktualitätsgrad der Vorlagen, die Übertragungstreue, auf die ausgewählten Titel und bevorzugten Sprachen, die Vorlieben für literarische Genres oder Themenbereiche, für gewisse Typen literarischer Hauptfiguren oder Gegenspieler usf. Der hier vorgelegte Entwurf einer historischen Typologie ist zu verstehen als Serie erster Skizzen. Sie bedürfen in mancherlei Hinsicht noch der Ausarbeitung und Harmonisierung. An Perspektiven für weiterführende Forschungen herrscht also, wie sich im Kapitelverlauf immer wieder andeutete, durchaus kein Mangel. Das gilt für die Erschließung weiterer soziobiographischer Daten einzelner Akteure ebenso wie für eine weit umfassendere Auswertung mehrerer Tausende von Vorreden und Zueignungstexten, im Hinblick auf Selbstverständnis und Vorhaben der Übersetzer, auf ihr Bild vom übertragenen Werk und seinem neu zu erschließenden sekundären Adressatenkreis. Es gilt für die Aktivitäten bisher nicht oder nur nebenbei erwähnter Übersetzertypen, etwa von Diplomaten oder Akademiemitgliedern. Es gilt für viele offen gebliebene Fragen. Was waren zum Beispiel die Gründe dafür, dass Bereicherungen des frankophonen Bühnenrepertoires nur so selten übersetzenden Schauspielern und Theaterleuten zu verdanken waren? Wie stand es um Affinitäten zwischen jenen literarischen Genres, die ein Autor für sein originäres Werk bevorzugte, und seinen Vorlieben bei der Auswahl zu übersetzender Texte? Doch fassen wir zusammen: Schon jetzt bietet die interkulturelle Sozialgeschichte eine Fülle von Klärungen darüber an, was wann aus welchen fremden Sprachen, Literaturen, Genres warum und wie französische Sprachgrenzen überwinden konnte oder an ihnen hängen blieb. Die sich abzeichnenden Gesetzmäßigkeiten lassen vermuten, dass - auch nach der frühen Neuzeit oder in absehbarer Zukunft - geistiger Austausch zwischen den Kulturen nie leichthin als prinzipiell bedingungs- und grenzenlos gedacht werden sollte. Er gehorcht vielmehr weithin sozialen Bedingtheiten derer, die an ihm aktiv beteiligt sind. Diese Einsicht versteht sich als Beitrag zum Erkunden von Voraussetzungen für das Projekt, den Kern einer gemeinsamen Memoria Europas freizulegen. Zugleich will sie günstige soziale Konstellationen ebenso wie Hemmnisse aufzeigen, die bei Prozessen der Überwindung von Kulturgrenzen ins Spiel kommen. 104 Kapitel 13 Bibliographischer Hinweis auf eigene Vorarbeiten Zu Kap. 3: Gänsekiel und Degen: Zeiten martialischer Übersetzer. In Hans-Jürgen Lüsebrink u. a. (ed.): Transkulturalität nationaler Räume (im Druck). Zu Kap. 4: Drang ins Weite, Blick fürs Ganze: Juristen als Übersetzer. In Monika Schmitz-Evans u. a. (ed.): Komparatistik als Humanwissenschaft, Würzburg 1008, p. 333-339. Zu Kap. 5: Interdiction d’avoir trop d’esprit? Les secrétaires-traducteurs de l’Ancien Régime. In T. Colliani (dir.): Variations et inventions, Paris: Classiques Garnier 2015, p. 395-401. Zu Kap. 6: Transfert court-circuité: traductions de journalistes au Siècle des Lumières. In Le Livre du Monde et le Monde des Livres, Paris: PUPS 2012, p. 1113-1122. Zu Kap. 7: Schöngeister und Brandstifter: Französische Revolutionäre und Encyclopédistes als Übersetzer. In Jörg Engelbrecht/ Stephan Laux (ed.): Landes- und Reichsgeschichte, Bielefeld 2004, p. 303-310. Zu Kap. 8: Précepteurs-traducteurs de l’Ancien Régime. Constantes et variables d’une série de longue durée. In Luc Fraisse (dir.): Séries et variations, Paris: PUPS 2010, p. 51-58. Zu Kap. 9: Une activité annexe des imprimeurs, éditeurs et libraires d’antan: la traduction. In St. Bille Jörgensen/ L. Verstraete-Hansen (dir.): Dialogues: Histoire, littérature et transferts culturels, Copenhague 2013, p. 119-126. Zu Kap. 12: Rhétoriciens pleins d’aplomb. Vers une histoire sociale des traducteurs français, Francia Bd. 38, 2011, p. 229-235. 14 Index erwähnter Übersetzer ins Französische (Mittelalterliche Übersetzer sind auch z. T. unter dem Vornamen rubriziert) Accarias de Sérionne, Jacques (1706- 1792? ) 65 f., 69 Adam, Antoine (1705-fl. 1776) 97 Aiguilllon, Anne-Charlotte de Crussol- Florensac, duchesse d’ (1700-1772) 14 Aleaume, Jacques (1562-1627) 66, 69 Alembert, Jean Le Rond d’ (1717-1783) 27, 50 Algay de Marignac, Etienne (1620- 1698) 14 Alletz, Pons-Augustin d’ (1703-1785) 46, 48, 98 Alquié, François-Savinien d’ (fl.1669- 17..) 86, 88 f. Alyon, mademoiselle (fl. 1810-1818) 82 Amboise, Michel d’ (ca. 1509-1547) 11 Amelin/ Hamelin, Jean de (fl. 1554- 1568) 13 Amelot de la Houssaye, Abraham- Nicolas (1634-1706) 38 f. Amyot, Jacques (1513-1593) 64 f. Aneau, Barthélémy (ca. 1505-1561) 98 Angel, Fanny née Collet (fl. 1822-1823) 81 Annebaut, Richard d’ (fl. 1280) 8, 27, 97 Anson, Pierre-Hubert (1744-1813) 55, 61 Antraigues, Louis-Emmanuel-Henri- Alexandre de Launai d’ (1753- 1812) 22 Arnex/ Arnay Auguste-Simon (1750? -fl. 1819) 46 ff., 66, 68 f. Aubert, Guillaume (ca. 1534-1597) 14 Aubert, Jean-Louis (1731-1814) 48 Audiguier, Pierre d’ (15..-fl. 1646) 92 Audiguier, Vital d’ (1569? -1624? ) 14 f., 20, 24 Augé, Daniel d’ (? -1595) 69 Auger, Athanase (1734-1792) 98 Auger, Edmond (1530-1591) 96 Avril, Louis (1722-1774) 97 Baculard d’Arnaud, François-Thomas- Marie (1718-1805) 53 Bade/ Badius, Conrad (1510-1568) 74 Baïf, Jean-Antoine de (1532-1589) 37 f. Baillet de Saint-Julien, Louis-Guillaume (ca. 1750-fl. 1753) 53 Balesdens, Jean (ca. 1600-1674) 37 Barbeau de la Bruyère, Jean-Louis (1710- 1781) 86, 88 Barbeu du Bourg, Jacques (1709-1790) 65 Barbeyrac, Jean (1674-1744) 42, 88 f. Barère de Vieuzac, Bertrand (1755- 1841) 28 ff., 55 f., 61, 97 f. Barnabé de Saulces (fl. 1559) 98 Barruel, Augustin (1741-1820) 66 Basilicos, Jacques, dit Héraclite Despote (? -1565) 13 Batteux, Charles (1713-1780) 98 Bayle, Pierre (1647-1706) 66, 68 Bazincourt, mademoiselle Thomas de (fl. 1768) 79 f. Beaumanoir, de (1720? -fl. 1781) 14, 19 f., 23 Beausobre, Isaac de (1690-1753) 48, 87, 98 Belin de Ballu, Jacques-Nicolas (1753- 1815) 86 Belleau, Rémy (1528? -1577) 63 f. Belleforest, François de (1530-1583) 28, 30, 97 Belot, Octavie Guichard, dame (1719- 1804) 79, 82 f. Benoist, Françoise-Albertine de la Martinière, madame (1724-1809) 81 Bérenger, Laurent-Pierre (1749-1822) 97 Bernard de Tours (ca. 1147-ca. 1177) 96 Bernard, Jean-Frédéric (1690-1752) 74 Berquin, Arnaud (1747-1791) 46, 48 Berquin, Louis de (1498-1529) 11, 25 Bersuire/ Berscheure, Pierre (? -1362) 37 Bertaut, François (1628-1701) 15 Bertaut, Jean (1552-1611) 37 Berthau(l)t, René de la Grise (? -1536) 12, 37 Bertin, Théodore-Pierre (1751-1819) 71 Bielfeld, Jakob Friedrich von (1717- 1770) 64, 69 Bignon, Jean-Paul (1662-1743) 53 Bilderbeck, Ludwig Benedikt Franz von (1764-1856) 88 Billardon de Sauvigny, Edme-Louis (1736-1812) 55 Binninger, M. (fl. 1782) 65 f., 69 Bion, Jean-François (1668-1735) 89 Bissy, Claude de Thiyard de (1721- 1810) 12, 19, 25 Boaistuau, Pierre de, dit Launay (1517? - 1566) 12 Boaton, Pierre-François de (1734-1794) 19 f., 23, 25, 66 f., 69 Bochat, Charles-Guillaume Loys de (1695-1754) 46 ff., 50 Bock, Jean-Nicolas-Etienne de (1747- 1809) 8, 12 f., 18, 20, 22, 66 Bodin, Jean (1530-1596) 37 Boileau-Despréaux, Nicolas (1636- 1711) 27 Boisgelin de Cucé, Jean-de-Dieu-Raymond (1732-1804) 55 Boisjolin, Jacques-François-Marie Vieilh de (1760-1841) 60 f. Bon, Madeleine-Elisabeth de (fl. 1801- 1822) 79, 83 f. Bonaventure de Sienne (1221-1274) 36 ff., 86 Bonneville, Nicolas de (1760-1828) 28 ff., 32, 55 f., 59, 71 ff., 97 f. Bouchaud de Bussy, Jean-Baptiste? (fl. 1757) 23 Bouchaud, Mathieu-Antoine de (1719- 1804) 56 Boufflers, Stanislas-Jean de (1738-1815) 25, 55 Bouhier, Jean (1673-1746) 98 Bouhours, Dominique (1628-1702) 97 Bouillier, David-Renaud (1699-1759) 89 Boulard, Antoine-Marie-Henri (1754- 1825) 43, 46 ff., 50, 55 Bourdon de Sigrais, Claude-Guillaume (1715-1791) 20, 22 f. Bourgoing, Jean-François (1748-1811) 12, 20, 22, 53, 56, 103 Bourlet de Vauxcelles, Simon-Jérôme (1734-1802) 96, 98 Brayer de Saint-Léon, Louise-Marguerite-Jeanne-Magdeleine (1765- 1835) 88 Brébeuf, Georges de (1617-1661) 13, 70 Brébeuf, saint Jean de (1593-1649) 86 Bridel, Jean-Louis (1759-1821) 66 f. Brissot de Warville, Félicité (1759-1818) 79, 81 f. Brissot de Warville, Pierre-Jacques (1754- 1793) 47, 55, 61 Broë, Samuel, seigneur de Citry de La- Guette (fl. 1679-1700) 13 Brosses, Charles de (1709-1777) 58, 96 Bruhier d’Ablaincourt, Jean-Jacques (1722? -1756) 42 Brühl, Friedrich Aloysius von (1739- 1793) 22 Brühl, Hans Moritz von (1736-1809) 22 Brumoy, Pierre (1688-1742) 45 f., 48 Brunet, Jean (fl. 1763) 48 Bruzen de la Martinière, Antoine- Augustin (1682-1746) 89 Bueil, chevalier Claude de (fl. 1625- 1637) 14 Buffardin, Sextius (fl. 1796) 74 Buffier, Claude (1661-1737) 47 Buffon, Jean-Louis Leclerc de (1707- 1788) 56, 58 Butini, Jean-François (1747-1805) 55 Cabanis, Pierre-Jean-Georges (1756- 1808) 55 Cacault, François (1743-1805) 55 f. Cadet-de-Vaux, Antoine-Alexis-François (1743-1828) 42 Cahusac, Louis de (1706-1759) 53, 55 Cambis-Velleron, Joseph-Louis-Dominique de (1706-1772) 19 Campan, Jeanne-Louise-Henriette Genest, madame (1752-1822) 79 Camus, Jean-Pierre (1584-1652) 38 Cappel, Ange, sieur de Luat (1586- 1622) 11 f., 38 108 Kapitel 14 Caraccioli, Louis-Antoine (1723-1803) 63, 66, 69 Carra, Jean-Louis (1742-1793) 46, 55 Casaubon, Isaac (1559-1614) 88 Castellion, Sébastien (1515-1563) 66, 87 Castéra, Jean-Henri (1749-1838) 18, 20 Catrou, François (1659-1737) 96 Cauvigny, François de (1588? -1648? ) 96 Cayer/ Cayet, Pierre-Victor de la Palme (1515-1610) 13 Caylus, Anne-Claude-Philippe de Tubières de (1692-1765) 14, 19, 24 Cazotte, Jacques (1719-1792) 96 Cérenville, Jeanne-Eléonore de (1738- 1807) 81, 88 Certon, Salomon (1550? -1610? ) 14, 37 Cerutti, Joseph-Antoine-Joachim (1738- 1792) 55 Chabanon de Maugris, Charles-Antoine (1736-1780) 19 Chais, Charles (1701-1785) 42 Champigny, Jean de (1712-1787) 12 f. Chantreau, Pierre-Nicolas (1741-1808) 53, 55, 61 Chappuys, Gabriel (1546? -1613? ) 36, 38 f. Charbuy, François-Nicolas (1715? - 1786) 98 Charon, Jean (fl. 1602/ 14) 98 Chastellux, François-Jean de (1734- 1788) 19 f., 22 Chastenay de Lenty, Louise-Marie-Victorine (1771-1855) 79 Chénier, Marie-Joseph-Blaise (1764- 1811) 19, 53, 55, 61 Chenonceaux, Louise-Marie Dupin de (1706-1799) 84 Chéron de la Bruyère, Louis-Claude (1758-1807) 24, 55 f., 88 Chéron, Elisabeth-Sophie, dame Le Hay (1648-1711) 84 Chevreau, Urbain (1613-1701) 66, 69 Choiseul-Meuse, Jean-Baptiste-Armand de (1735-1815) 19, 25 Chomedey, Jérôme de (fl. 1541-1593) 13 Cianeus/ Cyaneus, Loys (ca. 1509-ca. 1568) 73 Clément, Denis-Xavier (1706-1772) 96 Clément, Jean-Marie-Benoît (1742- 1812) 47 Clément, Pierre (1707-1767) 66 f., 87 Cocquard, François-Joseph (1700-1781) 96 Coeffeteau/ Coiffeteau, Nicolas (1574- 1623) 96, 98 Cogolin, Joseph de Cuers de (1702- 1760) 14, 23 Colbert d’Estouteville, Paul-Edouard (1688-1756) 9, 20 Colin, Jacques (? -1547) 37 Collot d’Herbois, Jean-Marie (1749- 1796) 55 Colomiès, Paul (1638-1692) 87 Condillac, Etienne Bonnot de (1714- 1780) 63, 65 f. Condorcet, Marie-Louise-Sophie de Grouchy- (1764-1822) 79, 82, 84 Conrart, Valentin (1603-1675) 37 Corneille, Pierre (1606-1684) 27 f. Cornu, Albine-Hortense Lacroix, madame (1809-1875) 81 Coste, Pierre (1668-1747) 67, 69 Cotel, Antoine de (1550-1610) 14 Coupé, Jean-Marie-Louis (1732-1818) 67, 69, 98 Couret de Villeneuve, Louis-Pierre (1749- 1806) 72 f. Coustard de Massi, Anne-Pierre (1741- 1793) 53, 55 Coyer, Gabriel-François (1707-1782) 67 Coyssard, Michel (1547-1623) 97 Cramer, Charles Frédéric/ Karl Friedrich (1752-1807) 71 ff. Crébillon, Claude-Prosper Jolyot de (1701-1777) 96 Crenne, Hélisenne de (ca. 1510-ca. 1560) 14, 79 Crespin, Jean (1520-1572) 73 f. Creuzé de Lesser, Auguste-François (1771-1839) 14, 38 Crignon d’Ouzouër, Anselme (1755- 1826) 55 Crousaz, Jean-Pierre de (1663-1750) 63, 66, 85 Cubières-Palmezeaux, Michel de Cubières, dit (1752-1829) 14, 20, 23, 47 Index erwähnter Übersetzer ins Französische 109 Dacier, Anne Tanneguy Le Febvre, dame (1647-1720) 2, 12, 14, 77 f., 80 ff. Dagoneau/ Agoneau d’, G. (fl. 1608) 12 Daru, Pierre-Antoine-Noël-Bruno, comte (1767-1829) 98 Deleyre, Alexandre (1726-1793) 47, 55 Démeunier, Jean-Nicolas, comte (1751- 1814) 13, 28, 30, 32, 55 ff., 61, 97 f. Des Billons, François-Joseph Terrasse (1711-1789) 86 Des Champs, Jean (1707-1767) 47 f., 89 Des Maiseaux/ Maizeaux, Pierre (1673- 1745) 47, 49, 88 Des Marets, Samuel (1599-1673) 87 Des Masures, Louis (1515-1574) 14, 37 f. Des Roches, Catherine (1542-1587) 79 Desfontaines, Pierre-François Guyot (1685-1745) 43, 94, 96 Desportes, Philippe (1547-1606) 37 f. Després, Jean-Baptiste-Denis (1752- 1832) 47 f. Deyverdun, Georges (1734-1789) 42, 47, 65 ff. Diderot, Denis (1713-1784) 42, 46, 48, 50, 55, 58 Dinouart, Joseph-Antoine-Toussaint (1716-1786) 47, 63, 98 Dolet, Etienne (1509-1554) 38 Dorat, Claude-Joseph (1734-1780) 19, 24 Douin (fl. 1773) 24 Doujat, Jean (1609-1688) 65 Du Bellay, Joachim (1522-1560) 14, 37 f., 92 Du Bocage, Marie-Anne Le Page, dame (1710-1802) 81 f., 84 Du Bois de Saint-Gelais, Louis-François (1669-1737) 63 Du Cerceau, Jean-Antoine (1670-1730) 97 Du Châtelet, Gabrielle-Emilie Le Tonnelier de Breteuil, marquise (1706- 1749) 79 Du Cros, Simon (fl. 1628-1665) 25 Du Haillan, Bernard de Girart (1535- 1610) 12, 38 Du Marsais, César Chesneau (1676- 1756) 55, 65 Du Petit-Puy de Roseville, A. F. (fl. 1666) 96 Du Pinet de Noroy, Antoine (1510? - 1584? ) 98 Du Ryer, Pierre (1606-1658) 38 f. Du Souhait, François (1570/ 80-1617? ) 14, 39 Du Teil, Bernard (16..-fl.1641/ 70) 12 f. Du Tronchet, Etienne (1510? -1585) 38 Du Troncy, Benoît (1525? -1599? ) 37 Dubois-Fontanelle, Joseph-Gaspard (1737-1812) 45, 48 Duché de Vancy, Joseph-François (1668- 1704) 38 Dufrénoy, Adelaïde-Gillette (1765- 1825) 84 Duhan de Jandun, Jacques-Egide (1685- 1745) 65 f. Dumaniant, Antoine-Jean-André Bourlin, dit (1752-1828) 53 Dumas, Charles-Guillaume-Frédéric (? - 1780) 45 Dumouriez, Charles-François (1739- 1823) 20, 22 Duperrier-Dumouriez, Anne-François (1707-1769) 20 Dupont de Nemours, Pierre-Samuel (1739-1815) 55, 66 Duranti de Bonrecueil, Joseph (1662- 1756) 98 Dureau de la Malle, Jean-Baptiste- Joseph-René (1742-1807) 14 Durey de Meynières, Octavie Guichard, dame Belot, présidente (1719-1805) 79, 82 Dutens, Louis (1730-1812) 66, 68 Duval, Alexandre-Vincent Pineu (1767- 1842) 19, 55 f., 61 Duverdier, Antoine (1544-1600) 22 Duvernoy, Jean-Jacques (1709-1805) 66 Edoard, Nicolas (15..-156.? ) 72 Eidous, Marc-Antoine (ca. 1724-1790) 18, 20, 22 f., 53, 55 ff. Elisabeth-Christine, Königin von Preußen (1715-1797) 79, 81 Esmenard, Joseph-Alphonse (1769- 1810) 37, 86 Espence, Claude d‘ (1511-1571) 98 110 Kapitel 14 Estienne, Charles (ca. 1504-1564) 67, 73 Estienne, Robert I (1503-1559) 74 Estienne, Robert III (1560-1630) 73 Faber, Madame (fl. 1777) 81 Faesch, Georg-Rudolf (1715-1787) 22 Fame, René (1499? -1540? ) 37 f. Famin, Pierre-Noël (1741-1830) 66 Fauchet, Claude (1530-1601) 96 Félibien, André (1619-1695) 12, 38 f. Feller, François-Xavier de (1753-1802) 45, 48, 86, 97 Féraud, Jean-François (1725-1807) 96 f. Feuillet, Marie-Madeleine (1650? -fl. 1691) 80 Feutry, Aimé-Ambrose-Joseph (1720- 1789) 46, 48 Fléchier, Valentin-Esprit (1632-1710) 96 f. Fleury, Claude (1640-1723) 65 Florian, Jean-Pierre Claris de (1755- 1794) 15, 24 f. Fontaine, Nicolas (1625-1709) 36 f., 39 Fontanes, Louis-Jean-Pierre de (1757- 1821) 47 Formey, Jean-Henri-Samuel (1711- 1797) 43, 45 ff., 50, 55 f., 58, 85, 89, 98 Framery, Nicolas-Etienne (1745-1810) 46 ff. François de Neufchateau, Nicolas-Louis (1752-1828) 14, 96 Frasnay, Pierre de (1676-1753) 46 Friedel, Adrien-Chrétien (1753-1786) 56, 60, 89 Fumée, Martin (1540? -1590? ) 13 Gaguin, Robert (1435-1501) 96 Galiani, Ferdinand (1728-1787) 89 Garcin, Jean-Laurent (1733-1781) 66 Garon, Louis (1574? -1636) 73 Gaubier de Barrault, Sulpice-Edme (? - 1773) 23 Gaubil, Antoine (1689-1759) 96 Gaudin, Jacques-Maurice (1740? -1810) 55 Gaultier de Saint-Blancard, François (? - 1703) 89 Gaultier, René (1560? -1638) 28, 30, 97 f. Gédoyn, Nicolas (1667-1744) 96, 98 Genest, Edme-Jacques (? -1781) 45 ff. Gervaise, François-Armand (1660? - 1751) 96 Geuffroy, Antoine (15..-fl. 1542/ 43) 39 Gibelin, Jacques (1744-1828) 56 Gilbert, Gabriel (1620? -1680? ) 37 Gin, Pierre-Louis-Claude (1726-1807) 14 Ginguené, Pierre-Louis (1748-1816) 47, 53, 55, 61 Giry, Louis (1596-1665) 28, 30, 33, 94, 97 f. Goffaux, François-Joseph (1755-1836) 66 Gohor(r)y, Jacques (1520-1576) 12 Goibaud(-Dubois/ du Bois), Philippe (1626-1694) 64, 69 Gomez de Vasconcellos, Louise-Geneviève de = madame Grillot de Beaucour (16..-1718) 14 Goujet, Claude-Pierre (1697-1767) 96 Gournay, Marie Le Jars de (1566-1645) 14, 79 f., 84 Granet, François (1692-1741) 46 Grasset, François (1722-1789) 73 Gresset, Jean-Baptiste-Louis (1709- 1777) 96 Grou, Jean-Nicolas (1731-1803) 86, 96 ff. Grouvelle, Philippe-Antoine (1757- 1806) 53 Gruget, Claude (1525-1560) 39 Guedeville, Nicolas (1654? -1721? ) 43 Guéneau de Montbeillard, Philibert (1720? -1785) 58 Guénée, Antoine (1717-1803) 67 Guéroult, Guillaume (1507-1569) 73 f. Gueullette, Thomas-Simon (1683-1766) 96 Guibert, Louise-Alexandrine de (1765? - 1826) 82 Guischardt, Charles-Théophile (1724- 1775) 22 f. Guizot, Pauline de Meulan (1773-1827) 78, 84 Guyon, Jeanne Bouvier de la Mothe, dame (1648-1717) 80 Guyton de Morveau, Claudine Poulet, madame Picardet puis madame (ca. 1770-ca. 1820) 82 Index erwähnter Übersetzer ins Französische 111 Guyton de Morveau, Louis-Bernard (1737-1816) 29, 55, 58 Habert, François (1520-1562) 28, 30, 97 Hardouin, Jean (1646-1729) 46, 97 Haudent, Guillaume (? -1557) 69 Hay du Chastelet, Paul (1592-1636) 37 Hédelin, François (1604-1676) 63 Heinzmann, Johann Georg (1757-1802) 72, 74 Hennequin, Aimar (1544-1596) 9 Herberay des Essarts, Nicolas d‘ (14..- 1557) 10, 13 f., 22, 24 Héris, Christophe de, écuyer, dit Coqueriomont (fl. 1595) 13 Hermilly, Vaquette d’ (1710-1773) 47 f. Hernandez, Philippe (1724-1782) 89 Hervet, Gentien (1499-1584) 65 ff. Holbach, Paul-Henri-Dietrich d’ (1723- 1789) 8, 53, 55 f., 58, 60, 88 f. Hotman, François (1524-1589) 86 Hotman, Jean (1552-1636) 12 Huber, Mich(a)el (1727-1804) 43, 45 ff., 85, 88 f. Imbert, Guillaume (1743? -1803) 46, 48, 56 Janiçon, François-Michel (1674-1730) 47, 65 f., 69 Jansen, Hendrik (1741-1812) 71 ff., 88 f. Jeanne-Marie Guyon du Chesnoy, née Bouvier de la Mothe (1648-1717) 79 Jennis, Lukas (1590-nach 1630) 72 f. Jofroy de Waterford (fl. ca. 1300) 91 Johan/ Jean d’Antioche de Harens (fl. 1282-90) 92 Joncourt, Elie de (1700? -1775) 45 f., 85, 89, 98 Jun(i)ker, Georg Adam (1720-1805) 89 Kentzinger, François-Joseph de (1757- 1839) 85 f. Kéralio, Louis-Félix-Guinement de (1731- 1795) 13, 19, 43, 46 ff., 50, 66, 103 Kilg, Georges-Louis (1745-1816) 67 Koraès/ Korais/ Coray, Adamantios (1748-1833) 89 La Barre de Beaumarchais, Antoine de (? - 1757) 88 La Bléterie, Jean-Philippe-René de (1696- 1772) 97 La Bruyère, Jean de (1645-1696) 27 La Chapelle, Armand Boisbeleau de (1676-1746) 46 f., 89 La Fontaine, Jean de (1621-1695) 27, 64, 98 La Fouleresse, Jean Payen de (1650- 1701) 38 f. La Gravière, Jean-Laurent-Claude de (1737-fl. 1783) 22, 25 La Harpe, Jean-François de (1739-1803) 12, 14, 42, 47 f., 50, 66 La Landelle de Saint-Rémy, Jean-Baptiste de (1666-1735) 14 La Luzerne, César-Henri de (1737- 1799) 13, 22 La Mettrie, Julien Offray de (1709- 1751) 88 f. La Montagne, Jean de (1590? -fl. 1655) 98 La Mothe le Vayer, François de (1588- 1672) 65 La Motte, Antoine Houdar de (1672- 1731) 2, 96 La Place, Pierre-Antoine de (1707-1793) 43 La Porte du Theil, François-Jean-Gabriel (1742-1815) 19 La Roche-Guilhem, Anne de (1644- 1710) 13 La Roche, Jean-Baptiste-Louis de (1700? - 1780) 96 La Roche, Michel de (fl. 1716-1720) 47 La Rochefoucauld, François-Alexandre- Frédéric de (1747-1827) 9 La Ronce, de (fl. 1619) 14 La Vallée du Maine, seigneur de (fl. 1589) 13 La Vicomterie de Saint-Samson, Louis- Thomas-Hébert de (1732? -1809) 53 Lablée, Jacques (1751-1841) 29, 55 Lafite, Marie-Elisabeth Bouvée, dame de (1750? -1794) 12, 81 ff., 88 Lallemant, Jacques-Philippe (1660- 1748) 42 112 Kapitel 14 Lally-Tollendal, Gérard de (1751-1830) 12, 53, 55 Lannel, Jean de, écuyer seigneur du Chaintreau et du Chambort (15..-fl. 1625) 12 Lantier, Etienne-François de (1734- 1826) 96 Larcher, Pierre-Henri (1726-1812) 46 f. Laurent de Premierfait (ca. 1380-1419) 37 Lavallée, Joseph de Boisrobert (1747- 1816) 23 Lavaur, Guillaume Delort de (1653- 1730) 12 Laveaux, Jean-Charles Thibault de (1749- 1827) 43, 45 ff., 94 Le Bel, Louis (16..-1784) 98 Le Blanc du Guillet, Antoine Blanc, dit (1730-1799) 48 Le Blanc, Thomas (1599-1669) 97 Le Blond, Jean (1502-1553) 12 Le Cène, Charles (1647? -1703) 87, 89 Le Chevalier d’A(i)gneaux, Robert (1541- 1590) 14 Le Clerc, Jean (1657-1738) 47, 66, 98 Le Cointe, Gédéon (1714-1782) 98 Le Fe(b)vre, Turrien (1608-1672) 98 Le Fèvre de la Boderie, Guy (1541- 1598? ) 11 Le Gros, Nicolas (1675-1751) 86 Le Guay de Prémoval, André-Pierre (1716-1764) 83 Le Hayer, Pierre (1603-1679? ) 12 Le Jay, Gabriel-François (1657-1734) 97 Le Maçon, Antoine-Jean (1500? -1559) 37, 39 Le Maistre, Antoine (1608-1658) 37, 69 Le Marcis, Pierre-Marie-Louis (1762- 1826) 55, 58 Le Riche, Guillaume (? -1558? ) 14 Le Roy de Lozembrune, François-Claude (1751-1801) 66 Le Roy, Alard (1588-1653) 97 Le Roy, Pierre-Louis (1699-1774) 67 Le Sage, Alain-René (1668-1747) 27 Le Scène-Desmaisons, Jacques (1750- 1808) 67 Lebrun-Tossa, Jean-Antoine (1760- 1837) 55 Lebrun, Charles-François, duc de Plaisance (1739-1824) 14, 28, 55 Leclerc de Sept-Chênes (fl. 1776-1788) 48 Lemierre d’Argy, Auguste-Jacques (1760? -1815) 71 Lenfant, Jacques (1661-1728) 48, 87 Lenglet du Fresnoy/ Dufresnoy, Nicolas (1674-1755) 53 Leroux, Adrien (fl. 1807) 24 Lescarbot, Marc (1570-1642? ) 38 Lesfargues, Bernard de (ca. 1600-fl. 1639/ 60) 73 Lespinasse de Langeac, Egide-Louis- Edme-Joseph de (1748? -1839) 12, 14, 19, 23, 25 Lezay-Marnézia, Claude-François- Adrien de (1736-1800) 19, 53, 55 L’Héritier de Nouvelon, Nicolas (1613? - 1680) 19 L’Héritier de Villandon, Marie-Jeanne (1664? -1734) 79, 82 f. Ligne, Charles-Joseph prince de (1735- 1814) 9, 22 Linguet, Simon-Nicolas-Henri (1736- 1794) 47 f. Loeve-Veimars, François-Adolphe, baron (1801-1854) 14 Longepierre, Hilaire-Bernard de Requeleyne de (1659-1731) 38 f. Lottin, Antoine-Prosper (1739-1812) 71 Louis XIV, roi de France (1638-1715) 9, 13 Loys de Beauvau (1410-1462) 18, 23 f. Lubert, Marguerite de (1702? -1779? ) 14, 83 Luce de Lancival, Jean-Charles-Julien (1764-1810) 96 Luchet, Jean-Pierre-Louis de la Roche du Maine de (1749-1792) 47 Luynes, Louis-Charles d’Albert de (1620- 1690) 9 Luzac, Elie (1723-1796) 46, 71, 73 f., 89 Macault, Anthoine de (15..-1550) 37 Machault, Jean-Baptiste de (1591-1640) 97 Mailly, Jean-Baptiste (1744-1794) 46 Maimbourg, Claude (1610-1686) 98 Index erwähnter Übersetzer ins Französische 113 Malfilatre, Jacques-Charles-Louis Clichamps de (1723-1767) 96 Malherbe, François de (1555-1628) 27, 37 Mallet, Edme-François (1713-1755) 55 Mallet, Paul-Henri (1730-1807) 45, 47, 50, 65 f., 69 Malleville, Claude de (1597-1647) 92 Mandar, Michel-Philippe dit Théophile (1759-1823) 55, 61 Marandon, Bruno-Gabriel (1758-1793) 55 Marat, Jean-Paul (1743-1793) 55, 58 Maria Antonia Walpurgis von Bayern, Kurfürstin von Sachsen (1724- 1780) 79 Marie de France (1135-ca. 1200) 78 ff., 83, 86 Marin, François-Louis-Claude (1721- 1809) 46, 48 Marmontel, Jean-François (1723-1799) 42, 46, 55, 60, 96 Marot, Clément (1496-1544) 86 ff. Marsy, François-Marie de (1714-1763) 47 Martin, Jean (14..-1553) 36 f., 97 Massieu, Guillaume (1665-1722) 63, 68 f. Massillon, Jean-Baptiste (1663-1742) 96 Massuet, Pierre (1698-1776) 63, 66, 89 Matné de Morville, mademoiselle, dame de Rome (1750? -fl. 1771/ 73) 13, 81 Maubert de Gouvest, Jean-Henry (1721- 1767) 66, 86 Maucroix, François de (1619-1708) 98 Mauroy, Charles-Louis de (1734-1813) 19 Meister, Jakob Heinrich (1744-1826) 47 Mellinet, François-Anne (1763-1807) 53 Menu de Chomorceau, Jean-Etienne (1724-1802) 55 Mercier, Louis-Sébastien (1740-1814) 43, 47, 55 f., 60 Merian, Johann Bernhard (1723-1807) 47 f. Meusnier de Querlon, Anne-Gabriel (1702-1780) 46 Mielot, Jean (fl. 1448-1463) 37 Millot, Claude-François-Xavier (1726- 1785) 69, 97 f. Mirabeau, Honoré-Gabriel Riqueti de (1749-1791) 42, 45 ff., 55 f., 61 Missy, César de (1703-1775) 47 Moet, Jean-Pierre (1721-1806) 46 f. Moissy, Alexandre-Guillaume Mouslier de (1712-1777) 25 Moline, Pierre-Louis (ca. 1740-1820) 55 Monbart, Marie-Josephine de l’Escun, dame de (1750-1800) 81, 86 Mongault, Nicolas-Hubert (1674-1746) 98 Montégut-Ségla, Jeanne de (1709-1752) 80 Montlyard, Jean de (ca. 1530-1612) 12 ff., 98 Montolieu, Jeanne-Isabelle-Pauline Polier (1751-1832) 12, 78, 81 ff. Montreux, Nicolas de (1561-1610) 14 Moreau de Saint-Méry, Mérédic-Louis- Elie (1750-1819) 55 Morel, Frédéric dit le Jeune (1552-1630) 71 ff. Morell, Julienne (1594-1653) 79 f. Morellet, André (1727-1819) 56 ff., 67, 96 Morin, Pierre (1531-1608) 87 Morveau, Claudine Poullet Picardet, madame Guyton de (17.. -17..) 29, 58, 82 Mosneron de Launay, Jean-Baptiste baron (1738-1830) 55 f., 60 Moulines, Guillaume de (1728-1802) 66, 69 Mourier, Ferdinand-Louis (1754-1831) 89 Mulot, François-Valentin (1749-1804) 55 Muret, Marc-Antoine (1526-1585) 86 Nadal, Augustin (1659-1740) 47 Née de la Rochelle, Jean-François (1751- 1838) 73 Nerval, Gérard de (1808-1855) 2 Nervèze, Antoine de (ca. 1570-1623? ) 14 Niceron, Jean-Pierre (1685-1738) 98 Nicole Oresme s. Oresme Nicole, Claude (1611-1685) 97 114 Kapitel 14 Nivernais, Louis-Jules Barbon Mancini- Mazarini de (1716-1798) 9, 12, 14, 19, 22 Olivet, Pierre-Joseph Thoulier de (1682- 1768) 98 Oresme, Nicole (fl. 1325-1382) 64 f. Oudeau, Françoise (fl. 1621-1644) 79 Oudin, Antoine (1595-1653) 38 Oudin, César (15..-1625) 15, 38 Panckoucke, Charles-Joseph (1736- 1798) 47 f., 84 Parent, Anne (1585-fl. 1597/ 1600) 79 Pastoret, Claude-Emmanuel-Joseph- Pierre marquis de (1755-1840) 55 Paulmy, Antoine-René de Voyer d’Argenson de (1722-1787) 14 Pelletier, Thomas (15..-1628? ) 37 Peltier, Jean-Gabriel (1765-1825) 47 Périn, Léonard (1567-1638) 97 Perrot d’Ablancourt, Nicolas (1606- 1664) 28, 30, 33, 92, 94, 97 f. Pfeffel, Gottlieb Conrad (1736-1809) 42, 47 Philippe, Etienne (1676-1754) 98 Pichou, de (1597-1631) 25 Pidou de Saint-Olon, Isidore-François (1646-1720) 12 Pierre Bersuire s. Bersuire Pigenat, Pierre-François (? -1590) 96 Piles, Roger de (1635-1709) 36, 38 f., 67 Pingeron, Jean-Claude (1730? -1795) 46 f. Pixérécourt, René-Charles Guibert de 1773-1844) 9, 12 Plaisance s. Lebrun Poisson de la Chabeaussière, Auguste- Etienne-Xavier (1752-1820) 23, 55, 58 Polier de Bottens, Charles-Godefroy- Etienne (fl. 1771) 66 Polier, Marie-Elisabeth de (1742-1817) 79, 81, 83, 88 Pons de Verdun, Philipe-Laurent (1759- 1844) 55 Prévost, Antoine-François, dit Prévost d’Exiles (1697-1763) 27, 42, 45, 47 f., 63 f., 66, 69 f., 98 Puisieux, Philippe-Florent de (1713- 1772) 28, 30, 84, 97 f. Pure, Michel de (1620-1680) 98 Querbeuf, Yves-Mathurin-Marie Tréaudet de (1726-1797) 86, 96 ff. Quesnel, Pasquier (1634-1719) 86 f. Ramond de Carbonnières, Louis-François-Elisabeth (1753-1817) 55 f., 61 Rapin, Nicolas (1539-1608) 14, 23 Rasse de Brunhamel (fl. 1456) 37 Rauquil-Lieutaud (17..-fl. 1790) 69 Raymond d’Avignon, seigneur (fl. 1310) 8 Raynal, Guillaume-Thomas-François (1711-1796) 48, 96 Raynssant, Oudart Deviezmaison (fl. 1589/ 91) 86 Régnier-Desmarais, François-Séraphin (1632-1713) 38 f. Ricard, Dominique (1741-1803) 69 Riccoboni, Marie-Jeanne Laboras de Mézières, madame (1713-1792) 53, 79, 84 Richard d’Annebaut s. Annebaut Rivarol, Antoine de (1754-1801) 14, 42, 46 f., 66, 86 Rivarol, Louise de (1750? -1821) 14, 42, 46 f., 66, 79, 81 ff., 86 Rivet, André (1572-1651) 88, 98 Robert Gaguin s. Gaguin Robert, Louise-Félicité Guinement de Kéralio, dame (1758-1821) 12, 82 ff. Robert, Marie-Anne Roumier, Madame (1705-1771) 84 Robinet, Jean-Baptiste-René (1735- 1820) 43, 48 Rochechouart-Mortemart, Marie-Madeleine-Gabrielle de (1645-1704) 79 f. Rocquigny de Bulonde, Henri (1718- 1810) 96 Rohan, Marie-Eléonore de (1628-1681) 79 f., 83 Romance, Germaine-Hyacinthe de (1745- 1831) 13 Romieu, Marie de (1545? -1590? ) 83 Ronsin, Charles-Philippe (1752-1794) 55 Index erwähnter Übersetzer ins Französische 115 Rosset, François de (ca. 1570-1630? ) 11, 13 ff., 97 Rosset, Jean-Alphonse (1709-1766) 98 Rou, Jean (1638-1711) 65 f. Rousseau, Jean-Jacques (1712-1778) 42, 46 f., 50, 53, 56, 64, 66 Rousset de Missy, Jean (1686-1762) 45, 47, 50, 89 Ruchat, Abraham (1678-1750) 47, 65 f., 98 Sablier, Charles (1693-1786) 63 Saint-Ange, Ange-François-Fariau de (1747-1810) 96 Saint-Hilaire, Armand de Mormès de (1651-1740) 19 Saint-Hyacinthe, Hyacinthe Cordonnier, dit Thémiseuil de (1684-1746) 47 f. Saint-Lambert, Jean-François de (1716- 1803) 53 Saint-Martin, Louis-Claude de (1743- 1803) 20 Saint-Martin, Marie-Madeleine Germain de (fl. 1685) 82 Saint-Simon, Maximilien-Henri de (1720? -1799) 14, 20, 23 f. Saint-Simon, Maximilien-Henri de (1720? -1799) 25 Sainte-Hélène, Madame de (fl. 1814) 88 Salbray, sieur de (fl. 1673) 11 Salvemini di Castiglione, Giovanni- Francesco-Mauro-Melchior (1708- 1791) 98 Sanadon, Noël-Etienne (1676-1733) 65, 97 Saugrain, Jean (1518-1588) 74 Sauseuil, chevalier Jean-Nicolas Jouin de (1731-fl. 1786) 25 Scheurleer, Hendrik/ Henri (16..- 1741? ) 47 Scudéry, Georges de (1601-1667) 14, 20, 24 Sébillet/ Sibilet, Thomas (1512-1589) 27 Segrais, Jean Regnault de (1624-1701) 14, 39 Seguenot, Claude (1596-1676) 98 Séguier, Nicolas (fl. 1614/ 1622) 12 Ségur, Alexandre-Joseph-Pierre de (1756- 1788) 55, 61 Seigneux de Correvon, Gabriel (1695- 1776) 43 f., 47, 50, 93 Sevelinges, Charles-Louis de (1767- 1831) 20, 22 Sévin, Adrien (fl. 1542/ 55) 37 Seyssel, Claude de (1450? -1520) 28, 30, 86 f., 97 Siméon, Antoine (1575-fl. 1611) 98 Sinclair(e), baron Carl Gideon de (1730- 1803) 13, 22 Sorbin, Arnaud (1532-1606) 96 Sorel, Charles (1582-1674) 7, 11 Souchay, Jean-Baptiste (1687-1746) 97 Soulfour, Nicolas de (1549-1613) 11, 98 Staël, Germaine Necker, madame de (1766-1817) 79, 81 Suard, Amélie Panckoucke (1750-1830) 84 Suard, Jean-Baptiste-Antoine (1734- 1817) 43, 45, 47 f. Suarez de Sainte-Marie, Jacques (1552- 1614) 96 Tachard, Guy (1651-1712) 86 Tarteron, Jérôme (1644-1720) 97 Teissier, Antoine (1632-1715) 28, 30, 87 ff., 97 f. Tende, Gaspar de (1618-1697) 12, 38 Térond, François (1639-1720) 87 Thiroux d’Arconville, Marie-Geneviève- Charlotte Darlus, dame (1720- 1805) 82 ff. Tournes, Jean des (1539-1615) 73 f. Toussaint, François-Vincent (1715- 1772) 47 f., 50, 55 f., 58, 89 Tranchant de Laverne, Léger-Marie-Philippe (1769-1815) 22 Tremellius, Emmanuel (1510-1580) 87 Tressan, Louis-Elisabeth de la Vergne, comte de (1705-1783) 14, 20, 23 f. Tschudi/ Tschudy, Louis-Théodore de (1724-1769) 12 Turben, François (1723-1803) 48 Turgot, Anne-Robert-Jacques de l’Aulne (1727-1781) 14, 28, 30, 42, 46 ff., 50, 97 Uriot, Joseph (1713-1788) 86 Ussieux, Louis d’ (1744-1805) 47, 50 116 Kapitel 14 Vallières, Adrien de (fl. 1599/ 1622) 13 Van Effen, Juste (1684-1735) 43, 46 ff. Vanderbourg, Martin-Marie-Charles de Boudens de (1765-1827) 20, 47 Vasse, Cornélie-Pétrouille Wouters, baronne de (1739-1802) 12, 79, 81 f. Vaugelas, Claude Favre de (1585-1650) 12, 33, 93 Vaulcher, Mathieu, dit Francheconté (fl. 1550) 22 Vauvilliers, Jean-François de (1737- 1801) 86 Véron, Charles (? -1627) 96 Véron, Duverger de Forbonnais, François (1722-1800) 96 Viaixnes, Thierry-Joseph-François Fagnier de (1659-1735) 86 f., 96 Vienne, B. de (fl. 1681-1701) 98 Vieux-Maisons, Gilles de Rainssant de (fl. 1638) 12 Vigenère, Blaise (1523-1596) 8, 13 f., 36, 38 f. Villamont, Jacques de (1558-1628? ) 13 Villegagnon, Nicolas Durand de (ca. 1540? -1571) 13, 22 Villers, Charles-François-Dominique de (1765-1815) 20, 22 Villetard, Edme-Joseph (1771-1826) 38 Villette, Charles de (1736-1793) 14, 23 Vincent, Jacques (15..-1556) 19, 39 Vintimille, Jacques de (1512-1582) 12 f. Vion d’Alibray, Charles (ca. 1610-1654) 12, 20, 22, 25 Virion, Didier, seigneur de They (15..- 1635) 12 Volney, Constantin-François Chassebeuf de (1757-1820) 55, 61 Walther, Conrad Salomon (1710-1778) 73 Wapy, Jean de (15..-1631? ) 73 Wicquefort, Abraham de (1598-1682) 89 Willem/ Guillaume van Moerbeke/ Meerbeke (12..-ca. 1300) 86 Witard, Claude, seigneur de Rosoy (fl. 1578/ 81) 13 Wouters, Marie/ Mary (17. . .? -fl. 1786) 83 Zetter/ Zettre, Jacob von/ Jacques de (fl. 1609/ 25) 72 f. Zoutelandt/ Soutelande-Lindenaer, Jeanne-Dorothée/ Johanna Dorothea van, dame Boisson (1664-1737) 82, 89 Zubrodt, Johann Peter (16..-fl. 1667/ 81) 73 Index erwähnter Übersetzer ins Französische 117 Das gehäufte Zusammentreffen von Kulturen hat den Forschungsraum verändert. Der Austausch rückt ins Zentrum. Bekannt sind Bezüge zwischen sozialem Ort, Weltbild und Lebenspraxis. Hier sollen sie indes nicht in einem homogenen Raum, sondern im interkulturellen Wechselspiel aufgezeigt werden. Eine zentrale Mittlerrolle und die Zielsprache Französisch dienen als Beispiele. Sie zeigen den Nutzen einer Sozialgeschichte des Übersetzens für das Verstehen interkultureller Vorgänge. Dominant gesetzt werden diverse soziale Merkmale. Dabei kommen unvermutete Übersetzertypen ins Blickfeld. Jedem Typus entsprechen Verhaltensmuster: im Hinblick auf Theorie und Praxis der Vermittlung, Wahl von Sprachen und Werken, Vorlieben für Themenfelder oder Genres, Aktualität der Vorlagen, Übertragungstreue. ISBN 978-3-8233-8090-0