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Englisch ab Klasse 1 - Grundlage für kontinuierliches Fremdsprachenlernen

2019
978-3-8233-9103-6
Gunter Narr Verlag 
Annika Kolb
Michael K. Legutke

Fünf Jahre lang haben Forscher und Forscherinnen und Lehrerinnen und Lehrer in dem Projekt Englisch ab Klasse 1 (PEAK1) in einer deutschen Großstadt zusammengearbeitet. Dieser Band erörtert verschiedene Dimensionen des Projekts und diskutiert seine Erträge aus unterschiedlichen Perspektiven. Im Einzelnen handelt es sich um forschungsmethodologische und ethische Aspekte kooperativer Forschung, um die Inszenierung von Lernaufgaben im Englischunterricht der Primar- und der Sekundarstufe sowie um den immer noch virulenten Brennpunkt des Übergangs von der Grundschule zur weiterführenden Schule. Besonderer Wert wird auf die Stimmen der Lehrkräfte und der Kinder gelegt.

Englisch ab Klasse 1 - Grundlage für kontinuierliches Fremdsprachenlernen GIESSENER BEITRÄGE ZUR FREMDSPRACHENDIDAKTIK Herausgegeben von Eva Burwitz-Melzer, Wolfgang Hallet, Jürgen Kurtz, Michael Legutke, Hélène Martinez, Franz-Joseph Meißner und Dietmar Rösler Begründet von Lothar Bredella, Herbert Christ und Hans-Eberhard Piepho Annika Kolb-/ Michael K. Legutke (Hrsg.) Englisch ab Klasse 1 - Grundlage für kontinuierliches Fremdsprachenlernen Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http: / / dnb.dnb.de abrufbar. © 2019 · Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG Dischingerweg 5 · D-72070 Tübingen Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Internet: www.narr.de eMail: info@narr.de CPI books GmbH, Leck ISSN 0175-7776 ISBN 978-3-8233-8103-7 Inhalt 5 Inhalt Annika Kolb-/ Michael K.Legutke Kapitel 1: Englisch ab Klasse 1. Anmerkungen zu einer bildungspolitischen Diskussion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 Constanze Dreßler-/ Michael K. Legutke Kapitel 2: Zur Dynamik kollaborativer Forschung. Das Projekt Englisch ab Klasse 1. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 Lambrini Loumbourdi-/ Darja Brotzmann Kapitel 3: Assessing Speaking: Language Performance at the End of Grade 4 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 Constanze Dreßler Kapitel 4: Inszenierung von Lernaufgaben in der Grundschule . . . . . . . . . . . . 91 Annika Kolb Kapitel 5: Lernaufgaben in Klasse 5 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 Annika Kolb Kapitel 6: Englischunterricht zu Beginn von Klasse 5-- Sprachliches Können sichtbar machen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 Sonja Brunsmeier Kapitel 7: Der Übergang von Klasse 4 nach 5 aus der Sicht von Schüler*innen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 Sonja Brunsmeier Kapitel 8: Der Übergang von Klasse 4 nach 5 aus der Sicht von Lehrkräften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 Michael K. Legutke Kapitel 9: Projekt Englisch ab Klasse 1 - Bilanz und Perspektiven . . . . . . . . 211 Verzeichnis der Autor*innen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217 Kapitel 1 Englisch ab Klasse 1. Anmerkungen zu einer bildungspolitischen Diskussion Annika Kolb-/ Michael K.Legutke 1 Das Projekt Englisch ab Klasse 1 (PEAK1) Immer früher und immer öfter - auf europäischer Ebene scheint der Trend beim frühen Fremdsprachenlernen klar zu sein. Zahlreiche Länder haben in den vergangenen Jahren den Fremdsprachenunterricht in der Grundschule deutlich ausgebaut, in vielen Ländern ist er nun sogar schon im Elementarbereich verpflichtend (Enever 2018, Mour-o-/ Lorenço 2015: 2). 2016 lernten in mehr als der Hälfte der Länder der europäischen Union mindestens 80 % aller Grundschüler*innen eine Fremdsprache, in 8 Ländern sogar nahezu alle. Dem gegenüber sind es in Deutschland nur 60 %, auf einer Rangliste der 27 Länder der EU steht Deutschland damit lediglich auf Platz 20. In Baden-Württemberg, das 2005 als erstes Bundesland in Deutschland Fremdsprachenunterricht ab Klasse 1 eingeführt hatte, wurde der Beginn aktuell wieder auf Klasse 3 zurückverlegt. Seit seiner Einführung wurde der Fremdsprachenunterricht auf der Primarstufe immer wieder von Diskussionen um seine Effektivität begleitet. Debattiert wurde dabei auch die Frage, in welchem Schuljahr begonnen werden sollte. Der vorliegende Band schaltet sich aus unterschiedlichen Perspektiven in diese Diskussion ein. Argumente liefern Erfahrungen und Ergebnisse des Projekts Englisch ab Klasse 1 (PEAK1), eines sechsjährigen Entwicklungs- und Forschungsprojekts in Frankfurt am Main. Das PROJEKT 1 geht auf die Initiative dreier Grundschulen und zweier weiterführender Gymnasien zurück, die den Wunsch der Eltern und Lehrkräfte aufnahmen, auch in der Primarstufe Englisch ab Klasse 1 anzubieten, denn im Bundesland Hessen beginnt der verpflichtende Englischunterricht erst mit der dritten Klasse. Eine solche Initiative schien nicht zuletzt deshalb geboten, weil 1 Aus syntaktischen Gründen und wegen der besseren Lesbarkeit steht das PROJEKT für „Projekt Englisch ab Klasse 1 (PEAK1)“. 8 Annika Kolb-/ Michael K.Legutke die privaten Grundschulen, deren Zahl kontinuierlich wächst, selbstverständlich mit der Fremdsprache Englisch in Klasse 1 beginnen. Dem Wunsch auf Unterstützung der Initiative durch die Zuweisung zusätzlicher Unterrichtsstunden für die Klassen 1 und 2 in den Grundschulen entsprach das Hessische Kultusministerium unter der Bedingung, dass das Projekt wissenschaftlich begleitet werde. Es gelang dem Team der Forscher*innen, die Gruppe der Grundschulen und der aufnehmenden Sekundarstufenschulen so zu erweitern, dass ein breiteres Spektrum an Schulen in dem Projekt vertreten war. Im Schuljahr 2010/ 11 begann das Projekt mit zunächst vier Grundschulen und drei weiterführenden Schulen. Ab dem Schuljahr 2013/ 14 arbeiteten sechs Grundschulen und fünf weiterführende Schulen kontinuierlich zusammen (drei Gymnasien, eine Realschule und eine Integrierte Gesamtschule). Weitere Grundschulen kamen als assoziierte Mitglieder hinzu. Eine Lehrerin aus einer der beteiligten Schulen übernahm mit der halben Stundenzahl ihres Deputats die Koordination des Projekts. Mit der wissenschaftlichen Begleitung wurde die Justus-Liebig-Universität Gießen beauftragt. Partner war die Pädagogische Hochschule Freiburg. Zu den Zielen des Projekts gehörte u. a. der Versuch, einen detaillierten und fundierten Einblick in die Unterrichtspraxis des frühen Englischunterrichts zu gewinnen, begründete Aussagen über den Leistungsstand der Kinder am Ende der vierten Klasse zu machen und zu dokumentieren, was aus den Schüler*innen wurde, die Englisch ab Klasse 1 erhielten. Von Anfang an wollte man eine kontinuierliche Weiterführung des Englischunterrichts in der Sekundarstufe in den Blickpunkt rücken (Details im Kapitel 2 dieses Bandes). Nach Abschluss des Projekts lassen sich nun einige interessante Schlaglichter auf die Diskussion um den Frühbeginn werfen. Zum einen steht immer wieder die Frage im Fokus, welchen „Mehrwert“ ein Einstieg schon in Klasse 1 mit sich bringt, zum anderen liefert das Projekt Erkenntnisse dazu, welche Bedingungen für einen erfolgreichen Englischunterricht ab Klasse 1 gegeben sein müssen. 2 Was spricht für den Beginn in Klasse 1? Bei der Beurteilung des Erfolgs des Grundschulfremdsprachenunterrichts steht zunächst die Frage nach den erreichten Sprachkompetenzen im Zentrum. Untersucht wurde in zahlreichen Studien, ob die Kinder zum einen die von Bildungsplänen und Curricula geforderten Standards erreichen und zum anderen, ob Schüler*innen, die in der Grundschule schon in Klasse 1 oder Klasse 3 beginnen, eine Fremdsprache zu lernen, in der Sekundarstufe einen Vorteil haben. Zum ersten Aspekt stellten sowohl die 2009 in Nordrhein-Westfalen durchgeführte EVENING-Studie (Engel et al. 2009) als auch die 2015 im ganzen Bundesgebiet erhobenen Daten der BIG-Studie fest, dass die von den Kindern erreichten Englisch ab Klasse 1. Anmerkungen zu einer bildungspolitischen Diskussion 9 Sprachkompetenzen teilweise deutlich über den jeweiligen Erwartungshorizonten liegen. Die BIG-Studie (BIG 2015, Müller 2017) zeigt, dass die beteiligten Schüler*innen in allen untersuchten Kompetenzbereichen (Sprechen, Hörverstehen, Lesen und Schreiben) das angestrebte Niveau A1 gelegentlich übertreffen. Ca. 20 % der Kinder wären sogar in der Lage gewesen, noch weitaus schwerere Aufgaben als die im Test geforderten zu lösen (Müller 2017: 111). Was die Curricula von den Kindern im Fremdsprachenunterricht der Grundschule erwarten, wird demnach von der überwiegenden Mehrzahl der Schüler*innen erfüllt, die Erwartungshorizonte sind tendenziell sogar eher zu niedrig angesetzt. Dabei muss nicht zuletzt in Rechnung gestellt werden, wie viele Unterrichtsstunden für das Fach Englisch zur Verfügung stehen. „Insgesamt lässt sich festhalten, dass der fremdsprachliche Grundschulunterricht in den einzelnen Bundesländern derzeit die Schüler*innen vermehrt genau dahinführt, wie weit man in 90 Minuten pro Woche kommen kann“ (Elsner 2017: 107). Zur Frage, ob ein Beginn schon in Klasse 1 zu nachweislich höheren sprachlichen Kompetenzen als der Start in Klasse 3 führt, gibt es ebenfalls empirische Befunde, die allerdings nicht ganz so eindeutig ausfallen. So stellte eine Untersuchung in NRW fest, dass Schüler*innen, die in Klasse 1 mit dem Englischlernen begonnen hatten, am Ende der Grundschulzeit besser im Lese- und Hörverstehen abschnitten, als solche, die erst in Klasse 3 starteten (Wilden-/ Porsch-/ Ritter 2013). Auch die detaillierte Auswertung der BIG-Studie zeigt, dass die Schüler*innen in allen Kompetenzbereichen bessere Ergebnisse erzielen, je früher mit dem Englischlernen begonnen wurde (Müller 2017: 182 ff.). Die Dauer des Sprachunterrichts konnte in der Studie als zweitwichtigster Faktor für den Lernerfolg des Fremdsprachenunterrichts in der Grundschule identifiziert werden (ebd.: 334). Aufschlussreich in diesem Zusammenhang sind ferner die Ergebnisse des Sprechtests, der im Rahmen des PROJEKTS entwickelt und am Ende der Grundschulzeit nach vier Jahren Englischunterricht durchgeführt wurde. Die Ergebnisse erlauben es, die erreichte Sprechkompetenz der Kinder differenzierter zu beschreiben, als es auf der Basis des BIG-Tests möglich war. Sie vermitteln einen prägnanten Eindruck, was Kinder in diesem Kompetenzbereich zu leisten in der Lage sind. Lambrini Loumbourdi und Darja Brotzmann stellen im 3. Kapitel dieses Bandes den Test und ausgewählte Ergebnisse vor. Aufsehen erregte eine Studie von Jaekel et al. (2017) in NRW, die die Leistungen im Lese- und Hörverstehen von Schüler*innen, die in Klasse 1 gestartet waren, mit solchen, die in Klasse 3 begonnen hatten, verglichen. Während die „Frühstarter“ am Anfang von Klasse 5 noch signifikant bessere Leistungen zeigten, hatten die „Spätstarter“ sie in Klasse 7 eingeholt und übertrafen sie sogar sowohl im Leseals auch im Hörverstehen. Die Studie bestätigt andere vor ihr, 10 Annika Kolb-/ Michael K.Legutke die sich gegen die naive Annahme aussprechen, dass je früher mit einer Fremdsprache begonnen werde, desto bessere Ergebnisse zu erwarten seien. Hier ist den Autor*innen unbedingt zuzustimmen. Ob sich jedoch die folgende Aussage über den Englischunterricht der Grundschule zwingend aus der Studie ergibt, scheint uns aus mindestens vier Gründen fraglich: In Germany, the current practice of beginning EFL in Year 1 with 90 minutes or less of instructional time does not yield the expected results that policymakers may have hoped for, at least not in the long run. Extending EFL into elementary school did not seem to produce the anticipated linguistic outcomes ( Jaekel et al. 2017: 654). (1) Die Studie untersucht nur zwei Teilkompetenzen und blendet den Bereich Sprechen, dem in der Grundschule große Aufmerksamkeit gewidmet wird, völlig aus. Dieser Fertigkeitsbereich ist unter schulischen Bedingungen und in großer Breite zweifellos schwer zu erfassen. Erreichte Leistungen der Kinder sind jedoch unbedingt einzubeziehen, will man Erträge von Programmen bewerten. Kapitel 3 dieses Bandes gibt hier einen Einblick in Leistungen der PROJEKT-Schüler*innen. (2) Ob aus den besseren Ergebnissen der Spätstarter in Klasse 7 wirklich auf die Leistungsfähigkeit des Grundschulenglisch geschlossen werden kann, ist mehr als problematisch, wenn man berücksichtigt, dass die Kinder in Klasse 5 und 6 im Durchschnitt 304 Stunden Englischunterricht haben. Aus der Perspektive des PROJEKTS sind gerade die ersten Monate in Klasse 5 entscheidend für die Weiterentwicklung der mitgebrachten Kompetenzen, den Erhalt von Motivation und den Umstieg auf eine veränderte Lernkultur. Die Studie von Jaekel et al. wirft deshalb die spannende und bisher nicht untersuchte Frage auf, wie Lehrkräfte tatsächlich mitgebrachtes Können wahrnehmen, einordnen und unter den Bedingungen von Regelunterricht ausbauen. Sie verweist zwar auf die unterschiedlichen Zielsetzungen und Lernkulturen der beiden Schulstufen, ohne jedoch diesen Aspekt weiter auszuführen und ohne den Unterricht von zwei Schuljahren in Rechnung zu stellen. (3) Ferner bemerken die Autoren einschränkend, dass die Studie zu einem Zeitpunkt erfolgte, zu dem mit Sicherheit davon auszugehen war, dass ein beachtlicher Anteil von Grundschullehrkräften nicht entsprechend qualifiziert war. Das PROJEKT hat mehr als deutlich gemacht, dass vor allem eine fachdidaktisch fokussierte Sprachkompetenz der Lehrkräfte unerlässlich für einen kommunikativen Englischunterricht ist (s. unten). (4) Auf dem Kongress der Deutschen Gesellschaft für Fremdsprachenforschung im Herbst 2017 hat die Forschergruppe einen weiteren Teil der Studie vorgestellt, der interessanterweise zeigt, dass sich der Trend, den sie zunächst für Klasse 7 festgestellt hatte, nun in Klasse 9 wieder ins Gegenteil zu kehren scheint. Mit anderen Worten, frühbeginnende Lerner*innen ab Klasse Englisch ab Klasse 1. Anmerkungen zu einer bildungspolitischen Diskussion 11 1 zeigen in Klasse 9 einen kleinen Vorsprung vor Fremdsprachenlernenden ab Klasse 3. Sind damit die oben zitierten Schlussfolgerungen hinfällig? Beachtung in diesem Zusammenhang verdient auch die Studie von Pfenninger-/ Singleton (2016). Untersucht wurde eine Kohorte Schweizer Schüler*innen am Beginn und Ende der Sekundarstufe. 100 von ihnen hatten Englisch in der Grundschule gelernt, während 100 erst in der Sekundarstufe mit dem Fach begannen. Neben der Frage, ob die Frühstarter die Spätstarter am Ende der Sekundarstufe im sprachlichen Leistungsbereich übertreffen, wurden auch motivationale und einstellungsbezogene Aspekte untersucht. Die differenziert angelegte Studie in einem mixed-method design zeigt stimmig und nachvollziehbar, dass die Spätstarter innerhalb eines halben Jahres zu den Leistungen der Frühstarter aufgeschlossen haben und dass beide Gruppen mit vergleichbaren, fast identischen Leistungen die Sekundarstufe verlassen, die Frühstarter demnach keinen Leistungsvorteil gegenüber den Spätstartern aufweisen: While there were clear differences with respect to rate of acquisition in favor of the late starters, we found no main effect for age at the end of mandatory school time, which was also reflected in the qualitative data, e.g. in the reported comparisons that late learners did with their younger siblings who had experienced early English - and who failed, according to the reports, to perform better than the late starters (Pfenninger-/ Singleton 2016: 336). Bevor von diesen Schweizer Ergebnissen generalisierend auf die Leistungsfähigkeit des frühen Englischunterrichts geschlossen werden kann, müssen zwei Fragen beantwortet werden, die nicht im Fokus der Studie lagen. Die erste betrifft die Qualität der 440 Stunden Englischunterricht in der Grundschule, mit denen die Untersuchung rechnet. Leistet er das, was er wirklich leisten könnte? In diesem Zusammenhang wäre u. a. der Ausbildungsstand der Grundschullehrkräfte von Interesse, sowohl ihre methodisch-didaktischen wie die fremdsprachlichen Kompetenzen als auch das Niveau ihrer Lehrersprache (s. u.). Die zweite Frage betrifft die Fortführung des Englischunterrichts in der Sekundarstufe, den Komplex Übergang. Eine Reihe qualitativer Lernerdaten, nämlich Äußerungen der Frühstarter zur Erfahrung mit dem Englischunterricht in der Grundschule und zur Weiterführung, unterstreichen die Notwendigkeit, diese Fragen in den Blick zu nehmen: 72% of the responses in question concerned the perceived inefficiency of the way that English was taught. … 56 % of comments expressed criticism of the teachers’ choice of language of instruction … 41 % of students’ answers to the question complained about the experience of starting everything again from scratch in secondary school (ebd.: 332-333). 12 Annika Kolb-/ Michael K.Legutke Zum Zeitpunkt der ersten Testung, also nach ca. sechs Monaten Englischunterricht in der Sekundarstufe, diagnostiziert die Studie bei den Frühstartern eine auffällig negative Haltung gegenüber dem Fremdsprachenunterricht. Die Schüler*innen zeigen mangelnden Enthusiasmus, gepaart mit Vorstellungen der Ineffektivität der schulischen Lernumgebungen. Sie sind erkennbar unzufrieden mit ihrem Englischunterricht aus der Grundschule und mit der Lehr- und Lernpraxis der Sekundarstufe. Während die Spätstarter in der kontinuierlich strukturierten Lernkultur der Sekundarstufe von fachdidaktisch qualifizierten Lehrkräften unterrichtet werden, mussten sich die Frühstarter mit einer veränderten Lehr- und Lernkultur arrangieren, was deutlich mit negativen Erfahrungen konnotiert ist. Aus der Sicht des PROJEKTS stimmen wir Pfenninger-/ Singleton zu, wenn sie formulieren: „The ECLs‘[early classroom learners] responses also raise the question as to whether the skills that are acquired in primary school are adequately measured and accredited in secondary school“ (ebd.: 334). Neben den sprachlichen Kompetenzen, die die Kinder im Fremdsprachenunterricht der Grundschule erwerben, sollen auch interkulturelle Kompetenzen gefördert werden. Als um die Jahrtausendwende in vielen Ländern Europas Fremdsprachenprogramme für die Primarstufe entwickelt wurden, wurde vielerorts die Einigung Europas, die Bedeutung des Sprachenlernens für die interkulturelle Verständigung und die Erziehung zu Offenheit, Toleranz und Akzeptanz von Vielfalt betont. In einer Zeit, in der europaweit nationalistische Tendenzen zunehmen, scheint dieser Begründungszusammenhang umso mehr von Bedeutung. Ein Beginn des Fremdsprachenlernens in Klasse 1 setzt hier ein Signal und gibt interkulturellem Lernen Raum und Zeit (vgl. u. a. Elsner 2017). Für Kinder mit anderen Erstsprachen als Deutsch bietet gerade der Englischunterricht oft Möglichkeiten, ihr Können zu zeigen; ein Unterricht, der die kindliche Mehrsprachigkeit produktiv einbezieht, ist dabei besonders hilfreich. In einzelnen Bundesländern ist die Berücksichtigung von Mehrsprachigkeit bereits curricular verankert, beispielsweise wird angeregt, die Herkunftssprachen zu Sprachvergleichen heranzuziehen und Kindern die sprachliche Vielfalt ihrer Lebenswelt bewusst zu machen (Hempel- / Kötter- / Rymarczyk 2017: 31 f.). Gleichzeitig besteht die Herausforderung darin, in der Grundschule genügend Gelegenheiten zum Erlernen der Schulsprache Deutsch bereit zu stellen, die für den Schulerfolg unabdingbar ist. Ein „Gegeneinander-Ausspielen“ der Sprachen Englisch und Deutsch scheint dabei allerdings wenig sinnvoll, da sprachliche Kompetenzen integriert entwickelt werden. Englisch ab Klasse 1. Anmerkungen zu einer bildungspolitischen Diskussion 13 3 Voraussetzungen Die Untersuchungen zur Effektivität des Fremdsprachenlernens in der Grundschule belegen aber auch, dass der Beginn in Klasse 1 kein Selbstläufer ist. Der Erfolg ist vielmehr an gewisse Voraussetzungen geknüpft. Daniela Elsner ist deshalb zuzustimmen, wenn sie befindet, dass die Frage nicht nur sein dürfe, Was bringt der frühe Fremdsprachenunterricht? , sondern auch Was braucht dieser? (Elsner 2017: 110). Drei Voraussetzungen sollen hier kurz erörtert werden, zu deren Bestimmung auch das PROJEKT Argumente liefert. 3.1 Die Lehrerbildung und die Lehrersprache Mehr als zehn Jahre nach der flächendeckenden Einführung des Fremdsprachenunterrichts in Deutschland ist die mangelnde Ausbildung der Grundschullehrkräfte nach wie vor ein Problem. Auch das Bemühen der Bundesländer, durch Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen Lehrkräfte nachzuqualifizieren, die über keine grundständige Ausbildung in der ersten Studienphase verfügten, hat die Situation nicht durchgreifend verändert. Dazu hat u. a. beigetragen, dass diese Maßnahmen schwerpunktmäßig im methodisch-didaktischen Bereich angesiedelt waren, die Entwicklung einer angemessenen fremdsprachlichen Kompetenz hingegen kaum Aufmerksamkeit erfuhr. 2 In der BIG-Studie lag der Anteil der für das Fach Englisch ausgebildeten Lehrkräfte bei unter 50 % (Müller 2017: 127). Nur eine Minderheit der Lehrkräfte hat eine längere Zeit im englischsprachigen Ausland verbracht (ebd.: 131). Unter anderem darin begründet liegt auch die Tatsache, dass nur 29 % der befragten Lehrkräfte die eigene Sprachkompetenz im Englischen als sehr gut bezeichnen, 20 % dagegen sogar als nur mittelmäßig (ebd.: 132). Das hat eindeutige Auswirkungen auf den Unterricht: Die Studie zeigt einen klaren Zusammenhang zwischen einer hohen Sprachkompetenz der Lehrkräfte und deren Ansprüchen an das sprachliche Handeln der Kinder (Böttger 2017: 12) sowie dem Vertrauen der Lehrkräfte in ihre eigene Sprachkompetenz und dem Lernerfolg der Schülerinnen und Schüler (Müller 2017: 262 ff.). Auch die Interviewstudie von Deters-Philipp (2018) zeigt, dass viele der befragten Lehrkräfte besonders den fremdsprachlich ausgerichteten Qualifikationskriterien nicht genügen können. Das PROJEKT war in der komfortablen Situation, dass durch Unterstützung des Schulamts und des Kultusministeriums neu zu besetzende Stellen an den Grundschulen des PROJEKTS ausschließlich mit für das Fach Englisch qualifizierten Lehrkräften besetzt wurden, sodass zum Ende der Projektlaufzeit der 2 Eine ausführliche Darstellung und Diskussion dieser Zusammenhänge liefert Deters- Philipp 2018. 14 Annika Kolb-/ Michael K.Legutke Englischunterricht fast ausschließlich von Fachkräften gegeben wurde. Die intensive Arbeit mit den Lehrer*innen im Zusammenhang mit den Unterrichtsbeobachtungen, den monatlichen Fachtreffen und Intensivseminaren verdeutlichte jedoch, dass methodisch-didaktische Kompetenzen keine hinreichenden Voraussetzungen für einen kommunikativen Englischunterricht in der Grundschule bieten, sondern von einer hoch differenzierten Lehrersprache ergänzt werden müssen. Nicht zuletzt die kooperativen Mikroanalysen zur Inszenierung von Lernaufgaben (s. Kapitel 4 in diesem Band) bestätigen in eindrücklicher Weise die herausragende Bedeutung der Lehrersprache für die Ausgestaltung der Unterrichtsroutinen und des fremdsprachlichen Unterrichtsdiskurses (Deters-Philipp 2018). Dieser ist höchst vielschichtig und verlangt deshalb die kompetente Realisierung unterschiedlicher Rollen ( teacher as partner in communication, teacher as instructor, teacher as language model and input provider ) und die Fähigkeit eine Vielzahl von miteinander verschränkten Microfunktionen auszufüllen (z. B. assigning & directing activities, modeling, presenting new words, giving feedback, small talk, story telling ). Ein Versuch, Antworten auf die Frage zu liefern, was der frühe Fremdsprachenunterricht bringt, muss neben der didaktisch-methodischen Lehrkompetenz der Grundschullehrkräfte auch und gerade ihre Lehrersprache in den Blick nehmen. Klassenzimmerbasierte Forschungen zu den Praktiken der Lehrkräfte, wie sie im PROJEKT versucht wurden (s. Kapitel 4 und Kapitel 6), dürften dabei ebenso helfen wie eine Analyse und Evaluation der sprachpraktischen Komponenten der ersten Ausbildungsphase sowie der Fort- und Weiterbildung. 3.2 Einheitliche Mindeststandards Die Situation des Englischunterrichts in der Grundschule in den einzelnen Bundesländern ist nach wie vor von starker Heterogenität geprägt. Unabhängig vom Beginn in Klasse 1 oder Klasse 3 streben die meisten Bundesländer das Niveau A1 an, die einzelnen sprachlichen Fertigkeiten werden dabei aber durchaus unterschiedlich gewichtet, teilweise geht die Erwartung auch über das Niveau A1 hinaus (für einen Überblick über die Situation in den einzelnen Bundesländern vgl. Lohmann 2017). Im Gegensatz zu den Fächern Deutsch und Mathematik gibt es für das Fach Englisch keine bundesweiten Standards für die Grundschule. Für einen erfolgreichen Fremdsprachenunterricht in der Grundschule sind verbindliche Vereinbarungen, welche Kompetenzen die Schüler*innen am Ende der Primarstufe erreichen sollen, jedoch eine weitere Voraussetzung. Damit würden Verlässlichkeit der Lernziele und eine gewisse Vergleichbarkeit der erworbenen Kompetenzen zu Beginn der Sekundarstufe erreicht (Börner et al. 2017: 91). Sekundarstufenlehrkräfte hätten durch solche Mindesstandards eine Englisch ab Klasse 1. Anmerkungen zu einer bildungspolitischen Diskussion 15 Orientierung, auf welche in der Primarstufe erarbeiteten Inhalte und Kompetenzen sie aufbauen können: Lehrpläne sollten weniger in die Breite gehen und stattdessen fokussierter vorgeben, welche konkreten Ziele bis zum Übergang auf die Sekundarstufe erreicht worden sein müssen. Damit würde eine Basis für verbindliche Abschlussbzw. Übergangsprofile geschaffen, die von den weiterführenden Schulen aufgegriffen werden könnte (Hempel et al. 2017: 90). Vorschläge in diese Richtung wurden schon 2005 vom BIG-Kreis (BIG-Kreis 2005) vorgelegt; diese hilfreiche Zusammenstellung von Kompetenzen kann auf der Basis nun vorliegender empirischer Untersuchungen zum Fremdsprachenunterricht in der Grundschule überarbeitet und ergänzt werden (vgl. dazu auch Börner et al. 2017: 92 ff.). In Ermangelung nationaler Mindeststandards wurde im PROJEKT zusammen mit den beteiligten Grundschulen ein Stufenprofil für die erreichten Kompetenzen am Ende von Klasse 4 als Orientierungsrahmen erarbeitet, das sowohl die Standards des BIG-Kreises weiterdachte, als auch den Lehrplan des Landes Nordrhein-Westfalen berücksichtigte. Zum einen sollte damit für Lehrkräfte eine Orientierung geschaffen werden, welche sprachlichen Leistungen realistischerweise am Ende von vier Jahren Englischunterricht in der Grundschule erwartet werden können. Zum anderen diente das Stufenprofil Lehrkräften zu Beginn der Sekundarstufe dazu, die in der Grundschule erworbenen Kompetenzen wahrzunehmen, wertzuschätzen und zu diagnostizieren (Dreßler-/ Kollmann 2016). Auch der für das PROJEKT entwickelte Sprechtest richtete sich nach diesem Stufenprofil (s. Kapitel 3 in diesem Band). 3.3 Der Übergang in die Sekundarstufe „Über den Erfolg des Frühbeginns entscheidet ganz wesentlich der Unterricht in Klasse 5/ 6“ befanden Kahl-/ Knebler schon 1996 (109) in ihrer Evaluation des Hamburger Schulversuchs. Für den Erfolg des Fremdsprachenlernens in der Grundschule spielt eine kontinuierliche Weiterführung des Englischlernens in der Sekundarstufe eine wichtige Rolle. Die mitgebrachten Kompetenzen der Schüler*innen wahrzunehmen und systematisch auszubauen, scheint jedoch für viele Sekundarstufenlehrkräfte nach wie vor eine große Herausforderung darzustellen. Die Lehrer*innen sind unsicher, mit welchen Strategien und mit welchen methodischen Möglichkeiten sie am besten mit den teils sehr heterogenen Leistungen der Kinder umgehen können. Dazu kommen unterschiedliche Lernkulturen und methodische Orientierungen in den beiden Schulstufen. Ein Brennpunkt ist dabei beispielsweise 16 Annika Kolb-/ Michael K.Legutke die Schriftlichkeit. Auch wenn die Anbahnung schriftsprachlicher Kompetenzen inzwischen auch in der Primarstufe systematischer betrieben wird, kann von den Schüler*innen nicht erwartet werden, dass sie mit Eintritt in die fünfte Klasse selbständig und korrekt schreiben können. Wahrzunehmen und wertzuschätzen gilt es vielmehr die mündlichen sprachlichen Fähigkeiten, mit denen die Kinder in die Sekundarstufe kommen. Eine nicht zu unterschätzende Rolle spielt dabei auch das informelle Sprachenlernen: Diese nicht-intentionalen impliziten Prozesse der Sprachaufnahme, -verarbeitung und ersten -produktion des frühen Fremdsprachenlernens können dabei allerdings nicht wie explizit zur Verfügung stehendes bewusstes Sprachwissen und -können reproduziert werden, weil die jungen Fremdsprachenlerner einfach (noch) nicht wissen, was sie alles an fremder Sprache behalten haben und verwenden können (Börner et al. 2017: 101-102). Im PROJEKT galt der Kontinuität zwischen Primar- und Sekundarstufe von Anfang an besonderes Interesse. Dabei wurde angestrebt, die Übergangsphase im Hinblick auf ihre Potentiale und Herausforderungen näher zu charakterisieren sowie erprobte Modelle für die Unterrichtspraxis zu erarbeiten. Wichtig war eine enge Zusammenarbeit zwischen Lehrkräften der Primar- und der Sekundarstufe, um den Austausch zu befördern, Lehrkräften Einblicke in die jeweils andere Schulstufe zu ermöglichen und gemeinsame schulstufenübergreifende Projekte zu planen. In den Schulverbund miteinbezogen wurden deshalb von Beginn an fünf Schulen der Sekundarstufe, welche häufig Schüler*innen aus den beteiligten Grundschulen aufnehmen. An den Projektsitzungen nahmen Lehrkräfte der Primar- und der Sekundarstufe teil. Die Lehrer*innen tauschten sich hier über relevante Fragen aus, diskutierten eigene videografierte Unterrichtsstunden und erarbeiteten kompetenzorientierte Stufenprofile und Lernaufgaben für die Primar- und den Beginn der Sekundarstufe (s. Kap. 4 und 5). Die erarbeiteten Lernaufgaben wurden dann im Unterricht erprobt und ihre Durchführung in den Projektsitzungen reflektiert. Außerdem trugen gegenseitige Unterrichtshospitationen zum Austausch bei. Intensiviert wurde dieser in der zweiten Projektphase durch Übergangsprojekte, bei denen jeweils eine Klasse aus der Primar- und eine Klasse aus der Sekundarstufe an einem gemeinsamen Thema arbeitete und die Ergebnisse bei einem Treffen aller Schüler*innen ausgetauscht wurden (Dreßler-/ Kollmann 2016a, Legutke 2018). 4 Das PROJEKT - der Sonderfall und seine Implikationen Blickt man aus der Distanz von nunmehr zwei Jahren nach Ende des PROJEKTS auf dessen Erträge- - einige von ihnen werden in den folgenden Kapiteln im Englisch ab Klasse 1. Anmerkungen zu einer bildungspolitischen Diskussion 17 Einzelnen erörtert-- dann kann die Frage, ob sich der Aufwand lohnt, zumindest für den konkreten Fall ohne Bedenken mit „ja“ beantwortet werden. Auch und gerade wenn man die Herausforderungen in den Blick nimmt, die das Setting mit sich brachte, in dem Lerner*innen, Forscher*innen, Vertreter*innen der Schulaufsicht und-verwaltung sowie des Kultusministeriums über sechs Jahre zusammenwirkten, bleibt die Einschätzung positiv. Alle Beteiligten haben ohne Frage viel gelernt. Der Beitrag von Lambrini Loumbourdi und Darja Brotzmann (Kap. 3) dokumentiert nicht nur die Entwicklung eines Testinstruments für die Viertklässler*innen des Projekts, sondern zeigt, welche Leistungen im Bereich Sprechen die Kinder, um die es ja in erster Linie geht, erreichten. Constanze Dreßler und Michael Legutke führen im 2. Kapitel in das PROJEKT ein und untersuchen die Frage, wie es gelingen kann, dass Lehrer*innen und Forscher*innen auf Augenhöhe über einen längeren Zeitraum zusammenarbeiten können. Constanze Dreßler legt im 4. Kapitel dar, zu welchen Einsichten ihre Mikroanalysen von Unterrichtssituationen mit Projektlehrkräften führten, wenn diese Lernaufgaben mit Grundschulkindern inszenieren. Im 5. Kapitel stellt Annika Kolb ausgewählte Lernaufgaben für die 5. Klassen vor, die zusammen mit Lehrer*innen entwickelt und erprobt wurden. Diese Aufgaben sollen u. a. dabei helfen, von Kindern aus der Grundschule mitgebrachte (Teil)Kompetenzen sichtbar und ausbaubar zu machen. Wie Lehrkräfte den Schüler*innen im Unterricht Räume dafür schaffen können, verdeutlicht eine Fallstudie zu den ersten Wochen Englischunterricht in Klasse 5 (Kapitel 6). Sonja Brunsmeier thematisiert mit zwei Interviewstudien zum Übergang von der Grundschule in die weiterführende Schule die Kontinuität des Fremdsprachenlernens: Kapitel 7 beleuchtet den Übergang aus der Sicht der Schüler*innen, während im 8. Kapitel Lehrkräfte zu Wort kommen. Michael Legutke skizziert im Schlusskapitel einige Perspektiven für die Weiterarbeit in dem spannenden Feld des Frühbeginns, die sich aus dem Projekt ergeben könnten. Die Argumente für einen frühen Beginn des Englischunterrichts, die die folgenden Seiten präsentieren, sind zunächst und vorwiegend an die besonderen Bedingungen des PROJEKTS gebunden und wollen deshalb auch in diesem Kontext verstanden werden. Es war ohne Frage ein Glücksfall: entstanden aus einer Basisinitiative, unterstützt durch Eltern, Schulleiter*innen und Schulverwaltung, gefördert durch ein Ministerium und begleitet von einem Team von Wissenschaftler*innen. Es entstand eine Lern- und Forschungsgemeinschaft, deren Praktiken jedoch über den Einzelfall hinaus als Modell wirken können und deren Einsichten verdienen, im Fachdiskurs wahrgenommen zu werden. Was diese Gemeinschaft trotz aller Herausforderungen, die die unterschiedlichen 18 Annika Kolb-/ Michael K.Legutke Rollen und Aufgaben mit sich brachten, konsequent versuchte, in die Tat umzusetzen, hat Mark Clarke in einem viel beachteten Aufsatz wie folgt formuliert: Of primary importance is the need for time to reflect; collaborate; observe other teachers; develop personal theories, curriculum, materials… In short, the day-to-day business of teaching must become more conducive to thoughtful work (Clarke 1994: 23). Ob das PROJEKT diesem Anspruch gerecht wurde, mögen die Leser*innen kritisch prüfen. Literatur BIG-Kreis (2015). Der Lernstand im Englischunterricht am Ende von Klasse 4 . München: Domino Verlag. BIG-Kreis (2005). Standards, Unterrichtsqualität, Lehrerbildung. Empfehlungen des BIG-Kreises in der Stiftung Lernen . München: Domino Verlag. Börner, Otfried-/ Böttger, Heiner-/ Kierepka, Adelheid-/ Lohmann, Christa (2017). 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Anmerkungen zu einer bildungspolitischen Diskussion 19 Jaekel, Nils-/ Schurig, Michael-/ Merle, Florian-/ Ritter, Markus (2017). From early starters to late finishers? A longitudinal study of early foreign language learning in school. Lanuage Learning 67 (3), 631-664. Kahl, Peter-/ Knebler, Ulrike (1996). Englisch in der Grundschule - und dann? Evaluation des Hamburger Schulversuchs „Englisch ab Klasse 3“ . Berlin: Cornelsen. Legutke, Michael (2018). Gemeinsam den Übergang meistern. At work 28, 8-9. Lohmann, Christa (2017). Konsolidierung des Grundschul-Englischunterrichts. FLuL , 46 (2), 36-54. Mour-o, Sandie/ Lorenço, Mónica (2015). Introduction. In: Mour-o, Sandie-/ Lorenço, Mónica (eds.). Early years second language education. International perspectives on theory and practice . London: Routledge, 1-11. Müller, Tanja (2017). Einflussfaktoren auf den Lernkontext im Fach Englisch am Ende von Klasse 4. Aspekte der vertieften Auswertung der BIG-Studie 2013 . 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Im „Projekt Englisch ab Klasse 1“ (PEAK1) arbeiteten etwa dreißig Grund- und Sekundarstufenlehrende aus 12 Schulen sechs Jahre mit professionellen Forschenden zweier Universitäten zusammen. Der folgende Beitrag skizziert die Genese einer Gemeinschaft der Forschenden ( community of inquiry ) und erörtert am Beispiel eines Teilprojekts, das der Frage nachging, wie Lehrer*innen Lernaufgaben im Englischunterricht der Grundschule inszenieren, Brennpunkte solcher Zusammenarbeit. Der Beitrag schließt mit Überlegungen, ob und wenn ja, in welcher Weise dieser konkrete Fall Anstöße für Folgeprojekte kollaborativer Forschung liefern kann. 1 Das PROJEKT 1 . Ein Fall Der Kontext: In der deutschen Großstadt (ca. 740 000 EW), in der dieser Fall situiert ist, wird Englisch gemäß den Richtlinien des zuständigen Kultusministeriums (Schulgesetz) verbindlich ab der dritten Jahrgangstufe an allen Grundschulen unterrichtet. Angeregt durch eine Gruppe bildungsinteressierter Eltern haben drei Grundschulen eine Initiative gestartet, Englisch schon ab Klasse 1 anzubieten. Nach zwei Jahren Erprobung auf der Basis selbst entwickelter Curricula und Materialpakete stellen die Schulen beim Ku ltusministerium den An- 1 Aus syntaktischen Gründen und wegen der besseren Lesbarkeit steht das PROJEKT für „Projekt Englisch ab Klasse 1 (PEAK1)“. 22 Constanze Dreßler-/ Michael K. Legutke trag auf Förderung des PROJEKTS durch eine weitere Zuweisung zusätzlicher Stunden für die Klassen 1 und 2. Das Kultusministerium stimmt dem Antrag unter der Bedingung zu, dass das PROJEKT über den Zeitraum von zunächst drei Jahren wissenschaftlich begleitet wird. Der Auftrag: Die wissenschaftliche Begleitung (WiBe) soll die PROJEKT- Schulen kontinuierlich beraten, den von den Kindern am Ende von Klasse vier erreichten Leistungsstand einschätzen und untersuchen, welche Formen der Weiterführung der Programme in Klasse 5 etabliert werden. D.h. es gilt darzulegen, wie die Grundschulen mit den weiterführenden Schulen zusammenarbeiten und mit welchen Maßnahmen die aufnehmenden Sekundarstufenschulen die erreichten (Teil)Kompetenzen der Kinder systematisch weiterentwickeln. Die Leistungsfähigkeit der jeweils realisierten Modelle für die Weiterführung in Klasse 5 ist einzuschätzen. Dabei sollen die besonderen Bedingungen einer Großstadtregion berücksichtigt werden (freie Schulwahl für die Sek I). Das Team: Das Kultusministerium beauftragt eine Forschergruppe (bestehend aus einer Juniorprofessorin, einem Professor und einer Wissenschaftlichen Mitarbeiterin). Diese nimmt den Auftrag unter der Bedingung an, dass mindestens eine weitere Grundschule aus einem deutlich bildungsferneren Umfeld der Großstadt mit einer Gesamt- und einer Realschule als aufnehmende Schulen in das PROJEKT integriert werden. Das Kultusministerium stimmt zu. Allerdings zieht sich die Integration der weiteren Schulen fast zwei Jahre hin. Am Ende des zweiten Projektjahres gehören fünf Grundschulen, drei Gymnasien, eine Real- und eine Gesamtschule zum PROJEKT. Eine Lehrkraft einer der PRO- JEKT-Schulen wird mit Projektbeginn mit halber Stelle für die Koordination der Aktivitäten auf Schulebene und die Kommunikation zwischen den Schulen und der WiBe freigestellt. Zwei weitere Grundschulen schließen sich dem PROJEKT an und werden in die Förderung aufgenommen. Damit arbeiten schließlich 7 Grundschulen in dem PROJEKT mit. Die Juniorprofessorin wird zwischenzeitlich auf eine W3-Professur an eine andere Hochschule berufen. Sie ist bereit, die Zusammenarbeit fortzusetzen. Die Arbeitstreffen: Während der Schulzeit treffen sich Vertreter*innen aller beteiligten Schulen und die WiBe einmal pro Monat für zwei Stunden abwechselnd an einer der PROJEKT-Schulen. Einmal pro Schuljahr findet eine Klausurtagung von 1 ½ Tagen in einem Bildungszentrum des Bundeslandes statt. Vertreter*innen der Schulverwaltung und des Kultusministeriums nehmen regelmäßig an diesen Treffen teil. Die Genehmigungen: Mit der Erteilung des Auftrags zur WiBe genehmigt das Kultusministerium Unterrichtsbeobachtungen in allen Schulen, Videoaufnahmen, die Durchführung von Interviews mit Schüler*innen und Lehrkräften und die Durchführung von Tests. Zur Dynamik kollaborativer Forschung. Das Projekt Englisch ab Klasse 1. 23 Die Laufzeit: Nach 6 Jahren endet das PROJEKT mit einer öffentlichen Abschlussveranstaltung an einer der PROJEKT-Schulen. Die beteiligten Grundschulen erhalten weiterhin je eine Extrastunde für die ersten beiden Schuljahre zur Fortführung des Englischunterrichts ab Klasse 1. Die zweite Stunde müssen sie aus dem Stundenkontingent der Schule für die Profilbildung bestreiten. Eine darüberhinausgehende Verstetigung seitens der Schulbehörde findet nicht statt. Im Folgenden sollen forschungsmethodische, forschungsstrategische und forschungsethische Aspekte und Herausforderungen erörtert werden, die sich im Zusammenhang mit diesem besonderen Fall, dem PROJEKT, ergaben und die über diesen hinaus für ähnliche Konstellation beachtenswert sind, nämlich für Projekte, in denen Lehrer*innen und professionelle Forscher*innen gemeinsam forschen, indem sie versuchen eine Gemeinschaft der Forschenden ( community of inquiry ) zu bilden. 2 Kollaborative Forschung 2.1 Wissenschaftliche Begleitung, Lehrer- und Praxisforschung Unterschiedliche Interessen treffen bei der formalen Konstituierung des PRO- JEKTS und seiner wissenschaftlichen Begleitung aufeinander. (1) Die Lehrkräfte der Kerngruppe (unterstützt durch die Schulleitungen und Eltern), die das Projekt in Gang setzten und über zwei Jahre Schulcurricula für Englisch ab Klasse 1 und entsprechende Materialpakete entwickelt hatten, erwarteten zu Recht intensive Unterstützung und fachkundige Beratung mit dem Ziel, die begonnenen Schulprogramme zu verstetigen und weiter zu entwickeln. (2) Das staatliche Schulamt, das das PROJEKT aktiv unterstütze, erwünschte sich kritische Einsichten in die Realisierbarkeit von Profilbildungen „Englisch ab Klasse 1“ im Verbund von ausgewählten Grundschulen und weiterführenden Schulen in einer Großstadtregion, in der weiterhin der allgemeine Einstieg in die englische Sprache in Klasse 3 erfolgte. Solche Profilbildungen schienen vor allem deshalb von großem Interesse, weil zahlreichen Neugründungen von Privatschulen im Stadtbereich alle bereits ab dem ersten Schuljahr eine Fremdsprache, in der Regel Englisch, verpflichtend machten. (3) Das Kultusministerium, das die Finanzmittel für die zusätzlichen Stunden, die Mittel für die Projektkoordination (1/ 2 Stelle einer Lehrkraft) und die Mittel für die wissenschaftliche Begleitung bereitstellte, erwartete nicht nur valide Auskünfte über den erreichten Leistungsstand der Kinder am Ende von Klasse 4, sondern auch substantielle Erkenntnisse zu Formen der Weiterführung des in der Grundschule Begonnenen. Zu dokumentieren und kritisch zu erörtern waren demnach die von den Schulverbünden entwickelten und erprobten Konzeptionen des Übergangs, die als Modelle für ver- 24 Constanze Dreßler-/ Michael K. Legutke gleichbare Profilbildungen in städtischen Regionen des Bundeslandes fungieren konnten. (4) Schließlich sind die Interessen der Fremdsprachendidaktiker*innen zu nennen, denen sich im Kontext der wissenschaftlichen Begleitung und der intensiven Zusammenarbeit mit den Lehrkräften die Chance bot, eigene Forschungsvorhaben im Forschungsfeld des frühen Fremdsprachenlernens neu zu konturieren und weiterzuverfolgen, bzw. neue Forschungsprojekte anzustoßen. Obwohl die Initiative für das PROJEKT von den Lehrkräften und Schulen ausging, war mit seiner Formalisierung die Erwartung verbunden, dass den professionellen Forscher*innen von nun an die Verantwortung übertragen war, Initiativen für den Einstieg in die gemeinsame Arbeit zu ergreifen, den Arbeitsprozess zu strukturieren und zu leiten. Dabei galt es, ein ganzes Bündel Fragen im Auge zu behalten, von denen hier nur einige genannt werden: Wie könnte es gelingen, den unterschiedlichen Interessen gerecht zu werden? Welche besonderen Chancen brachte das komplexe Setting für Forschungen zum frühen Englischunterricht mit sich? Wie könnten sie genutzt werden? Welche Herausforderungen waren zu beachten und wie konnten sie gemeistert werden? Wie müssten die mit dem Auftrag verbundenen Aufgaben und Untersuchungen konkretisiert werden, damit sie unter den gegebenen Bedingungen auch bearbeitet werden konnten? Welche Schwerpunkte sollten gebildet werden? Wer würde für was im Laufe des PROJEKTS Verantwortung übernehmen? Und vor allem: Welche Rolle(n) könnten und wollten die Lehrer*innen, die die wichtigsten Aktanten des PROJEKTS waren, übernehmen? Wie das Forschungskonzept der Gruppe im Einzelnen auf diese und weitere Fragen zu antworten versuchte, wird im Teilkapitel 2.2 dargelegt. Zunächst soll das Verhältnis der professionellen Forscher*innen zu den Lehrer*innen unter Berücksichtigung verschiedener Forschungsansätze, die Anstöße für die Konkretisierung des Forschungskonzepts boten, erörtert werden. Das Verhältnis von Theorie und Praxis, von Forschung und Unterricht ist seit Langem Thema fremdsprachendidaktischer und erziehungswissenschaftlicher Diskurse. Nicht nur die Frage, wer unter welchen Bedingungen befähigt ist, fachdidaktisches Wissen zu generieren, sondern wie dieses Wissen zu kategorisieren und zu bezeichnen ist, spielt dabei eine zentrale Rolle (Appel 2000). Clarke hat in einem viel beachteten Beitrag vor mehr als 20 Jahren argumentiert, dass der etablierte Theorie-Praxis-Diskurs der Disziplin für Lehrer*innen dysfunktional sei. Denn diejenigen, die Forschung betreiben und Theorien über das Lehren und Lernen von Fremdsprachen entwickeln und publizieren, sind in der Regel nicht selbst Lehrer*innen und arbeiten nicht selbst in diesen Kontexten. Andererseits wird denen, die täglich lehren, nämlich Lehrkräften, bei der Theoriebildung keine Stimme zugetraut. Ihre Expertise erscheine im Vergleich zu der, die die Theoretiker für sich in Anspruch nehmen, als zweitrangig. Zur Dynamik kollaborativer Forschung. Das Projekt Englisch ab Klasse 1. 25 […] I believe that the profession continues to cast teachers as implementers of dicta rather than as agents in the process of theory construction, curriculum planning, and policy development (Clarke 1994: 10). Die Funktionalität dieses Verhältnisses spiegelt sich nicht zuletzt in dem distanzierten bis ablehnenden Einstellungen von Fremdsprachenlehrer*innen gegenüber wissenschaftlichen Konzepten und gegenüber der Forschung (Borg 2006, 2009) wider. Verschiedene Ansätze, Lehrer*innen in der Forschung eine Stimme zu verleihen, sind seitdem in Erscheinung getreten. Baileys und Nunans Sammelband Voices from the Language Classroom (1996) kann dabei als direkte Antwort auf Clarkes kritische Anmerkungen gelesen werden. Mit dem Begriff Praxisforschung (vgl. Prengel 2010) lassen sich im deutschsprachigen Raum mehrere Ansätze bündeln. Sie unterscheiden sich in dem Grad, in dem die Lehrer*innen den Forschungsprozess mitbestimmen. Während die Lehrerforschung, wie sie von der Deutschdidaktik verstanden wird, Lehrer*innen bestenfalls als Gesprächspartner*innen der Wissenschaftler*innen konzeptualisiert, die sich von außen dem Praxisfeld nähern (Bräuer-/ Wieser 2015), bezeichnet derselbe Begriff in der Pädagogik Forschungsaktivitäten, die von den Praktiker*innen initiiert und vorangetrieben werden. Dieses Begriffsverständnis von Lehrer*innenforschung orientiert sich an dem angelsächsischen Konstrukt von Teacher Research (Hollenbach-/ Tillmann 2009, 2011) und den verschiedenen praktischen Spielarten (Borg / Sanchez 2015), denen auch die Aktionsforschung zuzuordnen ist (Altrichter-/ Posch 2007, Burns 2010). Je nachdem wie stark die Lehrer*innen in die Forschung involviert sind und diese (mit)bestimmen, ändert sich auch die Vorstellung zum Status der von Praktiker*innen generierten Erkenntnisse. Dies ist vor allem dann von Interesse, wenn Wissenschaftler*innen die „(relative) Außenperspektive“ gegenüber dem Praxisfeld aufgeben und sich zusammen mit Praktiker*innen auf stärker fallbezogene forschende Tätigkeit im Praxisfeld einlassen (vgl. Prengel 2010) und damit gemeinsam dazu beitragen, Unterricht zu verstehen. Angesichts der besonderen Kontextbedingungen des PROJEKS erschienen zwei methodische Ansätze als besonders vielversprechend für die Ausgestaltung des Forschungskonzepts, nämlich Exploratory Practice (Allwright 2003, Allwright-/ Hanks 2009, Hanks 2017) und Participatory Research Methods (Bergold-/ Thomas 2012). Exploratory Practice ist eine Spielart von fremdsprachendidaktischer Praxisforschung, die auf Unzufriedenheit von Praktiker*innen mit etablierten Formen von Forschung reagiert, indem sie sich für die Integration von Forschung in pädagogisches Handeln einsetzt. Die alltäglichen Praktiken der Lehrer*innen werden dabei als Werkzeuge forschenden Handelns angesehen, mit deren Hilfe es gelingen kann, Unterricht zu verstehen. Allwright und Hanks sprechen von 26 Constanze Dreßler-/ Michael K. Legutke potentially exploitable pedagogic activities (Allwright-/ Hanks 2009: 157). Das Konzept ruht auf sieben Prinzipien, die hier nur kurz skizziert werden, da wir auf sie im nächsten Teilkapitel zurückkommen werden: Prinzip 1 quality of life for langugae teachers and learners ist das zentrale Anliegen dieser Art Forschung. Was auch immer die Praxisforscher*innen unternehmen, es muss der Qualität des Lebens im Klassenzimmer dienen. Working for understanding(s) (Prinzip 2) betont die forschende Haltung, die Praktiker*innen gegenüber dem eigenen Unterricht einnehmen. Es geht nicht primär darum, Probleme zu lösen, sondern zunächst und vorwiegend darum, die pädagogische Praxis zu verstehen. Prinzip 3, 4 und 5 everybody needs to be involved in the work for understanding , the work needs to serve to bring people together und the work needs to be conducted in a spirit of mutual understanding betonen die Kollegialität des Vorgehens und damit die Chance gemeinsamer Entwicklung, die sowohl kooperierende Wissenschaftler*innen als auch die Lernenden einschließt. Prinzip 6 hebt die Notwendigkeit kontinuierlicher Arbeit hervor. Prinzip 7 formuliert abschließend und mit großem Nachdruck, dass die Forschungsarbeit voll und ganz in die alltägliche Praxis integriert sein muss, mit dem Ziel, die Belastung der Beteiligten zu minimieren und damit Bedingungen für Nachhaltigkeit zu schaffen (Allwright-/ Hanks 2009: 149-154). Während die Vertreter*innen der Exploratory Practice den komplexen und spannungsgeladenen Beziehungen von Wissenschaftler*innen und Praktiker*innen keine besondere Aufmerksamkeit widmen und folglich die Frage nach der Etablierung einer Gemeinschaft der Forschenden weitgehend ausblenden, nimmt die Schaffung eines geschützten Raums ( safe space ) in der Methodenkonzeption von Bergold-/ Thomas (2012) eine Schlüsselstellung ein. Gemeint ist ein von allen Beteiligten zu schaffender und im Prozess immer wieder neu zu gestaltender Raum, in dem sich die verschiedenen Aktant*innen ohne Ängste des Gesichtsverlustes auf Augenhöhe begegnen, in dem sie geschützt ihre Sicht der Dinge darstellen, ihre Erfahrungen kommentieren und ihr besonderes Wissen einbringen können. Es geht folglich um einen Raum, in dem alle Beteiligten von und miteinander lernen. Solche Räume sind vor allem dann gefragt, wenn sich Wissenschaftler*innen in Handlungsfelder begeben, in denen ihnen qua Status eine Außenseiterposition zukommt. For applied linguists, however, especially for those who locate their work in the professional and workplace context, these relationships are challenging, and often confounded by their very outsider status in relation to the communities and the sites with whom and in which they seek to work (Sarangi-/ Candlin 2003: 274). Erste und vordringliche Aufgabe für die Beteiligten des PROJEKTS war es, einen solchen Beziehungsraum zu schaffen, dessen Genese und Bestimmungsparameter im nächsten Abschnitt dargestellt werden. Zur Dynamik kollaborativer Forschung. Das Projekt Englisch ab Klasse 1. 27 2.2 Parameter für die Entwicklung einer Gemeinschaft der Forschenden (community of inquiry) Wie schon gesagt, übernahmen mit der Formalisierung des PROJEKTS die Wissenschaftler*innen die Verantwortung, dieses in Gang zu bringen. Dazu gehörten die Konstituierung eines Leitungsgremiums und die Erarbeitung eines Aktionsplans. Dem Leitungsteam gehörte von Anfang an eine Lehrkraft der PRO- JEKT-Schulen an, die für ihre Koordinations- und Leitungsarbeit mit einer halben Stelle vom Unterricht freigestellt wurde. Unter Berücksichtigung der besonderen Kontextbedingungen und der einschlägigen Forschungsliteratur zielte der Aktionsplan auf die Herstellung eines sicheren Begegnungsraums ( safe space ), wohl wissend, dass ein solcher Raum für gemeinsames Forschen und Lernen unter Berücksichtigung je individueller Interessen ein langfristiges und immer wieder gefährdetes Unternehmen sein würde. Für die Schaffung eines solchen Raumes musste folgenden Aspekten, die während des gesamten PROJEKTES immer wieder im Fokus waren, besondere Beachtung zukommen: (1) die zeitlichen Zwänge, denen alle Beteiligten ausgesetzt sind, (2) der Aufbau von Selbstvertrauen gegenüber der eigenen Praxis, (3) die Wertschätzung der alltäglichen pädagogischen Praxis und (4) der Aufbau vertrauensvoller Beziehungen. Im Folgenden sollen diese Aspekte im Einzelnen erörtert werden. Aus der Retrospektive sind sie nach unserem Verständnis konstituierende Parameter kollaborativer Forschung. zez Kollaborative Forschung in PEAK1 Zeitliche Zwänge Aufbau von Selbstvertrauen gegenüber der eigenen Praxis Wertschätzung der alltäglichen pädagogischen Praxis Aufbau vertrauensvoller Beziehungen safe space Abb. 1: Der Forschungsansatz 28 Constanze Dreßler-/ Michael K. Legutke 2.2.1 Zeitliche Zwänge. Lehrer*innen als Forscher*innen Forschung muss immer mit zeitlichen Zwängen rechnen, bei der Arbeit mit Lehrer*innen wiegen sie jedoch besonders schwer. Denn es geht (1) um die tägliche Arbeitsbelastung der Lehrer*innen, (2) um das Interesse und die Verantwortung der Forscher*innen, reiche Daten zu gewinnen und zu erheben und (3) um die Frage, ob und wenn ja, in welchem Umfang Lehrer*innen über ihre pädagogischen Tätigkeiten hinaus durch das PROJEKTS belastet werden können. Allwright-/ Hanks (2009) fassen diesen Aspekt mit dem Konzept quality of life zusammen (S. 149-151; 280-282; s. o.). Besonders in der Anfangsphase des PROJEKTS artikulierten die Lehrer*innen ihre Frustrationen über die alltägliche Belastung und darüber, dass sie für die Mitarbeit am PROJEKT keine Entlastungsstunden erhielten, andererseits aber erwartet wurde, dass sie an den monatlichen Projektsitzungen teilnahmen. Die Projektleitung nahm dieses Anliegen ernst und versuchte zugleich die Wahrnehmung der Beteiligten für die Erträge des Dialogs miteinander zu stärken. Die Fokussierung auf die gemeinsamen Versuche, Aspekte frühen Englischunterrichts aus je individuellen Perspektiven zu verstehen und sich darüber auszutauschen, konnte als Gegengewicht gegen die verständliche Frustration wirken (vgl. Phillips et al. 2013: 1-20). Im Laufe der Zeit rückten die fachdidaktischen Aspekte und vor allem die Freude am Dialog über die tägliche Praxis deutlich stärker ins Bewusstsein der Lehrer*innen als die Auseinandersetzung mit den zeitlichen Zwängen. Ein Faktor, der für die Beteiligten die Wahrnehmung der Zeitbelastung möglicherweise veränderte, war die Art und Weise, wie die Projektgruppe die Gewinnung und Erhebung von Daten anging. Im Gegensatz zu Forschungsansätzen, die Lehrer*innen als Forscher*innen mit der Verantwortung ausstatten, selbst Daten zu erheben, z. B. die Aktionsforschung (Burns 2010), wurden im PROJEKT andere Wege gegangen. Datenerhebung und Gewinnung lagen ausschließlich in den Händen der professionellen Forscher*innen, denn unter Regelbedingungen haben Lehrkräfte weder Zeit noch Energie, solche Kärrnerarbeit zu leisten (vgl. auch Müller-Hartmann- / Schocker- / Pant 2013: 21-25; Barkhuizen 2009). Dies enthebt die Forscher*innen jedoch keineswegs der Verpflichtung, ihre Methoden und Entscheidungen immer für die Gesamtgruppe transparent zu machen. Von den PROJEKT-Lehrkräften konnte nicht erwartet werden, dass sie Forschungstagebücher führten oder sich in Forschungsberichte vertieften, noch war es realistisch, sie für umfangreiche narrative Interviews zu gewinnen. Deshalb setzten die Forscher*innen darauf, mit den Lehrer*innen so oft wie möglich gut handhabbare und dokumentierbare Situationen zu schaffen, die zum einen dazu dienten, dass letztere ihre besondere „Stimme“ entdecken konnten und dass diese Stimmen in Form von knappen Datensätzen anderen zugänglich wurden. Audio und Videoaufnahmen aus dem Unterricht kamen ebenso zum Zur Dynamik kollaborativer Forschung. Das Projekt Englisch ab Klasse 1. 29 Einsatz wie informelle Gespräche und kurze Interviews. Mit dem gewachsenen Vertrauen in der Gruppe (s. 2.2.4) bildeten diese Datensätze den Ausgangspunkt intensiven Austausches in den monatlichen Gruppensitzungen und vor allem bei der Jahrestagung. Der achtsame Umgang mit Zeit spiegelte sich auch in der Organisation der monatlichen Treffen, die immer am ersten Donnerstag im Monat stattfanden und für das gesamte Schuljahr im Voraus angekündigt wurden, damit Lehrkräfte gemäß den Vereinbarungen mit dem Kultusministerium langfristig delegiert werden konnten. Die Treffen wurden jeweils von einer PROJEKT-Schule ausgerichtet und dauerten nicht länger als 2 Stunden. Das konsequente Einhalten der 2-Stunden-Regel erlaubte nicht nur eine verlässliche Zeitplanung für die Beteiligten, sondern erwies sich vor allem mit dem Fortschreiten des PROJEKTS als Bedingung für sehr gezieltes Arbeiten. Die Planung oblag dem Leitungsteam, das zu den Sitzungen mit Tageordnung einlud und das alle Sitzungen innerhalb einer Woche protokollierte. Konsequent wurde vom Leitungsteam auch die Regel „keine Hausaufgaben für die Treffen“ beachtet, was nicht ausschloss, dass Lehrer*innen Materialien aus dem Unterricht mitbrachten oder sich eigene Hausaufgaben stellten, indem sie Gespräche über Videomitschnitte ihres eigenen Unterrichts für die Gesamtgruppe vorbereiteten. 2.2.2 Der Aufbau von Selbstvertrauen in die eigene Professionalität Das Bemühen um die Stärkung des Selbstvertrauens der Beteiligten in ihre eigene Professionalität war ein weiterer Beitrag für die Entwicklung eines sicheren und produktiven Begegnungsraums und damit für die Entfaltung des Forschungskonzepts. Ersteres manifestierte sich in drei miteinander zusammen-hängenden Aspekten: (1) Die Lehrer*innen mussten sich vergewissern können, dass ihre Ideen und ihr Erfahrungswissen das PROJEKT weiterbringen, dass sie Relevantes zu sagen haben, dass es auf ihre Beiträge ankam. (2) Lehrer*innen mussten unterstützt werden, sich eine fachdidaktische Fachsprache anzueignen und sich auf theoretische Konzepte einzulassen, ohne dass sie ihre unterrichtsbezogene Alltagsprache als minderwertig oder unzulänglich bewerteten. (3) Schließlich ging es darum eine gemeinsame Sprache für alle Beteiligten zu finden. Die Unsicherheit der beteiligten Lehrkräfte spiegelte sich vor allem zu Beginn des PROJEKTS in Interviewdaten wieder: 30 Constanze Dreßler-/ Michael K. Legutke Stimme 1 2,3 Gaby: Was könnte ich noch hinzufügen? Forscherin: Haha Gaby: ((Spricht mit Akzent)) @Etwas, das bedeutsam ist (.) du weißt schon, was man auch gut zitieren kann@ Forscherin: Haha Gaby: @ Was ist dann nicht - nee. Nee, nur ein Scherz (.) Etwas das, das humanistischen Wert hat, das humanistisch ist, also, Kindern lernen folglich etwas für ihr ganzen Leben.@ Forscherin: Haha Gaby: Im Prinzip habe ich das schon gesagt, und und ehm und @sehr verantwortungsvolles, verantwortungsvolles Fach, weil man kann da sehr viel kaput machen, wenn man nicht Spaß rüberbringt, nee@ Das ist ein Scherz. Nee, also, I habe das [Fach] eigentlich mit Absicht gewählt. Ähnliche Äußerungen finden sich bei anderen Lehrkräften. Für manche Lehrer*innen dauerte es fast 5 Jahre, bis sie sich sicher fühlten, nicht nur selbstbewusst die eigenen Ideen zu vertreten, sondern an einer gemeinsamen öffentlichen Schlusspräsentation mitzuwirken und an einer Abschlusspublikation mitzuwirken (Dreßler et al. 2016). 2.2.3 Die Wertschätzung der alltäglichen pädagogischen Praxis und die Suche nach Schätzen Selbstvertrauen in die eigene Professionalität hängt nicht zuletzt davon ab, welche Wertschätzung Lehrer*innen ihrer alltäglichen Praxis zukommen lassen und welche sie von anderen erfahren. Von Anfang an dienten die monatlichen Treffen der PROJEKT-Gruppe deshalb dazu, Aspekte der Alltagspraxis unter unterschiedlichen Perspektiven zum Gegenstand des kollegialen Austausches zu machen, mit dem Ziel, solche Wertschätzung zu befördern und zu praktizieren (vgl. Allwright 2003). Orientierung bot Goffmans Konzept der Erfahrungsschemata, das davon ausgeht, dass eine alltägliche Situation, current situation (Goffman 1974: 9) im Diskurs unterschiedlich definiert und interpretiert wird. Diese unterschiedlichen Interpretationen galt es zugänglich und besprechbar zu machen. Ausgangspunkt war die Suche nach „Schätzen“ in der eigenen Pra- 2 Rückübersetzung aus dem Englischen 3 Die Transrkiptionsregeln orientierten sich an Nohl (2006: 123) und wurden adaptiert, um auf den Forschungskontext zu passen. @ steht für etwas, dass lachend gesprochen wird. Die Zahlen geben an, wie lang die Pausen zwischen den Wörtern in Sekunden sind. Zur Dynamik kollaborativer Forschung. Das Projekt Englisch ab Klasse 1. 31 xis. Lehrer*innen wurden gebeten, einen oder mehrere solcher Schätze mitzubringen, zu erklären, warum es sich um einen Schatz handelt und warum sie glauben, dass die Beschäftigung mit ihm das Wissen der Gruppe zum frühen Englischunterricht erweitern könnte. Die Besprechung der Schätze in Kleingruppen und im Plenum zu Beginn der Projektarbeit bot nicht nur die Möglichkeit, individuelle Vorstelllungen zum kommunikativen Englischunterricht zu thematisieren, sondern auch Perspektiven für die Weiterarbeit zu entwickeln. So kristallisierte sich schon früh die systematische Beschäftigung mit Lernaufgaben als Arbeitsschwerpunkt heraus, denn manche der Schätze konnten als Beispiele komplexer Lernaufgaben (Legutke-/ Thomas 1999, Hallet 2011) gelten, auch wenn die Lehrer*innen sie nicht so bezeichneten. Die alltägliche Praxis erfuhr ferner eine deutliche Aufwertung durch eine Intensivierung von Unterrichtsbeobachtungen. Sie erfolgten grundsätzlich nur auf Einladung der Lehrer*innen und schlossen die Beobachtungen durch Peers ein. Beobachtungen waren zunächst eher sporadisch und weniger fokussiert. Je deutlicher sich allerdings konkrete Fragen ergaben, etwa wie Schreib- und Leseaufgaben anzuleiten, wie Präsentationsaufgaben zu orchestrieren oder wie Rückmeldungen zu geben waren, nahmen die Beobachtungen und anschließenden Gespräche an Häufigkeit und Intensität zu. Unterrichtsbeobachtungen und später im PROJEKT auch videografierte Sequenzen, die die Lehrer*innen aus dem eigenen Unterricht für die Gruppenarbeit zur Verfügung stellten, verstärkten die Wertschätzung. Denn sie machten deutlich erfahrbar, mit welchem Einsatz und welcher Energie die Lehrkräfte den Englischunterricht inszenieren, wie Kopf, Herz, Hand und Fuß in dem Prozess doing a lesson (Bloome et al. 1989) zusammenwirken. Zu Beginn des PROJEKTS war eine deutliche Zurückhaltung, ja Skepsis der Lehrer*innen wahrnehmbar, Mitglieder des Forschungsteams in den Unterricht einzuladen. Denn mit dem Besuch verband sich die Vorstellung, eine ganz besondere Stunde zeigen zu müssen. Dies mögen Folgen der Ausbildung sein, denn die Mehrzahl der Lehrer*innen berichtete über negative Erfahrungen mit Unterrichtsbeobachtungen im Zusammenhang der zweiten Ausbildungsphase, dem Referendariat. Der kontinuierliche Rekurs in den monatlichen Projektsitzungen auf den Alltag und die täglichen Routinen sowie die Art und Weise, wie das Team die Besuche realisierte, haben im Laufe der Zeit ohne Frage dazu beigetragen, die Beobachtungssituationen zu entspannen. Dennoch bleibt festzuhalten, dass selbst Lehrer*innen, die sich regelmäßig vom Team beobachten und videografieren ließen, immer wieder auf den Aspekt „Schaustunde“ zurückkommen, wie die folgende Äußerung zeigt: 32 Constanze Dreßler-/ Michael K. Legutke Stimme 2 Anna: I weiß noch nicht, was ich morgen machen werde. Ich muss da später darüber nachdenken. Ich dachte, dass ich dir zeigen könnte, was ich mir vorgestellt habe. Es ist nichts Besonderes. Aber ich dachte, dass das jetzt reichen muss. Ich habe dieses Mal keine Zeit etwas Besonderes vorzubereiten. Ich muss schon früher als normaler Weise da sein um diese Frau zu treffen, damit sie die Filmausrüstung aufbauen kann. Annas Anmerkung steht stellvertretend für andere, denn sie drückt die Sorge der Lehrer*innen aus, für die Beobachtung durch die professionellen Forscher*innen und vor allem bei geplanten Videoaufnahmen etwas Besonderes bieten zu müssen. Die Wertschätzung der alltäglichen Praxis und ihrer Routinen war deshalb eine permanente Aufgabe für das Forscher*innenteam und eine der Voraussetzungen für den Aufbau von Vertrauen. 2.3.4 Der Aufbau vertrauensvoller Beziehungen Vertrauen ist eine entscheidende Bedingung empirischer fremdsprachendidaktischer Forschung, denn es berührt alle Phasen des Forschungsprozesses, den Zugang zum Feld, die Gewinnung und Analyse der Daten, die Präsentation der Ergebnisse und den Rückzug aus dem Feld. Vertrauen ist nicht automatisch gegeben, sondern muss erarbeitet werden und braucht Entwicklungszeit. Ferner ist es höchst anfällig für Störungen: “[It is] always a fragile and momentary accomplishment, subject often to rapid shifts within encounters and over time, and always vulnerable to exigencies“ (Candlin-/ Chrichton 2013: 5). Aus diesem Grund verlangt es nach kontinuierlicher Pflege und erfordert die Bereitschaft und Fähigkeit der Beteiligten, mit Vertrauenskrisen umzugehen. Die Herausforderung, vertrauensvolle Beziehungen zu schaffen und zu erhalten, begleitete das PROJEKT bis zu seinem Ende. Lehrer*innen artikulierten anfangs Enttäuschungen und Frustration über Wissenschaftler*innen, die im schulischen Kontext Daten erheben und danach nicht mehr gesehen werden: Denn fast alle hatten im Laufe ihrer Karrieren an Studien teilgenommen, ohne über Ergebnisse informiert oder in einen Diskurs über die Untersuchungen einbezogen worden zu sein. Immer wieder würden an sie Anfragen gerichtet, an einer Studie teilzunehmen: Zur Dynamik kollaborativer Forschung. Das Projekt Englisch ab Klasse 1. 33 Stimme 3 Anna: Oft sind die Umfragen ziemlich lang. Ich verstehe, warum nicht viele Lehrer antworten. Und dann machst du es und dann gibt es oft keinerlei Rückmeldung oder es dauert Jahre und dann hast du schon längst wieder vergessen, um was es in der Umfrage ging. Anna vermisst die direkte Rückmeldung, auf die Forschung mit Praktiker*innen gerade in Hinblick auf den Erhalt vertrauensvoller Beziehungen nicht verzichten darf. Direkte Rückmeldung, hot feeedback (Sarangi- / Candlin 2003: 277), etwa nach Phasen der Datenerhebung, ist jedoch nicht immer leicht zu realisieren. Trotz großer Anstrengungen gelang es dem Forschungsteam nur teilweise, (Zwischen)Ergebnisse zeitnah in die Gesamtgruppe zurückzugeben. Besonders vertrauensbildend wirkte die Vereinbarung, dass Mitglieder des Forschungsteams Klassenzimmer grundsätzlich nur auf Einladung der Lehrer*innen betreten würden. Videoaufnahmen würden nur auf Wunsch und mit Zustimmung der Lehrkraft erfolgen, wenn gemäß den rechtlichen Bedingungen auch Schulleitungen, Schulkonferenzen und Eltern zustimmten. Die Vereinbarung betonte außerdem die Freiwilligkeit der Teilnahme an den einzelnen Forschungsaktivitäten. Als deutliches Zeichen des langsam gewachsenen Vertrauens darf der Umstand gelten, dass nach etwa zweieinhalb Jahren Projektarbeit Videodokumente, die im Unterricht einzelner PROJEKT-Schulen entstanden, Gegenstand des professionellen Austausches in der Gesamtgruppe wurden. Nachdem das Eis einmal gebrochen war, wurden die monatlichen Treffen zunehmend vom Austausch über den dokumentierten Unterricht bestimmt. Lehrer*innen wählten aus den Videodokumenten des eigenen Unterrichts, die ihnen das Forschungsteam zur Verfügung stellte, kurze Sequenzen aus und brachten den Dialog in Gang, indem sie die Auswahl begründeten und Fragen an die Gesamtgruppe formulierten. Vertrauensbildend war zudem, dass Mitglieder des Forscherteams geplante Vorträge und Seminare zum PROJEKT für nationale wie internationalen Kongresse mit den Lehrer*innen besprachen, sich Korrekturen und Anregungen erbaten und vor allem die Erlaubnis einholten, Videodaten zeigen zu dürfen. 4 Da Lehrer*innen nur in wenigen Ausnahmen selbst an solchen Kongressen teilnehmen konnten, wurde ihnen durch die Vorbesprechungen und die Zurverfügungstellung von Präsentationen eine vermittelte Teilnahme ermöglicht. Für letzteres eigneten sich besonders die jährlichen Blockseminare. Dass das lokale 4 AAAL Orlando, FL 2016; TBLT Banff, AB 2013; TESOL Portland, OR 2014; TESOL Dallas, TX 2013; DGFF 2013; FFF Leipzig 2014, 2011; GMF 2014, 2012. 34 Constanze Dreßler-/ Michael K. Legutke PROJEKT auf der internationalen Bühne erörtert wurde, erfüllte die Gruppe sichtbar mit Stolz. Ferner müssen in diesem Zusammenhang Publikationen zu Lernaufgaben und zum Übergang von der Grundschule in die Sekundarstufe erwähnt werden, die während des Projektverlaufs entstanden. 5 Auch wenn von Lehrer*innen nicht erwartet wurde, dass sie solche verfassten, waren sie an ihrer Entstehung und Fertigstellung maßgeblich beteiligt, denn sie lieferten nicht nur Materialien, die im Unterricht entstanden und erprobt wurden, sondern auch Rückmeldungen und Korrekturen, bevor Texte in Druck gingen. Aufbau und Pflege vertrauensvoller Beziehungen wurden schließlich von einer erfahrenen und unter den Kolleg*innen sehr geschätzten Lehrkraft entscheidend befördert, die eine Doppelrolle wahrnahm. Sie unterrichtete wie ihre Kolleg*innen und gehörte zugleich mit der Hälfte ihres Stundendeputats zum Forschungsteam. Sie lud zu den monatlichen Sitzungen und Jahrestagungen ein, die sie protokollierte, und nahm an den wöchentlichen strategischen Sitzungen teil. Als Begleiterin und Türöffnerin bei den ersten Unterrichtsbesuchen bestätigte sie, dass die Wissenschaftler*innen das Vertrauen der Praktiker*innen verdienten (Fetterman 2010). Was diese Lehrkraft ferner auszeichnete, war ihre Bereitschaft, Vertretungsunterricht zu übernehmen, damit die Kolleg*innen sich gegenseitig besuchen konnten. 2.3 Die Gemeinschaft der Forschenden: Rollen, Aufgaben und Teilprojekte Das Zusammenspiel der oben skizzierten Parameter konstituiert und stabilisiert den von Bergold-/ Thomas (2012) apostrophierten sicheren Raum ( safe space ), in dem sich für das PROJEKT allmählich eine Handlungsgemeinschaft, a community of practice (Wenger 1998) etablieren konnte, deren Forschungsaktivitäten nur als Gemeinschaftsleistung in Erscheinung treten konnten und deren Erfolg von den Binnenverhältnissen der Beteiligten abhängt: Participatory research requires a great willingness on the part of participants to disclose their personal views of the situation, their own opinions and experiences. In everyday life, such openness is displayed towards good and trusted friends, but hardly in institutional settings or towards strangers. The fear of being attacked for saying something wrong prevents people from expressing their views and opinions, especially when they appear to contradict what the others think (Bergold-/ Thomas 2012: 12). 5 Auf einige von ihnen wird in diesem Band Bezug genommen. Siehe auch Dreßler et al. 2016 Zur Dynamik kollaborativer Forschung. Das Projekt Englisch ab Klasse 1. 35 Orientierung und Sicherheit der Beteiligten speisten sich darüber hinaus aus einer transparenten Arbeitsteilung mit entsprechend klaren Rollenbestimmungen, die wir bereits implizit angesprochen haben. Sie lassen sich wie folgt zusammenfassen: Lehrer*innnen, die Expert*innen für Unterricht, hatten die Aufgabe, wann immer möglich ihre Stimme zu erheben und dafür Sorge zu tragen, dass die Fragen, die sie interessierten, Gehör fanden und bearbeitet wurden. Sie waren in besonderem Maße dafür verantwortlich, dass das breite Spektrum unterrichtsbezogener Produkte, von Lehrer*innen und Schüler*innen produzierte schriftliche wie mündliche Texte, erfasst werden konnten. Da solche Texte während des täglichen Unterrichts in großer Zahl entstehen, müssen sie nicht extra erhoben werden, sondern sind einfach da (Caspari 2016b). Solche Texte zu sammeln, fragebezogen zu ordnen und in den Diskurs einzubringen, ist eine zumutbare und leistbare Arbeit, die wesentlichen Einfluss auf die Arbeit in den Gruppen hatte. Unterrichtsbezogene Produkte helfen dabei, im Sinne von Allwright- / Hanks (2009) die Forschungsarbeit in die pädagogische Praxis zu integrieren. Sie ergänzten die von den Forscher*innen erhobenen Daten, zu denen u. a. die Videomitschnitte gehörten. Forscher*innen: Ihnen oblagen alle forschungspraktischen Tätigkeiten zur Gewinnung und Erhebung von Daten durch den Einsatz unterschiedlicher Forschungsinstrumente (Forschungstagebücher, Beobachtungsprotokolle, Erstellung von Video- und Audiodokumenten) sowie die Datensicherung und die detaillierte Durchführung der Datenanalyse. Ferner war es ihre Aufgabe, für die Berücksichtigung ethischer Standards zu sorgen. Schließlich waren sie gefordert, fachdidaktische Konzepte und Forschungsergebnisse in angemessener und produktiver Weise (d. h. situationsgerecht und didaktisch fokussiert) in den Diskurs der Gesamtgruppe einzubringen. Schließlich lagen die Veröffentlichung von (Teil)Ergebnissen und die Vorbereitung von Publikationen in ihrem Verantwortungsbereich. Leitungsteam: Hier erfolgte die strategische Gesamtplanung sowie die Planung der monatlichen Sitzungen und der Jahrestagungen. Das Leitungsteam verantwortete die Organisation und Protokollierung aller Treffen, ermöglichte den Informationsfluss zwischen den einzelne Forscher*innen und koordinierte Unterrichtsbesuche. Es versorgte die PROJEKT-Schulen mit lehrbuchergänzenden Materialien (z. B. Bilderbüchern). Es hielt ferner Kontakt zum Kultusministerium und der lokalen Schulbehörde. Schließlich verfasste das Leitungsteam differenzierte Jahresberichte, die allen beteiligten Personen wie Institutionen zur Verfügung gestellt wurden. Unter diesen Rahmenbedingungen wurden vier Teilprojekte in unterschiedlicher Intensität verfolgt, nämlich (1) zur Konzeption aufgabenbasierten Lernens 36 Constanze Dreßler-/ Michael K. Legutke im Englischunterricht der Grundschule und zur Inszenierung von Lernaufgaben, (2) zur Entwicklung und Erprobung von Lernaufgaben in Klasse 5, (3) zur Ermittlung der erreichten Sprachkompetenz am Ende von Klasse 4 und schließlich (4) zum Übergang von der Grundschule zur weiterführenden Schule aus Sicht der Lehrkräfte und der Schüler*innen. Die Kapitel 3 bis 8 dieses Bandes verschaffen einen Einblick in die Ergebnisse der gemeinsamen Arbeit (s. auch Dreßler et al. 2016). In dem nun folgenden Abschnitt dieses zweiten Kapitels möchten wir einen Brennpunkt kollaborativer Forschung näher beleuchten, wie er im PROJEKT in Erscheinung trat, einen Brennpunkt, der in der forschungsmethodischen Diskussion u. E. zu wenig Beachtung finden. Es geht um die Beziehungen einer Forschungsnovizin, einer Doktorandin zu Lehrer*innnen, die über differenzierte und langjährige Erfahrungen mit Schule und Unterricht verfügten. Erörtert werden die wechselseitigen Lernprozesse. 3 „Der Fall im Fall“: Forschungsbeziehungen und Lernprozesse bei Untersuchungen zur Inszenierung von Lernaufgaben 3.1 Interdiskursivität und Forschungsbeziehungen In der hier vorgestellten Untersuchung wurde der Forschungsgegenstand (Lernaufgaben) als Zentrum der Untersuchung von Texten, Berichten und diskursiven Praktiken konzipiert. Diese Konzeption folgt der Vorstellung, dass soziale Realitäten konstruiert und Einsichten kontextabhängig sind (vgl. Bakhtin 1981, Goffman 1974, Gumperz 1992, Malinowski 1923, Vygotsky 1978) und definiert Diskurs als soziale Aktion, in der Bedeutung durch Aushandlung entsteht. Darüber hinaus wurde angenommen, dass Texte, und im Besonderen eine empirische Arbeit, multiperspektivisch und vielstimmig sind (vgl. Bakhtin 1981). Um diesem Ansatz gerecht zu werden, fanden sich in der gesamten Arbeit sogenannte Stimmen ( voices ) der im PROJEKT beteiligten Lehrkräfte wieder. Untersucht wurden in der Studie die Perspektive der Forscherin, soziale Praktiken und Beziehungen innerhalb des PROJEKTS, semiotische Ressourcen, die bei der Beschreibung der diskursiven Praktiken verwendet wurden, die Sichtweise von Projektmitgliedern und nicht zuletzt die soziale und institutionelle Perspektive, in der die Praktiken stattfanden. All dies geschah aus Sicht der Forscherin (vgl. Candlin- / Crichton 2011). Diese interdiskursive Herangehensweise erforderte einen interdiskursiven Ansatz, der auf verschiedene Datentypen zurückgriff und diese teilweise mit unterschiedlichen Methoden untersuchte (vgl. Candlin-/ Crichton 2011: 8 - 10). Zur Dynamik kollaborativer Forschung. Das Projekt Englisch ab Klasse 1. 37 Da die Forscherin in dieser Forschungskonzeption unweigerlich eine tragende Rolle spielt und die Ergebnisse und Interpretationen untrennbar mit ihr und ihrer Perspektive verbunden sind, wird Subjektivität als zentraler Bestandteil der Untersuchung angenommen (vgl. Candlin- / Crichton- / Moore 2017, Flick 2006). Aus diesem Grund wurde in der Studie eine Reflexion der Ergebnisse angeschlossen. Darüber hinaus untersuchte die Forscherin ihre Einbettung in das Gesamtprojekt, ihre Beziehungen zu den Forschungspartner*innen und inwieweit sich gegenseitig beeinflusst wurde. Reflexivität spielte folglich auch eine zentrale Rolle im Anschluss an die Studie. Die Forscherin untersuchte selbstkritisch ihre Handlungen, Beobachtungen und Emotionen (vgl. Flick 2006). Im Anschluss an Phillips (2011) Prämisse, dass qualitative und kollaborative Forschung immer eine Form der reflexiven Meta-Analyse erforderlich macht, setzte sich die Forscherin mit Aspekten der gegenseitigen Rollenzuschreibung und Positionierung auseinander (vgl. Davis-/ Harré 1990 Goffman, 1981). Dabei stellte sie sich folgende Fragen: • Wie haben die Lehrkräfte und die Forscherin voneinander gelernt? • Wie haben sich die Lehrkräfte und die Forscherin gegenseitig beeinflusst? • Welche Rollen, Annahmen und Aufgaben hatte die Forscherin? • Welche Formen der Veränderung wurden initiiert? • Welche allgemeinen Forschungsprozesse sind durchgeführt worden und welche Einflüsse übten sie auf die Studie aus? Als Hilfestellung diente hierbei Bolton (2010). Er definierte Reflexion und Reflexivität wie folgt: [r]eflection involves reliving and retendering: who said and did what, how, when, where, and why. Reflection might lead to insight about something not noticed in time, pinpointing perhaps when the detail was missed. Reflexivity is finding strategies to question our own attitudes, thought processes, values, assumptions, prejudices and habitual actions, to strive to understand our complex roles in relation to others (Boltom 2010: 13). In diesem Kapitel werden nun zwei Aspekte aufgegriffen: 1. Welchen Lernprozess hat eine Lehrkraft durchlaufen, die erfolgreich das PROJEKT beendet hat? 2. Wie sah die Beziehung zwischen der Forscherin und einer Lehrkraft aus, die zu Beginn dem PROJEKT und den Forschenden gegenüber sehr kritisch eingestellt war? 38 Constanze Dreßler-/ Michael K. Legutke 3.2 Patricias Lernprozess Die vorgestellte Lehrkraft Patricia 6 stellt einen für die Projektmitglieder typischen Fall dar. Sie begann erst zu einem späteren Zeitpunkt im PROJEKT die monatlichen Treffen regelmäßig zu besuchen und verließ es aufgrund eines Umzugs früher. Sie ist eine voll ausgebildete Lehrkraft mit erstem und zweitem Staatsexamen für die Grundschule im Fach Englisch. Sie hatte keine längeren Auslandaufenthalte in einem Land der Zielsprache und sie beschrieb ihre Referendariatszeit als unangenehm. Aus diesem Grund war sie zu Beginn des PROJEKTS nicht dazu bereit, ihren Klassenraum für die Forschenden zu öffnen. Patricia beschrieb sich selbst als eine äußerst motivierte Projektteilnehmerin und als eine interessierte Lehrkraft, die gerne neue Dinge lerne. Das Forschungsteam stimmte ihrer Selbstzuschreibung im Allgemeinen zu, obwohl der erste Aspekt erst im Lauf des PROJEKTS für die Forschenden sichtbar wurde. In den Sitzungen, in denen sie anwesend war, beteiligte sie sich rege und stellte viele Fragen und forderte Antworten ein, um das Konzept von Lernaufgaben ganz verstehen und durchdringen zu können. Sie lud die Forscherin im Verlauf des PROJEKTS mehrfach zum Gedankenaustausch ein und um mit ihr Themen für den Englischunterricht zu besprechen. Die Abbildung zeigt Patricias Lernprozess, so wie ihn die Forscherin wahrgenommen hat. Die Abbildung kann im weiteren Verlauf des Textes mit Patricias Beschreibung ihres eigenen Lernprozesses verglichen werden. Abb. 2: Patricias Verstehensprozess 6 Aus Gründen der Lesbarkeit wird die Lehrkraft im Folgenden als Patricia bezeichnet. Der Name ist anonymisiert. Weitere Einblicke in Patricias Arbeit lassen sich auch in Dreßler (2018) finden. Zur Dynamik kollaborativer Forschung. Das Projekt Englisch ab Klasse 1. 39 Patricias Lernweg ist ein bottom-up Prozess: Sie hatte nur implizite Kenntnisse von Lernaufgaben und task-based language learning . Die Projekttreffen, ihre enge Zusammenarbeit mit Anna 7 und ihre Beobachtungen von Annas Englischunterricht beeinflussten Patricia. Darüber hinaus initiierte Patricia in den Projekttreffen Diskussion zu ihrem Unterrichtsmaterial und ihrer Lernaufgabeninszenierung, um herausfinden zu können, was Lernaufgaben sind und ob sie solche selbst im Unterricht verwendete. Ihre allgemeinen unterrichtlichen Umsetzungen veränderten sich. Zu Beginn verwendete sie viele gap activities , storytelling und post activities . Gegen Ende ihrer Mitarbeit im PROJEKT verwendete sie zunehmend häufiger spontansprachliche Aktivitäten: Auszug aus einem Beobachtungsprotokoll: 2013, Lehrkraft: Patricia 8 This Grade 4 class started learning English in Grade 1. The teacher’s overall teaching practice falls under the holistic approach in which many songs, stories, and mini-presentations are used in Grades 1/ 2. In Grade 4, there are still a few songs and stories and many activities similar to the one described below. The teacher stands in the middle of the classroom. She instructs the children sitting behind their tables to look at the picture story in their schoolbook. “Okay, go together in a group of four and think of a story. What could happen? Think of a story. Then you come to the front and show us your story. You tell us your story.” The children work in groups of four and the teacher walks around the classroom and helps the students to think of words or look up words in an online dictionary. Most of the children are trying to speak to each other in English. If the teacher hears them speak German she tells them, “No, you can say this in English. Think.” The children work in groups for about ten minutes and then they come to the front with their books in their hands. They sit in a row and each child starts telling a little bit of their previously created story. While speaking, the children hold their English books open showing the picture story to their classmates. Not all children in each group want to perform. So new groups are formed spontaneously in the moment by asking other children who want to help out this leads to the out of the moment development of a new picture story in front of the rest of the class. *Comment: I am very impressed with the level of English the learners show. The children are struggling sometimes, it is very demanding for them to sit 7 Beide Lehrkräfte arbeiteten an einer der PROJEKT-Schulen und standen in engem Austausch über Unterricht im Allgemeinen und letztlich auch über Englischunterricht. 8 Die Forscherin führte ihr Forschungstagebuch manchmal in Englisch und manchmal in Deutsch. Da die Studie ursprünglich auf Englisch geschrieben wurde, wurden alle Beobachtungsprotokolle von Anfang an auf Englisch geschrieben. 40 Constanze Dreßler-/ Michael K. Legutke in the front and tell a story. The preparation time was very short; they did not receive any words, sentences or other support from the teacher before forming the groups. Only when the children were completely stuck did the teacher intervene and help them by looking up words online or asking me for help. I am absolutely amazed by the last group who assembles and then develops a story while sitting in front of the others. The activity is very demanding, especially for the weaker students. Some of them do not want to perform; I wonder whether this might be an indication that they did not successfully complete the activity in their groups. I also wonder whether a little more support beforehand would have made them more willing to perform. Nach Stundenende erbat Patricia die Meinung der Forscherin und forderte eine Einschätzung ihres Unterrichts ein. Diese Forderung stellte die Forscherin vor eine Schwierigkeit. Aufgrund des kollaborativen Forschungsansatzes wurde explizit auf Bewertungen von Unterricht verzichtet. Themen wurden stets allgemein angesprochen, um nicht in alte Bewertungsmuster wie sie im Referendariat verwendet werden, üblich sind, zu verfallen. Aufgrund von Patricias erneuten Forderungen sah sich die Forscherin schließlich in die Enge getrieben und beurteilte die Unterrichtssituation wie folgt: Forscherin: ich fand’s richtig gut. Ich denke halt, dass es vielleicht gut gewesen wäre, wenn du ein paar Hilfestellungen vorher angeboten hättest, damit es vielleicht ein bisschen leichter für die schwachen Schüler wird. Aber ich war echt total überrascht und beeindruckt von dem Englisch deiner Schüler, die können ja so viel. Also von daher ist es vielleicht genau richtig, was du machst. Patricia stimmt dem Einwand der Forscherin bezüglich der lernlangsameren Kinder zu und gestand, dass sie sich oft selbst fragte, ob sie nicht manchmal einfach zu viel von den Kindern forderte und dass sie deshalb eine Einschätzung gewollt hatte. Patricia: ich weiß halt nicht manchmal, ob ich die Kinder damit nich überfordere. Gerade die schwachen. Ja. Ob es wirklich, also es gibt ja immer wieder Kinder, die eigentlich gar nich reden wollen und die du so’n bisschen ähm (2) die eigentlich auch unsicher sind, nich nur dir als Lehrer gegenüber, sondern auch den Klassenkameraden gegenüber, und ob, also dass is immer so meine Befürchtung, dass es für die eigentlich gar nich angenehm is. Zur Dynamik kollaborativer Forschung. Das Projekt Englisch ab Klasse 1. 41 Die geschilderte Situation kann in einem kollaborativen Forschungsprojekt zu Schwierigkeiten führen. Denn in solchen Projekten geht es immer, wie Phillips (2011) und Phillips und Kollegen (2013a und b) ausführen, darum zu bestimmen, wer welche Machtposition eingenommen hat. Wissen wird mit Macht gleichgesetzt. Traditionell werden an den Universitäten die Diskurse von den Forschenden bestimmt, so dass sie letztlich darüber entscheiden, welche ‚Geschichte‘ erzählt wird. Aus diesem Grund wurden Meinungen und Einschätzungen über den Unterricht der Lehrkräfte gewöhnlich nicht von den Forschenden geäußert. In der beschriebenen Situation wich die Forscherin von dieser Praxis ab und äußerte sich zum Unterricht, da hier ein Zurückhalten trotz des wiederholten Bittens und der wiederholten Forderungen von Seiten der Lehrkraft auch als Zeichen der Machtausübung hätte verstanden werden können. Indem die Forscherin die Lehrkraft in ihre Überlegungen einweihte, konnte gleichzeitig eine weitere Vertrauensebene hergestellt werden. Die Situation ist typisch für das Forschungsprojekt. Es geht um die Zuschreibungen, die die Forschenden den Lehrkräften gegenüber machten und umgekehrt. Die Forschenden gingen von der Prämisse aus, dass die Lehrkräfte weitaus mehr über Lernaufgaben wissen, als ihnen die Literatur und sie sich auch selbst zuschrieben. Die Lehrkräfte stellten die Wissensposition der Forschenden zunächst nicht explizit in Frage, äußerten aber immer wieder, wie wenig Zeit sie hätten, neben dem Unterricht nun auch noch am PROJEKT teilzunehmen. Damit wurde implizit zum Ausdruck gebracht, dass das PROJEKT nichts mit dem eigentlichen Unterricht der Lehrkräfte zu tun habe. Es fand also ein Ringen um Zuschreibungen statt und darum, wer welche davon annahm. Die Zuschreibung, die die Lehrkraft der Forscherin in der oben beschriebenen Situation implizit unterbreitete, war, dass die Forscherin mindestens genauso viel zum Unterricht sagen könne wie die Lehrkraft selbst. Im „Nicht-annehmen“ dieser Zuschreibung hätte eine Ablehnung gegenüber der Meinung der Lehrkraft gelegen. Diese hätte nur von der Forscherin gerechtfertigt werden können, indem sie „Nicht-Wissen“ geäußert hätte. Durch das Annehmen und gleichzeitige offene Sprechen gestand die Forscherin der Lehrkraft eine gestärkte Position zu. Die Forscherin ging davon aus, dass die Lehrkraft die Einwände der Forscherin verstehen würde. Gleichzeitig ging die Forscherin auch davon aus, dass die Lehrkraft mittlerweile ein positiveres Bild ihres eigenen Unterrichts erworben hatte, als dies zu Beginn des PROJEKTS der Fall gewesen war. Außerdem nahm die Forscherin an, dass die Lehrkraft ihre negativen Erfahrungen mit Unterrichtsbeobachtungen durch das Referendariat bereits teilweise revidiert hatte. Die Lehrkraft dachte über die Äußerungen der Forscherin nach und bemerkte zu einem späteren Zeitpunkt im PROJEKT, dass sie nun darauf achte, zu Beginn von Einheiten eine kurze Satzstruktur-Übungsphase einzulegen. Durch diese 42 Constanze Dreßler-/ Michael K. Legutke Phase seien nun auch die schwächeren Kinder besser in der Lage, in das Thema einzusteigen. Gleichzeitig fordere sie aber immer noch präzise Aussagen von den Kindern ein. Die Lehrkraft gab auch an, dass sie die Textschreibphasen der Kinder so vorbereitete, dass diese sprachlich abwechslungsreiche Sätze verfassen konnten. Patricia äußert sich in ihrem Interview zu ihrem eigenen Lernweg und zum PROJEKT wie folgt: Patricia: Ah, nun, es ist immer immer eine wahre Bereicherung andere Lehrer im Englischunterricht zu sehen. Dinge, die man dabei lernen kann anderen zuzuschauen, wenn man Dinge sieht, die man nicht machen möchte. Außerdem ist man als Lehrer immer, was ich oft so denke, weil man immer @alleine arbeitet@ ich war wirklich in einer guten Lage, da ich immer mit der Lehrkraft XXX zusammenarbeiten konnte, aber man ist immer früher oder später ein einsamer Mensch, ja. Weil man immer nur seinen eigenen Unterricht sieht, man hat nicht mehr die Chance andere beim Unterrichten zu sehen und hmm, und das ist das was du da [im Projekt] wiederbekommen hast, in der ein oder andern Form, entweder durch direktes Beobachten oder durch die Viedeoschnipsel und so. […] In Bezug zu ihrer veränderten Unterrichtsweise sagt sie: Patricia: Dieses ähm, die Kinder zum Reden bringen. Das is für mich ganz wichtig, dass die Kinder wirklich untereinander reden und E- Englisch auch als Kommunikationssprache eben erfahren indem sie eben äh, Dinge machen wie die Musik is an, sie gehen rum, dort wo sie, wenn die Musik stoppt, stehen sie neben einem Kind und das frfragen sie was. Egal am Anfang. >>How are you.>> ähm, dann >>what’s the weather like today, what day is today,<< einfach solche ähm Dinge. Oder kleine Interviews >>do you like apples, no. Do you like plums,<< zu verschiedenen Dingen einfach. […] Hmm, (2) ich hab das also, hmm ich hab das, mit der mit diesem (2) bei der Frau Ahrn in der Fortbildung mal gesehen, dass sie eben gesagt hat is it (Gestikuliert mit den Fingern), also dass man das nochmal anzählt, das man dieses, also das man Forscherin: jedes Wort also quasi einzeln ((mit den Fingern zeigt)) Patricia: Ja, das man weiß (diese drei drei) Wörter, dass sie zählen, das hab ich bei der Frau Ahrn gesehen und das habe ich dann mit denen immer wieder eingeübt und hab das auch immer, wenn sie was gesagt haben, still Zur Dynamik kollaborativer Forschung. Das Projekt Englisch ab Klasse 1. 43 vorgemacht und so, äh ähm, vielleicht aber (2) immer noch bei mir manchmal zu wenig find ich, Dinge zu visualisieren auch. Diese Satzstruktur auch einmal als Puzzle oder so puzzelt mal den Satz wir machen den einmal an die Tafel, dann wird er von allen im Gehirn fotografiert, dann wird er wieder zugeklappt. Und wenn dann, wenn es dann nicht klappt, die Tafel nochmal auf zu machen oder nochmal zu zeigen, denkt daran, es nochmal probieren zu lassen, und wenn es dann nicht klappt, die Tafel einfach einmal aufzumachen zur Erleichterung damit’s eben nicht dieser Druck is, der da auf dem Kind immer lastet, das richtig machen zu müssen. In Bezug auf Selbstzweifel, ob ihre eigene Meinung und ihr eigenes unterrichtspraktisches Wissen überhaupt von Bedeutung sind, merkt sie an: Forscherin: ja, super. Ich hab jetzt wieder ganz viel gelernt. Vielen Dank. Patricia: echt" Forscherin: Ja: : , auf jeden, also für mich ist das natürlich ist das also so, es interessiert mich ja immer was ihr überhaupt über Englischunterricht in der Grundschule denkt, was ihr zu den Lernaufgaben denkt, weil hmm, ich finde immer, es is, von außen kann man sich immer irgendwas überlegen, und denken, ja so: könnte das eventuell funktioniern, aber ich weiß ja nich wie das is 29 Stunden zu haben. Ich hab ja noch nie 29 Stunden über nen langen Zeitraum hinweg unterrichtet oder so Patricia: / / mmh/ / . Was ich halt sehr sehr gerne mache, ist halt Sachen, … Für Patricias Lernprozess ist kennzeichnend, dass sie Lernaufgaben aus mehreren Perspektiven kennen gelernt hat, indem sie Anna beobachtete, durch eine Videoanalyse von Lernaufgaben anderer Lehrkräfte sowie durch ihre eigene Ausbildung an der Universität und schließlich durch Diskussionen mit anderen Lehrkräften in den Projekttreffen. Sie hat durch das PROJEKT Einblicke in Forschung erhalten und Freude daran entwickelt mit Forschenden zusammen ein unterrichtliches Phänomen zu untersuchen. Sie hat auch erfahren, dass ihre Meinung von Bedeutung ist und dass Forschung nicht nur an den Meinungen und Erfahrungen von Lehrkräften interessiert, sondern zwingend auf sie angewiesen ist. Damit hat sie einen zentralen Punkt von Lernen und Bildung erfahren. Bruner (1986) gibt zu bedenken: “[m]uch of the process of education consists of being able to distance oneself in some way from what one knows by being able to reflect on one’s own knowledge” (S. 127). Es kann angenommen werden, dass Patricia diesen Prozess vollzogen hat. 44 Constanze Dreßler-/ Michael K. Legutke 3.3 Jane und ihre Beziehungen zur Forscherin 3.3.1 Die Frage der Kompetenz Um die Beziehungsgeflechte innerhalb der Gruppe der Grundschullehrkräfte transparenter zu machen, widmet sich dieser Abschnitt einer Lehrkraft mit der die Zusammenarbeit am Anfang problematisch war. 9 Jane positionierte sich ab dem ersten Projekttreffen als Expertin auf dem Gebiet des Frühen Fremdsprachenunterrichts aufgrund ihrer über 10-jährigen Berufserfahrung. Sie hatte bereits für ihre Schule ein Curriculum zum Englischunterricht ausgearbeitet und war federführend an der Erweiterung des Fremdsprachenunterrichts an ihrer Schule in den Klassen 1 und 2 beteiligt gewesen. Sie war deshalb skeptisch und kritisch dem Forschungsteam und dem PROJEKT gegenüber eingestellt, da sie bezweifelte, dass sie noch etwas Neues lernen könne. Darüber hinaus ließ sie die Forscherin vor dem ersten Unterrichtsbesuch wissen, dass sie der Meinung war, dass diese sowie das Forscher*innenteam „absolut inkompetent“ ( Jane, 2011) seien. Es war verpasst worden, ihr unmittelbar nach einem Projekttreffen eine versprochene Email zu senden. Die Forscherin entschuldigte sich daraufhin und erklärte, dass das Team immer noch auf eine Antwort vom Kultusministerium warte und sobald das Team diese bekommen habe, würde das Team ihr die E-Mail umgehend schicken. Die Erklärung und die Entschuldigung stimmte die Lehrkraft nicht milder. Sie fuhr fort und begann die Forscherin nach ihrem beruflichen Hintergrund auszufragen. Die Forscherin hatte bereits in der ersten gemeinsamen Projektsitzung ihren beruflichen Hintergrund offengelegt, so dass sie in der hier beschriebenen Situation dies wiederholte. Die Forscherin hatte zu Projektbeginn das 1. Staatsexamen für die Grundschule erworben und an einigen Schulen im In- und Ausland gearbeitet, hatte aber das 2. Staatsexamen noch nicht abgeschlossen. Diesen Umstand kommentierte Jane, indem sie erneut zum Ausdruck brachte, dass sie der Meinung war, die Forscherin sei inkompetent und wisse nichts. Wie die vorangestellte Situation zeigt, entschied sich Jane das Forschendenteam offen als inkompetent zu positionieren. Die Forscherin entschied sich zunächst, diese Zuschreibung nicht anzuzweifeln und nahm sie kommentarlos an. Dies geschah deshalb, um die Situation nicht noch weiter zu eskalieren, denn aufgrund der äußeren Rahmenbedingungen war vom Geldgeber des Forschungsprojekts, dem Kultusministerium, eine Zusammenarbeit mit der Schule explizit gewünscht worden. Des Weiteren hatte die Forscherin infolge der vorangegangen Projekttreffen bereits eine möglicherweise herausfordernde Situation erwartet. Die Forscherin war deshalb nicht überrascht, allerdings verblüfft 9 Aus Gründen der Lesbarkeit wird die Lehrkraft im Folgenden als Jane bezeichnet. Der Name ist anonymisiert. Zur Dynamik kollaborativer Forschung. Das Projekt Englisch ab Klasse 1. 45 darüber, wie vehement und überaus kritisch die Lehrkraft der Forscherin gegenüber auftrat. Der Vorfall sorgte auf Seiten der Forscherin für gemischte Gefühle und führte dazu, dass diese sich explizit mit den Zuschreibungen der Lehrkraft auseinandersetzten musste, um in Zukunft eine neutrale Arbeitssituation herstellen zu können. Dazu war allerdings vor der ersten Unterrichtsbeobachtung keine Zeit. Unmittelbar nachdem Jane die Forscherin abgewertet hatte, lud sie sie ein, sie in den Klassenraum zu begleiten und zeigte ihr Produkte der Lernenden an den Wänden. Direkt im Anschluss fand Janes Englischunterricht statt. Dieser wurde von der Forscherin wie folgt empfunden: Notes: Observation 2011, Teacher: Jane The children are quiet. She starts by greeting them and they sing a song together. Then she begins with lesson and tells them it’s time for their ritualized question round. Whenever she asks a student, the student stands up from her chair, shoves it to the table and stands behind it, and then gives an answer in a full sentence. Then the teachers comments on it and the student sits down. * UNBELIEVABLE! I feel like being transported back into a classroom around 1900. How can the students be so absolutely noiseless? Why do they stand up and answer questions like this? Their level of English is excellent. But the atmosphere is scary. Nach dem Ende der Stunde bedankte sich die Forscherin bei Jane und fragte, ob sie erneut zu Besuch kommen dürfte. Die Lehrkraft stimmte dem zu. Aufgrund der vorangegangen emotional aufgeladenen Situation mit Jane war es zunächst für die Forscherin äußert schwer, einen neutralen Blickwinkel während der Beobachtungsphase einzunehmen. Sicherlich war die Beobachtung gefärbt durch das Unbehagen und die Ablehnung, die die Forscherin gegenüber der Lehrkraft empfand. Um sich weiter mit den Emotionen auseinanderzusetzen und sich besser von ihnen distanzieren zu können, reflektierte die Forscherin in ihrem Forschungstagebuch: Forschungstagebuch: Ich kann nicht fassen, wie unverschämt sie sich mir gegenüber verhalten hat. Völlig offen und unverhohlen hat sie ihre Abneigung und Missbilligung mir gegenüber zum Ausdruck gebracht. Warum macht man so etwas? […] Ich frage mich, ob die Stunde wirklich so schlimm war, wie ich sie empfunden habe oder ob das deshalb der Fall war, weil sie so frech zu mir war. 46 Constanze Dreßler-/ Michael K. Legutke Vielleicht hat Jane aber auch eine ganz eigene Vorstellung davon, was „ doing a good English lesson “ heißt. Vielleicht hat sie die Schüler vorher angewiesen sich bei Fragen zu stellen und nach einer Antwort hinzusetzen, um zu zeigen, dass alle sich gut benehmen können? Das war vielleicht nur eine Show für mich? Das kann sie doch unmöglich im normalen Unterricht so machen!? In den folgenden Stunden konnte die Forscherin das beschriebene Verhalten der Schüler*innen nicht mehr beobachten. Forschungstagebuch: I am not sure whether she changed her behaviour because I possibly showed my astonishment through facial expressions or whether she possibly feared being judged by me prior to the first observation and therefore made sure that the children behaved. In any case, my initial dislike of her lessons has changed over the course of the observations as this lesson seemed to be an atypical one. Je länger die beiden Frauen zusammenarbeiteten, desto besser gelang es ihnen, eine professionelle Arbeitsebene herzustellen. Nach der ursprünglichen Auseinandersetzung kam es zu keiner weitern. Im letzten Jahr der Zusammenarbeit äußerte sich Jane sogar positiv gegenüber der Forscherin. Sie brachte zum Ausdruck, dass sie die Zusammenarbeit mit ihr nicht nur schätzte, sondern ausgesprochen gerne mit ihr zusammenarbeitete. Die Forscherin führte diesen Sinneswandel darauf zurück, dass sie immer freundlich und höflich geblieben war, die Zuschreibungen der Lehrkraft nicht angefochten hatte, die Unterrichtsweise der Lehrkräfte niemals kritisiert hatte und generell Hilfe anbot, wenn die Lehrkraft diese benötigte. So hatte die Forscherin die Lehrkraft bei Ausflügen als zweite Erwachsene begleitet. Die Forscherin hatte dies getan, um der Lehrkraft deutlich zu machen, dass es darum ging, etwas von einander zu lernen. Ziel war es hingegen nicht, Unterricht von außen, orientiert an theoretischen Maximen, zu bewerten. Um die Beziehung zwischen den beiden Frauen näher zu beleuchten, wird im Folgenden das Interview mit Jane auszugsweise dargestellt. Das Interview fand etwa in der Mitte der Projektzeit statt. Zu dieser Zeit war die Beziehung der zwei Frauen neutral bis fast positiv. Die beiden hatten zu dem Zeitpunkt bereits gemeinsam an einer Lernaufgabeneinheit gearbeitet, die von der Lehrkraft entwickelt und unterrichtet wurde. Die Forscherin hatte ihr zusätzliches Material zum Thema zur Verfügung gestellt, indem sie u. a. Flashcards nach Anweisung der Lehrkraft anfertigte. Die Forscherin hatte die Lehrkraft schon über einige Zur Dynamik kollaborativer Forschung. Das Projekt Englisch ab Klasse 1. 47 Wochen hinweg im Unterricht besucht und im Anschluss an eine Stunde hatte Jane sogar angemerkt, dass sie mit der speziellen Stunde unzufrieden sei, und die Forscherin um Tipps gebeten. Das Interview dient für die Darstellung als Hauptdatenquelle. Dabei wird zum Teil direkt auf Daten Bezug genommen, zum Teil werden aus Platzgründen Paraphrasen präsentiert. Ergänzt wird die Interpretation dieser Quelle durch das Forschungstagebuch der Forscherin, Feldnotizen, E-Mails und kurze Sprachaufnahmen, die während der PROJEKT-Arbeit aufgenommen worden waren. Die Forscherin beschreibt die Interviewatmosphäre, ihre Gedanken, Gefühle und Interpretationen in Zusammenhang mit Auszügen des Interviews. Die Lehrkraft und die Forscherin sprachen darüber, wie die Schule mit Frühenglisch begonnen hatte und was es für Jane bedeutete, Englisch mit Hilfe von Lernaufgaben zu unterrichten. Forschungstagebuch: The atmosphere was okay. I think we have established a good working relationship over the past few weeks. I still felt awkward around her. We started chatting about her hair as she had complained about it upon her arrival. She had come by bike and the wind had ruined her hairdo in her opinion. I complimented her on her hair and after a short chat about how people always seem to be unhappy with the sort of hair they have, I asked her the questions. She chose to talk about the historical aspects first. 3.3.2 Macht und Ohnmacht Es kam der Forscherin so vor, als ob Jane sich als machtlos gegenüber den Anforderungen der Gesellschaft, den Forschenden und den Eltern wahrnahm. Sie beschrieb im Interview die generellen Anforderungen, denen sich Grundschullehrkräfte ausgesetzt sehen. Sie sprach davon, vielen Dingen gleichzeitig gerecht werden zu müssen, die manchmal nicht oder nur schwer vereinbar zu sein schienen. Sie beschrieb den hohen administrativen und organisatorischen Aufwand, die besondere pädagogische Vorgehensweise, etwa den Fokus auf spielerisches Lernen, die Forderungen der Eltern, dass jede Seite im Lehrwerk zu bearbeiten sei und die Vorstellungen der weiterführenden Schulen, die sich wünschten, dass Kinder, die Englisch in der Grundschule hatten, nicht nur kommunikativ agieren können sollten, sondern möglichst auch gleich fehlerfrei. Dadurch gewann die Forscherin den Eindruck, dass sich Jane vom System Schule unfair behandelt fühlte. Jane beschrieb auch, dass sie ein Curriculum auf Wunsch des Schulamts entwickelt hatte und Englisch in Klasse 1 und 2 seit Jah- 48 Constanze Dreßler-/ Michael K. Legutke ren erfolgreich unterrichtet habe und dann plötzlich ein Forschungsteam installiert worden war, um alles erneut zu prüfen. Ihre Aussagen zeigten, dass sie sich durch die Projektgründung angegriffen gefühlt hatte. Dies bot eine mögliche Erklärung für das zuvor beschriebene Verhalten. So lässt sich nun vermuten, dass die Lehrkraft nicht wirklich persönlich etwas gegen das Forschungsteam hatte, sondern lediglich vom Bildungssystem und den Verantwortlichen enttäuscht war, die ihre Kompetenz implizit durch die Initiierung eines Projekts in Frage gestellt hatten. Es kam Jane so vor, als ob der frühe Fremdsprachenunterricht, den sie seit Jahren erteilt hatte und bei dem sie seit Jahren große Erfolge bei ihrer Schülerschaft wahrgenommen hatte, erst durch eine äußere Überprüfung im Kontext des Forschungsprojekts legitimiert wird. Während des Interviews versuchte die Forscherin deshalb der Lehrkraft die ihr gebührende Expertenrolle zuzuschreiben, um ihr zu zeigen, dass die individuelle auf Erfahrung basierende Lehrer*innenmeinung von zentraler Bedeutung in der Forschung sein kann und dies im PROJEKT auch wahrgenommen wird. Indem die Forscherin die Lehrkraft als kompetent, erfahren und ausgestattet mit wertvollem Insiderwissen positioniert, versucht sie ein Gegengewicht gegen Zuschreibungen zu schaffen, die Lehrkräfte in weniger positives Licht setzen. Die Macht, die die Gesellschaft bzw. Institutionen der jeweiligen Lehrkraft absprechen, wird im Forschungsprojekt offen und direkt den Lehrkräften wieder zugesprochen, gemäß dem Motto ‚jede Stimme ist wichtig, gehört zu werden‘. Durch diese Machtzuschreibung an Jane erhält sie die Möglichkeit, ihrer Stimme Gehör zu verschaffen, die damit einen zentralen Beitrag zur Forschung leistet. 3.3.3 Wechselseitige Zuschreibungen und die Bedeutung der eigenen Stimme Die Analyse des Gesprächsprotokolls unterstreicht Janes Frustration und Machtlosigkeit und ihre Schwierigkeiten, die Zuschreibungen der Forscherin anzunehmen. Die Entwicklung des Curriculums benötigte Zeit, aber war letztlich erfolgreich. Dadurch gewann Jane ein positives Selbstbild als kompetente Fremdsprachenlehrkraft. Durch die Projektinitiierung durch das Kultusministerium und das Schulamt, Jahre nach Janes Curriculumerstellung, empfindet sie, dass ihre Kompetenzen angezweifelt werden. Dadurch wird ihre Selbstzuschreibung als eine kompetente Englischlehrkraft in Frage gestellt und ihre Machtposition gerät ins Wanken. Das Interviewtranskript belegt, wie die Forscherin erneut versucht herauszufinden, welche Schritte die Lehrkraft durchlaufen musste, damit Englisch in Klasse 1 und 2 an ihrer Schule installiert werden konnte. Dabei zeigen sich der Forscherin zwei Schwierigkeiten. Zum einen erfordern Interviewsituationen (vgl. Berg 2004, Kvale 1996, Man 2011) einen sensiblen Umgang mit Themen Zur Dynamik kollaborativer Forschung. Das Projekt Englisch ab Klasse 1. 49 der Co-Konstruktion. Des Weiteren ist die Forscherin darum bemüht, eine angenehme Situation herzustellen, damit sich Jane wohlfühlt und sich weiter dem Interview zuwenden kann. Durch die wenig zusammenhängenden und unpräzise formulierten Aussagen der Forscherin kann sie als eine Person mit weniger Inhaltswissen wahrgenommen werden, weniger stilistischem Vermögen und dadurch als weniger mächtig empfunden werden (Foucault 2014). Jane erscheint hier als Wissende und sehr artikulierte Deutschsprecherin. Die Situation erinnert vage an die erste skizzierte Begegnung zwischen den beiden Projektmitgliedern, in der die Lehrkraft die Forscherin als unwissend und damit machtlos positioniert hatte und erst nach dieser Zuschreibung in den Klassenraum geführt hatte. In dieser Situation hatte die Forscherin erlebt, dass, wenn sie die Zuschreibungen der Lehrkraft annahm, ohne diesen zu widersprechen, eine Annäherung von Seiten der Lehrkraft erfolgte. Ein erneuter Besuch des Unterrichts wurde gewährt. Aus diesem Grund versuchte die Forscherin diese Strategie auch im Interview zu verwenden. Die Forscherin versucht aktiv, der Lehrkraft ein Gefühl ‚des Angenommen werdens‘ zu geben, gleichwohl war es nicht ihre Absicht, sich besonders unspezifisch auszudrücken oder immer in unvollständigen Sätzen zu sprechen. Markant ist der folgende Abschnitt, in dem die Lehrkraft beginnt, in der ersten Person Singular zu sprechen, wenn sie von ihren Errungenschaften berichtet: Forscherin: ((lacht)) du hattest mir ja im Zug (2) damals irgendwie erzählt (.) dass das so über das Schulamt irgendwie gelaufen ist und dass ihr zu der Frau XY irgendwie, also dass an der Schule yyy von der Schulleiterin irgendwie Jane: Ja (1) gut (1) zu dem Projekt überhaupt zu dem ganzen Englisch ab dem ersten Schuljahr sind wir eigentlich durch die damalige (2) Schulamtsleitung (2) äh aufgefordert worden oder angesprochen worden oder hin äh drauf hingewiesen worden dass das möglich ist in der Schule yyy ist das Projekt am schon vor uns eingereicht worden mhm und wurde auch bewilligt und mit Hilfe also Unterstützung oder Zusprache der Schule yyy hab ich dann eben auch ein Konzept entwickelt dass für die Schule xxx stimmig sein könnte mit dem Englisch ab erstem Schuljahr und ne Begründung (2) eben für das Eng Frühenglisch a aufgeschrieben und nach mhm Projekt sozusagen eingereicht auf dem Schulamt und auch uns wurde das dann bewilligt (2) ehm im Zuge dieser Bewilligung von der Schule yyy sind dann die Schule xxx dann im Nachzug auch gleich mit ins ins Projekt reingenommen worden und mh basierend war das aber auch auf einem recht langem ahm Schreiben das ich verfasst habe und das zu Händen der damaligen Schulamtsleitung ging 50 Constanze Dreßler-/ Michael K. Legutke Die Lehrkraft hatte erfolgreich einen langen schriftlichen Antrag eingereicht, aufgrund dessen ihre Schule Englisch ab Klasse 1 unterrichten durfte. Es ist interessant, dass sie kein Possessivpronomen verwendet, wenn sie über die Schule spricht, an der sie seit vielen Jahren arbeitet. Sie schließt sich nur mit „wir“ und „uns“ einmal ein. Sie positioniert sich als eine Lehrkraft mit Zusatzkompetenzen, wie dem erfolgreichen Stellen eines Antrages. Darüber hinaus gibt sie weitere Kompetenzen zu erkennen, sie hat ein Curriculum verfasst. Der Schule bot sich eine Möglichkeit und sie nahm die Herausforderung an und übernahm die Verantwortung, obwohl das Erstellen des Antrags vermutlich mit gewissen Schwierigkeiten verbunden war, da sie es als „einem recht langem ahm Schreiben“ bezeichnet. Darauffolgend schreibt die Forscherin ihr implizit eine Position als Initiatorin von Schulentwicklung zu, indem sie explizit darauf hinweist, dass das PROJEKT offensichtlich auf Eigeninitiative und Engagement der Lehrkraft beruhe. Jane nimmt diese Darstellung an und führt weiter aus, wie schwierig die Erstellung des Curriculums gewesen sei. Die Forscherin bestätigt ihre Selbstdarstellung als eine Person mit Wissen, Kompetenzen und damit Macht, in dem sie Anerkennung mit einer Exklamation zum Ausdruck bringt („Wahnsinn“). Daraufhin fährt die Lehrkraft fort und bringt die Schwierigkeiten erneut zum Ausdruck, indem sie erklärt, dass es schwierig gewesen sei, dass PROJEKT auf ihren besonderen Kontext anzupassen. Zum ersten Mal verwendet die Lehrkraft „meine“ und „ich“ und identifiziert sich damit unmittelbar. Jane: Ja ja das war Eigeninitiative und also auf meiner Initiative hin entstanden wo mhm damit und dann hab ich auch dann schon ne gewisse Zeit damit verbracht diese Projekt irgendwie kognitiv auf kognitiver Ebene so en bisschen darzulegen und Forscherin: ja Wahnsinn Jane: Und so en bisschen darzustellen das es sich dann auch wirklich in der Realität umsetzen ließe an unserer Schule ja Forscherin: das ist ja ein wichtiger Bestandteil also das fände ich total spannend wenn ich das bekommen könnte (( Jane lacht)) Jane: ja ich suche es ich suche es Im weiteren Verlauf bestätigt die Forscherin der Lehrkraft immer wieder die Expertenrolle. Das Gespräch dreht sich um Lernaufgaben. Schließlich meint die Forscherin, dass das Gespräch beendet sei und bedankt sich bei der Lehrkraft. Dies führt erneut dazu, dass die Lehrkraft sich fragt, ob ihre Stimme wichtig Zur Dynamik kollaborativer Forschung. Das Projekt Englisch ab Klasse 1. 51 sei. Es scheint so, als ob sie sich weiterhin als nicht kompetent genug ansieht. Gleichzeitig kann dies auch als Ausdruck von Höflichkeit oder Bescheidenheit verstanden werden. Es lässt nicht abschließend klären, welche Positionierungen genau stattgefunden haben, da die Interaktion immer auf einer unmittelbaren wechselseitigen Handlung beruht (Hoffman 1983). Gleichwohl zeigen ähnliche Berichte (z. B. Albright 2003, oder Hanks- / Albright 2009), dass Lehrkräfte oft Schwierigkeiten damit haben, ihre Erkenntnisse und Erfahrungen zu teilen und als relevant zu erachten. Des Weiteren hat sich eine ähnliche Situation in jedem Interview ergeben. Jedes Mal, wenn sich die Forscherin bei einer Lehrkraft für das Interview und die Einblicke und Erkenntnisse bedankte, zeigten sich die Lehrkräfte verwundert darüber, dass ihre Einsichten für die Forscherin wirklich interessant sein konnten. Erfolgte dann eine weitere Erläuterung der Forscherin, inwieweit die Einblicke hilfreich und aufschlussreich für die Forschung sind, fügte die jeweilige Lehrkraft erneut etwas an und gab mehr von sich und ihrer Meinung preis. Was es bei Jane zu vermerken gilt, ist, dass sie schließlich die Zuschreibung der Forscherin annimmt und dadurch quasi wirkmächtig wird. Sie gibt an, wie Lernaufgaben ihrer Meinung nach trotz der Widrigkeiten der Lehrwerke und Elternanforderungen im Unterricht verwendet werden können und verlängert mit der Erklärung das Interview. Abschließend lässt sich festhalten, dass die drei Konzepte footing, positioning, voice eine reflexive Haltung und eine Reflexion der Forschung ermöglichen. Hierbei ist footing wie folgt zu verstehen: (…) the alignment we take up to ourselves and the others present as expressed in the way we manage the production or reception of an utterance. A change in our footing is another way of talking about a change in our frame for events (Goffman 1981: 128). Der letzte Satz verweist auf Goffmans (1974) Rahmenanalyse, die sich damit beschäftigt, wie Individuen Situationen interpretieren. Der zweite Aspekt, der bei den Überlegungen zu den Beziehungen und Machtkonstellationen innerhalb des PROJEKTS zu Rate gezogen wurde, ist positions . Dieser wird von Harré und Kollegen (2009) folgendermaßen definiert: Positions are clusters of beliefs about how rights and duties are distributed in the course of an episode of personal interaction and the taken-for-granted practices in which most of these beliefs are concretely realized. Positions are more often than not simply immanent in everyday practices of some group of people (Harré et al. 2009: 9). In der Studie wurde die Meinung von Ribeiro (2006) und Marinova (2004) eingenommen, die zu bedenken geben, dass 52 Constanze Dreßler-/ Michael K. Legutke (…) the two approaches discussed here, although differing in their views about the importance of any preexisting conventions, both point to the fact that the ‘production’ of oneself and others in interaction is a socially situated event (Marinova 2004: 213). Wie am Beispiel von Jane gesehen werden kann, ist die Lehrkraft sich durchaus über die Anforderungen, die die Gesellschaft an sie stellt, bewusst und es ist ihr klar, dass gemeinhin theoretische Ansichten und Konzepte stärker wertgeschätzt werden, als unterrichtspraktische Erkenntnisse. Durch das Interview und die Arbeit im PROJEKT kann sie schließlich annehmen, dass die unterrichtspraktischen Erkenntnisse auch ihre Berechtigung haben. Sicherlich sind die kurz angerissenen Konzepte von Goffmann und Harré nicht in dem Maß angewendet worden, wie dies der Fall wäre, wenn der Fokus der Untersuchung alleine auf diesen Theorien oder kognitionspsychologischen Aspekten beruht hätte. Dennoch spricht vieles dafür, die Konzepte mit in die Überlegungen einzubeziehen, wenn kollaborativ geforscht wird, um die komplexen Beziehungsgeflechte der Projektmitglieder betrachten und verstehen zu können. 4 Perspektiven kollaborativer Forschung. Über die Grenze des Falls Die beiden Beispiele verdeutlichen stellvertretend ein wesentliches Merkmal interdiskursiv-kollaborativer Forschung, nämlich die Bedeutung der Forschungsbeziehungen, die zum einen die Produktivität des Ansatzes befördern, weil sie die Bedingung für einen mehrperspektivischen Blick auf den Forschungsgegenstand liefern. Zum anderen stellen sie die Gruppe vor Herausforderungen, die den Forschungsprozess erschweren und stören können. Als Ausdruck der Produktivität dürfen die verschiedenen Formen von Kollegialität gelten, die im Kontext des PROJEKTS über einen längeren Zeitraum praktiziert wurden. Sie zeigte sich u. a. in den einzelnen Arbeitsgruppen, in der Englischfachschaft der Einzelschulen, in den interschulischen Arbeitsgruppen zum Übergang, in der Gruppe der Wissenschaftler*innen der beteiligten Hochschulen (vgl. auch Allwright 2003: 131-35). Andererseits bleibt festzuhalten, dass trotz des Bemühens, Bedingungen herzustellen, unter denen Lehrer*innen sich als Mitforschende selbstbewusst begreifen und in den Prozess einschalten, erstaunlich häufig Zweifel erkennbar blieben, ob das, was sie zu sagen hatten, wirklich relevant für die Wissenschaft sein konnte. Lehrer*innen hatten immer wieder Schwierigkeiten, sich als fachdidaktisch wissende Subjekte und als Forschende zu definieren. Kollegialität unter gleichwertigen Diskurspartner*innen wurde damit in Frage gestellt. Zur Dynamik kollaborativer Forschung. Das Projekt Englisch ab Klasse 1. 53 Da in kollaborativer Forschung der Erkenntnisgewinn aus vielen Stimmen resultiert, müssen die unterschiedlichen Beiträge der Beteiligten zunächst einmal innerhalb eines Projekts erkennbar werden, was sich notwendigerweise in den Formen der Ergebnispräsentation spiegelt. Wie kollaborative Forschung einer Ethics of Voice (Bergold-/ Thomas 2012: 14) angemessen Rechnung tragen kann, muss für jeden Kontext neu bestimmt werden. Im PROJEKT können dafür folgende Textsorten in den Blick genommen werden. • Halboffizielle Dokumente (Kolb-/ Klippel 2016): Hierher gehören u. a. die schul- und projektbezogenen Stufenprofile, Schulcurricula, kommentierte Lernaufgaben und Handreichungen für Übergangsprojekte. • Präsentationen: Im Laufe der Zeit begannen Lehrer*innen, Ergebnisse und Einsichten des PROJEKTS in Aus- und Fortbildungsveranstaltungen anderen vorzustellen und mit ihnen zu erörtern. Im Rahmen der offiziellen Abschlussveranstaltung an einer der PROJEKT-Schulen stellten neun parallele Arbeitsgruppen an Stationen, besetzt mit Lehrer*innen der Grund- und Sekundarstufenschulen, ihren Kolleg*innen und einer interessierten Öffentlichkeit Ergebnisse vor und boten zugleich „Handreichungen“ zu folgenden Themen an: „Lernaufgaben in Klasse 4 & 5“, „Wortschatzarbeit“, „Zur Arbeit mit Bilderbüchern“, „Übergangsprojekte“, „Spielen im Englischunterricht“, „Videodokumentationen aus Klasse 2“, „ E.Twinning in der Grundschule“ und „Wie Schülerinnen und Schüler den Übergang erleben“. An jeder Station wurden die Kernaussagen durch Plakate repräsentiert, die die Lehrer*innen dialogisch erläuterten. • Eine gemeinschaftliche Publikation von Handreichungen: Ein Teil der für die Abschlussveranstaltung vorbereiteten Handreichungen wurden in der Reihe Perspektiven Englisch (Diesterweg/ Westermann) unter folgendem Titel der professionellen Gemeinschaft vorgelegt Herausforderung Übergang: Kontinuität im Englischunterricht. Handreichungen für die Praxis in den Klassen 4 und 5 (Dreßler et al. 2016). • Weitere Publikationen: Schließlich sind die im traditionellen Sinne akademischen Publikationen zu nennen wie die Beiträge dieses Bandes und die Monographie von Dreßler (2018), die in unterschiedlicher Weise versuchen, der Vielstimmigkeit kollaborativer Forschung Rechnung zu tragen. Mit Blick auf die durch die unterschiedlichen Textsorten manifeste Vielstimmigkeit stellt sich die Frage nach den Gütekriterien eines solchen Ansatzes. Sprechen wir hier noch von fremdsprachendidaktischer Forschung? Kollaborative Forschung, so wie wir sie verstehen, muss die Herausforderung annehmen, unterschiedlichen Interessenvertreter*innen (Stakeholdern) Rechenschaft über die Qualität ihrer Arbeit zu geben. Im Fall des PROJEKTS waren 54 Constanze Dreßler-/ Michael K. Legutke das zunächst die Englischlehrkräfte der Fachkonferenzen an den Schulen, die Schulkonferenzen einschließlich der Elternschaft, das Schulamt und das Kultusministerium sowie die akademische Gemeinschaft einschließlich der Fremdsprachendidaktik. Der Diskurs in diesen und mit diesen Interessengruppen muss notwendigerweise die dort etablierten Qualitätsanforderungen in Rechnung stellen, wenn es darum geht, Einsichten zu vermitteln und Maßnahmen zu begründen. Das Verfassen von Handreichungen und ihre diskursive Erörterung mit Lehrer*innen wird sich grundlegend davon unterscheiden, wie die Erkenntnisse zur Inszenierung von Lernaufgaben im internationalen fremdsprachendidaktischen Diskurs platziert und diskutiert werden. Für beide gelten unterschiedliche Gütekriterien, denn sie müssen in den jeweiligen Handlungskontexten überzeugen können. Als Äußerungen (Erträge) kollaborativer Forschung sind sie jedoch trotz ihrer kontextgebundenen Unterschiede gleichwertig, denn sie beziehen ihre Berechtigung und Glaubwürdigkeit aus dem Gesamtprojekt und der konstitutiven Partnerschaftlichkeit und Kollegialität des Vorgehens. Die enge Beziehung der Forschungspartner*innen, auf die wir in diesem Beitrag mehrfach verwiesen haben, macht es erforderlich, dass forschungsethische Normen und Regeln kontinuierlich erörtert und als Richtschnur für Entscheidungen herangezogen werden (vgl. Bergold-/ Thomas 2012: 19-20). Solche Entscheidungen betreffen nicht nur Fragen, wie Daten erhoben, dokumentiert und ausgewertet werden, sondern auch, wem sie gehören oder wer und unter welchen Bedingungen auf sie Bezug nehmen darf. Anspruch und Versprechen, auf Augenhöhe zusammenzuarbeiten, können Lehrer*innen motivieren, sich auf unvertraute Prozesse einzulassen, sie im Alltag einzulösen, bleibt eine Herausforderung. Die Gefahr, versprochenes hot feedback zu vernachlässigen oder gegen Ethics of Voice zu verstoßen, obwohl Vielstimmigkeit als Konzept proklamiert wird, ist im Alltag des Forschungsprozesses immer gegeben. Neben der Phase, in der sich die Gemeinschaft der Forschenden etabliert, bedarf vor allem die Phase, in der die Beziehungen aufgelöst und beendet werden, ethisch begründeter Sorgfalt (Legutke-/ Schramm 2016). Das PROJEKT wurde mit der oben erwähnten öffentlichen Abschlussveranstaltung beendet, zu der auch die von der Gruppe entwickelten Handreichungen vorlagen. Vertreter*innen aller Stakeholders nahmen an dieser Veranstaltung teil. Projekte kollaborativer Forschung müssen als Ganze nicht nur den Gütekriterien fremdsprachendidaktischer Forschung genügen (Caspari 2016a), sondern sich u. E. auch die Frage gefallen lassen, ob begründet erkennbar ist, dass sie Spuren hinterlassen, d. h. nachhaltig wirken werden. Für das PROJEKT kann die Frage der Nachhaltigkeit zum gegenwärtigen Zeitpunkt nur unbefriedigend beantwortet werden. Eine für ein Jahr nach dem offiziellen Ende geplante Nachbefragung der beteiligten Lerner*innen und Schulleitungen konnte nicht durch- Zur Dynamik kollaborativer Forschung. Das Projekt Englisch ab Klasse 1. 55 geführt werden, denn es fehlte das qualifizierte Personal für solch eine Studie. Stimmen aus der Retrospektive hätten interessante Antworten liefern können. Aus blieben auch halbjährige Treffen, die das örtliche Schulamt versprochen hatte zu initiieren. Da auch hier die Mittel fehlten und häufig die Zuständigkeiten im Amt wechselten, war keine Kontinuität möglich. Was sich ohne Frage als Folge der intensiven Arbeit herausbildete, ist eine Gruppe qualifizierter Kolleg*innen, die dem Schulbezirk und dem Bundesland als Fortbilder*innen zur Verfügung stehen. Diese Kompetenz wird genutzt. Was bleibt, sind auf jeden Fall die oben erwähnten halboffiziellen Dokumente und Veröffentlichungen. Ihre Wirkung ist allerdings schwer einzuschätzen. Sie haben sicher Potenzial, die Debatte um den Fremdsprachenunterricht in der Grundschule zu bereichern, eine Debatte, die auch mehr als 10 Jahre nach seiner flächendeckenden und verbindlichen Einführung nicht beendet ist. Schließlich könnte das PROJEKT als Modell für kollaborative Forschung nachhaltig wirken. Literature Allwright, Dick (2003). Exploratory practice: Rethinking practitioner research in language teaching. Language Teaching Research , 7(2), 113-141. Allwright, Dick-/ Hanks, Judith (2009). 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The discussion has focused on materials, methodologies and an appropriate time framework for such programs. A key point of interest in Germany has been the question whether English language education should start as early as grade 1. Whereas a number of German states have opted for this early start, the majority has introduced English as mandatory school subject beginning with grade 3. Several studies have been launched to assess learner achievements in English at the end of elementary school, among them a study promoted and conducted by the BIG consortium ( Beratung, Information, Gespräch ), involving 2148 children in 14 federal states. At the end of the study, listening, reading, writing and speaking skills were assessed. This chapter explores why it seemed necessary to revise the speaking part of the BIG study within the context of PEAK1 ( Projekt Englisch ab Klasse 1 ). The process of test development, the design of the test instruments, and the implementation of the speaking test will be explained. The language produced by PEAK1 students at the end of grade 4 will be analyzed in terms of quality and quantity with the use of SPSS and Wordsmith. The results provide some insights into the outcomes of early introduction of English, following a task-based approach and indicate a number of areas where more support is needed. 1 From the BIG-Study to the PEAK1 speaking test According to goals laid down in the Memorandum of Understanding (MoE), PEAK1 ( Projekt Englisch ab Klasse 1 ) was expected to assess students’ English language proficiency at the end of grade 4 (see chapter two of this volume). For 60 Lambrini Loumbourdi-/ Darja Brotzmann this reason, primary EFL students were tested twice in the course of the project. The first test was implemented after three years and functioned as a pre-test, because at that time, not all groups of the PEAK1 primary students had studied English starting in grade 1. Since the project group had decided to use the test instrument developed by the BIG ( Beratung, Information, Gespräch ) consortium for this first round of testing, all PEAK1 primary EFL students participated in the BIG study (BIG 2015). The second round of testing was administered in the project’s final year. By that time, the great majority of students had received continuous education in EFL with two lessons a week. The BIG study was a coordinated effort involving 2.142 learners of 15 German states to investigate the state of English language teaching in primary schools at the end of 4th grade. A test consisting of four parts, namely Listening, Speaking, Writing and Reading was administered at the end of the 2012/ 13 school year. Teachers also helped in conducting 285 speaking tests with two students each. The results were analysed and presented under the title Der Lernstand im Englischunterricht am Ende von Klasse 4 (BIG 2015). The results for the receptive skills of the first round of testing gave evidence that the eleven PEAK1 classes that had started with EFL in the first year scored above average of all classes involved in the BIG study. The remaining groups, however, scored average and below average adding to the overall outcomes of the BIG study that explicated a relationship between the amount of exposure and language proficiency at the end of year 4 (Müller 2017). The project team obtained permission from the BIG consortium to use the test instruments for the receptive skills for the second round of testing. It seemed that administering these parts again would allow insights into the linguistic development of the groups, which would have caught up for exposure by the time of second testing. As far as the speaking part of the BIG test was concerned, some adaptation and changes seemed to be called for, as we will explain below. Results of the second round of testing more or less confirmed what the BIG test had shown for the receptive skills, but also raised some interesting questions as to the validity of some of the test items. Since these issues will be discussed in detail in a separate publication, we will focus in the following on the speaking part of the second test. We hope that the findings can contribute to the current discussion about the benefits of starting English as early as in grade 1 (cf. chapter one of the volume, Engel et al. 2009, Jaekel et al. 2017). Reviewing and analyzing the speaking part of the BIG test, the PEAK1 team found that several aspects needed reconsideration. Firstly, the test tasks were vague in terms of specifications, as it was not quite clear what the purpose was or which competences were being tested. Furthermore, the succession of tasks was quite long, resulting in a strenuous exam process. Secondly, they were Assessing Speaking: Language Performance at the End of Grade 4 61 mostly teacher-centered with very little or too diverse of a speech production between students. That was exacerbated by the fact that only the last part allowed for students to engage in a short dialogue. In addition, there was no clear time limitation for each task or each test item resulting in very different time sequences between students. The testers of the BIG test were the local English teachers who had no specific training. Furthermore, the test bands used for scoring were very different from each other, with some using a score from 0-3 and others from 0-4. That, along with the fact that some of the scales’ actual descriptions were very vague, contributed to a rather difficult interpretation of the results. Another issue that could compromise results was centered on the fact that the students that were indeed tested were not chosen randomly, but were appointed by the teachers, who were asked to choose a pair of very good, average and weak students from each class. Finally, comparison between results was made more difficult as some of them were described quantitatively (e.g. number of animals, colors etc. mentioned). This, however, cannot be of further help as it practically cannot be connected or correlated to the rest of the results which were presented as percentages. Because of these issues, it seemed difficult to use or examine the results of the BIG test with a more practical orientaion in mind, as, for instance, possible applications of the test instruments in day-to-day teaching. Thus, one of the main issues with the BIG speaking test, apart from the way it was administered, was that it was impractical for teachers, mainly, to get useful insights from these results and apply them in their everyday teaching. For the second round of testing PEAK1 students at the end of grade four it was decided to keep the parts of the BIG test assessing Listening, Reading and Writing as they were. On the other hand, efforts focussed on adapting and possibly changing the Speaking test in all of its components, from the form of the tasks to the assessment bands that were used, as well as the communication of the results. The new test went into development in close cooperation with PEAK1 teachers in early 2014. The test development process, as well as the assessment bands that were used, are described in the next section. 2 Test Development Process The test development process followed the paradigm of the Test Development Cycle suggested by Downing- / Haladyna (2006), which is applied in different variations in most development processes. However, due to time and resources constraints, the model was adapted to serve the purposes of the research project better. The stages that were outlined go as follows: 62 Lambrini Loumbourdi-/ Darja Brotzmann • Needs analysis • Test specifications • Task development • Rating scale development • Trial • Analysis and revision • Rater training • Live administration • Post test analysis The stages that were excluded involved, among others, item writer training as the writer was already previously trained, or washback analysis, as this was not an objective at the time. The needs analysis was conducted initially with the help of selected teachers involved in PEAK1 as well as the rest of the teachers. They provided a list of topics discussed in class, semantic fields taught, kinds of instructions, tasks used and levels of complexity. A profile of what students were expected to achieve was also discussed and outlined. In addition, several class visits were conducted. Based on the material collected as well as the literature available on developing similar tests, the test specifications were outlined, which led to the development of several ideas regarding tasks. 2.1 The Tasks The types of tasks that were chosen derived from proposals found in the literature on communicative tasks, tasks used in similar tests and classroom materials currently used by PEAK1 teachers. For instance, a popular suggestion was a spot-the-difference-task, using two pictures, where different variations of difficulty were explored. Other tasks piloted included mini-dialogues based on pictures and story-telling tasks. At the same time, different variations of rating scales were discussed and juxtaposed, and a rough suggestion was developed that would serve the purposes of the test better, and would also be more practical for the people interested in the results (teachers, administrators and other researchers). The different tasks and rating scales were tested in classroom environment in initial pilotings in order to pick the finalised versions of both tasks and scales. The final tasks were narrowed down to two different versions of a spot the difference task. The first one was on the topic of a day at the zoo , where students had to talk about where different animals and guests of the zoo were located in the pictures. The second one was a ghost house , in which students had two different versions of the same picture and had to locate different objects, people and ghosts at a two-storey house. Finally, two versions of a story-telling Assessing Speaking: Language Performance at the End of Grade 4 63 task based on a sequence of pictures were chosen: a father and son story, depicting a neglectful dad and holidays on the lake , depicting a family trip. After the initial piloting of the chosen tasks at one of the PEAK1 schools, feedback was collected and modifications were made, namely concerning the difficulty of the tasks, the language produced, the appeal of the different stories and the pictures used as well as the opportunities they provided for students to use specific language. In addition, modifications were made about the instructions for the tasks, which became simpler and more specific to the points that were unclear. Additionally, the log created to register the testees was also tried and slightly modified concerning the codes that were used to register students. As far as the tasks chosen are concerned, the modifications went as follows: - For the ice-breaking questions , it was decided to include a list of additional questions as an extra help for the examiners, in case some of the questions do not work or are not understood by the students. - For the spot the difference task , the ghost house was chosen as it appealed more to the students and was clearer in its placement of people and objects. The rooms in the house were reduced, as students fell very short from describing the whole picture, and the option of coloring the objects differently was introduced as well. Additionally, based more on the word fields taught in class, several new items , such as a clock on the wall to tell time, were added. - For the story-telling task , the picture sequence of the father and son did not work well in the pilot. The students could not understand what the narrative could be or lacked appropriate vocabulary to describe what was happening. Instead, a third story was chosen, narrating the adventures of a dog who finds refuge in a classroom as it is raining outside. The topic was chosen as the context of school is familiar to students along with the vocabulary needed to describe the scene. It was also decided to allow students to talk either about all pictures or just focus on one or several, as students responded better in that option and still generated language that could be assessed. As a result, the finalised version of the test included the following parts: Part 1: Ice breaking questions This part is present in the vast majority of speaking tests. A number of different questions were piloted and narrowed down to a list of about 10-12 questions on topics such as school, hobbies etc. Among them, there were questions such as “What is your favourite color? “, “Do you have any pets? “ etc. (see appendix p. 89-90). The purpose of this part is to warm-up the students and help them feel at ease and also check if students feel confident talking about themselves, their 64 Lambrini Loumbourdi-/ Darja Brotzmann families and can use greetings and other social formulae confidently ( Cambridge Young Learners English Tests: Handbook for Teachers , 2018: 24). Part 2: Spot the differences This part is also quite common in classroom activities of a communicative nature. Students were given two pictures depicting a house with an attic and two other rooms with some differences between them. Then, through dialogue, they were supposed to describe/ talk about the pictures to each other in order to spot what is different. For that part students were expected to use descriptive language, form questions, use prepositions and turn-taking cues that facilitate a dialogue. Part 3: Story sequence This part is the only part that requires students to develop a lengthier monologue, narrating the story that the pictures tell, by also describing the scenes, people, objects, places, feelings etc. After the piloting process and the analysis of the feedback received, the two stories were finalized. The first one is the family holiday sequence where a family is firstly at an airport with their luggage, getting ready to fly to their holiday destination, a lake in the middle of some woods. The family has fun fishing and eating and later on a group of animals show up, who want to join the picnic. The story offered many opportunities for students to use narrative skills, as well as vocabulary from different semantic fields, such as food, hobbies, animals etc. Figure 1: Task 3-/ Story B-/ picture 4 out of 5 The second story used was the dog at school on a rainy day described in the previous section. Again, different vocabulary could be referred to and activated, including weather, school, school objects, feelings, such as happy, funny Assessing Speaking: Language Performance at the End of Grade 4 65 etc. Both tasks reflect the idea that “[a]s the children approach A2, they will be able to use and understand longer stretches of speech, and can do picture tasks requiring more detailed descriptions. Pictures of ordinary places such as rooms, town centres or even buses can be made more entertaining and motivating if they have some ‘crazy’ content” (Hasselgreen and Caudwell, 2016: 99). The last details were fine-tuned, concerning the log, the seating of students, so that they will not be able to peek at each other’s pictures, the final version of instructions, as well as the method of recording the tests. 2.2 Assessment bands The piloting of the tasks also gave valuable feedback on the assessment bands/ rating scales that were used. The five main aspects that were assessed went as follows: Firstly, Vocabulary (V) was tested, to the extent of how and to which degree the student uses correctly the appropriate words, both in content and function to make statements or questions and to perform a variety of other functions, such as describe, ask/ find information, give directions etc. 4 Can correctly use the appropriate words, both in content and function to make statements and/ or questions. Uses effectively the vast majority of the requested vocabulary to perform a variety of functions. 3 Can mostly correctly use the appropriate words, both in content and function to make statements and/ or questions. Uses effectively most of the requested vocabulary to perform a variety of functions. Makes very few vocabulary mistakes. 2 Can use some of the appropriate words, with difficulties in content and function to make statements and/ or questions. Uses some of the requested vocabulary to perform a more limited range of functions. Makes some vocabulary mistakes. 1 Can only use very limited, isolated words. 0 No assessable language. Table 1: Rating scale Vocabulary Then Structures and Coherence (StC) were assessed in order to find out the range of accurate structures and language chunks that the student uses to promote coherence in a variety of functions. 66 Lambrini Loumbourdi-/ Darja Brotzmann 4 Can use a wide range of accurate structures and language chunks with a high level of coherence in a variety of functions, such as ask for information, give correct information, agree/ disagree, identify and describe objects. 3 Can use a satisfactory range of mostly accurate structures and language chunks with an adequate level of coherence in a variety of functions, such as ask for information, give correct information, agree/ disagree, identify and describe objects. Language mistakes do not interfere with communication and comprehension. 2 Can use a limited range of some accurate structures and language chunks with an average level of coherence. Language mistakes occasionally interfere with communication and comprehension. 1 Can use a very limited range of structures and language chunks and makes relatively few coherent contributions. 0 No assessable language. Table 2: Rating scale Structures and Coherence There was also the element of Pronunciation (P), with the degree to which each student utters correctly individual sounds, uses intonation and stress. 4 Can be clearly understood and shows very good pronunciation of typical English vowels and consonants (æ, w, g, r, ð, dʒ, əʊeɪ, ɪə). Can utter correctly most individual sounds and uses intonation and stress in word and sentence level appropriately. 3 Can be mostly clearly understood and shows good pronunciation of most typical English vowels and consonants (r, æ, əʊ, eɪ, ɪə). Can utter correctly a lot of individual sounds and uses intonation and stress in word and sentence level mostly appropriately with some minor mistakes. 2 Can sometimes not be understood and produces mispronounced words that occasionally have to be repeated. Makes some use of intonation. 1 Can often not be understood and difficult to follow due to mispronounced words. Very little use of intonation. 0 No assessable language Table 3: Rating scale Pronunciation The third band involved Communication (C) that focused on being able to maintain conversation/ speech production effectively and take the initiative in the discussion. Assessing Speaking: Language Performance at the End of Grade 4 67 4 Can maintain the conversation/ speech production effectively with appropriate answers, statements and questions, using full sentences. Often takes the initiative and requires little to no prompting. Makes natural/ thinking hesitations and pauses. 3 Can maintain the conversation/ speech production most of the times with appropriate answers, statements and questions. Occasionally takes the initiative and requires some prompting. Makes some pauses and hesitations. 2 Can maintain the conversation/ speech production with constant support and prompting. Very rarely takes the initiative and makes longer pauses and hesitations. 1 Can make very few relevant contributions to the conversation and requires major ongoing support and prompting. Almost never takes the initiative and makes long intrusive pauses and hesitations. 0 No assessable language. Table 4: Rating scale Communication Finally, there was Task Achievement (TA), which assessed the ability to convey the messages required by the task to reach the purpose of the task, as well as the ability to use strategies that promote this purpose. 4 Can communicate effectively in simple, everyday situations and manages to convey most messages in a fluent production. Can make use of strategies to repair/ maintain communication. 3 Can communicate by expressing simple concepts in short sentences and words and manages to convey some of the messages. Can occasionally make use of strategies to repair/ maintain communication. 2 Can communicate by using very short sentences or single words and manages to convey few of the messages. Can make little use of strategies to repair/ maintain communication. 1 Can mostly use isolated words, showing inability to express basic utterances, often resorting to silence. Heavily depends on and follows partner and prompts to convey messages. 0 No assessable language. Table 5: Rating scale Task Achievement 68 Lambrini Loumbourdi-/ Darja Brotzmann All bands were scored 0-4 and very clear instructions were given to the examiners, as described in the next section. The next steps of the test development process, namely the rater training, administration of test and post test analysis are described in the next section. 3 Rater training and test organization After developing the test material and conducting the pilot study, the testers needed to be trained in order to guarantee consistency of pocedure and comparability of results. The group of testers was divided into two teams: On the one side, a PhD student, a teacher as well as a professional coordinator of PEAK1 were involved in the testing. On the other side, six student assistants from the cooperating university were explicitly trained by the two heads of the project team in spring 2016. During the meeting, they were firstly introduced to the project and then familiarized with the essential recording equipment: They received the instructions for each task as a separate document. Thus, each tester was expected to follow a clearly organized series of instructions and guiding questions. A second additional aid was handed out for task two ( Spot the Difference ) and three ( Story-telling Task ), which could be used to prompt more student contribution and language production. The testers were hereby prepared for a situation with very little speech production and were expected to implement the extra questions as scaffolding; for example, in case of shy, introverted, nervous or weaker students. The tests took place in June and July 2016. The six student testers, the teacher, and the PhD student tested in six elementary schools. The appointments at each school were arranged individually between the testers and the teachers on site. The schools offered the testers one vacant room to conduct the interviews. After preparing the room (chairs, tables, visual cover), the student pairs were taken out of their regular class by the testers and led to the ‘testing room.’ At this point, it is worth mentioning that the implementation of the test in a natural school environment also posed challenges: Although teachers had been requested to select students randomly, the test teams were not always sure whether all teachers followed this request. Moreover, the test itself was occasionally interrupted and disrupted by students opening doors, by teachers coming in and, naturally, by the background noise of an average school day, which can be heard in the recordings. For the test itself, the testers arrived with identical packages of material: The aforementioned instructions and extra questions were essential for them; additionally, they brought two sets of houses for task two and two sets of stories for task three, and a recording device provided by the university. The interview Assessing Speaking: Language Performance at the End of Grade 4 69 began with a greeting and brief introduction of the project, but the actual recording began with task one. In order to provide a clear structure and to ensure transparency in the recordings, the testers assigned each student within a pair with either A or B. Thus, student A was the first one to introduce him-/ herself and to answer questions about him-/ herself (task 1), followed by student B. In preparation for task 2, the testers arranged a visual cover between the two students as they were asked to describe the different rooms of a house to each other and to find the differences. During this task, the assignment of A & B was of no relevance, as the students had to perform a dialogue in which they were free to take turns. Task 3, which included the picture story, followed the A & B pattern again. Student A had to address story A while student B had to address story B. The recording ended at the end of task three. It should be noted that each pair of testees was documented on paper, the ‘log’. It included essential information about the interview (school, interviewer, teacher, date) and the testees (class, recording number, pair, student name, code, total time). These logs mainly served two purposes: Firstly, the data had to be collected in a well-organized and transparent manner according to, for example, school and students. Secondly, the information in the logs served as the basis for the student codes that were developed for each student individually: 1. 01_17_008_A 2. 05_02_LS007_B This exemplary code comprises the three main components: The first number (01/ 05) stands for the school (the project team randomly assigned each of the six schools with a number on a scale from 1 to 6). The second number (17/ 02) indicates the pair number, that is, each school has a particular number of pairs which were tested, ranging from 13 pairs to 24. The last number was automatically generated by the recording device (008/ LS007). The final letter (either A or B) indicates the particular student of the pair. Consequently, the codes can be read as follows: Student (1) comes from school 01, belongs to pair number 17 and is student A in the recording, the recording number is 008. Student (2) comes from school 05, belongs to pair number 02 and is student B in the recording, the recording number is LS007. 4 Transcription and organization of test data After conducting the tests, the six student assistants had to process the collected data. A first step was to transcribe the recordings with the help of programm f4, which allows the transcribers to capture the exact time of every single utterance. Concerning the structure of the transcription and what to transcribe, 70 Lambrini Loumbourdi-/ Darja Brotzmann the student assistants received specific instructions. The basic organization and procedure of each transcript becomes apparent through the following, arbitrarily chosen examples: • German words [03_15_LS100318] #00: 13: 50-0# A# yes … and ehm there are trees and eh … §lagerfeuer and there are §zelt the §zelt is brown and black ehm … • Short pause and German phrase [01_08_LS100860] #00: 00: 56-3# L# hmh how old are they ? #00: 00: 58-8# A# … <wie bitte ? > • Long pause and noises relevant for communication [02_04_0004] #00: 04: 01-0# A# in my attic is a … ähm +… ~Stöhnen woman and … she has one baby • Incomplete words and mispronunciation [04_10_LS31] #00: 01: 33-1# B# my &f favorite color is *red • Unidentifiable words [05_2_02] #00: 11: 07-8# B# a =lock is … in raining through *the school then he run in the class four *c then he +… then he As seen in these instances, utterances made by the teacher or the two testers were marked as L# or A# and B# respectively, with the precise time included at the beginning of each line. Punctuation within the sentence was left out with the exception of question marks. The project team focused, for example, on the students’ usage of singular German words (§) as well as German utterances and phrases (< >). Pauses were distinguished; 3-4 seconds were considered short pauses (…) while more than 5 seconds were marked as long pauses (+…). Oftentimes, these pauses were accompanied by noises with a certain communicative function, e.g. longer breaks went along with groaning (~Stöhnen) or the blowing out of air (~Luft ausblasen). Other frequent occurrences were incomplete (&) or unidentifiable (=) words. Last but not least, the students’ mispronunciation was marked (*). Thus, at the end of the transcription process, the project team had assembled 117 files, each file containing the transcription of a test with two students. The transcription was followed by a first round of qualitative evaluations according to the bands prepared by the project team. A total of four people (a project team member and three student assistants) worked on this task, which consisted of listening to the audios, using the transcripts as aid and evaluating Task Achievement (TA), Communication (C), Structures and Coherence (StC), Vocabulary (V) and Pronunciation (P) for every task and for every student. The students were assessed on a scale from 0 - 4, with 0 being the low- Assessing Speaking: Language Performance at the End of Grade 4 71 est and 4 being the highest. For the purpose of comparability, the students were once again trained by a professional coordinator of the project. They were introduced to the significance of each band and the expectations of a performance which deserves to score a 4 versus a performance which can only receive a 1 in Task Achievement, for example. Several interviews were firstly evaluated within the team before the testers were allowed to work independently. Afterwards, the data was transferred into SPSS so as to gather stastically significant results in terms of the evaluation. In order to achieve this, every student had to be coded. Additional variables were added, such as gender, school, class, teacher and overall length of the interview. Next, the individual student’s results were noted according to task, e.g., T1 Task Achievement, T1 Communication, and so on. Data was statistically analyzed on the basis of the following questions: How did the students perform overall (mean averages)? How did the students perform in regards to the bands (for instance, did they do better/ worse in Task Achievement than in Communication? ) Additionally, the research team looked for correlations within the data, for example, did certain schools perform better? Was there a difference between the girls’ and the boys’ performance? Did the total time of an interview influence the result of the performance? The second round of analysis was geared towards particular language items and specific linguistic features, such as total amount of uttered words, used amount of German words/ phrases, number of short/ long pauses, total number of nouns/ verbs, and so on. WordSmith was chosen as a corpus linguistics program to analyze these items. The markers assigned during the transcriptions were used to identify, for example, short pauses, but all of the 117 files had to be reviewed twice so that they were compatible with WordSmith. Two sets of data, namely one with markups and one tagged set, allowed the project team to research the data in light of linguistic peculiarities. This quantitative perspective was concluded by a final statistical examination, during which, once again, specific correlations were of interest: How does a high word production relate to good Task Achievement? Is there a relation between the usage of nouns & verbs and the high/ low evaluation in Communcation? Which connections can we possibly draw between the qualitative and the quantative results? The following section will firstly discuss the results separately and then attempt to combine and relate them to each other. 72 Lambrini Loumbourdi-/ Darja Brotzmann 5 Data analysis and discussion 5.1 Overall performance After gathering and processing the data, some very interesting results were produced, in terms of overall performance, as well as correlations and comparisons. The synthesis of these results could later provide salient insights into the performances. The first aspect presented involved the general scores of the students in the different bands (see table 1). TA C StC V P 3,00 2,77 2,53 2,82 2,99 T1 T2 T3 3,21 2,82 2,44 Table 1: Overall results 1 As it is obvious from the table, the first results indicate very satisfactory performances in Task Achievement, Vocabulary and Pronunciation in terms of bands. Communication also got good results, with Structures and Coherence getting the lowest results, something that was expected at this level. The high score in Task Achievement is extremely positive for the purposes of this project, since the aim is for students and speakers of a foreign language to be able to complete a real world task using whatever language they have at their disposal. This also promotes the concept behind the project: introducing a language at an early age can be effectively done through the use of meaningful, communicative tasks (cf. chapter 4 in this publication). In the table it is also apparent that students scored very well in the first task, very satisfactorily in the second and have the lowest scores in the third, which was connected to the story. Some interesting conclusions can also be drawn if we examine the student distribution in the different scores in the different tasks (see table 2). 1 Table 1 inlcudes the average results according to the bands TA (Task Achievement), C (Communication), StC (Structure and Coherence), V (Vocabulary) and P (Pronunciation) as well as the average results for T1 (Task 1), T2 (T2) and T3 (Task 3). Assessing Speaking: Language Performance at the End of Grade 4 73 T1 T2 T3 1 2 5 34 2 33 74 80 3 106 114 90 4 93 41 24 Table 2: Score distribution (1-4) in task 1-3 (T1, T2, T3) Interestingly enough, the majority of students have scored high and very high on the second task, which is encouraging in terms of the students’ ability of keeping a dialogue going and exchanging information. Again, it is obvious that students need more work on narrating a story on their own and keeping a monologue going. Among other results, we can see that there is no statistically significant difference between the performance of boys and girls (actual scores 2,83 vs 2,81) respectively, although girls seemed to cluster a bit more on the highest scores. There was a slight difference in the third task where girls scored an average of 2 while boys scored an average of about 3. In terms of highest and lowest scores and where they cluster, we also saw from the results that students clustered rather on the high end (3-4) than the low end (1-2) and the difference was statistically significant. Finally, the only task where there was a student that scored 0 was the third one. A question that arose during the investigation was with regards to the relationship between students’ performance and the actual time of the test. Since the speaking part of the BIG-test had no time limitations, tests lasted between 10 to 25 minutes. Although there was a time limit for every task in this version of the test, the data showed some fluctuation, especially in the second and third task. However, the statistical analysis indicated that there was actually no correlation between the time spent on the test and the performance. On the other hand, in terms of correlations, there were very strong connections between scoring well across different bands. For instance, students that scored well in Communication also scored well in Task Achievement. In addition, students that scored well in Vocabulary also scored well in Task Achievement. Of course, this is just a fraction of the results produced, however, due to space limitations, not all of them could be reported. The rest of the results will be included in a later publication. 74 Lambrini Loumbourdi-/ Darja Brotzmann 5.2 Language production In addition to evaluating student performance on the basis of the bands, the data was also looked at from a quantitative perspective by focusing on language items produced by the students. These results offer interesting insights into the speech production: Minimum amount of words Maximum amount of words Average T1 words 8 247 41,83 T2 words 39 369 137,75 T3 words 4 250 91,60 Table 3: Overall amount of words produced in task 1 - 3 By comparing the three tasks, one can observe that most of the words (on average) were uttered in Task 2: 137,75. In second place we can find Task 3 (91,60 words) and then Task 1 (41,83 words). The remarkable differences in terms of amount of words lead to the following conclusions: Task 2, which included dialogic speaking through a spot the differences activity, achieved its communicative goal and provoked a considerable amount of speech production. This argument is strengthened if we look at the minimum amount of words produced for each task: In Task 2 the minimum amount of words produced are 39 words, while in Task 3 and Task 1 we can only find 4 and 8 words respectively. Thus, we can deduce that even the weakest performance in Task 2 was still many times more productive and fruitful than the weakest performances in Task 3 and Task 1. Firstly, it should be noted that this case coincides with the aforementioned results according to bands: The student distribution in table 2 indicated that many students scored relatively high in Task 2. Now, we can underline this fact by stating that most of the speech production took place within Task 2, which, again, emphasizes the importance of and the need for communicative and dialogic tasks. Secondly, one should draw attention to the amount of words produced in Task 3 and 1 and the respective results in the evaluations. As it has been mentioned before (see table 1), the students received the lowest score in Task 3 (2,44), while they scored the highest score in Task 1 (3,21), but they produced over two times more words in Task 3 (91,60) than in Task 2 (41,83). Hence, we cannot assume that a high amount of words produced goes hand in hand with a qualitatively high speech production. In fact, here we can observe the exact opposite: Although Task 3 and its story-telling elements must have motivated the students to utter a considerable amount of words, their performance in Assessing Speaking: Language Performance at the End of Grade 4 75 this task lacks quality, for example considering Structure and Coherence. In comparison to that, Task 1 (in which the students were asked to introduce themselves and their families) did not trigger the same amount of speech production, but the quality of their utterances was considerably higher than in Task 3. We can attribute this circumstance to the fact that many students were able to use appropriate chunks and forms in Task 1, which they had obviously learned and practiced in class, whereas they did not show the same level of language competence when it came to the story-telling task. Consequently, this result calls for more story-telling practices and activities in class, as the students seem to be willing and eager to work on such activities, but they are missing the necessary language items to do so. Considering the overall amount of words produced, we can detect trends not only across the three tasks but also across the different schools: Figure 2: Average amount of uttered words per student according to schools On the one hand, it should be noted that overall, a satisfactory amount of words was produced by the students. On the other hand, the table clearly presents that the average amount of words produced within the schools varies greatly. A difference of almost 100 words can be registered between the lowest (217,4) and highest average (316,1). The question that needs to be asked is where this gap in language production stems from. Were the students in some schools better prepared for the tasks and could offer more extensive and lenghty answers? Were some students not sufficiently prepared for the communicative tasks of the test? Did some students feel more/ less confident in their use of the English language? 76 Lambrini Loumbourdi-/ Darja Brotzmann Another noteworthy result answers the question whether there is a significant difference between boys and girls. As it has been mentioned before, the first round of analysis according to the bands already suggested that there was no qualitative difference, for example in regards to Task Achievement or Communication. The second analysis, which dealt with the linguistic properties of students’ speech production, strenghtens this statement: In terms of quantity, the average amount of words produced was nearly identical for both genders, with 269,3 words on the boys’ side and 265,3 words on the girls’ side. Figure 3: Average amount of word types according to gender To be more precise (see figure 3), the results of the test do not only indicate that there is definitely no significant difference between the genders, they also display how even the single language items are used very similarly by the two genders. Be it the usage of German words/ phrases, the amount of nouns, verbs or adjectives, both genders show almost identical results within their speech production. After taking a closer look at the broader results, it is also noteworthy to observe how the students’ language production correlates with the distinct bands. In the course of this analysis, the bands Task Achievement, Communication as well as Structure and Coherence received particular attention. The distribution of the language items was very comparable across the three cases, which is why, due to space limitations, this article shall focus on Task Achievement while also being representative for the other two bands. A first important correlation is the amount of words and the result achieved in the band: Assessing Speaking: Language Performance at the End of Grade 4 77 Figure 4: Average amount of words uttered per task The graph suggests that the higher a student scored on a scale from 1-4 in Task Achievement, the higher his or her average amount of words produced was. Indeed, as can be seen in the table, students who scored a 4 in Task Achievement uttered, on average, a considerably higher amount of words (312) than students who scored a 1 (190), which equals a rise of over 50 percent. If we take a closer look at the word classes the students produced and how these words relate to Task Achievement, it becomes obvious that there is a gradual development from score 1-4, as can be seen in figure 5. 78 Lambrini Loumbourdi-/ Darja Brotzmann Figure 5: Average amount of word types from score 1-4 for Task Achievement Overall, it can be reported that the number of nouns, verbs, adjectives, conjunctions and prepositions increases from score 1-4. Interestingly, the average number of nouns signigificantly increases between score 1 (12,3) and score 2 (20,2), but remains stable for the last three scores (2: 20,2; 3: 19,5; 4: 21,8). The same development can be observed in respect of the verbs: The students who score a 1 produce a relatively low number (5,9), while the students who score 2, 3 or 4 show a small gradual development upwards (2: 9,3; 3: 11,7; 4: 13,4). In view of adjectives, conjunctions and prepositions, it can be stated that the overall increase across the scores is less perceptible; however, once again, a significant gap can be recognized between students who scored a 1 (adjectives: 2,9; conjunctions: 3,9; and prepositions: 2,2) and a 2 (4,7; 4,4 and 3,8 respectively). With reference to classroom practices, one can conclude that students at this level are very familiar with nouns and succeed in using them, they seem to be less competent in employing verbs and, unfortunately, still utilize a minimum number of adjectives, conjunctions, and prepositions. The following graph offers a further insightful view into the students’ speech production: Assessing Speaking: Language Performance at the End of Grade 4 79 Figure 6: Average amount of German words and short/ long pauses The question that was posed here was whether the students would reduce their use of German words/ phrases, short/ long pauses and grammar mistakes if they received a higher score. The graph convincingly demonstrates how this is, indeed, the case: For instance, short pauses, which are used quite frequently, drop from 7,2 pauses on average (score 1) to 3,9 pauses (score 4), long pauses drop from 3,0 pauses on average (score 1) to 0,9 pauses (score 4). Including some fluctuations, the same tendencies can be observed for the use of German words and German phrases. The only exception to the rule are grammar mistakes: The average amount of grammar mistakes shows a slight rise, with 1,6 mistakes for score 1 and 2,8 mistakes for score 4. As a whole, these results suggest a satisfactory development when it comes to actual speech production: While students who produce qualitatively better language show a minor increase in grammar mistakes, they also decrease, by far more noticeably, their usage of German aids and their pauses - which translates into ‘more English’ in their English lessons and more fluent speech. 80 Lambrini Loumbourdi-/ Darja Brotzmann 5.3 Student Profiles Based on these results, or at least this extract of the results, we will present three ‘student profiles’ to exemplify PEAK1 students’ stages of language development at the end of grade 4. The following tables present the student profile of a strong performance: TA 1 C StC V P 4 4 4 4 4 W G w G w Phw G ph G ph phw Sh p Sh p Phw L p 597 7 1,12 5 ,84 29 4,86 0 L p Phw Ex Ex Phw Gr Gr phw N NPhw V 0 0 0 12 2,01 118 19,77 80 VPhw Adj Adj Phw Cnj Cnj Phw Prep Prep Phw 13,40 27 4,52 42 7,04 51 8,54 Table 4: Strong performance (code: 04 08 29 A) 2 3 The student scored a 4 on average in every band. If we take a closer look at the corresponding language production (see excerpt 1), it becomes apparent that the 2 This table (see also table 5 & 6) represents the average scores according to the bands: TA (Task Achievement), C (Communication), StC (Structure and Coherence), V (Vocabulary), P (Pronunciation). 3 The abbreviations in this table (see also table 5 & 6) stand for: W (total number of words), G w (total number of German words) & G w phw (German words (normalized value)), G ph (total number of German phrases) & G ph phw (German phrases (normalized value)) Sh p (total number of short pauses) & Sh p phw (short pauses (normalized value)), L p (total number of long pauses) & L p phw (long pauses (normalized value)), Ex (total number of expression mistakes/ problems) & Ex phw (expressions (normalized value)), Gr (total number of grammar mistakes) & Gr phw (grammar (normalized value)), N (total number of nouns) & N phw (nouns (normalized value)), V (total number of verbs) & V phw (verbs (normalized value)), A (total number of adjectives) & A phw (adjectives (normalized value)), C (total number of conjunctions) & C phw (conjunctions (normalized value)), P (total number of prepositions) & P phw (prepositions (normalized value)) Assessing Speaking: Language Performance at the End of Grade 4 81 student did not only utter a truly remarkable amount of words (597), he/ she also utilized a wide range of word classes, while simultaneously applying a relatively small numbers of German words/ phrases or pauses. In the excerpt, which is taken from task one (T1), it becomes apparent that the strong student has no problems responding to the tester’s questions. In fact, the student is able to use adjectives, including comparisons (“younger”), he/ she employs negations correctly (“don’t have”) and offers additional information without prompting (“I have another friend but she is living in Hofheim”). This last sentence includes more complex content, which the student managed to transmit by using the appropriate conjuction (“but”) and by applying the correct tense (“is living”). This level of language complexity is significant for the strong performance and cannot be found in average performances. Excerpt 1: Strong performance 82 Lambrini Loumbourdi-/ Darja Brotzmann The following table presents the student profile of an average performance: TA C StC V P 2 2 2 2 3 W G w G w phw G ph Gph phw Sh p Sh p Phw L p 135 7 5,19 5 3,70 4 2,96 7 Lphw Ex Ex phw Gr Gr phw N NPhw V 5,19 0 0 4 2,96 29 21,48 10 V phw Adj Adj phw Cnj Cnj phw Prep Prep phw 7,41 5 3,70 2 1,48 5 3,70 Table 5: Average performance (code: 04 12 55 A) This table summarizes the achievements of an average student: The student scored a 2 on average in Task Achievement, Communication, Structure and Coherence and Vocabulary and a 3 in Pronunciation. The total amount of words dropped significantly (135), which is probably one of the most noticeable distinctions between the first two tables. There is also a rise of German words/ phrases and long pauses - and to guarantee a significant comparison, one should consider the figures per hundred words (phw) and not the absolute numbers which can be quite misleading. By pure coincidence, the two students with a strong and an average performance uttered 7 German words and 5 German phrases respectively. But, of course, these 5 or 7 instances carry a different weight in relation to the total amount of words produced (strong: 597; average: 135). Comparable to the strong performance, the average performance also includes a satisfactory number of nouns, but the ‘problems’, so to speak, arise with the other word classes: A significant decline can be detected when looking at the usage of verbs, adjectives and, in this case, especially conjunctions and prepositions. Assessing Speaking: Language Performance at the End of Grade 4 83 Excerpt 2: Average performance Looking at the excerpt, one can detect crucial differences compared to the strong performance: Possible misunderstandings can occur on this level (for instance, when the student is asked “how are you (name)? ”) and the student is not able to answer all of the questions correctly. Additionally, the student avoids using full sentences and prefers enumerations which consist usually of nouns (“brother mother father”). Thus, this example also illustrates why we can still find a relatively high number of nouns in table 10, but as it has been mentioned above, a decline in verbs. A lot of questions are also answered with one-word replies, such as “no”. Hence, we can claim that the student manages to understand most of the questions and to answer them, but the language itself is less complex and varied. The next table represents a weak performance: 84 Lambrini Loumbourdi-/ Darja Brotzmann TA C StC V P 1 1 1 1 2 W G w G w phw G ph G ph phw Sh p Sh p Phw L p 216 12 5,56 12 5,56 3 1,39 0 L p Ex Ex phw Gr Gr phw N N phw V 0 0 0 1 ,46 17 7,87 16 V phw Adj Adj phw Cnj Cnj phw Prep Prep phw 7,41 0 0 0 0 0 0 Table 6: Weak performance (code: 04 20 66 A) In the the results of this weak performance, we can observe that the student scored a 1 in Task Achievement, Communication, Structures and Coherence, and Vocabulary and a 2 in Pronunciation. The core of the problem can be found by confronting the different word classes used: This student uttered a very low number of nouns (7,87 per hundred words) - and one needs to recall that the word class of nouns was overall the most productive one for most of the students. Furthermore, this student also produced a very low amount of verbs (7,41 per hundred words) and no adjectives, conjunctions or prepositions at all. Consequently, this student might have spoken more words in total numbers (than the student with the average performance), but his/ her speech itself lacked variety in terms of word classes and vocabulary. Assessing Speaking: Language Performance at the End of Grade 4 85 Abbildung 11: Excerpt 3: Weak performance The results from table 11 are also visible in this excerpt: The student seems to be very insecure in respect to comprehension and fills his/ her speech with many pauses (“…” “+…”) and German phrases (<…>). Moreover, many questions are not answered or only with single words (“two”, “green”). At times, the student avoids speech production completely and communicates non-verbally (“Kopfschütteln”). Summarizing, one can claim that these profiles highlight how important it is to equip the students with the right language items (vocabulary, chunks, etc.) for authentic and communicative tasks. Of course, stronger students will produce overall higher amounts of words and offer more extensive answers. But even average performances, which are rather short, can ‘earn points’ by displaying a variety of vocabulary. The worst-case scenario then occurrs if students attempt to express themselves with a limited number of nouns and an even smaller amount of verbs, almost completely leaving out other word classes. 86 Lambrini Loumbourdi-/ Darja Brotzmann 6 Future research and implications The concept of introducing English in primary school has been a highly controversial topic in educational discourse for decades in terms of time of introduction (is the earlier the better? ), material, tasks, approaches, teacher education and budgeting. A report conducted by the British Council on the status quo of English primary school education in different countries (Hayes, 2014) promulgated some insightful findings on the topic (when and how is English introduced in schools around the world) along with some recommendations for effective English education. Among the recommendations were suggestions such as using material that promotes communicative use of the language in a real-world environment, lifelong education of teachers, stimulating and motivating tasks as well as substantial out-of-school exposure to English. The last recommendation warned of the negative effects that high-stakes testing could have on young learners. Very often, assessment tends to be neglected as a by-product of education or necessary requirement in a student’s school career. However, that is not the case when assessment is used formatively, as an ongoing process that can help both students and teachers reflect and move forward (O’ Malley-/ Valdez Pierce 1996: 4-5). In the area of assessment, collectively, since primary English is a relatively new concept, assessing young learners is still relatively unexplored. The studies that had been conducted up until recently were mainly by testing organisations who wish to develop, market and administer summative exams on young learners, or are studies that did not include the assessment of speaking. Focusing specifically on the assessment of classroom speaking, there is a consensus in literature when it comes to the material that should be used, the types of tasks and the assessment criteria. Main issues and problems revolve around the lack of opportunities due to time constraints or unsuitable material (McKay 2006). The focal points for assessment focus on grammar, pronunciation and vocabulary. The types of tasks suggested are storytelling, picture talks, presentations, role plays, gap tasks, and mini dialogues (McKay 2006; Ioannou-Georgiou-/ Pavlou 2003). There is also a lot of emphasis placed on the use of more alternative types of assessment such as portfolios, task-based assessment and classroom observation that allow for a more productive use of the information gathered. Coming back to the current study, the information that the test development, administration and data analysis provided is valuable and multifaceted for both researchers and educators. The results of the test have several implications on different levels for both groups: for researchers, the combination of assessing the quality and quantity of the language produced in a speaking exam offers insights at a didactic and a linguistic level. For educators, the investigation of the Assessing Speaking: Language Performance at the End of Grade 4 87 language produced can offer insights of effective potential tasks and classroom practices. Since the main objective of the project was to examine the effects of introducing English from the first grade using a more task-based approach, the main implications concern the success of the project and the development of the students’ language skills. This is particularly important in the German context, as currently the topic of early introduction of English in primary school is a hotly debated topic in educational and political discourse. The results were encouraging because they show a very satisfactory performance in the first two tasks and an average performance in the third task, as described in the previous section. Students did well in the second task, which required the development of a dialogue, and pointed towards the lack of certain skills that need to be addressed in the classroom. Students also expectedly scored the least in Structures and Coherence, in other words accuracy of grammar, something that is expected at this stage of language learning and is in accordance with task-based teaching principles, since fluency and promotion of communication comes first. There is still room for improvement in monologic language production, as it was made obvious in the third task, with an emphasis on supporting students with their narrative skills and teaching them how to tell stories about themselves and others by using connectors, time-related words, sequencing etc. From the researcher’s point of view, the project and the results contributed to the debate on early introduction of foreign languages in primary school. Seen within the context of the particularities of PEAK1, the results reinforce the claim that earlier is indeed better, if fundamental conditions are met. If the introduction is done in a way that facilitates learning, stimulates the learners’ cognitive and affective energies and their investment in engaging with the new language through communicative activities that are more authentic and adjusted to the real-world needs of the students, then early introduction can be better. Research should continue to focus therefore on establishing clear effects and results from using task-based teaching in elementary school that would also be continued all through secondary school. This way it would be easier for educators as well to develop curricula, materials and tasks that would serve these purposes. It would also be interesting to focus on different smaller aspects that became apparent from the results. Worth investigating could be, for example, the development of different parts of communicative competence that have been neglected, such as strategic competence, or the development of discourse skills. Some last suggestions that could be useful for educators could center on more practical issues: it became apparent from the results that students need to work more with different word classes, especially prepositions and verbs, which were lacking altogether or were continuously repeated. Therefore, a more explicit and well-resourced emphasis on chunking seems to be called for. In addition, teach- 88 Lambrini Loumbourdi-/ Darja Brotzmann ers could promote students’ descriptive skills more by working with pictures, stories and by providing opportunities for their students to narrate and describe events. Finally, students could practice more on their dialogue skills by working on their discourse and turn-taking skills. Overall, this field has ample opportunities for further research, both in the way that students execute tasks but also in the language they use while doing it. It is extremely important that we built upon the insights that this project provides and keep researching the primary school context, focusing on techniques, material, use of L1 and L2, teacher education and language acquisition. Bibliography Barucki, Heidi-/ Bliesener, Ulrich-/ Börner, Otfried-/ Böttger, Heiner-/ Hoffmann, Ingrid-Barbara-/ Kierepka, Adelheid-/ Kronisch, Inge-/ Legutke, Michael-/ Lohmann, Christa-/ Müller, Tanja-/ Schlüter, Norbert (2015). Der Lernstand im Englischunterricht am Ende von Klasse 4: Ergebnisse der BIG-Studie. Domino Verlag: München. BIG (2015) see Barucki et al. Cambridge Assessment English (2018). Cambridge Young Learners English Tests. https: / / www.cambridgeenglish.org/ Images/ 357180-starters-movers-and-flyers-handbookfor-teachers-2018.pdf. Downing, Steven M.-/ Haladyna, Thomas M. (2006). 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Einflussfaktoren auf den Lernkontext im Fach Englisch am Ende von Klasse 4. Aspekte der vertieften Auswertung der BIG-Studie 2013 . Herne: Gabriele Schäfer Verlag. O’Malley, Michael J.-/ Valdez Pierce, Lorraine (1996). Authentic Assessment for English Language Learners. Longman: New York. Assessing Speaking: Language Performance at the End of Grade 4 89 Appendix Figure 7: Instructions for the testers 90 Lambrini Loumbourdi-/ Darja Brotzmann Figure 8: Extra questions for testers Kapitel 4 Inszenierung von Lernaufgaben in der Grundschule Wie kann eine Lernaufgabe im Unterricht entstehen? Constanze Dreßler Werden im Englischunterricht der Grundschule Lernaufgaben verwendet, ist es besonders zielführend vier Unterrichtspraktiken dabei zu berücksichtigen. Diese vier Unterrichtspraktiken sind: doing school , Freiräume zum Sprechen über persönlich relevante Dinge schaffen ( providing space for learners to communicate about something personally relevant ), Wortschatzarbeit ( building a vocabulary ) und das Unterrichten von diskursiven Praktiken ( teaching the spoken language ). Die Lehrkraft inszeniert diese vier Praktiken im Zusammenspiel mit den Lernenden. Hierbei hat sich gezeigt, dass die Praktiken in einer bestimmten Art und Weise inszeniert werden müssen, damit eine Lernaufgabe entstehen kann. Von zentraler Bedeutung ist, dass die Lernenden die Möglichkeit erhalten Englisch als persönliches Ausdrucksmedium zur Kommunikation zu verwenden. 1 Konzeption der Studie Die hier vorstellten Ergebnisse sind Teil einer Qualifizierungsarbeit, die im Rahmen des PROJEKTS 1 durchgeführt wurde (Dreßler 2018). Die wichtigsten Parameter der Studie werden im Folgenden kurz umrissen, bevor eine Forschungsfrage mit ihren zentralen Ergebnissen genauer dargestellt wird. Ausgangspunkt: Lernaufgaben und aufgabenbasiertes Arbeiten sind längst kein Fremdwort mehr im Englischunterricht der Sekundarstufe. Bestrebungen, Lernaufgaben in der Grundschule zu integrieren, nehmen ebenfalls zu (HKM 2010, 2011). Bislang gibt es noch keine tragfähigen, empirisch untersuchten Lernaufgabenkonzepte für den frühen Fremdsprachenunterricht (Dreßler 2012). 1 Aus syntaktischen Gründen und wegen der besseren Lesbarkeit steht das PROJEKT für „Projekt Englisch ab Klasse 1 (PEAK1)“. 92 Constanze Dreßler Nur wenige Forschende haben Lernaufgabenkonzepte für den frühen Fremdsprachenunterricht untersucht bzw. vorgestellt. Es gibt einige Arbeiten im Ausland, in denen Lernaufgabenkonzepte aus der Sekundarstufe oder der Erwachsenenbildung unverändert auf den frühen Fremdsprachenunterricht übertragen werden (vgl. hierzu Carless 2002, 2003, 2004; Chan 2012; Zhang 2005, 2007). Zumindest in Deutschland scheint eine unveränderte Übertragung des Sekundarstufenkonzepts auf die Grundschule nur bedingt möglich zu sein, da der Grundschulunterricht seine eigenen Prinzipien und Didaktiken hat. Oberstes Ziel ist es hierbei, kindgemäßen Unterricht zu ermöglichen. Im internationalen Bereich scheint Cameron (2001) das einzige Konzept für jüngere Lernende (bis 12 Jahre) vorgeschlagen zu haben. Im innerdeutschen Bereich skizzierten Legutke, Müller-Hartmann und Schocker (2009) sowie Schocker (2015) für Lernende in der Grundschule (ca. sechsbis zehnjährige Kinder) einen Ansatz. Alle Vorschläge sind nicht empirisch untersucht worden. Forschungskontext: Bei der Konzeption der Dissertation wurde angenommen, dass tragfähige Erkenntnisse nur in Zusammenarbeit mit Lehrkräften entstehen (vgl. Clarke 1994; Schön 1987) und nicht alleine aus theoretischen Diskursen gewonnen werden können. Ein Grund hierfür ist etwa, dass der Einfluss der Lehrkräfte auf ihre Lernenden groß ist (z. B. Hattie 2009). Lehrende verfügen über Alltagswissen und Theorien, die sie oft nur schwer verbalisieren können, die aber auf ihren Unterricht einwirken (Allwright 2003; Allwright- / Hanks, 2009; Clarke 1994; Schön 1987). Ziel war, durch eine Verschränkung der theoretischen und der praktischen Perspektive Einsichten zu erlangen, die sowohl für den universitären als auch für den unterrichtspraktischen Diskurs von Bedeutung sein können. Des Weiteren ist die Auseinandersetzung mit Lernaufgaben auf beiden Ebenen, der theoretischen Konzeption ( task-as-workplan vgl. [Breen 1987; Samuda- / Bygate 2008]) und der praktischen Umsetzung im Unterricht ( task-in-action vgl. Breen 1987; Samuda-/ Bygate 2008), wichtig. In der Lernaufgabentheorie wird davon ausgegangen, dass Lernaufgaben in ihrer Konzeption ( task-as-workplan ) im Unterricht einem Wandlungsprozess unterliegen ( task-in-action ). Welche Faktoren dabei eine Rolle spielen wird von Forschenden unterschiedlich gesehen. Im Allgemeinen geht man aber davon aus, dass die Lernenden die Aufgabe stark beeinflussen. Wie die Ergebnisse der Studie zeigen, garantiert eine theoretische Konzeption einer Lernaufgabe nicht das Entstehen einer Lernaufgabe im Unterrichtsgeschehen. Hierbei müssen vor allem die unterrichtlichen Praktiken der jeweiligen Lehrkraft genau untersucht werden. Forschungsfragen: In einem kollaborativen Forschungsprojekt arbeiteten Lehrkräfte von fünf verschiedenen Grundschulen in einem urbanen Kontext an Fragen zum Lernaufgabenkonzept in der Grundschule. Die Lernkräfte er- Inszenierung von Lernaufgaben in der Grundschule 93 läuterten ihre Lernaufgabenkonzepte und entwickelten dazu über sechs Jahre hinweg Lernaufgaben. Diese wurden unterrichtet und reflektiert. Die Forscherin interviewte die Lehrkräfte, beobachtete die unterrichtlichen Umsetzungen und videografierte Lernaufgaben in Aktion. Gemeinsam wurden in monatlichen Projekttreffen die Lernaufgaben diskutiert und reflektiert, um von- und miteinander zu lernen. Das Ziel war es, ein tragfähiges Lernaufgabenkonzept für den Englischunterricht der Grundschule zu entwickeln. Leitend für die Untersuchungen waren zwei zentrale Forschungsfragen: 1. Wie werden Lernaufgaben für den frühen Englischunterricht definiert? 2. Wie werden Lernaufgaben im frühen Englischunterricht inszeniert? Multiperspektivität und Interdiskursivität: Ein innovativer Ansatz der Studie bestand darin, Lernaufgaben in das Zentrum der Untersuchung von Texten und diskursiven Praktiken zu stellen. Texte sind zum Beispiel wissenschaftliche Publikationen zu Lernaufgaben, bildungspolitische Dokumente zum frühen Englischunterricht oder Aufgabendefinitionen von Lehrkräften. Diskursive Praktiken werden sichtbar in den Interaktionen im PROJEKT, etwa zwischen Lehrer*innnen und Schüler*innen. Grundlage war dabei die Annahme, dass alle sozialen Realitäten konstruiert und jede Einsicht kontextabhängig ist (vgl. Bakhtin 1981; Goffman 1974; Gumperz 1992; Malinowski 1923; Vygotsky, 1978). Diskurse werden hierbei als soziale Aktionen definiert, in denen die beteiligten Personen die Bedeutung aushandeln. Des Weiteren war eine wichtige Prämisse, dass Texte und vor allem eine empirische Arbeit immer multiperspektivisch und vielstimmig sind (vgl. Bakhtin 1981). Analysiert wurden in der hier vorgestellten Studie die sozialen Praktiken und Beziehungen der PROJEKT-Lehrkräfte aus der Perspektive der Forscherin. Darüber hinaus wurden auch die Perspektiven der Projektmitglieder untersucht. Des Weiteren wurden die soziale und institutionale Perspektive erforscht, in der die Praktiken stattfanden. Zudem wurden die semiotischen Ressourcen, die bei der Beschreibung der diskursiven Praktiken und ihren Interpretationen verwendet wurden, berücksichtigt, nämlich die Verwendung von Artefakten (z. B. Realia, Medien), der Einsatz von Körpersprache (Mimik, Gestik, Intonation) und Proxemik (die Position im Raum) (vgl. Candlin-/ Crichton 2011). Der gewählte Forschungsansatz diente dazu, der Interdiskursivität gerecht zu werden, indem er sich verschiedener Datentypen bediente und diese teilweise mit unerschiedlichen Methoden untersuchte (vgl. Candlin-/ Crichton, 2011: 8-10, Candlin-/ Crichton-/ Moore 2017). Teilaspekte der Studie: Die Vorgehensweise erforderte eine grundsätzlich andere Präsentation der Ergebnisse, die von etablierter Praxis abwich. So wurden in drei Abschnitten Ergebnisse vorgestellt. Im ersten Abschnitt widmete 94 Constanze Dreßler sich die Forscherin der theoretischen Konzeption von Lernaufgaben und untersuchte die Lernaufgabendefinitionen, die im universitäten Diskurs und in den Vorstellungen der Lehrkräfte präsent sind (Dreßler 2018). Im zweiten untersuchte die Forscherin die Lernaufgabenrealisationen in konkreten Unterrichtssituationen (s. unten). Im dritten Bereich der Arbeit ging die Forscherin reflektiert und reflexiv vor (s. Kapitel 2 in diesem Band). Im Folgenden werden ausschließlich die Teilergebnisse des zweiten Abschnittes der Studie präsentiert. Hierbei liegt der Fokus auf der Inszenierung von Lernaufgaben im Unterricht der PROJEKT-Lehrkräfte an ihren jeweiligen Grundschulen. Zunächst wurden die Lernaufgaben der Lehrkräfte auf gängige Formate untersucht, um eine Systematisierung der verwendeten Lernaufgaben zu ermöglichen. Zudem wurden die Sequenzierung von Lernaufgaben betrachtet und die einzelnen Unterrichtsphasen analysiert. 2 Lernaufgaben - ein Versuch der Systematisierung Beschäftigt man sich mit Lernaufgaben, so kommt man nicht an der einschlägigen - oft englischsprachigen - Literatur vorbei. Ausschlaggebend in der Anfangsphase des englischsprachigen Lernaufgabenansatzes ( task-based language learning/ teaching/ instruction ) waren etwa Candlin und Murphy (1987), Nunan (1989), Willis (1996) oder Bygate und Kollegen (2001). Neben unterschiedlichen Namen wurden auch unterschiedliche Systematisierungen vorgeschlagen. Eine allgemeinhin akzeptierte Minimaldefinition von Lernaufgaben bietet Van den Branden (2006) an: “A task is an activity in which a person engages in order to attain an objective, and which necessitates the use of language” (S. 4). Bekannte Sequenzierungen und Lernaufgabenformate formulierten Willis (1996) und Nunan (1989). Willis (1996: 26, 121) benennt hauptsächlich folgende Formate: listing, ordering and sorting, comparing, problem solving, sharing personal experiences, creative tasks, surveys . Prabhu (1987) oder Ellis (2003) führen die Nützlichkeit von gap activities für den Sprachzuwachs von Schüler*innen aus. In der Lernaufgabenliteratur in Deutschland 2 wird auf die oben skizzierten engsprachlichen Ansätze verwiesen. Wichtig im deutschsprachigen Kontext und im Projektkontext sind vor allem Müller-Hartmann-/ Schocker (2011). Von Bedeutung sind auch Hallet-/ Legutke (2013), Hallet-/ Krämer (2012) und Hallets (2013) Konzept der komplexen Kompetenzaufgabe. 2 Ausschlaggebend sind hier Legutke / Thomas (1991), Legutke / Schocker-von Ditfurth / Müller-Hartmann (2009), Müller-Hartmann / Schocker-von Ditfurth (2011) und Hallet (2013) für die Sekundarstufe und Diehr / Frisch (2008) für die Grundschule. Inszenierung von Lernaufgaben in der Grundschule 95 Auffällig im Projektkontext war, dass die Mehrheit der PROJEKT-Lehrkräfte hauptsächlich kreative Lernaufgaben stellte. In den PROJEKT-Schulen wurden in den jüngeren Jahrgangsstufen vorwiegend kurze Präsentationen, Interviews und Rollenspiele durchgeführt. Diese waren in einen Unterricht eingebettet, der auf Geschichten basierte oder viele Lieder verwendete. In den höheren Jahrgangsstufen erhielten die Schüler*innen häufig die Möglichkeit Englisch als Ausdrucksmedium für ihre Fantasie oder eigene Ideen zu verwenden. So wurden die Lernenden dazu befähigt, eigene Enden von Geschichten zu erfinden oder Texte zu Themengebieten zu erstellen, die für sie besonders relevant waren. Dazu zählten beispielsweise Berichte über Lieblingshobbys oder die Entwicklung eines eigenen Traumhauses. Die generelle Lernaufgabenstruktur folgte hierbei Camerons Ansatz (2001). So bestanden die Lernaufgaben aus einer längeren Hinführung ( preparation ), einer Hauptaufgabe ( core ) und einer Art Präsentation der Ergebnisse ( follow-up ). Des Weiteren war es für alle Lehrkräfte wichtig, dass die Lebenswelt der Schüler*innen berücksichtigt wurde. Allerdings bestanden große definitorische Unterschiede darin, was es bedeutet, die Lebenswelt der Schüler*innen einzubeziehen. So wählten manche Lehrkräfte ein Thema aus, das zum Alter der Lernenden passte und das sie allgemein ansprach und boten dazu Wortschatz an (Bäuml-Roßnagl 1993). Andere stellen darüber hinaus sicher, dass sie die individuellen Interessen und Ansichten der Lernenden zu dem gewählten Thema berücksichtigten (Williams-/ Burden 1997: 180). Dies führte zu weiteren individualisierten Wortschatzangeboten, die häufig während der Hauptaufgabe gemacht wurden. Die Analyse wurde mithilfe von Beobachtungsprotokollen, Filmmitschnitten aus dem Unterricht, Feldnotizen und analytischen Memos zu ‚auffälligen Phasen‘ im Unterricht durchgeführt. Diese werden auch als ‚Kritische Ereignisse‘ ( critical incidents ) bezeichnet (Angelides 2001; Göbel 2003; Shapira-Lishchinsky 2011; Tripp 2012). In der Studie orientierte sich die Forscherin an Angelides’ (2001) Definition. Hierbei wird von einer Situation ausgegangen, die jeden Tag in nahezu jeder Schule stattfinden könnte. Sie erhält ihre Wichtigkeit erst durch eine besondere Bedeutungszuschreibung (Angelides 2001: 431). Die Lehrkräfte sprachen die Forscherin an, wenn ihnen Situationen auffielen, in denen sie nicht wussten, wie sie reagieren sollten, in denen es zu Unmutsäußerungen auf Seiten der Schüler*innen kam oder in denen ihnen etwas aufgefallen war, das sie nicht verstanden oder über das sie gerne näher sprechen wollten. Die Forscherin selbst vermerkte Situationen in ihren Notizen. Dies waren Situationen, in denen Kinder besonders viel Englisch sprachen oder besonders große Schwierigkeiten hatten, Englisch als Ausdrucksmedium zu verwenden. Die notierten Kritischen Ereignisse wurden in weiteren Analyseschritten kleinschrittig untersucht (s. u. 3.1, Dreßler 2018: Kapitel 5, 6). 96 Constanze Dreßler Zunächst wurden die Beobachtungsprotokolle und die Videos angeschaut, um verschiedene Aufgabenformate identifizieren zu können. Des Weiteren wurde davon ausgegangen, dass Lernaufgaben unterschiedliche Unterrichtsphasen umfassen (vgl. Samuda-/ Bygate 2008: 14), was sich im Projektkontext bestätigte. Zum einen kann dies daran liegen, dass Lehrkräfte die Lernaufgabe verschieden verstehen und sie somit anders unterrichten. Zum andern erfährt die Lernaufgabe, wie oben erwähnt, als Konzept ( task-as-workplan ) in ihrer konkreten unterrichtlichen Umsetzung ( task-in-action ) häufig eine Anpassung an das Unterrichtsgeschehen und die Lernenden (Samuda-/ Bygate 2008). Die im Projektkontext verwendeten Lernaufgaben konnten am besten anhand der entstandenen Schüler*innenprodukte und der Schwerpunktsetzung der Lehrkräfte klassifiziert werden. So gaben einige Lehrkräfte an, dass es ihr oberstes Ziel sei „die Kinder zum Sprechen zu bringen“. Andere legten ihren Fokus hauptsächlich darauf, dass die Kinder alles verstehen, was im Englischunterricht stattfindet. Dem Sprechen kam dann eine nachgeordnete Bedeutung zu. 2.1 Lernaufgaben in den Klassen 1/ 2 Die Lehrkräfte verwendeten in den jüngeren Jahrgangsstufen hauptsächlich monologische und dialogische Lernaufgabenformate in Form von kurzen Präsentationen, kurzen Interviewsequenzen zu vorher definierten Themengebieten und kleine Rollenspiele zu vorher vereinbarten Situationen. Die thematische Auswahl war sehr unterschiedlich. Ein Teil der Lehrkräfte legte großen Wert darauf, dass die Schüler*innen an eigenen persönlich relevanten Aspekten zu einem zuvor in der Klasse demokratisch abgestimmten Thema arbeiteten. Darunter fielen etwa My Monster , My favourite ice cream , My favourite kind of sport und My Christmas Tree . Andere wählten Bilderbücher als Ausgangspunkt. Die Lernenden erarbeiteten dann dazu passend eine kurze Nacherzählung oder stellen die Handlung des Bilderbuchs als kleines Theaterstück vor. Ein kleiner Teil der Lehrkräfte wählte Themen aus der Lebenswelt der Kinder aus und erarbeitete dann dazu passende sprachliche Aspekte. Dazu zählten etwa Themen wie My Hobbies . Die Analyse zeigte, dass die Englischlehrkräfte an den jeweiligen Schulen häufig ähnlich arbeiten, d. h. eine identifizierbare unterrichtliche Praktik hauptsächlich verwendeten, auch wenn es zwischen ihnen erhebliche Unterschiede gab. So wollten alle Lehrkräfte ihre Lernenden ‚zum Sprechen anregen‘. Allerdings definierten die Lehrkräfte ‚Sprechen‘ teilweise ganz anders. Einige verstanden das ‚Sprechen‘ als sponane Äußerungen der Lernenden auf Englisch - mit Unterstützung der Lehrkraft. Andere legten großen Wert darauf, dass die Lernenden an etwas persönlich Relevantem arbeiteten und darüber Inszenierung von Lernaufgaben in der Grundschule 97 schließlich - möglichst ohne Unterstützung der Lehrkraft - sprechen konnten. Demgegenüber verstand ein anderer Teil der Lehrkräfte unter ‚Sprechen‘ das Reproduzieren von vorher behandelten sprachlichen Strukturen und Phrasen in einem klar definierten sprachlichen Kontext. Hierbei handelte es sich um stark vorstrukturierte Situationen, in denen die Lernenden das zuvor von der Lehrkraft eingeführte sprachliche Material wieder anwendeten. Einige Lehrkräfte legten zudem ihren Hauptfokus darauf, dass die Lernenden alles verstehen konnten. Solche Lehrkräfte boten deshalb eine begrenzte Anzahl von sprachlichen Strukturen und Phrasen an und die Lernenden übten diese und wendeten diese an. Der größte Unterschied innerhalb der Gruppe der PROJEKT-Lehrkräfte zeigte sich in zwei unterrichtlichen Praktiken. Eine Gruppe der Lehrkräfte wählte einen stark erfahrungsbasierten Zugang in Verbindung mit einer starken Einbettung in einen inhaltlichen Kontext. Dieser Zugang basierte auf Geschichten und einem holistischen Ansatz mit einer starken Kopplung an die Lebenswelt der Schüler*innen (vgl. Bäuml-Roßnagl 1993). Der Ausgangspunkt war häufig ein Bilderbuch oder Lied. Die Unterrichtsphasen waren kurz und strukturiert und ließen einen ritualisierten Ablauf zu Beginn und Ende der Stunde erkennen. In diesen Phasen ‚experimentierten‘ die Lernenden mit Sprache, indem sie dem Spiralcurriculum folgend (vgl. Bruner 1960) Fragen und Antworten wiederholten. Manchmal erfragten die Schüler*innen auch neuen Wortschatz, um eine altbekannte Frage nun anders beantworten zu können, weil sich beispielsweise der Geschmack verändert hatte und sie ein anderes Lieblingsessen bennenen wollten als zuvor gelernt. Häufig wurden während der Stunde kurze Lieder oder Reime in Veerbindung mit Bewegungen gesprochen, die nicht immer eine Verbindung zum eigentlichen Stundenthema aufwiesen. Diese Phasen wurden durchgeführt, um dem Bewegungsdrang der Kinder gerecht zu werden (vgl. Bäuml-Roßnagl 2000; HKM 1995). Die einzelnen Unterrichtsphasen ließen sich nicht immer klar voneinander abtrennen, da sie häufig ineinander übergingen. Dies lag daran, dass die Schüler*innen allein oder in Teams an ihren Aufgaben arbeiteten und einige diese Phase nutzten, um weiteres Wortmaterial zu erfragen oder bereits eingeführtes Wortmaterial erneut nachzufragen. Allgemein folgten die Unterrichtsstunden, in denen Lernaufgaben unterrichtet wurden, den gängigen didaktisch-methodischen Prinzipien des frühen Fremdsprachenunterrichts (vgl. Elsner 2010, 2015; Legutke-/ Müller-Hartmann-/ Schocker 2009). Eine Minderheit der PROJEKT-Lehrkräfte legte großen Wert auf lange Vokabeltrainingsphasen, um das Verständnis auf Seiten der Schüler*innen zu gewährleisten. Einige davon kombinierten die langen Wortschatzphasen mit einem erfahrungsbasierten Ansatz. Der Ausgangspunkt war überwiegend ein Thema, 98 Constanze Dreßler das aus der Lebenswelt der Schüler*innen stammte. Sie führten das Thema mithilfe von Flashcards oder Objekten ein. Die Stundenabläufe folgten erkennbaren Routinen und verwendeten Spiele, Übungen oder Stationsarbeiten. Vor allem die Stationsarbeiten ermöglichten den Schüler*innen einen erfahrungsbasierten Zugang, da hier direkt mit dem Material oder den Objekten (z. B. Früchte beim Thema Obst) in Kontakt getreten werden konnte. So bekamen die Lernenden die Augen verbunden und probierten Obststücke, die sie dann auf Englisch benannten. Wichtig war den Lehrkräften zudem, dass die Lernenden mit Spaß dabei waren. So wurden kleine Reime oder Lieder gelernt und aufgeführt. Die Unterrichtsphasen folgten auch hier den gängigen didaktisch-methodischen Prinzipien. Der Einstieg ins jeweilige Thema erfolgte jedoch unmittelbar nach einer ritualisierten Eröffnung. Die einzelnen Unterrichtsphasen waren klar voneinander abgrenzbar. Die Schüler*innen arbeiteten auch hier alleine oder in Teams und bekamen Scaffoldingangebote von den Lehrkräften. Der Hauptfokus in den Klassen 1 und 2 lag auf Sprechen. Nur wenige Lehrkräfte verwendeten Lernaufgaben, bei denen Schreiben und Lesen eine Rolle spielten, obwohl einige Lehrkräfte den Lernenden Wörter in schriftlicher Form anboten. 2.2 Lernaufgaben in den Klassen 3/ 4 Die Unterrichtspraktiken der Lehrkräfte in den Klassen 3 und 4 waren homogener als die der Lehrkräfte in den jüngeren Klassenstufen. Dies war auffällig, da einige der Lehrkräfte sowohl in den Klassen 1/ 2 als auch 3/ 4 unterrichteten. Die Lehrkräfte, die in den Klassen 1/ 2 mit einem stark geschichten- und erfahrungsbasierten Ansatz unterrichteten, zeigten in den höheren Jahrgängen einen stärker analytischen Ansatz (vgl. Holodynski-/ Schiefele 2008). Die Lehrkräfte, die in den niedrigeren Jahrgängen bereits abstrakter unterrichteten, blieben ihrem Stil treu. So fand eine Annäherung zwischen beiden Gruppen statt. Gleichwohl blieben Unterschiede bestehen. Diese zeigten sich in den Klassen 3 und 4 vermehrt in den unterrichtlichen Praktiken, die die Unterrichtsphasen betrafen. Die Aufgabenformate blieben gleich. So erarbeiteten die Lernenden monologische oder dialogische Formate zu individuell relevanten, an ihre Lebenswelt angelehnten Themen oder zu Geschichten. Auffällig war, dass die Aufgaben jedoch komplexer und anspruchsvoller waren. Allgemein bezeichneten die Lehrkräfte die Lernaufgaben in den höheren Jahrgängen häufig als ‚Projekte‘. Diese umspannten oft mehrere Wochen und wurden kleinschrittig vorbereitet. Darüber hinaus lag der Fokus in den höheren Jahrgangsstufen auf allen Fertigkeiten. In allen Lernaufgaben waren Phasen enthalten, in denen die Schüler*Innen neben Sprechen auch Lesen und-/ oder Schreiben trainierten. In manchen Lerngruppen wurden auch ganze Theaterstücke einstudiert. Diese basierten Inszenierung von Lernaufgaben in der Grundschule 99 entweder auf Bilderbüchern oder wurden selbst von den Lernenden entwickelt. Darüber hinaus erhielten die Lernenden in den Klassen 3/ 4 auch Feedback von den Klassenkameraden*innen auf Englisch und der Lehrkraft. In den jüngeren Jahrgangsstufen beschränkte sich das Feedback häufig auf ein Lob der Lehrkraft oder Applaus von Seiten der Mitschüler*innen. 3 Inszenierung von Lernaufgaben im Unterricht Wie bereits im letzten Abschnitt angedeutet, gibt eine Analyse der Lernaufgaben im Hinblick auf ihren dreigliedrigen Aufbau nur wenig Aufschluss darüber, welche Aktionen von den Lehrkräften und Schüler*innen in der jeweiligen Unterrichtssituation durchgeführt wurden. Des Weiteren erhält man nur bedingte Einblicke dazu, wie Englisch in der jeweiligen Klasse als Kommunikationsmedium eingesetzt wird. Nur eine detaillierte Analyse der inszenierten Lernaufgabe im aktuellen Unterrichtsgeschehen gibt darüber Aufschluss. Die vielschichtige Unterrichtssituation wird in ihrer Komplexität, soweit dies möglich ist, betrachtet. Dazu wurde Sprache in Aktion untersucht (vgl. Scollon 1998, 2001; Scollon-/ Scollon, 2003, 2004, 2007). Darunter versteht man die Betrachtung von allen Texten in einer Situation. Es wird nicht nur gesprochene Sprache untersucht, sondern beispielsweise. auch die Bedeutung von Gesten, der Einfluss der Raumsituation oder der Dekoration im Klassenraum auf die Situationen, in den Menschen handeln. Man kann dies auch mit Malinowskis Ansatz des holistischen kulturellen Erfahrens vergleichen (Malinowski 1923, 1935). Hierbei lebt der Forschende bei den Forschungspartner*innen und erfährt so die Sprache im Kontext. Nur so kann man ableiten, welche Bedeutung Sprache jeweils für die soziale Interaktion hat (vgl. Gellner 1998). Die Analyse der Inszenierungen der Lernaufgaben durch die PROJEKT-Lehrkräfte zeigte, dass vier unterrichtliche Kernpraktiken entscheidend sind. Mithilfe dieser vier Kernpraktiken doing school 3 , Freiräume zum Sprechen über persönlich relevante Dinge schaffen ( providing space for learners to communicate about something personally relevant ), Wortschatzarbeit ( building a vocabulary ) und das Unterrichten von diskursiven Praktiken ( teaching the spoken language ) können die Inszenierungen der Lehrkräfte betrachtet und im zweiten Schritt auf ihre Wirksamkeit hin untersucht werden. Die Art und Weise, wie die Lehrkräfte diese vier Kernpraktiken inszenieren, beeinflusst entscheidend die Entstehung einer Lernaufgabe. Sie tragen dazu bei, wie ein task-as-workplan zu einem task- 3 Die erste Praktik doing school wird hier in englischer Sprache bezeichnet, da sich eine Übetragung ins Deutsche als sehr schwierig erweis. Formulierungen wie „Schule machen“, „Schule inszenieren“, „Schule spielen“ sind missverständlich und geben die Bedeutung nicht genau wieder. 100 Constanze Dreßler in-action wird. Als Ziel des Primarstufenenglischunterrichts gilt hier, Englisch als ein Kommunikationsmedium zu verwenden. Der Augenblick, in dem Englisch als Medium zur Kommunikation genutzt wird, ist das Moment, in dem die Lernaufgabe entsteht. Dies ist der Fall, wenn alle vier Praktiken gemeinsam reibungslos ablaufen. Dann werden Lernende dazu befähigt, Englisch so zu gebrauchen, dass sie über etwas persönlich Relevantes innerhalb der Englischstunde kommunizieren können. Bei der Analyse der Lernaufgabeninszenierungen der PROJEKT-Lehrkräfte fällt auf, dass diese Art der Inszenierung recht kompliziert zu sein scheint. In einigen Fällen entstand die Lernaufgabe nach dem Ende der Englischstunde zu Beginn einer anderen Stunde. Die Lehrkraft hatte verpasst, die persönlichen Interessen der Schüler*innen in der Stunde zu berücksichtigen. In anderen Fällen entstand die Lernaufgabe außerhalb der Schule, wenn die Lernenden mithilfe ihrer Eltern ein Poster zu persönlich relevanten Themen erstellten. Die Lehrkraft hatte verpasst, entsprechendes Vokabular im Unterricht anzubieten. In anderen Fällen konnte die Lehrkraft keine dem Fremdsprachenunterricht förderliche Unterrichtsituation herstellen, da die Schüler*innen zu stark störten. Abb. 1: Die vier Kernpraktiken Inszenierung von Lernaufgaben in der Grundschule 101 3.1 Analyse Die Grundannahme für dieses Kapitel ist, dass Texte alleine nicht den Gesamtzusammenhang einer Unterrichtsstunde abbilden können. Im Gegenteil, die Aktion, in der Texte verwendet werden, gilt als der Anfangspunkt der Untersuchung (vgl. S. W. Scollon-/ De Saint-Georges 2012). Der Fokus liegt also auf den Aktionen in Verbindung mit Texten, die von den Lehrkräften durchgeführt werden, wenn sie Lernaufgaben unterrichten. Dazu wird mediated discourse analysis , kurz MDA, (vgl. Scollon 1998, 2001; Scollon-/ Scollon 2003, 2004, 2007) verwendet, da dieser Ansatz eine Verlangsamung der Sprache in Aktion ermöglicht. Darüber hinaus werden die Forschungen von Norris zur multimodal analysis , kurz MMA, (vgl. 2004, 2011a, 2011b, 2012) gebraucht. Norris beschreibt das wie folgt: […] we can view language as just one mode of communication that is present among other modes, without language necessarily being primary. Of course, by taking the mediated action as the unit of analysis, and by decentralizing language, we actually open up a new field, namely multimodal (inter)action analysis (Norris 2011a: 24). MDA ist ein interdisziplinärer Ansatz, der eine solche Verschränkung mit anderen Analysen nicht nur erlaubt, sondern sogar befürwortet (S.W. Scollon-/ De Saint-Georges, 2012). So greift MDA beispielsweise auf Vygotskys (1978) Mediation Theory zurück. Dabei wird davon ausgegangen, dass Menschen kulturelle Gegenstände als Mittel nutzen, um mentale und physische Aktionen auszuführen (Hagstrom 2000: 136) In dieser Arbeit können solche Gegenstände etwa ein Zeigestock sein. Dieser kann nach der MDA als mediational means bezeichent werden. Die Nützlichkeit solcher mediational means ist situationsabhängig. Mediational means have both inherent affordances and constraints: they enable certain actions better than others, and, to be useful, their usage needs to have been internalized at some point in the life cycle of the individuals (S. W. Scollon / .De Saint- Georges 2012: 70). So wird ein Zeigestock von den Lehrkräften jeweils ganz unterschiedlich eingetzt. Bei einigen können die Kinder dadurch besser dem gesprochenen Wort der Lehrkraft folgen, bei anderen wird gerade durch den Zeigestock eine weitere Sinnesebene ausgeschaltet. Eine Lehrerin nimmt den Zeigestock und lenkt den Blick der Schüler*innen auf den von ihr beschriebenen Gegenstand („flashcard“ mit dem Bild eines Flugzeugs) in der Kreismitte. Dadurch verstehen die Lernenden, ohne dass eine deutsche Übersetzung angechlossen werden muss, was „airplane“ bedeutet. In einer anderen Situation verhindert gerade der Einsatz des Zeigestocks eine direkte Auseinandersetzung mit dem Unterrichtsmaterial. So zeigt eine Lehrerin mit dem Zeigestock auf einen Apfel vor ihr und 102 Constanze Dreßler sagt „apple“. Hier wäre es für die Schüler*innen interessanter gewesen, wenn sie diesen angefasst hätten und seine Oberflächenstruktur und seinen Geruch wahrgenommen hätten. Die Annahme in der Studie war, dass wenn man nur einen Modus, z. B. Sprache, anschaut, die Komplexität einer Unterrichtssituation zu stark vereinfacht wird. Im oben dargestellten Beispiel ist auf der sprachlichen Ebene kein Unterschied zu erkennen. Beide Male wird ein Wort, passend zu einem Gegenstand benannt. Die damit verbundene körperliche Aktion und ihre Bedeutung kommen erst bei einer kleinschrittigen Betrachtung der beteiligten Akteure, ihrer Rollen und historisch begründeten Persönlichkeiten zum Ausdruck: Our interest as ethnographers is in social action and so for us a nexus analysis is the mapping of semiotic cycles of people, discourses, places, and mediational means involved in the social actions we are studying. We will use the term ‘nexus of practice’ to focus on the point at which historical trajectories of people, places, discourses, ideas, and objects come together to enable some action which in itself alters those historical trajectories in some way as those trajectories emanate from this moment of social action (Scollon-/ Scollon, S.W. 2004: viii). Darüber hinaus wurde angenommen, dass die Verwendung von mediational means einen gewissen Typ von zukünftigen Fremdsprachensprechenden begünstigt. Das liegt daran, dass man annimmt, dass die Art und Weise, in der Menschen mit mediational means handeln, stark implizit, unreflektiert körperlich und zu einem gewissen Grad historisch begründet ist (vgl. R. Scollon 2001). Die Lehrkräfte verwenden den Zeigestock meist nahezu „reflexartig“ ohne über seine Wirksamkeit nachzudenken. Sie haben die von ihnen verwendete Art vielleicht selbst als Schüler*innen erworben oder von ihren Mentor*innen erfahren und übernommen. Der Zeigestock gilt hierbei nur als ein Beispiel. Genauso unbewusst, wie er oft verwendet wird, halten Lehrkräfte ein Buch hoch, ziehen ihre Augenbrauen zusammen, halten den Kopf schräg bei falschen Antworten oder nicken wohlwollend, während Schüler*innen unter großer Anstrengung Sätze formulieren. Alle Beispiele haben aber Einfluss auf den Unterricht und befördern oder behindern den Gebrauch von Englisch als Ausdrucksmedium. Sie formen zukünftige Akteure mit bestimmten sozialen Praktiken. MDA hilft dabei zu zeigen (…) how and why certain social practices and activities (the latter defined as the sequence of an action) are performed and how discourse functions as a tool for producing and reproducing social actors (Izadi 2015: 62). Im Unterricht laufen viele Aktionen gleichzeitig ab, da viele Akteure zur selben Zeit handeln und dabei unterschiedliche Modi gebrauchen. Als Ausgangsfrage Inszenierung von Lernaufgaben in der Grundschule 103 für die Untersuchung wurde Goffmans (1974) Frage: „What is it that’s going on here? “ (S. 8) angepasst in: ‚Was passiert im Unterricht, wenn Lehrkräfte Lernaufgaben unterrichten? ‘. Die Abbildung zeigt die Kernanalyseschritte, die die Forscherin durchführte. Abb. 2: Analyseschritte Die Forscherin wählte zwei Lehrkräfte aus, die hinsichtlich ihres Unterrichts große Unterschiede aufwiesen. Dazu wurden die Ergebnisse aus Abschnitt 2 zu Rate gezogen (vgl. Dreßler 2018: Kapitel 5). So verwendeten die Lehrkräfte unterschiedliche Ansätze und Formate in Klasse 1/ 2. Darüber hinaus traten in beiden Sequenzen Kritische Ereignisse auf. Die beiden Lehrkräfte stellen zudem die Extremfälle innerhalb der PROJEKT-Lehrkräfte dar. Gleichzeitig war ihre generelle Lernaufgabensequenz recht vergleichbar. Die verschiedenen Modi, die gleichzeitig ablaufen, wurden betrachtet und systematisch mithilfe einer Mikroanalyse der Unterrichtsvideos untersucht. Diese Analyse ergänzte die Forscherin durch Beobachtungsprotokolle, analytische Memos, Gesprächsnotizen und andere ethnographische Daten (Fetterman 2010, Glaser-/ Strauss 1967, Freeman 2009). Eine kleinschrittige Analyse, die z. B. aus der gesprochenen und der geschriebenen Sprache, den Gesten, der Mimik, der Körperhaltung, der Position der Handelnden zueinander, der Raumsituation und den Unterrichtsmaterialien bestand, zeigte sich als besonders aufschlussreich. 104 Constanze Dreßler 3.2 Die vier Kernpraktiken Die vier Kernpraktiken bestehen aus unterschiedlichen kleinen Praktiken, die die Aktionen der Lehrkräfte bzw. Schüler*innen genauer beschreiben. Die Analyse der Videos zeigte, dass die vier Kernpraktiken bei allen PROJEKT-Lehrkräften gefunden wurden. Allerdings setzten sich die vier Kernpraktiken aus unterschiedlichen kleineren Praktiken zusammen. Im Folgenden werden diese nur skizziert (vgl. Dreßler 2018). Die Kernpraktiken umfassen folgende Aspekte: • doing school verweist auf Aspekte der Klassenführung (Kounin 2006), der Lernatmosphäre und der Lernumgebung, der Unterrichtsführung (Holodynski-/ Schiefele 2008) und gibt Einblicke in die Meinungen und Ansichten der Lehrkräfte gegenüber Unterricht, es drückt ihre Haltung gegenüber Schule und Unterricht aus (Appel 2000, Kennedy-/ Kennedy 1996, Mate-/ Brizio-/ Tirassa 2011, Pajares 1992). Die Aspekte sind nicht neu und werden bereits seit Jahrzehnten in der Didaktik diskutiert und in der Leh-rerbildung vermittelt. • Freiräume zum Sprechen über persönlich relevante Dinge schaffen ( providing space for learners to communicate about something personally relevant ) verweist auf die Rollenzuschreibungen von Lehrerkräften und Schüler*innen. Dabei geht es um solche Fragen: Wer entscheidet über die Unterrichtsstruktur? Wer setzt das Thema der Lernaufgabe fest? Hierbei handelt es sich darum, inwieweit die Lehrperson Unterricht als ein gemeinsames Unterfangen aller daran Beteiligter versteht. Auch diese Ansätze werden seit Jahren vor allem in der Grundschulpädagogik und -didaktik und in der Fremdsprachendidaktik diskutiert (Bäuml-Roßnagel 1974, 2000, Kubanek-German 2001, 2003). • Wortschatzarbeit ( building a vocabulary ) ist ein zentraler Unterrichtsschwerpunkt in jedem Fremdsprachenunterricht. Wie diese so gestaltet werden kann, dass sie besonders produktiv für Grundschulkinder ist, wird in gängigen Publikationen beschrieben (z. B. Böttger 2005, 2012, Elsner 2010, 2015, Klippel 2000, Legutke- / Müller-Hartmann- / Schocker-von Ditfurth 2009, Mindt- / Schlüter 2003, 2007, Schmid-Schönbein 2008). • das Unterrichten von diskursiven Praktiken ( teaching the spoken language ) verweist darauf, was Lehrkräfte darunter verstehen, wie die gesprochene Sprache erlernt werden kann und wie diskursive Praktiken erworben werden können (vgl. Cameron 2001: Kapitel 3, Lee-/ Van Patten 2003, Groot-Wilken 2009, Diehr-/ Kötter 2013). Obwohl die einzelnen Konzepte bereits auf lange Traditionen in der Fremdsprachendidaktik und/ oder der Grundschulpädagogik und -didaktik zurückblicken können und man davon ausgehen kann, dass alle ausgebildeten Fremdsprachenlehrkräfte mit ihnen während ihres Studiums und/ oder Referendariats in Kontakt gekommen sind, zeigten sich große Unterschiede bei den Lehrkräften. Zum Inszenierung von Lernaufgaben in der Grundschule 105 einen gibt es definitorische Unterschiede darüber, was z. B. Lebensweltbezug bedeutet. So sprachen sich alle Lehrkräfte für die Wichtigkeit des Lebensweltbezugs in der Grundschule aus, die Umsetzung war aber teilweise konträr 4 . Zum anderen zeigen die Praktiken der einzelnen Lehrkräfte viele verschiedene Arten und Weisen auf, wie Wortschatz unterrichtet werden kann. Dies alleine wäre kein Problem. Allerdings gaben einige Lehrkräfte an, dass sie nicht über ausreichend unterschiedliche Praktiken verfügten oder sie manchmal auch nicht wussten, wie man noch Wortschatz vermitteln könnte. Passend dazu war auch die Auswahl der Redemittel oder der zu unterrichtenden Wortarten bei einer Minderheit der Lehrkräfte recht begrenzt. Hauptsächlich wurden von diesen Lehrkräften Nomen in ritualisiert erworbenen sprachlichen Phrasen eingeführt („ What is it? It’s a dog “). Dies scheint allgemein ein Problem im frühen Fremdsprachenunterricht zu sein (vgl. EVENING-Studie, Groot-Wilken 2009) und bestätigt die Befunde zur Qualität der Lehrersprache (Deters-Philipp 2018). Die Mehrheit der PROJEKT-Lehrkräfte verfügte aber über eine Vielzahl von kleineren Praktiken bei der Wortschatzarbeit. Exemplarisch wird nun der nexus of building a vocabulary für eine PROJEKT-Lehrkraft vorgestellt, da Wortschatzarbeit ein zentrales Element in jedem Fremdsprachenunterricht ist. Die ersten drei Praktiken finden sich in jeder Unterrichtsphase, in der Wortchatzarbeit stattfindet, wieder. Die nächsten drei Praktiken konnten nur in einigen Wortschatzarbeitsphasen entdeckt werden. • Objekt wird visuell gezeigt und sprachlich benannt • Schüler*innen üben nun das so gehörte Wort mithilfe mechanischer Drills, während die Lehrkraft dabei mit dem Zeigestock auf das Objekt deutet • Lernende sprechen das Wort chorisch mit und schauen dabei hin und wieder das Objekt an. Manchmal schauen sie auf andere Dinge im Klassenraum, blicken zu ihren Klassenkameraden oder aus dem Fenster • Lehrkraft zeigt auf ein Objekt und fragt nach seiner Bezeichnung • Schüler*in fragt: „ What is it ? “ zeigt mithilfe des Zeigestocks auf ein Objekt und nimmt ein anderes Kind daran, welches das Objekt benennt • Lehrkraft zeigt mithilfe des Zeigestocks auf ein Objekt, sagt eine Bezeichung und Schüler*innen klatschen in die Hände, wenn es die falsche Bezeichnung ist Auffällig ist, dass die Wortschatzarbeit auf wenige Praktiken begrenzt ist. Die Lehrkraft brachte selbst zum Ausdruck, dass sie oft verunsichert ist und nicht viele Praktiken kennt, um Wortschatz zu unterrichten. Dies regte eine Diskussion innerhalb der Gruppe der PROJEKT-Lehrkräfte an, bei der sich darüber 4 Häufig herrschen bei Forschungspartner*innen unterschiedliche Konzepte vor, ob-wohl man vermeintlich über das gleiche spricht (Fries 2017). 106 Constanze Dreßler ausgetauscht wurde, wie Wortschatz vermittelt werden könne. Die Diskussion und die Videos der anderen Lehrkräfte zeigten weitere kleinere Praktiken, die die Kernpraktik Wortschatzarbeit verdeutlichen. Die gängigsten waren: • Flashcards oder Objekte liegen in der Kreismitte, Schüler*innen schließen die Augen, ein Kind nimmt einen Gegenstadt weg und gibt dann die Anweisung „ Open your eyes. What’s missing? “ • Objekte liegen in der Kreismitte, die Lehrkraft/ ein Kind umschreibt ein Objekt, ein anderes Kind errät, welches gemeint ist, und benennt es dann • Flashcards hängen an der Tafel, Kinder benennen jede, eine wird umgedreht, Kinder zählen alle Wörter der Reihe nach auf und müssen sich auch an das umgedrehte erinnern • Lehrkraft zeigt eine Flashcard und nennt den Begriff, Schüler*innen machen eine zuvor verabredete Bewegung mit und sprechen den Begriff mit Auch die anderen drei Kernpraktiken setzen sich aus unterschiedlichen kleineren Praktiken zusammen. Exemplarisch werden für jede Kernpraktik einige der kleineren Praktiken aufgelistet. Zu beachten ist, dass es sich hierbei nicht um den nexus of practice einer bestimmten Lehrkraft handelt, sondern eine Auflistung kleiner Praktiken gegeben wird, um die Kernpraktik zu verdeutlichen. • doing school • Lehrkraft steht vor der Klasse und legt einen Zeigefinger auf ihre Lippen, die andere Hand ist in der Luft und der Mittel- und Ringfinger dieser Hand liegen auf dem Daumen dieser Hand (Schweigefuchs). • Lehrkraft sitzt mit Kindern im Kreis zum Storytelling, sie beugt sich nach vorne und bewegt das Bilderbuch, aus dem sie gerade vorliest, näher an das Kind heran, was in diesem Moment unaufmerksam ist. • Lehrkraft zieht ihre Augenbrauen zusammen und räuspert sich und schaut in die Richtung, in der gerade eine Störung stattgefunden hat. • Lehrkraft steht vor der Klasse und macht eine kreisförmige Bewegung mit der rechten Hand, sie sagt: „Please, come into the circle.“ Sie geht zum Wandschrank neben dem Lehrertisch und legt Sitzkissen in die Mitte. Die Schüler*innen stehen auf und laufen zu den Kissen, nehmen sich jede*r eines und bilden damit einen Kreis. • Freiräume zum Sprechen über persönlich relevante Dinge schaffen: • Lehrkraft stellt neues Thema vor ( Collecting things ) und bittet die Kinder, ihr ihre Sammelleidenschaften auf Deutsch zu nennen, in der nächsten Stunde bringt sie dazu passend Wortmaterial mit • Lehrkraft leitet Anfangsritual ein; sie seht vor der Klasse und sagt „Who wants to start with our question round? “ , dabei blickt sie in der Klasse um- Inszenierung von Lernaufgaben in der Grundschule 107 her und schaut die Kinder an, die sich melden. Sie wählt ein Kind aus. Es schaut seinen Nachbarn an und stellt seinem Nachbarn die Frage: „What’s your favourite animal? “ , Nachbarkind dreht sich zur Lehrkraft und fragt: „Was heißt Säbelzahntiger auf Englisch? “ Die Lehkraft schaut mithilfe ihres Handys online nach und sagt: „Sabber tooth“. Das Kind sagt: „My favourite animal is a saber tooth“. • das Unterrichten von diskursiven Praktiken: • Lehrkraft führt unterstützt von Gestik und Mimik einen Reim auf, sie sagt: „You are quiet. Look and listen. I say the poem.“ Danach spricht sie Zeile für Zeile mit Gestik und Mimik und lädt die Schüler*innen ein, zunächst die Gestik mitzumachen „Now, you listen and do the movement. I say the poem and do the movement.“ • Lehrkraft führt eine neue Frage ein, indem sie vor der Klasse steht und die Frage spricht: „What’s your favourite drink? “ Sie dreht beide Handflächen nach oben und hebt die Augenbrauen hoch, dann führt sie die rechte Hand zum Mund und deutet an, aus einem imaginären Becher zu drinken. Sie wiederholt die Frage und hebt am Ende die Handflächen wieder nach oben und zieht die Augenbrauen hoch, dabei blickt sie in der Klasse umher. Ein Kind meldet sich, sie ruft es mit dem Namen auf und es antwortet: „Cola.“ Die Lehrkraft sagt: „My favourite drink is coke.“ Sie wiederholt die Frage und Antwort mehrfach und lässt die Kinder chorisch mitsprechen. Sie fragt nach weiteren Lieblingsgetränken und gibt, falls nötig, die englische Übersetzung. Danach lässt sie die Frage mithilfe des Spieles „Stoptanz“ üben. Hierbei laufen die Kinder zu Musik durch die Klasse. Wenn die Musik angehalten wird, gehen die Schüler*innen partnerweise zusammen und fragen sich gegenseitig nach ihren Lieblingsgetränken. Die skizzierten Praktiken geben nur einen groben Einblick in die Unterrichtspraxis der Lehrkräfte. Um zu verstehen, warum eine kleinere Praktik sinnvoller im Umgang mit Lernaufgaben ist als eine andere, muss die gesamte Situation in den Blick genommen werden. Wie anhand des Zeigestock-Beispiels angedeutet, kann ein Gegenstand in Verbindung mit einer Handlung (Zeigestock anfassen und auf etwas zeigen) nicht per se als förderlich oder hinderlich bei der Lernaufgabeninszenierung angesehen werden. Erst die konkrete Unterrichtssituation, in der der Gegenstand zum Einsatz kommt, gibt Aufschluss über seine Wirksamkeit bzw. darüber, welche „Art“ von Fremdsprachensprecher*in dadurch entstehen kann. So könnte man überspitzt nach Scollon davon ausgehen, dass, wenn ein Schüler immer nur den Zeigestock im Englischunterricht verwendet, er eine gewisse Distanz zur englischen Sprache aufbauen könnte, da er immer nur emotional distanziert mit Dingen in Kontakt tritt - ob das wirklich so ist, 108 Constanze Dreßler ist für Scollon zunächst zweitranging. Es geht ihm vielmehr darum, mögliche Lesarten für die Situation zu entwickeln. Bedeutsam ist jedoch die Annahme, dass jede Praktik, die im Englischunterricht verwendet wird, langfristig einen gewissen Habitus generiert. Man sollte sich also nicht nur fragen, was man unterrichten möchte und warum, sondern auch wie und sich darüber im Klaren sein, welche Auswirkungen dies auf den Habitus der Lernenden haben kann (vgl. R. Scollon 2001). 4 Herausforderungen bei der Inszenierung In der Praxis stellt sich nun die Frage, wie Lernaufgaben so inszeniert werden können, dass sie Lernende dazu befähigen, Englisch als Ausdrucksmedium zu verstehen. Generell lässt sich festhalten, dass die Lehrkraft die vier Kernpraktiken zu beachten hat. Die Untersuchung der „Kritischen Momente“ zeigte, dass Lernaufgaben häufig daran scheitern, dass Lehrkräfte keine lernförderliche Atmosphäre herstellen können. „Kritische Momente“ zeigen sich dann hauptsächlich im Bereich doing school und im Bereich „Freiräume zum Sprechen über persönlich relevante Dinge schaffen“. „Kritische Momente“ in diesen Bereichen können vermieden werden, wenn • die Lehrkräfte eine gewisse Grundatmosphäre frei von Störungen herstellen können. Gerade dies scheint aber nicht immer leicht zu sein. Die PRO- JEKT-Lehrkräfte merkten an, dass sie oft als Fachlehrkraft nur zwei Stunden in der jeweiligen Klasse unterrichteten. Englischlehrkräfte fühlten sich besser unterstützt an Schulen, die sich auf ein pädagogisches Konzept geeinigt hatten. Hier konnten die Fachlehrkräfte darauf zurückgreifen. An Schulen, an denen die Lehrkräfte selbstständiger und freier unterrichteten, war es in manchen unruhigen Klassen schwierig, eine Arbeitsatmosphäre herzustellen. • wenn die Schüler*innen in die Themenauswahl in den Jahrgängen 3/ 4 mit einbezogen werden. Die Lehrkraft sollte bei der Wortschatzarbeit und während der Vermittlung der diskursiven Praktiken auf die individuellen Bedürfnisse der Schüler*innen Rücksicht nehmen. Das heißt, neben der Einführung von einem Basiswortschatz zum Themenkomplex Dream house (z.B: kitchen, living-room, I brush my teeth in the morining. I like reading a book on the sofa .), ist es zudem von zentraler Bedeutung auch gezielt auf die Ausdruckswünsche des jeweiligen Kindes einzugehen (z. B. My dream house has 20 rooms. My biggest room is my candy room. In my candy room, there is a big sofa. The walls are made out of sugar canes .“ (Schüler A, 10 Jahre). • wenn die Lehrer*innen über eine differenzierte und sehr flexible Lehrersprache verfügen. Inszenierung von Lernaufgaben in der Grundschule 109 In den beiden genuinen Fremdsprachenbereichen (Wortschatzarbeit und das Unterrichten von diskursiven Praktiken) war es für Lehrkräfte oft eine Herausforderung, passgenaue Unterstützungen, sogenannte Scaffolding-Angebote, zu ermöglichen. Einige Lehrkräfte berichteten, dass die Schüler*innen große Schwierigkeiten beim Sprechen hätten. Hier war es förderlich, wenn die Lehrkräfte das Sprechen mithilfe eines erfahrungsbasierten Ansatzes anhand von Geschichten und kurzen Übungen kleinschrittig anbahnten. In Klassen, in denen die Lehrkräfte nach Drese (2007) von der sprachlichen Imitation über die Teil-Reproduktion, Teilproduktion Formate zur Produktion anboten, fanden sich häufig Schüler*innen, die spontan sprachlich agierten. Wichtig war hier ein nicht dogmatisches Vorgehen. Es war förderlich, wenn die Lehrkräfte in jeder Stunde Phasen bereit stellen, in denen bereits erarbeitetes Wortmaterial und Strukturen wiederholt und dadurch gefestigt werden konnten (vgl. Bruner 1960). Dies geschah z. B. in Form von Fragerunden am Anfang der Stunde, bevor das eigentliche Unterrichtsthema bearbeitet wurde. Darüber hinaus war es hilfreich, wenn die Schüler*innen besonders bei längeren Sprechphasen (z. B. Posterpräsentation oder Vorstellung eines eigenen Geschichtenendes) die Möglichkeit erhielten, ihren Vortrag in Kleingruppen zu üben, bevor eine Präsentation vor der ganzen Klasse stattfand. Einige Lehrkräfte waren sich dieser Anforderungen und ihrer positiven Auswirkungen auf die Englischleistungen ihrer Schüler*innen durchaus bewusst, empfanden es aber als nicht leistbar, den Englischunterricht entsprechend vorzubereiten. Sie berichteten, dass sie sich zum einen durch Lehrwerke, Elternwünschen und Vorgaben der Sekundarstufenlehrkräfte eingeengt und unter Druck gesetzt fühlten. Zum anderen beklagten sie die enorme Arbeitsbelastung. Das hohe Stundendeputat (29 Stunden, seit kurzem 28,5 Stunden) stellte sie vor eine Belastungsprobe. Um auf die Wünsche der Schüler*innen angemessen eingehen zu können, ist eine fortwährende passgenaue Vorbereitung der Englischstunde nötig. Dies bedeutet für die Lehrkräfte beispielsweise die Herstellung von Flashcards zum individuell relevanten Thema der Klasse. In Lehrwerken konnten sie oft nur Basiswortschatz finden. Spontane Scaffoldings in den Stunden konnten nur wenige Lehrkräfte anbieten. Hierzu ist das schon mehrfach angesprochene hohe sprachliche Können wichtig, über das nur eine Minderheit, nämlich die auch sprachlich ausgebildeten Englischlehrkräfte, verfügt. Die größte Herausforderung stellt aber ein Umlernen der unbewussten, verinnerlichten und ‚verkörperlichten‘ Handlungen dar. Lehrkräfte reagieren oft spontan auf Unterrichtsstörungen mit einer Aktion. Hierbei ist auffällig, dass die meisten Lehrkräfte nur über ein relativ eingeschränktes Repertoire an Handlungen verfügt. Es fällt ihnen oft schwer die abstrakten fremdsprachendidaktiken Handreichungen in konkrete unterrichtspraktische Handlungen zu 110 Constanze Dreßler übersetzen. Für die Lehrkräfte war es sehr hilfreich, sich gegenseitig im Unterricht zu besuchen und Filmmitschnitte von eigenen ‚best practice‘-Beispielen ihren Projektkolleg*innen vorzustellen. Durch die so erlebten und gemeinsam erörterten Handlungsbeispiele konnten die Lehrkräfte ihre eigenen Handlungsmöglichkeiten ausbauen. Zu bedenken ist allerdings, dass die teilweise über viele Jahre unreflektiert angewendeten und so mit zum eigenen ‚Habitus‘ (vgl. R. Scollon 2001, R. Scollon-/ S.W. Scollon 2003) gewordenen kleineren Praktiken vermutlich nur durch ein gezieltes Umlernen verändert werden können. 5 Die Rolle der Kernpraktiken in der Lehrerausbildung Werden die oben beschriebenen Herausforderungen ernst genommen und • wird eine Unterrichtsatmophäre geschaffen, in der Unterricht als ein gemeinsames Unterfangen zwischen Lehrkraft und Schüler*innen verstanden wird, • wird Schüler*innen Raum gegeben, über für sie individuell persönlich bedeutsame Aspekte eines allgemeinen in der Klasse demokratisch verabredeten Themas zu sprechen, • werden Wortmaterial und diskursive Praktiken zur Verfügung gestellt, ausreichend Zeit zum Einüben und zur Anwendung gegeben, so entsteht eine Lernaufgabe im Unterricht und Englisch wird als eigenes, persönlich relevantes Ausdrucksmedium erfahren (Dreßler 2018). Um mehr Lehrkräfte dazu zu befähigen, in dem dargestellten Sinne aufgabenbasiert zu arbeiten, ist eine grundsätzlich andere Ausbildung nötig. Zukünftige Lehrkräfte müssen neben einer fundierten wissenschaftlichen und fremdsprachlichen Ausbildung auch die Möglichkeit erhalten, Lehrkräfte in Aktion zu erleben. Erst durch eine Verschränkung der gängigen theoretischen Diskurse in der Allgemeinen Pädagogik, Grundschuldidaktik, pädagogischen Psychologie, Fremdsprachendidaktik und Sprachpraxis mit Beobachtungen im Unterrichtsalltag können Praktiken erkannt und hinterfragt werden. Wichtig ist zudem eigenes Unterrichten mit anschließender Reflexion anhand von Videodokumenten. Durch das Betrachten der eigenen Umsetzung der Kernpraktiken und ein gezieltes Hinterfragen der Wirksamkeit der eigenen Handlungen können zukünftige Lehrkräfte dazu befähigt werden, theoretische Handlungsanweisungen und Konzepte in konkrete Handlungen zu übersetzen. Es zeigte sich, dass eine Lernaufgabe, die auf dem Papier der Lernaufgabenkonzeption folgt, in der Praxis nicht zwingend zu einer Lernaufgabe wird. Schafft es die Lehrkräfte nicht im Zusammenspiel mit ihren Schüler*innen die Aufgabe so zu inszenieren, dass die Schüler*innen Freiräume zum Experimentieren mit Sprache zu individuell persönlich relevanten Aspekten der Lernaufgabe Inszenierung von Lernaufgaben in der Grundschule 111 bekommen, bietet die Lehrkraft kein passendes Sprachmaterial an und schafft sie keine positive Lernatmosphäre, so wird das Entstehen von Lernaufgaben erschwert. Dann ist es für Schüler*innen oft nicht möglich, Englisch als persönliches Ausdrucksmedium im Unterricht zu erfahren. Literatur Allwright, Dick (2003). Exploratory practice: rethinking practitioner research in language teaching. Language Teaching Research , 7/ 2, 113-41. doi: 10.1191/ 1362168803lr118oa. Allwright, Dick,-/ Hanks, Judith (2009). The Developing Language Learner: An Introduction to Exploratory Practice . London: Palgrave Macmillan. Angelides, Panayiotis (2001). 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Hong Kong: University of Hong Kong. Kapitel 5 Lernaufgaben in Klasse 5 Annika Kolb Der Lernaufgabenansatz bietet vielfältiges Potential, zu Kontinuität zwischen der Primar- und der Sekundarstufe beizutragen. Das Kapitel stellt die Entwicklung von Lernaufgaben für den Beginn der Sekundarstufe im PROJEKT 1 vor. Bei der Erprobung konnten sechs Merkmale von Lernaufgaben in Klasse 5 identifiziert werden, die es Schüler*innen ermöglichen, in der Grundschule erworbenes sprachliches Können sichtbar zu machen und Lehrkräfte in die Lage versetzen, dieses Können zu diagnostizieren. 1 Englischunterricht in Klasse 5 1 „Man steigt auf jeden Fall sehr viel höher ein, als wir jahrelang eingestiegen sind“ (07_L1_200912_Z.541) - so charakterisiert eine PROJEKT-Lehrkraft der Sekundarstufe die veränderte Situation in Klasse 5, die sich mit der Einführung des Fremdsprachenunterrichts in der Primarstufe ergeben hat. Statt wie bisher in der Fremdsprache den Anfangsunterricht zu gestalten, begegnen Sekundarstufenlehrkräfte nun Schüler*innen, die mit teilweise schon recht umfangreichem sprachlichen Können in die fünfte Klasse kommen. Studien zu den in der Grundschule entwickelten Kompetenzen belegen, dass die meisten Kinder sehr motiviert am Englischunterricht teilnehmen und eine positive Einstellung zum Fremdsprachenlernen zeigen (BIG-Kreis 2015, Engel et. al. 2009). So charakterisieren auch die PROJEKT-Lehrkräfte die Schüler*innen zu Beginn von Klasse 5 wie folgt: „die sind wissbegierig und die wollen lernen“ (12_L10_101012_Z.127); „die können zumindest mündlich eine ganze Menge“ (11_L8_311012_Z_21); „es ist keiner da, der sich nicht zu sprechen traut (…) Also, die spielen relativ befreit auf“ (11_L8_311012_Z.43-45). Die Lehrkräfte bestätigen die Ergebnisse von 1 Aus syntaktischen Gründen und wegen der besseren Lesbarkeit steht das PROJEKT für „Projekt Englisch ab Klasse 1 (PEAK1)“. 118 Annika Kolb Studien, die Schüler*innen am Ende von Klasse 4 „eine insgesamt sehr gut entwickelte Kompetenz im Hörverstehen und Leseverstehen“ (BIG-Kreis 2015: 68), sprachliche Experimentierfreudigkeit und Furchtlosigkeit vor Fehlern, sowie eine grundlegende Sprachlernkompetenz (BIG-Kreis 2009, 2015, Engel et al. 2009) bescheinigen. Die Kinder verfügen über elementare sprachliche Mittel zur Verständigung in alltäglichen Situationen und einen Grundwortschatz zu den in der Primarstufe behandelten Themen (vgl. auch Brunsmeier in diesem Band). Weniger zufrieden äußern sich die Sekundarstufenlehrkräfte im PROJEKT zu den schriftlichen Fertigkeiten der Kinder zu Beginn von Klasse 5: „sobald sie einen Stift in die Hand nehmen, wird es schwierig“ (10_L7_200912_Z.4); „was Probleme macht, ist das Schreiben“ (12_L10_101012_Z.183). Hier zeigt sich ein Passungsproblem zwischen den mitgebrachten Kompetenzen der Kinder und der Erwartungshaltung, die Lehrkräfte der Sekundarstufe an die Schüler*innen herantragen: Von diesen eingefordert werden häufig grammatikalisches Regelwissen, die orthographische Beherrschung sprachlicher Wendungen sowie sekundarstufenspezifische Arbeitsformen wie das Führen eines Vokabelheftes; viel Wert wird auf sprachliche Richtigkeit gelegt (vgl. dazu auch Börner 2004; Keßler 2013). Die Bereiche, in denen das sprachliche Können der Kinder tatsächlich verortet ist, nämlich Mündlichkeit, sprachliche Experimentierfreudigkeit, Kommunikations- und Sprachlernstrategien, rücken dagegen weniger in den Wahrnehmungshorizont der Lehrkräfte. Tatsächlich zu erkennen, welches Können die Kinder aus der Grundschule mitbringen, scheint für einige Lehrer*innen eine Herausforderung zu sein. Unterschiedliche Lernkulturen in den beiden Schulstufen, unterschiedliche Konzepte von Unterricht und unterschiedliche Vorstellungen von sprachlicher Leistung scheinen hier ihren Einfluss geltend zu machen. Als eine weitere Anforderung erleben außerdem viele Lehrkräfte die Heterogenität des sprachlichen Könnens der Lernenden, mit der sie durch die Vorverlegung des Fremdsprachenunterrichts in die Grundschule konfrontiert werden: „am schwierigsten ist einfach die Tatsache, dass die so unterschiedlich sind“ (07_L1_ 110912_Z.5-6); „da sind sehr sehr viele sehr individuell drin“ (07_ L1_110912_Z.127). Lehrkräfte müssen diesen diversen Ausgangslagen Rechnung tragen (vgl. zu dieser Thematik auch BIG-Kreis 2015: 71, Mayer 2006: 223 f.). Die Herausforderung für den Englischunterricht in Klasse 5 besteht demnach darin, den Kindern Gelegenheiten zu geben, ihr in der Primarstufe erworbenes Können zu zeigen. Lehrkräfte benötigen Möglichkeiten, die heterogenen Kompetenzen der Schüler*innen zu diagnostizieren und diese auszubauen und weiterzuentwickeln (Kolb 2018). Die Arbeit mit Lernaufgaben bietet hierzu vielfältige Chancen. In den folgenden Abschnitten werden zunächst in aller Kürze der Lernaufgabenansatz und eine Beispielaufgabe vorgestellt. Danach sollen sechs Merkmale von Lernaufgaben für Klasse 5 diskutiert und gezeigt werden, Lernaufgaben in Klasse 5 119 wie ihr Einsatz zu kontinuierlichem Sprachenlernen zwischen Primar- und Sekundarstufe beitragen kann. 2 Charakteristika von Lernaufgaben in Klasse 5 Im Rahmen des PROJEKTS wurden zehn Lernaufgaben für den Unterricht in Klasse 5 entwickelt (vgl. die Übersicht in Abb. 1; Kolb 2016). Diese zielen darauf ab, es Schüler*innen zu ermöglichen, ihr aus der Grundschule mitgebrachtes sprachliches Können zu präsentieren und Lehrkräften die Diagnose von Lernständen zu erleichtern. Die Produktorientierung des Lernaufgabenansatzes befördert dies: Die Schüler*innen erarbeiten konkrete Produkte (Zielaufgaben- / target tasks ), die ihnen selbst und der Lehrkraft ihr sprachliches Können vor Augen führen. So entwickeln sie beispielsweise im Rollenspiel eine Führung durch ihr Traumhaus für einen Alien, bei der sie ihre mündliche Interaktionsfähigkeit unter Beweis stellen können. Die Aufgaben sind auf die in den Projektschulen in Klasse 5 verwendeten Lehrwerke abgestimmt und ersetzen teilweise Lehrwerksinhalte bzw. ergänzen diese. Sie sind als Prototypen konzipiert, die von den Lehrkräften an den eigenen Kontext und die Lerngruppe angepasst werden können. Die Lernaufgaben wurden während der Projektlaufzeit an verschiedenen Schultypen (Gymnasium, Realschule, Gesamtschule) erprobt; der Unterricht wurde dabei teilweise auf Video aufgezeichnet. Im Laufe des Projekts fanden Interviews mit den beteiligten Lehrkräften zu ihrem Unterricht und der Arbeit mit den Lernaufgaben statt (vgl. auch Brunsmeier in diesem Band); außerdem liegen Mitschnitte der Gespräche und Diskussionen während der Projektsitzungen vor, in denen die Lehrkräfte sich über die Erprobung der Aufgaben austauschten. Die Interview- und Gesprächstranskripte sowie die Unterrichtsvideos wurden mit Hilfe der qualitativen Inhaltsanalyse ausgewertet. Die im PROJEKT erarbeiteten Lernaufgaben für den Englischunterricht in Klasse 5 basieren auf dem Ansatz des task-supported language learning (Müller-Hartmann / Schocker-v. Ditfurth 2011). Sprachenlernen geschieht hier bei der Bewältigung von komplexen Aufgaben, die sich auf die Erfahrungen und die Lebenswelt der Lernenden beziehen. Innerhalb eines vorgegebenen Rahmens und mit der nötigen Unterstützung ( task support ) können Schüler*innen für sie persönlich bedeutsame Themen und Inhalte auswählen und nutzen dazu die ihnen individuell zur Verfügung stehenden sprachlichen Mitteln. Interaktion in Partner- und Gruppenarbeit spielt eine große Rolle. Während bei task-based language learning das Prinzip der Aufgabenorientierung dem gesamten Curriculum zu Grunde liegt, nutzt task-supported language learning in einem Kontext, in dem die durch das Lehrbuch vorgegebene linguistische Progression eine große Rolle spielt, Lehrbuch- 120 Annika Kolb aktivitäten, die adaptiert oder ersetzt werden (Müller-Hartmann & Schocker 2016: 326). Die Lernaufgabenforschung hat eine Reihe von Kriterien für gute Aufgaben identifiziert, die als Basis für die Aufgabenentwicklung im PROJEKT dienten (Müller-Hartmann, Schocker & Pant 2013). Task Aktivitäten/ Produkte Diagnose und Weiterentwicklung von Kompetenzen Who am I? Die SuS stellen sich in einer kurzen Präsentation vor und entwickeln einen schriftlichen Quiztext über eine/ n Mitschüler*in. - Hörverstehen - Zus.hängendes Sprechen - Schreiben Recreate your new self Die SuS entwickeln einen Steckbrief für eine neue Identität und stellen sich als diese Person auf einer Party vor. - An Gesprächen teilnehmen - Schreiben My favourite object Die SuS präsentieren einen für sie persönlich bedeutsamen Gegenstand vor der Klasse. - Zus.hängendes Sprechen My family tree Die SuS entwickeln einen Stammbaum ihrer Familie und stellen den Stammbaum eines Partners im Plenum vor. - Hörverstehen - Zus.hängendes Sprechen Superheroes Die SuS kreieren Superhelden und geben Auskunft darüber, was diese können bzw. nicht können. - Zus.hängendes Sprechen - Schreiben My dream house Die SuS zeichnen und beschriften ein Bild von ihrem dream house und führen eine guided tour für ein alien durch das Haus durch. - Leseverstehen - Zus.hängendes Sprechen - Schreiben Our family planer Die SuS erstellen und präsentieren einen Familienplaner und führen ein Rollenspiel zum Thema Terminplanung durch. - Leseverstehen - Schreiben - An Gesprächen teilnehmen Sports and hobbies in our class Die SuS interviewen ihre Mitschüler*innen zu ihren Hobbys, führen eine Umfrage zum Thema durch und werten diese statistisch aus. - Hörverstehen - An Gesprächen teilnehmen Lernaufgaben in Klasse 5 121 Come to my party Die SuS laden jemanden am Telefon zu einer Party ein und planen die Party mit einem/ r Freund/ in (Rollenspiele). - An Gesprächen teilnehmen - Schreiben Book quiz Die SuS erstellen einen Steckbrief zu einer Figur aus einem Bilderbuch und erarbeiten ein Quiz zu dieser Figur. - Zus.hängendes Sprechen - Schreiben Monster competition Die SuS entwickeln auf der Basis des Bilderbuchs „Monster Diaries“ ein eigenes Monster, beschreiben dessen Tagesablauf und stellen es im Rahmen eines Monsterwettbewerbs vor. - Zus.hängendes Sprechen - Schreiben Abb 1: Übersicht über die im PROJEKT entwickelten und erprobten Lernaufgaben in Klasse 5 (vgl. auch Kolb 2016) Bei der Erprobung der tasks in den beteiligten Klassen konnten dann Aufgabenmerkmale identifiziert werden, die besonders dazu geeignet sind, den Auftrag des Englischunterrichts zu Beginn von Klasse 5 zu erfüllen: in der Grundschule erworbenes Können sichtbar zu machen und auszubauen. Mit diesen Aufgabenmerkmalen kann somit das Potential der Aufgaben beschrieben werden, es wird die Ebene des task-as-workplan angesprochen, die Entwicklung eines Plans zur Durchführung der Aufgabe. Ob dieses Potential in einer konkreten Lerngruppe tatsächlich realisiert wird ( task-in-process - Realisierung der Aufgabe im Klassenzimmer), hängt zum einen von einer ermutigenden und positiven Lernatmosphäre, zum anderen von der Unterstützung durch die Lehrkraft ab (Müller-Hartmann / Schockerv.Ditfurth 2011: 61 f., s. auch Kapitel 6 in diesem Band). „Dadurch wird deutlich, dass sich eine Aufgabe nicht ‚an sich‘ für die Entwicklung der angestrebten Kompetenzen eignet, sondern dass ihre Angemessenheit jeweils nur in Auseinandersetzung mit einer konkreten Lerngruppe beurteilt werden kann“ (Müller-Hartmann, Schocker & Pant 2013: 37). Wie die Umsetzung von Lernaufgaben im Klassenzimmer zu Beginn der Sekundarstufe aussehen kann, zeigt Kapitel 6 in diesem Band. Die Lernaufgaben zielen auf ein konkretes Produkt ab, die einzelnen Aktivitäten der Aufgabensequenz bereiten die Schüler*innen darauf vor, dieses Produkt zu entwickeln. Dabei bekommen sie verschiedene Arten von task support (siehe Abb. 2 Beispielaufgabe). 122 Annika Kolb Beispielaufgabe: Present your dream house to an alien Product: Die Schüler*innen zeichnen und beschriften ein Bild von ihrem dream house und führen eine guided tour für ein Alien durch das Haus durch. Task steps: Getting into the topic: SuS beschreiben Bilder von ungewöhnlichen Häusern, dabei sammeln sie Vokabular und chunks zum Thema in einem word web auf einem Poster Reading about a house: SuS lesen einen Modelltext einer guided tour durch das Traumhaus der Lehrkraft Drawing my dream house: SuS zeichnen ein Bild ihres dream house und beschriften es ( task support : Wörterbuch, word web ) Preparing the guided tour: SuS bereiten in Partnerarbeit eine Führung durch ihr imaginäres Haus vor. Dabei führt der „Hausbesitzer“ einen Dialog mit einem Alien, das vieles nicht kennt und dem daher einiges erklärt werden muss. Presenting the guided tour: die SuS spielen den Dialog vor der Klasse vor oder spielen ihn in Partnerarbeit mit wechselnden Partnern. Abb. 2: Beispielaufgabe Im Folgenden sollen nun die Merkmale, die als besonders relevant für Aufgaben zu Beginn von Klasse 5 identifiziert werden konnten, genauer beschrieben, anhand der Beispielaufgabe und weiterer Aufgaben aus dem PROJEKT sowie Ausschnitten aus den erhobenen Daten illustriert werden. 2.1 Lebensweltlich relevante Inhalte Die Motivation, sich auf die Bearbeitung einer Aufgabe einzulassen, ist Grundvorrausetzung für alle Lernprozesse. Angesprochen ist hier „die Frage nach der Passung von Aufgabe und Schüler/ in“ (Müller-Hartmann / Schocker / Pant 2013: 38). Inhalte, die für Schüler*innen persönlich bedeutsam sind, spielen dabei eine entscheidende Rolle. Damit Kinder motiviert sind, ihr sprachliches Können unter Beweis zu stellen, müssen sie Sprechanlässe haben, zu denen sie wirklich etwas zu sagen haben und auch sagen wollen. So können sie erleben, dass sie mit dem in der Grundschule erworbenen Können auf Englisch ausdrücken können, was sie bewegt, und erfahren die Fremdsprache als authentisches und wirksames Verständigungsmittel. Die im Rahmen des PROJEKTS entwickelten Aufgaben knüpfen an die unmittelbare Lebenswelt der Schüler*innen an. Die Kinder sprechen beispielsweise über ihre eigene Person und ihre Familie ( Who am I? My family tree, Our family planner ), darüber, wie sie ihre Freizeit gestalten ( Sports and hobbies in our class, My favourite object ), oder entwickeln persönliche Träume und Phantasien ( My dream house, Superheroes, Monster competition ). Lernaufgaben in Klasse 5 123 Die Beispielaufgabe bietet Raum dafür, das eigene Traumhaus mit individuellen Wünschen zu füllen (z. B. Zubehör für eigene Hobbies oder Sportgeräte für den Lieblingssport), sie gibt den Schüler*innen die Möglichkeit, die eigene (Traum-)Lebenswelt zu präsentieren. Da die Projektlehrkräfte die Erfahrung machten, dass zahlreiche Schüler*innen zu Beginn von Klasse 5 von den ihnen schon aus der Grundschule bekannten Inhalten schnell gelangweilt waren, wurden diese teilweise neu verpackt, um die Motivation aufrecht zu erhalten. Beispielsweise erfinden die Kinder in der Lernaufgabe Recreate your new self eine neue Identität, um nicht immer wieder wie auch in anderen Fächern über die eigenen Hobbies, ihr Alter, ihren Wohnort etc. sprechen zu müssen. Bei der Erprobung der Lernaufgaben berichteten die Lehrkräfte häufig davon, dass sie von den sprachlichen Leistungen der Schüler*innen überrascht wurden, sobald diese über „ihr“ Thema sprachen (s. auch die Eingangsszene von Kapitel 6 in diesem Band). Beispielsweise erzählt Frau Hamilton von der Vorstellung der favourite objects ihrer Schüler*innen : Ich meine da haben sie eigentlich ganz schön viel schon drauf, ja. Und da hatten sie eigentlich keine Hemmungen (…) Die haben sich alle schon getraut zu sprechen (08_L3_031111_Z.223-224 und 236). Ein häufig zu Beginn von Klasse 5 festzustellendes Dilemma ist, dass die Schüler*innen vieles noch nicht auf Englisch ausdrücken können, was sie gerne sagen würden. Eine Lehrerin drückt diesen content - language gap in einem Projekttreffen so aus „Die sind ja viel schlauer, als was sie Englisch können“ (07_L1_031111_Z.251). Während Lehrbücher dieser Tatsache häufig mit einem sehr eingeschränkten Sprachangebot begegnen, zeigen die Lernaufgaben, dass die Kinder fehlenden Vokabel- und Grammatikkenntnissen mit einer Vielzahl von Kompensationsstrategien begegnen, um ihre Botschaft zu kommunizieren. Die Motivation, etwas zu erzählen, was sie wirklich interessiert und bewegt, trägt sie gewissermaßen über die sprachlichen Schwierigkeiten hinweg, wie in dieser Szene, in der Benjamin anhand seiner Zeichnung Louis sein Traumzimmer vorstellt: B: This is my room. And I have a swimming pool. It’s hot and I have a Dusche. L: What’s that? [zeigt auf das Bild] B: This is a Radio . And I have a frog. The frog can wake me when I sleep. And I like the trampolin. It is big [zeigt mit den Händen den Umfang an]. And I have a poster. L: Why do you like the swimming pool? B: Because it is, ehm, hot. L: What’s that? B: This is my small bed. And in the night, I can see a stars. 124 Annika Kolb L: What colour is your room? B: My room is red. (07_221112) Benjamin greift bei Vokabellücken auf die deutsche Sprache zurück, außerdem nutzt er Gestik und seine Zeichnung, um seine Aussagen zu unterstützen. Er geht auf die Fragen seines Gesprächspartners ein und nutzt diese zugleich, um noch weitere Informationen zu seinem Zimmer zu präsentieren. Zum einen ist demnach das Anliegen, der Kinder, etwas erzählen zu wollen, relevant, wie es eine Lehrkraft bei einem Workshop ausdrückt: Man muss ein Bedürfnis schaffen oder eine Motivation. Die Schüler für irgendwas interessieren, dass sie dann so ganz nebenbei die Sprache zur Hilfe nehmen, um dann/ um das motivierender an den Mann zu bringen (10_L7_170413_Z.18-20). Zum anderen gehört dazu auch die entsprechende Einstellung der Lehrkraft den Beiträgen der Schüler*innen gegenüber: Ich glaub so die Haltung auch, ernst zu nehmen, was von den Kindern kommt, nicht. Und mir vorher auch zu überlegen so mehr, was könnte die wirklich interessieren dabei (08_L3_170413_Z.148-150). 2.2 Individuelle Schwerpunktsetzungen Aufgaben, in denen Schüler*innen etwas über sich und für sie bedeutsame Themen mitteilen können, ermöglichen ihnen innerhalb eines Themas Wahlmöglichkeiten. Diese beziehen sich sowohl auf den Inhalt ihrer Äußerungen als auch auf die sprachlichen Mittel, die sie einsetzen. Von den Lehrkräften immer wieder betont wurde die Heterogenität der sprachlichen Kompetenzen der Schüler*innen zu Beginn von Klasse 5. Die Lernaufgaben tragen dieser Ausgangslage insofern Rechnung, als sie es ermöglichen, sie auf unterschiedlichem sprachlichen Niveau zu bearbeiten. So kann eine Führung durch das Traumhaus und der Dialog mit dem Alien sprachlich sehr einfach gestaltet werden ( This is … What’s this? This is … ), möglich ist aber auch die Verwendung komplexerer Strukturen und umfangreicherer Dialoge zwischen den beiden Partnern. Bei der Aufgabe Monster competition entwerfen die Schüler*innen ihr eigenes Monster und beschreiben dazu nach der Vorlage des Bilderbuchs Monster Diaries (Saracino- / Bernatene 2011) dessen Tagesablauf. Während Schüler 1 wenige kurze Sätze aneinander reiht (Abb. 3a), beschreibt Schülerin 2 den Tagesablauf ihres Monsters deutlich detailreicher, mit komplexerer Syntax und umfangreicherem Vokabular ( Abb. 3b). Eine Differenzierung ist hier nicht nur im Hinblick auf sprachliche Fertigkeiten, sondern auch inhaltlich möglich, da die Kinder eigene Interessen bei der Entwicklung ihres Monsters verfolgen können. Für die Lehrkräfte bringt dieses individualisierende Moment die Herausforderung Lernaufgaben in Klasse 5 125 mit sich, nicht für alle Schüler*innen den gleichen Wortschatz zur Verfügung stellen zu können, mit dem die Aufgabe dann bearbeitet werden kann. Vielmehr benötigen die Kinder für ihre eigenen Lösungen individuelles Vokabular. Hier gilt es Unterstützungsmöglichkeiten zu organisieren (z. B . peer-support durch fortgeschrittene Schüler*innen oder native speaker in der Klasse, Vermittlung von Nachschlagetechniken, vorbereitende Hausaufgaben). Die Schüler*innen müssen ihren individuellen Wortschatz bei der Präsentation der Ergebnisse wiederum ihren Mitschüler*innen vermitteln, um verstanden zu werden. Abb. 3 a und b: Lernertexte zur Lernaufgabe Monster Competition 126 Annika Kolb Die inhaltliche Diversität der Schülerprodukte macht den Unterricht sowohl für Lehrkräfte als auch für Schüler*innen abwechslungsreicher, da beispielsweise bei Präsentationen nicht immer das Gleiche vorgetragen wird. Eine Lehrkraft drückt das so aus: „ich versuche dann immer/ wo kann ich noch Unterschiedlichkeit rausfischen, damit es ein bisschen interessant wird“ (07_L1_190112_Z.73-75). Heterogenität wird so zu einer Bereicherung für den Diskurs im Klassenzimmer. 2.3 Raum dafür, vorhandene Kompetenzen zu zeigen, sie wahrzunehmen, wertschätzen und weiterzuentwickeln Damit aus der Grundschule mitgebrachte Kompetenzen in der Sekundarstufe weiterentwickelt werden können, müssen Schüler*innen zunächst einmal die Möglichkeit bekommen ihr Können zu zeigen. Dadurch dass die Lernaufgaben an Inhalte der Primarstufe anknüpfen, können die Kinder hier Gelerntes einbringen: Die Aufgaben nehmen den Wortschatz zu Themenfeldern wie my house, family, body parts, food etc. auf. Die Kinder entwickeln einfache Dialoge und Präsentationen und greifen dabei auf aus der Grundschule bekannte Kommunikationssituationen zurück (beispielsweise sich vorstellen, Vorlieben und Abneigungen äußern, jemanden einladen, eine Umfrage machen). Die Offenheit der Aufgaben ermöglicht es den Schüler*innen, ihr individuelles Können einzubringen und die Aufgabe ihrem sprachlichen Kenntnisstand entsprechend zu bearbeiten. Eine Lehrkraft beschreibt das am Beispiel der Aufgabe Who am I? : Also die Guten, die erweitern das dann um alles Mögliches noch, ja, und die anderen, die sagen ja bloß Name, Alter, in welcher Klasse sie jetzt sind und vielleicht, wenn es hoch kommt, noch ein Haustier oder so (08_L3_081212_Z.176-179). Während die Aufgabe es demnach stärkeren Schüler*innen ermöglicht, ihre sprachliche Kompetenz umfassend zu präsentieren, ist ein Erfolgserlebnis durchaus auch auf einem einfachen Niveau möglich. Von Lehrerseite ist es wichtig, den Blick gerade auf das Können der Kinder zu richten. „Aber häufig ist gerade der Fremdsprachenunterricht eine „Defizitveranstaltung“, in der die Schüler/ innen vor allem erfahren, was sie noch nicht können (…) und in der nach wie vor selten die Möglichkeit besteht, aufbauend auf Vorhandenem Neues zu integrieren“ (Müller-Hartmann / Schocker / Pant 2013: 40). Wie es Lehrkräften gelingen kann, die Stärken ihrer Schüler*innen in den Vordergrund zu stellen, zeigt die Fallstudie zur Arbeit einer Lehrkraft in Klasse 5 in Kapitel 6. Auch Schüler*innen können schon eine solche wertschätzende Haltung ihren Mitschüler*innen gegenüber einnehmen, wie es eine Lehrkraft berichtet: Lernaufgaben in Klasse 5 127 Die eine Szene fand ich auch ganz klasse von der Schülerin, die dann irgendwie gefragt hat: „What is your favourite colour? “ und die andere hat das überhaupt nicht verstanden. Anstatt, dass sie sie dann irgendwie bloßstellt oder es auf Deutsch sagt, hat sie einfach eine andere Frage gestellt. Das war total klasse (12_L10_011212_Z.51-55). 2.4 Gelegenheit zur Interaktion Um kommunikative Kompetenzen zu entwickeln, müssen Schüler*innen immer wieder Gelegenheiten zum sprachlichen Handeln bekommen. „Nur in der fremdsprachlichen Interaktion können sie erfahren, ob sie kommunikativ erfolgreich sind, können sie Kommunikationsstrategien erproben und auch ihre Defizite erfahren“ (Müller-Hartmann / Schocker / Pant 2013: 46). Die Lernaufgaben knüpfen an die Kommunikationsorientierung des Primarstufenunterrichts an und geben den Schüler*innen vielfältige Möglichkeiten der Interaktion in Partner- oder Gruppenarbeit. Für Lehrkräfte bieten sich dadurch zahlreiche Gelegenheiten der Diagnose sprachlicher Kompetenzen. In der folgenden Szene wird deutlich, wie die Interaktion zwischen den Kindern deren sprachliches Können zum Vorschein bringt: Samira führt bei der Aufgabe Present your dreamhouse to an alien Tobias in der Rolle eines Aliens, der immer wieder „naive“ Fragen stellt, durch ihr Traumhaus: S: Hello alien Tobias. T: Hello. S: I tell you/ I tell you about my dream/ eh T: Can I come in? S: Yes you can. I/ This is my room. I have got a be/ a big bed and a/ and a big wardrobe. My desk is a very nice. I like this. I have a TV in my room. T: What is a TV? S: You can look/ you can look/ you can look cha/ channels and/ and can see, see TV. This/ and at the top there are a swimming pool with a ball and a duck. T: What is a duck? S: A duck is a animal. He swim. You can play with her. T: This is great. S: And there are two deckchair, a table with two drinks. T: Drinks? What is that? S: Drinks you can drink that when you have [Teacher: When you are thirsty.] When are you thirsty. [Teacher: When you are thirsty.] T: Is that yummy? S: Yes that is very yummy. Thank you for coming. T: Thank you for having/ having me. 128 Annika Kolb Im Dialog gelingt es den beiden Kindern ein Gespräch über Samiras Traumhaus zu führen, in dem beide auf die Beiträge des Partners eingehen. Dabei muss Samira spontan auf Tobias’ Fragen reagieren. Während sie einen Teil der Hausführung vorher geübt hatte, muss sie jetzt ihre Fähigkeit des freien Sprechens unter Beweis stellen. Dabei setzt sie die Kommunikationsstrategie des Umschreibens ein und aktiviert weiteres Vokabular. Tobias zeigt mit seinen adressatenbezogenen Erwiderungen ( This is great und Is that yummy? ), dass ihre Bemühungen erfolgreich sind und führt das Gespräch sinnvoll weiter. Auch wenn Samira an Schwierigkeiten stößt, findet sie Lösungsmöglichkeiten, indem sie beispielsweise den Satz neu beginnt und dabei auf bekannte chunks zurückgreift ( I/ This is my room ). Für die Lehrkraft bieten sich somit beispielsweise Gelegenheiten zur Diagnose von Können in den Bereichen Bereich Wortschatz und Grammatik sowie Kommunikationsstrategien und freiem Sprechen. Eine Lehrkraft betont die Bedeutung eines solchen experimentierfreudigen Zugangs zur Sprache, wie er bei den beiden Kindern zu erkennen ist, in ihrem Unterricht: Das finde ich sehr wichtig, und auch, dass sie auch lernen, dass man nicht jetzt immer eine riesige, große Varianz an Vokabeln benötigt, sondern, dass man auch mit einfachen Mitteln sich ausdrücken kann und dass man auch Dinge auch umschreiben kann, es einfacher sagen kann. Das finde ich wichtig, also so ein gewisses Selbstbewusstsein aufbauen, dass die Schüler auch sich trauen, was zu sagen. Das ist eigentlich im Moment das Wichtigste (09_L5_020911_Z.199-204). Die Interaktion in Partner- oder Gruppenarbeit bietet den Kindern dabei zunächst einen Schutzraum, in dem sie “nicht so exponiert sind” (08_L3_081211_Z.167) und sich unbefangener in der Sprache ausprobieren können. Vonseiten der Lehrkraft ist dabei eine hohe Fehlertoleranz erforderlich; eine Lehrerin aus dem Projekt formuliert das so: „ich möchte, dass sie, naja, wie man immer so schön sagt, lieber mit Fehlern reden als ohne Fehler schweigen“ (08_L3_130911_Z.163-164). 2.5 Unterstützungsangebote bieten Lernaufgaben, in denen Kinder über für sie persönlich relevante Dinge sprechen, sind notwendigerweise komplex. Gerade zu Beginn der Sekundarstufe sind deshalb Unterstützungsangebote von größter Bedeutung, um die Anforderungen der Aufgaben bewältigen zu können. In der Beispielaufgabe können die Schüler*innen etwa das word web , das zu Beginn der Aufgabensequenz erstellt wird, den Modelltext, ihre beschriftete Zeichnung des Traumhauses und von der Lehrkraft zur Verfügung gestellte Strukturen, die bei einer Hausführung hilfreich sind, nutzen. Lernaufgaben in Klasse 5 129 Task support kann dabei sowohl inhaltlicher als auch sprachlicher Natur sein, um die Schüler*innen dabei zu unterstützen, ihre Mitteilungsabsichten zu verwirklichen, wie es eine Lehrerin hier ausdrückt: Also für mich ist damit drin, dass sozusagen ein Bedürfnis geschaffen wird, irgendwie. Und ich dann sozusagen die Sprache liefere oder dann die Sprache geübt wird, die nötig ist, um dieses Bedürfnis sozusagen zu befriedigen. Also dass ich irgendwie, ja, füttere das, was die Schüler sozusagen brauchen um eine bestimmte Situation sprachlich, also bestimmte Sprachhandlungen, durchführen zu können (08_L3_170413_Z.12-16). Im obigen Dialog zwischen Tobias und Samira nutzen beide Kinder den language support in Form von Strukturen , die vorher in der Stunde thematisiert worden waren ( Can I come in? , Thank you for coming ). Die beiden Kinder helfen sich auch gegenseitig: Als Tobias zu Beginn der Sequenz merkt, dass Samira nicht recht weiter kommt mit ihrem einleitenden Satz I tell you about my dream … , stellt er schnell die Frage Can I come in? und gibt ihr damit die Möglichkeit angemessen mit Yes, you can zu reagieren und so den Dialog aufrecht zu erhalten. Eine Lehrkraft aus dem Projekt formuliert das als Ziel ihres Unterrichts: Und dass sie auch lernen, sie können sich gegenseitig helfen. Das finde ich auch wichtig, dass sie lernen, dass sie nicht nur mit mir kommunizieren, sondern eben auch untereinander kommunizieren (08_L3_170413_Z.136-138). Wichtig ist außerdem eine Sequenzierung der Aufgabe. Verschiedene Aktivitäten, die Vorwissen aktivieren, Redemittel und sprachliche Modelle bereitstellen und Raum zum Üben geben, bereiten auf die Zielaufgabe vor. In der Lernaufgabe Our family planner lesen die Schüler*innen beispielsweise zunächst einen Dialog zwischen zwei Kindern, die sich zu einer gemeinsamen Übernachtung verabreden. Auf der Basis des Gelesenen füllen sie einen Familienplaner aus. Dieser Text dient als Modelltext und stellt Redemittel für die eigene Produktion eines Dialogs (Zielaufgabe) zur Verfügung. Anschließend sammeln die Kinder in der Klasse Aktivitäten ihrer eigenen Familienmitglieder, die in einem word web dokumentiert werden und füllen ihren eigenen Familienplaner aus. Weitere Übungen bereiten auf die Zielaufgabe vor: in einem Kugellager berichten die Schüler*innen in Mini-Dialogen über die Aktivitäten ihrer Familienmitglieder und können dabei das word web zur Hilfe nehmen. Eine Hörverstehensübung liefert Redemittel für ein Telefongespräch. Schließlich entwickeln die Kinder ihren eigenen Dialog, bei dem sie sich am Telefon zu einer gemeinsamen Aktivität verabreden und dabei ihre Familienplaner nutzen. Dabei ist es den Kindern freigestellt, in welchem Maße sie auf den language support zurückgreifen, schwächere Schüler*innen können sich sehr stark am Modelltext orientieren; stärkere Lernende den Dialog beliebig ausweiten. 130 Annika Kolb 2.6 Focus on Form Eine der von vielen Lehrkräften genannten Herausforderungen zu Beginn der Sekundarstufe ist das ihrer Meinung nach mangelnde grammatikalische und orthografische Wissen der Kinder. Während in der Grundschule Sprache eher intuitiv gelernt wird, wird systematische Sprachbetrachtung in der Sekundarstufe wichtiger. Die Lernaufgaben bieten hier die Chance, in der Grundschule gelernte Strukturen aufzunehmen und Regelhaftigkeiten bewusst zu machen. Im Lernaufgabenansatz hat die Grammatik die Funktion, die spontane Sprachproduktion der Schüler*innen bei der Bewältigung von kommunikativen Aufgaben zu unterstützen. Es ist damit kein Selbstzweck, ein bestimmtes Regelwerk zu beherrschen, sondern grammatikalische Kenntnisse sollen den Kindern dabei helfen, ihre kommunikativen Bedürfnisse zunehmend differenzierterer auszudrücken (Müller-Hartmann / Schocker / Pant 2013: 84 ff.). Die Integration eines Formfokus ist dabei an verschiedenen Stellen der Aufgabensequenz möglich (ebd.: 88). So kann schon zu Beginn möglichen Sprachproblemen entgegen gewirkt werden oder die Bewusstmachung kann den Schüler*innen im Verlauf der Sequenz bei der Erarbeitung ihres Produkts helfen. Bei der Beispielaufgabe My dream house findet beispielsweise ein präaktiver Formfokus statt, wenn die Kinder bei der Betrachtung von verschiedenen ausgefallenen Häusern und dem Beschriften der Zeichnung des eigenen Traumhauses Vokabular und sprachliche chunks auf einem Poster sammeln. Indem Redemittel als chunks bereitgestellt werden, wird die Sprachproduktion unterstützt und bestimmte Fehler werden von vorneherein ausgeschlossen. Die Bewusstmachung der Struktur There is-/ There are hilft anschließend bei der Vorbereitung der Führung durch das eigene Traumhaus. Schließlich wäre es nach der Präsentation der Rollenspiele möglich, sprachliche Aspekte daraus aufzugreifen. Im obigen Dialog zwischen Sophie und Tian könnte beispielsweise thematisiert werden, welches Personalpronomen bei Tieren ( duck ) verwendet wird ( He swim. You can play with her ). Die Integration eines Formfokus trägt so in besonderem Maße zu einer gelungenen Weiterführung in der Sekundarstufe bei, da schon vorhandene Kompetenzen bewusst gemacht, systematisiert und weiterentwickelt werden. 3 Zusammenfassung und Ausblick Die Erprobung der Lernaufgaben in verschiedenen Klassen und Schulformen der Sekundarstufe hat gezeigt, welches Potential dieser Ansatz hat, in der Grundschule entwickeltes Können sichtbar zu machen und weiterzuentwickeln. Lernaufgaben in Klasse 5 Lernaufgaben in Klasse 5 131 • führen dadurch, dass Kinder über für sie bedeutsame Themen sprechen oft dazu, dass sie ihre sprachlichen Kompetenzen umfassend präsentieren, • erlauben es durch ihre Wahlmöglichkeiten, der heterogenen Ausgangslage der Schüler*innen in Klasse 5 Rechnung zu tragen, • ermöglichen durch die thematische und sprachliche Offenheit, dass Kinder das zeigen, was sie können und nicht vor Augen geführt bekommen, was sie noch nicht können, • geben Schüler*innen durch vielfältige Interaktionsangebote die Chance, erworbenes Können auszuprobieren, und Lehrkräften dabei Gelegenheiten der Diagnose sprachlicher Kompetenzen, • bieten vielfältige Unterstützungsangebote, die Erfolgserlebnisse auf unterschiedlichen sprachlichen Niveaus möglich machen, • greifen über einen focus on form Kompetenzen aus der Grundschule auf, die systematisiert und weiterentwickelt werden. Bei der Erprobung wurden auch einige Herausforderungen sichtbar, vor welche die Arbeit mit den Lernaufgaben die Lehrkräfte stellte. Vielen Lehrkräften fiel es zunächst schwer, sich vom Lehrbuch zu lösen und Lehrbuchinhalte durch Aufgaben zu ersetzen oder die Angebote für eine Neuorientierung an Lernaufgaben umzubauen. In vielen Schulen scheint eine Lernkultur vorzuherrschen, die es von den Lehrkräften verlangt, das Lehrbuch möglichst vollständig abzuarbeiten. Daraus entsteht dann ein gewisser Druck, der von einer Lehrerin so beschrieben wird: Und dann so von Kollegen kriege ich: „Wie, du bist immer noch bei Unit 3? “. Ich sage: „umpf“ (10_L7_190112_Z.12-13). Hier gilt es Lehrkräften, Kolleginnen und Kollegen sowie Eltern klar zu machen, inwieweit die Lernaufgaben auch Lehrwerksinhalte abdecken und dass das Durcharbeiten des Lehrbuchs kein Selbstzweck ist, wie es diese Lehrkraft ausdrückt: Ganz wichtig finde ich auch, dass sie wissen, dass Englisch nicht nur das Lehrwerk ist, sondern das Leben. (…) Dass sie wissen, also das brauch ich, wenn ich irgendwo auf der Straße einen Engländer hier sehe oder wenn ich irgendwo anders im Ausland im Urlaub bin, dass ich einfach mit jemandem mich unterhalten kann, reden kann. Und dann eben immer mal vom Lehrwerk weggehen (…). Einfach mal zeigen, das geht’s um mehr (12_L10_190315_Z.775-779). Eine weitere Herausforderung, vor der die Arbeit mit Lernaufgaben die Lehrkräfte stellt, ist ihre Ansprüche an sprachliche Richtigkeit neu zu gewichten. Die Offenheit und Komplexität der tasks bringt es mit sich, dass die Kinder sich 132 Annika Kolb nicht innerhalb eines engen sprachlichen Rahmens bewegen, sondern ihr Ausprobieren sprachlicher Mittel häufig zu Abweichungen von der Standardsprache führt. Lehrkräfte müssen sich daher immer vor Augen führen: Der Versuch der Schüler/ innen, sich unter Einsatz aller ihrer zur Verfügung stehenden Ressourcen am fremdsprachlichen Diskurs zu beteiligen, ist immer höher einzuschätzen als die Praxis, die Schüler/ innen zu überfordern, indem inhaltliche Beteiligung und dies auch sofort möglichst sprachlich korrekt verlangt wird“ (Müller-Hartmann-/ Schocker / Pant 2013: 45). Schließlich berichten die Projektlehrkräfte, dass die Lernaufgaben auch im Hinblick auf das classroom management Herausforderungen mit sich bringen. Da die Prozesse weniger vorhersehbar sind als bei anderen Unterrichtskonzeptionen und Lernende unterschiedliche Art von Unterstützung brauchen, sehen sich Lehrkräfte mit vielfältigen Anforderungen konfrontiert (vgl. dazu auch Müller-Hartmann / Schocker 2018). Entlastung bringen hier etablierte Routinen (beispielsweise für die Organisation der Sitzordnung bei Gruppenphasen, Feedbackregeln bei Präsentationen) oder die Übertragung von classroom management Aufgaben an die Schüler*innen (beispielsweise die Stundeneröffnung in Kapitel 6 in diesem Band oder die Einführung eines Helfersystems, bei dem fortgeschrittene Schüler*innen Kleingruppen betreuen). Werden diese Herausforderungen produktiv gelöst, gelingt es vielen Lehrkräften den „Mehrwert“ des Fremdsprachenunterrichts in der Grundschule zu erkennen und die in der Primarstufe erworbenen Kompetenzen als Bereicherung für ihren eigenen Unterricht anzusehen, wie diese Lehrkraft aus dem Projekt: Ich hab jahrelang darunter gelitten, dass ich eigentlich den wahren Intellekt meiner Schüler nicht erkennen kann „through English“, weil die können auf Englisch so viel, haben aber schon sooo ein Hirn. So, und jetzt können sie mehr Englisch (07_L1_081211_Z.273-275). Literatur BIG-Kreis (2015). Der Lernstand im Englischunterricht am Ende von Klasse 4-- Ergebnisse der BIG-Studie. München: Domino Verlag. BIG-Kreis (2009). Fremdsprachenunterricht als Kontinuum. Der Übergang von der Grundschule in die weiterführenden Schulen . München: Domino Verlag. Börner, Otfried (2004). Bridging the gap . Der Fremdsprachliche Unterricht. Englisch 38 (69), 10-14. Engel, Gaby-/ Groot-Wilken, Bernd-/ Thürmann, Eike (Hrsg.) (2009). Englisch in der Primarstufe - Chancen und Herausforderungen. Berlin: Cornelsen. Lernaufgaben in Klasse 5 133 Keßler, Jörg-U. (2013). Gelingensbedingungen für guten Englischunterricht ab der Grundschule. In Börner, Otfried-/ Engel, Gaby-/ Groot-Wilken, Bernd (Hrsg.): Hörverstehen - Leseverstehen-- Sprechen. Diagnose und Förderung von sprachlichen Kompetenzen im Englischunterricht der Primarstufe. Münster: Waxmann, 123-140. Kolb, Annika (2018). Kontinuität im Englischunterricht . In Porsch, Raphaela (Hrsg.): Der Übergang von der Grundschule auf die weiterführende Schule. Grundlagen für die Lehrerausbildung und Praxis. Münster: Waxmann, 275-292. Kolb, Annika (2016). Lernaufgaben in Klasse 5 . In: Dreßler, Constanze-/ Kollmann, Sabine-/ Kolb, Annika-/ Legutke, Michael K. (Hrsg.): Herausforderung Übergang: Kontinuität im Englischunterricht. Braunschweig: Diesterweg, 70-88. Mayer, Nikola (2006). Fremdsprachenunterricht als Kontinuum- Der Übergang von der Grundschule in die Sekundarstufe. In: Gehring, Wolfgang (Hrsg.): Fremdsprachenunterricht heute. Oldenburg: BIS-Verlag, 215-233. Müller-Hartmann, Andreas-/ Schocker, Marita (2018). Classroom management. Lernprozesse organisieren und begleiten. Lernbeziehungen gestalten. In: Der fremdsprachliche Unterricht Englisch 154, 2-7. Müller-Hartmann, Andreas-/ Schocker, Marita (2016). Aufgabenorientierung. In: Burwitz-Melzer, Eva-/ Mehlhorn, Grit-/ Riemer, Claudia-/ Bausch, Karl-Richard-/ Krumm, Hans-Jürgen (Hg.). Handbuch Fremdsprachenunterricht . Tübingen: Francke, 325-330. Müller-Hartmann, Andreas-/ Schocker, Marita-/ Pant, Hans Anant (2013). Lernaufgaben Englisch aus der Praxis. Braunschweig: Diesterweg. Müller-Hartmann, Andreas-/ Schocker-v.Ditfurth, Marita (2011). Teaching English: Task-Supported Language Learning. Stuttgart: UTB. Saracino, Luciano-/ Bernatene, Polly (2011). The Monster Diaries. London: Meadowside children’s books. Kapitel 6 Englischunterricht zu Beginn von Klasse 5-- Sprachliches Können sichtbar machen Annika Kolb Das Kapitel stellt eine Fallstudie zum Unterricht zu Beginn der Sekundarstufe vor. Es wird der Frage nachgegangen, wie es Kindern ermöglicht werden kann, ihr sich entwickelndes sprachliches Können zu zeigen. Auf der Basis von Videomitschnitten des Unterrichts sowie Interviews mit der Lehrkraft konnten die drei Praktiken Verantwortung abgeben , Schüler*innen zu Wort kommen lassen und Stärken in den Vordergrund stellen rekonstruiert werden, die vor dem Hintergrund der Thematik Kontinuität zwischen Primar- und Sekundarstufe diskutiert werden. 1 Tobias und sein Traumhaus Eine Partnerarbeitsphase in einer fünften Klasse eines Gymnasiums, einige Wochen nach Beginn des Schuljahres. Im Klassenzimmer sitzen 32 Kinder recht gedrängt an Zweiertischen hintereinander. Tobias und Luna sind Tischnachbarn und haben je ein selbst gezeichnetes und beschriftetes Bild ihres dream house vor sich liegen. Die Lehrerin hat vorher die Aufgabenstellung erklärt: Prepare a guided tour through your dream house for an alien . In einem kleinen Rollenspiel soll ein*e Schüler*in durch das eigene Traumhaus führen und ihre Partner sollen als Aliens, die mit den Wohnverhältnissen auf der Erde nicht vertraut sind, möglichst viele Fragen stellen. Dem Rollenspiel vor der Klasse ist eine Partnerarbeitsphase vorgeschaltet. Hier haben die Schüler*innen Gelegenheit, den Dialog vorzubereiten. Es herrscht ein mittlerer Geräuschpegel in der Klasse, die meisten Schüler*innen sind mit ihren Partnern im Gespräch. Tobias schaut auf sein Bild und beginnt: Tobias: Can you in my house? Okay. Luna: Sag erstmal. T: Hello Luna. 136 Annika Kolb L: Hello. Can I come in? T: Yes. It is/ L: Can I see you house? T: Yes. Come in. The start/ The start the Führung is in the garden. In the garden is a football and a tross (? ). L: It’s very good. T: Hmh. In the kitchen is four cells, one table, one fridge, one cooker and one wardrobe. L: What is a shelf? T: Hm. [zuckt mit den Achseln und zeigt auf sein Bild] shelf L: Oh. T: In my bathroom is a very big pool and a shower and a ice-cream machine. L: Ice-cream? T: Ice-cream machine. L: Oh, it’s very good. T: In my room is a books and a bed and a computer Spiele and a Riesen trampolin. L: Wow T: Then I go to as/ attic. In the attic […] make a monster machine and a baller monsters. Then I go in a new(? ) room. In this room is a TV and a as/ and a armchair. I sit in my armchair and I teleportier in my gay L: In your gay? T: Yes L: Oh. T: And I play with my game. Deedeedee. Then I go to my roboters. My roboters is red L: […] T: Don’t know. Don’t know. We’re kämpfing in Japan and […] Also, wir kämpfen in Japan und fliegen dann zurück. L: That’s good. T: Then I go to my disco and I party. L: What’s music is in your disco? T: In the disco is music box. L: No, what song? T: Eh, dalalalala L: Oh, it’s very good. T: Then I go with my ra/ racing trucks. I go rax/ racing with my Auto . Then I go in my mini […]. Then I/ then I kuck Karate Kid. L: Karate Kid. It’s good. T: That’s my dream house (08_290113, 23: 22-26: 20). Tobias ist in dieser Szene sichtlich bemüht, sein Traumhaus in allen Einzelheiten vorzustellen. Sein Mitteilungsbedürfnis ist so groß, dass er sich schon zu Beginn nicht mit den Begrüßungsfloskeln, die vermutlich im Unterricht thematisiert worden waren und die von Luna eingefordert werden, aufhalten will. Er Englischunterricht zu Beginn von Klasse 5-- Sprachliches Können sichtbar machen 137 möchte gleich anfangen, sein Haus zu beschreiben und produziert im Verlauf der Szene einen beträchtlichen sprachlichen Output. Dazu nutzt er alle ihm zur Verfügung stehenden sprachlichen Mittel. Er hat offensichtlich keine Angst Fehler zu machen und geht sehr experimentierfreudig mit der Fremdsprache um. Es gelingt ihm, im Unterricht gelernte sprachliche Mittel (z. B. fridge, cooker, armchair als typisches Vokabular zum Thema my house ) produktiv einzubinden. Fehlende Vokabelkenntnisse werden durch code-switching, eigene Wortschöpfungen ( kämpfing ) und Lautmalerei („deedeedee“, „lalalala“) kompensiert. Seine Partnerin schafft es nur in Ansätzen, diesen Redefluss zu unterbrechen. Tobias scheint die Vorstellung des eigenen Traumhauses, die er befriedigt mit That’s my dream house abschließt, so wichtig zu sein, dass ihn ihre Nachfragen eher stören. Im Gegensatz zu dieser Szene hatte er sich nach Aussage der Lehrerin bisher eher wenig am Unterricht beteiligt und wirkte oft abwesend. Wie kommt es zu einer solchen Situation, in der plötzlich sprachliches Können sichtbar wird? Was macht einen Unterricht aus, in dem solche Momente entstehen? Wie gelingt es, im Unterricht Gelegenheiten zu schaffen, in denen Kinder zeigen können, welche sprachlichen Kompetenzen sie aus der Grundschule mitbringen? sind Fragen, die zu Beginn von Klasse 5 relevant sind. Anhand einer Fallstudie aus dem Unterricht am Anfang der Sekundarstufe möchte dieser Beitrag solchen Fragen nachgehen. 2 Unterricht zu Beginn von Klasse 5 - eine Fallstudie Der Übergang von der Primarzur Sekundarstufe im Englischunterricht bringt auf der einen Seite Chancen, auf der anderen auch Herausforderungen mit sich - und das sowohl für Schüler*innen als auch für Lehrer*innen (Kolb / Legutke 2016). Die Kinder haben in der Grundschule in einem vor allem auf Mündlichkeit ausgerichteten Unterricht Basiskompetenzen in der Fremdsprache erworben (BIG-Kreis 2015, Engel et al. 2009). Das sprachliche Können ist dabei aber häufig sehr heterogen ausgeprägt. Eine zentrale Aufgabe für Lehrkräfte zu Beginn von Klasse 5 ist es daher, sich einen Überblick über die mitgebrachten Kompetenzen der Schüler*innen zu verschaffen. Bei der Diagnose des Lernstandes gilt es, die Lernkultur der Grundschule zu berücksichtigen, vor allem mündliche Kompetenzen in den Blick zu nehmen und im Unterricht Möglichkeiten für die Kinder zu schaffen, ihr sprachliches Können unter Beweis zu stellen. Die Lehrkraft aus der hier vorgestellten Fallstudie, Frau Hamilton, drückt diese Herausforderung in einem Interview so aus: Der Anfang hier, der ist in der fünften Klasse immer ein bisschen schwierig. Also, da hat man die ganze Bandbreite. Schüler, die verängstigt in den Englischunterricht 138 Annika Kolb kommen, weil sie denken ‚Oh Gott, Gymnasium, jetzt geht es hier aber anders zu und die Noten fallen sowieso erstmal ab‘ (…). Und andere Kinder, die haben eher die Befürchtung, dass sie sich langweilen, was teilweise auch von den Eltern so ein bisschen mit auf den Weg gegeben wurde. ‚Ja, ‚mal gucken, was du jetzt in so einer normalen Klasse mit deinem Englisch aus der internationalen Schule anfängst‘. Also dieser Spagat dann, dieses erstmal tatsächlich zu diagnostizieren, wer da wo steht und dann, die auch entsprechend, und zwar möglichst schon von der ersten Unterrichtsstunde an, entsprechend zu bedienen. Das ist eigentlich die große Schwierigkeit am Anfang, finde ich (08_L3_130911_Z.17-29). Die Lehrerin betont hier mit den Begriffen „Bandbreite“ und „Spagat“ eine Spannung zwischen fördern und fordern, sowie zwischen der Diagnose und der Weiterentwicklung von sprachlichen Kompetenzen. Sie sieht es als ihre Aufgabe sowohl Schüler*innen, die den Anforderungen des Gymnasiums mit weniger Zutrauen gegenüberstehen, zu unterstützen, als auch solche mit schon weiter entwickelter Sprachkompetenz zu fördern. Eine Voraussetzung dafür ist es, zunächst „zu diagnostizieren, wer da wo steht“. Gleichzeitig sieht sie sich aber auch schon in der Pflicht, fortgeschrittene Schüler*innen mit einem entsprechenden Angebot zu „bedienen“. Im Rahmen des PROJEKTS konnte diese Lehrerin über den Zeitraum von vier Monaten zu Beginn von Klasse 5 intensiv begleitet werden. Das Ziel der Fallstudie war es, zu rekonstruieren, wie die Lehrerin im Unterricht durch den Einsatz von Lernaufgaben (vgl. Kap. 5 in diesem Band, Kolb 2016) Situationen schafft, in denen das Können der Schüler*innen sichtbar wird. Während in Kapitel 5 mit Features der Lernaufgaben, die es den Kindern ermöglichen, in der Grundschule erworbenes Können zu zeigen, die Ebene von task-as-workplan im Zentrum steht, geht es jetzt um task-in-process: welche Prozesskompetenzen der Lehrkraft (Müller-Hartmann, Schocker & Pant 2013: 194 ff.) sind Voraussetzung dafür, dass aus der Primarstufe mitgebrachte Kompetenzen der Schüler*innen im Unterricht zu Beginn der Sekundarstufe sichtbar werden? Die Lehrkraft wurde im Sinne des best practice Gedanken ausgewählt, da in ihrem Klassenzimmer viele Kriterien aufgabenorientierten Unterrichtens erkennbar waren. Ihr Unterricht zeichnete sich durch für die Schüler*innen bedeutungsvolle Inhalte, eine hohe Lernendenorientierung und -aktivierung, einen großen Anteil an Interaktionen zwischen den Lernenden und einen produktiven Umgang mit Heterogenität aus (Müller-Hartmann / Schocker-von Ditfurth 2011: 63 ff.). Die Eingangsklasse des Gymnasiums setzte sich aus 31 Schüler*innen zusammen. Von diesen hatten die Kinder aus den Projektgrundschulen und einige Schüler*innen aus internationalen Schulen schon ab der ersten Klasse Englisch gelernt, die Mehrzahl hatte aber in Klasse 3 mit der Fremdsprache begonnen, wie es der Regelfall in Hessen ist. Sowohl im Hinblick Englischunterricht zu Beginn von Klasse 5-- Sprachliches Können sichtbar machen 139 auf ihren sozioökonomischen als auch auf ihren sprachlichen Hintergrund war die Schülerschaft recht heterogen ausgeprägt. Es wurden insgesamt 26 Unterrichtsstunden auf Video aufgenommen, davon fand circa die Hälfte im ersten Erhebungsmonat statt, so dass die Anfangsphase des Schuljahres besonders intensiv in den Blick genommen wurde. Der Unterricht wurde dabei mit zwei in den Raumdiagonalen positionierten Kameras videographiert, von denen die eine auf die Lehrerin, die andere von vorne auf die Schüler*innen gerichtet war. Begleitend wurden zu Beginn und gegen Ende des Aufnahmezyklus je ein Interview mit der Lehrerin geführt, in dem sie zu ihrer Perspektive auf den Übergang von der Primarzur Sekundarstufe, für ihren Unterricht zentrale Prinzipien und im zweiten Interview zum Verlauf der erprobten Lernaufgaben befragt wurde. Des Weiteren flossen Gesprächsbeiträge der Lehrerin aus den ebenfalls aufgezeichneten Gruppendiskussionen mit allen Lehrkräften bei den regelmäßigen Projekttreffen in die Fallstudie mit ein. Die Unterrichtsvideos und Interviews wurden mit Hilfe der dokumentarischen Methode (Bohnsack / Fritzsche / Wagner-Willi 2015, Asbrand / Martens 2018, Bonnet 2012) ausgewertet, die versucht, das implizite Wissen der Akteure, das sich in (Sprech)handlungen dokumentiert, zu rekonstruieren. Es geht dabei um die handlungleitenden Orientierungen der Lehrerin, ihr implizites Wissen, welches sich in ihrer Praxis dokumentiert, ihr selbst aber nicht unbedingt bewusst sein muss. Die dokumentarische Methode geht davon aus, „dass die Erforschten selbst nicht wissen, was sie da eigentlich alles wissen“ (Bohnsack 2007: 198). In einem ersten Arbeitsschritt wurde dazu eine grobe Übersicht über das Interaktionsgeschehen aller aufgenommenen Stunden erstellt. Auf der Basis dieser Verlaufsprotokolle wurden dann Szenen für eine detailliertere Interpretation ausgewählt. Kriterien waren hierbei zum einen im Sinne der dokumentarischen Methode „Fokussierungsakte“ (Nentwig-Gesemann 2002: 47), Stellen mit einer hohen Interaktionsdichte und besonderem Engagement der Beteiligten, zum anderen thematisch relevante Szenen (z. B. solche, in denen die Kompetenzen der Kinder deutlich wurden) und Szenen, die sich besonders zum Vergleich mit anderen aus dem Material eigneten (z. B. die Unterrichtseröffnung) (vgl. Asbrand-/ Martens 2018: 177, Fritzsche / Wagner-Willi 2015: 137). Für die ausgewählten Szenen wurde ein genauerer Sequenzverlauf erstellt. Dieser enthielt sowohl verbale als auch nonverbale Inhalte, es wurde zwischen den Kategorien teacher talk, teacher action, student talk und student action unterschieden, außerdem wurden in einer weiteren Spalte ausgewählte Fotogramme aus den Unterrichtsvideos aufgenommen (vgl. Abb. 1). Nach dieser formulierenden Interpretation, die noch keine Deutungen und Sinnzuschreibungen enthält, wird bei der sich anschließenden reflektierenden Interpretation der „dokumentarische Sinnge- 140 Annika Kolb halt und damit die Art und Weise, wie die Akteure miteinander interagieren“ (Fritzsche- / Wagner-Willi 2015: 139, kursiv im Original) nachvollzogen. Eine Besonderheit des Einsatzes der dokumentarischen Methode mit Videos ist die zusätzliche Analyse von Fotogrammen, „um der visuellen, simultanen und der sequenziellen Ebene der videographierten Interaktion in der Videointerpretation gerecht zu werden“ (Fritzsche / Wagner-Willi 2015: 139). Abb. 1: Teil eines Sequenzverlaufs Englischunterricht zu Beginn von Klasse 5-- Sprachliches Können sichtbar machen 141 Kriterien für die Auswahl von Fotogrammen sind Fokussierung und Representanz für die Sequenzen. In der komparativen Analyse werden hypothetische oder aus dem Material stammende Gegenhorizonte gesucht, um die gefundenen Muster genauer herauszuarbeiten. Beispielweise wurde eine analysierte Szene der Stundeneröffnung mit weiteren Stundeneröffnungen verglichen. Im Verlauf der Analyse konnten so bestimmte für ihren Unterricht charakteristische Praktiken der Lehrerin rekonstruiert werden. Mit Müller-Hartmann / Schocker / Pant (2013: 196 ff.) lassen sich diese als Prozesskompetenzen in einem aufgabenorientierten Unterricht fassen, mit denen Lehrkräfte Kompetenz entwickelnde Lernaufgaben initiieren, begleiten und reflektieren. Im Folgenden sollen nun drei im Datenmaterial rekonstruierte Praktiken dargestellt werden, die es den Schüler*innen ermöglichen, ihre sich entwickelnden sprachlichen Kompetenzen zu zeigen. 3 Wie werden die sprachlichen Kompetenzen der Schüler*innen sichtbar? 3.1 „Dass ich nicht ständig dann (…) der Akteur, Dompteur bin“ -- Verantwortung abgeben Nachdem sie mit einzelnen Schüler*innen noch auf Deutsch über die Hausaufgaben gesprochen hat, wechselt die Lehrerin, Frau Hamilton ins Englische: “Okay, who wants to open the class for us today? “. Mit dem Sprachwechsel markiert sie den offiziellen Unterrichtsbeginn, unterstützt wird dieses Signal durch ein den Schüler*innen zugewandtes Lächeln und dadurch, dass sie sich mittig vor die Tafel stellt, während sie sich vorher an ihrem Pult, das am Rand des Raumes positioniert ist, befand. Den Schüler*innen ist dieser Ablauf offensichtlich vertraut, mehrere Kinder melden sich, um zu zeigen, dass sie die angebotene Aufgabe übernehmen möchten. Eine Schülerin zeigt der Lehrerin gestisch, dass diese die neben ihr sitzende Laura drannehmen solle. Die Lehrerin geht auf diesen Vorschlag ein “Okay, Laura“, woraufhin Laura aufsteht. Sie ist nun auf der gleichen Ebene wie die Lehrerin, die ebenfalls steht, sich nun aber wieder aus der vorderen Mitte des Klassenraums zurückzieht, gleichsam, um Laura die Bühne zu überlassen. Dabei stellt sie Blickkontakt zu Laura her, verschwindet also nicht ganz aus dem Geschehen. Laura begrüßt die Klasse: “Good morning, class 5d“, worauf diese erwidert: “Good morning, Laura“. Die Lehrkraft ist währenddessen mit dem Vorbereiten von Arbeitsmaterialien am Pult beschäftigt. Anschließend begrüßt Laura die Lehrerin mit “Good morning Ms. Hamilton“, die mit “Good morning Laura and class 5d“ antwortet und Laura dabei bestätigend zulächelt. Sie zeigt nun auf die Tafel, an der noch das Datum des Vortags steht, und nimmt den Schwamm in die Hand. Laura nennt das Datum “Today is the 18 of November, eh, December, eh, it’s Thursday”. Die Lehrerin wischt 142 Annika Kolb das alte Datum weg und schreibt diese Angaben an die Tafel. Laura spricht weiter “The weather is cloudy“. Laura dreht sich um, um auf die Uhr zu blicken, mehrere Schüler*innen tun das ebenfalls, auch Frau Hamilton blickt zur Uhr (vgl. Abb. 2). Abb. 2 Laura beendet ihren Beitrag mit “It’s three past ten and nobody is missing”, sie setzt sich hin. Die Lehrerin bestätigt das mit “hm” und fügt hinzu “and Lilly has got her hat on her head“, wobei sie die Auslaute von hat und head jeweils deutlich betont. Offensichtlich nimmt Lilly die Kopfbedeckung ab, denn die Lehrerin lächelt kurz darauf und sagt “thank you“. Mit “What was for homework? “ übernimmt die Lehrkraft nun wieder die Rolle der Unterrichtsverantwortlichen. Mehrere Schüler*innen melden sich, die Lehrerin ruft Sophia auf, diese sagt “a family tree“, was von Frau Hamilton mit “That’s right, at least to bring pictures to class and a piece of paper, to be able to make a family tree“ kommentiert wird. Währenddessen hebt ein Schüler weiterhin seinen Arm. Die Lehrerin fragt “Theo? ” Theo zeigt auf das an der Tafel angeschriebene Datum und sagt: “It’s Tuesday, not Thursday“. Frau Hamilton dreht sich zu Tafel: “Oh it’s Tuesday, oh yeah“. Sie nimmt den Schwamm in die Hand und wendet sich an Laura: “Laura, what’s the day today? What did you say? “ Laura wiederholt ihre zuvor gegebene Aussage: „Thursday“. Die Lehrerin schaut sie abwartend an. Laura korrigiert sich: “Tuesday”, was Frau Hamilton mit “That’s right“ bestätigt und hinzufügt: “And I copied you mistake“, dabei lächelt sie und macht eine wegwerfende Handbewegung. Sie schreibt die richtige Wochentagsbezeichnung an die Tafel. Mit “Okay, now it’s correct, hm? Laura? Is that it? “ spielt sie den Ball an Laura zurück. Diese nickt. Frau Hamilton sagt: “Okay, good“. Englischunterricht zu Beginn von Klasse 5-- Sprachliches Können sichtbar machen 143 In dieser Eingangsszene wird das Orientierungsmuster „Verantwortung abgeben“, das Frau Hamiltons Unterricht prägt, deutlich. Immer wieder überträgt die Lehrerin den Kindern Elemente der Unterrichtsgestaltung, die traditioneller Weise von der Lehrkraft übernommen werden. Statt selbst die Klasse zu begrüßen, überträgt sie die Unterrichtseröffnung hier an die Kinder und macht dabei deutlich, dass dies eine Aufgabe ist, die für die gesamte Klasse (“for us“) übernommen wird. Der Beitrag der Schülerin ist demnach nicht nur an die Lehrkraft gerichtet, sondern für alle, die Lehrerin schließt sich dabei in die Gruppe ein. Die Schülerin, die die Aufgabe übernimmt, begrüßt dann auch zunächst ihre Mitschüler*innen und erst dann die Lehrkraft. Deutlich wird das Abgeben von Verantwortung auch in der Positionierung im Raum, die Schülerin steht dabei und ist somit fast auf Augenhöhe der Lehrerin; diese nimmt am Rand des Klassenzimmers nur in Ansätzen am Interaktionsgeschehen teil. Beim Anschreiben des Datums „diktiert“ die Schülerin quasi der Lehrkraft, auch hier sind die traditionellen Rollen gewissermaßen vertauscht. Als es um das Aufrufen der Sprecherinnen und Sprecher geht, das üblicherweise der Lehrkraft vorbehalten ist, nimmt Frau Hamilton den Vorschlag von Lauras Nachbarin auf und lässt hier zumindest Mitbestimmung der Schüler*innen zu. Das Fotogramm (Abb. 2) zeigt Laura und die Lehrkraft in einer quasi symmetrischen Position; auch hier spiegelt sich die geteilte Verantwortung. Deutlich wird weiterhin eine gemeinsame Blickrichtung von Laura, der Lehrkraft und einiger Schüler*innen. Die Aufgabe „Ansagen der Uhrzeit“ erscheint dadurch nicht nur die von Laura zu sein, sondern als kooperatives Unterfangen. Dass die Schüler*innen in der Verantwortung für die Gestaltung der Unterrichtseröffnung sind, wird auch durch den Umgang der Lehrkraft mit fehlerhaften Äußerungen deutlich. Als Theo sie auf die falsche Wochentagsbezeichnung hinweist, spricht sie Laura an, die ihr diese ja diktiert hatte. Anstatt die Bezeichnung einfach zu korrigieren, holt sie gewissermaßen deren Einverständnis ein (“Is that it? “) und weist auch auf ihr eigenes Versäumnis hin (“I copied your mistake“). In einer anderen Szene äußert sich eine Schülerin an einem regnerischen Tag zum Wetter mit “the weather is good“. Statt sie zu korrigieren, fragte Ms. Hamilton die Schülerin “Why do you think the weather is good? “. Wiederum wird der für die Unterrichtseröffnung Verantwortlichen die letzte Entscheidung übertragen, auch wenn das in diesem Fall heißt, regnerisches Wetter als „gut“ zu bezeichnen. Als ein Schüler die Beschreibung des Wetters vergisst, weist die Lehrerin ihn nur indirekt daraufhin, indem sie sagt: “Did you tell us about the weather as well? “ In allen diesen Szenen werden die Kinder als Kommunikationspartner ernst genommen, die Lehrerin tritt nicht als Kontrollinstanz auf, die explizit auf Fehler hinweist, sondern sie erweist sich als partner in communication , der bei Unklarheiten nachfragt, was es den Kindern ermöglicht, ihr Gesicht zu wahren. 144 Annika Kolb In das Muster, das die Schüler*innen für diese Phase verantwortlich sind, passt auch, dass die Lehrerin zunächst versucht, die Gruppe zu aktivieren, wenn ein Kind nicht weiterkommt. Anstatt selbst einzuspringen, fordert sie andere Schüler*innen auf zu helfen. Als ein Schüler sagt, er wisse die Monatsnamen nicht, beruhigt sie ihn mit “we’ll help you, don’t worry“. Mit dem “we“ wird die Gruppe betont, nicht die Hilfsfunktion der Lehrerin als Einzelperson. Die Unterstützung, die sie selbst gibt, bewegt sich oft auf non-verbaler Ebene, indem sie beispielsweise zählende Bewegungen mit der Hand und dabei Lippenbewegungen zu den Wochentagen macht. So sind es auf sprachlicher Ebene immer noch die Schüler*innen, welche für die Eröffnungsphase in der Verantwortung stehen. Auch in einem Diskussionsbeitrag bei einer Projektsitzung wird diese Orientierung Frau Hamiltons deutlich: Es ist eigentlich auch das, was ich jetzt so letztendlich erreichen will, dass ich eben auch zum Beobachten komme, ja. Also, dass ich mich rausnehmen kann und nicht ständig dann der Akteur, Dompteur bin. (…) Und man muss ja auch klar zugeben, also, da machst du Steuerung, ja, dann vergisst du vielleicht auch an der einen oder anderen Stelle auch irgendwas, oder es ist wirklich zu komplex und es kann auch mal im Chaos enden. Aber ehrlich gesagt, das nehme ich ganz gerne in Kauf, ja. Weil ich wirklich möchte, dass die untereinander reden (…) mit meinem Input zwar, aber dann, ja, das irgendwie selber, also als Klasse hinkriegen, und nicht unbedingt immer mit der zentralen Figur Lehrer (08_L3_200911_Z.468-532). Ihre Rolle sieht die Lehrerin als Beobachterin, die sich „rausnehmen“ kann. Über die negativen Gegenhorizonte „Akteur, Dompteur“ und „zentrale Figur Lehrer“ macht sie deutlich, dass sie diese dominierende Position versucht abzugeben und der Lerngruppe als Kollektiv („als Klasse“, „selber“) Verantwortung überlassen möchte. Dafür ist sie dann auch bereit, ein Stück weit „Chaos“ in Kauf zu nehmen, also auf Kontrolle zu verzichten. 3.2 „Mir ist (…) wichtig, dass die überhaupt reden“ - Schüler*innen zu Wort kommen lassen Die Lehrerin steht mittig vor der Klasse und hat einen Karton in der Hand, in den die Schüler*innen vorher je einen Zettel mit ihrem Namen gelegt haben. Sie beginnt zu erklären: “Now, you are going to draw a piece of paper” (dabei zeigt sie auf den Karton mit den Zetteln) “and you will see a name on it, right? Now, don’t show anyone, keep it to yourself”. Sie zeigt gestisch, wie die Kinder verdeckt auf den Zettel schauen sollen. “Don’t tell anyone who it is. Say one or two (sie zeigt mit einer Hand Zählbewegungen) sentences about what this person is. Mad? Clever? (sie Englischunterricht zu Beginn von Klasse 5-- Sprachliches Können sichtbar machen 145 macht dabei eine fragende Mimik) Say something about that person, yeah? Good at sports? Good at English? Say something. And then we have to guess who this person is. Okay? Understood? Let’s see.” Sie schüttelt den Karton verheißungsvoll und geht lächelnd in die Klasse hinein. “Who wants to start? “ Mehrere Schüler*innen melden sich, ein Schüler ruft “ich”. Die Lehrerin sagt “Okay, Peter” und hält ihm den Karton hin. Die Kinder, die vor ihm in den Reihen sitzen, drehen sich zu Peter um und sehen ihn gespannt an. “Don’t show anyone“. Peter nimmt den Zettel und kriecht fast unter den Tisch, um ihn verdeckt zu öffnen. Er beginnt “It’s“ und schweigt dann für mehrere Sekunden. Die Lehrerin hilft: “He is or she is“. Peter sagt langsam: “He is clever. He is … little”. Einige Kinder melden sich, alle Kinder, die im Bildausschnitt zu sehen sind, sehen aufmerksam zu ihm hin. In dieser Szene wird das Bemühen der Lehrerin deutlich, eine sinnvolle kommunikative Situation für den Gebrauch der Fremdsprache zu schaffen. Sie beginnt sofort mit einer Handlungsanweisung, die sie in einzelne Schritte aufteilt, welche die Kinder unter Zuhilfenahme der gestischen Unterstützung nachvollziehen können. Diese umfangreichen gestischen und mimischen Hilfen ermöglichen es ihr, trotz der noch limitierten sprachlichen Kompetenzen der Schüler*innen das Spiel auf Englisch zu erklären. Gleichzeitig modelliert sie damit auch Kommunikationsstrategien, welche die Schüler*innen zu Hilfe nehmen können. So ist es in fremdsprachlichen Kontexten oft möglich, sich mit Hilfe von Mimik oder Gestik zu verständigen, wenn bestimmtes Vokabular nicht zur Verfügung steht. Deutlich wird weiterhin, wie wichtig es der Lehrerin ist, dass die Kinder zum Sprechen kommen. Gleich dreimal benutzt Frau Hamilton in ihrer Erklärung die Wendungen “say something“ oder “say one or two sentences“. Sowohl ihr erster Vorschlag “mad“, mit dem man üblicherweise wohl niemanden der Schüler*innen charakterisieren würde, als auch ihre übertrieben fragenden Gesten, mit denen sie ihre inhaltlichen Vorschläge begleitet, zeigen dabei, dass diese tatsächlich nur als Beispiele aufzufassen sind, die Kinder bei der inhaltlichen Gestaltung ihrer Beiträge hingegen frei sind. Es geht Frau Hamilton demnach vor allem darum, dass die Schüler*innen selbst Ideen haben. Sie gibt nicht etwa eine Liste von Adjektiven vor, mit denen die Mitschüler*innen beschrieben werden sollen, sondern überlässt diese Charakterisierung den Kindern, die damit eigene Relevanzsetzungen vornehmen können. Nichtsdestotrotz fungieren ihre Vorschläge auch als Modelltext, ihr Beispiel “clever“ wird dann ja auch von Peter in seinem Beitrag aufgegriffen. Dabei ist es der Lehrkraft durchaus wichtig, dass die Situation für die Lerngruppe authentisch ist. Mehrfach weist sie die Kinder sowohl sprachlich als auch gestisch darauf hin, den gezogenen Zettel niemandem zu zeigen, damit es ein echtes Ratespiel bleibt. Dazu, dass es sich hier um ein Spiel handelt, passt der Charakter der Freiwilligkeit, den die Lehrkraft mit “Who wants to start? “ betont. Schüler*innen das Wort in einer 146 Annika Kolb authentischen kommunikativen Situation zu geben, kann für sie nicht in einer schulisch definierten „Abfragesituation“ passieren, in der sie ein Kind aufrufen würde. Von den Schüler*innen wird dieses Angebot sehr begierig aufgegriffen. Sie wirken äußerst gespannt bei der Sache und scheinen an der Lösung des Rätsels sehr interessiert zu sein, was sich am Blickkontakt zwischen vielen Kindern und dem beschreibenden Peter zeigt (vgl. Abb. 3). Peter hält den Zettel mit dem Namen des zu erratenden Kindes weiterhin unter dem Tisch, damit ihn bloß niemand sehen kann. Abb. 3 Auch an anderen Stellen im Videomaterial wird deutlich, wie die Praktik die Schüler*innen zu Wort kommen lassen im Unterricht der Lehrkraft eine Rolle spielt. Zu Beginn einer Hörverstehensaktivität sehen sich die Kinder zunächst eine Abbildung der Situation im Lehrbuch an. Es ist eine Gruppe von Schüler*innen zu sehen, die in der Schulcafeteria sitzt. Die Lehrerin fragt: “What do you think they could be talking about? Because they are obviously having a conversation, they are talking to each other. What could they be talking about? “ Drei Schüler*innen melden sich. Die Lehrerin versucht noch mehr Kinder zu aktivieren: “Any idea? What do you usually talk about at your lunch break? ” Es folgt ein kurzes Gespräch darüber, über was die Kinder sich beim Mittagessen unterhalten, bei dem die Lehrerin mehrfach interessierte Nachfragen stellt. Zum einen gelingt es Frau Hamilton durch die Verknüpfung des Unterrichtsstoffes mit der Lebenswelt der Schüler*innen, mehr Kinder zu Gesprächsbeiträgen zu animieren. Zum anderen zeigt sie sich dadurch auch genuin interessiert an Englischunterricht zu Beginn von Klasse 5-- Sprachliches Können sichtbar machen 147 deren Leben außerhalb des Klassenzimmers. Die Fremdsprache wird so zum Medium, in dem relevante Themen besprochen werden. Das gelingt ihr nicht nur durch die Lernaufgaben, die sich an der Lebenswelt der Kinder orientieren und für sie bedeutsame Themen aufgreifen (z. B. my dream timetable, my dream house, my family tree, invent your own monster ), sondern immer wieder auch über kurze Ausstiege aus der Lehrwerksarbeit. In einer Gruppendiskussion äußert sich die Lehrerin zu diesem Aspekt ihrer Unterrichtsgestaltung: Also mir ist ja immer erstmal wichtig, dass die überhaupt reden, weil die ja oft sehr verschüchtert dasitzen und da muss ich dann einfach auch mit den Fehlern leben, ja (08_L3_200912_Z.257-259). Zentral ist für sie demnach die Aktivierung der Schüler*innen. Sprachliche Richtigkeit steht für Frau Hamilton weniger im Vordergrund, sie möchte die Kinder zur Experimentierfreude mit der Sprache animieren. Dabei betont sie auch die Interaktion innerhalb der Lerngruppe: Was für mich immer wichtig ist, ist, dass die Schüler lernen, von Anfang an auch ihren Mitschülern zuzuhören (08_L3_130911_Z.125-126). Unterrichtliche Kommunikation soll sich für sie nicht zwischen Schüler*in und Lehrkraft abspielen, sondern auch zwischen den Kindern. Wiederum geht es darum, die zentrale Position der Lehrerin ein Stück weit zu relativieren und den Schüler*innen Raum zu geben. 3.3 „Dass die Schüler (…) die Chance wittern, dass sie das irgendwann mal können“-- Stärken in den Vordergrund stellen In ihrem Unterricht arbeitet Frau Hamilton mit dem Drehtürmodell (Renzulli-/ Reis / Smith 1981). Schüler*innen mit einer schon weiter entwickelten Sprachkompetenz dürfen dabei selbst entscheiden, ob sie am regulären Unterricht teilnehmen oder selbständig an eigenen Projekten arbeiten. Die Ergebnisse aus dieser Projektarbeit werden dann den Mitschüler*innen präsentiert. In der folgenden Szene erklärt sie dieses Modell den Kindern: Die Lehrerin steht am Pult. Sie ist zur Klasse gewandt. Nach einigen organisatorischen Absprachen zur Halloween-Dekoration, die im Klassenraum geplant ist, lächelt sie die Klasse an und erläutert: „Und zwar ham wir-/ habt ihr ja schon gemerkt, dass wir so ’nen kleines Team, hatten, was ab und zu mal, eh, außerhalb, oder eigentlich die meiste Zeit außerhalb des Unterrichtraums gearbeitet hat. Die haben nicht etwa gespielt, sondern die ham sich ganz intensiv mit einem Thema beschäftigt, was ne große Rolle spielen wird in unserer nächsten Unit, ja? Wir 148 Annika Kolb schauen uns nämlich mal an, wie das so in anderen Schulen aussieht, ja? Und zwar nicht in anderen deutschen Schulen, sondern anderen englischsprachigen Schulen, ja? “ Beim Wort „englischsprachigen“ hebt Frau Hamilton die Stimme und lächelt. „Die mögen vielleicht sogar in Deutschland sein wie die Schulen, von denen wir gleich hören werden“, dabei nickt sie einem Schüler des Projektteams freundlich zu. „Und dann schauen wir in der Unit mal, wo unsere Bristol Kids in die Schule gehen. So und dieses Team hat also heute ’nen ganz besonderen Tag, nämlich die stellen uns heute mal die Ergebnisse aus ihrem kleinen Projekt vor.“ Beim Wort „kleinen“ macht sie mit den Fingern Anführungszeichen in die Luft. Sie schaut die Kinder des Projektteams an und fragt, wiederum mit einem sehr freundlichen Lächeln: „Are you ready for that? “ Zwei Kinder nicken. „Okay. Now, let’s open the special class today.“ In dieser Ankündigung des nachfolgenden Geschehens betont Frau Hamilton den Beitrag der Projektkinder für die gesamte Klasse. Dass „wir so ein kleines Team hatten“, das außerhalb des Klassenraums gearbeitet hat, klingt nach Arbeitsteilung. Es gibt verschiedene Teams, die für unterschiedliche Aufgaben zuständig sind. In ihrer Ankündigung ist dabei eine gewisse Spannung zu erkennen: auf der einen Seite möchte die Lehrkraft würdigen, dass die Projektkinder etwas Besonderes geleistet haben, sie haben sich „ganz intensiv mit einem Thema beschäftigt“ und haben einen „ganz besonderen Tag“, den Unterricht bezeichnet sie als “ special class “. Auf der anderen Seite betont sie aber auch den Bezug zum übrigen Unterricht und die Ernsthaftigkeit des Projekts („die haben nicht etwa gespielt“), dessen Bedeutung sie aber zugleich auch wieder relativiert („ab und zu mal außerhalb des Unterrichts“, „kleinen Projekts“). Es geht um englischsprachige Schulen; die Beiträge sollen als Vergleichsfolie dienen für die schulische Situation der Lehrbuchkinder. Es wirkt so, als ob sie durch die Betonung des Verbindenden den Eindruck einer „Sonderbehandlung“ dieser Kinder vermeiden möchte. Sie versucht nicht zu sehr herausstellen, was diese schon können, vielleicht um andere nicht zu entmutigen. Vielmehr soll deren Arbeit in den Dienst der nächsten Unit, welche die Klasse gemeinsam bearbeitet, gestellt werden, indem die Projektergebnisse der Lerngruppe („uns“) vorgestellt werden. Die Lehrerin vermeidet es, das Kompetenzgefälle innerhalb der Klasse anzusprechen, vielmehr versucht sie, die heterogenen Kompetenzen, welche die Kinder in den Unterricht mitbringen, produktiv für den Gesamtunterricht zu nutzen. Die Möglichkeit, das eigene Können unter Beweis zu stellen, vollzieht sich in dieser Szene für die Projektkinder in einem sehr ermutigenden Rahmen. Der Schülervortrag wird nicht etwa als Testsituation konzipiert, sondern Frau Hamilton betont, welchen Beitrag dieser für das Gelingen des gesamten Unterrichts leistet. Sie zeigt sich den Kindern gegenüber sehr zugewandt und freund- Englischunterricht zu Beginn von Klasse 5-- Sprachliches Können sichtbar machen 149 lich und überlässt ihnen mit der Frage “Are you ready for that? “ die zumindest hypothetische Chance, noch einen Rückzieher zu machen. An anderen Stellen im Datenmaterial zeigt sich, dass die Lehrerin nicht nur die Stärken der fortgeschrittenen Schüler*innen ins Zentrum stellt. Nachdem sie eine Art Lerntheke erklärt hat, bei der die Kinder auf verschiedene Art und Weise üben sollen, ihren Familienstammbaum vorzustellen, bittet sie die Schüler*innen die Aufgabenstellung auf Deutsch zu wiederholen. Liam meldet sich und sagt: „mit den Bildern, die wir mitgebracht haben, machen wir den Stammbaum“. Die Lehrerin antwortet: „Genau. Und was machst du, wenn du damit fertig bist? “. Liam sagt: „ja, dann sollen wir die Übungen machen, da.“ Frau Hamilton fragt nach: „und was war’n denn das für Übungen? “ und hält einen Karton mit den Materialien zur ersten Aktivität hoch. Liam beginnt: „Also, das erste, das musste man, da war’n die Wörter da. (…) Das hab ich nicht ganz verstanden.“ Die Lehrerin hebt lächelnd den zweiten Karton hoch und sagt: „Okay. Das zweite? Hast du das verstanden? “ Liam erklärt daraufhin die Aufgabenstellung der zweiten Aktivität, danach kommt Frau Hamilton auf die erste Aufgabe zurück. Anstatt auf der ersten Aktivität zu beharren und etwa ein anderes Kind dranzunehmen oder Liam gar vorzuwerfen, nicht richtig aufgepasst zu haben, gibt sie ihm die Chance zu zeigen, dass er zwar nicht die komplette, aber zumindest einen Teil der Aufgabenstellung verstanden hat. Was der Schüler kann und nicht das, was er nicht kann, bekommt Aufmerksamkeit. Dazu, die Stärken der Schüler*innen in den Vordergrund zu stellen, gehört auch, Schwächen nicht zu betonen, sondern den Kindern Gelegenheit zu geben, diese zu kompensieren. Als ein anderer Schüler sagt, er habe noch nicht den ganzen Text von der Tafel abgeschrieben, die Lehrerin die Tafel aber schon zugeklappt hatte, klappt sie diese wieder auf, und sagt: “Okay, I’ll give you more time then. You’ll write and I’ll explain, yeah? And maybe you have to ask your group members later. Okay? “ Sie geht auf unterschiedliche Geschwindigkeiten beim Erledigen der Abschreibaufgabe ein, anstatt vom Schüler etwa zu fordern, er müsse sich dabei mehr beeilen. Außerdem nimmt sie dann die Lerngruppe in die Verantwortung dafür, dass der Schüler auch die Erklärung der sich anschließenden Aufgabe nicht verpasst; wiederum gibt die Lehrerin hier Verantwortung an die Schüler*innen ab. Auch beim Umgang mit sprachlichen Fehlern der Schüler*innen wie in dieser Szene baut die Lehrerin auf der vorhandenen Kompetenz auf: Peter: no man is absent Ms. Hamilton (schmunzelnd): so Peter, no man is absent, and no woman is absent Peter: okay Ms. Hamilton: so nobody is absent or no one is absent 150 Annika Kolb Die Lehrerin greift die Schüleräußerung auf und ergänzt sie, gleichzeitig stellt sie die zielsprachig richtige Variante zur Verfügung. Um das Können der Schüler*innen ins Zentrum zu stellen, macht Frau Hamilton den Kindern immer wieder sehr niederschwellige Angebote, sich am Unterricht zu beteiligen. Beispielsweise fordert sie sie bei einer Hörverstehensaktivität, bei der es um verschiedene Sportarten geht, auf, diese während des Hörens pantomimisch darzustellen. So können auch Schüler*innen, deren sprachliche Kompetenzen noch nicht so weit entwickelt sind, einen Beitrag leisten. Frau Hamilton benutzt in ihrem Unterricht von Anfang an Englisch als Unterrichtssprache und mutet den Schüler*innen dabei durchaus auch unbekanntes Vokabular und recht komplexe Satzstrukturen zu. Sie unterstützt ihren sprachlichen Input aber durchgehend mit Mimik, Gestik und visuellen Hilfen, so dass die Kinder auch hier eine ihrer Stärken, nämlich die aus der Grundschule mitgebrachte Hörverstehenskompetenz, ausspielen können. Die Lehrerin orientiert sich demnach zum einen am Können und nicht an den Defiziten der Kinder, zum anderen berücksichtigt sie, dass die Schüler*innen unterschiedliche Kompetenzen und Bedürfnisse haben. Diesen versucht sie durch verschiedene Angebote (Drehtürmodell, unterschiedliches Arbeitstempo, individuelle Themenwahl, verschiedene Arten von support ) zu entsprechen. Im Interview sagt sie dazu: Und diejenigen, die vielleicht die Idee haben, dass sie, ja, so gut sind, dass sie da nichts mehr brauchen, dass ich denen tatsächlich auch ein Angebot mache auf dem Niveau, wo sie merken, sie müssen an ihren sprachlichen Fähigkeiten auch arbeiten, ja.(…) ich gebe ihnen einfach eine andere Herausforderung (08_L3_130911_Z.165-170). Hier wird wiederum der Beitrag, den die einzelnen Schüler*innen in ihrer Verschiedenheit für die gesamte Lerngruppe leisten, deutlich. Indem die Fortgeschrittenen als „Orientierung“, als Modell für die Schwächeren dienen, tragen sie zum Lernerfolg der anderen bei. Wie schon in ihrer Ankündigung der Präsentationen deutlich wurde, möchte die Lehrerin nicht nur jedes Kind auf seinem entsprechenden Niveau fördern, sondern sieht sie auch in der Verantwortung für die Lerngruppe. Die Stärken einzelner Schüler*innen herauszustellen, hat demnach immer auch eine kollektive Dimension, d. h. sie können der Gesamtgruppe dienen. 4 Diskussion und Ausblick Der Beitrag begann mit der Frage, was einen Unterricht ausmacht, in dem Schüler*innen, die über limitierte sprachliche Mittel verfügen, ihr aus der Grundschule mitgebrachtes Können zeigen können. Was führt dazu, dass Tobias bei Englischunterricht zu Beginn von Klasse 5-- Sprachliches Können sichtbar machen 151 der Beschreibung seines Traumhauses kaum mehr zu stoppen ist? Zum einen spielen für die Kinder lebensweltlich relevante Lernaufgaben eine entscheidende Rolle (Müller-Hartmann / Schocker-v. Ditfurth 2011, Müller-Hartmann-/ Schocker / Pant 2013, Kap. 5 in diesem Band). Bei der Beschreibung eines Hauses aus dem Lehrbuch hätte der Schüler sicherlich nicht den gleichen Enthusiasmus an den Tag gelegt. Zum anderen sind aber auch die Prozesskompetenzen der Lehrkräfte von Bedeutung, ihre Fähigkeiten, „eine anregende Lernatmosphäre zu schaffen, in der diese Aufgaben angemessen vermittelt und die daraus resultierenden Prozesse sensibel und effektiv begleitet werden“ (Müller-Hartmann-/ Schocker / Pant 2013: 194). Im Datenmaterial der Fallstudie konnten die drei Praktiken „Verantwortung abgeben“, “Schüler*innen zu Wort kommen lassen“ und „Stärken in den Vordergrund stellen“ rekonstruiert werden. Es soll nun versucht werden, das Potential dieser Art und Weise, den task-in-process zu gestalten, im Hinblick auf den Aspekt des Sichtbarmachens von Können näher zu bestimmen. Durch das Abgeben von Verantwortung öffnet Frau Hamilton in ihrem Unterricht Räume für die Beiträge der Kinder. Dadurch dass sie sich immer wieder aus dem Mittelpunkt des Geschehens zurückzieht, entstehen für die Schüler*innen Freiräume, die Tobias im obigen Beispiel kreativ zu nutzen weiß. In einem Unterricht, in dem die Lehrkraft kleinschrittig jede Äußerung der Kinder kontrolliert, wäre ein solcher Lernertext sicher nicht möglich. „Dieses ‚Raum‘ schaffen für eigene Entscheidungen macht aus Lernenden eigenverantwortlich handelnde Akteure“ (Schocker 2016: 7) und ermöglicht Lehrkräften dadurch einen Blick auf die individuellen Stärken, Kompetenzen und Erfahrungen der Kinder, die sie aus der Primarstufe mitbringen. Dadurch, dass Frau Hamilton in ihrem Unterricht die Schüler*innen zu Wort kommen lässt, signalisiert sie ein echtes Interesse an den Inhalten ihrer Beiträge. Dreßler (vgl. Kap. 4 in diesem Band, Dreßler 2018) beschreibt eine ähnliche Praxis in ihrer Studie zur Inszenierung von Lernaufgaben in der Grundschule als „providing space to communicate“. Es geht hierbei nicht nur darum, den Sprechanteil der Schüler*innen zu erhöhen, sondern die Kinder über lebensweltlich relevante Sprechanlässe in den Unterricht zu involvieren (Schocker 2016). Die Schüler*innen erfahren die Fremdsprache so als Mittel, mit dem sie für sie bedeutsame Inhalte ausdrücken können. Der Fremdsprachenunterricht ist damit nicht ein Frageund-Antwort-Spiel, in dem die Lehrkraft Fragen stellt, auf die sie die Antwort schon weiß. Im Gegenteil stellt sie Fragen zum außerschulischen Leben der Kinder, an deren Antworten sie wirklich interessiert ist. Diese Erfahrung, dass es in Frau Hamiltons Englischunterricht immer wieder um die persönlichen Angelegenheiten der Schüler*innen geht, die Offenheit der Lehrkraft für die Ideen der Kinder und das Interesse, das sie an dem, was die Kinder 152 Annika Kolb erzählen, zeigt, ist die Voraussetzung dafür, dass Tobias eine solch ausführliche Beschreibung seines Traumhauses liefert. Er hat den Unterricht als einen Raum erlebt, in dem Schülerbeiträge wertgeschätzt und die Kinder immer wieder zum Sprechen ermutigt werden. Im Klassenzimmer findet er so ein Publikum und eine Art Resonanzraum für seine Ideen. Der Fokus ist dabei deutlich auf dem Inhalt der Beschreibung, er kann sich sicher sein, dass die sprachlichen Fehler von der Lehrkraft nicht sanktioniert werden. Gleichzeitig ermöglicht es ihm die inhaltliche Freiheit, welche die Lehrkraft den Schüler*innen bei der Gestaltung ihrer Beiträge lässt, seine eigenen Ideen in Bezug auf sein Traumhaus zu verwirklichen, welche deutlich über übliche Lehrbuchinhalte zum Thema my house hinausgehen. In der Systematik von Müller-Hartmann / Schocker / Pant (2011: 196 f.) ist die Praktik „Schüler*innen zu Wort kommen lassen“ beispielsweise in den Prozesskompetenzen „von den persönlichen, lebensweltlich relevanten Erfahrungen der Schüler/ innen ausgehen“, und „den Unterrichtsdiskurs authentisch und wenig künstlich gestalten“ verortet. Weiterhin begünstigt die Praktik „Stärken in den Vordergrund stellen“ Tobias’ Aufgabenbearbeitung. Er kann den Unterricht als einen Raum erfahren, in dem es möglich und erwünscht ist, die eigenen Kompetenzen unter Beweis zu stellen. Dass dabei die Beiträge, die die einzelnen Schüler*innen für den Unterricht leisten, sehr unterschiedlich sind, wird von der Lehrerin als positiv vermittelt. Insofern kann sich auch Tobias mit seinem Beitrag, der möglicherweise etwas aus dem Rahmen fällt, sicher sein nicht anzuecken. Indem die Lehrerin das Können der Schüler*innen herausstellt und ihnen zeigt, dass diese die „Herausforderung“, die mit den von ihr gestellten Aufgaben verbunden sind, meistern können, baut sie außerdem eine positive Leistungserwartung auf, welche - wie die Motivationsforschung zeigt - sich dann auch tatsächlich fördernd auf die Leistung der Schüler*innen auswirkt (vgl. z. B. Dörnyei 2001: 35f.). Dabei wird die Heterogenität der Kompetenzen der einzelnen Schüler*innen von der Lehrkraft produktiv in den Unterricht einbezogen. Sie versucht nicht, möglichst bald „alle auf einen Stand zu bekommen“, sondern nutzt die individuellen Stärken der Kinder für die Lerngruppe. Ihr Umgang mit Fehlern fokussiert wiederum auf die schon vorhandene Kompetenz. Damit realisiert sie die Prozesskompetenzen „Schüler/ innen den Raum (die Gelegenheit und die Zeit) geben, Kompetenzen zu zeigen, sie wahrzunehmen, wertschätzen und weiterzuentwickeln“ sowie „eine wertschätzende und in erster Linie an den Inhalten orientierte Rückmeldung zu den Beiträgen der Schüler/ innen geben“ (Müller-Hartmann / Schocker / Pant 2013: 196f.). Den eingangs beschriebenen Herausforderungen zu Beginn von Klasse 5 - Diagnose der aus der Primarstufe mitgebrachten Kompetenzen und Umgang mit diesen heterogenen Ausgangslagen - begegnet die Lehrkraft der hier vorgestell- Englischunterricht zu Beginn von Klasse 5-- Sprachliches Können sichtbar machen 153 ten Fallstudie mit einem aufgabenorientierten Unterricht, in dem sie Verantwortung abgibt, Schüler*innen zu Wort kommen lässt und die Stärken der Kinder in den Vordergrund stellt. Durch diese Praktiken schafft sie einen Raum für involvement und kreative experimentierfreudige Sprachverwendung der Schüler*innen, der es ihnen erlaubt, das in der Primarstufe Gelernte zur Geltung zu bringen. Literatur Asbrand, Barbara-/ Martens, Matthias (2018). Dokumentarische Unterrichtsforschung . Wiesbaden: Springer. BIG-Kreis (2015). Der Lernstand im Englischunterricht am Ende von Klasse 4. Ergebnisse der BIG-Studie. München: Domino Verlag. Bohnsack, Ralf (2007). Rekonstruktive Sozialforschung. Einführung in qualitative Methoden. Opladen: Budrich. Bohnsack, Ralf-/ Fritzsche, Bettina-/ Wagner-Willi, Monika (2015). Dokumentarische Video- und Filminterpretation. Methodologie und Forschungspraxis . Opladen: Budrich. Bonnet, Andreas (2012). Von der Rekonstruktion zur Integration: Wissenssoziologie und Dokumentarische Methode in der Fremdsprachenforschung. In: Doff, Sabine (Hrsg.). Fremdsprachenunterricht empirisch erforschen. Tübingen: Narr Francke Attempto, 286-305. Dörnyei, Zoltán (2001). Motivational Strategies in the Language Classroom . Cambridge: Cambridge University Press. Dreßler, Constanze (2018). Nature and enactment of tasks for early English as a Foreign Langauge teaching. A collaborative research project with teachers. Tübingen: Narr. Engel, Gaby-/ Groot-Wilken, Bernd-/ Thürmann, Eike (Hrsg.) (2009). Englisch in der Primarstufe - Chancen und Herausforderungen. Evaluation und Erfahrungen aus der Praxis. Berlin: Cornelsen. Fritzsche, Bettina-/ Wagner-Willi, Monika (2015). Dokumentarische Interpretation von Unterrichtsvideografien. In: Bohnsack, Ralf-/ Fritzsche, Bettina-/ Wagner-Willi, Monika (Hrsg.) (2015): Dokumentarische Video- und Filminterpretation. Methodologie und Forschungspraxis . Wiesbaden: Budrich, 131-152. Kolb, Annika (2016). Lernaufgaben in Klasse 5. In: Dreßler, Constanze-/ Kollmann, Sabine-/ Kolb, Annika-/ Legutke, Michael K. (Hg.). Herausforderung Übergang: Kontinuität im Englischunterricht. Braunschweig: Diesterweg, 70-88. Kolb, Annika-/ Legutke, Michael (2016). Chancen und Herausforderungen des Englischunterrichts am Übergang von Klasse 4 nach Klasse 5. In: Dreßler, Constanze-/ Kolb, Annika-/ Kollmann, Sabine-/ Legutke, Michael (Hg.). Herausforderung Übergang: Kontinuität im Englischunterricht. Braunschweig: Diesterweg, 9-13. Müller-Hartmann, Andreas-/ Schocker, Marita-/ Pant, Hans Anand (Hg.) (2013). Lernaufgaben Englisch aus der Praxis. Mit zahlreichen Unterrichtsvideos und Materialien. Braunschweig: Diesterweg. 154 Annika Kolb Müller-Hartmann, Andreas-/ Schocker-v. Ditfurth, Marita (2011). Teaching English. Task-Supported Language Learning . Paderborn: Schöningh. Nentwig-Gesemann, Iris (2002). Gruppendiskussion mit Kindern. Die dokumentarische Interpretation von Spielpraxis und Diskursorganisation. In: Zeitschrift für Qualitative Bildungs-, Beratungs- und Sozialforschung 1 , 41-63. Renzulli, Joseph-/ Reis, Sally-/ Smith, Linda (1981). The revolving door identification model. Mansfield Centre: Creative Learning Press. Schocker, Marita (2016). Auf die Lerner kommt es an! Den Englischunterricht von den Lernenden her denken. In: Der fremdsprachliche Unterricht Englisch 143, 2-7. Kapitel 7 Der Übergang von Klasse 4 nach 5 aus der Sicht von Schüler*innen Sonja Brunsmeier Im Rahmen einer Interviewstudie wurden ca. 100 PEAK1-Schüler*innen am Ende der Klasse 4 und nach fünf Monaten in der Klasse 5 befragt. In diesem Kapitel steht die Perspektive der Schüler*innen auf den Übergang von Klasse 4 nach 5 im Englischunterricht im Mittelpunkt. Deren Schilderungen beleuchten, wie sie den Wechsel wahrnehmen und bewerkstelligen. Anhand dieser im Projektverbund PEAK1 gewonnenen Einblicke versucht das Kapitel mögliche Konsequenzen für die Gestaltung des Schulwechsels im Fach Englisch anzubieten. 1 Der Übergang von Klasse 4 nach 5 „[W]as mir noch geholfen hat ist, dass wir seit der Ersten schon Englisch hatten“. Seit der flächendeckenden Einführung des Englischunterrichts in die Grundschulen im Schuljahr 2004/ 2005 ist der Übergang der Kinder in die Sekundarstufe-I ein Brennpunktthema. Daran haben auch eine Reihe Studien, die aufzeigen, zu welchen Leistungen Kinder am Ende der Grundschule im Fach Englisch fähig sind, wenig geändert (Paulick & Groot-Wilken (2009), Wilden und Porsch (2015), BIG-Kreis (2015), vgl. auch Kapitel 1 in diesem Band). Die Gestaltung des Übergangs bleibt umstritten. Viele Fremdsprachendidaktiker*innen (z. B. Keßler 2009, Legutke et al. 2009, Piske 2013), die sich für einen Beginn von Englisch ab Klasse 1 aussprechen, sehen sich durch die Ergebnisse der Studien bestätigt. Zugleich unterstreichen die festgestellten Englischleistungen der Kinder die Notwendigkeit, dem Übergang mehr Aufmerksamkeit zu schenken, denn es geht um die Weiterentwicklung erreichter Kompetenzen. Biederstädt (2016: 162) sieht dies als „eine gemeinsame Aufgabe von Grund- und weiterführenden Schulen.“ 156 Sonja Brunsmeier Fremdsprachendidaktiker*innen (z. B. Kolb / Mayer 2010: 2) fordern, dass „das Lernen einer Fremdsprache ein kontinuierlicher Prozess sein [sollte], der durch den Wechsel zwischen den Schulstufen nicht beeinträchtigt wird.“ Vereinzelt liegen erste wissenschaftliche Arbeiten (Wagner 2009, Manno et al. 2016) sowie Projekte (z. B. das Projekt der Bund-Länder-Kommission für Bildungsplanung und Forschungsförderung: ‚Sprachen lehren und lernen als Kontinuum: Schulpraktische Strategien zur Überbrückung von Schnittstellen im Bildungssystem‘ (Kierepka 2006)) vor, die die Unterrichtspraxis und Lehrpersonen fokussieren. Darüber hinaus wird diese Thematik auch in Studien (z. B. das Comenius-Projekt: ‚Primary and Secondary Continuity in Foreign Language Teaching‘ (Pri-Sec-Co) (Mayer und Kolb 2008) und das ‚Projekt Englisch ab Klasse 1‘ (PEAK1) (Dreßler et al. 2016)) behandelt. Einzelne dieser Arbeiten machen konkrete Vorschläge und Angebote für die Umsetzungen (wie z. B. Aufgaben) im Englischunterricht. Weitestgehend unerforscht ist jedoch, wie eigentlich die Schüler*innen den Wechsel von Klasse 4 nach 5 im Englischunterricht wahrnehmen. Forschungen, die die Perspektive von Schüler*innen auf den Übergang beleuchten, wurden in den 90er Jahren bereits vor der flächendeckenden Einführung des institutionalisierten Englischunterrichts an damaligen Pilotschulen durchgeführt (z. B. Vollmuth 2000, Andreas 1998, Kahl / Knebler 1996). Die Ergebnisse dieser drei Studien zeigen von den Kindern wahrgenommene Herausforderungen auf, wie beispielsweise ein Wechsel in den Arbeitsformen und Lernkulturen (ebd.) und stellen auf Basis der gewonnen Erkenntnisse Forderungen an die Gestaltung des Übergangs für den Fremdsprachenunterricht: Vollmuth (2000) schlägt den Einbezug literaler Kompetenzen in den Grundschulenglischunterricht vor, um die Kinder besser auf die Anforderungen in den weiterführenden Schulen vorzubereiten. In Bezug auf Arbeitsformen und Lernkulturen raten Kahl und Knebler (1996: 63) „im Denken der Kinder und Jugendlichen den Zusammenhang zwischen konkretem und handlungsbezogenem Sprachgebrauch und unterstützender grammatischer Analyse und Regelfindung zu verankern.“ Auch mit der flächendeckenden Einführung des Fremdsprachenfrühbeginns bleibt der Übergang von der Primarin die Sekundarstufe ein zentrales Thema: Alle Schüler*innen starten seither nun mit Vorkenntnissen in Englisch, denen die Lehrer*innen Rechnung tragen müssen. In einer Fragebogenstudie verschafft Marschollek (2007) 94 bayerischen Viertklässler*innen ein Forum, sich zu ihrer Bewältigung des Übergangs zu äußern. Am Ende der Grundschulzeit stehen die Kinder dem Übergang offen und motiviert gegenüber und melden in den ersten Wochen der fünften Klasse rück, dass sie ihre positiven Einstellungen in Bezug auf die Möglichkeit, erworbenen Vorkenntnisse einzubringen, bestätigt fühlen. Marschollek empfiehlt Lehrer*innen über die Erwartungen und Vorkenntnisse der Kinder zu sprechen, um die güns- Der Übergang von Klasse 4 nach 5 aus der Sicht von Schüler*innen 157 tigen Bedingungen konstruktiv nutzen zu können. Eine Möglichkeit sieht er in der Verankerung einer Dokumentation, die mit den Kindern im Fremdsprachenfrühbeginn begonnen wird (ebd.: 142). Bebermeier (2008) bediente sich ebenfalls eines Fragebogens, um 1089 Fünftklässler*innen zum erlebten Schulwechsel in Bezug auf das Fach Englisch zu befragen. Wagner (2009) widmet sich in ihrer Studie explizit den Wahrnehmungen und Erfahrungen der Schüler*innen beim Übergang. Im Rahmen von Fallanalysen deckt sie auf, dass die Kinder den Wechsel zwischen den Schulstufen zwar bewerkstelligen, die Rahmenbedingungen aber nicht förderlich sind und dringender Bedarf besteht, den Übergang im Fremdsprachenunterricht in Bezug auf die Entwicklung von fremdsprachlichen Fähigkeiten und Fertigkeiten (z. B. Mündlichkeit vs. Schriftlichkeit) sowie der Unterrichtsgestaltung (z. B. spielerische und handlungsorientierte Lern- und Arbeitsformen in der Grundschule vs. Lehrbuch-, Form-, Grammatik- und Schriftsprachorientierung in der Sekundarstufe) qualitätsvoll zu gestalten. Im Zeitraum von sechs Jahren (2010-2016) untersuchte das PROJEKT 1 die Effekte der Einführung von Englisch ab Klasse 1 an verschiedenen Grundschulen im Großraum Frankfurt am Main. Von Interesse für die Forschergruppe war, den Leistungsstand der Grundschüler*innen im Fach Englisch am Ende von Klasse 4 einzuschätzen, Formen der Weiterführung des Fremdsprachenfrühbeginns in der Sekundarstufe zu beleuchten und Maßnahmen zu erkennen, die die weiterführenden Schulen ergreifen, um an die vorhandenen fremdsprachlichen Kompetenzen der Kinder anzuschließen und diese auszubauen (vgl. Kolb et al. 2016: 6 und Kapitel 1 in diesem Band). Ein Alleinstellungsmerkmal des PROJEKTES war dabei, dass es von Anfang an um Brückenbau bemüht war. D.h. es sollten Brücken gebaut und etabliert werden, die in beide Richtungen begangen werden konnten. Die Kooperation und Kommunikation zwischen den Schulstufen (Grund- und Sekundarschulen) war ein zentrales Anliegen, um eine kontinuierliche Weiterführung des Fremdsprachenfrühbeginns in der Sekundarstufe zu gewährleisten. In diesem besonderen Kontext entstand die vorliegende Interviewstudie, die untersucht, wie Grundschüler*innen den Übergang von Klasse 4 nach 5 bewerkstelligen und wie sie den Englischunterricht in den jeweiligen Schulstufen erleben. Dazu wurden knapp 100 Schüler*innen am Ende der Klasse 4 und nach fünf Monaten der Klasse 5 befragt. Im Folgenden werden zunächst das methodische Vorgehen und die Auswahl der interviewten Schüler*innen beschrieben. Im Anschluss werden die Sichtweisen und Wahrnehmungen der Lernenden auf den Übergang von der Grundschule auf die weiterführende Schule dargelegt. Der Beitrag schließt mit einer 1 Aus syntaktischen Gründen und wegen der besseren Lesbarkeit steht das PROJEKT für „Projekt Englisch ab Klasse 1 (PEAK1)“. 158 Sonja Brunsmeier Diskussion der Ergebnisse und erörtert vorsichtig mögliche Konsequenzen für die Gestaltung des Schulwechsels im Fach Englisch und deren potenzielle Übertragbarkeit auf andere Kontexte. 2 Methodisches Vorgehen: Die Schüler*innenbefragung Die Schüler*innenbefragungen verfolgten das Ziel, die Meinungen, Wahrnehmungen und Beschreibungen zum Übergang von Klasse 4 nach 5 aus Sicht der Schüler*innen zu erheben. Für dieses Erkenntnisinteresse eignen sich problemzentrierte Leitfadeninterviews. Deren Einsatz lohnt sich, „wenn über den Forschungsgegenstand noch nicht viel bekannt ist (explorative Verwendung), wenn ein ausführliches Interesse an Hintergründen und Sinnkonstruktionen (Erklärungen, Argumentationen, Beschreibungen, Erfahrungen usw.) von Personen besteht oder wenn Informationen über Prozesse und Sachverhalte nicht oder schwer anders zu beschaffen sind“ (Trautmann 2012: 231). Der problemzentrierte Leitfaden bildet zentrale Inhalte über Fragen ab und dient im eigentlichen Gespräch der Orientierung und Strukturierung (Flick 2010: 210-214). Problemzentrierte Leitfadeninterviews bieten im Speziellen die Möglichkeit, die Welt aus der Perspektive der Beteiligten zu verstehen (Richards 2009: 187). Deshalb wurden die Schüler*innen auch jeweils einzeln befragt. Auf diese Weise hatten alle Kinder die Möglichkeit, ihre individuellen Erfahrungen und Sichtweisen zum Englischunterricht zu schildern. Allerdings muss das Alter der Kinder berücksichtigt werden, da das Interview eine besondere und nicht alltägliche Kommunikationssituation ist und seine eigenen Anforderungen stellt (Vogl 2015: 15ff.). Dem wurde bei der Erstellung des Interviewleitfadens Rechnung getragen. So wurden die Fragen verständlich und kindgerecht formuliert und wiesen stets einen direkten Bezug zur Lebenswelt der Schüler*innen auf. Beginnend mit einem Fokus auf den aktuellen Englischunterricht wurden die Fragen im Interviewverlauf abstrakter (d. h. die Kinder wurden zunehmend gebeten, perspektivische Erwartungen und Wünsche oder retrospektive Betrachtungen anzugeben). Die Perspektive der Kinder stand dabei immer im Mittelpunkt - d. h. eine ‚richtige‘ oder ‚falsche‘ Antwort gab es nicht. Die Kinder wurden beim Schulwechsel begleitet: Zunächst fand eine Befragung am Ende der Grundschulzeit in Klasse 4 statt. Dann wurde noch einmal nach den ersten Schulwochen in Klasse 5 mit den Kindern gesprochen. Im Jahr 2012 wurde der Interviewleitfaden mit einer Kohorte von 42 Schüler*innen an allen sechs verschiedenen PROJEKT-Schulen erstmalig erprobt. Im Rahmen dieser Erhebung wurden besonders positive Erfahrungen mit der Vorbereitung der Kinder auf die Gespräche gemacht: Sie waren gebeten worden, ein Bild zu ihrem Englischunterricht zu malen. Dieses erwies sich als hervorragender Der Übergang von Klasse 4 nach 5 aus der Sicht von Schüler*innen 159 Gesprächsimpuls. Der erprobte Interviewleitfaden diente als Grundlage für die Entwicklung der schlussendlich eingesetzten Gesprächsleitfäden. Alle Interviews wurden mit Audiogeräten aufgezeichnet und anschließend transkribiert. Die verschriftlichten Interviews fungierten als die Textgrundlage für die Datenauswertung. Mittels der Qualitativen Inhaltsanalyse, einem Ansatz systematischer, regelgeleiteter, qualitativer Analyse von Texten (Mayring 2010) wurden diese ausgewertet. Hierzu wurde die Verfahrensweise der induktiven Kategorienbildung gewählt, welche eine selektive Zusammenfassung darstellt (Mayring / Brunner 2010: 327). Dabei orientierte sich die Bildung der Kategorien an der Struktur und den Themen des Interviewleitfadens. Um die gebildeten Kategorien zu validieren, wurde das Gütekriterium der „Interkoderreliabilität“ (ebd.: 326) angewandt; d. h., dass eine Projektkollegin einen Ausschnitt des Materials ebenfalls kodierte und die Ergebnisse dann verglichen wurden. Darüber hinaus wurden Zwischenergebnisse der Auswertung aller Schüler*inneninterviews immer wieder auf Projekttreffen vorgestellt und mit den Projektleiter*innen sowie den Lehrer*innen diskutiert. Weiterhin wurden die Antworten der Kinder quantitativ ausgezählt. Im Ergebnisteil wird über die Prozentzahlen dargelegt, wie viele Schüler*innen die entsprechende Aussage getätigt haben. 2012 April - Juni 2015 Sept. - Nov. 2015 Erprobung des Interviewleitfadens 1. Interviewrunde 2. Interviewrunde Befragung von 42 Schüler*innen Befragung der Viertklässler*innen an den PRO- JEKT-Grundschulen Befragung der Fünftklässler*innen an den weiterführenden PRO- JEKT-Schulen ↓ Auswertung der transkribierten Interviews mittels der Qualitativen Inhaltsanalyse (Verfahrenstechnik: Induktive Kategorienbildung) und quantitative Auszählung der Antworten ↓ Validierung der gebildeten Kategorie durch die Interkoderreliabilität und Gruppendiskussionen bei Projekttreffen Abb. 1: Übersicht über den Ablauf der Schüler*innenbefragung 160 Sonja Brunsmeier 3 Die Stichprobe: Die Schüler*innen An fünf PROJEKT-Grundschulen wurden zwischen April und Juli 2015 100 Viertklässler*innen interviewt. Dabei nahmen 44 Schülerinnen und 56 Schüler teil. Voraussetzung für die Teilnahme an dem Interview war, dass die Kinder nach den Sommerferien auf eine weiterführende Schule wechselten, die an dem PROJEKT teilnahm. Aufgrund dieses Kriteriums war es möglich, 94 Kinder zwischen September und November desselben Jahres dann als Fünftklässler*innen zu befragen. 4 Ergebnisse: Der Übergang von Klasse 4 nach 5 aus der Sicht aller Schüler*innen Die Beschreibung der Ergebnisse zum Übergang von Klasse 4 nach 5 aus der Sicht aller Schüler*innen erfolgt entlang von sechs Themenbereichen: • Der Schulwechsel allgemein/ insgesamt • Der Englischunterricht in der Grundschule • Der Englischunterricht in der weiterführenden Schule • Hotspot 1: Kommunikation • Hotspot 2: Schrift • Hotspot 3: Vorkenntnisse und Anknüpfungspunkte Die jeweiligen gewonnenen Erkenntnisse werden mit den Stimmen der Schüler*innen illustriert, um den Ergebnissen Aussagekraft zu verleihen. Dabei ist zu beachten, dass es sich stets um individuelle Antworten einzelner Kinder handelt. Wurde ähnlich auf eine Frage geantwortet, so wurden diese Aussagen inhaltlich geclustert. Die Prozentangaben in der Ergebnispräsentation verdeutlichen, wie viele Schüler*innen sich entsprechend geäußert haben. Die erörterten Ergebnisse aus dem PROJEKT werden innerhalb jedes Themenbereichs in Form eines kurzen Zwischenfazits in Bezug auf den Projektkontext diskutiert. Darüber hinaus wird auch dargelegt, ob und wenn ja, welche Einsichten zum Übergang für andere und/ oder ähnliche Kontexte relevant sein und deshalb Berücksichtigung finden könnten. Der Schulwechsel allgemein Da der Wechsel auf die weiterführende Schule insgesamt ein bedeutsames Ereignis für die Schüler*innen darstellt (Kolb 2018, BIG-Kreis 2015, Wagner 2009: 16), wurden die Kinder in der 4.Klasse nach Erwartungen, Wünschen und Ängsten zum Übergang befragt und in Klasse 5 gebeten, positive und negative Eindrücke und Erlebnisse der ersten Wochen zu beschreiben. Der Übergang von Klasse 4 nach 5 aus der Sicht von Schüler*innen 161 Vor dem Wechsel auf die weiterführende Schule vermuten 38 % der Viertklässler*innen Unterschiede zwischen dieser und der Grundschule, beispielsweise im Stundenplan und den Schulfächern. Diese Änderungen erläutern die Kinder zum einen mit Bezug auf die Unterrichtsdauer („dann hat man länger auf der Schule Unterricht“, 08_9_05a_KL4_Z.24), zum anderen aber auch auf das zu erwartende Fächerangebot („viele neue Fächer. Chemie und so“, 08_9_05a_ KL4_Z.28). Aus den Erfahrungen ihrer vierjährigen Grundschulzeit leiten 24 % der Kinder ab, dass auf der weiterführenden Schule mit einem schwierigeren und komplexeren Anforderungsniveau zu rechnen sei: „Vielleicht, dass die Schule ein bisschen schwerer wird“ (09_9_03_KL4_Z.24). Weiterhin erwähnen einige Viertklässler*innen (15 %) Unterschiede, die das Schulgelände beschrieben. Sie nennen sowohl Aspekte zum Außenareal („[d]er Schulhof auf jeden Fall. Also, es gibt nicht so viele Geräte, wo man draufgehen kann. Sondern einfach nur so Schulhofbänke, wo man sich hinsetzen kann und einfach irgendwo rumlaufen kann“, 09_11_04_KL4_Z.26), als auch zum Schulgebäude selbst („[d]ie Schule ist größer und hat viele verschiedene Gänge“, 07_14_03_KL4_Z.28). Die Mutmaßungen, die von 15 % der Befragten in Bezug auf die Lehrer*innen geäußert werden, beinhalten die Anzahl der Lehrkräfte („[u]nd dass es mehr Lehrer gibt“, 10_1_01_KL4_Z.30) sowie deren Klassenführungsstil („[d]a sind die Lehrer sehr streng“, 08_47_05b_KL4_Z.28). Unterschiede erwarten manche Viertklässler*innen (15 %) auch in steigenden Schülerzahlen („[d]a sind viel mehr Kinder in einer Klasse“, 07_1_01_KL4_Z.36 und „es sind auch Schüler aus viel mehr Altersgruppen da“, 08_12_05a_KL4_Z.28). Interessant ist, dass die Fünftklässler*innen ein gutes halbes Jahr später ihre vorab geäußerten Vermutungen bestätigen. So haben sie in den ersten Wochen als neu bzw. anders wahrgenommen, dass auf der weiterführenden Schule viele andere Fächer angeboten werden (38 %), sich auch das Anforderungsniveau verändert hat (19 %), das Schulgebäude viel größer ist (37 %) und sie von mehr Lehrer*innen unterrichtet werden (33 %). Auch bei den in Klasse 4 genannten Freuden und Ängsten in Bezug auf den Schulwechsel werden viele Äußerungen im Rückblick auf den Übergang bestätigt. Es ist positiv vorwegzunehmen, dass auf die Frage nach Ängsten vor der weiterführenden Schule, die erste und umgehende Antwort von knapp einem Drittel (31 %) der Viertklässler*innen expressis verbis „[k]eine“ ist und knapp die Hälfte (46 %) der Fünftklässler*innen nach den ersten Wochen keine Beanstandungen haben. In den ersten Wochen haben den Fünftklässler*innen das Gebäude (insbesondere Mensa, Pausenhof und Sporthalle) (26 %), einzelne Fächer (24 %) sowie die Lehrer*innen (19 %) gefallen. Unwohl fühlen sich die Fünftklässler*innen vor allen Dingen mit älteren Schüler*innen (5 %) im Speziellen wenn sie von diesen geärgert werden (6 %). 162 Sonja Brunsmeier Zwischenfazit: „Der Schulwechsel allgemein“ Die Schüleräußerungen zeigen, dass die Kinder den Schulwechsel in der Tat als ein sehr bedeutsames Ereignis in ihrem Leben wahrnehmen. Dies wird daran deutlich, dass sie sich gedanklich mit dem Übergang auseinandergesetzt haben, konkrete Spekulationen zu Unterschieden zwischen den Schulstufen machen und Aussagen zu Freuden und Ängsten machen können. Dabei äußern die Schüler*innen Vermutungen und Wünsche in Bezug auf den neuen Schulalltag und erkennen rückblickend Gemeinsamkeiten bzw. relativieren Erwartetes. Die Kinder beschreiben den Übergang als Wechsel, der für sie persönlich mit vielen Veränderungen verbunden ist, stellen diesen jedoch nicht als einen Bruch dar. Der Englischunterricht in der Grundschule Als Vorbereitung auf das Interview wurden die Viertklässler*innen gebeten, ein Bild zu ihrem Englischunterricht zu malen. Die drei exemplarisch abgedruckten Bilder (→ Abbildung 2) illustrieren den Blick der Kinder auf ‚ihren‘ Englischunterricht. Abb. 2: Bilder zum Englischunterricht in der Grundschule Im Gespräch wurden die Kinder aufgefordert ihr Bild zu erklären. Auf diese Weise konnte in Erfahrung gebracht werden, wie sie den Englischunterricht in der Grundschule erleben. Dabei wurden die in Abbildung 3 genannten Aspekte am häufigsten ausgeführt. Über eine weitere Frage („Stell dir vor, in deine Klasse kommt ein neues Kind. Das Kind möchte wissen, was ihr im Englischunterricht macht? Kannst du ihr/ ihm das erklären? “) konnten weitere Charakteristika des Englischunterrichts erhoben werden. Abbildung 4 zeigt die fünf häufigsten Nennungen. Der Übergang von Klasse 4 nach 5 aus der Sicht von Schüler*innen 163 23 20 19 17 15 0 5 10 15 20 25 Sprechen Themen Präsentation / Referat / Plakat Spiele Schreiben Abb. 3: Kannst du mir dein Bild zum Englischunterricht erklären? - Häufigkeiten der zur Beschreibung des Englischunterrichts genannten Aspekte 32 25 21 21 21 0 5 10 15 20 25 30 35 Themen Lehrwerk Ritualisierter Stundenbeginn Spiele Sprechen Abb. 4: Stell dir vor, in deine Klasse kommt ein neues Kind. Das Kind möchte wissen, was ihr im Englischunterricht macht? Kannst du ihr/ ihm das erklären? - Häufigkeiten der zur Charakterisierung des Englischunterrichts genannten Aspekte Aus den Antworten der Kinder auf die beiden Fragen zu ihrem Englischunterricht können nachfolgende Punkte zum Fremdsprachenunterricht in der Grundschule geschlussfolgert werden. Die englische Sprache wird themenorientiert vermittelt (20 % und 32 %) 2 . Die Kinder nennen konkrete Themen (z. B. Tiere, 2 Die erste Zahl in der Klammer (20%) bezieht sich auf die Nennungen bei der Bildbeschreibung (vgl. Abb. 3), die zweite Zahl (32%) auf die allgemeine Beschreibung des Englisch- 164 Sonja Brunsmeier Zahlen, Farben, etc.), legen aber auch dar, dass sich die Wortschatzerarbeitung und -vermittlung an diesen orientiert: Also, wir haben dann zum Beispiel immer ein bestimmtes Thema, wo wir dann die Wörter lernen und wir dann immer ganz viele Sachen dazu machen. Dann wiederholen wir die Wörter immer wieder und wenn wir das gut können, dann machen wir ein neues Thema (09_17_04_KL4_Z.53). Ein weiteres Charakteristikum des Englischunterrichts in den Klassen 1 bis 4 aus Sicht der Kinder ist die Kommunikation (23 % und 21 %) 3 . Sie beschreiben nämlich dialogische Sprechformen: Beispielsweise tauschen sie sich mit ihren Mitschüler*innen aus: Und hier sind wir halt im Klassenraum und dann fragt halt/ da ist es jetzt die/ der [Mitschüler*in] Have you got a brother or a sister? Dann melden sich ein paar. (…) Und dann sagt sie/ er: No, I have no brother and no sister. Und dann/ es ist halt jetzt die letzte, sagen wir mal Kinderfrage. Weil davor gibt’s noch mehr, ist nicht nur eine. Ich hab das Ende jetzt genommen. (…) Dann sagt die/ der [Englischlehrer*in] irgendwann (…) And the last question for me, please. Und dann überlegt die/ der so sich halt eine Frage und dann/ in dem Falle fragt er jetzt: What do you collect? Und dann antwortet die [Englischlehrer*in]: I collect records. Das hat sie auch schon öfters geantwortet, daher hab ich die Frage genommen, wo ich weiß, dass sie dahin geht. * Also das sammelt, mein ich. Und ja, und dann beginnt halt quasi der richtige Unterricht (09_7_03_KL4_Z.29-35). Die Kinder erläutern auch, wie sie mit der Handpuppe kommunizieren: „Also wir hatten in der ersten und zweiten einen Raben. Der heißt Max. Und da haben wir halt immer am Anfang der Englischstunde haben wir immer mit dem gesprochen“ (09_10_03_KL4_Z.24). Die Kinder berichten weiterhin auch von monologischen Sprechformen, wie z. B. der Präsentation von Plakaten: Also, dann komm ich zum Beispiel an die Tafel und dann wird erklärt/ also dann sag ich * hab das Thema Wolf und dann lese ich so bisschen das Plakat vor und so und sage wichtige Informationen. Und ja/ und wenn wir dann fertig sind, dann applaudieren wir (09_8_03_KL4_Z.40). Ferner nehmen die Kinder den Englischunterricht als spielerisch wahr (17 % und 21 %) 4 und beziehen sich dabei u. a. auf den Einsatz von Lernspielen, welche unterrichts in der Grundschule (vgl. Abb. 4). 3 Die erste Zahl in der Klammer (23%) bezieht sich auf die Nennungen bei der Bildbeschreibung, die zweite Zahl (21%) auf die allgemeine Beschreibung des Englischunterrichts in der Grundschule. 4 Die erste Zahl in der Klammer (17%) bezieht sich auf die Nennungen bei der Bildbeschreibung, die zweite Zahl (21%) auf die allgemeine Beschreibung des Englischunterrichts in der Grundschule. Der Übergang von Klasse 4 nach 5 aus der Sicht von Schüler*innen 165 die Lehrer*innen beispielsweise zur Festigung des Wortschatzes oder zur Ausspracheübung einsetzen: S: Ja Bilder. Tiere und so. Dann legt sie das hin. Also verdeckt. Ein Kind muss verdecken. Dann halten die die Augen zu. Dann musst du dann/ welches Tier das war. I: What’s missing? S: Ja, genau! (10_6_01_KL4_Z.66-68) S: (…) oder spielen ein Spiel. Beispiel: Unsere Lehrerin hat Bilder von lock, tree, lock, mushroom, snake an die Tafel gehängt. Dann sagt sie */ klatscht auf lock, und dann müssen wir lock s agen. Und wer als erstes das Falsche sagt, der geht dann/ ist dann raus (07_1_01_KL4_Z.54). Solche Elemente spielerischen Lernens mögen 16 % der Schüler*innen ganz besonders. Weiterhin schätzen die Kinder das Primat der Mündlichkeit (17 %) und hier besonders Präsentationen (9 %) und die Rollenspiele (8 %). Ein gutes Zehntel der Kinder äußert sogar, „alles“ im Englischunterricht gerne zu machen (→ Abbildung 5). 16 11 9 8 7 0 2 4 6 8 10 12 14 16 18 Spiele Alles Präsentationen Rollenspiele Lehrwerk Abb. 5: Gibt es etwas, was du im Englischunterricht besonders gern magst? Häufigkeiten der genannten Unterichtselemente Knapp die Hälfte der Kinder (46 %) sagt, dass es „nichts“ gibt, was sie im Englischunterricht nicht mögen (→ Abbildung 6). Mit den Aspekten „Störungen“ und „Hausaufgaben“ werden weiterhin zwei Punkte genannt, die nicht nur dem Englischunterricht zuzuordnen sind. 6 % der Viertklässler*innen nehmen wahr, wie wichtig es ist, die englische Sprache zu verstehen, um dem Unterricht folgen zu können: „Manchmal versteht man was nicht so gut, dann kommt man halt nicht so gut mit. Das ist dann auch nicht so schön“ (09_7_03_KL4_Z.46). Bei 166 Sonja Brunsmeier den verschiedenen Kommunikationsangeboten haben verschiedene Lerntypen unterschiedliche Präferenzen: „Ja [ich mag nicht], wenn wir Plakate vorstellen müssen. Dann bin ich immer schüchtern“ (07_13_03_KL4_Z.36). 45 6 4 3 3 0 5 10 15 20 25 30 35 40 45 50 Nichts Nicht verstehen Störungen Hausaufgaben Plakate Abb. 6: Gibt es etwas, was du im Englischunterricht gar nicht gern magst? Häufigkeiten der genannten Aspekte Die meisten Aussagen, zu dem, was den Kindern im Englischunterricht der Grundschule leicht bzw. schwerfällt, beziehen sich auf die Fertigkeiten (→ Abbildung 7). Dabei ist auffällig, dass Lernende auf verschiedene Weise mit den Anforderungen umgehen. Unterschiede zeigen sich beispielswiese beim Umgang mit der Schrift. 17 % der Kinder fällt das Schreiben leicht. Dabei nennen die Viertklässler*innen Aspekte, die sich sowohl auf die Textebene als auch auf die Rechtschreibung beziehen („besonders leicht fällt mir Texte zu schreiben, auf Englisch“, 09_11_04_KL4_Z.50 und „das Schreiben finde ich eigentlich leicht, wie man das schreibt“, 09_17_04_KL4_Z.59). Genau diese beiden Teilbereiche werden von anderen Schüler*innen jedoch als schwer erlebt: „[w]enn man so ein bisschen so einen Text schreiben muss ohne, also nicht so viele Wörter da unten stehen, also oben oder unten stehen“ (09_13_04_ KL4_Z.42) und: „das Groß- und Kleinschreiben, das ist ein bisschen schwer“ (09_14_04_KL4_Z.54). Der Übergang von Klasse 4 nach 5 aus der Sicht von Schüler*innen 167 17 14 12 0 2 4 6 8 10 12 14 16 18 Arbeitsblätter Sprechen Schreiben Das fällt mir leicht 29 17 16 9 0 5 10 15 20 25 30 35 Nichts Schreiben Aussprache Verstehen Das fällt mir schwer Abb. 7: Was fällt dir im Englischunterricht der Grundschule besonders leicht/ schwer? - Häufigkeiten der genannten Aspekte Zwischenfazit: „Der Englischunterricht in der Grundschule“ Die detaillierten Ausführungen der Viertklässler*innen zeigen, dass sie den Englischunterricht sehr bewusst wahrnehmen. Aus den Erläuterungen der Kinder ist ersichtlich, dass die meisten Schüler*innen das Fach sehr gerne mögen und Freude am Unterricht haben. Dies mag zum einen aus den ausgewählten Themen resultieren, welche die Kinder interessieren, zum anderen aus den Arbeitsweisen, mit denen die Themen bearbeitet werden. Hier schätzen die Grundschüler*innen besonders das spielerische Lernen und den Einsatz verschiedener Sozialformen. Der Fremdsprachenfrühbeginn wird von den Kindern primär als kommunikativ erlebt. Dies belegen die vielfältigen Beschreibungen von Sprechangeboten (vom ritualisierten Stundenbeginn über den Austausch mit Mitschüler*innen oder der Lehrperson bis hin zum Halten von Referaten). Auch nehmen die Kinder den Einsatz der Schrift sehr bewusst wahr. Es wird sowohl von dienenden Funktionen der Schrift (z. B. beim Schreiben von ersten eigenen Texten) als auch von formfokussierten Schrifteinsätzen (z. B. Rechtschreibung) erzählt. Es ist ein Zusammenhang zwischen dem, was die Kinder gerne/ nicht mögen und dem, was ihnen leicht/ schwer fällt zu erkennen. Ein abschließendes Augenmerk sei auf den Umstand gerichtet, dass ein knappes Drittel der Kinder aussagt, dass es nichts gibt, was ihnen im Englischunterricht schwerfällt (→ Abbildung 7). Aus dieser Aussage der Kinder kann eine vorsichtige Schlussfolgerung für die Gestaltung des Englischunterrichts in der Grundschule allgemein gezogen werden: Dieser darf sich nicht davor scheuen, herausfordernd zu sein. D.h. es muss darum gehen, die Schüler*innen in einer altersgemäßen Lernkultur kognitiv zu fordern und sie zu ermutigen sich fremdsprachlich auszudrücken. 168 Sonja Brunsmeier Der Englischunterricht in der weiterführenden Schule Die Fünftklässler*innen wurden zunächst darum gebeten, den Englischunterricht in ihrer weiterführenden Schule zu beschreiben - diesmal jedoch ohne vorab ein Bild zu malen: „Denk mal zurück an die Grundschule. Was ist anders? Was ist neu? Erzähl mal.“-/ „Was habt ihr bisher in den ersten Wochen im Englischunterricht auf der neuen Schule alles gemacht? “-/ „Stell dir vor, du besuchst deine alte Grundschule und sollst den Viertklässler*innen berichten, was ihr im Englischunterricht in Klasse 5 macht. Was würdest du sagen? “. Alle diese drei Fragen (F) forderten zur Beschreibung des Englischunterrichts auf die eine oder andere Art und Weise auf. Als häufigste Antworten (A) nannten die Schüler*innen (N) die Rolle von Vokabeln (73 %, 63 %, 30 %) 5 , das Schreiben von Klassenarbeiten und/ oder Tests (17 %, 23 %, 15 %) 6 , das veränderte Anforderungsniveau (20 %, 37 %) 7 und die Arbeit im Lehrwerk (15 %, 28 %) 8 (→ Tabelle 1). 9 F Denk mal zurück an die Grundschule. Was ist anders? Was ist neu? Erzähl mal. A Klassenarbeiten Lehrwerk Mehr 9 Anforderungen Unterrichtssprache Vokabeln Vokabeltest N 16 14 16 19 15 43 26 F Was habt ihr bisher in den ersten Wochen im Englischunterricht auf der neuen Schule alles gemacht? A Grammatik Klassenarbeiten Lehrwerk Schreiben Themen Vokabeln N 23 22 26 13 15 59 5 Die erste Zahl in der Klammer (73%) bezieht sich auf die Antwort auf Frage 1, die zweite Zahl (63%) bezieht sich auf die Antwort auf Frage 2 und die dritte Zahl (30%) auf die Antwort auf Frage 3. 6 Die erste Zahl in der Klammer (17%) bezieht sich auf die Antwort auf Frage 1, die zweite Zahl (23%) bezieht sich auf die Antwort auf Frage 2 und die dritte Zahl (15%) auf die Antwort auf Frage 3. 7 Die erste Zahl in der Klammer (20%) bezieht sich auf die Antwort auf Frage 1 und die zweite Zahl (37%) bezieht sich auf die Antwort auf Frage 3. 8 Die erste Zahl in der Klammer (15%) bezieht sich auf die Antwort auf Frage 1 und die zweite Zahl (28%) bezieht sich auf die Antwort auf Frage 2. 9 Unter dem Punkt „Mehr“ sind Äußerungen der Schüler*innen zusammengefasst, die sich auf mehr Englischstunden in der Woche, die Anzahl der Klassenarbeiten/ Tests oder Inhalte im Unterricht beziehen. Der Übergang von Klasse 4 nach 5 aus der Sicht von Schüler*innen 169 F Stell dir vor, du besuchst deine alte Grundschule und sollst den Viertklässler*innen berichten, was ihr im Englischunterricht in Klasse 5 macht. Was würdest du sagen? A Klassenarbeiten Anforderungen Englisch macht Spaß Sprechen Vokabular N 14 35 19 12 28 Tab 1: Beschreibung des Englischunterrichts in der weiterführenden Schule Neu ist halt neue Vokabeln und so. Dann war/ in der Grundschule war noch/ da haben wir/ da haben wir noch keine Vokabeltests geschrieben und uns auch nicht so wirklich damit beschäftigt. Wir sollten/ wir mussten keine Vokabeln aufschreiben oder so, konnten die uns da einfach so merken (09_11_04_KL5_Z.2). und Im alten Unterricht in der alten Schule da haben wir am meisten so Geschichten bekommen/ gespielt usw. Aber hier bekommt man Vokabeln und die muss man lernen. Dann bekommt man einen Vokabeltest. Das ist jetzt hier neu (07_1_01_KL5_Z.12). Aus den Beschreibungen der Vokabelarbeit der Fünftklässler*innen wird deutlich, dass sie die Wortschatzarbeit in der Grundschule deutlich anders als auf der weiterführenden Schule wahrnehmen. Statt eines thematisch und kontextualisierten Angebots im Rahmen des Unterrichts legen die Kinder dar, dass sie auf den weiterführenden Schulen Vokabeln abschreiben und lernen müssen sowie ihr Vokabelwissen in Form von regelmäßigen Tests überprüft wird. Nicht nur die (fast wöchentlichen) Vokabeltests, sondern auch das Schreiben von benoteten Klassenarbeiten im Fach Englisch ist neu für die Fünftklässler*innen. Dies äußern die Kinder als Feststellung („es ist schon ähnlich, also man macht halt immer noch Englisch, aber jetzt schreibt man halt auch Arbeiten“, 08_21_05a_KL5_Z.10 und „[m]an schreibt dann auch Arbeiten mit Noten“, 11_2_02_KL5_Z.17). Darüber hinaus machen die Kinder auch Aussagen zum Inhalt der Klassenarbeiten: „Heute haben wir unsere erste Arbeit geschrieben. Es war eigentlich nur Wiederholung. Das haben wir bereits am Ende des vierten Schuljahres bereits gemacht“ (08_13_05a_KL5_Z.14). Das veränderte Anforderungsniveau erklären die Kinder mit Hilfe konkreter Beispiele: Also jetzt ist es schwerer. Man nimmt, in der/ in der Grundschule war es jedenfalls/ da waren nur einzelne Wörter und die Lehrer haben auch auf Deutsch geredet. In der vierten Klasse war es dann schon schwieriger. In der Fünften redete der Lehrer jetzt eben die ganze Zeit Englisch und erklärt nicht mehr auf Deutsch (08_25_05a_KL5_Z.10). 170 Sonja Brunsmeier Es wird jedoch auch deutlich, dass sie den höheren Schwierigkeitsgrad nicht unbedingt als Belastung empfinden: Ich würde sagen der [Englischunterricht] ist ziemlich gut, aber der ist auch viel schwerer. Aber ihr braucht euch keine Sorgen zu machen, dass das schlimmer wird oder so und es macht auch eigentlich ziemlich viel Spaß jetzt, der Englischunterricht (09_17_04_KL5_Z.28). Die Schüler*innen nehmen wahr, dass das Lehrwerk im Englischunterricht der weiterführenden Schule einen zentralen Stellenwert einnimmt: [W]ir haben jetzt auch ein Englischbuch. Das hatten wir in der Grundschule nicht. Und dort machen wir eigentlich jede Stunde eine Seite oder so. Und dann müssen wir eben auch immer/ ganz hinten sind dann immer die Vokabeln zu der Seite, die müssen wir dann jedes Mal immer abschreiben und lernen (09_2_03_KL5_Z.12). Sehr gerne mögen die Fünftklässler*innen bei der Lehrwerksarbeit die Schulbuchfiguren. Im Hinblick auf das Lernen und die Arbeit mit Vokabeln und der Schrift gehen die Meinungen der Schüler*innen auseinander (→ Abbildung 8). 10 10 10 15 02468 10 12 14 16 Das mag ich 4 5 9 3 3 3 0123456789 10 Das mag ich nicht Abb. 8: Das mag ich (nicht) im Englischunterricht - Häufigkeiten der genannten Aspekte Manche Fünftklässler*innen führen persönliche Neigungen an: Was ich gern mag sind, auch wenn es verrückt klingt, manchmal mag ich es Vokabeln auswendig zu lernen. Das macht mir sogar viel Spaß, weil ich auch gerne schauspielere und da muss man auch ganz viel Text auswendig lernen, wenn auch nicht auf einer anderen Sprache. Aber ich bin eh ein verrückter Mensch, also mag ich Vokabeln auswendig lernen (09_7_03_KL5_Z.36). Der Übergang von Klasse 4 nach 5 aus der Sicht von Schüler*innen 171 Derweil sehen andere Kinder das Lernen von Vokabeln strategisch für ihre Note: „das sind die Vokabeln, die mag ich auch sehr gerne, weil ich kann mir eben Sachen sehr gut merken. Und deswegen hab ich eben gute Noten. Und deswegen/ ja, deswegen mach ich’s eben“ (07_10_03_KL5_Z.50). Schüler*innen, denen das Lernen von Vokabeln nicht zusagt, begründen dies wie folgt: Ich mag nicht Vokabeln, das finde ich voll doof. Ich mag das nicht. Ich hasse das, wenn man das dann lernen muss und dann am nächsten Tag fragt sie uns das dann immer ab und dann weiß man das manchmal gar nicht mehr. Und dann sitzt man dort und alle schauen dich an und du weißt es nicht, das ist dann voll doof (09_17_04_KL5_Z.36). Einzelne Fünftklässler*innen schätzen den Einsatz der Schrift vor allen Dingen in Bezug darauf, sich nun auch schriftlich ausdrücken zu können: „Ich mag’s eigentlich auch ziemlich gern, dass wir jetzt mehr schreiben, weil wir haben vorher nie so wirklich geschrieben“ (09_2_03_KL5_Z.38). Das Abschreiben von Vokabeln, Passagen aus dem Lehrwerk und/ oder von der Tafel machen sie nicht gerne oder empfinden dies als anstrengend (46 %). Das Schreiben wird auch häufig als Antwort auf die Frage genannt, was den Kindern leichtbzw. schwerfällt (→ Abbildung 9). Die Fünftklässler*innen profitieren von ersten Vorkenntnissen aus der Grundschule: „Ja, das Sprechen und das Schreiben eigentlich auch, weil wir auch sehr viel in der Grundschule gemacht hatten, weil wir auch von der ersten Klasse bis zur vierten hatten. Und da haben wir auch sehr viel gemacht“ (11_2_02_KL5_Z.42). Dennoch nennen sie Schwierigkeiten im Bereich des freien Schreibens: „Manchmal fällt es mir schwer, einen Satz zu schreiben. Manchmal fallen mir manche Wörter nicht ein, zum Beispiel die Verben so“ (09_19_03_KL5_Z.38). Auch die Rechtschreibung ist nicht immer einfach: „Ich schreib schon noch/ ich bin nicht gerade der Beste in Englisch, ich schreib auch noch vieles falsch. Aber sprechen kann ich eigentlich fließend“ (08_6_04_KL4_Z.34). 172 Sonja Brunsmeier 12 14 20 0 5 10 15 20 25 Schreiben Sprechen Vokabel lernen Das fällt mir leicht 7 7 9 0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 Rechtschreibung Schreiben Vokabel lernen Das fällt mir schwer Abb. 9: Was fällt dir im Englischunterricht in Klasse 5 besonders leicht/ schwer? - Häufigkeiten der genannten Aspekte Zwischenfazit: „Der Englischunterricht in der Grundschule“ Auch in den weiterführenden Schulen beschreiben die Fünftklässler*innen den Englischunterricht positiv. Veränderungen und Gemeinsamkeiten zum Fremdsprachenfrühbeginn erklären sie differenziert. Dabei fällt auf, dass die Kinder den Englischunterricht nun nicht mehr nur über Inhalte oder Aufgabenbeispiele beschreiben, sondern ergänzend konkrete Fertigkeiten benennen. Der Umgang mit den Vokabeln und der Stellenwert dieser im Englischunterricht sind für die Fünftklässler*innen ‚neu‘. Bei fast allen Fragen wurden die Vokabeln von den Kindern thematisiert. Sie erkennen die Relevanz dieser, empfinden Abschreiben, Lernen und Überprüfung aber teilweise als Belastung. Die Dominanz des Lehrwerks zeigt sich über die Häufigkeit der Nennungen. Bei den Einschätzungen der Kinder, zu dem, was ihnen leichtbzw. schwerfällt, wird deutlich, dass sie von ihren Vorkenntnissen aus der Grundschule profitieren. Hotspot 1: Kommunikation Da Fremdsprachendidaktiker*innen (z. B. Drese 2007, Diehr / Frisch 2008) sowie Curricula (z. B. Ministerium für Schule und Weiterbildung des Landes Nordrhein-Westfalen 2008, Hessisches Kultusministerium 2011, Ministerium für Jugend, Kultus und Sport Baden-Württemberg 2016) der Fertigkeit Sprechen einen hohen Stellenwert im Fremdsprachenunterricht zuschreiben, wurden die Schüler*innen in beiden Interviews nach ihren Erfahrungen und Wahrnehmungen zu diesem Bereich gefragt. Sowohl in der Grundschule als auch in Klasse 5 wird deutlich, dass den Kindern vielfältige Sprechangebote gemacht werden (→ Abbildung 10 und → Abbildung 11). Der Übergang von Klasse 4 nach 5 aus der Sicht von Schüler*innen 173 2 2 2 3 2 41 13 13 6 2 18 1 1 3 11 23 13 9 3 1 2 1 0 5 10 15 20 25 30 35 40 45 Abb. 10: Klasse 4-- Englisch lernen hat mit Sprechen zu tun. Habt ihr dazu Gelegenheit im Englischunterricht? Häufigkeiten der genannten Unterrichtselemente 1 4 5 2 3 2 1 6 1 2 1 3 63 1 1 1 3 13 39 1 4 31 14 1 0 10 20 30 40 50 60 70 Abb. 11: Klasse 5-- Englisch lernen hat mit Sprechen zu tun. Habt ihr dazu Gelegenheit im Englischunterricht? Häufigkeiten der genannten Unterrichtselemente 174 Sonja Brunsmeier Im Englischunterricht der Grundschule sowie im Englischunterricht der weiterführenden Schule beschreiben die Schüler*innen am häufigsten Situationen, in denen sie mit anderen Mitschüler*innen sprechen. In Klasse 4 berichten die Kinder beispielsweise von einer class survey : „Da hatten wir so ein Blatt, wie gesagt, und da waren immer so das Getränk war auf dem/ also drauf gemalt und dann mussten wir die Kinder halt fragen, was ist dein Lieblingsgetränk“ (07_12_03_KL4_Z.52). In Klasse 5 geben sie ein Beispiel zu einem Interview: Also, wenn wir zum Beispiel uns halt die Aufgabe haben uns was zu erzählen über was wir zum Beispiel als Haustier haben oder so, dann müssen wir halt sagen, ja okay wir haben das als Haustier. Und dann fragt der andere, ob der das auch hat (09_18_04_KL5_Z.54). Weiterhin ist das Gespräch mit der Lehrperson eine typische Kommunikationssituation: „Also, manchmal sagt Frau [Lehrer*in] irgendwie, keine Ahnung, was für ein Tag ist heute und dann müssen wir antworten“ (09_13_04_KL4_Z.46). Die Fünftklässler*innen thematisieren hierbei häufig die Sprachwahl: „Wenn er was fragt, und wir es beantworten müssen, müssen wir es auf Englisch sagen“ (09_6_03_KL5_Z.44). Dass in der weiterführenden Schule explizit die Verwendung der Fremdsprache eingefordert wird, äußern einige Schüler*innen: Also die [Lehrerin] die kommt immer rein und spricht dann gleich mit uns Englisch. Und da sollen wir halt auch mal versuchen mit ihr Englisch zu sprechen. Also wir sollen nicht so oft was auf Deutsch sagen bei Fragen beantworten oder so. Also da sollen wir mehr so auf Englisch was sagen (08_7_05a_KL4_Z.36). Zwischenfazit: „Hotspot 1: Kommunikation“ Die Berichte der Kinder von ihrem Englischunterricht in beiden Schulstufen bestätigen, dass die gängige Alltagspraxis den Forderungen der Fachdidaktiker*innen und der bildungspolitischen Papiere durchaus Rechnung trägt. Sie bietet offenbar vielfältige Sprechanlässe, die dazu geeignet sind, sowohl monologische als auch dialogische Formen des Sprechens zu üben und die Kinder so auf den Austausch mit Menschen aus anderen Kulturen vorzubereiten. Gefordert und gefördert werden formale Aspekte des Sprechens (z. B. die Aussprache oder grammatikalische Korrektheit), die dann in konkreten Kontexten (z. B. Rollenspielen) erprobt werden. Die Äußerungen der Schüler*innen spiegeln ihre Kommunikationsbereitschaft wider. Diese Motivation und Offenheit gilt es zu unterstützen und aufrecht zu erhalten. Dass die fremde Sprache sowohl Ziel als auch Mittel des Englischunterrichts ist, unterscheidet diesen von allen anderen Schulfächern und wird von den Kindern bewusst wahrgenommen. Gerade darum ist es wichtig, dass die Lehrkraft die Schüler*innen immer wieder ermuntert, die Fremdsprache als Kommunikationsmedium zu verwenden und gleichzeitig als fremdsprachli- Der Übergang von Klasse 4 nach 5 aus der Sicht von Schüler*innen 175 ches Vorbild fungiert, an dem die Kinder sich orientieren können. Ihr Input bereitet die Schüler*innen auf zunehmend freieres Sprechen (z. B. Partnerdialoge) vor. Hotspot 2: Schrift In den letzten Jahren wird vermehrt gefordert, die Schrift bereits systematisch im Fremdsprachenunterricht der Grundschule einzusetzen (z. B. Diehr / Rymarczyk 2010). Studien in diesem Bereich belegen die Erfolge der Kinder in den Bereichen des Lesens und Schreibens (z. B. Frisch 2013). In den Interviews berichten die Viertklässler*innen von verschiedenen Situationen im Laufe ihrer Grundschulzeit, in denen sie bereits mit dem Schriftbild in Kontakt kommen bzw. die Schrift produktiv verwenden (→ Abbildung 12). 10 18 1 2 4 2 6 4 3 20 10 1 15 2 5 6 2 1 12 4 1 4 3 0 5 10 15 20 25 Abb. 12: Die Schrift im Englischunterricht in der Grundschule - Häufigkeiten der genannten Unterrichtselemente In der Grundschule sagen die Kinder, dass sie vor allem im Lehrwerk und auf Arbeitsblättern schreiben: Wenn wir zum Beispiel einen Film geschaut haben, oben, dann gibt es ja im [Name des Lehrwerks], so eine Seite dazu und dann müssen wir die fehlenden Wörter hinschreiben. Oder die Sprechblasen, was sie sagen (08_42_05a_KL4_Z.70). Weiterhin beschreiben die Schüler*innen, dass sie die Schrift auch bei der Vorbereitung von Referaten benötigen: 176 Sonja Brunsmeier Ja. Also da ist es wie so/ man hat ein Thema, zum Beispiel (…): My fantasy animals. (…) Wir haben ja auch so English dictionaries, da sind auch Wörter, die hatten wir damals aber noch nicht. Also wir malen ein Bild zum Beispiel, wenn wir uns ein Tier / fantasy animal besteht aus mehreren Tieren. Wenn ich jetzt zum Beispiel einen Löwenkopf, ein Schweinchenbauch und einen Nilpferdpopo mache, dann mal ich das. Und auch mit Hintergrund und so. Und dann überleg ich halt. Und dann schreibt man so wie: My fantasy animal. It lives in…, it eats…, it drinks… . Und dann geben wir den Text halt noch so das Ganze/ geben wir nur den Text an die Lehrerin. Die korrigiert das dann, dann kriegen wir ein Plakat, dort kleben wir unser Bild auf und schreiben den Text noch mal richtig und groß und deutlich lesbar auf. Dann übt man einen Vortrag und dann gibts Vortrag-Stunden quasi, da hängt man/ macht die Tafel/ ähm die Klasse einen Kinositz wird das bei uns genannt. Da gibt’s Stuhlreihen oder auch auf Sitzkissen und auch auf den beiden vorderen Tischen kann man sich hinsetzen. Und dann wird halt das Plakat an die Tafel gehängt und dann präsentiert man das halt (09_7_03_KL4_Z.46-47). In den weiterführenden Schulen nennt fast die Hälfte der Kinder das Vokabel(ab)schreiben (→ Abbildung 13). Außerdem merken die Fünftklässler*innen an, dass sie nun zunehmend auch eigene Texte schreiben: [D]as Schreiben fällt mir gerade schon ein bisschen schwerer. Weil in der Grundschule haben wir zwar bei Plakaten viel geschrieben, aber wir hatten dafür den Text. Und da mussten wir nur gucken, was wir abschreiben konnten. Und hier müssen wir mehr eher so selbst schreiben ohne Texte (07_12_03_KL5_Z.40). Schrift Abschreiben Anstrengen d Arbeitsblätt er Auswendig lernen Berichte Bildbeschrei bung Briefe Fragen beantworte n 17 1 6 1 2 2 2 1 17 1 6 1 2 2 2 1 11 4 1 8 17 4 2 9 2 1 22 43 7 1 0 5 10 15 20 25 30 35 40 45 50 Abb. 13: Die Schrift in der weiterführenden Schule - Häufigkeiten der genannten Unterrichtselemente Der Übergang von Klasse 4 nach 5 aus der Sicht von Schüler*innen 177 Zwischenfazit: „Hotspot 2: Schrift“ Aus den Erzählungen der Schüler*innen ist ablesbar, dass die Schrift eine unterschiedliche Rolle im Englischunterricht der Grundschule im Vergleich zum Englischunterricht auf den weiterführenden Schulen spielt. Ein Blick über das PRO- JEKT hinaus zeigt, dass der Einsatz der Schrift in den letzten Jahren viel diskutiert wurde (z. B. Diehr 2011, Rymarczyk 2008). So bewegt sich der Kontakt mit der Schrift in der Grundschule (aktuell) tendenziell eher auf der Wortebene oder der Arbeit mit Modelltexten. Die Schrift hat in der Grundschule eine dienende Funktion. Neuere Forschungserkenntnisse unterstützen und fordern, den Einsatz der Schrift gezielt in den Fremdsprachenfrühbeginn aufzunehmen (z. B. Kötter / Rymarczyk 2015). Auch Lehrpläne sehen den Einsatz der Schrift als Teil des Englischunterrichts und legen durch Kompetenzbeschreibungen und Zielformulierungen deren Funktion und Notwendigkeit dar (z. B. Ministerium für Jugend, Kultus und Sport Baden-Württemberg 2016). Perspektivisch ermöglicht dies, die Schrift systematisch und in verschiedenen Aufgabenformaten auch jungen Schüler*innen anzubieten. In den weiterführenden Schulen bemerken die Kinder, dass der Schrift nun ein anderer Stellenwert zugesprochen wird und in vielen Situationen verwendet und gefordert wird (z. B. in Klassenarbeiten, dem Verfassen eigener Texte). Hotspot 3: Vorkenntnisse und Anknüpfungspunkte In den Interviews in Klasse 4 wurden die Schüler*innen gebeten, auf den Englischunterricht in ihrer Grundschulzeit zurückzuschauen. Auffällig dabei ist, dass knapp die Hälfte (42 %) der Grundschüler*innen aussagen, dass sie keine Ängste vor dem Englischunterricht in der weiterführenden Schule haben. Dies zeugt von einer Offenheit gegenüber dem Fach und dem Selbstvertrauen der Kinder in die eigenen fremdsprachlichen Fähigkeiten. Wenn die Kinder Bedenken äußern, so beziehen sich diese überwiegend auf die Angst, von anderen Kindern ausgelacht zu werden (7 %): „Wenn ich etwas Falsches sage, dass die Kinder dann lachen“ (10_4_01_KL4_Z.70). Wünsche für den Englischunterricht sind hauptsächlich in drei Bereiche zu gliedern. Diese sind personenbezogen (auf sich selbst, die Lehrperson, die Mitschüler*innen), umfassen Einstellungen zum Fach (d. h. die Kinder haben Freude an dem Fach) und thematisieren die Lernatmosphäre (d. h. die Kinder wünschen sich ein gutes Lernklima). Ferner wurden die Viertklässler*innen gebeten zu antizipieren, was aus dem Englischunterricht in der Grundschule hilfreich für sie auf der weiterführenden Schule sein würde (→ Abbildung 14). Es werden vor allen Dingen konkrete Fertigkeiten (z. B. Schreiben, Sprechen und Lesen) benannt und die Rolle und Funktion des Wortschatzes erklärt. Die Kinder sehen im Fremdsprachenfrühbeginn, d. h. Englisch ab Klasse 1, einen deutlichen Vorteil für sich. 178 Sonja Brunsmeier Anknüpfen an Bekanntes Arbeitsblätter Aussprache E ab Kl 1 Anzahl SuS 3 1 8 9 Prozent 3% 1% 8% 9% 3 1 8 9 1 1 1 1 5 1 1 1 2 21 15 6 1 3 20 1 0 5 10 15 20 25 Abb. 14: Hilfreiche Vorkenntnisse aus der Grundschule (Vermutungen Klasse 4) - Häufigkeiten der genannten Aspekte Hilfreiche Vorkenntnisse aus GS Alles Alphabet Aussprache Bekanntes wird wiederholt Classroom Language E ab Kl 1 Grammatik Anzahl SuS 5 1 8 5 1 23 5 5 1 8 5 1 23 5 1 3 3 21 26 1 23 1 1 4 31 0 5 10 15 20 25 30 35 Abb. 15: Hilfreiche Vorkenntnisse aus der Grundschule (Rückblick aus Klasse 5) - Häufigkeiten der genannten Aspekte Der Übergang von Klasse 4 nach 5 aus der Sicht von Schüler*innen 179 Es gibt eine große Überschneidung zwischen den genannten Vermutungen in Klasse 4 (→ Abbildung 14) und den Antworten der Fünftklässler*innen auf die Frage „Blick nochmal zurück auf den Englischunterricht der Grundschule. Du hast in der Grundschule viel gelernt. Was davon hat dir in der neuen Klasse am meisten geholfen? “ (→ Abbildung 15). Viele Kinder (20 %-/ 33 %) 10 empfinden ihre Kenntnisse im Bereich Wortschatz als hilfreich: „Also, viele leichte Wörter und alles. Also was vom Anfang vom Schuljahr war in der ersten, zweiten, dritten und vierten und fünften Klasse. Das wiederholen wir auch in der Fünften“ (11_4_02_KL5_Z.54). Darüber hinaus sind es aber auch bereits entwickelte Fertigkeiten, mit denen die Kinder sich im Englischunterricht der weiterführenden Schule einbringen können. In Bezug auf das Sprechen (15 %-/ 28 %) 11 sehen sie sich anderen Kindern gegenüber einen Schritt voraus: Also zum Beispiel über sich zu reden. Weil manche Kinder hatten ja überhaupt kein Englisch. Oder hatten, aber haben nichts daraus gelernt. Und wir haben sehr vieles gelernt in Englisch. Und zum Beispiel Sätze zum Beispiel über uns zu reden. Das haben wir auch so gelernt in der [Grundschule] (10_8_01_KL5_Z.28). Beim Schreiben von einzelnen Wörtern, aber auch ganzen Texten können die Fünftklässler*innen ihre Vorkenntnisse nutzen: Also in der früheren Schule haben wir auch oft so einen Ich-Text geschrieben, dort wo mein Name ist und so. Und das haben wir zurzeit auch in der Schule jetzt gemacht und das hat mir auch wirklich geholfen (09_19_03_KL5_Z.53). Im Vergleich zu anderen Kindern benennen die Schüler*innen, dass sie durch Englisch ab Klasse 1 einen Vorsprung haben: Ich glaube, die Erfahrung und das Sprechen einfach, weil viele aus unserer Klasse haben erst ab der dritten Klasse Englisch und dann merkt man auch schon so die sind sich jetzt noch da so ein bisschen unsicher. Und, wo wir (…) dann halt schon sicherer sind (11_3_02_KL5_Z.18). 10 Die erste Prozentzahl in der Klammer (20%) bezieht sich auf die Antworten der Viertklässler*innen. Die zweite Prozentzahl in der Klammer (33%) bezieht sich auf die Antworten der Fünftklässler*innen. 11 Die erste Prozentzahl in der Klammer (15%) bezieht sich auf die Antworten der Viertklässler*innen. Die zweite erste Prozentzahl in der Klammer (28%) bezieht sich auf die Antworten der Fünftklässler*innen. 180 Sonja Brunsmeier Zwischenfazit: „Hotspot 3: Vorkenntnisse und Anknüpfungspunkte“ Die Erklärungen der Kinder zeigen, dass sie dem Wechsel in den Englischunterricht in die weiterführende Schule offen und interessiert begegnen. Es ist wichtig, dass diese positive Einstellung zum Fach auch auf der weiterführenden Schule aufrecht gehalten wird. Wie die Äußerungen der Kinder zeigen, kann der Schulwechsel angenehm und erfolgreich gestaltet werden, indem den Schüler*innen die Gelegenheit gegeben wird, ihr Vorwissen einzubringen. Die Kinder sehen es als Vorteil für sich, dass sie Gelegenheit hatten, schon ab der 1. Klasse Englisch gelernt zu haben. Auf der Ertragsseite verbuchen sie ihre Wortschatzkenntnisse und ihre Fertigkeiten zu verstehen und zu sprechen. Eine enge Kooperation und Kommunikation zwischen den Lehrpersonen beider Schulstufen erlaubt es, die Kinder dort abzuholen, wo sie stehen, auf Bekanntes aufzubauen und dieses um Neues zu erweitern. Die hier präsentierten Stimmen der Schüler*innen unterstützen die Vermutung, dass es im PROJEKT zumindest in Ansätzen gelang, den Kindern eine Kontinuität der Lernerfahrung zu ermöglichen. Sie nehmen einerseits wahr, dass ihr Können wertgeschätzt wird, zum anderen sind sie sich durchaus bewusst, dass sie in der fünften Klasse anders gefordert werden. Diese Herausforderungen nehmen sie an. 5 Fazit und Ausblick In dieser Größenordnung wurden bislang noch nicht Schüler*innen zu ihren Erfahrungen mit dem Übergang im Fach Englisch befragt. Die bisher vorliegenden Studien haben die Meinungen der Kinder über Fragebögen erhoben (Marschollek 2007, Bebermeier 2008) oder im Rahmen von Fallstudien analysiert (Wagner 2009). Ein Novum der in diesem Kapitel vorgestellten Interviewstudie ist weiterhin, dass genau mit denselben Schüler*innen in Klasse 4 und Klasse 5 gesprochen wurde. Die Befragungen der Schüler*innen im Rahmen des PROJEKTES zu ihrem Englischunterricht in der Grundschule und den weiterführenden Schulen präsentiert eine weitere wichtige Perspektive auf den Übergang. Ziel der Gespräche in Klasse 4 und 5 war es, die Wahrnehmungen und Erfahrungen der Kinder zum Schulwechsel speziell im Fach Englisch zu erheben. Die Eignung problemzentrierter Leitfadeninterviews hat sich für dieses Erkenntnisinteresse bestätigt. Die Qualitative Inhaltsanalyse ermöglichte das umfangreiche Datenmaterial systematisch auszuwerten und die Ausführungen der Kinder durch die Erarbeitung von Themenbereichen inhaltlich zu strukturieren. Auf diese Weise konnten Erkenntnisse in Bezug auf den Übergang im Englischunterricht von Klasse 4 nach 5 aus der Schülerperspektive gewonnen werden. Insgesamt zeigte sich, dass die Kinder das Fach in beiden Schulstufen sehr gerne mögen und sie überwiegend in der Lage sind, den Englischunterricht Der Übergang von Klasse 4 nach 5 aus der Sicht von Schüler*innen 181 und ihre eigenen Leistungen differenziert zu beschreiben (z. B. im Hinblick auf Arbeitsweisen, entwickelte Fertigkeiten). Aus der Perspektive der Kinder wird der Fremdsprachenunterricht in der Grundschule als kommunikativ und themenorientiert charakterisiert. In Klasse 1 bis 4 machen die Grundschüler*innen erste Erfahrungen mit der Schrift und arbeiten in verschiedensten Sozialformen. In Klasse 5 nennen die Kinder die Arbeit mit Vokabeln (lernen, abschreiben, Vokabeltest) und das zunehmend freiere Schreiben als neu für sich. Weiterhin wird viel im Englischunterricht kommuniziert. Die Fünftklässler*innen bemerken, dass das Lehrwerk den Englischunterricht strukturiert und die Anforderungen sich verändert haben (z. B. dass die Unterrichtssprache durchweg Englisch ist, dass es mehr Englischstunden in der Woche gibt und dadurch ‚mehr‘ geschafft wird). Dem Übergang in den Fremdsprachenunterricht der weiterführenden Schule stehen die Kinder offen gegenüber. Dies wird dadurch deutlich, dass sie kaum Ängste und Bedenken äußern. Die Viertklässler*innen sind in der großen Mehrzahl davon überzeugt, dass sie auf jeden Fall an ihre Vorkenntnisse werden anknüpfen können. Nach den ersten Wochen Englischunterricht in Klasse 5 bestätigen sich diese Vermutungen: Die Schüler*innen beschreiben, dass sie ihre Kenntnisse und Fertigkeiten in den Bereichen Vokabular, Sprechen und auch bei der Schrift einbringen konnten. Die Kinder nehmen den Wechsel in die weiterführende Schule und die damit verbundenen Änderungen sehr bewusst wahr, durch die gemachten positiven Erfahrungen erleben die Kinder diesen Übergang keinesfalls als ‚Bruch‘. Man könnte die Stimmen der Kinder durchaus als ein Plädoyer für einen Beginn des Englischunterrichts ab Klasse 1 interpretieren und als beredete Belege für einen positiv erlebten Übergang in die Klasse 5. Dabei muss ein ganz besonderes Augenmerk auf den Kontext der Studie gelegt werden: Die teilnehmenden Schulen waren alle Teil des PROJEKTES. Es handelt sich also um engagierte Lehrer*innen, die daran interessiert waren, den Schüler*innen einen ‚guten‘ Schulwechsel zu ermöglichen. Beispielsweise heißt das, dass viele Gespräche zwischen den Schulen stattfanden, im Vorhinein gemeinsame Projekte zwischen Schüler*innen initiiert wurden und sowohl Themen und Aufgaben in beiden Schulstufen eingesetzt wurden, mit denen die Kinder vertraut waren (vgl. Kapitel 5 und 6 in diesem Band, Dreßler et al. 2016). Dies zeigt, wie wichtig enge Absprachen zwischen den Lehrer*innen der verschiedenen Schulstufen sind. Dadurch wird den Kindern ermöglicht, den Übergang im Englischunterricht als positiven Wechsel zu erleben. Insgesamt bekräftigen die Aussagen der interviewten Zielgruppe (d. h. die Schüler*innen) damit jedoch Fremdsprachdidaktiker*innen sowie die bildungspolitischen Papiere, die sich für den Fremdsprachenfrühbeginn einsetzen. 182 Sonja Brunsmeier Aus den Erkenntnissen, die im PROJEKT-Verbund gewonnen wurden, lassen sich vorsichtige übergreifende Schlüsse ziehen, die ggf. auch in anderen Kontexten Gültigkeit haben könnten. Dabei ist es zentral, dass in Bezug auf die nachfolgenden Empfehlungen stets die jeweiligen eigenen und individuellen Rahmenbedingungen mitgedacht werden. Damit der Übergang von der Grundschule auf die weiterführende Schule erfolgreich gelingen kann, gilt es, einige Aspekte für die Unterrichtsgestaltung zu berücksichtigen. Grundlegend sind der Austausch und die Kooperation zwischen den Englischlehrkräften der beiden Schulstufen. Grundschullehrpersonen können so berichten, was im Fremdsprachenfrühbeginn erarbeitet wurde und auf realistische Erwartungen (bei nur zwei Stunden Englisch in der Woche) hinweisen. Hierzu können während der Grundschulzeit auch gezielt Dokumentationsformen eingesetzt werden, die dann das Können und Wissen der Kinder veranschaulichen. Sekundarschullehrpersonen wird so ermöglicht, die Kinder dort abzuholen, wo sie stehen, beispielsweise indem sie in ihrem Unterricht bewusst Situationen schaffen, in denen die Kinder ihr Wissen und Können zeigen können (vgl. Kapitel 6 in diesem Band). Auf diese Weise werden die vorhandenen Leistungen wertgeschätzt und die Motivation, Freude und Offenheit der Kinder kann aufrechterhalten werden. Wünschenswert wäre eine Kooperation auch in anderen Kontexten: Beispielsweise bei Schulbuchverlagen, die ihre Aufgaben und Inhalte aufeinander abstimmen könnten oder auch auf bildungspolitischer Ebene bei der Formulierung von Kompetenzen und Erwartungshorizonten. Durch eine verstärkte und behutsame Berücksichtigung der Schrift bereits im Fremdsprachenfrühbeginn, lernen die Kinder, diese für die Ausbildung der Schreib- und Lesekompetenz einzusetzen, wobei die Förderung des Hörens und Sprechens nach wie vor ihr Primat behält. Über solche Akzentsetzungen sollten Absprachen getroffen werden. Ebenso bedeutsam sind Abstimmungen über Arbeitsweisen und Aufgabenformate. Es können jedoch auch Kooperationsformen entwickelt werden, die es durch wechselseitige Beobachtungen möglich machen, solche in Aktion in den beiden Schulstufen zu erleben. Entscheidend ist eine altersgemäße Lernkultur, welche handlungorientiert und spielerisch ist, zugleich aber die Kinder kognitiv fordert und ermutigt, sich auf das Abenteuer Englisch einzulassen. Um Mut zu machen, sich auf den Weg zu begeben, schließt dieser Beitrag mit der Aussage eines Kindes, die zeigt, wie lohnenswert eine enge Zusammenarbeit zwischen allen ist, um den Übergang zwischen dem Fremdsprachenunterricht in der Grundschule und dem Englischunterricht in der weiterführenden Schule erfolgreich zu gestalten: Aber was mir noch geholfen hat ist, dass wir seit der Ersten schon Englisch hatten, weil die meisten Schulen haben ja erst ab der dritten Klasse Englisch. Und das hilft halt auch ganz viel, weil man da, ich sag jetzt mal, einen Schritt voraus ist (09_7_03_KL5_Z.72). Der Übergang von Klasse 4 nach 5 aus der Sicht von Schüler*innen 183 Literatur Andreas, Reinhard (1998). Fremdsprachen in der Grundschule: Ziele, Unterricht und Lernerfolge. 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Kennst du schon jemanden von der neuen Schule? Weißt du schon etwas über deine neue Schule? Nachfrage: Woher weißt du das? 186 Sonja Brunsmeier Gibt es etwas, worauf du dich besonders freust? Gibt es etwas, wovor du ein bisschen Angst hast? Was meinst du, was ist anders auf der neuen Schule als in der Grundschule? 4. Impuls: Bild vom EU in Klasse 4 a) Klasse 4 Kannst du etwas zu deinem Bild erklären? Stell dir vor, in deine Klasse kommt ein neues Kind. Das Kind möchte wissen, was ihr im EU macht? (Kannst du ihm das erklären? ) Gibt es etwas, was du im EU besonders gern magst? Gibt es etwas, was du im EU gar nicht gern magst? Was fällt dir im EU besonders leicht? Was fällt dir im EU besonders schwer? Englisch lernen hat mit Sprechen zu tun? Habt ihr dazu Gelegenheit im EU? (Wann? Wie oft? Mit wem? ) Schreibt ihr auch im EU? (Erklär mal was ihr schreibt) Du hast jetzt schon vier Jahre EU. Denk noch mal an die erste Klasse zurück. Was hat sich geändert? Kannst du sagen, was dir beim Lernen hilft? b) Klasse 5 Du gehst jetzt in die fünfte Klasse. Du hast schon viel gelernt. Was davon kann dir in der fünften Klasse weiterhelfen? Wünschst du dir etwas für den EU in der weiterführenden Schule? Gibt es etwas, vor dem du dich fürchtest? Nachfrage: Was könnte das sein? Gibt es etwas, auf das du dich besonders freust? Nachfrage: Was könnte das sein? Interviewleitfaden Klasse 5 Den Kindern, die ein Bild gemalt haben, wird dieses nochmal vorgelegt. Sie werden gebeten, das Bild aus der neuen Perspektive zu kommentieren (Impulsfrage siehe unten). Wenn kein Bild vorhanden ist, bitte die Alternative (s. u.) nutzen. Der-/ die Interviewer*in erfasst das Datum und die Schule an der die Gespräche geführt werden (Formblatt). 1. Vorstellung und Begrüßung Wir haben dich am Ende der vierten Klasse interviewt und sind nun sehr gespannt, was du uns heute zu deinem EU sagen kannst. Der Übergang von Klasse 4 nach 5 aus der Sicht von Schüler*innen 187 2. Angaben zur Person und Einstieg Wie heißt du? 3. Allgemein zur weiterführenden Schule-/ zum Schulwechsel Du bist jetzt schon seit den Sommerferien in der neuen Schule. Was ist neu an der Schule? Erzähl mal! (Nachfragen) Was gefällt dir hier besonders gut? Was gefällt dir nicht so gut? 4. Jetzt wollen wir uns über den EU unterhalten Denk mal zurück an die GS. Was ist anders? Was ist neu? Erzähl mal! Du hast über den EU in der GS ein Bild gemalt. Schau dir das Bild nochmals an. Was würdest du heute über deinen EU (Schulname) malen? [Alternative: Wenn du jetzt ein Bild über deinen EU (Schulname) malen würdest, was würdest du malen? ] Was habt ihr bisher in den ersten Wochen im EU auf der neuen Schule alles gemacht? Stell dir vor, du besuchst deine alte GS und sollst den Viertklässler*innen berichten, was ihr im EU in Klasse 5 macht. Was würdest du sagen? Was magst du im jetzigen EU besonders gern? Was magst du im jetzigen EU nicht so gern? Was fällt dir im EU besonders leicht? Was fällt dir schwer? Englisch lernen hat mit Sprechen zu tun. Habt ihr dazu Gelegenheit im EU? Erzähl mal. (Nachfragen: Wann? Wie oft? Mit wem? ) Zum EU gehört auch das Schreiben: Erklär mal, was ihr schreibt. Wie lernst du Schreiben? Blick nochmal zurück auf den EU der GS. Du hast in der GS viel gelernt. Was davon hat dir in der neuen Klasse am meisten geholfen? Wie kannst du zeigen, was du schon in der GS gelernt hast? Erzähl mal, wie du das zeigen kannst. Welche der Themen, die ihr jetzt in Klasse 5 behandelt, kennst du bereits aus dem EU der GS? Was wünschst du dir für den EU? Kapitel 8 Der Übergang von Klasse 4 nach 5 aus der Sicht von Lehrkräften Sonja Brunsmeier In diesem Kapitel kommen die PEAK1 Fünftklasslehrer*innen, die an der Schnittstelle zwischen Grund- und Sekundarschule unterrichten, zu Wort. Es werden deren subjektiven Wahrnehmungen, Erfahrungen und Ergebnisse zum Schulwechsel im Fach Englisch dargelegt. In den problemzentrierten Leitfadeninterviews benennen die Lehrpersonen aus ihrem Blickwinkel markante Themenfelder zum komplexen Übergang. Ausgehend von diesen projektbezogenen Erkenntnissen versucht das Kapitel auch zu klären, welche Erkenntnisse über den konkreten Fall hinaus für die Gestaltung des Schulwechsels von Klasse 4 nach 5 im Fach Englisch gewonnen werden können. 1 Der Englischunterricht in Klasse 5 „[D]ie wissen glaube ich nicht so, was bei uns für ein Zahn an den Tag gelegt wird und wir wissen nicht, was die machen“. Lehrer*innen der 5.Klassen an weiterführenden Schulen unterrichten Kinder, die von verschiedenen Grundschulen kommen. Die Heterogenität der Lerngruppen stellt Herausforderungen an die Lehrkräfte. Nach wie vor ist die Fremdsprachendidaktik gefordert, zusammen mit den Lehrkräften Konzepte zu entwickeln und zu erproben, damit die Englischkenntnisse der Kinder aus der Grundschule gebührend berücksichtigt werden. Dieser Aufgabe widmete sich das PROJEKT 1 , denn 1 Aus syntaktischen Gründen und wegen der besseren Lesbarkeit steht das PROJEKT für „Projekt Englisch ab Klasse 1 (PEAK1)“. 190 Sonja Brunsmeier Lehrkräfte an Grundschulen [klagen] beispielsweise häufig darüber, dass ihre Arbeit nicht hinreichend anerkannt und gewürdigt wird. Lehrkräfte an weiterführenden Schulen beanstanden oft, dass die Kinder im Englischunterricht der Grundschule zu wenig gelernt haben (BIG-Kreis 2009: 8-9). Die Übergangsproblematik wird von Seiten der Lehrpersonen sehr bewusst wahrgenommen. Die Harmonisierung an der Schnittstelle ist weiterhin ein Desiderat (BIG-Kreis 2015: 18, 70, 71). Nachdem im vorangegangenen Kapitel (Kapitel 7 in diesem Band) die Perspektive der Kinder auf die Phase des Übergangs erörtert wurde, soll die Aufmerksamkeit nun Englischlehrkräften in fünften Klassen an den weiterführenden Schulen des Projekts gelten. Es handelt sich um Lehrkräfte dreier Gymnasien, einer Realschule und einer integrierten Gesamtschule. Ihren subjektiven Wahrnehmungen zum und individuellen Erfahrungen mit dem Übergang in ‚ihren‘ fünften Klassen soll im Folgenden Raum gegeben werden. Zunächst werden das methodische Vorgehen und die Auswahl der interviewten Lehrpersonen erörtert. Es folgt die Beschreibung der Erfahrungen der Lehrkräfte in ihrem Englischunterricht in Klasse 5. Im Anschluss werden die Ergebnisse des konkreten Falles des PROJEKTES diskutiert. Das Kapitel schließt mit einem Versuch zu klären, welche Erkenntnisse über den konkreten Fall hinaus für die Erörterung des Brennpunkts zum Übergang von Klasse 4 nach 5 im Fach Englisch gewonnen wurden. Für das Verständnis der hier präsentierten Perspektiven ist von Bedeutung, dass die Befragung in der ersten Projektphase erfolgte. Die gewonnenen Erkenntisse sollten u. a. dabei helfen, innerhalb des PROJEKTS die wechselseitige Wahrnehmung und Kooperation der Lehrkräfte zu befördern. 2 Methodisches Vorgehen: Die Lehrer*inneninterviews Ziel der Interviews war es zu erheben, wie die Lehrpersonen des PROJEKTS den Übergang von der Grundschule auf die weiterführende Schule erleben. Um eben diese individuellen Erfahrungen und Wahrnehmungen zu erfassen, eignen sich problemzentrierte Leitfadeninterviews (Trautmann 2012, Richards 2009, vgl. auch Kapitel 7 in diesem Band). Es wurden zwei Interviewleitfäden 2 entwickelt, die je nach Zeitpunkt des Gesprächs (Anfang oder Ende der fünften Klasse) zum Einsatz kamen. Die Interviewleitfäden formulieren zentrale Inhalte über Fragen und fungieren im eigentlichen Gespräch als Orientierung und Strukturierung (Flick 2010: 210-214). Insgesamt wurden elf Gespräche geführt, mit Audiogeräten aufgezeichnet und anschließend transkribiert. Die Verschriftlichungen 2 Die Interviewleitfäden finden sich im Anhang des Kapitels. Der Übergang von Klasse 4 nach 5 aus der Sicht von Lehrkräften 191 bildeten die Textgrundlage für die Datenauswertung nach der Qualitativen Inhaltsanalyse (Mayring 2010). Dieser systematische und regelgeleitete Ansatz dient zur qualitativen Analyse von Texten. Im Verlauf der Datenauswertung wurden induktive Kategorien gebildet, die sich thematisch an dem Interviewleitfaden orientierten und für die jeweiligen Fragestellungen relevant erscheinen. Um die gebildeten Kategorien zu validieren, wurde das Gütekriterium der „Interkoderreliabilität“ (Mayring / Brunner 2010: 326) angewandt, d. h., dass eine Projektkollegin einen Ausschnitt des Materials ebenfalls kodierte und die Ergebnisse dann verglichen wurden. 3 Die Stichprobe: Die Lehrpersonen An fünf PROJEKT-Schulen (drei Gymnasien, einer Realschule und einer integrierten Gesamtschule) wurden zwischen August 2011 und November 2012 neun Lehrpersonen interviewt. Dabei war es möglich, zwei Lehrkräfte sowohl zu Beginn als auch am Ende der fünften Klasse zu befragen. Ein Interview wurde als Partnerinterview durchgeführt, derweil alle anderen Interviews Einzelgespräche mit der jeweiligen Lehrperson waren. Alle befragten Lehrkräfte arbeiteten im PROJEKT mit. In ihren fünften Klassen waren neben Kindern aus den PRO- JEKT-Grundschulen stets auch Kinder anderer Grundschulen, in denen Englisch ab Klasse 3 unterrichtet wurde. 4 Ergebnisse: Der Übergang von Klasse 4 nach 5 aus der Sicht der Lehrpersonen Die Interviewstudie gibt Einblicke in die Erfahrungen, die die jeweilige Lehrkraft mit der Übergangssituation macht, und dazu, was sie beim Schulwechsel einerseits als hilfreich, andererseits als besonders problematisch ansieht. Dabei wurde erfragt, welche Methoden und Aufgaben die Lehrkraft im eigenen Englischunterricht vorwiegend benutzt und ob sich diese geändert haben, seitdem die Kinder bereits in der Grundschule beginnen, Englisch zu lernen. Weiterhin wurden die Lehrer*innen gebeten, ihr Bild vom Grundschulunterricht zu beschreiben. Sie sollten darlegen, welche Erwartungen sie an die fremdsprachlichen Kompetenzen der Kinder haben und wie sie diese Kompetenzen in ihrem Englischunterricht diagnostizieren, aufgreifen und weiterentwickeln möchten. Abschließend wurden die Lehrer*innen gebeten, ihre Erwartungen an das Projekt zu formulieren. Im Folgenden werden die Themenbereiche und die Aspekte präsentiert und diskutiert, die helfen, die Fragestellungen der Interviewstudie zu beantworten. 192 Sonja Brunsmeier Es gilt zu berücksichtigen, dass die Ergebnisse aufgrund der kleinen Stichprobe nicht repräsentativ sind. Das Anliegen des Beitrags ist es vielmehr, den Lehrer*innen aus dem Projektverbund Gehör zu verschaffen, sie zu Wort kommen zu lassen und ihre Wahrnehmungen und Erfahrungen als Schlaglichter zu verstehen. Dazu werden sowohl ausgewählte Themen gebündelt, auf die alle Lehrpersonen Bezug nehmen, als auch Aspekte präsentiert, die nur von einer oder einzelnen Lehrkräften genannt wurden. Hierzu veranschaulichen Zitate die von den Lehrpersonen in ihren individuellen Kontexten wahrgenommenen Themenbereiche im Englischunterricht beim Übergang aus Klasse 4 nach 5. Ein kurzes vorsichtiges erstes Zwischenfazit rundet die jeweilige Ergebnispräsentation zum Themenbereich ab. Vorhandene Kenntnisse, Fertigkeiten und Kompetenzen aus der Grundschule Von den Lehrer*innen wird zunächst einmal ganz allgemein die Heterogenität der Lerngruppe zu Beginn der fünften Klasse thematisiert: „Ja, also, der, der Anfang hier, der ist in der fünften Klasse immer ein bisschen schwierig, (…) da hat man die ganze Bandbreite“ (08_L3_130911_Z.4). Eine weitere Lehrperson erläutert, wie sie zu Schuljahresbeginn versucht, der Heterogenität in ihrem Klassenzimmer zu entsprechen: [A]m schwierigsten ist ja einfach die Tatsache, dass die so unterschiedlich sind. Die sind einunddreißig und da sind halt die halbnatives / halb-drei-viertelnatives bis zwei Jahre English und jetzt versuche ich natürlich erstmal den Mittelweg da zu finden (07_L1_110912_Z.2). Dabei kommt durch das Adjektiv ‚schwierig‘ zum Ausdruck, dass die Lehrperson die verschiedenen Englischkenntnisse der Kinder als eine Herausforderung erlebt und es als ihre Aufgaben empfindet, einen Mittelweg zu finden, um den verschiedenen Niveaus gerecht zu werden. Dabei wird als positive Ausgangslage wahrgenommen, dass die Schüler*innen sehr motiviert sind und keine Hemmungen haben, zu sprechen: „[Es] ist keiner da, der sich nicht zu sprechen traut. Es ist keiner da, der sich nicht mindestens einmal meldet. Man muss keinen ständig ziehen. Also die sind schon da relativ befreit“ (11_L8 und L9_311012_Z.9). Weiterhin werden die Bemühungen der Schüler*innen sich aktiv einzubringen und mitzuarbeiten wertgeschätzt: „[I]ch finde das auch schön, wenn die sich bemühen und einige sind da total ohne Scheu. Und das ist klasse. Und so soll es ja auch eigentlich sein“ (12_L10_101012_Z.12). Bemängelt wird jedoch, dass ein Teil der Kinder sehr langsam arbeitet: „[E]s ist außerdem eine große Differenz in der Klasse, was Schnelligkeit angeht beim Abschreiben. Die Der Übergang von Klasse 4 nach 5 aus der Sicht von Lehrkräften 193 Hälfte, die war ja sofort fertig und die anderen, die sind jetzt noch nicht fertig“ (12_L10_101012_Z.8). Außerdem falle es den Kindern schwer, ihre Arbeit eigenständig zu organisieren: Da brauchen sie einfach noch viel mehr Hilfe und Unterstützung. Und die müssen erst mal lernen, dass sie auch selber selbstständig/ einfach alleine sich mal zehn Minuten mit einer Sache beschäftigen und dann erst mal fragen. Also die fragen wirklich bei jeder Kleinigkeit am Anfang nach (09_L5_100512_Z.44). Dabei werden auch die ständige Rückkopplung und der Einbezug der Lehrkraft als belastend und aufhaltend empfunden: [A]uch dieses selbstständige Lernen, nicht ständig Rücksprache zu mir als Lehrkraft halten, sondern versuchen auch selbstständig Aufgaben zu bearbeiten. (…) Und dann waren die zum Beispiel mit der Organisation in der Gruppenarbeit/ so wie das jetzt in dem Buch oft geschildert wird/ ich habe mich mal danach gehalten und das konnten sie nicht. Das heißt, das muss man eigentlich viel kleinschrittiger aufdröseln und viel mehr Vorgaben machen an die Schüler, dass sie das leisten können. Methodisch (09_L5_100512_Z.16). In Bezug auf die Fertigkeiten der Kinder melden die Lehrkräfte zurück, dass sie in den Bereichen Hören, Lesen und Sprechen Stärken beobachten. In Bezug auf das Hörverstehen fällt auf, dass die Fünftklässler*innen dem Englischunterricht gut folgen können: „[W]as mir aufgefallen ist, dass die schon also relativ viel auch schon verstehen können“ (09_L5_100512_Z.4). Dies führen die Lehrpersonen auf das gut entwickelte Hörverständnis der Kinder zurück: „Die verstehen schon viel. Also das würde ich schon sagen. Die verstehen schon viel, auch was ich so auf Englisch von mir gebe“ (11_L8 und L9_311012_Z.14). Auch im Bereich Lesen nehmen die Lehrkräfte einige Vorkenntnisse der Kinder wahr: Also lesen können sie ganz gut. Das fängt ja so an, das Buch, mit der Doppelseite I’m Polly und so weiter. Und dann ist mir auch aufgefallen, außer dem Wort pretty, was einige dann als prätty gesehen haben/ und das wusste ich halt nicht, dass die das nicht kannten. Das können sie schon alles. Das müssen sie alles auch gesehen haben (07_L1_110912_Z.20). Als besonders stark wird das Können der Kinder im Bereich der Mündlichkeit beurteilt: „[D]ie können schon zumindest mündlich eine ganze Menge“ (11_L8 und L9_311012_Z.7). Vorkenntnisse werden beispielsweise im Bereich des monologischen Sprechens wahrgenommen: „Die können sich eigentlich schon selbst so vorstellen und sagen, was sie mögen, über ihre Familie sich äußern, ganz einfache Sätze natürlich bilden, aber das geht schon“ (12_L10_101012_Z.18). Aus Sicht der Lehrpersonen profitieren die Fünftklässler*innen dabei von bereits 194 Sonja Brunsmeier bekannten Wortfeldern aus der Grundschule: „Eigentlich grundsätzlich immer wieder viele Vokabeln. Als ich dann mit dem Haus angefangen habe, dann wussten alle kitchen. Attic hat einer gesagt, cellar, floor , ja, also, hall. Also da kam unheimlich viel so an Wörtern schon mal“ (10_L7_190112_Z.45). Deutliche Schwierigkeiten der Kinder benennen die Lehrpersonen im Bereich des Schreibens: Sie schreiben ja jetzt nicht, und das merkt man auch. Die haben halt so die typischen Fehler machen die, die, glaube ich, auch schon vor dreißig Jahren oder in meiner Schulzeit gemacht worden sind. Vokale auf einander folgen, die sind ja unterschiedlich im Englischen und im Deutschen, dass sie da Fehler machen, dass sie auch so Konsonanten, die man halt einfach schreibt, aber nicht spricht wie bei trousers , ne? Oder bei anderen Voka- Wörtern, dass da mal ein ‚W‘ nicht geschrieben wird, aber gesprochen wird, oder dass sie das eben auch dann die typischen Fehler einfach machen (09_L5_020911_Z.46). Hier ziehen die Lehrkräfte auch Vergleiche zu anderen Fertigkeitsbereichen. Dabei wird der bereits vorhandene Wortschatz der Schüler*innen thematisiert: Also die bringen ganz stark/ würde ich auch sagen/ die bringen eine ganz starke mündliche Fähigkeit schon mit. Die kennen viele Wörter, wissen aber nicht, wie man die schreibt. Bei der [Name] zum Beispiel ist es ganz extrem. Ich weiß, wie das Wort heißt? Ja, das heißt dangerous . Aber ich weiß nicht, wie man das schreibt. Die hat schon einen relativ großen Wortschatz vorhanden, spricht auch viel oder kann viel auf Englisch auch schon äußern (11_L8 und L9_311012_Z.12). Weiterhin werden Leistungen im mündlichen und schriftlichen Bereich gegenübergestellt: Allerdings war das dann so, dass ich eher wie ich schon gesagt hatte, eher festgestellt habe/ dass die eher mündlich, also von der kommunikativen Kompetenz oder sprachlichen Mitteilungskompetenz halt ein bisschen weiter waren und schriftlich eigentlich nicht (09_L5_100512_Z.32). Im grammatikalischen Bereich werden erste Kenntnisse rückgemeldet: Die dritte Person Singular ist, haben die meisten auch schonmal gehört. Die Form von be vielleicht./ Aber da auch: manche können es gar nicht und andere können es. Mit dem Personalpronomen verhält sich das genauso (08_L3_130911_Z.32). Dabei fällt den Lehrpersonen auch auf, dass das grammatikalische Vorwissen sich in der Schüler*innenschaft unterscheidet: Und schon so Sachen wie can, have, do, das haben die schon drauf. Also diese gute Hälfte sage ich jetzt mal. Oder vielleicht ist es auch zwei Drittel. Und die haben schon Der Übergang von Klasse 4 nach 5 aus der Sicht von Lehrkräften 195 verstanden, dass wenn ich was frage, Do you have oder Have you got? Dass die sagen I have . Also manchmal ist dann der Rest vom Satz nicht so richtig, aber die verstehen das, dass die das nochmal wiederverwenden müssen. So diese patterns sind irgendwie drin (12_L10_101012_Z.14). Zwischenfazit: Vorhandene Kenntnisse, Fertigkeiten und Kompetenzen aus der Grundschule Die von den Lehrer*innen wahrgenommenen Unterschiede im Leistungsvermögen der einzelnen Kinder werden von den Befragten darauf zurückgeführt, dass die Kinder von verschiedenen Grundschulen auf die weiterführenden Schulen wechseln. Im Speziellen kommt dabei im Fach Englisch hinzu, dass PRO- JEKT-Grundschulen Englisch ab der ersten Klasse, andere erst ab der dritten Klasse anbieten. Die Fünftklässler*innen haben ihre Fremdsprachenkenntnisse somit entweder nur über zwei Jahre oder die gesamte Grundschulzeit aufbauen können. Weiterhin muss auch immer berücksichtigt werden, dass jede/ r Lernende sich individuell mit unterschiedlichen Vorerfahrungen, Stärken und Interessen einbringt. Interessant ist dennoch, dass die Fünftklasslehrer*innen einheitlich in bestimmten Fertigkeitsbereichen von Vorkenntnissen berichten oder Entwicklungsbedarf anmerken: Stärken werden für das Hören, Lesen und Sprechen sowie im grammatikalischen Bereich rückgemeldet. Schwierigkeiten sehen die Lehrer*innen beim Schreiben und der Organisation der eigenständigen Arbeit. Die Motivation der Kinder zu sprechen bietet eine gute Ausgangslage, um fremdsprachliche Kompetenzen weiterzuentwickeln. Diese gilt es im Englischunterricht der weiterführenden Schule aufrecht zu erhalten, um die fremdsprachlichen Kompetenzen der Kinder weiter auszubauen. Vorstellungen der Fünftklasslehrpersonen zum Englischunterricht in der Grundschule Im Verlauf des Interviews gehen die Lehrer*innen immer mal wieder von sich aus auf den Englischunterricht in der Grundschule ein. In diesen Äußerungen wird deutlich, dass sie sich nicht sicher zu sein scheinen, welche Ziele der Fremdsprachenfrühbeginn verfolgt und wie dieser abläuft. Dies wird über zaghafte Formulierungen wie beispielsweise ‚ich denke‘, ‚ich glaube‘ oder ‚ich meine‘ erkennbar. Vorstellungen zum Englischunterricht werden zu unterschiedlichen Themenbereichen angesprochen, beispielweise zur Rolle der Lehrperson: [D]ie Lehrer, also ich kenne die alle nicht, von daher sage ich das jetzt ganz neutral, die viel, viel Deutsch reden, die vielleicht-- wenn überhaupt-- mal irgendwelche Farben 196 Sonja Brunsmeier oder Liedchen gemacht haben in der Grundschule und da fehlt eine Grundbasis. Und das merkt man schon (12_L10_101012_Z.14). Auch wird über Unterrichtsinhalte spekuliert: „Es gibt bestimmt deutlich mehr, was die mittlerweile machen, also ich kann mir nicht vorstellen, dass man, selbst wenn man nur zwei Jahre Englischunterricht hat, dass man nur das ABC macht“ (07_L2_050811_Z.88). Weiterhin werden auch Lernbereiche angerissen. Zum grammatikalischen Lernen merken einige Lehrkräfte an: [W]o ich erwarte, dass die vielleicht noch nicht so in Kontakt gekommen sind, ist halt mit den Grammatikregeln und mit diesem Aufschreiben von Grammatikregeln und mit dem Herausfinden, also mit diesem deduktiven Ansatz weiß ich auch nicht, ob sie, aber ich könnte mir vorstellen, dadurch, dass sie es ja vom Hören, von der Grundschullehrerin gewohnt sind, dass jetzt die und die Zeit, dass das wahrscheinlich keine Probleme bereitet. (…) Ja, aber es wird ja in der Grundschule wahrscheinlich nicht so angesprochen: ‚Habt ihr gerade gehört, in welcher Zeitform ich gesprochen habe? ‘ oder so. Das wird die Grundschullehrerin ja wahrscheinlich nicht fragen (07_ L2_050811_Z.66-68). In Bezug auf den Einsatz der Schrift vermuten die Fünftklasslehrer*innen: „Ja, und halt Schreiben ist halt, also ich meine, dadurch, dass die halt anscheinend an der Grundschule noch nicht so viel schreiben, ist es natürlich wichtig, gerade das, das Schreiben auch zu fördern“ (07_L2_050811_Z.28). Im Hinblick auf das Sprechen denken einige wie folgt: „Ich glaube, dass der Fokus in der Grundschule doch noch mehr auf mündlich liegt“ (08_L3_130911_Z.36). Aus einzelnen Aussagen lässt sich ‚zwischen den Zeilen‘ auch eine Wertigkeit des Englischunterrichts in der Grundschule herauslesen: [D]ie haben sich richtig gefreut, dass sie mal Vokabeln aufschreiben dürfen, ich glaub das hat auch was mit dem Übergang von der Grundschule zu tun. Jetzt sind sie auf dem Gymnasium, die wollen jetzt was richtig lernen (09_L5_020911_Z.50). Der Unmut wird von den Fünftklasslehrer*innen auch offen den Schüler*innen gegenüber geäußert: „Ich habe bei vielen Schülern so manchmal hier schon die Frage gestellt, what the hell did you learn in your first years at primary school? “ (07_L1_110912_Z.36). Zwischenfazit: Vorstellungen der Fünftklasslehrpersonen zum Englischunterricht in der Grundschule Die Unsicherheiten bei den Formulierungen der Lehrer*innen zeugen davon, dass sie kein gesichertes Wissen über den Englischunterricht während der Grundschulzeit haben. Dies wird durch die inhaltlichen Unterschiede der Äußerungen Der Übergang von Klasse 4 nach 5 aus der Sicht von Lehrkräften 197 der verschiedenen Lehrkräfte bestärkt. Aufgrund der wahrgenommenen Stärken und Schwächen bilden sich die Lehrkräfte der weiterführenden Schule ihr Urteil über Inhalte und Schwerpunkte des Fremdsprachenfrühbeginns. Die Beschreibung der verschiedenen Leistungsniveaus der Schüler*innen in den unterschiedlichen Kompetenzbereichen (z. B. Sprechen vs. Schreiben) deckt sich mit den zuvor beschriebenen Vorkenntnissen sowie dem geäußerten Entwicklungsbedarf. Obwohl die befragten Lehrkräfte zum PROJEKT gehörten, zeigen diese ‚Wissenslücken‘, dass Kooperationen zwischen Grundschulen und weiterführenden Schulen noch ganz am Anfang stehen. Das PROJEKT möchte darauf aufmerksam machen, wie wichtig ein Austausch und darüber hinaus auch eine Zusammenarbeit zwischen den Lehrpersonen der beiden Schulstufen ist. Auf diese Art und Weise könnte bestmöglich an vorhandene Fähigkeiten und Fertigkeiten der Kinder eingegangen und diese weiterentwickelt werden. Der Englischunterricht in Klasse 5 In den Gesprächen wurden die Lehrer*innen gebeten, zu erklären, was ihnen in ihrem Englischunterricht wichtig ist. Dabei wurden von den Lehrer*innen unterschiedliche Aspekte genannt. Neben Fertigkeiten und Kompetenzen wurde auch auf das Medium Lehrwerk eingegangen. Aus den Beschreibungen der Sozial- und Arbeitsformen kann auf den Charakter des Englischunterrichts in Klasse 5 der interviewten Lehrer*innen geschlossen werden. Basierend auf dem, was die Schüler*innen aus der Grundschule mitbringen, möchten die Lehrer*innen beispielsweise die kommunikativen Kompetenzen weiter ausbauen. Dabei geht es ihnen auch darum, Freude an der Fremdsprache zu vermitteln und ihnen hierzu die notwendigen Kommunikationsmittel an die Hand zu geben: Ich möchte eigentlich in erster Linie erreichen, dass die Schüler jetzt nicht irgendwie Hemmungen vor dem Sprechen entwickeln. (…) Das finde ich sehr wichtig, und auch, dass sie lernen, dass man nicht jetzt immer eine riesige, große Varianz an Vokabeln benötigt, sondern, dass man auch mit einfachen Mitteln sich ausdrücken kann und dass man Dinge auch umschreiben kann, es einfacher sagen kann. Das finde ich wichtig, also so ein gewisses Selbstbewusstsein aufbauen, dass die Schüler sich trauen, was zu sagen (09_L5_020911_Z.42). Die Fertigkeit, „sich auch schriftlich gut auszudrücken“ (09_L5_020911_Z.42), ist der Mehrzahl der Lehrer*innen wichtig und wird als zentraler Bereich in der weiterführenden Schule angesehen. Dabei sind einzelne Lehrpersonen dafür sensibilisiert, dass diese Fertigkeit schrittweise und integrativ entwickelt werden sollte: 198 Sonja Brunsmeier [A]lso erstmal, dass man den Übergang findet, von dem vielen Sprechen, was die Grundschüler gewöhnt sind, hin zu den Sachen, die dann auf dem Gymnasium immer wichtiger werden, weil am Ende müssen sie das Abitur schreiben, und nicht nur sprechen. Also, dass die sich langsam dran gewöhnen, das, was sie sagen können, auch schreiben zu können (07_L2_050811_Z.56). Als ‚neuer‘ Lernbereich an der weiterführenden Schule wird von den Befragten die Vermittlung von grammatikalischen Kenntnissen angesehen, die aus deren Sicht durchaus induktiv vermittelt werden können: [M]an fragt dann, ob ihnen irgendwas an dem Text auffällt, was sie noch nicht kennen, und dann sagen sie auf einmal: ‚Ja, da steht jetzt nicht nur noch climb , da steht jetzt climbed ‘ und dann stellen sie das dann so fest und dann sollen sie erstmal die Wörter finden in dem Text, wo das überall so ist und dann sagt man halt: ‚Ja, das ist eine neue Zeitform, das ist die Regelmäßigkeit, dass immer das -ed hinten dran hängt‘, die Schüler finden es praktisch heraus, was es Neues gibt (07_L2_050811_Z.14). Das Lehrwerk nimmt eine zentrale Rolle im Englischunterricht der Projektlehrer*innen an den weiterführenden Schulen ein: „[D]as merke ich auch immer wieder, dass das auch für die Schüler eigentlich schon so das Hauptmedium ist, das Buch. Dass sie auch damit arbeiten wollen und gar nicht so viel jetzt zusätzlich was brauchen“ (09_L5_020911_Z.18). Einerseits wird das Lehrwerk von den Lehrer*innen als hilfreich empfunden, da es den Unterricht strukturiert: [D]ann sind die Bücher eigentlich immer so aufgebaut, dass, dass man einen Text zusammen erarbeitet, in dem Text irgendeine neue Grammatikstruktur erarbeitet wird, die dann von den Schülern herausgefunden werden muss, irgendwas Neues, was ihnen auffällt, sodass ich nicht sage: ‚Heute lernen wir den simple past ‘, sondern die Schüler finden selber heraus, was neu ist an dem Text, was sie nicht können, ja dann erarbeitet man meistens die, erarbeitet die in Form von den Erklärungen, die hinten im Grammar-File sind, wobei das auch teilweise, also manchmal gibt es auch spielerische Formen, um so was zu erarbeiten, im Form von Partner-Interviews oder was weiß ich was. Das ist jedes Mal ganz, ganz unterschiedlich aufgebaut, und halt auch in den didaktischen Handreichungen von dem Buch fast immer sehr gut vorgegeben, sodass man sich nicht wirklich viele Gedanken machen muss, ob man das jetzt anders macht (07_L2_050811_Z.12). Andererseits fühlen sich die Lehrer*innen verpflichtet den Stoff des Lehrwerks auch komplett zu bearbeiten: [I]ch fand es sehr belastend, immer noch im Hinterkopf zu haben ‚da ist noch eine Aufgabe, die ich nicht gemacht habe‘. (…). Und dann so von Kollegen kriege ich ‚Wie, du bist immer noch bei Unit 3? ‘. Ich sage ‚umpf‘ (10_L7_190112_Z.2). Der Übergang von Klasse 4 nach 5 aus der Sicht von Lehrkräften 199 Zu Beginn der fünften Klasse ist es einzelnen Lehrer*innen wichtig, das Vorwissen der Kinder aus der Grundschule aufzugreifen. Dies geschieht, in dem die Lehrpersonen inhaltliche Anknüpfungspunkte (Wortfelder) suchen, die den Schüler*innen bekannt sind: [I]n den ersten Wochen, das ist ganz oft so, dass von der Grundschule Stoff aus dem Lehrplan wieder aufgegriffen wird, wie Farben, Zahlen, Alphabet, Tiere, body parts , also alles das, was sie versuchen, immer so an Bekanntem anzuknüpfen, damit sie halt auch Sicherheit erlangen (07_L2_050811_Z.14). Aber auch im Verlauf des Schuljahres bauen die Stunden aufeinander auf: „Und dann ist es meistens so, dass ich dann entweder was von der letzten Stunde aufgreife und da dann weiter fortfahre oder was Neues einführe“ (09_L5_020911_Z.18). Wie bereits oben thematisiert, bemängeln die Lehrer*innen, dass es den Fünftklässler*innen noch schwerfällt, ihre Arbeit eigenständig zu organisieren. Daher wird nicht selten die Sozialform des Frontalunterrichts gewählt: „[I]ch habe auch nichts gegen Frontalunterricht. Ja, also, das sage ich auch gleich, wo er sinnvoll ist, da braucht man ihn auch“ (08_L3_130911_Z.30). Die Intention, mit frontalen Arbeitsformen zu beginnen, ist, dass diese aus Sicht der Lehrer*innen dann im Schuljahresverlauf um weitere Sozialformen erweitert werden können: „[A]m Anfang, häufiger frontal, grade in der fünften Klasse, weil die Schüler neu gemischt sind und sich erst mal kennenlernen müssen, um effektiv in Gruppen zusammenzuarbeiten“ (07_L2_050811_Z.20). Zwischenfazit: Der Englischunterricht in Klasse 5 Im ersten Jahr auf der weiterführenden Schule fordern die Fünftklasslehrer*innen bei den Schüler*innen alle Fertigkeiten ein. In den Bereichen Hören und Sprechen knüpfen die Lehrkräfte an vorhandene Kenntnisse aus der Grundschule an. Nachholbedarf wird beim Schreiben gesehen. Dieser Fertigkeit sprechen die Lehrer*innen einen besonderen Stellenwert in der weiterführenden Schule zu. Weiterhin spielen grammatikalische Strukturen und Vokabeln für sie in ihrem Englischunterricht eine wichtige Rolle. Das Ziel der Lehrer*innen ist es also, die fremdsprachlichen Kompetenzen der Kinder weiterzuentwickeln. Damit dies aus Sicht der Fünftklasslehrer*innen gelingen kann, ist es zu Beginn der fünften Klasse ebenfalls notwendig, das Repertoire an Lern- und Arbeitsformen zu erweitern. Zur Vermittlung der Kenntnisse und Fähigkeiten berichten einige Lehrer*innen zunächst frontale Ansätze zu wählen, die sie erst mit zunehmender Selbstständigkeit der Schüler*innen für vielfältigere Sozialformen (z. B. Gruppenarbeit) öffnen. In allen Gesprächen wird deutlich, dass das Lehrwerk das Leitmedium des Unterrichts ist. 200 Sonja Brunsmeier Das Anforderungsniveau in Klasse 5 steigt Mit dem Wechsel auf die weiterführende Schule verbinden einzelne Lehrer*innen auch ein anderes Anforderungsniveau. Eine Niveausteigerung sehen sie als eine ihrer Aufgaben und beobachten, dass Herausforderungen auch von Schüler*innenseite gewünscht sind. Dabei können Anreize über ansprechende, abwechslungsreiche Themen geschaffen werden: Jetzt sind sie auf dem Gymnasium, die wollen jetzt was richtig lernen. Das habe ich dann gemacht und ich merkte auch gleich, dass viele Schüler dann, grade die, die tatsächlich Interesse haben an Englisch und Spaß daran, dass die gleich auch mehr Motivation bekommen haben. Und es gab einige, die wollten halt mehr, und die haben dann auch sich beschwert und haben gesagt: immer das Gleiche, langweilig. Und, weil ja auch diese Kennenlernsachen, die in dem Buch viel da sind in dem Buch, ja nicht nur in Englisch gemacht werden, sondern auch in anderen Fächern. (…) Und, die wollen dann schon richtig auch arbeiten, genau (09_L5_020911_Z.50). Neben inhaltlichen Impulsen werden Wortschatzerweiterungen und Fertigkeitsschulungen gezielt eingesetzt: [A]n Bekanntem anzuknüpfen, damit sie halt auch Sicherheit erlangen, dass sie schon was können und dann schrittweise was Neues einzuführen, wobei so die Erfahrung auch da ist, dass sie, zumindest was das Sprechen angeht, da schnell Langeweile aufkommt, es ist eher so das Schreiben, glaube ich. Dass sie nicht wissen, wie die Monate geschrieben werden, oder so, aber die, diese/ (…) Ja, also im Sinne von, klar so in den ersten Stunden sind sie froh, dass sie dann was sagen können, ‚das ist hier jetzt neck, shoulder , was weiß ich, die kennen ja auch immer dieses Lied, aber so irgendwann ist dann relativ so: ‚Ja, das haben wir doch schon gemacht‘, so: ‚Jetzt mal was Neues‘ (07_L2_050811_Z.14-16). Weiterhin können andere Arbeitsformen eingesetzt werden: Die sind auf das Gymnasium gekommen aus einem bestimmten Grund. Die haben sich teilweise in den Grundschulen auch gelangweilt und das muss man schon auch irgendwo bedienen. Ja. Also es ist jetzt nicht nur Stuhlkreis mit Ball oder so. Eher weniger. Ich bin jetzt hier ernsthaft an der Schule und jetzt wird hier ernsthaft gelernt und da kann man den Kindern glaube ich dann so mit immer nur spielerischen Ansätzen auch nicht mehr kommen (08_L3_130911_Z.36). Zwischenfazit: Das Anforderungsniveau in Klasse 5 steigt Die Einzeläußerungen der verschiedenen Lehrer*innen beinhalten, dass sie Vorkenntnisse der Kinder im inhaltlichen, sprachlichen und sozialen Bereich wahrnehmen, die es für sie an den weiterführenden Schulen auszubauen gilt. Herausforderungen werden - vor allem im gymnasialen Bereich - von diesen Der Übergang von Klasse 4 nach 5 aus der Sicht von Lehrkräften 201 Fünftklässler*innen als gewünscht dargestellt. Eine Niveausteigerung wird als notwendig für die Weiterentwicklung des fremdsprachlichen Lernprozesses angesehen. Es gilt also Lernszenarien zu schaffen, die den Fünftklässler*innen einerseits ermöglichen, ihre Vorkenntnisse einzubringen, sie dann aber auch fordern. Somit wird auch dem Wunsch der Kinder (siehe auch Kapitel 7 in diesem Band), etwas zu leisten, entsprochen. Die Empfehlungen der Projektlehrer*innen, den Kindern zu Beginn der fünften Klasse eine Wertschätzung ihres Könnens entgegenzubringen und ihnen damit Sicherheit in dem neuen Schulkontext zu signalisieren sowie geichzeitig die fremdsprachlichen Kompetenzen der Kinder durch herausfordernde Aufgaben weiterzuentwickeln, sollten in Übergangsszenarien bedacht werden. Die Eingangsvoraussetzungen in Klasse 5 Zu Beginn der fünften Klasse beobachten die Lehrer*innen Unterschiede im Können zwischen den Schüler*innen. Diese erläutern die Befragten mit unterschiedlichen Erfahrungen. Beispielsweise wird der unterschiedliche Startzeitpunkt, d. h. die Kinder die Englisch bereits ab Klasse 1 oder erst ab Klasse 3 lernen, angeführt: Dann ist es auch so, dass am Anfang mit dem Verstehen/ da gab es tatsächlich Unterschiede. Also einige konnten schon ganz gut Englisch verstehen, andere nicht. Das hat sich aber relativ zügig auch angeglichen. Also sehr schnell. Mit dem Schreiben, das machen sie ja an der Grundschule bis jetzt noch nicht und da habe ich eigentlich keinen Unterschied feststellen können in den Kompetenzen der Schüler (…), die jetzt tatsächlich schon ab der ersten Klasse Englisch haben und denen, die jetzt ab der dritten haben (09_L5_100512_Z.4-8). Im Verlauf des ersten Schuljahres auf der weiterführenden Schule melden mehrere Lehrer*innen zurück, dass die Leistungsunterschiede zwischen den Fünftklässler*innen nicht mehr nach Vorkenntnissen aus der Grundschule zu unterscheiden sind, sondern es dann auf die Lernhaltung und Motivation im Englischunterricht ankommt: Also diejenigen, die halt noch nicht so weit waren. Das hat sie [am Anfang] entmutigt. Und aber jetzt mit Rückmeldung jetzt gerade im zweiten Halbjahr/ wir haben ja die Notenbesprechung auch gemacht, da hat sich das alles auch wiedergegeben. Also, dass die dann gesehen haben, wir machen genau die gleichen Fortschritte, wir können das auch jetzt. Und weil sich ja auch die Unterschiede jetzt auch wieder annähern. Es kommt auf die Schüler drauf an, wie fleißig sie dann auch Vokabeln lernen und so, habe ich gemerkt. Und manche Schüler, die sind mit einem großen/ mit einem größeren Vorsprung gestartet, aber der hat sich so verkleinert, weil andere Schüler mehr tun für das Fach als sie (09_L5_100512_Z.12). 202 Sonja Brunsmeier Zwischenfazit: Die Eingangsvoraussetzungen in Klasse 5 Die Rückmeldungen der befragten Lehrer*innen aus den weiterführenden Schulen zu dem unterschiedlichen Können der Kinder zu Beginn der fünften Klasse belegen, dass sich ihrer Erfahrung nach die Lernzeit in der Grundschule auf das Können der Schüler*innen ausgewirkt hat. Im Verlauf der fünften Klasse erachten die Lehrpersonen es dann jedoch als bedeutsam, dass die Kinder sich nicht auf ihrem Können ausruhen, sondern ihre Lernangebote wahrnehmen und so ihre Vorkenntnisse weiter ausbauen. Generell gilt, dass die voranschreitende kognitive und entwicklungspsychologische Entwicklung der Schüler*innen ermöglicht, auch komplexere Inhalte und Strukturen zu erfassen und mit diesen zu arbeiten. Die Rolle der Diagnostik in Klasse 5 Im PROJEKT wurden die Lehrkräfte der fünften Klassen ermutigt, den Lernstand der Kinder zu Beginn des Schuljahres mittels Diagnosebögen zu erfassen, die in gemeinsamen Projektsitzungen zusammen mit den Lehrkräften der Grundschulen entwickelt wurden (Dreßler et al. 2016). In der Alltagspraxis zeigte sich allerdings, dass die Lehrkräfte sich eher auf ihre diagnostischen Intuitionen verließen, als die Diagnosebögen einzusetzen, wie die folgende Äußerung stellvertretend verdeutlicht: „intuitiv evaluiere ich ständig und sehe und höre“ (07_L1_110912_Z.32). Die meisten Lehrkräfte haben aber kaum Erfahrungen mit der systematischen Erfassung von Schülerleistungen: „Aber so mit den Bögen habe ich jetzt noch nicht gearbeitet bei denen“ (12_L10_101012_Z.22). Aus Sicht der Fünftklasslehrer*innen hat dies vor allen Dingen organisatorische Gründe: Das schaffe ich managementmäßig nicht. Ich hatte letztes Jahr eine Referendarin, die ich betreut habe, da habe ich hinten dringesessen und da konnte ich super toll die Kinder diagnostizieren. Nur wenn ich vorne stehe und den Unterhalter mime, dann schaffe ich es also selbst (…) nicht (10_L7_190112_Z.17-18). Neben organisatorischen Aspekten werden auch zeitliche Engpässe als Schwierigkeit für die konsequente Durchführung von Diagnostiken genannt: Das ist auch die Schwierigkeit mit dem Diagnosebogen, weil die so viele noch Hilfe/ noch Unterstützung brauchen/ man ist ständig dann unterwegs/ dann dabei Fragen zu beantworten und das zu organisieren, weil das ja ein/ und zu gucken, dass es klappt von der Planung her. Und nachher ist das am Anfang/ weil man die Kinder auch noch nicht so gut kennt, muss man ja eigentlich im Grunde genommen/ kann man nicht währenddessen Notizen machen, sondern erst im Nachhinein und dann/ also ich habe auch ein bisschen gebraucht die ersten zwei Wochen, bis ich überhaupt mal die Namen und die Gesichter richtig zugeordnet hatte. Und dann dauert das erst mal so ein bisschen. Und dass es nicht so ein Brei ist im Kopf irgendwie. Alles geht durcheinander und das fällt einem dann schwerer (09_L5_100512_Z.46). Der Übergang von Klasse 4 nach 5 aus der Sicht von Lehrkräften 203 Zwischenfazit: Die Rolle der Diagnostik in Klasse 5 Am Übergang von der Grundschule in die weiterführende Schule kommt der Diagnostik ein besonderer Stellenwert zu (Kolb 2016). Sie erlaubt, die fremdsprachlichen Kompetenzen der Kinder zu erfassen und den weiteren Englischunterricht von diesen ausgehend zu gestalten. In den Gesprächen mit den Lehrer*innen wird allerdings deutlich, dass die Lehrkräfte sich gerade zu Beginn der fünften Klasse besonders vielen Anforderungen ausgesetzt fühlen und die diagnostische Tätigkeit daher nur intuitiv erfolgt und die Lehrkräfte nicht systematisch mit den Diagnoseinstrumenten arbeiten. 5 Fazit und Ausblick Die Gespräche mit den Fünftklasslehrer*innen ermöglichen einen Einblick in ihre Erfahrungen und Wahrnehmungen des Übergangs im Englischunterricht von der Grundschule auf die weiterführende Schule. Die Auswertung der problemzentrierten Leitfadeninterviews beleuchten markante Themenfelder zum komplexen Übergang aus dem Blickwinkel der im Projektverbund interviewten Lehrpersonen. Mittels der Qualitativen Inhaltsanalyse konnten Kategorien gebildet werden, die zentrale Aspekte aus der Lehrer*innenperspektive an der Schnittstelle von Klasse 4 nach 5 offenlegen. Die Lehrer*innen beschreiben sehr gute Fähigkeiten der Kinder im Bereich des Hörens und Sprechens nach der Grundschulzeit. Leistungsunterschiede innerhalb der Klasse führen sie in diesen beiden Bereichen auf den Beginn des Fremdsprachenlernens zurück. Fünftklässler*innen, die bereits ab Klasse 1 (statt erst ab Klasse 3) Englisch lernen, zeigen umfangreicheres Können. Diese individuellen Wahrnehmungen der Lehrer*innen unterstreichen empirische Befunde, die den Zeitfaktor als einen höchst signifikanten Indikator für die Kompetenzentwicklung nennen (Müller 2016: 5). Im Bereich des Schreibens beobachten die Lehrer*innen, dass die Kinder begrenzte Fertigkeiten mitbringen. Dieser Leistungsstand kann darauf zurückgeführt werden, dass die Schrift im Fremdsprachenfrühbeginn eine bisher untergeordnete Rolle gespielt hat. Allerdings belegen Studien in den letzten Jahren (z. B. Diehr / Rymarczyk 2010, Frisch 2013), dass der Einsatz der Schrift im Englischunterricht der Grundschule lernförderlich ist. Die Änderungen bzgl. der Integration der Schrift finden sich bereits in Neuauflagen der Bildungspläne (z. B. Ministerium für Jugend, Kultus und Sport Baden-Württemberg 2016). Die von den befragten Lehrer*innen beobachtete Begeisterung und Motivation der Fünftklässler*innen für das Fach Englisch ist eine ideale Ausgangslage, um fremdsprachliche Kompetenzen auszubauen. Insgesamt kann das Fazit gezogen werden, dass die Fünftklasslehrer*innen des Projektverbundes wiedergeben, dass die Grundschüler*innen nach der flächen- 204 Sonja Brunsmeier deckenden Einführung des institutionalisierten Fremdsprachenunterrichts im Schuljahr 2004/ 2005 nun mit fremdsprachlichen Vorkenntnissen auf der weiterführenden Schule ankommen. Diese Lehrer*innenperspektive aus der direkten Unterrichtspraxis ist eine wertvolle Ergänzung zu Studien (z. B. BIG-Studie (BIG-Kreis 2015), EVENING Studie (Börner et al. 2013)), die die Leistung der Kinder am Ende der Grundschulzeit messen, und bekräftigt auch von diesen Stakeholdern den Mehrwert des Fremdsprachenfrühbeginns mit einem favorisierten Beginn ab Klasse 1. Nichts desto trotz schildern die Fünftklasslehrer*innen, dass die Kinder mit unterschiedlichen Voraussetzungen zu ihnen in die weiterführende Schule kommen. Auch in anderen Kontexten entsteht gerade zu Beginn der fünften Klasse eine oft sehr heterogene Lerngruppe. Denn die Schüler*innen kommen von unterschiedlichen Grundschulen und bringen individuelle Vorerfahrungen, Interessen und Kenntnisse mit, die dann in einer neu gebildeten fünften Klasse zusammenkommen. Eine Möglichkeit wäre, diese Heterogenität als bereichernde, definitiv herausfordernde, Angelegenheit zu sehen, diese aber keinesfalls als Nachteil zu begreifen. Vielmehr können die Kinder sich in ihren unterschiedlichen Fähigkeiten und Fertigkeiten ergänzen. Eine sorgfältige Diagnose des mitgebrachten Könnens spielt dabei eine wichtige Rolle. Kapitel 6 zeigt, wie den Schüler*innen im Unterricht Raum gegeben werden kann, ihre sprachlichen Kompetenzen zu zeigen. Weiterhin scheint es ratsam, dass die Kompetenzen der Schüler*innen bereits in der Grundschule dokumentiert werden. Kolb (2007) belegt in ihrer Studie, wie dies beispielsweise durch den Einsatz von Portfolios gelingen kann. Diese Dokumentationsform könnte auch dem Austausch zwischen Lehrkräften der beiden Schulstufen dienen und als Vergleichsdokument zur Eingangsdiagnostik in der Sekundarstufe herangezogen werden. Das PROJEKT zeigt, dass Lernaufgaben, die in Übergangsprojekten realisiert werden, als Bindeglied zwischen den Schularten fungieren können (Dreßler- / Kollmann 2016, Legutke 2018). Für andere Kontexte kann ebenfalls bedeutsam sein, die Schüler*innen zu Beginn des Englischunterrichts an der weiterführenden Schule dort abzuholen, wo sie stehen. Auf diese Weise wird die Freude der Kinder am Fach Englisch und das Zutrauen in ihre eigenen fremdsprachlichen Kompetenzen gestärkt. Dann gilt es, das vorhandene Können und Wissen systematisch auszubauen und weiterzuentwickeln. Hier muss der Englischunterricht, wie auch von den Kindern gefordert (vgl. Kapitel 7 in diesem Band), anspruchsvoll und herausfordernd sein. Auf diese Weise kann der Lernprozess fortgesetzt werden. Das Lehrwerk wird von den Projektlehrer*innen als Leitmedium angesehen. Es bildet die Grundlage für ihren gesamten Englischunterricht, sowohl für die Der Übergang von Klasse 4 nach 5 aus der Sicht von Lehrkräften 205 Langzeitplanung als auch für jede einzelne Stunde. Obwohl es einerseits als Arbeitserleichterung (z. B. Umfang und Vielfalt der (Zusatz)materialien) empfunden wird, ist gleichzeitig ein gewisser Druck, das Lehrbuch von der ersten bis zu letzten Seite durchzuarbeiten, aus den Äußerungen mancher Fünftklasslehrpersonen herauszulesen. „Das Lehrwerk sollte als ‚source book‘ und nicht nur als ‚course book‘ betrachtet werden“ (Koenig 2010: 180). Auf Basis dieser Erkenntnis sollten Lehrkräfte ermutigt werden, mit den Lehrmaterialien flexibel umzugehen, damit gerade zu Beginn der weiterführenden Schule auf individuelle Interessen, Stärken und Schwächen eingegangen werden kann. Die Antworten der Fünftklasslehrer*innen zu ihren Vorstellungen zum Englischunterricht in der Grundschule können als Vermutungen und Spekulationen bezeichnet werden. Dies verdeutlicht, dass das A und O für eine gelingende Kontinuität zwischen den Schulstufen Austausch und Zusammenarbeit ist. Denn nach wie vor mangelt es an der Schnittstelle an der Kommunikation zwischen den Schulstufen: „[D]ie [Grundschullehrer*innen] wissen, glaube ich, nicht so, was bei uns für ein Zahn an den Tag gelegt wird und wir wissen nicht, was die machen“ (07_L2_050811_Z.90). Diese Aussage einer Fünftklasslehrer*in kann als wichtiger Impuls für die Arbeit am Übergang von der Grundschule in die weiterführende Schule verstanden werden. Es könnte beispielsweise darüber nachgedacht werden, das Lehramtsstudium in Teilen bewusst so zu strukturieren, dass Studierende verschiedener Schularten ausgewählte Veranstaltungen gemeinsam besuchen und so frühzeitig zusammenarbeiten und in Austausch gebracht werden. Aber auch berufsbegleitend könnte eine Kooperation angeregt werden. Denkbar wären Lehrer*innenfortbildungen sowohl gezielt zu der Übergangsthematik, als auch Angebote schulartübergreifend mit dem Gedanken des gegenseitigen Austausches und der Zusammenarbeit auszubringen. Weiterhin sind Projekte wie PEAK1, die sich mit dem Übergang von der Grundschule in die weiterführende Schule beschäftigen, notwendig, um den Übergang für die Schüler*innen reibungslos und kompetent zu gestalten. Dabei charakterisiert das PROJEKT das Interesse an dem, „was Lehrerinnen täglich mit ihren Kindern tun, wie sie dieses Tun erklären und in seinen Wirkungen auf Lernen einschätzen“ (Kolb et al. 2016: 6). Mehr Wissen auf ‚beiden Seiten‘ darüber, was ‚der Andere‘ tut, würde zu mehr Verständnis, Unterstützung und gegenseitigem Respekt sowie Wertschätzung des Englischunterrichts der jeweiligen Schulart führen. Wie oben erwähnt wurden die Daten in der ersten Projektphase erhoben. Die Einsichten haben u. a. dazu beigetragen, dass sich Lehrkräfte von Grund- und weiterführenden Schulen im Rahmen von PEAK1 auf den Weg zu mehr Kommunikation zwischen den Schulstufen gemacht haben. Ein sehr praktischer Ertrag auf diesem Weg waren die gemeinsame Entwicklung und Implementierung sogenannter Übergangsprojekte (Dreßler-/ Kollmann 2016; Legutke 2018). Die 206 Sonja Brunsmeier Ergebnisse des PROJEKTS zeigen, wie wichtig eine gezielte Verzahnung von Wissenschaft und Praxis ist, um qualitätsvolle Ergebnisse und gewinnbringende Erkenntnisse für alle Beteiligten zu generieren. Literatur BIG-Kreis (Hg.) (2015). Der Lernstand im Englischunterricht am Ende von Klasse 4. Ergebnisse der BIG-Studie. München: Domino Verlag. BIG-Kreis (Hg.) (2009). Fremdsprachenunterricht als Kontinuum. Der Übergang von der Grundschule in die weiterführenden Schulen. München: Domino Verlag. Börner, Otfried-/ Engel, Gaby-/ Groot-Wilken, Bernd (Hg.) (2013). Hörverstehen, Leseverstehen, Sprechen. Diagnose und Forderung von sprachlichen Kompetenzen im Englischunterricht der Primarstufe. Münster: Waxmann. Diehr, Bärbel-/ Rymarczyk, Jutta (Hg.) (2010). Researching literacy in a foreign language among primary school learners. Forschung zum Schrifterwerb in der Fremdsprache bei Grundschülern. Frankfurt: Peter Lang. Dreßler, Constanze-/ Kollmann, Sabine (2016). Übergangsprojekte. In: Dreßler, Constanze-/ Kolb, Annika-/ Kollmann, Sabine-/ Legutke, Michael K. (Hg.), 42-50. Dreßler, Constanze-/ Kolb, Annika-/ Kollmann, Sabine-/ Legutke, Michael K. (2016). Das Projekt Englisch ab der 1.Klasse. In: Dreßler, Constanze-/ Kolb, Annika-/ Kollmann, Sabine-/ Legutke, Michael K. (Hg.), 6-8. Dreßler, Constanze-/ Kolb, Annika-/ Kollmann, Sabine-/ Legutke, Michael K. (Hg.) (2016). Herausforderung Übergang: Kontinuität im Englischunterricht. Handreichungen für die Praxis in den Klassen 4 und 5. Braunschweig: Diesterweg. Flick, Uwe (2010). Qualitative Sozialforschung. Eine Einführung. Reinbeck: Rowohlt. Frisch, Stefanie (2013). Lesen im Englischunterricht der Grundschule. Eine Vergleichsstudie zur Wirksamkeit zweier Lehrverfahren . Tübingen: Narr. Koenig, Frank (2010). Lehrwerkarbeit. In: Hallet, Wolfgang-/ Königs, Frank G. (Hg.). Handbuch Fremdsprachendidaktik. Seelze-Velber: Klett/ Kallmeyer,177-182. Kolb, Annika (2007). Portfolioarbeit. Wie Grundschulkinder ihr Sprachenlernen reflektieren. Tübingen: Narr. Kolb, Annika (2016). Lernaufgaben für Klasse 5. In: Dreßler, Constanze-/ Kolb, Annika-/ Kollmann, Sabine-/ Legutke, Michael K. (Hg . ), 70-88. Legutke, Michael K. (2018). Gemeinsam den Übergang meistern . In: At Work 28, 8-9. Mayring, Philipp (2010). Qualitative Inhaltsanalyse. Grundlagen und Techniken. Weinheim und Basel: Beltz. Mayring, Philipp-/ Brunner, Eva (2010). Qualitative Inhaltsanalyse. In: Friebertshäuser, Barbara-/ Langer, Antje-/ Prengel, Annedore (Hg.). Handbuch Qualitative Forschungsmethoden in der Erziehungswissenschaft. Weinheim und München: Juventa Verlag, 323-333. Ministerium für Jugend, Kultus und Sport Baden-Württemberg (2016). Bildungsplan der Grundschule. Stuttgart: Neckar-Verlag. Der Übergang von Klasse 4 nach 5 aus der Sicht von Lehrkräften 207 Müller, Tanja (2016). Einflussfaktoren auf den Lernkontext im Fach Englisch am Ende von Klasse 4. Auszug aus den Ergebnissen. Universität Eichstätt. Richards, Keith (2009). Interviews. In: Heigham, Juanita-/ Croker, Robert A. (Hg.). Qualitative Research in Applied Linguistics. A Practical Introduction, 182-199. Trautmann, Matthias (2012). Führen und Auswerten qualitativer Interviews. In: Doff, Sabine (Hg.). Fremdsprachenunterricht empirisch erforschen. Grundlagen - Methoden - Anwendung . Tübingen: Narr, 218-231. Anhang Interviewleitfaden Beginn Klasse 5 Ich hatte mir ja gewünscht, noch bevor du zum ersten Mal deine neuen Schüler*innen siehst, ein Gespräch mit dir über deine bisherigen Erfahrungen mit dem Übergang und deine Erwartungen an das Projekt zu führen. Ich finde es toll, dass es jetzt heute geklappt hat, und würde gerne ein bisschen was über deinen Englischunterricht erfahren. Eigene Unterrichtsmethodik Wie lange unterrichtest du schon Englisch? Welche Klassen? Welche Erfahrungen im Referendariat? Kannst du mal eine typische Englischstunde (in der Unterstufe) beschreiben? Ich habe mal bei Google „Englischunterricht“ eingegeben und die folgenden Bilder gefunden: welche Bilder würdest du sagen, passen zu deinem Englischunterricht? Welche am ehesten nicht? Was ist dir in deinem Englischunterricht besonders wichtig? Welche Arbeitsformen setzt du vorwiegend ein? Erinnerst du dich an eine besonders gelungene Stunde? Bei unserem Projekt stehen ja Lernaufgaben im Zentrum, welche Aufgaben funktionieren gut in deinem Unterricht? Welche Aufgaben bewältigen die Kinder gut, welche nicht so gut? Übergang Auch wenn du selbst noch keine fünfte Klasse unterrichtet hast, vielleicht hast du ja doch eine Idee, wie sich die Situation in Klasse 5 in den letzten Jahren verändert hat? Was ist besonders positiv? Was ist eher schwierig? Wie stellst du dir den Englischunterricht in der Grundschule vor? Welche Bilder passen deiner Meinung nach zum Englischunterricht der Grundschule? Glaubst du, dass sich der Englischunterricht in der Grundschule und in der Sekundarstufe I unterscheiden? Inwiefern? 208 Sonja Brunsmeier Welche Gemeinsamkeiten gibt es? Was können die Kinder schon in Englisch? Welche Kompetenzen bringen die Schüler*innen aus der Grundschule mit? Was können sie noch nicht so gut? Wie stellst du dir vor, an den Englischunterricht der Grundschule anzuknüpfen? Welche Art von Aufgaben hältst du für geeignet, um zu zeigen, was die Kinder schon können? Wie kann das Können ausgebaut werden? Kannst du dazu ein Beispiel aus dem Unterricht geben, das zeigt, wie an das Englischlernen in der Grundschule angeknüpft wird? Wie willst du die mitgebrachten Kompetenzen feststellen? Was wünschst du dir vom Englischunterricht der Grundschule? Zum Projekt Was erwartest du vom Projekt und von der Erprobung der Lernaufgaben? Interviewleitfaden Ende Klasse 5 Vorher: Bitte an die Lehrkräfte, eine Aufgabe aus den ersten Wochen in Klasse 5 mitzubringen, mit der sich an Vorkenntnisse aus der Grundschule anknüpfen lässt und/ oder die zur Diagnose von sprachlichem Können geeignet ist und/ oder bei der deutlich wurde, was die Kinder schon können. Ich würde gerne mit deiner mitgebrachten Aufgabe einsteigen: Kannst du bitte erläutern, warum du die Aufgabe ausgewählt hast? Welche Aspekte des sprachlichen Könnens der Kinder werden dabei aufgegriffen? Wie lässt sich dieses Können ausbauen? Wie kamen die Kinder mit der Aufgabe zurecht? Gab es Schwierigkeiten? Welche Art von Aufgaben sind deiner Meinung nach noch für den Beginn von Klasse 5 geeignet? Welche Aufgaben und Unterrichtsaktivitäten haben bei dir zu Beginn von Klasse 5 gut funktioniert? Welche Aufgaben und Unterrichtsaktivitäten haben nicht so gut funktioniert? Welche Schwierigkeiten gab es? Welche Unterstützung brauchten die Kinder? Wir haben ja zu Beginn des Schuljahres schon einmal ein Interview geführt zu deinen Erwartungen. Wie hast du jetzt im Rückblick in diesem Schuljahr den Beginn von Klasse 5 erlebt? Was hat dich überrascht? Was ist gut gelungen? Wo gab es Schwierigkeiten? Welche Kompetenzen haben die Kinder aus der Grundschule mitgebracht? Der Übergang von Klasse 4 nach 5 aus der Sicht von Lehrkräften 209 Ein Teil unseres Projekts ist ja die Erprobung von Lernaufgaben: Welche Aufgaben hast du mit deinen Schüler*innen ausprobiert? Welche Erfahrungen hast du damit gemacht? Fandest du die Arbeit mit den Lernaufgaben hilfreich? Wie kamst du mit dem Diagnosebogen zurecht? Wie sollten die Aufgaben verändert werden? Würdest du gerne weitere Aufgaben ausprobieren? Welche Erwartungen hast du noch an unser Projekt? Kapitel 9 Projekt Englisch ab Klasse 1 - Bilanz und Perspektiven Michael K. Legutke 1 Gesprächsangebote Auch wenn die Beiträge dieses Bandes zunächst einmal die Geschichte eines einmaligen Projekts erzählen, bieten sie zugleich Angebote für Konversationen über dessen Grenzen hinaus, die aufzunehmen und fortzuführen sich lohnen dürfte. Einige dieser Angebote sollen hier abschließend benannt werden. Ein besonderes Merkmal des PROJEKTS 1 war es, dass es vielfältige Möglichkeiten bot, Unterricht wahrzunehmen. Diese wurden nicht nur durch die Vertreter*innen des professionellen Forschungsteams ausgiebig genutzt, sondern standen allen Lehrkräften über wechselseitige Hospitationen und die gemeinsame Bearbeitung von Videodokumenten aus dem Unterricht der Projektlehrkräfte in den monatlichen Treffen und den jährlichen Blockseminaren zur Verfügung. Professionelle Unterrichtswahrnehmung zu fördern und in dialogischen Formaten zu versuchen, fokussiert über Unterricht zu sprechen, um dessen Dynamik zu verstehen und seine Potentiale auszuloten, erwiesen sich als besonders gewinnbringende Aktivitäten des PROJEKTS. Das bestätigen die laufenden Rückmeldungen, die kontinuierlich erhoben wurden. Die Lehrer*innen betonten wiederholt, dass sie besonders durch die gezielte Beschäftigung mit den Videographien des eigenen Unterrichts und des Unterrichts der Kolleg*innen gelernt hätten, denn dadurch eröffneten sich neue und ungewohnte Perspektiven für das eigene Handeln. Eine sehr erfahrene Gymnasiallehrkraft, die während der sechs Jahre des Projekts kein einziges Treffen verpasste, formulierte treffend: „Vor dem PROJEKT waren Grundschullehrer unbekannte Wesen für mich, jetzt haben sie Fleisch und Blut.“ Das erste Gesprächsangebot enthält deshalb die Anregung, darüber nachzudenken, wie konkretem Unterricht, sei- 1 Aus syntaktischen Gründen und wegen der besseren Lesbarkeit steht das PROJEKT für „Projekt Englisch ab Klasse 1 (PEAK1)“. 212 Michael K. Legutke ner Wahrnehmung und dialogischen Bearbeitung größerer Raum in der Lehrerbildung (Aus- und Fortbildung) eingeräumt werden kann. Die Einblicke in den Unterricht haben nicht nur die Langeweile erfahrbar gemacht, die Schüler*innen im Englischunterricht der Grundschule erleiden, wenn sie unterfordert werden, indem sie z. B. in schier endlosen Schleifen das Frageritual „What is it? - - It’s a dog.“ praktizieren. Sie haben aber auch die Aufmerksamkeit auf die signifikante Kreativität und den erkennbaren Enthusiasmus der Schüller*innen gelenkt, wenn sie entsprechend gefordert und gefördert werden. Lernertexte als unterrichtsbezogene schriftliche Dokumente und in videografierter Form machten erfahrbar, was Schüler*innen sprachlich leisten können. Solche Leistungen wurden sichtbar, wenn Schüler*innen einen Dialog eines Bilderbuches nachspielten, mit Flashcards eine Geschichte erzählten, einen selbstgeschriebenen Text vorlasen oder ihr Traumhaus vorstellten. Das PROJEKT zog aus den Befunden der EVENING-Studie zum verfügbaren Wortschatz der Kinder (Engel 2009: 199) die Konsequenz, schon möglichst früh mit narrativen Texten zu arbeiten und deren Potential für produktiven Sprachgebrauch zu erproben (Legutke 2016). Als Ertrag dieser Erprobung stellte eine Arbeitsgruppe des PROJEKTS eine kommentierte Liste von 24 narrativen Texten (Bilderbüchern) zusammen, die als Empfehlung des PROJEKTS veröffentlicht wurde (Dreßler et al 2016: 89-95). Neben Texten für die Klassen 1 und 2 finden sich solche, deren Einsatz sich besonders an der Schnittstelle zwischen Grund- und Sekundarstufe, also für die Klassen 4 und 5, eignen. Die Erfahrungen mit den narrativen Texten regen deshalb an, die Debatte über die Textgrundlage des früh beginnenden Englischunterrichts und damit über die sprachlichen, kognitiven und affektiven Anforderungen wiederaufzunehmen und zu intensivieren (Diehr-/ Frisch 2007). Wenn die Frage, ob sich der Aufwand lohnt, Englisch ab Klasse 1 anzubieten, für das PROJEKT positiv beantwortet wird, selbst wenn zwei Stunden Englisch pro Woche nur ein Minimalangebot darstellen, ist damit noch keine generalisierbare Aussage formuliert. Wohl aber macht das PROJEKT deutlich, dass bisher vorliegende Studien zur Leistung frühen Fremdsprachenunterrichts alle Kompetenzbereiche erfassen sollten und sich nicht nur weitgehend auf rezeptiver Teilkompetenzen beschränken dürfen. Besonders die Sprechkompetenz sollte Berücksichtigung finden. Ferner müssten solche Studien um unterrichtsbezogene Forschungen ergänzt werden, die nicht nur Einblicke in die methodisch-didaktische Qualität des Unterrichts ermöglichen, sondern auch die Lehrersprache fokussieren, die eine Schlüsselfunktion im Fremdsprachenerwerb ausmacht (Deters-Philipp 2016, 2017). Es geht folglich um Forschungen zu in der Praxis erkennbarer Lehrkompetenz und ihrer Verbindung zu Leistungen der Schüler*innen. Bereits 1993 hat Peter Doyé treffend vermerkt: Projekt Englisch ab Klasse 1 - Bilanz und Perspektiven 213 Die naive Vorstellung, dass wegen des geringen Umfangs des in der Grundschule zu vermittelnden Sprachschatzes auch die sprachliche Kompetenz der Lehrerinnen und Lehrer gering sein dürfte, ist längst als abwegig erkannt worden. Die Tatsache, dass die Kinder erst anfangen, die Fremdsprache zu lernen, darf nicht zu dem Fehlschluss verleiten, auch die Lehrkräfte brauchten die Sprache nur in ihren Anfängen zu beherrschen. Gerade bei der oft spielerischen Form des Fremdsprachenunterrichts in der Grundschule müssen die Lehrenden über eine Vielfalt von Redemitteln verfügen, die es ihnen gestatten, sich sprachlich situationsadäquat zu verhalten (Doyé 1993: 80). Doyé weist hier implizit auf ein Dilemma hin, mit dem der frühbeginnende Fremdsprachenunterricht seit seiner Pionierzeit zu kämpfen hatte, dass nämlich für die Realisierung der anspruchsvollen Programme nicht genügend qualifiziertes Personal zur Verfügung stand, dass Lehrkräfte Englisch unterrichteten, ohne über die erforderlichen Schlüsselqualifikationen zu verfügen. Dieses Dilemma hat auch die flächendeckende und verbindliche Einführung im Schuljahr 2005/ 2006, welche die Bundesländer mit Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen flankierten, nicht aufgehoben, vielmehr besteht es fort. Aus Sicht des PROJEKTS scheint es deshalb dringend geboten, die Fort- und Weiterbildung, aber auch die Ausbildung der Grundschullehrkräfte verstärkt in den Blick zu nehmen (vgl. auch Wilden-/ Porsch 2017). Neben den methodisch-didaktischen Kompetenzen muss erheblich mehr Aufmerksamkeit auf den Ausbau einer für die Ansprüche eines lebendigen und kommunikativen Englischunterrichts angemessenen Lehrersprache gerichtet werden, deren Merkmale die Studie von Deters-Philipps (2018) überzeugend skizziert. In Hinblick auf diesen Aspekt ist es an der Zeit, die sogenannten sprachpraktischen Anteile der Lehrerbildungsprogramme einer kritischen Revision zu unterziehen und zu prüfen, ob sie das Potential haben, zukünftige und praktizierende Englischlehrer*innen dazu zu befähigen, die komplexen und dynamischen Prozesse im Unterricht in der Zielsprache zu steuern und zu gestalten. Auch die Befassung mit dem Brennpunkt „Übergang der Kinder von der Grundschule in die weiterführende Schule“, einer Teilaufgabe des PROJEKTS, muss stärker unterrichtsbezogen erfolgen. Neben den institutionellen und curricularen Herausforderungen des Übergangs, etwa dem Fehlen von Mindeststandards für die Grundschule (Börner et al. 2017), ist der Übergang entscheidend durch den konkreten Unterricht bestimmt. Durch die Art und Weise, wie er gestaltet ist, wie er mitgebrachtes Können sichtbar werden lässt, wie er dieses wertschätzt und ausbaut, erleben Kinder täglich den Übergang. Der Versuch des PROJEKTS, vor allem die ersten Monate des 5. Schuljahres in den Blick zu nehmen und mit Hilfe lehrbuchbasierter, komplexer Lernaufgaben den Lehrer*innen in Klasse 5 Handlungsmöglichkeiten bereitzustellen, könnte durch weitere Forschungen vorangetrieben und validiert werden. 214 Michael K. Legutke 2 Lernende Netzwerke von Lehrer*innen und Forscher*innen Die Beiträge dieses Bandes verschaffen einen Einblick in die Dynamik kooperativer Forschung, indem u. a. die Parameter erörtert wurden, die die Herausbildung einer Gemeinschaft der Forschenden so bestimmten, dass ihre Mitglieder über mehr als fünf Jahre in einem produktiven Netzwerk zusammenarbeiten konnten. Die Produktivität wird u. a. erkennbar in den für diese Publikation ausgewählten Forschungsergebnissen. Tragendes Element dieser Zusammenarbeit war, wie mehrfach hervorgehoben, die Befassung mit konkretem Unterricht. Diese war von einem ständigen Wechsel zwischen Entwicklung und Erprobung, Beobachtung, Verbalisierung und Reflexion geprägt. Obwohl eine Vielzahl der Arbeitssitzungen des PROJEKTS detailliert protokolliert und zum Teil audio- und vidoegrafiert wurden, war es nicht mehr möglich, diese Daten daraufhin zu untersuchen, wie die Prozesse der Verbalisierung und Reflexion der Beobachtungen abliefen und welche Rolle dabei die Präsentierenden und die Fachdidaktiker*innen spielten. Vor allem auch die Frage, wie Erfahrungswissen und praktisches Können sprachlich gefasst und mit theoriegeleiteten Konzepten, die die Fachdidaktiker*innen in den Diskurs einbrachten, verknüpft wurden, konnte nicht verfolgt werden. Das PROJEKT hinterlässt folglich eine Baustelle, an der es sich lohnen würde weiterzuarbeiten. Mit Bezug auf die Studie von Manuela Wipperfürth (2015) gilt es, die Abrufbarkeit und Explizierung von Lehrerwissen in Netzwerken zu untersuchen, wie dem, welches das PROJEKT konstituierte und in dem Fremdsprachendidaktiker*innen und Lehrkräfte zusammen lernten. 3 Nachhaltigkeit Ob und wenn ja, in welcher Weise das PROJEKT Spuren hinterlassen hat oder hinterlassen wird, lässt sich nur in Ansätzen beurteilen. Indikatoren für Nachhaltigkeit, um die es hier geht, treten auf drei Ebenen in Erscheinung, der individuellen, der institutionellen und der disziplinbezogenen, der Fachdidaktik. Bereits im Alltag des PROJEKTS war in unterschiedlichen Situationen erkennbar, dass Lehrer*innen ebenso wie Forscher*innen ihre Sichtweise veränderten, was für die ersteren häufig damit einherging, dass sie im Unterricht Neues versuchten, weil sie durch andere dazu motiviert wurden. Ein signifikantes Beispiel lieferten Kolleg*innen beim Einsatz und der Bearbeitung narrativer Texte. Während eine Reihe der Texte (s. o.) von Gymnasiallehrkräften zunächst als deutlich zu schwer für ihre fünften Klassen eingestuft wurden, ließen sie sich auf eine Erprobung im eigenen Unterricht ein, nachdem sie mit Erstaunen und Bewunderung die Leistungen von Kindern aus dritten und vierten Klassen auf der Basis eben dieser Texte wahrgenommen hatten: Mrs. Quisenberry’s Birthday Projekt Englisch ab Klasse 1 - Bilanz und Perspektiven 215 (Burke 2017) erzählt von einer etwas wunderlichen älteren Dame, die schon lange nicht mehr ihren Geburtstag gefeiert hat. Zusammen mit ihrem Papagei erlebt sie einen ungewöhnlich aufregenden Geburtstag. Die Kinder haben in Gruppen Szenen dieses Geburtstags erarbeitet und mit Bildern ausgestaltet und lesen oder spielen sie sich vor. In Monster Diaries (Saraciano 2017) wird ein Wettbewerb gestartet, der helfen soll, Monster wieder wirklich gruselig zu machen. Monster schicken ihren Tagesablauf an ein Komitee, das das gruseligste Monster ermitteln soll. Kinder haben Tagebucheinträge grässlicher Monster entwickelt, sich als Monster verkleidet und fotografiert sowie Monsterbilder gezeichnet. Hier haben Grundschullehrkräfte Experimente der Lehrer*innen in der Sekundarstufe initiiert. Umgekehrt hat schon während des PROJEKTS die schwierige Aufgabe für die Lehrer*innen der 5. Klassen, das mitgebrachte Können der Kinder wahrzunehmen, die Grundschullehrkräfte veranlasst, mit ihren Kindern eine Schatztruhe mit Unterrichtprodukten anzulegen und die Präsentation der Schätze zu üben, damit sie den Kindern in der 5. Klasse helfen, ihre Kompetenz zu zeigen (Dreßler- / Kollmann- / Legutke 2016). Ob diese hier nur als Beispiele genannten Versuche, Neues zu praktizieren, in die Routinen der Lehrkräfte langfristig integriert wurden, lässt sich nicht beurteilen. Da eine Nachbefragung der Lehrkräfte, die ein Jahr nach Projektende geplant war, nicht erfolgen konnte, sind differenziertere Aussagen, die vor allem die Sicht der Lehrkräfte in Hinblick auf die Nachhaltigkeit des PROJEKTS berücksichtigen, nicht möglich. Was die institutionelle Ebene betrifft, so bleibt festzuhalten, dass die Grundschulen des PROJEKTS über dessen Ende hinaus nach wie vor zwei zusätzliche Stunden, je eine für die Klassen 1 und 2, erhalten. Sie können folglich weiterhin Englisch ab Klasse 1 mit zwei Wochenstunden anbieten, wenn sie zwei Stunden aus dem Profilfond der Schulen für dieses Angebot einsetzen. Kultusministerium, Schulamt und Universität haben das große Engagement der beteiligten Lehrkräfte zertifiziert und dabei die Inhaltsbereiche skizziert, welche die Lehrer*innen bearbeiteten. Damit wurden Voraussetzungen geschaffen, dass die durch das PROJEKT erworbenen Kompetenzen von interessierten Kolleg*innen vor allem in die Lehrerfortbildung eingebracht werden können. Diese Möglichkeiten werden für die Themenbereiche aufgabenbasiertes Lernen im Englischunterricht der Grundschule und die Gestaltung des Übergangs genutzt. Das Angebot des Schulamts, auch in Zukunft pro Halbjahr ein Treffen der Projektschulen zu organisieren, konnte nicht umgesetzt werden. Schließlich bleibt zu hoffen, dass der fachdidaktische Diskurs im spannenden Feld des frühen Fremdsprachenunterrichts die Angebote des PROJEKTS kritisch würdigt und dass die fremdsprachendidaktische Forschung einige seiner Impulse aufnimmt und in neuen, kollaborativen Projekten weiterverfolgt. 216 Michael K. Legutke Literatur Börner, Otfried-/ Böttger, Heiner-/ Kierepka, Adelheid-/ Lohmann, Christa (2017). Fremdsprachenunterricht in Der Primarstufe-- Potenziale für zukünftige Standards. Fremdsprachen Lehren und Lernen (FLuL) , 46 (2), 85-103. Burke, Jennifer (2017). Mrs. Quisenberry’s Birthday . Braunschweig: Westermann. Deters-Philipp, Ann-Cathrin (2017). Teacher language in German EFL classrooms at primary level. In: Wilden, Eva-/ Porsch, Raphaela (Eds.). The professional development of primary EFL teachers. National and international research. Münster: Waxmann, 209-222. Deters-Philipp, Ann-Cathrin (2018). Lehrersprache im Englischunterricht an deutschen Grundschulen. Eine Interviewstudie mit Lehrkräften . Münster: Waxmann. Diehr, Bärbel-/ Frisch, Stefanie (2007). Goodbye Hungry Caterpillar. Ein forschungsgestütztes Plädoyer für produktiven Sprachgebrauch im Englischunterricht der Grundschule“. In: Grau, Maike-/ Legutke, Michael (Hg.). Fremdsprachen in der Grundschule. Auf dem Weg zu einer neuen Lern- und Leistungskultur. Frankfurt: Grundschulverband, 142-67. Doyé, Peter (1993). Fremdsprachenerziehung in der Grundschule. 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Im Großraum Freiburg arbeitete sie als Grundschullehrerin und Schulleiterin und war darüber hinaus lange Jahre als akademische Mitarbeiterin an der PH Freiburg tätig. Sie beschäftigt sich mit der Entwicklung von IKK im Englischunterricht der Grundschule. Darüber hinaus beschäftigt sie sich mit dem Lehren und Lernen von Englisch in der Primarstufe, dem Einsatz von Literatur und Medien im Fremdsprachenunterricht sowie mit Lehr- und Lernkonzepten für die professionsorientierte Fremdsprachenlehrer(aus)bildung. Sonja.Brunsmeier@ph-ludwigsburg.de Dr. Constanze Dreßler ist Grundschullehrerin in Frankfurt. Sie hat als wissenschaftliche Mitarbeiterin im „Projekt Englisch ab Klasse 1“ gearbeitet und in diesem Zusammenhang eine binationale Doktorarbeit zum Thema Lernaufgaben im Englischunterricht der Grundschule geschrieben. CDressler0207@gmx.net Dr. Annika Kolb ist Professorin für Englisch und seine Didaktik an der Pädagogischen Hochschule Freiburg. Sie war Lehrerin in der Primar- und Sekundarstufe in Deutschland und Spanien. Ihre Arbeitsschwerpunkte sind Englischlernen in der Grundschule und Literatur im Fremdsprachenunterricht. Annika.Kolb@ph-freiburg.de Dr. Michael K. Legutke ist Professor Emeritus für die Didaktik der englischen Sprache und Literatur an der Justus-Liebig-Universität Gießen. Er war sieben Jahre Lehrer an einer integrierten Gesamtschule. Er hat als Fachberater für Deutsch im Pazifischen Nordwesten der USA Deutschlehrerinnen und Lehrer 218 Verzeichnis der Autor*innen betreut und das Referat Fortbildung beim Goethe-Institut München geleitet. Seine Forschungsschwerpunkte sind neben der fremdsprachlichen Lehrerbildung der frühbeginnende Fremdsprachenunterricht sowie die Aufgabenorientierung und das Lernen in Projekten. Er ist Mitherausgeber der Gießener Beiträge zur Fremdsprachendidaktik. Michael.K.Legutke@anglistik.uni-giessen.de Dr. Lambrini (Lana) Loumbourdi ist Lektorin für die Didaktik der englischen Sprache an der Justus-Liebig-Universität Gießen. Sie war 10 Jahre Lehrerin an privaten und öffentlichen Schulen und hat 5 Jahre an der Goethe Universität Frankfurt zunächst als wissenschaftliche Mitarbeiterin und dann als Lektorin gearbeitet. Ihre Forschungsinteressen gelten dem Sprach-Assessment, dem aufgabengestützten Lehren und Lernen, der Lehrerbildung sowie dem frühbeginnenden Englischunterricht. Lambrini.Loumbourdi@anglistik.uni-giessen.de