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Mehrsprachige Leseförderung: Grundlagen und Konzepte

2018
978-3-8233-9121-0
Gunter Narr Verlag 
Sabine Kutzelmann
Ute Massler

Das Studienbuch widmet sich dem Lesen und seiner Förderung im Kontext der Mehrsprachigkeit. Im ersten Teil werden Grundlagen einer sprach- und fachübergreifenden Leseförderung aus den beiden Perspektiven der Deutsch- und Fremdsprachendidaktik sowie neueste Forschungsergebnisse zur Entwicklung der Lesekompetenz präsentiert. Danach veranschaulichen im zweiten Teil praxisorientierte Konzepte die Bedeutung einer mehrsprachigen Leseförderung für die Schule. Der Band wendet sich an Hochschuldozierende und Studierende der Primar- und Sekundarstufe sowie Lehrkräfte und Referendar/innen der Schul- und Fremdsprachen.

Sabine Kutzelmann / Ute Massler (Hrsg.) Mehrsprachige Leseförderung Grundlagen und Konzepte Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http: / / dnb.dnb.de abrufbar. Gedruckt mit Unterstützung der Pädagogischen Hochschule St. Gallen und der Pädagogischen Hochschule Weingarten. © 2018 ∙ Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG Dischingerweg 5 ∙ D-72070 Tübingen Internet: www.narr-studienbuecher.de E-Mail: info@narr.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Satz: pagina GmbH, Tübingen Printed in Germany ISSN 0941-8105 ISBN 978-3-8233-8121-1 5 Inhaltsverzeichnis Inhalt Einleitung Mehrsprachige Leseförderung: Grundlagen und Konzepte Sabine Kutzelmann, Ute Massler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 Kapitel 1 Leseförderung im Kontext der Mehrsprachigkeit aus der Perspektive der Deutschdidaktik Cornelia Rosebrock . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 1. „Lesen lernt man durch Lesen“-- buchorientierte Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . 16 2. Textverstehen lehren-- Strategievermittlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 3. Förderung der basalen Teilkomponenten-- Leseflüssigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 4. Studienergebnisse zu Laut- und Vielleseverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 5. Mehrsprachige Kinder innerhalb der Gruppe schwacher Leser / innen . . . . . . . 25 . Fazit und Vermutungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 Kapitel 2 Mehrsprachige (Lese-)texte aus der Perspektive der Fremdsprachendidaktik Daniela Elsner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 1. Mehrsprachigkeit und Fremdsprachenunterricht: Gründe für die wissenschaftliche Auseinandersetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 2. Fachdidaktische Überlegungen zur Förderung von Mehrsprachigkeit im Fremdsprachenunterricht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 3. Mehrsprachige Texte im Fremdsprachenunterricht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 4. Mehrsprachige Texte: Wirkungen und Nebenwirkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 Kapitel 3 Frühe genderspezifische Entwicklung der Lesekompetenzen mehrsprachiger Kinder Befunde und sprachendidaktische Konsequenzen Heiner Böttger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 1. Neue Forschungsansätze zu gendersensiblen Fragestellungen . . . . . . . . . . . . . . 42 2. Befunde und Diskussion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 3. Sprachendidaktische Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 Kapitel 4 Die Entwicklung des englischen und deutschen Lesens bei ein- und mehrsprachigen Kindern in Grundschulen mit bilingualen Angeboten Anja Steinlen, Thorsten Piske . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 1. Merkmale des Leseerwerbs in der L1 und in der L2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 2. Überblick über bilinguale Programme in Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 3. Zur Entwicklung des Lesens im Englischen bei Schüler / innen in bilingualen Programmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 4. Zur Entwicklung des Lesens im Deutschen bei Schüler / innen in bilingualen Programmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 5. Empfehlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 6 Inhalt Kapitel 5 Mehrsprachiges Lesetheater Ein sprach- und fachübergreifendes Lautleseverfahren zur Förderung der Leseflüssigkeit und Lesemotivation Sabine Kutzelmann, Ute Massler, Angelika Ilg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 1. Situierung im Forschungskontext . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 2. Die wichtigsten Merkmale des Verfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 3. Ein mehrsprachiges Lautleseverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 4. Bedeutung im Kontext der Mehrsprachigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 5. Mehrsprachiges Lesetheater als Teil einer systematischen Leseförderung . . . . . 77 Anleitung zur Dramatisierung von mehrsprachigen Lesetheaterstücken am Beispiel von Bend it like Beckham Sabine Kutzelmann / Ute Massler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 Kapitel 6 Mehrsprachiges Vorlesen durch die Lehrperson Ein neues Konzept der sprachübergreifenden Leseanimation in Schul- und Fremdsprache Kerstin Theinert, Klaus Peter, Robert Hilbe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 1. Theoretische Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 2. Der Entwicklungsprozess des Unterrichtskonzepts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 3. Komponenten des mehrsprachigen Vorlesens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 Kapitel 7 Mehrsprachige Leseförderung durch mehrsprachige Computerspiele? Das Beispiel MElang-E Judith Buendgens-Kosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 1. Theoretische Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 2. Lesen in Computerspielen: aktuelle Studienergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 3. ME lang-E . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 4. Notwendigkeit einer didaktischen Einbettung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 Kapitel 8 Mehrsprachige literale Förderung Ein Handlungsfeld für die Ausbildung von Deutschlehrpersonen Trix Bürki, Katja Schnitzer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 1. Ausgangslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 2. Sprach- und Literalitätsförderung: Konzepte und Programme . . . . . . . . . . . . . . 119 3. Konsequenzen für die Lehrerbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 4. Projekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 Kapitel 9 Mehrsprachige Bilderbücher und audio-digitale Hörstifte Sprachintegrative Leseförderung im Unterricht mit neu zugewanderten Schüler / innen Juliane Dube, Erkan Gürsoy . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 1. Förderung von Literacy . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 2. Verbal Literacy . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 3. Mehrsprachige Kinder- und Jugendliteratur und koordinierte Alphabetisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 7 Inhalt 4. Sprachintegrative Leseförderung mit Bilderbüchern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 5. Einsatz von mehrsprachigen Bilderbüchern im Unterricht mit neu zugewanderten Schüler / innen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 . Forschungsdesign . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 7. Ein Blick in die Unterrichtsforschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 8. Erste Erfahrungen aus der Projektarbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 Kapitel 10 Lesen und Mehrschriftigkeit Schrifterwerb und Leseförderung von Kindern mit arabischer Erstsprache Manuela Böhm, Ulrich Mehlem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 1. Hintergrund: Sprachförderung mit AlphAlif . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 2. Lesedidaktischer Hintergrund: Alphabetisierung und Leseförderung kontrastiv . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 3. Vom Wort zum Text: Wortschatz und Leseverstehen in zwei Sprachen . . . . . . . 156 Kapitel 11 Multimodalität und Multiliteralität in der Leseförderung Der Beitrag der Pädagogik der Multiliteracies und der New Literacy Studies zur Förderung (multi)literaler Kompetenzen Nadja Kerschhofer-Puhalo . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 1. Multiliteralität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 2. New Literacy Studies . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 3. Das Forschungsprojekt My Literacies . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 4. Multimodalität und Text-Design . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 5. MODIPLAC -- ein Modell zur Beschreibung und Didaktisierung von multimodalen Texten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 . Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174 Autorinnen und Autoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 Bibliographie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 9 Einleitung Mehrsprachige Leseförderung: Grundlagen und Konzepte Sabine Kutzelmann, Ute Massler Eine Fachpublikation folgt in der Regel der Fachlogik, die im Fall des Sprachlernens nach Sprachen aufgegliedert ist. Es geht dann für das Fach Deutsch oder für das Fach Englisch um den Sprachlernbereich Lesen. Dieses Studienbuch widmet sich dem Bereich Lesen und seiner Förderung auf eine andere Weise, als es für gewöhnlich der Fall ist, denn es lässt Vertreter / innen verschiedener Sprachfächer und ihrer Fachdidaktiken zu Wort kommen. Darüberhinaus leistet dieses Studienbuch noch etwas anderes: Durch die Fokussierung auf das Lesen im Kontext der Mehrsprachigkeit werden zwei Bereiche miteinander verknüpft, die im Alltag von zunehmend mehr Kindern und Jugendlichen bereits selbstverständlich zusammengehören, wenn dies auch in unterschiedlicher Ausprägung der Fall ist: Kinder und Jugendliche handeln in ihrer Freizeit und in der Schule mit verschiedenen Sprachen, entweder sprechend, hörend, schreibend oder eben auch lesend. Viele sind bereits mehrsprachig, weil sie zuhause eine andere Sprache sprechen als die dominierende Schulsprache, oder sie sind auf dem Weg, mehrsprachig zu werden, weil sie eine oder mehrere Fremdsprachen in der Schule lernen. Für alle trifft zu, dass ihre Umwelt zusehends mehrsprachiger wird und ein monolinguales Aufwachsen kaum noch Realität ist, da beispielsweise in Deutschland (bpb 201) und Österreich (Statistika Austria 201) bereits gut jede fünfte Person einen Migrationshintergrund aufweist, in der Schweiz sogar mehr als ein Drittel (Bundesamt für Statistik 201). Mittelfristig wird sich der Anteil der Personen mit Migrationshintergrund weiter erhöhen, da z. B. in Deutschland 2015 bereits 35,9 % aller Kinder unter 5 Jahren eine Zuwanderungsgeschichte aufweisen (bpb 201). Im vorliegenden Studienbuch werden daher die beiden Themen „Leseförderung“ und „Mehrsprachigkeit“ fachübergreifend sowohl aus der Perspektive der Deutschdidaktik als auch aus der Perspektive der Fremdsprachendidaktik beleuchtet und in einen Zusammenhang gebracht. Individuelle Mehrsprachigkeit und ungenügende Lesekompetenzen sind gesellschaftlich wie auch bildungspolitisch relevante Themen. Auf der einen Seite sind gerade mehrsprachige Schüler / innen mit Migrationshintergrund besonders gefährdet, in die Gruppe der Risikoleser / innen zu fallen. Auf der anderen Seite stehen Erkenntnisse, wonach lebensweltliche Mehrsprachigkeit das schulische Fremdsprachenlernen durchaus befördern kann. Obwohl neuere Modellierungen des multiplen Spracherwerbs das dynamische Zusammenspiel zwischen allen erworbenen und erlernten Sprachen in den Vordergrund stellen, erleben Schüler / innen ein Nebeneinander von Sprachfächern und eine Trennung von Erst-, Zweit- und Fremdsprache. Bislang existieren nur wenige konkrete Vorschläge dafür, wie das mehrsprachige Repertoire von Schüler / innen im Leseunterricht genutzt und die Lesefertigkeit aller sprachübergreifend gefördert werden können. Hier setzt das Studienbuch an: sein Ziel ist es, Potenziale und Chancen einer sprach- und fachübergreifenden Entwicklung und Förderung der Lesekompetenz aufzuzeigen und Ver- 10 Einleitung treter / innen der verschiedenen Sprachdidaktiken zu ermutigen, eine fach- und sprachübergreifende Perspektive einzunehmen. Anstoß zu diesem Buch gab die internationale Fachtagung Leseförderung im Kontext der Mehrsprachigkeit (20. 5. 2017, Pädagogische Hochschule Weingarten), die als Multiplikatorenveranstaltung des Erasmus+ Projektes Mehrsprachiges Lesetheater (vgl. das Kapitel von Kutzelmann, Massler und Ilg in diesem Band) durchgeführt wurde. Im ersten Teil werden grundsätzliche Überlegungen zur mehrsprachigen Leseförderung aus den beiden Perspektiven der Deutsch- und Fremdsprachendidaktik dargelegt sowie neueste Forschungsergebnisse zur Entwicklung einer (mehrsprachigen) Lesekompetenz präsentiert. Im Anschluss veranschaulichen im zweiten Teil praxisorientierte Konzepte einerseits die Bedeutung einer mehrsprachigen Leseförderung für die Schule, andererseits illustrieren sie didaktisch-methodische Designs sowie Lehr- und Lernmaterialien und wie diese im Unterricht umgesetzt werden können. Über beide Teile des Studienbuchs hinweg verschränken zentrale Aspekte der Förderung einer mehrsprachigen Lesekompetenz die Kapitel miteinander. Allen Kapiteln gemein ist, dass sie die Mehrsprachigkeit der Lernenden als Chance wahrnehmen und nicht als Defizit postulieren. Davon ausgehend zeigen einige Kapitel auf unterschiedliche Art und Weise überzeugend auf, wie verschiedene Sprachen im Klassenzimmer bewusst in die unterrichtliche Leseförderung einbezogen werden können. Andere wiederum verdeutlichen den Mehrwert, den mehrsprachige Unterrichtsdesigns und Lehr- und Lernmaterialien für die Förderung der Lesekompetenz und der Mehrsprachigkeit haben können. Die Entwicklung der Lesekompetenz allgemein beziehungsweise spezifischer Komponenten, wie z. B. der Leseflüssigkeit oder der Lesemotivation, steht im Zentrum der meisten Kapitel. Ganz spezifisch wird die Entwicklung der Lesekompetenz in Kapitel 3 und 4 thematisiert, die die frühe genderspezifische Entwicklung der Lesekompetenz von Kindern und hier auch von mehrsprachigen (Böttger) sowie die Entwicklung des englischen und deutschen Lesens bei ein- und mehrsprachigen Kindern in Grundschulen mit bilingualen Angeboten (Steinlen / Piske) in den Blick nehmen. Ein weiterer Schwerpunkt liegt auf der Förderung der basalen Lesefertigkeiten. So widmen sich Kapitel 1 (Rosebrock) und Kapitel 5 (Kutzelmann, Massler, Ilg) der Förderung der schulsprachlichen und der fremdsprachlichen Leseflüssigkeit. Hierzu zählt auch der Beitrag von Böhm / Mehlem, der die Besonderheiten des Schrifterwerbs und die Leseförderung bei neu zugewanderten Kindern mit einem vom Deutschen unterschiedlichen Schriftsystem erörtert. Lesemotivation als wichtiger Faktor, um die Entwicklung von Lesekompetenz zu fördern, ist ebenfalls ein Aspekt, den verschiedene Kapitel thematisieren. Ein leseanimierendes Verfahren wie das Mehrsprachige Vorlesen durch die Lehrperson, das Kapitel  (Theinert / Peter / Unterthiner) vorstellt, ist für einen sprach- und fachübergreifenden Zugang beispielhaft. Die Mehrzahl der Autor / innen widmet sich dem Beitrag, den mehrsprachige Medien für eine sprachliche und literale Förderung leisten können. Die einzelnen Kapitel thematisieren den Einsatz von zwei- und mehrsprachigen Bilderbüchern mit Lernenden der Primarstufe (Kap. 9 Dube / Gürsoy, Kap. 10 Böhm / Mehlem), von zwei- und mehrsprachigen Texten in der Sekundarstufe (Kap. 2 Elsner, Kap. 5 Kutzelmann / Massler / Ilg, Kap.  Theinert / Peter / Unterthiner) sowie von Computerspielen (Kap. 7 Bündgens-Kosten) und digitalen Hörstiften 11 Einleitung (Kap. 9 Dube / Gürsoy). Das Konzept einer multiliteralitätsorientierten Leseförderung, bei der neben der Mehrsprachigkeit auch Multimodalität und Multimedialität als wichtige Ressourcen für die Leseförderpraxis einbezogen werden, ist Gegenstand des Beitrags von Kerschhofer-Puhalo (Kap. 11). Die beschriebenen Grundlagen und Konzepte für eine mehrsprachige Leseförderung adressieren sehr unterschiedliche Lernende sowie Lehr- und Lernkontexte. So stehen neben Lernenden mit Erstsprache Deutsch solche mit anderen Erstsprachen, die jedoch mehrheitlich zweisprachig sozialisiert wurden, aber auch neu zugewanderte Lernende, für die Deutsch eine Fremdsprache ist, im Mittelpunkt des Interesses. Während einige Beiträge im Kontext des Fremdsprachen- oder des Deutschunterrichts verortet sind (z. B. Kap. 1, 2), thematisieren andere einen Unterricht, in dem die Leseförderung fächer- und sprachverbindend stattfindet (Kap. 5, ). Die Beiträge vereinend ist jedoch zum einen, dass sich alle der Förderung von Lernenden der Primar- und Sekundarstufe I widmen. Zum anderen sind viele der beschriebenen Grundlagen und Konzepte mit Hilfe der entsprechenden Adaptionen auf andere Kontexte übertragbar. Cornelia Rosebrock (Kap. 1) eröffnet den ersten Teil zur mehrsprachigen Leseförderung aus den beiden Perspektiven der Deutsch- und Fremdsprachendidaktik, indem sie die grundlegenden Verfahren zur Leseförderung beschreibt, die im Deutschunterricht eingesetzt werden. Sie diskutiert, inwiefern sich diese Verfahren insbesondere für mehrsprachige Schüler / innen eignen und ob ggf. auch mehrsprachige Texte hierbei einbezogen werden können. Die praktizierten Verfahren reichen von buchorientierten Vorgehensweisen, die auf die Lektüre von Kinder- und Jugendliteratur abzielen, über Verfahren, die Lesestrategien vermitteln, bis hin zu Verfahren, die die Verbesserung der Leseflüssigkeit zum Ziel haben. Bei ihrer Beschreibung berücksichtigt sie insbesondere die Förderroutinen von Viellese- und Lautleseverfahren und gibt einen Überblick zu empirischen Studien, die die Wirksamkeit dieser Verfahren zur Verbesserung der Leseleistungen untersucht haben. Daniela Elsner blickt aus der Perspektive der Fremdsprachendidaktik auf eine mehrsprachige Leseförderung mit Hilfe mehrsprachiger Texte. Sie widmet sich der Frage, ob und wie-- aus empirischer Sicht-- mehrsprachige Texte einen Beitrag zur Förderung von Mehrsprachigkeit leisten können. Zu diesem Zweck diskutiert sie das didaktische Potenzial sowie den übergreifenden Mehrwert mehrsprachiger Texte aus Sicht der Bildungspolitik und Sprachlehrforschung für die Entwicklung kommunikativer, interkultureller und methodischer Kompetenzen im Fremdsprachenunterricht. Ihre weiteren Ausführungen beinhalten zudem eine Systematisierung mehrsprachiger Texttypen sowie konkrete Beispiele für deren Einsatz in einem Fremdsprachenunterricht, der Mehrsprachigkeit als wichtiges Unterrichtsziel erachtet. Das Kapitel 2 schließt mit einem Einblick in die Ergebnisse verschiedener Untersuchungen zum Potenzial mehrsprachiger Lesetexte im Kontext des formalen Fremdsprachenerwerbs. Heiner Böttgers sowie Anja Steinlens und Thorsten Piskes Ausführungen beleuchten in den Kapiteln 3 und 4 neueste Forschungsergebnisse zur Entwicklung einer (mehrsprachigen) Lesekompetenz. Heiner Böttger nähert sich der Lesekompetenz aus der Perspektive der genderspezifischen Sprachentwicklungsforschung. Mit Hilfe einer analytischen Cross-sciences- 12 Einleitung Metastudie, die neben Erkenntnissen relevanter Bezugswissenschaften bildgebende Verfahren der neurowissenschaftlichen Spracherwerbsforschung einsetzt, zeigt er, dass während der frühen Alphabetisierung und beim Aufbau der frühen Lesekompetenz ein sensibler neurobiologischer Unterschied zwischen Mädchen und Jungen im Bereich der Verbindungen von Gehirnzellen in sprachrelevanten Gehirnarealen sowie bei der Verwendung beider Gehirnhemisphären entsteht. Dieser zeigt sich sowohl bei monolingual als auch bei mehrsprachig aufwachsenden Kindern. Vor diesem Forschungshintergrund leitet er erste sprachdidaktische Konsequenzen und Handlungsfelder ab und erläutert, welche Rolle dabei differenzierende Maßnahmen spielen können. Die Chancen, die Grundschulen mit bilingualen Angeboten für die Entwicklung der Leseleistungen mehrsprachig aufwachsender Schüler / innen im Vergleich zu einsprachig aufwachsenden Kindern bieten, beschreiben Anja Steinlen und Thorsten Piske. Dabei gehen sie nicht nur auf Leseleistungen im Deutschen, sondern auch auf Leseleistungen in der an Schulen häufig als erster Fremdsprache gelernten Sprache Englisch ein. Sie diskutieren mögliche Gründe, weshalb im Gegensatz zu den Ergebnissen von Studien, die an Schulen ohne bilinguale Angebote durchgeführt wurden, bei den Lesefähigkeiten von Lernenden in bilingualen Programmen bisher keine signifikanten Unterschiede zwischen den Leistungen von Kindern mit und ohne Migrationshintergrund festgestellt wurden. Abschließend geben sie Empfehlungen, wie es Lernenden mit und ohne Migrationshintergrund erleichtert werden kann, schon in der Grundschule von Anfang an in mehr als einer Sprache lesen (und schreiben) zu lernen. Der zweite Teil des Studienbuchs stellt praxisorientierte Konzepte vor, die unterschiedliche Aspekte der Leseförderung und -kompetenz sowie verschiedene Schülerschaften in den Blick nehmen. So thematisieren Sabine Kutzelmann, Ute Massler und Angelika Ilg in Kap. 5 den Erwerb einer angemessenen Leseflüssigkeit. Diese ist für die Entwicklung der Lesekompetenz sowohl in der Schulsprache als auch in der Fremdsprache von großer Bedeutung. Bislang spielt jedoch die Leseflüssigkeit in der Fremdsprache in der Forschung, aber vor allem in der Fremdsprachendidaktik und Unterrichtspraxis kaum eine Rolle. Die sprachübergreifende Förderung von Leseflüssigkeit und Lesemotivation in der Schulsprache und ein bis zwei Fremdsprachen, zu denen auch Herkunftssprachen zählen können, stehen im Zentrum des mehrsprachigen Förderkonzepts Mehrsprachiges Lesetheater ( MELT ). Die Autor / innen stellen eine neue mehrsprachige Variante des Lautleseverfahrens Lesetheater vor, das diese für die Schulsprache bewährte Fördermethode nutzt, die als ein Lautleseverfahren auch empirisch recht gut abgestützt ist. Anders als beim einsprachigen Lesetheater stehen als Lehr- und Lernmaterialien mehrsprachige Lesetheaterstücke zur Verfügung, anhand derer das Lesetraining stattfindet. Das Kapitel beschreibt detailliert die didaktisch-methodischen Merkmale des Mehrsprachigen Lesetheaters und erläutert, auf welche Weise Übungsformen wie wiederholtes und begleitetes (halb-)lautes Lesen die Leseflüssigkeit der Lernenden fördern können. Kerstin Theinert, Robert Hilbe und Klaus Peter präsentieren mit dem Mehrsprachigen Vorlesen durch die Lehrperson (MeVoL) ein neues Konzept der sprachübergreifenden Leseanimation (Kap. ). Die Grundlage für die Arbeit mit dieser Fördermethode bildet ein mehr- 13 Einleitung sprachig gestalteter Text, den die Lehrkraft ihrer Klasse vorliest. Beim Vorlesen wechseln sich Textabschnitte auf Deutsch (Schulsprache) mit Abschnitten in einer der schulisch geförderten Fremdsprachen (Englisch oder Französisch) ab. Dadurch wirkt das Deutsche als Brücke zum besseren Verständnis der fremdsprachlichen Textabschnitte. Aufbauend auf der theoretischen Legitimation des Mehrsprachigen Vorlesens stellt das Kapitel Gestaltungsprinzipien für die praktische Umsetzung im Unterricht dar. Diese beschreiben, wie geeignete Scaffolding- Maßnahmen eingesetzt werden, um die Motivation und das Verständnis der Schüler / innen beim Zuhören zu fördern, ihnen durch das Vorlesen eine positive literarische Erfahrung zu ermöglichen und ihr sprachliches Lernen zu begünstigen. Die Lesepraxis Jugendlicher ist stark von der Nutzung digitaler Texte geprägt, zu der auch Computerspiele zählen. Welche Potenziale Computerspiele zur Leseförderung insbesondere aufgrund ihrer Interaktivität und Multimodalität aufweisen, zeigt Judith Buendgens-Kosten am Beispiel des mehrsprachigen Computerspiels MElang-E, in dem eine Vielzahl von Sprachen auf unterschiedlichen Niveaus vorkommen, und in dem die Dialoge der Figuren sowohl als gesprochener als auch geschriebener Text angeboten werden (Kap. 7). Am Schluss werden darüber hinaus Möglichkeiten beschrieben, wie die Spielerfahrungen der Schüler / innen didaktisch sinnvoll in den Unterricht eingebettet werden können. Forschungsergebnisse deuten darauf hin, dass frühe literale Erfahrungen in der Familie eine wichtige Voraussetzung für den Bildungserfolg darstellen. Zudem lassen sich gut ausgebaute Kompetenzen in der Erstsprache, v. a. im Bereich der Schriftlichkeit, auf die Zweitsprache übertragen. Daher kommt der mehrsprachigen literalen Förderung einer kulturell und sprachlich heterogenen Schülerschaft eine große Relevanz zu. Bislang stellt diese jedoch nicht nur an Schweizerischen Primarschulen ein Desiderat dar, wie Trix Bürki und Katja Schnitzer ausführen (Kap. 8). Die Autorinnen erläutern daher, weshalb die mehrsprachige literale Förderung im Deutschunterricht unerlässlich ist und durch welche Konzepte sie unterstützt wird. Nach der Formulierung von Konsequenzen für die Ausbildung von Lehrpersonen schließt das Kapitel mit der Vorstellung zweier unterrichtlicher Umsetzungen. Da diese Unterrichtsszenarien durch Kooperationen zwischen Schulklassen und Seminaren der Lehrerausbildung realisiert wurden, dienen sie auch als hochschuldidaktische Seminarmodelle, die es Studierenden ermöglichen sollen, die in solchen Lehrveranstaltungen gewonnenen Kompetenzen in die Schul- und Leseförderungspraxis einfließen zu lassen. Das Potenzial mehrsprachiger Bilderbücher für die Sprach- und Leseerwerbsprozesse von neu zugewanderten Schüler / innen mit Deutsch als Zweitsprache steht im Fokus des Kapitels 9 von Juliane Dube und Erkan Gürsoy. Dieser Beitrag illustriert somit die Brückenfunktion, die mehrsprachigen Bilderbüchern zwischen der sprachlichen und der literalen Bildung zukommen kann. Darüber hinaus illustrieren die Autor / innen anhand ihrer Forschungs- und Entwicklungsarbeiten im Projekt MesH-- Digitale Medien und sprachliche Heterogenität, wie hierbei individuell zu besprechende audio-digitale Hörstifte gewinnbringend für die sprachliche und literale Förderung eingesetzt werden können. Neuzugewanderte Kinder aus Ländern mit arabischem Schriftsystem stehen vor der Herausforderung, gleichzeitig mit dem Wortschatz und der Grammatik des Deutschen eine neue Schrift mit einer anderen Schreibrichtung und anderen Laut-Buchstaben-Zuordnungen zu 14 Einleitung lernen. Wie diese Kinder gezielt beim Erwerb des Lesens und Schreibens gefördert werden können, zeigen Manuela Böhm und Ulrich Mehlem anhand des pädagogischen Praxisprojekts AlphAlif (Kap. 10). Im Zentrum ihrer Darstellung steht die Beschreibung der didaktisch-methodischen Hilfsmittel zur basalen Leseförderung, die im Projekt entwickelt wurden. Außerdem zeigen und diskutieren sie anhand von Auszügen aus zweisprachigen Bilderbüchern, wie wichtig der Einbezug der Herkunftssprache Arabisch bei der Wortschatzarbeit und dem Vorlesen ist. Im letzten Kapitel dieses Studienbuches wird gewissermaßen als Ausblick ein nochmals ganz anderer Aspekt der Leseförderung beleuchtet. Nadja Kerschhofer-Puhalo diskutiert dort Gegenstand, Ziele und Potenziale des Konzepts einer multiliteralitätsorientierten Leseförderung, bei der neben der Mehrsprachigkeit auch Multimodalität und Multimedialität als wichtige Ressourcen für die Leseförderpraxis angesehen werden (Kap. 11). Anhand eines Unterrichtsbeispiels konkretisiert sie, wie Schüler / innen ihr gesamtes multimodales und mehrsprachiges Repertoire beim Verfassen und gegenseitigem Lesen von Büchern aktivieren und so im Sinne dieses erweiterten Konzepts gefördert werden können. Abschließend stellt sie ein Modell vor, das zum einen dabei hilft, die multimodale Gestaltung von Alltagstexten zu beschreiben, und zum anderen für die lesedidaktische Aufbereitung multimodaler Texte verwendet werden kann. Das vorliegende Studienbuch wendet sich an Hochschuldozierende und Lehramtsstudierende der Primar- und Sekundarstufe sowie an Ausbildner / innen an Seminaren, Referendar / innen und Lehrkräfte. Die einzelnen Kapitel können in Lehrveranstaltungen an Universitäten, Pädagogischen Hochschulen sowie in Seminaren im Rahmen des Referendariats in den Fächern Anglistik, Deutsch, Deutsch als Fremd- / Zweitsprache sowie Mehrsprachigkeitsdidaktik zu den Themen Leseförderung, Mehrsprachigkeitsdidaktik und Herkunftssprachendidaktik eingesetzt werden. Wir möchten alle hier angesprochenen Leser / innen dazu einladen, Leseförderung als ein gemeinsames schulisches Handlungsfeld zu betrachten, das einer die Fächer und Sprachen übergreifenden Förderpraxis bedarf. 15 Kapitel 1 Leseförderung im Kontext der Mehrsprachigkeit aus der Perspektive der Deutschdidaktik Cornelia Rosebrock Fragen 1. Welche Leseförderverfahren gibt es, und welche sind für welche Schüler / innen wirksam? 2. Brauchen wir im Deutschunterricht eigene Verfahren der Leseförderung für die mehrsprachig Heranwachsenden, oder profitieren sie von den gleichen Verfahren wie ihre ebenfalls schwach lesenden einsprachigen Mitschüler / innen? 3. Kann im Rahmen des landessprachlichen Unterrichts - also des Deutschunterrichts - Mehrsprachigkeit als lesedidaktische Chance modelliert und nutzbar gemacht werden, und wie kann das ggf. geschehen? Abstract In diesem Kapitel werden Ihnen zunächst unterschiedliche Verfahren der Leseförderung im Rahmen des landessprachlichen Unterrichts, also des Deutschunterrichts, unter besonderer Berücksichtigung leseschwacher Schüler / innen vorgestellt. Dabei wird grundsätzlich unterschieden zwischen buchorientierten Verfahren, die eigenständiges Lesen fordern, Strategievermittlung zur Förderung des Textverstehes und Lesetrainings zur Entwicklung hierarchieniedriger Teilleistungen des Lesens. Vielleseverfahren und Lautleseverfahren werden als Förderroutinen detaillierter dargestellt und es werden Studien skizziert, die die Wirksamkeit dieser Verfahren zur Verbesserung der Lese-Prozessleistungen evaluiert haben. Dabei wird sichtbar, dass das enger geleitete Training wirksam ist im Blick auf die Verbesserung der Leseflüssigkeit und der Textverstehensleistungen, und zwar im etwa gleichen Ausmaß für einsprachige wie für mehrsprachige schwache Leser / innen. Das Kapitel schließt mit offenen Fragen zu diesem Themenkomplex. Einleitung Schüler / innen mit einer anderen Muttersprache als Deutsch sind bekanntlich keine homogene Gruppe. Aus den vielfältigen Profilen individueller Mehrsprachigkeit stehen für die Frage nach Leseförderung im Rahmen des Deutschunterrichts diejenigen Heranwachsenden im Mittelpunkt, die zu schwache Leseleistungen zeigen, um eine erfolgreiche Schulkarriere zu durchlaufen. Für schwache Leseleistungen ist eine andere Familiensprache statistisch gesehen ein ursächlicher Faktor, allerdings nur einer unter mehreren: Die Schulleistungsstudien zeigen 16 Kapitel 1 Leseförderung im Kontext der Mehrsprachigkeit aus der Perspektive der Deutschdidaktik immer wieder, dass auch die sozioökonomische Herkunft, das elterliche Bildungsniveau und weitere Merkmale dabei eine bedeutende Rolle spielen. Diese Faktoren treten häufig gemeinsam auf und verstärken einander. Die mangelnden Leistungen beim Textverstehen-- auch das ist vielfach belegt-- führen für die betroffenen Schüler / innen zu Risiken im Bildungsverlauf und in der Folge für die gesellschaftliche Teilhabe im Erwachsenenleben. Dabei ist die Gruppe von Schüler / innen, deren Leseleistungen trotz Schulbesuch unzureichend bleibt, nicht klein: Grob kann man von einem Fünftel der Altersjahrgänge sprechen. Kinder und Jugendliche mit einer anderen Familiensprache als Deutsch sind in dieser Gruppe überproportional vertreten ( OECD 201). Im Hinblick auf Mehrsprachigkeit und Leseförderung im Deutschunterricht stehen also zwei voneinander kaum zu trennende Gruppen im Vordergrund: Einmal die Kinder und Jugendlichen, die mit einer anderen Familiensprache als Deutsch sozialisiert werden, so dass die Landessprache für sie eine zusätzliche Sprache darstellt. Zum anderen die zu schwachen Leser / innen unter der Schülerschaft, für die Leseförderung ebenso geboten ist. Denn auch für die muttersprachlich deutschen schwachen Leser / innen ist die Schulsprache meist in gewisser Hinsicht fremd- - als Bildungssprache enthält sie Begriffe und grammatische Fügungen, die in den außerschulischen Interaktionen dieser Kinder und Jugendlichen kaum in Erscheinung treten (Feilke 2017). Im Folgenden werden zunächst die praktizierten Verfahren des Deutschunterrichts zur Leseförderung vorgestellt. Anschließend werden zwei Förderroutinen, die Potenziale für mehrsprachige bzw. schwache Leser / innen zeigen, diskutiert, nämlich Vielleseverfahren und Lautleseverfahren. Sie werden auf ihre Wirksamkeit zur Verbesserung der Lese-Prozessleistungen hin befragt und im Blick auf die Potenziale für mehrsprachige schwache Leser / innen diskutiert. Nach einem Fazit wird dargestellt, welche offenen Forschungsfragen im Feld der Leseförderung für Mehrsprachige im Rahmen des landessprachlichen Unterrichts bestehen. 1. „Lesen lernt man durch Lesen“ - buchorientierte Verfahren Das literarische Lesen steht traditionell bei der Leseförderung im Deutschunterricht in allen Altersstufen im Zentrum. Literarische Lektüre eröffnet, so erhofft man sich, Teilhabe an Kultur und Geschichte der Sprachgemeinschaft; sie unterstützt die Ausbildung einer eigenen Persönlichkeit, fördert die Imaginationsfähigkeit und die Bereitschaft, fremde Perspektiven einzunehmen, und schließlich übt sie auch Lesefertigkeiten ein. Literarische Lektüre sollte entsprechend nicht nur im eigentlichen Literaturunterricht geschehen, sondern auch in leseanimierenden Projekten, dann oft mit weniger anspruchsvollen Texten als beim zielorientierten literarischen Lernen. Solche Leseanimationen sind gleichsam am Rande des Literaturunterrichts angesiedelt, beispielsweise in Form von Büchernächten, Autorenlesungen, Buchvorstellungen, Bibliothekskontakten und Ähnlichem. In leseanimierenden Projekten wird zwar nicht unmittelbar gelesen, aber doch zum Lesen verlockt-- ihnen geht es besonders um Lesefreude, um die Motivation und Bereitschaft, literarisches Lesen als persönlichen Modus des In-der-Welt-Seins, als Erfahrungspotenzial zu entdecken, das in die eigenen Lebensvollzüge habituell integriert werden kann (Bertschi-Kaufmann 201). Stilles Lesen 17 1. „Lesen lernt man durch Lesen“ - buchorientierte Verfahren ganzer Bücher gilt schließlich als eine der effektivsten Praktiken zur Unterstützung des Zweitspracherwerbs (Ockey / Reutzel 2010; Neuland / Peschel 2017), Kinder- und Jugendbücher sind wegen ihrer niedrigen Textkomplexität und ihrer thematischen Lebensweltnähe das ideale Medium dafür. Leseförderung durch eine Steigerung der Lesemenge folgt dem Gedanken „Lesen lernt man durch lesen“ (vgl. Manning / Lewis / Lewis 2010). Denn flüssiges Dekodieren ist auf Übung angewiesen, Leseverstehen darüber hinaus auf Welt- und Textwissen: Beides wird durch viel Lektürepraxis erworben. Allerdings tun sich gerade schwache Leser / innen schwer mit einem Unterricht, der auf diese Verfahren setzt und entsprechend offen angelegt ist. Sie tendieren dazu, den Lektüreprozess selbst zu meiden. Um dem entgegenzuwirken, kann die Lektüre in die Unterrichtszeit verlegt werden oder das regelmäßige Lesen von Kinder- und Jugendbüchern wird über eine längere Zeit hinweg verordnet. Dann wird es mit Anreizen oder Sanktionen versehen, um sicherzustellen, dass tatsächlich gelesen wird. Die Freiheit der Lektürewahl wird aber trotzdem gewährt, um den Freizeit-Charakter des Lesens wenigstens ein Stück weit zu wahren. Solche Vielleseverfahren gehen über Animationen hinaus, indem sie die eigenständige Lektüre von Büchern tatsächlich einfordern (vgl. detailliert Lange 2012). Im Unterschied zum eigentlichen Literaturunterricht inszenieren sie viel Lektüre und wenig oder keine weitere gemeinsame Verarbeitung des Gelesenen, die Menge steht klar im Vordergrund. Gute spätere Leser / innen, so kann man nämlich beobachten, blicken regelmäßig auf Viellesephasen in ihrer Kindheit und Jugend zurück- - viel Lesen steigere gewissermaßen von selbst die Motivation und darüber auch die Lesekompetenz, so die optimistische Annahme, die diesen Verfahren zugrunde liegt. Es liegt nah, in diese mehr oder weniger offenen Konzepte von Leseförderung- - in den gezielten Literaturunterricht, in Leseanimationen oder in Vielleseverfahren- - literarische Texte in den Herkunftssprachen der mehrsprachigen Schüler / innen einzubeziehen: Kinder- oder Jugendbücher, die außer in Deutsch auch in den Herkunftssprachen vorliegen, können als Klassenlektüre im Literaturunterricht, in leseanimierenden Settings oder auch im Rahmen von Vielleseprogrammen angeboten werden. Dadurch wird das eigenständige Lesen angeregt, die Familiensprache der Kinder wird ebenfalls gefördert, der „monolinguale Habitus“ (Gogolin 1994) in der schulischen Begegnung mit Texten wird relativiert und die Erstsprachen werden wertgeschätzt-- das sind alles lesedidaktisch erstrebenswerte Ziele. In Anschlusskommunikationen nach der Lektüre und in weiteren Textverarbeitungsschritten kann Mehrsprachigkeit dann als Ressource für das individuelle Textverstehen und für das interkulturelle Miteinander im Schulunterricht wirksam werden (vgl. Schiedermair 2017; Naphegyi 2015; Jeuk 2017). Das übergeordnete Ziel des Deutschunterrichts, nämlich die Vermittlung deutscher (Schrift-)Sprache und Kultur, muss in solchen Settings nicht notwendig vernachlässigt werden. Denn nach der Lektüre kann die weitere literaturunterrichtliche Verhandlung des Textes ihren Schwerpunkt im Deutschen haben. Die Zugänglichkeit zur deutschen Textfassung ist für die Migrantenkinder durch die Erstlektüre in der Herkunftssprache erleichtert, sofern die Sprachkenntnisse ausreichend gut sind. Dann unterstützt der Einbezug der anderen Sprachen direkt die sprachlichen und literarischen Lernprozesse, die Mehrsprachigkeit wird als Kom- 18 Kapitel 1 Leseförderung im Kontext der Mehrsprachigkeit aus der Perspektive der Deutschdidaktik petenz erfahrbar. Wenn man annimmt, dass Migrantenkinder ein gesteigertes Interesse an Themen aus dem Kulturkreis ihres Herkunftslands haben, lässt sich der Erfolg eines solchen Vorgehens theoretisch schlüssig begründen: Das Interesse wirkt sich positiv auf die Wertkognition aus, es erhöht die Anstrengungsbereitschaft und macht den Leseaufwand lohnenswert (vgl. Möller / Schiefele 2004: 117 f.), sodass intrinsische Lesemotivation und Erfolgserlebnisse entstehen. Wenn das häufig geschieht, werden solche Leseerfahrungen relevant für das lesebezogene Selbstkonzept und können Buchlesen zur Gewohnheit werden lassen. Allerdings setzen Vielleseverfahren einige Kompetenzen auf Seiten der Schüler / innen voraus: Bei DaZ-Schüler / innen müssen die sprachlichen Kompetenzen in der Herkunftssprache ausreichend entwickelt sein. Zudem muss sich der Leseprozess selbst in der Herkunftssprache bereits so flüssig vollziehen, dass eigenständiges Textverstehen möglich ist. Schließlich werden lesekulturelle Erfahrungen vorausgesetzt wie beispielsweise Wissen über Textsorten, Erfahrungen mit den eigenen Lesebedürfnissen, Imaginationsfähigkeit und die Bereitschaft, sich emotional an den Geschehnissen zu beteiligen, Zielorientierung und nicht zuletzt ein „langer Leseatem“, der seinerseits Engagement für den Leseprozess selbst verlangt. Das alles ist bei schwachen Leser / innen, auch bei denen ohne Mehrsprachigkeitspotenziale, regelmäßig nicht der Fall (Jörgens / Rosebrock 2011). Entsprechend wurde in der Folge von PISA die Leseförderung im Rahmen des Deutschunterrichts von den Autor / innen der Studie scharf kritisiert: Diese Konzepte ignorieren die Probleme schwacher Leser / innen. Denn die notwendigen mentalen Strategien des Textverstehens werden nicht explizit gelehrt, sondern vorausgesetzt. Zudem sei die Orientierung der Leseförderung ausschließlich auf literarische Texte nicht zielführend: Schwache Leser / innen müssen die bildungssprachlich verfassten Sachtexte aus den verschiedenen Wissensdomänen, denen sie in den Fächern und später im Alltag und Beruf begegnen, verstehend lesen können (vgl. z. B. Artelt / Schlagmüller 2004: 183). Im Zuge des PISA -Schocks haben sich entsprechend nicht nur die Konzepte der Leseförderung im schulischen Kontext reformiert, sondern der Begriff des Lesens selbst hat sich im gesellschaftlich-kulturellen Maßstab verändert: Bis zur Jahrtausendwende war er deutlich stärker bildungsbürgerlich und literarisch grundiert als es heute der Fall ist. Die Dominanz literarischer Texte in der Lesesozialisation hat sich in den Verläufen der literalen Sozialisation allerdings trotzdem gehalten: Auch gegenwärtig bestimmen die inhaltlich und sprachlich einfacheren Texte der Kinder- und Jugendliteratur faktisch den Übergang vom learning to read in den ersten etwa sechs Schuljahren hin zum reading to learn, das in der Sekundarstufe eingefordert wird. Mit ihnen wird im Verlauf der Lesesozialisation das Lesen soweit eingeübt, dass es selbst mühelos wird-- allerdings eben nicht bei allen, wie bereits gesagt. 2. Textverstehen lehren - Strategievermittlung Auch in den Schulen ist die Kritik der PISA -Autor / innen angekommen: Lesestrategien als eigener Unterrichtsgegenstand spielen vor allem in der ersten Hälfte der Sekundarstufe eine starke Rolle in einem lesedidaktisch reflektierten Deutschunterricht. Die Förderung von Lesestrategien bezieht sich, anders als die zuerst genannte Gruppe von Förderverfahren, in der Praxis dominant auf Sachtexte (Philipp 2015). Strategien sind 19 2. Textverstehen lehren - Strategievermittlung prinzipiell bewusstseinsfähige, aber bei guten Leser / innen oft automatisierte mentale Handlungsfolgen, die gezielt und adaptiv eingesetzt werden, um Textverstehen zu erreichen. Der Leser, die Leserin muss einzelne mentale Schritte-- wie z. B. einen Zusammenhang herstellen, noch mal bereits Gelesenes überprüfen, sich einen Begriff klarmachen-- auswählen und diese Schritte zielbewusst kombinieren und koordinieren. Für diese strategische Arbeit am Text braucht es auch Metakognition: Der Prozess muss geplant werden-- Was soll mir der Text ermöglichen? --, er muss überwacht werden-- Habe ich verstanden? --, er muss gesteuert und schließlich evaluiert werden. Wenn Schüler / innen „nicht lernen können“, also gar keine Vorstellung davon haben, wie sie sich einen Wissensbereich eigenständig lesend aneignen, dann fehlt es ihnen an Wissen über effektive Lernbzw. Lesestrategien. Lesestrategien erfolgreich zu lehren ist nicht einfach. Schließlich handelt es sich beim strategischen Lesen nicht allein um Wissen, sondern um ein Können, um eine Kompetenz im eigentlichen Sinn. „Wichtiges Unterstreichen“ beispielsweise hilft nur, wenn man sich verdeutlichen kann, was wofür wichtig ist innerhalb einer Textpassage. Insofern kann das Unterstreichen Ausdruck der Anwendung einer Strategie sein, nicht sie selbst. Entsprechend wurde vorgeschlagen, zwischen einzelnen Techniken wie Unterstreichen, Vorhersagen, Zusammenfassen, Klären usw. nicht den Strategiebegriff in Anwendung zu bringen: Zur Strategie wird solches Tun erst, wenn es zielorientiert und adaptiv auf den Inhalt bezogen eingesetzt wird. Abgesehen von der Praxis der Lesestrategie-Vermittlung an den Schulen, deren Erfolge sich m. W. noch nicht überzeugend gezeigt haben (vgl. Souvignier / Philipp 201, Philipp 2015: 107 f.), stellt sich die Frage, ob Strategieprogramme nun das Mittel der Wahl zur Leseförderung bei mehrsprachigen und / oder schwachen Leser / innen sind? Auch Lesestrategievermittlung setzt gewissermaßen hoch an: Sie bezieht sich vor allem auf die Textebene, indem textseitige Darstellungsmittel systematisch auf den thematischen Zusammenhang bezogen werden. Entsprechend sind Lesestrategien Kompetenzen, die sich gut von der Erstin die Zweitsprachenlektüre tansferieren lassen (Grabe 2009: 127, 151)-- sofern sie in der Erstsprache ausgebildet wurden, was bei Zweitsprachlektüre auf akademischem Niveau der Fall wäre. Aber selbst für solche Leser / innen mit höchsten Kompetenzen in der Erstsprache fordert Grabe für den Fremdsprachenerwerb ein lesedidaktisches Primat für die Wort- und Satzebene, für die Leseflüssigkeit (ebd.: 329 f.), für diejenige Ebene also, auf der auch leseschwache Schüler / innen deutlich Probleme zeigen. Trotzdem drängt sich im Zusammenhang mit der Förderung von Lesestrategien folgende Frage auf: Brauchen Leser / innen mit Deutsch als Zweitsprache teilweise andere Lesestrategien für das Lernen aus deutschsprachigen Texten als Muttersprachler / innen? Sie ist m. W. noch nicht erforscht; aber plausibel wäre das schon: Eine solche Strategie für Mehrsprachige wäre es u. U., Lernende dazu anzuhalten, auf der Wortebene gesteigerte Aufmerksamkeit auf Phonologie, Orthografie und Morphologie zu legen und so nach sprachlichen und / oder thematischen Verwandtschaften zu ihrer Muttersprache Ausschau zu halten. Einzelne unbekannte Wörter könnten beispielsweise konsequent markiert und bewusst auf den Kontext bezogen werden, statt den Leseprozess durch Nachschlagen bei jeder unbekannten Wendung zu unterbrechen oder Unverstandenes gar zu ignorieren. Sinnvoll könnte auch sein, sprachliche Konnektoren grundsätzlich zu identifizieren und zu fokussieren. Ein solches strategisches Verfahren bei 20 Kapitel 1 Leseförderung im Kontext der Mehrsprachigkeit aus der Perspektive der Deutschdidaktik der Wort- und Satzidentifikation führt zu Effizienz bei der Lektüre in der Zweitsprache, so berichtet Grabe mit Blick auf akademisches Lesen (2009: 128). Aus theoretischer Perspektive scheinen also insgesamt diejenigen Strategien erfolgversprechend, die unterhalb der Textebene angesiedelt sind und insofern als Voraussetzung für das universale Textverstehen gelten müssen. Eine weitere, über die Wort- und Satzebene hinausgehende naheliegende Hypothese: Sollten bei Lernenden mit schwächeren Deutschkenntnissen gezielt die Top- Down-Strategien gestärkt werden, also die Fokussierung auf den Einbezug des Wissens zum Textthema explizit herausgefordert werden? (Vgl. in diesem Sinn Niebuhr-Siebert / Baake 2014: 178, 255 ff.). Zum strategischen Lesen bei geringeren Sprachkenntnissen fehlen Forschungen. Wir wissen allerdings, dass das Textverstehen erheblich behindert wird, wenn sich mehr als ein bis zwei Prozent unbekannte Wörter im Text befinden, die nicht textintern geklärt werden. In welchem Ausmaß unbekannte Wörter in Lesetexten das Verstehen verunmöglichen, ist naturgemäß kaum zu quantifizieren: Denn unbekannte Wörter sind nicht der einzige Faktor von Textschwierigkeit (vgl. zu Textkomplexität systematisch Rosebrock 2017). Im Kontext der Lesedidaktik fordert Allington (2009) für unabhängiges Lesen einen Anteil von 99 % an Wörtern, deren Bedeutung bekannt ist- - ein Wert, der für Lernende mit Mirgrationshintergrund wohl in der Regel nicht zu realisieren ist. Wenn die gängigen Strategietrainings durch ihre Fokussierung auf die Textebene die Wort- und Satzebenen, auf der mehrsprachige Schüler / innen ebenfalls Leseprobleme haben, verfehlen, dann dürfte das auch auf die schwachen Leser / innen mit Deutsch als Muttersprache zutreffen: Auch für sie sind die sprachlichen Anforderungen der Bildungssprache oft zu hoch, auch ihre Sprachkenntnisse sind nicht ausreichend. Im schulischen Alltag lässt sich gut beobachten, dass das mangelnde Textverstehen der schwachen Leser / innen nicht allein ein Problem mangelnder Lexik in der Zweitsprache oder fehlender Textverarbeitungsstrategien ist. Schlechtes Textverstehen, wie es die Schulleistungsstudien gemessen haben, stellt eigentlich nur die Spitze eines Eisbergs dar, unter der sich die elementareren Leseschwierigkeiten verbergen: Die Gruppe der schwachen Leser / innen hat Probleme bereits auf der Wortebene, die sich im Grad der Automatisierung der Worterkennung, in der Genauigkeit beim Dekodieren und in der Langsamkeit des Prozesses ausdrücken. Auch auf Satzebene zeigen sich Schwierigkeiten: Leseschwache Schüler / innen erkennen und verstehen grammatische Strukturen weniger rasch und insgesamt schlechter. Diese Probleme auf Wort- und Satzebene können das Verstehen auf Textebene natürlich nicht unbeschädigt lassen. Für mehrsprachige Schüler / innen kommen, wenn sie das Deutsche noch lernen, zu den Schwierigkeiten beim Dekodieren und flüssigen Erfassen der Propositionen noch Probleme des geringeren Wortschatzes, also bei der Wortbedeutung, hinzu. Der Verstehensaufwand potenziert sich, wenn auf allen genannten Ebenen Defizite im Vergleich zu den durchschnittlich oder gut lesenden Altersgleichen auftreten. Sollte die Leseförderung dann nicht an der Basis des Eisbergs ansetzen-- an den hierarchieniedrigen Teilfertigkeiten des Leseprozesses also? 21 3. Förderung der basalen Teilkomponenten - Leseflüssigkeit 3. Förderung der basalen Teilkomponenten - Leseflüssigkeit Leseschwache Kinder und Jugendliche lesen in aller Regel weit langsamer, fehlerhafter und stockender vor als sie sprechen können, und zwar auch dann, wenn der Text keine in ihrer Bedeutung unbekannten Wörter enthält. Für das Lesen in der Muttersprache lässt sich daraus schließen, dass sie die Wortgestalten, vor denen sie stocken, noch nicht in ihren Sichtwortschatz, das mentale Lexikon, aufgenommen haben. Bei Mehrsprachigen ist ggf. nicht nur das der Fall, sie stolpern zudem auch deshalb über einzelne Wörter, weil sie ihnen in allen drei Dimensionen-- Lautgestalt, grafische Erscheinung, Bedeutung-- unbekannt sind. Dann müssen sie sie wie ein / e Erstklässler / in im Schriftspracherwerb lautierend erlesen und versuchen, dem so Entzifferten eine Bedeutung zuzuordnen. Bei Kindern und Jugendlichen, die in den Lesetests der Leistungsstudien Defizite beim Textverstehen zeigen, lassen sich nicht immer, aber eben sehr häufig Stockungen, Verlesungen, ein insgesamt zu langsames Lesetempo und eine wenig textgerechte Intonation auch bei einfachen Texten beobachten, kurz gesagt: Probleme bei den basalen Teilfertigkeiten von Lesekompetenz, bei der Leseflüssigkeit. Bei der Gruppe der 12bis 13-Jährigen in der Hauptschule und in den entsprechenden Zweigen von Gesamtschulen ist das der Fall: In Lesetests zeigten sie nicht nur Probleme beim Textverstehen, sondern auch erheblich unterdurchschnittliche Leistungen bei der Lesegeschwindigkeit, die als Indikator für die Leseflüssigkeit gelten kann (vgl. Rosebrock / Rieckmann / Nix / Gold 2010). Das ausschlaggebende Argument für ein Primat der Förderung der basalen Lesefähigkeiten liegt im Voraussetzungscharakter, den die hierarchieniedrige Fähigkeit Leseflüssigkeit gegenüber den hierarchiehohen Fähigkeiten des Textverstehens hat: Wenn die Wort- und Satzerkennung durch Automatisierung flüssig geworden ist, muss sich der Leser / die Leserin nicht mehr auf die Buchstaben-, Silben- oder Worterkennung konzentrieren. Die Silben, Wörter und Wendungen sind dann in seinem Sichtwortschatz gespeichert. Dieser Sichtwortschatz ist ein mentales Lexikon, in dem die Lautgestalt eines Wortes oder Wortteils, seine grafische Erscheinung und seine Bedeutung miteinander verbunden niedergelegt sind. Ab Schuleintritt wird er systematisch aufgebaut; am Ende der Grundschule sollte der Sichtwortschatz angemessen reichhaltig sein, sodass beispielsweise Texte der Kinderliteratur flüssig gelesen werden können. Flüssig heißt: Auf Wortebene werden annähernd alle Wörter automatisiert und fehlerfrei erkannt und verstanden. Auf Satzebene zeigt sich eine akzeptable Lesegeschwindigkeit von deutlich über 100 Wörtern pro Minute beim Vorlesen (die normale Sprechgeschwindigkeit liegt bei etwa 120-10 Wörtern pro Minute, eine normale Lesegeschwindigkeit erreicht beim stillen Lesen etwa 300 Wörter pro Minute) und eine der Syntax angemessene Prosodie; beides ist beim Vorlesen der natürlichen Sprechgeschwindigkeit bzw. Intonation angenähert (vgl. Rosebrock / Rieckmann / Nix / Gold 2011). Die Automatisierung der Wort- und Satzerkennung eröffnet eine mentale Entlastung vom Entziffern, die ihrerseits die kognitiven Ressourcen für das Textverstehen freigibt. Man kann sich die Wirkung der Automatisierung am Beispiel anderer komplexer Leistungen vergegenwärtigen: Etwa das Autofahren oder ein Musikinstrument zu spielen sind solche Leistungen. Erst wenn das Schalten, Kuppeln, Blinkersetzen und Abbremsen „in Fleisch und Blut“ 22 Kapitel 1 Leseförderung im Kontext der Mehrsprachigkeit aus der Perspektive der Deutschdidaktik übergegangen sind, kann der / die Fahrer / in auch noch den Nachrichten im Radio verstehend zuhören; erst wenn die Finger beim Klavierspielen „von alleine“ wissen, welche Bewegung vollführt werden muss, kann sich der / die Musiker / in mental dem größeren Zusammenhang der Töne, nämlich Melodie und Rhythmus, zuwenden. Automatisierung wird prinzipiell durch Üben erworben. Das Prinzip des Übens ist die variierende Wiederholung. Auf das Lesen bezogen ergeben sich aus diesen Überlegungen zwei Förderansätze: Mit sogenannten Lautleseverfahren kann der Leseprozess selbst überwacht und ggf. korrigiert werden, und er kann wiederholt werden, bis der Übungstext flüssig erlesen werden kann. Wenn die Übungstexte ausreichend lang sind, können die Wörter und Sätze bei der wiederholten Lektüre nicht mehr einfach memoriert und auswendig daher gesagt werden, sondern müssen erneut erlesen werden. Die Lesung des gleichen Textes kann so oft geschehen, bis er flüssig vorgelesen werden kann, was heißt, dass alle in diesem Text gegebenen Wörter und Wendungen tatsächlich im Sichtwortschatz abgelegt und veknüpft wurden. Die zweite Option wurde oben schon unter dem Begriff Viellesen genannt: Sie besteht in einer Erhöhung der Dosis. Wenn viel gelesen wird, so die Argumente für eine Wirkung von viel Lektüre auf die Leseflüssigkeit, dann werden Wörter immer wieder auftauchen und auf diese Weise angeeignet, sodass sich Leseflüssigkeit sukzessive einstellt. Man hofft, dass das Interesse an der Story die Lesemotivation aufrechthält, sodass auch tatsächlich gelesen wird (dazu unten ausführlicher). Zudem steigert das viele Lesen das Weltwissen, ebenfalls eine wichtige Teilkomponente von Lesekompetenz. 4. Studienergebnisse zu Laut- und Vielleseverfahren In mehreren Studien haben Prof. Gold, unsere Mitarbeiter / innen und ich Laut- und Vielleseverfahren in Schulen praktisch erprobt. Die beiden Förderverfahren sind dabei nicht gegeneinander angetreten- - dafür sind sie zu unterschiedlich in ihrer Anlage und Zielsetzung. Aber wir wollten von Lautlesetrainings und Vielleseverfahren wissen, ob sie bezogen auf den Leseprozess jeweils zur Steigerung der Leseflüssigkeit wirksam sind. Darüber hinaus hat interessiert, ob die Verfahren auch das Textverstehen und die Lesemotivation verbessern. Ferner war von Bedeutung, ob es Unterschiede in der Wirksamkeit für Kinder mit mehrsprachigem bzw. einsprachigem Hintergrund gibt-- dafür wurde nach der Familiensprache gefragt--, ob Mädchen und Jungen unterschiedlich profitieren, und ob die kognitiven Grundfähigkeiten einen Einfluss auf die Wirkungsintensität der Förderung haben. Während diese Faktoren über Tests erhoben wurden, waren wir bei den Fragen nach dem soziokulturellen Status und nach der Wirkung der Förderungen auf die Lesemotivation und das lesebezogene Selbstkonzept auf Selbstauskünfte angewiesen. Als Lautleseverfahren haben wir eine Routine modelliert, die wir „Lesetandems“ genannt haben. Dafür lesen zwei Kinder miteinander chorisch mehrfach einen kurzen Text. Die Kinder haben dabei unterschiedliche Aufgaben: Das etwas lesestärkere Kind tutoriert das andere, indem es Lesefehler korrigiert und mit seiner Lesung ein Lesemodell für die Intonation bereitstellt. Das leseschwächere Kind überwindet Stockungen mithilfe seines Modells und 23 4. Studienergebnisse zu Laut- und Vielleseverfahren wird auf diese Weise bei Fehllesungen und in seinem Leseengagement überwacht. Die vierte Lesung des gleichen Textes, so die Annahme, wird im Tandem von beiden flüssig vollzogen. Nach der Fortbildung der Lehrkräfte wurde das Tandemlesen klassenweise ein Schulhalbjahr hindurch dreimal 20 Minuten wöchentlich durchgeführt. Auch das Vielleseverfahren wurde mit diesem Zeitkontingent modelliert. Die Klassen bekamen jeweils etwa 100 mutmaßlich interessante und altersgemäße kinderliterarische Bücher; minimale Kontrollverfahren wurden entwickelt und eingesetzt. Auch hier wurden die Lehrkräfte zunächst fortgebildet und die korrekte Durchführung wurde in regelmäßigen Abständen überprüft. In den Deutschunterricht der Klassen, die als Kontrollgruppe dienten, wurde nicht eingegriffen. In die erste Studie dieser Art waren 527 Schüler / innen der . Klassenstufe an Hauptschulen in einem städtischen Gebiet einbezogen; sie lagen im Durchschnitt in ihren Lesekompetenzen erwartungsgemäß etwa eine Standardabweichung unter ihrer Altersgruppe, was etwa einem Schuljahr entspricht. Die Lesekompetenzen der Kinder und verschiedene Hintergrundvariablen wurden über Tests und Fragebögen vor, direkt nach und erneut 4 Monate nach Beendigung der Intervention erhoben. Etwa 3 % dieser Kinder hatten einen Zuwanderungshintergrund, wobei diese Zahl auf der Frage nach der Familiensprache beruhte und vermutlich eher zu niedrig liegt (vgl. detailliert Nix 2011; Rieckmann 2010). Die anschließenden Studien in Grundschulen wurden mit über tausend Kindern in ähnlicher Weise durchgeführt; die Lesekompetenzen der Grundschüler entsprachen dem Altersdurchschnitt (Gold / Behrendt / Lauer-Schmaltz / Rosebrock 2013). Die Durchführung dieser Studien und Details der Verfahren sind publiziert und sollen hier nicht erneut ausgebreitet werden. Auch die Ergebnisse werden im Folgenden nur pauschal dargestellt. Die Lautlesetandems hatten bei den schwach lesenden Hauptschüler / innen außerordentlich positive Wirkungen: Diese Gruppe hat in ihrer Leseflüssigkeit fast um eine halbe Standardabweichung gegenüber der Kontrollgruppe profitiert. Der durch die Förderung erreichte Vorsprung blieb auch in der Follow-Up-Testung vier Monate später im Wesentlichen erhalten, was bedeutet: Die Förderung hat die Leseflüssigkeit dieser Gruppe nachhaltig verbessern können. Getestet wurde auch das Textverstehen. Dass die Texte verstehend gelesen werden, wird in der Tandem-Routine nicht eigens angestrebt oder unterstützt, es wird nur gefordert, dass angemessen flüssig gelesen wird. Tatsächlich haben sich aber auch die Textverstehensleistungen der Tandem-Leser / innen nicht nur signifikant, sondern relativ stark verbessert, und auch hier war der Erfolg nachhaltig. Das bestätigt die theoretische Annahme vom Voraussetzungscharakter der Flüssigkeit für das Textverstehen. Durch eine lineare Regressionsanalyse konnte errechnet werden, dass die Verbesserung der Leseflüssigkeit an der Verbesserung des Textverstehens mit dem Wert von .54 (p <.01) beteiligt war-- das ist ein außerordentlich hoher Wert. Die Bedeutsamkeit von Leseflüssigkeit für das Textverstehen stellt den Einfluss des Wortschatzes auf das Textverstehen (.22 bei p<01) bei der Gruppe leseschwacher 12bis 13-Jähriger deutlich in den Schatten (a. a. O.). Dieser Befund ist im Blick auf die Förderung mehrsprachiger Schüler / innen mit Flüssigkeitsproblemen von hoher Bedeutung: Zumindest bei den kinderliterarischen Sach- und Erzähltexten, die wir in der Studie zugrunde gelegt haben, steht die erwartbare Hürde eines kleineren Wortschatzes bei den Mehrsprachigen 24 Kapitel 1 Leseförderung im Kontext der Mehrsprachigkeit aus der Perspektive der Deutschdidaktik nicht an erster Stelle. Es ist primär fehlende Flüssigkeit, die das Textverstehen behindert. Sie kann erfolgreich durch Lautleseverfahren verbessert werden. Ein weiterer positiver Aspekt der Lautlesetandems ist ihre gute Implementierbarkeit in den Regelunterricht: Trotz anfänglicher Skepsis einiger Lehrkräfte zeigte die begleitende und nachträgliche Evaluation, dass sowohl die Kinder als auch die Lehrkräfte das Verfahren rundherum positiv bewertet haben. Ähnlich, aber deutlich schwächer waren die positiven Wirkungen der Lautlesetandems auf Flüssigkeit und Textverstehen bei den Grundschulkindern. Auch hier ließ sich das Verfahren problemlos in den Unterricht implementieren. Es gab allerdings auf der Prozessebene des Lesens Deckeneffekte, was heißt: Viele der Kinder lasen die von uns zusammengestellten Texte ohnehin flüssig, sodass keine weiteren Zugewinne bei der Flüssigkeit erzielt werden konnten. Sie beurteilten das Training in der Nachbefragung entsprechend eher als langweilig. Allerdings gab es auch eine große Gruppe innerhalb der Grundschüler / innen, die die Texte als zu schwierig wahrgenommen hat und für die das Tandem-Lesen laut Selbstauskünften zu anspruchsvoll war (Lauer-Schmalz / Rosebrock / Gold 2014, Gold / Rosebrock 2017). Auch von den Vielleseverfahren waren die Lehrkräfte und die Schülerschaft in der Hauptschul-Studie durchaus begeistert-- allerdings: Wenn interessierte Fremde große Kisten mit Buchgeschenken bringen und die Klasse ein Halbjahr lang mit Tests und Unterrichtsbeobachtungen begleiten, liegt Begeisterung unabhängig von der Qualität der Förderung nahe. Und doch zeigten die stillen Lesezeiten keine signifikant werdenden Wirkungen im Vergleich zur Kontrollgruppe: Die Leseflüssigkeit hat sich nicht bedeutend verbessert, und auch das Textverstehen hat nicht profitiert. Am Rande sei hier eine Beobachtung angefügt, die sich wegen der zu kleinen Anzahl an Klassen in unserer Studie nicht empirisch belegen lässt: Die (zu wenigen) Klassen in eher ländlichem Umfeld zeigten Verbesserungen in beiden Dimensionen, Flüssigkeit und Textverstehen, durch die Vielleseverfahren; sie wurden durch die weniger erfolgreichen Klassen im städtischen Umfeld gewissermaßen neutralisiert. Auch Manning, Lewis und Lewis (2010) weisen für den amerikanischen Raum moderate Fördererfolge bei stillen Lesezeiten nach. Nicht verschwiegen werden soll allerdings, dass zahlreiche Us-amerikanische Studien keine Erfolge bei Vielleseverfahren in unterschiedlichen Varianten nachweisen konnten ( NICHD 2000). Wie lässt sich der fehlende Erfolg der Vielleseverfahren für Leseflüssigkeit und Textverstehen erklären? Oben wurde bereits die Vermutung formuliert, dass Vielleseverfahren in der Tendenz zu anspruchsvoll für solche Leser / innen sein könnten, die Probleme bei der Flüssigkeit haben. Denn sie verlangen über die Wort- und Satzerkennung hinaus eine ganze Anzahl weiterer Fähigkeiten auf verschiedenen Ebenen von Lesekompetenz. In diesem Zusammenhang ist eine US -amerikanische Studie aufschlussreich (Kelley / Clausen-Grace 2010; vgl. auch Rieckmann 2015): In ihr wurde das sichtbare Verhalten von Schüler / innen beim sustained silent reading, bei Vielleseverfahren, über einen längeren Zeitraum beobachtet und anschließend in acht Typen unterteilt. Die Spitzengruppen innerhalb der acht Typen interessieren in unserem Zusammenhang weniger und seien doch kurz erwähnt: Das sind z. B. die sogenannten „Bücherwürmer“, die auch bei konkurrierenden Beschäftigungsangeboten weiterlesen, oder die „Genre-Leser“, die begeistert solche Serienliteratur lesen, von der sie schon Exemplare kennen. Am schwachen Ende der Typen-Skala modellierten die Autorinnen 25 5. Mehrsprachige Kinder innerhalb der Gruppe schwacher Leser / innen den Typ des „Fake-Readers“. Diese „Als-ob-Leser“ umgehen faktisch das Lesen-- sie lassen z. B. den Blick über die Seiten schweifen oder blättern nach Bildern, und sie finden zahlreiche alternative Handlungen (Hände waschen gehen, Bleistift spitzen, Mäppchen verstauen-…), um das Lesen zu vermeiden. Vielleseverfahren laufen bei ihnen offensichtlich ins Leere, denn sie lassen sich auf eigenständige Lektüre nicht ein. Von besonderem Interesse im vorliegenden Kontext ist der Typ des „Überforderten Lesers“ ebenfalls am unteren Ende der Skala. Dieser Typ ist im Grunde engagiert, aber er hat aufgrund zahlreicher einschlägiger Misserfolgserfahrungen innerlich weitgehend aufgegeben. Die Lektüre bricht immer wieder ab. Diesem Typ „Überforderter Leser“ lassen sich besonders viele mehrsprachige Schüler / innen zuordnen, aber auch solche aus wenig unterstützenden familiären Kontexten oder mit kognitiven Beeinträchtigungen. Dieser Typ braucht eine genaue Passung der Lesematerialien zu seinen Fähigkeiten, so Kelley und Clausen, um endlich Erfolgserfahrungen bei der Lektüre zu erleben. Wenn diese Kinder die gleichen Texte wie die guten Leser / innen bekommen, haben sie kaum eine Chance, in die Texte hineinzufinden. Didaktisch interessant an der Studie ist auch die schlichte Methodologie, die sich für die Erforschung stiller Lesezeiten hierzulande und für die Diagnose im Klassenzimmer übernehmen lässt: Anhand des äußerlich sichtbaren Verhaltens wurde das Lesen kategorisiert und konnte relativ trennscharf typisiert werden (vgl. auch Hiebert / Wilson / Trainin 2010). Die Hoffnung, dass die Vielleseverfahren die Motivation steigern könnten, hat sich in unserer Hauptschulstudie nicht verwirklicht: Sowohl die Lautleseals auch die Viellesegruppen konnten hier keine signifikanten Steigerungen erzielen, und auch zwischen den Geschlechtern konnten wir keine bedeutsam werdende Differenz finden. In einer weiteren Studie haben wir versucht, dem freien Lesen in einer Hauptschulklasse die systematische Unterstützung und relativ kleinschrittige Kontrolle zukommen zu lassen, von der wir vermuten, dass sie ursächlich am Erfolg der Lautleseverfahren beteiligt sind. Auch diese Studie zum eigenständigen Lesen ist publiziert und soll hier nur erwähnt werden (vgl. Rieckmann 2015; Jörgens / Rosebrock 2011; Rieckmann / Jörgens / Rosebrock 2013). Abgesehen davon, dass eine intensive Unterstützung des freien Lesens nur kleine Fallzahlen zulässt und insofern nur heuristische Ergebnisse liefern kann, ist das gravierendste Problem der Begleit- und Unterstützungsroutinen, dass sie von einer Lehrkraft für etwa 15 leseschwache Kinder nicht geleistet werden kann. Die Implementierbarkeit in das gegenwärtige Schulsystem ist also nicht gegeben. 5. Mehrsprachige Kinder innerhalb der Gruppe schwacher Leser / innen In der Stichprobe der leseschwachen 12bis13-jährigen Hauptschüler / innen, die oben knapp beschrieben wurde, berichteten, wie gesagt, 3 % der Kinder, dass sie zu Hause ausschließlich oder zusätzlich eine andere Sprache als Deutsch sprechen. Diese mehrsprachigen Kinder zeigen in unserem Motivations-Fragebogen, für den wir den Motivation for Reading Questionnaire (Wigfield / Guthrie 1997) leicht modifiziert hatten, eine etwas stärkere Lesemotivation als ihre einsprachigen Klassenkamerad / innen; zugleich ist ihr lesebezogenes Selbstkonzept etwas deutlicher ausgeprägt. Diese beiden Komponenten von Lesekompetenz schlagen sich 26 Kapitel 1 Leseförderung im Kontext der Mehrsprachigkeit aus der Perspektive der Deutschdidaktik allerdings nicht in ihren getesteten Leseleistungen nieder. Sie verstehen Texte trotz dieser beiden positiven Faktoren etwas schlechter als die monolingual deutschsprachigen Kinder-- wobei, wie gesagt, alle Kinder der Stichprobe in ihrer Leseleistung etwa eine Standardabweichung unter Normal lagen. Die deutschsprachigen zeigen dagegen etwas bessere Ergebnisse im Wortschatztest und in den nonverbal erhobenen kognitiven Grundfähigkeiten, und sie berichten von besseren Voraussetzungen in ihrer Lesesozialisation. Die durchschnittliche Lesegeschwindigkeit war bei beiden Gruppen gleich (schwach) ausgeprägt (Gold / Nix / Rieckmann / Rosebrock 2010). Die beiden prozessnahen Variablen Leseflüssigkeit und (mit Abstand) Wortschatz haben sowohl bei den mehrsprachigen als auch bei den einsprachigen Kindern den größten Einfluss auf das Textverstehen. In beiden Gruppen ist die Leseflüssigkeit der bei weitem wichtigste Prädiktor zur Vorhersage des Textverstehens. Eine kleine Differenz ergab sich beim Einflussgewicht dieses Prädiktors: Bei den mehrsprachigen Kindern hat die Leseflüssigkeit (mit einem standardisierten Reggressionskoeffizienten von β-= .54.) ein noch größeres Gewicht für das Textverstehen als bei den einsprachigen (β = .48, beide p <.01). Für beide Teilstichproben gilt: Die soziokulturellen und motivationalen Bedingungsfaktoren, durch die sich schlechte Leser / innen der Stichprobe von besseren unter anderem unterscheiden, fallen bei gleicher Flüssigkeit nicht mehr ins Gewicht; auch gibt es keine Wechselwirkung mit Geschlechtszugehörigkeit und Intelligenz und mit dem Erfolg der Lautleseverfahren (a. a. O.). Damit lässt sich für die Leseförderung mehrsprachiger Kinder im Deutschunterricht sagen: Bei mangelnder Leseflüssigkeit sind Lautleseverfahren für sie genauso wie für ihre einsprachigen Klassenkameraden das erste Mittel der Wahl. Vermutet werden kann zudem, dass diese Verfahren auch spracherwerbsfördernde Wirkung haben. Davon soll abschließend die Rede sein. 6. Fazit und Vermutungen Die wesentlichen Fragen zur Aneignung von Lesekompetenz durch Zweitsprachenlernende wurden empirisch noch nicht in Angriff genommen (so auch Lesaux / Geva 2008): Abgesehen davon, dass Textverstehen generell eine Schwäche von language-minority students ist, wissen wir viel zu wenig über die Natur ihrer Textverstehensprobleme. Es fehlen Informationen bezüglich demografischer und kontextueller Faktoren, z. B. zur Bedeutung der Jahre gezielten Unterrichts in der Zweitsprache im Verhältnis zu den Leistungen in diesem Bereich oder zum Verhältnis von mündlichen zu schriftlichen Sprachleistungen usw. (ebd.: 49). Für Schüler / innen der „Risikogruppe“ mit und ohne fremdsprachlichen Hintergrund kann in Übereinstimmung mit vorhandenen Studien lediglich empfohlen werden, den Förderschwerpunkt auf die grundlegenden Fertigkeiten der Wort- und Satzerkennung und auf eine Erweiterung des Wortschatzes zu richten- - was allerdings kein Argument gegen die ganzheitlichen literaturbezogenen Verfahren sein kann! In diesem Sinne argumentiert auch Grabe (2009). Auch in den höheren Klassenstufen darf die schulische Leseförderung die basalen Lesefertigkeiten nicht aus den Augen verlieren. Denn: Wenn auf der Wort- und Satzebene nur langsam und fehlerhaft dekodiert wird, wie es bei DaZ-Schüler / innen meist auch in der 27 6. Fazit und Vermutungen Sekundarstufe oder der Berufsschule der Fall ist, stellen sich Folgeprobleme beim Verstehen des Textinhaltes ein-- die disfluente Lektüre erschwert den Aufbau einer kohärenten mentalen Textrepräsentation und behindert unmittelbar das weitere Lernen. Die Maßnahmen zur Förderung der Leseflüssigkeit sollten darauf abzielen, die Qualität und den Automatisierungsgrad des Dekodierens zu verbessern, die Lesegeschwindigkeit zu steigern und die Fähigkeit zur expressiven prosodischen Gliederung auszudifferenzieren. Wer flüssig und angemessen sequenziert liest, stellt bereits Leseverstehen auf der Satzebene unter Beweis. Allerdings sollte im Blick bleiben, dass eigenständiges Lesen mehr Kompetenzen verlangt als das Lautlesen mit seinen portionierten kurzen Texten in geregelten kooperativen Routinen-- und dass eigenständiges Lesen das Ziel aller Leseförderung ist und bleibt. Soweit das Fazit-- allerdings resultieren aus den skizzierten Studien mehr offene Frage als gesichertes Wissen. Forschungsdesiderate zur Leseförderung mehrsprachiger leseschwacher Schüler / innen sollen abschließend angeführt werden: Möglicherweise verbessert sich durch die Lautleseverfahren auch der Wortschatz. Leider haben wir diese Komponente nicht getestet, der Wortschatz wurde nur als Bedingungsfaktor herangezogen. Das könnte für einsprachige Schüler / innen ebenso gelten wie für mehrsprachige. Damit ein geschriebenes Wort aus dem Kontext heraus verstanden und in den Sichtwortschatz aufgenommen wird, braucht es die ggf. mehrfache aufmerksame Lektüre des Wortes, die Lautleseverfahren gewähren. Gesichert scheint, dass die sprachliche Oberfläche der Lesestoffe für die Förderung möglichst einfach sein sollte; erzählende Kinderliteratur ist insofern ideal geeignet. Jeuk (2015: 143 f.) schlägt zur Kompensation des kleineren Wortschatzes und der größeren Schwierigkeiten mit der Morphosyntax Textvereinfachungen für die Deutsch-Lernenden vor. Ein weiterer Bereich des Profits durch Lautlesetandems könnte die Einübung in schriftsprachliche Satzkonstruktionen sein. Wenn genuin literale Satzformen mehrfach gelesen werden, könnte das Verstehen und der Gebrauch von deutschen schriftsprachlichen Satzmustern gewissermaßen über das "Einschleifen" syntaktischer Regeln erworben werden. Auch hier gilt: Das ist überaus sinnvoll für Schüler / innen mit nicht ausreichend entwickelten sprachlichen Fähigkeiten- - die es unter den mehrsprachigen wie unter den einsprachigen "Risikokindern" gibt. Zu Vielleseverfahren kann vermutet werden, dass ihre Voraussetzungsfülle an den fehlenden Effekten auf der Prozessseite des Lesens beteiligt ist. Die Vorstellung, dass durch die Involviertheit in die spannende, interessante oder lustige Geschichte die Lesemotivation so angeregt wird, dass Lesehürden im hierarchieniedrigen Bereich überwunden werden, ist nicht ganz unberechtigt-- denn viele Kinder werden ja auf diesem Weg zu Leser / innen. Aber es fallen eben auch zu viele aus diesem Königsweg zum habituellen Lesen heraus und werden schnell von den Lesefortschritten der anderen abgehängt, wenn ihre Kompetenzen nicht zum Lesematerial passen. Auch das betrifft die mehrsprachigen nicht anders als die einsprachigen schwachen Leser / innen. Eigenständiges engagiertes Lesen ist und bleibt das übergeordnete Ziel aller Leseförderung! Das Setting eines Lautleseverfahrens, bei dem portionierte adaptive Texte vorgelegt werden, bei dem die Lesezeit seitens der Lehrkraft eingeteilt und überwacht wird und bei dem ein / e 28 Kapitel 1 Leseförderung im Kontext der Mehrsprachigkeit aus der Perspektive der Deutschdidaktik Partner / in die gemeinsame Aufmerksamkeit aufrecht erhält, entfaltet eine stark unterstützende Wirkung, wie gezeigt werden konnte. Es kann aber nur ein früher Schritt auf dem Weg zum eigenständigen Lesen sein. Ohne eine anregende, vielfältige und auch mehrsprachige schulische Lesekultur ist die Aneignung von Lesekompetenz als die Fähigkeit, Lesen für die eigenen Lebensvollzüge zu gebrauchen, für die Schwächeren wohl kaum erreichbar. Zusammenfassung In diesem Kapitel wurden Verfahren zum weiterführenden Lesen im Rahmen des Deutschunterrichts fokussiert auf mehrsprachige Schüler / innen vorgestellt. Beschrieben bzw. diskutiert wurden Verfahren, 1. die auf literarisches Lesen bzw. auf extensive Lektüre von Kinder- und Jugendliteratur zielen, 2. die den Erwerb von Textverstehens-Strategien anzielen und 3. die die Entwicklung der Leseflüssigkeit anstreben. Die Wirksamkeit der Verfahren wurde im Blick auf Flüssigkeit und Textverstehen dargestellt. Insgesamt wurde argumentiert, dass eigenständige Lektüre für die leseschwächsten etwa 20 Prozent der Schüler / innen in der Grundschule und Sekundarstufe mit altersangemessenen Texten tendenziell zu voraussetzungsreich ist, um deutliche Wirkungen für das Textverstehen zu entfalten. Das gilt auch für die üblichen Verfahren zur Strategievermittlung. Lautleseverfahren zeigen dagegen gute Erfolge; ob sie über die Flüssigkeitsförderung und das bessere Textverstehen hinaus auch weitere Profite bei Wortschatz und syntaktischen Fähigkeiten für Mehrsprachige bieten und ob spezifische Strategien für Mehrsprachige entwickelt und im Deutschunterricht vermittelt werden könnten, bleiben offene Fragen. Studienfragen 1. Was ist mit dem Begriff „Sichtwortschatz“ gemeint? Warum soll bei Lautleseverfahren ein Text grundsätzlich mehrfach gelesen werden? 2. Warum vermutet man, dass die Lektüre von Kinderliteratur die Lesemotivation von Kindern steigert? 3. Welche Lesestrategien können spezifisch für Lernende mit nicht deutscher Familiensprache formuliert werden? Lektüreempfehlungen Rosebrock, Cornelia / Nix, Daniel (2017): Grundlagen der Lesedidaktik und der systematischen schulischen Leseförderung. 8., überarbeitete und erweiterte Auflage. Baltmannsweiler: Schneider Hohengehren. Bertschi-Kaufmann, Andrea (201): Offene Formen der Leseförderung. In: Bertschi-Kaufmann, Andrea / Graber, Tanja (Hrsg.): Lesekompetenz-- Leseleistung-- Leseförderung. Grundlagen, Modelle und Materialien. . Auflage. Seelze: Klett Kallmeyer, S. 170-182. 29 6. Fazit und Vermutungen Kapitel 2 Mehrsprachige (Lese-)texte aus der Perspektive der Fremdsprachendidaktik Daniela Elsner Fragen 1. Das Thema Mehrsprachigkeit im Fremdsprachenunterricht hat in den letzten Jahren zunehmend an Bedeutung gewonnen. Welche Gründe könnte es hierfür geben? 2. Zunehmend werden mehrsprachige Texte im Fremdsprachenunterricht eingesetzt. Welche Formate mehrsprachiger Texte sind Ihnen bekannt? Gelingt Ihnen eine Systematisierung dieser Texttypen? 3. Benennen Sie die drei zentralen Kompetenzbereiche des Fremdsprachenunterrichts. Welchen Mehrwert können mehrsprachige Texte zu deren Förderung Ihrer Meinung nach beitragen? Abstract In diesem Kapitel werden die Chancen und Grenzen des Einsatzes mehrsprachiger Texte im Fremdsprachenunterricht diskutiert. Das Kapitel befasst sich zum einen mit der Bedeutung von „Mehrsprachigkeit“ als Bildungsziel und als Bildungsvoraussetzung im Kontext des Fremdsprachenunterrichts, zum anderen werden didaktische Überlegungen zu einem mehrsprachigkeitsorientierten Unterricht angestellt. Sie erfahren, wie und zu welchem Zweck Sie mehrsprachige Texte in einem Fremdsprachenunterricht einsetzen können, der Mehrsprachigkeit als wichtiges Unterrichtsziel anerkennt. Das Kapitel schließt mit einem Einblick in die Ergebnisse verschiedener Untersuchungen zum Potenzial mehrsprachiger Lesetexte im Kontext des gesteuerten Fremdsprachenerwerbs. Einleitung Das Thema Mehrsprachigkeit liegt derzeit nicht nur in Elternkreisen stark im Trend. Auch in (fremd-)sprachendidaktischen Wissenschaftsdiskursen hat das Thema Umgang mit und Erziehung zur Mehrsprachigkeit sichtbar an Bedeutung gewonnen. Ein Vergleich des Handbuchs Fremdsprachenunterrichts von 2003 (Bausch / Christ / Krumm) mit dem von 201 (Burwitz-Melzer / Mehlhorn / Riemer / Bausch / Krumm) zeigt sowohl eine qualitative als auch quantitative Erweiterung des Themas. Während in der älteren Ausgabe das Thema Mehrsprachigkeit lediglich einmal im Rahmen des Kapitels „Erwerbstypen“ abgehandelt wurde (Bausch 2003), wird Mehrsprachigkeit in der jüngsten Ausgabe nicht mehr nur als 30 Kapitel 2 Mehrsprachige (Lese-)texte aus der Perspektive der Fremdsprachendidaktik eine Form des Spracherwerbs diskutiert (Bausch 201), sondern daneben auch die Frage nach der Integration von Herkunftssprachen im Zweit- und Fremdsprachenunterricht (Hu 201) gestellt sowie das Potenzial einer gezielten Vernetzung von Sprachen im Rahmen eines Mehrsprachigkeitsunterrichts skizziert (Krumm / Reich 201). Ein diachroner Blick in die Marburger Bibliographie „Moderner Fremdsprachenunterricht“ ( IFS ) der letzten 10 Jahre offenbart schließlich auch eine deutliche Zunahme an Forschungspublikationen, welche sich mit der Frage beschäftigen, wie und warum monolinguale Sprachlernkonzepte überwunden oder zumindest ergänzt werden sollten. Schließlich kann auch auf internationaler Ebene ein steigendes Interesse am Thema „Umgang mit Mehrsprachigkeit im Kontext des Zweit- und Fremdsprachenunterrichts“ verzeichnet werden, was Stephen May (2013) sowie Jean Conteh und Gabriela Meier (2014) immerhin dazu veranlasste den Multilingual Turn für den Zweit- und Fremdsprachenunterricht zu prophezeien bzw. zu propagieren. Welche Gründe gibt es für das so offensichtlich steigende Interesse am Thema Mehrsprachigkeit seitens der Fremdsprachendidaktik? Und welche Rolle spielen mehrsprachige Texte in diesem Zusammenhang? Diese Fragen sollen im Folgenden diskutiert und theoretisch und praktisch überlegt werden, wie und ob-- aus empirischer Sicht-- mehrsprachige Texte einen Beitrag zur Förderung von Mehrsprachigkeit leisten können. 1. Mehrsprachigkeit und Fremdsprachenunterricht: Gründe für die wissenschaftliche Auseinandersetzung Das Thema Mehrsprachigkeit wird von Sprachendidaktiker / innen bereits seit langem wiederkehrend diskutiert, nie jedoch war das Interesse an diesem Thema so groß wie heute. Folgende Gründe können hierfür Erklärungen liefern. Steigende Flüchtlingszahlen Knapp eine Million Asylanträge wurden im Jahr 201 in Europa gestellt, etwa zwei Drittel davon entfielen auf Deutschland (https: / / www.welt.de). Laut Angaben des Bundesamtes für Statistik (https: / / www.destatis.de) sind ca. 120 000 der im Jahr 2015 aufgenommenen Geflüchteten in Deutschland im schulpflichtigen Alter. Die Frage nach der bestmöglichen Förderung von Kindern mit nicht deutschem Sprachhintergrund stellt sich seit diesem Zeitpunkt verstärkt auch für den Fremdsprachenunterricht. Anhaltende Bildungsbenachteiligung von mehrsprachigen Kindern mit Migrationshintergrund Wenngleich das Thema Integration von Kindern mit vielsprachigem Hintergrund in Deutschland kein neues ist, wurde bislang offensichtlich noch keine ausreichende Strategie entwickelt, wie diese Lernenden, optimal gefördert werden können. So zeigt eine Statisitik des Statistischen Bundesamts von 201, dass im Schuljahr 2014 / 15 30, % der Schüler / innen 31 1. Mehrsprachigkeit und Fremdsprachenunterricht: Gründe für die wissenschaftliche Auseinandersetzung der Sekundarstufe mit nicht deutscher Herkunft eine Hauptschule besuchten (Statistisches Bundesamt 201: 18). Wenngleich die Gesamtzahl innerhalb der letzten zehn Jahre gesunken ist (43,3 % im Schuljahr 2004 / 05), ist sie bedenklich vor dem Hintergrund, dass insgesamt in Deutschland nur 12 % der Schüler / innen eine Hauptschule besuchen. Auch in der jüngsten PISA -Studie zeigt sich, dass der Abstand zwischen Schüler / innen mit und ohne Migrationshintergrund unverändert hoch bleibt, und zwar zum Nachteil der Kinder mit Migrationshintergrund ( OECD 201). Obschon andere Vergleichsstudien, wie z. B. DESI ( DESI Konsortium 2008) oder EVENING (Groot-Wilken 2009) zeigen konnten, dass die Unterschiede in den Leistungen ein- und mehrsprachiger Schüler / innen in der Fremdsprache nicht ganz so stark ausfallen wie in anderen Fächern, und mehrsprachige Kinder unter bestimmten Bedingungen, wie z. B. gute Kompetenzen in der Erst- und Zweitsprache und ein untersützendes Sozial- und Lernumfeld, sogar besonders gute Leistungen im Fremdsprachenunterricht erbringen können, stellt sich für den Fremdsprachenunterricht die Frage, wie die offensichtlich vorhandenen besonderen Sprachlernvoraussetzungen der Mehrsprachigen optimal berücksichtigt werden können. Bislang liegen hier nur sehr wenige Erkenntnisse vor (u. a. Poarch / Bialystok 2017). Wachsende Erkenntnisse im Bereich des multiplen Spracherwerbs und zum bilingualen Unterricht Zwar nutzen Mehrsprachige dieselben Gehirnareale wie einsprachige Menschen, allerdings zeigen computer-tomographische Aufnahmen (z. B. Franceschini 2002), dass die Sprachregionen bei multilingualen Menschen häufig anders ausgebildet sind. Das betrifft insbesondere einen Teil des Broca‘schen Sprachenzentrums in der Großhirnrinde. Dieses Areal steuert unter anderem unsere Entscheidungsprozesse. Mehrsprachige Menschen nutzen dieses Areal deutlich häufiger als Einsprachige, weil sie geübt darin sind, schnell zu entscheiden, in welcher Sprache sie sprechen müssen. Häufig fällt es Frühbilingualen-- im Vergleich zu Monolingualen-- deshalb bei der Aufgabenbearbeitung leichter, wichtige von unwichtigen Informationen zu trennen (vgl. Bialystok / Poarch / Luo / Craik 2014). Für den Zweit- und Fremdsprachenunterricht stellt sich die Frage, wie mit den unterschiedlichen Prädispositionen Früh- und Spätmehrsprachiger umgegangen werden kann (vgl. hierzu Poarch / Bialystok 2017). Ein ansteigendes Forschungsinteresse lässt sich zudem auch im Bereich des bilingualen Unterrichts ausmachen, woraus sich natürlicherweise auch neue Erkenntnisse auf diesem Gebiet ergeben. Insgesamt zeigt sich, dass Schüler / innen, die an bilingualen Unterrichtsmaßnahmen teilnehmen, unter bestimmten Bedingungen nicht nur hinsichtlich der Fremdsprache einen höheren Zuwachs verbuchen können als Lernende, die am herkömmlichen Fremdsprachenunterricht teilnehmen (z. B. Zydatiß 2009). Darüber dhinaus kann der bilinguale Unterricht auch zu verbesserten Kompetenzen in den Sachfächern sowie in Teilbereichen der Muttersprache, wie z. B. dem Lesen, führen (z. B. Zaunbauer / Gebauer / Möller 2013). Insgesamt wird deutlich, dass geförderte unterrichtliche Zwei- und Mehrsprachigkeit offensichtlich ein hohes Potenzial für Lernende birgt und deshalb weiter erforscht werden sollte. 32 Kapitel 2 Mehrsprachige (Lese-)texte aus der Perspektive der Fremdsprachendidaktik Die Bedeutung von mehrsprachigen Kompetenzen in einer globalen Gesellschaft Die steigende Nachfrage an mehrsprachigen Lerngelegenheiten ist zweifellos auch ein Resultat der weltweiten Vernetzung von Unternehmen, der wirtschaftlichen Globalisierung und der zunehmenden Mobilität in unserer Gesellschaft. Etwa 7000 Sprachen gibt es auf der Welt. In der Europäischen Union werden aktuell 24 Sprachen als Amts- und Arbeitssprachen anerkannt. Um sich beruflich oder privat mit anderen verständigen zu können, ist die Beherrschung mindestens einer gemeinsamen Verkehrssprache essentiell. Seit dem 2. Weltkrieg ist Englisch als wichtigste lingua franca anerkannt und muss deshalb von allen Schüler / innen in Europa gelernt werden. Dennoch plädiert die EU schon lange dafür, dass europäische Bürger / innen neben ihrer Muttersprache nicht nur Englisch, sondern mindestens noch eine weitere Fremdsprache erlernen. Langfristig verfolgt die Kommission das Ziel, die individuelle Mehrsprachigkeit zu fördern, bis alle Bürger / innen zusätzlich zu ihrer Muttersprache über praktische Kenntnisse in mindestens zwei weiteren Sprachen verfügen. (Kommission der EG 2005: 4) Diese Forderung führt für Fremdsprachendidaktiker / innen und Lehrkräfte gleichermaßen zur Frage, wie Kinder, Jugendliche und Erwachsene möglichst viele Fremdsprachen so gut wie möglich und so schnell wie möglich erlernen können. Wachsender Bedarf an geeigneten Sprachlehr- und Lernmethoden In Deutschland beispielsweise wurde das Ziel Muttersprache plus 2 lange Zeit lediglich durch den verbindlichen Fremdsprachenunterricht (spätestens) ab Klasse 3 sowie durch das je nach Schulform verbindliche oder freiwillige Angebot einer zweiten Fremdsprache ab Klasse 7 umgesetzt. Diese nacheinander folgenden Maßnahmen alleine reichten aus Sicht der EU und der KMK (Kultusminsterkonferenz) jedoch nicht aus, um Mehrsprachigkeit umfassend und im europäischen Sinne zu fördern. So fügte die Europäische Kommission 2003 ergänzend hinzu: Es ist wesentlich, dass Schulen und Ausbildungseinrichtungen im Sprachunterricht einen ganzheitlichen Ansatz verwenden, der geeignete Verbindungen herstellt zwischen dem Unterricht in der Muttersprache, den Fremdsprachen, der Unterrichtssprache und den Sprachen der Migrantengemeinschaften; entsprechende Strategien erleichtern es den Kindern, das volle Spektrum ihrer kommunikativen Fähigkeiten zu entwickeln. (Kommission der EG 2003: 10) Es geht somit nicht nur darum, dass verschiedene Sprachen in der Schule im Rahmen von Fachunterricht gefördert werden, sondern auch darum, hierfür einen holistischen Sprachvermittlungsansatz zu wählen, der die wertschätzende, fördernde und strategische Einbindung verschiedener Erstsprachen beim Fremdsprachenerwerb unterstützt und Bezüge zwischen den verschiedenen Sprachen der Lernenden herstellt. Wie dies methodisch umgesetzt werden kann, soll im Folgenden überlegt werden. 33 2. Fachdidaktische Überlegungen zur Förderung von Mehrsprachigkeit im Fremdsprachenunterricht 2. Fachdidaktische Überlegungen zur Förderung von Mehrsprachigkeit im Fremdsprachenunterricht Wenngleich die Entwicklung individueller Mehrsprachigkeit sowohl von der KMK als auch in den Curricula der Bundesländer als das zentrale Ziel des Fremdsprachenunterrichts betont wird (vgl. u. a. KMK 2012: 11), wurde lange Zeit das Prinzip der Einsprachigkeit als wichtiges Qualitätsmerkmal des fremdsprachlichen Unterrichts gehandelt. Begründet wurde (und wird) dies von Fremdsprachenlehr- und lernforscher / innen auf der Grundlage natürlicher Spracherwerbsprozesse, bei denen der / die Erwerbende vollständig in die fremde Sprache eintaucht und sich „aus der Not heraus“ aus dem jeweiligen Kontext und mit Unterstützung des jeweiligen Sprachpartners / der jeweiligen Sprachpartnerin die Bedeutung einzelner Wörter und Redemittel erschließt (vgl. Klippel 201: 317). In jüngster Zeit werden jedoch Stimmen lauter, welche die klare Überlegenheit dieses recht dogmatischen Verfahrens anzweifeln. So argumentiert u. a. Wolfgang Butzkamm (2012), dass eine ausschließlich einsprachige Unterrichtsführung gerade Sprachlernanfänger / innen nicht nur darin hindere, eine Fremdsprache möglichst schnell und ohne Umwege zu lernen (ebd.: 122), schlichtweg, weil sie ohne den Einsatz der Muttersprache nur wenig verstünden, sondern, dass das Ausklammern anderer Sprachen die Lernenden darüber hinaus auch später in ihrer Spontaneität und Kreativität hemme, weil sie stets nur das Vokabular verwenden können, das sie bereits kennen. Damit, so Butzkamm, wirke der einsprachige Unterricht der Befriedigung des Kommunikationsbedürfnisses der Lernenden deutlich entgegen. Ebenfalls verlaufe Butzkamm zufolge die (spontane) Kommunikation in Klassenräumen, in denen die Lehrkraft auf Einsprachigkeit bestehe, deutlich oberflächlicher (wenn sie überhaupt zustande kommt) als in einem mehrsprachig gestalteten Unterricht (ebd.: 123 ff.). Darüber hinaus erklärt Butzkamm, dass allein durch den direkten Vergleich der Fremdsprache mit anderen Sprachen negative Interferenzen vermieden, sowie positiver Transfer ermöglicht werden könnte (ebd.: 121 f. und 128). Für Butzkamm ist die Mitwirkung der Erstbzw. Zweitsprache der Lernenden deshalb „[…]-nicht nur unvermeidlich, sondern notwendig“ (Butzkamm 2012: 122). Doch nicht nur Wolfgang Butzkamm spricht sich für den Einbezug anderer Sprachen im Fremdsprachenunterricht aus. Auch die KMK selbst empfiehlt die Einbringung anderer Sprachen im Fremdsprachenunterricht, allerdings weniger im Sinne einer unterstützenden „Helferspache“ als als Mittel zur Förderung von Sprach(lern)bewusstheit: Der Unterricht in der ersten Fremdsprache stellt den Erwerb der angestrebten Kompetenzen [Anm. DE : kommunikative, interkulturelle und methodische Kompetenzen] fachlich und pädagogisch dadurch sicher, dass-(…) Bezüge zwischen den von den Schülerinnen und Schülern erlernten Sprachen hergestellt werden und sie durch entsprechende Methoden und Einsichten ihre Fähigkeit zu lebenslangem, selbständigem Sprachenlernen weiter entwickeln,-(…). ( KMK 2003: 7 f.) Weitere Überlegungen dazu, wie die bereits vorhandenen Sprachen der Schüler / innen gewinnbringend im Fremdsprachenunterricht genutzt werden können, werden seit mehreren Jahren von verschiedenen Fremdsprachendidaktiker / innen angestellt-- insbesondere jenen, 34 Kapitel 2 Mehrsprachige (Lese-)texte aus der Perspektive der Fremdsprachendidaktik die sich mit der Didaktik einer zweiten schulischen Fremdsprache befassen (vgl. zusammenfassend Krumm / Reich 201). Aber auch diejenigen, die sich mit der Didaktik des Unterrichts in der ersten Fremdsprache beschäftigen, stellen in jüngster Zeit zunehmend Überlegungen an, wie im Fremdsprachenunterricht sinnvoll und effektiv mit mehreren Sprachen gearbeitet werden kann (zusammenfassend Blell / Doff 2014). So stellen z. B. Grünewald und Sass (2014) Überlegungen dazu an, wie man Englisch und Spanisch miteinander vernetzen kann. Die Autoren zeigen u. a. konkrete Beispiele, wie im Spanisch- oder Englischunterricht zweisprachige Songs, Videoclips, Spielfilme oder Jugendromane eingesetzt werden können, um beide Sprachen zu fördern. Leitzke-Ungerer entwirft mehrsprachige Aufgabenformate zur vernetzten Förderung sprachlicher Kompetenzen im Französischen und Englischen. Mehlhorn (2014) gibt Beispiele für die Erschließung unbekannter Texte mithilfe sprachfamilienübergreifender Interkomprehension im Russischunterricht. Kutzelmann / Massler / Peter / Götz / Ilg (2017) veranschaulichen wie man die Lese- und Sprechkompetenzen in vielen Sprachen gleichzeitig im Rahmen des Mehrsprachigen Lesetheaters fördern kann, und Elsner (2014: 2015) zeigt, wie man mehrsprachige Lesetexte für den Computer im Englischunterricht einsetzen kann. Bei diesen und anderen Unterrichtsvorschlägen für den mehrsprachigen Fremdsprachenunterricht werden zwei Dinge deutlich: Erstens eignen sich alle sprachvernetzenden Übungen und Aufgaben grundsätzlich dazu eine oder mehrere Aspekte der drei Kernkompetenzbereiche (kommunikative, interkulturelle, methodische Kompetenz) des fremdsprachlichen Unterrichts zu unterstützen. Dies bedeutet, dass mehrsprachige Unterrichtsansätze zwar mit mehreren Sprachen arbeiten, dabei aber niemals die Kernziele des Fremdsprachenunterrichts aus dem Blick geraten. Zweitens ist allen Unterrichtsideen gemein, dass die Arbeit mit Texten in verschiedenen Sprachen im Zentrum steht, seien diese mündliche oder schriftliche Texte, kurz oder lang, visuell, audio-visuell oder rein auditiv zu entschlüsseln. Dies ist wenig überraschend, denn Texte bilden erstens den Auslöser bzw. Motivator jeglicher fremdsprachlichen Kommunikation im Unterricht, zweitens können sie als mündliches oder schriftliches Produkt der Lernenden deren Entwicklung in der / den Fremdsprache / n sichtbar machen und drittens liefern Texte sprachlichen Input, welcher zur Weiterentwicklung in mehreren Sprachen dienlich sein und das Verständnis in der Zielfremdsprache unterstützen kann. Im Folgenden sollen systemtatische Überlegungen angestellt werden, wie mehrsprachige Texte methodisch für den Fremdsprachenunterricht aufbereitet werden können. Desweiteren soll gezeigt werden, welche Effekte der Einsatz solcher Texte in Bezug auf die Entwicklung fremdsprachlicher Kompetenzen, insbesondere der Lesekompetenz, haben kann. 35 3. Mehrsprachige Texte im Fremdsprachenunterricht 3. Mehrsprachige Texte im Fremdsprachenunterricht Wenn von mehrsprachigen Texten die Rede ist, so lassen sich vier unterschiedliche Formate finden. Mehrsprachige Texttypen Bei Texttyp 1 bezieht sich Mehrsprachigkeit darauf, dass der Text zunächst in einer Sprache verfasst und anschließend in andere Sprachen übersetzt wurde. Dieser Texttyp tritt in zwei Varianten auf. Bei Variante A liegen die verschiedenen Sprachausgaben als einzelne Produkte, Bildergeschichten, Aufsätze, Bücher, Filme, Informationstexte, Handbucheinträge etc. in verschiedenen Sprachausgaben vor und können als ganze Texte nacheinander oder abschnittsweise wechselweise gelesen, angesehen, angehört werden. Diese Texte können in Papierform oder in elektronischer Form vorliegen (z. B. My First Stories, Oldenbourg Verlag, Schülerenzyklopädie Britannica etc.). Bei Variante B des Texttyps 1 liegt der Text in mindestens zwei Sprachen vor, welche im Produkt parallel sichtbar sind. Kleinere Textabschnitte sind hier z. B. auf einer Seite (digital oder Papierform) sicht- oder hörbar. Dies ist z. B. bei zwei oder mehrsprachigen Bilderbüchern der Fall (z. B. die Bücher der Edition bi: libri) oder bei Filmen mit Untertiteln, in denen sich die gesprochene Sprache und die Sprache des Untertitels unterscheiden. Auch zweisprachige Wörterbücher (auch Bildwörterbücher) zählen zu diesem Texttyp. Texttyp 2 umfasst ebenfalls mehrere (mindestens zwei) Sprachen. Anders als bei Texttyp 1 werden die Sprachen jedoch hier jeweils auf der intersententalen oder der intrasententalen Ebene gewechselt (Version A). Diese Texte sind somit schriftliche Ausgaben des Phänomens Code-Switching und nutzen den Wechsel von Sprachen als Stilmittel. Ein gutes Beispiel hierfür sind z. B. das digitale Lernspiel MelangE (www.melang-e.eu), das Mehrsprachige Lesetheater von Kutzelmann / Massler / Peter / Götz / Ilg. (2017) oder mehrsprachige Gedichte und Romane (vgl. hierzu Elsner 2012). Auch in Version B des Texttyps 2 werden die Sprachen innerhalb eines Textes gewechselt, allerdings geschieht dies nicht auf der Satz- oder Wortebene, sondern jeweils nach längeren Textabschnitten (z. B. das Mehrsprachige Vorlesen durch die Lehrperson von Hilbe / Kutzelmann / Massler / Peter (2017a). Überlegungen zur praktischen Anwendung mehrsprachiger Texte im Unterricht Für Lehrkräfte stellt sich die Frage, wie und mit welchem Ziel die verschiedenen Textversionen im Unterricht eingesetzt werden können. Die folgende Systematik, welche sich an den Kompetenzfeldern des Fremdsprachenunterrichts orientiert, soll hier konkrete Hilfestellung leisten. 36 Kapitel 2 Mehrsprachige (Lese-)texte aus der Perspektive der Fremdsprachendidaktik Mehrsprachige Texte zur Entwicklung kommunikativer Kompetenz Steht im Zentrum des Unterrichts die Entwicklung kommunikativer Kompetenzen, so geht es um die Ausbildung der rezeptiven Kompetenzen des Hörverstehens / Hör-Sehverstehens und des Lesens, sowie um die produktiven Kompetenzen des Sprechens und Schreibens sowie elementare Formen der Sprachmittlung in der jeweiligen Zielsprache. Auf der rezeptiven Ebene sollen die Schüler / innen laut Bildungsstandards für die erste Fremdsprache im Bereich Hörverstehen „unkomplizierte Sachinformationen über gewöhnliche alltags- oder berufsbezogene Themen verstehen und dabei die Hauptaussagen und Einzelinformationen erkennen-(…).“ ( KMK 2003: 11) Im Bereich Lesen sollen die Lernenden „weitgehend selbstständig verschiedene Texte aus Themenfeldern ihres Interessen- und Erfahrungsbereiches lesen und verstehen.“ ( KMK 2003: 12)Mehrsprachige Texte des Typs 1, seien diese kürzeren oder längeren Formats, können insbesondere Sprachlernanfänger / innen und schwächeren Schüler / innen, bei der Texterschließung ein große Hilfe sein. Denn- - so stellt Butzkamm richtig heraus: „Sprache ist zuallererst Rede. Ihr Erwerb beginnt da, wo wir Sprache hörend (oder hörend und mitlesend) aufnehmen und verstehen. Wer nichts von dem versteht, was er hört, lernt auch nicht.“ (Butzkamm 2012: 87) Aber auch für leistungsstärkere Lernende können Texte in mehreren Sprachversionen (Typ 1A) beim Hörverstehen- und Lesen dienlich sein. So können sie die zweite Sprachversion im Anschluss an den Lese-, Hör-, Sehvorgang nutzen, um selbstständig zu überprüfen, ob sie global oder im Detail einen Text in der Fremdsprache richtig verstanden haben, und dabei zeitgleich ihr Lese- und Hörverstehen in anderen, bereits vorhandenen Sprachen trainieren (vgl. hierzu Buendgens-Kosten / Elsner 2014). Mehrsprachige Lese- oder Hör-/ und Sehtexte des ersten Typs können darüber hinaus allen Lernenden auch bei der Erschließung von Einzelwörtern helfen und zu Sprachvergleichen anregen, welche die Entwicklung der Sprachbewusstheit fördern kann. Letzteres ist insbesondere dann der Fall, wenn es sich bei den verschiedensprachigen Texten nicht um Texte eines Wörterbuchs handelt, sondern um längere Texte. Denn hier müssen die Lernenden mit der unterschiedlichen Syntax verschiedener Sprachsysteme vertraut sein oder sich dieser bewusst werden, um den Text in der anderen Sprache zur Erschließung von unbekannten Wörtern in der Zielsprache zu nutzen, wie im folgenden Beispiel ersichtlich wird: Ich mag kein Gemüse. I don’t like vegetables. Je n’aime pas les legumes. Auf der produktiven Ebene sollen Lernende im Bereich Sprechen „Erfahrungen und Sachverhalte zusammenhängend darstellen, z. B. beschreiben, berichten, erzählen und bewerten“ ( KMK 2003: 13) können und im Bereich Schreiben „zusammenhängende Texte zu vertrauten Themen aus ihrem Interessengebiet verfassen“ (ebd.). Darüber hinaus sollen sie in der Lage sein, sprachliche Äußerungen und Texte zu vertrauten Themen schriftlich und mündlich sinngemäß von der einen in die andere Sprache zu übertragen. (vgl. ebd: 14) 37 3. Mehrsprachige Texte im Fremdsprachenunterricht Am Einfachsten ist der Einsatz mehrsprachiger Texte im Rahmen von Sprachmittlungsaufgaben. Hier können fremdsprachliche Texte sinngemäß in alle Sprachen der Lernenden übertragen werden oder umgekehrt. Die Übersetzungen in nicht deutsche Sprachen können von anderen Mitschüler / innen mit dem elektronischen Übersetzungsprogramm in die deutsche Sprache übersetzt und anschließend mit dem Original verglichen werden. Insbesondere beim kreativen Schreiben, aber auch bei der mündlichen Sprachproduktion, kann die explizite Erlaubnis und Motivation dazu, mehrere Sprachen im Sinne des Texttyps 2 zu verwenden besonders motivierend sein und Texte inhaltlich bereichern. Begriffe aus anderen Sprachen können z. B. als besonderes Stilmittel eingesetzt werden, weil ein bestimmter Begriff aus einer anderen Sprache eine Sache oder einen Gegenstand z. B. besser oder genauer beschreibt, eine bestimmte Emotion darstellt oder bei der wörtlichen Rede die Alltagswelt vieler Mehrsprachiger, welche von Sprachenwechsel und Sprachmischungen geprägt ist, widerspiegelt. Mehrsprachige Texte unterschiedlicher Autoren können im Unterricht zunächst gelesen und diskutiert werden. Anschließend verfassen die Lernenden selbst Texte in denen sie „ihre“ Sprachen einbringen (vgl. Elsner 2012). Mehrsprachige Texte zur Förderung Interkultureller Kompetenzen Die Auseinandersetzung mit literarischen Texten gilt als zentrales Element interkultureller Lernprozesse im Rahmen des Fremdsprachenunterrichts. Sorgfältig ausgewählte Texte aus den fremdsprachlichen Zielkulturen sollen Schüler / innen einen Einblick in andere Kulturen ermöglichen, zum Perspektivenwechsel anregen, Fremdverstehen anbahnen und zur Reflexion über die eigene kulturelle Identität auffordern. Mehrsprachige Texte, wie die Gedichte von Antoine Cassar oder Pat Mora (vgl. Elsner 2012), aber auch von anderen Künstler / innen, die ihre Mehrsprachigkeit als besonderes Stilmittel in ihren Texten einsetzen, eignen sich besonders gut, um diese Fähigkeiten und Fertigkeiten anzubahnen. Mehrsprachige Texte zur Förderung von Methodenkompetenzen Zunehmend werden im Fremdsprachenunterricht autonome Lernformen integriert, die den Lernenden nicht nur ein individuelles Erfassen des Lernstoffes ermöglichen, sondern auch das selbstständige und lebenslange Lernen außerhalb des Schulunterrichts anbahnen sollen. Damit verbunden sind der Erwerb bestimmter Lerntechniken und die Bewusstmachung von Stragien. Gerade der bewusste Vergleich von verschiedenen Sprachen ist in diesem Zusammenhang als sinnvolle Tätigkeit zu vermerken, durch welche die Lernenden wichtige Erschließungsstrategien aber auch Kommunikations- und Sprachlernstrategien erwerben können. So können z. B. Texte in Sprachen, die der Zielsprache nahverwandt sind, jedoch nicht der Schulsprache entsprechen, eingesetzt werden, um Interkomprehensionsstrategien, also die Nutzung bereits bekannter Sprachen für die Sprachrezeption und -produktion sowie zur grammatischen Durchdringung einer fremden Sprache zu fördern (vgl. hierzu z. B. Oleschko 2011: 1). 38 Kapitel 2 Mehrsprachige (Lese-)texte aus der Perspektive der Fremdsprachendidaktik In diesem Zusammenhang kann auch besonders gut auf die Bedeutung der Zielsprache (Englisch, Französisch, Spanisch etc.) hinsichtlich des Erwerbs weiterer Fremdsprachen (Dänisch, Schwedisch, Italienisch etc.) aufmerksam gemacht werden. Insgesamt können die vorangegangenen Beispiele jedoch nur einen kleinen Ausschnitt dessen verdeutlichen, was mit mehrsprachigen Texten im Fremdsprachenunterricht getan werden kann. Viele weitere Beispiele sind mittlerweile in der Literatur zu finden (zusammenfassend Blell / Doff 2014; Buendgens-Kosten / Elsner in Vorb.; Jakisch 2015; Lohe 201: 0 ff.; Mayr 2015). Bevor diese Ideen jedoch im Unterricht übernommen werden, sollte man sich mit den Effekten des Einsatzes mehrsprachiger Texte aus empirischer Sicht auseinandersetzen, was im Folgenden getan wird. 4. Mehrsprachige Texte: Wirkungen und Nebenwirkungen Empirische Untersuchungen hinsichtlich der Wirksamkeit des Einsatzes mehrsprachiger Texte zur Förderung der oben genannten Kompetenzen im Rahmen des Fremd- und Zweitsprachenunterrichts gibt es mittlerweile zahlreiche, lediglich einige davon können an dieser Stelle exemplarisch aufgezeigt werden, um folgende Aussagen treffen zu können: Der Einsatz mehrsprachiger Texte im Fremdsprachenunterricht fördert das Interesse an fremden Sprachen und erhöht die Sprachbewusstheit auf kognitiver und affektiver Ebene. Im Rahmen ihrer Dissertationsstudie hat Viviane Lohe mittels eines quasi-experimentellen Forschungsdesigns und ergänzenden Interviews den Zuwachss der kognitiven und affektiven Dimension der Sprachbewusstheit bei 49 Kindern untersucht. Die Ergebnisse zeigen, dass die Arbeit mit mehrsprachigen Texten des Typs I a die Entwicklung der Sprachbewussheit auf kognitiver und affektiver Ebene der ein- und mehrsprachigen Grundschulkinder mit verschiedenen Erstsprachen fördert (Lohe 201). Der Einsatz mehrsprachiger Texte motiviert die Schüler / innen zum Lesen und Hören in verschiedenen Sprachen. Im Rahmen des Forschungsprojekts MuViT wurden dieselben Texte wie in der Studie von Lohe (My First Stories, Oldenbourg Verlag) in mehreren Grundschulklassen eingesetzt und die Nutzung der Lernenden in verschiedenen explorativen Untersuchungen beobachtet (zusammenfassend Elsner 2014). Dabei stellt sich heraus, dass die Grundschulkinder das Lesen in mehreren Sprachen nicht nur interessant finden, sondern die verschiedenen Sprachen auch zur Erschließung von Texten in der Zielfremdsprache Englisch nutzen. Ähnliche Ergebnisse liefert die größer angelegte Studie LIKE (Elsner / Buendgens-Kosten / Hardy 2015), in welcher eine dreisprachige Version der mehrsprachig digitalen Texte Grundschulkindern mit Deutsch als Erstbzw. Zweitsprache zur Verfügung gestellt wurde. 39 4. Mehrsprachige Texte: Wirkungen und Nebenwirkungen Der Einsatz mehrsprachiger Texte kann sich förderlich auf das Leseverstehen in einer Fremdsprache auswirken. Im Projekt LIKE untersuchten Buendgens-Kosten, Elsner und Hardy die Bedeutung der Erst- und Zweitsprache für die Entwicklung kommunikativer Kompetenz in einer Fremdsprache (Englisch) bei bilingualen (deutsch-türkischen) Grundschulkindern während der Bearbeitung einer textbezogenen Aufgabe in kooperativen Lernsettings. Erste Ergebnisse der Studie zeigen, dass sowohl die einals auch die mehrsprachigen Lernenden ihre Erstsprache als Ressource für die Erschließung von Texten in der englischen Sprache nutzen, wenn die Lernumgebung ihnen das ermöglicht (vgl. Elsner et al. 2015: 35) und die Nutzung der mehrsprachigen Texte zu einem verbesserten Textverständnis in der Fremdsprache Englisch führt (Buendgens-Kosten et al. erscheint). Mehrsprachige Texte erhöhen die Qualität und Quantität mündlicher Kommunikation In einer experimentellen Studie mit Lernenden des Englischen als Zweitsprache, setzte Alvarez (Alvarez John erscheint) mehrsprachige Texte des Typs IA ein. Die sich hieran anschließenden Diskussionen verglich er hinsichtlich Qualität und Quantität mit der Diskussion im Anschluss an die Lektüre einsprachiger Texte. Alvarez stellte fest, dass die Beteiligung der Lernenden in der Textdiskussion nicht nur reger, sondern auch inhaltlich ausgiebiger wurde. Auf der Grundlage seiner Ergebnisse folgert Alvarez, dass Aufgaben, die mehrsprachige Lernende dazu auffordern ihre Vielsprachigkeit produktiv einzusetzen, einen positiven Effekt auf die Identitätsentwicklung und das Sprachenselbstkonzept mehrsprachiger Lerner / innen haben. Mehrsprachige Texte beeinflussen das Sprachenselbstbild positiv und regen zur Reflexion über die Bedeutung der eigenen Mehrsprachigkeit an In einer kanadischen Studie ließ Jim Cummins (o. J.) ESL -Lerner / innen sogenannte Identity Texts verfassen. Die Lernenden durften dabei auch in ihrer Muttersprache schreiben, die sie noch besser beherrschten. Die Studie ergab, dass sich die Lernenden nicht nur wertgeschätzt fühlten, sondern sich auch dem Mehrwert ihrer plurilingualen Kompetenz bewusst wurden. In einer anderen Studie ließ Magdalena Mayr (201) ein- und mehrsprachige Lernende mehrsprachige Gedichte verfassen. Hier zeigte sich, dass die Aufgabe bei den Schüler / innen zu einer verstärkten Auseinandersetzung mit der eigenen Mehrsprachigkeit und Transkulturalität führte. Dieses Kapitel hat versucht, den Mehrwert mehrsprachiger Texte für den Einsatz im Fremdsprachenunterricht darzulegen. Dabei wurde deutlich, dass mehrsprachige Texte nicht nur das Bildungsziel „Mehrsprachigkeit“ befördern, sondern daneben auch ein authentischeres Sprachbild im Unterrichtskontext zeichnen, das für Lernende eine unterstützende und motivierende Funktion haben kann. Nicht zuletzt eignen sich mehrsprachige Texte zur Förderung interkultureller, kommunikativer und methodischer Kompetenzen, insbesondere zur För- 40 Kapitel 2 Mehrsprachige (Lese-)texte aus der Perspektive der Fremdsprachendidaktik derung der Sprach(lern)bewusstheit. Somit stellt sich lediglich noch eine Frage zum Schluss: Was spricht noch gegen die mehrheitliche Forderung der Lernenden? Und die Antwort lautet: Rien, nichts, ничего oder nothing. Zusammenfassung In diesem Kapitel wurden das didaktische Potenzial sowie der übergreifende Mehrwert mehrsprachiger Texte aus Sicht der Bildungspolitik und Sprachlehrforschung für die Entwicklung kommunikativer, interkultureller und methodischer Kompetenzen im Fremdsprachenunterricht diskutiert. Es wurde eine Systematisierung mehrsprachiger Texttypen vorgenommen und konkrete Beispiele für deren Einsatz im Unterricht aufgezeigt. Darüber hinaus wurden verschiedene Ergebnisse empirischer Untersuchungen zum Einsatz mehrsprachiger Texte im Fremdsprachenunterricht dargelegt. Studienfragen 1. In diesem Kapitel werden mehrsprachige Texte in fünf Kategorien eingeteilt. Finden Sie zu jeder Kategorie mindestens ein Beispiel im Internet oder der Bibliothek. 2. Pat Mora und Antoine Cassar werden im Kapitel als Autoren mehrsprachiger Gedichte genannt, die sich für den Einsatz im Fremdsprachenunterricht eignen. Wählen Sie ein Gedicht der beiden Autoren aus und erläutern Sie auf der Grundlage dieses Kapitels, wie Sie diesen Text im Unterricht einsetzen können. Welche Lernziele verfolgen Sie dabei? Welche Kompetenzen werden aus Ihrer Sicht hierbei gefördert? https: / / antoinecassar.wordpress.com/ author/ antoinecassar/ http: / / www.patmora.com/ 3. Dieses Kapitel berichtet über mehrere empirische Untersuchungen zum Einsatz mehrsprachiger Texte im Fremdsprachenunterricht. Formulieren Sie selbst eine Forschungsfrage zum Einsatz mehrsprachiger Texte im Fremdsprachenunterricht. Erläutern Sie, mit welcher Forschungsmethode Sie diese Frage am Besten untersuchen könnten. Welche Untersuchungsinstrumente setzen Sie hierfür ein? Eruieren Sie, ob es bereits Studien gibt, die dieser oder einer ähnlichen Frage nachgegangen sind. Lektüreempfehlungen Buendgens-Kosten, Judith/ Hardy, Ilonca, Elsner, Daniela (2017): Code-Switching Your Way to Language Learning? Receptive Code-Switching with Digital Storybooks in Early Language Learning. In: Enever, Janet / Lindgren, Eva (Hrsg.): Early Language Learning. Complexity and Mixed Methods. London: Mulilingual Matters., S. 108-12. Jakisch, Jenny (2015): Mehrsprachigkeitsförderung über die erste Fremdspache. Der Beitrag des Faches Englisch. In: FL uL , 2, 20-33. «Besonders beim Wechsel von “learning to read” hin zu “reading to learn” wird der Unterschied zwischen Mädchen und Jungen oft sehr deutlich.» (Shaywitz/ Shaywitz) Kapitel 3 Frühe genderspezifische Entwicklung der Lesekompetenzen mehrsprachiger Kinder Befunde und sprachendidaktische Konsequenzen Heiner Böttger Fragen 1. Mädchen und Jungen lernen Lesen anders. Was vermuten Sie, in welchen für das Lesenlernen relevanten Bereichen können Unterschiede festgestellt werden? 2. Welche Forschungsinstrumente und -methoden sind geeignet, um Unterschiede in der Alphabetisierung mehrsprachig aufwachsender Kinder zu identifizieren? 3. Welche Aspekte eines gendersensiblen frühen Sprachenunterrichts sind besonders zu berücksichtigen? Abstract Mädchen und Jungen lernen und gebrauchen Sprachen bereits sehr früh völlig verschieden. Bei der Entwicklung der frühen Lesekompetenzen zeigen sich die größten Unterschiede. Gendersensible sprachendidaktische Konsequenzen bleiben im institutionalisierten Sprachenlernen jedoch bis heute begrenzt. In diesem Kapitel wird auf der Basis der frühen genderspezifischen Sprachentwicklung ein Forschungsprojekt mit Ergebnissen zur Entwicklung früher Lesekompetenzen mehrsprachiger Kinder dargestellt. Anschließend werden vor diesem Forschungshintergrund erste evidenzbasierte, konkrete, sprachenübergreifende didaktische Konsequenzen für die unterrichtliche Umsetzung gezogen. Im Zentrum der Überlegungen stehen individuelle und differenzierte Fördermaßnahmen, die als professionelles Diversity Management ein Sprachenkontinuum für alle, insbesondere mehrsprachige, Lernkontexte möglich machen sollen. 42 Kapitel 3 Frühe genderspezifische Entwicklung der Lesekompetenzen mehrsprachiger Kinder Einleitung Mädchen und Jungen lernen und gebrauchen Sprachen generell völlig unterschiedlich (Schmithorst / Holland / Dardzinski 2008: 2; Plante / Schmithorst / Holland / Byars 200), ungeachtet eines monolingualen oder bilingualen Aufwachsens. Diese gesicherte wissenschaftliche Erkenntnis hat bislang noch nicht zu weiterführenden, reflektierten didaktischen Maßnahmen im frühen Sprachunterricht geführt, ungeachtet dessen, ob es sich um muttersprachlichen oder fremdsprachlichen Unterricht handelt. Dabei sind die Unterschiede alles andere als marginal. Mädchen sind nach Befunden der nicht spezifisch neurowissenschaftlichen, so z. B. der psycholinguistischen oder entwicklungspsychologischen Spracherwerbsforschung, Jungen im Erstsprachenerwerb sehr früh in folgenden Kompetenzbereichen leicht überlegen (vgl. z. B. Craig / Washington / Thompson 2005; Halpern 1992; Heaton / Ryan / Grant / Matthews 199; Hyde / Linn 1988; Irwin / Whalen / Fowler 200; Jackson / Roberts 2001; Kimura 1999; Majeres 1999; Rome-Flanders / Cronk 1995): ▶ Sprachproduktion und Sprachflüssigkeit, ▶ vorsprachliche Fertigkeiten, ▶ spontane Sprechbereitschaft, ▶ Rechtschreibung, ▶ generelle Sprachfähigkeit, ▶ Grammatikverwendung, ▶ Wortgedächtnis, ▶ Wortzuordnungsgeschwindigkeit, ▶ Wortlesen. Jungen dagegen besitzen entwicklungsbedingte Vorteile bezüglich des Verstehens von Wortanalogien (u. a. Hyde / Linn 1988). Trotz aller leichter weiblicher Überlegenheit ist jedoch bewiesen, dass Jungen nicht weniger reden als Mädchen, nur die Inhalte sowie der Wortartengebrauch sind unterschiedlich (vgl. Morling 2011: 170). Mit speziellem Blick auf bekannte genderspezifische Unterschiede bei metaphorischer Lesekompetenz ist noch erwähnenswert, dass Mädchen sich in der Regel etwas früher in Personen einfühlen können (vgl. Böttger 201: 87). Der Blick direkt ins Gehirn, durch moderne bildgebende radiologische Verfahren, unterstreicht die obigen Befunde und fügt neue Unterschiede hinzu. Im Folgenden sollen insbesondere solche Differenzen thematisiert werden, die sich auf die Alphabetisierung bzw. die Entwicklung der Lesekompetenzen zwei- und mehrsprachiger Kinder beziehen. 1. Neue Forschungsansätze zu gendersensiblen Fragestellungen Wie lassen sich genderspezifische Unterschiede bei der Sprachverarbeitung darstellen und werten? Genderspezifische sprachliche Entwicklungen überhaupt zu identifizieren, ist schon deshalb eine Herausforderung, da neben den Variablen, die sich aus den zerebralen Unter- 43 1. Neue Forschungsansätze zu gendersensiblen Fragestellungen schieden ergeben (vgl. Böttger 201: 88), auch soziokulturelle Einflüsse wie beispielsweise Erziehung, Leitbilder oder Medien (ebd. 80 f.) miteinbezogen werden müssen. Eine isolierte Betrachtung der rein biologischen Geschlechtsunterschiede verfälscht jede Interpretation: „Gender studies claim that a clear-cut distinction between a biological sex and a social gender does not exist“ (vgl. Butler 1990; Fausto-Sterling 2000). Gendersensible und -spezifische Forschungsdesigns in der Spracherwerbsforschung betrifft dies somit ebenfalls. Generalisierte sprachendidaktische Schlussfolgerungen sind deshalb nicht ohne qualitative Forschungsinstrumente wie z. B. zusätzliche Leitfadeninterviews mit den Kindern und ihren Erziehungsberechtigten sowie Lehrkräften und Betreuer / innen zu möglichen Einflussfaktoren wie Herkunft, häusliche Förderung etc. möglich. Der Forschungsfokus bzw. das Erkenntnisinteresse dieses Kapitels lässt sich auf zwei Fragestellungen komprimieren: 1. Welche genderspezifische Entwicklung nehmen die Lesekompetenzen mehrsprachiger Kinder? 2. Wie lassen sich die Befunde zur genderspezifischen Entwicklung im schulischen Sprachenunterricht berücksichtigen? Forschungsüberlegungen und -instrumente Zur Beantwortung solch komplexer Forschungsfragen sind Forschungsansätze über mehrere Wissenschaften hinweg nötig. Im an dieser Stelle beschriebenen interdisziplinären Forschungsprojekt zu allgemein genderspezifischen Sprachentwicklungsunterschieden trat neben die Recherche und Berücksichtigung aller ab etwa 1980 bereits bekannter relevanten Forschungsbefunde zur Thematik deren systematischer Vergleich in einer analytischen Cross-sciences-Metastudie. Medizinische, psychologische, psycholinguistische Erkenntnisse und solche der Sprachverhaltensforschung, der Biologie sowie der Neurowissenschaften wurden berücksichtigt. Insbesondere die Anzahl der genderspezifischen neurowissenschaftlichen Untersuchungen durch radiologische Bildgebung per f MR i (functional magnetic resonance imaging) wächst (vgl. Kaiser / Haller / Schmitz / Nitsch 2009) sowohl insgesamt als auch anteilig an allen f MR i-Studien und f MR i-Publikationen weltweit. Die Aussagekraft der educational neurosciences ist zunächst auf die reine Bildgebung beschränkt, kann jedoch gerade durch den Abgleich mit Ergebnissen der nicht neurowissenschaftlichen Spracherwerbsforschung mit diesen in Beziehung gesetzt werden, sie bestätigen oder neue Fragestellungen aufwerfen. Die radiologische Bildgebung per f MR i nutzt die Magnetresonanz von Wasserstoffatomen. Sie ermöglicht eine für die Spracherwerbsforschung relevante Erkundung neuronaler Substanzen der menschlichen Kognitionsfunktionen. Dazu werden die aufgabenbezogenen Veränderungen und Ereignisse in zerebralen Regionen bezüglich Blutfluss und Sauerstoffkonzentration visualisiert. Dargestellt kann also werden, in welcher Intensität an welcher Stelle des Gehirns Aktivitäten stattfinden. Speziell für die nachfolgend beschriebene Untersuchung macht das f MR i das Volumen bestimmter Gewebe im Gehirn sichtbar. Wie schnell sich beispielsweise Wasser in 44 Kapitel 3 Frühe genderspezifische Entwicklung der Lesekompetenzen mehrsprachiger Kinder diesem Gewebe verteilt, kann die Konsistenz des Gewebes bestimmen. Das Diffusion-tensorimaging-Verfahren (vgl. Schmithorst et al. 2008: 15) misst diese Diffusionsbewegung von Wassermolekülen und lässt zu, sie räumlich aufgelöst dreidimensional darzustellen (vgl. Le Bihan / Mangin / Poupon / Clark / Pappata / Molko / Chabriat 2001). So entstehen aus physikalisch-radiologischen Messungen Bilder mit Aussagekraft. Auf dieser theoretischen Grundlage erfolgten eigene Messungen und Berechnungen zu den relevanten neurobiologischen Unterschieden in Lincoln / Nebraska / USA im September 2014 sowie April 2015, genauer an der University of Nebraska-Lincoln, Center for Brain, Biology and Behavior & Medical Center. Die Forschergruppe bestand aus Neuropsychologen, Radiologen und dem Autor. Auswirkungen auf die Spracherwerbsleistungen haben, so die Grundüberlegung der Forschergruppe, vor allem der unterschiedliche Gebrauch der Hirnhälften sowie die verschiedenen Leitungsgeschwindigkeiten von Hirnzelle zu Hirnzelle. Im ersten Fokus der Untersuchungen standen die speziellen Verbindungen der Nervenzellen, die Axone. Über sie kommunizieren die Gehirnzellen miteinander, sie sind durch sogenannte Myelin-Schichten ummantelt. Je dicker diese sind, desto schneller werden Impulse ausgetauscht. Der Grad der Sprachentwicklung hängt von der Beschaffenheit des Myelins ab und seiner Entwicklung (=-Myelinisierung). Einen zweiten Forschungsschwerpunkt bildet die Verbindung der beiden Hemisphären des Gehirns, die Brücke. Ihre Nutzung (=- Lateralisierung) verläuft genderspezifisch unterschiedlich. Die weibliche Koppelung zwischen beiden Hirnhälften ist messbar dicker, die Mehrzahl an Nervenverbindungen scheint eine bessere Verbindung herzustellen. Sie ist schon vorgeburtlich ein Fünftel größer als in der männlichen, insbesondere das sprachrelevante Areal des sog. Splenum. Jungen haben eine stärkere Verbindung innerhalb jeder Hälfte (vgl. Clements / Rimrodt / Abel / Blankner / Mostofsky / Pekar / Denckla / Cutting 200; Haut / Barch 200). Somit ist auch die neuronale Vernetzungsdichte bei Mädchen in beiden Hemisphären ähnlich, bei Jungen jedoch aufgrund der in der Regel linkshemisphärischen Sprachverarbeitung und -verwendung sowie der neuroanatomischen Ungleichheit der Brücke asymmetrisch. Genderspezifische Unterschiede in der kognitiven Sprachverarbeitung (Burman / Bitan / Booth 2008) lassen sich durch f MR i-Untersuchungen ebenfalls identifizieren. Fragen nach dem Einfluss sozialer Indikationen und Erfahrungen (Leonard / Towler / Welcome / Halderman / Otto / Eckert / Chiarello 2008; Schmitz 200) sowie nach deren Unabänderlichkeit (Jordan / Wustenberg / Heinze / Peters / Jancke 2002) müssen ausgeklammert bleiben, sie sind schlicht nicht darstellbar. Sie müssen durch empirische Forschungsinstrumente ergänzt werden (s. weiter oben). Geschlechtsunterschiede in Bezug auf höhere kognitive Fertigkeiten in der neuronalen Organisation sind jedoch nicht unveränderlich (Kaiser et al. 2009), sondern dem lebenslangen Einfluss von (Lern-)Erfahrungen ausgesetzt (vgl. auch Draganski / Gaser / Busch / Schuierer / Bogdahn / May 2004; Jäncke / Gaab / Wüstenberg / Scheich / Heinze 2001; Münte / Altenmuller / Jancke 2002). 45 1. Neue Forschungsansätze zu gendersensiblen Fragestellungen Forschungsanlage und -methode Das Teilprojekt, das in diesem Kapitel beschrieben wird, war Teil eines größeren interdisziplinären Forschungsvorhabens (s. weiter oben) mit mehreren Probandengruppen und Erkenntnisinteressenslagen z. B. in Bezug auf Multilingualismus. U. a. wurden die Messungen von Franceschini (2002) nachgestellt, die die neuronalen Verarbeitungsorte und -intensität einer weiteren Sprache bei bilingualen Jugendlichen in den Blick nahm. In dem im Folgenden dargestellten Teilprojekt waren von den 48 Proband / innen 23 männlich und 25 weiblich. Zum Zeitpunkt der ersten Untersuchung befanden sie sich alle in der Altersspanne von 5 bis 9 Jahren. Alle Proband / innen sind Mitglieder von Einwandererfamilien nach Lincoln / Nebraska und dort geboren. Sie alle wuchsen und wachsen durchweg zweisprachig auf, verfügen über eine Muttersprache als Herkunftssprache ( HS ) sowie die englische Sprache als erste Fremdsprache ( FS ) und Umgebungssprache ( US ). Sie befanden sich am Beginn der Alphabetisierung durch angeleiteten Unterricht in der Preschool oder dem Kindergarten (Alter 5 und ) sowie in der Primary School (Alter  bis 9 Jahre). In drei Fällen entwickelten sich Mädchen im Alter von fünf, sechs und neun Jahren trilingual, durch die unterschiedlichen Mutter-/ Vatersprachen bedingt (Deutsch / Spanisch). Das Treatment wurde mit den Lehrkräften der jeweiligen Institutionen auf altersgemäße Angemessenheit abgesprochen und vorgetestet. Insbesondere bei den 4bis -jährige Proband / innen waren solche vorherigen Tests notwendig, um identifizieren zu können, welche frühen Leseleistungen überhaupt möglich waren. Drei Aufgabentypen wurden jeweils entwickelt für die Alterstufen 5 / , 7 / 8 und 9 Jahre. Sie bestanden aus kurzen Leseaufgaben von Buchstabenfolgen, Wörtern und Sätzen in der Herkunftssprache sowie in Englisch (s. folgende Tab. 1). Die zusätzliche Sprache Spanisch der drei trilingualen Proband / innen wurde insbesondere aus Gründen der Wirtschaftlichkeit und einer möglichen Überforderung nicht berücksichtigt. Aufgaben Teilprojekt Lesen Messdauer/ Herkunftssprache ( HS ) und Fremdsprache ( FS ) Min. max. 1. Lautes Lesen von Buchstabenfolgen und Wörtern in HS und FS . 2 2. Lautes Lesen je eines altersgerechten kurzen Textes in HS und FS , syntaktisch und semantisch leicht, zunehmende Komplexität. 3 3. Stilles Lesen eines zweiten kurzen Textes in HS und FS . 3 4. Kurze Befragung zum Verstehen beider Textteile (siehe 2./ 3.) sowie generell zum Ablauf des Tests. 4 Tab. 1: Treatment des Teilprojekts Lesekompetenz Die Variablen des zwölfminütigen Tests wurden dementsprechend in zwei Kategorien zur neurowissenschaftlichen wie auch sprachwissenschaftlichen und -didaktischen Charakterisierung eingeteilt: 46 Kapitel 3 Frühe genderspezifische Entwicklung der Lesekompetenzen mehrsprachiger Kinder ▶ Erkennen neurowissenschaftlicher Unterschiede ▷ Grad der Myelinisierung in den Sprachzentren ▷ Lateralisierung während des Treatments ▶ Erkennen von Unterschieden in der Lesekompetenz ▷ Leseperformanz beim lauten Lesen von zu verbalisierenden Buchstaben- oder Lautfolgen sowie je eines altersgerechten Textes in HS / FS ▷ Leseverstehen beim stillen Lesen (sinnentnehmendes Lesen) eines altersgerechten Textes in HS / FS Zunächst war der Gendervergleich nicht erstrangig intendiert gewesen. Erst bei der Auswertung der Daten ergab sich ein offensichtlicher Unterschied, dem dann in der Analyse und Interpretation der Daten nachgegangen wurde. Die anspruchsvolle Aufgabe für die Proband / innen, im f MR i zu liegen und gleichzeitig zu lesen, wurde durch ein Lese-Spiegel-Gestell technisch gelöst, das das Lesen in der Liegeposition bequem ermöglichte, und an das sie im Vorfeld bei Besichtigung und Probeliegen gemeinsam mit den Eltern gewöhnt worden waren. Die Übertragung des lauten Lesens wurde mit einem nicht magnetischen Mikrophonsystem gewährleistet, das den Testdurchführenden über lärmschützende Kopfhörer das Zuhören trotz der Umgebungsgeräusche erleichterte und auch nicht zu Interferenzen bei der Messung selbst führte. 2. Befunde und Diskussion Wie lassen sich die Befunde allgemein im Hinblick auf den Spracherwerb und speziell auf den Aufbau von Lesekompetenzen mehrsprachiger Kinder deuten? Im Folgenden wird eine Übersicht der Ergebnisse der Auswertung und der Analyse der Daten gegeben. Die Bedeutung der erhobenen Messdaten dokumentierte das beteiligte Team der Radiolog / innen und Neurowissenschaftler / innen. ▶ Vergleich des genderspezifischen Myelinisierungsgrades: ▷ 25 von 25 weiblichen Probandinnen wiesen einen deutlich höheren Myelinisierungsgrad als die jeweils gleichaltrigen Jungen auf. ▷ Altersübergreifend gesehen galt dies für 18 von 25 Mädchen, trotz des teils erheblichen Altersunterschieds. ▶ Vergleich der genderspezifischen Lateralisierung: ▷ Der Grad des Einbezugs beider Hemisphären zur Lösung der Testaufgaben wurde während der Tests sichtbar, war jedoch nur in Einzelfällen bzw. nicht wertig oder signifikant dokumentierbar. Da die ausgewählten Texte nicht bezüglich der weiteren Variablen „metaphorisches Lesen“ ausgelegt waren, kann aufgrund der Daten nur vermutet werden, dass diese Prädisposition eine zwar biologisch genderspezifisch normierte, jedoch höchst individuell ausgeprägte ist (s. Einleitung). Dies gilt mit höchster Annahmewahrscheinlichkeit für beide getesteten Sprachen. 47 3. Sprachendidaktische Konsequenzen Die Grundüberlegung für diese Studie (siehe Abschnitt 1) wird bestätigt: Im Alter von 5 bis 9 Jahren entwickeln sich für das Lesen zuständige Gehirnzellen hormonell genderspezifisch generell im Mittel unterschiedlich, bei den getesteten Mädchen deutlich früher als bei Jungen. Verschiedene Myelinisierungs- und Lateralisierungsgrade sind hierfür ausschlaggebend. Hinzu kommt als neuer Befund, dass dies im Test unabhängig von der verwendeten Sprache der mehrsprachigen Kinder geschieht (s. Tab. 1). ▶ Vergleich der Performanz: ▷ Bezüglich der Leseperformanz beim lauten Lesen (zu vergleichende Parameter etwa Leseflüssigkeit, Stopps, Rücksprünge, Worterkennen, sinnzusammenhängendes Lesen) gab es unterschiedliche Befunde. ▷ Im Altersvergleich der Probandengruppe lag der Performanzfaktor bei 25 von 25 Mädchen sowohl bei HS als auch bei FS generell höher als der der männlichen Probanden. In zwei Ausnahmefällen waren die Leistungen von Jungen nahezu vergleichbar, erreichten die Performanz der Probandinnen jedoch nicht ganz. ▷ Altersübergreifend konnte aufgrund unterschiedlicher Aufgabenstellungen nicht verglichen werden. Die Grundüberlegung auch für diese Studie (siehe Abschnitt 1) wird bestätigt: Der Lesekompetenzvorsprung von Mädchen gegenüber Jungen besteht. Laut Test kann er bis zu drei Jahre betragen. Das bedeutet stark verallgemeinert: Mädchen lesen früher besser, da sie früher über entsprechende biologische Dispositionen verfügen. Wieder lässt sich auch hier konstatieren, dass dies im Test sprachunabhängig geschah. Im Studiendesign war kein Vergleich der mehrsprachigen Proband / innen mit monolingual aufwachsenden Kindern intendiert worden. Dies soll in Folgeuntersuchungen in den Blick genommen werden. Eine solche Fragestellung für einsprachige Kinder war im vorliegenden Studiendesign nicht möglich, die äußerst kostenintensiven radiologischen Untersuchungen sowie die eng getakteten Labor- und Rechnerzeiten ließen Anschlussforschungen außerhalb der Gesamtstudie nicht zu. 3. Sprachendidaktische Konsequenzen Welche sprachendidaktischen Konsequenzen und Handlungsfelder ergeben sich aus den Befunden? Welche Rolle spielen dabei differenzierende Maßnahmen? Die folgenden Überlegungen sind geeignet, im Sinne eines professionellen Diversity Management gezielte Fördermaßnahmen zu identifizieren und weiter zu spezifizieren. Dabei ist jedoch zunächst zu beachten, dass ein quasi „direkter“ Transfer von Befund zu sprachendidaktischer Auswirkung wissenschaftlich nicht seriös sein kann. Nur im Zusammenspiel von insbesondere neurobiologischen und -didaktischen sowie psychologischen Erkenntnissen können jedoch zunächst hypothetische, sprachendidaktische Schlüsse gezogen werden, die sich dann durch unterrichtliche und lernpsychologische Wirksamkeitsstudien verifizieren oder auch falsifizieren lassen. 48 Kapitel 3 Frühe genderspezifische Entwicklung der Lesekompetenzen mehrsprachiger Kinder Ein erster, unverzichtbarer Schritt ist es, als Lehrkräfte und Eltern die biologischen Unterschiede zu kennen, um die Lernbedürfnisse der Mädchen und Jungen insbesondere in Bezug auf das Sprachenlernen beurteilen zu können. Erst dann kann erkannt werden, dass die unterschiedlichen Entwicklungsstände ein- und mehrsprachiger Schüler / innen beispielsweise einen frühen Aufbau auf Lesekompetenzen bezogener lernstrategischer Kompetenzen notwendig machen. Dazu gehört beispielsweise, über verschiedene Gedächtnisstrategien zu verfügen. Das ist deshalb bereits allgemein sehr früh möglich, da die kognitive Entwicklung durch die zügige, wenn auch unterschiedliche Entwicklung der Myelinisierung und Lateralisierung rasch voranschreitet. Jungen beispielsweise memorieren den Inhalt eines Textes besser, wenn sie ihn mit strukturellen Hilfen wie Schlüsselwörtern oder Bildern nochmals bewusst rekapitulieren. Mädchen haben über den Einbezug beider Hemisphären eher die Fähigkeit, z. B. intuitiv für sie individuelle emotionale Aspekte einer Geschichte als Strukturhilfen zu verwenden. Ein zweiter Schritt geht in die Richtung eines ausgewogenen, individuell geplanten Förderprogramms für mehrsprachige Kinder. Viele schulische Misserfolge lassen sich generell, aber auch bei mehrsprachigen Kindern, von Schulbeginn an aus Schwierigkeiten beim Lesen ableiten, insbesondere dann, wenn Lernaufgaben und Lernmaterialien früh den Wechsel von learning to read (vgl. Shaywitz / Shaywitz 2008: 1330) hin zu reading to learn einleiten; dies gilt nicht nur für die Mutter- oder Herkunftssprache / n, sondern ebenfalls für jede Fremdsprache. Da der neurobiologische Unterschied der frühen, unterschiedlichen Myelinisierung bei Mädchen und Jungen für alle Sprachen gilt, ist eine gezielte Differenzierung im Aufbau der Alphabetisierung auch in allen Sprachen notwendig. Besondere Berücksichtigung müssen bei solchen Maßnahmen die differenzierend zu betrachtenden und bewertenden Besonderheiten und Schwierigkeiten der einzelnen Sprachen sowie die Zugangsmöglichkeiten der mehrsprachigen Kinder zu ihnen finden, da nicht automatisch von einem parallelen, gleichwertigen Kompetenzaufbau bei den mehrsprachig aufwachsenden Kindern zur Verfügung stehenden Sprachen ausgegangen werden kann. Die Rolle der Leseförderung ist hier bedeutend: Messbare Vorteile bei Lesekompetenzen führen schneller zum Aufbau eines umfassenden rezeptiven Wortschatzes. Rezeptives Verfügen über Wortschatz wiederum führt in jeder Sprache über Übung und Verbalisierung zur produktiven Verfügbarkeit. Somit vergrößert sich beispielsweise über den scheinbaren Umweg des Lesens die Lücke zwischen sich schnell entwickelnder verbaler Kommunikationskompetenz bei Mädchen im Grundschulalter und dem langsameren Erwerbsprozess bei Jungen. Reading to learn ist von einem solchen Wortschatz abhängig, somit ist sein umfänglicher, systematischer Aufbau in allen individuell verwendeten Sprachen notwendig. Im dritten Schritt kann sich ein individuelles, nicht generalisierbares Differenzierungsprogramm beispielsweise so konkretisieren (vgl. Böttger 201: 99 f.): Unterschiedliche mehrsprachige, auf Leseinteressen von Jungen und Mädchen bezogene Textangebote, z. B. omnipräsent in den Leseecken und bei den Freiarbeitsmaterialien platziert, enthalten für sie zugängliche Themen. Ein solches und weitere Differenzierungsfelder richten sich zwar zunächst im Schwerpunkt und vordergründig auf die ganz allgemeine Förderung von entwicklungsspezifischen, wenn- 49 3. Sprachendidaktische Konsequenzen gleich kurzfristigen, Nachteilen von Jungen im Aufbau ihrer Lesekompetenz, hier speziell beim learning to read. Es scheint dabei keine Rolle zu spielen, ob ein monolingualer oder mehrsprachiger Erwerbskontext vorliegt. Solche Maßnahmen sind jedoch notwendig, um nicht schon früh Jungen, ob mehrsprachig oder nicht, durch mangelnde Förderung zurückzulassen. Gleichzeitig darf die Sprachentwicklung von Mädchen in keiner der verwendeten Sprachen durch reduzierte Anforderungen, Aufgabenformate, Sprachumfänge oder fehlende individuelle sprachliche Begabtenförderung gebremst werden. Dies würde eine unnötige Verzögerung und Verschleppung der hohen Sprachpotenziale von Mädchen bedeuten, somit in beiden genderspezifischen Spracherwerbskontexten zu Diskriminierungen führen, anstatt zu einer reichen und bereichernden Entwicklung in mehreren Sprachen. Zusammenfassung Junge Sprachenlerner / innen unterscheiden sich eindeutig genderspezifisch. Dabei scheint die Anzahl der von ihnen gesprochenen Sprachen keine Rolle zu spielen. Während der frühen Alphabetisierung und beim Aufbau der frühen Lesekompetenz entsteht ein sensibler neurobiologischer Unterschied zwischen Mädchen und Jungen im Bereich der Verbindungen von Gehirnzellen in sprachrelevanten Gehirnarealen sowie bei der Verwendung beider Gehirnhemisphären. Dieser zeigt sich sowohl bei monolingual als auch bei mehrsprachig aufwachsenden Kindern. Er weist darauf hin, dass entsprechend ausgelegte diagnostische Lernstandsfeststellungen in diesem Bereich zu weitreichenden Individualisierungs- und Differenzierungsmaßnahmen führen müssen. Studienfragen 1. Welchen allgemein- oder auch sprachendidaktischen Sinn ergeben genderspezifische Kompetenzen bei Lehrkräften auf allen Schul- und Klassenstufen? 2. Welche Maßnahmen können empfohlen werden, um a) diese Kompetenzen zu erwerben, und b) sie in sprachunterrichtliche Handlungen zu überführen? 3. Wie können die Lesekompetenzen mehrsprachiger Kinder gendergerecht aufgebaut werden? Lektüreempfehlungen Böttger, Heiner (201): Neurodidaktik des frühen Sprachenlernens. Wo die Sprache zuhause ist. Bad Heilbrunn: Verlag Julius Klinkhardt / UTB . Franceschini, Rita (2002): Das Gehirn als Kulturinskription. In: Müller-Lancé, Johannes / Riehl, Claudia M. (Hrsg.): Ein Kopf-- viele Sprachen. Koexistenz, Interaktion und Vermittlung-= Une tête-- plusieurs langues: coexistence, interaction et enseignement. Aachen: Shaker. 50 Kapitel 3 Frühe genderspezifische Entwicklung der Lesekompetenzen mehrsprachiger Kinder Kaiser, Anelis / Haller, Sven / Schmitz, Sigrid / Nitsch, Cordula (2009): On sex / gender related similarities and differences in f MRI language research. In: Brain research reviews 1, 2, p. 49-59. 51 3. Sprachendidaktische Konsequenzen Kapitel 4 Die Entwicklung des englischen und deutschen Lesens bei ein- und mehrsprachigen Kindern in Grundschulen mit bilingualen Angeboten Anja Steinlen, Thorsten Piske Fragen 1. Welche Argumente sprechen für, welche gegen die sofortige Einführung fremdsprachlicher Leseaktivitäten im frühen Fremdsprachenunterricht? 2. Was wissen Sie über die verschiedenen Umsetzungsformen bilingualer Angebote an Schulen? 3. Was ist Ihnen über die Leseleistungen mehrsprachiger Schüler / innen im Deutschen bekannt? 4. Wie, glauben Sie, entwickeln sich die Leseleistungen mehrsprachiger Schüler / innen im Englischen? Abstract Dieses Kapitel führt Sie in die Funktionsweise bilingualer Grundschulen ein und bietet Ihnen darüber hinaus einen Überblick über Forschungsergebnisse, die an Schulen mit bilingualen Angeboten zum Lesen im Deutschen und Englischen erzielt wurden. Im Vordergrund stehen dabei neben Grundschulkindern, die zuhause einsprachig Deutsch aufwachsen und für die Englisch die zweite Sprache (L 2 ) ist, auch Kinder, die mit mehreren Familiensprachen aufwachsen und für die Englisch größtenteils bereits die dritte Sprache (L 3 ) darstellt (siehe Hahn / Angelovska 2017). Die mehrsprachig aufwachsenden Kinder werden im Folgenden der Einfachheit halber als Kinder mit Migrationshintergrund bezeichnet. Einleitung In Deutschland stehen in vielen Diskussionen die im Vergleich zu einsprachig Deutsch aufwachsenden Kindern vermeintlich schwächeren schulischen und vor allem auch schwächeren sprachlichen Leistungen mehrsprachig aufwachsender Kinder mit einem so genannten „Migrationshintergrund“ im Fokus. Dieses Kapitel widmet sich der Frage, welche Leseleistungen mehrsprachig aufwachsende Grundschulkinder mit einem Migrationshintergrund im Vergleich zu einsprachig aufwachsenden Kindern in Schulen mit bilingualen Angeboten erzielen können. Dabei wird nicht nur auf Leseleistungen im Deutschen, sondern auch auf Leseleistungen in der an Schulen häufig als erste Fremdsprache gelernten Sprache Englisch 52 Kapitel 4 Die Entwicklung des englischen und deutschen Lesens bei ein- und mehrsprachigen Kindern eingegangen. Nach einigen einführenden Bemerkungen zu Merkmalen des Leseerwerbs in der Erstbzw. Muttersprache (L1) und der Zweitbzw. Fremdsprache (L2 bzw. L3) wird zunächst erläutert, durch welche Besonderheiten sich bilinguale Unterrichtsangebote auszeichnen. Danach werden zuerst Forschungsergebnisse zu den Lesefähigkeiten zusammengefasst, die bei Grundschulkindern mit und ohne Migrationshintergrund im Englischen an Schulen mit bilingualen Angeboten festgestellt worden sind. Im Folgenden werden dann Befunde diskutiert, die zu den Lesefähigkeiten von Kindern mit Migrationshintergrund im Deutschen vorliegen. Dabei zeigt sich, dass im Gegensatz zu den Ergebnissen von Studien, die an Schulen ohne bilinguale Angebote (hier als Regelschulen bezeichnet) erzielt worden sind, in Untersuchungen zu den Lesefähigkeiten von Schüler / innen in bilingualen Programmen bisher keine signifikanten Unterschiede zwischen den Leistungen von Kindern mit und ohne Migrationshintergrund festgestellt wurden. Mögliche Gründe, die die ermutigenden Ergebnisse erklären könnten, die Grundschulkinder mit einem Migrationshintergrund in Studien an Schulen mit bilingualen Angeboten erzielt haben, werden erörtert und schließlich einige Empfehlungen dazu zusammengefasst, wie es Schüler / innen mit und ohne Migrationshintergrund erleichtert werden kann, schon in der Grundschule von Anfang an in mehr als einer Sprache lesen (und schreiben) zu lernen. 1. Merkmale des Leseerwerbs in der L 1 und in der L 2 Das Lesen wird heute als ein Verständnisprozess verstanden, der auftritt, wenn ein / e Leser / in Informationen aus einem Text extrahiert, sie integriert und mit bereits Bekanntem kombiniert (z. B. Koda 2005). Lesen wird deshalb in der Regel auch als die Fähigkeit definiert, geschriebene Texte zu verstehen und sie zu reflektieren. Dies hat oftmals zum Ziel, das Wissen zu erweitern und am gesellschaftlichen Leben teilhaben zu können ( OECD 2009). Das Leseverstehen hängt dabei u. a. von der Lesegeschwindigkeit, dem Arbeitsgedächtnis, dem Weltwissen, dem schnellen Zugriff auf lexikalische Elemente, Wortschatzkenntnissen, Lesemotivation und Kenntnissen zum Textaufbau sowie Lesestrategien ab ( BMBF 2007). Als Einflussfaktoren für die Entwicklung der Lesekompetenz wurden wiederholt die Faktoren Geschlecht und sozioökonomischer Status identifiziert, d. h., Mädchen schneiden in Lesetests generell besser ab als Jungen, gleiches gilt für Kinder aus höheren sozialen Gruppen im Vergleich zu Altersgenossen aus niedrigen sozialen Gruppen (z. B. Frisch 2013). Heutzutage geht man davon aus, dass der Leseprozess einer stetigen Interaktion aus textgeleiteten (bottom up) Prozessen (welche z. B. phonologische, orthographische, morphologische und semantische Informationen beinhalten) und konzeptbzw. erwartungs- und wissensgeleiteten (top down) Prozessen unterliegt (Grabe 2009). Insgesamt handelt es sich beim Lesenlernen um einen langen Lernprozess. Selbstverständlich gibt es Unterschiede zwischen dem Erwerb der Lesefähigkeiten in der Erstsprache und dem Erwerb der Lesefähigkeiten in einer weiteren Sprache, weil letzterer im Gegensatz zum L1-Leseerwerb mehrere Sprachen beinhaltet und damit kontinuierliche Wechselwirkungen zwischen diesen Sprachen stattfinden. Somit ist das Lesen in einer L2 inhärent komplexer als das Lesen in der L1 (z. B. Koda 2007). Wie Frisch (2013) ausführt, 53 2. Überblick über bilinguale Programme in Deutschland sind fremdsprachliche Leseanfänger in der Regel schon alphabetisiert, besitzen aber begrenzte fremdsprachliche Kompetenzen, weshalb sie immer wieder auf ihre Muttersprache zurückgreifen und sprachliche Strukturen der L1 auf die Fremdsprache übertragen (negative Interferenz). Als Voraussetzungen für erfolgreiches L2-Lesen werden oftmals Lesefähigkeiten in der L1, Sprachkenntnisse in der L2 (z. B. zu Grammatik und Vokabular) und der Grad der Automatisierung in Bezug auf die L2-Worterkennung genannt. Auch für den fremdsprachlichen Leseerwerb scheinen Geschlecht und sozio-ökonomischer Status eine Rolle zu spielen, häufig wird in diesem Zusammenhang auch die Lesemotivation als einer der zentralen Einflussfaktoren genannt (siehe z. B. Frisch 2013 für einen Überblick). 2. Überblick über bilinguale Programme in Deutschland Wie in vielen anderen Ländern steigt auch in Deutschland die Zahl der Schulen, die zweisprachige Programme anbieten, stetig an. Derzeit gibt es über 300 Grundschulen mit bilingualen Angeboten; dies entspricht ca. 2 % aller (privaten und öffentlichen) Grundschulen (Verein für frühe Mehrsprachigkeit an Kindertageseinrichtungen und Schulen, FMKS 2014). In vielen Studien wurde bereits gezeigt, dass bilinguale Programme besonders dann wirksam sind, wenn sie nach Immersionsprinzipien arbeiten, d. h. wenn möglichst viele Fächer (z. B. Sachkunde, Musik, Sport, Kunst, Mathematik) in einer L2 unterrichtet werden und wenn dies in mindestens 50 % der Unterrichtszeit geschieht (z. B. Genesee 1987; Burmeister 2013). In einem solchen Kontext werden einige Fächer also in einer Majoritätensprache unterrichtet, d. h. in der Sprache, die von der Mehrheit der Bevölkerung eines Landes gesprochen wird und bei der es sich in den in diesem Kapitel behandelten Kontexten gewöhnlich um Deutsch handelt; in anderen Fächern wird dagegen eine L2 bzw. für viele mehrsprachig aufwachsende Kinder mit Migrationshintergrund eine L3 als Unterrichtssprache verwendet. In diesem Kapitel handelt es sich hierbei zumeist um Englisch. Der Oberbegriff, der sich in Europa weitgehend für bilinguale Unterrichtsansätze etabliert hat, ist CLIL (Content and Language Integrated Learning). CLIL bezieht sich, laut dem Informationsnetz zum Bildungswesen in Europa (Eurydice 200), auf alle Arten von Unterricht, in denen eine L2 (z. B. eine Fremd-, Regional- oder Minderheitensprache und / oder eine andere offizielle Staatssprache) verwendet wird, um lehrplanrelevante Themen in einer anderen Sprache als der / den Majoritätensprache / n eines Landes zu unterrichten. Dabei werden verschiedene Unterrichtskonzepte unterschieden: Die intensivste und zeitaufwendigste Form von CLIL sind völlige Immersionsprogramme (total immersion), in denen alle Sachfächer für mehrere Jahre in der neuen Sprache unterrichtet werden (z. B. Genesee 1987; Wode 2009); dies entspricht 100 % der Unterrichtszeit. In Deutschland sind jedoch nur partielle Imersionsprogramme (partial immersion) möglich, da das Fach Deutsch immer auf Deutsch unterrichtet werden muss (KMK 2013). Dies bedeutet, dass eine Fremdsprache in Deutschland in maximal 70-80 % der Unterrichtszeit als Unterrichtssprache genutzt werden kann. Dabei werden bilinguale Angebote gewöhnlich nur dann als Immersionsprogramme betrachtet, wenn mindestens 50 % des Unterrichts in einer L2 erteilt werden (siehe z. B. Burmeister 2013). Aus einem Vergleich der Ergebnisse von vor allem in Nordamerika durchgeführten Studien 54 Kapitel 4 Die Entwicklung des englischen und deutschen Lesens bei ein- und mehrsprachigen Kindern zu frühen, also bereits im Kindergarten oder der Grundschule einsetzenden Immersionsprogrammen, schloss Wesche (2002), dass Immersionprogramme-- unabhängig davon, ob es sich um partielle oder völlige Immersion ( IM ) handelt-- der wirksamste Ansatz zu sein scheinen, um es Schüler / innen zu ermöglichen, während ihrer Schulzeit in mehreren Sprachen ein sehr hohes Niveau zu erreichen (einen Überblick über in Deutschland durchgeführte Studien zum Erwerb des Englischen als L2 in Grundschulen und weiterführenden Schulen mit CLIL -Angeboten bietet Piske 2015). Orientieren sich Schulen in Deutschland an IM -Prinzipien, spricht die Lehrkraft gewöhnlich nur die L2; jedoch dürfen die Grundschüler / innen in den immersiv unterrichteten Fächern auch Deutsch sprechen, werden dabei aber stets zum Gebrauch der L2 ermutigt. Darüber hinaus werden Fachbegriffe in allen immersiv unterrichteten Fächern in der Regel immer in der L2 und auf Deutsch erarbeitet. Die meisten der in diesem Kapitel vorgestellten Ergebnisse (siehe z. B. Steinlen 201 und Steinlen / Piske 201a für eine detaillierte Darstellung) stammen von Schüler / innen derselben bilingualen Grundschule in Tübingen, da das Thema der Lesefähigkeiten von Kindern mit Migrationshintergrund an anderen Grundschulen mit bilingualen Angeboten bisher kaum untersucht worden ist. Bei der Tübinger Grundschule handelt es sich um eine zweizügige Stadtteilschule, die sowohl einen Musikzweig als auch einen bilingualen Zug unterhält. Der teilimmersiv arbeitende bilinguale Zweig wurde im Schuljahr 2008 / 09 mit einem Zug pro Jahrgang eingerichtet; in diesem Zweig werden alle Fächer außer Deutsch, Religion und Mathematik auf Englisch unterrichtet. Dies entspricht einem fremdsprachlichen Anteil von ca. 50 %. Dabei werden die Kinder zwar zuerst auf Deutsch alphabetisiert; allerdings ist die englische Schrift von Anfang an präsent, so z. B. auf Arbeitsblättern, Wandbildern usw. Ab Mitte der 1. Klasse werden verschiedene Leseaktivitäten auf Englisch durchgeführt, und die Kinder beginnen auch damit, einzelne englische Wörter zu schreiben. Längere Texte produzieren sie ab der 3. Klasse, wobei in diesen Texten der Inhalt und nicht die Rechtschreibung im Fokus steht. Obwohl also schon früh viele Lese- und Schreibaktivitäten in der englischen Sprache durchgeführt werden, wird in dem partiellen IM -Programm der Tübinger Grundschule nicht systematisch in das Lesen und Schreiben im Englischen eingeführt, da ein solches Konzept in Deutschland bisher fehlt (vgl. Tamm 2010). Wie von Steinlen (201) und Steinlen / Piske (201a) ausgeführt wird, unterscheiden sich die in diesem Kapitel vorgestellten Kinder mit und ohne Migrationshintergrund hinsichtlich ihrer kognitiven Grundfähigkeiten sowie in Bezug auf ihren sozio-ökonomoischen Hintergrund nicht signifikant voneinander. Für die meisten Schuljahre wird in der Grundschule in Tübingen eine ähnlich große Zahl an Kindern für den Musikzweig bzw. für den bilingualen Zweig angemeldet. Übersteigt jedoch die Zahl der Kinder die Zahl der Plätze, entscheidet ein Losverfahren. 3. Zur Entwicklung des Lesens im Englischen bei Schüler / innen in bilingualen Programmen Studien aus Kanada haben wiederholt gezeigt, dass englischsprachig aufwachsende IM - Schüler / innen erheblich besser in Lesetests zur L2 Französisch abschneiden als ihre Altersgenossen mit Regelunterricht Französisch, in dem Französisch nur als Fach erteilt wird (z. B. 55 3. Zur Entwicklung des Lesens im Englischen bei Schüler / innen in bilingualen Programmen Genesee 1987). In verschiedenen Studien aus Deutschland, die an IM -Grundschulen mit 70 % Fachunterricht in der Fremdsprache Englisch durchgeführt worden sind, wurde festgestellt, dass die Schüler / innen dieser Schulen bessere Englischleistungen in Bezug auf das Lesen und den rezeptiven Wortschatz erzielt haben als Schüler / innen mit Regelunterricht Englisch (Gebauer / Zaunbauer / Möller 2013; Zaunbauer / Gebauer / Möller 2012). Steinlen / Piske (201a) bestätigten diese Ergebnisse in einer Studie, die an der oben erwähnten Tübinger Grundschule mit einem 50 %- IM -Programm durchgeführt wurde und stellten dabei auch erheblich bessere englische Schreibleistungen der IM -Schüler / innen im Vergleich zu Altersgenossen mit Regelunterricht Englisch fest. Schreibleistungen in der L2 waren bis dato in Deutschland in Immersionskontexten nicht untersucht worden. Weitere wichtige Ergebnisse, die an der Tübinger Grundschule mit einem partiellen IM - Angebot erzielt worden sind, beziehen sich auf die Frage, welche Leistungen Kinder mit Migrationshintergrund bezüglich ihrer Lesefähigkeiten in einer in der Schule neu gelernten Sprache erzielen können. Angelehnt an große Vergleichstudien wie IGLU und PISA wurden Kinder dann als Kinder mit Migrationshintergrund betrachtet, wenn laut Elternfragebogen ein oder beide Elternteile im Ausland geboren worden waren und wenn in der Familie (zusätzlich zu Deutsch) eine andere Sprache gesprochen wurde. Was das Lesen in der Fremdsprache Englisch betrifft, gibt es in Deutschland bisher nur wenige Studien zum Regelunterricht, und die wenigen Studien, die an Regelschulen durchgeführt worden sind, haben für den Grundschulkontext eher uneinheitliche Ergebnisse erbracht: So erzielten Grundschulkinder mit Migrationshintergrund in einigen Studien dieselben Leistungen wie Kinder ohne Migrationshintergrund (Keßler / Paulick 2010; Rymarczyk 2010), was allerdings nicht mit Hilfe statistischer Analysen überprüft wurde. In einer anderen Studie schnitten Grundschulkinder mit Migrationshintergrund, die den Musikzweig der Tübinger Grundschule besuchten, schlechter ab als Kinder ohne Migrationshintergrund, wobei beide Gruppen dennoch am Ende der Klasse 4 das Niveau A1.3 nach dem Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen (Europarat 2001) erreichten und damit über dem Niveau A1 lagen, wie es die baden-württembergischen Bildungsstandards (Ministerium für Kultus, Jugend und Sport Baden-Württemberg 201) nach vier Jahren Englisch Regelunterricht vorsehen (Steinlen / Piske i. Dr.). Einheitlicher sind die Ergebnisse, die an weiterführenden Schulen mit Englisch Regelunterricht (z. B. Hesse / Göbel / Hartig 2008; Köller / Knigge / Tesch 2010) erzielt worden sind, denn hier wurden keine signifikanten Unterschiede zwischen den fremdsprachlichen Leseleistungen von Schüler / innen mit und ohne Migrationshintergrund festgestellt. Ein ähnlicher Befund zeigt sich für die IM -Klassen der Tübinger Grundschule, denn auch hier finden sich-- unabhängig davon, ob das Leseverstehen oder die Leseflüssigkeit im Englischen untersucht wurden-- keine signifikanten Unterschiede zwischen Viertklässler / innen mit und ohne Migrationshintergrund. Beide Gruppen erwarben eine englische Lesekompetenz, die im Niveau A2 / B1 anzusiedeln ist (Steinlen / Piske 201a, i. Dr.). Dieses Niveau ist vergleichbar mit dem Niveau, das laut Kultusministerkonferenz ( KMK 2004) am Ende der Jahrgangsstufe 9 von Schüler / innen mit Hauptschulabschluss erreicht werden soll. Im Vergleich zu eingsprachig Englisch aufwachsenden Kindern lagen die deutschen IM -Schüler / innen mit und ohne Migrationshintergrund im Durchschnitt ein Jahr in Bezug auf das englische Leseverstehen bzw. 56 Kapitel 4 Die Entwicklung des englischen und deutschen Lesens bei ein- und mehrsprachigen Kindern 1,5 Jahre in Bezug auf die englische Leseflüssigkeit zurück (Steinlen 201). Ähnliche Ergebnisse wie zur Bedeutung des Vorliegens bzw. Nicht-Vorliegens eines Migrationshintergrunds, die die immersiv unterrichteten Kinder der Tübinger Grundschule im Hinblick auf das Lesen im Englischen erzielt haben, erzielten sie auch in Bezug auf andere fremdsprachliche Bereiche, etwa bezüglich ihres rezeptiven Vokabulars, ihrer rezeptiven Grammatik und in Bezug auf das Schreiben (vgl. Steinlen / Piske 2013, 201a, i. Dr.). Außerdem zeigten sich Ergebnisse wie die der immersiv unterrichteten Tübinger Kinder auch an einer anderen Grundschule mit einem weniger intensiven bilingualen Programm. Hier wurden ebenfalls keine signifikanten Unterschiede zwischen Schüler / innen mit und ohne Migrationshintergrund hinsichtich verschiedener fremdsprachlicher Leistungen festgestellt (vgl. Steinlen / Gerdes 2015). Wie können diese ermutigenden Forschungsergebnisse in Bezug auf das Lesen in einer Fremdsprache gerade für Kinder mit Migrationshintergrund in einem IM -Kontext erklärt werden? Geht man dieser Frage nach, muss zunächst bedacht werden, dass in Deutschland die Verwendung des Englischen als Unterrichtssprache in verschiedenen Fächern gewöhnlich entweder für alle oder wenigstens für die meisten Kinder einer IM -Klasse eine neue Erfahrung darstellt- - unabhängig davon, ob sie einsprachig Deutsch oder mehrsprachig mit anderen Familiensprachen bzw. Deutsch und weiteren Familiensprachen aufwachsen. Schüler / innen in IM -Klassen sitzen daher sozusagen eher „in einem Boot“ als Schüler / innen, die ihren Unterricht in allen Fächern außer den Sprachfächern auf Deutsch erhalten, also in der Sprache, die zu Beginn der Schulzeit von vielen Kindern deutscher Herkunft wahrscheinlich schon besser beherrscht wird als von Kindern nicht deutscher Herkunft. Mit anderen Worten, die geringeren Deutschkenntnisse, die viele Schüler / innen mit Migrationshintergrund zu Beginn der Schulzeit wahrscheinlich mitbringen und die zu Benachteiligungen im normalen (deutschsprachigen) Fachunterricht führen können, spielen im IM -Kontext vermutlich eine geringere Rolle (z. B. Piske 2017). Ein weiterer Grund, warum Schüler / innen mit Migrationshintergrund aus IM -Klassen in Tests zum Englischen genauso erfolgreich abschneiden wie Kinder ohne Migrationshintergrund, könnte darin bestehen, dass gerade Schüler / innen mit Migrationshintergrund sehr oft mit mehr als einer Sprache aufwachsen und durch die Erfahrung der Mehrsprachigkeit schon früh ein hohes Maß an Sprachbewusstheit entwickeln, das es ihnen erleichtern könnte, sich auch im schulischen Kontext weitere Sprachen zu erschließen (Steinlen / Piske 201a). Ein dritter Grund für die ermutigenden Ergebnisse, die von Schüler / innen mit Migrationshintergrund in Schulen mit IM -Angeboten erzielt werden, könnte sein, dass die phonologische und orthographische Ähnlichkeit zwischen vielen deutschen und englischen Wörtern die Lesefähigkeiten dieser Kinder positiv beeinflusst. So wies z. B. Ringbom (2001) darauf hin, dass in Bezug auf den Wortschatzerwerb L3-Lernende in einem frühen Stadium häufiger L2-Wörter in ihrer L3-Produktion verwenden, und zwar vor allem dann, wenn sich die L2 und L3 ähnlich sind. Es wäre also möglich, dass die Kinder mit Migrationshintergrund in den hier zusammengefassten Studien eher auf ihre L2 Deutsch als auf ihre L1 zurückgegriffen haben, weil diese der englischen Sprache näher ist als die Familiensprachen (z. B. Arabisch, Persisch, Türkisch, vgl. Steinlen 201). 57 4. Zur Entwicklung des Lesens im Deutschen bei Schüler / innen in bilingualen Programmen Schließlich werden es aber vor allem die im IM -Ansatz verfolgten Unterrichtsprinzipien selbst sein, die dazu führen, dass sich die englischen Lesefähigkeiten gerade von Kindern mit Migrationshintergrund innerhalb der Grundschulzeit so positiv entwickeln. In frühen IM -Programmen tauchen die Kinder schon sehr früh (ab der 1. Klasse) in die neue Sprache ein, und der Kontakt ist nicht nur früh, sondern auch kontinuierlich und intensiv (vgl. Wode 2009). Des Weiteren besitzt die Lehrkraft eine hohe Kompetenz in der Zielsprache und wendet eine Methodik an, die sich durch stetige Kontextualisierung (also sprachbegleitende Handlungen und handlungsbegleitende Sprache) auszeichnet. Dabei muss die Lehrkraft in den auf Englisch unterrichteten Fächern natürlich auch Unterrichtsmaterialien einsetzen, über die sich die Schüler / innen aufgrund eines hohen Maßes an Anschaulichkeit ohne größere Schwierigkeiten relevante Fachinhalte erschließen können (z. B. Burmeister 2013). Es ist also wahrscheinlich besonders die für IM -Unterricht typische Anschaulichlichkeit, die es Schüler / innen unabhängig von ihrem sprachlichen Hintergrund erleichtern dürfte, sich eine neue Spache und auch Fachinhalte relativ schnell zu erschließen (vgl. Piske 2015, 2017; Steinlen 201; Steinlen / Gerdes 2015; Steinlen / Piske 2013, 201a, i. Dr.). 4. Zur Entwicklung des Lesens im Deutschen bei Schüler / innen in bilingualen Programmen Im Zusammenhang mit bilingualen Programmen wird immer wieder die Befürchtung geäußert, dass sich die Deutschkenntnisse von Grundschulkindern, die bilingual unterrichtet werden, durch den frühen intensiven Kontakt zu einer Fremdsprache und mangelnde Zeit zur Unterstützung des Deutschen nicht altersgerecht entwickeln könnten. Dass diese Sorge unbegründet ist, haben z. B. Studien aus Kanada zur Entwicklung der Majoritätssprache(n) gezeigt. So erzielten einsprachig Englisch aufwachsende Kinder in englisch-französischen IM -Programmen in englischen Lesetests in der Regel die gleichen Ergebnisse wie Kinder, die eine Regelschule besuchen, in denen der Unterricht ausschließlich auf Englisch erteilt wurde (z. B. Genesee 1987). Auch im deutschen Kontext konnte wiederholt gezeigt werden, dass sich die deutschen Lesefähigkeiten von Schüler / innen in IM -Programmen altersgemäß entwickeln, und zwar nicht nur in Bezug auf das Leseverstehen, sondern auch in Bezug auf die Leseflüssigkeit im Deutschen (Gebauer / Zaunbauer / Möller 2012; Steinlen 201; Steinlen / Piske 2013; Zaunbauer / Gebauer / Möller 2013). Die Ergebnisse dieser Studien legen die Schlussfolgerung nahe, dass der Besuch einer IM -Schule die Entwicklung der L1-Lesefähigkeiten nicht negativ zu beeinflussen scheint. Betrachtet man die Leistungen, die Schüler / innen mit Migrationshintergrund im Deutschen erzielen, so wird aus Studien zu Klassen mit Regelunterricht Deutsch gewöhnlich berichtet, dass sie in Deutschtests schlechter abschneiden als ihre Altersgenossen ohne Migrationshintergrund, und zwar unabhängig davon, ob sie eine Grundschule oder eine weiterführende Schule besuchen (z. B. Schwippert / Wendt / Tarelli 2012 für IGLU und Stanat / Rauch / Segeritz 2010 für PISA in Deutschland). Ähnliche Ergebnisse sind auch aus dem internationalen Kontext bekannt (vgl. z. B. Mullis / Martin / Foy / Drucker 2012 für PISA International). Überraschenderweise findet sich ein solches Ergebnis aber nicht in IM -Programmen, wie z. B. in dem, das an der von uns wissenschaftlich begleiteten Tübinger Grund- 58 Kapitel 4 Die Entwicklung des englischen und deutschen Lesens bei ein- und mehrsprachigen Kindern schule angeboten wird. Hier schnitten Viertklässler mit und ohne Migrationshintergrund in standardiserten Deutschtests zum Lesen ebenso gut ab wie Gleichaltrige ohne Migrationshintergrund. Beide Gruppen erzielten dabei sowohl in Tests zum Leseverstehen als auch zur Leseflüssigkeit altersgerechte Werte im Deutschen (siehe Steinlen 201; Steinlen / Piske 201a). Was könnten die Gründe dafür sein, dass teilimmersiv unterrichtete Schüler / innen mit Migrationshintergrund wie die der Tübinger Grundschule auch in der Majoritätensprache Deutsch im Vergleich zu einsprachig Deutsch aufwachsenden Kindern keine Defizite zeigen (vgl. Steinlen 201; Steinlen / Piske 201a)? Zunächst einmal ist es wahrscheinlich, dass der Deutschunterricht von so hoher Qualität ist, dass gerade Kinder mit Migrationshintergrund und gegebenenfalls geringeren Deutschkenntnissen in Bezug auf ihre deutschen Lesefähigkeiten rasche Fortschritte machen. Der Deutschunterricht wird an der Tübinger Grundschule nämlich von denselben Lehrkräften durchgeführt, die in anderen Fächern Englisch als Unterrichtssprache verwenden. Es ist also anzunehmen, dass diese Lehrkräfte die methodischdidaktischen Prinzipien des IM -Unterrichts auf den Deutschunterricht übertragen und damit vor allem Kindern mit Migrationshintergrund viele Gelegenheiten bieten, ihre Fähigkeiten im Deutschen zu verbessern (Burmeister / Pasternak 2004). Zu diesen Strategien zählen bspw. ein hohes Maß an sprachlichem scaffolding (d. h. Gerüste, die der Strukturierung des Schultages bzw. des Fachunterrichts dienen und den Kindern dadurch organisatorische und sprachliche Sicherheit geben) sowie negotiation of meaning (also die Aushandlung von Bedeutung, die unter anderem Paraphrasierungen, clarification requests oder confirmation checks beinhalten, um das Verständnis vom fremdsprachlichen Input zu erleichtern), Kontextualisierung und multisensorisches Lernen (vgl. Burmeister 200). Außerdem muss erwähnt werden, dass sowohl die Kinder mit als auch die Kinder ohne Migrationshintergrund der Tübinger Grundschule altersgerechte Werte in Tests zu kognitiven Grundfähigkeiten wie Konzentration und schlussfolgerndem Denken erzielt haben, womit mögliche Nachteile der Kinder mit Migrationshintergrund im deutschen und englischen Lesen aufgrund geringerer kognitiver Leistungen (siehe z. B. Gamsjäger / Sauer 199) ausgeschlossen werden können. Und schließlich sollte im Zusammenhang mit den von Kindern mit Migrationsghintergrund im Regelunterricht und an Schulen mit IM -Angeboten erzielten Leistungen bedacht werden, dass Kinder mit Migrationshintergrund in Deutschland häufig als Risikogruppe beschrieben werden, da ihre Familiensprache oftmals nicht der an Regelschulen verwendeten Unterrichtssprache Deutsch entspricht und Familien mit Migrationshintergrund darüber hinaus häufig einen geringeren sozioökonomischen Status aufweisen als Familien ohne Migrationshintergrund (Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2014). In unseren Untersuchungen an der Tübinger Grundschule sprachen zwar alle Kinder zuhause ihre Familiensprache (und größtenteils auch Deutsch), ihr sozio-ökonomischer Status war aber mit dem von Kindern ohne Migrationshintergrund vergleichbar, und die Eltern beider Gruppen unterschieden sich auch nicht hinsichtlich der Unterstützung ihrer Kinder, z. B. bei der Bearbeitung von Hausaufgaben. Auch die Familien mit Migrationshintergrund, deren Kinder in Tübingen IM -Unterricht erhalten haben, können daher als „bildungsaffin“ charakterisiert werden (vgl. Steinlen 201; Steinlen / Piske 201a). 59 5. Empfehlungen Wir plädieren vor diesem Hintergrund dafür, den Begriff „Migrationshintergrund“ weniger „inflationär“ zu verwenden, als dies in gegenwärtigen Debatten in Deutschland oft der Fall ist. Mehrsprachigkeit und ein Migrationshintergrund per se führen offenbar nicht zu schlechteren schulischen Leistungen. Vielmehr sind schulische Leistungen sowohl von Kindern mit als auch von Kindern ohne Migrationshintergrund von Variablen wie dem sozio-ökonomischen Hintergrund, dem elterlichen Bildungsstand sowie dem elterlichen Bildungsinteresse abhängig. Diese Variablen müssen bei einem Vergleich der Leistungen von Kindern mit und ohne Migrationshintergrund immer im Auge behalten werden. Wie etwa Ergebnisse aus Brennpunktschulen zeigen, geraten nämlich auch Schüler / innen mit monolingual deutschem Hintergrund in ihren schulischen Leistungen ins Hintertreffen, wenn ihre Eltern kaum oder nur wenig Interesse an Bildung haben und ihren Kindern nur unzureichende Unterstützung in der Entwicklung des Deutschen zukommen lassen. Mit anderen Worten, werden Schüler / innen mit und ohne Migrationshintergrund miteinander verglichen, muss immer untersucht werden, ob die Variable Migrationshintergrund mit anderen Variablen wie sozioökonomischer Hintergrund oder Bildungsinteresse konfundiert bzw. verquickt ist oder nicht, um zu treffenderen Aussagen darüber gelangen zu können, welche Variablen in welchem Umfang für die schulischen Leistungen von Schüler / innen mit und ohne Migrationshintergrund verantwortlich sind (siehe Steinlen 201; Steinlen / Piske 201a). 5. Empfehlungen Vergleicht man, wie z. B. im teilimmersiven Angebot der Tübinger Grundschule, an der viele der in diesem Kapitel zusammengefassten Untersuchungsergebnisse erzielt worden sind, mit Schrift umgegangen wird, stellt man fest, dass hier viele Bedingungen gegeben sind, die es nach Einschätzung verschiedener Autor / innen Schüler / innen bereits in der Grundschule erleichtern, in mehr als einer Sprache lesen und schreiben zu lernen. Dabei ist zunächst einmal anzumerken, dass die hier zusammengefassten Forschungsergebnisse die bereits aus verschiedenen Studien abgeleitete Schlussfolgerung unterstützen, dass die meisten Schüler / innen in der Grundschule offenbar ohne größere Probleme dazu in der Lage sind, gleichzeitig in mehr als einer Sprache lesen und schreiben zu lernen und dass es daher auch sinnvoll ist, Grundschulkinder so früh wie möglich an die Unterschiede zwischen einem vergleichsweise transparenten Schriftsystem wie dem deutschen und einem deutlich intransparenteren Schriftsystem wie dem englischen heranzuführen (z. B. Rymarczyk 2008; Piske 2010). Und so empfehlen z. B. auch Peregoy / Boyle (201), das Klassenzimmer von Anfang an zu einer literacy-rich environment zu gestalten, um die Bedeutung und den funktionalen Gebrauch des Schriftbildes hervorzuheben. Wie es in vielen Klassenzimmern und besonders auch in IM -Klasssenzimmern üblich ist, können Plakate mit englischen Wörtern und Sätzen an den Wänden aufgehängt werden, also z. B. Poster mit classroom phrases (d. h. Ausdrücke, die im Unterricht häufig verwendet werden, z. B. Äußerungen für Lob, Tadel, Korrektur etc.), sight word vocabulary, also hochfrequente Wörter, die in Texten regelmäßig wiederkehren und die von den Lernenden zumeist holistisch gelernt werden müssen (z. B. the, a, of, and I, you, that etc.), themengebundene Wörter und Phrasen, ein alphabetisches Wandwörterbuch 60 Kapitel 4 Die Entwicklung des englischen und deutschen Lesens bei ein- und mehrsprachigen Kindern und Ähnliches (Peregoy / Boyle 201). Weiterhin werden Kinder in ihrer fremdsprachlichen Leseentwicklung unterstützt, wenn alle Gegenstände im Klassenzimmer mit ihrer englischen Bezeichnung (oder auch mit ihrer deutschen und ihrer englischen Bezeichnung) versehen sind und wenn tägliche Routinen mit unterschiedlichen Leseaktivitäten im Englischen eingeführt werden (z. B. das laute Vorlesen des Stundenplans für den Tag, das tägliche stille Lesen von alters- und sprachniveauangemessenen kurzen Texten oder ein Lesetagebuch, in dem Kinder ihre Leseerfahrungen dokumentieren). Auch eine Klassenbibliothek mit englischen Büchern stellt eine wichtige Ressource dar, und zwar umso mehr, wenn Bücher auch über das Wochenende ausgeliehen werden dürfen. Diese Bibliothek sollte, laut Peregoy / Boyle (201) nicht nur normale Textbücher enthalten, sondern auch Bücher, die von den Kindern, Eltern oder Lehrkräften selbst erstellt wurden und verschiedene Genres (Gedichte, Erzählungen, Ganzschriften, Lieder- und Reimbücher) sowie vielfältige Themengebiete bedienen. Rymarcyk (2008) weist-- wie viele Autor / innen vor ihr-- darauf hin, dass die Aussprache englischer Wörter in der Grundschule zunächst gefestigt werden sollte, bevor das Schriftbild eingeführt wird. Das bedeute jedoch nicht, dass Schüler / innen das englische Schriftbild für längere Zeit vorenthalten werden sollte. Im Gegenteil: Rymarczyk (2008) betont, dass schon in der Grundschule von Anfang an ein kontinuierlicher schriftlicher Input in der L2 nötig sei, damit die Schüler / innen ihre Eigenkonstruktionen an orthografisch richtigen Vorbildern ausrichten können. Insbesondere über längere Zeit sichtbare Schriftbilder seien wichtig, damit Analogien zwischen einzelnen Wörtern erkannt und die daraus resultierenden Regelbildungen mit orthografisch korrekten Formen durchgeführt werden. Solche orthografisch richtigen Vorbilder sind im IM -Unterricht vom ersten Schultag an in verschiedenen Fächern durch Arbeitsblätter, Schulbücher, Tafelanschriebe usw. kontinuierlich präsent. Des Weiteren plädiert Rymarczyk (2008) dafür, dass das Lernen und Anwenden von Laut-Buchstaben-Relationen in echte Lese- und Schreibanlässe (z. B. Minibriefe und Bildunterschriften) eingebettet werden. Das Arbeiten mit ganzen Sätzen erlaube es dem Kind, die Bedeutung eines Wortes auch über den Kontext zu erschließen. Vorhersagen zur Bedeutung einzelner Wörter und Sätze beschleunigten das Verstehen und setzten somit auch wieder Kapazitäten frei, die für neue schwierige Buchstabenkombinationen eingesetzt werden können. Außerdem könnten kurze Texte narrative Elemente enthalten, die die Motivation erhöhen und Freude im Umgang mit der Schrift schaffen. Ein Vorteil des IM -Unterrichts ist hier, dass den Schüler / innen alleine durch den in der Fremdsprache Englisch durchgeführten Unterricht in verschiedenen Fächern kontinuierlich echte Lese- und Schreibanlässe bei der Behandlung von Aufgaben geboten werden, die sie sonst auf Deutsch behandeln würden. Dabei arbeiten die Schüler / innen im IM -Unterricht durch die Verwendung von Texten zu unterschiedlichsten Themen auch ständig mit ganzen Sätzen. Frisch (2013) hebt schließlich den Nutzen bewusstmachender Verfahren hervor, durch die die Aufmerksamkeit der Schüler / innen auf ein spezifisches sprachliches Phänomen gerichtet wird (z. B. auf die Laut-Buchstaben-Relation <a>-- / æ/ im Englischen). Die Lernenden erhalten Beispielmaterial, anhand dessen das besondere Merkmal veranschaulicht wird, z. B. die Präsentation von Wörtern mit einer ausgewählten Laut-Buchstaben-Zuordnung auf Wortkarten. Die Lernenden haben dann die Aufgabe, zu beschreiben, inwieweit die englische 61 5. Empfehlungen Laut-Buchstaben-Relation von der deutschen abweicht. Damit erbringen die Lernenden eine kognitive Abstraktionsleistung, um das sprachliche Phänomen zu verstehen. Zum Schluss werden die Lernenden angeregt, ihre Erkenntnisse in Form einer Regel zusammenzufassen. So können z. B. auf einem Lernplakat als Merkhilfe Wörter gesammelt werden, in denen der Buchstabe <a> als / æ/ artikuliert wird. Solche Verfahren dürften die simultane Alphetisierung in mehr als einer Sprache sehr unterstützen und sollten mit Sicherheit auch in Klassen mit IM -Unterricht, in denen es oft noch an einer systematisch strukturierten Einführung in das Lesen und Schreiben in der L2 mangelt, eine größere Rolle spielen. Zusammenfassung Die in diesem Kapitel diskutierten Forschungsergebnisse weisen darauf hin, dass Mehrsprachigkeit und ein Migrationshintergrund an sich nicht zu schlechteren Leistungen bezüglich bestimmter sprachlicher Teilkompetenzen wie dem Lesen in einer Majoritätensprache wie Deutsch und einer Fremdsprache wie Englisch führen. Bilinguale Angebote und insbesondere IM -Programme scheinen grundsätzlich auch für mehrsprachig aufwachsende Kinder mit Migrationshintergrund geeignet zu sein, denn in den z. B. in Deutschland durchgeführten Untersuchungen wurden bisher keine signifikanten Unterschiede zwischen den Leistungen von Kindern mit und ohne Migrationshintergrund im Hinblick auf das Lesen und andere Teilfertigkeiten festgestellt. In bilingualen Programmen an Grundschulen sind in der Regel mehrere Bedingungen gegeben, die es Grundschulkindern verschiedenen Autor / innen zufolge erleichtern sollten, in mehr als einer Sprache lesen und schreiben zu lernen. Dabei finden aber teilweise solche Verfahren noch zu wenig Beachtung, durch die es möglich ist, Schüler / innen systematisch und strukturiert an das Lesen und Schreiben in mehr als einer Sprache heranzuführen. Studienfragen 1. Welche weiteren Aktivitäten zum Lesen und zum Umgang mit Schrift außer den oben genannten halten Sie in einer bilingualen Grundschulklasse für sinnvoll? 2. Diskutieren Sie, welche Leistungen Kinder mit und ohne Migrationshintergrund in einer bilingualen Grundschule erzielen könnten, wenn sie aus einem bildungsfernen Elternhaus stammen. Wie könnten diese Kinder in Bezug auf ihre deutschen und englischen Lesefähigkeiten besonders gefördert werden? 3. Welche englischen Leseleistungen können Kinder mit Lese-Rechtschreibschwäche Ihrer Einschätzung nach in bilingualen Grundschulprogrammen erzielen? Bieten solche Programme diesen Kindern eher Vor- oder Nachteile? 62 Kapitel 4 Die Entwicklung des englischen und deutschen Lesens bei ein- und mehrsprachigen Kindern Lektüreempfehlungen Massler, Ute / Burmeister, Petra (Hrsg.) (2010): CLIL und Immersion. Fremdsprachlicher Sachfachunterricht in der Grundschule. Braunschweig: Westermann. Piske, Thorsten (2015): Zum Erwerb der CLIL -Fremdsprache. In: Rüschoff, Bernd / Sudhoff, Julian / Wolff, Dieter (Hrsg.): CLIL Revisited: Eine kritische Analyse zum gegenwärtigen Stand des bilingualen Sachfachunterrichts. Frankfurt am Main: Peter Lang, S. 101-125. Steinlen, Anja / Piske, Thorsten (Hrsg.) (201b): Wortschatzlernen in bilingualen Schulen und Kindertagesstätten. Frankfurt am Main: Peter Lang. Wesche, Marjorie Bingham (2002): Early French immersion: How has the original Canadian model stood the test of time? In: Burmeister, Petra / Piske, Thorsten / Rohde, Andreas (Hrsg.): An integrated view of language development-- Papers in honor of Henning Wode. Trier: WVT , S. 357-379. Wode, Henning (2009): Frühes Fremdsprachenlernen in bilingualen Kindergärten und Grundschulen. Braunschweig: Westermann. «In meiner Freizeit lese ich eigentlich gar nicht. Wenn ich ehrlich bin, ganz ehrlich, ich hasse es zu lesen, aber so mit Lesetheater liebe ich es.» (Schüler, 8. Klasse, aus Lehrfilm „Loud, deutlich, lentement: mit Mehrsprachigem Lesetheater Sprachgrenzen überwinden“ ) Kapitel 5 Mehrsprachiges Lesetheater Ein sprach- und fachübergreifendes Lautleseverfahren zur Förderung der Leseflüssigkeit und Lesemotivation Sabine Kutzelmann, Ute Massler, Angelika Ilg Fragen 1. Welche Gemeinsamkeiten bzw. Unterschiede gibt es beim Erlernen des Lesens in der Muttersprache im Vergleich zum Lesenlernen in der Fremdsprache? 2. Was wissen Sie über die Bedeutung der Leseflüssigkeit für das schulsprachliche und das fremdsprachliche Lesen? Lesen Sie hierzu ggf. das Kapitel von Cornelia Rosebrock in diesem Studienbuch. 3. Leseflüssigkeit wird in der Praxis des Sprachunterrichts meist in einer einzigen Sprache trainiert. Worin könnte das Reizvolle aber auch das Herausfordernde eines Lautleseverfahrens bestehen, das neben der Schulsprache eine oder mehrere Fremdsprachen miteinbezieht? 64 Kapitel 5 Mehrsprachiges Lesetheater Abstract In diesem Kapitel wird Ihnen mit dem Mehrsprachigen Lesetheater eine neue Variante eines Lautleseverfahrens vorgestellt. Das Besondere dieses Verfahrens ist, dass die Förderung auf den parallelen Erwerb von Leseflüssigkeit und Lesemotivation in den schulisch vermittelten Sprachen, wozu sowohl die Schulsprache als auch die Fremdsprachen zählen, abzielt. Im Zentrum der Arbeit mit dieser sprach- und fachübergreifenden Lesefördermethode steht ein dramatisierter Vorlesetext, der mehrsprachig aufbereitet ist, das sogenannte Lesetheaterstück. Für die Schüler / innen besteht die Zielsetzung darin, in Gruppen eine Szene daraus so zu bearbeiten und wiederholt zu üben, dass sie im Klassenverband flüssig und ausdrucksstark vorgelesen werden kann. Je nach Schulkontext werden die zu fördernden Sprachen unterschiedlich miteinander kombiniert; darum kann Mehrsprachiges Lesetheater sowohl im Fach Deutsch (oder im jeweiligen Fach der entsprechenden Schulsprache) als auch im Fremdsprachenunterricht eingesetzt werden. Das Kapitel geht zunächst darauf ein, weshalb Leseflüssigkeit in der Schulsprache und in der Fremdsprache von Bedeutung ist. Im Anschluss lernen Sie das internationale Entwicklungs- und Forschungsprojekt, in dem dieses Lautleseverfahren entwickelt wurde, sowie die didaktisch-methodischen Merkmale des Mehrsprachigen Lesetheaters kennen. Danach erfahren Sie, wie mithilfe dieses Verfahrens die Leseflüssigkeit und Lesemotivation der Schüler / innen gefördert werden kann. Abschließend wird dargelegt, warum uns ein mehrsprachiges Leseförderverfahren wie dieses im Kontext von individueller und gesellschaftlicher Mehrsprachigkeit wichtig erscheint und weshalb es Teil einer systematischen Leseförderung sein sollte. Einleitung Wer flüssig lesen kann, verfügt über basale Lesefertigkeiten, die es dem Lesenden nicht nur ermöglichen, auf der Ebene der Buchstaben, Wörter, Sätze und Textabschnitte Wortbedeutungen sicher und schnell zuzuordnen, sondern auch Texte mit einer angemessenen Lesegeschwindigkeit (vor-)zulesen und dabei sinnorientiert intonieren zu können (vgl. Rosebrock / Nix 2017; Rosebrock in diesem Band). Flüssige Leser / innen vermögen mehr Kapazitäten für das Textverständnis aufzuwenden, da sie die o. g. hierarchieniedrigen Prozesse des Lesens automatisiert haben und dadurch kognitive Ressourcen für hierarchiehöhere Prozesse des Lesens frei sind. Entsprechend belegen Forschungsergebnisse eine enge Verbindung zwischen Leseflüssigkeit und Lesekompetenz für die Schulsprache (im Folgenden L1) ( NICHD 2000: 3-3). Die Entwicklung einer angemessenen Leseflüssigkeit in der L1 ist daher sehr bedeutsam. Die Bedeutung und Entwicklung der Leseflüssigkeit in der Fremdsprache (im Folgenden L2) ist bislang wenig erforscht. Die vorhandenen Forschungsergebnisse weisen jedoch darauf hin, dass die Leseflüssigkeit auch für die L2 bedeutsam ist. Lerner / innen können durch flüssiges Lesen ein größeres Maß an L2-Input bewältigen, was der Erweiterung des Wortschatzes 65 Kapitel 5 Mehrsprachiges Lesetheater in der Fremdsprache dient (vgl. Grabe 2009: 290; Reynolds 2014). Sie hilft ihnen zudem, die Automatisierung der Worterkennung zu entwickeln und Lesemotivation aufzubauen, weshalb sie Grabe auch als Schlüssel für das L2-Lernen außerhalb des Schulkontextes erachtet (vgl. Grabe 2009: 290). Bekannt ist auch, dass die Entwicklung der Leseflüssigkeit in der Fremdsprache Lesende vor noch größere Herausforderungen stellt (vgl. Götz / Kutzelmann 2017: 59 f.): Zum einen gelingt L2-Lesenden die akkurate und automatische Worterkennung nicht immer, was u. a. auf fehlende lexikalische Repräsentationen (Wortschatz) zurückzuführen ist, sie also ein fremdsprachliches Wort lesen, jedoch seine Bedeutung noch nicht kennen. Sinngebendes, expressives Lesen (Prosodie) ist daher kaum möglich (vgl. Grabe 2009: 291). Zum anderen hängt die L2-Leseflüssigkeit von den Lesefertigkeiten in der L1 und der Beschaffenheit der Fremdsprache ab, die sich linguistisch mehr oder weniger von der Erstsprache unterscheiden kann (Grabe 2009: 293). Bezogen auf die Leseflüssigkeit weist die Studie von Pasquarella / Chen / Gottardo / Geva (2015) auf einen Zusammenhang zwischen der Leseflüssigkeit in der L1 und der L2 hin, was nahelegt, dass Leseflüssigkeit, sofern es sich um dieselbe Schrift handelt, von einer Sprache zur nächsten übertragbar ist (script universal). All dies führt dazu, dass, abhängig vom Fremdsprachenniveau, L2-Lesende über eine deutlich verringerte Leseflüssigkeit gegenüber muttersprachlichen Lesenden verfügen (Grabe 2009: 295). Ein weiterer zentraler Unterschied beim Lesen in der L2 ist die kürzere Lesezeitspanne-- die Fähigkeit also, textuelle Informationen im Kurzzeitgedächtnis zu behalten, wodurch das Leseverstehen insgesamt beeinträchtig werden kann (Ehlers 200: 33). Auch in der L2 beeinflusst die Leseflüssigkeit somit das Leseverständnis (vgl. Grabe 2009: 290). In der deutschsprachigen Lesedidaktik hat Leseflüssigkeit zwar bereits wissenschaftliche Beachtung gefunden, in der Schulpraxis ist sie jedoch noch praktisch unbekannt (Rosebrock / Nix / Rieckmann / Gold 201: 23). Auch in Theorie und Praxis der Fremdsprachendidaktik fristet die Förderung der Leseflüssigkeit bislang ein Schattendasein (Grabe 2009; Haß 201: 142, 147). Eine Maßnahme zur Förderung der L1-Leseflüssigkeit stellt das im Lesetheater integrierte wiederholende Lautlesen dar ( NICHD 2000: 3-3). In zahlreichen Untersuchungen konnte die positive Wirkung von readers’ theater auf die Leseflüssigkeit aufgezeigt werden (vgl. Martinez / Roser / Strecker 1998 / 1999; Mraz / Nichols / Caldwell / Beisley / Sargent / Rupley 2013; Tyler / Chard 2000; Worthy / Prater 2002). Dennoch besteht aus der Perspektive der Forschung nach wie vor ein Bedarf an repräsentativen empirischen Studien, um die Wirksamkeit dieses Lautleseverfahrens differenziell zu belegen (vgl. Massler / Kutzelmann 2017: 8). Im Kontext des Lesetheaters ist außerdem relevant, dass Forschungsergebnisse auf einen engen Zusammenhang zwischen flüssigem lauten Lesen und gutem Textverständnis bei leisem Lesen hinweisen (Daane / Campbell / Grigg / Goodman / Oranje 2005). Lernende, die mit Ausdruck laut lesen, tendieren dazu, auch ein gutes Textverständnis zu haben. Daher liegt nahe, dass sich das Training des lauten Lesens auch positiv auf das leise Lesen auswirken kann. Da Studien darauf hinweisen, dass gerade hierarchieniedrige Verarbeitungsprozesse für L2-Lesende bedeutsam sind (Tsou 2011: 729), müssten, um die L2-Leseflüssigkeit zu steigern, somit auch in der Zielsprache zunächst hierarchieniedrige Prozesse automatisiert werden: 66 Kapitel 5 Mehrsprachiges Lesetheater Among the related L2 studies, many researchers have speculated that lower-level processing skills are particularly important for L2 readers and that, because of inefficiency in these skills, reading in L2 is usually a slow, laborious process (Anderson, 1999; Jensen, 198; Segalowitz, Poulsen, & Komoda, 1991). (Tsou 2011: 729) Entsprechend deuten laut Grabe (2009: 303 f.) die wenigen existierenden Untersuchungen darauf hin, dass wiederholtes Lesen die Leseflüssigkeit von schwachen L2-Lernenden signifikant verbessern kann, da das wiederholte Lautlesen mit Unterstützung (vgl. Abschnitt 3) eine Form des Scaffoldings durch zwei Wahrnehmungskanäle ist, den des Hörens und den des Lesens. Dadurch wird es den Lernenden ermöglicht, ihre Sprachressourcen wie Schematawissen, Verständnis, Monitoring und metakognitive Strategien zu koordinieren (Grabe ebd.). Bevor die Charakteristika des Lautleseverfahrens Mehrsprachiges Lesetheater präsentiert werden, geht der folgende Abschnitt auf den Entwicklungs- und Forschungskontext ein. 1. Situierung im Forschungskontext Das Mehrsprachige Lesetheater wurde in einem internationalen Forschungsprojekt entwickelt. An dem Projekt, das von der Europäischen Kommission durch das Programm Erasmus+ von 2014 bis 2017 finanziert wurde, waren die drei Pädagogischen Hochschulen Weingarten, St. Gallen, Vorarlberg und das SCRIPT Inno des luxemburgischen Bildungsministeriums sowie je ein bis zwei Kooperationsklassen in den Partnerländern Deutschland, Luxemburg, Österreich und der Schweiz beteiligt. Zielsetzung des Projektes mit dem Akronym MELT (Mehrsprachiges Lesetheater) war es zu zeigen, wie das üblicherweise einsprachige Lautleseverfahren readers’ theatre so in ein mehrsprachiges Verfahren umgestaltet werden kann, dass es im regulären Unterricht anwendbar ist. Forschungsmethodisch orientierte sich das Projekt am sogenannten Design-Based-Research-Ansatz ( DBR ), der in den 1990er Jahren im englischsprachigen Raum der Lehr- und Lernforschung entstanden ist. Wie die englische Bezeichnung design-based es nahelegt, werden bei diesem Ansatz Entwicklung und Forschung nicht als zwei verschiedene, zeitlich aufeinanderfolgende Vorgänge betrachtet, sondern die Gestaltung des Lautleseverfahrens, also das Design selbst, ist der Forschungsgegenstand (vgl. Kutzelmann / Götz 2017). Eine weitere Besonderheit des Ansatzes ist es, dass Praktiker / innen und Forschende sehr eng zusammenarbeiten, um praxistaugliche Produkte miteinander zu entwickeln. Der Entwicklungs- und Forschungsprozess zum Mehrsprachigen Lesetheater gliederte sich in sechs Phasen. Die wichtigste Phase war die der Erprobung und Evaluation, denn in ihr musste sich dieses neuartige mehrsprachige Lautleseverfahren im regulären Unterricht bewähren. Während mehrerer Zyklen wurde das Verfahren darum im Unterricht der Kooperationsklassen erprobt, evaluiert und entsprechend der Ergebnisse überarbeitet (vgl. ebd.). Das wesentliche Evaluationskriterium war das der Akzeptanz, denn es wurde angenommen, dass sich das Mehrsprachige Lesetheater nur dann nachhaltig in der Unterrichtspraxis verankern kann, wenn es von Lehrpersonen und ihren Klassen als nutzbringend und anwendbar angesehen wird (vgl. ebd.). 67 2. Die wichtigsten Merkmale des Verfahrens Im MELT -Projekt wurden quantitative und qualitative Methoden zur Gewinnung und Auswertung von Daten kombiniert eingesetzt, um verschiedene Zusammenhänge zu analysieren: 1. die Akzeptanz des Mehrsprachigen Lesetheaters in der schulischen Praxis, 2. die Entwicklung der Leseflüssigkeit in Schul- und Fremdsprache aufgrund der Arbeit mit mehrsprachigen Lesetheaterstücken sowie 3. der Einfluss dieses Lautleseverfahrens auf die Lesemotivation. Auf die zweite Förderdimension (Lesemotivation) wird in diesem Kapitel nicht vertieft eingegangen, sondern vor allem die Leseflüssigkeit fokussiert. Im Folgenden werden die didaktisch-methodischen Merkmale des Mehrsprachigen Lesetheaters ausgeführt, insbesondere die mehrsprachige Gestaltung der Lesetheaterstücke, die gleichzeitige Verwendung von Schul- und Fremdsprachen und der mehrteilige Lehr- und Lernprozess. 2. Die wichtigsten Merkmale des Verfahrens Das Lautleseverfahren Mehrsprachiges Lesetheater zeichnet sich durch die folgenden charakteristischen Aspekte aus, die im Anschluss ausführlich beschrieben werden: Grundlage des Lehrens und Lernens ist ein mehrsprachiges Lesetheaterstück, in dem gleichzeitig die schulisch geförderten Sprachen vorkommen: z. B. Deutsch als Schulsprache zusammen mit Englisch und Französisch als die erste und zweite Fremdsprache. Außerdem können Migrationssprachen einbezogen werden. Der achtschrittige Lehr- und Lernprozess erstreckt sich über 3-5 Unterrichtsstunden. Am Anfang wird ein zentraler Abschnitt aus dem mehrsprachigen Lesetheaterstück von der Lehrperson vorgelesen, danach bestimmt das kooperative Lernen den Lehr- und Lernprozess, und mithilfe von dramapädagogischen Übungen und Anschlusskommunikation wird das literarische Lernen angeregt. Das mehrsprachige Lesetheaterstück Im Zentrum des Verfahrens steht als Lehr- und Lernmaterial ein Lesetheaterstück, das auf einem Werk aktueller Kinder- und Jugendliteratur oder auch einem Klassiker beruht und das für das Lesetraining adaptiert wurde. Das bedeutet, dass der im Original in Prosa verfasste Text dramatisiert wird, so dass er sowohl Erzählerals auch Figurenrollen enthält (vgl. Tab. 1). Als Grundlage für die Adaption eignen sich insbesondere Texte, die die Leseinteressen der Schüler / innen ansprechen und ein hohes Indentifikationspotenzial mit den Protagonist / innen aufweisen (vgl. Abschnitt 3). Ein Lesetheaterstück setzt sich zum einen aus verschiedenen Szenen zusammen, die innerhalb einer Klasse arbeitsteilig auf Untergruppen verteilt werden, und zum anderen aus mehrsprachigen Vorlesetexten, die von der Lehrperson vor Beginn der Arbeit mit den Lesetheaterstücken im Klassenverband vorgelesen werden. Die Länge von Vorlesetexten, Lesetheaterstücken und einzelnen Szenen sowie das Verhältnis von fremd- und schulsprachlichen Anteilen sind abhängig von Alter und Sprachkompetenz der Lernenden in Schul- und Fremdsprache. Die Vorlesetexte bestehen aus ca. 400 bis 800 Wörtern und eine Lesetheaterszene umfasst etwa 300 bis 00 Wörter. Ziel ist es, mit wachsender fremdsprachlicher Kom- 68 Kapitel 5 Mehrsprachiges Lesetheater petenz der Lernenden die fremdsprachlichen Anteile sukzessive soweit wie möglich zu erhöhen. Jede Arbeitsgruppe besteht idealerweise aus 4 bis 5 Schüler / innen. In Ausnahmefällen kann ein Mitglied der Arbeitsgruppe auch zwei Leserollen übernehmen. Die verschiedenen Rollenanteile sollten möglichst ausgeglichen und ein häufiger Sprecherwechsel garantiert sein, damit alle Schüler / innen der Gruppe gleich gefördert und konzentriert bei der Sache bleiben (vgl. Ilg / Ludescher / Paul 2017: 104). Die Leser- und Erzählerrollen in den Lesetheaterstücken lassen sich differenziert nach den Fertigkeitsniveaus der Schüler / innen zuweisen. Daher setzt das Mehrsprachige Lesetheater zwar als Lesefördermaßnahme bei den im Lesen weniger erfolgreichen Lernenden an, grenzt diese jedoch nicht aus, da alle an der Leseaktivität teilnehmen. Dies ist entscheidend, da Studien belegen, dass zu dieser Gruppe neben Schüler / innen bildungsferner Schichten auch vermehrt solche mit Migrationshintergrund zählen (vgl. z. B. Beck / Jäpel / Becker 2010: 320, 333; Wroblewksi 2012: 350, 35). Im Folgenden ist ein Ausschnitt aus dem Lesetheaterstück Bend it like Beckham zu sehen, das auf dem gleichnamigen Jugendroman von Narinder Dhami beruht (vgl. Tab 1). In der ausgewählten Szene erscheint neben dem Deutschen das Englische als schulische Fremdsprache. Das Lesetheaterstück, aus dem dieser Textausschnitt stammt, wurde für eine 8. oder 9. Klasse konzipiert, die seit vier bzw. fünf Jahren Englisch lernt. Zu Beginn der Szene ist vermerkt, in welchen Sprachen die verschiedenen Rollen verfasst sind, wobei auch Sprachwechsel innerhalb einer Rolle möglich sind. Da das Lesetheaterstück aus mehreren Szenen besteht, erhalten die Lernenden eingangs relevante Informationen darüber, was bisher geschah. 1. Lesetheaterszene: Shopping tour What happened so far: Jess Bhamra is in her bedroom, a room filled with posters of Beckham, dreaming about football. Her mum takes her out of her dreams, reminding her that her sister’s Pinky engagement party is tomorrow. So, Pinky and Jess go shopping for the engagement party. Verteilung der Erzähler- und Sprecherrollen auf Lernende S 1 Jess Mutter + Erzähler 2 Fremdsprachenniveau: B1 Sprecherrollen: englisch Erzählerrollen: deutsch S 2 Jess S 3 Jess Vater + Erzähler 1 S 4 Ich-Erzähler-- Jess Ich-Erzähler Plötzlich stieß Pinky mich in die Seite. Pinky Look, Jess, there’s your mate. Ich-Erzähler Tatsächlich kam Tony auf uns zu, zusammen mit seiner Mutter und voll beladen mit Einkaufstüten. Hey, macht euch jetzt keine falschen Vorstellungen. Ich kenne Tony seit Jahren und mag ihn sehr. Aber nicht so, wie ihr vielleicht denkt! Pinky Let’s make this quick. 69 2. Die wichtigsten Merkmale des Verfahrens Erzähler 2 Abfällig taxierte sie Tonys Mutter, die hinter ihm herschlurfte und durch ihre dicken Brillengläser blinzelte. Wie fast alle indischen Frauen ihres Alters hatte sie sich einen Schal um den Kopf gebunden. Pinky And I hope your mate’s mum wears a pullover over her three stomachs at the party tomorrow. Jess Shut up, she’s old. Pinky So? Tab. 1: Ausschnitt aus dem Lesetheaterstück Bend it like Beckham (erstellt von S. Kutzelmann und U. Massler) Lesetheaterstücke liegen normalerweise in einer Schüler- und einer Lehrpersonenversion vor, wobei letztere zusätzliche Informationen wie einen Kommentar zur Textwahl, inhaltliche Zusammenfassungen oder Übersetzungen der migrationssprachlichen Äußerungen enthält. Die gleichzeitige Verwendung von Schul- und Fremdsprachen In einem Lesetheaterstück werden je nach Anwendungskontext (Land, Schulform, Klassenstufe etc.) verschiedene Sprachen miteinander kombiniert eingesetzt, es ist also mehrsprachig interlingual gestaltet. Um ein Lesetheaterstück als Ganzes und im Detail verstehen zu können, müssen die Lernenden „sich auch durch den fremdsprachigen Teil hindurchkämpfen“ (Butzkamm 1989: 210). Das Code-Switching in den Lesetheaterszenen, also der Wechsel zwischen den einzelnen Sprachen innerhalb einer Äußerung bzw. eines Dialogs, wird unabhängig vom Inhalt realisiert und besitzt vor allem eine didaktische Funktion (siehe hierzu ausführlich Abschnitt 4). Bei der Frage, wann und wie das Code-Switching im Text erfolgt, besteht großer Gestaltungsspielraum: Es kann aufgrund didaktischer Überlegungen der Lehrkraft hinsichtlich Sichtwortschatz, Passung des fremdsprachlichen Niveaus oder Länge der Passagen an den jeweiligen Anwendungskontext angepasst werden. Diese Passung ist essentiell, da das Design des Mehrsprachigen Lesetheaters vorsieht, dass sich die Schüler / innen den Inhalt eines Lesetheaterstücks weitgehend selbständig erarbeiten. Die besondere Gestaltung der Dialoge soll darum die Lernenden beim Verständnis der fremdsprachlichen Textteile und beim Aufbau des Sichtwortschatzes unterstützen: so finden sich beispielsweise in den schulsprachlichen Passagen häufig semantische Bezugspunkte oder Paraphrasierungen fremdsprachlicher Textstellen. Diese sollen es den Schüler / innen ermöglichen, fremdsprachliche Wendungen aus dem Kontext zu entschlüsseln. Als hilfreich für die Entwicklung des Textverständnisses erweisen sich auch Schlüsselbegriffe und wiederkehrende Hinweise auf Ereignisse im Handlungsverlauf (vgl. Ilg / Ludescher / Paul 2017: 105). Um die Leseflüssigkeit der Lernenden in L1 und L2 angemessen zu fördern und es ihnen zu ermöglichen, die Dialoge flüssig zu lesen, ist insbesondere ein Prinzip hervorzuheben: Die fremdsprachlichen Passagen müssen hinsichtlich Länge und Schwierigkeitsgrad dem fremdsprachlichen Leistungsstand der Lernenden entsprechen (vgl. ebd. 104). Dies bedeutet, dass Lesetheaterstücke für schwächere Lernende bzw. Anfänger / innen nur kurze fremd- 70 Kapitel 5 Mehrsprachiges Lesetheater sprachliche Vorleseanteile enthalten dürfen, deren Umfang sich auf Mehrwortäußerungen oder ein, zwei Sätze beschränkt. Ziel ist es, sukzessive den Umfang der fremdsprachlichen Anteile zu steigern. Neben den Schul- und Fremdsprachen können aber auch eine oder mehrere Familiensprachen der Schüler / innen integriert werden. Auf diese Weise eröffnet sich bei der Arbeit mit einem mehrsprachigen Lesetheaterstück die wertvolle Gelegenheit, die in einer Klasse vorhandenen Sprachen sichtbar zu machen und in einen schulisch relevanten Kontext zu stellen. Wie das konkret umgesetzt wird, zeigt der folgende Ausschnitt aus dem Lesetheaterstück Heidi, das in den Sprachen Deutsch, Englisch und Französisch verfasst ist und kurze spanische Anteile enthält (vgl. Tab. 2). Das Lesetheaterstück, aus dem dieser Textausschnitt stammt, wurde für eine . Klasse konzipiert, die bereits seit vier bzw. fünf Jahren Englisch und seit zwei Jahren Französisch lernte. Da die meisten Schüler / innen dieser Klasse mit einer anderen Familiensprache als Deutsch aufgewachsen sind, ist für sie Englisch bereits die dritte (L3) und Französisch (L4) die vierte Sprache. Neben den beiden Fremdsprachen Englisch und Französisch kommen einzelne spanische Wendungen im Lesetheaterstück vor, da Kinder dieser Klasse Spanisch als Familiensprache haben. Heidi (fröhlich) Bonjour, grand-père! Alpöhi Hier ist eine Schale Milch von den Geißen. Trink! Heidi Guten Morgen, ihr lieben Geißen! Erzähler 2 À ce-moment-là, Heidi a vu un garçon. Der Junge stieg mit einer Herde Geißen den steilen Weg zur Hütte hinauf. Peter Schwänli, Bärli, les chèvres, venez! Alpöhi ¡Espera un momento! Geißenpeter, nimm das Mädchen heute mit auf die Alp. Heidi (zu Peter) Salut Peter! Je m’appelle Heidi. Erzähler 1 Peter schaute Heidi mit großen Augen an und blieb wie angewurzelt stehen. Inzwischen packte der Alpöhi ein Picknick für Heidi in einen Stoffbeutel: ein großzügiges Stück Käse, zwei Scheiben Brot und einen Brocken Fleisch. Alpöhi Toma, para que tengas fuerza todo el día. Heidi Merci beaucoup! Tab. 2: Ausschnitt aus dem Lesetheaterstück Heidi (erstellt von S. Kutzelmann und S. Paul) Wird eine der Familiensprachen einbezogen, dann steht nicht die Förderung der rezeptiven und produktiven Sprachkompetenzen der Schüler / innen im Vordergrund. Ziel ist vielmehr, im Sinne mehrsprachiger Ansätze wie Begegnung mit Sprachen-- Language Awareness-- Eveil aux langues eine wertschätzende Haltung gegenüber allen Sprachen in der Klasse zu fördern (vgl. Hutterli / Stotz / Zappatore 2008; Massler / Kutzelmann 2017; Ilg / Ludescher / Paul 2017). Ein mehrsprachig, interlingual gestaltetes Lesetheaterstück beinhaltet somit neben sprachendidaktischen auch soziolinguistische Aspekte: die Schüler / innen nehmen unterschiedliche 71 2. Die wichtigsten Merkmale des Verfahrens Sprachen wahr, sie erleben diese als gleichwertig und entwickeln eine wertschätzende Haltung gegenüber allen Sprachen. Im Rahmen der Akzeptanzerhebung zeigte sich, dass die mehrsprachigen Lesetheatertexte von den Lehrpersonen sehr positiv beurteilt wurden, da sie verschiedenste Themen, Textniveaus und Sprachkombinationen bieten und ihrer Ansicht nach eine Passung an unterschiedliche Klassen und Leistungsstufen ermöglichen. Insgesamt beschrieben Lehrpersonen die mehrsprachigen Lesetheaterstücke als interessant, humorvoll und lernerbezogen (vgl. Götz / Kutzelmann / Massler 2017: 43). Die Mehrsprachigkeit des Designs wurde von Lehrpersonen und Lernenden nicht nur als unproblematisch angesehen, sondern das Design schließt ihrer Ansicht nach insbesondere durch seine Mehrsprachigkeit an die Lebenswelt der Lernenden an (vgl. ebd.). Auch die Integration der Migrationssprachen beurteilten die Lehrpersonen sehr positiv, da sie wertschätzende Erfahrungen für die Schüler / innen, die die Migrationssprache sprechen, wahrnahmen. Besonders die Klassengemeinschaft profitiert ihrer Meinung nach davon, da die Schüler / innen dadurch offener für neue Sprachen und gegenüber ihren Mitschüler / innen werden (vgl. ebd.: 45). Der mehrteilige Lehr- und Lernprozess Um ein mehrsprachiges Lesetheaterstück erfolgreich im Klassenverband präsentieren zu können, müssen eine ganze Reihe von Arbeitsphasen durchlaufen werden. Die folgende Übersicht zeigt die acht Schritte, die den gesamten Lehr- und Lernprozess strukturieren und in der unterschiedliche Sozialformen zum Einsatz kommen: Arbeit im Plenum ( PL ), Einzel- ( EA ), Partner- ( PA ) und Gruppenarbeit ( GA ). Die Abfolge der einzelnen Arbeitsphasen ist nicht starr, sondern kann, wenn es die Unterrichtssituation erfordert, von der Lehrperson verändert werden. Der Lehr-Lern-Prozess Sozialformen Richtzeiten a) Einführung in das mehrsprachige Lesetheaterstück PL 15-25 b) Vorlesen durch die Lehrperson PL 5-10 c) Lesen der Lesetheaterszene und Rollenverteilung EA / GA 10-15 d) Erarbeiten einer Inhaltsangabe der Lesetheaterszene GA 15-25 e) Vorstellen der Szenen und der Figurenrollen PL 15-25 f) Üben der Leserollen und gegenseitiges Feedback PA 20-45 g) Generalprobe und Feedback GA 20-45 h) Aufführung PL 20-45 Tab. 3: Der Lehr-Lern-Prozess des Mehrsprachigen Lesetheaters nach Kutzelmann / Massler / Peter 2017 Der gesamte Prozess ist so strukturiert, dass er sowohl eine intensive inhaltliche Auseinandersetzung mit dem Lesetheaterstück (siehe die Schritte a-e) als auch das Üben des 72 Kapitel 5 Mehrsprachiges Lesetheater Vorlesens ermöglicht (siehe Schritt f). Das Besondere des Lesetrainings besteht darin, dass die Schüler / innen sich ihre Leserolle durch wiederholtes und begleitetes halblautes Lesen zu eigen machen, um sie dann am Schluss des Prozesses zunehmend lebendig und ausdrucksstark präsentieren zu können (siehe die Schritte g-h). Als Hauptübungsformen werden das Tandemlesen und das Lesen mit Audiounterstützung eingesetzt (siehe Schritt f) (vgl. Kutzelmann / Theinert 2017: 121 f). Im Folgenden werden die Prozessschritte knapp dargestellt, eine ausführliche Beschreibung findet sich in Kutzelmann / Massler / Peter (2017): a) Einführung in das mehrsprachige Lesetheaterstück: Das mehrsprachige Lesetheaterstück, das die Schüler / innen in Arbeitsgruppen weitgehend selbstständig lesen und bearbeiten, wird zunächst in Bezug auf seine Handlung und die zentralen Figuren von der Lehrperson eingeführt; dramapädagogische Aktivitäten unterstützen diese Zielsetzung. Um das Verständnis zu erleichtern, können in dieser Phase die (fremd-)sprachlichen Voraussetzungen geschaffen werden, indem beispielsweise Schlüsselbegriffe eingeführt werden. b) Das Vorlesen durch die Lehrperson: Die Lehrperson liest einen Ausschnitt der literarischen Textgrundlage mehrsprachig vor. Das Vorlesen dient zum einen der vertiefenden inhaltlichen Hinführung und unterstützt Lernende, die in der Schul- und / oder Fremdsprache Schwierigkeiten haben, ein Textverständnis aufzubauen, da sie den für sie schwierigen Dekodierungsprozess eines längeren Prosatextes nicht selbst leisten müssen. Dadurch schafft das Vorlesen einen Zugang zum genießenden Lesen, den manche Schüler / innen aus ihrer Kindheit nicht kennen. Darüber hinaus erfahren die Schüler / innen dadurch, wie ein interlingualer Text gestaltet ist und wie er sich anhört. Nicht zuletzt erleben sie die Lehrperson als Modell für die hör- und sichtbaren Mittel der Textgestaltung (vgl. Massler / Theinert 2017). c) Lesen der Lesetheaterszene und Rollenverteilung: Die Schüler / innen teilen sich in Arbeitsgruppen auf. Jede Schülerin bzw. jeder Schüler liest die der Arbeitsgruppe zugeteilte Szene des mehrsprachigen Lesetheaters individuell und verschafft sich einen inhaltlichen Überblick über die Szene. Im Anschluss daran werden die Leserollen innerhalb der Arbeitsgruppe verteilt und wichtige zentrale Inhalte für das Verständnis der Lesetheaterszene geklärt. d) Erarbeiten einer Inhaltsangabe der Lesetheaterszene: Die Schüler / innen lesen ihre Szene in verteilten Rollen ein zweites Mal und klären miteinander Satzzusammenhänge sowie den Inhalt schwieriger Sätze oder die Bedeutung von Schlüsselwörtern insbesondere in den Fremd- und Migrationssprachen. Nach der dritten Lektüre erarbeitet jede Gruppe eine mündliche Zusammenfassung bzw. eine Inhaltsübersicht ihrer Szene. e) Vorstellen der Szenen und der einzelnen Figurenrollen: Jede Arbeitsgruppe stellt ihre Szene des Lesetheaters im Klassenverband vor, so dass die Schüler / innen ein die einzelnen Szenen übergreifendes Verständnis des Lesetheaters entwickeln können. In dieser Phase bieten sich dramapädagogische Aktivitäten an und / oder literarische Gespräche, um positive Leseerlebnisse zu schaffen, die zum Weiterlesen motivieren und zur tiefergehenden Auseinandersetzung mit den literarischen Texten führen, auf denen ein Lesetheaterstück beruht (vgl. Ilg / Theinert 2017). 73 3. Ein mehrsprachiges Lautleseverfahren f) Üben der Leserollen und gegenseitiges Feedback: Die Schüler / innen lesen ihre Szene mehrmals halblaut und geben einander Rückmeldungen (vgl. hierzu Abschnitt 3). g) Generalprobe und Feedback: Jede Arbeitsgruppe führt eine Generalprobe ihrer Lesetheaterszene durch, bei der die einzelnen Leserollen aufeinander abgestimmt und im Zusammenspiel geübt werden. Dies bietet den Schüler / innen die Gelegenheit, die Wirkung der Vorlesegestaltung zu reflektieren und zu prüfen, ob die Vorführung für ein Publikum attraktiv ist. Während der Generalprobe sind Rückmeldungen der Lehrperson und / oder der anderen Schüler / innen hilfreich, damit die Arbeitsgruppe die Wirksamkeit der sichtbaren Mittel der Vorlesegestaltung (Blickkontakt, Gestik und Mimik) einzuschätzen lernt. Als Vorbereitung auf die Aufführung können dramapädagogische Übungen eingesetzt werden, die die performativen Kompetenzen der Schüler / innen stärken. h) Aufführung: Jede Arbeitsgruppe liest ihre Lesetheaterszene im Klassenverband vor. Für die Schüler / innen, die zusehen und zuhören, soll die Aufführung des ganzen Mehrsprachigen Lesetheaters unterhaltsam sein. Der Applaus am Ende des Auftritts ist wie im richtigen Theater der Lohn für die Anstrengungen und die gezeigten Lernfortschritte beim gestaltenden Lesen. Ein literarisches Gespräch im Anschluss vertieft das Verständnis des gesamten Lesetheaters und bietet den Schüler / innen die Möglichkeit, sich selbst in Beziehung zum Text zu setzen. Die Evaluationen ergaben, dass die Lehrpersonen das klar strukturierte und abwechslungsreiche Verfahren sehr schätzen. In den Interviews am Ende der Erprobungsphase lobten sie beispielsweise, dass der Lehr-Lern-Prozess „trotzdem noch Flexibilität lässt, um die eigene Identität und die eigenen Vorstellungen von Unterricht zu verwirklichen“ ( LP 1, Z. 288-289) und der Ablauf aufgrund der wechselnden Sozialformen abwechslungsreich gestaltet ist (vgl. Götz et al. 2017: 45). Um als Lehrperson Mehrsprachiges Lesetheater umsetzen zu können, liegt ein Handbuch zu Theorie und Praxis dieses Lautleseverfahrens vor (Kutzelmann / Massler / Peter / Götz / Ilg 2017). Das Internetportal des Projektes bietet eine Anweisung, wie Lehrpersonen auf der Grundlage eines Kinder- oder Jugendromans selbst mehrsprachige Lesetheaterstücke erstellen können. Des Weiteren finden sich dort eine ausführliche didaktisch-methodische Anleitung sowie ein Lehrfilm, der den Ablauf des mehrschrittigen Lehr- und Lernprozesses dokumentiert und vielfältige Einblicke in die konkrete Unterrichtspraxis der am Projekt beteiligten Kooperationsklassen bietet (http: / / melt-multilingual-readers-theatre.eu/ ). 3. Ein mehrsprachiges Lautleseverfahren Das Mehrsprachige Lesetheater zielt in der Förderung auf den parallelen Erwerb von Leseflüssigkeit in Schul- und Fremdsprache(n), zudem soll die Lesemotivation der Schüler / innen verbessert werden. Im Folgenden wird erläutert, wie diese beiden Förderdimensionen aufgrund der Form und des Inhalts der Lernmaterialien und mithilfe der methodischen Strukturierung des Lesetrainings angesprochen werden. 74 Kapitel 5 Mehrsprachiges Lesetheater Die Form eines mehrsprachigen Lesetheaterstücks wird hauptsächlich durch den Wechsel von Figuren- und Erzählerrollen sowie den Wechsel zwischen Schul- und Fremdsprache(n) bestimmt (vgl. hierzu Abschnitt 1). Die lesetechnisch herausfordernde Aufgabenstellung für die Schüler / innen besteht darin, zwischen mehreren Sprachen beim Vorlesen zu wechseln, und bedingt, dass sie in einer Lernsituation auf ihr gesamtes Repertoire an Lesefertigkeiten in Schul- und Fremdsprachen zugreifen. Das sprachübergreifende Lesetraining, das gleich in mehreren Arbeitsphasen zum Zuge kommt, steht im Dienste dieser übergeordneten Aufgabenstellung. Während der ersten Übungsdurchgänge stehen das genaue Dekodieren und die korrekte Aussprache (vor allem mit Blick auf die Fremdsprachen) im Vordergrund. Mit zunehmender Automatisierung auf Wort- und Satzebene und einer Erhöhung des Sichtwortschatzes stehen den Schüler / innen mehr kognitive Ressourcen zur Verfügung, um den Text einer Szene vertieft zu analysieren. Ein gutes Verständnis der Szene verbessert schließlich die prosodische Lesegestaltung; die Schüler / innen konzentrieren sich dann beim kooperativen Üben ihrer Leserolle vermehrt auf das Gliedern in Sinnabschnitte, auf den Ausdruck, die Akzentuierung sowie die Intonation und Pausensetzung (vgl. Kutzelmann / Massler / Peter 2017). Die zwei Hauptübungsformen des Lesetrainings im Mehrsprachigen Lesetheater sind (a) das Tandemlesen und (b) das Lesen mit Audiounterstützung. Beim Tandemlesen erfolgt das Training des Vorlesens paarweise und synchron (vgl. Rosebrock / Nix 2017: 49 f.) Um den Schüler / innen das Vorgehen bei dieser Übungsform zu erläutern, wird mithilfe der Sportmetapher gearbeitet. Der / die Geübtere der beiden Lesepartner / innen übernimmt zuerst die Aufgabe des Trainers, der / die weniger Geübtere jene des Sportlers. Aufgabe des Trainers ist es, seine Leserolle modellhaft so vorzulesen, dass der Sportler mitlesen und sein Lesen daran orientieren kann. Einen Fehler beim Lesen korrigiert der Sportler selbst-- sofern er ihn bemerkt-- oder der Trainer korrigiert und setzt neu an, entweder am Anfang des Satzes oder zu Beginn eines Sinnabschnitts. Zur Orientierung für den Sportler und um das synchrone Lesen der Tandempartner zu koordinieren, führt der Trainer beim Lesen den Finger mit (vgl. Kutzelmann / Theinert 2017: 122). Beim Lesen mit Audiounterstützung erhalten die Schüler / innen eine vorbereitete Audiodatei auf dem sich die fremd- und herkunftssprachlichen Passagen der Lesetheaterskripts befinden. Während die Lernenden sich über Kopfhörer die Textstellen anhören, lesen sie halblaut und individuell mit und versuchen dabei, die Aussprache und Intonation des Vorlesers / der Vorleserin gut zu imitieren (vgl. Kutzelmann / Massler / Peter 2017). Die Unterrichtsbeobachtungen im MELT -Projekt zeigten, dass aufgrund einer so strukturierten Übungspraxis selbst leseschwache Schüler / innen ihre mehrsprachige(n) Leserolle(n) bei der Aufführung flüssig und expressiv vorlesen konnten. Der Inhalt eines mehrsprachigen Lesetheaterstücks ist durch das zugrundegelegte Werk, das zumeist der Kinder- und Jugendliteratur entstammt, bestimmt. Damit die Leselust der Schüler / innen geweckt wird, ist es entscheidend, dass die Texte die Interessen der Altersgruppe widerspiegeln, in denen die Methode eingesetzt wird, und sie sowohl für Mädchen als auch Jungen eine Identifikation mit zentralen Figuren zulassen (vgl. Götz / Kutzelmann 2017). Ebenso sollte bei der Auswahl von Texten die Vorliebe junger Leser / innen für Abenteuergeschichten und phantastische Erzählungen beachtet werden (vgl. Ilg / Ludescher / Paul 2017). 75 4. Bedeutung im Kontext der Mehrsprachigkeit Die inhaltlich herausfordernde Aufgabenstellung für die Schüler / innen besteht darin, die Handlung und die Figuren ihrer Szene mithilfe des gestaltenden Vorlesens lebendig zu inszenieren. Das bedingt, dass die verschiedenen Leserollen bis zur Aufführung sehr gut verstanden werden. Das sprachübergreifende Training des Textverständnisses ist in mehreren Phasen des Lehr- und Lernprozesses von Bedeutung. Zu Beginn bei der Einführung des Lesetheaters und dem Vorlesen durch die Lehrperson, dann beim Erarbeiten einer Inhaltsangabe der Szene, danach bei der mit dramapädagogischen Mitteln unterstützten Auseinandersetzung mit der Gefühls- und Gedankenwelt der Figuren (vgl. Ilg / Theinert 2017: 13). Auch wenn die Schüler / innen literarischen Texten nicht über die Primärtexte begegnen, soll ihnen die Auseinandersetzung mit Kinder- und Jugendliteratur in Gestalt von mehrsprachigen Lesetheaterstücken positive Leseerlebnisse ermöglichen, die sie zum Weiterlesen motivieren und ihr Interesse an einer tiefergehenden Auseinandersetzung mit Kinder- und Jugendliteratur fördern. Die Mehrsprachigkeit bietet nach Ansicht der Lehrpersonen im Vergleich zum herkömmlichen Sprachenunterricht einen deutlichen Mehrwert für das Lesetraining in Schul- und Fremdsprachen. In den Abschlussinterviews wird die Wirkung auf die Klasse weitgehend positiv beurteilt und bei regelmäßiger und häufiger Anwendung halten die Lehrpersonen die Förderung der Leseflüssigkeit für möglich (vgl. Götz et al. 2017: 55). Zudem würden die Schüler / innen an Literatur herangeführt, da es ihnen wichtig sei, auch Details im Handlungsverlauf zu kennen oder Gefühle der Charaktere richtig zu interpretieren, um die Rolle aufführen zu können. Dadurch würde nach Meinung einer Lehrperson auf eine authentische Art und Weise ein tieferes Textverständnis gefördert ( LP 1, Z. 114-18) (Götz et al. 2017: 43). 4. Bedeutung im Kontext der Mehrsprachigkeit Das Mehrsprachige Lesetheater reagiert zum einen auf gesellschaftliche Anforderungen an die Mehrsprachigkeit als Kompetenzerwartung (vgl. Kommission der EG 2005: 4) und zum anderen auf die individuelle mehrsprachige Realität der Lernenden (vgl. Massler / Kutzelmann 2017). Die höheren Erwartungen an die fremdsprachlichen und insbesondere die mehrsprachigen Kompetenzen der Schüler / innen konnten bislang nicht ausreichend realisiert werden, wie Studien wie DESI , PISA sowie diejenige der Europäischen Kommission zeigen (vgl. Eurostat 2015). Im Gegenteil sank sogar der Anteil der Schüler / innen des Sekundarbereichs, die zwei oder mehr Fremdsprachen erlernten, von 57,2 % im Jahr 2007 auf 50, % im Jahr 2012 (ebd.). Der Alltag heutiger Schüler / innen hingegen ist stark mehrsprachig geprägt, da beispielsweise in Deutschland mehr als jede fünfte Person einen Migrationshintergrund aufweist. Mittelfristig wird sich der Anteil der Personen mit Migrationshintergrund weiter erhöhen, da 2015 bereits 35,9 % aller Kinder unter 5 Jahren einen Migrationshintergrund aufweisen (Bundeszentrale für politische Bildung 201). Daher überrascht nicht, dass das sprachliche Umfeld und die eigene Sprachpraxis vieler Schüler / innen stark vom Mischen verschiedener Sprachsysteme und der Verwendung sprachenübergreifender Formen geprägt sind (vgl. Jessner 200). 76 Kapitel 5 Mehrsprachiges Lesetheater Die Schule reflektiert diese veränderte lebensweltliche Realität der Schüler / innen zumeist jedoch noch nicht. Im Gegenteil, in der Schule „erfahren die Lernenden ein Nebeneinander von Sprachfächern und eine Trennung von Erstsprache, Zweitsprache (bei Schülerinnen und Schülern mit Migrationshintergrund) und Fremdsprache, aber auch Standardsprache und Dialekt“ (Hutterli et al. 2008: 12). Da Schüler / innen mit Migrationshintergrund ihre eigene Mehrsprachigkeit im Kontext Schule häufig eher negativ als positiv erleben (Elsner 2010: 113), bedarf es Unterrichtskonzepten, die ihnen helfen, eine positive Einstellung zur eigenen Mehrsprachigkeit zu gewinnen und ihnen zeigen, wie sie sie zum Lernen weiterer Sprachen konstruktiv nutzen können (vgl. ebd.). Curricula in Österreich, Deutschland, Luxemburg und der Schweiz integrieren das Thema Mehrsprachigkeit als Bildungsaufgabe bereits, indem sie anstelle eines isolierten Sprachenlernens die stärkere Vernetzung von Schul- / Herkunfts- und Fremdsprache postulieren (vgl. u. a. Herdina / Jessner 2002; Allgäuer-Hackl / Jessner 2013). Didaktiker / innen plädieren dafür, Synergien in den Lehr- und Lernprozessen des Schul- und Fremdsprachunterrichts zu schaffen (vgl. z. B. Hallet / Königs 2013; Neuner 2009). Sprachtheoretischer Hintergrund dieser Forderung ist die Annahme, dass es ein dynamisches Zusammenspiel zwischen den Sprachen sowie sprachenübergreifende Kompetenzen in einem mehrsprachlichen Repertoire gibt. Das Mehrsprachige Lesetheater ist durch die Verwendung von zwei und mehr Sprachen und durch seine spezifische Zielsetzung-- die sprachübergreifende Förderung von Leseflüssigkeit und Lesemotivation- - im Kontext der Mehrsprachigkeitsdidaktik angesiedelt (vgl. Massler / Kutzelmann 2017). Noch spezifischer kann es aufgrund der Integration der Schulsprache, in vielen Fällen der L1 der Lernenden, und des Wechsels zwischen den Sprachen im Kontext des Pedagogically Based Code-Switching (vgl. Corcoll 2013) verortet werden. Dieser Ansatz basiert auf der Überzeugung, dass die geplante und gezielte Verwendung der L1 oder anderer Lernersprachen das Lernen der Fremdsprache befördern kann (vgl. Peter / Unterthiner 2017). Die Nutzung plurilingualer Praktiken wie Code-Switching, Translanguaging und Übersetzungen wurde in der Fremdsprachendidaktik lange Zeit kritisch gesehen. Dies basierte auf der Annahme, dass die Trennung von Sprachen das Lernen fördert und die Präsenz von zwei oder mehr Sprachen gleichzeitig Interferenzen, insbesondere negativen Transfer, begünstigt, die Lernenden demotiviert, die Fremdsprache zu verwenden, oder die Menge an fremdsprachlichem Input reduziert (vgl. López / González-Davies 201: 7). Das didaktisch inszenierte Code-Switching, wie es beim Mehrsprachigen Lesetheater umgesetzt wird, stellt jedoch einerseits einen Spiegel der gesellschaftlichen Mehrsprachigkeit und des Alltags von mehrsprachigen Kindern und Jugendlichen dar. Andererseits üben sie dadurch einen in der heutigen Gesellschaft relevanten Aspekt der Mehrsprachigkeitskompetenz, nämlich zwischen den unterschiedlichen Sprachen flexibel wechseln zu können (vgl. Busch 2013: 181; Oksaar 1980: 43). Darüber hinaus kann das Mehrsprachige Lesetheater als ein exemplarisches Verfahren für einen sprachübergreifenden Unterricht angesehen werden, der die Lernenden dazu anregen möchte, das gesamte sprachliche Repertoire, das ihnen in der Situation zur Verfügung steht, zur Bewältigung der Aufgabe zu nutzen (vgl. Massler / Kutzelmann 2017: 84). Diese Form des sprachenübergreifenden Arbeitens soll implizit den Auf- und Ausbau von metalinguistic und crosslinguistic awareness unterstützen (vgl. Allgäuer-Hackl / Jessner 2013: 125). 77 5. Mehrsprachiges Lesetheater als Teil einer systematischen Leseförderung 5. Mehrsprachiges Lesetheater als Teil einer systematischen Leseförderung In der Regel ist die Vermittlung und Förderung von Lesekompetenzen nach Fächern aufgegliedert. Im Deutschunterricht geht es um das Lesen und Verstehen deutschsprachiger Texte, im Englischunterricht werden meist nur englischsprachige Texte gelesen, etc. Die Leseförderung mit dem Mehrsprachigen Lesetheater hebt diese fachlichen Grenzen zu einem gewissen Grad auf, denn in welchem Fach damit gearbeitet wird oder ob sogar eine fachübergreifende Umsetzung möglich ist, hängt lediglich von den jeweiligen schulischen Gegebenheiten ab. Die Schüler / innen können dadurch erfahren, weshalb wiederholtes halblautes Lesen nicht nur für die Leseflüssigkeit in der Schulsprache, sondern auch für die Leseflüssigkeit in der bzw. den Fremdsprache(n) wichtig ist. Dass Leseflüssigkeit unabhängig von der Sprache auf dieselbe Art und Weise trainiert werden kann, stellt für die Schüler / innen darum eine wichtige transferierbare Sprachlernerfahrung dar, bei der Synergie im Lernprozess geschaffen werden kann. Beim Mehrsprachigen Lesetheater handelt es sich um eine komplexe kooperative Übungsform, die jedoch den Lernenden nach der Bearbeitung von ein oder zwei Lesetheaterstücken vertraut ist. Bereits in der Grundschule kann das Verfahren Lesetheater zunächst monolingual in der Schulsprache eingeführt sowie einsprachige Lautlesetrainings in Einzel- und Partnerarbeit durchgeführt werden. Sobald die Grundschüler / innen fremdsprachlich lesen lernen, kann dann auch das Mehrsprachige Lesetheater eingesetzt werden, wodurch eine gute Basis für die weiterführende Vertiefung in den Sprachfächern der Sekundarstufe geschaffen wird. Idealerweise wird das Mehrsprachige Lesetheater in Abwechslung mit einzelsprachlichen Lautleseverfahren wie beispielsweise den Lesetandems eingesetzt (vgl. das Kapitel von Rosebrock in diesem Band). Die Lernenden erfahren somit auch die Sinnhaftigkeit des Übens mit anderen Lautleseverfahren. Darüber hinaus integriert es das Vorlesen von Lehrpersonen als ein leseanimierendes Verfahren (vgl. das Kapitel von Theinert / Hilbe / Peter in diesem Band). Das Mehrsprachige Lesetheater ist eines unter vielen denkbaren Verfahren einer mehrsprachigen Leseförderung. Zum einen kann es in fachdidaktischer Hinsicht Lehrpersonen fach- und sprachübergreifend für die Relevanz der Leseflüssigkeit sensibilisieren. Zum anderen bedingt der solchen sprach- und fachübergreifenden Verfahren zugrundeliegende mehrsprachigkeitsdidaktische Ansatz, dass die (verschiedenen) Sprachlehrkräfte einer Klasse gegenüber allen Sprachen offen sind und Leseförderung generell als gemeinsames Handlungsfeld mit entsprechenden Zielsetzungen betrachten. 78 Kapitel 5 Mehrsprachiges Lesetheater Zusammenfassung In diesem Kapitel lernten Sie ein innovatives Lautleseverfahren kennen. Bei der Arbeit mit dem Mehrsprachigen Lesetheater üben Schüler / innen, mehrsprachige dramatische Texte in verteilten Rollen szenisch vorzulesen. Charakteristisch ist insbesonders die sprachliche Gestaltung der dem Lesetraining zugrundeliegenden Lesetheaterstücke: Neben der Schulsprache werden in den Texten ein bis zwei in der Schule unterrichtete Fremdsprachen sowie von den Schüler / innen gesprochene Migrationssprachen verwendet. Die Arbeit mit dem Mehrsprachigen Lesetheater soll dazu beitragen, dass die Schüler / innen flüssiger und motivierter in verschiedenen Sprachen lesen. Studienfragen 1. Sammeln Sie zunächst sowohl Chancen als auch Herausforderungen bezogen auf den unterrichtlichen Einsatz des Mehrsprachigen Lesetheaters. Sehen Sie sich dann den Dokumentarfilm „Loud, deutlich, lentement: mit Mehrsprachigem Lesetheater Sprachgrenzen überwinden“ an, der auch die Sicht der Schüler / innen und Lehrkräfte darstellt, und ergänzen Sie Ihre gesammelten positiven und negativen Aspekte. Nach kostenloser Registrierung kann der Film unter folgender Adresse aufgerufen werden: http: / / melt-multilingual-readerstheatre.eu (unter: „Materialien“). 2. Ergänzen Sie bitte basierend auf den Ausführungen des Filmes didaktisch-methodische Hinweise zu den in diesem Kapitel genannten acht Schritten des Lehr- und Lernprozesses. Sie können hierzu auch die ausführliche Version des didaktisch-methodischen Kommentars zu Rate ziehen, der ebenfalls in o. g. Webportal heruntergeladen werden kann. 3. Wie kann eine Lehrkraft selbst für ihren Unterricht ein mehrsprachiges Lesetheaterstück erstellen? Erarbeiten Sie auf der Grundlage eines Kinder- oder Jugendromans exemplarisch eine Szene eines mehrsprachigen Lesetheaterstücks. Eine Anleitung hierfür finden Sie im Folgenden. Lektüreempfehlungen Kutzelmann, Sabine / Massler, Ute / Peter, Klaus / Götz, Kristina / Ilg, Angelika (Hrsg.) (2017): Mehrsprachiges Lesetheater. Handbuch zu Theorie und Praxis. Opladen: Barbara Budrich. Shepard, Aaron (2004): RT TIPS . A Guide to Reader’s Theater (or Readers Theatre). (http: / / www. aaronshep.com/ rt/ Tips.htm, 14. 10. 2017). 79 5. Mehrsprachiges Lesetheater als Teil einer systematischen Leseförderung Anleitung zur Dramatisierung von mehrsprachigen Lesetheaterstücken am Beispiel von Bend it like Beckham Sabine Kutzelmann / Ute Massler Im Folgenden werden die einzelnen Schritte beschrieben, wie bei der Erstellung der Unterrichtsmaterialien, d. h. der Lesetheaterskripts für die Schüler / innen und des Vorlesetextes für die Lehrperson für MELT am Beispiel von Bend it Like Beckham vorgegangen werden kann. 1. Auswahl eines Buches ▶ Film / Buch aus anglophonem Sprachraum, internationaler Bestseller, realistische Geschichte, hohes Identifikationspotenzial (Protagonistin ist Jugendliche, entspricht in etwa Lesergruppe) Realistische Geschichte-- weitere interessante Aspekte bezüglich Mehrsprachigkeit ▶ Fokus auf interkulturelle Kontexte, in denen verschiedene, kulturell geprägte Perspektiven sowie dadurch entstehende entsprechende Konflikte deutlich werden ▶ Vertreter / innen verschiedener Kulturen treffen aufeinander, eine Migrationskultur ist vorhanden ▶ Protagonist / in bzw. weitere wichtige Figur(en) ist / sind bikulturell oder gehört / gehören einer / mehrerer anderen Kultur(en) an ▶ die Verwendung einer oder mehrerer Migrationssprachen ist denkbar bzw. bereits im Text vorhanden 2. Auswahl und Kommentierung geeigneter Textpassagen ▶ Kursivlesen des Buches ▶ Identifizieren von Passagen, die potenziell geeignet sind, in ein mehrsprachiges Lesetheaterstück umgewandelt zu werden ▶ Scannen der relevanten Passagen sowie ein, zwei weiterer Seiten vor dem jeweiligen Beginn der ausgewählten Passage, um Mitarbeitenden das Einfinden in die Texte / die jeweiligen Passagen zu ermöglichen ▶ Bitte beachten: Im Unterricht übernimmt die Lehrkraft eine vermittelnde Rolle und fasst zusammen, was zwischen den Lesetext-Passagen passiert ist 3. Kriterien für die Auswahl geeigneter Textpassagen Wir unterscheiden grundsätzlich zwischen zwei Varianten: ▶ Version A: Passagen aus Anfangsbereich des Textes, um bei Schüler / innen Lesemotivation für Weiterlesen zu schaffen 80 Anleitung zur Dramatisierung von mehrsprachigen Lesetheaterstücken am Beispiel von Bend it like Beckham ▶ Version B: Passagen aus ganzem Buch, wenn es als Ganzlektüre behandelt wird (Diese Variante ermöglicht es, MELT didaktisch-methodisch in die Behandlung von Ganztexten einzubinden.) Darüber hinaus sind die folgenden Kriterien entscheidend für die Auswahl der Passagen: ▶ Passage enthält mehrere Sprecher / innen, evtl. mehrere Erzähler / innen ▶ Es handelt sich um inhaltlich bedeutsame Passagen, die entweder entscheidende Veränderungen in der Handlung darstellen, wichtige Erkenntnisse über Personen liefern (Interessen, Vorlieben, Abneigungen, Einstellungen o. Ä.), Beziehungen zu anderen illustrieren oder Konflikte repräsentieren bzw. verdeutlichen, verschärfen oder lösen ▶ Es sind handlungsreiche Passagen, die z. B. die Entwicklung einer oder mehrerer Personen verdeutlichen, Konflikte zwischen Personen / Situationen darstellen, die für die Lesenden und später auch die Zuhörenden interessant sind und ausdrucksstarkes Lesen erlauben Die folgende Tabelle zeigt beispielhaft, weshalb die Textpassagen als geeignet für die Dramatisierung erachtet wurden. Passage: Beginn/ Ende Bewertung / Kommentierung S. 7 oben-S. 10 oben Vorlesepassage der Lehrkraft Jess und ihre Fußballleidenschaft werden vorgestellt, es wird deutlich, dass ihre Mutter kein Verständnis dafür hat, dass ihre Tochter Fußball spielt, Hochzeit der Schwester wird angekündigt sowie die Tatsache, dass die Schwester deshalb ganz aus dem Häuschen ist. ▶ Wichtige Personen werden eingeführt ▶ Konfliktpotenzial wird deutlich ▶ Familiärer Kontext wird angedeutet S. 15-17 oben (Saat Sri Akal …) Beim Einkaufen treffen Jess und ihre Schwester Tony (Jess’ Freund) und dessen Mutter ▶ Lebendige Szene, in der viel kommuniziert wird ▶ Tony als wichtige Bezugsperson von Jess wird eingeführt ▶ Jess und Pinky werden näher charakterisiert ▶ Generationenkonflikt wird angedeutet ▶ Elterliche Vorstellungen zu Jess’ Zukunft werden thematisiert, die in Gegensatz zu Jess’ Träumen stehen => Konflikt wird weiter vorbereitet ▶ Typisch indische Verhaltensmuster / -traditionen werden erwähnt S. 40-42 (unten) Eltern konfrontieren Jess mit der Beobachtung einer vermeintlichen Knutscherei mit einem englischen Jungen ▶ Dialogstarke Szene ▶ Konfliktreiche, jedoch auch lustige Szene aufgrund der falschen Annahmen aufseiten der Eltern und der Theatralik, mit der die Mutter argumentiert 4. Das Vorleseskript der Lehrkraft Zu Beginn einer Lesetheatereinheit liest die Lehrkraft einen mehrsprachigen Ausschnitt des Originaltextes vor. Diese Passage entspricht bei Jugendliteratur zumeist dem tatsächlichen Beginn des Buches. Wichtig für die Auswahl sind folgende Aspekte: 81 Anleitung zur Dramatisierung von mehrsprachigen Lesetheaterstücken am Beispiel von Bend it like Beckham ▶ Wichtigste Charaktere müssen vorkommen ▶ Erste Charakterisierungen der wichtigsten Figuren sollten vorhanden sein ▶ Zentraler Konflikt wird evtl. angedeutet oder bereits eingeführt ▶ Setting (Zeit, Ort) wird eventuell eingeführt oder zumindest angedeutet ▶ Vorlesepassage kann aus verschiedenen Einzeltextteilen zusammengesetzt werden- => es bedarf einer Vermittlung zwischen einzelnen Textteilen durch Lehrkraft ▶ Es können auch Kürzungen vorgenommen werden ▶ Textpassagen sind je nach Lernerniveau und Kontext mehrheitlich in Schulsprache oder in Fremdsprache bzw. in ausgewogenem Verhältnis zueinander; Sprachniveau des Textes ist entscheidend, beispielsweise wird es nicht möglich sein, The Hobbit im Original ohne Vereinfachungen und Kürzungen in die Vorlesepassagen zu übernehmen ▶ Textpassagen beginnen zumeist mit Schulsprache ▶ Bei niedrigerem fremdsprachlichem Niveau werden nur kürzere fremdsprachliche Passagen eingefügt ▶ Eventuell müssen fremdsprachliche Vereinfachungen vorgenommen werden 5. Das Vorgehen bei der Erstellung der Lesetheaterskripts für die Schüler / innen Verwenden der Formatvorlage ▶ Eine Formatvorlage kann unter folgender Adresse aufgerufen werden: http: / / meltmultilingual-readers-theatre.eu (unter: „Materialien“) Version definieren ▶ Entscheiden, ob man Lesetheaterskripts für Version A oder B erstellt (s. oben) Das Vorleseskript für die Lehrkraft ▶ Festlegen, welche Passagen die Lehrkraft vorliest, um die Lernenden vor dem Beginn der Arbeit mit den Lesetheaterskripts in den Text einzuführen Grundlegende Informationen für die Lehrkraft erstellen ▶ Festlegen, welche zusätzlichen Informationen die Lernenden benötigen (weitere Zusammenfassung, Vorstellung relevanter Personen und Sprachen, kontextuelles (z. B. kulturelles) Wissen o. Ä.) ▶ Anzahl Lesende (Größe der Lesekreise, da Doppelrollen möglich sind) ▶ Anzahl der Leserollen sowie deren Bezeichnung (Namen) ▶ Anzahl der Erzähler / innen ▶ Fremdsprachliches Anforderungsniveau (A1.2, B2,-…) ▶ Anzahl der Wörter ▶ Besondere Informationen wie z. B. genderspezifische Informationen etc. 82 6. Allgemeine Hinweise Identifizieren von Rollen ▶ Besondere Problematik bei Ich-Erzählungen (Jess als Ich-Erzählerin / Jess als Sprecherin). Hier muss überlegt werden, ob die Sprecherrolle identisch ist mit der Erzählerrolle oder ob dadurch zu lange Textpassagen für diese Rolle entstehen. Lösungsmöglichkeiten sind: Kürzungen der Textpassagen, Aufteilen auf zwei Rollen (dann evtl. nötig besondere Regieanweisungen für die Aufführung geben: Ich-Erzähler / in ist hinter oder direkt neben der Erzählerrolle positioniert) Aufteilen des Textes in die entsprechenden Rollen und notwendige Veränderungen hinsichtlich der Rollenanteile vornehmen ▶ Es sollte vermieden werden, dass ein / e Sprecher / in zweimal direkt hintereinander liest. Folgende Maßnahmen sind möglich, z. B. Aufteilen von Passagen einer Rolle in Erzähler- und Sprecheranteile, Umformen von Ich-Erzählerpassagen in Erzählerpassagen. Im vorliegenden Beispiel wird die Figur „Jess“ als Ich-Erzählerin zusätzlich ausgewiesen, um den Unterschied zur Sprecherrolle zu verdeutlichen. ▶ Im Gegensatz dazu können auch neutrale Erzählerrollen eingeführt werden, die Textpassagen sprechen, die keine Innenperspektive (kein explizites erzählendes Ich) eines der Charaktere darstellen. Zudem ermöglicht dies die Generierung von zusätzlichen Erzählerrollen, um eine genügend große Anzahl von Rollen in einem Lesetext zu gewährleisten. Wenn notwendig, Kürzungen vornehmen ▶ Begleitsätze der direkten Rede (sie sagte, seufzte,-…) können gestrichen werden. Dramaturgische Begründung hierfür: Begleitsätze der direkten Rede sind für Zuhörende häufig uninteressant. Didaktische Dimension: dramaturgische Zusätze sind in Lesetheatern nicht notwendig bzw. sogar kontraproduktiv. Ihr Fehlen ermöglicht den Lesekreisen (d. h. den Schülerarbeitsgruppen) bzw. den Sprechenden, die Rolle mit ihren stimmlichen Mitteln zu interpretieren, und zielt auf eine Vertiefung des Textverständnisses. Notwendige Ergänzungen ▶ In multikulturellen literarischen Texten sind häufig Passagen in einer der Sprachen der bikulturellen Charaktere enthalten (z. B. Hindi in Bend it like Beckham) und / oder in einer Sprache, die für die Mehrzahl bzw. alle Lernenden nicht verständlich sind. Sollten diese Textpassagen im Original erhalten bleiben, so empfiehlt es sich, die inhaltliche Bedeutung durch eine Übersetzung und die Aussprache mithilfe eines phonetischen Skripts in Anmerkungen / Fußnoten festzuhalten. Notwendige Umstellungen ▶ Um ein zu starkes Aufsplittern einer Rolle zu vermeiden, können Textpassagen zusammengeführt werden, die durch Einschübe wie direkte Rede, Kommentare des Erzählers / der Erzählerin oder Darstellungen von Handlungen entstehen (z. B. Nr. x / y in Bend it like Beckham). Anleitung zur Dramatisierung von mehrsprachigen Lesetheaterstücken am Beispiel von Bend it like Beckham 83 ▶ Um zu gewährleisten, dass die Lernenden Übungsanteile mit ähnlichem Umfang haben und möglichst in allen Phasen des Lesetheaters präsent sind, können Anteile einer anderen Rolle umgewidmet werden. Dies betrifft insbesondere Erzähler- / Ich-Erzählerrollen. Hinweise zur Integration der fremdsprachlichen Passagen Verschiedene Versionen sind möglich: ▶ Version A: Alle Sprecherrollen sind in der Fremdsprache gehalten, alle Erzählerrollen in der Schulsprache ▶ Version B: Sprecher- und Erzählerrollen sind in beiden Sprachen gehalten, Sprachen wechseln nach bestimmten Vorgaben (weiter auszuarbeitende Varianten) Weitere Hinweise für Version A ▶ Passagen der Sprecherrollen orientieren sich an der konzeptionellen Mündlichkeit, die Erzählerrollen an der konzeptionellen Schriftlichkeit. Alltagsnahes Sprechen stellt einen geringeren Anspruch an die fremdsprachliche Kompetenz sowohl beim Sprechen selbst als auch beim Hören. Schwierigkeitsgrad fremdsprachliche Anteile ▶ Einschätzung des Schwierigkeitsgrades abgeben durch Entwickler / innen des Lesetextes (Einstufung nach Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen, hohe Anteile an Fremdsprache vs. geringere o. Ä.). Sprachenwechsel zwischen Erzähler / in und Sprecher / in ▶ Zum Beispiel: Erzähler / in liest Englisch und Sprecher / in liest Deutsch oder eine Mischung. Innerhalb eines Lesetheaterstücks sollte der Wechsel der Sprachen kohärent sein. Eine Mischung ist dann sinnvoll, wenn mehrheitlich die Erzählerrolle vorkommt, damit die Fremdsprache nicht zu kurz kommt. Genderspezifische Lesetheaterskripts ▶ Eventuell sollten genderspezifische Lesetheaterskripts definiert werden. Falls beispielsweise weibliche Sprecherrollen in einem Lesetheaterskript überwiegen, ermöglicht ein besonderer Vermerk für die Lehrkraft (siehe auch „Notizen zum didaktischen Kommentar“), dies bei der Gruppenbildung mitzubedenken. Erfahrungsgemäß haben Mädchen oftmals weniger Mühe beim Vorlesen von Jungenrollen. Anleitung zur Dramatisierung von mehrsprachigen Lesetheaterstücken am Beispiel von Bend it like Beckham 85 5. Mehrsprachiges Lesetheater als Teil einer systematischen Leseförderung Kapitel 6 Mehrsprachiges Vorlesen durch die Lehrperson Ein neues Konzept der sprachübergreifenden Leseanimation in Schul- und Fremdsprache Kerstin Theinert, Klaus Peter, Robert Hilbe Fragen 1. Denken Sie an Situationen, in denen Ihnen bisher vorgelesen wurde: Warum wurde Ihnen vorgelesen? Wie haben Sie das Vorgelesen-Bekommen erlebt? 2. In welchen Situationen lesen Sie vor? Wie gestalten Sie diese Vorlesesituationen? Wie erleben Sie sich selbst als Vorleser / in? 3. Wenn Sie an fachübergreifende Projekte in Ihrer Schulzeit zurückdenken: Inwiefern haben Sie vom fächerverbindenden Arbeiten als Schüler / in profitiert? Abstract In diesem Kapitel wird ein innovatives Unterrichtskonzept für die schulische Leseförderung vorgestellt, bei der die Lehrperson den Schüler / innen in der Sekundarstufe I über mehrere Wochen einen literarischen Text in zwei Sprachen vorliest. Der Vorlesetext wird dazu so aufbereitet, dass sich schul- und fremdsprachige Sequenzen abwechseln. Deutsch wirkt damit als Brücke zu den fremdsprachigen Textpassagen: Die Sprachkombination erleichtert das Verständnis und trägt damit zu einem gesteigerten Erfolgserlebnis der Lernenden in der Fremdsprache bei. Nach der Lektüre dieses Kapitels kennen Sie die Potenziale des Vorlesens durch die Lehrperson, sehen den Mehrwert der Verbindung von Schul- und Fremdsprache und können wichtige Prinzipien für die Umsetzung des mehrsprachigen Vorlesens im Unterricht der Sekundarstufe I nennen. Einleitung Das Unterrichtskonzept Mehrsprachiges Vorlesen durch die Lehrperson (MeVoL), das im Rahmen eines von der Internationalen Bodensee-Hochschule ( IBH ) geförderten Kooperationsprojekts der Pädagogischen Hochschulen St. Gallen, Vorarlberg und Weingarten zwischen 2014 und 201 entwickelt wurde, baut auf einer Unterrichtsmethode auf, die bisher vorwiegend im Sprachunterricht der Grundschule eingesetzt wird: das Vorlesen durch die Lehrperson. MeVoL entwickelt diese traditionellerweise auf die Schulsprache beschränkte Methode durch einen mehrsprachigen Ansatz für die Sekundarstufe I weiter, indem die Lehrperson regelmäßig zweisprachig aufbereitete Texte im (Fremd)Sprachenunterricht vorliest. 86 Kapitel 6 Mehrsprachiges Vorlesen durch die Lehrperson Dieses Kapitel beleuchtet das Unterrichtsdesign Mehrsprachiges Vorlesen sowohl aus theoretischer als auch aus praktischer Perspektive. Es wird im Folgenden zunächst erläutert, auf welchen didaktischen Überlegungen MeVoL basiert. Anschließend wird dargestellt, wie bei der Entwicklung des Unterrichtskonzepts vorgegangen wurde und welche Erkenntnisse zur Gestaltung des mehrsprachigen Vorlesens durch die Erprobungen in den Klassen gewonnen wurden. Kernstück dieses Kapitels bilden die fünf Teilkomponenten des Unterrichtsdesigns, von denen drei besonders fokussiert werden: die Gestaltung der Vorlesetexte, der Vorleseprozess durch die Lehrperson sowie Scaffolding-Maßnahmen zur Verständnissicherung. Die gewonnenen Gestaltungsprinzipien für die Vorlesetexte, das Vorlesen und das scaffolding bilden eine praktische Grundlage für den Einsatz von MeVoL im Unterricht. 1. Theoretische Grundlagen Vorlesen als leseanimierendes Unterrichtsverfahren Vorlesen im Kindesalter gilt als ein zentraler Faktor einer gelingenden Lesesozialisation. Zum einen bieten Vorlesesituationen Klein- und Vorschulkindern eine anregende Lernumgebung, die den Auf- und Ausbau sprachlicher Kompetenzen sowie die Ausbildung der Fähigkeit zum Umgang mit literarischen Texten zu unterstützen vermag: So werden Kleinkinder durch das Vorlesen im Gegensatz zu Alltagsgesprächen mit sprachlichen Mitteln konfrontiert, die typisch für geschriebene Sprache sind, und sie lernen im Rahmen von Vorlesegesprächen Interaktionsmuster kennen, die für die gemeinsame Bedeutungskonstruktion wichtig sind. Gleichzeitig werden sie durch das Vorlesen an den Umgang mit narrativen Strukturen und nicht kontextgebundener Sprache herangeführt (vgl. für einen Überblick Bastian 2014: 31-35). Zum anderen scheint Vorlesen insbesondere auch positive Auswirkungen auf die spätere Lesemotivation und das Leseverhalten zu haben (vgl. Richter / Plath 2012). Jugendliche, denen in der Kindheit regelmäßig vorgelesen wurde, lesen im Vergleich zu Jugendlichen, denen nicht vorgelesen wurde, im Alltag häufiger und bewerten das Lesen auch positiver (vgl. Stiftung Lesen 2011). Vor diesem Hintergrund ist es nicht verwunderlich, dass Vorlesen in der Lesedidaktik als leseanimierendes Verfahren gilt (vgl. Rosebrock / Nix 2015: 113)-- stets im Bewusstsein, dass didaktische Interventionen in der Schule die familiäre Lesesozialisation allenfalls ergänzen können (vgl. Bastian 2014: 45). Dem Vorlesen von Texten kommen grundsätzlich vielfältige Funktionen zu (vgl. z. B. Belgrad / Klipstein 2015: 181-183); je nach Vorlesesituation treten einzelne dieser Funktionen in den Vordergrund. Im Unterrichtsdesign Mehrsprachiges Vorlesen sind dies u. a. die Teilhabe an Schriftlichkeit (und damit die Teilhabe am literarischen Diskurs) sowie die Ermöglichung positiver literarischer Erfahrungen (literary experience, vgl. Rosenblatt 1970)- - beides Faktoren, die für die Lesemotivation bedeutend sind (vgl. Theinert / Unterthiner / Zerlauth 2017). Nach dem erfolgreichen Abschluss des Leseerwerbs ist Teilhabe am literarischen Diskurs auch durch das Selber-Lesen von Texten möglich. Es ist jedoch davon auszugehen, dass es Leser / innen gibt, denen positive literarische Erfahrungen aufgrund mangelnder Lesefertigkeiten verwehrt bleiben. 87 1. Theoretische Grundlagen In MeVoL liest die Lehrperson regelmäßig zweisprachige Texte (Deutsch-Englisch bzw. Deutsch-Französisch) im (Fremd)Sprachenunterricht vor. Durch diese Vorlesesituation unterscheidet sich die Textrezeptionssituation von den ansonsten typischen Lesesituationen der Schüler / innen, in denen ein Text entweder still alleine oder reihum in der Klasse gelesen wird. Das Vorgelesen-Bekommen ist zwar wie das Selber-Lesen ein Rezeptionsprozess, allerdings mit dem Unterschied, dass die Rezeption nicht nur durch die Faktoren Text und Rezipient / in, sondern zusätzlich durch die Variable Vorleser / in bestimmt wird (vgl. ebd.: 74). Aufgrund dieser zusätzlichen Variable ergeben sich für die Vorlesesituation im Vergleich zur Lesesituation einige Besonderheiten, von denen die folgenden dazu beitragen können, dass Vorlesen im Kontext von MeVoL leseanimierend wirken kann (vgl. ebd.: 75): 1. Das Lesen von Schüler / innen ist ein Einzelerlebnis (visuelle Stimulation durch den Text), wohingegen das Vorgelesen-Bekommen als Zweier- oder Gruppenerlebnis auditiv erfahrbar wird. 2. Die Leseflüssigkeit des Lesers / der Leserin ist eine zentrale Voraussetzung für das Textverständnis der gelesenen Texte. Beim Vorgelesen-Bekommen bietet die Lehrperson den nötigen Grad an Leseflüssigkeit und stellt eine für die Schüler / innen angemessene Vorlesegeschwindigkeit sicher. 3. Das prosodic parsing, also das phrasierte Lesen („die Fähigkeit zum betonten und sinngestaltenden Vorlesenkönnen“, Rosebrock / Nix / Rieckmann / Gold 201: 19), ist beim Lesen von der Lesefertigkeit des Lesers / der Leserin abhängig, während dies beim Vorlesen durch die vorlesende Person gewährleistet wird. 4. Besonders schwache Leser / innen empfinden aufgrund des anstrengenden Dekodierprozesses wenig Genuss beim Lesen, beim Vorgelesen-Bekommen ist hingegen mehr Genuss möglich, da die zuhörende Person weniger Anstrengung aufwenden muss. Das Unterrichtsdesign Mehrsprachiges Vorlesen zielt u. a. auf Leseanimation als einen der zentralen Ansatzpunkte der Leseförderung ab. Leseanimation allein reicht für eine umfassende Leseförderung jedoch nicht aus: Schüler / innen, die über geringe basale Lesefertigkeiten verfügen, werden über Verfahren der Leseanimation wahrscheinlich nicht zu Vielleser / innen (vgl. hierzu auch Rosebrock / Nix 2015: 112-115). Voraussetzung dafür, dass Lesen als Genuss erlebt werden kann, sind immer auch basale Lesefertigkeiten wie z. B. Leseflüssigkeit oder ranghöhere Fertigkeiten wie der Einsatz von Strategien zur Herstellung kohärenter Repräsentationen des Textinhaltes. Vorlesen wird im Unterrichtsdesign Mehrsprachiges Vorlesen deshalb als ein Mosaikstein einer umfassenden Leseförderung betrachtet, die diese zusätzlichen Aspekte berücksichtigt. Zur Bedeutung des mehrsprachigen Ansatzes Wie eingangs erwähnt, wurde das Unterrichtsdesign sprachübergreifend konzipiert. Der sprachübergreifenden Konzeption liegt u. a. die Annahme der neueren Mehrsprachigkeitsforschung zugrunde, der zufolge die einzelnen Sprachen, die ein Sprecher / eine Sprecherin im Laufe seines / ihres Lebens erwirbt, nicht getrennt voneinander gespeichert und kognitiv 88 Kapitel 6 Mehrsprachiges Vorlesen durch die Lehrperson repräsentiert sind. Zwischen den verschiedenen erworbenen Sprachen bestehen unterschiedliche Wechselwirkungen (vgl. Herdina / Jessner 2002: 129-131): Sprecher / innen, die mehrere Sprachen (zumindest teilweise) sprechen, greifen bei der Bewältigung kommunikativer Aufgaben nicht nur auf die Ressourcen einer einzelnen Sprache zurück, sondern auf ihr gesamtes sprachliches Repertoire (vgl. ebd.). Aus spracherwerbstheoretischer Sicht wird in der Mehrsprachigkeitsforschung davon ausgegangen, dass alle bereits bekannten Sprachen den Erwerb weiterer Sprachen unterstützen (vgl. Hufeisen 1998). Eine zentrale Rolle hierbei spielt die meta-linguistische Bewusstheit (meta-linguistic awareness, vgl. Allgäuer-Hackl / Jessner 2013: 125-127). Sie befähigt Lernende dazu, sich reflexiv mit sprachlichen Formen und Strukturen auseinanderzusetzen. Diese Fähigkeit wird auch als „sprachenübergreifende Bewusstheit“ (cross-linguistic awareness) bezeichnet (vgl. ebd.). Sprachenübergreifende Bewusstheit ist die Voraussetzung dafür, um durch Sprachvergleiche noch unbekannte sprachliche Strukturen zu erschließen: Das können auf lexikalischer Ebene die Bedeutung von Internationalismen wie engl. accident- - frz. accident- - span. accidente oder auf grammatikalischer Ebene die Funktionen grammatischer Morpheme wie span. compr-aba- - ital. compr-ava (‚kaufen‘, 3. P. Sg. Prät. Ind. akt.) sein. Zur cross-linguistic awareness zählt ferner u. a. die Fähigkeit, Lernstrategien, die für den Erwerb oder auch für die Rezeption und Produktion in einer Sprache angewendet werden, auch in anderen Sprachen einzusetzen. Diese Grundannahmen der Mehrsprachigkeitsforschung spiegeln sich auch in Konzepten der Mehrsprachigkeitsdidaktik wider: Mehrsprachigkeitsdidaktik zielt auf „das vernetzende Sprachenlernen zur Verbesserung des Fremdsprachenunterrichts, der Sprachlernkompetenz und der Förderung der produktiven und rezeptiven Mehrsprachigkeit“ (Meißner 2003: 27) ab. In den letzten Jahren sind eine Reihe verschiedener mehrsprachigkeitsdidaktischer Ansätze mit jeweils unterschiedlichem Fokus entstanden (für einen Überblick siehe Martinez 2015). Im Unterrichtsdesign Mehrsprachiges Vorlesen spielt das Konzept des Transfers von sprachlichem Wissen von einer auf eine andere Sprache eine zentrale Rolle: Insbesondere durch das Hörstrategietraining, das Teil des Unterrichtsdesigns ist, sollen Schüler / innen ein Bewusstsein dafür aufbauen, dass ein und dieselbe Rezeptionsstrategie in unterschiedlichen Sprachen angewendet werden kann (vgl. Peter / Unterthiner 2017b). 2. Der Entwicklungsprozess des Unterrichtskonzepts Das Unterrichtsdesign Mehrsprachiges Vorlesen durch die Lehrperson wurde in enger Zusammenarbeit mit sieben Partnerschulen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz entwickelt. Methodisch orientierten wir uns dabei an den Grundsätzen des Design-Based- Research-Ansatzes ( DBR ), der in den 1990er Jahren im Kontext der Lehr- und Lernforschung entstanden ist, um Defizite der empirischen Bildungsforschung auszugleichen und um den Transfer wissenschaftlicher Erkenntnisse in die Praxis zu verbessern (vgl. Euler 2014: 1; Reinmann 2005: 58). DBR zielt auf die theoretisch und empirisch gestützte Entwicklung nachhaltiger Innovationen für konkrete Probleme der schulischen Praxis ab. Eine Interventionsmaßnahme wird dazu in mehreren Entwicklungszyklen von Gestaltung, Erprobung, Analyse und Redesign optimiert. MeVoL wurde zu diesem Zweck im regulären Unterricht der 7. und 89 3. Komponenten des mehrsprachigen Vorlesens 8. Klassen der Partnerschulen umgesetzt, wobei verschiedene Varianten der mehrsprachigen Vorlesetexte und der begleitenden Aufgaben getestet und aufgrund von Unterrichtsbeobachtungen und Rückmeldungen der Lehrpersonen sowie der Schüler / innen schrittweise verbessert wurden (vgl. Kutzelmann / Hilbe 2017). Dieser Entwicklungsprozess beabsichtigte, ein Unterrichtskonzept zu erarbeiten, das einerseits die Bereitschaft der Schüler / innen weckt, sich mit literarischen Texten auseinanderzusetzen, und andererseits die Akzeptanz bei Lehrpersonen sowie Schüler / innen erhöht, sich auf Lernprozesse in mehrsprachigen Unterrichtssettings einzulassen. Gemäß den Grundsätzen von DBR wurde dabei eine doppelte Zielsetzung verfolgt: Es sollten „kommunizierbare Theorien“ entwickelt werden, „die kontextsensitiv und für die Praxis brauchbar sind, gleichzeitig aber auch die wissenschaftliche Erkenntnis zum Lernen und Lehren erhöhen“ (Reinmann 2005: 2). Die Praktikabilität des entwickelten Konzepts wurde u. a. im Rahmen einer Akzeptanzerhebung unter Schüler / innen und Lehrpersonen überprüft. Es zeigte sich, dass sowohl Lehrpersonen als auch Lernende in der Neuartigkeit des Unterrichtsdesigns einen Mehrwert sehen, der als gute Abwechslung und Ergänzung zum herkömmlichen Fremdsprachenunterricht angesehen wird (vgl. Hilbe / Kutzelmann / Massler / Peter 2017b). Die Erkenntnisse aus dem Entwicklungs- und Forschungsprozess von MeVoL wurden in Form von Gestaltungsprinzipien verdichtet, die didaktisch-methodische Hinweise für die Umsetzung des mehrsprachigen Vorlesens geben. Diese Prinzipien, die in diesem Kapitel vorgestellt werden, gelten kontextspezifisch für die Sekundarstufe I, sie sind jedoch so allgemein formuliert, dass eine Übertragung auf andere Texte, Sprachen und Gegebenheiten des Unterrichts möglich ist. Die Gestaltungsprinzipien dürfen jedoch nicht als „Unterrichtsrezepte“, die „eins zu eins“ angewendet werden können, missverstanden werden; es handelt sich um Abstraktionen und Generalisierungen konkreter Beobachtungen im Entwicklungsprozess, die bei der Umsetzung des Unterrichtsdesigns unter Berücksichtigung des Lehr- und Lernkontextes durch die Lehrperson wiederum konkretisiert werden müssen. 3. Komponenten des mehrsprachigen Vorlesens Überblick Das Unterrichtsdesign MeVoL umfasst fünf Komponenten, die das didaktisch-methodische Vorgehen während einer mehrsprachigen Vorlesesequenz bestimmen (vgl. Abb. 1): 1. einen zweisprachig aufbereiteten Vorlesetext, bei dem alternierend Sequenzen in der Schul- und in der Fremdsprache verwendet werden, 2. das gestaltende Vorlesen durch die Lehrperson, 3. Aufgaben zum scaffolding, die vor, während oder nach dem Vorlesen zur Verständnissicherung eingesetzt werden, 4. Anschlusskommunikation, die nach dem Vorlesen eine Bearbeitung und Reflexion des Textinhalts im sozialen Kontext der Klasse ermöglicht und 5. ein Training zum Einsatz von Hörstrategien. 90 Kapitel 6 Mehrsprachiges Vorlesen durch die Lehrperson Abb. 1: Komponenten des Mehrsprachigen Vorlesens Für das Vorlesen eines mehrsprachigen Textes sind zwischen vier und acht Unterrichtssequenzen vorgesehen, die ohne große zeitliche Unterbrechungen innerhalb von zwei bis drei Wochen in einer Klasse durchgeführt werden. Diese kompakte Durchführung soll sicherstellen, dass die Schüler / innen an vorausgehende Vorlesesequenzen anknüpfen können und der inhaltliche Faden wiederaufgenommen werden kann. Eine einzelne Unterrichtssequenz des mehrsprachigen Vorlesens benötigt 30 bis 45 Minuten, wovon etwa 10 bis 15 Minuten dem Vorlesen und die restliche Zeit den vorbzw. nachbereitenden Aufgaben gewidmet sind. Der Ablauf einer prototypischen Unterrichtssequenz ist wie folgt strukturiert: ▶ einleitende Scaffolding- / Strategietrainingsaufgaben (z. B. inhaltliche Vorentlastung durch Voraussagen), ▶ Vorlesen durch die Lehrperson auf Deutsch (Umfang bis ca. 400 Wörter), ▶ Zusammenfassung des bisher Gelesenen in ein bis zwei Sätzen in der Fremdsprache durch die Lehrperson, ▶ Fortsetzung in der Fremdsprache (Umfang bis ca. 400 Wörter), 91 3. Komponenten des mehrsprachigen Vorlesens ▶ ergänzende Aufgaben (post-listening scaffolds, Thematisierung von Strategien und / oder Anschlusskommunikation). Variationen dieses Ablaufs können sich aus situativen Bedingungen oder einer stärkeren Gewichtung einzelner Komponenten während einer Unterrichtssequenz ergeben. Kernstück bildet das Vorlesen, das in jeder Sequenz von geeigneten Scaffolding-Maßnahmen davor und / oder danach begleitet wird. Die Anschlusskommunikation und die Thematisierung von Hörstrategien, die nicht in jeder Sequenz gleichermaßen berücksichtigt werden, ergänzen das didaktisch-methodische Design. Im Folgenden wird auf drei zentrale Komponenten genauer eingegangen: die Vorlesetexte, das Vorlesen durch die Lehrperson und Scaffolding-Maßnahmen zur Unterstützung des Verständnisses der Schüler / innen. Vorlesetexte und Vorlesen durch die Lehrperson Das gestaltende Vorlesen Wie bereits ausgeführt, kann das gestaltende Vorlesen im Vergleich zum Selber-Lesen die literarische Erfahrung der Schüler / innen unterstützen, ihren Rezeptionsgenuss erhöhen und ihr Textverständnis erleichtern. Zum gestaltenden Vorlesen (vgl. Trelease 2013: 73-79) zählen neben dem flüssigen Lesen durch die Lehrperson auch eine angemessene Prosodie, das bereits erwähnte prosodic parsing. Zu diesem betonten und sinngestaltenden Vorlesen gehören Elemente wie z. B. Aussprache, Betonung, bewusstes Pausensetzen, Bindungen, Rhythmus und Intonation (vgl. Brewster / Ellis 2004: 200). Zudem können erweiterte Gestaltungsmöglichkeiten das Textverstehen in der jeweiligen Vorlesesituation positiv beeinflussen. Diese sind insbesondere im non- und paraverbalen Bereich angesiedelt, beispielsweise der Einsatz entsprechender Mimik und Gestik, Blickkontakt und Körperhaltung (vgl. Wright 1995: 17) sowie Geräusche oder lautmalerische Interjektionen. Darüber hinaus spielen bei MeVoL vor allem auch die Auswahl und der Aufbau der Vorlesetexte bei der Unterstützung der literarischen Erfahrung eine zentrale Rolle. Vorlesetexte in MeVoL: Auswahl und Aufbau Aufgrund der fremdsprachigen Passagen in den Vorlesetexten ist die Textverständlichkeit ein wichtiges Kriterium für die Auswahl der vorzulesenden Texte. Dazu zählen in Anlehnung an Christmann / Groeben (2001: 183-191) vor allem die sprachliche Einfachheit (z. B. viele geläufige Konkreta oder Aktivkonstruktionen), die kognitive Gliederung (z. B. klarer und transparenter Satzaufbau) sowie die Interessantheit der Texte. Die konkrete Textauswahl orientierte sich zudem an pragmatischen Kriterien, z. B. ob vereinfachte Fassungen der Texte auf GERS - Niveau A1 / B1 zu Texten der internationalen Kinder- und Jugendliteratur bereits vorlagen. Des Weiteren spielte auch das Feedback der beteiligten Lehrpersonen eine zentrale Rolle. Deren Einschätzung zu den ihnen vorgelegten Texten bezüglich (fremd-)sprachliche Anfor- 92 Kapitel 6 Mehrsprachiges Vorlesen durch die Lehrperson derungen, Relevanz des Themas, Altersgemäßheit, Praxistauglichkeit sowie Interessantheit für die Klassenstufe beeinflusste die konkrete Textauswahl maßgeblich. Der Jugendroman Peur sur la ville von Adam Roy (Roy 200) wurde beispielsweise für das mehrsprachige Vorlesen u. a. deshalb gewählt, weil wenige zentrale Charaktere vorkommen und der Text eine stringente Handlung mit einem Höhepunkt der Komplikation aufweist. Zudem kommen Themen und Ereignisse vor, die Jugendliche interessieren, wie Angst, Bedrohung, Mord, Videospiele, sowie jugendliche Protagonisten und Spannung im Text. In MeVoL werden zweisprachige Vorlesetexte in der Schulsprache Deutsch und einer schulisch geförderten Fremdsprache (Englisch oder Französisch) zusammengestellt. Dabei entstehen interlinguale Texte, also Texte, die aus einer Sprachmischung bestehen und eine fortlaufende Handlung beschreiben. Die Sequenzierung der Sprachwechsel stand während des Entwicklungsprozesses im Spannungsverhältnis der folgenden zwei Aspekte: Es war einerseits davon auszugehen, dass durch häufige Sprachwechsel und den dadurch resultierenden größeren Anteil an schulsprachigen Passagen viele „Verstehensinseln“ geschaffen werden, die das Verständnis der fremdsprachigen Vorlesepassagen erleichtern. Andererseits war zu erwarten, dass sich der erhöhte kognitive Aufwand, der sich aus Sprachwechseln ergibt, negativ auf die Akzeptanz des Designs auswirkt. In den Erprobungen zeigte sich, dass die verständnissichernde Funktion der deutschsprachigen Passagen zentral ist und dass der Sprachwechsel den Schüler / innen wenig Schwierigkeiten bereitet. Es bietet sich deshalb an, die Sequenzierung jeweils dem Niveau der Lernendengruppe anzupassen und beispielsweise kürzere fremdsprachige Passagen und damit verbunden mehrere Sprachwechsel in die Vorlesetexte einzubauen. Um auf das Sprachniveau der Schüler / innen in Französisch Rücksicht zu nehmen, wurde daher in den Erprobungen eine Variante des Vorlesetextes Peur sur la ville mit kürzeren Sequenzen von ca. 200 Wörtern je Sprache erstellt. Unterstrichene Textstellen im Vorlesetext geben den Lehrpersonen Hinweise auf Illustrationen, die als große, farbige Wandbilder an der Tafel aufgehängt werden und auf die beim Vorlesen immer wieder an entsprechender Stelle verwiesen werden kann. Zudem sind im Vorlesetext die Sprecherrollen am Rand vermerkt, um den für die vorlesende Person anspruchsvollen Vorleseprozess zu unterstützen. Abb. 2 zeigt exemplarisch einen Textausschnitt einer Vorleseeinheit aus dem deutsch-französischen Vorlesetext Peur sur la ville. 93 3. Komponenten des mehrsprachigen Vorlesens Abb. 2: Textausschnitt aus Peur sur la ville, Vorleseteil 4 Gestaltungsprinzipien Im Folgenden werden auf der Grundlage der Erprobungen zentrale Gestaltungsprinzipien für zweisprachige Vorlesesituationen in Bezug auf das Vorlesen durch die Lehrperson sowie die Auswahl und den Aufbau der Vorlesetexte abgeleitet (vgl. Theinert / Unterthiner / Zerlauth 2017: 73-90). Das mehrsprachige Vorlesen sollte folgende Charakteristika aufweisen: ▶ Die Lehrperson sollte flüssig und prosodisch angemessen vorlesen sowie zusätzliche Elemente des gestaltenden Vorlesens einsetzen, damit das mehrsprachige Vorlesen verständnis- und ästhetikunterstützend wirkt. ▶ Die vorlesende Person sollte wirkungsvolle Vorlesetechniken, besonders bezüglich Vorlesetempo und Wirkung der Stimme (Intonation, Variation der Lautstärke, Rhythmus, Bindungen, Betonung, Aussprache) einsetzen und das Vorlesen auf das Publikum abstimmen (Pausen setzen, Aufmerksamkeit gewinnen). Als Vorlesetempo wird aufgrund der Erfahrungen aus den Erprobungen für das Vorlesen der fremdsprachigen Textpassagen ein Richtwert von ca. 80-90 Wörtern pro Minute empfohlen; für die schulsprachigen Textteile hat sich ein Richtwert von ca. 115 Wörtern pro Minute bewährt, 94 Kapitel 6 Mehrsprachiges Vorlesen durch die Lehrperson wobei immer zu berücksichtigen ist, dass die Vorlesegeschwindigkeit an die jeweilige Textpassage anzupassen ist: Ein bewusst langsameres Vorlesen an einer bestimmten Textstelle lässt die Spannung steigen und erhöht die Aufmerksamkeit des Publikums. ▶ Die Lehrperson sollte zusätzlich ihren Körper gezielt als Kommunikationsmittel nutzen und Blickkontakt, Gestik und Mimik sowie ihre (sich während des Vorlesens immer wieder verändernde) Körperhaltung bewusst einsetzen. ▶ Die Vorleseposition der Lehrkraft sollte so gewählt werden, dass sie für alle Schüler / innen gut hör- und sichtbar ist. Zudem sollte die Vorleseposition immer wieder bewusst geändert werden, um Effekte, wie z. B. gezielte Aufmerksamkeit, zu erlangen. Die Textauswahl sollte folgende Prinzipien berücksichtigen: ▶ Die mehrsprachigen Vorlesetexte sollten vor allem verständlich sein (adressatengerechtes Niveau der Texte hinsichtlich des Wortschatzes und der Grammatik). ▶ Die mehrsprachigen Vorlesetexte sollten interessant sein (situationales Interesse). Die Befragungen der Lehrpersonen und Schüler / innen zeigten, dass die behandelten Themen, der Inhalt und die Gestaltung einen Text für Schüler / innen interessant machen, dass das Genre (z. B. fiktionale oder non-fiktionale Texte) oder die Textsorte (z. B. Sachtexte wie Who was Steve Jobs? ) (Pollack / Belviso 2012) hierfür weniger ausschlaggebend sind. Der Aufbau der zweisprachigen Vorlesetexte sollte folgende Merkmale aufweisen: ▶ Die Vorlesetexte sollten eine der Lernergruppe angepasste Sequenzierung von Schul- und Fremdsprache enthalten. Dabei kann die Anzahl der Sprachwechsel unabhängig vom Textinhalt an das jeweilige Klassenniveau angepasst werden. Die Erprobungen zeigten, dass sich der prototypische Aufbau (ca. 400 Wörter in der Schulsprache, dann ca. 400 Wörter in der Fremdsprache) ebenso bewährt hat wie die Variante mit kürzeren Sequenzierungen (ca. 200 Wörter in der Schulsprache, dann ca. 200 Wörter in der Fremdsprache etc.) für leistungsschwächere Lernergruppen. ▶ Das Layout der Vorlesetexte sollte praktikabel und übersichtlich sein. Dabei sollten unbedingt formale Elemente im Vorlesetext (z. B. Hinweis auf Gestik und Mimik, Hinweise auf Bilder oder das Anzeigen der Sprecherrollen am Rand) zur Unterstützung des Vorleseprozesses hervorgehoben werden. Scaffolding Grundlagen Zu den konzeptionellen Grundlagen in MeVoL gehört das scaffolding. Der Begriff wurde von Wood / Bruner / Ross (197) eingeführt und wird als helfendes Gerüst zur Unterstützung des Lernens verstanden. Grundsätzliche Aufgabe von scaffolds ist es demnach, Schüler / innen Hilfestellungen für die Bewältigung einer Aufgabe anzubieten, die sie ohne diese noch nicht lösen könnten. Im didaktisch-methodischen Design von MeVoL ist diese Aufgabe das Verständnis der vorgelesenen zweisprachigen Texte. Da die Vorlesetexte für die Schüler / innen 95 3. Komponenten des mehrsprachigen Vorlesens zum Teil recht herausfordernd sind, kann das Textverständnis durch scaffolds für alle Leistungsgruppen verbessert werden. Die Scaffolding-Maßnahmen richten sich nach dem individuellen Lernbedarf der Schüler / innen, deren Einsatz ist daher zeitlich begrenzt. Das helfende Gerüst wird unter Berücksichtigung des Entwicklungsstands der Lernenden nach und nach wieder abgebaut (vgl. Massler / Theinert 2017: 91-9). In MeVoL werden zwei verschiedene Formen von scaffolds eingesetzt mit der Intention, ein möglichst hohes Textverständnis aller Schüler / innen zu erreichen: erstens die sogenannten hard scaffolds, die eine systematische, vorbereitete Unterstützung für alle Schüler / innen bieten; zweitens die soft scaffolds, die situativ für individuelle Rückfragen und Verständnisschwierigkeiten einzelner Schüler / innen flexibel verwendet werden (vgl. Brush / Saye 2002). Bei den hard scaffolds handelt es sich beispielsweise um Aufgaben zur sprachlichen und / oder inhaltlichen Vorentlastung der Texte (vor dem Hören des Vorlesetexts). Dazu zählen z. B. die Vorbereitung des Lernfeldes durch Aktivierung von Vorwissen oder das Bereitstellen von Informationen und Hintergrundwissen bezogen auf Sprache, Inhalt und Kontext der Vorlesepassage. Weitere hard scaffolds sind: visuelle Unterstützung durch Illustrationen, geplanter Einsatz von Mimik und Gestik, planvolle Verwendung der Schulsprache, Zusammenfassungen in der Fremdsprache, Aufgaben zur Verständnissicherung (nach dem Vorlesen), aufgabenbasierter Austausch über das Gehörte in Form von Anschlusskommunikation und Vermittlung von Hörstrategien (vgl. Massler / Theinert 2017: 93-9). Zu den soft scaffolds zählen beispielsweise spontanes Innehalten während des Vorlesens, verstärkte Mimik und Gestik an bestimmten Stellen über den geplanten Einsatz hinaus, Wiederholung einzelner Textpassagen, spontanes Reagieren auf Nachfragen von Schüler / innen, Erläutern von zusätzlichen Vokabeln oder von Hintergrundwissen zum Text, spontanes Einfügen von längeren Pausen und Zusammenfassen von Passagen als zusätzliche Unterstützung (vgl. ebd.). Das reflektierte, kontrollierte und ausdrucksstarke Vorlesen (siehe oben) selbst stellt ebenfalls eine zentrale Form von scaffolding dar. Scaffolding-Aufgaben Scaffolding-Aufgaben haben in MeVoL allgemein die Funktion, die Schüler / innen beim Prozess des Hörverstehens sowie beim Verarbeiten des Gehörten zu unterstützen, und zwar vor (Pre-Listening-Scaffolding-Aufgaben), während (While-Listening-Scaffolding-Aufgaben) und nach dem Hören (Post-Listening-Scaffolding-Aufgaben). Für jede Vorleseeinheit der zweisprachigen Texte wurden zur Auswahl je nach vorhandener Zeit im Unterricht zwei bis vier Pre-, Whilebzw. Post-Listening-Scaffolding-Aufgaben erstellt. Die Darstellung dieser folgt einem bestimmten Schema: Titel bzw. Thema der Aufgabe, Ziele, Zeitpunkt, Typ des scaffolding, benötigte Materialien und Zeitaufwand, Beschreibung der Aufgabe inklusive didaktisch-methodischer Hinweise für die Lehrperson, gegebenenfalls Hinweise auf Sozialformen und Differenzierungsmöglichkeiten für leistungsstärkere bzw. -schwächere Schüler / innen, symbolisch dargestellt in Form eines nach oben ↑ bzw. nach unten gerichteten Pfeils ↓ (vgl. Massler / Theinert 2017: 9). Tab. 1 zeigt exemplarisch eine Scaffolding-Aufgabe aus der Aufgabensammlung zum Vorlesetext Peur sur la ville. 96 Kapitel 6 Mehrsprachiges Vorlesen durch die Lehrperson Ziele Überprüfen, ob Vorgelesenes verstanden wurde, ein mentales Modell der Personen der Geschichte aufbauen Zeitpunkt Vor, während und nach dem Vorlesen Scaffoldingtyp hard scaffold, Lehrperson Materialien Tafel, Kärtchen mit Namen der Personen Zeit Ca. 5 Minuten Aufgabe LP erstellt vor dem Vorlesen eine Liste mit den bereits in der Geschichte erwähnten Personen. Vor dem Vorlesen werden Eigenschaften dieser Personen erläutert und Verbindungen gezeichnet, wie sie zueinander in Beziehung stehen. Während des Vorlesens wird das Netz erweitert, sobald eine neue Person in Erscheinung tritt, oder das Netz wird nach dem Vorlesen mit neuen Informationen und Personen ergänzt. Hinweis: Das Personennetz kann gut sichtbar im Klassenzimmer aufgehängt als visueller Anker im weiteren Verlauf des Vorlesens dienen. Zusätzliche Informationen können jeweils nach den weiteren Vorleseteilen von den S ergänzt werden. Differenzierungsmöglichkeiten ↑ keine Namen vorgeben und die S versuchen, eine möglichst vollständige Personenliste plus Rolle in der Geschichte zu erstellen ↓ Poster mit Personen vorbereiten und Namen darauf ergänzen, Beziehungspfeile zwischen Personen einfügen ↓ S visualisieren das Personennetz zusätzlich, indem sie die Personen zeichnen, wie sie sich diese vorstellen Tab. 1: Scaffolding-Aufgabe „Relations entre les personnages“ zu Peur sur la ville, Vorlesetag 2 Gestaltungsprinzipien Folgende Gestaltungsprinzipien ließen sich für hard und soft scaffolds sowie für die Scaffolding-Aufgaben aus den Erprobungen ableiten (vgl. ebd.: 110): ▶ Ausdruckstarkes, prosodisches Vorlesen als Teil von scaffolding fördert das Textverständnis und wirkt lesemotivierend. Daher sollten die vorlesenden Personen von sämtlichen Vorlesetechniken Gebrauch machen (vgl. Vorlesen durch die Lehrperson). Die Erprobungen zeigten, dass sich insbesondere ein Notenständer für das gestaltende Vorlesen (Bewegungsfreiheit der Arme) bewährt. ▶ Visuelle Anker während des Vorlesens, z. B. Klassenposter, Bilder oder Karten mit Namen der Charaktere in Form eines Personennetzes verstärken das Textverständnis der Schüler / innen und sollten daher unbedingt eingesetzt werden. ▶ Die Verwendung der Schulsprache sowie die englischen bzw. französischen Zusammenfassungen in den Vorlesetexten wurden von den Schüler / innen als sehr hilfreich eingeschätzt. Daher sollten sie fester Bestandteil von scaffolding sein. Damit die Schüler / innen von ihnen profitieren können, sollte man den Lernenden zudem deren Funktion erklären. Was die Konzeption der Scaffolding-Aufgaben betrifft, so können folgende Gestaltungsprinzipien formuliert werden: ▶ Die Scaffolding-Aufgaben sollten mit einem angemessenen Material- und Zeitaufwand durchgeführt werden können und didaktisch und methodisch sinnvoll strukturiert sein. 97 3. Komponenten des mehrsprachigen Vorlesens ▶ Die Scaffolding-Aufgaben sollten leicht in den Unterricht integrierbar sein und flexibel an das Unterrichtsgeschehen angepasst werden können. Die Erprobungen zeigten, dass diese dann häufiger eingesetzt werden. ▶ Die Pre-Listening-Scaffolding-Aufgaben sollten sprachlich und inhaltlich auf den Vorlesetext einstimmen, Interesse und Neugierde für den Text wecken sowie viele Sprechanlässe bieten. Dann werden sie als besonders hilfreich und textverständnisunterstützend empfunden. ▶ Die While-Listening-Scaffolding-Aufgaben sind nicht unbedingt notwendig, da sie bei den Erprobungen als eher störend wahrgenommen wurden (Lesefluss der Geschichte wird unterbrochen). ▶ Die Post-Listening-Scaffolding-Aufgaben sollten (zumindest teilweise) mit Anschlusskommunikationsaufgaben und / oder Hörstrategien verknüpft werden, um das Textverständnis nach dem Hören gezielt zu unterstützen. ▶ Im Hinblick auf die verschiedenen Aufgabentypen der Scaffolding-Aufgaben sollten diese so konzipiert werden, dass sie ausreichend Sprechanlässe bieten, damit sich die Lernenden aktiv sprachlich beteiligen können und neben rezeptiven auch produktive Kompetenzen gefördert werden. Zusammenfassung In diesem Kapitel wurden einleitend die Potenziale des Mehrsprachigen Vorlesens durch die Lehrperson erläutert, die sich aus den zwei zentralen Gestaltungsmerkmalen des Unterrichtskonzepts ergeben: Erstens stellt das Vorlesen durch die Lehrperson nicht nur auf der Primar-, sondern auch auf der Sekundarstufe I ein motivierendes Unterrichtsverfahren der schulischen Leseförderung dar. Es trägt durch verschiedene Aspekte dazu bei, dass Schüler / innen - auch solche mit geringen Lesebzw. Sprachkompetenzen - positive literarische Erfahrungen (literary experience) machen können. Das Vorlesen erlaubt es ihnen, in eine Geschichte „einzutauchen“ und den Sprachunterricht und die Auseinandersetzung mit Literatur in der Fremdsprache als etwas Authentisches, Spielerisches und Genussvolles jenseits von sprachlichen Normen und Grammatikunterricht zu erleben. Zweitens ist das Unterrichtsdesign durch seine mehrsprachigkeitsdidaktische Konzeption innovativ. Es berücksichtigt Erkenntnisse aus der Mehrsprachigkeitsforschung, die besagen, dass Sprecher / innen auf das gesamte ihnen zur Verfügung stehende sprachliche Repertoire zurückgreifen und durch sprachenübergreifende Bewusstheit (cross-linguistic awareness) Synergien beim Lernen verschiedener Sprachen genutzt werden können. Das Unterrichtsdesign baut damit Brücken zwischen dem Unterricht der Schul- und Fremdsprache und löst die in den Curricula geforderte Vernetzung der Sprachdidaktiken ein. Aufbauend auf dieser theoretischen Legitimation des Mehrsprachigen Vorlesens stellte das Kapitel Gestaltungsprinzipien für die praktische Umsetzung im Unterricht dar. Diese beschreiben zusammenfassend Ansatzpunkte, wie die Motivation und das Verständnis der Schüler / innen beim Zuhören gefördert werden können. Die Gestaltungsprinzipien zeigen insgesamt auf, 98 Kapitel 6 Mehrsprachiges Vorlesen durch die Lehrperson Studienfragen 1. Welche Eigenschaften zeichnet das Vorgelesen-Bekommen im Vergleich zum Selber-Lesen für den schulischen Unterricht aus? 2. Diskutieren Sie mögliche Vorteile des Vorgelesen-Bekommens für den schulischen Unterricht. 3. Reflektieren Sie Chancen und Herausforderungen des Vorlesens und der mehrsprachigen Vorlesetexte im Hinblick auf die vorlesende Person sowie die Schüler / innen. 4. Welche Scaffolding-Aufgaben können maßgeblich zur Unterstützung der Textverständlichkeit während des Vorleseprozesses beitragen? 5. Welche Gestaltungsprinzipien für das Vorlesen mehrsprachiger Texte und für das scaffolding sind für Sie zentral? Warum? Lektüreempfehlungen Bräuer, Gerd / Trischler, Franziska (Hrsg.) (2015): Lernchance Vorlesen. Vorlesen lehren, lernen und begleiten in der Schule. Stuttgart: Klett. Gressnich, Eva / Müller, Claudia / Stark, Linda (Hrsg.) (2015): Lernen durch Vorlesen. Sprach- und Literaturerwerb in Familie, Kindergarten und Schule. Tübingen: Narr Francke Attempto. Hilbe, Robert / Kutzelmann, Sabine / Massler, Ute / Peter, Klaus (Hrsg.) (2017a): Mehrsprachiges Vorlesen durch die Lehrperson. Handbuch zu Theorie und Praxis. Opladen: Budrich. Klewitz, Bernd (2017): Scaffolding im Fremdsprachenunterricht. Unterrichtseinheiten Englisch für authentisches Lernen. Tübingen: Narr Francke Attempto. dass das angemessene Vorlesen der Lehrperson und geeignete Scaffolding-Maßnahmen vor, während und nach dem Vorlesen maßgeblich die positive literarische Erfahrung und damit das sprachliche Lernen der Schüler / innen begünstigen. Die Kürze des Kapitels erlaubte es nicht, auf folgende zwei Komponenten, die das Vorlesen der Lehrperson umrahmen und das Unterrichtskonzept MeVoL komplettieren, im Detail einzugehen: Anschlusskommunikation und die Anleitung zur Verwendung von Hörstrategien. Für weiterführende Hinweise zu diesen Komponenten sowie für detailliertere Ausführungen zum methodischen Vorgehen und zu den Ergebnissen des Projekts sei daher auf das umfassende Projekthandbuch verwiesen (Hilbe / Kutzelmann / Massler / Peter 2017a). Es beinhaltet auch Vorlesetexte und Aufgaben für die praktische Umsetzung im Unterricht der Sekundarstufe I. Dem Projekthandbuch liegt für diesen Zweck eine CD - ROM bei, auf der je ein Vorlesetext auf Deutsch-Englisch (Paranoid Park, Nelson 2006) und auf Deutsch-Französisch (Peur sur la ville) inklusive einer Sammlung von Aufgaben zum scaffolding, zur Anschlusskommunikation und zur Thematisierung von Hörstrategien enthalten ist. 99 3. Komponenten des mehrsprachigen Vorlesens Kapitel 7 Mehrsprachige Leseförderung durch mehrsprachige Computerspiele? Das Beispiel ME lang-E Judith Buendgens-Kosten Fragen 1. Sie lesen sicherlich jeden Tag eine Vielzahl von Texten und Textauszügen. Auf welchem Kanal erreichen Sie diese Texte? Auf Papier gedruckt (z. B. Buch, Zeitschrift, Werbeflyer, Plakat) oder geprägt (Braille-Prägungen auf Medikamentenschachteln), in Stein gemeißelt (Inschriften), per Fernsehen (z. B. Untertitel, Credits, Texteinblendungen bei ‚Breaking News‘), per Computer / Handy, per Internet? Schätzen Sie: Wieviel Prozent Ihres täglichen Lesepensums erreicht Sie auf digitalen Wegen? 2. Wählen Sie drei Computer-, Browser-, Handy- oder Konsolenspiele, mit denen Sie praktische Erfahrungen haben, und die möglichst unterschiedlich sind. Welche Rolle spielt Sprache und Schrift in jedem dieser drei Spiele? Gibt es Spiele, die komplett ohne Sprache und Schrift auskommen? Gibt es Spiele, in denen Sprache und Schrift essentiell sind? Abstract In diesem Kapitel lernen Sie, Computerspiele als Text-Artefakte zu verstehen, die einen Anlass für eine Vielzahl von rezeptiven und produktiven sprachlichen Handlungen bieten. Ausgehend von der Rolle von Medien in der ‚Lesediät‘ Jugendlicher und einer Diskussion von digitalen Spielen als Text, soll am Beispiel eines mehrsprachigen Computerspiels - ME lang-E - gezeigt werden, wie durch Spiele und ihre Affordanzen (Handlungsangebote) mehrsprachiges Lesen gefördert werden kann. Einleitung In diesem Kapitel soll gezeigt werden, welches Potenzial digitale Spiele für die Leseförderung-- auch insbesondere die mehrsprachige Leseförderung-- haben. Zu Beginn steht die Auseinandersetzung mit der Rolle digitaler Medien für Lesepraktiken junger Menschen im Vordergrund. Danach wird auf den Stellenwert von digitalen Spielen im Leben von Schüler / innen eingegangen, und diskutiert, inwiefern digitale Spiele Leseanlässe geben können. Obwohl digitale Spiele und ihr Potenzial für das Sprachenlernen gut untersucht sind, gibt es nur wenige Arbeiten zur Leseförderung durch digitale Spiele, und noch weniger zur mehr- 100 Kapitel 7 Mehrsprachige Leseförderung durch mehrsprachige Computerspiele? sprachigen Leseförderung. Daher soll anhand des Sprachlernspiels ME lang-E gezeigt werden, wie mehrsprachige digitale Spiele aussehen können, und wie digitale Spiele durch ihre Multimodalität (Fokus hier auf der Kombination von gesprochener und geschriebener Sprache) große Potenziale für die Leseförderung aufweisen. 1. Theoretische Grundlagen Schüler / innen lesen digital Zum digital native (Prensky 2001) geistern immer wieder die spannendsten Gerüchte umher. Um eine ganze Generation hochkompetenter, hochkreativer Mediennutzer / innen soll es sich hierbei handeln. Nur, während der Originaltext von der seit 1980 geborenen Generation spricht, wird im Diskurs rund um Medien immer ‚die Jugend von heute‘ zu den angeblichen digital natives gezählt, die sich in ihrem Medienverhalten und in ihrer Medienkompetenz radikal von allen anderen Generationen unterscheiden soll. Handelt es sich bei den Schüler / innen von heute also um hochkompetente Mediennutzer / innen, die alle gleichermaßen ein von Snapchat und Games bestimmtes Leben führen? Fakt ist, Mediennutzung ist nicht mit umgreifendender Medienkompetenz gleichzusetzen, schließlich bedeutet „In Whatsapp chatten“ nicht automatisch auch „digitalen Videoschnitt beherrschen“. Die ICILS -Studie (European Commission: Education and Training 2014) zeigt gut die Grenzen von Medienkompetenz bei Schüler / innen auf. Fakt ist auch, dass die Konsumgewohnheiten von Jugendlichen durchaus unterschiedlich sind-- hieran ändert auch der schwindende digital gap (die Kluft zwischen denen, die Zugriff auf digitale Medien haben, und denjenigen, denen dieser Zugriff fehlt) nichts. Die JIM -Studien, die regelmäßig erscheinen (z. B. Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest 201), spiegeln dabei sowohl Gemeinsamkeiten als auch deutliche Unterschiede wieder, basierend auf Alter, Geschlecht, Schulform oder persönlicher Präferenz. Was aber allgemein gesagt werden kann, ist, dass digitale Texte (Webseiten, Soziale Netzwerke, Emails und Kurznachrichten, Computerspiele, Untertitel auf YouTube-Videos, etc.) für die Mehrheit der Jugendlichen signifikante Anteile an ihrer ‚Lesediät‘ ausmachen. Ein Beispiel wäre etwa WhatsApp, ein Online-Messaging-Dienst, der schriftbasierte, aber auch multimodale Nachrichten unterstützt: Unter den Jugendlichen, die überhaupt Apps auf dem Handy nutzen, ist WhatsApp zurzeit die ungeschlagene Nummer 1 (Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest 201: 31 f.). Natürlich sind nicht alle Online-Angebote leseintensiv-- YouTube und Instagram etwa sind sehr populäre (ebd.: 30), gleichzeitig aber auch sehr visuelle Webangebote. Dennoch sind auch hier schriftnutzende Praktiken zentral, etwa bei der Kommentierung von Beiträgen (zu der beliebten Foto-Plattform Flickr vgl. auch Lee / Barton 2012). Zum Vergleich: Immerhin 38 % der Jugendlichen in Deutschland lesen zumindest mehrmals pro Woche zum Vergnügen gedruckte Bücher, wobei im Gegenzug 18 % niemals in ihrer Freizeit Bücher lesen (Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest 201: 15). 101 1. Theoretische Grundlagen Die intensive Beschäftigung mit Sprache in informellen Alltagskontexten ist dabei nicht automatisch mit ‚minderwertigem Input‘ gleichzusetzen. Die narrative Struktur manch eines Computerspiels kann es gut mit einem Roman aufnehmen, die Sprachspielerei eines Tweets mit der eines Gedichts. Nicht jeder digitale Text ist literarisch wertvoll-- Ähnliches ließe sich aber auch über die Mehrzahl gedruckter Texte sagen. Im nächsten Abschnitt wenden wir uns nun digitalen Spielen zu, und überlegen, welche Rolle sie im Alltag-- auch im schulischen Kontext-- von Jugendlichen spielen. Digitale Spiele im Alltag und in der Schule Digitale Spiele sind ein etablierter Bestandteil der Jugendkultur, auch wenn die Art von Spielen, und die Intensität der Auseinandersetzung damit stark variiert. Nicht alle Jugendlichen würden sich als Gamer / innen bezeichnen, aber fast alle Jugendlichen haben Erfahrungen mit digitalen Spielen (Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest 201: 42). Die schlichten Zahlen der JIM -Studie geben einen ersten Einblick in die Relevanz von digitalen Spielen, können aber nicht wirklich die Funktionen von digitalen Spielen im Alltag darstellen. Einen ethnologischen Blick auf digitale Spiele im alltäglichen Kontext bieten Ito / Bittanti (2010). Auch wenn sich die konkreten Spiele, die jeweils angesagt sind, stetig ändern, und sich der amerikanische Kontext sicherlich nicht eins zu eins auf den Kontext in den verschiedenen deutschsprachigen Ländern übertragen lässt, wird hier ein guter Einblick in die verschiedenen Rollen, die Spiele im Leben von Jugendlichen spielen können, geboten: Spiele können genutzt werden, um Leerlauf zu überbrücken oder Langeweile zu bekämpften (killing time), als gemeinsamer Zeitvertreib mit Freund / innen online oder offline, bei dem der Fokus auf der Interaktion miteinander liegt (hanging out), aber auch als dezidiertes Hobby Recreational gaming, das sich mit Organizing and Mobilizing bis zum eSport entwickeln kann. Wie ist dies nun auf Lernspiele im weitesten Sinne übertragbar? Werden sie von Lerner / innen ähnlich wie Commercial off the shelf ( COTS ), also kommerzielle Spiele, die nicht für Lernzwecke entwickelt wurden, konsumiert? Gute serious games, also Produkte die mit den Mitteln von digitalen Spielen ‚ernsthafte‘ oder bildungsbezogene Inhalte vermitteln, können im Prinzip dieselben Funktionen übernehmen, selbst drill-and-kill-artige Spiele (behavioristisch orientierte Spiele, z. B. zum Vokabeltraining) eignen sich, um sich beim Warten auf den Bus die Zeit zu vertreiben (zu den Begriffen serious game und drill and kill siehe auch Buendgens-Kosten 201). Es ist aber zu erwarten, dass Spiele, die im schulischen Kontext eingesetzt werden, dann auch in den mit ihnen assoziierten Praktiken schulisch geprägt sein werden, und sich in dieser Hinsicht potentiell deutlich von Spielpraktiken in außerschulischen Kontexten unterscheiden. In anderen Worten: So wie man einen Roman am Strand anders liest, als wenn er als Schullektüre im Unterricht durchgenommen wird, so ist auch der Umgang mit digitalen Spielen in Lernkontexten nicht unbedingt der gleiche, wie in der Freizeit. Dies liegt nicht alleine an den verwendeten Spielen, sondern auch am sozialen Kontext und den mit ihm verbundenen Erwartungen. 102 Kapitel 7 Mehrsprachige Leseförderung durch mehrsprachige Computerspiele? Digitale Spiele als Text Computerspiele sind Texte, die durch einen hohen Grad an Interaktivität geprägt sind. In dieser Hinsicht erinnern manche Spielgenres (etwa das adventure game) stark an Chooseyour-own-adventure-Bücher, bei denen Leser / innen selber entscheiden, wie die Geschichte weitergeht. Multiplayer-Games, in denen verschiedene Spieler / innen in einer Welt zusammenspielen, nehmen hier noch einmal eine Sonderrolle ein, weil viele der sprachlichverfassten Inhalte von Mitspieler / innen produziert werden, werden aber hier nicht weiter thematisiert. Stattdessen liegt der Fokus auf Spielen, in denen der / die Spieler / in mit dem Spiel, und nicht durch das Spiel mit anderen Spieler / innen, interagiert. Auf den ersten Blick scheint es, als gäbe es Spiele mit ‚viel Text‘ und mit ‚wenig Text‘. Ein Textadventure, also ein Adventure Game, bei dem Grafiken nur eine untergeordnete Rolle spielen, scheint „Text-reich“ zu sein, während das klassische Puzzle-Game Tetris als „Textarm“ erscheint. Wenn man die Menge an Worten innerhalb eines Spiels zählt, also Worte, die entweder als geschriebene (schriftlich konstituierter Text) oder gesprochene Worte (mündlich konstituierter Text) vom Spiel selber ausgegeben werden, mag dies seine Berechtigung haben. Aber zwei Argumente sprechen gegen diese Sichtweise: Ein erweiterter Textbegriff, der besser in eine Multiliteracies-Perspektive auf Sprache und sprachliches Handeln (New London Group 199) passt, sowie ein erweiterter Spielbegriff, der auch spielbegleitendes und spielrahmendes sprachliches Handeln in den Blick nimmt. Aus einer Multiliteracies-Perspektive wäre eine Fokussierung auf die rein sprachlichen Elemente eines Spiels nicht zulässig, da ein Spiel genau so wenig wie ein Film nur aus Dialogen und Texteinblendungen besteht. Hier ist das Computerspiel als Ganzes als Text zu sehen, „Text“ hier in einer funktionalen Interpretation: Ein Text ist ein thematisch und / oder funktional orientierter- (…), kohärenter sprachlicher oder sprachlich-figürlicher Komplex- (…), der mit einer bestimmten Intention, der Kommunikationsabsicht, geschaffen wurde, eine erkennbare kommunikative Funktion ersten oder zweiten Ranges erfüllt und eine inhaltlich und funktional abgeschlossene Einheit bildet. (Göpferich 1994: 5) Das heißt, dass auch nicht sprachliche Aspekte des Spiels, sofern sie der Kommunikationsabsicht dienen, relevant sind. Gleichzeitig existiert „das Spiel“ nicht nur auf einem Bildschirm, sondern ist in einen reichen-- potentiell auch „Sprach-reichen“-- Kontext eingebunden. Gee unterscheidet dies folgendermaßen: The “game” is the software in the box and all the elements of in-game design. The “Game” is the social setting into which the game is placed, all the interactions that go on around the game. I will write “game / Game” when I mean both together. (Gee 2008: 24) Zum Beispiel werden selbst Single-Player-Spiele, also Spiele, die von einer einzigen Person gespielt werden können, oft mit anderen, ko-präsenten Personen gemeinsam gespielt. Hierbei fungiert z. B. eine Person als aktiv spielend (z. B. den Controller bedienend), während andere Personen Ratschläge geben, dem Spielverlauf folgen, etc. In diesen Szenarien findet auch 103 2. Lesen in Computerspielen: aktuelle Studienergebnisse Diskurs am und über das Spiel statt, den man als Begleitkommunikation verstehen kann. Im Rahmen dieser Begleitkommunikation wird auch der geschriebene und gesprochene Text im Spiel selber (also im game nach der Unterscheidung Gees, bzw. auf dem Bildschirm) von Spielenden kreativ aufgenommen. Piirainen-Marsh und Tainio (2009) zeigen wie dies zu komplexen mehrsprachigen Praktiken führt. Ähnliches lässt sich auch bei der Bearbeitung von mehrsprachigen Geschichten beobachten, die anscheinend in ganz ähnlicher-- und auch spielerischer- - Weise zum Nachsprechen, Nachäffen, Vorlesen etc. einladen (Buendgens- Kosten / Elsner, 2017). Eine zweite Ebene stellt die Anschlusskommunikation dar: Das Kommunizieren über das Spiel in Online-Foren, beim Verfassen von walkthroughs (Spiel-Komplettlösungen), bei der Produktion von Rezensionen und sogar von Fan-Fiction-Texten über das Spiel und seine Figuren (für Beispiele siehe etwa Steinkuehler 2007). Neben der Produktion von Texten sollte der Konsum entsprechender kommerzieller und nicht kommerzieller Textprodukte aus dem Umfeld des Spiels nicht übersehen werden. Bei besonders erfolgreichen Spielen kann dies z. B. auch das Lesen einer Romanreihe (etwa bei Myst) oder das Anschauen eines Kinofilms (z. B. World of Warcraft) beinhalten. Die Menge an geschriebenen oder gesprochenen Worten im Computerspiel ist also nur ein Aspekt der vielen Gelegenheiten für Sprach- und Literacy-bezogene Aktivitäten innerhalb und rund um das Spiel. 2. Lesen in Computerspielen: aktuelle Studienergebnisse Die Forschung zum sprachenbezogenen Lernen in digitalen Spielen ist gut etabliert-- gerade die Forschung zu CALL , also computer-assisted language learning, blickt regelmäßig auf digitale Spiele (siehe z. B. den Sammelband von Reinders (2012), die Special Issue von Re CALL (Cornillie / Thorne / Desmet 2012), die Monographie von Sykies / Reinhardt (2013)). Auch Leseförderung in der Fremdsprache durch digitale Spiele ist wiederholt untersucht worden, ohne dass wir hier aber von einer klaren Forschungslage sprechen könnten. Neville (2009) hat das Lesen in der Fremdsprache innerhalb eines Computerspiels untersucht. Die eine Hälfte der Versuchspersonen las einen gedruckten Lesetext, die andere Hälfte spielte ein digitales Spiel zum selben Thema. Das Spiel mit dem Thema „Bahnhöfe in Deutschland“ war dabei schriftkonstituiert und enthielt viel Bildschirmtext. Die Ergebnisse sind sehr gemischt und durch die kleinen Stichprobenumfänge auch nur eingeschränkt interpretierbar. Neville betont, dass eine gute Vorbereitung der Spielenden auf das Spiel wichtig sei, damit z. B. Probleme bei der Navigation nicht von Inhalten ablenken, und dass die Akzeptanz von digitalen Spielen als Lernmitteln bei Lerner / innen nicht automatisch gegeben sei. DeHaan (2005) beschreibt den Umgang eines Lerners von Japanisch als Fremdsprache mit einem japanischsprachigen Baseball-Game. Nach einem Monat war die Kanji-Lesefähigkeit (Kanji sind japanische Schriftzeichen) im Vergleich zum Pretest deutlich angestiegen. Dies entsprach auch der Eigenwahrnehmung des Spielers, der zusätzlich angab, auch seine Katakana-Lesefähigkeit (Katakana ist eine japanische Silbenschrift) habe sich verbessert. Dennoch zeigen Berichte des Spielers / Lerners, dass er beim Spielen nur sehr eingeschränkt 104 Kapitel 7 Mehrsprachige Leseförderung durch mehrsprachige Computerspiele? auf die sprachlichen Inhalte selbst geachtet habe: „I can hear them talking, but I’m concentrating on hitting the ball-I’m not listening to them” (deHaan 2005: 284). Hier könnte der hohe Cognitive Load, der mit dem Spiel verbunden ist, als Erklärung herangezogen werden (siehe Diskussion unten). Umso wichtiger war es aus Sicht des Spielers, dass er die Dauer, in der Schrift im Spiel angezeigt wurde, kontrollieren konnte: The subject believed that video games were different than movies in that they can be paused and analyzed with more ease. He remarked that the greater control over the game allowed him to learn the language he did (“I can’t read the names with the game on pause in real life.”). (deHaan 2005: 285) Es lässt sich sagen: fremdsprachliches Lesen spielt eine Rolle in der Forschung rund um digitale Spiele, hätte aber durchaus mehr Aufmerksamkeit als Forschungsthema verdient. Diese Aussage trifft umso mehr zu, wenn man sich nicht nur monolingual zielsprachlichen, sondern mehrsprachigen Spielen zuwendet. Ein mehrsprachiges Computerspiel? Während es durchaus intensive Forschung rund um sprachliches Lernen mit digitalen Spielen gibt, und einen Grundstock an Forschung rund um mehrsprachige Medien allgemein, so gibt es bisher sehr wenig Forschung zu mehrsprachigen Spielen. Weder die Monographie von Edwards (2009), noch der Sammelband von Martin-Jones / Jones (2000) thematisieren digitale Spiele als Kontexte mehrsprachigen Lesens. Aktuelle Arbeiten zu mehrsprachigen Texten konzentrieren sich auf gedruckte Werke (Naqvi / Thorne / Pfitscher / Nordstokke / McKeough 2012, Sneddon 2009), plus von Schulen selbst publizierte online-Texte (Cummins 2005) und mehrsprachige Sprachlernsoftware (Krumm 2014, Walter 2014). Digitale Spiele als Anlässe für mehrsprachiges Lesen bleiben dabei unsichtbar. Der Grund dafür ist einfach: Der Mangel an mehrsprachigen Spielen. Dies heißt nicht, dass es gar keine mehrsprachigen Spiele gäbe. In diesem Abschnitt sollen also die fünf ‚etablierten‘ Arten von mehrsprachigen Spielen vorgestellt werden, bevor im folgenden Abschnitt diskutiert wird, wie diese sehr begrenzte Perspektive überschritten werden kann. ▶ Mehrsprachiges Spiel, Typ 1: Die Vokabelkartei ▷ Viele Vokabeldrillprogramme sind in dem Sinne mehrsprachig, dass Worte in der Zielsprache und einer Ausgangssprache miteinander in Verbindung gebracht werden sollen (siehe z. B. Quizlet). ▶ Mehrsprachiges Spiel, Typ 2: Sprachrätsel ▷ Sprache ist komplex-- und ist damit wunderbar als Rohstoff für Rätsel geeignet. Eine außerirdische Sprache oder eine Sprache aus einer anderen Realität- - wie D’ni in Myst-- muss (zumindest in Teilen) dechiffriert werden, um im Spiel voranzukommen. ▶ Mehrsprachiges Spiel, Typ 3: Dual games ▷ Blockbuster-Spiele werden nicht für ein einziges Land produziert, sondern in verschiedenen Spachversionen international vertrieben. Es ist also möglich, ein Spiel 105 2. Lesen in Computerspielen: aktuelle Studienergebnisse sowohl auf Deutsch als auch auf Englisch zu besitzen und zu spielen. Bei MMORPG s (Massively multiplayer online role-playing games) wie World of Warcraft, bei denen Spieler / innen miteinander interagieren und kommunizieren, gibt es zudem verschiedensprachige Server, d. h. es ist möglich, auch die Sprachen der Mitspielenden zu einem gewissen Grad vorzuselektieren (vgl. Peterson 2010). ▶ Mehrsprachiges Spiel, Typ 4: Game vs. game ▷ Wie Gee argumentierte: Es geht nicht nur um das game sondern auch um das Game: Anschluss- und Begleitkommunikation, HowTo-Seiten, spielbasierte Fanfiction, Machinima Videos (Videos die mithilfe von Computerspiele-Engines produziert werden) und Let’s Play-YouTube-Kanäle gibt es oft in einer ganzen Bandbreite an Sprachen. ▶ Mehrsprachiges Spiel, Typ 5: Dekoratives Code-Switching ▷ In Geschichten mit komplexem Plot und Dialogen zwischen Player Character und Non-Player Characters treten, je nach Szenario, auch anderssprachige und mehrsprachige Figuren auf. Ein gutes Beispiel hierfür ist etwa die GrantTheftAuto Reihe, in der immer wieder kurze Dialoge oder Dialogteile auf Spanisch vorkommen. Man beachte: Das Code-Switching ist rein dekorativ: Es charakterisiert Figuren im Spiel und verleiht dem Szenario Atmosphäre, aber eine intensive Auseinandersetzung mit der Sprache ist für den Spielgenuß oder Spielerfolg nicht erforderlich. Diese Spiele sind durchaus didaktisch nutzbar, aber für mehrsprachiges Lesen nur sehr eingeschränkt sinnvoll. Wie könnte nun aber ein Spiel aussehen, das das Potenzial von Mehrsprachigkeit weiter ausreizt als diese Beispiele das tun? Dies soll im folgenden Abschnitt diskutiert werden. 106 Kapitel 7 Mehrsprachige Leseförderung durch mehrsprachige Computerspiele? 3. ME lang-E Abb.1: Screenshot des ME lang-E Prototyps ME lang-E (www.melang-e.eu, das Akronym steht für „Multilingual Exploration of Languages in Europe“) ist ein mehrsprachiges Serious Game in der Tradition des Adventure Games. Adams / Rollings (2007) charakterisieren dieses Genre folgendermaßen: (…)-an interactive story about a protagonist character who is played by the player. Storytelling and exploration are essential elements of the game. Puzzle-solving and conceptual challenges make up the majority of the gameplay. Combat, economic management, and action challenges are reduced or non-existent. (19, im Original in kursiv). Im Spiel übernimmt der Spieler / die Spielerin die Rolle von Mali, einem jungen Briten mit pakistanischen Wurzeln, der quer durch Europa reist, um seine Freunde zu überzeugen, ihre alte Band wiederzubeleben und gemeinsam an einem Musikwettbewerb für Jugendliche teilzunehmen. Die sprachlichen Handlungsmöglichkeiten im Spiel sind auf die Auswahl von Textoptionen beschränkt. Wie in Abbildung 1 erkennbar, stellt das Spiel den Spielenden mehrere Optionen zur Auswahl. Je nach Wahl reagiert das Gegenüber dann: Positiv oder negativ, freundlich oder kritisch, auf Deutsch oder Englisch, etc. 107 3. MElang-E Der folgende Auszug zeigt, wie der Spieler / die Spielerin durch seine / ihre Wahl zwischen den vorgegebenen Optionen die Sprache im Spiel mitbestimmen kann: Verkäuferin: Hallo! Suchst du nach etwas bestimmten? Kann ich dir helfen? Mali, Option 1: Hallo! Ehm, I’m sorry, what did you say? I don’t speak much German. Mali, Option 2: Helfen? Ja? Ehm, Ich spreche nur wenig Deutsch. Wählt der Spieler / die Spielerin Option 1, so geht das Spiel auf Englisch weiter. Bei Option 2 (und einer erneuten Bestätigung im darauf folgenden Dialogsegment) wird der Dialog auf Deutsch fortgesetzt. Die in einer konkreten Situation verfügbaren Sprachen hängen dabei- - genau wie in der Alltagskommunikation auch- - von den sprachlichen Kompetenzen von Mali und von Malis Gegenüber ab. Passen die Kompetenzen zueinander, ist eine direkte Kommunikation möglich. Passen die Kompetenzen nicht zusammen, wird die Kommunikation schwieriger, und manchmal auch unmöglich. Die Sprachkompetenzen des Spielers oder der Spielerin können dabei im Einzelfall von Malis abweichen. Mali ist so konzipiert worden, dass er ▶ Englisch als Muttersprache und Urdu als Heritage Language (primär mit den Großeltern) spricht, ▶ dass er jeweils ein Jahr Deutsch- und ein Jahr Französischunterricht in der Schule hatte, und dabei jeweils das Niveau A1 erreicht hat, sowie ▶ dass er allgemein Sprachen gegenüber aufgeschlossen ist und bei der Reise in ein neues Land zumindest die Grußformeln sowie Danke und Bitte lernt (z. B. durch die Lektüre der wichtigsten Phrasen im Reiseführer). Englisch ist dabei ca. auf Niveau A2 / B1 abgebildet, Deutsch und Französisch auf A1, Spanisch, Katalanisch, Estnisch, etc. auf noch grundlegenderem Niveau. Urdu nimmt eine Sonderstellung ein und ist wie Englisch auf einem höheren Sprachniveau im Spiel enthalten. Spieler / innen können jede der angebotenen Sprachen nutzen, egal ob sie sie selbst beherrschen oder nicht. So kann ein Schüler durchaus auch einen Dialog in Urdu führen, ohne diesen Dialog zwingend verstehen zu müssen, oder umgekehrt eine Schülerin einen Dialog auf A1- Niveau Deutsch radebrechen, obwohl sie Muttersprachlerin ist. Spieler / innen haben aber regelmäßig die Möglichkeit, Dialoge primär auf Englisch zu führen. Das Experimentieren mit anderen Sprachen wird u. a. durch Badges (vgl. Kapp 2012: 33 ff), also durch symbolische ‚Abzeichen‘, die im Spielverlauf verdient werden können, ermutigt, ist aber nicht durchgängig notwendig. Damit steuern die Spieler / innen den exakten Grad an Mehrsprachigkeit im Spiel. Eine rein ‚monolinguale‘ Spielweise ist dabei aber natürlich nicht möglich. Und auch, wenn Schüler / innen letztlich nicht alle im Spiel vorkommenden Sprachen beherrschen müssen, um das Spiel erfolgreich zu meistern, wird mit etwas Deutsch oder Spanisch so manche Szene verständlicher-- oder lustiger, wie in diesem Dialog zwischen Mali und dem Mitarbeiter der Jugendherberge: 108 Kapitel 7 Mehrsprachige Leseförderung durch mehrsprachige Computerspiele? Jürgen: Na, das war ja ein kurzes Intermezzo. Ich drucke dir schnell die Rechnung aus, I’ll print the invoice. Mali, Option 1: Invoice? But I didn’t stay overnight? Mali, Option 2: Rechnung? Warum? Jürgen: Naja, du hast ja immerhin den ganzen Tag das Zimmer blockiert. You blocked the room the whole day. Ich muss dir zumindest den halben Preis berechnen, half price. Umsonst ist nur der Tod-… und der kostet das Leben. HAHAHA . Globetrotter Jürgen liefert auch nicht deutsch sprechenden Spieler / innen genug Kontext, um die Grundzüge des Dialogs zu verstehen. Aber wer zusätzlich noch ein wenig Deutsch versteht, entdeckt darüber hinaus auch Jürgens Sinn für Humor! ME lang-E ist von Grund auf als ein mehrsprachiges Spiel konzipiert worden. Der Fokus von ME lang-E liegt auf der Entwicklung kommunikativer Kompetenzen innerhalb eines plurilingualen Rahmens. Plurilinguale Kompetenzen werden dabei auch von den im Spiel vorkommenden Spieler- und Nichtspielerfiguren modelliert: Code-Switching, Interkomprehension, Einsatz auch geringer, vielleicht nur rezeptiver, sprachlicher Kompetenzen für kommunikative Zwecke- - all dies wird im Spiel vorgelebt. Selbstverständlich gehört dazu auch eine Bandbreite an Akzenten (z. B. nicht muttersprachliche Aussprache des Englischen) und Dialekten. Multimodalität in ME lang-E: Gesprochener und geschriebener Text Digitale Spiele sind heutzutage (anders als ihre historischen Vorläufer) immer multimodal: Sie verbinden geschriebenen Text mit gesprochenem Text, mit Bild, mit Musik, mit Soundeffekten. Viele Aspekte von Multimodalität sind dabei potenziell lernfördernd. Die Rolle der Grafik in Spielen für Lernzwecke etwa kann kaum überschätzt werden. Wie die Illustrationen in einem Buch hilft sie den Spielenden dabei, den Kontext einer Äußerung zu verstehen. Von besonderem Interesse ist in diesem Zusammenhang aber sicherlich auch das doppelte Angebot von Textsegmenten, einmal in geschriebener Form, einmal in gesprochener Form. ME lang-E gibt alle jeweiligen Dialoge- - die von Mali sowie die von Malis Gesprächspartner / innen- - gleichzeitig als geschriebenen und als gesprochenen Text aus. Dies entspricht durchaus dem Standard bei Sprachlernspielen, ist aber gleichzeitig für die Domäne von Sprachlernspielen kaum empirisch untersucht worden. Um das Potenzial, aber auch die Nachteile, dieser Doppelung zu verstehen, können in Bezug auf bestimmte Aspekte Arbeiten zu vergleichbaren Medien wie untertitelten Filmen, digitalen Storybooks oder hybriden Medien wie Bücher-Hörbücher-Kombinationen hinzugezogen werden. Prinzipiell kann der geschriebene Text als Unterstützung für den gesprochenen Text, aber auch der gesprochene Text als Unterstützung für den geschriebenen Text konzeptionalisiert werden. Während z. B. bei Lernprogrammen für Heritage Speakers, die in dieser Sprache u. U. nur schwach oder gar nicht literalisiert wurden, der Audioinput als Schlüssel zur Schrift dient (cf. z. B. Revithiadou / Kourtis-Kazoullis / Soukalopoulou / Konstantoudakis / Zarras 2015), 109 3. MElang-E kann in anderen Settings, in denen höhere Lesekompetenz als Hörverstehenskompetenz vorausgesetzt werden kann, das Gegenteil der Fall sein. Es existiert eine Reihe von Überlegungen zur Kombination von Lesen und Hören, die mehrheitlich auf Leseförderung abzielen. Hierunter fällt etwa die Forschungstradition zu Lesen-durch-Hören (Gailberger 2011) bzw. reading while listening (Gobel / Kano 2013), zu assisted repeated reading (Taguchi / Takayasu-Maass / Gorsuch 2004), aber auch in einem erweiterten Sinne zu paired reading-- im deutschsprachigen Raum auch als Lautlese-Tandems bekannt (Rosebrock / Nix / Rieckmann / Gold 201). Teilweise liegt hier der Fokus auf dem Lesen in der Muttersprache bzw. der Schulsprache, eine Übertragbarkeit auf fremdsprachliches Lesen ist aber anzunehmen (vgl. etwa Gailberger mit Fokus auf Lesen in der Muttersprache bzw. Schulsprache und Taguchi / Takayasu-Maass / Gorsuch mit Fokus auf dem Lesen in der Fremdsprache). Während im oral paired reading bzw. dem Tandemlesen der ‚akustische Kanal‘ durch eine zweite Person erzeugt wird, wird ansonsten regelmäßig auf technische Hilfsmittel zurückgegriffen. Neben Medienbundles wie Buch und CD bzw. Buch und Reading Pen spielen hier auch rein digitale Formate eine Rolle (vgl. Cummins 2005, Edwards / Pemberton / Knight / Monaghan 2002, Elsner 2011). Auch Filmuntertitel sind eine beliebte Form der Kombination von geschriebenem und gesprochenem Wort. Filmuntertitel können das gesprochene Wort in Schriftform wiedergeben, alle akustischen Informationen in Schriftform darstellen (also z. B. auch Türklingeln, sich nähernde Schritte), oder eine Übersetzung der Tonspur anbieten. In diesem Kontext ist die erste Form, d. h. die Nutzung von Untertiteln als zweitem Modus für den selben Inhalt im identischen Code, das Format, das Sprachlernspielen wie ME lang-E am nächsten kommt-- auch wenn bei ME lang-E ‚Untertitel‘ visuell recht anders, nämlich in Sprechblasen (siehe Abb. 1), und nicht z. B. im unteren Bildschirmbereich, präsentiert werden. Auf der Ebene der Filmproduktion ist der Untertitel oft ein Element, das erst spät im Produktionsprozess ergänzt wird. Manchmal- - etwa bei Untertitelungen für die TV -Ausstrahlung in einem anderssprachigen Land-- auch erst Jahre nachdem der Film produziert wurde. Filmuntertitelung erscheint daher leicht als eine Krücke, als ein Werkzeug, das den Zugang zum ‚eigentlichen‘ Film, bei dem das gesprochene Wort dominiert, ermöglicht. Entsprechend blicken viele Studien darauf, wie Untertitelung Lerner / innen beim Verstehen des Films unterstützt, oder auch, ob sie das Hörverstehen fördern kann. In Mitterer / McQueen / Pelli (2009) etwa sahen Proband / innen einen von zwei Filmen auf Englisch mit starken regionalen Besonderheiten, entweder ohne Untertitel, mit Untertitel in der Zielsprache (aber standardsprachlich), oder mit Untertiteln auf Niederländisch, der Muttersprache der Proband / innen. Die Proband / innen, die die Filme mit standardsprachlichen Untertiteln gesehen hatten, konnten anschließend die dialektalen Äußerungen in neuen Filmsequenzen deutlich besser wiedergeben als diejenigen, die die anderen Treatments erhalten hatten. Die Studie von Mitterer und McQueen ist in diesem Kontext besonders relevant, da hier regionale Varietäten des Englischen (schottische und australische regionale Varietäten) verwendet wurden, mit denen die Proband / innen nicht so vertraut waren-- ein ähnliches 110 Kapitel 7 Mehrsprachige Leseförderung durch mehrsprachige Computerspiele? Szenario, wie der Einsatz verschiedener non-native Englishes bei ME lang-E. Diese Studie gibt also Hinweise darauf, dass die Kombination von geschriebenem und gesprochenem Wort bei einem mehrsprachigen Spiel zumindest eine Förderung des Hörverstehens darstellen kann. Ob dies zugleich die Lesekompetenzen fördert, ist damit noch nicht gezeigt. Die Lesekompetenz selbst rückt aber auch in einer Anzahl von Studien in den Blick. Interessant ist hier z. B. die Arbeit von Kothari, der in einer Reihe von Publikationen (z. B. Kothari 2008) die Rolle von Untertitelungen-- speziell von Bollywood-Liedern-- für die Lesekompetenzentwicklung in Indien thematisiert. Er betrachtet die Effekte, die Same Language Subtitling ( SLS ), das Untertiteln von Liedvideos mit Untertiteln in der Liedsprache in einer Art Karaoke-Stil, auf die Lesekompetenz in der Muttersprache hat. Für die Art von Input-- wöchentliche, 30-minütige Musiksendungen, die primär zu Unterhaltungszwecken konsumiert werden-- berichtet er von recht beeindruckenden Effekten auf die Lesekompetenz. Bei der Interpretation von Studien zu den Effekten von Untertiteln ist zu beachten, dass Filme nicht warten, bis der Leser / die Leserin die Untertitel zu Ende gelesen hat, um dann den Film fortzusetzen. Handlung, Dialoge, Untertitelung müssen gleichzeitig wahrgenommen werden (wobei sich Handlung und Untertitel den visuellen Kanal teilen) und verarbeitet werden (wobei sowohl Dialog als auch Untertitelung den verbalen Kanal beanspruchen) (Mayer / Moreno 2003). Der cognitive load ist dadurch sicherlich deutlich erhöht. Bei Spielen dagegen ist dies durch die Interaktivität des Spiels nicht zwingend der Fall. Mangiron beschreibt die Rolle von Untertiteln im Spiel folgendermaßen: Interactivity is a parameter that deserves special consideration in game subtitling. A number of games offer players the opportunity to control the speed at which the subtitles are displayed by allowing them to press a button when they have finished reading the subtitle, as in some of the Final Fantasy series games. This feature increases accessibility for deaf and hard of hearing players and players with cognitive disabilities. Other games, as is the case for the Mass Effect series, allow the subtitles to be skipped for those gamers who are not interested in the dialogue or have seen a given scene previously. Finally, in some games players are expected to read subtitles while performing other tasks, which may hinder their progress in the game. (Mangiron 2013: 49) Die Spiele, die Mangiron betrachtet, sind teilweise solche, die für akustische Ausgabe entwickelt wurden, und bei denen die schriftliche Ausgabe des Texts nachträglich, etwa aus Accessibility-Gründen, ergänzt wurde. Dies unterscheidet sich natürlich deutlich vom Vorgehen bei ME lang-E und anderen Sprachlernspielen, bei denen beide Modalitäten von Anfang an aus didaktischen Gründen mitgedacht wurden. Dennoch gilt die grundlegende Beobachtung, dass das Aussetzen weiteren Inputs bis zur Eingabe des Nutzers / der Nutzerin die Verarbeitung deutlich entzerrt: Der geschriebene Text ist auch nach Ende des Audiofiles noch sichtbar, erst nach Nutzereingabe verschwindet er. Da Spiele allgemein dazu tendieren, vergleichsweise hohe kognitive Belastungen für Spieler / innen darzustellen (z. B. deHaan / Reed / Kuwada 2010, deHaan 2005), ist diese Form der sprachlichen Entzerrung und Entlastung relevant. Im Fall von ME lang-E sieht dies dann so aus, dass der geschriebene Text erst nach dem Anklicken der gewünschten Antwort ausgeblendet wird. 111 3. MElang-E Hybride Medienkombinationen wie Buch und Reading pen, bei der die Textausgabe fein granuliert auf User Input reagiert, oder digitale Storybooks (wie MuViT (Elsner 2011) oder ebooks mit Audiounterstützung), bei der Text seitenweise (auf Wunsch mehrfach) vorgelesen wird, dabei pausiert werden kann, etc., kommen dem am nächsten. Anders als Filmuntertitel sind diese aber ebenfalls nur wenig in ihrer Wirkung auf das Sprachenlernen oder die Lesekompetenzentwicklung erforscht. Für das digitale multimodale und mehrsprachige Storybook Programm MuViT (in dieser Studie nur in der Zielsprache Englisch genutzt), konnte Walter (2014) zeigen, dass Schüler / innen, die die englischsprachigen MuViT-Geschichten mit Audio rezipierten, ihr Verständnis der Geschichten als höher einschätzten als eine (matched sample) Vergleichsgruppe, die dieselben Geschichten ohne Audiosupport genutzt hatte. Ihre Ergebnisse im Verständnistest waren im Vergleich zur Kontrollgruppe ohne Audio erhöht, wenn auch nicht signifikant. Ohne eine solche Entzerrung sind z. B. auch explizite Sprachvergleiche, die sich bei mehrsprachigen Spielen geradezu anbieten, kaum denkbar. Die Besonderheit mehrsprachiger Spiele ist, dass hier eine Vielzahl an Sprachen in einem Produkt versammelt ist. Dies stellt damit offensichtlich auch ein Angebot für implizite und explizite Sprachvergleiche dar. Spieler / innen können in ihren Sprachvergleichen nicht nur auf das Klangbild, sondern auch auf das Schriftbild Bezug nehmen. Sie sehen auf einen Blick, dass Urdu sich einer anderen Schrift bedient als Türkisch, oder dass Deutsch Umlaute besitzt, die im Englischen fehlen. Beim Direktvergleich zwischen Sprachen (vgl Beispielsätze unten) sehen Spieler / innen, dass Worte, die ähnlich geschrieben werden, durchaus unterschiedlich ausgesprochen werden können, und dass sich Sprachen auch auf der Ebene der Interpunktion unterscheiden. Beispiel 1: Spanisch und Katalanisch: Aurora: Aaah! Mali, tens VERDURA . Vols truita o ou dur? ¿Tortilla o huevo duro? Beispiel 2: Englisch, Italienisch und Spanisch Mali: We should be fine in less than 30 minutes. Sofia: Tranquilla Signora! In meno di trenta minuti saremo salvati. Signora Cortés: ¡Menos de treinta minutos no es mucho! Ahora estoy más traquila. Auch wenn die Forschungslage nicht ausreicht, um klar zu sagen, dass mehrsprachige Sprachlernspiele wie ME lang-E Leseförderung in mehreren Sprachen darstellen, so ist doch klar, dass sie in dieser Hinsicht Potenziale besitzen. Ob diese Potenziale realisiert werden, hängt sicherlich auch von der didaktischen Einbettung der Spielerfahrung ab. 112 Kapitel 7 Mehrsprachige Leseförderung durch mehrsprachige Computerspiele? 4. Notwendigkeit einer didaktischen Einbettung Eine Schullektüre alleine macht noch keinen guten Unterricht-- und das Gleiche gilt für ein Computerspiel. Ein gutes Spiel verspricht gewisse Lernerfolge auch für sich alleinstehend (Gee 2003), aber gelenkt und maximiert werden können Lernerfolge durch eine strategische Einbettung in den Unterricht. So spielt es etwa durchaus eine Rolle, welche Anweisungen Schüler / innen in Bezug auf das Spiel erhalten. Sollen sie sich damit einfach vergnügen? Sollen sie auf den Inhalt / Plot achten? Oder vielleicht doch auf die sprachliche Form? Wissen sie bereits, dass sie im Anschluss eine bestimme Computerspielszene im Rollenspiel nachspielen, oder schriftlich zusammenfassen sollen? Das jeweilige Leseziel sollte idealerweise explizit gemacht werden; dies gilt besonders dann, wenn sich der schulische Umgang mit einem Spiel stark von freizeitgeprägten Praktiken unterscheidet. Je nach Leistungsstand der jeweiligen Gruppe sind auch eine Reihe von pre-playing activities, analog zu pre-reading activities, sinnvoll, etwa um Vorwissen zu aktivieren. Im Anschluss an das Spiel (entweder nach komplettem Durchspielen, oder nach einem bestimmten Sinnabschnitt) ist auch ein debriefing sinnvoll. Unter debriefing wird hier letztlich die Anschlusskommunikation im Unterricht verstanden. Hier kann zum Beispiel über die (sprachlichen und nicht sprachlichen) Inhalte diskutiert oder die eigene Spielstrategie reflektiert werden. Wann habe ich im Spiel Englisch genutzt? Wann andere Sprachen? Wie habe ich mich dabei gefühlt? Welche Funktion hatte für mich der geschriebene Text? Welche der gesprochene Text? War das von Sprache zu Sprache unterschiedlich? Auch vertiefende Aufgaben im Sinne von post-playing activities sind möglich. Natürlich sollte dabei vermieden werden, dass durch eine übermäßige Menge an Aufgaben das Spielerlebnis zu sehr fragmentiert wird. Um die Einbettung in den Unterricht zu erleichtern, wurde für ME lang-E eine Sammlung von Arbeitsblättern und Übungsideen entwickelt, die die Schüler / innen etwa bei der Entwicklung von Kommunikativer Kompetenz und Language Awareness unterstützen können. Zusammenfassung Multimediale Texte wie Computerspiele können einen wertvollen Beitrag zum mehrsprachigen Lesen leisten. In diesem Kapitel wurde aufgezeigt, dass das Lesen digitaler Texte - darunter auch digitale Spiele - für viele Schüler / innen einen wichtigen Teil ihrer „Lesediät“ ausmacht. Am Beispiel des mehrsprachigen Computerspiels ME lang-E wird das Potenzial von Spielen für die Förderung mehrsprachigen Lesens, insbesondere durch Interaktivität (Abhängigkeit des Spielverlaufs von der Spielerhandlung) sowie durch multimodale Komponenten (Audiounterstützung, Bilder, etc.), diskutiert. Damit mehrsprachige digitale Spiele aber tatsächlich lesefördernd wirken können, benötigen sie eine passende didaktische Einbettung im Unterricht. 113 4. Notwendigkeit einer didaktischen Einbettung Studienfragen 1. Spielen Sie ein Spiel in einer Sprache, die Sie nicht oder kaum lesen können (z. B. die Handy-App Neko Atsume in der japanischen Sprachversion). Wie helfen Ihnen die nicht sprachlichen Elemente des Spiels beim Verständnis? 2. Spielen Sie über eine längere Zeit ein Computerspiel in einer Sprache, in der Sie schon ein gewisses Leseniveau haben (oder reflektieren Sie über bereits auf diese Weise gesammelten Spielerfahrungen). Welche sprachlichen Kenntnisse haben Sie sich beim Spielen aneignen können? (z. B. Fachbegriffe, Spezialvokabular, Slang, etc.) Lektüreempfehlungen Die aktuelle JIM -Studie (Medienkonsum von Jugendlichen) bzw. die KIM -Studie (Medienkonsum von Kindern) finden Sie unter: https: / / www.mpfs.de/ startseite/ Gee, James Paul (2003): What Video Games have To Teach Us About Learning And Literacy. New York: Palgrave Macmillan. „Lesen ist nicht so mein Ding. In meiner Familie gab es Schriftlichkeit nur im Zusammenhang mit Behördenkommunikation.“ (Student, 1. Semester) Kapitel 8 Mehrsprachige literale Förderung Ein Handlungsfeld für die Ausbildung von Deutschlehrpersonen Trix Bürki, Katja Schnitzer Fragen 1. Lernende, die mit mehreren Sprachen aufwachsen, verfügen über eine individuelle Mehrsprachigkeit. Welche unterschiedlichen Formen des Mehrsprachenerwerbs lassen sich unterscheiden? 2. Sollten Lernende mit individueller Mehrsprachigkeit zu Hause ihre Familiensprache (z. B. Albanisch, Tamil oder Portugiesisch) pflegen oder stattdessen lieber Deutsch sprechen? 3. Der Einbezug von Mehrsprachigkeit im Deutschunterricht bzw. der Sprachen der Lernenden wird schon lange gefordert. Welche Gründe gibt es dafür? Schließlich geht es doch um das Lernen der deutschen Sprache! ? Abstract In diesem Kapitel lernen Sie zwei Projekte sowie einen dazugehörigen hochschuldidaktischen Ansatz aus dem Bereich der mehrsprachigen literalen Förderung kennen. Ausgangspunkt stellt die kulturell und sprachlich heterogene Zusammensetzung der Schülerschaft an deutschschweizerischen (Primar-)Schulen dar. Die Berücksichtigung von deren lebensweltlicher Mehrsprachigkeit ist ein wichtiges Anliegen des schweizerischen Bildungsplanes, auch im Deutschunterricht. Allerdings geschieht dies bislang vordringlich im Bereich des sprachlichen Lernens, während sich literales Lernen nach wie vor zumeist in einem monolingualen Setting abspielt. Mit Blick auf aktuelle Forschungserkenntnisse wäre der Einbezug von Mehrsprachigkeit aber gerade hier wichtig. Für die nachhaltige Umsetzung dieses Anliegens braucht es zum einen die Kooperation mit den Familien sowie zum anderen Lehrpersonen mit einem ensprechenden Knowhow. In der Pflicht steht daher die Ausbildung von Lehrpersonen für den Deutschunterricht. 116 Kapitel 8 Mehrsprachige literale Förderung Einleitung Der Umgang mit individueller Mehrsprachigkeit ist zweifelsfrei ein Thema für die Ausbildung von Lehrpersonen für den Deutschunterricht. Darüber besteht Einigkeit in Wissenschaft und (Schul-)Politik (z. B. Becker-Mrotzek / Rosenberg / Schroeder / Witte 2017; Ricart Brede / Maak i. Vorb.). Obwohl sprachlich heterogene Schulklassen heutzutage den Regelfall darstellen, verfügt die Schülergruppe mit individueller (meist migrationsbedingter) Mehrsprachigkeit mit Blick auf den Zusammenhang von Deutschkenntnissen und Schulerfolg nach wie vor nicht über eine gleichberechtigte Bildungsteilhabe (z. B. SKBF 2014). Didaktische Konzepte zur Förderung von Mehrsprachigkeit und daran ansetzende Unterrichtsmaterialien existieren unterdessen (z. B. Oomen-Welke 2017). Die aktuellen Curricula der deutschsprachigen Länder sehen den Einbezug von Mehrsprachigkeit daher auch vor (z. B. D- EDK 201; Krumm / Reich 2011; MKS 201). Allerdings wird dabei vordringlich der Bereich des sprachlichen und nicht des literalen Lernens in den Blick genommen. Dies gilt auch für den schweizerischen Lehrpan 21, obwohl es gute Gründe für die mehrsprachige Literalitätsförderung gibt: Wie Forschungsergebnisse zeigen, stellen frühe literale Erfahrungen in der Familie eine wichtige Voraussetzung für Bildungserfolg dar (vgl. z. B. Böck 2010). Zudem lassen sich gut ausgebaute Kompetenzen in der Erstsprache v. a. im Bereich der Schriftlichkeit auf die Zweitsprache übertragen (vgl. z. B. Jeuk 2008). Der Fokus liegt in diesem Kapitel auf dem an der Pädagogischen Hochschule der Fachhochschule Nordwestschweiz ( PH FHNW ) entwickelten hochschuldidaktischen Ansatz, der angehende Deutschlehrpersonen durch eine enge Theorie-Praxis-Verzahnung auf die mehrsprachige literale Förderung unter Einbezug der Familien der Lernenden vorbereiten möchte. Nachfolgend werden Sie durch Daten und Fakten zur mehrsprachigen Schweiz sowie zur schulischen Situation der mehrsprachigen Schülergruppe mit der Ausgangslage des Projekts vertraut gemacht. Anschließend erfahren Sie, weshalb die mehrsprachige literale Förderung im Deutschunterricht unerlässlich ist und durch welche Konzepte sie unterstützt wird. Nach der Formulierung von Konsequenzen für die Ausbildung von Lehrpersonen schließt das Kapitel mit der Vorstellung zweier konkreter Umsetzungsbeispiele sowie einem Fazit. 1. Ausgangslage Welche Rolle spielt (gesellschaftliche und individuelle) Mehrsprachigkeit in der Schweiz? Wie wirkt sie sich auf die Zusammensetzung von Schulklassen aus? Wie stellt sich die schulische Situation der migrationsbedingt mehrsprachigen Schülergruppe dar? Beeinflusst Mehrsprachigkeit den Schulerfolg? Mehrsprachigkeit in der Schweiz Weltweit werden in ca. 200 Ländern etwa 500 Sprachen gesprochen. Mehrsprachigkeit stellt damit zweifelsfrei den Normalfall dar. Sie ist sowohl ein individuelles als auch ein gesellschaftliches Phänomen. Während sich individuelle Mehrsprachigkeit auf die Sprach- 117 1. Ausgangslage fähigkeit einzelner Sprecher / innen bezieht, nimmt gesellschaftliche Mehrsprachigkeit das Nebeneinander verschiedener Sprachen in den Blick (Trim / North / Coste / Sheils 2013: 17). Die Kontinente mit der größten sprachlichen Vielfalt sind Afrika und Asien (z. B. Kausen 2013; 2014). Aber auch viele europäische Länder sind heute mehrsprachige Länder. Nach der Nationalbewegung des 19. Jahrhunderts mit dem Motto „Eine Sprache-- ein Volk-- ein Staat“ (z. B. Weichlein 200: 14), vollzieht sich seit Mitte des 20. Jahrhunderts aufgrund von Globalisierung, beruflicher Mobilität und Massenmigration ein gesellschaftlicher Wandel, der auch mit sprachlicher Diversifizierung einhergeht. In Anlehnung an Vertovec (2007) ist in diesem Zusammenhang auch von „Super-Diversity“ die Rede. Auch die Schweiz ist ein mehrsprachiges Land. Im Gegensatz zu manch anderem europäischen Land hat gesellschaftliche Mehrsprachigkeit in dem kleinen Land im Herzen Europas Tradition. So äußert sie sich territorial durch die vier Sprachregionen Deutschschweiz, italienische, französische und rätoromanische Schweiz mit jeweils einer zugeordneten Sprache. Amtssprachen auf Bundesebene sind seit 1848 Deutsch, Französisch und Italienisch; seit 1938 zudem Rätoromanisch. Daneben wird in allen vier Sprachregionen auch eine Vielzahl an Migrationssprachen gesprochen, zumal Arbeits- und Fluchtmigration in der Schweiz seit Ende der 1940er Jahre eine wichtige Rolle spielen. Die wichtigsten Herkunftsländer waren zunächst Italien, Deutschland und Frankreich, aber auch Spanien, Portugal und die Türkei. Seit den 1980ern ergaben sich bedingt durch weltweite Krisenherde Veränderungen im Migrationsgeschehen. Fortan migrierten verstärkt Menschen aus Sri Lanka, dem Mittleren Osten, Afrika sowie aus Bosnien und dem Kosovo (vgl. Kaser 2015). Seit 2015 treffen mit der „Flüchtlingswelle“ insbesondere Menschen aus Pakistan, Syrien, dem Libanon, Afghanistan und Äthiopien ein ( SEM 2017: 12 f.). In Anlehnung an die Strukturerhebung der eidgenössischen Volkszählung (2013-2015) sind die am häufigsten zu Hause gesprochenen Sprachen (nach Schweizerdeutsch, Französisch, Italienisch und Hochdeutsch) Englisch, Portugiesisch, Albanisch, Spanisch, Serbisch und Kroatisch, italienische Dialekte, Rätoromanisch sowie „andere Sprachen“ ( BFS 2017). Darüber hinaus spielt auch die innere Mehrsprachigkeit (nach Wandruszka 1971) eine wichtige Rolle: v. a. in der Deutschschweiz werden etliche Dialekte gesprochen. Diese unterscheiden sich z. T. beträchtlich (vgl. z. B. die Varianten von „Kuss“ in Christen / Glaser / Freidli 2015). Zur schulischen Situation der mehrsprachigen Schülergruppe Die oben beschriebene gesellschaftliche Mehrsprachigkeit der Schweiz hat Auswirkungen auf die Schule. Individuelle (meist migrationsbedingte) Mehrsprachigkeit unter den Lernenden stellt heutzutage den Regelfall dar, insbesondere in städtischen Ballungszentren. Die nachfolgende Grafik veranschaulicht am Beispiel einer Schule im Kanton Basel-Stadt, das als Kooperationspartner an einem der in diesem Betrag beschriebenen Projekte teilnahm, die sprachliche Heterogenität vieler Primarschulen. 118 Kapitel 8 Mehrsprachige literale Förderung Abb. 1: Sprachenverteilung in einem Basler Schulhaus im Schuljahr 2016 / 17 laut Schulstatistik (n=165) Individuelle Mehrsprachigkeit stellt in einer globalisierten Welt eine wichtige Kompetenz dar und ist folglich ein allseits anerkanntes Bildungsziel, das sich z. B. in der Implementierung des frühen Fremdsprachenlernens oder der Einrichtung mehrsprachiger Programme an Schulen und Hochschulen äußert. Gleichwohl verfügen ausgerechnet jene Kinder über schlechtere Bildungschancen, deren Familiensprache keine der ausgewiesenen Schulsprachen (Deutsch, Französisch, Italienisch, Romanisch) ist. Sie sind folglich mit der jeweiligen Schriftkultur in der Schulsprache (die für sie die Zweitsprache ist) schlechter vertraut und bleiben dadurch häufig im literal basierten Schulalltag zurück ( SKBF 2014: 0 ff.). Somit stellt sich die Frage nach Programmen, die es auch ihnen ermöglichen, ihre sprachlichen und literalen Vorerfahrungen für ihr weiteres Lernen nutzbar zu machen. 119 2. Sprach- und Literalitätsförderung: Konzepte und Programme 2. Sprach- und Literalitätsförderung: Konzepte und Programme Die mehrsprachige Schülergruppe mit Zuwanderungsbiografie gilt aufgrund ihrer oben dargelegten schulischen Schwierigkeiten v. a. im Deutschunterricht als Herausforderung. Dabei wird oft außer Acht gelassen, dass sie über Kenntnisse in zwei oder gar mehreren Sprachen verfügt sowie über Erfahrungen aus dem Bereich der Sprachlernstratgien oder literalen Praktiken. Dies stellt eine große Bereicherung dar und sollte als Ressource genutzt werden. Entsprechende Konzepte liegen aus den zugeordneten wissenschaftlichen Disziplinen vor. Einige von ihnen, die für das vorliegende Kapitel bedeutsam sind, werden im Folgenden vorgestellt. Multiliteracies Das Konzept Multiliteracies geht davon aus, dass im Deutschunterricht nicht nur Wert auf die Schulung und Förderung kognitiver literaler Ressourcen gelegt werden sollte, sondern auch auf die Schaffung sozialer und sozialsemiotischer Zugänge (Böck 2013: 14) für Lese- und Schreiberwerbshandlungen im Sinne eines erweiterten Mehrsprachigkeitsunterrichts. Somit können auch jene Kinder profitieren, die über andere Zugänge zu Schrift bzw. Medien verfügen. Das hierfür angelegte Konzept einer erweiterten Mehrsprachigkeit basiert auf einer Vorstellung von Literalität als kultureller und sozialer Kommunikationspraxis: „Literalität setzt-[…] literacy voraus, ist aber mehr als die bloße Möglichkeit, sich schriftlich mitzuteilen. Sie schließt ein verändertes Verhältnis des Menschen zur Sprache, zu sich selbst und zur Gesellschaft ein“ (Feilke 2007: 30). Diese hier beschriebene Aufgabe einer Pädagogik der erweiterten Mehrsprachigkeit wird bereits seit Mitte der 1990er Jahre in den Konzepten von Multiliteracies theoretisch modelliert (z. B. Kress 2000). Dabei werden zwei grundlegende Handlungsaspekte literaler Kommunikation fokussiert, die miteinander interagieren und aufeinander zu beziehen sind: Zum einen die Berücksichtigung der subjektiven Bedeutungszuweisungen und Erfahrungen, die Schüler / innen mit literalen Praktiken in unterschiedlichen soziokulturellen Kontexten vornehmen und verbinden. Insofern ist dieses Wissen als Grundlage für einen Mehrsprachigkeitsunterricht zu sehen, „der an den im außerschulischen Alltag gemachten literalen Erfahrungen und Kompetenzen der Schüler / innen anknüpft, diese in die Schule holt-- und damit respektiert und anerkennt-- und zum Beispiel als Ausgangspunkt nimmt, um sie mit Inhalten und Kompetenzen zu verknüpfen, welche die Lernenden laut Lehrplan entwickeln sollen“ (Böck 2013: 9). Zum anderen betont das Konzept die durch rapide gesellschaftliche Veränderungen modifizierte Verfasstheit von Kommunikationsmedien, die nunmehr weitgehend multimodal geprägt sind und folglich unterschiedliche codespezifische Produktions- und Rezeptionsweisen bedingen bzw. ermöglichen. Für einen Deutschunterricht, der sich am Konzept einer erweiterten Mehrsprachigkeit orientiert, eröffnen sich hierdurch Chancen, multimodale Zugänge zur lebensweltlichen Mehrsprachigkeit von Kindern und Jugendlichen zu gestalten und damit unterschiedliche literale Potenziale einzubeziehen. 120 Kapitel 8 Mehrsprachige literale Förderung Family Literacy Hinter dem Begriff Family Literacy ( FL ) steht die Auffassung, dass „die Familie nach einhelliger Forschungsmeinung nicht nur die früheste, sondern auch die wirksamste Instanz der Lesesozialisation ist“ (Hurrelmann 2013: 19). Das Konzept richtet sich gezielt an Familien in benachteiligten Lebenslagen. Diese sollen in ihrer Bildungsfunktion durch die Veränderung der häuslichen literalen Praktiken gestärkt werden. Im Fokus steht die Stärkung der Fähigkeit der Eltern, den Schriftspracherwerb ihrer Kinder zu unterstützen. Im Gegensatz zu herkömmlichen Bildungsprogrammen kann bei FL nicht von einem einheitlichen Ansatz gesprochen werden. Stattdessen differenziert er sich v. a. in drei Auffassungen: „Er kann sich zum einen auf den Gebrauch literaler Praktiken beziehen, zum anderen die Zusammenarbeit von Schule und Familie beschreiben oder drittens als generationsübergreifendes Interventionsprogramm aufgefasst werden“ (Nickel 2010: 4). Im nachfolgend beschriebenen Projekt handelt es sich um Letzteres, indem Kindern und ihren Eltern gemeinsame positive Erlebnisse rund um Bücher und Geschichten in ihrer Familiensprache ermöglicht werden. Language Awareness und Didaktik der Sprachenvielfalt Das Konzept Language Awareness ( LA ) (Hawkins 1984) hat seinen Ursprung in der Fremdsprachendidaktik der 1980er Jahre und wurde in den 1990er Jahren konzeptuell weiterentwickelt. Die verfolgten Ziele sind sowohl linguistisch als auch pädagogisch: Im Mittelpunkt des Interesses stehen alle an der Schule vorhandenen Sprachen: Schulsprache(n), Schulfremdsprachen, Familiensprachen, Dialekte und andere Varietäten. Zentrale Ziele sind das Wecken von Interesse an Sprache(n), Toleranz gegenüber Sprachenvielfalt, die Entwicklung einer wertschätzenden Haltung gegenüber anderen Sprachen, die Bewusstmachung kommunikativer sprachlicher Muster durch Sprachreflexion sowie der Aufbau metasprachlicher Fähigkeiten und von Lernstrategien. Das für den vielsprachigen Deutschunterricht entwickelte Konzept Didaktik der Sprachenvielfalt (Oomen-Welke 2017) ist an das LA -Konzept angelehnt. Damit alle Kinder zu „Adressaten des Unterrichts“ (Oomen-Welke 2017: 19) werden, sollen alle ihre Sprachen und Sprachfragen thematisiert, im Klassenzimmer willkommen geheißen und für das sprachliche Lernen nutzbar gemacht werden. Der Einbezug von Mehrsprachigkeit wird dabei als allgemeines didaktisches Prinzip verstanden: Das Sprachwissen der mehrsprachigen Schüler / innen kann inspirierend für alle Lernenden sein, weil sie „ein erhöhtes Bewusstsein für das Funktionieren und das Lernen von Sprachen“ und „zudem eine besondere Sensibilität für die sprachliche und kulturelle Vielfalt in der Gesellschaft“ (Hutterli / Stotz / Zappatore 2008: 121) haben. Eine zentrale Rolle spielen der Aufbau von Sprachaufmerksamkeit sowie das gezielte Herbeiholen anderer Sprachen, z. B. um durch den systematischen Vergleich von Alltagsroutinen (z. B. Formen der Begrüßung), (literarischen) Texten und Sprachsystemen Gemeinsamkeiten und Unterschiede mit der Schulsprache festzustellen und so über das bessere Verständnis der eigenen Sprache zu einem umfassenden Sprachverständnis zu gelangen. 121 3. Konsequenzen für die Lehrerbildung Mit Blick auf Forschungserkenntnisse, die die Übertragbarkeit gut ausgebauter Kompetenzen in der Erstsprache auf die Zweitsprache insbesondere im schriftsprachlichen Bereich nahelegen (vgl. z. B. Jeuk 2008), ergeben sich zwei wichtige Schlussfolgerungen. Zum einen wirkt sich die Pflege der Erstsprache positiv auf das Lernen der Zweitsprache Deutsch aus. Zum anderen ist ein positiver Effekt durch den Einbezug von Mehrsprachigkeit auch im Bereich der Schriftlichkeit, also der literalen Förderung, zu erwarten. 3. Konsequenzen für die Lehrerbildung Die o. g. Konzepte verdeutlichen die Notwendigkeit des Einbezugs von Mehrsprachigkeit im Deutschunterricht. Um das sprachliche und literale Wissen der mehrsprachigen Schüler / innen für Lernprozesse nutzen und dadurch ihre Bildungschancen verbessern zu können, haben Lehrpersonen eine Schlüsselrolle. Wie aktuelle Studienergebnisse (z. B. Schnitzer i. Vorb.) zeigen, wird die sprachliche Heterogenität der Lernenden im Deutschunterricht aber oftmals als Überforderung empfunden, sowohl bei erfahrenen als auch angehenden Lehrpersonen. Oftmals fehlt es auch am Hintergrundwissen z. B. über relevante didaktische Ansätze und daran ansetzende Materialien. In der Folge trifft die individuelle Mehrsprachigkeit der Lernenden oftmals auf eine monolinguale Unterrichtspraxis. Zu erwähnen ist auch, dass die Förderung von Mehrsprachigkeit meist lediglich im Bereich des sprachlichen und nicht des literalen Lernens curricular verankert ist. Dies gilt auch für den Schweizer Lehrplan 21 (D- EDK 201). An der PH FHNW haben etwa 20 % der Studierenden selbst einen Migrationshintergrund (Burren / Porta / Safi 201). In der Schweiz zählen dazu „Personen ausländischer Staatsangehörigkeit, die eingebürgerten Schweizer / innen-[…], sowie die gebürtigen Schweizer / innen mit Eltern, die beide im Ausland geboren wurden“ ( BFS 201: 20). Dadurch verfügen sie nicht nur über weitreichende Sprachkompetenzen (von Albanisch, Portugiesisch, Kurdisch, Arabisch, Türkisch über Tamil und Malayalam bis hin zu Kisuaheli), sondern auch über vielfältigste Erfahrungen der subjektiven Bedeutungszuweisungen von Literalität. Um diese biografischen Erfahrungen für das eigene professionelle Handeln nutzbar zu machen, sind ein entsprechendes Hintergrundwissen sowie ein hoher Grad an Reflexivität notwendig. Zentral für die Entwicklung derselben sind Lehrveranstaltungen, in denen nebst Kompetenzaufbau und der Entwicklung von fachdidaktischen Konzepten auch die Reflexion des eigenen professionellen Handelns im Bereich multiliteraler Erfahrungen ermöglicht wird, weil dadurch eine differenzierte Auseinandersetzung mit dem Konzept Multiliteracies-- sowohl für plurials auch monolingual sozialisierte-- Studierende erreicht werden kann. Vor diesem Hintergrund wurde ein hochschuldidaktischer Ansatz entwickelt, der angehenden Deutschlehrpersonen durch eine enge Theorie-Praxis-Verzahnung sowohl den Erwerb von relevantem Wissen als auch dessen Anwendung und Reflexion ermöglicht, um sie auf den Umgang mit sprachlicher Heterogenität im Deutschunterricht vorzubereiten. Die konkrete Umsetzung sah so aus, dass die Studierenden auf der Grundlage der zuvor vermittelten fachlichen Grundlagen Praxismaterialien (Materialkisten, vgl. Abschnitt 4) erstellten, die sie anschließend an einer Partnerinstitution bei der Durchführung von z. B. FL -Animationen in 122 Kapitel 8 Mehrsprachige literale Förderung die Praxis umsetzten. Die Reflexion der Praxiserfahrungen erfolgte wiederum in der Lehrveranstaltung. Auf dieser Grundlage wurden anschließend auch die Materialien überarbeitet, die im jeweils darauffolgenden Zyklus von einer neuen Studierendengruppe eingesetzt und weiterentwickelt wurden. Als Praxispartner konnte eine in einem multikulturellen Basler Quartier angesiedelte Bildungslandschaft genutzt werden, die am schweizweiten Projekt Bildungslandschaften teilnimmt, um „die Integration und Partizipation der Kinder und deren Familien zu verbessern“ (www.bildungslandschaften.ch/ thierstein). Ziel der Maßnahme ist die Optimierung des individuellen Bildungswegs eines jeden Kindes durch eine horizontale und vertikale Vernetzung (Zusammenarbeit aller am Bildungsprozess beteiligten Personenund Institutionen sowie die Förderung von der Geburt bis zum Beruf) (www.bildungslandschaften.ch). 4. Projekte Es stellt sich also die Frage, wie sich die in Abschnitt 2 beschriebenen Konzepte im Rahmen des o. g. hochschuldidaktischen Ansatzes im Schulalltag praktisch umsetzen lassen. Im Folgenden werden die Projekte Mehrsprachige literale Förderung für die ganze Familie (Melifa) und Sprachen-Austellung zur Mehrsprachigkeit in der Schweiz (SAMS) vorgestellt. Neben konzeptuellen Überlegungen sind auch direkt umsetzbare Praxisbeispiele enthalten. Das Projekt Melifa Das Projekt Melifa (2014-201) rückt zum einen das Erzählen von Geschichten und das Potenzial von vielsprachigen Geschichten sowie zum anderen die Notwendigkeit der Kooperation mit den Familien der Lernenden in den Mittelpunkt. Geschichten sind als transkulturelles Phänomen verbindend, als emotional positiv besetztes Element der Alltagskultur identitätsstiftend und als „Schaukelstuhl von der Mündlichkeit zur Schriftlichkeit“ (Hurrelmann 2013: 18) sprachfördernd. Das Erzählen von Geschichten kommt in allen Kulturen vor und ist so alt wie die Menschheit selbst. Es hilft den Menschen dabei, sich in Zeit und Raum zu begreifen und trägt damit zur Schaffung von Identität bei. Insbesondere im Kontext von Migration und Flucht hat es eine existenzielle Bedeutung. So stellt das Erzählen vertrauter Geschichten für viele Familien mit Migrationshintergrund zugleich ein Bindeglied zur Herkunftskultur und einen Anker in der Fremde dar. Nicht nur wird damit einem drohenden Gefühl der Entwurzelung entgegengewirkt, sondern auch der Grundstein dafür gelegt, sich in der Fremde als Individuen begreifen zu können, die in mehreren Kulturen zuhause sind. Mit anderen Worten gesagt: Geschichten geben Heimat. Mit Blick auf die kulturell und sprachlich plurale Realität vieler Schweizer Schulen heißt dies, dass die Pflege des Geschichtenschatzes der Kinder mit Migrationshintergrund aus emotionaler Warte unabdingbar ist und auch im Unterricht stattfinden muss. Diese Forderung wird nicht zuletzt auch durch Argumente aus der Perspektive des Spracherwerbs unterstützt. Wenn Geschichten in der betreffenden Familiensprache erzählt werden, sind sie ein wichtiges Instrument für die Sprachförderung der ganzen Familie. Grund dafür 123 4. Projekte ist, dass sie zwar vielfach mündlich erzählt werden, grundsätzlich aber einen konzeptionell schriftlichen Charakter aufweisen. Sie können deshalb als wirksames Instrument eingesetzt werden, eine positive Haltung zur Schriftlichkeit aufzubauen. Anstatt also Eltern den wohlgemeinten Tipp zu geben, Geschichten auf Deutsch zu erzählen, sollten sie vielmehr als Expert / innen für Geschichten aus der Herkunftskultur in den Bildungsprozess eingebunden werden. Dies kann im Rahmen von Family-Literacy-Animationen geschehen (vgl. Abschnitt 3). Im Projekt Melifa wurde das Konzept FL im Primarbereich umgesetzt. Zum einen erfolgte dies durch die Implementierung eines Konzepts zur mehrsprachigen literalen Förderung an der Partnerschule in Basel, im Rahmen dessen Lehrpersonen aller Stufen als Faciliators ermutigt und befähigt wurden, FL -Animationen im Rahmen von Elternanlässen (z. B. Elternfrühstück) und regulärem Unterricht (z. B. mehrsprachiges Vorlesen oder Erzählen von Geschichten durch Eltern oder Großeltern) in ihren schulischen Alltag zu integrieren. Zum anderen wurden im Sinne einer bildungslandschaftlich vertikalen Förderung auch die Faciliators, d. h. das pädagogische Personal von Spielgruppen und Familienzentren des Quartiers miteinbezogen. FL -Anlässe können an jedem Ort durchgeführt werden, an dem Bildung eine Rolle spielt: in Bibliotheken, Flüchtlingszentren, beim tamilischen Müttertreffpunkt, im Gartenbad usw., denn Dreh- und Angelpunkte des Projektes sind seine Niederschwelligkeit-- Eltern sollen dort erreicht werden, wo sie sich ohnehin aufhalten. Die Umsetzung des Projektes erfolgte demzufolge zielgruppenorientiert für das Fachpersonal von Primarschule, Kindergarten und Spielgruppen und basierte auf der Methode train the trainers, die in einem dreistufigen Verfahren umgesetzt wurde: ▶ Phase A: Entwicklung eines FL -Konzepts und entsprechender Materialien mit Studierenden und pädagogischem Fachpersonal. ▶ Phase B: Individuelle Realisierung der FL -Anlässe durch das pädagogische Fachpersonal. ▶ Phase C: Reflexion der durchgeführten Anlässe und Entwicklung eines Konzepts zur nachhaltigen Implementierung in der Jahresplanung der Institution. Grundlage für die Durchführung der FL -Anlässe bildeten „Materialkisten“, die im Rahmen von Lehrveranstaltungen bzw. Bachelorarbeiten entwickelt wurden. Diese enthalten Umsetzungsvorschläge für drei unterschiedliche Altersstufen (Vorschule; Klassenstufen 1-3; Klassenstufen 4-). Die Vorschläge sind modular aufgebaut und können für einen umfassenden FL -Anlass (i. d. R. 90 Minuten) oder einzelne kürzere Settings übernommen werden. Des Weiteren kamen Bücher in den Familiensprachen der Lernenden zum Einsatz, welche durch die interkulturelle Bibliothek Jukibu in Basel zur Verfügung gestellt wurden wie z. B. „Der Grüffelo“ (Beltz & Gelberg) oder „Harry Potter“ (Carlsen) in verschiedenen Sprachausgaben. Die Module für alle Zielstufen folgen jeweils dem nachfolgend dargelegten Schema: ▶ Modul 1: Gemeinsamer Einstieg / Abschluss (je 10') ▷ Mehrsprachige Einstimmung auf das Thema, Kennenlernen verschiedener Sprachen. ▷ Eltern und Kinder teilen ein positives Erlebnis rund um Mehrsprachigkeit. ▶ Modul 2: Eltern bringen sich in einen Erzählanlass ein (30') 124 Kapitel 8 Mehrsprachige literale Förderung ▷ Eltern erleben sich als Expert / innen für ihre Sprach- und Geschichtenkultur. ▷ Kinder und Eltern setzen ihre sprachlichen Ressourcen ein. ▷ Kinder werden in ihrer Erstsprachkompetenz gefördert. ▷ Die Eltern-Kind-Beziehung wird gestärkt. ▶ Modul 3: Eltern und Kinder betrachten gemeinsam ein Buch ihrer Wahl (30‘) ▷ Kinder und Eltern teilen ein positives Erlebnis rund um Bücher. ▷ Kinder werden in ihrer Erstsprachkompetenz gefördert. ▷ Die Eltern-Kind-Beziehung sowie die Beziehung zu Geschichten und Büchern wird gestärkt. ▶ Modul 4: Infos zu Institutionen, Vorlesen, Deutschkursen (15') ▷ Eltern kennen den Zugang zu Kindermedien in ihrer Umgebung (v. a. Bibliotheken). ▷ Eltern erhalten Informationen über die Wichtigkeit literaler Kompetenzen in der Erstsprache. ▶ Modul 5: Einbezug der Geschichtenkultur der Eltern (25') ▷ Kinder und Eltern bauen eine positive Haltung zu Literalität auf. ▷ Eltern und Kinder erleben die Wertschätzung der Geschichtenkultur in ihrer Familiensprache durch deren Einbezug im Schulalltag. Zu jedem Modul liegen entsprechende Aktivitäten (jeweils adaptiert für die unterschiedlichen Zielstufen) vor. Im Folgenden werden einige Beispiele vorgestellt. Aktivität 1: Dem Klang einer fremden Sprache lauschen (Modul 5) Ablauf: Der Abschnitt einer Geschichte - z. B. "Die Geschichte vom Mandelbäumchen" (www. iik.ch) - wird in einer „unbekannten“ Sprache vorgelesen. Hierfür kann ein Elternteil spontan oder bereits im Vorfeld angefragt werden. Mit geschlossenen Augen lassen die Zuhörenden den Klang der Sprache auf sich wirken: Wie lässt er sich beschreiben? Mit welchem Instrument könnte er verglichen werden? Wie heißt die Sprache? Wo wird sie gesprochen? Gibt es Sprachen, die ähnlich klingen? Was ist schön, hässlich, lustig daran? Ist die Geschichte lustig, traurig oder unheimlich? Ist es eher ein Krimi oder eine Liebesgeschichte? Worum könnte es wohl gehen? Anschließend werden drei Schlüsselwörter genannt und der Abschnitt nochmals vorgelesen. Die Zuhörenden erhalten den Auftrag, beim Erkennen eines Schlüsselworts aufzustehen. Sie achten auch auf andere Wörter, die sie evtl. verstehen. Dann denken sie sich in homogenen Sprachgruppen eine passende Geschichte aus und erzählen sie im Plenum. Ggf. wird die Geschichte zum Schluss auf Deutsch vorgelesen. Ziele: Einen affektiven Zugangs zu Sprache(n) schaffen, Neugier auf Sprachen wecken 125 4. Projekte Aktivität 2: Literaturcafé (Modul 3) Ablauf: Kinder und Eltern wählen Geschichten(anfänge) in ihren Sprachen aus. Hierfür werden das Zimmer oder die Bibliothek in ein Café umgebaut. Anstatt eines Getränks können auf einer Speisekarte Geschichten(anfänge) in verschiedenen Sprachen ausgewählt werden. Diese werden von einem Kind vorgelesen, das an den Tisch kommt. Das Vorlesen wird im Vorfeld in der Klasse geübt. Alternativ können sich auch Eltern einbringen, z. B. beim Klassen- oder Schulfest. Ziele: Familiensprachen und Geschichtengut sichtbar machen und wertschätzen, Expertise der Eltern einbeziehen, Eltern-Kind-Beziehung stärken, Schriftlichkeit positiv erleben Aktivität 3: Eltern und Kinder beginnen gemeinsam ein Geschichtenbuch (Modul 5) Ablauf: Im Kreis erzählen Kinder, Eltern und Lehrperson spontan, welche Geschichten sie aus ihrer Kindheit kennen, wer sie ihnen erzählt hat und welche Bedeutung diese für sie hatten und haben. Die Lehrperson sagt, dass die Klasse ein Geschichtenbuch zusammenstellen möchte. Sie lädt die Eltern ein, ihre Lieblingsgeschichte (freiwillig! ) zu erzählen. Eltern und Kinder schreiben diese dann (in der Erstsprache) auf oder zeichnen sie. Das Projekt wird zu Hause fertiggestellt, sodass die Lehrperson daraus ein Büchlein herstellen kann. Dieses kann beim nächsten FL - Anlass wiederverwendet werden. Alle Familien erhalten ein Exemplar. Ziele: Geschichtenkultur der Eltern wertschätzen; Schriftlichkeit positiv erleben Aktivität 4: Vorbereiteter Erzählanlass mit Bildern (Modul 2) Ablauf: Eine Geschichte in verschiedenen Sprachen (max. 4 inkl. Deutsch) wird von der Lehrperson oder von Eltern ausgewählt. Die Eltern werden gezielt für das Vorlesen des entsprechenden Satzes in ihrer Sprache angefragt. Am Anlass selbst lesen die LP und die Eltern die mehrsprachige Geschichte abwechselnd vor, die Bilder werden als Bilderbuchkino projiziert. Gemeinsam können auch Schlüsselwörter in den verschiedenen Sprachen gesucht werden. Wichtig ist, dass die ausgewählte Geschichte nicht zu lang ist, damit keine Langeweile aufkommt. Ggf. können längere Passagen nur auf Deutsch erzählt werden. Wenn kein Elternteil zum Vorlesen bereit ist, kann die Geschichte als Audio abgespielt oder von den Lernenden im Vorfeld als Vorleseprojekt (vgl. das Kapitel zum mehrsprachigen Lesetheater im vorliegenden Band) eingeübt bzw. aufgezeichnet werden. Ziele: Eltern bringen ihre Ressourcen ein und erleben sich als Expert / innen für ihre Sprachen Tab. 1: Beispiele für Aktivitäten aus dem Projekt Melifa (Zusatzmaterialien s. Webseite) 126 Kapitel 8 Mehrsprachige literale Förderung Der erste Durchgang des Projekts Melifa ist abgeschlossen. Erste Evaluationsergebnisse aus der Perspektive aller Beteiligten liegen inzwischen vor. Wie sich gezeigt hat, empfindet das pädagogische Personal das Konzept Multiliteracies als horizonterweiternd und die daran anknüpfenden Umsetzungsideen als hilfreich. Als entlastend wurde wahrgenommen, dass bei den Eltern ohne großen Aufwand viel positive Wirkung erzielt werden kann. Allerdings erwies sich die Erreichbarkeit der Eltern mit wenig Bildungserfahrung als schwierig. Entscheidend für den Erfolg waren schriftliche Einladungen in den Familiensprachen und persönliche Einladung durch die Lehrperson oder Schlüsselpersonen aus der Community wie z. B. HSK -Lehrpersonen (der auf freiwilliger Basis an einigen Schulen angebotene Unterricht in den Erstsprachen der Lernenden wird in der Schweiz als Unterricht in heimatlicher Sprache und Kultur ( HSK ) bezeichnet. In anderen deutschsprachigen Ländern ist von Erstsprachen- oder Herkunftssprachenunterricht die Rede). Als herausfordernd wurde das mangelnde Interesse am Vorlesen von Schüler / innen aus den älteren Jahrgangsstufen wahrgenommen. Denkbar wäre hier z. B. die Aufführung eines Mehrsprachigen Lesetheaters (vgl. Kapitel 5 in diesem Band). Aus Sicht der Schulleitung wurde der geringe organisatorische Aufwand des Projekts gelobt. Das Modul train the trainers konnte während der regulären Schulzeit erfolgen, weil die Studierenden den Unterricht übernahmen, während die Dozierenden mit den Lehrkräften arbeiteten. Dadurch lag eine Win-Win-Situation vor: Die Studierenden konnten ihr in der thematisch angebundenen Lehrveranstaltung neu erworbenes Wissen direkt umsetzen, während das pädagogische Personal die konzeptuelle Grundlage für eine nachhaltige Implementierung der mehrsprachigen literalen Förderung an der Schule schuf. Die teilnehmenden Eltern empfanden das Interesse der Schule an „ihren“ Sprachen als überraschend und durchweg positiv. Die Kinder waren stolz auf ihre vorlesenden Eltern. Auch das Feedback der Studierenden war zumeist positiv. Insbesondere die angehenden Lehrpersonen mit Migrationshintergrund erlebten das Einbringen ihrer sprachlichen Ressourcen als neue, berührende und zuweilen auch irritierende Erfahrung, die die Auseinandersetzung mit der eigenen Sprach- und Literalitätsbiografie anregte. Von allen Teilnehmenden wurden der hohe Praxisbezug und der Einblick in außerschulische Institutionen geschätzt. Zukünftig sollen die Materialien weiterhin in schulischen und außerschulischen Institutionen eingesetzt werden. Hierfür wurden bereits verschiedene Maßnahmen ergriffen. Zum einen werden die Materialkisten von der Bibliothek der PH FHNW in Form von Rucksäcken zur Verfügung gestellt. Zum anderen wird derzeit ein Netzwerk im Raum Nordwestschweiz aufgebaut: Viele der beteiligten Studierenden arbeiten inzwischen selbst als Lehrpersonen und stehen als Partner / innen für zukünftige Projektdurchläufe in weiteren Schulhäusern sowie als „Praxiscoachs“ in den betreffenden Lehrveranstaltungen zur Verfügung. Darüber hinaus ist eine Zusammenarbeit mit der berufspraktischen Ausbildung der PH FHNW angedacht, indem die beteilgten Partnerschulen für den Schwerpunkt „Multiliteracies“ gewonnen werden sollen. 127 4. Projekte Das Projekt SAMS Wozu brauchen wir eigentlich die Schrift? Welche Sprachen gehören zur mir? Woher kommen eigentlich die Sprachen der Schweiz? Was ist meine Lieblingsgeschichte? Diesen Fragen und vielen mehr gehen Schüler / innen nach, wenn an ihrer Schule ein SAMS -Tag stattfindet. Im Mittelpunkt des Projekts SAMS (seit 2015) steht eine Wanderausstellung mit neun interaktiven magnetischen Roll-Up-Postern (vgl. Downloadbereich), die als Instrument konzipiert sind, um den Themenkomplex Mehrsprachigkeit an Primarschulen bzw. in der Grundaus- und Weiterbildung von Lehrpersonen in allen Sprachfächern handlungsorientiert einzubringen. Das Projekt stellt die Adaption zweier bereits bestehender Wanderausstellungen aus Österreich (www.bimm.at/ themenplattform) und Südtirol (www.sms-project.eurac.edu) für den schweizerischen Kontext dar. Die Titel der neun Poster lauten folgendermaßen: ▶ Die Welt der Schrift entdecken ▶ Auch Sprachen haben Verwandte ▶ Sprachen auf Reisen ▶ Mit Sprachen Geschichten erzählen ▶ Meine, deine, unsere Sprachschätze ▶ Woher kommen eigentlich die Sprachen in der Schweiz? ▶ Sprachen hinterlassen Spuren ▶ Sprachen lernen-- gewusst wie! ▶ Sprachen sind mehr als Wörter. Zu einem SAMS -Tag gehören ein Mitmachtheater um das Maskottchen Sams aus dem beliebten Buch „Eine Woche voller Samstage“ (Oetinger), die Poster sowie daran ansetzende Workshops und Kunstprojekte. Nachfolgend werden einige Aktivitäten vorgestellt. Workshop 1: Mehrsprachiges Vorlesen eines Bilderbuchs Ablauf: Für diese Aktivität wird ein Bilderbuch - z. B. „Steinsuppe“ (Beltz) - so aufbereitet, dass es mehrsprachig vorgelesen werden kann. Die erzählenden Passagen werden wie beim Mehrsprachigen Lesetheater in Dialoge umgeschrieben. Jeweils einer Figur wird eine (Migrations) sprache zugeordnet, die ihre Texte in direkter Rede in der betreffenden Sprache liest. Um das Verständnis zu gewährleisten, werden Schlüsselsequenzen von der Erzählfigur wiederholt und die Bilder großformatig kopiert. Requisiten vereinfachen die Identifizierung der Charaktere. Dies können Kostüme oder selbst gebastelte Masken sein (z. B. auf Stäbe geklebte Tierköpfe u. ä.) Ziele: Alle Sprachen sichtbar machen und wertschätzen, Geschichtengut der Kinder einbeziehen, eine positive Haltung gegenüber Schriftlichkeit aufbauen Poster: «Mit Sprachen Geschichten erzählen“ (Nr. 4) 128 Kapitel 8 Mehrsprachige literale Förderung Workshop 2: Mini-Sprachkurs Ablauf: In der Gruppe wird eruiert, welche Sprachkenntnisse vorhanden sind. Die Sprecher / innen werden beauftragt, einen etwa fünfminütigen Sprachkurs zu erteilen. Methode und Inhalt sind frei, aber es darf nur in der Zielsprache gesprochen werden. Mögliche Inhalte sind Begrüßungsfloskeln, Zahlen, gegenseitiges Vorstellen u. ä. Bei der anschließenden Reflexion in der Gruppe werden folgende Fragen diskutiert: Welche Gefühle sind aufgetaucht? Wie haben sich diese eventuell während des Kurses verändert? Kamen Erinnerungen hoch, z. B. an schulische Sprachlernsituationen? Was war einfach / schwierig? Ziele: Perspektivenwechsel ermöglichen, sich als Expert / in für die eigene Sprache erleben, alle Sprachen sichtbar machen und wertschätzen Poster: «Sprachen lernen - gewusst wie! » (Nr. 8) Workshop 3: Sprachvergleich Deutsch-Tamil Ablauf: Die Kinder erhalten den Forscherauftrag, das tamilische Wort வணக்கம் (Hallo; Lösung: vanakam) richtig auszusprechen. Als Hilfestellung erhalten sie eine Liste mit tamilischen Graphem-Phonem-Korrespondenzen. Die folgenden Reflexionsfragen sollen das Bewusstsein für Gemeinsamkeiten bzw. Unterschiede der beiden Schriftsysteme schärfen und damit das grundlegende Verständnis für die Funktionsweise von Schrift anbahnen: Wie seid ihr vorgegangen? Was war schwierig? Was habt ihr herausgefunden bzw. gelernt? Ziele: Neugier auf Sprachen wecken, eine positive Haltung gegenüber Schriftlichkeit aufbauen, den Nutzen von Sprachvergleichen erfahren Poster: «Die Welt der Schrift entdecken» (Nr. 1) Kunstprojekt 1: Sprechblasenbanner Ablauf: Die Kinder schreiben ihre Lieblingssprache und Lieblingsfarbe auf eine Sprechblase und werden fotografiert. Aus den Sprechblasenbildern von allen Kindern wird anschließend ein Banner für das Schulhaus erstellt. Ziel: alle Sprachen sichtbar machen und wertschätzen, auch über den SAMS -Tag hinaus Tab. 2: Beispiele für Aktivitäten aus dem Projekt SAMS (Zusatzmaterialien s. Webseite) 129 4. Projekte Zusammenfassung Individuelle Mehrsprachigkeit stellt heutzutage den Normalfall unter den Lernenden vieler europäischer Länder dar. Insofern ist die Forderung von Wissenschaft und Schulpolitik nach dem Einbezug der lebensweltlichen Mehrsprachigkeit eine logische Konsequenz, auch und vor allem im Deutschunterricht. Schließlich sind gute Sprachkenntnisse Voraussetzung für Bildungserfolg. Mit Blick auf die Bildungspläne der deutschsprachigen Länder muss allerdings festgestellt werden, dass die Sprachen der Lernenden lediglich im Bereich des sprachlichen Lernens einbezogen werden, nicht aber im Bereich des literalen Lernens. Um der mehrsprachigen Gruppe eine gleichberechtigte Bildungsteilhabe zu ermöglichen, ist das Nutzen der entsprechenden Vorerfahrungen aber wichtig. Entsprechende Konzepte liegen mit Multiliteracies oder Family Literacy unterdessen vor. Vor diesem Hintergrund wurde an der PH FHNW ein hochschuldidaktischer Ansatz entwickelt, welcher durch eine Verzahnung von Hochschullehre, Schulpraxis und Bildungslandschaft angehende Lehrpersonen für die Notwendigkeit der mehrsprachigen literalen Förderung sensibilisiert. Erste Praxiserfahrungen können die angehenden Lehrpersonen in den Projekten Melifa und SAMS sammeln, die sich der Förderung von Mehrsprachigkeit im sprachlichen und literalen Bereich verschreiben. Die damit einhergehende Theorie-Praxis-Verbindung ist ein Gewinn für alle Beteiligten, sowohl für Studierende und Dozierende als auch Schüler / innen, Lehrpersonen und weitere Akteur / innen der Bildungslandschaft. Es bleibt zu hoffen, dass sich die mehrsprachige literale Förderung auf breiterer Basis durchsetzt. Studienfragen 1. Welche Konzepte und Materialien zur Förderung von Mehrsprachigkeit gibt es? 2. Warum ist der Einbezug von Mehrsprachigkeit insbesondere im Bereich der literalen Förderung wünschenswert? Und wie kann er bewerkstelligt werden? 3. Weshalb ist der Einbezug der Familien im Bereich der (mehrsprachigen) literalen Förderung unabdingbar? Und wie kann er konkret gestaltet werden? Lektüreempfehlungen Jeuk, Stefan (2008): Die Bedeutung der Erstsprache beim Erlernen der Zweitsprache. In: Colombo- Scheffold, Simona / Fenn, Peter; Schäfer, Joachim (Hrsg.) (2008): Ausländisch für Deutsche. Sprachen der Kinder-- Sprachen im Klassenzimmer. Freiburg i. Br.: Fillibach, S. 29-42. Nickel, Sven (2010): Family Literacy-- Familienorientierte Förderung der Literalität als soziale Praxis. In: Sturm, Afra (Hrsg.): Literales Lernen von Erwachsenen im Kontext neuer Technologien. Münster: Waxmann, S. 223-233. Oomen-Welke, Ingelore (2017): Didaktik der Sprachenvielfalt. In: Ahrenholz, Bernt / Oomen-Welke, Ingelore (Hrsg.): Deutsch als Zweitsprache. Handbuch in XI Bänden. Hrsg. v. Winfried Ulrich, Bd. IX . 4. erw. Aufl. Baltmannsweiler: Schneider, S. 17-32. 131 4. Projekte Kapitel 9 Mehrsprachige Bilderbücher und audio-digitale Hörstifte Sprachintegrative Leseförderung im Unterricht mit neu zugewanderten Schüler / innen Juliane Dube, Erkan Gürsoy Fragen 1. Welche (erfolgreichen) Konzepte zur Leseförderung im Unterricht mit neu zugewanderten Schüler / innen kennen Sie bereits? 2. Überlegen Sie - ggf. auf Grundlage eigener Beobachtungen - warum der Unterricht mit zugewanderten Schüler / innen so herausforderungsreich ist. 3. Wie können mehrsprachige Bilderbücher in diesen Unterricht eingebunden werden? Wo sehen Sie Chancen und wo treffen Sie auf Herausforderungen? Abstract In diesem Kapitel wird das Potenzial mehrsprachiger Bilderbücher im Allgemeinen reflektiert und ihr Einsatz mit individuell zu besprechenden audio-digitalen Hörstiften für die Förderung von Sprach- und Leseerwerbsprozessen bei neu zugewanderten Schüler / innen mit Deutsch als Zweitsprache im Besonderen vorgestellt. Den Kontext für diese Forschungs- und Entwicklungsfrage bildet das durchgeführte Projekt MesH - Digitale Medien und sprachliche Heterogenität, welches - dank der Finanzierung der Bertelsmann Stiftung und der Exzellenzförderung des wissenschaftlichen Nachwuchses an der Universität Duisburg-Essen - seit April 2017 Essener Grundschulen sowie Lehramtsstudierende und Wissenschaftler / innen unterschiedlicher Disziplinen der Universität Duisburg-Essen zusammenbringt. Einleitung Seit der Veröffentlichung des Nationalen Integrationsplans 2007, in dem die Wahrnehmung von Mehrsprachigkeit als Chance und nicht als Defizit postuliert wird, gibt es zahlreiche Bemühungen, die verschiedenen Sprachen im Klassenzimmer bewusst in den Unterricht einzubeziehen (vgl. hierzu das Language Awareness-Konzept, u. a. Luchtenberg 2008). Besonders herausforderungsreich gestaltet sich diese Aufgabe aus der Sicht von Lehrkräften jedoch im Unterricht mit neu zugewanderten Schüler / innen durch die hohe sprachliche Diversität der Erstsprachen sowie der damit einhergehenden großen Heterogenität der individuellen Eingangsvoraussetzungen. Zudem erschweren die große Fluktuation und die als unzureichend empfundenen bereitgestellten zeitlichen Ressourcen für die Sprachförderung den Unterricht. Der Bedarf an empirisch fundierten Konzepten ist folglich hoch. 132 Kapitel 9 Mehrsprachige Bilderbücher und audio-digitale Hörstifte Als zentrales Bildungsmedium in Kindergarten und Schule ist das Bilderbuch wesentlicher Bestandteil literarischer und literaler Lernprozesse. Während es sich als Gegenstand im Regelunterricht der Grundschule etablieren konnte, wird es in Unterrichtssettings, die sich an neu zugewanderte Schüler / innen mit Deutsch als Zweitsprache richten, nur marginal thematisiert, obwohl in der dazugehörenden Bezugsdidaktik Deutsch als Zweitsprache in den letzten Jahren eine Reihe an Publikationen entstanden sind (vgl. u. a. Belke 2012; Gawlitzek / Kümmerling-Meibauer 2013). Die fehlende Auseinandersetzung erstaunt umso mehr, vergegenwärtigt man sich die Vielfalt sprach- und leseförderlicher Aspekte plurilingualer (zweisprachiger) und multilingualer (mehrsprachiger) Kinderliteratur im Hinblick auf die Förderung von Literacy, auf die im ersten Abschnitt des Beitrags näher eingegangen werden soll. Mit Blick auf die komplexe Zielkategorie Literacy werden die Potenziale mehrsprachiger Bilderbücher für die Sprach- und Leseförderung anschließend herausgearbeitet, an einem Beispiel vertieft und erste Erfahrungen aus dem Theorie-Praxis-Projekt MesH kritisch reflektiert. 1. Förderung von Literacy Mit dem Wissen um den hohen Einfluss der sprachlichen Teilfertigkeiten auf den Bildungserfolg sind in den letzten Jahren verschiedene fachwissenschaftlich und empirisch abgesicherte Förderprojekte und -methoden publiziert worden (u. a. Apeltauer / Senyildiz 2011). Mit ihren Ergebnissen hat sich in den letzten Jahren zunehmend die Erkenntnis durchgesetzt, dass die Förderung allein von gesprochener Alltagssprache zu kurz greift, da bereits ab dem Schulstart „schriftsprachliche Strukturen und eine institutionalisierte Kommunikation mit ihren ganz eigenen Gesetzmäßigkeiten“ (Nauwerck 2015: 51) die sprachliche Umgebung des Kindes bestimmen. In einer mediendominierten Gesellschaft sind die Heranwachsenden zudem konfrontiert mit der Deutung von Bildern und Zeichen sowie mit multimodalen Texten, in denen sprachliche, schriftliche und visuelle Zeichensysteme kombiniert werden müssen. Für die Bewältigung jener komplexen Anforderungen bedarf es einer Reihe von Kompetenzen, die in dem im angloamerikanischen Raum geprägten Konstrukt Literacy zusammengefasst sind (vgl. Abb. 1). Dieses beschreibt in einem weiten Verständnis sämtliche Erfahrungen rund um Buch-, Erzähl- und Schriftkultur, die im familiären Umfeld und in institutionellen Kontexten gesammelt werden können (vgl. Ulich 2008) und im engeren Sinne die „Fähigkeit, durch Sprache und Schrift zu kommunizieren“ (Näger 2013: 11). 133 2. Verbal Literacy Abb. 1 Literacy-Konstrukt nach Kümmerling-Meibauer (2006) Folglich sind zahlreiche Teilfertigkeiten mit der Förderung von Literacy verbunden wie z. B. die Vermittlung von „Text- und Sinnverständnis, sprachliche Abstraktionsfähigkeit, Lesefreude, Vertrautheit mit Büchern, die Fähigkeit, sich schriftlich auszudrücken, Vertrautheit mit Schriftsprache oder mit ‚literarischer‘ Sprache oder sogar Medienkompetenz“ (vgl. ebd.: 1). Anders als Lesekompetenz entwickelt sich ein Großteil dieser Teilfertigkeiten bereits in den ersten Lebensjahren. Hier sind die Kinder mit Erzählungen aus dem Vorlese- oder Bilderbuch sowie mit Geschichten von der Hör- CD oder mittlerweile von Smartphones konfrontiert. Diese bilden ebenso einen „Mosaikstein in der Entwicklung von Schreib- und Lesefähigkeiten“ (Näger 2013: 11) wie der Schriftzug des täglich besuchten Lebensmittelgeschäftes oder die formelhafte Wendung wie z. B. „Es war einmal-…“. Im Rahmen einer sprachintegrierten Leseförderung lassen sich alle vier Teilkonstrukte von Literacy (Verbal-, Literary-, Visual- und Media-Literacy) fördern, wenngleich ihr Fokus auf der gleichberechtigten Förderung der Bereiche Literary Literacy und Verbal Literacy liegt. Letzte soll mit dem Fokus des Beitrags hier noch einmal skizziert werden. 2. Verbal Literacy Verbal Literacy umfasst den Erwerb und die Ausbildung sprachlicher Mittel (Laute, Wörter und ihre Bedeutungen, Morphologie, Syntax, Pragmatik). Im mehrsprachigen Erwerb unterscheidet man mehrere Typen (vgl. Ruberg 2013: 182): (a) simultan bilingualer Erwerb: Erwerbsbeginn im 1.-2. Lebensjahr, (b) sukzessiv bilingualer Erwerb: Erwerbsbeginn im 3.-4. Lebensjahr, (c) kindlicher Zweitspracherwerb: Erwerbsbeginn im 5.-10. Lebensjahr und (d) erwachsener Zweitspracherwerb: Erwerbsbeginn ab dem 11. Lebensjahr. Mit dem Zweitspracherwerb, dem Erwerb einer weiteren Sprache ab dem 5. Lebensjahr, können ebenfalls Sprachen erworben werden, allerdings können Kinder bis zur sogenannten kritischen Phase Sprache(n) intuitiv und ohne Erklärungen erwerben (vgl. Ruberg 2013). In dieser bzw. nach der individuell eintretenden kritischen Phase-- ca. zwischen 4 und 8 Jahren-- lässt die Fähigkeit sukzessiv nach, Sprache quasi ohne Mühe zu erwerben. Daher bedarf es insbesondere für den Zweitspracherwerb Lernsettings, die den Zweitspracherwerb- - im Idealfall unter 134 Kapitel 9 Mehrsprachige Bilderbücher und audio-digitale Hörstifte Berücksichtigung von bereits in Grundzügen erworbenen Erstsprachen-- begünstigen. Der Erfolg des Zweitspracherwerbs hängt dabei von äußeren Hintergrundfaktoren ab, auf die Erzieher / innen und Lehrkräfte maßgeblichen Einfluss haben wie z. B. Qualität und Quantität des sprachlichen Inputs in der Zweitsprache, Motivation zum Zweitspracherwerb durch spielerische Gestaltung und Wertschätzung von Erstsprachen der Kinder mit Deutsch als Zweitsprache sowie der Lebensweltbezug, mit anderen Worten der Zugang zur Zweitsprache (vgl. ebd.: 122). Zwar ist der Zeitpunkt des Erwerbsbeginns in der Zweitsprache ebenfalls ein Faktor, allerdings hat man auf ihn keinen Einfluss, da die bereits neu zugewanderten Kinder eine Erstsprache in Grundzügen erworben haben und der Deutscherwerb als Zweitsprache mit der Einreise nach Deutschland beginnt. 3. Mehrsprachige Kinder- und Jugendliteratur und koordinierte Alphabetisierung Während im Unterricht mit neu zugewanderten Schüler / innen häufig die Arbeit in den Bereichen Phonetik, Semantik, Syntax und Morphologie sowie die Förderung kommunikativer Fähigkeiten für die Bewältigung von alltäglichen Situationen im Vordergrund stehen (vgl. Tracy 2008), kommt Kinder- und Jugendliteratur im Allgemeinen und mehrsprachige im Besonderen nur selten bis gar nicht zum Einsatz. Selbst in aktuellen didaktischen Handreichungen u. a. des Goethe-Instituts (201) lassen sich nur wenige Seiten finden, auf denen Unterrichtsvorschläge für den Einsatz von mehrsprachiger Kinder- und Jugendliteratur unter Berücksichtigung des Gesamtsprachenbesitzes der Lernenden konkretisiert sind. Mit Blick auf den Unterricht von Deutsch als Fremdsprache hat Koppensteiner (vgl. 2001: 12) Argumente gesammelt, die von Skeptiker / innen formuliert werden. Hierzu zählen: ▶ die hohe sprachliche und inhaltliche Komplexität, die das Textverständnis der Sprachanfänger und die Fähigkeit, sich über das Gelesene auszutauschen überfordert, ▶ der Umfang literarischer Texte, die quantitativ die Textmenge von Sachtexten deutlich übertreffen, ▶ der hohe Aufwand, der mit der Einbindung von Literatur in den Fremdsprachenunterricht verbunden ist, damit diese nicht nur als ein Vehikel für Sprachunterricht benutzt wird. Entgegen dieser Argumente wird in den USA seit den 1980er Jahren und in Deutschland seit dem Beginn der 2000er Jahre auch immer wieder auf das Potenzial von mehrsprachiger Kinder- und Jugendliteratur verwiesen, in die verschiedenen Lernbereiche wie Sprache und Schrift sowie Kultur einzuführen (vgl. Eder 2009; Rösch 2013; Schulte 2000). Nicht zuletzt steht ihr Einsatz auch für die Abwendung vom „monolingualen Habitus“ (Gogolin 1994) und für die Akzeptanz von Sprachenvielfalt in der eigenen Welt. In Anbetracht der geforderten Akzeptanz von „Mehrsprachigkeit als Normalfall“ (Rösch 2013: 14) bezüglich der sprachlichen Diversität gilt es, mehrsprachige Literatur verstärkt auch in Bildungseinrichtungen (nicht nur) im Unterricht mit neu zugewanderten Schüler / innen einzusetzen: „Denn eine Schule“, so Rösch, „wird nicht durch die Anwesenheit von Mehrsprachigen zu einer mehrsprachigen, sondern indem sie diese Mehrsprachigkeit sichtbar und für Lernprozesse nutzbar 135 4. Sprachintegrative Leseförderung mit Bilderbüchern macht und zwar unabhängig davon, wie die konkrete Lerngruppe hinsichtlich der Spracherwerbssituation zusammengesetzt ist.“ (ebd.). 4. Sprachintegrative Leseförderung mit Bilderbüchern Bilderbücher im Allgemeinen und mehrsprachige Bilderbücher im Besonderen ermöglichen einen Zugang zu (Verbal)Literacy und eignen sich zur Förderung von phonologischer Bewusstheit, Reflexion der Schriftlichkeit und wiederkehrenden Sprach- und Textmustern. Förderung phonologischer Bewusstheit: Die Fähigkeit, Sprache nicht nur zu verstehen, sondern auch ihre lautlichen Strukturelemente wahrzunehmen, sie zu differenzieren und bewusst nutzen zu können, wird unter dem Begriff Phonologische Bewusstheit zusammengefasst. Als wichtige Vorläuferfähigkeit, die sich in einer weiten Definition in der Fähigkeit zeigt, die Oberflächenstruktur der Wörter wahrzunehmen, indem Reimpaare erkannt und gebildet, Silben segmentiert und Wörter im Satz gezählt werden können, bestimmt sie den Erfolg des Schriftspracherwerbs wesentlich mit. In einer engen Definition von Phonologischer Bewusstheit spielt sie jedoch auch eine wichtige Rolle beim Schrifterwerb selbst, wenn sich die Kinder systematisch mit den kleinsten Einheiten der gesprochenen Sprache beschäftigen (Erkennen von An- und Endlauten, Lautsynthese, Phonemsegmentation). Wenngleich Bilderbücher auch still gelesen werden können, lädt ihre sprachliche Gestaltung (z. B. Reimstrukturen) zum (chorisch-rhythmischen) (Nach-)Sprechen und zum wiederholten (Vor-)Lesen ein. Hierbei können neue, wichtige und interessante Begriffe betont und gezielt Pausen gesetzt oder mit der Stimmmodulation gespielt werden. Bereits 2002 konnte Bruner in seiner Studie nachweisen, dass mehrmaliges Vorlesen eines Bilderbuchs den sprachlichen Lerneffekt bei sprachlich weniger kompetenten Kindern deutlich steigert. Mit dem Wissen darüber, dass neue Wörter viele Male gehört werden müssen, ehe sie eigenständig wieder erkannt und schließlich auch eigenständig richtig gebraucht werden, kommt diesem Aspekt besondere Bedeutung zu. Reflexion von Schriftlichkeit: Beim (Vor-)Lesen entdecken die Lernenden die Funktion von Schrift im Allgemeinen und von Schriftlichkeit im Besonderen. Sie erleben eine differenzierte Schriftsprache, die z. B. im Satzbau stark variiert und bewusst mit dem Stilmittel der Wiederholung arbeitet, welche im Mündlichen vermieden wird. Sie erfahren, dass schriftliche Sprache auch ohne Kontexte auskommt und eine hohe Informationsdichte aufweist. Zudem erfahren insbesondere neu zugewanderte Schüler / innen aus China und dem arabischen Raum, dass in Büchern mit lateinischer Schrift von der ersten zur letzten Seite geblättert und von links nach rechts sowie von oben nach unten auf einer Seite gelesen wird. Erwerb von Sprach- und Textmustern: Dass diese im Idealfall dialogisch gestalteten Lernumgebungen zur Bilderbuchbetrachtung einen hohen Einfluss auf die Sprachentwicklung haben, wurde in einer Vielzahl von Studien bereits empirisch nachgewiesen (vgl. z. B. Ritter 2014; Wieler 1997). Auch in der Studie von Purcell-Gates (vgl. 2001) konnte gezeigt werden, dass Kinder beim (Vor-)Lesen von Bilderbüchern ein Wissen über besondere Merkmale von Schriftsprache bzw. geschriebener Erzählsprache sowie komplexer (textsortenspezifischer) Sprach- und Textstrukturen erwerben, das über ihre im Alltag verwendete Sprache hinausreicht, andererseits Bilderbücher durch wiederkehrende, erzählsprachliche Strukturen be- 136 Kapitel 9 Mehrsprachige Bilderbücher und audio-digitale Hörstifte sonders geeignet für den Erst- und Zweitspracherwerb und dessen Förderung sind. So lernen Kinder u. a. die Strukturen von Geschichten kennen, zu denen sie ein Schema abspeichern (Anfang-- fortschreitende Handlung-- Konflikt-- abfallende Handlung-- Auflösung bzw. ein Ende). Zweitspracherwerb ist ein fortlaufender Prozess, bei dem neue sprachliche Strukturen stets an bereits vorhandene geknüpft und gesamtsprachlich weiterentwickelt werden. Traditionelle Ansichten, wie z. B. dass Mehrsprachigkeit im Sinne von klaren Grenzen der erworbenen Einzelsprachen (Erstsprache vs. Zweitsprache) zu betrachten ist, die unabhängig voneinander und isoliert entwickelt werden, können in der aktuellen Forschungsliteratur nicht mehr gestützt werden. Translanguaging beispielsweise in der englischsprachigen Diskussion um Mehrsprachigkeit bei Kindern versteht die mehrsprachige Kommunikation und Entwicklung als Gesamtsprachenbesitz (vgl. García 2009). Folglich begünstigt die Berücksichtigung der erstsprachlichen Fähigkeiten in Sprache und Schrift den Ausbau sprachlicher Register und Satzbzw. Textmuster in der Zielsprache (vgl. Boysen 2012: 40 ff.). Sprach- und Leseförderung sollte dementsprechend nicht nur auf die Zweitsprache begrenzt sein, sondern auch, wo möglich, die Erstsprache(n) der neu zugewanderten Schüler / innen in die Förderung einbeziehen. Mehrsprachige Bilderbücher eröffnen hierbei eine Vielzahl von Möglichkeiten, den Bedürfnissen einer heterogenen Schülerschaft gerecht zu werden. Differenzierungsmöglichkeiten zur Sprachreflexion und zum Erwerb metalinguistischer Fähigkeiten (vgl. Gawlitzek / Kümmerling-Maibauer 2013: 9) ergeben sich über das vielseitige Angebot, aber auch über ihre abwechslungsreiche Gestaltung, die ein differenzierendes Tempo von sprachlicher Anregung und Kommunikation über Text und Bilder ermöglicht. Dinge können auf Bildern mehrsprachig benannt und definiert, umschrieben oder erweitert, oder Geschichtsverläufe rekonstruiert und antizipiert werden. Hierzu sind das Verweilen, Erklären, Rückfragen und Wiederholen ganz natürliche Prozesse in der Lernumgebung, die damit insbesondere in stark heterogenen Klassen neben der Förderung von Lesemotivation sowie Lese- und Bildverstehen vielseitige Möglichkeiten zur sprachlichen Differenzierung bieten. Einige von den mehrsprachig erschienenen Bilderbüchern seien an dieser Stelle ausführlicher vorgestellt: Kommunikationsanlass: Bilderbücher sind reich an Kommunikationsanlässen, die hinsichtlich ihrer Art und Komplexität differenzieren können und insbesondere für mehrsprachige Schüler / innen immer wieder die Möglichkeit bieten, eigene Spracherfahrungen zu sammeln. So sind z. B. die Bilderbücher aus der Reihe bilibrini (Verlag bi: libri) stark an Alltagssituationen, z. B. Im Supermarkt (2015), orientiert. Die Komplexität auf sprachlicher Ebene wird dabei durch gezielte Wortschatzarbeit mit Wort-Bild-Leisten (auf Deutsch und in den jeweils verfügbaren Sprachen wie Arabisch, Türkisch usw.) unterstützt. Thematisch nah am Kind bieten sie jedoch kaum Raum für Leerstellen und Deutungsaushandlungen. Orientiert an der deutschen Zielkultur fehlt es zudem an Anknüpfungspunkten zum kulturellen Austausch. Andere Bilderbücher wie z. B. Der Dachs hat heute schlechte Laune! von Moritz Petz (2009) oder Mein neuer Freund der Mond von Walid Taher (2004) verhandeln hingegen in einfacher Satzstruktur- - ohne Erzähleinschübe und Rückblenden mit einem überschaubaren Wort- 137 4. Sprachintegrative Leseförderung mit Bilderbüchern schatz-- Themen aus der Gefühlswelt der mehrsprachigen Kinder. Dabei unterstützen sowohl das symmetrische Text-Bild-Verhältnis und die Dialogstruktur als auch die Vermeidung von Konjunktiven sowie ungewöhnlichen Tempora und Modi den Lese- und Verstehensprozess. Die Bereitstellung von mehrsprachigen Lektüren wie in diesen Fällen ist zwar, so Vach, positiv zu bewerten, jedoch fungiert Mehrsprachigkeit hier überwiegend als Marketingstrategie, „denn die bildnerisch, sprachlich und literarisch eher belanglosen Bücher bieten keine Herausforderung, machen nicht neugierig und regen keine fruchtbaren literar-ästhetischen Erfahrungsprozesse an“ (Vach 201: 98). Jedoch gibt es auch eine Reihe von mehrsprachigen Bilderbüchern, in denen Text und Bild teilweise kontrapunktisch zueinanderstehen und durch das herausgeforderte Erschließen von neuen Deutungsspielräumen immer wieder Anlass zur Kommunikation bieten (vgl. u. a. Ritter 2014; Tholen / Tholen 2007). Durch die Verwendung von für die Kinderliteratur eher ungewöhnlichen Themen, Wörtern, Bildern und Handlungssequenzen gehen sie deutlich über die bloße Sprachvermittlung hinaus (vgl. Dohrn 2007). So thematisiert die türkische Erzählung Alis Nase von Yekta Kopan (2013), die von Alex Pelayo illustriert wurde, den Verlust von Alis Sinnesorgan. Von seiner Mutter angeregt, sucht Ali seine Nase im Kühlschrank, weil sie dort vielleicht an Erdbeeren und Marmeladen schnüffelt, oder draußen, weil sie frische Luft schnappen könnte (Kopan 2013). Imaginations- und Irritationspotenzial als wesentliche Voraussetzung für literarisches Lernen besitzt das Buch jedoch auch auf visueller Ebene. Hier bieten ungewöhnliche Linienführungen, disproportionale Formen und unterschiedliche Perspektiven innerhalb eines Bildes sowie eine Reihe von kleinen Figuren, die ähnlich der Muggle in Nordquists Erzählungen von Petersen und Findus immer wieder im Bild auftauchen, im Text hingegen keine Erwähnung finden, zahlreiche Gesprächsanlässe (vgl. Kopan 2013). Differenzierter Wortschatzerwerb: Mit dem Ziel, die neu zugewanderten Schüler / innen in der Bewältigung ihres (Schul-)Alltags zu unterstützen, fokussiert die Förderung des Wortschatzes im Unterricht mit dieser besonderen Schülergruppe vor allem reale Sprechsituationen. Erlernte Sprachstrukturen sollen dabei häufig unmittelbar in Spontansprache z. B. im Rahmen des szenischen Spiels umgesetzt werden. Um dem Vorwurf zu begegnen, nicht nur den Wortschatz zu reproduzieren, den die Kinder durch den natürlichen Kontakt mit der Zweitsprache Deutsch erwerben (vgl. Dohrn 2007: 158), bieten die abwechslungsreich und spannend gestalteten Texte in Bilderbüchern einen differenzierten, an der Bildungssprache orientierten Wortschatz. „Man denke nur an Ausdrücke wie ,erblicken‘, ,betrachten‘, ,erspähen‘, die im Kinderbuch durchaus gängig sind“ (Ulich 2008: 4). Dabei werden mit dem Urteil ‚nicht kindgerecht‘ sprachlich und visuell ästhetisch anspruchsvolle Kinderbücher zumeist jedoch nicht nur im Deutschunterricht, sondern auch im Sprachunterricht für Zweit- und Fremdsprachenlerner / -innen vermieden. Eingeschränkt auf ihre Funktion als Vehikel und Unterlage für bestimmte sprachliche Phänomene ist ihr Rezeptionsprozess häufig auf das funktionale Verstehen des Textes reduziert. Dabei kann gerade das ‚Exotische‘ in Abgrenzung zum Alltagsvokabular die neu zugewanderten Schüler / innen motivieren, sich auch mit diesen Texten auseinanderzusetzen (vgl. O´Sullivan / Rösler 2013: 51). Neben dem mehrsprachigen Bilderbuch Alis Nase (Kopan 2013) bietet insbesondere das Bilderbuch Zu- 138 Kapitel 9 Mehrsprachige Bilderbücher und audio-digitale Hörstifte hause kann überall sein (Kobald 2015) zahlreiche Möglichkeiten. So lässt sich mit ihm nicht nur das Ankommen in einem fremden Land und die damit einhergehenden Auswirkungen auf den Prozess der Selbstfindung thematisieren, sondern auch z. B. anhand der Äußerung: „Wasserfall aus fremden Wörtern“ (Kobald 2015) metaphorische und visuelle Symbolsprache. Bilderbücher zur Förderung von Sprachaufmerksamkeit und Sprachbewusstheit (Language Awareness): Sprachbewusstheit als Hauptziel eines jeden Sprachunterrichts (vgl. Oomen-Welke 2000: 147) umfasst sowohl explizites Wissen über Sprache und bewusste Wahrnehmung derselben als auch die Sensibilität beim Sprachlernen, -lehren und -gebrauch (vgl. Eder 2009: 55). Als Ort, an dem mehrere Sprachen sprachlich und visuell inszeniert aufeinandertreffen, wecken mehrsprachige Bilderbücher die Neugier auf verschiedene Kulturen, Sprachen und ihre Phänomene. Mit dem Fokus auf die Stärkung von sprachanalytischen Fähigkeiten bieten sich vor allem (vergleichende) Sprachanalyse(n) von Sprachsystem(en) an. Anregungen zur Kasusflexion und zum Erlernen von Präpositionen finden sich u. a. in Bilderbüchern wie Kuckuck, Kati Kuh von Le Roi (1999) oder in Alis Nase von Kopan (2013), Anregungen zur Tempusflexion in Was hast du erlebt, kleiner Bär? von Lamb et al. (2011). Vergleichsgrößen in Language Awareness-Konzepten können neben einzelnen Wörtern, aber auch syntaktische Strukturen, Texte oder graphische Systeme sein. Folglich bieten sich mehrsprachige Bilderbücher wie Der wunderbarste Platz auf der Welt (Rassmus 2015) oder Ritter Winzig (Völlinger 201) auch an, um narrative Muster, die insbesondere für die erfolgreiche Teilhabe am literaturorientierten Deutschunterricht in der Regelklasse wichtig sind, kontrastierend und vorbereitend auf den Regelunterricht mit den Erstsprachen der neu zugewanderten Schüler / innen gegenüberzustellen. 5. Einsatz von mehrsprachigen Bilderbüchern im Unterricht mit neu zugewanderten Schüler / innen Mit dem Ziel verbunden, die ausgewählten Bilderbücher in ihrer grafischen und sprachlichen ästhetischen Gestaltung und damit als künstlerisches Produkt wertzuschätzen (vgl. Thiele 2003: 17), sollte der Gegenstand des Bilderbuchs zunächst selbst im Unterrichtsfokus stehen, bevor Sequenzen zur fokussierten Spracharbeit thematisiert werden. Entsprechend der aufgezeigten Möglichkeiten von Bilderbüchern im Allgemeinen und mehrsprachigen Bilderbüchern im Besondern konzentriert sich eine Reihe von Verlagen verstärkt auf die Publikation von mehrsprachigen Kinderbüchern (z. B. Edition bi: libri, Edition Lingua Mundi, Anadolu Verlag). Folgend sollen Kriterien vorgestellt werden, die den Auswahlprozess und die Reflexion der Stärken und Schwächen des jeweiligen Mediums leiten können, wobei an dieser Stelle darauf verwiesen werden muss, dass sich die aufgeführten Kriterien an den Ausführungen zur Auswahl von Kinder- und Jugendliteratur bei Rösch (1997), Thiele (2003), Kretschmer (2010) und Ritter (2014) orientieren (vgl. Abb. 2). Sie sollen jedoch keinen Katalog suggerieren, mit dem brauchbare von unbrauchbarer Literatur getrennt werden kann. Vielmehr dienen sie zur Bewusstmachung des Auswahlprozesses, bei dem stets auch der eigene pädagogische Kontext reflektiert werden sollte. Besonders deutlich wird dies bereits im 139 5. Einsatz von mehrsprachigen Bilderbüchern im Unterricht mit neu zugewanderten Schüler / innen ersten Kriterium der Pädagogischen Dimension, das zwar zentral für die Arbeit im Literaturunterricht ist, dessen Reaktion z. B. bei der Thematisierung von Themen zu Migration und Flucht bei mehrsprachigen Schüler / innen jedoch zwischen großem Interesse und totaler Verweigerung changiert. Abb. 2: Reflexionsdimensionen zur Auswahl eines Bilderbuches in Klassen mit neu zugewanderten Schüler / innen Wenngleich die Förderung von interkultureller Kompetenz hier nicht im Fokus steht, soll das große Potenzial mehrsprachiger Literatur in diesem Bereich nicht unerwähnt bleiben. Ein analytisches Instrumentarium zur Reflexion über die Qualität von Interkultureller Kinder- und Jugendliteratur findet sich dabei u. a. bei Rösch (1997: 23 f). Mit dem Blick auf die ausgeführten vielseitigen Potenziale von mehrsprachigen Bilderbüchern, insbesondere für die Arbeit mit neu zugewanderten Kindern, stellt sich nun die Frage, welche dieser auch empirisch abgesichert werden können. 140 Kapitel 9 Mehrsprachige Bilderbücher und audio-digitale Hörstifte 6. Forschungsdesign Mit dem interdisziplinären Forschungsprojekt MesH soll in einem Teilprojekt zur sprachintegrativen Leseförderung eben jenes Potenzial mehrsprachiger Bilderbücher für die Förderung von Sprach- und Leseerwerbsprozessen bei neu zugewanderten Schüler / innen auf der einen Seite und die damit einhergehenden unterrichtlichen Gelingensbedingungen und Herausforderungen auf der anderen Seite reflektiert werden. Durch den kombinierten Einsatz von mehrsprachigen Bilderbüchern und individuell zu besprechenden audio-digitalen Hörstiften sollen darüber hinaus auch die von Lehrpersonen beschriebenen Herausforderungen, wie die hohe sprachliche Diversität und Fluktuation sowie die unzureichende Zeit für die Förderung im Unterricht mit neu zugewanderten Schüler / innen, berücksichtigt werden. Die bipolare Zielsetzung, einerseits Lerngegenstände und Lernprozessanalyse zu strukturieren und in Form gegenstandsspezifischer Lehr-Lerntheorien (weiter) zu entwickeln und andererseits gegenstandsspezifische Lernumgebungen zu konstruieren, ist zentrales Merkmal fachdidaktischer Entwicklungsforschung (international Design Research oder Design Based Research). Dieser noch junge Forschungszugriff, der sich seit den 2000er Jahren zunehmend in den unterschiedlichen Fachdidaktiken etabliert, versucht, die konträr zueinander liegenden Erwartungen von Theorie und Praxis aufzuheben, indem „die konkurrierende Dualität von empirischer Beforschung und theoretisch gestützter Entwicklung durch eine wechselseitige Diskursivität abgelöst wird“ (Dube / Hußmann 2017, i. E.). Folglich ist, anders als in klassischen Implementationsstudien, die Entwicklung einer Lernumgebung wesentlicher Bestandteil des Forschungsprozesses (vgl. ebd.). Diese erfolgt zyklisch und iterativ nach der Problematisierung und wissenschaftlichen Fundierung der Fragestellung über die zentralen Schritte: Designentwicklung, -realisierung und -auswertung, deren Ergebnisse zur Generierung oder Fortentwicklung fachdidaktischer Theorien beitragen. Damit ergibt sich ein sehr komplexes Forschungsdesign, das insbesondere zu Gegenständen, zu denen bisher wenig Forschung vorliegt, auch Vorzyklen der Exploration impliziert. Im Projekt MesH wurden jene explorativen Vorzyklen zum Einsatz von mehrsprachigen Bilderbüchern und individuell zu besprechenden audio-digitalen Hörstiften in Kleinststudien von Studierenden des Bachelorstudiengangs Sprachliche Grundbildung für die Schulform Grundschule (Universität Duisburg-Essen) durchgeführt. 59 Lehramtsstudierende bildeten hierzu Tandems, in denen sie nach einer ersten Diagnostiksitzung zum Sprachstand ihres Förderkindes mit Unterstützung der Dozentinnen Lernumgebungen für die Praxis vorbereiteten. Diese umfassten ein (mehrsprachiges) Bilderbuch, vielseitig gestaltete (mehrsprachige) Klebepunkte, die durch die Berührung mit dem Stift die gespeicherten Informationen wiedergeben, und ggf. weitere Sprachmaterialien mit Bezug zum Bilderbuch. Eingesetzt wurden die Lernumgebungen in zweimal 90-minütigen Einzelförderungen bei 15 männlichen und 13 weiblichen Proband / innen der Klassen eins bis vier mit unterschiedlichen Erstsprachen (Arabisch, Griechisch, Polnisch, Spanisch, Kroatisch, Afrikaans etc.) und mithilfe eines strukturierten Beobachtungsbogens evaluiert. 141 7. Ein Blick in die Unterrichtsforschung 7. Ein Blick in die Unterrichtsforschung Den skizzierten Handlungsdruck im Unterricht mit neu zugewanderten Schüler / innen ernstnehmend, wurde der Einsatz der mehrsprachigen Bilderbücher durch audio-digitale Hörstifte ergänzt, um möglichst individuelle Fördersituationen zu schaffen. Für die erfolgreiche Gestaltung einer Lernumgebung mussten hierzu sowohl die inhaltlichen als auch sprachlichen Besonderheiten des Bilderbuches analysiert werden. Im Mittelpunkt einer jener Lernumgebungen stand das Bilderbuch Der Dachs hat heute schlechte Laune von Moritz Petz (2015), zu dem inzwischen bei bi: libri acht Übersetzungen vorliegen (z. B. Arabisch, Englisch, Spanisch, Französisch, Türkisch etc.). Hauptcharakter ist ein miesgelaunter Dachs, der kurzerhand beschließt, anstatt sich zu Hause zu verkriechen, allen Waldtieren seine schlechte Laune zu zeigen. Auf die netten Begrüßungen seiner Freunde antwortet er folglich nur mürrisch, sodass bald nicht nur der Dachs, sondern auch alle anderen Tiere schlechte Laune haben. Als es ihm nach seinem Spaziergang besser geht, muss er jedoch feststellen, dass keines der Tiere mehr im Wald ist. Ihm wird klar: „Schlechte Laune haben ist ja nicht schlimm, schlechte Laune machen aber wohl! “ (Petz 2015). Mit einem Fest für schlecht gelaunte Tiere, bei dem am Ende alle ihre gute Laune wiederfinden, entschuldigt er sich bei seinen Freunden. Wenngleich wenig geeignet für die Initiierung von literar-ästhetischen Verstehensprozessen, bieten sich eine Vielzahl von Möglichkeiten, den Text interaktiv mehrsprachig aufzubereiten und dabei neben der inhaltlichen Gestaltung auch sprachliche Besonderheiten zu thematisieren. In Folge dessen entstanden folgende Klebebzw. Vorlesepunkte zur sprachintegrativen Leseförderung (vgl. Abb. 3). 142 Kapitel 9 Mehrsprachige Bilderbücher und audio-digitale Hörstifte mehrsprachige Vorlesepunkte mehrsprachige Sachpunkte mit ergänzenden Hinweisen zu Bildern und Text • z. B. Das ist der Waschbär. Der Waschbär ist ein guter Kletterer. Der Waschbär lebt meist auf Bäumen. mehrsprachige Begriffsklärungen mehrsprachige Aktionspunkte mit Handlungs- und Produktionsimpulsen • z. B. Kannst du auch ein Lied pfeifen? Schreibe einen Entschuldigungsbrief aus der Sicht des Dachses. mehrsprachige Punkte mit Fragen zum Text • z. B. Welche Tiere hat der Dachs bisher getroffen? mehrsprachige Punkte mit Antworten zum Text • z. B. Der Dachs hat bisher den Waschbär, den Elch, die Maus, den Fuchs, den Hasen und das Eichhörnchen getroffen. mehrsprachige Spiel- und Rätselpunkte z. B. Ordne die Wortkarten den Bildern zu. Kontrolliere mit dem Stift. Erzählpunkte mit Einleitung • z. B. Als der Dachs aufwachte… sprachreflexive Punkte • z. B. zum Wortschatz (Dachs - faucht; Eichhörnchen - pfeift, Waschbär - knurrt) Geräuschpunkte eigene Sprachaufnahmen Abb. 3: Übersicht zum Einsatz von audio-digitalen Klebepunkten Ausgehend von dem Wissen, dass Vorlesesituationen insbesondere dann lernförderlich sind, wenn die Kinder aktiv an der Bedeutungskonstruktion beteiligt sind (vgl. u. a. Wieler 1997), sollten Klebepunkte auch immer wieder genutzt werden, um die Kinder zum Nachdenken über die sprachliche, formale und inhaltliche Gestaltung des Bilderbuches anzuregen. Hierbei wurde auch darauf geachtet, dass die Bilder nicht nur als motivierendes, illustratives Beiwerk verstanden, sondern gleichfalls in ihrem Zusammenspiel mit dem Text bewusst reflektiert wurden. So gab es u. a. auch Fragepunkte zur Bildbeschreibung („Welche Tiere siehst du hier? Wie sieht der Dachs denn hier aus? “). 8. Erste Erfahrungen aus der Projektarbeit Während sich im herkömmlichen Sprachunterricht durch die isolierte Arbeit am Sprachpaket häufig fehlende Lernmotivation beobachten lässt (vgl. Eder 2009: 31), zeigten die Schüler / innen des Projektes überwiegend eine sehr hohe Lern- und Lesemotivation. Im Umgang mit dem audio-digitalen Hörstift waren die Lernenden sehr interessiert und aufgeschlossen. Die nahezu intuitive Handhabung ermöglichte es, dass sie nach einer kurzen 143 8. Erste Erfahrungen aus der Projektarbeit Einführung selbstständig arbeiten konnten. Waren keine konkrete Aufgaben mit den Klebepunkten verbunden, wurde der Stift bei unzureichendem Textverständnis zum mehrmaligen Hören verwendet oder zur wiederholten Erklärung einzelner Begriffe. Auch mit Blick auf die richtige lautliche Umsetzung kam der Stift zum Einsatz, indem z. B. Gehörtes leise mitgesprochen wurde. Durch die einfache Handhabung des Stiftes und die individuelle Arbeit mit den Klebepunkten konnte der Lernende in kurzer Zeit jedoch auch von der Rolle des Rezipienten in die Rolle des Produzenten wechseln. Die ersten Erfahrungen zeigen, dass das Gestalten von eigenen Aufnahmen von den neu zugewanderten Kindern sehr gut angenommen wurde und eine intensivere Auseinandersetzung mit dem neu zu erwerbenden Wortschatz erreicht wurde. So wurden die Leser / innen z. B. aufgefordert, passend zum Tierfest selbst ein Lied in den Erstsprachen der neu zugewanderten Kinder auf einen Klebepunkt einzusingen oder wie der Dachs in der Geschichte ein Lied zu pfeifen. Neben der ergänzenden und teilweise entlastenden Funktion des Stiftes wurden auch die Übersetzungen und Bilder bewusst zur Inhaltserschließung herangezogen. Starteten die meisten Kinder, beeinflusst durch die Struktur der meisten Bilderbücher, in denen zuerst der deutsche und dann der Text in einer weiteren Sprache präsentiert wird, mit dem zielsprachlichen Text, wechselten viele zeitnah die Reihenfolge. Dadurch dass der Text zunächst in der Erstsprache gelesen wurde, konnten sich die Lernenden besser auf den deutschen Text einlassen und Fragen zu diesem gezielt auf Deutsch beantworten. Die Mehrsprachigkeit im Bilderbuch wurde von den Lernenden durchweg als gewinnbringend für die Erschließung des Bilderbuchs bewertet. Wie die Auswertung der Beobachtungsbögen zeigt, verstärkten sich überwiegend das Interesse und die Kommunikationsbereitschaft der Lernenden, wenn sie Erfahrungen aus ihrer Erstsprache einbringen konnten. Es ist zu vermuten, dass sich die Lernenden in den mehrsprachigen Lernumgebungen stärker in ihrer ganzen Person und in ihrem Gesamtsprachenbesitz ernstgenommen fühlen und ihre Lern- und Lesemotivation noch verstärkt wird. In einigen wenigen Fällen sprachen sich die Proband / innen jedoch auch bewusst gegen die Einbindung der Mehrsprachigkeit aus. Mögliche Ursache könnte hier u. a. die ungewollte Abgrenzung bzw. das Hervorheben aus der Zielgruppe sein. Interessant wäre zu erforschen, ob und wie im weiteren Verlauf durch den funktionalen Einsatz des audio-digitalen Hörstifts die eigene Haltung zum Gesamtsprachenbesitz geändert wird. Während die (mehrsprachigen) Bilderbücher durch ihre inhaltliche und visuelle Gestaltung immer wieder Anlass zur Kommunikation waren, zeigte sich schnell, dass auch die Übersetzungen der Texte selbst immer wieder Anlass zum Austausch boten. Sei es, weil die Studierenden aus Mangel an Kontakten zu Menschen mit entsprechenden Sprachkenntnissen auf Übersetzungsprogramme zurückgriffen, was nicht immer zielführend war, jedoch die Lernenden dazu aufforderte, selbst als Übersetzende tätig zu werden. In solch einem Gespräch wurden dann z. B. auch Unterschiede im Wortschatz der Erst- und Zweitsprache thematisiert. Obgleich an diesen Stellen die besonderen Herausforderungen in der Einbeziehung von Mehrsprachigkeit deutlich werden, schaffen sie auf der einen Seite sowohl bei den Lernenden als auch bei den Lehrenden eine hohe Sensibilität für die Diversität von Sprachen und andererseits viele Anknüpfungspunkte, um auch die Zusammenarbeit mit den 144 Kapitel 9 Mehrsprachige Bilderbücher und audio-digitale Hörstifte Eltern zu stärken. Diese können, wie inzwischen in vielen Aktionen angedacht, als Vorlesepaten gewonnen bzw. in die Gestaltung der Lernumgebungen eingebunden werden, indem sie Übersetzungen zu den Klebepunkten bereitstellen. In Bezug auf die Lernentwicklung lassen die vielen positiven Rückmeldungen der Studierenden darauf schließen, dass sich durch die sprachintegrative Leseförderung mit Bilderbuch und audio-digitalen Hörstiften die intendierte Förderung sprachlicher und literaler Kompetenzen tatsächlich erzielen lässt. Wiederholt wurde dabei deutlich, dass die Lernenden bereits über vielseitige sprachliche und literale Kompetenzen verfügen, die in den schematischen Testsituationen der Diagnostik meist unentdeckt blieben. Langzeituntersuchungen mit den überarbeiteten Lernumgebungen müssen nun zeigen, inwieweit die zunächst subjektive Einschätzung der Studierenden auch empirisch abgesichert werden kann. Folgeuntersuchungen im Projekt fokussieren hier in Fallstudien vor allem den Einfluss der Lernumgebung auf die Leseflüssigkeit, das Textverständnis, den Wortschatz und die Erzählfähigkeit sowie die Einstellung der Lehrpersonen zum Einsatz von Literatur im Deutsch als Zweitsprache-Kontext. Mitgedacht ist dabei stets die Frage, wie das Zusammenspiel zwischen dem sprachlichen und ästhetischen Potenzial des Bilderbuchs am besten didaktisch aufbereitet werden kann. Dabei sollen sowohl der einseitigen formalen Betrachtung und Instrumentalisierung zur sprachlichen und sprachpolitischen Bildung, die das ästhetische Potenzial von Literatur übersieht, vorgebeugt (vgl. Eder 2009: 31), aber umgekehrt auch genau die reichhaltigen Anknüpfungspunkte zur Analyse des Aufbaus und der Strukturen in der Zielsprache vor dem Hintergrund der Erstsprachen der neu zugewanderten Kinder im Literaturunterricht analysiert und reflektiert werden. Wortschatz- und Grammatikarbeit besitzen im vorgestellten Konzept damit keinen Selbstzweck mehr, sondern werden sinnstiftend in die Auseinandersetzung mit Literatur eingebunden. Fragen zum Einsatz von mehrsprachigen Bilderbüchern in einer sprachintegrativen Leseförderung verwehren sich damit einer Polarisierung der Didaktik in ein Entweder-Oder. Ein Überdruss an Formorientierung, wie er bisweilen im herkömmlichen DaZ-Unterricht droht, könnte folglich durch diese Arbeit mit mehrsprachigen Bilderbüchern verhindert werden, weil sie Sprache erfahrbar und lebendig machen. Zusammenfassung Im Zentrum dieses Kapitels steht das Interesse, das Potenzial von mehrsprachigen Bilderbüchern und audio-digitalen Hörstiften für die Arbeit im Unterricht mit neu zugewanderten Schüler / innen herauszuarbeiten. Wie die theoretische und praktische Auseinandersetzung zeigt, eignet sich der kombinierte Einsatz einerseits, um den Schriftspracherwerb zu unterstützen, und andererseits, um kompetente Leser / innen zum Lesen in der Erst- und Zweitsprache zu motivieren. 145 8. Erste Erfahrungen aus der Projektarbeit Studienfragen 1. Was versteht man unter Literacy? 2. Welche Kriterien sollten bei der Auswahl von Bilderbüchern für die sprachintegrative Leseförderung im Unterricht mit neu zugewanderten Schüler / innen herangezogen werden? 3. Wählen Sie eines der vorgestellten mehrsprachigen Bilderbücher und überlegen Sie selbst mit Hilfe der Ausführungen des Kapitels, an welchen Stellen ein audio-digitaler Vorlesestift zum Einsatz kommen könnte. Lektüreempfehlungen Eder, Ulrike (2009): Mehrsprachige Kinder- und Jugendliteratur für mehrsprachige Kontexte. Wien: praesens. Fachwissenschaftliche Einführung in mehrsprachige Kinder- und Jugendliteratur und ihre Formen sowie Anregungen zu Verwendungsmöglichkeiten im (DaZ-)Unterricht, u. a. auch als Sprachlerntexte. Gawlitzek, Ira / Kümmerling-Meibauer, Bettina (Hrsg.) (2013): Mehrsprachigkeit und Kinderliteratur. Stuttgart: Fillibach. Sprach- und literaturdidaktische Konzepte und Studien zu Mehrsprachigkeit und Kinderliteratur mit Beiträgen auch zum kulturellen Dialog in mehrsprachigen Bilderbüchern. Goethe-Institut (201): So lernen Kinder erfolgreich Deutsch. International erprobte Konzepte für den DaF / DaZ-Unterricht. Berlin. Reichhaltige Auswahl an methodisch-didaktischen Anregungen zur Arbeit in sprachlich heterogenen Klassen, die sowohl durch theoretische Hintergrundinformationen und praktische Tipps gerahmt sind. 147 8. Erste Erfahrungen aus der Projektarbeit Kapitel 10 Lesen und Mehrschriftigkeit Schrifterwerb und Leseförderung von Kindern mit arabischer Erstsprache Manuela Böhm, Ulrich Mehlem Fragen 1. Wie unterscheidet sich der Erwerb des Lesens und Schreibens im Deutschen bei Kindern, die nicht in einer Sprache mit einer lateinischen Schrift alphabetisiert sind? 2. Welche Konsequenzen haben sprach- und schriftstrukturelle Unterschiede für den Prozess des Leseerwerbs (z. B. Phonologie)? 3. Wie können Lehrende, auch wenn sie kein Arabisch sprechen, vorhandene Kenntnisse von neuzugewanderten Kindern konkret im Unterricht für den Zweitspracherwerb nutzbar machen? Überlegen Sie sich einige konkrete Unterrichtssituationen. 4. Welches Selbstverständnis brauchen Lehrpersonen bei der Arbeit mit dieser Zielgruppe? Abstract In diesem Kapitel wird Ihnen das Projekt AlphAlif vorgestellt, das Methoden und Materialien zur basalen Leseförderung von neuzugewanderten Kindern im Grundschulalter entwickelt, die Arabisch oder eine Sprache, die mit arabischer Schrift geschrieben wird, als Erstsprache haben. Die Materialien können für die Einzel- oder Kleingruppenarbeit, aber auch zur Binnendifferenzierung im Klassenverband verwendet werden. Bei der Förderung stehen Laut- Buchstaben-Beziehungen, das „Zusammenziehen“ von Buchstaben zu Silben und Wörtern, Lesetechnik, Leseverstehen, Wortschatzarbeit und basale Grammatik im Fokus. Sie lernen, wie das Arabische als Vergleichshorizont zur Lautbildung, Graphemunterscheidung, bei der Wortschatzarbeit und als Vorlesesprache, z. B. mit zweisprachigen Bilderbüchern, konkret in die Arbeit einbezogen werden kann. Einleitung Neu zugewanderte Kinder aus Ländern mit arabischem Schriftsystem stehen vor der Herausforderung, gleichzeitig mit dem Wortschatz und der Grammatik des Deutschen eine neue Schrift mit einer anderen Schreibrichtung und andere Laut-Buchstaben-Zuordnungen zu lernen. Aufgrund fehlender oder zu kurzer Schulerfahrungen haben sie auch häufig ein anderes Verständnis der kommunikativen und kognitiven Funktionen von Schrift, die in einer hoch literalisierten Gesellschaft nicht nur der Verständigung über räumliche und zeitliche Grenzen hinweg, sondern auch der Bewältigung ständig neuer medialer und kognitiver 148 Kapitel 10 Lesen und Mehrschriftigkeit Anforderungen dient. In Abschnitt 1 erhalten Sie zunächst einige Informationen zu dieser Zielgruppe und ihren Lernvoraussetzungen, zu den Zielen der Leseförderung und ihrer Umsetzung in dem Projekt AlphAlif. Darauf folgt eine Vorstellung (2) der didaktischen Bausteine der basalen Leseförderung, die die Buchstabenkenntnis, die Laut-Buchstaben-Beziehungen und das Lesen von Silben betreffen. In (3) stehen funktionale Aspekte der Lesekompetenz, insbesondere Wortschatzarbeit, Leseverstehen und die Auseinandersetzung mit Texten z. B. von zweisprachigen Bilderbüchern im Vordergrund. Wir gehen von der These aus, dass in beiden Bereichen der Lesekompetenz Bezüge zur subjektiven und zur sozialen Ebene im Sinne des Modells von Rosebrock / Nix (2017) hergestellt werden müssen. Ein besonders geeignetes Mittel zur Erreichung dieses Ziels ist der Einbezug der Herkunftssprache Arabisch. 1. Hintergrund: Sprachförderung mit AlphAlif Kinder mit Fluchthintergrund an deutschen Schulen Während die Zahl der Asylanträge insgesamt 2017 deutlich zurückgegangen ist, steigt der Anteil der unter 15-jährigen Antragsteller kontinuierlich, von 2 % im Jahre 2015 auf mittlerweile 37 %. Durch den erwarteten Familiennachzug (Kastner / Bullion 2017) nimmt dieser Trend weiter zu. Der größte Teil der Asylantragstellenden kommt aus arabischsprachigen Ländern wie Syrien (201: 2 250) oder dem Irak oder aus Ländern wie Afghanistan (201: 127 000) oder Iran, in denen die arabische Schrift verwendet wird (Bundeszentrale für polit. Bildung 2017). Die Bildungserfahrungen dieser Kinder reichen von regulärem über unregelmäßigen bis zum nicht existenten Schulbesuch, von Angeboten in Fluchtländern (Flüchtlingslagern bzw. -unterkünften) über ein Engagement der Familie bis zu informellem Lernen. Mit Ausnahme von Kindern der Schuleingangsphase überwiegt im deutschen Schulsystem eine segregative und nicht integrative Beschulung in sogenannten Willkommens-, Vorbereitungs- oder Intensivklassen (Brüggemann / Nikolai 201). Die gesellschaftliche Erwartung besteht darin, diese Schüler / innen so in den Schulbetrieb zu integrieren, dass sie so schnell wie möglich den sprachlichen und fachlichen Anschluss an ihre Peers finden. Dies schließt den Auf- und Ausbau des Deutschen als Schrift- und Bildungssprache als Voraussetzung für den Schulerfolg ein. Erste Erkundungen in Frankfurt ergaben, dass diese Kinder über besondere sprachliche Ressourcen wie z. B. Schriftkenntnisse und Registerdifferenzierung im Arabischen verfügen (Böhm / Mehlem 201). Diese Ressourcen bei der Integration in das deutsche Schulsystem zielgerichtet zu nutzen, ist eines der zentralen Anliegen des Praxisprojekts AlphAlif. Überblick über das Praxisprojekt AlphAlif Der Name des Projektes AlphAlif leitet sich von den Anfangsbuchstaben des lateinischen und des arabischen Alphabets ab. Die Ähnlichkeit beider Wörter weist zudem auf einen gemeinsamen Ursprung beider Schriften aus dem Phönizischen hin. Im Arabischen bedeutet „Alf Alif “ außerdem 1000 Alifs und steht damit für das Reich der Buchstaben. AlphAlif 149 1. Hintergrund: Sprachförderung mit AlphAlif fördert gezielt zugewanderte Grundschulkinder, deren Erstsprache entweder Arabisch ist oder deren Sprache in arabischer Schrift geschrieben wird. Diese Kinder werden bei ihrer Alphabetisierung im Deutschen unterstützt, indem auf die vorhandenen Ressourcen aus der Erstalphabetisierung im Arabischen als Literalisierungspotenzial aufgebaut und auf Formate kontrastiver Spracharbeit sowie partiell auch Translanguaging zurückgegriffen wird. AlphAlif steht in der Tradition der pädagogischen Praxisprojekte der Frankfurter Erziehungswissenschaft (Bernhardt / Rinck-Muhler / Schroeder 2014). Ziel ist es, Schüler / innen in ihren Bildungsprozessen durch Förderung so zu unterstützen, dass eine gemeinsame Beschulung in der Regelklasse aufrechterhalten oder überhaupt erst ermöglicht wird. Wie bei allen Frankfurter Praxisprojekten übernehmen auch bei AlphaAlif Studierende der Erziehungswissenschaften und des Lehramts die Förderung, und arbeiten während eines gesamten Schuljahres an zwei Tagen in der Woche jeweils maximal eine Schulstunde in der Regel mit einem / einer Schüler / in. Die Qualifizierung der studentischen Förderkräfte für diese Arbeit erfolgt im Rahmen von mehreren Lehrveranstaltungen vor und parallel zur Förderung über zwei Semester hinweg und umfasst: ▶ Sensibilisierung im Umgang mit Mehrsprachigkeit ▶ Vermittlung von Grundkenntnissen über Schrifterwerb ▶ Diagnostik individueller Schülerleistungen ▶ Arbeit mit Förderplänen ▶ Erwerb von basalen Kenntnissen in arabischer Schrift ▶ (Weiter)Entwicklung von Lehr- und Lernmaterialien im Team Aufbauend auf einer ersten Diagnostik verschaffen sich die Studierenden zunächst ein Bild von den Sprach- und Lesefähigkeiten ihrer Schüler / innen. Hieran schließt eine individuell abgestimmte Förderung an, die durch Förderpläne begleitet wird, die in regelmäßigen Abständen überprüft werden. Die studentischen Förderkräfte werden außerdem durch Hospitationen und individuelle Beratung durch die Projektleiter unterstützt. Die Förderung konzentriert sich bei AlphAlif auf die folgenden vier methodisch-didaktischen Schwerpunkte: (1) Alphabetisierung, v. a. in Form von: ▷ einem systematischen Durchgang durch die Grapheme, ▷ Graphem-Phonem-Korrespondenzen, ▷ phonologischer Bewusstheit, ▷ Schreibwortschatz. (2) Lesetechnik und basale Leseflüssigkeit durch: ▷ Dekodieren; „Erlesen“, ▷ Schulung der Silben- und Betonungsmuster ▷ Anbahnung und Verbesserung des Leseverstehens, ▷ Anbahnung und Verbesserung der Leseflüssigkeit. 150 Kapitel 10 Lesen und Mehrschriftigkeit (3) Schreibtechnik ▷ Übertragung verfügbarer Wörter in Schrift, ▷ Anbahnung des Schreibens im Sinne von konzeptioneller Schriftlichkeit, ▷ Weiterentwicklung graphomotorischer Fertigkeiten. (4) Entwicklung der mündlichen Sprachkompetenz durch: ▷ Wortschatzerweiterung (relevante Wörter aus Schule und Alltag), ▷ Erlernen und Festigen der basalen Grammatik. Die Förderung enthält also Elemente der Alphabetisierung, die wiederum gleichzeitig mit Wortschatzaufbau und -erweiterung erfolgt. Parallel hierzu wird die Lesetechnik systematisch trainiert. Möglichst früh treten erste Elemente des Leseverstehens hinzu, die durch die Lektüre immer längerer Texte erweitert werden. Die Textarbeit wird durch Wortschatzübungen und Spiele ergänzt. Parallel hierzu werden basale Grammatikkenntnisse vermittelt oder erweitert. Bedeutung der Leseförderung für den Zweitspracherwerb von Seiteneinsteiger / innen Die Kinder mit Fluchthintergrund haben mit anderen neu Zugewanderten gemeinsam, dass sie aus dem Ausland zugezogen sind und nur über sehr geringe oder gar keine Deutschkenntnisse verfügen. Als besondere Lernergruppe verfügen sie über eigene Potenziale wie die mündlichen und z. T. auch schriftlichen Kenntnisse in ihrer Erstsprache (Mehlem 2017), Erfahrungen im Umgang mit Registerunterschieden (Böhm / Mehlem 201) und mehrsprachigen Situationen, Strategien beim Erwerb des Deutschen, stehen aber auch vor einigen spezifischen Herausforderungen: ▶ Der Erwerb der deutschen Sprech- und Schriftsprache erfolgt synchron, d. h. parallel, und hauptsächlich im formalen Kontext der Institution Schule. ▶ Es fehlt in der Regel an Interaktion in deutscher Sprache in Alltagssituationen. ▶ Kenntnisse des lateinischen Alphabets und des deutschen Schriftsystems sind nicht ohne weiteres vorauszusetzen. Der auch von diesen Kindern zu bewältigende Prozess des Sprachausbaus schließt den Erwerb literater Strukturen und den Aufbau einer „kategorialen Haltung zur Schriftlichkeit“ ein (Maas 2008). Das bedeutet, dass die Schüler / innen im Zuge der Alphabetisierung einen analytischen Zugang zur Schriftsprache als einer Ausbauform der Mündlichkeit finden. Hierbei ist die Leseförderung ein zentrales Moment, indem sie zum einen basale Fertigkeiten trainieren und zum anderen Funktionen der Schriftsprache und die damit verbundenen kognitiven und kommunikativen Prozeduren kennen lernen. Basale Fertigkeiten, die am Anfang der Lesekompetenz im Vordergrund stehen, sind für neu zugewanderte Kinder von besonderer Bedeutung, weil diese eine entscheidende Rolle beim Aufbau komplexerer literater Strukturen spielen, wie z. B.: 151 1. Hintergrund: Sprachförderung mit AlphAlif ▶ Rekodieren und Stärkung der phonologischen Bewusstheit als Fähigkeit des Erkennens spezifischer Laute (z. B. phonologische Bewusstheit hinsichtlich des Kontrasts zwischen stimmhaften und stimmlosen Plosiven wie / g/ und / k/ ); ▶ Anwenden der sprachspezifischen Wort- und Satzakzentmuster (z. B. Intonationsverläufe in Aussage- und Fragesätzen); ▶ Einsicht in sprachspezifische Graphem-Phonem-Korrespondenzregeln (z. B. Auslautverhärtung an Morphemgrenzen im Deutschen); ▶ Identifikation und Verknüpfung der sprachlichen Struktureinheiten Silben, Morpheme, Wörter, Sätze (etwa in Form von morphologisch korrekter Identifizierung phonologisch identischer Morpheme, z. B. -en als Affix, das entweder die Infinitivform des Verbs anzeigt oder den Plural eines Nomens markiert). Erst wenn diese Fertigkeiten beherrscht werden, können Leseroutinen aufgebaut werden, die den nächsten Schritt hin zum funktionalen Umgang mit Schrift und Lesen bilden und stärker im Horizont von Bedeutungserwerb und Textverstehen stehen, wie z. B.: ▶ Lesen als Mittel zum Ausbau des Wortschatzes, ▶ Kennenlernen der Verwendungsweisen von Wörtern und Ausdrücken des informellen und formellen Registers, ▶ Kennenlernen von Diskursarten und Textsorten des Erzählens, Beschreibens und Erklärens, ▶ Schulung literater Prozeduren: Nacherzählen, Paraphrasieren, Mündliches in Schriftliches übertragen u. a. Da neu zugewanderte Kinder in der Ausbildung sowohl der basalen als auch der funktionalen Fertigkeiten deutlich mehr und länger Unterstützung brauchen als Kinder mit Deutsch als Erstsprache, profitieren sie, wie im Folgenden gezeigt wird, in mehrfacher Hinsicht von einer gezielten Leseförderung. Einbezug der Erstsprache Arabisch Das Arabische als Erstsprache einzubeziehen, stellt ein Kernelement des Förderkonzepts dar. Der Bezug zum Arabischen geschieht auf verschiedenen Ebenen. Zum einen kommt durch den systematischen Rekurs auf arabische Wörter und Texte die Wertschätzung der Erstsprache zum Ausdruck. Zudem machen die Kinder durch Übernahme der Expertenrolle für das Arabische in verschiedenen Situationen eine Kompetenzerfahrung. Generell ist aus Förderperspektive wichtig, dass durch Gegenüberstellung sprachsystematischer Regularien die Sprachbewusstheit in beiden Sprachen gefördert und damit das „kognitive Potenzial von Schrift“ (Böhm / Mehlem 2015: 117) genutzt wird. Dieses wird zunächst am Beispiel basaler Lesefertigkeit (Abschnitt 2), dann in Bezug auf Leseverstehen und Wortschatzarbeit (Abschnitt 3) gezeigt. 152 Kapitel 10 Lesen und Mehrschriftigkeit 2. Lesedidaktischer Hintergrund: Alphabetisierung und Leseförderung kontrastiv Diagnostik Da die Kinder meist erst seit kurzer Zeit in einer deutschen Schule sind und sehr unterschiedliche Lernvoraussetzungen aufweisen, bildet eine Diagnostik elementarer schriftsprachlicher Fähigkeiten im Deutschen den unverzichtbaren Ausgangspunkt für die individuelle Förderung der Lesekompetenz auf der basalen Ebene, von Buchstabenkenntnissen, über Silben und Wörter, bis zu Sätzen und einfachen Texten. Existierende Verfahren, wie das sehr niederschwellige IL eA (Individuelle Lernstandsanalyse, vgl. Scheerer-Neumann / Schnitzler / Ritter 2010), wurden für diese Zwecke vereinfacht und eine entsprechende arabische Version erstellt. Zur Schuljahresmitte und zum Schuljahresende wird der anspruchsvollere Zürcher Lesetest II (Petermann / Daseking 2015) als ein normierter Lesetest verwendet, um eine Vorstellung über den Stand der Lesekompetenz im Deutschen im Vergleich zu der hier beschulten Alterskohorte zu gewinnen. Dafür werden die Tests der zweiten Jahrgangsstufe des Zürcher Lesetests II verwendet, die zumindest dem Schulbesuchsalter der Kinder einigermaßen entsprechen. Laut-Buchstaben-Beziehung im Sprachvergleich Materialien für neu Zugewanderte, wie das vom Finken-Verlag entwickelte und mit dem deutschen Schulbuchpreis 201 ausgezeichnete Lehrwerk „Komm zu Wort“ (Fischer / Kellner 201), erlauben zwar das individuelle Erarbeiten eines Grundwortschatzes mit dem Ting-Stift, mit dessen Hilfe die Kinder ein angetipptes geschriebenes Wort hören können. Die Einführung der Wörter folgt aber den thematischen Wortfeldern (mit Toilette und Turnbeutel auf S. 8), und ermöglicht deshalb gerade keinen schrittweisen Durchgang durch die Phonem- Graphem-Beziehungen des Deutschen (hier müssten Wörter wie Mama, Papa, malen, baden etc. am Anfang stehen). Deshalb wurde anhand dieses Lehrwerks ein Durchgang durch alle Grapheme des Deutschen konzipiert, der sich zum großen Teil auf den dort vermittelten Wortschatz stützt. Arbeitsblätter zu jedem Graphem in Deutsch und Arabisch (vgl. Abb. 1) erlauben das Sammeln von Wörtern und die Bestimmung des relevanten Buchstabens im Wort. 153 2. Lesedidaktischer Hintergrund: Alphabetisierung und Leseförderung kontrastiv Abb. 1: Beispiel für ein kontrastives Arbeitsblatt Während Kinder aus anderen europäischen Ländern schon die meisten Grapheme des Deutschen kennen und nur einige neue Zuordnungen wie <sch>, <ch>, <ie>, <ei>, Schreibdiphthonge sowie die Vokalkontraste lernen müssen, erlaubt das arabische Alphabet keine einfachen Übertragungen. Dennoch verfügt natürlich auch das Arabische über eine Reihe von übereinstimmenden Phonemen mit dem Deutschen wie z. B. <l> und <ﻝ>. Diese können den Ausgangspunkt für die Alphabetisierung bilden. Aus Projekten der zweisprachigen Alphabetisierung ist bekannt, dass es sinnvoll sein kann, die Grapheme unterschiedlicher Schriftsysteme einander gegenüberzustellen (Feick / Pietzuch / Schramm 2013; Heyn 2013). Ein zentrales Element hierfür ist die Anlauttabelle (Schründer-Lenzen 2009). Hier wird jedem Graphem ein Bild zugeordnet, dessen Wort mit dem entsprechenden Phonem beginnt. Schreiben vollzieht sich durch Zerlegung des Wortes in seine Phoneme und deren schrittweise Übertragung in Grapheme. Die deutsche und die arabische Anlauttabelle sind parallel aufgebaut, so dass sie nebeneinander gelegt werden können. In der mittleren Säule stehen die Vokale, die als „Silbenkönige“ hervorgehoben sind, da in jeder Silbe einer von ihnen stehen muss, links die stimmhaften (vgl. Abb. 2) und rechts die stimmlosen Frikative und Plosive. Die vier Sonoranten (l, m, n r) sind zwei und zwei auf die beiden Säulen aufgeteilt. Vom Deutschen ausgehend, zeigen sich im Arabischen charakteristische Lücken und Erweiterungen: wie Abb. 2 zeigt, fehlt das [g], dafür gibt es einen weiteren r-Laut (rechts unten mit dem Bildes des Waldes für [ġāba]). (Bauer 199) 154 Kapitel 10 Lesen und Mehrschriftigkeit Abb. 2: Ausschnitt aus der zweisprachigen Anlauttabelle (links Deutsch, rechts Arabisch) Bei den kontrastiven Arbeitsblättern steht im Zentrum ein Wort, das in beiden Sprachen vorkommt, mit der entsprechenden Verschriftung. So gibt es Anānās ( ﺃﻥﻝﻥﻝﺱ ) im Arabischen und Deutschen, aber auch Namen oder internationale Wörter wie taksī (ﺕﻙﺱﻱ) oder Telefon, die in beiden Sprachen vorkommen. Im direkten Vergleich können dann Besonderheiten der Schreibung thematisiert werden-- etwa, dass [ks] im Arabischen nicht mit <x>, sondern mit <ks> geschrieben wird. 155 2. Lesedidaktischer Hintergrund: Alphabetisierung und Leseförderung kontrastiv Vom Graphem zum Wort: die Bedeutung der Silbe Für den Übergang vom Lautieren einzelner Grapheme zum Wortlesen kommt der Silbe eine zentrale Bedeutung zu. Dabei besteht die einfachste Silbe (wie [ʁo: ] in Rose) aus einem konsonantischen Anlaut [ʁ] und einem vokalischen Reim, [o: ], der gedehnt wird und dadurch leicht wahrzunehmen ist. Es handelt sich also um eine offene Silbe. Neben den fünf Grundvokalen ([i: ] erscheint hier regelhaft als <ie>) kommen später noch die drei Diphthonge (au, ei, eu) hinzu. Ausgehend vom Arabischen mit seinen drei ebenfalls dehnbaren Grundvokalen ist hier eine Übertragung möglich, die aber weitere Differenzierungen erfordert. Das Hocharabische kennt zusätzlich die Diphthonge [au] und [ai], denen im syrischen Arabisch die Langvokale [e: ] und [o: ] entsprechen. Phonetisch ist also ein entsprechender Vokalbestand vorhanden. Nur die gerundeten Vorderzungenvokale [ø, y] müssen tatsächlich neu gelernt werden. Didaktische Anwendungen hierfür bieten das Lesetraining Speedy (Lehker 2010) oder die Marburger Leseambulanz mit ihren Silbenteppichen. Die Pointe liegt im Prinzip der minimalen Variation: Entweder wird der Vokal im Silbenreim variiert (ba- - be- - bie) oder der Konsonant im Anfangsrand (ba- - fa- - da, vgl. Abb. 3). Beim Silbenhotel ziehen die Konsonanten im Anfangsrand in Flure mit verschiedenen Zimmern ein, wo sie zusammen mit jeweils einem Vokal wohnen (Lutz / Schmidt / Stoiber / Krowatschek 2009). Abb. 3: Ausschnitt eines Silbenteppichs (aus Lehker 2010: 28) In einem zweiten Schritt wird mit Wörtern mit Reduktionssilben gearbeitet, deren Aufbau im Deutschen sehr regelhaft ist. Diese Silben stehen in der Regel nach einer betonten Silbe, kommen also nur in mindestens zweisilbigen Wörtern vor. Sie enthalten den Schwalaut in seinen beiden für das Deutsche typischen Varianten [ə] <e> Rose und [ɐ] <er> Maler oder einen silbischen Sonoranten [n] laufen <en> oder [l] <el> Nebel. Für alle diese Phänomene gibt es im Arabischen keine phonologischen Entsprechungen. Beim Versuch, sie auf Arabisch zu schreiben, werden in der Regel Kurzvokale (a, u, i) eingesetzt, die sich aber von den 156 Kapitel 10 Lesen und Mehrschriftigkeit kurzen Vollvokalen in geschlossenen Silben nicht unterscheiden. Für [ə] im Auslaut hat sich im Arabischen der Buchstabe [h] als Vokalträger durchgesetzt. Bei Speedy werden die Reduktionssilben von Anfang an klar von den betonten Silben unterschieden. Nachdem einfache Silbenreihen gelesen wurden, werden nun betonte und Reduktionssilbe miteinander verbunden. Auch in einfachen Lesetexten ist es sinnvoll, zunächst betonte und unbetonte Silben farblich voneinander abzuheben (vgl. Abb. 4). Abb. 4: 55 Wörter mit betonter und Reduktionssilbe (aus: Lehker 2010) Erst im dritten Schritt erfolgt ein Übergang zu den betonten geschlossenen Silben, die auf einen Konsonanten enden, mit einem entsprechenden Silbenteppich (bal, bel, bil). Im Reim dieser Silbe stehen nun ein Vokal und ein Konsonant zusammen, die miteinander verschmelzen. Beim Silbenhotel zieht der Konsonant des Anlauts jeweils in die Zimmer ein, in denen schon Vokal und Konsonant wohnen. Die Vokale der geschlossenen Silben werden von Erstklässler / innen (egal welcher Erstsprache) noch lange weggelassen. Kinder, die Arabisch schreiben lernen, haben den Vorteil, dass für diese Kurzvokale zumindest Hilfszeichen zur Verfügung stehen, also die Aufmerksamkeit auf sie gelenkt werden kann. Bei <Kiste> würde das [ɪ] tatsächlich mit Kasra (einem kurzen Strich unter den Konsonanten k) geschrieben, bei <Kasten> das [a] mit Fatha (einem kurzen Strich über dem Konsonanten). 3. Vom Wort zum Text: Wortschatz und Leseverstehen in zwei Sprachen Schüler / innen mit einem kleinen Wortschatz gelten als Risikokinder, weil ihr Leseverstehen dadurch limitiert ist (Ehlers 2017). Sie profitieren vor allem von systematischer und expliziter Wortschatzarbeit, weil sie dabei Basiswörter erwerben, die die Grundlage für das eigenständige Erschließen von Wortbedeutungen erleichtern (Apeltauer 2017). Die Förderung des Leseverstehens beginnt möglichst mit kurzen Texten, die gleichwohl eine Pointe enthalten, die durch eine zentrale Verständnisfrage erfasst werden kann. Auf diese 157 3. Vom Wort zum Text: Wortschatz und Leseverstehen in zwei Sprachen Weise rückt das Lesen als Prozess der Sinnkonstruktion in den Blick. Hieran können Bücher wie die des Lesebaumverlags (http: / / www.lesebaum.de/ konzept-kurz.html) der Stufe 1 bis 3, bei denen der Text durch Bilder unterstützt wird, anschließen. Durch den motivierenden Kontext einer Geschichte wird das Erschließen einzelner Wörter erleichtert, aber auch die Information, die nur im geschriebenen Text steckt, wird durch geeignete Fragen erschlossen. Wortschatzarbeit Auch wenn weder Lehrkräfte noch Studierende über aktive Arabischkenntnisse verfügen, gibt es vielfältige Möglichkeiten, das arabische Sprachwissen der Kinder zu nutzen. Eine wichtige Komponente bildet dabei die kontrastiv ausgerichtete Wortschatzarbeit. Ein quantitativ und qualitativ ausgebauter Wortschatz ist sowohl bei Einwie Mehrsprachigen zentrale Voraussetzung für literate Handlungsfähigkeit: differenziertes Leseverstehen und Schreibfertigkeit, aber auch mündliche Handlungskompetenzen sind direkt an lexikalisch-semantisches Wissen geknüpft. Bei neu zugewanderten Schüler / innen hat systematische Wortschatzarbeit eine wichtige Funktion: Während im muttersprachlichen Kontext Wortschatz inzidentiell, ungesteuert und eher unbewusst angeeignet wird, beruht sein erfolgreicher Aufbau, seine Vertiefung und Vernetzung in der Zweitsprache auf expliziten Lernprozessen, die durch geeignete Arrangements initiiert und gesteuert werden müssen. Ein wichtiger Punkt ist dabei die Ermöglichung erfahrungsbasierten Lernens in einer anregenden Lernumgebung. Diese Voraussetzungen erfüllt das Format des gemeinsamen Lesens in der Herkunftssprache, bei dem die Erstsprache zum Ausgangspunkt für den Erwerb und Ausbau von zweitsprachlichem Wortschatz gemacht wird. Ideal sind Geschichten, Fabeln oder Bücher, die sowohl in Arabisch als auch Deutsch vorliegen, wie z. B. das auch bei arabischen Kindern verbreitete illustrierte Kinderbuch Landmaus und Stadtmaus (Djagham / Kanz o. J.). Dabei liest ein Kind einzelne Abschnitte aus der arabischen Version des Buches vor; anschließend wird es gebeten, auf Deutsch den Inhalt zusammenhängend und verständlich nachzuerzählen. In einem anschließenden Gespräch werden Eindrücke und Gedanken ausgetauscht. Dieses Format ▶ holt einen Ausschnitt der literal und erstsprachlich gebundenen Erfahrungs- und Lebenswelt der Kinder in die Schule, ▶ praktiziert die Wertschätzung für die arabische Herkunftssprache nicht nur symbolisch, ▶ gibt den Kindern Selbstwirksamkeitserfahrungen als Leser / in und ▶ fördert durch Zuhören und Anschlusskommunikation gleichzeitig verschiedene sprachliche Fertigkeiten. Durch das arabische Vorlesen und deutsche Paraphrasieren treten rezeptives Wortschatzwissen der arabischen Erstsprache mit produktivem deutschem Wortschatz in Interaktion, wobei Letzterer zunächst weit hinter Ersterem zurückbleibt. Probleme bereiten fehlende Ausdrucksmittel im deutschen Wortschatz und die Herausforderung, die Abfolge der Ereignisse samt den Bezügen zu versprachlichen. 158 Kapitel 10 Lesen und Mehrschriftigkeit Aufgabe der Lehr- und Förderkräfte ist es hier, unterstützende Komponenten wie die gemeinsame Kenntnis des Plots der Fabel und Bilder auszunutzen und didaktische Strategien der Sicherung des Wortschatzes zu entwickeln. Die Bedeutung eines in Frage stehenden deutschen Wortes wird beispielsweise unter Hinzunahme der bildlichen Darstellung geklärt und das Wort in einer für das Buch angelegten Wörterliste notiert, auch ggf. in der Herkunftssprache des Kindes als Merkstütze. Anschließend ist darauf zu achten, dass dieses Wort in anderen Zusammenhängen und Kontexten, idealerweise losgelöst von der Lernsituation mit diesem konkreten Buch, immer wieder verwendet und in typische Äußerungen eingebettet wird. Das erlaubt, altes und neues lexikalisches Wissen in Beziehung zu setzen, dadurch zu festigen und zu vernetzen (Apeltauer 2017). Ebenso kann das Wissen eines zweiten Kindes mit derselben Erstsprache als „Partnerhilfe“ unterstützend einbezogen werden, indem es nach Bedeutung und Äußerungszusammenhängen des Wortes gefragt wird. Für den Plot können relevante Wörter zum Gegenstand von Sprachbetrachtung gemacht werden, indem entweder auf ihren Inhalt oder auf ihre Form explizit Bezug genommen wird. In ersterem Falle des Focus on Content werden textbezogene (oder interessenbezogene) „Schlüsselwörter“ durch Unterstreichung im arabischen Buch, Aussprechen, evtl. Transkribieren des arabischen Worts mit lateinischen Buchstaben (für Schüler / innen, die die arabischen Schriftzeichen nicht ausreichend beherrschen und Förderkräfte, die des Arabischen nicht mächtig sind) und anschließendes Notieren in Deutsch und Arabisch in einem Wörterheft fokussiert. Die Wörter aus dem Wörterheft können anschließend nach Wortfeldern geordnet werden, so entstehen in direktem Zusammenhang mit dem Buch thematisch gebundene, zweisprachige Wort- Übersichten. Im Zuge dessen können sich die Lehr- und Förderkräfte von ihren arabisch sprechenden Schüler / innen auch neue Wörter beibringen lassen. Dies demonstriert nicht nur Interesse an der Erstsprache der Kinder, es kehrt auch die dominierenden Lehr-Lern-Verhältnisse um: Die Kinder werden nun selbst zu Kontrolleuren z. B. der korrekten Aussprache und erfahren wiederum Selbstwirksamkeit. An diesem Punkt ist auch ein Wechsel des Fokus von der Inhaltsdimension des in Frage stehenden Wortes zu seiner Form (Focus on Form) sehr gut möglich, indem die Wortart der deutschen „Schlüsselwörter“ oder Besonderheiten ihrer Aussprache thematisiert werden. Das Lesen narrativer Texte in der Herkunftssprache kann also eine Brückenfunktion für den Deutscherwerb übernehmen, indem das Vorlesen in der Erstsprache diese als auch in der Schule ‚legitim’ auftretende Sprache markiert, die Kommunikation über das Gelesene in der Zweitsprache Deutsch die Lexik und die Mündlichkeit stärkt und den in Abschnitt 1 genannten Prozess des Sprachausbaus hin zur Schriftsprache anbahnt (Ehlers 2017). Arabisch lesen - zweisprachige Bilderbücher Zweisprachige Bilderbücher haben natürlich den Vorteil, dass sofort zwischen den beiden Sprachen gewechselt werden kann. Der Einbezug beider Sprachen soll an zwei Beispielen demonstriert werden. In Sonne und Mond-- Wie aus Feinden Freunde wurden (Schafik / Schakir 2015), dessen Originalausgabe 2005 in Ägypten erschien, befinden sich die durch König und Königin symbolisierten Gestirne und ihre Reiche zunächst im Konflikt miteinander, aus 159 3. Vom Wort zum Text: Wortschatz und Leseverstehen in zwei Sprachen dem aber keiner als Sieger hervorgeht. Erst als sich beide näher kennen und ihre jeweiligen Fähigkeiten schätzen lernen, kommt es zum Kompromiss, der im stetigen Wechsel von Tag und Nacht besteht. Dieser einfach strukturierten Handlung entspricht eine durchgehend in Parallelismen aufgebaute Sprache, die durch gleichzeitige Wiederholung und Variation auch dem Bedürfnis der Sprachlerner / innen entgegenkommt: „Im Königreich des Mondes war alles sehr ruhig, alles war in Dunkelheit getaucht-… Im Königreich der Sonne war alles sehr lebhaft-… alles war in strahlendes Licht getaucht.“ (ebd.: 2 ff.) In der arabischen Fassung stehen sich die vier Adjektive hādi´ (ruhig)- - ṣākhib (lebhaft); muẓlim (dunkel)- - sāṭi‘ (strahlend) gegenüber. Die Bilder unterstreichen die gegensätzlichen Farben und Stimmungen und helfen, die Bedeutungen zu erschließen. Abb. 5: Arabischer Text (Schafik / Schakir 2015: 2) Der arabische Text kann helfen, die Bedeutung der komplexen Partizipgruppe ‚in dunkles Licht getaucht‘ zu erschließen. Als einfachere deutsche Entsprechungen bieten sich dunkel und hell an. Einzelne Wörter laden zum Vergleich ein. Sowohl in Königreich wie in arab. mamlaka steckt das Wort König (malik), wenn auch auf sehr verschiedene Weise: Im Deutschen wird es einfach mit Reich, einem weiteren Substantiv, zum Kompositum verbunden, während im Arabischen nur die Konsonanten von malik erhalten bleiben, die sich mit dem Präfix ma- und dem Suffix -a zu einem neuen Wort verbinden. Abb. 6: Arabischer Text (Schafik / Schakir 2015: 4) 160 Kapitel 10 Lesen und Mehrschriftigkeit Dieses Bilderbuch eignet sich auch zum teilweisen Vorlesen auf Arabisch in der mehrsprachigen Regelklasse. Nachdem arabischsprachige Kinder ein Stück des arabischen Textes gelesen haben, können Vermutungen über seinen Inhalt angestellt werden, bevor die deutsche Version gelesen wird. Eine weitere Möglichkeit beim Arabischlesen vor der Klasse besteht darin, dass alle Kinder die Worte šams(Sonne) und qamar (Mond) lernen und immer dann, wenn eines von diesen im Text vorkommt, auf den Tisch klopfen müssen. Während das Bilderbuch Sonne und Mond Leser / innen in eine märchenhafte Welt entführt, behandelt Bestimmt wird alles gut (Boie / Birck 201) die Flucht einer syrischen Familie nach Deutschland. Wie auch Rösch (2017) ausführt, erfordert der Einsatz dieses Buches ein hohes Maß an Sensibilität für die konkrete Situation der betroffenen Kinder. Dennoch bietet insbesondere der zweite Teil (ebd. ab S. 30) eine gute Möglichkeit, sich mit den ersten Monaten einer Flüchtlingsfamilie in Deutschland auseinanderzusetzen. Auch wenn sich das Buch primär an Mitschüler / innen von Kindern mit Fluchthintergrund richtet, ist ein Zugang über den arabischen Text ebenfalls möglich, wie an der Kontaktaufnahme zwischen dem deutschen Mädchen Emma und der Protagonistin Rahaf und der Schlussszene erläutert werden soll. Der deutsche Text des Buches ist aus der Perspektive des Mädchens geschrieben und weist daher eine große Nähe zur gesprochenen Sprache auf (kurze Sätze, Perfekt als Erzähltempus). Die hocharabische Version trägt dem teilweise Rechnung, erscheint aber deutlich literarischer. Der Einstieg in die Lektüre erfolgt ausgehend von einem Bild, das die Willkommensgeste eines sitzenden Mädchens gegenüber der stehenden Rahaf zeigt. Nach einem mündlichen Austausch über diese Szene kann nun der arabische Text gelesen werden. Das Verb atat steht in einem einfachen Vergangenheitstempus und kongruiert mit dem Subjekt (3. Person Femininum), das direkt folgt. Die beiden temporalen Bestimmungen (am nächsten Tag, vor der ersten Stunde) stehen vor bzw. nach diesem Kernsatz, der zweite Teilsatz, auf den eine lokale Ergänzung folgt, wird wieder mit einem Vollverb eingeleitet. Nun wird der Satz in deutscher Übersetzung gelesen, bei dem zweimal eine Verbklammer gebildet wird: „Am nächsten Tag ist schon vor der ersten Stunde ein Mädchen zu Rahaf gekommen und hat auf den Stuhl neben sich gezeigt“. Der Text (in beiden Sprachen) erweitert die im Bild dargestellte Szene um ihren temporalen Kontext und präzisiert auch die Zeigegeste, die nicht nur auf Rahaf, sondern auch auf den Stuhl gerichtet ist. In der Schlussszene (S. 42 f.) drückt Rahaf ihre Zukunftshoffnung aus: „Bestimmt geht das (Heimweh) eines Tages vorbei-… Und Papa darf wieder arbeiten. Bestimmt.“ Das Bild zeigt den Vater in Alltagskleidung, wie er spontan dem Opfer eines Verkehrsunfalls hilft, wobei neben seinen Kindern auch einige Passanten um ihn herumstehen. Seine berufliche Kompetenz als Arzt, die sich in dieser Szene zeigt, kontrastiert mit dem Status als Asylbewerber, der im Arabischen etwas klarer ausgedrückt ist: Darf wird hier als „sie erlauben ihm die Arbeit“ formuliert; das unbestimmte sie verweist auf die deutschen Behörden, ohne deren Zustimmung der Vater eben nicht arbeiten darf. So erschließt sich auch eine der vielen Bedeutungen dieses deutschen Modalverbs, das keine direkte arabische Entsprechung hat. In dieser Weise bleibt auch beim Textverstehen die kontrastive Spracharbeit im Fokus und erlaubt auch das Einbringen persönlicher Erfahrungen der Kinder. Allerdings sollte hier das 161 3. Vom Wort zum Text: Wortschatz und Leseverstehen in zwei Sprachen Wachrufen evtl. problematischer Erinnerungen vermieden werden und die Stabilisierung der gegenwärtigen Lebenssituation in Deutschland im Vordergrund stehen. Zusammenfassung Wie in diesem Kapitel gezeigt, erfordert die Leseförderung bei neu zugewanderten Kindern ohne lateinische Schriftkenntnisse in der Grundschule eine Verknüpfung von Alphabetisierung mit basaler und funktionaler Unterstützung der Lesekompetenz. Dabei dient der Einbezug der Herkunftssprache Arabisch bei der Wortschatzarbeit oder dem Vorlesen nicht nur der Wertschätzung vorhandener Bildungserfahrungen, sondern auch der Stärkung der Sprachbewusstheit auf der phonologischen, grammatischen, lexikalischen und nicht zuletzt literarischen Ebene. Die didaktisch-methodischen Hilfsmittel einer zweisprachigen Anlauttabelle, kontrastiver Buchstabenblätter, eines Wörterhefts, in dem deutsche und entsprechende arabische Wörter notiert werden, und die Begegnung mit entsprechend aufbereiteten deutschen und arabischen Texten erlauben einen Aufbau basaler Lesefähigkeiten auf der Prozessebene, ohne dass Subjekt- und soziale Ebene (Rosebrock / Nix 2017) in den Hintergrund treten müssen. Studienfragen und Aufgaben 1. Zu den Herausforderungen für neu zugewanderte Kinder ohne lateinische Schriftkenntnisse: ▶ Welche Art von Leseförderung ist für diese Zielgruppe in der Grundschule sinnvoll? ▶ Welche Informationen tragen zur Bestimmung des sprachlichen Wissens der Kinder in der Grundschule bei? ▶ Welche Bedeutung hat kontrastive Spracharbeit für den Zweitspracherwerb? 2. Welche Grapheme müssen bei Kindern arabischer Erstsprache besonders intensiv erarbeitet werden? 3. Welche Zwischenschritte vom Lautieren zum Wortlesen sind sinnvoll? 4. Lesen und Textverstehen: Schauen Sie sich auf der Internetseite des Lesebaumverlags auf Ebene 2 das Beispiel ‚das Tretauto‘ an. Wodurch wird das Verständnis des Textes erleichtert? Welche Schwierigkeiten auf sprachlicher und Laut-Buchstaben-Ebene stecken in dem Text? Wie könnten sie bearbeitet werden? 5. Wie können arabische Texte in die Leseförderung einbezogen werden? 6. Finden Sie in den beiden arabischen Textausschnitten in diesem Kapitel (siehe Abb. 5 und 6) die arabischen Wörter für ‚Mond‘ und ‚Sonne‘ und die vier Adjektive, mit denen ihre Königreiche beschrieben werden. Überlegen Sie auch, wie Sie vorgegangen sind, um die Aufgabe zu lösen. 162 Kapitel 10 Lesen und Mehrschriftigkeit Lektüreempfehlungen Benholz, Claudia / Frank, Markus / Niederhaus, Constanze (Hrsg.) (201): Neu zugewanderte Schülerinnen und Schüler-- eine Gruppe mit besonderen Potenzialen. Münster: Waxmann. Böhm, Manuela / Mehlem, Ulrich (201): Fluchtpunkt Deutsch: Alphabetisierung von Kindern mit Arabisch als Erstsprache in Frankfurter Intensivklassen. In: OBST (Osnabrücker Beiträge zur Sprachtheorie) 89, S. 187-215. Maas, Utz (2008): Sprache und Sprachen in der Migrationsgesellschaft. Die schriftkulturelle Dimension. Göttingen: VR . Rösch, Heide (2017): Bilderbücher zum Thema Flucht. Eine Auswahl. In: Die Grundschulzeitschrift 303, S. 32-35. «The basic question in school is how not to separate reading the word and reading the world, reading the text and reading the context.» (Paolo Freire 1985: 20) Kapitel 11 Multimodalität und Multiliteralität in der Leseförderung Der Beitrag der Pädagogik der Multiliteracies und der New Literacy Studies zur Förderung (multi)literaler Kompetenzen Nadja Kerschhofer-Puhalo Fragen 1. Welche Auswirkungen haben Diversität und Mehrsprachigkeit sowie die zunehmende Technologisierung der Kommunikation auf unsere Konzeptionen von Lesen, Text und (Lese-) Kompetenzen? 2. Welche Formen der Erweiterung des Begriffs der Literalität sind daher notwendig? 3. Welches Potenzial haben Multimodalität und Multiliteralität in der pädagogischen Praxis zur Unterstützung der Chancengleichheit aller Lernernden - Kinder, Jugendlicher und Erwachsener - in Erst-, Zweit- oder Fremdsprache? Abstract Dieses Kapitel zeigt, warum in einer modernen Informations- und Kommunikationsgesellschaft, die von Globalisierung, Technologisierung, Diversität und Mehrsprachigkeit geprägt ist, die Konzepte der Multiliteralität in enger Verknüpfung mit Multimodalität von hoher Relevanz für die Gestaltung zeitgemäßer Leseförderung im Deutschunterricht, im Fremdsprachenunterricht, in der Förderung von Deutsch als Zweitsprache, im Sach- / Fachunterricht wie auch in der Erwachsenenbildung sind. In diesem Kapitel lernen Sie einige zentrale Konzepte der so genannten New Literacy Studies und der Pädagogik der Multiliteracies kennen, die Schriftspracherwerb und Leseförderung in einen alltagsrelevanten multimodalen, multimedialen und mehrsprachigen Kontext stellen. Anhand von Beispielen aus dem Projekt My Literacies werden grundlegende Konzepte einer multimodalitätsbasierten und multiliteralitätsorientierten Förderung von Lesekompetenzen vorgestellt. 164 Kapitel 11 Multimodalität und Multiliteralität in der Leseförderung Einleitung Technologisierung, Medialisierung, Globalisierung, Urbanisierung, Migration, Mehrsprachigkeit und Diversität sind Schlagwörter, die nicht nur aktuelle Entwicklungen und gesellschaftlichen Wandel, sondern auch die veränderten Anforderungen an das Bildungswesen und die Gestaltung schulischer Leseförderung charakterisieren. In einer durch (Massen-) Medien und moderne Informations- und Kommunikationstechnologien ebenso wie durch Migration und Mehrsprachigkeit geprägten Gesellschaft ist der Umgang mit verschiedenen Medien, Sprachen und Modes essenzieller Bestandteil unserer Lesesozialisation. Tagtäglich lesen und schreiben wir nicht nur auf Papier, sondern nützen verschiedene Medien (Multimedialität), verschiedene Modes wie Sprache, Bild, Farbe, Layout etc. (Multimodalität), verschiedene Sprachen (Mehrsprachigkeit) und kombinieren alle uns zur Verfügung stehenden Modes, Medien und sprachlichen Ressourcen, um Sinn und Bedeutung von Texten entstehen zu lassen bzw. diese zu lesen und zu verstehen (Multiliteralität). Angebote schulischer Leseföderung hingegen sind vielfach noch sehr papier- und buchbezogen, größtenteils standardsprachlich orientiert und monolingual gestaltet und beziehen sich nur auf eine Teilmenge der multimodalen, multimedialen und mehrsprachigen literalen Praktiken, die unseren Alltag und Formen zwischenmenschlicher Kommunikation prägen. Gegenstand, Ziele und Potenziale einer multiliteralitätsorientierten Leseförderung, die Multimodalität, Multimedialität und Mehrsprachigkeit als Ressourcen für die pädagogische Praxis ansieht, werden hier diskutiert. Das Kapitel stellt die New Literacy Studies (vgl. Barton / Hamilton 2000; Street 2013) sowie zentrale Konzepte, Forderungen und Ziele einer Pädagogik der Multiliteracies (Kalantzis / Cope 2012) vor, die dem Forschungsprojekt My Literacies der Projektgruppe Literalität und Mehrsprachigkeit an der Universität Wien (Kerschhofer-Puhalo / Mayer 2017) zugrunde liegen. Anhand des Modells MODIPLAC zeigen wir, wie Multimodalität in die didaktische Arbeit mit Texten einbezogen werden kann. 1. Multiliteralität Diversität, Mehrsprachigkeit und die zunehmende Technologisierung und Medialisierung stellen neue Herausforderungen an das Bildungssystem, sie erfordern allerdings auch ein Überdenken herkömmlicher Begrifflichkeiten und Praktiken und eine erweiterte Auffassung von Lesen und bieten zugleich auch neue Impulse und Ressourcen für die pädagogische Praxis. Veränderte bzw. sich diversifizierende Formen der Kommunikation erfordern eine Ausweitung unserer Konzeptionen von Lesen, Schreiben und Lernen. Unter Einbeziehung multimodaler, multimedialer und mehrsprachiger Aspekte und der Ausweitung auf außerschulische, in soziale Kontexte eingebettete schriftbezogene Handlungen (literale Praktiken) ist ein erweiterter Lesebegriff- - besonders im Kontext moderner Informations- und Kommunikationstechnologien-- eng mit einem erweiterten Textbegriff verbunden. Lesen(lernen) bezieht sich auf ein breites Spektrum verschiedenster Formen der Sinnentnahme, die weit über das auf Papier geschriebene Wort hinausreichen, und geht einher mit dem Lesen von 165 1. Multiliteralität räumlichen, sozialen und kulturellen Kontexten im Sinne des Mottos Reading the word and the world (Freire / Macedo 1987). In Anbetracht der veränderten Anforderungen und Ziele schulischer Bildung scheint der Begriff Literalität (engl. literacy) daher zu eng, um den vielfältigen Formen des Lesens, die mit sozialer Diversität, Mehrsprachigkeit und sprachlicher Variation in verschiedenen Bereichen unseres Lebens (Schule, Beruf, soziale Medien,-…) und mit unterschiedlichen Genres, Textsorten und Formen multimodaler Kommunikation verbunden sind, gerecht zu werden. Um diese Vielfalt widerzuspiegeln, wird in Arbeiten der New Literacy Studies und der New London Group von literacies im Plural bzw. im Deutschen meist von Multiliteralität gesprochen. Multiliteralität löst ältere Konzeptionen von Lesen und Schreiben ab und erweitert sie um jene Aspekte, die in Folge technologischer und gesellschaftlicher Entwicklung von zunehmender Bedeutung für den Literalitätserwerb und die Gestaltung pädagogischer Prozesse sind. Der Begriff Multiliteracies, geprägt und propagiert von der New London Group (New London Group 199; Cope / Kalantzis 2000), unterstreicht das breite Spektrum von Formen „in which people made and participated in meanings“ (Kalantzis / Cope 2012: 1). Die New London Group, die auf Initiative von Mary Kalantzis und Bill Cope 1994 in New London ( USA ) zusammenkam, um Anforderungen und Ziele der Pädagogik und Literalitätsförderung im Kontext technologischer und gesellschaftlicher Entwicklungen des 20. Jahrhunderts zu diskutieren, forderte in ihrem Manifest (New London Group 199) eine solche grundlegende Neuausrichtung der Pädagogik und führte diese Ansätze weiter zu einer Pädagogik der Multiliteracies (Cope / Kalantzis 2000, 2009; Kalantzis / Cope 2012). Multibezieht sich dabei auf zwei Dimensionen: 1. soziale und sprachliche Diversität und Variation kommunikativer Konventionen in verschiedenen sozialen, räumlichen, fachspezifischen, nationalen und kulturellen Kontexten, die zwischenmenschliche Beziehungen und Identitäten prägen und zugleich von ihnen geprägt sind, und 2. Multimodalität und die verschiedenen Formen und Mittel der Repräsentation und des Ausdrucks von Bedeutung (engl. modes), die gemeinsam mit geschriebener oder gesprochener Sprache die Bedeutung von Texten und anderen Kommunikaten ausmachen. Mit der zunehmenden Medialisierung von Kommunikation wächst auch die Bedeutung von Multimodalität. Für die pädagogische Praxis bedeutet das, dass sich die Vermittlung von Literalität nicht mehr nur auf Standardsprache bzw. Mehrheitssprache, Grammatik und literarischen Kanon beschränken kann. Vielmehr muss sie auf die Vermittlung von Multiliteralität ausgerichtet sein, um Lernende auf die vielfältigen Formen und Konventionen von Kommunikation in verschiedenen Sprachen, sozialen Kontexten, Lebensbereichen, Medien und Fachgebieten vorzubereiten (Kalantzis / Cope 2012). Dieses Kapitel stellt Multiliteralität und Multimodalität sowohl als dem Forschungsprojekt My Literacies zugrundeliegende Forschungsbereiche wie auch als pädagogisch nutzbare Konzepte vor. 166 Kapitel 11 Multimodalität und Multiliteralität in der Leseförderung 2. New Literacy Studies Die soziale Bedeutung von Literalität als social practice fand ab den 1980ern auch in der Pädagogik Beachtung. Im Rahmen der New Literacy Studies ( NLS ) wird Literalität als räumlich, soziokulturell und historisch verortet und als Teil des reichen Repertoires sozialer Praktiken in einer Gesellschaft angesehen. Barton / Hamilton (2000) beschreiben einige grundlegende Annahmen, auf denen Studien im Rahmen der NLS basieren: ▶ Literalität ist als Set sozialer Praktiken zu beschreiben. ▶ Verschiedene Formen von Literalität (literacies im Plural) sind mit verschiedenen Lebensbereichen verbunden. ▶ Das persönliche Repertoire an literalen Praktiken ist veränderlich und durch Prozesse formaler Bildung und informellen Lernens erweiterbar. ▶ Literale Praktiken dienen verschiedenen Zwecken und Zielen und sind in soziokulturelle Praktiken eingebettet und historisch verortet. ▶ Literale Praktiken unterliegen Mustern, die von sozialen Institutionen und Machtverhältnissen bestimmt sind, wodurch manche Formen von Literalität sichtbarer, dominanter bzw. bedeutsamer scheinen als andere. Ein wichtiges Element dieser Forschungsausrichtung ist die Unterscheidung von Literalitätsereignissen (literacy events, vgl. Barton 1994; Street 2013) und literalen Praktiken (literacy practices). Das Vorlesen einer Gute Nacht-Geschichte, ein mit Folien unterstützter Vortrag oder das Anbringen eines Schildes „Einfahrt freihalten“ sind literacy events, d. h. Literalitätsereignisse, die auch nur einmalige Ereignisse sein können. Literalitätsereignisse sind in soziale Kontexte eingebettet und mit Konventionen unterschiedlicher Art verbunden. Dabei ist Literalität Teil eines größeren kulturellen und sozialen Rahmens. Kontexte und Konventionen verleihen Literalitätsereignissen erst ihre Bedeutung. Lesen bzw. Verstehen eines Textes bedeutet daher auch Lesen des Kontextes und der Konventionen seiner Entstehung bzw. Verwendung. Im Kontext von Mehrsprachigkeit bedeutet es auch die Anwendung von sprach- und kulturspezifischem Wissen um soziale Kontexte, Praktiken und Konventionen. Der Begriff literacy practice legt den Fokus auf soziale Praktiken des Lesens und Schreibens und auf damit verbundene Konventionen und Annahmen der beteiligten Akteure in gesellschaftlichen Kontexten. Literale Alltagspraktiken wie das Anbringen von Warn- oder Hinweisschildern, das Aufgeben eines Inserats, das Korrigieren von Rechtschreibfehlern u. v. a. sind nicht einfach nur literale Ereignisse, sondern soziale Praktiken, die bestimmten Textmustern und Handlungsschemata entsprechen und die textuelle und soziale Strukturen prägen und zugleich von ihnen geprägt sind. Literale Praktiken, ihre Kontexte und Konventionen und das soziale Gefüge einer Gesellschaft sind untrennbar miteinander verbunden und tragen zur Konstruktion von Wissen, Werten, Einstellungen und Gefühlen bei. Viele Arbeiten in diesem Forschungsfeld sind mit einer gesellschafts- und ideologiekritischen Haltung verbunden, die schriftbezogene Kompetenzen nicht nur als Basis von Status 167 2. New Literacy Studies und Erfolg in einer Gesellschaft beschreiben, sondern literale Praktiken auch als Spiegel gesellschaftlicher Machtverhältnisse ansehen (z. B. Street 1984; Gee 1990). Literale Praktiken beziehen sich auf Konventionen und soziale Modelle von Literalität in einer Gesellschaft. Die Regeln der deutschen Orthographie, die Buchstabenformen der Schulschrift oder Textmuster bestimmter Textsorten sind Ausprägungen solcher sozialen Modelle, die konventionell (z. B. durch Bildungsstandards, Rechtschreibregeln, Curricula u. Ä.) festgelegt sind. Sie werden durch soziale Praktiken und durch das Bildungssystem selbst diskursiv hergestellt und reproduziert. Für die pädagogische Arbeit lernen wir aus diesen kritischen Ansätzen: Das eigentliche „Kapital“ am gesellschaftlichen „Marktplatz“ in Bildung, Beruf und anderen Lebensbereichen sind nicht einzelne Literalitätsereignisse, sondern literale Repertoires und das Wissen um Kontexte, Ko-Texte und Konventionen in verschiedenen Lebensbereichen. Literale Repertoires bestimmen Status und Erfolg einer Person in den gegebenen sozialen Strukturen. Kommunikative Handlungskompetenz bzw. literale Kompetenz besitzen jene, die diese text- und kontextspezifischen Konventionen kennen bzw. teilen. Wer (wie z. B. der Räuber Hotzenplotz in Otfried Preußlers gleichnamigem Kinderbuch) gegen Rechtschreibregeln, konventionelle Buchstabenformen oder Konventionen bestimmter Textsorten verstößt und damit „nicht richtig“ schreibt, büßt damit zumeist nicht nur schulischen Erfolg, sondern auch Status und gesellschaftliche Anerkennung ein. Während in internationalen Leistungsvergleichsstudien wie PISA geringeres „soziales Kapital“ (z. B. Bildungsstand der Eltern) und literale Praktiken in der Familie (z. B. Vorlesen, Anzahl der Bücher im Haushalt) als „Erklärung“ für geringe Lesekompetenzen sogenannter Risikogruppen herangezogen werden, so heben bereits frühe ethnographische Studien zur Beschreibung literaler Praxis (z. B. Gee 1990; Barton 1994) etwas anderes hervor: Auftrag schulischer Literalitätsförderung ist es, an außerschulische literale Praktiken und sprachliche Ressourcen der Lernenden anzuschließen, statt diese als Hindernis für die Entwicklung von Lesekompetenzen darzustellen. Das persönliche Repertoire literaler Praktiken ist eine wesentliche Komponente von Identität, die soziale Beziehungen und die eigene berufliche und private Lebensgestaltung entscheidend prägt, wobei Identität als mehrdimensional, dynamisch und vielschichtig zu verstehen ist. Im Sinne von Multiliteralität müssen sprachliche Diversität, neue kommunikative Praktiken im Bereich der sozialen Medien und andere Formen der Alltagskultur von Kindern und Jugendlichen in didaktische Angebote integriert werden. Die New Literacy Studies fordern daher eine intensivere Anbindung von schulischen Literalitätspraktiken an die Erfahrungswelt von Schüler / innen und ihren Familien (vgl. das Projekt der Kleinen Bücher, Abschnitt 4). Da die in den Bildungsstandards vorgegebenen Inhalte und Kompetenzen nur ein Ausschnitt des umfangreichen Inventars literaler Praktiken unserer Gesellschaft sind, ist es umso wichtiger, mehr über das Inventar literaler Praktiken unserer Gesellschaft und über die schriftbezogene Lebenswelt und Alltagskultur von Kindern und Jugendlichen zu erfahren. 168 Kapitel 11 Multimodalität und Multiliteralität in der Leseförderung 3. Das Forschungsprojekt My Literacies Im Projekt My Literacies. Schriftlichkeit im Kontext von Multimedialität und Mehrsprachigkeit aus Sicht von Kindern der Projektgruppe Literalität und Mehrsprachigkeit an der Universität Wien untersuchen wir gemeinsam mit Grundschulkindern den Umgang mit sprachlichen und literalen Praktiken des Alltags. Der Fokus liegt dabei auf persönlichen Erfahrungen mit literalen Praktiken (Home Literacy bzw. Family Literacy), denen Kinder in ihrem Alltag in schulischen und außerschulischen Kontexten begegnen, und auf der Vielfalt literaler Praktiken in einem von Mehrsprachigkeit und Multimedialität im Sinne von Multiliteracies geprägten Alltag (Kerschhofer-Puhalo / Mayer 2017). Das Projekt wird vom österreichischen Bundesministerium für Wissenschaft, Verkehr und Wirtschaft im Rahmen des Förderprogramms Sparkling Science finanziert. Ziel dieses Programms ist es, Schüler / innen aktiv in wissenschaftliche Projekte einzubeziehen. Wir erproben in diesem Projekt einen methodologischen Zugang zur Leseforschung, der die direkte Beteiligung der Kinder am Forschungsprozess fördert, ihre Sichtweise in den Vordergrund stellt und eine Triangulation auf mehreren Ebenen ermöglicht (Schüler / innen und Forschende, Erwachsene und Kinder, sprachliche und visuelle Daten). Rund 70 Kinder der 3. und 4. Schulstufe und deren Lehrkräfte aus drei Partnerklassen an drei Wiener Volksschulen (80-90 % Migrationshintergrund) wurden über einen Zeitraum von zwei Schuljahren (2014 / 15-2015 / 1) vom Forschungsteam begleitet. Kreative Methoden (Zeichnungen, Fotos, Collagen) und themenbezogene Unterrichtsprojekte waren zentrale Erhebungselemente, um den Gebrauch von Schrift(en) und Sprache(n) in verschiedenen Kontexten (Schule, öffentlicher Raum, Privatsphäre / Familie) bildlich darzustellen und dem multimodalen Charakter literaler Praktiken gerecht zu werden. Die Themen der Unterrichtsprojekte bezogen sich auf die sprachlichen Repertoires der Kinder (Sprachenportraits) sowie auf Literalitätsereignisse und -praktiken in der Schule, im außerschulischen Alltag und im öffentlichen Raum sowie auf Geschriebenes in verschiedenen Sprachen. Diese Literalitätsereignisse wurden von den Kindern mit Digitalkameras dokumentiert oder in Zeichnungen und Collagen dargestellt. In Einzelgesprächen präsentierten und kommentierten die Kinder die entstandenen visuellen Produkte (Fotos, Zeichnungen, Collagen). Diese auf Video aufgezeichneten Gespräche können gemeinsam mit den visuellen Darstellungen als multimodale Interviews bezeichnet werden (vgl. Kerschhofer- Puhalo / Mayer 2017). Ein Teil der Fotos von Geschriebenem im öffentlichen Raum werden in der My Literacies- Lesedatenbank [http: / / ldb.myliteracies.net/ ] online publiziert und stehen als didaktische Ressource zur Verfügung. Das Korpus zeigt ein breites Spektrum von Literalitätsereignissen und literalen Praktiken im außerschulischen Alltag (Verkehrszeichen, Wahlplakate, Glückwunschkarten, arabische Kalligraphien, Sticker-Sammelbücher etc.). Es zeigt auch deutlich den multimodalen und oft auch mehrsprachigen Charakter von Literalitätsereignissen (Beispiele in Abbildung 1), deren volle Bedeutung erst durch das Zusammenspiel verschiedener Zeichenmodalitäten und die Einbeziehung von Kontexten und Ko-Texten entsteht. 169 4. Multimodalität und Text-Design Im Rahmen des Projekts entwickelten wir das Modell MODIPLAC (s. Abschnitt 5), das nicht nur zur Beschreibung der multimodalen Gestaltung von Alltagstexten, sondern auch für die lesedidaktische Aufbereitung multimodaler Texte verwendet werden kann. Abb. 1: Multimodale Ressourcen und ihr Bedeutungspotenzial (Schrift, Wahl der Sprache / Varietät, Bild, Farbe, Schrifttyp und Platzierung) (© My Literacies) 4. Multimodalität und Text-Design Das Forschungsfeld der Multimodalität entwickelte sich als Reaktion auf technologische und gesellschaftliche Veränderungen des 20. Jahrhunderts in verschiedenen Disziplinen und Forschungsausrichtungen (vgl. Jewitt 2008; 2014; Klug / Stöckl 2014; Stöckl 201). Hier soll der Schwerpunkt auf Konzepten der Sozialsemiotik (Kress / van Leeuwen 2001; van Leeuwen 2005) und der Pädagogik der Multiliteracies (Kalantzis / Cope 2012) liegen. Allen Formen der Beschäftigung mit Multimodalität ist gemeinsam, dass sie das Postulat des Status von Sprache als grundlegende und zentrale Komponente von Kommunikation hinterfragen. Multimodalität bezieht sich auf „the full repertoire of meaning-making resources which people use to communicate and represent-[…] and how these are ‘organized’ to make meaning“ (Jewitt 2014: 1). Zentral ist auch der Begriff des meaning making, der sich auf die Mittel (engl. mode(s), hier dt. Mode(s)) bezieht, durch die Bedeutung bzw. Sinn kommunikativ entsteht, vermittelt und verstanden wird. Bedeutung wird durch mehr als eine Zeichenmodalität ausgedrückt. Die Frage „What is mode? “ beantwortet der Sozialsemiotiker Gunther Kress so: Mode is a socially shaped and culturally given resource for making meaning. Image, writing, layout, speech, moving image, soundtrack are examples of modes used in representation and communication. (Kress 2014: 0) Der Gebrauch von Modes ist von der Verwendung bestimmter Medien kaum zu trennen, daher ist der Begriff des Mode „nur im Kraftfeld der Konzepte Medium, Kode und Sinneswahrnehmung zu klären“ (Klug / Stöckl 2014: 244; Stöckl 201). Gerade im Kontext neuer Informations- und Kommunikationstechnologien und der sozialen Medien erscheint ein multimodaler Ansatz umso bedeutender, der die Kombination und Interaktion verschiedener Modes berücksichtigt (z. B. eine Text-Message mit Emoticons, Bild und Text in einer Whats- App- oder Snapchat-Nachricht). Jeder Mode verfügt über spezifische Ressourcen (in geschriebener Sprache z. B. Lexik, Schriftgröße, Schrifttyp, Farbe), die zur Gesamtbedeutung beitragen, um gleiche oder ähn- 170 Kapitel 11 Multimodalität und Multiliteralität in der Leseförderung liche Aspekte der Textbedeutung auszudrücken. Ihre Bedeutungen sind sozial geprägt, d. h. durch kulturelle, räumliche und historische Faktoren, Normen und Regeln bestimmt und wirken selbst wiederum prägend (Jewitt 2014: 1; Kress 2014: 1-3). In einem sozialsemiotischen Ansatz werden Zeichen als Beziehung zwischen Form und Bedeutung / Funktion angesehen, die durch die sign maker bzw. meaning maker (Produzierende und Rezipierende) entsteht. …-sign-makers select, adapt and refashion meanings through the process of reading / interpretation of the sign. These effect and shape the sign that is made. (Jewitt 2014: 17) Prozesse des sign makings werden durch die Verfügbarkeit semiotischer Ressourcen und ihre Bedeutung in gegebenen sozialen Kontexten wie auch durch die Eignung bestimmter Ressourcen für beabsichtigte Bedeutungen angesehen. Sign maker bestimmen den Gebrauch bzw. das Potenzial von Zeichen eines Texts. Lesen in einer anderen Sprache bedeutet daher auch, nicht nur die geschriebenen Worte, sondern sämtliche semiotische Ressourcen aller eingesetzten Modes zu deuten. Design Während in Kontexten des Lernens und Lehrens Sprache als zentrale Komponente angesehen wird, hinterfragen multimodale Ansätzen die Priorität von Sprache. Im Rahmen der Pädagogik der Multiliteracies bezieht sich Multimodalität auf das volle Repertoire verwendeter Ressourcen, um Phänomene, Ereignisse, Sachverhalte, Erfahrungen und Haltungen in verschiedenen Sprachen, Texten und Kontexten zu repräsentieren und zu kommunizieren (Kalantzis / Cope 2012: 192), was umittelbare Auswirkungen auf die Konzeption von Text und Lesen hat. Multiliteracies-Arbeiten verwenden hier das Konzept des Designs (Kalantzis / Cope 2012: 199-201). Design refers to how people make use of the resources that are available at a given moment in a specific communicational environment to realize their interests as sign makers.-(…) It foregrounds the importance of multimodal resources, the sign maker’s social purpose and intentions, context, and audience. (Jewitt 2008: 252) Wahl und Kombination verschiedener Modes und semiotischer Ressourcen sind Teil des Designs jedes Texts und haben Auswirkungen auf mögliche Leseprozesse und auf die „Wege“, die Lesende bzw. Lernende durch einen Text nehmen. Ein Zeitungsbericht, ein Bilderbuch oder eine Webseite sind immer als eine spezifische Auswahl von Zeichen verschiedener Modes anzusehen und sind zugleich eine „mediated reality“. Daher sind Multimodaltät und Design auch in die Gestaltung von Lehr / Lernmaterialien und Lernprozessen einzubeziehen. Unter dem Motto Learning by Design propagieren Cope und Kalantzis (o. J.) eine Konzeption von multimodalen Lernprozessen (z. B. durch Verknüpfung von Geschriebenem mit Bildern, Fotos, Bewegung etc), die an Vorkenntnisse, Bedürfnisse und Interessen der Lernenden anschließt und auf diesen aufbaut. 171 4. Multimodalität und Text-Design Ein besonders schönes Beispiel eines multimodalitätsbasierten und Multiliteralität fördernden Projekts ist das Projekt der Kleinen Bücher. Praxisbeispiel Multimodalität: Die Kleinen Bücher Das Langzeitprojekt der Kleinen Bücher einer unserer Partnerklassen in einer Wiener Grundschule (vgl. Kerschhofer-Puhalo / Mayer / Schreger 2017) stellt ein solches Projekt dar, das Grundschulkinder ermutigt, selbst Texte zu schreiben und zu illustrieren, die nicht nur gedruckt und gebunden werden, sondern auch vor der Kamera vorgelesen und im Videoformat auf der Webseite der Klasse publiziert werden (vgl. Schreger 2013; o. J. a). Getragen durch den Klassenlehrer Christian Schreger sind in der Mehrstufenklasse in den letzten zehn Jahren über 1000 Kleine Bücher entstanden. Die Arbeit mit und an den Kleinen Büchern bietet eine interessante Alternative zur herkömmlichen Arbeit mit Kinderliteratur, die sprachliche Fertigkeiten in Deutsch und anderen Sprachen entwickelt, fördert und Kinder zur selbständigen Kreation und Produktion von eigenen Texten und dem Lesen von Texten anderer ermutigt. Die Kleinen Bücher stellen damit Kinderliteratur im eigentlichen Sinne dar (Kerschhofer-Puhalo / Mayer / Schreger 2017). Die Kinder aktivieren dabei ihr gesamtes multimodales und mehrsprachiges Repertoire, indem sie unterschiedliche semiotische Ressourcen wie verschiedene Sprachen, Bilder (Fotos, Zeichnungen u. a.), Farben, Schriftarten, verschiedene Materialien bis hin zu Geräuschen, Musik und Raum bei der Gestaltung ihrer Bücher und der Inszenierung der Videos nutzen (vgl. Abbildung 2). Abb. 2: Eine Seite aus Kleinen Büchern (©M2 VS Ortnergasse) Die Bücher zeigen das breite Wissen über Textgattungen, Genres, Sprachen und Text-Bild-Interaktionen, über das auch sehr junge Schüler / innen bereits verfügen. Die Werke der jungen Autor / innen zeigen auch, wie sich im Zuge ihrer Grundschulkarriere ihr literales und nicht zuletzt ihr multimodales und mehrsprachiges Repertoire und damit auch ihre multiliteralen Kompetenzen durch die Arbeit an den eigenen Werken ebenso wie durch die Rezeption der Produkte anderer kontinuierlich erweitern und fördern lässt. Damit stellt die Arbeit an ihren Werken eine Form von identity work und empowerment dar. Die Kleinen Bücher sind daher als besonders gutes Beispiel für eine multimodalitäts- und diversitätsbasierte pädagogische Praxis anzusehen, die Mehrsprachigkeit und Multiliteralität fördert. 172 Kapitel 11 Multimodalität und Multiliteralität in der Leseförderung Multimodalität und Critical Literacy Gebrauch und Interaktion bestimmter Modes z. B. einer Webseite, eines Lehrbuchs oder auch eines Klassenraums haben direkte Auswirkungen auf die Repräsentation und Konstruktion von Wirklichkeit(en). Nicht zuletzt hat die Wahl bestimmter Modes auch Auswirkungen darauf, wie Wissen und Ideologien (im Sinne von Einstellungen, Wissensbeständen und Orientierungen) geformt werden und selbst wiederum formenden Charakter haben. Leseförderung muss Lernende daher auch dabei unterstützen, ein besseres Verständnis für verschiedene Formen der Konstruktion von Bedeutung bzw. von „Wirklichkeit(en)“ zu entwickeln und muss zur kritischen Reflexion von Texten, Zielen und Interessen ihrer Urheber / innen anleiten. Pädagogische Ansätze der Critical Literacy umfassen ein breites Spektrum von Arbeiten aus unterschiedlichen Forschungstraditionen, meist aus gesellschafts- und ideologiekritischen Richtungen, deren Ziel es ist, den Handlungsspielraum (agency) der Lernenden zu erweitern und soziale Partizipation zu unterstützen, was wiederum den Effekt individueller und gesellschaftlicher Transformation mit sich bringen soll (Luke 2012). Im Fokus stehen einerseits die Lernenden, ihre Vorerfahrungen, Interessen, Perspektiven und Ziele und andererseits die Vielfalt der mehrsprachigen und multimodalen Textwelt. Anders als in traditionelleren Lernsettings haben Lesende bzw. Lernende eine aktive Rolle in der Interpretation eines Textes wie auch in der Auswahl von für sie relevanten Texten und Themen. Freire / Macedo (1987) gehen in ihrem Buch Reading the word and the world davon aus, dass wir von frühester Kindheit an Gegenstände und Ereignisse und damit die Welt (er)lesen und diese Erfahrungen die Grundlage von Lernen und Entwicklung sind. Lesen wird nicht nur als Dekodieren geschriebener Wörter und Sätze im Sinne von „Lesefertigkeiten“ oder Leseflüssigkeit angesehen. Vielmehr sind Erfahrungen und Weltwissen sowohl Voraussetzung als auch Folge von Prozessen des Lesens der Welt und des Lesens von Worten. Kritisches Lesen fragt danach, wie und mit welchen kommunikativen Mitteln (Sprache und andere Modes) die Bedeutung von Texten „gemacht“ werden kann. Eine kritische Textbetrachtung reflektiert, welche Themen und Diskurse angesprochen werden, wessen „Stimme“ (engl. voice) spricht bzw. wer (nicht) Gehör findet und nicht zuletzt, wie das Design eines Textes eingesetzt wird, um kommunikative Ziele und Interessen der Urheber / innen zu realisieren. Diese Formen des kritischen Lesens bzw. des Textverständnisses sind grundsätzlich multimodal. 5. MODIPLAC - ein Modell zur Beschreibung und Didaktisierung von multimodalen Texten Im Forschungsprojekt My Literacies entwickelten wir das MODIPLAC -Modell, um Texte unterschiedlichster Art auf ihr multimodales Bedeutungspotenzial hin zu untersuchen. Diese Form der kritischen Betrachtung eines Textes-- sei es ein Gedicht oder eine Seite aus Greg’s Tagebuch, eine Warntafel, ein Graffiti oder ein Wahlplakat- - soll Lehrende und Lernende 173 5. MODIPLAC - ein Modell zur Beschreibung und Didaktisierung von multimodalen Texten anregen, die beschriebenen Dimensionen literaler Ereignisse und literaler Praktiken kritisch zu betrachten und zu interpretieren. Abb. 3: Das MODIPLAC -Modell zur Beschreibung und Didaktisierung des multimodalen Bedeutungspotenzials von Texten MODIPLAC (Abbildung 3) ist ein Akronym für MO des-- DI scourse-- PL ace-- AC tion und beschreibt vier Dimensionen der Bedeutung multimodaler Texte, die bereits bei ganz einfachen Texten wie in Abbildung 1 erkennbar sind: Social Actors & Actions: Texte verstehen wir als Akte kommunikativen Handelns. Sie sind als Handlungen von sozialen Akteur / innen (sign maker) anzusehen, die ihre kommunikativen Interessen und Ziele durch die Wahl verschiedener Modes realisieren. Modes: Zur Vermittlung von Bedeutung stehen unterschiedliche Modes mit unterschiedlichen semiotischen Potenzialen zur Verfügung. Die Auswahl und Verknüpfung der Modes ist von soziokulturellen Faktoren und den kommunikativen Anliegen und Zielen der sign maker (Produzierende, Gestaltende (Designer), Rezipierende) bestimmt und zugleich für diese bestimmend. Discourse & Ideologies: Ein Text steht niemals für sich allein, sondern ist in soziale, historische und politische Kontexte eingebunden und damit auch immer Teil eines ganzen Netzwerks anderer Texte und Äußerungen aus ähnlichen Kontexten zum gleichen oder zu ähnlichen Themen (Diskurs). Erst durch dieses Netz von Texten und Kontexten kommt Bedeutung im Prozess des meaning making zustande. Lesen und Verstehen geht daher weit über den Einzeltext und die darin vorzufindenden Strukturen hinaus. Texte sind als kommunikative Handlungen immer in Diskurse eingebettet und mit unterschiedlichen sozialen 174 Kapitel 11 Multimodalität und Multiliteralität in der Leseförderung Praktiken und ideologischen Haltungen im Sinne von Werten und Wertungen verbunden. Aus dieser Perspektive gibt es kein objektiv „richtiges“ Verstehen eines Textes, wie Leseverstehensaufgaben oft suggerieren. Textverstehen bzw. kritisches Lesen erfordert die Rekonstruktion von Diskursen, Werten und Interessen der Akteur / innen. Place & Space bezieht sich auf die physische Lokalisierung ebenso wie auf die soziale Verortung von Kommunikation (Scollon / Scollon 2003). So hat die Platzierung der Texte in Abbildung 1 einen Sinn bzw. eine Bedeutung, die erst durch die räumliche Platzierung und Orientierung an einem physischen Ort entsteht. Texte bzw. kommunikative Akte sind immer sozial verortet und soziale Räume im Allgemeinen sowie Orte des Lernens (z. B. ein Klassenraum bzw. eine Schulklasse) sind immer multimodal gestaltet und sozial konstituiert. Dass Textverstehen in vielen Fällen auch ohne Verständnis geschriebener Sprache, sondern durch Einbeziehen anderer Dimensionen möglich ist, zeigt Foto 1 in Abbildung 1. Die Bedeutung des Schildes mit der Aufschrift „Widerrechtlich abgestellte Fahrzeuge werden kostenpflichtig abgeschleppt! “ entsteht (1)-durch Kombination mehrerer Modes (Text, Bild, rote Schrift auf gelbem Hintergrund), (2)- durch den Bezug auf vergleichbare Ko-Texte und literale Praktiken des Typs Warn- / Hinweisschild, (3)- durch Platzierung am Gitter einer Hauseinfahrt und nicht zuletzt (4)- durch die Akteur / innen selbst und die von ihnen intendierte Handlung. Dass die Bedeutung nicht allein durch geschriebene Sprache zustande kommt bzw. verstanden wird, bestätigt auch die Tatsache, dass das Foto von einem Schüler (3. Schulstufe, Erstsprache Deutsch) stammt, der zu diesem Zeitpunkt noch erhebliche Schwierigkeiten beim Lesen komplexer Wörter hatte und den Text tatsächlich nicht erlesen konnte, dass er es auch nicht versuchte und dennoch mit den Worten „Das ist eine Warnung“ deutlich zeigte, dass er den Sinn dieses Textes richtig lesen und verstehen konnte. Eine integrierte Betrachtung von Texten in diesen vier Dimensionen stellt eine andere Form der Suche nach der Bedeutung / Sinn eines Textes dar, die über die gängigen Formate von Leseverständnisaufgaben weit hinausreicht. Diese Form der Textarbeit ist für alle Unterrichtsfächer relevant und ist bereits bei der Auswahl von Lesematerial wie auch bei der Arbeit am Text im Rahmen von Leseaktivitäten nutzbar. 6. Fazit Der gesellschaftliche Wandel durch Globalisierung und den Gebrauch digitaler Informations- und Kommunikationstechnologien verlangt ein dynamisches Set schriftbezogener Skills und Fertigkeiten und damit auch eine Anpassung bzw. Neukonzeption schulischen Lernens und Lehrens sowie die Ausweitung der Leseförderung im Sinne des lebensbegleitenden Lernens. Die Aufgabe des Bildungssystems ist es, alle Kinder und Jugendlichen in der Entwicklung und Erweiterung ihrer literalen Repertoires bestmöglich zu unterstützen und jungen Menschen, die mit beruflich oder privat bedingter Mobilität und Mehrsprachigkeit, der Notwendigkeit lebensbegleitenden Lernens, nonlinearen Bildungs- und Berufskarrieren und auch mit ungewisser beruflicher Zukunft rechnen müssen, Chancen, Perspektiven und Entwicklungsmöglichkeiten zu geben. Ein dynamisches Set literaler Praktiken und Kompetenzen in ver- 175 6. Fazit schiedenen Sprachen, das den individuellen Handlungsspielraum einer Person wesentlich bestimmt (literales Repertoire), ist allerdings nicht nur in den Bildungsstandards nicht vollständig beschrieben, sondern auch mittels standardisierter Verfahren, die Lesekompetenz und Leseverständnis testen, nicht vollständig zu erfassen. Um Kinder und Jugendliche auf die Anforderungen des 21. Jahrhunderts vorzubereiten, müssen wir ihnen ein möglichst unfangreiches Repertoire an literalen Praktiken vermitteln, das über die in den Bildungsstandards festgelegten Textsorten hinausgeht, wir müssen ein Verständnis dafür vermitteln, wie Texte mit sozialen Ereignissen und Strukturen verbunden sind, wie mit Texten gehandelt wird, mit welchen Kontexten, Ko-Texten und Konventionen sie verbunden sind und welches Handlungs- und Bedeutungspotenzial verschiedene Optionen multimodaler Textgestaltung (Design) in sich tragen. Eine multiliteralitätsorientierte Leseförderung beinhaltet mehr als die Förderung von Lesefertigkeiten in der Unterrichtssprache oder einer Fremdsprache. Sie geht über das Lesen schulischer und literarischer Textsorten in Schul-, Standard- und Mehrheitssprachen hinaus, sie umfasst ein Verständnis für den kulturellen und sozialen Rahmen, in dem Literalitätsereignisse und literale Praktiken verortet sind, und sie fördert auch das kritische Lesen nicht sprachlicher Modes. Die Bedeutung eines Texts ensteht im Prozess des meaning making ko-konstruktiv durch Interaktion zwischen rezipierenden Lesenden und Text produzierenden Autor / innen bzw. Designer / innen und deren Intentionen und Erfahrungen. Lernen, Wissen bzw. Sinn entsteht nach diesem Verständnis erst durch die gemeinsame Ko-Konstruktion der Lernenden bzw. Lesenden. Die Grenzen zwischen Lesen und Schreiben, Autor / innen und Leser / innen, Journalist / innen und Medienkonsument / innen, Massenmedien und sozialen Medien, zwischen distinkten Textsorten und letztlich auch die Grenzen zwischen Lehrenden und Lernenden und oft sogar zwischen einzelnen Sprachen verschwimmen damit zusehends (Kalantzis / Cope 2012). Gerade im Kontext sozialer Medien, in denen wir alle zugleich Lesende und Schreibende sind, erleben wir diese verschwimmenden Grenzen besonders deutlich. In Bezug auf Mehrsprachigkeit ermöglicht multimodales Lesen letztlich auch eine Überbrückung sprachlicher Grenzen, denn die Bedeutungen eines Textes sind nicht nur aus dem sprachlichen Material, sondern auch aus anderen Modes zu erfassen, da Lesen und Schreiben eines Textes immer mit Formen multimodaler Gestaltung und Design, mit Kontexten und Ko-Texten verbunden ist. Wenn wir Texte sehen, lesen, verstehen, interpretieren und verknüpfen, so erschaffen wir den Text und seinen Sinn in gewisser Weise neu. Die Arbeit mit Lesetexten ist im Sinne der New Literacy Studies und der Pädagogik der Multiliteracies daher immer auch eine Chance zur Transformation und zu einem Re-Design von Texten, Lesenden und der Welt. 176 Kapitel 11 Multimodalität und Multiliteralität in der Leseförderung Zusammenfassung Neue Technologien und kommunikative Praktiken, Globalisierung, Diversität und Mehrsprachigkeit schaffen neue Formen von Literalität (New Literacies bzw. Multiliteracies). Die Vielfalt alltäglicher Formen von Literalität unserer Gesellschaft macht eine auf Multiliteralität und Multimodalität ausgerichtete Lesedidaktik zwar schwieriger, zugleich aber auch umso bedeutender und vielfältiger. Sie hinterfragt herkömmliche Praktiken der Lesedidaktik und bezieht literale Praktiken, Mehrsprachigkeit, Multimodalität und Design und v. a. auch soziale Faktoren mit ein, sie unterstützt die Verbindung von schulischen und außerschulischen Literalitätserfahrungen und unterstützt Lernende nicht nur im Gebrauch verschiedener Sprachen, Medien und Modes (gesprochene und geschriebene Sprache, Bild, Layout, …), sondern auch in ihrer Fähigkeit, den Einsatz multimodaler Gestaltungsformen in Texten (auch abseits schulischer Textsorten) kritisch zu reflektieren. Eine multimodale Betrachtung ermöglicht ein tieferes Verständnis der Bedeutung und des sozialen Sinns eines Textes. Studienfragen Wählen Sie einen (multimodalen) Text (z. B. Wahlplakat, Werbetext, Reportage) und lesen Sie diesen kritisch im Sinne einer Critical Literacy unter Verwendung des MODIPLAC -Modells! 1. Welche Designoptionen und Modes werden verwendet (Text, Bild, Schriftbild, Layout, …)? Welche Bedeutungsbestandteile vermitteln diese? 2. Wer sind die Akteur / innen? Wer „spricht“ hier (direkt oder indirekt)? Welche Handlungen erfolgen durch den Text? 3. Auf welche Themen, Diskurspositionen und ideologischen Haltungen wird Bezug genommen? Welche Rolle spielt hier die Wahl der verwendeten Modes? Welche Akteur / innen kommen (nicht) zu Wort? 4. Wie wirkt sich die Platzierung des Textes im räumlichen, sozialen und zeitlichen Kontext bzw. in einem bestimmten Medium (print oder online) auf die Bedeutung des Textes aus? 5. Welche verschiedenen Lesarten des Textes werden durch diese mehrdimensionale, multimodale Betrachtung des Textes erkennbar? Lektüreempfehlungen Böck, Margit / Kress, Gunther (2010): Soziale Kontexte der digitalen Kommunikation und Probleme der Begrifflichkeiten: „New Literacy Studies“, „Multiliteracies“ und „Multimodality“ als Beispiele. In: Medienimpulse, 4 / 2010. [http: / / www.medienimpulse.at/ articles/ view/ 271] (23. 9. 2017) Street, Brian (2013): New Literacy Studies. In: Rosebrock, Cornelia / Bertschi-Kaufmann, Andrea (Hrsg.): Literalität erfassen: bildungspolitisch, kulturell, individuell. Weinheim / Basel: Beltz Juventa, S. 149-15. 177 6. Fazit Autorinnen und Autoren Dr. Manuela Böhm wurde 2008 an der Universität Potsdam mit einer Dissertation zum Sprachkontakt in hugenottischen Stadt- und Landkolonien in Brandenburg und Berlin vom 17. bis 19. Jahrhundert promoviert. Seit 2014 ist sie gemeinsam mit Constanze Weth (Luxembourg) Koordinatorin des DFG-Netzwerks LitCo. Seit 2017 arbeitet sie am Institut für Deutsche Sprache an der PH Karlsruhe. Dr. Heiner Böttger ist Professor für Englischdidaktik an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt. Sein Forschungsinteresse konzentriert sich aktuell auf (fremd-)sprachenrelevante, beweisbasierte und ganzheitliche Lehr- / Lernprozesse in spracherwerbssensiblen Entwicklungsphasen. Er untersucht, wie Kinder und Jugendliche kommunikative Kompetenzen erwerben, welche Strategien sie dabei verwenden, welche neuronalen Prozesse im Gehirn der sprachlichen Entwicklung zugrunde liegen und welche Gegebenheiten für den Erwerb von Sprachen notwendig sind. Er ist ein Verfechter der selbstverständlichen Selbstverpflichtung von Wissenschaftlern, die Ergebnisse ihrer Studien einer breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Dr. Judith Buendgens-Kosten hat Anglistik (Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule Aachen, Universität Siegen) und Mediendidaktik (Open University) studiert und wurde in anglistischer Sprachwissenschaft promoviert ( RWTH Aachen). Sie forscht an der Goethe-Universität Frankfurt zum Thema Mehrsprachigkeit im Kontext medienvermittelten Sprachenlernens ( MCALL ). Trix Bürki ist Dozentin an der Pädagogischen Hochschule der Fachhochschule Nordwestschweiz am Institut Primarstufe im Fachbereich Deutschdidaktik. Zuvor wurde sie als Primarlehrerin ausgebildet, studierte Germanistik, Ethnologie und Kunstwissenschaft (M. A.) an der Universität Basel und war als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Schweizerischen Institut für Kinder- und Jugendmedien ( SIKJM ) tätig. Ihre Arbeitsschwerpunkte sind interkulturelle Kinder- und Jugendliteratur, interkulturelle Kommunikation, mehrsprachige Leseförderung und Deutsch als Zweitsprache. Dr. Juliane Dube ist seit dem WS 201 / 2017 Vertretungsprofessorin an der Universität Duisburg-Essen und seit Mai 2015 wissenschaftliche Koordinatorin des Forschungs- und Nachwuchskollegs für Fachdidaktische Entwicklungsforschung an der TU Dortmund. Zuvor unterrichtete sie in der Primar- und Sekundarstufe und promovierte zur Förderung von leseschwachen Schüler / innen mit Viellese-Verfahren. Aktuell habilitiert sie zu den literar-ästhetischen Verstehensprozessen im Umgang mit Metaphern in literarischen Texten und leitet das Projekt MesH-- Digitale Medien und sprachliche Heterogenität. Förderung von sprachlicher, literaler und literarischer Kompetenz mit digitalen Hörstiften bei Schüler / innen in Sprachlernklassen an Essener Grundschulen (gefördert vom Programm zur Förderung des exzellenten wissenschaftlichen Nachwuchses an der Universität Duisburg-Essen). Ihre Arbeits- und Forschungsschwerpunkte liegen in der qualitativen und quantitativen Lese- und Literaturdidaktik im Bereich der Lesesozialisationsforschung, der Förderung von Lesekom- 178 Autorinnen und Autoren petenz, Lesemotivation und Literarischem Verstehen (in mehrsprachigen Kontexten) sowie der theoretischen und praktischen Auseinandersetzung mit Literarischen Texten in Leichter Sprache. Dr. Daniela Elsner ist Professorin für Didaktik und Sprachlehrforschung der englischen Sprache und Direktorin der Akademie für Bildungsforschung und Lehrerbildung an der Goethe-Universität Frankfurt am Main. Ihre Schwerpunkte in Forschung und Lehre sind mehrsprachige und bilinguale Lehr- und Lernprozesse, Multiliteralität, Frühes Fremdsprachenlernen, Qualität der Lehrerbildung sowie das Forschende Lernen in der Hochschule. Zwischen 2010 und 2017 leitete sie vier EU Projekte zum Thema Mehrsprachigkeit und Sprachenlernen. Im Dezember 2014 wurde sie mit dem ARS LEGENDI Preis für Exzellente Hochschullehre vom Deutschen Stifterverband für die Wissenschaft ausgezeichnet. Seit 2017 ist sie Vorstandsmitglied des Netzwerks Hochschulberatung der gemeinnützigen Töpferstiftung, welches Lehrende und Wissenschaftler / innen an Hochschulen coacht und berät. Dr. Erkan Gürsoy ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Deutsch als Zweit- und Fremdsprache an der Universität Duisburg-Essen und leitet das Drittmittelprojekt ProDaZ-- Deutsch als Zweitsprache in allen Fächern (gefördert von der Stiftung Mercator). Zu weiteren, durch ProDaZ initiierte Projekte, die er leitet, zählt auch MesH-- Digitale Medien und sprachliche Heterogenität. Förderung von sprachlicher, literaler und literarischer Kompetenz mit digitalen Hörstiften bei Schüler / innen in Sprachlernklassen an Essener Grundschulen (gefördert vom Programm zur Förderung des exzellenten wissenschaftlichen Nachwuchses an der Universität Duisburg-Essen). Seine Arbeits- und Forschungsschwerpunkte sind mehrsprachigkeitsorientierte Schreibdidaktik, fachorientierte Sprachbildung und Sprachförderung, Koordinierung des Fach- und Herkunftssprachenunterrichts, Qualifizierung für den Unterricht mit neu zugewanderten Schüler / innen, Deutsch als Zweitsprache im Mathematikunterricht sowie mehrsprachige Leseförderung durch digitale Hörstifte. Robert Hilbe ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut Fachdidaktik Sprachen der Pädagogischen Hochschule St. Gallen. Seine Arbeitsschwerpunkte sind selbst organisiertes Lernen, Lernmotivation, Illettrismus und E-Learning. Er hat von 2015 bis 2017 den Schweizer Teil des Kooperationsprojekts Mehrsprachiges Vorlesen durch die Lehrperson (MeVoL) geleitet. Dr. Angelika Ilg ist Professorin für Fachwissenschaft und Fachdidaktik Englisch an der Pädagogischen Hochschule Vorarlberg. Sie absolvierte als Fulbright-Stipendiatin ein Masterstudium der englischen und amerikanischen Literatur an der State University of New York at Buffalo und promovierte an der Leopold-Franzens-Universität Innsbruck. Forschungsaufenthalte verbrachte sie am John-F.-Kennedy-Institut in Berlin und an der State University of Florida in Gainesville. Zu ihren Arbeitsschwerpunkten und Interessensgebieten zählen neue Methoden der Sprachausbildung, Literaturdidaktik und Dramapädagogik. Von 2014 bis 2017 wirkte Angelika Ilg als Forschende am EU -Projekt Mehrsprachiges Lesetheater ( MELT ) mit. Dr. Nadja Kerschhofer-Puhalo ist Sprachwissenschafterin und seit März 201 Senior Lecturer am Institut für Germanistik der Universität Innsbruck. Seit 2013 leitet sie am Institut für 179 Autorinnen und Autoren Sprachwissenschaft der Universität Wien mehrere Projekte der Projektgruppe Literalität und Mehrsprachigkeit: das Projekt Individuelle Erwerbsverläufe im sinnerfassenden Lesen ein- und mehrsprachiger Kinder zu Leserwerbsprozessen von Kindern der 2. Schulstufe (2013-2014), das Sparkling Science-Projekt My Literacies. Schriflichkeit im Kontext von Mehrsprachigkeit und Multimeldialität aus Sicht von Kindern (2014-2018) sowie das Top Citizen Science-Projekt Views in*t(w)o Literacies. Jugendliche und Erwachsene erzählen über Erfahrungen im Lesen, Schreiben und Sprachen lernen (2017-2018). Zu ihren Schwerpunkten in Forschung und Lehre zählen neben Mehrsprachigkeit, Literalität und Schriftspracherwerb auch Spracherwerbsforschung, Sprachendidaktik und Deutsch als Zweit- / Fremdsprache. Sabine Kutzelmann ist Professorin für Fachdidaktik Deutsch an der Pädagogischen Hochschule St. Gallen. Zu ihren Arbeitsschwerpunkten in der Forschung gehören aktuell die Lese- und Mehrsprachigkeitsdidaktik sowie der Design-Based-Research-Ansatz. Sie war Mitarbeiterin im Forschungsprojekt Mehrsprachiges Vorlesen durch die Lehrperson (MeVoL), das von der Internationalen Bodenseehochschule ( IBH ) gefördert wurde. In dem von Erasmus+ geförderten Projekt Mehrsprachiges Lesetheater zur Förderung der Leseflüssigkeit und Lesemotivation ( MELT ) hatte sie die Co-Leitung inne. Dr. Ute Massler ist Professorin für Fremdsprachendidaktik an der Pädagogischen Hochschule Weingarten. Sie ist unter anderem in der Ausbildung von Lehrkräften für die Primar- und die Sekundarstufe I tätig. Zuvor unterrichtete sie in der Sekundarstufe und promovierte zum Einsatz von Email-Projekten im Fremdsprachenunterricht der Sekundarstufe I. Zu ihren Schwerpunkten in Lehre und Forschung zählen aktuell die fremdsprachliche Lese- und Literaturdidaktik sowie die Didaktik mehrsprachiger und bilingualer Lehr- und Lernprozesse. Sie leitete das Forschungsprojekt Mehrsprachiges Vorlesen durch die Lehrperson (MeVoL), das von der Internationalen Bodenseehochschule ( IBH ) gefördert wurde, sowie das EU -Projekt Mehrsprachiges Lesetheater zur Förderung der Leseflüssigkeit und Lesemotivation ( MELT ), im Rahmen dessen die Tagung Leseförderung im Kontext der Mehrsprachigkeit ausgerichtet wurde, auf der dieses Studienbuch basiert. Dr. Ulrich Mehlem ist Professor für Erziehungswissenschaft / Grundschulpädagogik mit dem Schwerpunkt Literalität und migrationsbedingte Mehrsprachigkeit an der Goethe-Universität Frankfurt. Er promovierte 199 an der Freien Universität Berlin zum Thema Zweisprachigkeit marokkanischer Kinder in Deutschland. Zu seinen Arbeitsschwerpunkten gehören Sprachförderung im Elementarbereich, Schriftspracherwerb im Anfangsunterricht der Grundschule, bilingualer Spracherwerb und Mehrschriftigkeit sowie reformpädagogische Konzepte im Umgang mit Lesen und Schreiben. Er führt seit 2012 pädagogische Praxisprojekte zur Leseförderung und zur Alphabetisierung neu zugewanderter Kinder an Grundschulen in Frankfurt durch. Er ist aktuell an dem Projekt SPRUENGE (Sprachförderung am Übergang Kindergarten und Grundschule evaluieren) im Rahmen der BISS -Initiative (Bildung durch Sprache und Schrift) beteiligt. Dr. Klaus Peter ist Hochschulprofessor im Fachbereich Deutsch der Pädagogischen Hochschule Vorarlberg. Im Projekt Mehrsprachiges Vorlesen durch die Lehrperson (MeVoL) war 180 Autorinnen und Autoren er Leiter des österreichischen Projektteams. Seine Arbeitsschwerpunkte sind sprachliche Bildung an der Schnittstelle von Deutsch als Erst-, Zweit- und Fremdsprache, Textproduktionsforschung sowie sprachliche Normen. Dr. Thorsten Piske hat seit 2011 den Lehrstuhl für Fremdsprachendidaktik mit Schwerpunkt Didaktik des Englischen an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg inne. Von 2004 bis 2011 arbeitete er als Professor für angewandte Linguistik und Didaktik des Englischunterrichts an der Pädagogischen Hochschule Schwäbisch-Gmünd. Seine Forschungsschwerpunkte beinhalten z. B. Erst- und Zweitspracherwerb, bilingualer Unterricht und bilinguale Betreuung sowie Umgang mit Heterogenität im Fremdsprachenunterricht. Dr. Cornelia Rosebrock hat als Lehrerin gearbeitet und promovierte mit einer Arbeit zur Zeitkonstitution in Lektüreakten. Sie war Wissenschaftliche Mitarbeiterin im Lesezentrum der Pädagogischen Hochschule Heidelberg, bevor sie 1998 an die Goethe-Universität in Frankfurt / M. auf eine Professur für neuere deutsche Literaturwissenschaft mit den Schwerpunkten Literarische Sozialisation und literarisches Lernen wechselte. Sie hat in einer größeren Studie die Lesesozialisation von Absolvent / innen von Hauptschulen untersucht und war an unterschiedlichen Studien zur Leseförderung schwacher Schüler / innen teils beteiligt, teils hat sie sie verantwortet. Aktuell arbeitet sie zu Fragen der Textkomplexität bei literarischen Texten und, korrespondierend, an einem Projekt zum Nachweis ästhetisch orientierten Strategieeinsatzes bei der Lektüre von Literatur. Für das Symposion Deutschdidaktik, den wissenschaftlichen Verband der Disziplin, hat sie vier Jahre als Vorsitzende fungiert. Katja Schnitzer ist Dozentin an der Pädagogischen Hochschule der Fachhochschule Nordwestschweiz am Institut Primarstufe im Fachbereich Deutschdidaktik. Zuvor studierte sie an der Pädagogischen Hochschule Freiburg Lehramt für Grund- und Hauptschulen und unterrichtete einige Jahre als Lehrerin, bevor sie als wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Pädagogischen Hochschule Freiburg in den Bereichen Lehramt und DaZ / DaF tätig war. Ihre Schwerpunkte in Forschung und Lehre sind Mehrsprachigkeitsdidaktik, Deutsch als Zweitsprache, Zweitspracherwerb und mehrsprachige Leseförderung. Auch beschäftigt sie sich im Rahmen verschiedener Projekte mit Mehrsprachigkeit im europäischen Kontext. Dr. Anja Steinlen arbeitet seit 2011 als Akademische Rätin am Lehrstuhl Fremdsprachendidaktik an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg. Ihre Forschungsschwerpunkte umfassen unter anderem bilinguales Lernen und Lehren, Mehrsprachigkeit in Bildungskontexten und Umgang mit heterogenen Lernergruppen. Dr. Kerstin Theinert ist akademische Oberrätin im Fachbereich Fremdsprachendidaktik an der Pädagogischen Hochschule Weingarten und in der Ausbildung von Lehrkräften tätig. Ihre Arbeitsschwerpunkte in Forschung und Lehre sind Literatur- und Kulturdidaktik, Sprachdidaktik, kommunikative Kompetenz und kooperative Lernformen im Fremdsprachenunterricht. Sie arbeitete im Forschungsprojekt Mehrsprachiges Vorlesen durch die Lehrperson (MeVoL) mit, das von der Internationalen Bodenseehochschule ( IBH ) gefördert wurde, sowie im EU -Projekt Mehrsprachiges Lesetheater ( MELT ). 181 Bibliographie Bibliographie Primärliteratur Boie, Kirsten / Birck, Jan (201): Bestimmt wird alles gut. Leipzig: Klett Kinderbuch. Böse, Susanne / Leberer, Sigrid (2015): Im Supermarkt. München: bi: libri. Djagham, Hassan Ahmad / Kanz, Faisal. (o. J.): Fa´ru l-madīnati wa fa´ru l-qaryati. Sousse: dār alma‘ārif li-ṭ-ṭabā‘a wa-n-našr. (Die Stadtmaus und die Landmaus). 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