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Poesía Visual im Spanischunterricht

2018
978-3-8233-9170-8
Gunter Narr Verlag 
Dr. Victoria del Valle Luque

Die vorliegende Studie lotet das didaktische Potenzial der Poesía Visual für einen gegenstands- und kompetenzorientierten Spanischunterricht aus. Die spezifische formale und inhaltliche Beschaffenheit des Gegenstands wird als Ausgangspunkt genommen und literaturwissenschaftlich und -historisch untersucht. Von den Spezifika ausgehend wird aus fremdsprachendidaktischer Perspektive danach gefragt, welche Kompetenzen ausgebildet und gefördert werden können. Die daraus resultierenden Kompetenzbereiche werden definiert und anhand von Unterrichtsbeispielen mit poemas visuales illustriert.

Die vorliegende Studie lotet das didaktische Potenzial der Poesía Visual für einen gegenstands- und kompetenzorientierten Spanischunterricht aus. Die spezifische formale und inhaltliche Beschaffenheit des Gegenstands wird als Ausgangspunkt genommen und literaturwissenschaftlich und -historisch untersucht. Von den Spezifika ausgehend wird aus fremdsprachendidaktischer Perspektive danach gefragt, welche Kompetenzen ausgebildet und gefördert werden können. Die daraus resultierenden Kompetenzbereiche werden definiert und anhand von Unterrichtsbeispielen mit poemas visuales illustriert. Romanistische Fremdsprachenforschung und Unterrichtsentwicklung 10 RFU 10 Romanistische Fremdsprachenforschung und Unterrichtsentwicklung 10 ISBN 978-3-8233-8170-9 del Valle Poesía Visual im Spanischunterricht Victoria del Valle Poesía Visual im Spanischunterricht Von der literaturwissenschaftlichen Analyse zur gegenstands- und kompetenzorientierten Didaktik Poesía Visual im Spanischunterricht Romanistische Fremdsprachenforschung und Unterrichtsentwicklung Herausgegeben von Daniel Reimann (Duisburg-Essen) und Andrea Rössler (Hannover) Band 10 Victoria del Valle Poesía Visual im Spanischunterricht Von der literaturwissenschaftlichen Analyse zur gegenstands- und kompetenzorientierten Didaktik Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http: / / dnb.dnb.de abrufbar. © 2018 • Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG Dischingerweg 5 • D-72070 Tübingen Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Internet: www.narr.de E-Mail: info@narr.de Satz: pagina GmbH, Tübingen Printed in Germany ISSN 2197-6384 ISBN 978-3-8233-9170-8 5 Inhaltsverzeichnis Danksagung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 TEIL I: Poemas visuales als Gegenstand der Literaturwissenschaft und Literaturgeschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 1. Poesía Visual: Definition - Theorie - Typologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 1.1 Was ist Poesía Visual? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 1.2 Zur Begriffsklärung: Poesía experimental , poesía concreta oder poesía visual ? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 1.2.1 Poesía experimental in der Tradition der Konkreten Poesie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 1.2.2 Die begriffliche Erklärung von Poesía Visual im Kontext der vanguardia . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 1.2.3 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 1.3 Poesía Visual poesía de vanguardia . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 1.3.1 Exkurs: Die künstlerische Avantgarde und ihre Grundsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 1.3.2 Die aktuelle Poesía Visual . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 1.4 Das poema visual . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 1.4.1 Hybrid und Intermedium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 1.4.2 Schrift und Bild als semiotisches Zeichenensemble: Symbol und Ikon . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 1.5 Typen von poemas visuales . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 1.5.1 Poema letrista . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 1.5.2 Poema concreto-visual . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 1.5.3 Poema semiótico . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 1.5.4 Poema objeto . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 2. Eine Geschichte der Poesía Visual . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 2.1 Von den antiken Wurzeln zum spanischen Mittelalter . . . . . . . . . 66 2.1.1 Das griechische Technopäginon . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 2.1.2 Die römischen carmina quadrata . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 2.1.3 Visuelle Poesie und das europäische Mittelalter . . . . . . . . . . 72 6 Inhaltsverzeichnis 2.1.4 Exkurs: Christlich-ikonografische und visuelle Texte um Karl den Großen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 2.1.5 Poesía Visual im mittelalterlichen Spanien . . . . . . . . . . . . . . . 77 2.2 Poesía Visual im Siglo de Oro . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 2.2.1 Laberintos . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 2.2.2 Poesía circunstancial . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 2.2.3 Manieristische Dichtungsformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 2.3 Das siglo de las luces und die persistencia der Poesía Visual im 19. Jahrhundert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 2.4 Die europäische(n) Avantgarde(n): Zum Boom der visuellen Dichtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 2.4.1 Der Vorreiter Stéphane Mallarmé . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 2.4.2 Kubistische Simultanität und Guillaume Apollinaire . . . . 110 2.4.3 Parole in libertà - der italienische Futurismus . . . . . . . . . . . 115 2.4.4 Dada . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 2.5 Zur Entwicklung der Poesía Visual als poesía de vanguardia . . 120 2.5.1 Primera vanguardia . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 2.5.2 Segunda vanguardia poesía experimental . . . . . . . . . . . . . . . 133 TEIL II: Poemas visuales als Gegenstand des Spanischunterrichts . . . . . . . . . . 141 3. Forschungsstand: Visuell-poetische Texte im Fremdsprachenunterricht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 3.1 Fremdsprachendidaktische Forschungen: Deutsch, Englisch, Französisch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 3.2 Fachdidaktischer Forschungsstand in Spanien: Español como lengua extranjera (E/ LE) und Didáctica de la lengua y literatura . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 3.3 Fremdsprachendidaktische Forschungen: Spanisch . . . . . . . . . . . 147 4. Fremdsprachendidaktische Perspektive: Konsequenzen des Zusammenspiels von Schrift und Bild im poema visual . . . . . . . . . . . . 149 4.1 Lesendes Sehen - Konsequenzen für den Rezeptionsprozess . . 150 4.2 Die Beziehung von Schrift und Bild im poema visual - Konsequenzen für den Verstehensprozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 4.2.1 Schrift-Bild-Komposition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 4.2.2 Schrift-Bild-Relationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 5. Didaktisch-funktionale Typologie von poemas visuales . . . . . . . . . . . . 164 5.1 Poema verbal . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 5.2 Poema verbo-visual . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 5.3 Poema imagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 Inhaltsverzeichnis 7 6. Didaktische Transformation nach Kompetenzbereichen . . . . . . . . . . . 172 6.1 Zur Verbindung von Gegenstands- und Kompetenzorientierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 6.2 Visuell-literarische Kompetenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 6.2.1 Zum Stellenwert von Bildern im Fremdsprachenunterricht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 6.2.2 Zur visuellen Kompetenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 6.2.3 Zur literarischen Kompetenz und zum literarästhetischen Lernen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 6.2.4 Visuell-literarische Kompetenz: Definition und didaktisch-methodische Implikationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190 6.2.5 Unterrichtsbeispiele für visuell-literarisches Lernen mit poemas visuales . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 6.3 Lexikalische Kompetenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 6.3.1 Visualisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 6.3.2 Individualisierung und Autonomie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 6.3.3 Kleiner Exkurs: Emotionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210 6.3.4 Wortschatzarbeit mit poemas visuales : Unterrichtsbeispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210 6.4 Inter- und transkulturelle Kompetenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226 6.4.1 Vom Kulturbegriff zum inter- und transkulturellen Lernen im Fremdsprachenunterricht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226 6.4.2 Poemas visuales als Gegenstand für das inter- und transkulturelle Lernen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233 7. Zusammenfassung: Das didaktische Potenzial der Poesía Visual für den Fremdsprachenunterricht Spanisch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 247 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 254 Anhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 276 Anhang 1: Entrevista a poetas visuales españoles . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 276 a) Zugestellte Unterlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 276 b) Entrevistas in alphabetischer Reihenfolge . . . . . . . . . . . . . . 278 Anhang 2: Exemplarische Schülerlösungen von Eigenkreationen ( poemas visuales ) und Interpretationen zu Kapitel 6.2.5.2 e) . 309 Danksagung Die vorliegende Arbeit wurde im November 2016 als Dissertationsschrift an der Philosophischen Fakultät der Leibniz Universität Hannover angenommen. Sie fand am Romanischen Seminar der Fakultät für Philologie der Ruhr-Universität Bochum im Bereich der Didaktik der romanischen Sprachen und Literaturen ihren Anfang und wurde am Romanischen Seminar der Leibniz Universität Hannover im Fachgebiet Didaktik der romanischen Sprachen zum Abschluss gebracht. Von ihrer Entstehung als Idee bis zur vorliegenden Publikation wurde ich von verschiedenen Seiten unterstützt. An dieser Stelle möchte ich mich bei denjenigen bedanken, die mich in dieser herausfordernden, aber auch ungemein lohnenden Phase meiner akademischen Laufbahn begleitet haben. Dass ich die Poesía Visual als poetisches Phänomen für den Spanischunterricht erforschen durfte, habe ich Prof. Dr. Lieselotte Steinbrügge zu verdanken. Sie begeisterte sich mit mir für poemas visuales , weckte meine Leidenschaft für die fremdsprachliche Literaturdidaktik und hat meine Arbeit in Bochum stets mit viel Geduld und Feingefühl kompetent und engagiert betreut. Ganz besonderer Dank und meine größte Verbundenheit gelten Prof. Dr. Andrea Rössler; ohne ihren wertvollen Rat und ihre akademische Unterstützung hätte ich diese Arbeit nicht abschließen können. Sie bot mir durch die Stelle als wissenschaftliche Mitarbeiterin überhaupt erst den akademischen Rahmen, in dem ich das wissenschaftliche Vorhaben verfolgen konnte. Sie hat mich zu jeder Zeit mit ihrem unerschöpflichen Fundus an fachdidaktischen wie fachwissenschaftlichen Hinweisen in neue Sphären gelenkt und stand immer für konstruktive Gespräche zur Verfügung. Es ist mir eine große Ehre, an ihrer Seite geforscht und gelehrt zu haben. Meinen wissenschaftlichen Kolleginnen und Kollegen am Romanischen Seminar sowohl in Bochum als auch in Hannover danke ich für die jederzeit zielführenden Diskussionen, die so manche thematische Wende in meine Dissertation gebracht haben. Insbesondere möchte ich meinen beiden „Doktorschwestern“, Junior-Prof. Dr. Corinna Koch und Lena Krogmeier, dafür danken, dass sie mich als Gefährtinnen durch „dick und dünn“ begleitet haben. Dem an der Ruhr-Universität Bochum initiierten fremdsprachendidaktischen Kolloquium „DiDi - Didaktik am Dienstag“, das in Kooperation mit den Universitäten Essen-Duisburg und Wuppertal stattfand, möchte ich für die zahlreichen Anregungen und die Kritik in der ersten Entstehungsphase meiner Arbeit ebenfalls meinen Dank aussprechen. Ausdrücklich bedanke ich mich bei den Teilnehmerinnen und Teilnehmern des Forschungskolloquiums „Fremdsprachendidaktik und Interkulturelle Kom- 10 Danksagung munikation“ des Romanischen wie auch des Englischen Seminars der Leibniz Universität Hannover. Sie haben die letzten Phasen meiner Arbeit intensiv mitverfolgt und in anregenden Diskussionen und mit kritischen Rückmeldungen maßgeblich zur Entwicklung des Forschungsprojektes beigetragen. Ganz besonders danke ich Prof. Dr. Gabriele Blell für ihre Unterstützung, Hinweise und Ratschläge. Des Weiteren möchte ich Prof. Dr. Alfons Knauth ausdrücklich danken. Er hat von Anfang an als Wissenschaftler und Dichter meinen Blick auf die Besonderheiten der visuellen Dichtung geschärft. Für die außerordentliche Unterstützung bei der Korrekturarbeit bedanke ich mich bei Dr. Andrea Mesecke und, darüber hinaus, bei Wencke Hauth, Julian Nazaruk und Henning Zerth, die mich als studentische Hilfskräfte nicht nur bei der Korrekturarbeit sowie bei der Digitalisierung und Archivierung der vielen poemas visuales unterstützt und sachkundig beraten haben, sondern mir auch immer interessierte, kritische und muntere Begleiterinnen waren und stets ein offenes Ohr für meine Sorgen hatten. Diese Arbeit wäre niemals ohne die bedingungslose Unterstützung und Großzügigkeit vieler Menschen aus dem Kreise der Poesía Visual Española zustande gekommen. Ausdrücklich danken möchte ich diesen Menschen im Folgenden auf Spanisch: Quiero expresar mi más distinguido agradecimento a los grandes poetas Antonio Gómez, Francisco Aliseda, Francisco Peralto, Joaquín Gómez Ferreira, Juan López de Ael, Juan Rosco Madruga, Juan José Ruiz Fernández, Julián Alonso, Manuel Calvarro y Mikel Jáuregui por la dedicación y la paciencia, la información y las ganas de compartir conmigo sus exhaustivos conocimentos sobre la poesía visual. Sin ellos y su apoyo, esto es seguro, no hubiera sido posible mi estudio. Además quiero darle las gracias a la Diputación de Badajoz, particularmente a Antonieta Benítez Martín, por la perfecta colaboración, el apoyo y la facilitación del acceso a las obras. Además a la Editorial Corona del Sur de Málaga (a los Peralto, además de Paco a Carmen, Rafael y Margarita - por los momentos dedicados y todo el material), y no menos también al Centro de Poesía Visual de Peñarroya-Pueblonuevo. No me será posible nombrar a todas aquellas personas que me han apoyado y han falcilitado mi participación en el círculo de poetas visuales, porque son muchas, a todos y todas les estoy agradecida de corazón por su generosidad y su maravillosa obra, que para mi es un verdadero placer y honor poder divulgar. Schließlich danke ich von ganzem Herzen meiner wunderbaren Familie, meinen großartigen Eltern und meiner einzigartigen Schwester, die mein Projekt in allen Phasen vorbehalts- und bedingungslos mit allen möglichen Mitteln unter- Danksagung 11 stützt haben. Und zuletzt meiner Tochter Frida, ohne ihren liebevollen Rückhalt wäre diese Arbeit nicht zu dem Werk geworden, das es heute ist. Hannover im September 2017 Victoria del Valle Luque Para mi prima Encarni Einleitung Dass Literaturunterricht in der Fremdsprache immer auch Sprachunterricht bedeutet, heißt nicht, dass sich Literaturunterricht an den Sprachunterricht ohne weiteres anschließen lässt. Vielmehr ist davon auszugehen, dass „der Sprachunterricht nicht einfach in Literaturunterricht“ (Weinrich 1983, 201) mündet. Denn erfolgreich erworbene Sprachkompetenzen sind kein Garant für einen erfolgreichen Literaturunterricht. Die erste Begegnung mit literarischen Texten, mit dem Ausdrucksreichtum und der Dichte von poetischer Sprache, kann im Fremdsprachenunterricht zu Motivationsverlust bei den Lernenden führen. Die von der Norm abweichende Form der literarischen Sprache und ihr hoher Grad an Poetizität und ihre Komplexität können bei den Fremdsprachenlernenden Beklemmung und eine ablehnende Haltung auslösen. Weinrich erkannte diesen Umstand bereits vor mehr als drei Jahrzehnten und nennt diese beklemmende Begegnung mit der Komplexität von Literatur im Fremdsprachenunterricht „Literaturschock“ (ebd.). Er postuliert, dass im Fremdsprachenunterricht „der sprachlichen Komplexität nicht auszuweichen [ist], sondern [versucht werden soll,] Methoden zu entwickeln, ihr zu begegnen“ (ebd., 203). Aus diesem Grund plädiert er dafür, Literatur von Anfang an in den Fremdsprachenunterricht zu integrieren, sodass die Komplexität von Sprache als ihre Natur verstanden und gelernt wird, von Anfang an mit ihr umzugehen (vgl. ebd. 203f.). Weinrichs Plädoyer bildet den Ausgangspunkt der vorliegenden Arbeit. Ihm folgend geht sie davon aus, dass sich literarische Texte von Beginn an in den Fremdsprachenunterricht integrieren lassen und so dem Komplexitätsschock vorgebeugt werden kann. Besonders geeignet erscheinen ihm hierfür poetische Texte, die erstens kurz oder sehr kurz sind, damit sie im Fremdsprachunterricht früh zu bewältigen sind, und zweitens überdeterminiert, damit auch mit wenig Sprache viel Bedeutung erzeugt werden kann. Die Besonderheit poetischer Texte im Fremdsprachenunterricht liegt jedoch letztlich nicht in ihrer Kürze. Die Begründung für den Einsatz poetischer Texte untermauert Weinrich mit der These, dass zwischen poetischem und fremdsprachlichem Lesen eine Strukturhomologie existiere, und er konstatiert, angelehnt an strukturalistische Untersuchungen, „dass die Literatur eine poetische Sprache hat, die häufig so beschaffen ist, dass sie den Leser durch allerlei Hemmnisse und Behinderungen zu einer erschwerten und folglich verlangsamten Rezeption des Textes zwingt“ (ebd., 204; vgl. auch Steinbrügge 2015). Das Lesen in der Fremdsprache hat insbesondere bei Fremdsprachenlernanfängern große Ähnlichkeit mit dem Lesen poetischer Texte (vgl. Weinrich 1983, 204). In beiden Fällen sind die Leserinnen und Leser gezwungen, mehr Aufmerksamkeit auf die 16 Einleitung sprachliche Form des Textes zu richten. Fremdsprache und poetische Sprache erfordern eine gleichermaßen intensive Auseinandersetzung, um zur Bedeutung des Textes zu gelangen. Der Umgang mit Sprache sei in beiden Fällen fast identisch: Der sperrige, überdeterminierte Signifikant verunmögliche einen Automatismus beim Lesen und erfordere ein längeres Verweilen am Text. So ist das Rezeptionstempo bei Lesern poetischer und fremdsprachlicher Texte gleichermaßen stark verlangsamt. Das langsame oder sogar sehr langsame Lesen bedeute jedoch nicht nur weniger schnelles Lesen, sondern vor allem eine andere Art des Lesens: Fremdsprachliche und poetische Texte würden nicht linear von links nach rechts gelesen, vielmehr sei der Leser wiederholt gezwungen, vor- und zurückzugehen und den Text förmlich zu umkreisen. Die Aufmerksamkeit des Lesers teile sich zudem in beiden Fällen immer auf zwischen Signifikant und Signifikat und befinde sich in einem ständigen Wechsel zwischen sprachlicher Form und der Bedeutung. Aus diesem Grund sei beim Lesen fremdsprachlicher einerseits und poetischer Texte andererseits sehr viel mehr Aufmerksamkeit auf die sprachliche Form zu richten als auf den Inhalt (vgl. ebd.). Fremdsprachenlerner und Leser poetischer Texte befinden sich also in einer ähnlichen Situation angesichts eines Textes, dessen fremdsprachliches Vokabular oder dessen poetische Sprache den aus der Muttersprache beziehungsweise aus der nicht literarischen Standardsprache gewohnten automatischen Zugang zur Bedeutung nicht zulasse. In diesem Moment erhöhter, auf die sprachliche Form gerichteter Aufmerksamkeit befänden sich Fremdsprachenlernende sowie Leser poetischer Texte in einem „Schwebezustand“ oder „poetischen Zustand“ (ebd., 205). Das längere Verweilen am fremdsprachlichen Text sei dem Umstand geschuldet, dass er erst dekodiert, das heißt übersetzt werden muss. An poetischen Texten und Textteilen ist ein längeres Verweilen deshalb notwendig, weil es sich bei poetischer Sprache um Sprache handelt, die ästhetisch überdeterminiert und autoreferenziell ist und infolgedessen ein aufwändiges Entschlüsseln einfordert. Diese ästhetische Erfahrung als Teil des Leseprozesses bilde den formästhetischen Reiz poetischer Texte. Für den fremdsprachlichen Text ist diese Erfahrung nicht primär als ästhetisch zu bezeichnen, sondern zunächst als bewusste Wahrnehmung des Unbekannten, als eine außergewöhnliche Erfahrung. Der (fremdsprachen-)didaktische Mehrwert von ästhetisch-literarischem Lesen und fremdsprachlichem Lesen liegt im Wahrnehmungsprozess, der in beiden Fällen mit erhöhter Intensivität und Bewusstheit ablaufe. Für die Auswahl literarischer Gegenstände für den Fremdsprachenunterricht zieht Weinrich deshalb folgende Schlussfolgerung: In besonderem Maße eigneten sich Texte, die für ein längeres Verweilen geschaffen wurden (vgl. ebd., 206). Wenn Leserinnen und Leser fremdsprachlicher Texte ohnehin große Aufmerksamkeit auf den Signifikanten richten, dann sollten ihnen Texte dar- Einleitung 17 geboten werden, die ein langes Verweilen ertragen, die langsam, wiederholt und zögernd gelesen werden wollen (vgl. Steinbrügge 2015, 8). Es sind daher Texte zu wählen, die eine autoreferenzielle, verdichtete Sprache vorweisen: Als Texte nun, die gerade für die ersten Lektionen des Fremdsprachunterrichts in Frage kommen, bieten sich zunächst höher strukturierte Gebilde an, die so beschaffen sind, daß sie einen wesentlich größeren Teil der Aufmerksamkeit der Lernenden bei den Sprachformen festhalten, und zwar auf lustbetonte Weise. Hierzu eignen sich in besonderem Maße die Texte der konkreten und visuellen Poesie (Weinrich 1983, 206). Der Einsatz poetischer Texte im fremdsprachlichen Literaturunterricht wird hier ausdrücklich nicht mit ihrem Bildungsgehalt - einem der zentralen Argumente in der literaturdidaktischen Diskussion der letzten Jahrzehnte (vgl. z. B. Hellwig 2008) - begründet; vielmehr ist das entscheidende Kriterium für die Auswahl eines literarischen Textes für den Fremdsprachenunterricht seine besondere sprachliche Form und Strukturiertheit: Dieses Kriterium erfüllen Texte, die eine hohe sprachliche Dichte aufweisen, oder, um es mit den Strukturalisten zu sagen, einen hohen Grad an Poetizität und Literarizität. Das heißt, der Text hat bestimmte Merkmale, die bewirken, dass die Sprache abweicht von der Alltagssprache (Steinbrügge 2015, 9). Die Inhalte der poetischen Texte - so Steinbrügge (ebd.) - seien deswegen nicht bedeutungslos oder gar obsolet, sie seien nur nicht - im Gegensatz zu den formalen Aspekten - das ausschlaggebende Kriterium. Ein solcher literaturdidaktischer Ansatz, der ganz von der Beschaffenheit seines Gegenstandes her denkt, also text- und formzentriert ist, mag vor dem Hintergrund der aktuellen Debatte um den Stellenwert literarischer Texte in einem kommunikations- und kompetenzorientierten und lernerzentrierten Fremdsprachenunterricht zunächst ungewöhnlich, wenn nicht befremdlich erscheinen. Ein wesentliches Ziel dieser Arbeit wird es sein, aufzuzeigen, dass eine gegenstandsorientierte Literaturdidaktik und ein kompetenzorientierter Fremdsprachenunterricht sich nicht nur nicht ausschließen, sondern vielmehr miteinander versöhnt werden müssen und auch können. Erste Schritte auf diesem Weg sind bereits in den 1990er Jahren (und damit einige Zeit vor dem Greifen des Paradigmenwechsels zu einem kompetenz- und standardorientierten Fremdsprachenunterricht in Theorie und Praxis) Gienow und Hellwig (1996) mit ihrer prozessorientierten Mediendidaktik gegangen. Sie verbinden in ihrem methodisch-didaktischen Ansatz Gegenstands- und Lernerorientierung miteinander, indem sie dafür plädieren, nur solche Texte im Fremdsprachenunterricht einzusetzen, die „bedeutungsgeschichtet, mehrdeutig, interpretationsoffen, problemhaltig, rätselhaft, beunruhigend, innovativ und al- 18 Einleitung ternativ“ (Gienow/ Hellwig 1996, 6) seien und zudem „die allgemeine Lebenspraxis und -erfahrung der Lerner so weit wie möglich betreffen“ und kommen zu dem Schluss, dass alle genannten Auswahlkriterien bei „kunsthaltigen Texten“ (ebd.) gegeben seien. Küster (2003) konstatiert folgerichtig: Im Gegensatz zu rein sprachfertigkeitsorientierten Ansätzen der Fremdsprachendidaktik sehen Gienow/ Hellwig (1997: 17) eine Interdependenz von Sprach-, Bedeutungs- und Sinnbildung im Fremdsprachenunterricht. (…) Mit diesem Konstrukt verbindet das Autorenduo zwei ansonsten als unüberbrückbar erscheinende didaktische Ansätze, jene nämlich, die vom Gegenstand und jene, die vom Lerner ausgehen (Küster 2003, 129). Die vorliegende Arbeit knüpft daran an, geht aber noch einen Schritt weiter, insofern es ihr darum zu tun ist, die Gegenstandsorientierung nicht nur mit der Lernerorientierung, sondern mit der Kompetenzorientierung insgesamt zu versöhnen, und macht sich damit auf einen Weg, den nicht zuletzt Hellwig selbst viele Jahre nach dem erstmaligen Erscheinen seiner Beiträge zu einer prozessorientierten Mediendidaktik und wohl unter dem Eindruck des oben genannten Paradigmenwechsels eingeschlagen und vorgezeichnet hat (vgl. Hellwig 2008). Der Gegenstand meiner Studie, den ich für dieses literaturdidaktische Anliegen im Hinblick auf den hier in Rede stehenden Spanischunterricht zum Ausgangspunkt nehme, ist die bisher für den Spanischunterricht wenig beachtete Gattung der Poesía Visual. Sie erfüllt die oben genannten Kriterien in besonderem Maße und kann einerseits mit Gienow/ Hellwig als „bedeutungs- und belangvoller“ (ebd.) Lerngegenstand für den Spanischunterricht und andererseits mit Weinrich als „höher strukturiertes Gebilde“ (1983, 206), als verdichteter Text mit einem hohen Überschuss an impliziter Bedeutung eingestuft werden. Als Äquivalent zur Konkreten Poesie (die Weinrich selbst als potenziellen Gegenstand für den fremdsprachlichen Literaturunterricht ins Spiel brachte) können poemas visuales für den fremdsprachlichen Literaturunterricht allein durch ihre externe Kürze und Überdeterminiertheit in Betracht gezogen werden: Sie funktionieren mit nur sehr wenigen Wörtern, manchmal mit nur einem einzigen Wort, das zu einem Bildelement in Beziehung gesetzt wird. Darüber hinaus sind poemas visuales - und hier liegt das besondere didaktische Potenzial dieser Gattung intermediale und hybride poetische Texte, bestehend aus Schrift und Bild. Was bedeutet, dass poetische Botschaften durch visuell-kommunikative Zeichen mitgestaltet werden. Das Bild ist somit im Zusammenspiel mit der Schrift als ein kommunikatives und zugleich poetisches Zeichen zu sehen. Das Bild als konstitutives Element dieser hybriden literarischen Kurzgattung ist noch aus einem zweiten Grund relevant für die Wahl gerade dieses Gegen- Einleitung 19 standes für die vorliegende Studie. Im Zeitalter des sogenannten iconic turn (Boehm 1994) 1 ist unser Alltag stärker denn je von Bildern geprägt. Aufgrund ihrer gattungsspezifischen Schrift-Bild-Kombination und ihrer Verbreitung im Internet handelt es sich bei der Poesía Visual somit um eine aktuelle poetische Gattung, die einen starken Bezug zur Erfahrungswelt von jugendlichen Schülerinnen und Schülern vorweist. Mit Bildern zu sprechen und Bilder zu lesen, ist den Jugendlichen von heute nicht fremd. Poemas visuales als Gegenstand des Spanischunterrichts aufzunehmen, bedeutet, Elemente der Bildsprache als Elemente einer poetisch-ästhetischen Sprache im Rahmen des Fremdsprachenunterrichts thematisieren zu können und damit einen entscheidenden Beitrag zur Ausbildung und Förderung einer visual literacy zu leisten. Sie ermöglichen die Sensibilisierung für das ästhetische Lesen von ikonischen (und grafischen) Zeichen, die nach den Vorstellungen Weinrichs an die Notwendigkeit, die „Ästhetik des Alltags“ ( Jakobson 1960) in den Unterricht zu holen, anknüpft. In der vorliegenden Dissertation werden zum ersten Mal die Gattung der Poesía Visual und das visuelle kommunikative Zeichen als (fremd)sprachliches und poetisches Ausdrucksmittel aus didaktischer Perspektive untersucht. Sie ist folgerichtig im Spannungsfeld zwischen Literatur- und Bildwissenschaft einerseits und der fremdsprachlichen Literatur- und Bilddidaktik andererseits angesiedelt. Im Sinne der Gegenstandsorientierung macht sie es sich zunächst zur Aufgabe, die noch weitgehend unerforschte Gattung der Poesía Visual für den Spanischunterricht systematisch zu erschließen. Da es in der Hispanistik bisher nur wenige Untersuchungen zur Poesía Visual gibt, wird sie zunächst als Gegenstand in der spanischsprachigen Literaturwissenschaft und Literaturgeschichte (TEIL I) beleuchtet. Die daraus resultierenden Erkenntnisse bilden die Voraussetzung für die in TEIL II erfolgende didaktisch-methodische Analyse der Gattung als Gegenstand des Spanischunterrichts. Was ist überhaupt Poesía Visual? Wie lässt sich diese Gattung begrifflich fassen? Welche formalen Charakteristika weist sie auf ? Und welche Typen von poemas visuales gibt es? Dies sind die Leitfragen, denen im ersten Kapitel von Teil I (Poesía Visual: Definition - Theorie - Typologie) nachgegangen wird. Anliegen und gleichermaßen Herausforderung des Kapitels ist es, eine Gattungsanalyse vorzulegen, die für den literaturwissenschaftlichen Forschungsstand in der Hispanistik repräsentativ und für die Spanischdidaktik relevant ist. So werden verschiedene Definitionen herausgearbeitet und verschiedene Typen von poemas visuales vorgestellt und analysiert. 1 Iconic turn bezeichnet die Wende vom Medium Text zum Medium Bild und markiert die Allgegenwärtigkeit von Bildern und Visualisierungen (vgl. u. a. Boehm 1994; Maar/ Burda 2004; Sachs-Hombach 2009). 20 Einleitung Als Korpus diente eine Auswahl von über 300 poemas visuales , die in der akademischen Version der Dissertation als editorischer Teil in Form einer Anthologie von poemas visuales vorgelegt wurde und das Ziel verfolgte, einen repräsentativen Überblick über die aktuelle Poesía Visual zu geben. Es wurde auf eine möglichst breite Zusammenstellung von Gedichten und, damit verbunden, auf eine vielfältige Auswahl von Dichterinnen und Dichtern geachtet. In Anbetracht der kaum überblickbaren Fülle von veröffentlichten poemas in Zeitschriften und insbesondere im Internet wurde als zentrale Quellen auf bestimmte Einrichtungen, Veröffentlichungsorgane und Internetportale rekurriert. Da nicht alle spanischsprachigen visuell-poetischen Veröffentlichungen berücksichtigt werden konnten, wurde die Poesía Visual auf ihr Vorkommen auf der Iberischen Halbinsel beschränkt, was bedeutet, dass die ausgesuchten Quellen in Spanien verortet sind (im Fall des Internetportals wurde die Postadresse des Webmasters herangezogen). Die geografische Eingrenzung bezieht sich jedoch lediglich auf die Quellen und somit auf gewisse Kern- und Versammlungspunkte der visuell-poetischen Szene. Eine geografische Eingrenzung der Poesía Visual als Gattungsphänomen ist gänzlich unmöglich und im Übrigen auch ganz und gar nicht im Sinne der Poesía Visual, die sich als avantgardistische Kunst und daher in jeglicher Hinsicht als grenzenlose Gattung versteht (siehe Kapitel 1.3). Bei der Auswahl der Quellen, aus denen die poemas visuales geschöpft wurden, lag die höchste Priorität darin, eine authentische und mithin vielseitige Repräsentation der aktuellen Poesía Visual zu erlangen. Kapitel 2 widmet sich der historischen Entwicklung der Poesía Visual, verfolgt also eine literaturgeschichtliche Fragestellung. In aktuellen deutschsprachigen Forschungsarbeiten ist zu beobachten, dass der Betrachtung der historischen Entwicklung dieser Gattung zunehmend Beachtung geschenkt wird (vgl. v. a. Dencker 2011; Ernst 2012). Dies gilt gleichermaßen für spanische Studien (vgl. v. a. Fernández Serrato 1995; Millán Domínguez 1999). Der Grund für das wachsende historische Forschungsinteresse dürfte nicht zuletzt daran liegen, die Visuelle Poesie überhaupt erst als eigenständige Gattung zu etablieren, ein Prozess, der noch nicht als abgeschlossen gelten kann. Das wesentliche Ziel von TEIL II besteht indes darin, das fremdsprachendidaktische Potenzial von poemas visuales auszuloten und eine didaktisch-funktionale Typologie für diese Gattung vorzulegen. Die vorliegende Arbeit versteht sich als eine multiperspektivische Didaktik, die einen künstlerisch-poetischen Gegenstand zum Thema hat. Weil die Poesía Visual ein dynamischer und facettenreicher Gegenstand ist, wird ein perspektivenreicher und interdisziplinärer Blick auf sie gerichtet, aus dem unterschiedliche Konsequenzen für eine didaktische Operationalisierung dieses Gegenstandes folgen. Der didaktischen Transformation liegen so zwei entscheidende Einleitung 21 konzeptuelle Vorüberlegungen zugrunde: Zum einen wird ein interdisziplinärer Zugang verfolgt, der literatur-, medien-, sprach- und kulturdidaktische Reflexionen integriert. Der hybride und intermediale Gegenstand Poesía Visual macht eindeutige Genrezuordnungen und Gattungsdefinitionen unmöglich, lässt sie bisweilen sogar absurd erscheinen. Die interdisziplinäre Orientierung erlaubt indes eine perspektivenreiche Annäherung an diesen vielschichtigen Gegenstand. Außerdem verorten sich die vorgeschlagenen didaktischen Transformationen im Spannungsfeld eines gegenstandsorientierten Unterricht einerseits und eines kompetenzorientierten Unterrichts andererseits (Kapitel 6.1). Gegenstandsorientiert bedeutet zunächst den Text mit seinen gattungsspezifischen Charakteristika und Besonderheiten an unterrichtliche, methodische und lernpsychologische Erfordernisse anzuknüpfen, und nicht a priori den Lerner als Ausgang zu sehen. Kompetenzorientiert ist das Vorgehen, weil es ausgehend von den Spezifika des Gegenstandes danach fragt, welche funktionalen kommunikativen Kompetenzen und welche Text- und Medienkompetenzen damit ausgebildet und gefördert werden können. Folgerichtig werden die didaktischen Potenziale der Poesía Visual nach Kompetenzen und Teilkompetenzen ausdifferenziert. Im Einzelnen gliedert sich TEIL II der Dissertation folgendermaßen: Nach einer Bestandsaufnahme des aktuellen Forschungsstandes zu visuell-poetischen Texten im Fremdsprachenunterricht (Kapitel 3) werden im Kapitel 4 die Gattungsmerkmale der Poesía Visual im Sinne einer fremdsprachendidaktisch relevanten Sachanalyse herausgefiltert, um ihr (fremdsprachen-)didaktisches Potenzial zu bestimmen und entsprechende didaktisch-methodische Überlegungen anzuschließen. Dabei erweisen sich die Untersuchungen zum Verhältnis von Schrift und Bild im poema visual - als hybride und intermediale Repräsentationsformen - als besonders zielführend. Als Analyseinstrumentarium werden strukturalistisch-mediensemiotische Ansätze gewählt, die das Zusammenspiel von Schrift und Bild im poema visual sowie die für den Sprachunterricht relevanten Konsequenzen begreifbar und beschreibbar machen. Daran schließt sich eine Typologisierung der Poesía Visual an (Kapitel 5), in der drei Typen von poemas visuales unterschieden werden: poemas verbales, poemas verbo-visuales und poemas imagen . Es handelt sich hierbei um eine ganz bewusst und genuin für den Unterricht konzipierte Typologie, die deshalb als didaktisch-funktionale Typologie bezeichnet wird. Sie bildet die Grundlage für die darauffolgende methodisch-didaktische Transformation nach (Teil-)Kompetenzbereichen (Kapitel 6). Es werden drei Kompetenzbereiche für den Umgang mit poemas visuales im Spanischunterricht ausdifferenziert, die aus ihren Gattungsspezifika hervorgehen: die visuell-literarische Kompetenz (Kapitel 6.2), die lexikalische Kompetenz (Kapitel 6.3) und die inter- und transkulturelle Kompetenz (Kapitel 6.4), 22 Einleitung alle integrieren jeweils Einzel- und Teilkompetenzen. In den Unterkapiteln zu den jeweiligen Kompetenzen werden konkrete Unterrichtsbeispiele vorgestellt. TEIL I: Poemas visuales als Gegenstand der Literaturwissenschaft und Literaturgeschichte 1. Poesía Visual: Definition - Theorie - Typologie 1.1 Was ist Poesía Visual? Nach dem Diccionario de la Lengua Española 1 bedeutet poesía „arte de componer obras poéticas en verso o en prosa“ (DRAE s.v. poesía [ del- lat.- poēsis,- y- este-del-gr.-ποίησις ]) und visual „perteneciente o relativo a la visión“ (DRAE s.v. visual [ del-lat.-visuālis ]). Dementsprechend kann poesía visual auf das Wesentliche reduziert als „arte de componer obras poéticas en verso perteneciente a la visión“ definiert werden. Die deutsche Übersetzung „visuelle Dichtung“ oder „visuelle Poesie“ bezeichnet eine sprachlich-visuelle künstlerische Ausdrucksform, die lange Zeit als „merkwürdige moderne Kunstform“ (Adler 1989, 28) galt und inzwischen als poetische Gattung 2 von der Literaturwissenschaft anerkannt wird (vgl. Dencker 2011; Ernst 2012). Visuelle Poesie wird ins Spanische zwar mit poesía visual übersetzt, in der vorliegenden Arbeit verwende ich Poesía Visual aber nicht als begriffliche Übersetzung, sondern als kulturspezifische literarische Erscheinungsform im spanischsprachigen Raum. Poesía Visual steht somit für die spanischsprachige visuelle Poesie. Sie ist keineswegs allein ein dichterisches Phänomen der spanischsprachigen Welt, doch um eben diese spanischsprachige Erscheinungsform, la Poesía Visual Española , soll es im Folgenden gehen. Die erwähnte Merkwürdigkeit dieses Kunstphänomens liegt in der Grenzüberschreitung zwischen bildender Kunst und Literatur. Die Operatoren visuellpoetischer Texte 3 sind Schrift und Bild gleichermaßen, was eine eindeutige Zuordnung zu den klassischen Gattungen unmöglich macht; gleiches gilt für die entsprechenden forschenden Disziplinen. Lange Zeit wurde Poesía Visual von den Theorien als „manieristische Wunderlichkeit“ (Adler 1989, 28) abgewertet und erst relativ spät im Verhältnis zu ihrem historischenVorkommen von der 1 RAE, Diccionario de la langua española, 22. a edición, versión electrónica (RAE 2012: web). 2 Der Begriff Gattung wird hier, in Anlehnung an den literaturwissenschaftlichen Begriff „im engeren Sinne“ (vgl. Burdorf et al. 2007, 261 f.; Nünning 2004b, 71), in der Bedeutung von Texttyp oder Textsorte verwendet. Diesem Begriffskonzept zufolge ist Genre entsprechend als Untergattung zu verstehen (vgl. ebd., 275) und wird im Folgenden in dieser Eigenschaft verwendet. 3 Im Folgenden wird Text im Sinne des erweiterten Textbegriffes verwendet. Abgeleitet vom Lateinischen textum (Gefüge, Gewebe) ist diese Bezeichnung auf Einheiten verschiedener Informationsstränge (auditiver, visueller oder symbolischer Natur) anwendbar. Somit ist auch ein Bild als Text zu verstehen. Im Hinblick auf die Poesía Visual bietet der erweiterte Textbegriff eine umfassende Bezeichnung, da die Informationsstränge verschiedener Modalitäten als gleichberechtigte Partner im Gefüge auftreten (vgl. Doelker 1997, 61). 26 1. Poesía Visual: Definition - Theorie - Typologie Wissenschaft ernstgenommen. Aufgrund ihrer Grenzlage zwischen Literatur und Kunst ist es den gattungszuschreibenden Wissenschaften daher auch lange schwer gefallen, Visuelle Poesie zu definieren. Jeremy Adler hat diese Grenzlage zwischen Kunst und Literatur folgendermaßen umrissen: Auf das Einfachste reduziert, kann die Form [gemeint ist die Kunstform Visuelle Poesie] als ein Genre definiert werden, das sowohl Dichtung als auch visuelle Kunst ist. Worte können in einer visuell bedeutsamen Weise angeordnet werden oder so untrennbar mit einem visuellen Element verbunden sein, daß beide nicht unabhängig voneinander betrachtet werden können. Umgekehrt beeinflussen sie einander auch, um eine komplexe Bedeutung oder einen Gehalt, den weder Bild noch Wort allein hervorbringen können, schaffen. (Adler 1989, 28) Adler veröffentlichte diese Definition in einer kunstwissenschaftlichen Zeitschrift (Bildende Kunst 1989). Diese Tatsache ist insofern von Belang, als die Kunstwissenschaft offener mit Grenzüberschreitungen umzugehen scheint als die Literaturwissenschaft. Dies mag daran liegen, dass Schrift viel selbstverständlicher in künstlerische Prozesse integriert wird als, umgekehrt, Bilder in literarische. Aus Sicht der bildenden Künste sind Bild-Schrift-Kombinationen ganz und gar nicht „merkwürdig“ (wie beispielsweise eingebaute Textfragmente in Bildern, Collagen, Ornamentik etc.). Die Integration von Bezugssystemen wie Sprache und Schrift wird in der Kunstwissenschaft von jeher berücksichtigt (vgl. Markò 1989, 17). Dagegen ist in literarisch-theoretischen Positionen immer wieder ein gewisses Unbehagen festzustellen, wenn es darum geht, das Bild als literarisches Ausdrucksmittel zu akzeptieren. Die Bedeutung von Schrift in der „Ideenkunst“ (gemeint sind hier die avantgardistischen und post-avantgardistischen Bewegungen wie etwa Futurismus, Dada, konzeptionelle Kunst) sieht Martina Markò in der methodischen Problematisierung dieser Kunstkonzepte, Denkprozesse zu visualisieren (vgl. ebd.). So beschäftige sich die Visuelle Poesie aus kunstwissenschaftlicher Sicht mit der “wahrnehmungspsychologische[n] und erkenntnistheoretische[n] Frage des Auseinanderklaffens von Realität, Abbild und Bedeutung” (ebd.). Visuelle Poesie, so Markò weiter, sei allerdings ein „literaturzentrierter Begriff“ (ebd., 15), der als poetisches Schrift-Bild-Konzept in der Literaturwissenschaft im Zuge der Konkreten Poesie ab den 1950er Jahren erstmalig auftauche (auf diese begriffliche Entwicklung und die daraus entstandene Problematik wird im folgenden Kapitel genauer eingegangen). Äquivalente Dichtkunstformen sind im europäischen Sprachraum entsprechend unter visual poetry , poésie visuelle , poesia visiva etc. zu verzeichnen. Ab Mitte der 1980er Jahre entsteht ein reges Forschungsinteresse an Visueller Poesie, das das Augenmerk zunächst auf die Untersuchung der historischen Entwicklung lenkt und bald darauf theoretisch-ontologischen Betrachtungen 1.1 Was ist Poesía Visual? 27 nachgeht (vgl. Adler/ Ernst 1990; Bohn 1986; Dencker 1972; Higgins 1987). Aus diesem Forschungszusammenhang stammt folgende allgemein vergleichende Definition von visual poetry : [W]e can define visual poetry as poetry meant to be seen. Combining painting and poetry, it is neither a compromise nor an evasion but a synthesis of the principles underlying each medium. (Bohn 1987, 2) Willard Bohn beschreibt visual poetry als eine Kombination von Bild und poetisch-diskursivem Text, wie er nachfolgend bezüglich der Verwendung von poetry näher erläutert (vgl. ebd.). Visuelle Poesie ist dementsprechend als eine Kunstform zu verstehen, die bildliche wie schriftsymbolische Elemente verwendet, um sie zu einer Botschaft poetisch zu verdichten. Sie lässt sich somit in der Schnittmenge von bildender Kunst und Literatur verorten und muss - um bei den Worten Bohns zu bleiben nicht nur gelesen, sondern auch „gesehen” werden. Bohns Definition ist eine allgemein deskriptive, wissenschaftliche und historische, die eine durch Sammlungen von visuellen Gedichten, Dichtern und Gruppierungen beziehungsweise Bewegungen (beispielsweise Futurismus, Guillaume Apollinaire, calligrammes , Joan Salvat-Papasseit, Ultraismus) repräsentierte poetische Gattung beschreibt. Hieran lässt sich die Definition des katalanischen visuellen Poeten Joan Brossa (einer der Hauptakteure der Poesía Visual) anschließen, die zur gleichen Zeit entstand und aus Sicht des Dichters insbesondere auf die Bedeutung des Visuellen für die zeitgenössische Dichtung eingeht: La poesia experimental del nostre temps és la poesia visual. El poeta muda de codi; deixa el codi literari i s’expressa en un llenguatge que s’esdevé de la recerca d’una nova dimensió entre allò visual i allò semántic. El poema visual no ès ni dibuix ni pintura, sinó un servei a la comunicació. Un intent ben típic del nostre temps en què la funció de la imatge ha adquirit una gran importància. (Brossa 1984 in Bordons et al. 2008, 187) La poesía experimental de nuestro tiempo es la poesía visual. El poeta cambia de código; deja el código literario y se expresa en un lenguaje que acontece en la búsqueda de una nueva dimensión entre lo visual y lo semántico. El poema visual no es ni dibujo ni pintura, sino un servicio a la comunicación. Un intento muy típico de nuestro tiempo en que la función de la imagen ha adquirido una gran importancia. (Übersetzung von Carlos Vitale Bordons et al. 2008, 190) Brossas Auslegung ist insbesondere in Bezug auf zwei Gesichtspunkte interessant: Zum einen beschreibt er die Poesía Visual als eine Erscheinungsform der poesía experimental und klassifiziert sie demnach als Genre derselben; zum anderen legitimiert er die kommunikativ-gesellschaftliche Teilhabe der visuel- 28 1. Poesía Visual: Definition - Theorie - Typologie len Poesie. Er versteht das Bild als sprachliche Einheit und beschreibt die kommunikative Funktion von Bildern als einen sprachlichen Code, der dem Dichter neben einem código literario (dt. schriftsymbolischer Code) zur Verfügung stehe. Das poema visual wird von ihm mit „un servei a la comunicació“ deutlich als Botschaft definiert, die sich an eine zeitgenössische, visuell geprägte Gesellschaft richtet. In der Aussage Brossas liegt ferner ein strukturalistisches Verständnis von Dichtung: Dass Sprache in all ihren Facetten poetisch verwendet werden kann, erscheint einleuchtend. Allerdings ist poetische Sprache von nicht-poetischer Sprache zu unterscheiden. Dies gelingt, weil nicht-poetische Sprache eine eher zufällige und meist planlose Ausdrucksform darstellt, wohingegen poetische Sprache geplant und insbesondere nicht-zufällig zustande kommt (vgl. Jakobson 1960, 85). Wenn Poesie als Sprache bezeichnet wird, liegt eine linguistische Betrachtung zugrunde, die anhand Jakobsons strukturalistischer Definition von Poesie und poetischer Sprache zusammenfassend wie folgt erklärt werden kann: Poetische Sprache ist ein verbales Sprachverhalten, das auf den grundlegenden Operationen von „Selektion” und „Kombination” beruht (vgl. ebd., 94). Das bedeutet, dass sich poetische Texte im Wesentlichen von nicht-poetischen unterscheiden, weil sie a) nicht-zufällig entstehen und b) sich aus selektierter und kombinierter Sprache zusammensetzen. Poesía Visual ist daher, nach Brossas Verständnis, eine nicht-zufällige, selektierte und kombinierte visuell-verbale sprachliche Ausdrucksform. Nicht zu ignorieren ist schließlich der Umstand, dass Poesía Visual als grenzüberschreitendes hybrides Konzept nur bedingt definierbar ist. Aufgrund ihrer Anwendung „en un proceso abierto y cambiante“ (Fernández Serrato 1995b, 43) erweist sich auch darüber hinaus eine Klassifizierung als schwierig. Auf die Frage, was Poesía Visual ist, biete ich folgende Definition an, die sowohl an den herangezogenen theoretischen Definitionen als auch den Stellungnahmen der Dichter anknüpft. Im Rahmen der vorliegenden Dissertation wurden mit Dichterinnen und Dichtern aus der aktuellen Szene in Spanien schriftliche Interviews geführt (siehe Anhang 1) und Stellungnahmen zur aktuellen Poesía Visual eingeholt. Es wurden insgesamt 20 Dichterinnen und Dichter angeschrieben. Von ihnen haben 14 (12 Dichter und 2 Dichterinnen) dem Interview zugestimmt und die Fragen schriftlich (digital) beantwortet. 4 Die Stellungnahmen geben Aufschluss über das Selbstverständnis der Poesía Visual. Die Antworten fließen mit inhalt- 4 Das Interview ist hier nicht als empirisches Sozialforschungsinstrument zu verstehen. Es wird bewusst weder als empirischer Untersuchungsgegenstand im Rahmen einer Forschungsfrage ausgelegt noch als solcher ausgewertet. 1.2 Zur Begriffsklärung: Poesía experimental , poesía concreta oder poesía visual ? 29 lich vergleichbaren Publikationen (vgl. Fernández Serrato 1995a; Reglero 2013), in die folgende Definition sowie in die Reflexionen über das Selbstverständnis der Poesía Visual, poética interna , ein (vgl. Kapitel 1.3.2.2). Unter Berücksichtigung dessen verstehe ich Poesía Visual im Rahmen meiner Forschungsarbeit als ein Genre der poesía experimental , in dem eine Botschaft mittels bildlicher und schriftlicher Codes (ikonischer und symbolsicher Zeichen) verdichtet wird. Ich untersuche hier lediglich jene Produktionen ab den 1970er Jahren, die auf der iberischen Halbinsel entstanden sind. 5 1.2 Zur Begriffsklärung: Poesía experimental, poesía concreta oder poesía visual? Eine Betrachtung der Poesía Visual 6 gestaltet sich insofern als schwierig, als es sich um ein begrifflich äußerst inkonsistentes Phänomen handelt. Die Bezeichnungen wie poesía concreta , poesía concreto-visual oder poesía experimental , die auf ein verwandtes Phänomen hindeuten, stellen sich als irreführend heraus, denn die Begriffe werden teilweise synonym verwendet. Dieses grundsätzliche „problema de la denominación“, wie Juan Carlos Fernández Serrato es nennt, erweist sich als regelrechte Begriffsverwirrung, die es im Folgenden zu beseitigen gilt (1995b, 43 ff., und 2003, 21 ff.). Dabei soll es vor allem darum gehen, diese tradierten Begriffe im Kontext und in Beziehung zur Poesía Visual nachzuzeichnen, um damit einem Definitionskonflikt auszuweichen. Die Begriffskonfusion hat zwei Ursachen: Zum einen wurden die Bezeichnungen poesía concreta und poesía visual von der deutschen Tradition der Konkreten Poesie beeinflusst, zum anderen ist poesía experimental ein Begriff, der sich in der spanischen segunda vanguardia als Oberbegriff für verschiedene poetische Praktiken entwickelt hat. Die sich zum Teil überlappenden Bedeutungen der vorliegenden Bezeichnungen beruhen auf der grenzüberschreitenden Tendenz der jeweiligen künstlerischen Ausdrucksformen. Poesía visual , poesía experimental , poesía concreta etc. liegen nicht sehr nah bei einander, sondern vielmehr ineinander, sodass sie nur bedingt isoliert voneinander betrachtet werden können. 5 Eine örtliche Begrenzung wird lediglich im Hinblick auf die im Rahmen des Dissertationsprojektes aufgesuchten Zentren festgelegt. Dass Visuelle Poesie als avantgardistische Kunstform keine örtliche Begrenzung zulässt und letztere zudem von ihren repräsentativen Akteuren vehement abgelehnt wird, ist in dem Kapitel 1.3.2 zu den Charakteristika der Avantgarde in der Poesía Visual nachzulesen. 6 Der Begriff Visuelle Poesie wird grundsätzlich für die allgemeine poetische Gattung verwendet und von Poesía Visual unterschieden, die sich explizit wie im Kapitel 1.1 definiert auf den spanischsprachigen Raum bezieht. 30 1. Poesía Visual: Definition - Theorie - Typologie Die synonyme Verwendung der Bezeichnungen und die damit einhergehende Begriffsverwirrung ergeben sich demnach als logische Konsequenz. Poesía concreta ist neben Poesía Visual eine Erscheinung, die wie im Zusammenhang mit der Konkreten Poesie noch näher erläutert wird als Teilgebiet der poesía experimental angesehen werden kann. Hingegen bezeichnet poesía de vanguardia die Dichtkunst der (Neo-)Avantgarde, die als übergeordnetes Konzept poesía concreta und poesía experimental mit einschließt. Bevor genauer auf die beiden Ursachen für die Begriffsverwirrung eingegangen wird, soll die folgende Grafik veranschaulichen, wie die Beziehung der diskutierten Bezeichnungen zueinander zu verstehen ist (Abbildung 1). Abbildung 1. Die Begriffe poesía de vanguardia , poesía experimental , poesía concreta und poesía visual im Zusammenhang. 1.2.1 Poesía experimental in der Tradition der Konkreten Poesie In den 1970er Jahren führen verschiedene Kausalitäten dazu, dass die Theorien und auch Praktiken der deutschsprachigen Konkreten Poesie in das Umfeld der spanischen poesía experimental geraten und deren Begriffskonstitution beeinflussen. Der in Deutschland wohnhafte Felipe Boso und Ignacio Gómez de Liaño, beides Dichter und Verfasser zahlreicher theoretischer Arbeiten über die spanische visuelle Dichtung, veröffentlichen in der Literaturzeitschrift Akzente (1972) unter dem Titel Experimentelle Dichtung in Spanien dreißig zeitgenössische Gedichte. Sie präsentieren dabei die spanische poesía experimental als Variante der Konkreten Poesie, ohne die Bezeichnungen explizit zu erläutern, 1.2 Zur Begriffsklärung: Poesía experimental , poesía concreta oder poesía visual ? 31 und versuchen, vermutlich im Hinblick auf die deutsche Leserschaft, sich dem deutschen Diskurs der Konkreten Poesie anzuschließen. Gómez de Liaño beleuchtet den möglichen Einfluss der brasilianischen 7 und deutschen Konkreten Poesie auf die spanische experimentelle Poesie und leitet daraus eine zusammenhängende Entwicklung ab (1972, 291 f.). Eine solche Schlussfolgerung ist nicht abwegig, denn sie ist anhand von Fakten belegbar: Während des „tardofranquismo“ (Fernández Serrato 1995a, 269) in den 1960er Jahren, als Spanien unter der Zensur der faschistischen Diktatur leidet, verbreiten beispielsweise Eugen Gomringer und Reinhard Döhl systematisch die Ideen des deutschen Konkretismus. Dies geschieht im Rahmen der Vortragsreihe Conferencia pronunciada en el ciclo. Nuevas tendencias: poesía, música, cine im Instituto Alemán in Madrid (Dezember 1967) und deren anschließenden Veröffentlichung (1968) (vgl. ebd.; López Gradolí 2008, 114). 8 Was die Autoren damals wahrscheinlich nicht wissen, ist die Tatsache, dass etwa zur gleichen Zeit im deutschsprachigen Konkretismus intensive Diskussionen im Hinblick auf die Begriffe konkret und visuell aufkommen. Daran maßgeblich beteiligt sind unter anderem Eugen Gomringer selbst (1972) wie auch Max Bense (1972), Klaus Peter Dencker (1972), Siegfried J. Schmidt (1971, 1974) sowie später Heinz Gappmayr (1978) und Christina Weiss (1984). Sie alle versuchen in langen Traktaten, die Begriffskonfusion aufzuklären. Diese war dadurch entstanden, dass der von Gomringer analog zur Konkreten Kunst 9 etablierte Begriff Konkrete Poesie in theoretischen Positionen programmatisch beschrieben und von den Dichterinnen und Dichtern übernommen worden war (vgl. Stieg 1979, 43). Konkret wird in diesem Zusammenhang nach philosophischen Grundsätzen als Eigenschaft verstanden, die einem Gegenstand zusteht, der real wahrnehmbar, also sichtbar und greifbar ist (vgl. Kopfermann 1974, X). Dementsprechend beansprucht die Konkrete Poesie in ihren Anfängen das weite Gebiet des Konkreten für sich. Dies führt dazu, dass unter Konkreter Poesie alles bezeichnet wird, was sich mit der konkreten, materiellen Gestalt von Sprache beschäftigt. In diesem Sinne wird auch Visualisierung als Konkretisierung verstanden. Konkrete Poesie gilt 7 Gemeint sind die Mitglieder der Konkreten Poesie der Gruppe Noigandres (die Brüder Haroldo und Augusto de Campos), die während eines Aufenthaltes im März 1959 in Spanien mit den experimentellen spanischen Dichtern in Verbindung standen (vgl. Gómez de Liaño 1972). 8 Gomringer, Eugen/ Döhl, Reinhard (1968): Poesía experimental: estudios y teoría (Con motivo de la exposición "Texto, letras, imágenes" del ciclo "Nuevas Tendencias: poesía, música, cine"). Traducido al español por Rafael de LaVega. Madrid, Instituto Alemán de Madrid y Cooperativa de Producción Artística. 9 Gomringer kam an der Hochschule für Gestaltung in Ulm mit der Konkreten Kunst in Berührung, als er für einige Zeit bei Max Bill als Sekretär arbeitete (vgl. Kopfermann 1974, X). 32 1. Poesía Visual: Definition - Theorie - Typologie in diesem Kontext folglich als Überbegriff für alle poetischen Entwicklungen, die die äußere Gestalt von Sprache (den Saussure’schen signifiant ) zum Thema haben. Diese Art von Generalisierung berücksichtigt jedoch in keiner Weise die lange Tradition der Visuellen Poesie. Nicht zuletzt deshalb widmen sich auch neuere wissenschaftliche Untersuchungen der historischen Entwicklung (vgl. u. a. Alcón Alegre 2005; Dietz/ Gálvez 2013; Millán Domínguez 1999; Muriel Durán 2000; Pineda 2002). Anhand der historischen Entwicklung zeigt sich, dass es sich bei der Visuellen Poesie eben nicht um ein Genre der konkreten oder experimentellen Dichtung, sondern um eine eigene, traditionswie typenreiche Gattung handelt. Infolge ihrer literaturhistorischen Unkenntnis zeichnete sich bei den Vertretern der Konkreten Poesie indes die Tendenz ab, die Begriffe konkret und visuell synonymisch zu verwenden. Im Verlauf der Zeit wurde die Visuelle Poesie schließlich zu einem Genre der Konkreten Poesie erklärt, was letztendlich die Begriffsverwirrung provozierte (vgl. Dubiel 2004, 10). Gomringer beschreibt in diesem Zusammenhang visuelle Gedichte als „in den meisten fällen seh-gegenstände, seh-texte, die unter dem überbegriff ‚konkrete poesie‘ angeboten werden“ (1996, 9; Kleinschreibung v. d. Verf. übernommen). Primär lanciert durch literaturhistorische Forschungen über Visuelle Poesie (u. a. Higgins 1987; Adler 1989; Adler/ Ernst 1990), zeichnete sich ab den 1990er Jahren jedoch der Gattungsbegriff Visuelle Poesie in der deutschen Literaturwissenschaft ab. Er emanzipierte sich von der Konkreten Poesie und gilt heute gemeinsam mit seinen europäischen Entsprechungen visual poetry , poésie visuelle etc. als Bezeichnung einer eigenständigen poetischen Gattung (vgl. Dencker 2011; Ernst 2012). Die beiden Autoren Boso und Gómez de Liaño unterschlagen zwar nicht die Bezeichnung, doch sehr wohl die künstlerische Bewegung, die bereits in Spanien etablierte poesía experimental , und passen sich, wie es zumindest in der Zeitschrift Akzente (1972) den Anschein macht, den damaligen poetischen Konventionen der Konkreten Poesie an. Boso erklärt die poesía experimental zu einem (späten) spanischen Beitrag der Konkreten Poesie und lässt erahnen, dass er sie, wenn nicht als Genre, so doch als Synonym versteht: Zu was also hier und im Jahre 1972 diese Auswahl an spanischer experimenteller Dichtung? Um es vorweg zu sagen: weil sie eben dabei ist, in Spanien populär zu werden. […] Gewiß ist jedenfalls, daß in der Abenddämmerung der konkreten Dichtung ihr spanischer Beitrag erst wichtig wird. (Boso 1972, 300) Allerdings ist poesía experimental im spanischsprachigen Kontext, wie im Folgenden dargestellt, letztendlich die kontinuierliche und daher angemessenere Bezeichnung (vgl. Millán/ García Sánchez 2005 [1975], 12). 1.2 Zur Begriffsklärung: Poesía experimental , poesía concreta oder poesía visual ? 33 1.2.2 Die begriffliche Erklärung von Poesía Visual im Kontext der vanguardia Die Entwicklungen und Zusammenhänge von Poesía Visual und poesía experimental sind insbesondere in der sogenannten segunda vanguardia , der Wiederaufnahme und Fortführung der Avantgarde ab den 1960er Jahren in Spanien, zu beobachten. Die Bezeichnung poesía de vanguardia ist der Versuch, einer überaus unübersichtlichen Wechselwirkung von Film, Musik oder plastischer Kunst und poetischer Praxis einen Namen zu geben. Mit den Worten Fernández Serratos „quiere [la poesía de vanguardia] aglutinar experiencias más o menos novedosas desarrolladas del medio literarios, cinematigráfico, musical y plástico“ (Fernández Serrato 1995b, 45). Ein Blick auf das Inhaltsverzeichnis des Ausstellungskataloges Poesía Internacional de vanguardia (Madrid, April 1970) zeigt, inwiefern poesía de vanguardia als übergeordneter Begriff verwendet wurde: poesíaconcreta poesíacinética carteles objetos libros films poesíaespacial poesíaobjetiva revistas cintasmagnetofónicas poesía n.o. poesíasemiótica discos serigrafías grabados y poesíaexperimental poesía n.o. fotomontajes librósobjeto [sic] y poesía-simbiótica metaart zaj plásticos revistas objetos y poesíagráfica poesíavisual y carteles objetos libros films verbofonía poesíasemántica y cintasmagnetofónicas grabados música poesíamatemática y zaj diseños serigrafías grabados poesíavisiva poesíatecnológic fotomontajes grabados objetos poesíasónica poesíacinética plásticos revistas grabados músicaelectrónica poesía n.o. (vgl. Díez Borque 1973, 41) Auffällig ist, neben den vielen als poesía de vanguardia geltenden Genres, der Zusammenhang mit audio-visuellen Medien („cintasmagnetofónica, serigrafías, films“), womit die Hinwendung zum technischen Fortschritt und mit ihr die avantgardistische Haltung abermals deutlich wird. Es ist möglich, dass die Wiederaufnahme des Begriffs vanguardia als Bezeichnung poetischer Prakti- 34 1. Poesía Visual: Definition - Theorie - Typologie ken lediglich den Wunsch der spanischen Künstlerinnen und Künstler manifestiert, die „nueva poesía“ als einen „paso más allá de la evolución del arte“ zu sehen (Fernández Serrato 1995b, 46). Es wäre auch denkbar, dass die infolge des Bürgerkriegs und der anschließenden Franco-Diktatur versäumte Zeit wieder aufgegriffen und erlebt werden musste, was den Zusammenhang zu den Grundsätzen der Avantgarde erklären würde (vgl. ebd.). Für die begriffliche Entwicklung ist poesía de vanguardia eher ein historischer Terminus. Er wird dem frühen 20. Jahrhundert, sei es der klassischen oder der Neo-Avantgarde, zugeordnet und läuft deshalb nicht Gefahr, mit poesía experimental oder poesía visual verwechselt zu werden. Vielmehr hat poesía de vanguardia den Weg für poesía experimental und ferner Poesía Visual geebnet: In dem 1973 erschienenen Themenschwerpunkt Literatura Experimental der Zeitschrift El Urogallo (Soriano/ Montero 1973) beziehen verschiedene Theoretiker und Dichter (u. a. José María Díez Borque, Jesús García Sánchez, Alfonso López Gradolí oder Fernando Millán) zum Begriff poesía experimental erstmals Stellung. In der Diskussion um „lo experimental“ postuliert Millán, dass es sich eher um einen Terminus technicus handele als um „una nueva forma de hacer poesía“ (Millán 1973, 45). Es wird insbesondere die von Max Bense (1954, 15) lancierte Theorie des Experiments in der Dichtung aufgenommen (vgl. Lanz Rivera 1992, 57). Bense versteht das Werk deshalb als Experiment, weil es zum einen als Kontinuum im Prozess nie als abgeschlossen gelten darf und als Konsequenz daraus zum anderen eine Vielfalt an Lesarten zulässt (vgl. ebd.). Poesía experimental ist daher eine Bezeichnung, die den Modus Operandi fokussiert (vgl. Fernández Serrato 1995b, 51/ 52). Das Experiment selbst zielt nicht auf ein Ergebnis ab, sondern nur auf den Prozess, weshalb es nie als abgeschlossen gilt. Die Vielzahl von Varianten des poetischen Experimentierens entsteht aus der Hybridisierung der Bestandteile von Dichtung mit einer anderen künstlerischen Ausdrucksform (Musik, darstellende Kunst, bildende Kunst etc.) (vgl. del Villar 1974). Die Gemeinsamkeit all dieser verschiedenen Genres liegt lediglich im experimentellen Charakter ihrer Techniken. Alle möglichen Varianten der poesía experimental zu bestimmen, ist daher unmöglich. Je nach technischen Verfügbarkeiten, was in Anbetracht der digitalen Wende während der 1990er Jahre besonders relevant wird, erweitern sich die Möglichkeiten des Experimentierens und der daraus entstehenden Varianten entsprechend. Poesía experimental ist also ein allgemein gehaltener Oberbegriff für eine heterogene und vielschichtige Gruppe, unter der alle denkbaren poetischen Manifestationen subsumiert werden, die Überschreitungen von verschiedenen künstlerisch-medialen Ausdrucksformen erkennen lassen. Sie zu typisieren, erweist sich daher als äußerst schwierig. Es lassen sich dennoch einige Kategorisierungen und Typologien finden, die den Versuch aufzeigen, Struktur in die kom- 1.2 Zur Begriffsklärung: Poesía experimental , poesía concreta oder poesía visual ? 35 plexe Vielfalt zu bringen. Lanz Rivera beispielsweise gruppiert die unzähligen Varianten der poesía experimental in zwei kategorische Untertypen (1992, 66): poesía visual und poesía fónica . Jene poemas , die sich der Visualität von Sprache widmen, ordnet er der Poesía Visual zu, und jene, die das Akustische hervorheben, der poesía fónica . Diese kategorische Zweiteilung ist insofern bedenklich, als sie nur bedingt die vielen Schnittmengen zwischen visuell und akustisch oder gar anderen Formen, wie etwa poesía acción (darstellende Gedichte), berücksichtigt. Félix Morales Prado (2004, 11 ff.) versucht der Heterogenität der poesía experimental in seiner Typologie gerecht zu werden und beschreibt neun Typen: „letrismo, poesía concreta, poesía fonética, poesía semiótica (o íconoverbal), poema objeto, poesía acción, poema propuesta, videopoema, poesía cibernética“ (ebd.). Inwiefern diese Typologien die einzelnen Typen sinnvoll definieren, mag dahingestellt bleiben. Indes lässt sich mit ihrer Hilfe der Zusammenhang zur Poesía Visual bestimmen. Anhand der dargestellten Eigenschaften der poesía experimental wird klar, dass Poesía Visual als deren Genre zu verstehen ist. Des Weiteren lässt sich festhalten, dass das Visuelle die wohl stärkste Ausprägung der spanischen experimentellen Dichtung ist. So bemerkt bereits Felipe Boso: Ohngeachtet der individuellen Varianten und Abschattungen ist, was die spanische experimentelle Dichtung am meisten auszeichnet, ihre Anschaubarkeit, ihre Betonung des Visuellen […]. Das Auge dichtet. Oft scheint es, als fehlten dem spanischen experimentellen Dichter andere Sinne. (Boso 1972, 303) Dass Anschaulichkeit und Betonung des Visuellen als wichtige Merkmale der poesía experimental hingestellt werden, erklärt, wieso sich die Bezeichnung bis heute als Synonym von Poesía Visual hält (z. B. Diputación Badajoz 2002-2013, Hermosilla 2013, López Gradolí 2012; Morales Prado 2004). Poesía experimental bedeutet auch Poesía Visual, aber nicht nur. Sie hat zudem, wie bereits dargelegt, viele andere Ausrichtungen. Daher ist, zusammenfassend, Poesía Visual immer dann der angemessene Begriff, wenn er explizit das Visuelle an der Gestaltungsform des Gedichtes bezeichnen soll. 1.2.3 Zusammenfassung Wie sich im Kapitel zur Problematik der Begriffsverwirrung erwiesen hat, ist es erforderlich, der begrifflichen Entwicklung nachzugehen. Aus spanischer Sicht ist Poesía Visual als ein wesentliches Genre der poesía experimental zu verstehen (vgl. z. B. Fernández Serrato 1995b; Lanz Rivera 1992; López Fernández 2008). Demgegenüber sehen internationale allgemein vergleichende Forschungen Visuelle Poesie als eigenständige Gattung (vgl. Adler/ Ernst 1990; Dubiel 36 1. Poesía Visual: Definition - Theorie - Typologie 2004; Bohn 1986; Millán Domínguez 1999). Beide Arten der Auslegung schließen einander nicht aus und sind daher nicht als Gegensätze zu begreifen. In beiden Fällen stehen Visualität und Visualisierung von Sprache als Hauptcharakteristika im Vordergrund. Poesía Visual kann sowohl in einer allgemeineren Betrachtung als Genre der poesía experimental wie auch im engeren Sinne (in der Linie der Visuellen Poesie) als autonome poetische Gattung gelten. Hier unterscheidet sich lediglich die Perspektive, aus der die Poesía Visual beleuchtet wird. Die vorliegende Arbeit beschränkt sich auf Poesía Visual, wie in der Grafik (Abbildung 1) dargestellt ist. In Anbetracht der aktuellsten Veröffentlichungen (v.a. Díaz Rosales 2014; Dietz/ Gálvez 2013) und Millán Domínguez’ Erklärung von der „poesía visual como género“ (1999, 1188) erscheint der Begriff Poesía Visual für die vorliegende Untersuchung sachgerecht, denn erstens verdeutlicht der (spanische) Begriff das spanischsprachige poetische Phänomen, zweitens wird das Visuelle explizit bezeichnet und drittens eine theoretisch eng gefasste Betrachtung der Gattung ermöglicht. 1.3 Poesía Visual poesía de vanguardia Spanische literaturwissenschaftliche Theorien stimmen darin überein, dass die heutige Poesía Visual als post-avantgardistische literarische Erscheinung zu sehen ist (vgl. u. a. de Cózar 1991, 396; Fernández Serrato 2005, 50 ff.; López Fernández 2008; Millán Domínguez 1999, 950 ff.; Millán/ de Francisco 1998, 107). Eine direkte Verbindung zur poetischen Avantgarde besteht in zweierlei Hinsicht: zum einen aufgrund der historischen Entwicklung der Poesía Visual, die in Spanien unmittelbar an die durch den Bürgerkrieg unterbrochene künstlerische Avantgarde anknüpft (siehe hierzu Kapitel 2.4 und 2.5); und zum anderen angesichts der bis heute von Dichtern und Dichterkollektiven der Poesía Visual proklamierten poetisch-konzeptionellen Idealen, die unverkennbar aus der künstlerischen Avantgarde stammen, wie im Folgenden erläutert werden soll (vgl. Reglero 2013; Stellungnahmen der Dichterinnen und Dichter, siehe Anhang 1). Zentrale poetische Verfahren und Zielsetzungen der Avantgarde sind für das Verständnis der Poesía Visual relevant. Bei dem Blick auf die Grundsätze der künstlerischen Avantgarde und bei der Erarbeitung der von der Poesía Visual aufgenommenen Charakteristika wird rückschauend erneut auf das Problem der begrifflichen Inkonsistenz zurückgegriffen und vorgreifend die theoretische Basis geschaffen, auf der die grenzüberschreitenden Funktionen eines poema visual als Hybrid und Intermedium zu verstehen sind. 1.3 Poesía Visual poesía de vanguardia 37 1.3.1 Exkurs: Die künstlerische Avantgarde und ihre Grundsätze Van den Berg und Fähnders definieren die europäische künstlerische Avantgarde des 20. Jahrhunderts wie folgt: Die Avantgarde bildete ein Geflecht von Gruppierungen, Bewegungen, Ismen, Strömungen, Tendenzen, von Einzelkünstlern, Galeristen, Verlegern, von Zeitschriften und Zeitungen mit dem Anspruch, nicht nur eine radikale Neuerung künstlerischer Formen und der einzelnen Künste zu bewirken, sondern zugleich eine gänzlich neue Auffassung von Kunst und eine neuartige Positionierung der Kunst in der Gesellschaft durchzusetzen. (van den Berg/ Fähnders 2009, 1) Anhand der langen Liste von Bestandteilen des „Geflechts“ verweisen die beiden Autoren auf etkwas, was sie nachfolgend konkretisieren: „Die Avantgarde war eine äußerst heterogene und fluktuierende Erscheinung“ (van den Berg/ Fähnders 2009, 1), die demnach terminologisch nicht eindeutig zu fassen sei. Der Begriff Avantgarde ist von dem französischen avant-garde abgeleitet und ein Terminus aus dem militärischen Sprachgebrauch. Die sogenannte Avant- Garde bildete die Vorhut einer militärischen Einheit, die die Aufgabe hatte, „des Feindes Anrücken zu erfahren und zu erforschen“ (van den Berg/ Fähnders 2009, 4). 10 In einem übertragenen ästhetischen Sinn wird der Begriff das erste Mal 1912 von Guillaume Apollinaire in einer Bemerkung über die futuristischen Maler in Italien verwendet (vgl. ebd., 6). Daraufhin wird er von den Teilnehmern dieser Bewegung selbst übernommen, bis er im Verlauf des 20. Jahrhunderts von der Kunst- und Literaturgeschichte systematisiert wird. Allerdings liegt das Verständnis eines jeden Avantgarde-Begriffs und seiner jeweiligen Definition im Ermessen der einzelnen nationalen Literatur- und Kunsthistoriografie. Bis zum Zweiten Weltkrieg steht der im Französischen bereits seit dem 19. Jahrhundert auch im kulturell-künstlerischen Kontext gebrauchte Avantgarde-Begriff vordergründig für die Bezeichnung fortschrittlicher und politisch engagierter Kunst 10 Unter Avantgarde führt die Duden-Etymologie folgende Angabe: „Vorhut“ - Das aus gleichbed. frz. avant-garde (aus frz . avant „vor“ […], und garde „Wache“ […]) entlehnte Wort erscheint im Deutschen zunächst als militärischer Terminus im Verlauf des Dreißigjährigen Krieges. In diesem Sinne ist es heute veraltet. Es lebt jedoch noch im übertragenen Sinne als Bezeichnung für die Vorkämpfer einer Idee, einer Richtung etc. - Abl. ‚Avantgardist‘ „Vorkämpfer“ (20. Jh.) mit dem dazugehörigen Adjektiv ‚avantgardistisch‘ „vorkämpferisch“ (20. Jh.). (Drosdowski 1997, 56) Bemerkenswert ist hier, dass der Begriff nicht auf den Bereich der Künste eingeschränkt wird. Anders steht es im Duden-Universalwörterbuch unter Avantgardist : „Vorkämpfer, Neuerer (bes. auf dem Gebiet der Kunst u. Literatur)“ (Scholze-Stubenrecht 2011, 244). Dem entgegen steht der Avantgarde-Begriff aus dem kommunistisch-leninistischen Diskurs, in dem als Vorhut der Arbeiterklasse nach Lenin die bolschewistische Kaderpartei bezeichnet wird. Der ästhetische Begriff Avantgarde wurde daher in der Sowjetunion nicht oder erst viel später verwendet (van den Berg/ Fähnders 2009, 5). 38 1. Poesía Visual: Definition - Theorie - Typologie und Literatur, wobei dem Künstler die Rolle des Vorreiters zugeteilt wird. Diese Bedeutung setzt sich zunächst im Französischen und bald auch in weiteren romanischen Sprachen, wie im Spanischen, durch (vgl. ebd., 7). Es folgen unzählige Taxonomien innerhalb des Avantgarde-Begriffs, die seine genaue Bedeutung brüchig machen. So wird beispielsweise zwischen historischer Avantgarde und Neo-Avantgarde unterschieden. Dabei ist mit historischer Avantgarde die auch als klassisch bezeichnete Avantgarde der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts gemeint und unter Neo-Avantgarde - auch Post-Avantgarde - diejenige zu verstehen, die nach dem Zweiten Weltkrieg entstand. Im Spanischen, unter Berücksichtigung anderer politischer Bedingungen, ist von primera y segunda vanguardia die Rede. 11 Mit dem Begriff vanguardia wird, wie de Torre erklärt, als Pendant zu seiner französischen Ausgangsform eine Ganzheit bezeichnet, die eine ganze Reihe avantgardistischer Bewegungen, sogenannte Ismen, subsumiert: La vanguardia, tal como yo la entiendo, en su sentido más extensor y mayor, no ha significado nunca una escuela, una tendencia o una manera determinada. Sí el común de los diversos ismos echados a volar durante estos últimos años. […] Y a propósito, recientemente se ha publicado un inventario […] que los enumera así: futurismo, expresionismo, cubismo, ultraísmo, dadaísmo, superrealismo, purismo, constructivismo, neoplasticismo, abstractivismo, babelismo, zenitismo, simultanéismo, suprematismo, primitivismo, panlerismo. (de Torre 1971, 26) Die metaphorische Verwendung des Verbs „volar“ drückt im obigen Zitat die problematische Stellung der Ismen zueinander aus. Die Verkündung von Ismen ist ein typischer Akt der frühen Avantgarde, es wurden unzählige davon proklamiert. Manche wurden als die „wahren” Bewegungen der Avantgarde gekürt, andere sind gänzlich untergegangen. Allein bei der Betrachtung der von de Torre aufgezählten Ismos fällt auf, dass manche, wie beispielswiese futurismo, expresionismo, cubismo, dadaísmo , für die künstlerische Avantgarde repräsentativ sind, andere, wie neoplasticismo, abstractivismo, babelismo, zenitismo, simultanéismo, suprematismo, primitivismo, panlerismo (vgl. ebd.), bleiben eher unbedeutend. In diesem Zusammenhang betonen van den Berg und Fähnders, dass 11 Hinter diesen Begriffen verbergen sich unterschiedliche Ansichten über die Stellung der Avantgarden zueinander. Peter Bürger (1974) vertritt z. B. die Auffassung, dass zwischen historischer Avantgarde und Neo-Avantgarde ein Bruch zu verstehen ist, die Neo-Avantgarde demnach eine Ablehnung der historischen Avantgarde impliziert. Anderer Meinung ist Klaus von Beyme (2005), der zwischen Avantgarde (bis 1955) und Post-Avantgarde (nach 1955) unterscheidet und dabei eine historische Kontinuität voraussetzt (van den Berg/ Fähnders 2009, 10). Ähnlich wird im Spanischen unter „las vanguardias“ zwischen „primera vanguardia“ und „segunda vanguardia“ unterschieden (de Cózar 1991, 369). 1.3 Poesía Visual poesía de vanguardia 39 manche Ismen als Pars pro Toto der Avantgarde fungieren. Teilweise seien sie von der Historiografie, teilweise von Vertretern der Avantgarde selbst so eingeführt, um auf diese Weise ihrem Ismus mehr Gewicht zu verleihen (vgl. van den Berg/ Fähnders 2009, 3). Jedenfalls werden die unterschiedlichsten Ismen unter dem Sammelbegriff Avantgarde zusammengetragen, sodass im Hinblick auf die breit gefächerte Vielseitigkeit der einheitliche Begriff Avantgarde infrage gestellt wird. Diesbezüglich wird diskutiert, ob nicht der Plural - Avantgarden - der genannten Vielfalt eher gerecht würde (vgl. Asholt/ Fähnders 2005, XVI). Ob die Avantgarden las vanguardias - oder die Avantgarde la vanguardia -, ob Plural oder Singular: Es handelt sich bei beiden Begriffen um die Bezeichnung für teilweise sehr unterschiedliche künstlerische Bewegungen, die oftmals lediglich die Negation bestimmter Konventionen gemeinsam haben. Van den Berg und Fähnders verwenden den Begriff bewusst im Singular, als eine Art „Projekt Avantgarde“ (vgl. van den Berg/ Fähnders 2009, 1) oder zusammenhängendes „Netzwerk“ (vgl. ebd.). Auf diese Weise wird dem begrifflichen Dilemma ausgewichen und vielleicht am besten die Dynamik und Komplexität des Phänomens Avantgarde verdeutlicht: Man entgeht einigen Aporien der Avantgarde-Forschung, wenn man die Avantgarde als soziale Konfiguration auffasst und sie als ein Phänomen der sozialen Kohäsion und Gruppenbildung im kulturellen Feld beschreibt, dass sich zusammenhängend als Netzwerk begreifen lässt. Die Avantgarde erscheint dabei als ein auf der synchronen Ebene heterogenes und auf der Ebene der Diachronie sich wandelndes und wanderndes, letzten Endes aber doch einheitliches Netzwerk, das alle Kunstbereiche umfasst: bildende Künstler, Schriftsteller, Komponisten und Musiker, Architekten und Städtebauer, Designer, Filmemacher, Theaterregisseure und Bühnenkünstler, Galeristen und Zeitschriftenherausgeber. Sie alle suchen, oft in Kooperation untereinander und oft auch als Doppel- oder Mehrfachbegabung, eine neue Kunst bzw. eine künstlerische Alternative zur hegemonialen Kunst ihrer Zeit zu entwickeln. (van den Berg/ Fähnders 2009, 1) Trotz der inkonsistenten Begrifflichkeit und der ausgeprägten Heterogenität lassen sich durchaus einschlägige Merkmale in den einzelnen Bewegungen der künstlerischen Avantgarde, die den Ganzheitsbegriff plausibel machen, beobachten. Solche gemeinsamen Charakterzüge einzelner Bewegungen, Strömungen und Ismen werden als die Grundzüge der Avantgarde bezeichnet. Sie können mit zwei Grundaspekten auf den Punkt gebracht werden. Dies sind: die „soziale Konfiguration“ oder „soziale Kohäsion“ und die „künstlerische Alternative zur hegemonialen Kunst“ (ebd.). 40 1. Poesía Visual: Definition - Theorie - Typologie Guillermo de Torre fasst die Grundzüge in der Einleitung zu seiner umfangreichen dreibändigen Historia de las literaturas de vanguardia als „lemas más visibles de la vanguardia“ unter „internacionalismo“ und „antitradicionalismo“ (de Torre 1971, 26) zusammen. Unter internacionalismo oder soziale Kohäsion (nach van den Berg/ Fähnders 2009) lässt sich die maßgebliche Neigung avantgardistischer Bewegungen erfassen, ein (länderübergreifendes) Netzwerk bilden zu wollen. Manifeste und Proklamationen der avantgardistischen Bewegungen wurden oft in ganz Europa und auch darüber hinaus (USA, lateinamerikanische Länder etc.) verbreitet und haben auf diese Weise häufig großen Einfluss auf gleiche Bewegungen im internationalen Raum oder auch auf ganz andere avantgardistische Bewegungen genommen. In jedem Fall ist eine enge Verflechtung der europäischen Avantgarden zu beobachten. Die Vernetzung zeigt sich vor allem in der Mehrsprachigkeit von Texten und ihrer Autoren. „Die Avantgarde“, so schreiben Asholt und Fähnders, „ist polyglott und übersetzt sich im Notfall selbst“ (2005, XX). Insbesondere im Dadaismus wurde die Mehrsprachigkeit zum Programm und oft zum Bestandteil des künstlerischen Werks. Beispielsweise wurden dadaistische Veranstaltungen häufig mehrsprachig durchgeführt. Dabei konnte ein Text simultan in mehreren Sprachen oder verschiedene Texte gleichzeitig vorgetragen werden, oder auch beides auf einmal (vgl. ebd.). Ein anderes Beispiel für die avantgardistische Vernetzung stellt die Verbreitung des ersten futuristischen Manifests von Filippo Tommaso Marinetti (1876-1944) dar. Das als „Geburtsurkunde des italienischen Futurismus“ (van den Berg/ Fähnders 2009, 13) bezeichnete und als Gründungsdokument der künstlerischen Avantgarde geltende Manifest erschien am 20. Februar 1909 in französischer Sprache (aus dem Italienischen übersetzt) auf der Titelseite der Pariser Tageszeitung Le Figaro . Kurz darauf, im März, erschien es in Mailand und Moskau, im Mai folgte seine Publikation in Japan, im Juli in Berlin, Köln, Madrid und Buenos Aires und im August in Lissabon (vgl. ebd.). Zwar wurde der Text nicht immer im Original, sondern unter abgeändertem Titel und teilweise in gekürzter Fassung gedruckt, doch zeigt sich hier, wie stark schon zu Beginn die Bereitschaft zur internationalen Vernetzung war. Erstaunlich ist der für die damaligen Verhältnisse fortgeschrittene Sinn für Vernetzung, auch wenn er aus der Perspektive des heutigen Internetzeitalters geradezu trivial erscheint. So war es dieser Sinn für Vernetzung, der 100 Jahre später eine ähnliche Zirkulation des futuristischen Gründungsdokuments verursacht. Am 20. Februar 2009 erschien in der internationalen Tagespresse eine Fülle von Artikeln, die eben jener Veröffentlichung im Le Figaro gedachten (vgl. ebd.). Antitradicionalismo oder die künstlerische Alternative zur hegemonialen Kunst (nach van den Berg/ Fähnders 2009) erfasst das avantgardistische Grundprinzip der Erneuerung; gemeinsames Ziel aller Bewegungen ist die Revoluti- 1.3 Poesía Visual poesía de vanguardia 41 on einer als veraltet angesehenen Kunst und der Bruch mit der Tradition. Es handelt sich um die Abwendung vom bestehenden Ästhetizismus zugunsten einer neuen Kunstauffassung, der zufolge die Rollen aller Beteiligten - vom Kunstschaffenden bis zum Publikum - neu bestimmt werden müssen. Innerhalb dieser neuen Kunstästhetik soll keine Homogenität erzeugt werden. So gilt die infolge dynamischer Transgressionsprozesse typische Hybridisierung verschiedener (Kunst-)Gattungen als Grundprinzip. Die künstlerische Avantgarde beansprucht für sich eine Kombination verschiedener künstlerischer Manifestationen, sie bedeutet „aglutinamiento, asociación y combinación“ (López Gradolí 2008, 13). Darüber hinaus wird die neue Auffassung durch die eigene Entwicklung von Ismen, Proklamationen und Manifesten theoretisch gefestigt. Charakteristisch für die avantgardistischen Bewegungen sind ihre Manifeste. Meistens werden darin die Ziele der jeweiligen Bewegung proklamiert. Sie bieten daher einen theoretischen Rahmen, der im Zusammenhang mit dem künstlerischen Werk einerseits dem Leser und Betrachter einen Einblick gewährt und andererseits den Kunstschaffenden die Möglichkeit eröffnet, neben ihren Zielen ihre Position zu definieren (vgl. Asholt/ Fähnders 2005, XV). Oftmals werden auch implizit oder explizit Forderungen an die Gesellschaft formuliert, die ihrerseits mit den Mitteln der Kunst an allererster Stelle verändert beziehungsweise erneuert werden soll. Dabei ist das Manifestieren selbst ein revolutionärer, avantgardistischer Akt. Neben der radikalen Abwendung vom Ästhetizismus zeigt sich demnach auch eine Festigung durch die Veröffentlichung und Verbreitung von Manifesten in der Theorie der Künste. Obwohl das Manifest nicht nur als theoretisches Zusatzmaterial zum Kunstwerk verstanden werden darf, sondern auch als eine eigenständige Gattung zu sehen ist, dürfen die einzelnen künstlerischen Manifestationen einer avantgardistischen Bewegung nicht oder nur bedingt isoliert betrachtet werden. Asholt und Fähnders bemerken, dass Manifeste Wegweiser seien und offenbar dann geschrieben würden, wenn „das künstlerische Werk als Botschaft dem Autor nicht mehr auszureichen scheint und er über sein ästhetisches Produkt hinaus andere Weisen der Vermittlung erprobt“ (ebd., XVI). Das Manifest ist also ein Teil des Gesamtkunstwerks, dem noch literarische Texte, Malereien, Skulpturen, Theaterstücke, Aktionen etc. angehören können. Alle künstlerischen Manifestationen zusammen ergeben die Kunst der Bewegung, dabei sind sie alle gleichberechtigt. Die künstlerische Avantgarde legt großen Wert auf die Aufwertung des künstlerischen Kollektivs. Das Manifest stellt die Erklärung für Außenstehende dar und gilt daher als „ureigenes“ Medium der künstlerischen Avantgarde. Keine andere künstlerische Bewegung zuvor (und auch nicht danach) hat das Manifest so sehr geprägt wie die Avantgarde (vgl. ebd., XV). Einen Dadaismus ohne Manifest hätte es nie gegeben, betonen Asholt und Fähnders in der Einführung zu ihrer umfang- 42 1. Poesía Visual: Definition - Theorie - Typologie reichen Anthologie avantgardistischer Manifeste. Außerdem wäre kein Ismus, keine avantgardistische Zeitschrift etc. ohne Manifeste zustande kommen (vgl. ebd.). 12 Das Zielpublikum des Manifests, wie im Übrigen aller Kunstwerke, ist die gesamte Gesellschaft. Dadurch kristallisiert sich ein weiteres Grundprinzip heraus: Die Aufhebung der Trennung von Kunst und Leben. Gefordert wird eine Teilhabe der Kunst an der Gesellschaft. Sie soll Teil des Lebens eines Jeden sein. In diesem Zusammenhang führt die Neubestimmung des Verhältnisses zwischen Kunst und realem Leben auch zur Neubestimmung der Kunstschaffenden. Zudem werden die bestehenden künstlerischen Werte abgelehnt, darunter ganz besonders die „illusionäre Realitätsvergegenwärtigung“, durch Hinwendung zu einer „volkstümlichen Kultur“ (van den Berg/ Fähnders 2009, 182). Die Avantgarde wendet sich radikal von der hegemonialen Kunst ab und fordert als Alternative die Sozialisation der Kunst, in der die Rolle des Künstlers entmystifisziert werde und jeden Menschen als Künstler oder Künstlerin ansehen könne. Mit der Neubestimmung der Kunstschaffenden geht außerdem die Neubestimmung des Publikums einher: Die passive Rolle des Rezipienten oder Perzipienten wird aufgegeben und seine Funktion aufgewertet. Das Publikum wird als ein emanzipiertes Subjekt des schöpferischen Prozesses verstanden (vgl. ebd., 15). Avantgardistische Erneuerungspraktiken beruhen insbesondere auf dem Prinzip der Transgression. Mit diesem von van den Berg und Fähnders verwendeten Begriff lässt sich Hybridisierung präzise beschreiben. So schreiben sie, dass die „offene“ Struktur des Netzwerkes und des „Projektes“ der Avantgarde sich einheitlichen Beschreibungen [verweigert], stattdessen existiert eine Vielzahl von künstlerischen Praktiken, die in sich widersprüchlich bleiben bzw. bleiben können aber avantgardistische Praktiken zeigen auch eine einheitliche Tendenz, die auf Neues zielt: auf Grenzüberschreitung, Grenzverletzung, auf Transgression (van den Berg/ Fähnders 2009, 17; Hervorhebung v. d. Verf.). Transgression bedeutet Überschreitung oder Durchbrechung von Grenzen. Freilich gibt es viele Grenzen auf dem Gebiet der Künste, die überschritten werden können. Unter anderem hat die künstlerische Avantgarde, wie weiter oben im Zusammenhang mit dem internacionalismo erörtert, aufgrund ihres Prinzips der Vernetzung konkrete geografische Grenzen überschritten. Doch um das Durchbrechen der Grenzen von Kunstgattungen soll es im Folgenden gehen: Trans- 12 Die große Ausnahme unter den avantgardistischen Bewegungen bildet der Kubismus, der als Vorläufer oder Auslöser der Avantgarden noch ohne Manifeste auskommt (Asholt/ Fähnders, 2005, S. XV). 1.3 Poesía Visual poesía de vanguardia 43 gressionen zwischen Literatur, bildender Kunst, darstellender Kunst, Musik, usw. Die Grenzen der einzelnen Kunstsparten sind hierbei so weich, dass sie nicht mehr präzise zugeordnet werden können. Es entsteht ein hybrides Werk. Wird das künstlerische Ergebnis von transgressiven Praktiken als hybridisierte Kunst verstanden, können Tendenzen der Bestandteile bestimmbar sein. Folglich kann dem strukturalistischen Forschungsansatz gemäß gefragt werden: Welche Bestandteile führen durch Transgression zu welcher Hybridisierung? Oder umgekehrt: Wie lässt sich das hybride Kunstwerk in Einzelbestandteile zerlegen? Bei Hybridisierung wird oftmals von einem stärkeren Element beziehungsweise Leitelement ausgegangen. Im Falle der avantgardistischen Kunstästhetik sprechen van den Berg und Fähnders von der bildenden Kunst als Leitkunst, die ihre visuellen Neuerungen auf andere Künste überträgt und somit von ihr aus ausgehende Transgressionsprozesse verursacht (vgl. ebd.). Ein Beispiel hierfür ist die Visualisierung von Literatur. Visualisierung kann von Formästhetik bis zu absoluter Formsubstitution allerdings vieles bedeuten. 13 Aus Sicht von Rafael de Cózar sind Visualisierungen in der Literatur nicht auf Einflüsse aus der bildenden Kunst zurückzuführen, sondern als manieristische Tendenzen der avantgardistischen Dichtung und Reaktionen auf traditionelle poetische Praktiken zu sehen (1991, 370). Er bezeichnet ein formalistisches, visuell-experimentelles Bewusstsein für Sprache als „manierismo contemporáneo“ (ebd.) (mehr hierzu im Kapitel 2.2.3). 14 De Cózar betont, dass eine Verschmelzung der Künste insbesondere seit Aufkommen der künstlerischen Avantgarde im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert insoweit zu beobachten ist, als die einzelnen Gattungen nicht mehr voneinander zu unterscheiden sind. Seitdem wird Kunst als ein eigener Wertträger verstanden, der eine eigene Sprache, ein eigenes Zeichensystem verwendet, in dem verschiedene Formen von Zeichen durchaus miteinander kompatibel sind. Dieses Kunstkonzept geht über die Trennung der Künste hinaus und repräsentiert demnach ein neues Verständnis von Kunst, das spätestens mit Auftreten der segunda vanguardia in der Praxis der hier zur Rede stehenden Poesía Visual als vollendet verstanden werden kann (vgl. ebd., 380). Im Hinblick auf die Visuelle Poesie ist neben dem Aspekt der Hybridität auch jener der Simultanität interessant, der, durch das Zerbrechen des Diskursiven 13 Substitution bedeutet hier die Ablösung eines Mediums durch ein anderes, beispielsweise die Verwendung eines Bildes anstelle eines Wortes. 14 Den manieristischen Charakter der avantgardistischen Dichtung begrenzt de Cózar nicht auf die visuelle Ebene. Deshalb schreibt er von „la vaguardia, como la etapa manierista por excelencia“. Er bezieht sich u. a. auf die Mathematisierung der Literatur, wie beispielsweise von der Gruppe OuLipo betrieben (ebd.). 44 1. Poesía Visual: Definition - Theorie - Typologie vor allem in Arbeiten von Kubismus und Futurismus, die frühe Avantgarde gekennzeichnet hat (vgl. Kapitel 2.4). Diese verfolgte das künstlerische Ziel abgleitet von der Geschwindigkeit des modernen Großstadtlebens der simultanen Darstellung paralleler Räume und linearer Zeitstrukturen. Durch die Kombination verschiedener Perspektiven desselben Objekts wurde versucht, dem Perzipienten nicht nur mehrere Sichtweisen, sondern auch mehrere Momente sukzessiver Wahrnehmung simultan anzubieten. In der Dichtung, dem diskursiven Text, versuchte Guillaume Apollinaire anhand sprachlicher Analogien, Simultanität auf Papier zu erzeugen. Doch vollständig gelang ihm das Moment der Simultanität erst in seinen visuellen Gedichten durch Kombination von Schrift und bildlichen Elementen. In der Poesía Visual ist das Prinzip der Simultanität in Collages und kombinatorische Verfahren von Bild- und Textmaterial wiederzufinden, obwohl der Anspruch auf Simultanität für die heutige Zeit nicht mehr im gleichen Maße geltend gemacht werden kann. Denn moderne Verfahren der Fotografie (insbesondere der Digitalfotografie) machen Aufnahmen von simultan wahrgenommen Momenten in einer Form möglich, wie sie den frühen Avantgardisten nicht zur Verfügung standen. Daher ist das Bedürfnis nach Simultanität in der Weise nicht mehr gegeben. Dennoch sind folgende Aspekte für das weitere vertiefende Verständnis von poemas visuales relevant: Visuelle Gedichte des Kubismus, Futurismus und auch Dadaismus sind aus der Aufgabe heraus, Simultanität darzustellen, überhaupt erst entstanden (vgl. van den Berg/ Fähnders 2009, 303). Die formale Beschaffenheit des visuellen Gedichtes, die sich vor allem anhand der auf einen Blick wahrnehmbaren (visuellen) Darstellung einer poetischen Aussage beschreiben lässt, bietet den optimalen Rahmen für die Umsetzung von Simultanität in der Dichtung. Im Vergleich zu diskursiven Texten oder Bildfolgen, die sukzessiv präsentiert werden, sind visuelle Gedichte faktisch immer simultan dargestellt. In diesem Zusammenhang kann auf den Begriff und das avantgardistische Ziel zurückgegriffen werden, wenn visuelle Gedichte als bildliche Darstellung gegenüber der sukzessiven Wiedergabe, insbesondere im Lese- und Lernprozess, benannt und untersucht werden. Inwiefern Simultanität, anders als Sukzession, im Leseprozess von Bedeutung und diese Erkenntnis auf poemas visuales im Spanischunterricht anzuwenden ist, wird im Teil II behandelt. 1.3 Poesía Visual poesía de vanguardia 45 1.3.2 Die aktuelle Poesía Visual 1.3.2.1 Die Szene Das Phänomen der „sozialen Kohäsion und Gruppenbildung im kulturellen Feld“ (van den Berg/ Fähnders 2009, 1) setzt sich als Erbe der Avantgarde in der zeitgenössischen Poesía Visual fort. So kennzeichnet sich diese durch Vernetzungen mit außerinstitutionellen Kulturen, die Bildung und Bedeutung von Kollektiven, eine extrem heterogene Autorenschaft, die Aufhebung von Kunst und Leben und die Abgrenzung von einer als elitär empfundenen traditionellen Rezipientengruppe. Zudem hat sich die Verbindlichkeit globaler Vernetzungen, im Sinne des internacionalismo (vgl. Kapitel 1.3.1), im Zeitalter der audio-visuell gesteuerten medialen Welt und des Internets zugespitzt. Daraus hat sich eine Art globale Kollektivität herausgebildet. Poemas visuales werden nicht mehr nur in gedruckten Anthologien verbreitet oder in begehbaren Ausstellungen der Öffentlichkeit zugänglich gemacht, sondern auch im Internet veröffentlicht. Geht man den Fragen nach, wo und besonders wie Poesía Visual in Erscheinung tritt, kann das Internet nicht außen vor gelassen werden. Das globale Netzwerk stellt den (wenn auch virtuellen) öffentlichen Raum dar, der nicht nur vollkommen unabhängig von geografischen Entfernungen zwischen Autorinnen und Autoren und anderen Mitwirkenden frequentiert werden kann, sondern auch sichtbar genutzt und gepflegt wird. In diesem Zusammenhang ist es durchaus angebracht, von einer Szene zu sprechen, die sich um ganz bestimmte Kernpunkte herum entwickelt. Im Unterschied zu den ersten Jahren der Poesía Visual (1963-1984), in denen insbesondere geschlossene Kollektive (beispielsweise grupo N.O. ) unter Hervorhebung einzelner Individuen zu beobachten sind (vgl. Kapitel 2.5.2.2), entwickeln sich mit Nutzung des Internet zunehmend auch Kollektive zu offenen Gruppierungen, die sich virtuell vernetzen und von Außenstehenden betretbar sind - etwa in sozialen Netzwerken wie Facebook, auf einschlägigen Webseiten, in Blogs oder auf Videoportalen wie Youtube, Vimeo etc. Am Beispiel von Facebook erscheinen neben den Einzelprofilen und Chroniken von poetas auch eingerichtete Gruppen oder spezielle Veranstaltungsprofile, die (wie beispielsweise Boek Visual , Editorial Corona del Sur , VisualizArte Poesía Visual ) 15 die Kunstschaffenden und Dichterinnen und Dichter miteinander vernetzen und ihnen als kommunikative und informative Plattformen dienen. Geschlossene Kollektive sind meist nicht öffentlich zugänglich, lediglich die Produkte, die daraus entstehen (Ausstellungen, Sammlungen, Zeitschriften etc.) - jedoch nicht immer. 15 Online einzusehen unter: https: / / www.facebook.com/ editorial.coronadelsur, https: / / www.facebook.com/ boek.visual, https: / / www.facebook.com/ visualizarte.poesiavisual (zuletzt geprüft am 17.08.2017) 46 1. Poesía Visual: Definition - Theorie - Typologie Ein gutes Beispiel sind die revistas visuales oder revistas ensambladas . Es handelt sich hierbei um künstlerisch-poetische (Online-)Zeitschriften, die eine Gruppe oder manchmal auch ein einzelner Dichter, in Eigeninitiative und Eigenfinanzierung zusammenstellt. Diese Zeitschriften sind nicht selten öffentlich unzugänglich und richten sich lediglich an die teilnehmenden Dichterinnen und Dichter. Manche sind im Internet einsehbar oder können kontaktiert werden, wie zum Beispiel Revista Laurel oder Lalata - revista ensamblada . 16 Das Internet bietet eine Menge Möglichkeiten zur Vernetzung; auch auf Webseiten (wie beispielsweise www.boek861.com), in Blogs oder, bei geschlossenen Anlässen, über Mail-Verteiler können bestimmte Informationen in bestimmten Kreisen kursieren. Alle Formate, die das globale Netzwerk bietet, werden genutzt. Allein die Eingabe des Begriffs Poesía Visual in der gängigsten Onlinesuchmaschine google.es zeigt das Ausmaß der visuell-poetischen Landschaft, die kaum mehr zu überblicken ist. Dass außerdem das Interesse an Poesía Visual im Internet in den letzten Jahren gestiegen ist und auch die Aktivisten in diesem Bereich zugenommen haben, lässt sich an zwei Beobachtungen festmachen. Zum einen sind die Einträge im World Wide Web, die von der zurzeit gängigsten Suchmaschine google.es gelistet und anzeigt werden, in verschiedenen zeitlichen Abständen rasant gestiegen. Dieser Umstand wird sich mit der Zeit noch deutlich verstärken, da erstens, Suchmaschinen immer leistungsstärker werden und zweitens, zunehmend mehr Material ins Internet hochgeladen wird. Am 13.03.2013 errechnete google.es unter Eingabe des Stichworts „poesía visual“ 513 000 Ergebnisse in 0,22 Sekunden, wenige Wochen später, am 02.05.2013, waren es bereits 947 000 Ergebnisse in 0,29 Sekunden, über ein Jahr später, am 04.10.2014, waren es über 4 Millionen Ergebnisse („ungefähr 4 390 000 Ergebnisse in 0,16 Sekunden“). Weitere Anzeichen offenbart der spanische Wikipedia- Artikel zu „Poesía Visual“: Vom Zeitpunkt seiner Erstellung am 22.04.2006 mit 483 Zeichen (einschließlich Leerzeichen; 526 Bytes) ist er bis zu seiner Änderung am 12.09.2014 auf 15 689 Zeichen (einschließlich Leerzeichen; 17 516 Bytes) gewachsen. Selbst für Theoretiker und Aktivisten ist das Feld der Poesía Visual dermaßen unbeständig und unübersichtlich, dass in immer wieder neuen Dokumentationen in verschiedenen Formaten (Monografie, Archiv, Website) der Versuch unternommen wird, alle erdenklichen Veranstaltungen (Ausstellungen, Tagungen, Vorträge etc.) und Veröffentlichungen (Monografien, Anthologien, Kataloge, Zeitschriften, Onlineportale etc.) zusammenzutragen (vgl. u. a. Morales Prado 2004; Orihuela 2007a, 2007b; Peralto 2012). 16 Online einzusehen unter: http: / / revistalaurel.blogspot.de/ , http: / / www.lalata.es/ (zuletzt geprüft am 22.08.2017) 1.3 Poesía Visual poesía de vanguardia 47 Bei der Recherche von poemas visuales im Internet stellt die Verifizierung zuverlässiger Quellen durchaus eine nicht unerhebliche Aufgabe dar. Die einschlägigen Homepages zur Poesía Visual und die Blogs der poetas visuales sind jedoch in der Regel in einem Hypertext miteinander vernetzt, sodass anhand der Verlinkungen den Verbindungen zu entsprechenden anderen Internetseiten ein Zusammenhang überprüft und nachgegangen werden kann (wie auch den Verweisen auf gedruckte Veröffentlichungen und Veranstaltungen zum Thema Poesía Visual). Die Befürchtung, dass es sich bei manchen Ergebnissen um Amateurproduktionen handeln könnte, ist allerdings unbegründet, da dies im Rahmen der Poesía Visual keineswegs als Gefahr verstanden werden darf. Im Gegenteil: Das Selbstverständnis der Poesía Visual als avantgardistische Dichtung impliziert, sich ausdrücklich von einem selektiven, gar elitären Anspruch im poetischen Schaffen zu distanzieren (siehe hierzu Kapitel 1.3.2.2). Hervorzuheben sind die im Folgenden aufgelisteten Quellen, die die Szene der Poesía Visual aus unterschiedlichen Perspektiven beleuchten und ihre Heterogenität und Vielfalt widerspiegeln. Es handelt sich um gedruckte Veröffentlichungen (Anthologie und Katalog), Onlinepublikationen (einschlägige Webseiten, Onlinezeitschrift und Blog), entsprechende Einrichtungen und Archive (Bibliothek und Artothek). Als gedruckte Publikationen wurden folgende Quellen genutzt: Die beiden aufeinanderfolgenden Anthologien visuell-poetischer Texte Poesía Visual Española - Antología incompleta und Poesía Experimental Española - Antología incompleta (López Gradolí 2007, respektive 2012) sowie die Anthologie Visual Libros (2001-2011) (Peralto 2012). Die meistgenutzte Quelle waren die Ausstellungskataloge des seit 2002 jährlich stattfindenden Preisausschreibens Premio de Poesía Experimental des Departamento de Publicaciones von der Diputación de Badajoz , die sowohl online als auch in gedruckter Fassung verfügbar sind. In Zusammenarbeit mit Antonio Gómez macht es sich das Kulturbüro von Badajoz mit diesem premio und der Archivierung der eingeschickten Gedichte zur Aufgabe, eine „visión real de la intensa actividad que este importante colectivo de poetas, pintores, fotógrafos, diseñadores, etc. vienen desarrollando desde finales de los años ochenta“ (dip-badajoz.es/ publicaciones/ poesia/ [14.04.2013]) zu vermitteln. Berücksichtigt wurden die Kataloge von 2002 bis einschließlich 2012, ferner die Ausstellungskataloge Bverso Brossa vom Instituto Cervantes (Bordons 2008) und Fragmentos de Entusiasmo. Antología de Poesía Visual Española 1964-2006 (Orihuela 2007). Als Onlineportal wurde BOEK861 (boek861.com [02.05.2013]) herangezogen, das die umfangreichste Sammlung von Dokumenten, Primär- und Sekundärtexten, Informationen zu Ausstellungen, Ausschreibungen, Autoren etc. bündelt und online verfügbar macht. Auch die Onlinezeitschrift des Centro de Docu- 48 1. Poesía Visual: Definition - Theorie - Typologie mentación de Poesía Visual de España (CPV) , Peñarroya-Pueblonuevo (centrodepoesiavisual.blogspot.de [06.09.2017]), und das Onlinearchiv der Fundació Joan Brossa (fundaciojoanbrossa.cat [06.09.2017]) wurden für das Herunterladen von poemas visuales genutzt, außerdem die persönlichen Blogs oder Onlinearchive der Autorin Claudia Quade Frau (claudiaquadefrau.com [02.05.2013, aktuell nicht mehr verfügbar]) beziehungsweise der Autoren Miguel Agudo Orozco (miguelagudo.es [09.06.2017]), Manuel Calvarro (manuelcalvarro.com [03.03.2016, aktuell nicht mehr verfügbar]), Fernando Costa Adrián (fernandopoesiavisual.blogspot.de [09.06.2017]) und Joaquín Gómez Ferreira (ventanadigital.com/ saladeexposiciones [03.03.2016, aktuell nicht mehr verfügbar]). Als institutionelle Einrichtung ist das CPV (Centro de Documentación de Poesía Visual) in Peñarroya-Pueblonuevo (Córdoba) zu nennen, in dessen Bibliothek und Archiv zahlreiche Originale zu finden sind. Dort wird auch die vierteljährlich erscheinende Zeitschrift „Veneno“ (nur für Mitglieder des CPV erhältlich) veröffentlicht, deren Druck aufgrund der in Spanien herrschenden Wirtschaftskrise indes vorübergehend eingestellt werden musste. Für die vorliegende Studie wurden die Ausgaben von Oktober 2005 (Veneno n° 151) bis April 2011 (Veneno n° 173) herangezogen. Das Internet und das digitale Werkzeug haben die Poesía Visual ab den 1990er Jahren stark beeinflusst und verändert. Dies gilt nicht nur in Bezug auf die Vernetzung der Kollektive. Das Gestalten und Veröffentlichen von poemas visuales ist seit dem Aufkommen digitaler Foto- und Videokameras und des Internets sehr viel bequemer, unproblematischer und ökonomischer geworden. Zudem sind Veröffentlichungen im Internet meistens kostenlos. Dementsprechend heterogen und undurchsichtig fällt die Verbreitung von poemas visuales aus. Es ist nicht einfach, als nicht zum Kollektiv gehörende Person, einen Zugang zu den diversen Online-Plattformen oder auch zu Zeitschriften und Originalgedichten zu finden. Andererseits erfährt die Poesía Visual auch eine öffentliche, institutionelle Verbreitung, beispielsweise durch das Instituto Cervantes , die Biblioteca Nacional oder das Museo Reina Sofía . Zu unterscheiden ist zwischen einer öffentlichen Kultur der Poesía Visual, aufgrund derer Dokumente oder Zutritte (Ausstellungen) und Produkte (Zeitschriften, Kataloge etc.) käuflich zu erwerben oder öffentlich zugänglich sind (Bibliotheken, Webseiten, Blogs), und einer nicht-öffentlichen außerinstitutionellen Kultur. Im Sinne des antitradicionalismo hat sich zudem im unmittelbaren Zusammenhang mit der globalen Kollektivität eine beträchtliche Heterogenität in der Autorenschaft herausgebildet. Visuelle Poeten können (um einige Beispiele zu nennen) Fotografen (Chema Madoz), Literaten ( Julián Alonso), Performancekünstler (Antonio Gómez), Grafikdesignerinnen (Claudia Quade Frau), bildende Künstler (Francisco Aliseda) und vieles mehr sein. Meistens sind sie, wie avant- 1.3 Poesía Visual poesía de vanguardia 49 gardistische Künstler häufig, doppel- oder mehrfachbegabt und intervenieren gleichzeitig in verschiedenen künstlerischen Projekten. Dieser Umstand potenziert die Hybridität und Intermedialität von poemas visuales . So erscheint die künstlerische Verwendung und Einarbeitung verschiedener medialer Ausdrucksformen einleuchtend. Es ergibt sich ein heterogenes Gesamtbild von visuell-poetischen Werkzeugen, von der Schriftsprache bis zu realen Objekten, damit einhergehend eine Diversität von Präsentationsformaten - von schriftsymbolischen Gedichten über auf Papier gestalteten Collagen und skulpturähnlichen Objekten bis hin zur digitalen Fotografie -, die schließlich zu unterschiedlichen Verbreitungsmodi führen von der begehbaren Ausstellung bis zur digitalen Anthologie. Heterogenität der Autorenschaft begrenzt sich nicht nur auf die künstlerischen Tätigkeitsfelder, sondern bezieht sich ebenso auf viele andere Faktoren wie etwa Alter, Herkunft, Motivation etc. Dabei wird angestrebt, die Trennung von Kunst und Leben aufzuheben (vgl. Fernández Serrato 1995b, 55). So schreiben Fernando Millán und Jesus García Sánchez hinsichtlich ihrer präsentierten Anthologie: [Q]ueremos únicamente hacer notar que las obras y los autores aquí reunidos remiten en gran parte a experiencias y conceptos de la vida excesivamente próximos y palpitantes para la cultura oficial; por ello los juicios de valor, o las teorizaciones tradicionales de ésta, únicamente pueden ser útiles para una más perfecta confusión. Las claves de este libro están menos en otros que en la experiencia personal y comunitaria de cada cual; menos en las teorías estéticas que en una nueva forma de percibir -y vivirla poesía y el arte. (Millán/ García Sánchez 2005 [1975], 12) Die Autoren wollen im Namen der in ihrer Anthologie aufgeführten Dichterinnen und Dichter bewusst Nähe zum gesellschaftlichen Geschehen halten und distanzieren sich explizit von einem selektiven Anspruch im poetischen Schaffen. Sie fordern an anderer Stelle ein, dass jedes visuelle Gedicht angenommen werde und somit auch jeder Mensch als Dichter akzeptiert werden könne. Ein Beispiel für die demokratische Idee des Dichters ist die Revista Laurel , in der der Herausgeber und Dichter Francisco Aliseda bewusst möglichst viele verschiedene Menschen dazu einlädt, poemas objeto zu kreieren. Ein anderes Beispiel ist der Premio de Poesía Experimental , der von der Diputación de Badajoz ausgeschrieben wird und an dem sowohl renommierte Dichterinnen und Dichter als auch beispielsweise Schüler und Schülerinnen teilnehmen. Alle eingesendeten Werke werden nach denselben Kriterien bewertet. 50 1. Poesía Visual: Definition - Theorie - Typologie 1.3.2.2 Die Innenperspektive: poética interna In den vorangehenden Kapiteln stand insbesondere die begriffliche und phänomenologische Betrachtung der Poesía Visual im Vordergrund. Dabei wurden bestimmte Charakteristika des Werkes, das poema visual , ansatzweise angeführt. Im Folgenden soll es explizit um die Poetik und die Formspezifik des visuellpoetischen Textes gehen. Von der Innenperspektive einiger Akteure ausgehend, einer poética interna , die als Teil des poetischen Gesamtwerkes verstanden werden kann, wird in den darauffolgenden Kapiteln das poema visual genauer in den Blick genommen. Als Poetik kann im Allgemeinen die Reflexion über Entstehung, Wesen, Formen, Wirkung und Funktion von Dichtung bezeichnet werden (vgl. Zymner 2007b, 592). Die Betrachtung der Poetik im Hinblick auf die Poesía Visual im Vergleich zur poesía de vanguardia erscheint aufgrund folgender Zusammenhänge relevant: Erstens sind „selbstständige Poetiken“ (ebd.), sogenannte poéticas internas (vgl. Fernández Serrato 1995a, 1995b, 2005), häufig zu beobachten und werden meist in manifestartigen Positionen oder in Prologen von Anthologien (beispielsweise Millán/ García Sánchez 2005 [1975]; López Gradolí 2007, 2012; Peralto 2012; Reglero 2013) explizit als solche deklariert; zweitens ist diese Praxis auf die vanguardia zurückzuführen, in der in Manifesten und Proklamationen Überlegungen sowohl über Wesen, Wirkung und Funktion als auch über Verfahren und Klassifizierungen angestellt werden. Erkenntnisse aus der poética interna geben Aufschluss über das Eigen- und Selbstverständnis der Poesía Visual sowie Anhaltspunkte über Entstehungsprozesse von poemas visuales (vgl. Fernández Serrato 1995b, 55). So fasste der Dichter César Reglero in Sobre-poéticas-visuales-o-la-dificultad-de-las-definiciones eine Innenperspektive der Poesía Visual zusammen (2013). Dabei stützt er sich ausschließlich auf Selbst poetiken 17 und -definitionen von Dichterinnen und Dichter. Allerdings handelt es sich hier weniger um eine wissenschaftliche Zuordnung und Analyse der Vorgehensweisen als vielmehr um die kreative und freie Darstellung eines Mitwirkenden. Auch die Stellungnahmen der im Rahmen dieser Forschungsarbeit interviewten Dichterinnen und Dichter ( Entrevistas a poetas visuales españoles , siehe Anhang 1) liefern Erkenntnisse über das Selbstverständnis der aktuellen Poesía Visual. Die Interviews wurden mit dem Ziel gehalten, einen Einblick in die Anschauungen aktueller Dichterinnen und Dichter zu bekommen, ohne dabei eine literaturwissenschaftlich tiefergehende Analyse der Stellungnahmen zu verfol- 17 Unter Selbstpoetik verstehe ich eine Eigenreflexion der Dichterinnen und Dichter über ihre poetische Praxis. Solche lassen sich in Anthologien oftmals als freie Textformen neben biografischen Angaben zu den Autoren finden (vgl. beispielsweise López Gradolí 2007 u. 2012). 1.3 Poesía Visual poesía de vanguardia 51 gen. Es wurden fünfundzwanzig Dichterinnen und Dichter angeschrieben, deren poemas Teil des Korpus darstellen. Von ihnen haben vierzehn (zwölf Dichter und zwei Dichterinnen) dem Interview zugestimmt und die Fragen schriftlich (digital) beantwortet; zwei haben der Veröffentlichung ihrer Stellungnahmen nicht zugestimmt. Es kristallisierten sich zwei Aspekte aus den Stellungnahmen heraus, die zum einen bereits bei Reglero (2013) nachzulesen sind und zum anderen für die gattungstheoretischen (insb. Kapitel 1.4 und 1.5) sowie gattungshistorischen (Kapitel 2) Untersuchungen von Belang sind: erstens der Zusammenhang zur avantgardistischen Denkweise und zweitens die Beschreibungen zu den eigenen Entstehungsprozessen und Gestaltungsformen von visuell-poetischen Texten. So sind in den Stellungnahmen eindeutige Bekenntnisse zu den Grundzügen der vanguardia festzustellen (vgl. Entrevistas : Francisco Aliseda, Francisco Peralto, Julián Alonso, siehe Anhang 1). Dass die Poesía Visual an die avantgardistische Kunstidee anschließt, wird bereits durch den Antrieb deutlich, überhaupt innenperspektivische Definitionen zu äußern (wie ebenfalls bei Reglero 2013). Interessant ist ferner, dass gleichzeitig mit dem Gedanken an eine mögliche Definition stets angemerkt wird, dass Poesía Visual nur bedingt definierbar sei (vgl. ebd.; Aliseda, Frage 2; Jáuregui, Frage 2; Joaquín Gómez, Frage 1). Obwohl der Eindruck entsteht, dass durch die Definitionsversuche der Dichterinnen und Dichter weniger Klarheit als Konfusion geschaffen wird, helfen ihre Gedanken zu verstehen, auf welcher Linie sie sich selbst sehen. Die Infragestellung von Definitionen stützt sich auf die Prämissen der Avantgarde, deren Anhänger Kunst ganz bewusst von Kategorien und Determinationen zu befreien suchen und sich an der Erschaffung eines Gesamtkunstwerkes, im Spanischen arte total , orientieren (vgl. auch Entrevista Peralto, Frage 6). Reglero beschreibt diesen Aspekt unter „el mestizaje de las zonas fronterizas: un camino hacia un arte total“ und erklärt, dass Poesía Visual keineswegs nur als „un terreno fronterizo entre la literatura y la plástica“ gesehen werden darf (Reglero 2013, 17). Vielmehr verbinde sie sich ebenso mit anderen Elementen, beispielsweise „la acción“ und „lo sonoro“ (ebd. 18). Die Aussagen der poetas visuales lassen auf einen direkten Zusammenhang zu einem weiten Verständnis von Kunst, die keine Grenzen kennt, schließen. Entweder wird auf abstrakte Weise lediglich geäußert, dass verschiedene künstlerische Disziplinen das visuelle Gedicht ausmachen, wie es Antonio Gómez formuliert: „Las distintas disciplinas poéticas coexisten independientes y en algunas ocasiones de una manera anárquica“ ( Entrevista Antonio Gómez, Frage 2). Oder es wird konkret über „la aceptación de la poesía visual como una disciplina autónoma, independiente tanto del arte como de la literatura situándola en una posición híbrida entre ambas“ ( Entrevista Juan José Ruiz Fernández, Fra- 52 1. Poesía Visual: Definition - Theorie - Typologie ge 7), der Poesía Visual als „unabhängige“ und hybride Kunstform gesprochen. Unverkennbar ist hier die bereits von der klassischen Avantgarde propagierte „künstlerische Alternative zur hegemonialen Kunst“ (van den Berg/ Fähnders 2009, 1; Kapitel 1.3.1.), die darauf zielt, die Grenzen der Künste zu überschreiten, sodass hybride Kunstwerke entstehen. Interessant erscheinen zudem die Äußerungen der Befragten zum Phänomen der „Poesía Visual Española“ ( Entrevista , Fragebogen, Frage 1), aus denen fast ausnahmslos hervorgeht, dass die Dichterinnen und Dichter eine nationale Spezifik der visuellen Poesie als nicht zutreffend betrachten und dagegen sogar darauf bestehen, dass die Poesía Visual als „en gran medida universal“ verstanden wird „y en ese sentido sería equiparable [..] a la de cualquier otra parte del mundo“ ( Entrevista Juan Rosco Madruga, Frage 1). Hier könnte wieder der avantgardistische Hintergrund die Ursache für das Verständnis des „idoma universal“ ( Entrevista Francisco Peralto, Frage 2) als die Sprache der Poesía Visual sein. Allerdings können genauso anti-nationalistische Haltungen, die in künstlerisch-intellektuellen Kreisen Usus sind, die Dichterinnen und Dichter zu ihren Äußerungen bewegt haben. In den Stellungnahmen geben die Dichterinnen und Dichter in den Antworten auf Frage 6 ( En pocas palabras: ¿podrías describir tu poética? , Fragebogen, Anhang 1) teilweise sehr ausführlich Auskunft über ihre poetischen Prinzipien. Zu finden sind Anhaltspunkte über die Charakteristik des visuell-poetischen Textes, die mit der im Kapitel 1.1 vorgestellten Definition von Joan Brossa durchaus übereinstimmen. So wird die Vermittlung einer Botschaft ˗ im Sinne Brossas ˗ mehrmals betont, „importante [es] el mensaje“ , schreibt Joaquín Gómez; eine Botschaft, die durch visuelle Gestaltungstechnik den Rezipienten außerdem besonders rasch erreichen soll: „que éste [el lector] pueda entender o al menos intuir el significado del poema con un solo golpe de vista“ ( Julián Alonso, Hervorhebung v. d. Verf.). Verstanden werden poemas visuales ferner als Kürzesttexte, so beschreibt Julia Otxoa das poema objeto als „ese lenguaje visual de la brevedad“. Die brevedad wird durch die Kombinationsmöglichkeiten von Schrift, Bild und Gegenstand erreicht, wodurch eine „correspondencia lúdica e irónica de analogías y yuxtaposiciones inesperadas, un tipo de pensamiento combinatorio e iconoclasta“ ( Julia Otxoa) erzeugt werden kann. Dabei wird das Visuelle, das Bildliche als vielfache Gestaltungsmöglichkeit erklärt, dazu zählt Francisco Peralto “[…] la forma / + la letra / + el color / + los textos / + la fotografía / + el espacio / + los blancos / + el dibujo / + la caligrafía […]”. Über seine „poesía visual“ erläutert Juan López de Ael „es más bien figurativa en el sentido de ‘hacer ver’ y entender un mensaje“ . Die zur Verfügung stehenden Instrumente, seien es schriftsymbolische, bildliche oder gegenständliche, werden auf eine bestimmte Weise miteinander kombiniert, sodass neue Sinnzusammen- 1.4 Das poema visual 53 hänge und dadurch eine poetische Botschaft entstehen. Bei Juan Rosco Madruga handelt es sich um “la búsqueda de objetos de cuya combinación con otro objeto o contexto, surja la chispa reactiva de la significación”, bei ihm nicht selten mit sozialkritischen Absichten („intención de denuncia social“) verbunden. Joaquín Gómez sucht weniger die Kritik an der Gesellschaft als das für ihn erstaunliche Ergebnis dekontextualisierter Kombinationen: „es a través de los objetos, las cosas, cuanto más distintos y distantes sean, mayor será el impacto visual en el espectador“. Dekontextualisierung und Kombination sind die Prinzipien der Poesía Visual, insbesondere der poesía objeto (siehe hierzu Kapitel 1.5.4). „Descontextualizar las imágenes” beschreibt Juan José Ruiz Fernández „para darles nuevos significados a través del juego, el humor, la ironía, la crítica […]“. Die imágenes , werden oftmals zufällig angetroffen, denn darin stimmen mehrere Aussagen überein: „Vivimos rodeados de imágenes“ ( Juan José Ruiz Fernández). Es gilt sie zu entdecken und daraus poetische Texte zu kreieren, “la realidad que nos rodea nos regala el poema. Sólo hay que verlo” (Francisco Aliseda). Aus den Beschreibungen der Dichterinnen und Dichter über ihre Beschäftigung mit Poesía Visual lässt sich eine Gemeinsamkeit beobachten: Alle Akteure verbindet eine Art spontane Bereitschaft zur Suche und Entdeckung von Gegenständen, Bildern oder schriftsymbolischen Texten, die dekontextualisiert zu einem neuen, oftmals (aber nicht immer) intendierten Sinn, einer poetischen Botschaft kombiniert werden. Antonio Gómez definiert die Poesía Visual deshalb treffend als eine „poesía espontánea“. 1.4 Das poema visual 1.4.1 Hybrid und Intermedium Die Poesía Visual wird als hybride und intermediale Gattung definiert, demgemäß das poema visual als Hybrid und Intermedium (vgl. López Fernández 2008, 1). Hauptsächliche Bestandteile der Mischung sind Literatur und bildende Kunst beziehungsweise die medialen Darstellungsformen Schrift und Bild. In der Theorie der Visuellen Poesie ist diesbezüglich von „synthesis of painting and poetry“ (Bohn 1986, 2) respektive „Synthese von Bild und Text“ (Ernst 2002, VII) die Rede. Aus dem Begriff Hybrid - ein aus Kreuzungen hervorgehendes Produkt - abgeleitet, bedeutet Hybridität Mischung. Angewandt auf künstlerische Artefakte bilden hybride Gattungen, sogenannte Mischformen, neue Kunstformen, die aus der Kombination mindestens zweier unterschiedlicher Medien entstehen (Burdorf et al. 2007, 505). Theoretische Untersuchungen hybrider Gattungen wurden vorwiegend im Kontext der künstlerischen Avantgarden entwickelt, 54 1. Poesía Visual: Definition - Theorie - Typologie da die Verschmelzung der Künste wie mehrfach ausgeführt dort Zielsetzung ist. Im Hinblick auf literarische Werke wird mit Hybridität die Formstruktur des Textes beschrieben, denn in hybriden Texten sind allgemein die charakteristischen Merkmale eines jeden Mediums stets materiell repräsentiert. Das bedeutet, dass die formale Konstitution des hybriden Textes maßgeblich von der materiellen Repräsentation der einzelnen Bestandteile bestimmt wird. Angemessener als die Begriffe Synthese oder Verschmelzung, die vornehmlich den Mechanismus der Zusammensetzung beschreiben, zielt der Begriff Hybridität auf die Komplexität und Vielschichtigkeit der Bestandteile. Es bedeutet in diesem Zusammenhang, dass die heterogenen Bestandteile vereint existieren, sie nicht mehr präzise voneinander zu trennen sind. Allerdings ist Hybridität in poemas visuales keineswegs nur in der zweigeteilten Kategorie Bild oder Schrift zu betrachten. Vielmehr bedeutet hibridez , im Sinne einer hibridez formal, die Mischung vieler verschiedener sprachlicher (und bildlicher) Elemente: El poema visual se compone de un lenguaje de lenguajes o, dicho de otro modo, de lenguajes integrados, es decir, lenguajes formados a su vez por sistemas de significación -fotografía, geometría, lenguaje numérico, alfabético, cromático, etc. El significado en un poema visual no opera a partir de la descodificación de un único lenguaje sino de la transcodificación de varios lenguajes y códigos diferentes - cromatismo, geometría, plasticidad, textura, iconos, grafías […]. (López Fernández 2008, 4) Dennoch ist die Fokussierung auf die Hauptbestandteile, Schrift und Bild, insbesondere aus einer intermedialen Perspektive interessant. Wie kombinieren sich Schrift und Bild im poema visual und wie wirken sie sich gemeinsam auf die Gesamtaussage des Textes aus? Diese Frage, wie sich medial unterschiedliche Künste in einem Gesamtkunstwerk aufeinander beziehen, wie sie dialogieren oder sich gegebenenfalls beeinflussen, wird unter dem Begriff der Intermedialität gefasst. Sie bezeichnet im Allgemeinen die formale oder inhaltliche Bezugnahme medial differenter Künste (vgl. Schmitz-Emans 2007, 355). Durch Hybridisierung verschiedener Künste werden Kunstwerke erzeugt, die von vornherein intermedial sind, so beispielsweise visuelle Gedichte. Dabei wird zwischen intermedialen „Transformations- und Kombinationsprozessen“ (ebd.) unterschieden. Transformation bedeutet entweder die inhaltliche oder formale Übernahme von einem ins andere Medium oder die thematische Referenz eines Mediums auf ein anderes. Kombination bezeichnet dagegen eine Medienmischung - weniger im Sinne einer Verschmelzung als im Sinne einer zusammenwirkenden Darstellung im selben Produkt. Bezüglich der Poesía Visual wird Intermedialität als intermedialer Kombinationsprozess verstanden. Primär geht es im poema visual um Wirkung und Funktion von Schrift und Bild als Kombination. 1.4 Das poema visual 55 Das poema visual ist ein Intermedium, weil es in seiner Form die medialen Darstellungen Bild und Schrift miteinander kombiniert. Poemas visuales sind „Seh-Texte“ wie sie Christina Weiss (1984, 16) definiert -, die „in gleicher Weise mit bildnerischen wie mit sprachlichen Mitteln arbeiten“ (ebd.). Sie sind poetische Texte, die aus Wörtern und Bildern bestehen, Texte, die zwischen Bild und Schrift „nicht zu trennen brauchen, sondern ihre Aussagekraft aus beiden Medien beziehen“ (ebd., 13). Sie verwenden ebenso Bild wie Schrift als Darstellungs- und Ausdrucksmedium und konstituieren erst in ihrer Kombination einen Sinn. Das wichtige Gattungsmerkmal für eine didaktische Transformation ist die Intermedialität. Die vielfältigen Darstellungsweisen der schriftlichen und bildlichen Zeichen sind insofern didaktisch relevant, als sie allein durch ihre formale Beschaffenheit zusätzliche Bedeutung generieren. Indem die Unterschiede von Schrift und Bild erfasst werden, ergibt sich nicht nur eine Bewusstmachung ihrer jeweiligen Charaktereigenschaften, sondern eröffnet sich überdies die Möglichkeit einer genaueren Bestimmung der Schnittmengen und ihres Zusammenwirkens. Dafür wird die Unterschiedlichkeit von Schrift und Bild strukturalistisch-semiotisch analysiert. Die strukturalistische Betrachtung erlaubt es, formale Aspekte zu unterscheiden. Gemeint sind Kombination und Relation von Schrift und Bild im poemas visual . Auf die strukturalistische Semiotik wird zurückgegriffen, um schriftliche und bildliche Zeichen zu bestimmen sowie deren gemeinsame Funktion im poema visual zu beschreiben (vgl. Fernández Serrato 1995b, 8). Die didaktisch ausgelegte Analyse des intermedialen Zusammenspiels im poema visual sowie weitere fremdsprachendidaktische Konsequenzen werden für den Umgang mit poemas visuales im Spanischunterricht im zweiten Teil der Dissertation vertiefend dargestellt. Im Folgenden gilt es die formale kombinatorische Intermedialität im poema visual zu bestimmen und strukturalistisch-semiotische Untersuchungen bereitzustellen, auf denen spätere didaktische Schlussfolgerungen gründen. Dabei wird besonders viel Raum der Eigenschaft des ikonischen Zeichens gegeben, weil es bislang in (fremdsprachen-)literaturdidaktischen Überlegungen selten bis gar nicht berücksichtigt wird. 1.4.2 Schrift und Bild als semiotisches Zeichenensemble: Symbol und Ikon Zeichentheoretische Ansätze bieten eine theoretische Grundlage, die es ermöglicht, das Verhältnis von Schrift und Bild überhaupt zu begreifen. Sie dienen dabei als gemeinsame Ausgangsbasis für Literatur und bildende Kunst. Da Schrift und Bild als Zeichensysteme verstanden werden, können ihre medialen Darstellungen mithilfe zeichentheoretischer Ansätze kontrastiv untersucht 56 1. Poesía Visual: Definition - Theorie - Typologie werden. Sie werden hinsichtlich zeichenspezifischer Funktionen, gegenseitiger Wechselwirkungen sowie gemeinsamer Bedeutungskonstitution ausgelegt. Die Medien Schrift und Bild sind als sprachliche, wenngleich zeichentheoretisch unterschiedliche, jedoch keineswegs hierarchisch angeordnete Medien zu verstehen. Grundlegend für die kontrastive Beschreibung von Schrift und Bild, schriftsymbolischen und visuellen Sprachcodes sind Theorien und Begriffe aus der strukturalistischen Semiotik nach Ferdinand de Saussure (1995 [1916]) sowie aus der Mediensemiotik nach Charles Sanders Peirce (vgl. Bense/ Walter 1973; Clausen 1984; Eco 1972; Nöth 2000) 18 . De Saussure differenziert in seiner dyadischen Systematik zwischen signifiant (Bezeichnendes, Darstellung) und signifié (Bezeichnetes, Vorstellung). Diese Unterscheidung ermöglich die gezielte Betrachtung beider Zeichenseiten: wie sich das Zeichen darstellt (das signifiant ) und was es bedeutet beziehungsweise welche Vorstellung es evoziert (das signifié) . Ergänzend wird das triadische Zeichensystem nach Charles Sanders Peirce hinzugezogen, anhand dessen weitere wesentliche Aspekte der Funktion von Schrift und Bild fassbar werden. Peirce’ Ansatz erweist sich für die strukturalistische Untersuchung von Schrift und Bild insofern als vorteilhaft, als er sich besser als die Saussure’sche Systematik auf visuelle Kommunikationsphänomene anwenden lässt. Anders als de Saussure, der sich insbesondere auf das linguistische Sprachsystem konzentriert hatte, verfolgte Peirce einen sehr viel weiter reichenden zeichentheoretischen Ansatz, der das Medium als Phänomen zu erklären suchte und so vor allem auch auf die visuellen Facetten der Kommunikation, auf Bilder, eingeht (vgl. Eco 1972, 198). Unter einem Zeichen wird nach Peirce ein Element der menschlichen Wahrnehmung verstanden, das ein anderes repräsentiert und von jemandem verstanden wird (vgl. Bense/ Walter 1973, 120). Das poema visual kann strukturalistisch-semiotisch als Zeichenensemble gesehen werden. Damit wird die Kombination verschiedener Zeichen in räumlicher oder zeitlicher Anordnung bezeichnet (vgl. ebd. 1973, 127). Die Berücksichtigung der Peirce’schen Zeichentheorie wurde für die Analyse visuell-poetischer Texte bereits in der Forschungsarbeit von Jochen Dubiel fruchtbar gemacht (2014, 24 ff.). Auch Sabine Gross wendet Peirce Theorie auf Schrift-Bild-Kombinationen an (vgl. Gross 1994, 48). Im Hinblick auf die strukturalistische Analyse von Schrift und Bild im poema visual wie auch auf die anschließende didaktische Anwendbarkeit erscheinen insbesondere zwei Aspekte der Peirce’schen Theorien relevant: Zum einen wird 18 Die Anlehnung an Bense und Walter, Eco sowie Clausen (und nicht an Peirce) ist insofern erforderlich, als Peirce nie eine Zusammenfassung seiner Zeichenlehre veröffentlich hat. 1.4 Das poema visual 57 das signifiant unter dem Begriff des Objektbezugs (womit das Verhältnis von signifiant zu signifié bezeichnet wird; vgl. Nöth 2000, 63) als ikonisches oder symbolisches Zeichen genauer bestimmt. Zum anderen wird zwischen dem realen Objekt und der mentalen Repräsentation des signifié unterschieden. Letzteres wird im gegenwärtigen Zusammenhang nicht weiter vertieft. Um überhaupt die medialen Feinheiten von Schrift und Bild als Zeichen zu begreifen, erscheint für die didaktische Untersuchung insbesondere die Unterscheidung von ikonischem und symbolischem Zeichen gewinnbringend. Die folgende Grafik (Abbildung 2) veranschaulicht die Erweiterung der dyadischen Systematik de Saussures um die zentralen Begriffe aus der Peirce’schen Theorie. 19 Abbildung 2. Grafische Darstellung der Zeichentheorie nach Ferdinand de Saussure, ergänzt um ausgewählte Peirce’sche Begriffe. Auf der Ebene des signifié (in diesem Zusammenhang nicht weiter vertieft, daher in der Grafik grau markiert) wird die Unterscheidung zwischen realem Objekt (nach Peirce „Objekt“; vgl. Bense/ Walter 1973, 70) und der mentalen Repräsentation (von Peirce „Interpretant“ bezeichnet; ebd. 44) ergänzt. Auf der Ebene des signifiant werden die Begriffe ikonisches Zeichen und symbolisches Zeichen hinzugezogen, die eine wesentliche Differenzierung zwischen Schrift und Bild, wie im Folgenden näher erläutert, gezielt ermöglichen. 19 Es ist auf folgende Einschränkungen hinzuweisen: Erstens gibt es nach Peirce neben den Kategorien Ikon und Symbol noch eine dritte Möglichkeit, wie ein Zeichen Bedeutung generieren kann. Das sogenannte Index -Zeichen, das einen räumlichen, kausalen oder symptomatischen Bezug herstellt (so beispielsweise der Rauch eines Feuers, ein Pfeil oder ein zeigender Finger). Diese Art wird hier außer Betracht gelassen, weil sie im Hinblick auf Schrift-Bild-Kombinationen nebensächlich ist. Zweitens wird hier eine große Vereinfachung der Bedeutung des ikonischen Zeichens vorgelegt, das nach Peirce komplexer Theorie noch in die Unterkategorien Bild, Diagramm und Methapher zu unterscheiden wäre. Hier wird angelehnt an Gross (1994, 48) das ikonische Zeichen als Bild (mimetisches Zeichen) verstanden. 58 1. Poesía Visual: Definition - Theorie - Typologie Die Erkenntnis aus der Differenzierung zwischen ikonischen und symbolischen Zeichen ist, dass sich die Repräsentation des Objekts der beiden Medien auf unterschiedliche Weise vollzieht. Das ikonische Zeichen (auch Ikon) stellt eine eindeutige Verbindung zwischen signifiant und signifié her. Es handelt sich um eine Repräsentation, die auf Ähnlichkeit basiert. Das ikonische Zeichen bildet das Objekt ab, es imitiert es, indem es bestimmte Merkmale visuell wiedergibt. Ikonische Zeichen sind zum Beispiel Bilder (oder auch Muster, Strukturen, Figuren etc.) (vgl. Bense/ Walter 1973, 38). Das symbolische Zeichen (Symbol) 20 hingegen konstituiert eine nurmehr abstrakt nachvollziehbare Verbindung zwischen Signifikant und Signifikat. Ungeachtet einer Ähnlichkeit mit dem zu bezeichnenden Objekt, wie im Falle des ikonischen Zeichens, stellt das symbolische Zeichen eine konventionelle Kodierung dar, wie beispielsweise die Schrift. Der wesentliche Unterschied zwischen Schrift und Bild ist, dass Schrift vorrangig auf symbolische und das Bild vorrangig auf ikonische Zeichen zurückgreift. Obwohl diese Feststellung banal erscheint, für die Bestimmung von Schrift und Bild im poema visual erweist sich die Unterscheidung zwischen ikonischen und symbolischen Zeichen als äußerst ergiebig. Beispielhaft lässt sich diese Überlegung anhand des Gedichts Poema llave (Abbildung 3) erläutern. Abbildung 3. Poema llave (2007), Eddi J. Bermúdez, unveröffentlicht. 20 In der Semiotik und darüber hinaus in der gesamten Geisteswissenschaft zählt der Begriff Symbol zu den „vieldeutigsten Begriffen“ (Nöth 2000, 178). Im weitesten Sinn wird der Begriff Symbol synonym zu dem Begriff Zeichen verwendet, im engeren Sinn bildet das Symbol in der Semiotik eine Unterklasse des Zeichens. Um keine Verwirrung zu provozieren, werden Symbol und entsprechend auch Ikon im Folgenden gemieden und immer als symbolisches Zeichen und ikonisches Zeichen benannt. 1.5 Typen von poemas visuales 59 Das Gedicht stellt das Wort p o e m a dar, dessen Buchstaben jeweils aus einem Schlüsselbart hervorgehen, entsprechend gehen die Buchstaben in grafisch dargestellte Schlüsselfiguren über. Aus zeichentheoretischer Sicht lassen sich zwei Zeichenreihen (eine lineare Annordnung von Zeichen; vgl. Bense/ Walter 1973, 134) bestimmen: eine symbolische Zeichenreihe, repräsentiert durch die fünf Buchstaben p-o-e-m-a , und eine ikonische Zeichenreihe, bestehend aus insgesamt fünf grafisch dargestellten schwarzen Schlüsseln. Das ikonische Zeichen, das Bildliche in dem visuellen Gedicht, ist die visuelle Darstellung der Schlüssel, das symbolische Zeichen gibt entsprechend das schriftliche Wort poema wieder. Gemeinsam konstituieren sie die Bedeutung, poema llave und lassen auf die Funktion der Dichtung als Schlüssel zu anderen geistigen Erkenntnissen oder auf die Aussage, dass Gedichte zu entschlüsseln sind, schließen. Allerdings lässt sich eine Zuordnung nicht immer eindeutig abgrenzen, weil, wie aus medientheoretischer Sicht betont wird, stets zu berücksichtigen ist, dass auch Schrift über ikonische und Bilder über symbolische Eigenschaften verfügen (vgl. Eco 1972, 213; Nöth 2000, 481 f.). Beim poema llave (Abbildung 3) bestehen die Schlüsselbärte aus Buchstaben, sie sind also gleichermaßen Schrift wie Bild. Die komplexe Frage, inwiefern das Sprachsystem als symbolisch-konventionell-dominantes Zeichensystem auch ikonische Zeichen produziert und entsprechend das bildliche Zeichensystem über symbolische Eigenschaften verfügt, wird in der Theorie kontrovers diskutiert (vgl. u. a. Clausen 1984; Eco 1972; Weiss 1984). Selbstverständlich verfügt Sprache bereits in ihrer grafischen Darstellung über einen ikonischen Charakter (womit sich beispielsweise die Typografie befasst). Auch birgt das Bild symbolische Zeichen (Farben, Formen etc.), die dementsprechend symbolisch entschlüsselt werden müssen. Eine strikte Beschränkung ikonischer Zeichen auf das Medium Bild und symbolischer Zeichen auf Schrift ist nicht zweifelsfrei möglich. Die Grenzen werden als fließend definiert (vgl. Eco 1972, 216 f.). 1.5 Typen von poemas visuales Morales Prado (2004, 11 ff.) schlägt neun tipos de poesía experimental vor, die von Maria Ángeles Hermosilla (2013, 27 ff.) übernommen und im Hinblick auf das Visuelle, “la imagen en el experimentalismo español actual” (ebd., 23), respektive die Poesía Visual auf vier Grundtypen reduziert werden. Hermosilla beschränkt sich mit ihrer Typologie auf die letzten dreißig Jahre (vgl. ebd., 27). In Anlehnung daran werden nachfolgend vier Typen von poemas visuales beschrieben und anhand von Beispielen veranschaulicht. 60 1. Poesía Visual: Definition - Theorie - Typologie An zwei Stellen habe ich die Typologie von Hermosilla modifiziert: Erstens bezeichne ich den Typ „poema concreto“ (ebd., 31) als poema concreto-visual (nach Fernández Serrato 1995b). Dadurch wird einerseits die Visualität im Begriff unterstrichen und andererseits Missverständnissen ausgewichen. Zweitens habe ich den Typ „poema objeto y otras modalidades experimentales“ (ebd., 37), der neben Objektgedichten andere experimentelle Formen (wie beispielsweise el happening, la poesía acción, la videopoesía etc.) zusammenfasst, auf das poema objeto beschränkt. Aufgrund der unscharfen Beziehung zur Poesía Visual bleiben die erwähnten weiteren experimentellen Formen im Folgenden ausgespart. Die einzelnen Typen sind als Tendenzen zu verstehen und daher nicht klar voneinander abzugrenzen. Mischformen sind die Regel. 1.5.1 Poema letrista Bezugnehmend auf die dadaistische, von Isidore Idou gegründete Bewegung lettrisme (frz. von lettre ) hat diese Gedichtform den autonomen, isolierten Buchstaben zum Gegenstand (vgl. van den Berg/ Fähnders 2009, 191). Lettrismus wird von Idou beschrieben als „el arte que acepta la materia de las letras reducidas y convertidas simplemente en ellas mismas para vaciarlas en un molde de obras coherentes“ (zit. in Millán/ García Sánchez 2005 [1975], 21; Hervorhebung v. d. Verf.). Der Buchstabe hat neben seiner phonetischen auch eine grafisch-visuelle Seite, die vornehmlich im poema visual letrista zum Ausdruck kommt. Die grafische Dimension der letras ist hier insofern ausschlaggebend, als weder die phonetische Entsprechung der Buchstaben übermittelt, noch eine lineare Textkonstruktion verfolgt wird. Der Buchstabe wird somit nicht nur isoliert, sondern visuell selbstverwirklicht und von seiner schriftsymbolischen Funktion befreit. Dabei können die verwendeten Buchstaben durch weitere Bildelemente (wie etwa Piktogramme, Fotos, Zeichnungen etc.) ergänzt werden (vgl. van den Berg/ Fähnders 2009, 191). Auch wenn der befreite Buchstabe Gegenstand des Gedichtes ist, so können - oft unbewusst schriftsymbolische Funktionen (wie z. B. Anordnung im Alphabet, Klein- oder Großschreibung, bestimmte kulturell konnotierte Buchstaben, etc.) oder phonetische Aspekte (Laute, Lautfolgen etc.) vom Leser nicht völlig ausgeblendet werden, was oft zu kontroversen Interpretationen führt (vgl. Morales Prado 2004, 12). Ein Beispiel für ein poema visual letrista ist das folgende Gedicht von Julián Alonso (1994) (Abbildung 4). 1.5 Typen von poemas visuales 61 Abbildung 4. Uves migratorias (1994), Julián Alonso, in: López Gradolí 2007, 35. Der Buchstabe V wird einundzwanzigmal pyramidenartig so platziert, dass die dreieckige pfeilartige Form des Buchstabens sich in der geometrischen Gruppierung widerspiegelt. Das Gedicht hebt daher insbesondere die grafische Form des Buchstabens V hervor. Daneben bestätigt der Titel 21 Uves migratorias die Annahme, dass es sich um die Darstellung eines Vogelschwarms handelt. Die phonetische Nähe von uves zu aves lässt zudem das Sprachspiel uves migratorias anstatt aves migratorias zu und vervollständigt auf raffinierte Weise die grafische Darstellung eines Zugvogelschwarms, bestehend aus uves . 1.5.2 Poema concreto-visual In diesem Typus werden Wörter und Begriffe aus einem Bedeutungszusammenhang befreit und visuell in Szene gesetzt - „[la] palabra se independiza de la frase“ (Hermosilla 2013, 31) - und mit Blick auf ihre Bedeutung beziehungsweise ihre Bedeutungen grafisch-visuell gestaltet oder mit Bildelementen versetzt. Die grafischen und bildlichen Zusätze stehen semantisch in direktem Zusammenhang mit dem Begriff. Das poema concreto-visual trägt nur in seltenen Fällen einen Titel, der von dem im Gedicht dargestellten und thematisierten Wort 21 Visuelle Gedichte werden ähnlich wie Bilder, Gemälde, Fotografien etc. i. d. R. mit einem Titel versehen. Der Titel gehört als Element zum Gedicht dazu und wird daher als Text bzw. symbolische Zeichenreihe behandelt und dementsprechend in der Typologie berücksichtigt. Er korrespondiert in poetischer Funktion mit dem Gedicht (vgl. Burdorf 2007, 771), gibt oftmals zentrale Hinweise zum Verständnis und ist daher immer einzubeziehen. 62 1. Poesía Visual: Definition - Theorie - Typologie abweicht. Hauptbestandteil und Gegenstand ist das Graphem eines Wortes. Die Bezeichnung lehnt sich an die Konkrete Poesie an. Das folgende Gedicht (Abbildung 5) veranschaulicht beispielhaft die beschriebene Charakteristik. Abbildung 5. Obsesión (2003), Maite Díaz Fernández, in: Diputación Badajoz 2003, o.S. Das Wort obsesión ist in verschiedenen Größen unzählige Male übereinander abgedruckt, sodass es teilweise unlesbar und nur als schwarze Drucktinte erscheint. Die Verbindung zwischen dem visuell dargestellten Wort ( signifiant ) und dessen Bedeutung ( signifié ) wird im Gedicht deutlich. Die Besessenheit ( obsesión ) des lyrischen Ichs kommt durch die grafische Darstellung des Wortes, das wie verbissen und fanatisch unendlich oft über- und aufeinander getippt (oder gestempelt) wurde, zum Ausdruck. 1.5.3 Poema semiótico Weniger solche Zeichen des Alphabets als solche, die aus ikonischen Elementen bestehen, sind die Hauptbestandteile der poesía semiótica . Jedes ikonische Zeichen - Zeichnungen, Gemälde, Fotografien, Piktogramme (wie etwa Verkehrszeichen) - kann zur Vermittlung der poetischen Botschaft verwendet werden. Die Bezeichnung semiótica , so Morales Prado, weise bewusst auf Semiologie und Semiotik und soll die visuell stark verschlüsselte Botschaft im poema zum Ausdruck bringen (vgl. Morales Prado 2004, 13). Die bildlichen Elemente müssen als Zeichen gelesen werden. Meist sind diese unkonventionell zusammengestellt, 1.5 Typen von poemas visuales 63 was im Titel oftmals aufgegriffen und symbolschriftlich erklärt wird. Der Titel spielt bei diesen Gedichten eine zentrale Rolle. Allerdings sind poemas semióticos nicht zwingend mit einem Titel versehen. Hauptbestandteile und Gegenstand von poemas semióticos sind ikonische Zeichen. Anhand des Gedichts Sentimiento de culpa (Abbildung 6) lässt sich das poema semiótico beispielhaft veranschaulichen. Abbildung 6. Sentimiento de culpa (2007), Claudia Quade Frau, in: Diputación Badajoz 2007, 10. Auf einem schwarzen Hintergrund mit abgerundeten Ecken ist in einem weißen Viereck, einem Verkehrsschild zum Verwechseln ähnlich, eine Tanksäule abgebildet, die das Zapfventil (aufgrund der Ähnlichkeit umgangssprachlich auch Zapfpistole genannt) wie eine Pistole gegen sich richtet. Wenn die Zapfsäule als Illustration einer menschlichen Figur gedeutet wird, hält sie das Zapfventil (die Pistole) in Kopfhöhe gegen die Schläfe. Es entsteht der Eindruck, die Zapfsäule wolle Suizid begehen. Im Titel ist das Motiv benannt, das die Zapfsäule zum Suizid bewegt: Schuldgefühle. Möglich ist, dass dieses Gedicht aus Sicht des Kraftstoffspenders (der Tanksäule) die weltweiten politischen Konflikte um den Ölmarkt thematisiert. 1.5.4 Poema objeto Im Gegensatz zu den drei oben vorgestellten Typen, die sich auf Papier zweidimensional präsentieren, werden im poema objeto Objekte, meist dekontextualisierte Alltagsgegenstände, kombiniert mit anderen plastischen Stoffen poetisch und metaphorisch in einen Bedeutungszusammenhang gebracht. Objektgedichte sind dreidimensional und haptisch wahrnehmbar, ähnlich wie plastische 64 1. Poesía Visual: Definition - Theorie - Typologie Kunstwerke oder Skulpturen. Sie werden in der Regel im Original, wie Kunstwerke, ausgestellt und archiviert. Da ihre Verbreitung jedoch aus pragmatischen Gründen (dreidimensionale Werke sind aufwendig in der Reproduktion) auf fotografischem Wege erfolgt, geht der Aspekt der Dreidimensionalität und somit die haptische Komponente verloren. So werden abfotografierte poemas objeto als poemas visuales behandelt. Trotzdem besteht ein Unterschied in der Beschaffenheit der Bestandteile; diese sind mit Ausnahme des Titels hauptsächlich plastischer Natur. Im poema objeto ist die Kernthematik der Alltagsgegenstand. Angelehnt an das avantgardistische objet trouvé oder Ready-Made liegt die Aufgabe des poema objeto darin, alltägliche Gegenstände zu dekontextualisieren und in poetisch zusammengesetzten Szenarien zu präsentieren. Ähnlich wie bei poemas letristas können die konventionellen Funktionen der Gegenstände vom Leser nur schwer ausgeblendet werden. Der dadurch entstehende Bedeutungszusammenhang wird als zufällig erachtet und phänomenologisch zurückverfolgt. Seine detaillierte Berücksichtigung in der Interpretation würde daher zu weit greifen. Abbildung 7. El abrazo (2006), María Gómez Garrido, in: Diputación Badajoz 2006, 92. Im Gedicht El abrazo (Abbildung 7) beispielsweise sind zwei Türklinken derart nebeneinander platziert, dass die Griffe zueinander verlaufen und zudem aufeinanderliegen. Der Titel weist auf die intendierte Zusammenstellung hin, sie erinnern in dieser Form an eine menschliche Umarmung. Der Gedanke, dass Türklinken Gegenstände sind, die das Öffnen und Schließen von Türen ermöglichen, kann ein Hinweis für einen möglichen Deutungsansatz sein. Wenn die Türklinken allerdings, wie im poema, „einander umarmen“, wird kein funktionaler Gebrauch mehr realisierbar sein. 2. Eine Geschichte der Poesía Visual “La poesía existe desde el mismo instante que el hombre tuvo capacidad para el asombro.“ (Francisco Peralto 2013) 22 Die poetische Hybridbildung von Schrift und Bild − so modern sie auch erscheinen mag − ist keineswegs eine Entdeckung der avantgardistischen Dichtung des beginnenden 20. Jahrhunderts. Die literarische Avantgarde hat in ihren Transgressionsexperimenten zwar jegliche Kunstform als sprachliches Mittel in die Dichtung mit einfließen lassen und programmatisch in Szene gesetzt, so auch Bilder, jedoch die Verschmelzung von Schrift und Bild in der Dichtung nicht neu entdeckt. Vielmehr kann von einer Art Wiederentdeckung die Rede sein, denn der Wunsch, Schrift und Bild in poetischen Texten zusammenfließen zu lassen, zeigt sich bereits in der griechischen Antike. Zumindest sind seitdem poetische Textkonstruktionen der europäischen Literaturgeschichte überliefert, die dem uralten Wunsch entsprechen, visuelle und literarische Impulse miteinander zu verknüpfen: The story of pattern poetry is, in fact, not the story of a single development or of a single form, but the story of an ongoing human wish to combine the visual and literary impulses, to tie together the experience of these two areas into an aesthetic whole. (Higgins 1987, 3) Diese Verschmelzung von Bild und Schrift fasziniert seit jeher besonders den Kunstschaffenden, der, so Higgins, versuche, deren Kombination als „an aesthetic whole“ zu begreifen. Die ältesten erhaltenen Überlieferungen sind nach Adler und Ernst ägyptische Grabinschriften aus dem Jahr 1290 v. Chr. (vgl. Adler/ Ernst 1990, 21). Die eingemeißelten Hieroglyphen sind auf solch sonderbare Weise angeordnet, dass sie, in verschiedene Richtungen gelesen, verschiedene Bedeutungen ergeben. Es handelt sich hierbei um die älteste Textform, die eine Botschaft vermittelt und folglich einem visuellen Gedicht sehr nahekommt (vgl. ebd.). Soweit kann hier jedoch nicht zurückgegriffen werden, um einen Überblick über die Geschichte der Poesía Visual zu geben. Sie beginnt, darin stimmen alle Theorien über- 22 Zitat aus dem im Rahmen der Dissertation durchgeführten Interviews (siehe Anhang 1). 66 2. Eine Geschichte der Poesía Visual ein, in der griechischen Antike und ist seitdem, wie in den folgenden Kapiteln dargelegt, historisch belegt (vgl. z. B. Adler/ Ernst 1990; de Cózar 1991; Dencker 1972; Ernst 2012; Morales Prado 2004; Muriel Durán 2000). 1 2.1 Von den antiken Wurzeln zum spanischen Mittelalter 2.1.1 Das griechische Technopäginon Wie tief die Wurzeln der visuellen Dichtung auch liegen mögen, als Urform des visuellen Gedichts gilt das Technopägnion von ca. 300 v. Chr. Technopägnion ist die Bezeichnung für das Figurengedicht der griechischen Antike; mithilfe unterschiedlicher Verslängen wird der Umriss eines Gegenstandes, meist im Einklang mit dem Thema des Gedichtes, dargestellt. Einige Technopägnien sind als Serie in der Anthologia Planudea zu finden. 2 Tausend Jahre später wurden dieselben Gedichte von Konstantinos Kephalas neu herausgegeben und zuletzt 1301 zu einer kleinen und überschaubaren Anthologie von dem Mönch Maximus Planudes (1260−1310) zusammengestellt. Die bekanntesten Figurengedichte daraus stammen von Simias von Rhodos (um 300 v. Chr.), Theokrit von Syrakus (ca. 308-240 v. Chr.), der außerdem als Initiator der europäischen Bukolik 3 gilt, und deren Nachfolger Dosiadas von Kreta (um 300 v. Chr.) (vgl. de Cózar 1991, 116). Diese drei Dichter werden von Adler und Ernst als das „Dreigestirn“ (Adler/ Ernst 1990, 30) der antiken griechischen Dichtkunst bezeichnet; sie gelten als die Urahnen der heutigen Visuellen Poesie. Die Antología Planudea ist nicht nur von historischer Bedeutung, weil dort die ersten visuellen Gedichte zu finden sind. In dieser Anthologie zeigt sich auch das bereits vorhandene Interesse an der Formästhetik von (Schrift-)Sprache 1 Visuelle Dichtungen aus asiatischen Traditionen werden hier außer Betracht gelassen, ebenso die Frage, inwiefern die westliche Visuelle Poesie von orientalischen Entstehungsprozessen beeinflusst wurde. In dem Kapitel Verwandte Bild-Text-Kompositionen weisen Adler und Ernst auf mögliche Verwandtschaften asiatischer „figuraler Schriftflächen“ mit europäischen visuell-poetischen Texten hin (weiterführend hierzu Adler/ Ernst 1990, 195 ff.). 2 Auch bekannt unter dem Namen Anthologia Graeca oder Griechische Anthologie , die erstmals im 1. oder 2. Jahrhundert v. Chr. von dem Dichter Meleagros von Gadara (ca. 130-60 v. Chr.) zusammengetragen wurde. Später erhält sie ihren Namen nach ihrem letzten Herausgeber, Maximus Planudes. Da hier diese letzte Herausgabe zugrunde liegt, wird im Folgenden Antología Planudea verwendet (Zárate, 1976, 32). Bezüglich der Lebenszeit von Melagros von Gadara sind sich die Forschungen nicht einig. Nach de Cózar hat er bereits im 3. oder 4. Jh. v. Chr. gelebt. Das bedeutet, dass er ein Zeitgenosse der Dichter war, deren Werke von ihm zusammengetragen wurden (de Cózar, 1991, 109). 3 Die bukolische Dichtung ( Bukolik ; gr. boukólos - Rinderhirte; lat. bucolicos = zu den Hirten gehörig) oder Hirtenbzw. Schäferdichtung ist eine antike literarische Gattung, in der das Hirtenleben, Natur und Idylle Hauptgegenstände sind. 2.1 Von den antiken Wurzeln zum spanischen Mittelalter 67 und an den beiden Dimensionen von Wort(-Bedeutung) und (Schrift-)Bild (vgl. Zárate 1976, 32). Es handelt sich bei diesen Figurengedichten um poetische Umsetzungen ästhetischer Einheiten von Bild und Text. Der Inhalt spielt − allerdings nicht immer eindeutig − auf das mittels Platzierung der Buchstaben grafisch beschaffene Objekt an und umgekehrt. Das Figurengedicht (Kalligramm) ist seit der Antike ein verbreiteter Typus der visuellen Poesie. In spanischsprachigen Forschungen wird allerdings mit Ausnahme von Zárate, der auf den Begriff „poema de figura“ (ebd., 53) rekurriert als Bezeichnung für Figurengedichte der Terminus caligrama verwendet (vgl. z. B. de Cózar 1991, 1997, 2008; d’Ors 1977; Millán Domínguez 1999; Muriel Durán 2000). Caligramas und Figurengedichte bezeichnen dasselbe. Der Begriff ist von dem französischen calligramme abgeleitet, der sehr viel später von Guillaume Apollinaire (1880−1918) verwendet wird (Näheres zu calligrammes und Apollinaire im Kapitel 2.4.2). 4 Die griechischen Figurengedichte aus der Antología Planudea sind in zweierlei Hinsicht interessant: einerseits wegen der visuellen Darstellung, die auf den Inhalt des Gedichts anspielt, und andererseits wegen der Rätselstruktur, die den Text verschlüsselt. Beide Aspekte fordern den Rezipienten heraus. Viele Figurengedichte verbinden Visualität mit Rätselform. Das Visuelle an der Rätselstruktur liegt in der grafischen Anordnung der Buchstaben, die farblich, figurativ etc. hervorgehoben werden, um den Leser zu verwirren oder je nach Bedarf zu leiten. Sowohl Theokrit als auch Dosiadas von Kreta verwenden in ihrer Dichtung Rätselstrukturen. Sie schreiben sogenannte Griphoi (im Singular Griphos ). Damit werden griechische Rätselgedichte bezeichnet, in denen das Rätsel vornehmlich durch gehäufte Anwendung von Synonymen und Homonymen etc. erzeugt wird (Adler/ Ernst 1990, 31). Dies führt dazu, dass die Gedichte schwer zu verstehen sind, und damit wenden sie sich offensichtlich an einen eingeweihten Rezipientenkreis, der darüber hinaus über umfangreiche Kenntnisse der griechischen Mythologie verfügt (vgl. ebd. 1990, 31). Hauptgegenstand dieser Gedichte ist nämlich die griechische Mythologie. Simias von Rhodos wird als Urvater der Technopägnien bezeichnet. Eines seiner berühmten visuellen Gedichte ist das Figurengedicht Πέλεκυς--- Securis (Abbildung 8). 4 Dies könnte ein Indiz für die späte theoretische Auseinandersetzung mit geschichtlichen Zusammenhängen visueller und figurativer Dichtung sein, jedenfalls nach Appolinaires Calligrammes. Poèmes de la paix et de la Guerre (1918), wie die Verwendung des erst zu Beginn des 20. Jh. entstandenen Begriffs ( Calligramme ) vermuten lässt. 68 2. Eine Geschichte der Poesía Visual Abbildung 8. Πέλεκυς---Securis-(Das-Beil) (3. Jh.v.Chr.) , Simias von Rhodos, in: Adler/ Ernst 1990, 32. Dargestellt ist, wie im Titel benannt, ein (Doppel)Beil. Das Gedicht beginnt auf der unteren Seite des linken Schneideblatts. Die Verse sind auf einen gemeinsamen Mittelpunkt hin angeordnet und von außen nach innen im Uhrzeigersinn spiralförmig zu lesen, wobei das Blatt wiederholt gedreht werden muss (vgl. de Cózar 1991, 112). Der Leser wird buchstäblich zum aktiven Lesen aufgefordert. Die insgesamt zwölf Verse thematisieren in Übereinstimmung mit der dargestellten Figur die Geschichte des Beils, das Epeios dazu diente, das trojanische Pferd anzufertigen, und im Übrigen der Göttin Athene gewidmet war (vgl. Zárate 1976, 39). Dieses Gedicht lässt beispielhaft erkennen, wie Schrift und Bild eine Symbiose eingehen können. Nicht ganz so eindeutig verhält es sich bei dem Syrinxgedicht von Theokrit (Abbildung 9), dem bekanntesten und de Cózar zufolge ersten visuellen Poeten des „Dreigestirns“ (de Cózar 1991, 116). Wie der Titel des Gedichts Syrinx (Panflöte) erahnen lässt, soll eine imaginäre Panflöte wiedergegeben werden. Insgesamt zwanzig Verse nehmen in ihrer Länge von oben nach unten hin im Prinzip ab, sodass der Umriss des Textes eine Panflöte assoziieren lässt. Die Verszeilen stehen für die Röhrchen der Panflöte, wobei die ungeraden Verszeilen die Vorderseite der Panflöte darstellen und die geraden die Rückseite (Dencker 1972, 22). Erstaunlich ist, dass die ersten fünf Verse der dieserart abgebildeten Vorderseite mit dem Vokal o beginnen - möglicherweise eine Andeutung der Öffnungen der Röhrchen. Inhaltlich ist das Gedicht dem Gott für bukolische Dichtung, Pan, gewidmet. Theokrit bedankt sich bei ihm auf poetische Weise für die Dichterweihe (vgl. ebd.). Zudem enthält das Syrinx einige Griphoi , die das Lesen und Übersetzen erschweren, 2.1 Von den antiken Wurzeln zum spanischen Mittelalter 69 Abbildung 9. Syrinx (3. Jh.v.Chr.), Theokrit, in: Dencker 1972, 21. aber nicht unmöglich machen, wie es etwa bei dem Gedicht Iason-Altar (Abbildung 10) von Dosiadas von Kreta der Fall ist. Hier handelt es sich um eines von zwei zusammengehörenden Figurengedichten, ein sogenanntes Diptychon, das zwei Altäre darstellt: Der Musen-Altar steht für den guten Opfertisch, der den Opfernden Segen bringt. Abbildung 10. βωμός---Iason-Altar (3. Jh.v.Chr.), Dosiadas von Kreta, in: Adler/ Ernst 1990, 31. 70 2. Eine Geschichte der Poesía Visual Der Iason-Altar hingegen erweist sich im Text als ein für blutige Opfer vorgesehener Altar, der dem sich Nähernden Unheil bringt (vgl. ebd., 24). Beide Gedichte sind in einem „extrem dunklen Stil“ - so Adler und Ernst - verfasst, bei dem sich der Autor einer „ganzen Palette von Kodierungsformen“ bedient hat (Adler/ Ernst 1990, 24). Das Griphoi -Prinzip wirkt hier wie eine Art Geheimsprache, denn jedes Wort ist derart verschlüsselt, dass davon auszugehen ist, dass das Gedicht nur für einen bestimmten Rezipientenkreis geschrieben wurde. Da keine weiteren Dokumente zu diesen Technopägnien überliefert sind, bleibt das Geheimnis des Inhalts bis heute ungelüftet (ebd., 30). Die Figurengedichte aus der Antología Planudea hatten, wie erwähnt, bis in die Frühe Neuzeit großen Einfluss auf die Entwicklung der Visuellen Poesie. Wenige Jahre später wurden sie bereits rezipiert und eifrig nachgeahmt. Sie tauchen, wie sich im Folgenden zeigen wird, immer wieder als Referenz in der Geschichte der Visuellen Poesie auf. Ab dem 13. Jahrhundert wurden sie unzählige Male kopiert. Zum ersten Mal erscheinen sie in einem wissenschaftlichen Kontext im Jahr 1635, als sie der Italiener Fortunius Licetus (1577-1657) zitiert (vgl. de Cózar 1991, 112). 2.1.2 Die römischen carmina quadrata Die ersten visuellen Gedichte entstanden in der griechischen Antike. Wie in vielen anderen Zusammenhängen hat es auch in diesem Fall nicht lange gedauert - ca. 100 Jahre -, bis diese Form der Dichtung in die römische Kultur einging (vgl. ebd., 121). Zunächst wurde unmittelbar an die Technopägnien der griechischen Vorreiter angeknüpft. Die Vorbilder aus der hellenistischen Zeit wurden meist kopiert und gelegentlich mit kleinen Abänderungen ins Lateinische übersetzt. Überliefert sind visuelle Gedichte aus dieser Zeit, die beispielsweise einen Altar, ein Beil oder eine Panflöte darstellen. Figurengedichte werden im Lateinischen als carmina- figurata bezeichnet und stehen dementsprechend für Gedichte, die aufgrund der unterschiedlichen Anordnung der Verse, wie auch einzelner Wörter, optisch den Umriss eines Gegenstandes vorstellen, zu dem der Text in semantischer Beziehung steht. Eine wahre Blütezeit visuell-poetischer Textkonstruktionen stellte sich im Römischen Reich zu der Zeit Konstantins des Großen (324−337 n. Chr.) ein. Ein damals bekannter Dichter war der aus Afrika stammende Publilius Optatianus Porfyrius (um 300 n. Chr.), der zwei Jahre (329 n. Chr. und 333 n. Chr.) das Amt des praefectus urbi bekleidete (vgl. Zárate 1976, 46). Porfyrius lebte zuerst in der Verbannung und wurde aufgrund einer Serie panegyrischer carmina figurata auf den Kaiser Konstantin von diesem begnadigt. Die Gedichte waren sehr kunstvoll verfasst und fanden beim Kaiser nicht nur der Lobrede wegen großes Gefallen, sodass er Porfyrius sogleich zum Hofdichter berief. Während 2.1 Von den antiken Wurzeln zum spanischen Mittelalter 71 die ersten visuellen Gedichte Porfyrius‘ noch eine starke Anlehnung an die griechischen Vorreiter aufweisen, zeigen die späteren eine neue, eigene Form, die für die weitere Entwicklung der visuellen Poesie ausschlaggebend sein sollte, vor allem im Dichtungsgeschehen des christlichen Mittelalters. Die genuin römische Variante nennt sich carmina quadrata oder carmina cancellata , sogenannte Gittergedichte. 5 Porfyrius verfasste eine umfangreiche Sammlung von carmina quadrata , die später insbesondere in klerikalen Kreisen nachgeahmt wurden. Bei einem Gittergedicht sind Buchstaben in einem Viereck oder Quadrat (daher der Name carmen quadratum ) aneinandergereiht, sodass sich verschiedene Wortkombinationen ergeben, je nachdem in welche Richtung gelesen wird. Gittergedichte erinnern an das Prinzip einer Buchstabensuppe. Als Ausgangsgedicht wird das von Buchstaben gefüllte gesamte Viereck bezeichnet, das durch die Buchstabenkombinationen meist in der gewohnten Leseart horizontal und von links nach rechts oder vertikal und von oben nach unten Verse entstehen lässt. Unabhängig vom Ausgangsgedicht können in anderen Leserichtungen weitere Verse integriert sein: vertikal, von unten nach oben, horizontal, von rechts nach links, diagonal, kreisförmig, viereckig etc. Meist sind diese integrierten Verse grafisch kenntlich gemacht, beispielsweise durch Farbe oder Fettschrift. Sie nennen sich Intexte oder versi intexti . Ein Intext, oder versus intextus , kann einen unabhängigen Sinn ergeben und stellt durch seine Anordnung mittels hervorgehobener Buchstaben (z. B. durch Fettdruck, farbige Markierung etc.) einen Gegenstand oder eine Figur vor (vgl. Adler/ Ernst 1990, 25). Durch versi intexti entstehen unabhängige, sinnschaffende und zugleich miteinander verflochtene Gedichte im Ausgangsgedicht. Dabei müssen die Intexte oft erst entschlüsselt werden, da sie einer Rätselstruktur unterliegen. Häufig verwendete Stilmittel der versi intexti sind Akrosticha ( acróstico ), Mesosticha ( mesóstico ) und Telesticha ( teléstico ). Mesóstico ist ein Wort oder Vers, das sich aus den mittleren Buchstaben der jeweiligen Wörter oder Verse in vertikaler Leserichtung ergibt; analog dazu bildet sich das acróstico aus den jeweiligen Anfangsbuchstaben und das teléstico entsprechend aus den jeweiligen Endbuchstaben der Wörter oder Verse. Das Rätselspiel stellt den ästhetischen Reiz dieser visuell-poetischen Gattung dar. Oft werden versi intexti in Figuren integriert oder Figuren entstehen aus versi intexti . Solche Figuren können von einem Netzmuster bis zur Christusfigur variieren, sind jedoch nicht willkürlich gewählt und beziehen sich auf den Intext, aus dem sie bestehen. Diese Kombination von Schrift und Bild macht das carmen quadratum für die Geschichte der Visuellen Poesie so interessant. 5 Im Spanischen werden Gittergedichte als laberintos bezeichnet. Vertiefende Ausführungen zu laberintos folgen im Kapitel 2.2.1. 72 2. Eine Geschichte der Poesía Visual Abbildung 11. Carmen XXII (4. Jh. n.Chr.), Publius Optatianus Porfyrius, in: Adler/ Ernst 1990, 25. Porfyrius’ Carmen XXII (Abbildung 11) beispielsweise bildet mit einer Seitenlänge von 37 Buchstaben ein rhombusförmiges Netz ab, das wiederum einen Intext einschließt, der von links nach rechts gelesen ein unabhängiges Gedicht ergibt. Inhaltlich spielen Porfyrius‘ Gedichte fast ausschließlich auf den Siegeszug des Christentums unter Konstantin dem Großen an. Das Christentum als Hauptgegenstand seiner visuellen Gedichte macht ihn im Dichtungsgeschehen des frühen Mittelalters zum unangefochtenen Vorbild. Wie noch zu zeigen sein wird, sind die visuell-poetischen Textkonstruktionen im Frühmittelalter sehr stark an Porfyrius‘ Poetik angelehnt. Die griechischen Vorreiter werden dadurch an den Rand gedrängt, sie kehren aber in der Renaissance mit großem Einfluss zurück (vgl. ebd.). 2.1.3 Visuelle Poesie und das europäische Mittelalter Das Frühmittelalter, so de Cózar, brachte bis zur Regierungszeit Karls des Großen (768−814) keine signifikanten Erweiterungen der Visuellen Poesie mit sich. 6 Doch obwohl sich keine typologischen Neuheiten in der Visuellen Poesie auffinden lassen, haben sich andere gattungsspezifische Entwicklungen bestätigt. Visuell-poetische Texte wurden fortan nicht mehr nur aufgrund ihres ästhetischen Reizes, sondern auch für bestimmte religiöse Zwecke verfasst (vgl. de Cózar 1991, 135 ff.; Higgins, 1987, 10; Zárate, 1976, 42 ff.). Hauptgegenstand der abendländischen mittelalterlichen Visuellen Poesie ist das Christentum. Referenzen zum Glaubensbekenntnis sind jedoch kein innovativer Ansatz, denn christliche Allusionen lassen sich ja bereits bei Optatianus Porfyrius beobachten. Zwar 6 Mit Ausnahme von Venancio Fortunato im 5. Jh., dem de Cózar in seiner Untersuchung ein Kapitel widmet. Hier wird er aber nur kurz angeführt, da keine strukturellen Unterschiede zu Porfyrius erkennbar sind (vgl. de Cózar 1991, 151). 2.1 Von den antiken Wurzeln zum spanischen Mittelalter 73 zeigt Porfyrius‘ carmina quadrata eine Hinwendung zum Christentum auf, ein klarer Bruch mit dem Heidentum ist aber noch nicht erkennbar. Erst zweihundertfünfzig Jahre später hat sich das carmen quadratum in Frankreich in den visuellen Dichtungen des Italieners Venancio Fortunato (ca. 540−600/ 10), Bischof von Poitiers, vom Paganismus vollkommen gelöst, um sich im Christentum zu festigen. Zentrale Stilfiguren sind nun solche mit christlicher Symbolik: das Kreuz, die Jesusfigur, der Fisch etc. (vgl. Adler/ Ernst 1990, 33). Diese visuell-poetischen Textkonstruktionen werden ein Jahrhundert später in der karolingischen Domschule von Alkuin von York (ca. 730/ 35−801/ 04) in Aachen gelehrt. Deshalb gilt diese Hofschule als die wichtigste Instanz für die Produktion Visueller Poesie in karolingischer Zeit (vgl. Muriel Durán 2000, 18). Dem Bild kommt in den verschiedensten Varianten − vom Gemälde bis zur Grafik - eine besondere Rolle zu, die über die ästhetische Wirkung hinausgeht. Christlich konnotierte Figuren werden anstelle eines Textes als Symbol für das Christentum verwendet. Der Vorteil besteht darin, dass der Rezipient nicht des Lesens mächtig sein muss, um erkennen zu können, wovon der Text handelt. Das Bild - sowohl isoliert wie auch als Ergänzung zum Text − erweist sich mehr und mehr als effektives Medium und entwickelt sich im Zuge der Christianisierung zu einem sehr wichtigen Element der christlichen und im Besonderen der römisch-katholischen Textproduktion. Zwar gelten Bilder bis zur Mitte des 8. Jahrhunderts noch als ketzerisch, doch im Zuge des Bilderstreits (8. und 9. Jahrhundert) 7 wird das Verbot zunehmend aufgeweicht, da die suggestive Kraft von Bildern von der Kirche erkannt und von da an mit großem Erfolg für die Propagierung kirchlicher Weltanschauung eingesetzt wird (vgl. de Cózar 1991, 165). So werden Bilder nicht mehr nur als Symbol verwendet, sondern als didaktisches Mittel zur Vermittlung des christlichen Glaubens. Die Anzahl der Bilder in Kirchen und Aufzeichnungen aller Art vermehrt sich. Um den Inhalt und gegebenenfalls die Botschaft eines Bildes - sei es eine Zeichnung oder ein Gemälde - zu verstehen, reicht das bloße Auge aus. Im Hinblick auf den im Mittelalter herrschenden Analphabetismus leuchtet diese Rolle des Bildes ein. Bilder im Frühmittelalter sind de Cózar zufolge im Kontext des Lehrens und Lernens analogisch zur Literatur zu sehen. Der Sinn des Bildes sei dem des Textes sehr ähnlich, da es gewissermaßen „gelesen“ und interpretiert werden 7 Hier wird Bezug auf das Konzil von Konstantinopel von 754 genommen. Es handelt sich um das von der römisch-katholischen Kirche nicht anerkannte Konzil, in dem ein allgemeines Bilderverbot ausgesprochen wurde. Wenige Jahre später, 787, wurde in Nizäa (heute Iznik) ein gesondertes Konzil zu „Sinn und Erlaubtheit der Bilderverehrung“ einberufen, in dem das Verbot von 754 aufgehoben wurde. Es dauerte jedoch einige Jahre (843), bis dieser konzilische Beschluss schließlich durch päpstliche Zustimmung anerkannt wurde (LThK (Kasper, Walter (Hg.)), 1993, Band 6, Konzil von Nizäa , 884 f.). 74 2. Eine Geschichte der Poesía Visual müsse. Bis zur Renaissance seien Bilder eher als literarische denn als bildende Kunst zu deuten: La pintura juega entonces un papel análogo al de la literatura en cuanto colabora en la enseñanza. Las imágenes son, como los caracteres escritos, signos vivibles que ayudan a significar la realidad ausente. A través de esos signos imitativos, representativos (la pintura) o abstractos (la literatura), el “lector” accede a la comprensión de la realidad. En este sentido la pintura es algo “legible” y de hecho, hasta el Renacimiento, podríamos considerar a la pintura como algo más literario que plástico, debe leerse, interpretar los símbolos que ofrece, decodificar la narración que en ella se encuentra. (de Cózar 1991, 166) Das Bild kommt zunehmend in visuell-poetischen Texten als eigenständiges Element vor, indem es ein Textfragment substituiert. Dies sind die Anfänge von Bild-Text-Kombinationen, deren Verwendung in der späteren Renaissance ihren Höhepunkt erreicht. Die Bilder in den visuellen Gedichten werden ausgeschmückt und mit Farbe und Form ästhetisch aufgewertet. Drei Tendenzen heben sich in der Entwicklung der Visuellen Poesie während des Mittelalters ab: erstens die geleitete Produktion von carmina quadrata in der karolingischen Schule in Aachen, belegt durch Überlieferungen; zweitens das in diesen Produktionen nachvollziehbare Erscheinen des Bildes als Symbol und drittens die didaktische Funktion des Bildes als Medium der Wissensvermittlung. Die Verwendung des Bildes als didaktisches Medium bleibt im Mittelalter zwar noch Tendenz, wird aber mit der Renaissance verstärkt zur Praxis. Insgesamt wird das Spätmittelalter, was die Geschichte visuell-poetischer Texte betrifft, unterschätzt. Wie Adler und Ernst betonen, zeigt sich eine „Fortführung der Tradition“: Liegt auch der Schwerpunkt der Produktion von carmina figurata im Frühmittelalter, so resultiert aus neueren Forschungen, dass das bisher gattungsgeschichtlich als terra incognita geltende hohe und späte Mittelalter durchaus eine kontinuierliche Fortführung der Tradition mit innovativen Gestaltungsansätzen erkennen lässt. (Adler/ Ernst 1990, 36) Es lässt sich festhalten, dass im Mittelalter die griechisch-römische Tradition der figurativen Dichtung europaweit expandiert. Die Kreise, in denen Visuelle Poesie produziert und rezipiert wird, sind klerikal. 2.1 Von den antiken Wurzeln zum spanischen Mittelalter 75 2.1.4 Exkurs: Christlich-ikonografische und visuelle Texte um Karl den Großen Die Produktion von carmina quadrata in der karolingischen Zeit diente zunächst dem Zweck der Herrscherpanegyrik auf Karl den Großen und knüpfte damit direkt an den konstantinischen Kaiserkult der Spätantike an. Diesen unmittelbaren Bezug verraten überlieferte Gittergedichte, die Karl den Großen mit Konstantin dem Großen gleichsetzen und ihn sogar als „novus Constantinus“ bezeichnen (vgl. Adler/ Ernst 1990, 35). Nach und nach löste sich darauf die Poetik der Gittergedichte von der Panegyrik, um sich christlichen Inhalten zu widmen. In der von dem angelsächsischen Theologen und Dichter Alkuin von York geleiteten Hofschule Karls des Großen in Aachen zeigen die christlich-ikonografisch beeinflussten visuellen Textkonstruktionen der Schüler eine Bereitschaft zur Innovation in Gestaltungsansätzen, wie sich anhand der vielen Beispiele im Ausstellungskatalog von Adler und Ernst konstatieren lässt (vgl. ebd., 36). Dort ist zu beobachten, dass sich das einfache Gittergedicht zur komplizierten Text- Bild-Komposition entwickelt. Alkuin leitete die Hofschule nach Anweisungen Kaiser Karl des Großen. In ihr sollte die Kunst des Schreibens erlernt werden (vgl. Zárate 1976, 39). Zárate zufolge lehrte Alkuin seine Schüler, dass das Schreiben gegenüber der Malerei einen ethischen Vorrang habe (vgl. ebd., 49). Das Bild setzte sich dagegen in der Dichterschule als ein Medium durch, das die Aussagekraft des Textes stärkte (vgl. de Cózar 1991, 167). Wie im vorangehenden Kapitel beschrieben, entwickelte sich das Bild zum didaktischen Medium und Text-Bild-Kombinationen wurden zunehmend zu didaktischen Zwecken verfasst, insbesondere in der theologischen Lehre. Allerdings waren diese didaktisch orientierten Text- Bild-Konstruktionen einem bestimmten Zielpublikum gewidmet: den Klerikern. Alkuin selbst verfasste als Dichter ebenfalls visuell-poetische Texte, diese waren aber - der älteren Tradition angehörig - noch sehr stark an die Gittergedichte Optatianus Porfyrius angelehnt. Alkuins Schüler entwickelten die Kunst des visuellen Dichtens weiter. Der berühmteste unter ihnen war der spätere Erzbischof von Mainz, Hrabanus Maurus (ca. 780−856) (in folgenden Quellen zudem als wichtigster Vertreter des karolingischen Gittergedichtes bezeichnet: Adler/ Ernst 1990, 35; de Cózar, 1991, 173; Morales Prado, 2004, 18; Muriel Durán, 2000, 21; Zárate, 1976, 49.) Eine Sammlung von insgesamt 28 carmina quadrata hat Hrabanus Maurus in dem auf das Jahr 815 datierten Buch Liber de laudibus sanctae crucis hinterlassen, das 1503 in Pforzheim in gedruckter Form erschien (vgl. de Cózar 1991, 172; Zárate 1976, 49). Ein Gedicht daraus ist das carmen quadratum aus dem Jahr 831 (Abbildung 12). 76 2. Eine Geschichte der Poesía Visual Abbildung 12. De laudibus sanctae crucis (um 800), Hrabanus Maurus, in: Adler/ Ernst 1990, 13. Es zeigt einerseits, dass Visuelle Poesie im Frühmittelalter Panegyrik und christliche Symbolik vereint, und andererseits, dass die Gattung allmählich das Bild, mit Form und Farbe, als eigenes Medium integriert. Dieses farbig und figurativ gestaltete Gedicht ist Kaiser Ludwig dem Frommen (ca. 778−840), Sohn Karls des Großen, gewidmet. Verse bilden sich innerhalb des Rechtecks von links nach rechts und von oben nach unten. Das Lob auf Ludwig ist in Form von versi intexti verfasst, die - farblich hervorgehoben − in die Figur integriert sind. Die verschiedenen Elemente der Figur (z. B. Nimbus, Kreuz, Schild etc.) beinhalten unabhängig voneinander zu verstehende Intexte. Die christlichen Symbole, die den Kaiser als vorbildlichen Christen darstellen (z. B. Kreuz, Nimbus, Fisch etc.), fungieren als Symbole ebenfalls wie ein Text, da sie für etwas stehen und dieserart ganze Textfragmente einsparen helfen. Die Text-Bild-Kombination ist bei diesem Beispiel weitaus komplexer gestaltet als bei dem vorangehendem Gedicht Alkuins. Der Text kann unabhängig vom Bild gelesen werden und umgekehrt. Das Bild referenziert nicht nur anhand der Buchstaben, aus denen es besteht, auf das Ausgangsgedicht, sondern auch anhand des Bildes, das entsteht und symbolisch auf den Inhalt verweist. Zwei karolingische Dichter sind noch zu erwähnen: zum einen der aus Spanien stammende Theodulf von Orléans (ca. 760−821), neben Alkuin der wichtigste theologische Berater Karls, dessen Dichtkünste sich wie die seiner Geistesgenossen an die karolingischen Reformideen anlehnten (vgl. LThK 1993, Bd. 9, 1426); zum anderen José Scoto, der von de Cózar und Morales Prado zu den bedeutendsten Dichtern der karolingischen Zeit gezählt wird, über den jedoch weder Schaffensnoch Geburtsort oder -jahr bekannt sind (vgl. de Cózar 1991, 179; Morales Prado 2004, 18). Da keine wesentlichen Unterschiede zu Alkuin 2.1 Von den antiken Wurzeln zum spanischen Mittelalter 77 und Hrabanus Maurus festzustellen sind, werden sie hier nur der Vollständigkeit halber angeführt. 2.1.5 Poesía Visual im mittelalterlichen Spanien Die karolingische Dichterschule in Aachen hatte großen Einfluss auf die Entwicklung der Visuellen Poesie im 9. und 10. Jahrhundert im christlichen Europa. Wie das vorherige Kapitel zeigt, wurden zahlreiche Überlieferungen visueller Gedichte insbesondere aus theologischem Interesse gesammelt und archiviert (vgl. Adler/ Ernst 1990, 33 f.). Auch in Spanien schlugen die christlich-ikonografisch orientierten carmina quadrata aus der alkuinischen Schule Wurzeln, allerdings ohne anschließende Blütezeit, entgegen der Auffassung von Adler und Ernst. Diese Autoren beziehen sich mit ihrer Einschätzung aber lediglich auf die visuell-poetischen Textproduktionen des Mönchs Vigilán. Es ist daher fraglich, ob von einer wahrhaftigen Blütezeit die Rede sein kann (vgl. ebd., 36). Überlieferungen visueller Gedichte aus dem mittelalterlichen Spanien sind kaum aufzufinden, weshalb bisher nur wenig über die mittelalterliche Poesía Visual geforscht wurde (vgl. de Cózar 1991, 182). Die bis heute einzigen einschlägigen Forschungen über visuell-poetische Texte im mittelalterlichen Spanien wurden von Manuel Díaz y Díaz unternommen (vgl. Díaz y Díaz 1981). Díaz y Díaz bezieht sich in seiner Untersuchung auf eine Sammlung alter Schriften aus dem Martinskloster in dem kleinen Ort Albelda in La Rioja, die in der Bibliothek des Monasterio de El Escorial archiviert ist: der Códice Albeldense oder Códice Vigilano (vgl. Díaz y Díaz 1981, 60). Auf den ersten Seiten dieses Manuskripts finden sich visuell-poetische Textkonstruktionen, die dem Mönch Vigilán und einem Illustrator, seinem „colaborador“ (Díaz y Díaz 1981, 60) Sarracino, zugeordnet werden (Abbildung 13). Es handelt sich um carmina quadrata , die formal an die karolingische Schule Alkuins erinnern. Romera Castillo geht davon aus, dass dem Mönch die Dichtungen der Aachener Hofschule bekannt waren (vgl. Romera Castillo 1980, 141). Ein Zusammenhang zwischen dem Kloster in La Rioja und der karolingischen Schule Aachens ist nicht abwegig, zumal zur Festigung Kastiliens im Kampf gegen die Mauren die Doktrinen der christlich-katholischen Kirche in Spanien ohne Weiteres übernommen wurden. Allerdings mag sich Vigilán auch direkt an Porfyrius’ Tradition angelehnt haben. In den genannten Manuskripten finden sich gleichermaßen carmina quadrata in lateinischer Sprache nach Porfyrius, die teilweise sogar buchstäblich abgeschrieben sind (de Cózar 1991, 183). Obwohl die Gedichte aus dem Códice Vigilano unter dem Namen Vigiláns bekannt geworden sind, betont Díaz y Díaz, dass insbesondere die laberintos (Kapitel 2.2.1) dem Mönch Sarracino zuzuordnen sind (vgl. Díaz y Díaz 1981, 61). Vigilán und Sarracino erscheinen zwar immer gemeinsam als Autoren, was die genaue 78 2. Eine Geschichte der Poesía Visual Abbildung 13. Sancta Maria (10. Jh.), Vigilán und Sarracino, in: Díaz y Díaz 1981, 61. Zuordnung erschwert. In Versdichtungen ohne visuelle Elemente unterzeichnet Vigilán jedoch allein als Autor, was Díaz und Díaz folgern lässt, dass Sarracino ausschließlich an den visuellen Gedichten beteiligt war (vgl. ebd.). Das Besondere an der Beteiligung des Mönchs Sarracino liegt in seiner Herkunft. Nach de Cózar und Romera Castillo ist sie der - bisher einzige - Beleg für mögliche mozarabische, also christlich-maurische Einflüsse in der kastilisch-karolingischen Visuellen Poesie, wobei sich die Autoren auf den Namen Sarracino berufen, der typisch mozarabisch sei. Las decoraciones de Vigilán tienen una estrecha vinculación con el arte de los mozárabes, ya que estos se establecieron en la Alta Rioja por esta época, como muy bien da cuenta el mismo nombre del miniaturista del códice Sarracino. (Romera Castillo 1980, 148) De Cózar merkt des Weiteren in einer Fußnote an, dass der Ort, an dem sich das Martinskloster befindet, das Valle de Iregua, zu dieser Zeit von mozarabischen Familien bevölkert war (vgl. de Cózar 1991, 184). Indes lässt sich diese These anhand der visuellen Gedichte Sarracinos und Vigiláns nicht belegen. Díaz y Díaz bezweifelt sie ernsthaft und hält sie für eine vage Vermutung (vgl. Díaz y Díaz 1981, 61). Trotzdem sind Mutmaßungen dieser Art nicht ganz unberechtigt, denn es ist keineswegs abwegig, dass die Herrschaft der Mauren in Spanien ab dem 8. Jahrhundert (bis ins späte 16. Jahrhundert) in der Entwicklung der Poesía Visual - wie in anderen Bereichen der Kunst, Literatur, Musik etc. - Spuren hinterlassen hat. Während sich in Mittel- und Westeuropa, einschließlich Nordspanien, die Visuelle Poesie unter der Herr- 2.1 Von den antiken Wurzeln zum spanischen Mittelalter 79 schaft der Westgoten aus dem römischen Erbe in Richtung christlich-katholischer Ikonografie entwickelte, brachte die maurische Kultur mit einem noch jungen Islam eigene visuelle Ausprägungen von Texten nach Spanien. Und es ist denkbar, dass importierte islamisch-arabische Dichtungstraditionen gewisse Auswirkungen auf die weitere Entwicklung der Poesía Visual hatten. Eine ähnliche Hypothese kann zudem für den Einfluss hebräischer visueller Dichtungsformen formuliert werden. Zwischen dem 9. und 11. Jahrhundert vollzog sich in Südspanien (Al-Andalus) unter der Regierung der Omaijden im Kalifat von Córdoba eine vierhundertjährige, von den drei Weltreligionen geprägte convivencia der drei Kulturen Judentum, Christentum und Islam (vgl. Neuschäfer 2001, 5). Diese historisch wichtigen Zusammenhänge könnten zu der Entwicklung der Poesía Visual (vielleicht auch der Visuellen Poesie allgemein) einen Beitrag geleistet haben. In der Geschichte der europäischen Visuellen Poesie werden maurische oder hebräische Einflüsse nicht immer berücksichtigt. Im Ausstellungskatalog von Adler und Ernst finden maurische oder hebräische visuelle Textkonstruktionen nicht einmal Erwähnung (vgl. Adler/ Ernst 1990, 195). In anderen Forschungen, wie beispielsweise bei Higgins oder Dencker, wird zumindest auf arabische und hebräische Bild-Text-Kombinationen hingewiesen. Higgins formuliert sogar die Hypothese, dass literarische Text-Bild- Auseinandersetzungen insbesondere aus hebräischen Kulturkreisen in Europa nicht hätten unbeachtet geblieben sein können (vgl. Dencker 1972, 31 ff.; Higgins 1987, 54). In den spanischsprachigen Untersuchungen zur Tradition der Poesía Visual werden arabische und hebräische Einflüsse nicht ausgeschlossen, in manchen werden arabische und hebräische Bild-Text-Kompositionen als Beispiele angeführt. 8 Konkrete Belege für eine gegenseitige Beeinflussung fehlen jedoch bis heute. Indes sind Unterschiede und Gemeinsamkeiten in visuellen Textproduktionen aus jüdischer, christlicher und islamischer Tradition festzustellen. Wie sich anhand der Adjektive jüdisch, christlich und islamisch erahnen lässt, ist die gemeinsame Basis von Text-Bild-Kombinationen - für Produktion und Rezeption einerseits sowie Form und Inhalt andererseits - das Religiöse. Anders als im Christentum, das spätestens nach dem Bilderstreit im 9. Jahrhundert die Verehrung von Bildern erlaubt, sind Bilder im Judentum wie auch im Islam ver- 8 Romera Castillo schreibt über die anzunehmende Einflussnahme des maurischen Regimes auf die spanische Dichtung (Romera Castillo, 1980, 148). De Cózar schließt in seiner umfangreichen Studie Poesia e imagen hebräische und arabische visuell-lyrische Texte mit ein, widmet ihnen sogar jeweils ein eigenes Kapitel und geht dabei stark von einer Einflussnahme aus (de Cózar 1991, außerdem de Cózar 1997 und 2009). Weitere Untersuchen basieren auf de Cózar und schließen sich ihm in dieser Sache an: Morales Prado, 2004; Muriel Durán, 2000. 80 2. Eine Geschichte der Poesía Visual boten. Die Kombination von Schrift und Bild im Judentum und im Islam ist daher weniger ikonografisch als typografisch aufgebaut. Hybridität von Schrift und Bild ist vor allem in der Kalligrafie zu beobachten, obwohl die visuellen Texte durchaus auch Figuren darstellen könnten. 9 Im Judentum werden die heiligen Schriften kalligrafisch verziert, es soll die heilige und transzendente Natur der Schrift hervorgehoben werden (vgl. Muriel Durán 2000, 25). Bei den Cabalistic discs 10 (Abbildung 14), wie Higgins sie nennt, handelt es sich um eine Ornamentik, die in der Bibel von Abraham ben Samuel Abulafia aus dem 13. Jahrhundert zu finden ist. Abbildung 14. Caballistics discs (1240 bis ca. 1291), Abraham ben Samuel Abulafia, in: Higgins 1987, 56. Die Besonderheit dieses visuellen Textes liegt in seiner hochkomplexen Konstruktion. Die einzelnen Räder bilden unabhängige Verse. Werden die Räder gedreht, sodass Worte zufällig aneinandergeraten können, ergeben die aneinandergeratenen Worte einen Sinn. Auf diese Weise entstehen neue Verse. Es sind die verschiedensten Wortkombinationen und somit unterschiedliche Verskombinationen möglich. Inhaltlich wird auf das Wort Gottes angespielt, das, im ewigen Kreis durch die Räder visuell dargestellt, immer wieder neu gedeutet werden kann. Das Schriftbild ist an einigen Stellen mit pflanzenähnlichen Ornamenten ausgeschmückt. Die Schrift gilt als etwas Heiliges und Ewiges, als Zugang zum heiligen Wort und als Verewigung des Wortes Gottes (vgl. Muriel Durán 2000, 26 f.). Eine ähnliche ästhetische Bedeutung wird der Schrift im Islam zugesprochen. Noch mehr als in hebräischen Texten wird dort das Schriftbild kalligrafisch 9 Wie beispielsweise Gegenstände (Instrumente) oder Lebewesen (Pflanzen und Tiere) (vgl. de Cózar 1991, 497 f.; Dencker 1972, 31). 10 Auch bekannt als Discos-de-Abulafia (Muriel Durán 2000, 25). 2.1 Von den antiken Wurzeln zum spanischen Mittelalter 81 verziert, wozu die arabische Schrift womöglich einlädt, und es wirkt dekorativ. Da die Verwendung von Bildern in Moscheen verboten ist, werden die Gotteshäuser mit Texten aus dem Koran in aufwendiger Kalligrafie geschmückt. In seinen Untersuchungen über das Kalligramm ( Du Caligramme 1976) hat Jêrome Peignot in einer umfangreichen Anthologie viele Beispiele aus der persischen Kalligrafie zusammengetragen. Eines ist ein persisches Kalligramm aus der Zeit zwischen dem 10. und 13. Jahrhundert, das auf Taliq und Thuluth 11 verfasst ist und auch in den Aufzeichnungen von de Cózar auftaucht (Abbildung 15) (vgl. de Cózar 1991, 192). Abbildung 15. O.T. (o.J.), anonym. Persisches Kalligramm, in: de Cózar 1991, 500. Es sind nur wenige Hintergründe zu Autor, Inhalt etc. bekannt und es liegt keine Übersetzung vor. Aufgrund der unabhängig voneinander lesbaren Darbietung von Bild und Text lässt sich das Bild auch ohne verfügbares Textwissen beschreiben. Klar zu erkennen sind ein Pferd und ein Reiter. Der Reiter stellt möglicherweise einen Krieger dar. Die Waffe, die er in seinen Händen hält (vielleicht ein Speer oder ein Bogen), sowie der Schmuck des Pferdes und der Hut des Reiters (eventuelle Symbole) könnten darauf hindeuten. Andererseits mag es sich auch um einen Jäger handeln, der auf seine Beute, womöglich einen Vogel, zielt. Um dies eindeutig konstatieren zu können, bedarf es vermutlich der Kenntnisse von Taliq und Thuluth. Die Kombination von Bild und Text erinnert an die Poetik der visuellen Gedichte aus der Schule Alkuins, da sie - wenngleich auf andere Weise - Figuren entstehen lässt, die auf die Texte, aus denen sie bestehen, alludieren. 11 In beiden Fällen handelt es sich um Bezeichnungen arabischer Kalligrafie. 82 2. Eine Geschichte der Poesía Visual Die Frage, inwiefern es eine Interdependenz oder sogar eine Intertextualität in der Poesía Visual der drei Kulturen in Spanien gegeben hat, bleibt weiterhin unerforscht. 2.2 Poesía Visual im Siglo de Oro Das 14. Jahrhundert bringt mit Beginn der Renaissance für die visuelle Dichtung wie für das gesamte künstlerische Schaffen einen signifikanten Umbruch mit sich. Unter dem Einfluss des sich etablierenden Humanismus und der damit verbundenen Säkularisierung in Europa rückt der Mensch ins Zentrum der künstlerischen Tätigkeit. Es beginnt eine Blütezeit für Kunst und Literatur wie auch für die Wissenschaft im Allgemeinen. Insbesondere Pädagogik und Didaktik gewinnen an Ansehen, da Erziehung und Bildung zu den zentralen Disziplinen des Humanismus zählen. Im Gegensatz zur mittelalterlichen visuell-poetischen Textproduktion, in der panegyrische Intentionen im Mittelpunkt standen, ruft die humanistische Begeisterung für die griechische Antike in Gelehrtenkreisen eine vielseitige Beschäftigung mit den griechischen Traditionen der visuellen Dichtung ins Leben (vgl. Adler/ Ernst 1990, 47). Im Mittelalter orientierten sich die visuellen Gedichte in Form und Inhalt maßgeblich, wie in den vorangehenden Kapiteln beschrieben, an Optatianus Porfyrius’ carmina quadrata aus der römischen Antike. Obwohl das vorhandene Quellenmaterial im Hinblick auf die Visuelle Poesie des 16. und 17. Jahrhunderts noch nicht vollständig erforscht ist, lassen sich hier Tendenzen der Rezeption der antiken Technopägnien feststellen (vgl. ebd.; de Cózar 2008, 25). Von der zweiten Hälfte des 15. bis zum Beginn des 16. Jahrhunderts wurde in Gelehrtenkreisen die Gattung der visuellen Dichtung in Europa neu entwickelt. Neuauflagen der Anthologia Planudea haben die Bekanntmachung der griechischen Technopägnien ermöglicht und zu unzähligen Nachahmungen dieser Gedichte geführt. Griechische Figuren aus den überlieferten Technopägnien , wie Flügel, Beil, Ei oder Altäre, wurden eifrig nachgeahmt. Auf Nordeuropa bezogen wurden in Deutschland mit Abstand die meisten Figurengedichte geschrieben und gesammelt, gefolgt von England, Frankreich und Italien (vgl. Muriel Durán 2000, 30). In Spanien zeigen sich erst sehr viel später neue Tendenzen in der Produktion visuell-poetischer Texte aus dem Erbe des griechischen Figurengedichts. Es kann sogar von einer gewissen Abneigung gegen die Wiederentdeckung des alten Griechenlands ausgegangen werden. Zum einen könne diese Abneigung in der „escasa entidad del humanismo hispano“ (Muriel Durán 2000, 30) be- 2.2 Poesía Visual im Siglo de Oro 83 gründet liegen, die das Desinteresse an den griechischen Traditionen erkläre. Zum anderen können die immernoch aufblühenden literarischen Manierismen der Grund dafür sein, dass das Figurengedicht nicht wiederentdeckt wurde, da diese von dem in der spanischen Kultur des 16. Jahrhunderts dominierenden Katholizismus protegiert würden (vgl. ebd.). Trotz der im Gegensatz zu anderen europäischen Ländern verspätet und mühselig einziehenden Renaissance vollzieht sich in Spanien zum Ende des 16. beziehungsweise zu Beginn des 17. Jahrhunderts eine bemerkenswerte Entwicklung im Bereich des Visuell-Poetischen. Zwei Faktoren spielen dabei eine wichtige Rolle: Einerseits entfernen sich in Spanien, wie auch in den anderen europäischen Ländern, die visuell-poetischen Texte allmählich vom stark religiösen mittelalterlichen Symbolismus, um sich Elementen aus dem Alltäglichen, Familiären und Natürlichen zu widmen. Ihre Produktionen verlassen außerdem die exklusiven Kreise der Gelehrten und in der Folge das Buch als Träger, immer häufiger treten sie im populären Umfeld auf (vgl. de Cózar 1991, 167). Die Visuelle Poesie wird profan. Andererseits entsteht eine Theorie der visuellen Dichtung. In Gelehrtenkreisen werden - unter dem Einfluss von Veröffentlichungen aus den europäischen Nachbarländern, insbesondere Frankeich, Italien, aber auch England und Deutschland, die sich ihrerseits an den Vorbildern der griechischen Antike orientieren - diverse theoretische Abhandlungen verfasst, die sich den verschiedensten Formen der Dichtkunst widmen und die neu formulierte Poetiken hervorbringen. In manchen Poetiken dieser Zeit werden auch figurative Dichtungsformen exemplarisch vorgestellt. Die Visuelle Poesie ist somit in den zu dieser Zeit entstehenden Theorien über die Dichtkunst als eigener Gattungstyp dokumentiert. Allerdings haben solche theoretischen Abhandlungen auch einen großen Einfluss auf die Formentwicklung der Visuellen Poesie. Denn die Formen, die dort aufgeführt sind, werden nachgeahmt, eingeübt und abgewandelt. So entwickelt sich das sogenannte laberinto, die spanische Bezeichnung für das Gittergedicht ( carmen quadratum) . Die Besonderheit liegt allerdings darin, dass neben der visuellen Gestaltung von Schrift- und Textelementen eine Rätselstruktur erarbeitet wird, die das Lesen des Textes erschwert. Der Rezipient muss (wie die Bezeichnung laberinto in Anlehnung an das Labyrinth deutlich werden lässt), um zum Ziel, zur Botschaft des Textes, zu gelangen, einen oftmals strategisch verwinkelten (Lese-)Weg gehen und Rätsel lösen. Insbesondere Letzteres unterscheidet das laberinto vom caligrama , das keine Rätselstruktur aufweist. Ab dem 16. Jahrhundert zeigt sich, wie Higgins konstatiert, eine immense Produktion solcher visuell-poetischer Textarrangements. 84 2. Eine Geschichte der Poesía Visual However shortly after the beginning of the sixteenth century we find the start of the largest body of pattern poetry of all, which continues through the baroque and into the eighteenth century. (Higgins 1987, 10) Zunächst zeichnet sich diese Produktion, wie oben dargelegt, durch eine religiöse Symbolik aus, die mit den Entstehungsorten, den Klöstern und Klosterschulen, aber auch mit dem an dieser Symbolik interessierten Rezipientenkreis, dem Klerus, zusammenhängt. Wenn Textproduktion und -rezeption visuell-poetischer Gattungstypen letztlich die klerikalen Kreise infolge der historischen Ereignisse verlassen, ändern sich folgerichtig Thematik wie auch Intention dieser Textarrangements. Die Themen reichen nun von banalen Dingen des Alltags bis hin zu emotionalen menschlichen Angelegenheiten wie Liebe und Tod. 2.2.1 Laberintos Ab der europäischen Renaissance entstehen, ausgerichtet an der Praxis der Antike, einige Theoriewerke über Dichtkunst - Poetiken, die der visuellen Dichtung, insbesondere den Technopägnien und den carmina quadrata, einen beträchtlichen Platz einräumen. 12 Derartige Poetiken sind sowohl aufgrund ihrer Gedichtanalysen als auch wegen der angeführten Beispiele die wichtigsten Quellen für die historische Betrachtung der Visuellen Poesie jener Zeit (vgl. Adler/ Ernst 1990, 79). Im Übrigen haben sie zur Verbreitung visuell-poetischer Texte beigetragen. Sämtliche Gelehrte, die sich der Poetik bedienten, um die verschiedenen Gattungen der Poesie zu erlernen, kamen mit figurativen Dichtungsformen in Berührung. Adler und Ernst postulieren, dass die überwiegende Anzahl barocker Figurengedichte von Autoren stammt, die sich anhand solcher Poetiken instruiert haben (vgl. ebd., 73). Die bekannteste spanische Poetik, die als erstes theoretisches Werk visuellpoetisch dokumentiert ist, ist die Arte poética española von Juan Díaz Rengifo (1592). 13 Im Kapitel LXV De los laberintos behandelt Díaz Rengifo einige Formen 12 Adler und Ernst zählen die europäischen Poetiken jener Zeit auf, in denen Visuelle Poesie erwähnt wird. Dazu zählen Julius Caesar Scaliger (1561): Poetices libri septem ; George Puttenham (1589): The Arte of English Poesie ; Johann Christoph Gottsched (1730): Versuch einer kritischen Dichtkunst . Aus dem spanischsprachigen Raum nennen sie Juan Díaz Rengifo (1592): Arte poética española , und die für die Visuelle Poesie herausragende Poetik von Juan Caramuel de Lobkowitz (1663): Primus Calamus ob oculos ponens Metametricum quae variis currentium, recurrentium, adsendentium … multiformes labyrintos exornat. (Weiterführend hierzu: Adler/ Ernst 1990, 73 ff.) 13 Juan Díaz Rangifo (1592): Arte poética española , Salamanca: M. Serrano de Vargas. Neben Rengifos Poetik werden bei de Cózar andere theoretische Werke aufgezählt, in denen Formen der Visuellen Poesie behandelt werden, beispielsweise die oftmals als bestverfasste spanische Poetik ihrer Zeit bezeichnete von Alonso López Pinciano, einem der wenigen spanischen Humanisten (1596): Philosophia antigua poética, Madrid, Thomas 2.2 Poesía Visual im Siglo de Oro 85 visuell-poetischer Texte. Es handelt sich dabei eher um kombinatorische Versspiele, die, aus der Tradition der römischen carmina quadrata kommend, visuell gestaltet sind. Díaz Rengifo geht bei seinen Ausführungen weder auf die Form des Umrissgedichts noch auf die antiken griechischen Technopägnien ein. In einer erweiterten Ausgabe seiner Poetik von 1759 werden zwar zwei weitere laberintos auf großen Tafeln aufgeführt, doch auch hier handelt es sich nicht um Technopägnien . Dies könnte ein erneuter Beleg für das oben angedeutete mangelnde Interesse an griechischen Traditionen, zumindest was die Visuelle Poesie betrifft, sein (vgl. ebd. 1990, 79). Eine weitere bemerkenswerte Sammlung von laberintos findet sich in der Poetik von Juan Caramuel de Lobkowitz (1663; die Gedichte stehen im ersten Teil unter Tabula ). Das umfangreiche Werk legt den Schwerpunkt auf experimentelle und insbesondere visuelle Dichtungsformen. Es beinhaltet vor allem laberintos , wie von Díaz Rengifo definiert. Adler und Ernst, Muriel Durán und de Cózar bezeichnen es als das bedeutendste Werk jener Zeit im Hinblick auf die Entwicklung der Poesía Visual (vgl. Adler/ Ernst 1990, 102; de Cózar 2008, 23; Ernst 2012, 763; Muriel Durán 2000, 49). Das laberinto entwickelt sich in Spanien der Frühen Neuzeit zur ausgereiftesten Form der visuellen Dichtung. Anders als das im Deutschen als Labyrinthgedicht bezeichnete grafisch-spielerisch gestaltete Gedicht, das mit einem Gang durch ein grafisch dargestelltes Labyrinth enträtselt wird, ist mit der spanischen Übersetzung ( laberinto) in manchen theoretischen Abhandlungen das Figurengedicht gemeint. 14 Das Figurengedicht, insbesondere das Umrissgedicht oder caligrama , hat in der spanischen Renaissance - im Gegensatz zu den europäischen Iuncti; des Weiteren Luis Alfonso de Carvallo (1602): El cisne de Apolo , Medina del Campo; das wegen der umstrittenen Autorenschaft (signiert von Francisco de Úbeda) und aufgrund seiner Kuriosität (Vereinigung von Poetik und Roman) diskutierte (1605) La Pícara Justina , Medina del Campo; Juan de la Cueva (1606): Ejemplar Poético , ed. Fco. A. de Icaza; in der Tradition von Aristoteles’ und Horaz’ Poetiken Francisco Cascales (1617): Tablas Poéticas, Murcia; Juan de Jáuregui (1624): Discurso poético , Madrid; und nicht zuletzt das Werk aus der Universidad de Salamanca von Gonzalo Correas (1626): Arte de la lengua española castellana (vgl. de Cózar 1991, 275 ff.). 14 Da das Figurengedicht als eigene vom laberinto unabhängige Gattung in den spanischen theoretischen Texten erst ab dem 18. Jh. auftaucht, kann diese Textgattung beispielsweise bei Díaz Rengifo ( Arte poética , 1592) und Juan Caramuel ( Primus Calamus ob oculos…, 1663) nicht erwähnt sein. Wenn z. B. auf die Technopägnien Bezug genommen wird, dann mit dem durch die beiden wichtigen Poetiken kanonisierten Begriff laberinto . Später wird zwischen laberinto und poesía-de-figura unterschieden (wie bei Zárate 1976). Allerdings stößt die Verwendung des Begriffs poesía-de-figura außer bei Muriel Durán (2000) nicht auf große Zustimmung. Es etabliert sich ferner die Unterscheidung von laberinto und caligrama , wobei mit caligrama das Figurengedicht gemeint ist (u. a. D’Ors, 1977; de Cózar, 1991, 1997, 2008a, 2008b). Im Folgenden werden die Begriffe poemas-de-figura und caligramas für die spanischen Formen des Figurengedichts verwendet. Das laberinto be- 86 2. Eine Geschichte der Poesía Visual Ländern, in denen die griechischen Traditionen stärker aufleben - keine signifikanten Rezeptionserfolge aufzuweisen. Dagegen erfährt das laberinto eine Blütezeit; besonders im klassizistischen Spanien des 17. Jahrhunderts definiert es sich durch die Wiederaufnahme der römisch-lateinischen carmina quadrata und carmina cancellata sowie der christlich konnotierten Gedichte karolingischer Schule neu (Muriel Durán 2000, 42). Zur irreführenden Begriffsdefinition könnte die Poetik Arte Poética Española von Díaz Rengifo (1592) beigetragen haben. Dort werden visuelle Gedichte als laberintos bezeichnet. Dies erklärt, warum der Begriff poesía-de-figura , wie Zárate ihn - allerdings erst 1976 - vorschlägt, für die Formen der spanischen Dichtung vor 1700 keine Verwendung mehr findet. Die Erklärung, warum laberinto als Begriff herangezogen wird, bleibt wie die Herkunft des genuinen Labyrinthgedichts umstritten. Higgins behauptet, dass der mystisch-rätselhafte Charakter der Labyrinthgedichte möglicherweise auf die hebräische Kabbala zurückzuführen ist: The question of origin of the literary labyrinths will probably never be resolved satisfactory, just as a precise definition or classification of them seems unlikely. […] Labyrinths may have evolved out of caballistic texts - Christian caballism evolved out of Jewish caballism in the fifteenth and early sixteenth centuries, and became quite widespread later in the century - or growing popularity of caballism may simply have preconditioned readers to appreciate labyrinthine texts. (Higgins 1987, 11) Wie bereits dargelegt, liegt der hebräische Einfluss im mittelalterlichen Spanien (bis zur Vertreibung der Juden 1492) nahe. Dies würde die Vermutungen Higgins’ bestärken und die spanische Übernahme des Begriffs laberinto erklären. Gemeinsam haben alle laberintos die Neigung zum Spielerischen und Rätselhaften. Jedenfalls erfreut sich das laberinto in all seinen Varianten bis ins 19. Jahrhundert hinein in Spanien großer Beliebtheit (vgl. Alder/ Ernst 1990, 79). Für die Geschichte der Visuellen Poesie ist dies von Bedeutung, weil das laberinto neben den Rätselprinzipien immer auch eine Form der Visualisierung aufweist, ohne die das Rätsel nicht zu lösen wäre. Im Kapitel LXV der Arte Poética Española unterscheidet Díaz Rengifo zwei Formen des laberinto : laberintos de letras und laberintos de versos enteros (Díaz Rengifo 1592, 93). Zur ersten Form erklärt er, dass der Dichter Folgendes zu beachten habe: Zunächst sollen die hervorzuhebenden Buchstaben auf einem „papel ancho“ (ebd.) (in einer anderen Farbe oder anderen Schrift) so platziert werden, dass die gewünschte Figur erreicht wird. Dies wird anhand eines Beispiels veranschaulicht (Abbildung 16). schränkt sich auf das visuelle Gedicht mit Rätselstruktur nach der Tradition der carmina quadrata . 2.2 Poesía Visual im Siglo de Oro 87 Abbildung 16. Beispiel zur Erstellung eines laberinto. In: Díaz Rengifo 1592, 94. Anschließend sollen die Zwischenräume mit Versen verschiedener Versmaße, „tercetos, octavas o redondillas“ (ebd., 94), versehen werden, damit sowohl die Verse als auch die hervorgehobenen Buchstaben gut lesbar sind und unabhängig voneinander einen Sinn ergeben (vgl. ebd.). Bedauerlicherweise wird das angegebene Beispiel zur Platzierung der Erstbuchstaben nicht vom Autor vervollständigt. In der ergänzten Auflage der Poética von 1606 ist diese Technik mit einem anderen Beispiel versehen (Abbildung 17). Abbildung 17. Laberinto aus Arte Poética Española (erweiterte Auflage von 1606), Díaz Rengifo, in: Biblioteca Nacional 2008, 81. Diese zweite vorgestellte Form, laberintos de versos enteros , wird nicht so präzise beschrieben. Mit laberintos „in ganzen Versen“ sind geometrisch angeordnete Kompositionen von Versen gemeint, die in verschiedenen Kombinationen mehrere Leserichtungen zulassen. Richtung und Reihenfolge des Lesens können dabei ganz unterschiedlich sein, wichtig ist, dass die Kombinationen einen Sinn ergeben: Hazense quatro, o cinco, o ocho, o diez ordenes, y otras tantas coplas cada orden, cuyos versos lleven los vocablos y sentencia tan independiente el uno del otro, que 88 2. Eine Geschichte der Poesía Visual puedan concertar con qualquiera verso de las otras coplas, desuerte, que de qualquiera parte que uno comienze a leer, y para qualquiera que eche, siempre vaya haziendo copla. (Díaz Rengifo 1592, 95) Das als nächstes Beispiel angeführte Gedicht (Abbildung 18) ist dem Fest der Inmaculada Concepción gewidmet und handelt von einem Brunnen mit zwei Wasserstrahlen ( caños ). Aus dem einen kommt „agua turbia y suzia“, aus dem anderen „licor clarísimo” (ebd.), womit auf die Reinheit der Jungfrau María hingewiesen wird (vgl. Muriel Durán 2000, 58). Die vertikalen und horizontalen Zwischenlinien deuten auf die verschiedenen möglichen Leserichtungen hin. Abbildung 18. Labyrinto , in: Díaz Rengifo 1592, 96. 2.2.2 Poesía circunstancial Ab dem 16. Jahrhundert treten in ganz Europa visuell-poetische Texte zunehmend in kasuallyrischen Verwendungen in Erscheinung. Bei der sogenannten Kasuallyrik handelt es sich um poetische Texte, die zu einem bestimmten Anlass für eine bestimmte Gruppe von Menschen konzipiert werden, auch bekannt als Gelegenheitsdichtung. Higgins bezeichnet diese Dichtungsform als „occasional verses“ (1987, 6), im Spanischen ist bei de Cózar von „poesía de circunstancias“ (1991, 360) im Folgenden poesía circunstancialdie Rede. Im Barock sind Feste in aristokratischen Kreisen beliebte Anlässe für visuelle Gelegenheitsgedichte. Auch im bürgerlichen Umfeld etabliert sich später zu besonderen Anlässen wie Hochzeit und Taufe eine Vorliebe für künstlerische Begleitprogramme. Dazu gehören kurze, oftmals visuelle Texte, die den Protagonisten des Festes gewidmet sind. Visuell-poetische Texte, die für eine festliche Gelegenheit geschrieben werden, haben meist eine dekorative Funktion, deren 2.2 Poesía Visual im Siglo de Oro 89 Charakter allerdings durch den stark variierenden Rezipientenkreis bestimmt ist. Visuelle Texte für solche Zwecke zu schreiben, entwickelt sich zu einer Art Modeerscheinung, wie sich anhand der zahlreichen Überlieferungen konstatieren lässt. 15 Nur wenige Belege sind über eine solche Tradition während des Siglo de Oro in Spanien bis heute überliefert. Miguel D’Ors nennt beiläufig einige „composiciones tipográficas decorativas hechas con motivo de la festividad de San Juan Evangelista“ (D’Ors 1977, 30), die 1683 von Mateo de Llanos und Antonio Román gedruckt wurden, sowie ein weiteres für einen unbekannten Zweck von Baltasar Gómez geschriebenes visuelles Gedicht aus dem Jahr 1689. 16 Die Tatsache, dass diese Gedichte verloren gingen, ist nicht verwunderlich. In den meisten Fällen wurden kasuallyrische Texte auf einem losen Blatt Papier, als Einladung oder Ähnliches, abgedruckt. Die poesía visual circunstancial wird zu bestimmten Anlässen verwendet, weil die Rezeption dieser Textkonstruktionen rasch und effektiv ist: Ersteres, weil es sich bei den Gelegenheitsgedichten meist um kurze oder sehr kurze Textkonstruktionen handelt; Letzteres, weil durch Bilder die Sinnschaffung vereinfacht und das Memorieren begünstigt wird, was angesichts des seinerzeit stark verbreiteten Analphabetismus von großer Bedeutung ist. Die Texte werden nicht zu einem langen Verweilen konstruiert, sie bergen meist eine dekorative Funktion. Vor allem aufgrund ihrer Kürze vermögen sie auch provokative Intentionen zu verfolgen. Zur poesía circunstancial zählen gleichfalls Gedichte, die nicht nur zu einem bestimmten Anlass, sondern auch zu einem bestimmten Zweck geschrieben werden. Im Spanien des 17. Jahrhunderts wird „la fiesta pública“ (Muriel Durán 2000, 31) beispielsweise zu einem wichtigen Ort der monarchisch-politischen Propaganda. Besondere festliche Ereignisse wie königliche Hochzeiten, Taufen, Krönungen oder Trauerfeiern werden zu öffentlichen Angelegenheiten gemacht, um die an Popularität leidende Monarchie der Habsburger zu stärken (vgl. ebd.). 17 Muriel Durán zufolge spielen poetisch- 15 In allen bis hier zitierten Quellen sind mehrere Gelegenheitsgedichte ab dem 16. Jh. abgebildet, insbesondere bei Adler/ Ernst 1990, 102 ff. und Higgins 1987, 71 ff. 16 Abgedruckt sind die ersten erwähnten Gedichte von de Llanos und Román bei Agulló y Cobo, M.: Noticias de impresores y libreros madrileños de los siglos XVI y XVII, Anales [sic] del Instituto de Estudios Madrileños, I, 1966 (192-193); die Kompositionen von Gómez können bei Montoto, S.: La Hermandad de los Impresores, Libreros y Fundidores de Sevilla, Bibliografía Hispánica , VII, 1947 (598-604) nachgesehen werden (vgl. D’Ors 1977, 30). Hier liegen diese Gedichte lediglich in ihrer Literaturangabe vor. 17 Ganz besonders unter dem unbeliebten König Carlos II de Austria (Regierungszeit 1665- 1700) litt die Habsburger Monarchie in Spanien an mangelnder Popularität. Da der König keine Nachkommen hinterließ, brach nach seinem Tod der spanische Erbfolgekrieg aus, der 1714 mit Einzug der Dynastie der Bourbonen endete (Muriel Durán 2000, 31). 90 2. Eine Geschichte der Poesía Visual visuelle Texte in der Festkultur des spanischen Barocks, die in der Literatur und Festlichkeit eng miteinander verknüpft sind, ebenfalls eine propagandistische Rolle: La poesía [poesía visual] abandona el marco protector del libro y se inserta en el dominio lúdico de la fiesta barroca, en cuyo seno se aglutinan las más variadas ramas artísticas: Arquitectura, Pintura, Escultura, Literatura, Música. […] Literatura, fiesta y propaganda política van a permanecer estrechamente ligadas durante el Barroco y buena parte del siglo de las luces. (Muriel Durán 2000, 31) Anders verhält es sich im Bereich der deutschen Kasuallyrik zur Zeit des Barock. Hier sind, dank der vielen Publikationen des Pegnesischen Blumenordens 18 , zahlreiche Überlieferungen vorhanden (vgl. Adler/ Ernst 1990, 154 ff.; Dencker 1972, 41 ff.). 19 Der pegnesische Blumenorden, auch als Schule von Nürnberg ( escuela de Nuremberg ) bezeichnet, erweist sich als eine wichtige Referenz in der Entwicklung der Poesía Visual. Den spanischen Theoretikern des 18. Jahrhunderts waren die visuellen Gedichte der Pegnitzschäfer bekannt, was ihren Einfluss auf die spanischen Figurengedichte des 18. und 19. Jahrhunderts erklärt (vgl. D’Ors 1977, 33 f.). Dem Pegnesischen Blumenorden ist eine Vielzahl von Figurengedichten im deutschen Barock zu verdanken, die heute eine der wichtigsten Sammlungen visueller Gedichte dieser Zeit darstellt. Es existiert keine vergleichbare Gesellschaft oder Gruppe von Dichtern, die sich so intensiv dieser Textgattung gewidmet hat. Obwohl die meisten unter ihnen unabhängig voneinander relativ bekannte Dichter waren, galt ihr Ruhm mehr der Gruppe als dem Individuum (vgl. Adler/ Ernst 1990, 154). Ihre Poetik war in Europa richtungsweisend. Es handelte sich um das sprachliche Zusammentragen von Wort, Bild und Spiel. Charakteristisch war zum einen die Visualisierung der Sprache, zum anderen das Sprachspiel, beispielsweise die Kombinierbarkeit von Buchstaben, Wörtern oder ganzen Versen. Es galten ähnliche Prinzipien wie bei den laberintos gemäß 18 Der Pegnesische Blumenorden ist eine 1644 von Georg Philipp Harsdörffer (1607-1658) und Johann Klaj (1616-1656) in Nürnberg gegründete Gesellschaft für Sprache und Literatur. Sie existiert seitdem ununterbrochen bis heute. Ihre Mitglieder nennen sich Pegnitzschäfer (vgl. http: / / www.irrhain.de, zuletzt eingesehen am 18.04.2015). 19 Bei den zahlreichen Publikationen des Pegnesischen Blumenordens handelt sich um verschiedenste Textgattungen, von theoretischen Texten über Dichtungskunst bis zu Schäferromanen. All diesen Texten gemeinsam ist, dass sie visuelle Gedichte beinhalten. Harsdörffer, Georg Philip/ Klaj, Johann (1644): Pegnesisches Schäfergedicht ; Helwig, Johann (1650): Die Nymphe Noris ; Schottel, Justus Georg (1656): Teutsche Vers- und Reimkunst ; Birken, Sigmund von (1673 und 1679): Pegnesis und Teutsche Rede-bild- und Dicht- Kunst ; Karst, Johann Rudolf (1667): Deutscher Dicht-Kunst Lust- und Schauplatz (D’Ors 1977, 32 ff.). 2.2 Poesía Visual im Siglo de Oro 91 den Anleitungen von Caramuel. Ein bemerkenswertes weiteres Charakteristikum war die Verwendung der Lautmalerei. Es wurde versucht, die Natur, das Wesen, den Gegenstand nicht nur in ihrer Form, sondern auch in ihrem Klang poetisch darzustellen (vgl. ebd.). Eine ganze Reihe visueller Gelegenheitsgedichte aus der Schule von Nürnberg ist erhalten geblieben. Wie im Zeitalter des Barock üblich, haben die Pegnitzschäfer viele visuelle Gedichte zu feierlichen Gelegenheiten wie Hochzeiten und Todesfeiern geschrieben. Ein Beispiel ist das Wiegengedicht von dem für seine ausgefallenen Figurengedichte bekannten Dichter Johann Karst (Abbildung 19). Abbildung 19. Wiegengedicht (1667), Johann Rudolph Karst, in: Adler/ Ernst 1990, 105. Das Gedicht entstand aus Anlass einer Vermählung im Jahr 1667. 20 Es handelt sich um eine figurativ-textuelle Darstellung einer Kinderwiege. Die Verse sind nummeriert, die Zahlen geben dem Leser die Reihenfolge an. Zudem wird unterhalb des Gedichts vermerkt, dass die numerische Reihenfolge zu beachten ist. Dieses Gedicht steht beispielhaft für eine populäre spielerische Form der Kasuallyrik. In der letzten erweiterten Fassung der Arte poética Española von Juan Díaz Rengifos (1759) wird folgendes Gedicht im Kapitel De las poesías mudas angeführt (Abbildung 20). Die Bezeichnung poesías mudas deutet darauf, dass diese Gedichte nicht zum Rezitieren, sondern zum stummen Lesen konzipiert wurden. 20 Von Karst selbst veröffentlicht, in: Karst, Johann Rudolf (1667) : Deutscher Dicht-Kunst Lust- und Schauplatz ( Adler/ Ernst 1990, 105). 92 2. Eine Geschichte der Poesía Visual Abbildung 20. Retrógado esférico a la muerte de Mariana de Austria (o.J.), anonym, in: Juan Díaz Rengifo, Arte Poética Española (erweiterte Auflage, Barcelona, 1726). Es handelt sich hier um ein poema circunstancial , das für die Denkschrift an Doña Mariana de Austria geschaffen wurde (vgl. Dencker 1972, 37). Die Verse sind so platziert, dass eine Sonne mit acht Strahlenarmen entsteht. Den Mittelpunkt bildet das Wort Reyna . Die als Sonnenstrahlen ausgerichteten Verse ergeben von außen nach innen oder von innen nach außen gelesen einen Sinn. Inhaltlich spielt das Gedicht auf seinen Entstehungsanlass, den Tod der Mariana de Austria , an. Ausschlaggebend bei poemas circunstaniales ist im Hinblick auf das Visuelle, die spielerische Wirkung der Intermedialität von Schrift und Bild, die zu einem bestimmten Anlass oder Ereignis poetisch erzeugt wird. Der technische und stilistische Hintergrund dieser Dichtungsformen wird im folgenden Kapitel, auf die Visuelle Poesie reduziert, näher dargelegt. 2.2.3 Manieristische Dichtungsformen Sehr aufwendige visuelle Dichtungsformen, deren Aufgabe es ist, den Rezipienten mit demonstrativer Artistik zu erstaunen, werden dem Manierismus zugeschrieben (vgl. de Cózar 1991, 217 ff.). Im Allgemeinen ist von manieristischen literarischen Texten die Rede, wenn über anspruchsvolle Verfahren und Techniken allein das Ziel verfolgt wird, im Publikum Verwunderung auszulösen. Die Vorgehensweise ist durch die auffällige Verwendung bestimmter Stilmittel charakterisiert. In Bezug auf visuelle Dichtungsformen sind dies beispielsweise: die Häufung visueller Hervorhebungen ( acrósticos , mesósticos , telésticos etc . ); die Betonung formstruktureller Aspekte des Textes, etwa die Platzierung und 2.2 Poesía Visual im Siglo de Oro 93 Verschränkung von Verszeilen in figurativen Darstellungen ( caligrama ), oder labyrinthische Techniken ( laberinto ) (vgl. Zymner 2007a, 471). Laberintos und caligramas sind manieristische Dichtungsformen. Die „estética manierista“ (de Cózar 1991, 33) bedeutet daher nicht die gekünstelte, übertriebene Nachahmung eines Stils im negativen Sinn, sondern bezeichnet, ganz ohne Wertung, eine eigentümliche (epochale) Darstellungsweise (vgl. Burdorf et al. 2007, 470). Im Laufe des 17. Jahrhunderts tauchen zunehmend visuell-manieristische Textkonstruktionen auf, deren Produktion und Verbreitung durch die Fortschritte in der Drucktechnik maßgeblich unterstützt werden und bis in das 19. Jahrhundert reichen. Die rein aus Buchstaben und Zahlen bestehenden Gedichte, wenngleich für den Druck aufwendig, waren aus typografischer Sicht (im Vergleich zu Bildern) eher unkompliziert, was die Bereitschaft zur Vervielfältigung erklärt (vgl. de Cózar 2008, 27). Zu den manierismos formales der Poesía Visual zählen beispielsweise poemas retrógrados , poemas numéricos , poemas permutatorios oder poemas de ajedrez . 21 Es gibt unzählige Varianten. Einige beruhen auf antiken Stilmitteln, beispielsweise das poema retrógrado , das prinzipiell auf anagrammatische Verfahren zurückgreift. Der Unterschied zum Anagramm ist, dass es immer auch figurativ ist. So ist das poema visual retrógrado zwar eine poetische Konstruktion, in der die Verse sowohl von links nach rechts als auch von rechts nach links gelesen werden können, diese sind aber so auf dem Papier platziert, dass sie eine Figur ergeben (wie bei dem Gedicht Retrógado esférico a la muerte de Mariana de Austria ; Abbildung 20). Gleiches gilt für poemas numéricos , bei denen Zahlen anstelle von Buchstaben, Silben, Worten oder ganzen Versen stehen. Andere Formen werden neu erfunden, zum Beispiel das poema de ajedrez. Es entspricht, wie der Name erahnen lässt, dem Prinzip des Schachspiels. Der Text wird in Form eines Schachbretts (mit schwarz-weißen Feldern) gesetzt. Die Verse sind in den einzelnen Schachfeldern platziert und können entsprechend den Schachzügen bestimmter Schachfiguren (z. B. des Pferdes) miteinander kombiniert werden (vgl. Higgins 1987, 112). Beispielhaft lässt sich dieser manieristische visuelle Gedichtstypus an dem nachfolgend abgebildeten poema vorführen (Abbildung 21). 21 Im Rahmen der vorliegenden Arbeit werden beispielhaft jene repräsentativen Formen angeführt, die besonders häufig auftauchen. Weitere Typen, u. a. poemas concordantes , poemas correlativos etc., trägt de Cózar unter Los manierismos formales más destacados en los siglos XVI y XVII zusammen. Auch Muriel Durán stellt weitere manieristische Dichtungsformen vor (vgl. de Cózar 1991, 301 ff.; Muriel Durán 2000, 33 ff.). 94 2. Eine Geschichte der Poesía Visual Abbildung 21. Labyrintho al modo del juego de axedrez, que trata del Nacimiento de Christo Nuestro Señor (o.J.), anonym, in: Biblioteca National 2008, 90. Formen, die Kollokations- und Kombinationstechniken aufweisen, sind sogenannte poemas permutatorios . In diesem Verfahren werden meist diskursive Metriken aufgegriffen, beispielsweise das Sonett, und mittels permutatorischer Technik unzählige Kombinationen erschaffen. Dies lässt sich beispielhaft anhand der Tafel Maria Stella veranschaulichen (Abbildung 22). Abbildung 22. Maria Stella (1616), Juan Caramuel de Lobkowitz, in: Adler/ Ernst 1990, 103. 2.3 Das siglo de las luces und die persistencia der Poesía Visual im 19. Jahrhundert 95 Es handelt sich um ein panegyrisches Gedicht auf die Jungfrau Maria. Es besteht aus retrograden Versen, die sternförmig angeordnet sind. Aus konzentrischen Ringen konzipiert, können die einzelnen Textparzellen in unzähligen Kombinationen im Kreis permutiert werden. Im Titel werden neben dem Hinweis auf die Form ( stella , lat. für Stern) zudem die exakten Zahlen der zu bildenden Möglichkeiten aufgeführt (vgl. Adler/ Ernst 1990, 105). So ist dieses Gedicht nicht nur aufwendig durchdacht und gestaltet, sondern wurde auch errechnet. Der Verfasser hat viel Fleiß und Zeit investiert, um dem Rezipienten ein anspruchsvolles und darüber hinaus engagiertes Lesevergnügen zu bieten und ihn mit der bemerkenswerten äußeren Form zu beeindrucken. Die zunächst recht überschaubare Kombination von Versen, die Díaz Rengifo als laberintos de versos enteros (1592) beschreibt, entwickelt sich in der Poetik von Juan Caramuel de Lobkowitz (1663) zu einer sehr anspruchsvollen, hochartifiziellen und exklusiven Gattung. Das Interesse an mystisch-allegorischen Formen nimmt nach Caramuel zugunsten logisch und analytisch aufgebauter Formen der Visuellen Poesie ab. Schrift-Bild-Kompositionen werden auf manieristische Weise zusammengestellt. In der Poetik Caramuels sind bereits einige Beispiele versammelt, wobei die poemas permutatorios den größten Anteil stellen. Ein ausgeprägter Manierismus lässt sich in den Erscheinungsformen der Poesía Visual bis ins späte 18. Jahrhundert beobachten. Meist weisen die entsprechenden Texte einen engen Zusammenhang zur poesía circunstancial auf, wie das Gedicht aus Rengifos Poética , Retrógado esférico a la muerte de Mariana de Austria (Abbildung 20) zeigt. 2.3 Das siglo de las luces und die persistencia der Poesía Visual im 19. Jahrhundert Im 18. Jahrhundert stellt sich in der Dichtung allgemein eine neue Orientierung ein, die sich von der manieristischen Form des Barock abwendet und sich, gemäß der Ideale des siglo de las luces , mit durchsichtigen, klaren und einfachen Kompositionen beschäftigt. Mit dieser Wende, die sich etwa zur Regierungszeit Carlos‘ III. (1716-1788) vollzieht, kommen visuell-poetische Gattungen in Verruf. Sie werden von aufklärerisch-intellektuellen Kreisen scharf kritisiert und verschwinden fast vollständig aus der poetischen Praxis - zumindest aus den Publikationen. Die aufkommende heftige Kritik an visuellen Dichtungsformen belegt nach de Cózar, dass diese Formen häufiger angewandt wurden als vermutet (2008, 19). Einer der ersten und bedeutendsten Gegner visueller Gattungen war bereits lange zuvor der französische Philosoph Michel de Montaigne (1533-1592). Im 96 2. Eine Geschichte der Poesía Visual Kapitel 54 Des vaines subtilités seiner Essais von 1580 äußert er sich sehr kritisch über visuell-poetische Texte, bemängelt konkret manieristische Texte und beschimpft diese als „unnütze Kniffeleien“ ( des vaines subtilités ). Dabei bezieht er sich sowohl auf die visuellen Gedichte, die sich an die griechischen Technopägnien anlehnen ( des oeufs, des boules, des ailes, des haches façconnées ) als auch auf wortspielerische Techniken ( des ouvrages entiers de vers commençant par une même lettre ). Er mokiert sich regelrecht über Textgattungen dieser Art, wie sich anhand des folgenden Zitates belegen lässt: Il est de ces subtilités frivoles et vaines, par les moyens desquelles les hommes cherchent quelquefois de la recommendation; comme les poètes qui font des ouvrages entiers de vers commençant par une même lettre; nous voyons des oeufs, des boules, des ailes, des haches façconnées anciennement par les Grecs avec la mesure de leurs vers, en les allongeant ou raccourcissant, en manière qu’ils viennent à représenter telle ou telle figure. Telle était la science de celui qui s’amusa a conter en combien de sortes se pouvaient ranger les lettres de l’alphabet, et y en trouva ce nombre incroyable qui se voit dans Plutarque […]. (Montaigne 1580, zit. in Higgins 1987, 13) Harsche Kritik an manieristischen Dichtungsformen findet sich während des 18. und 19. Jahrhunderts auch in Spanien. Der Hang zu klassizistischen Formen und die Rezeption philosophischer Schriften - darunter auch die Essais von Montaigne -, in denen manieristische Dichtungsformen als literarisch nicht wertvoll verschrien sind, führen zur Diskreditierung visuell-poetischer Texte. Manieristische Dichtungsformen sind mit dem aufklärerischen Transparenzanspruch dieser Zeit nicht mehr vereinbar. Zu den antagonistischen Schriften zählt de Cózar (1991, 349) literaturwissenschaftliche präskriptive Schriften des 18. Jahrhunderts, wie La Poética o Reglas de la Poesía General y de sus principales especies (Zaragoza, 1737) von Ignacio de Luzán (1702-1754) sowie literaturtheoretische Abhandlungen des 19. Jahrhunderts, wie die Estudios de crítica literaria (Madrid, 1884) von Marcelino Menéndez y Pelayo (1856-1912). 22 Eduardo Benot beispielsweise äußert sich unmissverständlich über die Poetik Rengifos und insbesondere über die darin aufgeführten laberintos , die er in der Prosodia- castellana- y- versificación (Ma- 22 Weitere Antagonisten, die u. a. bei de Cózar aufgeführt werden, sind: Juan Francisco de Masdeu (1744-1817): Arte Poética Fácil (Valencia, 1801); Manuel Milá y Fontanals (1818- 1884): Principios de Literatura General y Compendio de arte poética (Barcelona, 1888); Eduardo Benot (1822-1907): Prosodia- castellana- y- versificación (Madrid, 1892); Narciso Campillo y Correa (1835-1900): Retórica y Poética, literatura prescriptiva (o. O., 1872); Manuel de la Revilla (1846-1881): Principios de Literatura General e Historia de la Literatura Española (Madrid, 1872), und Mario Méndez Bejarano (1857-1931): La ciencia del verso. Teoría-de-la-versificación (Madrid, 1907). Weiterführend hierzu de Cózar, 1991, 346 ff. 2.3 Das siglo de las luces und die persistencia der Poesía Visual im 19. Jahrhundert 97 drid, 1892) geradezu bloßstellt, indem er sie als „kindisch“ ( la puerilidad ) und „schwachsinnig“ ( imbéciles ) bezeichnet: I para que te formes una idea del extremo a que descendió la puerilidad - o más bien la locura - voi (por si no tienes a mano la famosa Arte Poética Española) a copiarte sin comentarios (¿a qué? ) algunos de los imbéciles sonetos inventariados por Rengifo. (Benot 1892, zit. in de Cózar 1991, 350) Aufgrund von Kritik wie dieser leidet die visuelle Dichtung lange Zeit unter mangelndem Interesse in intellektuellen Kreisen, ab der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts wird sie für einige Zeit als poetische Gattung vollkommen an den Rand gedrängt. Doch favorisiert im Allgemeinen ein kritischer Diskurs die Theoriebildung des Gegenstands, was sich auch am Beispiel der Visuellen Poesie beobachten lässt. In Opposition zu der heftigen Kritik halten sich europaweit weiterhin Theorien, die die poemas visuales unzweifelhaft der poetischen Gattung zuschreiben (vgl. ebd.). Als Kuriosität der Literatur tauchen visuelle Gedichte nach wie vor Seite an Seite mit anderen manieristisch-poetischen Kompositionen auf. In Frankreich sammelt Etiènne-Gabriel Peignot (1767-1849) in Repertoire de Bibliographies spéciales, curieuses et instructives (Paris, 1810) visuelle Gedichte, in Großbritanien veröffentlicht Isaac D’Israeli (1766-1848) einige als Curiosities of Literature (London, 1833), und der italienische Gelehrte Cesare Cantù (1807-1895) erwähnt visuell-poetische Texte in seiner Historia Universal (Madrid, 1847-59). Beachtenswert sind die Publikationen von Pierre Gustave Brunet (Belgien 1805-1896), der sich gleich in mehreren Bänden der Visuellen Poesie widmet: Fantasies bibliographiques (Paris, 1864), Curiosité bibliographiques et artistique (Genf, 1867), Les fous littéraires (Brüssel, 1880) (vgl. de Cózar 1991, 351 f.). Aus der spanischen Theorie sind vor allem die Werke von León María Carbonero y Sol (geb. 1853), Esfuerzo de ingenio literario (Madrid, 1890), Agustín Aguilar y Tejera (geb. um 1890), Las poesías más extravagantes de la lengua castellana (Madrid, ca. 1920-30), und Eduardo de Ory (1884-1939), Rarezas literarias (Cádiz, 1933), zu nennen. Sie gelten bis heute als die wichtigsten Nachschlagewerke über die Poesía Visual vor der Moderne (vgl. ebd., 356). Trotz einiger theoretischer Publikationen, in denen visuell-poetische Kompositionen gewürdigt und als literarische Gattung anerkannt werden, dürfte die Stimme der Antagonisten sehr viel lauter gewesen sein, denn mit dem Aufkommen aufklärerischer Ideale in der Dichtung bis ins späte 19. Jahrhundert hinein steht die Visuelle Poesie in ganz Europa im Schatten ihrer Kritik (vgl. u. a. Adler/ Ernst 1990, 195 ff.; de Cózar 1991, 343, Higgins 1987, 15 f.). Lediglich einige wenige wenn auch in großen zeitlichen Abständen - Überlieferungen 98 2. Eine Geschichte der Poesía Visual von poemas visuales sind aus dem siglo XIX erhalten, was die Annahme gestattet, dass die visuell-poetische Praxis fortdauerte. Bis zum Auftreten avantgardistischer Formen zu Beginn des 20. Jahrhunderts werden die alten Formen des laberinto und des caligrama in Spanien weiterhin gepflegt. Da keine wahre Gattungsentwicklung stattfindet, merkt Muriel Durán an, dass dem 19. Jahrhundert eigentlich kein eigenes Kapitel zustünde (vgl. Muriel Durán 2000, 62). Dennoch widmet er ihm ein kurzes Kapitel, das indes weniger die Entwicklung des Gattungsstypus als die der Gattungstheorie beschreibt. Die Qualität dieses Jahrhunderts liege in der Entstehung weiterer Theorien, Anthologien und insbesondere Zeitschriften die Poesía Visual betreffend. Aufgrund der Genauigkeit und des Umfangs gilt die Publikation von Carbonero y Sol (1890) als das grundlegende theoretische Werk über Poesía Visual im 19. Jahrhundert. Die beiden nachfolgenden Veröffentlichungen von Aguilar y Tejera (ca. 1920-30) und Eduardo de Ory (1933) orientieren sich maßgeblich daran. 23 Alle drei sich mit der Theorie poetischer Gattungen beschäftigenden Werke beinhalten Anthologien von caligramas und laberintos aus vergangenen Jahrhunderten, meist bis 1800, dank derer viele Gedichte bis heute überliefert sind. Bemerkenswert ist, dass in keiner der genannten Veröffentlichungen zeitgenössische visuelle Gedichte erwähnt werden, obwohl sie, wie de Cózar anmerkt, den Autoren bekannt gewesen sein mussten (vgl. de Cózar 1991, 359). Dies könnte ein Indiz dafür sein, dass zeitgenössische visuelle Dichtung nicht anerkannt war und letztendlich nur solche Gedichte von Bedeutung waren, die eine gewisse Tradition aufwiesen, wie die laberintos aus Rengifos und Caramuels Poetiken oder die carmina quadrata und, nun endlich - im Gegensatz zum 16. und 17. Jahrhundert -, die griechischen Technopägnien (vgl. ebd.). Zu den zahlreichen Beispielen der verschiedenen Ausprägungen zählt in den theoretischen Schriften des 18. und 19. Jahrhunderts auch das griechische Figurengedicht, wenngleich das Hauptaugenmerk weiterhin auf Theorie und Kritik der laberintos liegt. Doch auch die geringe Zuwendung in den theoretischen Werken und Anthologien scheint den caligramas ab dem späten 18. Jahrhundert zu einer erneuten Entfaltung in Spanien verholfen zu haben. Überdies prägen die deutschen Gelegenheitsdichtungen, also die zahlreichen Publikationen aus dem Umfeld der Pegnitzschäfer das caligrama des 18. und 19. Jahrhunderts substanziell (vgl. ebd., 360). 23 Diese drei Werke gelten für Spanien als die wichtigsten theoretischen Auseinandersetzungen mit Poesía Visual im 19. Jh. Es sind des Weiteren die Studien von Comellas, Bartolomé: Estudios- de- humanidades- o- ensayo- de- versificación- en- los- géneros- que- ofrecen- mayor-dificultad (Palma de Mallorca, 1872), und von Girón Severini, Ricardo: Ejercicios de análisis y composición castellana (Madrid, o. J., ca. 1920-30) erwähnt (vgl. de Cózar 1991, 364 ff.; Higgins 1987, 113; Muriel Durán 2000, 63). 2.3 Das siglo de las luces und die persistencia der Poesía Visual im 19. Jahrhundert 99 Das spanische 19. Jahrhundert erscheint im Hinblick auf die Geschichte der Poesía Visual ambivalent: Einerseits hat die anhaltende harsche Kritik an den caligramas dazu geführt, dass sie nicht ernst genommen wurden, andererseits sind nicht gerade wenige Figurengedichte aus dieser Zeit überliefert. Sie sind nicht etwa in Anthologien zu finden, wie bereits dargelegt, sondern in Zeitungsarchiven. Zeitgenössische Zeugnisse visuell-poetischer Texte sind die in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts aufblühenden literarischen Zeitschriften. Sie spielen (bis heute) eine wesentliche Rolle in der Genese der Poesía Visual. Mit wenig Aufwand konnte im Prinzip jeder, der dafür Geld investieren wollte und konnte, eine Zeitschrift veröffentlichen - weshalb mitunter auch weniger seriöse Zeitschriften zu finden sind. Viele visuelle Gedichte wurden demnach häufig in Zeitschriften veröffentlicht. Es ist sogar wahrscheinlich, dass mehr Zeitschriften gedruckt und im Umlauf waren, als heute nachzuweisen ist. Ein Beispiel ist die von Carbonero y Sol 1852 gegründete ultrakatholische Zeitschrift La Cruz (Muriel Durán 2000, 67). Hier wurden hauptsächlich visuelle Gedichte mit religiösen Inhalten und Ikonografie veröffentlicht. So ist das Kreuz außerordentlich oft vertreten, beispielsweise in dem Gedicht Cruz con pedestal (Abbildung 23). Abbildung 23. Cruz con pedestal (1890), anonym, in: Muriel Durán 2000, 63. Wie in einem caligrama sind die Buchstaben so gesetzt, dass der einzige Vers „Ten piedad de mi o Dios según tu grande misericordia“ (ebd.) in verschiedene Richtungen und gespiegelt gelesen werden kann. Das Zentrum des Gedichts bildet der Buchstabe T , der wegen seiner Ähnlichkeit mit einem Kreuz auf die katholische Symbolik hinweisen soll. Wahrhaft originell sind derartige Gedichte der Zeitschrift La Cruz nicht, sie sollten in erster Linie eine symbolische (in diesem Fall religiöse) Funktion erfüllen. 100 2. Eine Geschichte der Poesía Visual Einer gänzlich anderen Weltanschauung folgte die Zeitschrift El Pistón , die sich an ein freigeistliches Publikum richtete. Sie gilt in der Geschichte der Poesía Visual als jene Zeitschrift des 19. Jahrhunderts, die eine besonders produktive Zeit in Spanien dokumentiert. Higgins zufolge handelt es sich um die erste Zeitschrift experimenteller Dichtung überhaupt (1987, 187; 2000, 67), was Muriel Durán als übertriebene Einschätzung darstellt. Wenngleich diese These in der Tat überspitzt erscheint - es wurden im 19. Jahrhundert keine neue Varianten visuell-poetischer Textformen in Spanien erfunden, sondern lediglich alte Formen und Figuren immerzu neu rezipiert -, ist es trotzdem beachtlich, dass sich eine Zeitschrift so eingehend mit visuell-poetischen Konstruktionen befasst hat. El Pistón repräsentiert ein wichtiges Zeugnis seiner Zeit, wie die Untersuchungen von Higgins und insbesondere die Ergebnisse der Studie Laberintos y pentacrósticos de El Pistón von Javier Ruiz nachweisen konnten. 24 In ihrer äußeren Erscheinung erinnert die Zeitschrift eher an das Format einer Zeitung, was zudem im Untertitel „periódico de chistes y risas“ angedeutet wird. Herausgegeben wurde El Pistón von José González Estrada, „by far the most prolific of spanish pattern poets“ (Higgins 1987, 113). González Estrada (ca. 1830-83) trat zugleich als Autor auf. Die Zeitschrift erschien in der Zeit von April bis Oktober 1864 insgesamt vierundzwanzigmal. Eine konsequente Regelmäßigkeit ist im Erscheinungszyklus nicht erkennbar; so wurden beispielsweise sechs Exemplare im Juni 1864, hingegen nur zwei im September 1864 gedruckt. Indes verfügte El Pistón über einen breiten Leserkreis landesweit, wie sich aus der Tatsache schließen lässt, dass die Zeitschrift in verschiedenen Städten wie Barcelona, Madrid, Sevilla, Valencia, Granada und Santiago de Compostela erschien (vgl. de Cózar 1991, 364). Die einzige noch vollständig erhaltene Ausgabe der Zeitschrift wird im Zeitungsarchiv in Madrid (Hemeroteca Municipal de Madrid) aufbewahrt (vgl. Higgins 1987, 113). Weder El Pistón noch die darin veröffentlichten poemas werden in zeitgenössischen Theoriewerken oder Anthologien, wie die von Carbonero y Sol, Aguilar y Tejera oder Eduardo de Ory, erwähnt. Dies könnte außer auf die schlechte Reputation der zeitgenössischen Visuellen Poesie auf ein mögliches Konkurrenzverhalten zwischen den Autoren und Herausgebern hindeuten. Die Gattungstypen, die in dieser Zeitschrift vorgestellt werden, weisen - wie in den zeitgenössischen Theorien beschrieben - vor allem sprachspielerische, manieristische Formen auf wie das laberinto . Es ist eine starke Anlehnung an Rengifos Poetik zu erkennen. Wie Higgins beobachtet, scheint González Estrada, als „fanatically patriotic for Spain“ (ebd.), Freude an der Rezeption der Gedichte 24 Ruiz, Javier: Laberintos y pentacrósticos de El Pistón , in: Poesía, 3 (Madrid Editorial Nacional, Nov./ Dez. 1978), 116-122 (zit. in de Cózar 1991, 364, Fußnote 81 und Higgins 1987, 112 ff.) 2.3 Das siglo de las luces und die persistencia der Poesía Visual im 19. Jahrhundert 101 aus der Arte Poética gehabt zu haben. Das Blatt strebt, dem Untertitel folgend, keinen wissenschaftlichen Rezipientenkreis an, sondern beansprucht für sich, humorvoll und witzig zu sein. Diese Merkmale tragen mit dazu bei, dass El Pistón von Higgins als unseriös beschrieben wird. The magazine itself is filled with hearsay, gossip about half-identified friends and enemies, literary speculations, and so on. It is, however, utterly charming, for all its naivité, and by no means deserves its obscurity. In a sense, it is the earliest magazine of experimental vers anywhere, and perhaps some of its strangeness is inevitable considering that literary Madrid in the 1860s was quite dreary. It is also a nightmare of typographic errors and misplaced running heads. (Higgins 1987, 113) González Estrada macht in El Pistón seine Haltung gegenüber konventioneller Literatur, insbesondere konventioneller Dichtung öffentlich. Er kritisiert „la poesía sencilla, libre, común, coplera“ (Estrada o.J., zit. in Muriel Durán 2000, 67) und bekennt, ein Freund manieristischer Formen zu sein. In manchen seiner caligramas und laberintos äußert sich González Estrada gegen die von ihm so titulierten „dekadenten“ Dichter und Dichtungsformen. Er tut dies, indem er beispielsweise im Soneto pentacróstico den zentralen Satz, der sich aus einem fettgedruckten vertikalen Akrostichon und zwei diagonalen Mesosticha zusammensetzt (Abbildung 24), im Imperativ formuliert: „Aprended poesía catedráticos de poética afables.“ Abbildung 24. Soneto (o.J.), anonym (vermutlich von José González Estrada), in: Muriel Durán 2000, 68. 102 2. Eine Geschichte der Poesía Visual In den ersten Versen des Gedichts heißt es: afán constante de los doctos atrasados pobres altaneros zoilos desentendidos raros de talento muy poco lucidos González Estrada zielte auf die Akademiker und Literaturwissenschaftler, Mitglieder der Real Academia Española , die ihrerseits visuell-poetische Dichtungsformen stark ablehnten (vgl. Muriel Durán 2000, 67). Entscheidend ist deshalb - mehr als die visuell-poetischen Formen, die in El Pistón veröffentlicht wurden - vor allem die querella , die um diese Zeitschrift herum über manieristische Dichtungsformen geführt wurde. Als Antagonist von González Estrada trat vor allem der Autor des bekannten Romans Los amantes de Teruel (1837) und Mitglied der Real Academia , Juan Eugenio Hartzenbusch (1806-1880), in Erscheinung. Die Feindschaft der beiden Männer beruhte vermutlich auf einem Streit über das literarische Können des Schriftstellers Miguel de Cervantes Saavedra (1547-1616), das Hartzenbusch vehement infrage stellte, während González Estrada es unermüdlich verteidigte (vgl. Higgins 1987, 113). Hartzenbusch - von González Estrada spöttisch “Hartzembusch” genannt - war Herausgeber der Zeitschrift El cascabel , in der zu den Angriffen von González Estrada Stellung genommen und dessen Zeitschrift, El Pistón - vor allem die visuellen Gedichte -, heftig kritisiert oder gar abgewertet wurden (vgl. ebd.). Hauptsächlich in diesen beiden Zeitschriften fand die erwähnte querella statt, in die sich aber auch andere Schriftsteller und Schriftstellerinnen mit ihren Ansichten zu González Estradas und Hartzenbuschs Positionen einmischten. 25 Caligramas kommen nur selten in den genannten Zeitschriften vor. Einige finden sich vereinzelt in anderen Publikationen des 19. Jahrhunderts, so beispielsweise Loa al miriñaque (Abbildung 25), das im Gegensatz zu Carbonero y Sols ultrakatholischen poemas einen profanen Inhalt aufweist (D’Ors 1977, 46). 25 El Pistón und der Herausgeber José Gónzalez Estrada hatten renommierte Freunde, die davon zeugen, dass die Form der visuellen Poesie nicht nur bekannt war, sondern vor allem auch anerkannt wurde. Unter anderem nennt Ruiz die Dichter Manuel Bretón de los Herreros (1796-1873), Ramón de Campoamor (1817-1901), Gaspar Núñez de Arce (1884-1903), die Schriftsteller Ramon de Mesonero Romanos (1803-1882), Manuel Fernández y González (1821-1888), Ventura de la Vega (1807-1865), Emilio Castelar (1832- 1899), Juan Valera (1824-1905) und die Schriftstellerin Carolina Coronado (1820-1911), den Literaturkritiker José Amador de los Ríos (1818-1878) und den Dramaturgen Manuel Tamayo y Baus (1829-1898) etc., die dies belegen (Ruiz, 1978, zitiert in de Cózar 1991, 365). 2.3 Das siglo de las luces und die persistencia der Poesía Visual im 19. Jahrhundert 103 Abbildung 25. Loa al miriñaque (1857), José Rodriguez, in: D’Ors 1977, 116. Es wurde 1857 in der Zeitschrift La Aurora del niño veröffentlicht (o.J, o.O.) und stellt, in Übereinstimmung mit dem Titel, den Umriss eines Reifrocks ( miriñaque ) dar. In ihm wird die Schönheit des Kleidungstücks gepriesen: Das lyrische Ich schwärmt von den weiblichen Formen, die der Reifrock akzentuiert, und von den anziehenden, taktvollen Bewegungen, die er im Lauf hervorbringt. Bemerkenswert ist dabei nicht nur das grafische Abbild des Reifrocks, das durch immer länger werdende Verse erzeugt wird, sondern auch der Klang des Gedichts: Es spielt dank des teilweise auf Konsonanten endenden rhythmischen Reims ( rima consonante ) auf die Bewegung des Reifrocks während des Laufens an (vgl. Muriel Durán 2000, 72). Ein weiteres erstaunliches Figurengedicht, allerdings ein paar Jahrzehnte später veröffentlicht, ist das Triptychon El tres de copas (1911) von Carlos Miranda (Abbildung 26). Es erschien am 28. Oktober 1911 in der 26. Ausgabe der Zeitschrift La hoja de Parra und wird (anders als die anderen zuvor aufgeführten Gedichte) in der den Rarezas literarias anhängenden Anthologie von Eduardo de Ory herausgebracht (vgl. de Cózar 1991, 363). Der Titel des Triptychons, El tres de copas , weist auf eine Spielkarte des spanischen Kartenspiels. Im Untertitel Tríptico bebestible wird mit “bebestible” (trinkbar) möglicherweise angedeutet, dass es sich um leichte Kost , das heißt um ein leicht lesbares Gedicht, handelt. 104 2. Eine Geschichte der Poesía Visual Abbildung 26. Tres de copas - tríptico bebestible (1911), Carlos Miranda, in: de Cózar 1991, 527. Dargestellt sind drei fast identische Kelche. Die jeweiligen Titel verraten, dass sich die einzelnen Kelche inhaltlich voneinander unterscheiden: „copa de amor“, „copa de licor“ und „copa de dolor“. Sowohl inhaltlich als auch stilistisch scheint es sich hier um eine Parodie der Weihegedichte griechischer Tradition zu handeln. Zwar erinnert der Kelch als Motiv an die den Göttern gewidmeten Technopägnien , stilistisch zeigt sich jedoch eine Trivialisierung, fast schon eine Verspottung (vgl. Muriel Durán 2000, 72). Der sehr einfach gehaltene Sprachstil zielt auf Witzigkeit und Scherzhaftigkeit ab. Thematisch richtet sich dieses visuelle Gedicht an ein breiteres, eher männliches Publikum: Es geht um Sinneslust, den Alkoholrausch und die politische Situation. Jeder Kelch bezieht sich auf das in seinem jeweiligen Titel angegebene Thema. In dem von oben links her gesehen ersten Gedicht la copa de amor spottet das lyrische Ich über jung- 2.4 Die europäische(n) Avantgarde(n): Zum Boom der visuellen Dichtung 105 fräuliche (Klarissen-)Nonnen, „las vírgenes clarisas“, die den Klech der Liebe, „la copa del amor“, wie auch den Kelch der Lust, „la copa del placer“, nicht kennten. Der zweite Kelch, la copa de licor , handelt von alkoholischen Getränken und Trunkenheit. In einem grotesken inneren Monolog offenbart das - dank fehlender Endsilben und verkürzten Wörtern erkennbare - betrunkene lyrische Ich, dass es lieber viel Bier als wenig Wein tränke. Das dritte Gedicht, la copa del dolor , kommt zumindest thematisch seriöser daher als seine beiden Vorgänger. Der Sprachstil bleibt profan. Es bezieht sich auf eine finanzielle Misssituation, “el lápiz rojo fiscal“, und auf die zu hohen Steuern. Das lyrische Ich beschimpft die Regierung als „des-gobierno“ und kündigt für den folgenden Herbst - wie es scheint, ist dann ein Regierungswechsel zu erwarten - „tiempos mejores“ an. Dies zeigt, dass caligramas und laberintos in den letzten Jahrenzehnten vor Beginn der Moderne zwar hauptsächlich im Dienst der Unterhaltungsliteratur stehen, aber keineswegs aus der poetischen Praxis verschwunden sind. 2.4 Die europäische(n) Avantgarde(n): Zum Boom der visuellen Dichtung Alle Theorien über die künstlerische Avantgarde sind sich darin einig, dass sie einen Bruch mit der Tradition vollzieht (vgl. van den Berg/ Fähnders 2009). Auch hinsichtlich der Poesía Visual sind der Avantgarde wichtige Neuerungen zu verdanken, die einen generellen Wandel hervorgerufen haben. Diesen Wandel jedoch als Bruch zu bezeichnen, wäre zu weit gegriffen. Vielmehr muss das Wirken der künstlerischen Avantgarde als ein Neubeginn durch die grundlegende Weiterentwicklung der Poesía Visual betrachtet werden. Die Kunst der Avantgarde gilt als revolutionär. Jede avantgardistische Bewegung hat den Anspruch, etwas Neues zu erschaffen. Nicht zuletzt ist dem Begriff der Avant-Garde immanent, dass ihre Vetreter aufgrund ihrer Weitsicht allen anderen voraus sind. Allerdings waren avantgardistischen Schöpfungen in der Regel gar nicht oder nur selten so neu, wie für sie beansprucht wurde. Bei näherer Betrachtung zeigt sich, dass viele Innovationen der Avantgarde oftmals auf bestehenden Traditionen und Denkmustern basierten (vgl. van den Berg/ Fähnders 2009, 16) - so im Fall der Visuellen Poesie. Wie sich anhand der Entwicklungsgeschichte in den vorangehenden Kapiteln gezeigt hat, wurde mit der Visuellen Poesie keine neue Kunstform entdeckt. Anzunehmen ist, dass die Avantgardisten auf der Suche nach neuen Formen und mit der Bemühung, Bestehendes hinter sich zu lassen, sich ihrer Verhaftung in den Traditionen bestimmter Gattungstypen nicht bewusst waren (vgl. de Cózar 1991, 370). Tatsächlich kann im Fall der visuellen Poesie weder von einer expliziten Gattungsübernahme noch von einer Gattungserneuerung die Rede sein. 106 2. Eine Geschichte der Poesía Visual Trotz eines antitraditionellen Grundprinzips können avantgardistische visuell-poetische Textformen auf traditionelle Formen ( caligrama und laberinto ) zurückgeführt werden, vor allem, was die formal-visuellen Stilmittel betrifft. Sie sind nicht selten manieristisch und lassen Analogien zur Tradition erkennen. Gleichwohl sind auch Neuerungen insbesondere durch Stéphane Mallarmé zu konstatieren. Eine wahrhaftige Erneuerung brachte die durch die industrialisierte Moderne gelenkte Denkungsweise, auf der sich die avantgardistische Kunst entfaltete: die neue Auffassung von Raum und Zeit, die in dem Bedürfnis mündete, Simultanität ästhetisch auszudrücken, sowie der Drang nach Transgression, die die Künste nicht mehr in Gattungen spalten würde, sondern sie als Gesamtkunst verstünde, und das daraus resultierende künstlerische Experimentieren. Zusammen bildete dies eine Basis, auf der sich die Poesía Visual als Kunstform emanzipierte und selbstbewusst präsentieren ließ. Die Visuelle Poesie des 20. Jahrhunderts entpuppte sich damit als geeignete Ausdrucksform für Avantgardisten. Sie wurde nicht mehr als Kuriosität abgewertet, sondern als per se hybride und intermediale Kunstform sogar hoch geschätzt. So entfaltete sie sich in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts als ein zentrales Genre der experimentellen Dichtung und überwand damit den Status einer „seltsamen Spezies“ (Adler/ Ernst 1990, 242). Innerhalb der künstlerischen Avantgarde sind Bewegungen zu finden, die nicht mehr nur mit Visueller Poesie hantierten, sondern sich diese zum Orientierungspunkt nahmen oder die gar ausschließlich visuelle Gedichte schufen (vgl. ebd., 254). Dies waren geradezu perfekte Voraussetzungen für die Visuelle Poesie, wie die vielfältigen visuellen Dichtungsformen der poetischen Avantgarde erkennen lassen: Der geänderten Realitäts- und Kunstauffassung entsprechend, entstand im 20. Jahrhundert eine verblüffende - und bis heute weder klassifizierte noch künstlerisch erschöpfte - Anzahl von verbal-visuellen Formen: Collagen und Montagen, Malerbücher und Buchobjekte, Schriftbilder, Fotopoeme, Typostrakte, Maschinentexte … - die Vielfalt der Formen in der visuellen Poesie des 20. Jahrhunderts zeugt für ihre verblüffende Vitalität. (Adler/ Ernst 1990, 254) Aus diesem Zusammenhang heraus entwickelte sich die segunda vanguardia , aus der wiederum die zeitgenössische Poesía Visual hervorging (de Cózar 1991, 375 f.). 2.4.1 Der Vorreiter Stéphane Mallarmé Mit dem Werk Un coup de Dés jamais n’abolira le Hasard (1897) etabliert Stéphane Mallermé eine neue Grundform der visuellen Poesie (vgl. Adler/ Ernst 1990, 233). Neben den tradierten caligramas (Figurengedichten) und laberintos 2.4 Die europäische(n) Avantgarde(n): Zum Boom der visuellen Dichtung 107 ( carmina quadrata) werden seine „mots libérés“ als Grundform gesehen. Bei den traditionellen Formtypen in all ihren Variationen handelt es sich stets um geschlossene Formen. Sie besitzen feste äußere Umrisse, bestehen aus festen Zeilen, festem Silbenmaß etc. und werden deshalb als geschlossen bezeichnet (vgl. ebd.). Auf die „befreiten Worte“ trifft dies allerdings nicht zu, im Gegenteil: Die Kompositionen sind offen. Mallarmé verwendet hier als Erster vers libres , die sich über mehrere Seiten erstrecken und sich jeglichen Regelzwängen entziehen. Die Befreiung des Verses von jeder Art stilistisch-strukturellen Reglements ermöglicht die isolierte Verwendung von Wörtern, um auf die visuelle Wirkung der Sprache aufmerksam zu machen. Daraus folgen Fokussierungen auf die grafische Form der Sprache, woraufhin der formästhetische Wert des Buchstabens eine neue Dimension erhält. Form, Farbe und Raum werden als Werkzeuge der Dichtung begriffen. Das Gedicht entfaltet eine geradezu plastische Komposition, die zu der immer enger werdenden Beziehung der Künste untereinander ihren Beitrag leistet (vgl. de Cózar 1991, 377). Mit dem Trend zur Formästhetik in der Dichtung versteht sich Sprache als Zeichen, als Symbol. Interessant ist hierbei die materielle Form der sprachlichen Äußerung, die einen grafischen und einen phonetischen Wert besitzt. Es handelt sich um das s ignifiant des Sprachzeichens gemäß de Saussures strukturalistischer Unterscheidung von signifiant und signifié . 26 Das signifiant (das Bezeichnende), also die materielle Gestalt eines Worts, steht dem signifié (dem Bezeichneten), also seiner Bedeutung, gegenüber. Das signifiant wird nun zum künstlerischen Objekt, das in seinem grafisch-visuellen Wert in einem Raum mit anderen grafisch-visuellen Elementen und dort in Beziehung zu anderen visuellen Darstellungen, beispielsweise der bildenden Kunst, stehen kann. Ähnlich verhält es sich mit dem phonetischen Wert eines signifiant und seiner Darstellung in der Musik. 27 Das Gedicht Un coup de Dés jamais n’abolira le Hasard (Abbildung 27) erschien erstmals 1897 in der Zeitschrift Cosmopolis und in der gebundenen Fassung erst 1914 bei Gallimard, fast zwei Jahrzehnte nach Mallarmés Tod (vgl. ebd., 235). 26 Etwa zeitgleich beschäftigt sich der Schweizer Linguist Ferdinand de Saussure (1857- 1913) mit dem System der Sprache. In seinem Cours de linguistique générale (posthum 1916) unterscheidet er zwischen langue (dem abstrakten System der Sprache) und parole (der realen Sprachverwendung). Außerdem benennt er die zwei Ebenen des Sprachzeichens signifiant (Bezeichnendes) und signifié (Bezeichnetes) und macht damit auf die Arbitrarität der Zuordnung von Sprachzeichen aufmerksam. (de Saussure 1995 [1916]). 27 Im Folgenden werden der phonetische Wert des Sprachzeichens und seine möglichen Funktionen im avantgardistischen Gesamtkunstwerk vernachlässigt. Der Fokus bleibt im Sinne einer visuell-poetischen Analyse primär auf dem grafischen Code von Sprache. Sollten beide Codes (grafisch und phonetisch) gemeint sein, wird dies explizit kenntlich gemacht. 108 2. Eine Geschichte der Poesía Visual Es eröffnete neue Möglichkeiten in der Visuellen Poesie und beeinflusste nicht nur die parole in libertà der Futuristen, sondern auch die Typografie und die Buchgestaltung (vgl. ebd., 239). Mallarmés Gedicht wirkt insbesondere durch seine typografische Umsetzung. Der Raum, konkret: die Seite des Buchs oder das Blatt Papier sowie Formen und Farben der Buchstaben werden als Teilelemente des Gedichts verstanden. Nach dem Leitsatz „peindre, non la chose, mais lʼeffet quʼelle produit“ (Mallarmé o.J., zit. in ebd.) erschuf Mallarmé die Poetik seines Werks. Dabei galt Mallarmés Erneuerung nicht der Erfindung eines neuen Formtypus im eigentlichen Sinne, sondern einer neuen Ästhetik der Visuellen Poesie. Und diese liegt nach Adler und Ernst in der Abstraktion des Visuellen. Da weder ein Objekt nachgeahmt werde noch das Gedicht in sich geschlossen sei, handle es sich um das erste abstrakte visuelle Gedicht (vgl. Adler/ Ernst 1990, 235). Es ist offenbar nicht nachgewiesen, ob die Kenntnis traditioneller Formtypen der Visuellen Poesie in irgendeiner Form für Mallarmés Ideen relevant war. Nach dessen eigenen Aussagen haben vor allem Charles Baudelaire und Edgar Allan Poe sowie der Komponist Richard Wagner sein Werk beeinflusst (vgl. ebd.). Doch wenn die Struktur des Gedichts auf Mallarmés symbolistische Sprachauffassung zurückführen ist, ist fernerhin anzunehmen, dass es Anregungen für diese Gedichtform gab. Das Gedicht erinnert zum einen an eine Partitur, was den Einfluss Richard Wagners bestätigte. Wenn das Buch aber als Bühne gesehen werden sollte, könnte der Text - als sich darstellendes Spiel - aber ebenso eine Anspielung auf die Kunst des Theaters sein. 28 Mallarmé schrieb in seinen Reflexionen, dass er das Buch als Theater auffasse, als ein Gesamtkunstwerk, in dem Dichtung, Musik und bildende Kunst vereint seien. Zum anderen, und das zeigt sich vor allem in der Verwendung verschiedener Schriftgrößen, scheint die Typografie der Tageszeitungen eine maßgebliche Inspirationsquelle für dieses Gedicht gewesen zu sein (Adler/ Ernst 1990, 235). Es erstreckt sich über zweiundzwanzig Seiten. Die Wörter sind ohne Verwendung von Interpunktion oder einer erkennbaren durchgängigen Struktur frei auf dem Blatt verteilt. Zwar von links nach rechts und von oben nach unten angeordnet, können sie dennoch über die gesamte Doppelseite gelesen werden. Insgesamt werden durch die Ver- 28 Als Vorreiter der Avantgarde bezieht Mallarmé theoretisch Position zu seinen Kunstwerken und reflektiert diese auch, beispielsweise in Crise de vers (1893). Darin schreibt er, dass das reine Werk das Verschwinden des Dichters als Sprecher impliziert. In Quant au livre (1895), wo er die Totalität des Buchs und seiner konkreten Eigenschaften als Medium untersucht, kommt er auf die Typografie zu sprechen, die er als ein für die Schrift bestimmtes Ritual ansieht. Er reflektiert ferner das Thema und die Methode von Un coup de dés . Seinen Erklärungen zufolge stellt der coup den Wurf zu einem Würfelspiel ( de dés ) dar, das ein Spiel mit Typografie eröffnet (vgl. Adler/ Ernst 1990, 234-235). 2.4 Die europäische(n) Avantgarde(n): Zum Boom der visuellen Dichtung 109 änderung der Schriftgrößen sowie Kursivsetzung neun verschiedene Schrifteinheiten in der Schriftart Antiqua gebildet. Die Schrifteinheiten ergeben isoliert von der zugrundeliegenden Textsequenz gelesen einen eigenen, unabhängigen Sinn. Diese Sinneinheiten erinnern an die versi intexti der carmina quadrata . Wegen der fehlenden Interpunktion und der raffinierten Zusammenstellung der Wörter entstehen zudem unzählige semantische Gruppierungen, deren Einheiten immer wieder neue Kombinationen zulassen. UN COUP DE DÉS steht isoliert auf der ersten Seite und bildet den Anfang des Satzes Un coup de dés jamais n’abolira le hasard , der sich über das gesamte Gedicht und alle Seiten erstreckt. Mallarmés Gedicht evoziert aufgrund seiner visuellen Dimensionen eine Vielzahl von Interpretationen (vgl. Adler/ Ernst 1990, 233 f.). Es scheint jedoch mit der Tradition des Figurengedichts nichts gemeinsam zu haben, weil durch die freie Platzierung der Verse kein erkennbarer Gegenstand abgebildet ist. 29 29 Einem Brief Mallarmés ist zu entnehmen, dass durch die Platzierung der Verse die Form eines Schiffes abgebildet wird und er für die Veröffentlichung des Gedichts in der Zeitschrift Cosmopolis gezwungen war, auf die von ihm intentionierte Platzierung zu verzichten, da das Gedicht sonst einen zu großen Druckaufwand bedeutet hätte. Diese Informationen haben für Spekulationen gesorgt. Viele Interpreten haben versucht, die Struktur eines Schiffs und andere Figuren mit Textbildern festzumachen; so soll beispielsweise auf den Doppelseiten drei und vier (Abbildung 27) die Textplatzierung eine Welle, den Bug eines Schiffes, den Körper eines Vogels oder den Kopf eines Seeungeheuers darstellen (vgl. ebd., 236). 110 2. Eine Geschichte der Poesía Visual Abbildung 27. Un coup de dés jamais n’abolira le hazard (1897), Stéphane Mallarmé (Doppelseiten 3 und 4). Ausgabe von Marchal 2003, 426 ff. 2.4.2 Kubistische Simultanität und Guillaume Apollinaire Der wahre Boom der visuellen Dichtung beginnt mit der Bewegung des Kubismus und wächst weiter mit dem italienischen Futurismus und dem Dadaismus. Mit den ersten künstlerischen Manifestationen des Kubismus entsteht in der modernen Kunst eine der bedeutendsten und zugleich revolutionärsten Bewegungen überhaupt. Der Kubismus gilt als künstlerisch-ästhetische Umwälzung, wie es sie vorher und nachher nicht mehr gegeben hat (vgl. López Gradolí 2008, 2.4 Die europäische(n) Avantgarde(n): Zum Boom der visuellen Dichtung 111 17-18). Das Revolutionäre ist das Konzept von Raum und Zeit, das sich in der Darstellung der Simultanität zeigt. Wie die meisten Bewegungen der künstlerischen Avantgarde entsteht der Kubismus in der Malerei (vgl. van den Berg/ Fähnders 2009, 182). Wenig später treten kubistische Prinzipien in der Literatur, der darstellenden Kunst und der Musik in Erscheinung. Aus der Geschwindigkeit des modernen Großstadtlebens abgeleitet, bedeutet Simultanität zum einen die Darstellung paralleler Räume und zum anderen die Aufhebung der linearen Zeitstruktur. In dieser doppelten Bedeutung erfährt der programmatische Begriff der Simultanität wenige Jahre nach Mallarmés Gedicht der befreiten Worte von 1897 im Futurismus ab 1912 Hochkonjunktur (vgl. ebd., 302). Die Wahrnehmung des urbanen, immer mehr an Hektik gewinnenden Großstadtumfelds, gehört zu den Schlüsselerlebnissen kubistischer Künstler, die versuchen, diese Dynamik der Simultanität in ihren Kunstwerken widerzuspiegeln (vgl. ebd.). Eindringliche Inspirationsquellen waren die vermehrt auftretenden Werbeplakate, die zeitgenössische Typografie, die Produkte der wachsenden Filmindustrie etc. Insbesondere das Werbeplakat mag mit der Kombination von Schrift und Bild, den verschiedenartig typisierten Aufschriften und den zum Anschauen (und Einprägen) ersonnenen Werbestrategien eine besondere Rolle gespielt haben (Adler/ Ernst 1990, 241). Die Künstler des Kubismus suchen die Abkehr von der tradierten, aus der Renaissance stammenden Zentralperspektive und versuchen mit einer Bildsprache der Abstraktion, die sich durch Fragmentierung in halbgeometrische Formen charakterisieren lässt, den mehrdimensionalen Raum und simultane Geschehnisse darzustellen. In der Literatur setzt allen voran Guillaume Apollinaire das kubistische Prinzip der Simultanität um, er trägt auch zur theoretischen Etablierung des Kubismus, beispielsweise mit einem Aufsatz über die kubistischen Maler, bei. Im diskursiven Text versucht Apollinaire durch Verwendung sprachlicher Analogien, Simultanität zu erzeugen. Doch gelingt es ihm erst in seinen visuellen Gedichten, indem er Schrift und Bild miteinander kombiniert. Auch in Marinettis futuristischen visuellen Gedichten ist das Simultanitätsprinzip als künstlerisches Schaffensziel zu beobachten. Kubismus und Futurismus dürfen zwar nicht als nacheinander in Erscheinung tretende oder aneinandergekoppelte Bewegungen verstanden werden, wohl aber als einander beeinflussende Strömungen. Die Beschäftigung mit der Darstellung von Simultanität haben die ersten avantgardistischen Bewegungen, zu denen - zum Teil zeitgleich - Kubismus und Futurismus gehören, gemeinsam. Guillaume Apollinaire (1880-1918) verkörpert eine Art Archetypus des Avantgarde-Künstlers, denn er war sowohl Dichter als auch Schriftsteller, Dramen- und Drehbuchautor wie Kunstkritiker. Sein künstlerisches Werk muss daher im Sinne des avantgardistischen Gesamtkunstwerks verstanden werden. 112 2. Eine Geschichte der Poesía Visual Wie in seiner wichtigsten theoretischen Auseinandersetzung mit der Dichtung L’esprit nouveau et les poètes (1917) nachzulesen ist, führt Appollinaire den avantgardistischen Geist auf den visuellen Symbolismus zurück, der aus seiner Sicht die Synthese von Musik, Malerei und Poesie ermöglicht (vgl. Adler/ Ernst 1990, 246; de Cózar 1991, 387). Apollinaire beschäftigt sich in seinem Werk vor allem mit der Synthese der Künste und kommt nicht zuletzt durch die Frequentierung interdisziplinärer Künstlergemeinschaften zur Visuellen Poesie. Die unmittelbare Nähe zu Malern und Bildhauern beeinflusst Apollinaires visuelle Dichtung demnach maßgeblich, jedoch lassen sich auch traditionelle Inspirationsquellen annehmen. Wie Adler und Ernst feststellen, sucht er als „Liebhaber alter Bücher“ (Adler/ Ernst 1990, 242) regelmäßig die Bibliothèque National in Paris auf und kommt dort vermutlich mit der westlichen Tradition der Visuellen Poesie, zumindest mit den griechischen Technopägnien , in Berührung. Die Tatsache, dass Apollinaire in L’Esprit Nouveau einige Technopägnien von Simias von Rhodos veröffentlicht (vgl. de Torre 1967, zit. in de Cózar 1991, 388), belegt dies eindeutig. Apollinaire gilt als der bedeutendste Erneuerer der antiken Technopägnien (vgl. Adler/ Ernst 1990, 245). Die Neuheit seiner Gedichte betrifft nicht mehr nur die visualisierte Formgestalt im Sinne einer Verschmelzung von Form und Inhalt, sondern vor allem auch die der expliziten simultanen Darstellung eines Kunsthybrids aus vornehmlich Literatur (Schrift) und bildender Kunst (Bild). Mit der sogenannten „Technik der visuellen Verräumlichung der Lyrik“ (ebd.) gelingt es Apollinaire in seinem poetisch-visuellen Werk Calligrammes , die erwünschte Simultanität lyrisch umzusetzen. Insgesamt hat Apollinaire die erstaunliche Menge von über hundert visuellen Gedichten produziert und damit die Tradition des Figurengedichts erweitert. Calligrammes ist der Titel der Sammlung poetischer Ideogramme, mit der Apollinaire möglicherweise eine Antwort auf die Inbesitznahme der Schrift durch die bildende Kunst geben wollte, wie der Untertitel zur ersten überlieferten Version von Et moi aussi je suis peintre andeutet (vgl. Butor 1966, 9). Der von Apollinaire erfundene Begriff calligramme ist eine Anspielung auf die persönliche Anteilnahme des Autors beziehungsweise des Künstlers am Werk. Es handelt sich um einen Neologismus, der sich durch die Kontamination von Kalligrafie mit Autogramm ergibt (vgl. Burdorf et al. 2007, 372). Ersteres drückt die Visualität, das bildliche Potenzial der Schrift, und Letzteres die Individualität, die Handschrift des Dichters, aus. Diese Gegensätzlichkeit bringt typografische Probleme mit sich und wirkt sich auf die gedruckten Ausgaben der visuellen Gedichte aus. Manche „typografischen Probleme, die Apollinaires Handschriften stellen, bleiben zum Teil bis heute ungelöst“, weshalb einige visuelle Gedichte, um sie nicht typografisch zu „verfremden“ (Adler/ Ernst 1990, 246), nur als Handschrift- 2.4 Die europäische(n) Avantgarde(n): Zum Boom der visuellen Dichtung 113 Versionen abgedruckt werden. Zudem insistiert Apollinaire nicht auf einer bestimmten grafischen Umsetzung im Druck (vgl. ebd.). Ein Beispiel hierfür ist das visuelle Gedicht La Mandoline l’Oeillet et le Bambou (Abbildung 28), das neben neun weiteren Gedichten an zweiter Stelle dem Titel étendards (Standards) zugeordnet ist. Abbildung 28. La mandoline, l'oeillet et le bambou (1914-16), Guillaume Apollinaire, in: Ders. 1996 [1925], 70. Es ist eine Anlehnung an die traditionelle Form des Technopägnion zu beobachten, die sich insbesondere in der förmlichen Gestalt des Bambus, die an die Panflöte von Theokrit erinnert, erkennen lässt (vgl. ebd., 251; siehe Abbildung 9). Sehr typisch für Apollinaires visuellen Gedichte aus Calligrammes ist die mehrteilige, hier dreiteilige Struktur, die dazu führt, dass jedes einzelne visuelle Gedicht sowohl isoliert als auch in Verbindung mit den anderen betrachtet werden kann. Dargestellt sind ein Musikinstrument (eine Mandoline), eine Blume (eine Nelke) und eine Flöte (Bambusrohr). Inhaltlich spiegelt das jeweilige Gedicht sein Äußeres wider, indem es sich auf die Vorzüge des jeweiligen Gegenstandes bezieht. Es geht um eine Art Verherrlichung der Sinnesfreuden - des Geruchssinns (durch Blütenduft) und des Gehörs (durch Musik) -, verstärkt durch das berauschende Opium. Das lyrische Ich äußert sich darüber, dass der Ton den Körper wie eine Kugel durchquere und der Duft der Nelke den noch zu ent- 114 2. Eine Geschichte der Poesía Visual deckenden Lebenssinn symbolisiere. Die Panflöte steht für den Opiumrausch, unter dessen Einfluss das lyrische Ich scheinbar gerät und dessen Vorstellung beim Leser über die visuelle Form des Gedichts hinaus auch durch den Inhalt evoziert wird (vgl. ebd.). Bei Il pleut (Abbildung 29) gelingt es Apollinaire mit sehr viel weniger Elementen, eine Einheit von Schrift und Bild für den wahrnehmenden Rezipienten oder den lesenden Perzipienten zu veranschaulichen. Abbildung 29. Il pleut (1914-16), Guillaume Apollinaire, Ders. 1996 [1925], 64. Die Buchstaben sind so platziert, dass Regentropfen suggeriert werden und insgesamt das unregelmäßige Rhythmusbild von fallendem Regen entsteht. Apollinaires Gedichte inspirieren bis heute die Dichterinnen und Dichter der Poesía Visual. Vor allem durch die Vision von den vereinten Künsten bleiben seine nunmehr fast hundertjährigen Werke aktuell. Für die Entwicklung der Poesía Visual zählen Apollinaires Calligrammes und Mallarmés Un Coup de dés zu den wichtigsten Vorläufern der Moderne: Wenn Mallarmé die typografische Revolution des 20. Jahrhunderts einleitete, so war es Apollinaires Verdienst, einerseits die Tradition wiederaufzugreifen, und andererseits einen reichen Schatz von Möglichkeiten erkannt zu haben, die bis hin zur Fotopoesie der nachkonkreten Dichtung reichen. (Adler/ Ernst 1990, 246) 2.4 Die europäische(n) Avantgarde(n): Zum Boom der visuellen Dichtung 115 2.4.3 Parole in libertà - der italienische Futurismus Wie für die frühe Avantgarde im Allgemeinen ist es auch für den italienischen Futurismus von vitaler Bedeutung, in das gesellschaftliche Geschehen einzudringen und die Realität mittels visueller Dichtung darzustellen. Inspirationsquellen sind nach wie vor in erster Linie jene typografischen Innovationen im Umgang mit der Sprache, die in Tageszeitungen und auf Werbeplakaten „das optische Feld der modernen Umwelt“ (ebd.) prägen. Doch auch die neuen Kommunikations- und Fortbewegungsmittel zeigen neue Dimensionen auf - Entfernung und Geschwindigkeit in der Fortbewegung einerseits und in der Verbreitung von Nachrichten andererseits - und lassen ein neues Verhältnis zur Schrift entstehen (vgl. ebd.). Auch die Beziehung von Schrift und Bild in der sprachlichen Verwendung wird durch die Möglichkeiten der visuellen Codes anders erfasst. Sprache wird als ein ständiger Wandlung und Verwandlung unterworfener Prozess verstanden, den es nun nicht mehr implizit, sondern explizit in der Kunst darzustellen gilt. Der italienische Futurismus ist diejenige künstlerische Bewegung, die „sich zum ersten Mal auf breiter Basis mit dieser revolutionierten Umwelt auseinandersetzt[e]“ (ebd.). Mit ihm setzt die künstlerische Avantgarde ein, als der italienische Schriftsteller Filippo Tommaso Marinetti (1876-1944) 30 am 20. Februar 1909 im Pariser Figaro das erste futuristische Manifest veröffentlicht (vgl. Asholt/ Fähnders 2005, XXXI). Marinetti verkündet den Futurismus als Kunstrichtung des Maschinenzeitalters. In enthusiastischem Tonfall und sich rhetorisch geradezu echauffierend, verkündet er das neue Zeitalter der Bewegung, Geschwindigkeit und Simultanität und die Verpflichtung der Kunst, den modernen Bedingungen gerecht zu werden (vgl. Adler/ Ernst 1990, 255). 31 In seinen Technischen Manifesten und insbesondere in Zerstörung der Syntax - Drahtlose Phantasie - Befreite Worte entwickelt Marinetti jene futuristische Maxime, die eine enorme Auswirkung auf die künstlerische Avantgarde und 30 F. T. Marinetti gilt als Initiator und Oberhaupt des italienischen Futurismus. Andere Schriftsteller und Maler des italienischen Futurismus waren u. a. Giacomo Balla (1871-1958), Paolo Buzzi (1874-1956), Ardegno Soffici (1879-1964), Giovanni Papini (1881-1956), Carlo Carrà (1881-1966), Francesco Canguillo (1884-1977), Corrado Govoni (1884-1965), Fortunato Depero (1892-1960). Weitere Ausführungen hierzu in Adler/ Ernst 1990, 258. 31 Die politisch motivierte Rhetorik Marinettis korrespondiert mit jener des sich etablierenden italienischen Faschismus. Die politischen Kontexte, die den italienischen Futurismus teilweise als Kunst des Faschismus hinstellen und ferner Marinetti als Anhänger des Faschismus darstellen, sind für die Gattungsgenese der visuellen Poesie nicht relevant. Daher wird an dieser Stelle nicht weiter darauf eingegangen. Nähere Ausführungen dazu bei van den Berg/ Fähnders 2009, 118 ff.; Adler/ Ernst 1990, 255 ff. 116 2. Eine Geschichte der Poesía Visual die moderne Kunst überhaupt nehmen sollte. 32 Der Futurist fordert darin die Zerstörung der Syntax in der Literatur. Dies gelänge erstens durch die Befreiung gemeint ist der isolierte Gebrauch der Substantive, zweitens durch die Verwendung des Infinitivs anstelle von Konjugationen, damit die Verben flexibel blieben und sich nicht einer Person unterordnen müssten, und drittens durch die Abschaffung der Adjektive und Adverbien (vgl. ebd.). Außerdem schlägt er die Einführung eines Substantiv-Doppels - eine durch Bindestrich gekoppelte Substantivfolge vor, damit literarische Simultanität erzeugt werden könne. Nicht zuletzt postuliert er die Abschaffung der Zeichensetzung, weil auf diese Weise ein natürlicher Redefluss entstehe und ein lebhafter Stil herbeizuführen sei. Die Forderungen Marinettis entwickeln sich außerordentlich schnell zu Leitprämissen der modernen Dichtung und werden von vielen avantgardistischen Künstlern übernommen (vgl. ebd.). Der möglicherweise wichtigste Beitrag des italienischen Futurismus zur Poesía Visual liegt in der Befreiung der Substantive, den sogenannten parole in libertà . Es handelt sich hierbei um ein literarisches Konzept, das von dem aus dem Symbolismus bekannten vers libre ausgeht, geprägt insbesondere durch Mallarmés Un Coup de dés, und als dessen Erweiterung verstanden wird. In seinem Technischen Manifest der futuristischen Literatur erklärt Marinetti den symbolistischen vers libre für überholt und ersetzt ihn durch parole in libertà (vgl. van den Berg/ Fähnders 2009, 360). Nun geht es nicht mehr nur um die Befreiung des Verses von seinen metrischen und rhythmischen Regeln (Reim, Versmaß etc.), sondern auch um die Befreiung des einzelnen Wortes. Das Konzept der parole in libertà erklärt sich zum einen als Befreiung der Sprache aus den Regelzwängen von Syntax und Grammatik und zum anderen als der Versuch, die Aufmerksamkeit auf die äußere Erscheinung von Wörtern zu lenken (vgl. Adler/ Ernst 1990, 257). Über das typografische Erscheinungsbild des Textes werden sprachliche Emotionen und die Botschaft des Textes visuell vermittelt. Typografische Vielfalt durch unterschiedliche Drucktypen, verschiedene Farbmarkierungen oder die freie Platzierung der einzelnen Wörter, Buchstaben und Buchstabenteile ist die typische Technik der parole in libertà . Marinetti will „mit dieser typografischen Revolution und dieser vielfarbigen Verschiedenheit der Buchstaben […] die Ausdruckskraft der Wörter verdoppeln“ (zit. in ebd.). Mehr als um den inhaltlichen Ausdruck geht es um die visuelle Kraft des Wortes. Marinetti beansprucht also, das Abstrakte des Wortes 32 Marinettis Manifesto tecnico della letteratura futurista (1912) wurde durch die Supplements Zerstörung der Syntax - Drahtlose Fantasie - Worte in Freiheit (1913) und Geometrische und mechanische Herrlichkeit (1914) ergänzt (vgl. Adler/ Ernst 1990, 255). 2.4 Die europäische(n) Avantgarde(n): Zum Boom der visuellen Dichtung 117 zu radikalisieren und damit - wie mit einem Werkzeug - dem Leser gegenüber Stärke zu zeigen. Die futuristischen Werke sind zahlreich und vielfältig und lassen sich nicht in Kürze vorstellen. Als Beispiel für die typografische Dynamik des Futurismus wird hier das wohl bekannteste Werk Marinettis - Le soir, couchée dans son lit, elle relisait la lettre de son artilleur au front (1919) - angeführt (Abbildung 30). Abbildung 30. Le soir, couchée dans son lit, elle relisait la lettre de son artilleur au front (1917-19), F.T. Marinetti, in: Adler/ Ernst 1990, 257. An diesem visuellen Gedicht lassen sich die genannten Prinzipien des Futurismus und die damit einhergehende Erneuerung der visuellen Poetik beispielhaft darlegen. Im Gegensatz zu den griechischen Technopägnien wird hier kein Gegenstand abgebildet. Das Text-Bild-Verhältnis repräsentiert nicht - anders als bei den Umrissgedichten - einen Inhalt-Form-Bezug, sondern eine simultane, nebeneinanderstehende Text-Bild-Vermittlung. Auch handelt es sich im Unterschied zu Mallarmés Errungenschaften in der Typografie nicht um eine typografische Komposition, vielmehr geht es hier um eine typografische Gestalt, in der Schrift- und Bildmaterial gleichberechtigt als Wortgrafik auftreten. Bemerkenswert ist zudem die semiotische Verschiedenheit der Bestandteile. Das Gedicht enthält sowohl ikonische Zeichen, beispielsweise die Silhouette der Frau im rechten unteren Bereich, als auch Explosionslinien sowie Wörter beziehungsweise aneinandergereihte Buchstaben, die einerseits als Textelemente fungieren und andererseits lautmalerisch wirken sollen (vgl. ebd.). Die lautmalerischen Elemente sollen das Bild des Krieges evozieren, von dem inhaltlich die Rede ist. In der Wort-Bild-Darstellung wird, wie der Titel erahnen lässt, eine Frau präsentiert, die einen Brief ihres an der Front stationierten Partners liest. Dabei werden drei Ebenen der Realität visuell-poetisch umgesetzt: erstens der Krieg 118 2. Eine Geschichte der Poesía Visual durch explosionsartige Formen und lautmalerische Ausdrücke, zweitens der Brief durch handschriftliche Zeilen und drittens die Gedanken der Frau, auf die durch verschiedene Elemente hingewiesen wird (vgl. ebd.). Die visuell-poetischen Impulse, die vom italienischen Futurismus ausgehen, werden in ganz Europa schlagartig aufgegriffen und bestimmen die Visuelle Poesie bis in die Gegenwart (ebd.). Es ist die Dominanz der Visualität der Sprache in parole in libertà , die diesem Konzept in der Visuellen Poesie (und zunächst im Dadaismus) zu großer Wirkung verhilft und zu einer Weiterentwicklung visuell-poetischer Texte antreibt (vgl. van den Berg/ Fähnders 2009, 360). 2.4.4 Dada Als 1916 im Züricher Cabaret Voltaire die ersten dadaistischen Veranstaltungen stattfinden, hängen im Lokal futuristische Plakate und Manifeste an den Wänden (vgl. Adler/ Ernst 1990, 260). Die Futuristen sind die großen Vorbilder der Dadaisten, doch der Dadaismus geht noch einen entscheidenden Schritt weiter in der Visuellen Poesie. Im Ersten Weltkrieg entstanden, erweist sich Dada als Übergangsbewegung zwischen den avantgardistischen Ismen (z. B. Kubismus, Futurismus) der Vorkriegs- und der Zwischenkriegszeit (wie etwa Surrealismus). In Wahrheit handelt es sich weniger um eine Bewegung als um eine Haltung, „una postura ante el arte más que una forma de arte“ (de Cózar 1991, 371). Der Dadaismus ist nur eine unter vielen künstlerischen Initiativen der 1910er Jahre, dessen Name oft als übergreifende Periodenbezeichnung für verschiedene künstlerische Ansätze dient, wie beispielsweise für den spanischen ultraísmo (vgl. van den Berg/ Fähnders 2009, 69; der ultraísmo wird als wichtige Gründungsetappe der primera vanguardia im Kapitel 2.5.1.2 beleuchtet). Die grundlegende Idee des Dadaismus beinhaltet die Verteidigung der Irrationalität als Erbe des deutschen Expressionismus in einem absoluten Nihilismus (vgl. ebd., 391). Es handelt sich also um eine Form ästhetischer Anarchie, die in eine absurde Negation mündet, wobei der Dadaismus sich sogar selbst negiert (vgl. ebd., 392). Durch die Vernichtung des Sinns und die Verneinung bürgerlicher und ästhetischer Werte wie auch der rationalen Logik kommt es zu einer rücksichtslosen Reduktion bis hin zur Eliminierung der semantischen Sprachebene. Extremer ästhetischer Radikalismus und destruktive Tendenzen sind Hauptaspekte des Dada, die, obwohl die Bewegung nur wenige Jahre andauert (van den Berg und Fähnders zufolge war sie nach sieben Jahren bereits wieder verschwunden), großen Einfluss auf Literatur und Kunst ausüben (vgl. van den Berg/ Fähnders 2009, 69 f.). In der Dichtung kommt es zu reinen Laut- oder rein visuellen Gedichten. Doch wenngleich vor allem die Lautmalerei und die Entsemantisierung der phonetischen Sprachebene Dada beschäftigt, werden auch visuelle Aspekte der 2.4 Die europäische(n) Avantgarde(n): Zum Boom der visuellen Dichtung 119 Sprache, von jeglichem Sinn befreit, poetisch-experimentell behandelt. Die Dadaisten treiben die Plastizität der Sprache in ihren Gedichten auf die Spitze. Im Hinblick auf die Visualität von Sprache gehen sie von der absoluten Materialität des Sichtbaren aus. Hier steht die reine Wirkung des Graphems im Vordergrund. Reduziert auf den einzelnen Buchstaben, bringt der mit Dada unmittelbar zusammenhängende Letrismus überdies die rein akustischen oder grafischvisuellen Seiten der Lettern poetisch zum Ausdruck. In späteren theoretischen Positionen der Poesía Visual wird hierauf Bezug genommen (insbesondere im Zusammenhang mit dem poema letrista ). Ein Beispiel für die Destruktion der semantischen Ebene ist das Lautgedicht ohne Worte von Man Ray (Abbildung 31). Abbildung 31. Dadaistisches Lautgedicht ohne Worte (1924), Man Ray, in: Adler/ Ernst 1990, 260. Allein mit schwarzen waagerechten Linien wird ein konventionelles Gedicht nachgestellt; es wird der Eindruck erweckt, als sei der Text geschwärzt worden. Titel, Strophen, Verse, sogar einzelne Wortlängen sind zu erkennen. Da keine schriftsymbolischen Zeichen auszumachen sind, trägt der Text keine Bedeutung. Interessant ist an diesem Gedicht der visuelle Aspekt. Denn durch die Schwärzung des diskursiven Textes wird deutlich, dass selbst ein konventionelles Gedicht eine unverkennbare visuell-strukturelle Gestalt und ikonische Zeichen besitzt. Ein anderes Beispiel, dieses Mal von Hugo Ball, demonstriert poetisch, in welcher Form eine formale Verbindung zwischen Laut und Graphem bestehen kann. Rein erfundene, besonders klangvolle Wörter ohne jeglichen Sinn bilden das wohl bekannteste dadaistische Gedicht Karawane (Abbildung 32). 120 2. Eine Geschichte der Poesía Visual Abbildung 32. Karawane (1917), Hugo Ball, in: Adler/ Ernst 1991, 265. Sprache wird hier lediglich als akustisches Material behandelt. Durch die Sinnentnahme wird die Aufmerksamkeit auf die phonetische Beschaffenheit gelenkt. Auch dieses Lautgedicht gewinnt lediglich dadurch an visueller Qualität, dass die Wörter schriftsymbolisch, und folglich visuell wahrnehmbar, dargestellt sind. Während keinerlei Bedeutung aus dem semantischen Kontext hervorgeht und auch keine Beschreibung vorliegt, wie das Gedicht etwa vorzutragen sei, kann sich der Rezipient hier auf die typografischen Mittel verlassen, anhand derer die unterschiedliche Hervorhebung der einzelnen Verse anschaulich wird. Mit der Titelschrift Karawane (im Übrigen das einzige Wort mit Bedeutung) wird auf Bewegung hingewiesen. Und Bewegung wird im Text in der Tat visuell umgesetzt. Jeder der siebzehn Verse hat eine eigene, sich nicht wiederholende Schriftart, die zudem im abwechselnden Turnus von Standard- und Kursivschrift den Effekt von Bewegung erzeugt (vgl. Adler/ Ernst 1990, 265). Auf diese Weise entsteht ein visuelles Gedicht. 2.5 Zur Entwicklung der Poesía Visual als poesía de vanguardia In Spanien hat die avantgardistische Poesie, trotz geografischer Nähe zu Frankreich und Italien, aus internationaler Perspektive einen eigentümlichen Verlauf genommen. Der Beitrag der spanischen Dichter zu der gesamten europäischen Avantgarde ist geradezu insignifikant. Obwohl spanische avantgardistische Künstler wie Pablo Picasso (1881-1973), Juan Gris (1887-1927), Joan Miró (1893- 1983), Luis Buñuel (1900-1983) und Salvador Dalí (1904-1989) eine international überragende Rolle spielten, erlangten ihre teilweise mit ihnen gut befreundeten 2.5 Zur Entwicklung der Poesía Visual als poesía de vanguardia 121 Dichterkollegen nicht einmal ein annähernd vergleichbares Renommee. Dies mag zum einen an der mangelnden Relevanz beziehungsweise Unkenntnis der spanischen Sprache in Europa gelegen haben - ein Umstand, der für Schriftstellerinnen und Schriftsteller, im Gegensatz zu den bildenden Künstlerinnen und Künstlern, entsprechend einschränkend gewirkt haben muss (vgl. van den Berg/ Fähnders 2009, 307). Zum anderen lässt sich aufgrund der politischen Situation im Land auf Probleme schließen, die zu abweichenden Tendenzen in der allgemeinen literaturhistorischen Entwicklung geführt haben und der spanischen poetischen Avantgarde einen „rasgo de peculiaridad“ (de Cózar 1991, 396) verleihen. Ebenso wie die spanische Nation nicht - oder nicht direkt an den beiden Weltkriegen beteiligt war, ist auch in Bezug auf die spanische Dichtung festzustellen, dass es ihr an Beteiligung am europäischen Geschehen fehlte. Mit Ausnahme von einigen wenigen Individuen ist es der vanguardia poética nie gelungen, an der europäischen künstlerischen Revolution teilzunehmen, geschweige denn deren Ideale und Manifeste zu verbreiten. Diese Tatsache mag darauf zurückzuführen sein, argumentiert de Cózar, wobei er sich auf Octavio Paz und Juan Marichal (1971, Las cosas en su sitio: Sobre la Literatura española del siglo XX ) stützt, dass es der spanischen Literatur an Radikalität und Revolutionscharakter gefehlt habe, der für die künstlerische Avantgarde wesentlich sei: En este punto […] podría hablarse de peculiaridad: la actitud revolucionaria en España tanto en el plano estético como sociopolítico, salvo contadas e importantes excepciones, no llega nunca al radicalismo de sus correspondientes europeos […]. La virulencia, el antiinstitucionalismo, la ruptura con la moral y con la religión, no es frecuente entre los artistas españoles. (de Cózar 1991, 399 f.) Des Weiteren fehlte es den spanischen Dichtern an kosmopolitischem Charakter, der ebenfalls als Grundvoraussetzung des Avantgardisten gilt, im Sinne eines über die eigenen geografischen Grenzen hinaus vernetzten Akteurs (vgl. ebd.). Es ist aus diesen Gründen nicht verwunderlich, dass die vanguardia von Europa bereisenden hispanoamerikanischen Dichtern, den sogenannten „introductores“ (de Cózar 1991, 398), in Spanien eingeführt wurde. Zu diesen gehörte allen voran der Chilene Vicente Huidobro (1893-1943) vor den beiden argentinischen ultraístas Oliverio Girondo (1891-1967) und Jorge Luis Borges (1899-1986), wobei Letzterer vornehmlich zur Theorie der avantgardistischen Literatur beigetragen hat. Später, während der segunda vanguardia , kam der Argentinier uruguayischer Herkunft Julio Campal (1933-1968) hinzu, der gleichfalls als introductor der Poesía Visual gilt. Der Einfluss der lateinamerikanischen Dichter, den im Übrigen auch wenngleich auf indirektem Wege - César Vallejo (1892-1938) und Pablo Neruda (1904-1973) ausübten, war für die Entstehung, 122 2. Eine Geschichte der Poesía Visual Konstitution und Entwicklung der Poesía Visual ausschlaggebend (vgl. de Cózar 1991, 372). Zwar wird der vanguardia durchaus eine eigene Festigung in Madrid und Barcelona zugebilligt, sie hat sich aber aus einer Synthese von italienischem Futurismus und französischem Kubismus entwickelt. Die literarische Avantgarde in Spanien ist, de Cózar zufolge, ein regelrechtes Importprodukt, das sich auf der Halbinsel zu einem eigenen Modell entwickelte, ohne jemals internationale Bedeutung erringen zu können (vgl. ebd.). Bemerkenswert ist hierbei, was vermutlich zu dem erwähnten rasgo de peculiaridad der vanguardia mit beitrug, die unermüdliche Aktivität einzelner Personen, der letztendlich die Festigung der vanguardia zu verdanken ist. Zu diesen Personen zählen Ramón Gómez de la Serna (1888-1963) und Guillermo de Torre (1900-1971). Obwohl beide avantgardistische beziehungsweise visuelle Gedichte konzipiert haben, wurden sie vor allem durch ihre Manifeste beziehungsweise theoretischen Positionen zur vanguardia española bekannt. Ebenfalls zu den unermüdlichen Personen gehört der katalanische Dichter Joan Brossa (1919-1998), der im Gegensatz zu den beiden zuvor erwähnten Avantgardisten mit seinem poetischen Werk, seiner kontinuierlichen künstlerisch-poetischen Arbeit erst auf dem Terrain der avantguarda (katalan. für vanguardia ) und dann auf dem der poesia visual eine überragende Rolle gespielt hat. Während sowohl Gómez de la Serna als auch Guillermo de Torre aus politischen Gründen nach Argentinien flüchteten, konnte der bedeutend jüngere und daher nicht im gleichen Maße gefährdete Brossa im faschistischen Spanien - auch mit seiner Kunst - überleben. Er ist damit nahezu ein Einzelfall. Die spanische Avantgarde (wie die europäische aus ähnlichen Gründen auch) erlitt insbesondere durch die Guerra Civil (1936-1939) und die ersten Jahrzehnte der darauf folgenden faschistischen Diktatur unter Franco (1939-1975) einen beträchtlichen Einschnitt, weshalb sie überhaupt in primera und segunda vanguardia unterteilt wird (de Cózar 1991, 395 u. 411). Die primera vanguardia , auch als vanguardia histórica bezeichnet (vgl. u. a. Goic 2002, 33; Millán Domínguez 1999, Pos. 462 ff.), umfasst die ersten Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts bis etwa zu Beginn des spanischen Bürgerkriegs. Sie ist gekennzeichnet durch das Importieren und die Synthetisierung europäischer Avantgarde-Bewegungen sowie durch die Konstituierung und Proklamierung von ismos und avantgardistischen Manifesten wie beispielsweise des ultraísmo . Die segunda vanguardia fällt in die Zeitspanne ab der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts nach den ersten Jahren der Franco-Diktatur (was sich zudem europaweit mit dem Ende des Zweiten Weltkrieges 1945 deckt) bis zu den beginnenden 1960er Jahren (im sog. tardofranquismo ), in der sich die poetische Avantgarde neu etabliert. Diese Neo-Avantgarde wird von de Cózar auch als vanguardia experimental bezeichnet (1991, 411). 2.5 Zur Entwicklung der Poesía Visual als poesía de vanguardia 123 Obwohl ein experimentelles Vorgehen für die primera vanguardia genauso gilt wie für die segunda , ist insbesondere aus theoretisch-begrifflicher Sicht letztere durch die poesía experimental ausdrücklich gekennzeichnet. In der segunda vanguardia lassen sich experimentelle Dichtungsformen wie letrismo, happening, poesía concreta und ebenso die Poesía Visual verorten (vgl. Millán/ García Sánchez 2005 [1975], 20 ff.) Im Hinblick auf die Entwicklung der Poesía Visual Española im 20. Jahrhundert lassen sich nach López Fernández drei wesentliche Etappen festlegen: Die erste umfasst die primera vanguardia vom Beginn des Jahrhunderts bis etwa zur Guerra Civil (1936); die zweite erstreckt sich von den 1960er Jahren als segunda vanguardia und “época de contexto experimental” bis etwa zur Mitte der 1980er Jahre; und schließlich die dritte als “línea visual” bezeichnete Periode, die seit den 1990er Jahren bis heute andauert und - insbesondere durch die visuellen Medien und digitalen Techniken stark beeinflusst - die Poesía Visual erneut aufblühen lässt (López Fernández 2001b, web). 2.5.1 Primera vanguardia Angesichts der Notwendigkeit einer poetischen Erneuerung fanden der italienische Futurismus, der Kubismus und der Dadaismus in der spanischen Dichtung zunächst großen Anklang (vgl. de Torre 1971, 84). Gómez de la Serna übersetzte im April 1909 das futuristische Manifest Marinettis ins Spanische - nur wenige Monate nach dessen Veröffentlichung in Paris (vgl. Asholt/ Fähnders 2005, XXXI). 1910 verfasste er unter dem Pseudonym Tristán das an die Spanier gerichtete futuristische Manifest Proclama futurista a los españoles , es folgten El concepto de la nueva literatura (1910) und zwei Jahrzehnte später das fundamentale avantgardistisch-theoretische Werk Ismos (1931) (vgl. Bonet 2007, 298 f.). Trotz Gómez de la Sernas regen Bemühungen, die futuristischen Konzepte in Madrid zu verbreiten, - wovon neben seinen Schriften auch die von ihm ähnlich einer dadaistischen Veranstaltung geleiteten tertulias im Café Pombo zeugen (vgl. Sarmiento 2009, 24) - blieben sie, abgesehen von „algunas crónicas periodísticas“ (ebd.), erfolglos. Nicht ganz so erfolglos waren seine poetischen Experimente, die sich auf allen Feldern der avantgardistischen Poesie bewegten wie das bis heute rezipierte titellose visuelle Gedicht, das er in sein theoretisches Werk Ismos integrierte (Abbildung 33). 124 2. Eine Geschichte der Poesía Visual Abbildung 33. O.T. (1931), Ramón Gómez de la Serna, in: Sarmiento 2009, 69. Auf einem weißen Hintergrund, einem Blatt Papier, ist, auf der gesamten Fläche verteilt und wellenförmig angeordnet, unzählig oft lo nuevo aufgeschrieben. Lediglich ein einziges anderes Wort, siempre , findet sich zwischen all den anderen versteckt. Ganz am Ende des Blattes steht in Ausrufungszeichen der Satz: ¡Todo lo nuevo! Es handelt sich zweifellos um eine Hommage an die Erneuerungsprinzipien der Avantgarde. Auffallend unwirksam blieb Guillermo de Torres umfangreiche und detaillierte Schrift Literaturas europeas de vanguardia (1925), in der verschiedene Bewegungen und Ismos chronologisch gegliedert beschrieben und zugeordnet sind. Sie wird von van den Berg und Fähnders als „die erste synthetisierende Darstellung in Buchform unter der expliziten Signatur der Avantgarde“ (2009, 6) bezeichnet. Bemerkenswert ist, dass diese Publikation, obwohl sie sich durch Aktualität und Genauigkeit auszeichnete, nie in eine andere Sprache übersetzt und außerhalb des spanischen Sprachraums auch kaum rezipiert wurde (vgl. ebd.). Ihre Auswirkungen blieben offenbar bedingt durch die prekären politischen Verhältnisse weitestgehend begrenzt, sodass die vanguardia in Spanien einen weniger radikalen Weg einschlug (vgl. Neuschäfer 2001, 349). Doch war die Arbeit von Gómez de la Serna und de Torre nicht völlig umsonst, da sie den Erfolg der Generación del 27 weitestgehend vorbereitete. Denn analog zum Siglo de Oro wird von la edad de plata der spanischen Literatur gesprochen; damit sind die drei Dichtergenerationen von 1898, 1914 und insbesondere von 1927 (u. a. Vicente Aleixandre (1989-1984), Federico García Lorca (1898-1936), Gerardo Diego (1896-1987), Juan Larrea (1895-1980), Rafael 2.5 Zur Entwicklung der Poesía Visual als poesía de vanguardia 125 Alberti (1902-1999)) gemeint. Es gab zwar bereits vor der Generación del 27 avantgardistische Züge in der poesía , diese wurden aber von dem Ruhm der 27er überschattet, so „wie die ‚Generación del 27‘ von den politischen Ereignissen der 30er Jahre überschattet wurde, mit der Gründung der Zweiten Republik (1931-1936), dem Bürgerkrieg (1936-1939) und der anschließenden Emigration vieler seiner Mitglieder“ (van den Berg/ Fähnders 2009, 307). Die Mitglieder der Generación del 27 verfolgten die Entwicklung der europäischen Avantgarde aus einer „sichtlich auf Unabhängigkeit bedachten Distanz“ (Asholt/ Fähnders 2005, XXIV). Vor ihnen hatten die spanischen Avantgardisten jedoch schon einige Konzepte von ihren europäischen Vorgängern übernommen, etwa die kubistischen perspectivas simultáneas , das futuristische Konzept der parole in libertà und die Wirksamkeit der Typografie. Indes waren ihre Gedichte nicht annähernd so destruktiv in der Struktur wie jene der italienischen Zeitgenossen (Muriel Durán 2000, 99). Erst später, in der segunda vanguardia , sollte sich zeigen, dass das Interesse am Materiellen, dem Visuellen an der Sprache wuchs und in die heutige Poesía Visual mündet. 2.5.1.1 Avantguarda catalana Die geografische Nähe Kataloniens zu Frankreich favorisierte die künstlerischliterarischen Beziehungen, was dazu führte, dass in Katalonien 1916 die ersten avantgardistischen visuellen Gedichte in katalanischer Sprache veröffentlicht wurden (vgl. ebd., 75). Die Vorreiterrolle, die der avantguarda catalana zufiel, bedeutete jedoch nicht, dass sie sich gegenüber der spanisch-kastilischen vanguardia radikaler ausrichtete. Für die spanische Avantgarde gilt generell wie für die katalanische im Besonderen, dass nicht annähernd die Radikalität der europäischen Avantgarde erreicht wurde (vgl. ebd.). Trotzdem entwickelte sich in Spanien - konkret in den beiden Metropolen Barcelona ( avantguarda ) und Madrid ( ultraísmo ) - eine eigenständige poetische Avantgarde (vgl. Asholt/ Fähnders 2005, XXIV). Was die Poesía Visual betrifft, so wurde sie in Barcelona innerhalb der avantguarda catalana insbesondere von den beiden Dichtern Josep Maria Junoy (1887-1955) und Joan Salvat-Papasseit (1894-1924) betrieben. Obwohl die avantguarda catalana nicht von langer Dauer war - sie setzte 1916 ein und endete bereits im August 1924 -, spielte sie im Hinblick auf die spätere Poesía Visual vor allem wegen Junoy eine zentrale Rolle (vgl. Muriel Durán 2000, 77). Junoy führte zum einen das poema visual in die katalanische Literatur ein, zum anderen offenbarte er in seinen visuellen Gedichten eine besonnene Auseinandersetzung mit der Theorie, der Poetik der Avantgarde, wie beispielsweise in dem Werk Art Poètica (1916) (Abbildung 34) zu beobachten ist (vgl. ebd.). Er stellt darin Reflexionen über die sogenannte poesía alfabética an (vgl. ebd., 79). 126 2. Eine Geschichte der Poesía Visual Abbildung 34. Art poètica (1916), Josep Maria Junoy, in: Sarmiento 2009, 89. Inspiriert vom Dadaismus beschäftigt sich die poesía alfabética mit Aspekten des Alphabets, so mit der Reihenfolge der einzelnen Buchstaben. Deren Ordnung folgt nicht nur bestimmten Konventionen, sondern weist den einzelnen Buchstaben einen Reihenplatz zu und folglich einen hierarchischen Wert. In einigen Gedichten kehrt Junoy die Reihenfolge um, um die traditionellen Werte aufzuheben, sich also von der Tradition abzuwenden und Kritik an ihr zu üben. In Art Poètica beispielsweise steht der Buchstabe Z an erster Stelle und das A an letzter. Junoys Kommentaren diesbezüglich zufolge steht das Z für den modernen, avantgardistischen Dichter und das A für den konservativ-traditionellen. Junoy bringt in diesem poema letrista eindeutig die Überlegenheit der Innovation gegenüber der Tradition zum Ausdruck (da das Z über dem A steht) (vgl. Muriel Durán 2000, 81). Die auf diese Weise präsentierte poesía alfabética , die die Wertung einzelner Buchstaben aufzeigt, steht in direktem Zusammenhang mit Dada und dem Letrismus. Das gleiche Prinzip wird in der segunda vanguardia verfolgt, ganz besonders von Joan Brossa. Junoy erreicht seinen dichterischen Höhepunkt mit dem Gedicht Oda a Guynemer (1920) (Abbildung 35) (ebd., 81). 2.5 Zur Entwicklung der Poesía Visual als poesía de vanguardia 127 Abbildung 35. Oda a Guynemer (1920), Josep Maria Junoy, in: Sarmiento 2009, 34. Oda a Guynemer ist dem französischen Jagdflieger Georges Guynemer gewidmet; er starb im Ersten Weltkrieg in einem Luftkrieg und wurde von den Franzosen als Held gefeiert. Das Gedicht offenbart eine starke Reduktion des Sprachmaterials, indem der Text durch gezielte Platzierung und typografische Formgestaltung an ikonischem Wert gewinnt. Es teilt sich in zwei Verse, deren Schriftarten und -größe sich voneinander unterscheiden. Der Vers in S-Kurven- Form stellt sowohl visuell, mithilfe der S-Form, als auch inhaltlich den Absturz des Flugzeuges und den Aufstieg des Helden in den Himmel dar. 33 Er mündet in den mit Großbuchstaben dargestellten Vers ciel de France , der mit gepunkteter Schriftform an das Firmament denken lässt. Das Gedicht lässt sowohl die Stilmittel des caligrama - weil Text und äußere Erscheinung miteinander korrespondieren - als auch den Versuch, Simultanität darzustellen, erkennen. Neben Junoy und Joan Salvat-Papasseit zählen Vicençs Solé de Sojo (1891- 1963), Joaquim Folguera (1893-1919) und Carles Sindreu i Pons (1900-1974) zu den bekanntesten katalanischen Avantgardisten, wobei Salvat-Papasseit als „más activo e interesante“ (Muriel Durán 2000, 85) bezeichnet wird. Salvat- Papasseit zeigte weit mehr als Junoy einen ausgeprägten Hang zum Futurismus 33 Dins de l'avió mortalment ferit per l'espai hi brunceix encara el lluent cor del motor mes l'ànima viva del adolescent heroi aeri vola ja vers les constelacions [Transkription v. d. Verf.]. 128 2. Eine Geschichte der Poesía Visual und war über seine künstlerische Tätigkeit hinaus auch politisch engagiert. In seiner „actitud de rebeldía contra la sociedad y el arte establecidos“ äußerte sich seine Faszination für die radikale künstlerische Avantgarde. Doch sie entwickelte sich nur in wenigen seiner Werke. Salvat-Papasseit wandte sich bald dem realismo zu und nahm “temas y recursos neopopulares” in seine Poetik auf (ebd., 93). 2.5.1.2 Ultraísmo Parallel zur avantguarda in Barcelona etabliert sich in Madrid der als „principal de la vanguardia española en lengua castellana“ (Bonet 2007, 605) geltende ultraísmo . Die Literaten Rafael Cansinos-Assens (1883-1964) und Guillermo de Torre sind die Gründer des ultraísmo ; die Erklärung der Bewegung, das Manifiesto-Ultra , wird 1919 in der von Cansinos-Assens selbst herausgegebenen literarischen Zeitschrift Grecia veröffentlicht. Grecia erscheint zwischen 1918 und 1920 in Sevilla und Madrid, daneben sind die Zeitschriften Cervantes (Madrid 1916-1920) und Ultra (Madrid 1920-1921) - das Organ der Bewegung - als die wichtigsten Dokumente ultraistischer Veröffentlichungen zu nennen (vgl. Bonet 2007, 155/ 313/ 604). Mit dem Manifiesto-Ultra wird, wie in einer avantgardistischen Bewegung üblich, zu Modernität und Rebellion aufgerufen (vgl. Sarmiento 2009, 94). Der ultraísmo ist eine synthetisierende Bewegung. Aus der Notwendigkeit heraus, sich von dem vorherrschenden modernismo zu befreien, adaptieren die ultraístas Errungenschaften bestehender Avantgarde-Bewegungen. Im Hinblick auf die Poesía Visual handelt es sich bei diesen Errungenschaften hauptsächlich um die von Apollinaire neu initiierte figurative Dichtung, calligrammes , und die parole in libertà von Marinetti (vgl. Bohn 1986, 146). Nicht ganz unbeteiligt an dieser Synthetisierung war der damals in Spanien wohnhafte und mit Cansinos-Assens befreundete Chilene Vicente Huidobro. Er hatte zuvor lange in Paris, dem Zentrum der Avantgarde, gelebt und war daher mit allen zeitgenössischen literarischen Strömungen samt deren Manifeste vertraut. Darüber hinaus verfasste er selbst visuell-poetische Texte (vgl. Muriel Durán 2000, 99). In seiner Dichtung vereint Huidobro die figurativen Verse nach Apollinaire mit der typografisch-visuellen Brechung der Verse nach Mallarmé, der radikal-minimalistischen Typografie des italienischen Futurismus und der Arbitrarität des Dadaismus (vgl. Sarmiento 2009, 49). Er hat deshalb auch vor allem die poesía ultraísta in ihrer visuellen Prägung beeinflusst: El verdadero impulsor de la imaginería visual de esos años en España será Vicente Huidobro, quien, además de dar a conocer las últimas tendencias y manifestaciones artísticas y literarias europeas, ofrecía una obra, en la que el componente visual contaba con una digna representación. (Muriel Durán 2000, 99/ 100) 2.5 Zur Entwicklung der Poesía Visual als poesía de vanguardia 129 Damit übernimmt Huidobros Werk zum einen eine Vorreiterfunktion für die Dichtung der spanischen Avantgarde, zum anderen trägt Huidobro selbst maßgeblich zur Vernetzung zwischen Spanien und Lateinamerika bei. 34 Noch vor seiner ersten Reise nach Europa widmet er sich in Chile der von ihm als creacionismo bezeichneten avantgardistisch-poetischen Ausrichtung, anhand derer er eine eigene Welt, un mundo propio , zu “kreieren” beabsichtigt (Sarmiento 2009, 49). Hinter diesem Gedanken verbirgt sich eine Auffassung von Poesie, die auf den Ursprung des Begriffs, Poiesis , zurückgeht, deren Aufgabe im reinen Schaffen der creación liegt. Der Name creacionismo entsteht nach einem Vortrag im Jahr 1916 in Buenos Aires, in dem Huidobro hinsichtlich der Bestimmung des Dichters Folgendes postuliert: „[L]a primera condición del poeta es crear, la segunda crear y la tercera crear“ (zit. in Sarmiento 2009, 49). Hiervon ausgehend und unter Einfluss der französischen Avantgarde schreibt Huidobro visuell-poetische Texte nach dem Prinzip des caligrama , beispielsweise das in französischer Sprache verfasste (und hier wegen seiner formästhetischen Bedeutung angeführte, unkommentierte) Gedicht Paysage (1917) (Abbildung 36), das einen erkennbaren Einfluss auf die spanischsprachige avantgardistische Poesie ausübt. 35 34 Zur Vernetzung zwischen Spanien und Lateinamerika, die im ultraísmo besonders auffällt, hat zudem Jorge Luis Borges beigetragen, der 1921 den ultraísmo nach Argentinien exportierte. Doch der Einfluss war stets wechselseitig. Auch der bekannte Peruaner César Vallejo (1892-1938) blieb dieser avantgardistischen Bewegung nicht fern; obwohl er kein offizielles Mitglied war, gilt er im internationalen Forschungsfeld wegen seiner theoretischen Beiträge zur Avantgarde und vor allem wegen seiner verwandten Poesie als ein Repräsentant des ultraísmo (vgl. van den Berg/ Fähnders 2009, 343). 35 Auch in Lateinamerika sind Einflüsse seiner Werke zu verzeichnen. So hat zum Beispiel der Mexikaner José Juan Tablada (1871-1945), von Huidobros Creacionismo angeregt, eine Reihe von visuellen Gedichten geschrieben: Li-po y otros poemas (Caracas 1920), die in der Geschichte der Poesía Visual vereinzelt erscheinen und daher, wenn auch nicht explizit darauf eingegangen werden kann, zumindest an dieser Stelle erwähnt seien (vgl. de Cózar 1991, 404; Sarmiento 2009, 126 ff.). 130 2. Eine Geschichte der Poesía Visual Abbildung 36. Paysage (1917), Vicente Huidobro, in: Sarmiento 2009, 119. Der ultraísmo spiegelt die für spanische Verhältnisse typische Synthese von existierenden Bewegungen wider und wird deshalb auch als Nachholbewegung bezeichnet (vgl. van den Berg/ Fähnders 2009, 308). Wie aus dem Manifiesto-Ultra hervorgeht, werden keine klaren eigenen Prinzipien vorgeschlagen oder verfolgt, es geht den Ultraisten zwar in erster Linie um eine Erneuerung, aber nicht im Sinne einer radikalen Ablehnung, sondern im Sinne einer Überwindung des Konventionellen (zit. in Sarmiento 2009, 93). Aus diesem Grund zeigen sich in der Poesía Visual keine überraschenden Neuerungen, denn es geht um eine Art Befreiungsprozess, der sich zunächst in sehr bescheidenen, konservativen visuellen Gedichten äußert, sich aber später emanzipiert und der darauffolgenden poesía experimental den Weg bereitet. Ein Beispiel für die ersten Gedichte ist Signo celeste (Abbildung 37) des heute in Vergessenheit geratenen Adriano del Valle (1895-1957). Der Einfluss von Huidobros Gedicht Paysage (Abbildung 36) ist evident. 2.5 Zur Entwicklung der Poesía Visual als poesía de vanguardia 131 Abbildung 37. Signo celeste (1920), Adriano del Valle, in: Muriel Durán 2000, 117. Inhaltlich widmet sich das Gedicht dem Nachthimmel. Die Darstellung folgt dem Prinzip des Figurengedichts, die visuelle Gestalt (Mond, wolkenähnliche Figur) korrespondiert mit dem Inhalt. Guillermo de Torre veröffentlicht neben seinen theoretischen Beiträgen eine Vielzahl von visuellen Gedichten, an denen sich der langsame Befreiungsprozess ebenfalls beobachten lässt. Seine ersten visuell-poetischen Experimente offenbaren noch eine strikte Anlehnung an den italienischen Futurismus - durch diagonal-platzierte Verse, isolierte Wörtern etc. -, wie beispielsweise das Gedicht Paraiso plástico von 1919 bezeugt (Abbildung 38). Abbildung 38. Paisaje plástico (1919), Guillermo de Torre, in: Muriel Durán 2000, 131. 132 2. Eine Geschichte der Poesía Visual In seiner späteren Entwicklung zieht de Torre im Gedichtband Hélices (1923) allerdings eigene Konsequenzen aus der aufgenommenen Synthese. Anhand des diesem Band entstammenden visuellen Gedichts Cabellera (Abbildung 39) ist beispielhaft zu erkennen, wie langsam sich die Distanzierung von den bestehenden visuell-poetischen Formen vollzieht. Abbildung 39. Cabellera (1923), Guillermo de Torre, in: Sarmiento 2009, 112. Der Titel gibt den Hiweis auf das Thema des Gedichts: cabellera , was Kometenschweif bedeutet, der sowohl visuell als auch inhaltlich dargestellt ist. Zwar handelt es sich hier um das Prinzip des Figurengedichtes, bemerkenswert für die Poesía Visual ist aber die sich andeutende Reduktion von Inhalt und Material, und die zunehmende Tendenz zum Bildlichen, nicht nur als Effekt der typografischen Veränderung, sondern auch als poetisches Teilelement: El culto a la imagen se erigirá en el resorte básico de la nueva lírica. Los ultraístas […] extremarán la capacidad sugeridora de las imágenes, al tiempo que reducen al máximo los elementos verbales. El alto grado de concentración expresiva, unido al carácter insólito de las mismas, aumenta el efecto del extrañamiento y el nivel de participación de los lectores. (Muriel Durán 2000, 99) Obwohl der ultraísmo wie auch die avanguarda catalana nur für wenige Jahre (von 1918 bis 1925) aufblüht und zudem keine eigene Ausrichtung entwickelt, 2.5 Zur Entwicklung der Poesía Visual als poesía de vanguardia 133 sondern eine Synthese bleibt, gilt er als die einzige originär spanischsprachige avantgardistische Bewegung (vgl. van den Berg/ Fähnders 2009, 308). 36 2.5.2 Segunda vanguardia poesía experimental Nach dem ersten Jahrzehnt der Franco-Diktatur werden ab den 1950er Jahren die durch den Krieg unterbrochenen poéticas de vanguardia allmählich wieder aufgenommen. Zunächst lebt der Geist der spanischen Vorkriegs-Avantgarden in Barcelona und Madrid erneut auf, getragen beispielsweise von der katalanischen Künstlergruppe Dau al Set (Barcelona, 1948), die in der gleichnamigen Zeitschrift ihre Werke und theoretische Positionen veröffentlicht (vgl. Muriel Durán 2000, 169). Die Wiederaufnahme der vanguardia führt in der Dichtung schließlich ab den 1960er Jahren zur poesía experimental , die Bewegung übernimmt dabei einige avantgardistische Grundsätze, weshalb sie auch als segunda vanguardia bezeichnet wird. Das dichterische Schaffen soll nicht mehr den tradierten Prinzipien des in Spanien vorherrschenden Neoklassizismus folgen, sondern sich mit den ästhetischen wie gesellschaftlichen Erfahrungen befassen - durch den Bürgerkrieg, soziale und technologische Veränderungen, das Aufkommen der Massenmedien und der Werbung - und eine neue, aktuelle Dichtung hervorbringen (vgl. Gómez de Liaño 1972, 290). Ziel ist es, sich, wenn auch nicht politisch-programmatisch, so doch künstlerisch-ästhetisch von dem Faschismus so weit wie möglich zu entfernen. In diesem Zusammenhang entsteht die poesía experimental : La poesía experimental española nace a principios de la década de los años sesenta como un intento de asimilación del legado que dejaran las primeras vanguardias para, de una vez por todas, superar el aislamiento de la cultura franquista y restituir el perdido espíritu de renovación de los lenguajes estéticos que aquéllas propugnaran como máxima aspiración del trabajo artístico. (Fernández Serrato 1995a, 269) Die segunda vanguardia beinhaltet demnach einerseits progreso und andererseits experimento (vgl. Fernández Serrato 1995b, 47). Das Experiment entwickelt sich zum Leitmotiv der neuen Dichtung. Dabei stützt sich das Verständnis von poesía experimental maßgeblich auf die Prinzipien der Konkreten Poesie, die als “un modo de hacer literatura en el que la forma es fondo y el fondo forma y que da 36 Das Ende des ultraísmo betreffend ist sich die Forschungen nicht einig. Bonet (2007, 605) datiert das Ende der Bewegung auf 1925, während Bohn (1986, 146) von 1923 und van den Berg und Fähnders (2009, 343) 1922 als Endpunkt festlegen. 134 2. Eine Geschichte der Poesía Visual la primacía en el manejo del lenguaje a la materialización (óptica o acústica) del signo“ (Millán 1981, 31) definiert wird. Im Folgenden geht es darum, die chronologische Entwicklung der segunda vanguardia (soweit möglich) bis zur heutigen Poesía Visual aufzuzeigen. Aufgrund der zunehmend großen Anzahl an Dokumenten, theoretischen Schriften, Zeitschriften und Anthologien zur poesía experimental kann ihre Entwicklung im Folgenden nur skizzenhaft dargestellt werden. Anhand der drei Dichter Julio Campal (1933-1968), Fernando Millán (geb. 1944) und Joan Brossa (1919-1998) soll das Kapitel zur historischen Entwicklung der Poesía Visual durch das Erreichen der Gegenwart geschlossen werden. 2.5.2.1 Problemática 63 und Julio Campal 1963 ist das vielfach zitierte Jahr, auf welches der Beginn der Blütezeit der Poesía Visual datiert wird (vgl. z. B. López Fernández 2001a; Millán 1981, 2009; Millán Domínguez 1999; Muriel Durán 2000; Sarmiento 1990; 2009). Hierfür gibt es drei wesentliche Gründe: Erstens werden 1963 einige visuelle Gedichte von Enrique Uribe im The Times Literary Supplement veröffentlicht (vgl. Gómez de Liñao 1972, 291). Es handelt sich hierbei um die erste internationale Publikation von Poesía Visual. Zweitens findet 1963 eine Begegnung zwischen dem französischen Dichter und Vertreter des im selben Jahr gegründeten spatialisme 37 Pierre und Ilse Garnier und dem Dichter Enrique Uribe statt, ein für die spanischen visuellen Poeten überaus wichtiges Ereignis, weil damit die poesía experimental erstmalig mit der ihr verwandten Dichtung aus Frankreich in Kontakt tritt (vgl. Lanz Rivera 1992). Und drittens gründet der wenige Jahre zuvor aus Uruguay zugewanderte Dichter Julio Campal das Künstlerkollektiv Problemática-63 . Die musikalisch-experimentelle Gruppe vereint viele in Madrid aktive experimentelle Dichter wie Enrique Uribe, Fernando Millán und Ignacio Gómez de Liaño (vgl. Gómez de Liñao 1972, 292). Die zentrale Figur in dieser Blütezeit ist jedoch Julio Campal. Er widmet sich aktiv der experimentellen Dichtung und ihrer Verbreitung in Spanien. Beginnend mit seiner Ankunft 1962 zeitigt er ein als unermüdlich beschriebenes Engagement für die poesía experimental und versammelt in etlichen Veranstaltungen zahlreiche junge Dichterinnen und Dichter um sich. Er pflegt den Kontakt und macht aktuelle internationale Gruppierungen der Nachkriegsdichtung 37 Spatialisme ist die dichterische Bewegung, die etwa zeitgleich zur deutsch-brasilianischen Konkreten Poesie und der poesía experimental in Frankreich stattfindet. Von Ilse und Pierre Garnier gegründet, verfolgt sie ähnliche Ziele wie ihre beiden europäischen Verwandten, vor allem die freie Bewegung der Buchstaben, Wörter und Verse im Raum (frz. espace ). 2.5 Zur Entwicklung der Poesía Visual als poesía de vanguardia 135 bekannt, so die deutsch-brasilianische Konkrete Poesie (beispielsweise Eugen Gomringer, Reinhard Döhl sowie Haroldo de Campos, Décio Pignatari, Augusto de Campos [Noigandres]) und den französischen spatialisme (Pierre und Ilse Garnier), und entwickelt sich zum “ferviente difusor y estudioso” (Lanz Rivera 1992, 60). Mit vielen Vorträgen und Kolloquien, in denen er über internationale Neuerscheinungen im Bereich der experimentellen Dichtung spricht und auch am nationalen dichterischen Schaffen Kritik übt, ist Campal maßgeblich daran beteiligt, dass die Poesía Visual in Madrid aufblüht (vgl. Gómez de Liñao 1972, 292). Es schließen sich weiterhin viele andere Dichter, Kritiker, Schriftsteller, Musiker etc. an. Und 1965 organisiert Campal (zusammen mit Enrique Uribe und Angel Crespo) die erste Ausstellung der poesía experimental in Spanien unter dem Titel Poesía Concreta (27.1.-2.2.1965), die in der Galeria Grises in Bilbao stattfindet (vgl. Millán Domínguez 1999, Pos. 618; Sarmiento 1990, 12). Nach seinem frühen Tod 1968 wird eine Sammlung von 40 visuellen Gedichten in limiterter Auflage unter dem Titel Caligramas veröffentlicht (vgl. López Fernández 2001b, web). Campal konzentriert sich in seinen Gedichten auf den ästhetischen Wert der Schrift. Als Grundfläche verwendet der Dichter Zeitungspapier, so beispielswiese eine Seite des Tagesblattes ABC von 1967 (vgl. z.B. Caligrama (1967), Julio Campal, in: Millán 2010, 173). Darauf setzt er einen senkrechten, sehr großen und nicht dechiffrierbaren schwarzen Schriftzug. Sein Ziel ist dem Rezipienten die vielfältige Funktion von Schrift aufzuzeigen, zum einen mithilfe des verwendeten Zeitungsblatts die als Informationsträger dienende maschinelle Schrift, zum anderen die schwungvolle Handschrift. Dabei verwendet er bei den sich vom Prinzip immer wiederholenden verschiedene Farben und präsentiert somit den Kontrast zwischen maschinellem Druck und Kalligraphie (vgl. López Fernández 2001b, web). 2.5.2.2 N.O. - Fernando Millán Neben der Gruppe Problemática-63 sind auch die Gruppen N.O. und Zaj (die allerdings aufgrund der stärker musikalischen Ausrichtung im Folgenden unkommentiert bleibt) zu erwähnen. Nach Campals plötzlichem Tod gründet Fernando Millán 1969 die Gruppe N.O. , an der sich unter anderen Dichtern auch Enrique Uribe, Jesus García Sánchez und Alfonso López Gradolí beteiligen. Auch ist eine Reihe von Veröffentlichungen und Ausstellungen aus dieser Gruppe hervorgegangen. Eines der wichtigsten Positionspapiere der poesía experimental ist das Manifiesto-Poesía-N.O ., das 1970 in dem Ausstellungskatalog zu der ersten Gruppenausstellung in der Galería Eurocasa in Madrid veröffentlicht wird (vgl. Sarmiento 1990, 27). Darin fordern die poetas eine „renovación total” der neoklassizistischen spanischen Dichtung der Nachkriegszeit, plädieren für die 136 2. Eine Geschichte der Poesía Visual Verwendung von Elementen aus der Werbung, um an ihr Kritik zu üben, und postulieren des Weiteren ein Bewusstsein für die „renovación social”, was die Teilhabe der Gesellschaft an der Kunst und umgekehrt beinhalten soll (vgl. ebd.). Fernando Millán ist seit den 1960er Jahren ein herausragender Aktivist. Er leistet bis heute sowohl mit seiner dichterischen Eigenproduktion als auch insbesondere durch seine Herausgebertätigkeit (beispielsweise von Anthologien zusammen mit Jesús García Sánchez 2005 [1975] oder in Eigenregie 2009) und zahlreiche theoretische Publikationen (z. B. 1981, 1998, 2003) einen beträchtlichen Beitrag zur poesía experimental española . Zu seinen bekanntesten Gedichten zählt die Serie der „flehenden” beziehungsweise „fordernden” Hände La mano que clama (1970). Ein Beispiel davon findet sich in der Serie als poesía concreta definierte poesía experimental (vgl. Hermosilla 2013, 32; Mano que clama (1970), Fernando Millán, in: Sarmiento 2009, 337). Die dort abgebildete offene Hand besteht aus weißen Buchstaben auf einer schwarzen Fläche. Die einzelnen Wörter sind gut zu erkennen: In der Mitte, ragt aufgrund der größeren Schrift das Wort alto heraus, darüber steht in sehr viel kleinerer Schrift: tal vez si van. Hinzukommen somos, menos, ahora, alzad, ese, olvida, tiempo . Jedes Hand-Gedicht ist anders konzipiert, obwohl sie gleichen formalen Grundprinzipien folgen: sie haben identische Größe, sind immer schwarz-weiß und bestehen aus sich wiederholenden Wörtern desselben Schrifttyps. Einige Hände sind mit weißer Schrift auf schwarzem Hintergrund dargestellt, andere umgekehrt, womit ein starker Kontrast erzeugt wird. Manche Hände haben alle Finger, andere nur zwei oder drei. Die Hand zeigt sich auch außerhalb der Serie als Leitmotiv in Milláns Texten. Zur Bedeutung der einzelnen Hände hat er sich bis heute nicht geäußert. Da sie zwischen 1968 und 1975 entstanden sind, darf der Entstehungszeit entsprechend die politische Botschaft gegen das noch bis 1975 anhaltende Franco-Regime allerdings stark vermutet werden (vgl. Hermosilla 2013, 31; López Fernández 2001a, web). Als „sinécdoque del ser humano, del artista, del pintor” (López Fernández 2001a, web) steht die Hand für den Aufruf oder gar den Protest (bei einer Hand ragt der Mittelfinger heraus) gegen die Unterdrückung und vor allem gegen das künstlerfeindliche Klima der Francodiktatur. Dies zeigt sich offensichtlicher in den manos der späteren Jahre, wo außerdem Begriffe wie mentira, duelo, opresión etc. vorkommen. 2.5.2.3 Joan Brossa Parallel zu den Kreisen um Julio Campal und Fernando Millán (insbesondere durch Problemática-63 und N.O .) entwickeln sich in Katalonien eigene Dynamiken der Poesía Visual. Generell wird in Spanien bezüglich der poesía de van- 2.5 Zur Entwicklung der Poesía Visual als poesía de vanguardia 137 guardia und der poesía experimental zwischen den Entwicklungen, die in Madrid oder in Barcelona stattfinden, entsprechend den repräsentativen spanisch- und katalanischsprachigen Erscheinungen unterschieden. Zwar korrespondieren die Künstlergruppen miteinander, und für die meisten Dichter sind auch beide Zentren als Anlaufstellen zugänglich, doch ist aus diachroner Sicht stets eine Unterscheidung zwischen l’avanguarda und la vanguardia zu verzeichnen (vgl. Sarmiento 1990, 33). In Barcelona sind neben Joan Brossa die Dichter Juan Eduardo Cirlot und Guillem Villadot die ersten, die die poetische Synthese aus den Vorkriegs-Avantgarden übernehmen und sie zur poesía experimental weiterentwickeln (vgl. ebd., 30). Das Isolieren der Wörter auf dem weißen Blatt Papier, die Reflexion über die Beziehung zwischen Wörtern und Dingen und das Experimentieren in seinem Atelier bringen Brossa ab 1959 nach und nach zur Poesía Visual (vgl. Bordons 2008, 23). Sein Werk kann als das bedeutendste der Poesía Visual bezeichnet werden. Er war der erste, der sich explizit der Poesía Visual zuwandte und sich selbst in erster Linie als poeta visual sah (vgl. ebd., 15). Überhaupt ist das Konzept der poesia visual durch seine Definitionen geprägt worden. So hat er diese, durch seine Beobachtung der zunehmenden Bedeutung von Visualisierungen, erstmals von der Gattung der experimentellen Poesie trennen wollen (vgl. hierzu auch Kapitel 1.1): La poesia visual vol dir un canvi de codi: la considero la poesia experimental del nostre temps, perquè en la nostra societat la imatge és molt important. Veus imatges pertot arreu: […] (Brossa 1986). 38 Ab den 1960er Jahren gewinnt sein Gesamtwerk beachtlich an Größe, sowohl bezüglich der Anzahl als auch der Gestaltungsvarietät seiner poemas visuales . Letztere lässt sich vor allem durch Schlichtheit, Suggestionskraft, Verwurzelung in konkreten Situationen charakterisieren (vgl. ebd. 18 f.). Beispielhaft zeigt sich dies an dem Revolvergedicht (Abbildung 40; der Titel stammt nicht von Brossa, es ist bei Bordons von poema-revòlver die Rede [ebd.]). Mit sachlich gestalteten Großbuchstaben steht poema geschrieben; um den letzten Buchstaben a zeichnet sich das Bild eines Revolvergriffes; das Wort poema wird auf diese Weise zum Revolverlauf. Auf Brossas Verständnis von Poesie bezogen und unter Berücksichtigung von Schlichtheit, lässt sich folgende Botschaft interpretieren: Die Dichtung ist eine Waffe, die der Dichter verwendet, um die Realität zu verändern (vgl. ebd.). Brossa verarbeitet in seinen Gedichten immer wieder das Ver- 38 Online veröffentlichtes Interview des Museums MACBA (Barcelona). Das Zitat ist Teil der Antwort auf die Frage: „Vostè ha conreuat exhaustivament la poesia visual. Creu vostè que la poesia visual té unes característiques pròpies, o més aviat es tracta d'una manera concreta de veure les coses? “ (MACBA, web). 138 2. Eine Geschichte der Poesía Visual hältnis zwischen Dichtung und Leben, indem er das vereinfachte Bildliche oder das vereinfachte Gegenständliche mit dem Wort poema (in seinem Verständnis stellvertretend für Kommunikation) verbindet. Abbildung 40. Poema visual (1970-1978), Joan Brossa, in: Bordons et al. 2008, 141. Auf dieselbe Art wie in einem geschriebenen Gedicht kombiniert Brossa Gegenstände zum poema objecte . Er sucht in einfachsten Gegenständen metaphorische Umsetzungen, wobei das Schlichte und Alltägliche immer zentrales Leitmotiv bleibt. Denn, wie er selbst konstatiert, „en efect, si les paraules són les coses, amb el meu llenguatge de les coses també es podem fer metàfores” (Brossa 1989, in Bordons et. al 2008, 162). Das folgende Beispiel veranschaulicht Brossas Metaphorik des Alltäglichen (siehe Abbildung 41). Abbildung 41. Poema objecte (1967), Joan Brossa, in: Bordons et. al 2008, 173. Auf einem viereckigen Holzbrett, eine Art Podest, liegt eine Glühbirne, auf der mit schwarzen Druckbuchstaben das Wort poema gesetzt ist. Es veranschaulicht beispielhaft, welcher Gedankenablauf hinter poesia visual brossiana steckt. 2.5 Zur Entwicklung der Poesía Visual als poesía de vanguardia 139 Die Glühbirne verkörpert die Idee, aus der das poema entsteht. Das Gedicht ist somit einfach nur eine kommunizierte Idee. Aktuell wird die Poesía Visual als dynamisches Phänomen gesehen, das sowohl digital als auch analog und ebenso virtuell wie real verfolgt werden kann (wie im Kapitel 1.3 genauer nachzulesen ist). Wie zudem Millán Domínguez bereits vor mehr als fünfzehn Jahren diesbezüglich konstatiert, „goza [gemeint ist la Poesía Visual] en España de muy buena salud, tanto téorica como prácticamente” (1999, Pos. 2290 ff.). TEIL II: Poemas visuales als Gegenstand des Spanischunterrichts 3. Forschungsstand: Visuell-poetische Texte im Fremdsprachenunterricht Mit dem Bedeutungszuwachs des Bildes in der Alltagswie auch in der ästhetischen Kommunikation steigt generell das fremdsprachendidaktische Interesse an visuell-medialen Unterrichtsgegenständen. So sind im letzten Jahrzehnt zunehmend fachdidaktische Publikationen zum schulischen Einsatz von Schrift- Bild-Kombinationen veröffentlicht worden. Das gilt auch für eine Reihe von fremdsprachendidaktischen Aufbereitungen verschiedener ästhetischer Gegenstände, die sich durch das Zusammenspiel von Schrift und Bild auszeichnen (Frey/ Fischer 2008, Hecke/ Surkamp 2010, Hallet/ Henseler 2012, Seidl 2007). Dieser fremdsprachendidaktische Diskurs knüpft unmittelbar an denjenigen der 1980er Jahre an, als der Film (und damit das bewegte Bild) für den Fremdsprachenunterricht angesichts der seinerzeit neu zur Verfügung stehenden technischen Möglichkeiten didaktisiert wurde. Aus dieser Zeit lassen sich zahlreiche fremdsprachendidaktische Beiträge finden, die sich mit Schrift-Bild-Kombinationen und deren didaktischem Potenzial im Fremdsprachenunterricht beschäftigen, wenngleich das Potenzial des Mediums Bild insbesondere im Hinblick auf den Film untersucht wird (z. B. Ehnert/ Piepho 1986; Schwerdtfeger 1973, 1989). Fremdsprachen- und muttersprachendidaktische Erkenntnisse der 1980er und frühen 1990er Jahre bilden indes das Gerüst der heutigen fremdsprachlichen Bildbeziehungsweise Mediendidaktik. 3.1 Fremdsprachendidaktische Forschungen: Deutsch, Englisch, Französisch Der visuell-poetische Text als fremdsprachendidaktischer Gegenstand wurde zuerst im Bereich Deutsch als Fremdsprache (DaF) entdeckt und untersucht. Es wurden zahlreiche wissenschaftliche Beiträge, Unterrichtsentwürfe und Handreichungen, ganze Lehrwerke und sogar Anthologien von Gedichten der Konkreten Poesie veröffentlicht, die diese Textgattung umfassend für den DaF- Unterricht erschließen. Unter den wissenschaftlichen Monografien ist die Dissertation von Rüdiger Krechel (1987) zu nennen; sie entstand unter der Leitung von Harald Weinrich und antwortet auf dessen Plädoyer (1981, 1983), Literatur von Anbeginn in den Fremdsprachenunterricht zu integrieren. Krechel schlägt vor, Gedichte der Konkreten Poesie im Anfangsunterricht zu verwenden. Ihr fremdsprachendidaktisches Potenzial wird von ihm mit drei wesentlichen Strukturmerkmalen begründet: Jene Texte seien erstens sprachlich einfach, zweitens sehr kurz und überschaubar, und drittens verlangten sie aufgrund ihrer poetischen Überdeterminiertheit ein langes, im Fremdsprachenunter- 144 3. Forschungsstand: Visuell-poetische Texte im Fremdsprachenunterricht richt (und insbesondere im Anfangsunterricht, wo der Zugang zur fremden Sprache sperriger ist) notwendiges Verweilen am Text. Die DaF-Didaktik baut hierauf auf und entwickelt umfassendes Material für den Umgang mit Konkreter Poesie. Die Untersuchung des didaktischen Potenzials im Hinblick auf die Grammatikvermittlung (vgl. Krechel 1987, 88 ff.) mündet in Entwicklungen von Unterrichtsmethoden und -entwürfen. Als Beispiel sei das kreativ ausgerichtete Grammatik-Lehrbuch von Rug und Tomaszewski angeführt (1993). Ein anderes auf dieser Basis entstandenes Projekt ist die an Deutschlernende gerichtete Anthologie mit Gedichten der Konkreten Poesie (vgl. Stöpfgeshoff 1981). Darin arbeitet der Herausgeber mit Dichtern der Konkreten Poesie zusammen und fordert sie auf, bestimmte grammatische Phänomene in ihren poetischen Texten zu berücksichtigen (vgl. ebd., 4). Bis heute ist in Beiträgen der DaF-Fachdidaktik der Umgang mit Konkreter Poesie zu finden. Die didaktisch-methodischen Voruntersuchungen, die Krechel in seiner Dissertation unternimmt (vgl. Krechel 1987, 122 ff.), finden sich mittlerweile auch in empirischen Untersuchungen (vgl. Balci 2010) bestätigt. Das fremdsprachendidaktische Potenzial der Konkreten Poesie ist für den DaF-Unterricht umfassend untersucht und empirisch belegt. Die Untersuchungen stellen allerdings Texte der Konkreten Poesie in den Vordergrund, was nicht immer visuell-poetische Texte mit einschließt. Zwar sind sich konkrete und visuelle Texte in ihrer Gattungsspezifik sehr nah, und oftmals werden in den oben erwähnten Untersuchungen auch visuellpoetische Texte unter dem Begriff der Konkreten Poesie gefasst, jedoch ordnet der Begriff konkret in Anlehnung an den literaturwissenschaftlichen Begriffskonflikt der 1970er Jahre den Begriff visuell typologisch unter. 1 In der Konkreten Poesie stehen Bild und Schrift-Bild-Kombinationen nicht primär im Fokus, vielmehr geht es dort weit umfassender um die Konkretisierung von Sprache, was sich eben auch terminologisch niederschlägt. Didaktische Beiträge, die den Umgang mit visuell-poetischen Texten im engeren Sinne behandeln, lassen sich daher in der Fachdidaktik DaF wie auch im Bereich Deutsch als Zweitsprache (DaZ) nur bedingt finden. Visuell-poetische Texte werden vielmehr im Rahmen der Konkreten Poesie behandelt und oftmals als Ideogramme kategorisiert (vgl. Balci 2010, 46; Jentges 2008). Dass Bilder auch gelesen werden und Schrift-Bild-Kombinationen fester Bestandteil des Sprachunterrichts sein müssen, steht im muttersprachlichen Deutschunterricht längst nicht mehr zur Debatte (vgl. Ehlich 2005; Ballstaedt 2005) - im Gegenteil: Es wird offen dafür plädiert, Text und Bild nicht nur im Dialog zueinander, sondern auch das Bild als Text begreifen zu lernen und 1 In diesem Zusammenhang versteht sich Konkrete Poesie als Überbegriff zur Visuellen Poesie. Nähere Erläuterung zur Begrifflichkeit im Kapitel 1.2.1. 3.1 Fremdsprachendidaktische Forschungen: Deutsch, Englisch, Französisch 145 der „starken Präsenz von Bildern als Wahrnehmungsangeboten in einer medial multiplizierten Welt“ (Ehlich 2005, 59) gerecht zu werden. Diese positive Haltung zu Schrift-Bild-Kombinationen zeigt sich bereits in den frühen 1990er Jahren in der Bereitschaft eines fächerübergreifenden Deutsch-Kunstunterrichts zur konkreten und sogar visuellen Poesie, so z. B. in dem Themenheft von Kunst+Unterricht (Maiwald et al. 1994). Damit wird deutlich, dass Wörter und Bilder gemeinsam eine ästhetische Einheit bilden und sowohl im Deutschals auch im Kunstunterricht behandelt werden können und sollten (vgl. Maiwald 1994, 35). In fremdsprachendidaktischen Publikationen werden seit den 1980er Jahren jene Stimmen lauter, die eine stärkere Berücksichtigung von Schrift-Bild-Kombinationen im Unterricht fordern. So wurden neue Ansätze, neue Kompetenzen und neue Methoden im Zusammenhang mit Bildern und Bild-Text-Kombinationen entwickelt (vgl. Hecke/ Surkamp 2010). Allerdings stößt das didaktischtheoretische Plädoyer oftmals dort an Grenzen, wo es um Bilder und Bild-Text- Kombinationen und poetische Sprache geht. Die Englischdidaktik hat sich in den letzten Jahren mit dem Bild als sprachlichem Mittel sowie Schrift-Bild-Kombinationen und deren spezifischer Didaktik unter dem Begriff visual literacy aus fachwissenschaftlicher und praxisorientierter Perspektive beschäftigt (vgl. Seidl 2007; Frey/ Fischer 2008). Bild und Schrift-Bild-Kombinationen werden in einen literaturästhetischen Zusammenhang gebracht und für den Englischunterricht didaktisiert (vgl. Hallet/ Henseler 2012). Dass Gedichte nicht nur gelesen, sondern auch gesehen und gehört werden können, erkennt bereits Blell (1995), die visuelle Poesie, oder visual poetry , neben der akustischen Poesie behandelt. Innovative didaktische Erkenntnisse im Hinblick auf den Umgang mit hybriden Textgattungen liefert Alfons Knauth, der unter dem Titel „Literaturlabor“ das didaktische Potenzial diverser hybrider Textsorten für den romanistischen Hochschulunterricht untersucht hat (vgl. Knauth 1986). Dabei plädiert er für eine „produktive Ausrichtung der romanischen Philologie“ (ebd., 7). Er entwickelte zudem Unterrichtsentwürfe mit visuell-poetischen Texten für den schulischen Französischunterricht, in dem sich Französischschülerinnen und -schüler in autonomen Kreationen von „verbovisuellen Bildgedichten“ und „verbovisuellen Gedichtbildern“ üben können (vgl. Knauth 1991). Die Zeitschrift „Der Fremdsprachliche Unterricht Französisch“ widmete sich erst neun Jahre später dem Themenschwerpunkt „Text und Bild im Dialog“ (2000) und benannte Bilder und Schrift-Bild-Kombinationen für die Französischdidaktik als Ausdrucksformen der sprachlichen Kommunikation. Das im Basisartikel verkündete Plädoyer für „eine unterrepräsentierte Textsorte“ (vgl. FUF 2000, 4) verdeutlicht, dass diese Ausdrucksformen bis dahin noch nicht berücksichtigt wurden. Der Beitrag von 146 3. Forschungsstand: Visuell-poetische Texte im Fremdsprachenunterricht Deta Hadorn-Planta (vgl. Hadorn-Planta 2000, 29-31) beschäftigt sich sogar explizit mit dem Einsatz von „poèmes-images“ im Französischunterricht. 3.2 Fachdidaktischer Forschungsstand in Spanien: Español como lengua extranjera (E/ LE) und Didáctica de la lengua y literatura Zurzeit liegt auch im Forschungsbereich des Español como lengua extranjera (E/ LE) noch keine Monografie zum Thema Poesía Visual vor. Gleichwohl lassen sich online vereinzelt Veröffentlichungen von Unterrichtsvorschlägen mit Poesía Visual finden, die belegen, dass in der Praxis eine Beschäftigung mit Poesía Visual im E/ LE-Unterricht stattfindet (vgl. Aragón 2012). Die wesentlichen Fragen, inwiefern der Umgang mit Poesía Visual für den Erwerb des Spanischen als Fremdsprache bedeutsam ist und welches fremdsprachendidaktische Potenzial Poesía Visual birgt, bleiben offen. Im muttersprachlichen Spanischunterricht zeigt sich hingegen eine didaktisch-methodische sowie bezugswissenschaftliche Forschungsbereitschaft. Dennoch werden poemas visuales bislang in den offiziellen curricularen Vorgaben der Lehrerausbildung des Instituto superior de formación de profesorado im Themenbereich Gedichte in der Sekundarstufe ( Didáctica de la poesía en educación secundaria ) (vgl. Gómez Martín 2002) noch nicht berücksichtigt. Unterrichtsmaterialien für den Umgang mit Poesía Visual im Sprach- und Kunstunterricht wurden beispielsweise in einem regionalen Curriculum der Junta de Extremadura für die Grundschule und die Sekundarstufen zusammengestellt (vgl. Rosco Madruga/ Téllez Jiménez 1998). Vereinzelt stehen Unterrichtsvorschläge und Handreichungen zur Poesía Visual auch im Internet zum Download bereit (vgl. Landa 2008; Fuentes Lara 2009). Im Rahmen eines Schulprojekts am Instituto Español in Lissabon und in Zusammenarbeit mit der Diputación de Badajoz wurde eine Sammlung von Schüler- und Schülerinnenproduktionen veröffentlicht (vgl. Diputación Badajoz 2008b). Einige sprachdidaktische Überlegungen sind in der Einleitung zur Sammlung von Rafael Fernández Díaz, dem leitenden Lehrer, nachzulesen, allerdings nicht systematisch und auch nicht fremdbeziehungsweise zweitsprachenspezifisch. Obwohl Schülerinnen und Schüler auf der Iberischen Halbinsel häufig Spanisch als Zweitsprache lernen, sind in der Einleitung keine didaktischen Überlegungen aus fremdsprachenbeziehungsweise zweitsprachendidaktischer Perspektive vorzufinden. Sprachdidaktische und literaturdidaktische Überlegungen liefert im Hinblick auf die Grundstufen Raquel Serdio (2001) und im Hinblick auf die Sekundarstufen José Luis Gómez Toré (2011). Beide Autoren argumentieren für den Ein- 3.3 Fremdsprachendidaktische Forschungen: Spanisch 147 satz von Poesía Visual als Einstieg in den Umgang mit poetischen Gattungen, da sie durch die Visualisierung von Sprache die Schülerinnen und Schüler insofern motiviere, als dadurch ein Interesse für poesía gefördert würde (vgl. ebd.). Ähnliche Ergebnisse spiegeln sich in den Untersuchungen der Forschungsgruppe Poció (Poesía i educació) der Universidad de Barcelona wider. Ihre Veröffentlichungen umfassen den Umgang mit und den Einsatz von Dichtung im Sprachunterricht im Allgemeinen sowie speziell den von poesía experimental , unter die auch die Poesía Visual subsummiert wird (vgl. Bordons 2009). Die theoretischen Abhandlungen skizzieren generell das Potenzial von Dichtung im Hinblick auf das Lernen von (Fremd-)Sprachen. Die praxisbezogenen Beiträge berufen sich allerdings auf den Unterricht des Katalanischen in Cataluña , der je nach Region und Schule als mutter- oder zweitsprachlicher Unterricht ausgerichtet sein kann. Außerdem beschränkt sich die Auswahl der eingesetzten visuellen Gedichte auf das Werk des (katalanischen) Dichters Joan Brossa. Wenngleich einige Erkenntnisse und sogar Praxisbeispiele (aufgrund des visuellen und meist non-verbalen Gegenstandes) für die Didaktik des Spanischen übernommen werden können, können diese Forschungen nicht für ELE geltend gemacht werden. Sie sollen trotzdem der Vollständigkeit halber hier erwähnt sein. 3.3 Fremdsprachendidaktische Forschungen: Spanisch Für den fremdsprachlichen Unterricht Spanisch in der Bundesrepublik Deutschland wurde Poesía Visual als poetisches Schrift-Bild-Gefüge bisher, im Gegensatz zur Englisch- und Französischdidaktik, noch nicht systematisch erschlossen. Das bedeutet nicht, dass die Poesía Visual in der Fachdidaktik Spanisch in Deutschland unbekannt ist. In den 1980er Jahren entfaltete sich - im Zuge des oben erwähnten mediendidaktischen Diskurses - für einen kurzen Zeitraum ein fremdsprachendidaktisches Interesse für diese extravagante Gattung. Allerdings beschäftigten sich die fachdidaktischen Beiträge mit poetischen Texten noch unter dem Begriff poesía experimental (experimentelle Lyrik; vgl. Klink 1986). Dies hat mit der Entwicklung der Gattung selbst zu tun, die zu Beginn der 1980er Jahre in Spanien überhaupt erst auflebte und sich zu dem entwickelte, was heute als Poesía Visual verstanden wird. 2 Einen einschlägigen Beitrag für E/ LE lieferte lediglich die US-amerikanische Fremdsprachendidaktikerin Evelyn F. Brod mit „Concrete Poetry: A Linguistic Technique for the Foreign Language Classroom“ (1983). Sie schlägt darin einen sprachpraktischen Umgang mit visuell-poetischen Texten im Spanischunter- 2 Zur begrifflichen Entwicklung siehe Kapitel 1.2. 148 3. Forschungsstand: Visuell-poetische Texte im Fremdsprachenunterricht richt vor. Der Beitrag entdeckt diese Gattung für den Unterricht insbesondere aus der Perspektive der Wortschatzarbeit und der Möglichkeit zu kreativen Schreibanlässen. In der Bundesrepublik veröffentlichte Hella Klink (1986) einen praxisorientierten Beitrag zum kreativen Umgang mit experimenteller Lyrik. Es sind darin nur wenige poemas visuales der 1970er Jahre abgedruckt, die im Übrigen erst die Anfänge der Poesía Visual bilden. Klink weist auf die fremdsprachendidaktischen (vor allem sprachdidaktischen und landeskundlichen) Potenziale dieser Gattung hin, stellt grundlegende Überlegungen zum kreativen Umgang mit experimenteller Lyrik im Spanischunterricht an und entwirft einen Unterrichtsversuch für einen Leistungskurs der 12. Jahrgangsstufe. Das ikonische Zeichen als poetisches Werkzeug wird in ihren didaktischen Vorschlägen jedoch noch nicht berücksichtigt. Dies mag daran liegen, dass das bildliche Element in der Poesía Visual erst seit den 1990er Jahren verstärkt in Erscheinung tritt, was mit der Entwicklung der Möglichkeiten zur Digitalisierung von Bildaufnahmen und entsprechend verfügbaren Bildspeichergeräten zusammenhängt. Das fremdsprachendidaktische Potenzial des Bildes in Kombination mit poetischer Sprache beziehungsweise umgekehrt ist für den Spanischunterricht bislang noch nicht ausgelotet worden. Die vorliegende Dissertation stößt damit in diese Forschungslücke vor, denn zum ersten Mal wird die zeitgenössische Poesía Visual als Gegenstand im Spanischunterricht umfassend untersucht. 4. Fremdsprachendidaktische Perspektive: Konsequenzen des Zusammenspiels von Schrift und Bild im poema visual Révolution: parce qu'il faut que notre intelligence s'habitue à comprendre synthético-idéographiquement au lieu de analytico-discursivement. (Guillaume Apollinaire) Im folgenden Kapitel werden die Strukturmerkmale der Poesía Visual zum Ausgangspunkt für die didaktischen Überlegungen genommen. Damit soll eine Verbindung zwischen den literaturwissenschaftlichen und literaturhistorischen Untersuchungen (Kapitel 1 und 2) einerseits und der didaktischen Transformation (Kapitel 5 und 6) andererseits in Form einer gattungsorientierten didaktischen Analyse hergestellt werden. Das poema visual wird als Hybrid und Intermedium per se definiert, weil es sich stets aus mindestens zwei medial differenten Bestandteilen, Schrift und Bild, zusammensetzt (vgl. Schmitz-Emans 2007, 355; Kapitel 1.4). Wie das oben angeführte Zitat von Apollinaire provozierend formuliert, geht es um die Betrachtung einer bestimmten Art der Informationsvermittlung, die sich im poema visual wiederfindet: die Kombination und Interaktion von Schrift und Bild - und zwar mit einem fremdsprachendidaktischen Fokus. Die zentrale Doppelfrage, der es nachzugehen gilt, ist, welche Wirkung Schrift und Bild in poemas visuales erzeugen und welche Konsequenzen sich daraus für die Didaktisierung ergeben. Dabei wird zwischen Konsequenzen des Zusammenspiels von Schrift und Bild für den Rezeptionsprozess und für den Verstehensprozess unterschieden. Analog zu linguistischen Zeichentheorien zeigen aktuelle bildlinguistische Forschungen, dass der Vergleich von Bildern in ihrer Funktion „als kommunikative Artefakte“ (Stöckl 2011, 48) mit Wörtern dann gelingt, wenn das Bild wie die Schrift als Zeichen begriffen wird (vgl. Diekmannshenke et al. 2011). Da ich das visuelle Gedicht als eine wenn auch künstlerisch-poetische - Form der menschlichen Kommunikation verstehe, sind seine Bestandteile, Schrift und Bild, als kommunikative Zeichen zu sehen. Damit eine Ebene gegeben ist, auf der sich Schrift und Bild im poema visual miteinander vergleichen lassen, wurden für die literaturwissenschaftliche Untersuchung zwei zeichentheoretische Ansätze herangezogen, die den Vergleich der beiden Medien (Schrift und Bild) erlauben, da sie speziell auf das jeweilige Medium angewendet werden können. Für die Schrift wurde die strukturalistische Semiotik nach Ferdinand de Saussure (1995 [1916]) und für das Bild die Mediensemiotik nach Charles 150 4. Konsequenzen des Zusammenspiels von Schrift und Bild Sanders Peirce (vgl. Bense/ Walter 1973; Clausen 1984; Eco 1972; Nöth 2000) herangezogen. Die strukturalistisch-mediensemiotische Ausgangsbasis für die Gattungsanalyse ist im Kapitel 1.4 vorgelegt worden. Die nachstehenden didaktischen Folgerungen knüpfen insofern an Teil I an, als sie die medienspezifische Wirkung von Schrift und Bild im poetischen Gegenstand und die Konsequenzen für das Fremdsprachenlernen aufzeigen. Dafür werden mediendidaktische Forschungen (inbesondere Marci-Boehncke 2006 und Doelker 2006) hinzugezogen, um den kommunikativen Aspekt von Bildern in poetischen Texten zu erschließen und das poema visual als hybriden und intermedialen Text didaktisch fruchtbar zu machen. Zum einen werden dabei kognitions- und wahrnehmungspsychologische Überlegungen aufgeworfen (Gross 1994), die es erlauben, das gemeinsame Wirken von Schrift und Bild auf den Leseakt am Beispiel des poema visual näher zu betrachten (Kapitel 4.2.1); zum anderen werden medienwissenschaftliche und -didaktische Herangehensweisen an die Beziehung von Schrift und Bild erarbeitet (u.a. Doelker 2006; Nöth 2000; Marci-Boehncke 2006) und auf die Poesía Visual angewandt, um eine didaktisch-funktionale typologische Untersuchung von Schrift-Bild-Beziehungen anstellen zu können. 4.1 Lesendes Sehen - Konsequenzen für den Rezeptionsprozess Die Kombination von Schrift (symbolische Zeichen) und Bild (ikonische Zeichen) löst bestimmte Wahrnehmungs- und Verarbeitungsabläufe aus, die für den Umgang mit poemas visuales im Spanischunterricht unbedingt zu berücksichtigen sind, weil sich diese Abläufe auf die (Sprach-)Lernprozesse auswirken. Grundsätzlich handelt es sich hierbei um zwei Momente des Rezeptionsprozesses: Zum einen unterscheiden sich ikonische und symbolische Zeichen in der Informationsdarstellung, und zum anderen werden sie im Gehirn unterschiedlich verarbeitet und gespeichert, weshalb sie auch unterschiedlich gelesen werden . Der wesentliche Aspekt, den es bei der Wahrnehmung von ikonischen im Gegensatz zu symbolischen Zeichen didaktisch zu berücksichtigen gilt, ist die Abfolge, in der Informationen aufgenommen werden. Die jeweilige Informationsaufnahme unterscheidet sich dadurch, dass sie bei ikonischen Zeichen ungesteuert erfolgt, weil die Informationen (weitestgehend) simultan bereitgestellt werden, während sie bei symbolischen Zeichen linear gesteuert vonstattengeht, denn die Informationen sind (weitestgehend) nur sukzessive zu erfassen (vgl. Gross 1994, 7 und 88). Simultanität bedeutet hier also, dass in einem bestimmten Raum alle Elemente gleichzeitig vorhanden sind und daher alle Informationen simultan vermittelt und somit auch simultan im Sinne von holistisch wahrgenommen werden. Sukzession hingegen wird dem symbolischen Zeichen attri- 4.1 Lesendes Sehen - Konsequenzen für den Rezeptionsprozess 151 buiert, weil die einzelnen Zeichen in einer Reihenfolge so abgebildet sind, dass sie erst in einer (vorgegebenen, linear-sukzessiven) Abfolge gelesen werden müssen, bevor sie einen Sinn ergeben. Dies bedeutet auch, dass Simultanität nicht als Eigenschaft des Ikons und Sukzession nicht als Eigenschaft des Symbols begriffen wird, beide Eigenschaften beschreiben vielmehr die jeweils unterschiedliche Präsentationsart der Informationen. Eine strikte Zuordnung ist jedoch nicht möglich. Denn auch wenn die Informationen in Bildern simultan dargeboten werden, müssen sie sukzessive aufgenommen werden. Simultanität zur Eigenschaft des Wahrnehmungsprozesses bei Bildern zu deklarieren, würde bedeuten, dass der Betrachter das im Bild Dargestellte gleichzeitig wahrnimmt. Dass dies physiologisch nicht möglich ist, ist hinreichend erwiesen und bedarf hier keiner eingehenden Erläuterung. Festzuhalten ist aber, dass im Gegensatz zu schriftsymbolischen Texten, die in einer vorgegebenen Abfolge (z. B. in der lateinischen Schrift von links nach rechts und von oben nach unten) rezipiert werden, das Lesen von Bildern nicht in einer vorgegebenen Reihenfolge abläuft. Daher kann die Informationsaufnahme bei Bildern als ungesteuert, wenn auch nicht als willkürlich bezeichnet werden. Kognitionspsychologische Untersuchungen der Augenwanderung beim Betrachten von Bildern und Erkenntnisse der Wahrnehmungspsychologie belegen, dass Informationen aus Bildern ebenfalls sukzessive aufgenommen werden und dass der Ablauf keineswegs zufällig ist (vgl. ebd., 104). Zwar gibt es keine konventionelle Leserichtung wie bei symbolischen Zeichen, es zeigt sich jedoch, dass ikonische Zeichen den Blick des Rezipienten entlang einer Abfolge von Punkten lenken, die sich durch eine hohe Informationsdichte auszeichnen (vgl. ebd., 102). Didaktisch interessant erscheint hierbei der Aspekt, dass sich die Fähigkeit des Abtastens insbesondere von komplexeren Bildern im Laufe des Lebens erst ausbildet. Eine von Sabine Gross zitierte Studie (ebd.), die die Augenbewegungen von Erwachsenen und Kindern beim Betrachten eines Bildes miteinander vergleicht, hat ergeben, dass Erwachsene die wichtigen Elemente eines komplexen Bildes sehr viel gezielter verbinden als Kinder. Der Grund ist, dass Kinder weniger konventionelle Blickmuster vorweisen als Erwachsene. Daraus lässt sich schlussfolgern, dass „[a]ls visuelle und kognitive Leistung das Betrachten von Bildern also geübt und gelernt werden“ muss (ebd.). Dazu lässt sich die Erkenntnis festhalten, dass ikonische Zeichen mit hoher Informationsdichte die Aufmerksamkeit des Lesers auf sich lenken und wie Knotenpunkte die Abfolge der Augenbewegungen bestimmen. Für die Didaktisierung von poemas visuales kann die Bestimmung dieser Knotenpunkte notwendig sein. Allerdings handelt es sich bei poetischen Texten um solche, in denen Informationen ohnehin stark verdichtet sind. Komplexe Bildszenarien 152 4. Konsequenzen des Zusammenspiels von Schrift und Bild kommen seltener vor als jene, die die Informationen - die poetische Botschaft - auf den Punkt bringen. 1 In einem Bild mit entsprechender Informationsdichte ist die sukzessive Entschlüsselung also mit der eines schriftsymbolischen Textes vergleichbar. Daher wird in der Mediendidaktik der Informationsstrang in einem Bild als Text bezeichnet und das Bild als Text im Sinne des erweiterten Textbegriffes verstanden. Ähnlich der Sukzession in der Wahrnehmung von Bildern verhält es sich mit der Simultanität in der Rezeption von schriftsymbolischen Texten. Ein „einfacher Text aus Wörtern“ (Doelker 1997, 61) verfügt zum Teil auch über einen ikonischen Wert, beispielsweise die (typo-)grafische Darstellung der Buchstaben oder des Gesamttextes. Wird ein Text nicht dekodiert, sondern als Abfolge ikonischer Zeichen betrachtet, so sind ebenfalls bestimmte Informationen (Titel, ggf. Untertitel, Schriftart etc.) simultan gegenwärtig. Zudem verlaufen die Augenbewegungen beim Lesen schriftsymbolischer Texte nicht immer nur linear-sukzessiv - im Gegenteil: Bei komplizierten Sätzen weisen die Augenbewegungen vor allem im zweiten Durchgang Ähnlichkeit mit einer Bildbetrachtung auf die Saccaden sind groß, die Fixationen genau lokalisiert und selektiv. (Gross 1994, 10) Mithin kommt eine bildähnliche Betrachtung von schriftsymbolischen Texten besonders bei komplizierter Satzstruktur vor. Ähnlich verhält es sich bei fremdsprachlichen schriftsymbolischen Texten, und zwar umso mehr, je weniger die Sprache, in der der Text verfasst ist, beherrscht wird. Das linear-sukzessive Lesen ist bei fremdsprachlichen Texten gegenüber dem Umgang mit Texten in der Muttersprache besonders in der Sprachlernphase wesentlich beeinträchtigt. Oder, anders formuliert: Schriftsymbolische Texte werden in der Fremdsprache (am Anfang des Fremdsprachenunterrichts auch bei weniger komplexen Texten) betrachtend gelesen. Die Differenz zwischen dem Lesen von Bildern und dem Betrachten von schriftsymbolischen Texten kommt bei der näheren Untersuchung von hybriden Textformen, wie poemas visuales , besonders zum Vorschein, weil sie genau diese Eigenschaften von Bild und Schrift hervorheben und infrage stellen: die Ikonizität von Schrift und die Symbolizität von Bildern. Für den Umgang mit visuellen Gedichten im Fremdsprachenunterricht ist daher zu bedenken, dass das Bild und die Schrift gleichsam betrachtet und gelesen werden. Hierbei ist es wichtig, unterscheiden zu können, wie sich die Informationen darstellen und wo 1 Die Verdichtung von Sprache und Bildern bei poemas visuales und deren didaktische Umsetzung mit dem Lernziel der visuellen Kompetenz werden im Kapitel 6.1 behandelt. 4.1 Lesendes Sehen - Konsequenzen für den Rezeptionsprozess 153 sich die Informationsdichte befindet, um die Reihenfolge der Texterschließung antizipieren und den Gesamttext didaktisieren zu können. Im Übrigen sind nicht nur die informationsgesteuerten Wahrnehmungsprozesse interessant, sondern auch die darauffolgenden mentalen Verarbeitungsprozesse, die sich bei Schrift und Bild unterschiedlich vollziehen: Sie evozieren auf unterschiedliche Art mentale Bilder. Die Imagination eines Objekts wird in der Terminologie nach Peirce als ikonischer Objektbezug begriffen (vgl. Walter/ Bense 1973, 72). Damit ist die Produktion eines mentalen Bildes gemeint, das ein reales Objekt im visuellen Gedächtnis repräsentiert, zum Beispiel der imaginierte Stuhl. Die Vorstellung kann ebenso durch ikonische wie durch symbolische Zeichen evoziert werden. So kann beispielsweise ein Stuhl auf einer Abbildung gesehen oder als Wort gelesen worden sein. Im Gedächtnis entsteht dabei in beiden Fällen eine (mentale) Vorstellung von dem Stuhl. Doch die visuell-mentale Repräsentation eines Objekts durch ikonische oder symbolische Zeichen wird auf verschiedenen Wegen erreicht: Ikonische Zeichen evozieren eine mimetische Vorstellung (der Stuhl wird visuell so gespeichert, wie er gesehen wurde), während durch symbolische Zeichen individuelle Vorstellungen generiert werden. Schrift und Bild sind daher grundlegend verschieden hinsichtlich dessen, wie sie mentale Bilder evozieren (vgl. Dubiel 2004, 40). Dass Schrift, anders als das Bild, im Gehirn keine mimetische Repräsentation evoziert, ist gegebenenfalls als Nachteil des symbolischen gegenüber dem ikonischen Zeichen zu betrachten, wenn es um die Genauigkeit der mentalen Wiedergabe geht. Demgegenüber kann die Abstraktionsfähigkeit von Sprache als Vorteil gesehen werden, wenn es sich darum handelt, Sachverhalte oder Begriffe zum Ausdruck zu bringen, die keine visuelle Entsprechung haben, wie Zeit , Traum , Entwicklung . Solche Begriffe sind mangels gegenständlicher Entsprechung bildlich nur schwer darzustellen. Eine Eindeutigkeit wie beim Gegenstand kann niemals erreicht werden. In intermedialen Texten wie den poemas visuales werden die medialen Grenzen von Schrift und Bild als Ausdrucksmittel zwar sichtbar, es zeigt sich aber auch, wie diese Grenzen durch die intermediale Wechselwirkung überwunden werden können. So können abstrakte Sachverhalte in einer Schrift-Bild-Kombination visuell oder dingliche Gegenstände durch Buchstabenkombinationen symbolisch dargestellt sein. Die Poesía Visual profitiert von den medienspezifischen Grenzen von Schrift und Bild als Ausdrucksmittel und schafft damit ein raffiniertes poetisches Werkzeug. Aus fremdsprachendidaktischer Sicht ergeben sich durch die mentale Repräsentation von Gegenständen und Begriffen im 154 4. Konsequenzen des Zusammenspiels von Schrift und Bild Wechselspiel zwischen visuellem und abstraktem Gedächtnis vor allem Anknüpfungspunkte für das lexikalische Lernen. 2 Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass die Konsequenz für den Leseakt, die sich aus der kombinierten intermedialen Darstellung von Schrift und Bild im poema visual ableiten lässt, das Wechselspiel zwischen Lesen und Sehen ist. Visuell dargestellte Informationen werden mit schriftsymbolischen verknüpft, damit die Gesamtbotschaft des Textes erschlossen werden kann. Dabei beeinflussen das Vorwissen und der Erfahrungshorizont den Rezeptionsprozess beim Betrachten von Bildern genauso wie beim Betrachten schriftsymbolischer Texte. Die in der Kognitions- und Erkenntnispsychologie beschriebene Topdown- und Bottom-up-Verarbeitung ist bei der Aufnahme von Informationen ikonischer wie symbolischer Zeichen gleichermaßen gegeben (vgl. Gross 1994, 104). Poemas visuales werden zugleich gelesen und gesehen. Deshalb bezeichne ich diese besondere Art der Informationsaufnahme als lesendes Sehen . 4.2 Die Beziehung von Schrift und Bild im poema visual - Konsequenzen für den Verstehensprozess Das intermediale Zusammenspiel ist im Sinne einer intermedialen Kombination (gemäß Schmitz-Emans 2007, 355) zu verstehen und von der „intermedialen Text-Bild-Beziehung“ (Nöth 2000, 485), mit der das Ineinanderübergehen von Schrift und Bild gemeint ist, abzugrenzen. Visuelle Gedichte werden als intermediale Darstellungsformen definiert, weil sie sich grundsätzlich aus medial unterschiedlichen Gestaltungsmitteln, Schrift und Bild, zusammensetzen. Das intermediale Zusammenspiel ist dabei als das mediale Miteinander von Schrift und Bild zu begreifen, anhand dessen die gemeinsame Wirkung von Schrift und Bild beschrieben und an dieser Stelle didaktisch beleuchtet werden kann. Im intermedialen Zusammenspiel von Schrift und Bild unterscheide ich im Folgenden zwischen Schrift-Bild-Komposition und Schrift-Bild-Relation. Erstere bezeichnet das quantitative Aufkommen von Schrift und Bild innerhalb eines Schrift-Bild-Textes; Letztere benennt hingegen die Qualität der intermedialen Beziehung: wie sich Schrift und Bild zueinander verhalten. 4.2.1 Schrift-Bild-Komposition Die quantitative Zusammensetzung (Menge) ikonischer und symbolischer Zeichen kann anhand des jeweiligen Anteils an Schrift und Bild näher bestimmt werden. Anders gesagt: Die Schrift-Bild-Komposition legt den Grad der an- 2 Vertiefende Einblicke hierzu und Möglichkeiten zum Einsatz von poemas visuales in der Wortschatzarbeit sind im Kapitel 6.2 nachzulesen. 4.2 Die Beziehung von Schrift und Bild im poema visual 155 teiligen Verteilung von Schrift und Bild im hybriden Text fest. Eine genaue Bestimmung der Bestandteile ist allerdings nur bedingt möglich, denn ikonische Zeichen können auch über symbolische Eigenschaften verfügen und umgekehrt. Die Grenzen zwischen Schrift und Bild sind fließend. Daher ist die Schrift-Bild-Komposition nur als Tendenz bestimmbar. Die nachfolgende Grafik (Abbildung 42) stellt die Schrift-Bild-Komposition auf einem Kontinuum dar und zeigt, dass die Bestimmung der Zusammensetzung aufgrund unendlich vieler Kompositionsmöglichkeiten lediglich als Tendenz möglich ist. Das Extrem des Kontinuums bilden einerseits solche Schrift-Bild- Kompositionen, die vorwiegend aus symbolischen Zeichen bestehen, andererseits solche, die sich aus vorwiegend ikonischen Zeichen zusammensetzen. Abbildung 42. Kontinuum der Schrift-Bild-Komposition Anhand der Schrift-Bild-Komposition kann das quantitative Aufkommen von Schrift und Bild im Verhältnis zueinander in poemas visuales wenn auch nur tendenziell - bestimmt werden. Dies ist erforderlich, weil die Zusammenstellung der didaktisch-funktionalen Typologie im Kapitel 5 darauf aufbaut. Die dort gesammelten poemas visuales werden in drei Typen von Schrift-Bild-Komposition klassifiziert: poemas verbales = vorwiegend symbolische Zeichen; poemas verbovisuales = keine signifikante oder erkennbare Dominanz eines Zeichensystems gegenüber dem anderen; poemas imagen = vorwiegend ikonische Zeichen. 4.2.2 Schrift-Bild-Relationen Mit Schrift-Bild-Relation bezeichne ich die Qualität der intermedialen Beziehung von Schrift und Bild zueinander. Um eine schärfere Trennung von Komposition und Relation begrifflich klarzumachen und dabei eine eindeutige Definition zu schaffen, umgehe ich den Begriff Beziehung und verwende hierfür Relation. „Beziehung“ von Schrift und Bild behandle ich weiterhin als Oberbegriff von Komposition (Zusammensetzung) und Relation (Verhältnis) (vgl. Nöth 2000, 482). Die Typisierung von Schrift-Bild-Relationen ist unter verschiedenen Gesichtspunkten erkenntnisbringend: Eine Typengruppierung kann beispielsweise für eine semiotische Untersuchung hilfreich sein, wenn in Erfahrung 156 4. Konsequenzen des Zusammenspiels von Schrift und Bild gebracht werden soll, welches Medium leistungsfähiger ist; oder sie dient einer medienpsychologischen Fragestellung, die sich darum dreht, welches Medium in der Relation dominiert und warum, und welche Konsequenzen dies für die Textaussage und das Verstehen und Behalten von Informationen haben kann (vgl. ebd., 483). Es lassen sich eine Reihe von (komplexen und weniger komplexen) Typologien finden, die verschiedene Möglichkeiten der Schrift-Bild-Relation klassifizieren. Dabei bilden Redundanz, Dominanz, Komplementarität, Diskrepanz und Kontradiktion die Haupttypen (vgl. ebd., 483; Doelker 2006, 29). Die Typenbezeichnung verweist auf das jeweilige Verhältnis des einen Mediums zum anderen (des Bildes in Bezug auf den schriftsymbolischen Text und umgekehrt): Redundanz ist in der Schrift-Bild-Relation gegeben, wenn sich der Inhalt in Bild und Schrift wiederholt (und umgekehrt); von Dominanz ist die Rede, wenn das Bild informativer ist als der schriftsymbolische Text oder umgekehrt; bei Komplementarität sind beide Medien als Informationsquellen notwendig, um den Text verstehen zu können; Diskrepanz bringt das zusammenhanglose Nebeneinander von Schrift und Bild zum Ausdruck und bei einer Kontradiktion vermittelt das Bild einen Inhalt, der dem schriftsymbolischen Text widerspricht oder umgekehrt. In der Mediendidaktik hat sich das Stufenmodell von Doelker (2006) etabliert, das von ihm speziell für den medienpädagogischen Umgang mit printjournalistischen Gesamttexten erarbeitet wurde (vgl. Marci-Boehnke/ Rath 2006). Er entwickelt darin eine feinmaschige Klassifizierungsmöglichkeit von Schrift- Bild-„Beziehungen“ (ebd.) zur graduellen Unterscheidung von acht Arten der Relation. Die einzelnen Stufen ordnen die Korrelation von Schrift und Bild wie folgt ein: pleonastisch, kongruent, reziprok, komplementär, additiv, assoziativ, extensiv und divergent (vgl. Doelker 2006, 29). In der pleonastischen Schrift- Bild-Relation vermitteln Bild und Schrift denselben Inhalt (erste Stufe). Kongruent ist die Relation, wenn Schrift und Bild eine genuine Einheit bilden, beispielsweise das Bild einen konstitutiven Teil des schriftsymbolischen Textes (hier: der Bericht) darstellt (im Hinblick auf den Printjournalismus) (zweite Stufe). Bei reziproken Relationen bedingen sich Schrift und Bild gegenseitig (dritte Stufe). Komplementär bedeutet, dass das Bild eine zweckmäßige Ergänzung zum schriftsymbolischen Text darstellt (vierte Stufe). Von diesem Typus unterscheidet sich die additive Relation insofern graduell, als das Bild eher eine angemessene Beifügung ist (fünfte Stufe). In der assoziativen Relation stellt das Bild nicht mehr nur eine Ergänzung dar, sondern eine „mit bildspezifischen Mitteln mögliche Weiterführung“ des schriftsymbolischen Textes (sechste Stufe). Als nächste wird die extensive Relation als „atmosphärische Begleitung“ beschrieben (siebte Stufe). Den Abschluss bildet die divergente Relation, die fast 4.2 Die Beziehung von Schrift und Bild im poema visual 157 schon nicht mehr als Beziehung gilt, da sie eine sachfremde Abschweifung des Bildes gegenüber dem schriftsymbolischen Text vorweist (achte Stufe) (alles ebd., 29 ff.). Das oben angeführte mediendidaktische Stufenmodell nach Doelker hat sich aus zwei Gründen als geeignete Grundlage für die hier verfolgte Untersuchung erwiesen. Zum einen steht ein (fremdsprachen-)didaktisches einem mediendidaktischen Erkenntnisinteresse unter dem Aspekt nahe, als es ebenfalls auf die Frage gerichtet ist, inwieweit sich die Schrift-Bild-Relation auf das Verstehen und Behalten von Informationen im Hinblick auf das Lernen auswirkt. Zum anderen ist die Schrift-Bild-Relation in printjournalistischen Texten deshalb mit jener in poemas visuales vergleichbar, als beide Textformate statische Bilder in gedruckter Form vorweisen und eine Botschaft vermitteln. Die Doelker’sche Skala kann hier jedoch vor allem aufgrund der speziellen Ausrichtung auf journalistische Texte nur als Vorlage dienen und ist daher in Bezug auf den visuell-poetischen Text anzupassen. Anders als bei Zeitungen und Zeitschriften, bei denen der schriftsymbolische Text und das Bild in den meisten Fällen von verschiedenen Autoren unabhängig voneinander produziert - und zudem von Dritten (meistens die Redaktion) zusammengestellt - werden, entstehen schriftsymbolischer Text und Bild in poemas visuales gemeinsam aus der Hand desselben Autors als poetischer Text oder werden eigens dazu kombiniert. Ihre Schrift-Bild-Relation ist von vornherein sehr viel enger, da sich poemas visuales naturgemäß und zwangsläufig immer aus beiden Medien zusammensetzen. Dennoch können graduelle Unterschiede ausgemacht werden, die mit dem feinmaschigen Modell nach Doelker begrifflich festzumachen sind. Die beiden letzten Stufen (extensive und divergente Relation) vermögen poemas visuales allerdings nicht vorzuweisen. Aufgrund der naturgemäß engeren Relation tauchen Bilder niemals als „Auflockerung des Worttextes“ (ebd., 35) auf, wie in der extensiven Relation beschrieben, oder divergent als sachfremde Abschweifung infolge „missglückte[r] Bildbeschaffung“ (ebd., 36). Aus diesem Grund können diese beiden Stufen der Relation nicht herangezogen werden. Angelehnt an Doelkers Modell fasse ich die sechs Kategorien in drei Typen von Schrift-Bild-Relationen in poemas visuales zusammen: erstens eine pleonastisch-kongruente, zweitens eine reziprok-komplementäre und drittens die additiv-interpretative Relation. Im Folgenden wird zu zeigen sein, wieso diese für die Didaktik der Poesía Visual besonders relevant erscheinen. 4.2.2.1 Die pleonastisch-kongruente Schrift-Bild-Relation Die pleonastisch-kongruente, auch „redundante“ (Nöth 2000, 483) Schrift-Bild- Relation ist die engste Form der Schrift-Bild-Relation. Sie entsteht dadurch, dass Schrift und Bild medial denselben Inhalt wiedergeben und eine genuine Ein- 158 4. Konsequenzen des Zusammenspiels von Schrift und Bild heit bilden. Pleonastisch heißt in diesem Zusammenhang, dass sich die Bedeutung des Textes in beiden Medien wiederholt. Der Inhalt ist zeichenspezifisch „transkodiert“ (Doelker 2006, 30): Mit den ikonischen Zeichen wird das Gleiche ausgedrückt wie mit den symbolischen. Das Adjektiv kongruent ergänzt die pleonastische Eigenschaft insofern, als es zum Ausdruck bringt, dass Schrift und Bild insgesamt eine natürliche Einheit bilden und dass beide medialen Ausdrucksformen für die Botschaft konstitutiv sind. Als Paradebeispiele für pleonastisch-kongruente Schrift-Bild-Relationen können all jene poemas visuales gelten, in denen die Schriftpositionierung oder Bildelemente die schriftsymbolisch manifestierte Bedeutung unterstreichen, was heißt, dass diese sowohl als ikonische wie auch als symbolische Zeichen vorliegt. In der Geschichte ist das Aufeinandertreffen beider Medien in poemas de figuras zu beobachten ( Technopägnien oder Figurengedichte, vgl. Kapitel 2.1.1). Ein Beispiel ist das Gedicht „Está nevando“ von Julián Alonso (Abbildung 43). Die schriftsymbolische Textaussage ist dem aus zwei Wörtern bestehenden kurzen Satz leicht zu entnehmen: está nevando - „Es schneit“. Mit weißen Lettern auf schwarzem Hintergrund gedruckt, spiegelt die grafische Darstellung der Buchstaben die Textaussage wider. Der kurze Satz ist in der Mitte des zweiten Wortes in drei grafische Einheiten unterteilt: Der erste Teil - está nev - steht im oberen linken Bereich, der dritte - NDO - im unteren rechten Abschnitt, und dazwischen ist in einem mittleren Bereich der im Wort fehlende Buchstabe A fünfzehnmal unregelmäßig und flächenausdehnend abgedruckt. Die fünfzehn Buchstaben sind visuell so ausgerichtet, dass sie wie weiße Schneeflocken wirken und der Gesamteindruck von Schneefall entsteht. Die ikonischen Zeichen verbildlichen die symbolischen. Beide Medien gemeinsam bringen die Funktion des Gerundiums nevando zum Ausdruck: Das Schneien findet gerade statt und ist ein kontinuierlicher Prozess des Anhäufens von Schneeflocken. So wird eine performative Darstellung des Schnees erzeugt, was nur durch das Visuelle (weil simultan wahrnehmbare) erreicht wird (vgl. del Valle Luque 2009). 4.2 Die Beziehung von Schrift und Bild im poema visual 159 Abbildung 43. Está nevando (2005), Julián Alonso Poemas , die diese Relation vorweisen, eignen sich ganz besonders für ihren Einsatz im Anfangsunterricht Spanisch und in der Wortschatzarbeit. Denn einerseits erleichtert die medial unterschiedliche, inhaltlich aber gleiche Aussage das Verstehen des Textes und führt dazu, dass der Text auch bei geringem lexikalischem Wissen dank der bildlichen Entsprechung verstanden wird. Andererseits kann ein solches poema als anschauliche Bild-Wort-Verbindung zur Semantisierungsstrategie und zur Festigung des Wortschatzes als Aufschreibe- und Mnemotechnik verwendet werden. Hierzu werden im Kapitel 6.2 insbesondere im Hinblick auf Wortsemantisierungstechniken weitere Beispiele angeführt. 4.2.2.2 Die reziprok-komplementäre Schrift-Bild-Relation Im Gegensatz zur pleonastisch-kongruenten Relation bedingen sich in der reziprok-komplementären Relation Schrift und Bild bei der Herstellung von Sinn gegenseitig. Während bei der pleonastisch-kongruenten Relation der Sinn des poema auch allein durch „Lesen“ der symbolischen oder der ikonischen Zeichen erschlossen werden könnte, ist dies bei der reziprok-komplementären Relation nicht mehr der Fall. Der Sinn stellt sich hier immer nur in beidseitiger Bedingtheit her. Die Ergänzung um das Attribut „komplementär“ erscheint insofern angemessen, als damit auch jene Fälle benannt sind, in denen Schrift und Bild ein eher zweckmäßig ergänzendes Verhältnis zueinander zeigen (vgl. Doelker 2006, 32). In der reziprok-komplementären Schrift-Bild-Relation ist allerdings die Dominanz eines Mediums gegenüber dem anderen zu erkennen, worauf mit Blick auf die Didaktisierung von poemas visuales zu achten ist. Insbesondere beim Verständnis von Komplementarität verhält es sich zwangsläufig so, dass das 160 4. Konsequenzen des Zusammenspiels von Schrift und Bild eine Medium (sei es Schrift oder Bild) zum anderen (ergänzend) hinzukommt. Demnach ist eines der beiden das ergänzende, also rezessive Medium und das andere das ergänzte, sprich dominante. Bei fremdsprachendidaktischen Einsätzen von poemas visuales, die eine reziprok-komplementäre Relation vorweisen (z. B. für die Visualisierung von Wortbedeutungen im Bereich der lexikalischen Kompetenz, vgl. Kapitel 6.2.2), kann daher im Vorfeld geprüft werden, welches das dominante Medium ist. Indem die ikonischen und die symbolischen Zeichen voneinander getrennt betrachtet werden, wird danach geschaut, welche Rolle die beiden im Hinblick auf die Aussage spielen und inwiefern sich ihre Beziehung im Gedicht auswirkt. Beispielhaft für reziprok-komplementäre Schrift-Bild-Relationen sind poemas visuales , in denen Buchstaben, Wörter, Wortpositionen oder Bilder einander bedingend und ergänzend miteinander die Aussage herstellen wie im Gedicht „El final de un sueño, o ¿esto era todo? “. Abbildung 44. El-final-de-un-sueño,-o-¿esto-era-todo? (2013), Juan Rosco Links positioniert befindet sich die realitätsgetreue Abbildung der Vorderseite einer Euro-Münze. Auf ihr ist entsprechend die Zahl 1, das geografische Bild Europas sowie das Wort „EURO” in Großbuchstaben zu erkennen. Rechts daran anschließend stehen in schwarzen Majuskeln die Buchstaben P und A . Das Abbild der Münze (bzw. das auf ihr abgedruckte Wort „Euro”) und die beiden sich rechts anschließenden Buchstaben ergeben zusammen das Wort „EURO-PA“. Das Gedicht trägt den Titel „El final de un sueño, o ¿esto era todo? “ Die reziprok-komplementäre Relation ist hier insofern vorhanden, als die Aussage des poema visual ausschließlich in der Kombination beider Medien ersichtlich wird. Interessant ist die Beobachtung, wie sich Bild und Schrift zu einander verhalten. Lässt man den Titel zunächst außen vor, wird deutlich erkennbar, dass sich das Bild gegenüber der Schrift dominant verhält: Das Abbild der Münze ist stark hervorgehoben, es ist größer als die Buchstaben und in Farbe gedruckt. Die Schrift ist dagegen schlicht gehalten (vermutlich handelt es sich um den gängigen Schrifttyp Arial: P A). Die Buchstaben sind im Verhältnis 4.2 Die Beziehung von Schrift und Bild im poema visual 161 zum Bild kleiner (ca. die Hälfte), schwarz abgedruckt und am rechten Rand der Münze tief positioniert. Die visuellen Hervorhebungen verleihen dem ikonischen Zeichensystem eine wesentliche Rolle in diesem Gedicht. Insbesondere durch die Verwendung des Bildes einer Münze als Bestandteil des Wortes Europa , wird ein Effekt auf dessen Bedeutung erzielt, der mit den schriftsymbolischen Zeichen E-U-R-O nicht ansatzweise so wirkungsvoll gelingen würde. Das ikonische Zeichen steht sowohl für das Wort Euro als auch für Münze oder Geld, was folglich auf die monetäre Einheit Europas schließen lässt. Diese Deutung wird überhaupt erst möglich, weil das ikonische Zeichen mit dem symbolischen korrespondiert. Zusammengeführt beziehen sich die beiden Zeichen auf den Titel, der die Aussage des Gedichtes komplexer und auf diese Weise zu einem geeigneten Gegenstand für sozialpolitische Unterrichtskontexte macht. Wird der Titel als Teil des Gedichtes verstanden, überwiegt das symbolische Zeichensystem, das für die Aussage des Gedichtes letztendlich ausschlaggebend ist. Die Hypothese el- final- de- un- sueño und die Frage ¿esto era todo? lassen auf die Probleme in der Europäischen (monetären) Union schließen. Aus der hypothetischen Frage kann eine weitergehende kritische Aussage hergeleitet werden. Denn ¿ todo? mag auch dafür stehen, dass Europa offenbar „allein“ auf einer gemeinsamen Währung (dem Euro) basiert: War das alles? Mehr ist nicht? Doch letztlich drückt die Frage auch Skepsis oder Desillusion aus: Ist es wirklich so, dass es über den Euro hinaus nichts gibt, was die europäischen Länder verbindet oder zusammenhält? Was bedeutet el sueño ? Und was ist mit dessen Ende gemeint? Diesen und vergleichbaren Fragen kann im Spanischunterricht nachgegangen werden. Angesichts des Entstehungsdatums, 2013, wird hier offensichtlich auf die europäische Wirtschaftskrise und die politischen Konsequenzen, mit großer Wahrscheinlichkeit insbesondere auf die wirtschaftlichen Probleme in den südeuropäischen Ländern wie beispielsweise in Spanien verwiesen. 4.2.2.3 Die additiv-interpretative Schrift-Bild-Relation Die dritte Kategorie bildet die additiv-interpretative Relation, in der Schrift und Bild nicht mehr voneinander abhängig oder einander ergänzend das poema herstellen, wie in der reziprok-komplementären Relation, sondern sich in einer Art interpretierender Weiterführung aufeinander beziehen. Doelker erklärt in seiner Typologie die additive als eine Relation, die sich im Zeitungswesen meist dadurch ergibt, dass das Bild erst im Nachhinein für einen bestimmten Text (aus-) gesucht wurde (vgl. Doelker 2006, 33). Dementsprechend wird in dieser Relation die Bedeutung des schriftsymbolischen Textes (hier des Zeitungstextes) nach dem Doelker’schen Modell durch eine interpretierende Übertragung mithilfe eines Bildes ergänzt. Die Bedeutung des Textes wird als „mit bildspezifischen 162 4. Konsequenzen des Zusammenspiels von Schrift und Bild Mitteln mögliche Weiterführung des verbalsprachlich ausgedrückten Sachverhalts oder Gedankens“ beschrieben (ebd., 34) und das Resultat mit Schrift-Bild- Texten wie Comics verglichen. Additiv-interpretativ besagt in Bezug auf die Schrift-Bild-Relation in poemas visuales , dass eines der beiden Medien sich dem anderen anschließt und eine von vielen Bedeutungsmöglichkeiten eröffnet. Mit anderen Worten heißt dies: Das eine Medium interpretiert das andere und denkt es weiter. Womöglich ist im Entstehungsprozess des Gedichtes eine Abfolge wie bei Zeitungstexten zu vermuten. Was bedeutet, dass ein medialer Ausdruck zuerst entsteht und der andere sich daran orientiert. Additiv-interpretative Schrift-Bild-Relationen bei poemas visuales sind daher solche, in denen das ikonische Zeichen das symbolische interpretiert oder umgekehrt. Ersteres zeigt sich, wenn beispielsweise ein Wort oder Wortpaar ( paz , feliz navidad ), ein Ausdruck oder eine Redewendung ( ahogarse en un vaso de agua ) bildlich dargestellt ist und als Bild den Schrifttext interpretiert. Letzteres - ein symbolisches Zeichen deutet ein ikonisches - geschieht in vielen Fällen über den Titel wie im poema mit dem Titel „El final de un sueño, o ¿esto era todo? “ (siehe Abbildung 45). Das Bild wird hier vom schriftsymbolischen Text interpretiert. Ein Beispiel für eine additiv-interpretative Relation, in der ein ikonisches Zeichen das symbolische interpretiert, ist das Gedicht „Diversidad, Diversitat“ von Francesc Xavier Forès (Abbildung 45). Abbildung 45. Diversidad / Diversitat (2004), Francesc Xavier Forès Das katalanische Wort diversitat steht zweimal, schwarz auf weiß und weiß auf schwarz, auf einem Etikett, das mittels einer Stecknadel an ein mit Konfetti gefülltes Präservativ geheftet ist. Präservativ und Etikett hängen vor einem blauen Hintergrund. Es handelt sich hierbei um ein poema objeto . 4.2 Die Beziehung von Schrift und Bild im poema visual 163 Das bunte Konfetti im Präservativ interpretiert eine der Möglichkeiten von diversitat . Es geht offensichtlich um gesellschaftliche Diversität, die bereits in den unzähligen genetischen Verbindungsmöglichkeiten in der Fortpflanzung gegeben ist. Die farbigen Papierschnipsel repräsentieren die Vielfalt in den Samenzellen, was diversitat zunächst als Diversität der menschlichen Spezies auslegen lässt. Selbstverständlich sind auch weitere Deutungsvarianten möglich: Die Verwendung eines Präservativs kann beispielsweise auf die Diversität sexueller Praktiken anspielen. Dass im Titel die spanische Übersetzung diversidad hinzukommt, kann zudem als Allusion auf die sprachliche Diversität in Spanien gedeutet werden. Der katalanische Dichter Forès verwendet in seinen Werken sowohl die spanische als auch die katalanische Sprache. Nicht selten verhalten sich ikonische und symbolische Zeichen in der additivinterpretativ Relation gegenüber der Gesamtaussage (auch im Titel) ironisch. Oft handelt es sich um Wortbeziehungsweise Sprachspiele, deren Verstehen die Voraussetzung für das erfolgreiche Erschließen des poema ist. Die Analyse von schriftsymbolischen und ikonischen Elementen im Gedicht einerseits und deren Relation andererseits ist dabei unerlässlich. 5. Didaktisch-funktionale Typologie von poemas visuales Obwohl mehrfach ausdrücklich darauf hingewiesen wurde, dass sich die Poesía Visual aufgrund ihrer Hybridität per- definitionem nur schwer typologisieren lässt, erscheint die typologische Klassifizierung der ausgewählten Gedichte insofern nützlich, als die Gedichte hier in pragmatisch-logische, für den fremdsprachendidaktischen Gebrauch dienliche Kategorien gefasst werden. Die didaktisch-funktionale Typologie bietet ein überschaubares System für unterschiedliche Anwendungskontexte im Unterricht, das erlaubt, poemas visuales anhand der drei Typen ( poemas verbales , poemas verbo-visuales , poemas imagen ) für einen bestimmten didaktischen Zweck herauszufiltern. Die Ausrichtung der Typologie ist eine gegenstandsorientierte, die das Hauptcharakteristikum der Intermedialität berücksichtigt: die Kombination bzw. die Komposition von Schrift und Bild im Gedicht (siehe Kapitel 4.2). Dies erscheint deshalb sinnvoll, weil die Gedichte als Gegenstand im Spanischunterricht für die Schulung unterschiedlicher Kompetenzen eingesetzt werden können. Im Sinne einer Gegenstandsorientierung (siehe Kapitel 6.1) wird auf Kompetenzzuordnungen verzichtet, um den Lehrenden die Möglichkeit zu bieten, für den individuellen Lernkontext das passende Gedicht auszusuchen, oder umgekehrt, um aus dem ausgesuchten Gedicht einen individuellen Unterrichtskontext zu entwickeln. Die Typologie stützt sich insofern auf die strukturalistisch-zeichentheoretische Gattungsanalyse, als sie die poemas anhand des Zusammenspiels von Schrift und Bild gruppiert, genauer gesagt, nach der Art der Schrift-Bild-Komposition sortiert. Die didaktisch-funktionalen Typen lassen sich auf die beschriebenen Kompositionen von Schrift und Bild (in einem Kontinuum zwischen vorwiegend symbolischen Zeichen und vorwiegend ikonischen Zeichen) im jeweiligen poema zurückführen. Es ergeben sich drei Typen von poemas visuales : das poema visual verbal ( poema verbal ), das poema visual verbo-visual ( poema verbo-visual ) und das poema visual imagen ( poema imagen ). Anhand bestehender Typologien (v. a. Morales Prado 2004 und Hermosilla 2013; vgl. Kapitel 1.5) wurde überprüft, inwiefern die didaktisch-funktionale Kategorisierung mit literaturwissenschaftlichen Ordnungsversuchen zu vereinbaren ist. Überschneidungen und Parallelen wurden hierbei in den Einzelbeschreibungen der Typen mit berücksichtigt. Das im Kapitel 4.2.2 grafisch dargestellte Kontinuum von Schrift-Bild-Kompositionen (siehe Abbildung 42) wird an dieser Stelle um die definierten didaktisch-funktionalen Typen ergänzt. 5. Didaktisch-funktionale Typologie von poemas visuales 165 Abbildung 46. Kontinuum: Typen von poemas visuales (Ergänzung der Schrift-Bild-Komposition, siehe Kapitel 4.2.2, Abbildung 42) Zwar wird anhand des Kontinuums deutlich, dass es sich stets um nicht klar abzugrenzende Typen handelt, gleichwohl können drei Typen differenziert werden: Das poema verbal (am linken Extrem des Kontinuums) ist der Typ, der vorwiegend aus symbolischen Zeichen gestaltet ist, das poema imagen (am rechten Extrem des Kontinuums) weist vorwiegend ikonische Zeichen auf und das poema verbo-visual (in der Mitte des Kontinuums) repräsentiert den Typ, der aus verschiedensten Kombinationen von Schrift und Bild besteht. Die Grenzen zwischen den Typen sind wie bereits mehrfach betont fließend, was bedeutet, dass poemas visuales erstens immer als Mischformen zu verstehen sind und zweitens nicht selten zwischen zwei Typen stehen, sodass sie beiden zugeordnet werden können. Bevor die Einzeldefinitionen der drei Typejn dargelegt werden, soll die Vorgehensweise der Typisierung näher erläutert werden. So wird im Folgenden a) die Zuordnung der Einzelbestandteile erklärt und tabellarisch zusammengefasst und b) der Umgang mit dem Titel sowie c) mit Gegenständen beziehungsweise dem poema objeto beschrieben. a) Zuordnung der Einzelbestandteile Anhand der folgenden Tabelle wird die Typisierung einiger Grenzfälle deutlich gemacht: eindeutige schriftsymbolische und eindeutige bildliche Elemente, die im Korpus von poemas visuales auftreten, werden jeweils den Kategorien symbolische Zeichen und ikonische Zeichen zugewiesen. Elemente, die weder als symbolische noch als ikonische Zeichen klar zuzuordnen sind, sind unter der Kategorie ambivalente Elemente und Metazeichen aufgeführt. 166 5. Didaktisch-funktionale Typologie von poemas visuales Symbolische Zeichen Ikonische Zeichen Ambivalente Elemente und Metazeichen Buchstaben (schriftsymbolischer Text) Bilder (Abbildungen, Zeichnungen, Verkehrszeichen, Piktogramme) Farbe Ziffern (fotografierte) Gegenstände Leerräume bzw. Flächen Interpunktion Schriftarten Schriftgröße, Schrifttyp etc. Hintergrund, Umrahmungen, Sockelgestell, Befestigungen etc. mathematische Symbole Tab. 1: Zuordnung der Einzelbestandteile im poema visual . Als symbolische Zeichen wurden alle jene Elemente klassifiziert, die nach semiotischen Gesichtspunkten eine abstrakt-konventionelle Verbindung zwischen signifiant und signifié herstellen. Die Informationen sind so dargestellt, dass sie zuerst einem bestimmten Zeichensystem, wie der Schriftsprache, folgend dekodiert werden müssen. Daher sind zunächst alle schriftsprachlichen beziehungsweise schriftsymbolischen Zeichen den symbolischen Zeichen zuzuordnen: erst einzelne Buchstaben, dann Wörter, Satzstrukturen schriftsymbolischer Texte etc. Mit Buchstaben vergleichbar beruhen auch Ziffern ( 1, 2, 3, 4, 5 ) auf den Konventionen eines bestimmten Zahlzeichensystems, das zudem schriftsprachlich abhängig (nicht universell) ist. Oftmals treten in poemas visuales Ziffern in Kombination mit Buchstaben auf, sodass sie gemeinsam ein Wort ergeben (z. B. solda2 ). 1 Folglich gelten auch Ziffern als symbolische Elemente, ebenso Satzzeichen als Regelmarkierungen im symbolischen Zeichensystem und zur Verdeutlichung syntaktischer Strukturen, ferner mathematische Symbole wie beispielsweise +, -, >, < etc. In poemas visuales erscheinen nicht selten mathematische Zeichen, wie auch in der SMS- oder Chat-Sprache üblich, als Verkürzungen für más, menos, más que und menos que. Zu den ikonischen Zeichen zählen alle denkbaren bildlichen Darstellungen wie etwa Zeichnungen, Gemälde, Piktogramme, Verkehrszeichen, Fotografien etc. Bildliche „Signale“ (Nöth 2000, 131) sind symbolbehaftete Bilder, die zwar als symbolische Zeichen definiert werden können, weil sie einem Zeichensystem angehören, doch als ikonische Zeichen, also bildliche Darstellung auftreten 1 Im Kapitel 2.2.3 wird in Bezug auf die manierismos formales der Poesía Visual das poema numérico beschrieben, das sich aus der Kombination von Buchstaben und Ziffern zusammensetzt. 5. Didaktisch-funktionale Typologie von poemas visuales 167 und daher als Bildelemente verstanden werden. So zählen Verkehrszeichen, Piktogramme - beispielsweise ein Herz, der geografische Umriss der Iberischen Halbinsel oder das Mahnviereck auf einer Zigarettenschachtel - zu Bildelementen. Auch abfotografierte Gegenstände werden hier als Fotografie und nicht als Gegenstände behandelt und daher als Bilder klassifiziert. Das Bild wird im weitesten Sinn als Abbildung verstanden. Die Kategorie des poema objeto wird hier nur bedingt berücksichtigt, wie im Folgenden unter poema imagen näher erläutert. Ferner werden Schriftarten mitsamt Schriftgrößen und Schrifttypen als visuelle Hervorhebungen verstanden und somit dem ikonischen Zeichen zugeordnet. Einige Elemente konnten nicht klar zugeordnet werden, weil sie entweder sowohl ikonische als auch symbolische Zeichen darstellen und daher weder als Schrift noch als Bild definiert werden können oder weil sie nicht Bestandteile des eigentlichen poemas sind. Erstere werden deshalb unter ambivalente Elemente und letztere unter Metazeichen klassifiziert. Unter ambivalente Elemente fallen in erster Linie Farben und räumliche Gestaltungselemente. Beide treten sehr häufig und vielfältig in poemas visuales auf und werden einmal als symbolische und einmal als ikonische Zeichen verstanden. So kann eine Farbe gleichermaßen bei einer schriftsymbolischen wie bei einer bildlichen Darstellungen ein bedeutungstragendes Element sein, das einer bestimmten (meist kulturell besetzten) Konvention folgt (z. B. rot für Liebe oder Gefahr, grün für Hoffnung oder ökologisch etc.) oder als Hinweis auf eine mimetische Darstellung fungiert, wie beispielsweise blau stellvertretend für Wasser oder Himmel steht. Farben können auch lediglich als visuelle Hervorhebungen von schriftsymbolischen Elementen verwendet werden oder einfach den Raum eines Bilds füllen, ohne eine weitere Bedeutung zu tragen. Auch die räumliche Gestaltung im poema fällt unter ambivalentes Element. Hier ist besonders zu beachten, dass sie intendiert oder zufällig entstanden sein kann. Die Gestaltung der Fläche, auf der sich das poema visual präsentiert (das Papierblatt, der Hintergrund etc.), kann sowohl symbolisch als auch ikonisch ausgelegt werden. So steht beispielsweise ein Leerzeichen oder der leere Raum für die Abwesenheit von etwas. Diese ausgesparte Information ist ebenso als symbolisches wie als ikonisches Zeichen begreifbar. Metazeichen sind Elemente, die sich außerhalb des eigentlichen Gedichtes befinden, aber trotzdem visuell wahrgenommen werden. Dies sind beispielsweise Umrahmungen, Sockelgestelle, Befestigungs- und Schutzutensilien. Die meisten poemas visuales (vor allem in Institutionen archivierte, wie jene der Diputación de Badajoz ) werden eingerahmt, damit man sie auf diese Weise ausstellen kann. In der Typologie werden diese Beispiele außer Acht gelassen; sie gelten als Metazeichen und sind nicht an der Botschaft des Gedichtes beteiligt. 168 5. Didaktisch-funktionale Typologie von poemas visuales b) Umgang mit dem Titel Poemas visuales werden mit einem Titel versehen. Wenn das poema keinen Titel trägt, wird die Angabe sin título ( S/ T ) gemacht. Der Titel ist demnach ein unverzichtbares Textelement, weil er oftmals zentrale Hinweise zur Gesamtaussage gibt (vgl. Burdorf et al. 2007, 771). In der Typologie wird er als schriftsymbolisches Zeichen behandelt. Dennoch bleibt er, um die poemas eindeutiger gruppieren zu können, im Typ des poema imagen unberücksichtigt. Auch wenn ein poema einen Titel trägt, kann es als poema imagen typisiert sein. Alle visuellen Gedichte können als poemas de letras e imágenes kategorisiert werden, weil sie streng genommen, allein wegen des Titels, immer aus ikonischen und symbolischen Zeichen bestehen. Die Unterschlagung des Titels beim poema imagen ist demnach insofern geboten, als die starke Präsenz ikonischer Zeichen im Gedicht hervorsticht und es deshalb als eigener Typ gelten kann. Visuelle Gedichte, die nur auf ikonischer Darstellung basieren und einen Titel tragen, sind für den fremdsprachendidaktischen Gebrauch äußerst interessant. Beispielsweise können durch das Weglassen oder Verdecken des Titels Hypothesen aufgestellt oder eine thematische Hinführung erarbeitet werden. Aus diesem Grund ist es sinnvoll, die Typologie so zu ordnen, dass im Typ poema imagen auch Gedichte versammelt sind, die einen Titel tragen. Es kann somit zwischen Gedichten mit und ohne Titel unterschieden werden. Poemas imagen sin título entsprechen dem rechten Extrem des Kontinuums. c) Gegenstände im poema visual Bei poemas imagen und auch bei poemas verbo-visuales handelt es sich nicht selten um abfotografierte Gegenstände, darunter auch abfotografierte poemas objeto . 2 Obwohl bei Gegenständen und insbesondere beim poema objeto die Dreidimensionalität eine Rolle spielt, sind diese Gedichte in der Typologie dem poema imagen zugeordnet, denn sie liegen lediglich als Abbildung vor, sodass keine dreidimensionale Darstellung und Wahrnehmung gegeben ist. Die Berücksichtigung dreidimensionaler Objekte in der Typologie kam aus Gründen der physischen Wiedergabemöglichkeiten nicht in Betracht. Im Übrigen hätte dies nicht nur die Eröffnung einer weiteren Kategorie bedeutet, sondern auch eine Überprüfung der strukturalistisch-mediensemiotischen Untersuchungsbasis im Hinblick auf die haptische Komponente von Zeichen erforderlich gemacht. Es handelt sich bei der Dreidimensionalität um eine andere Art der Wahrnehmung von Raum und Gestalt, die im Rahmen der hier erbrachten Untersuchung zur Poesía Visual nicht vorherrschender Gegenstand sein konnte und sollte. Auch die didaktischen Konsequenzen der sinnlichen Wahrnehmung beim Berühren 2 Vgl. hierzu die Typen von poemas visuales im Kapitel 1.5. 5.1 Poema verbal 169 und produktiven gegenständlichen Gestalten konnten hier nicht weiter berücksichtigt werden. Die hier vorgelegte didaktisch-funktionale Typologie wurde auf der Basis des für die Forschungsarbeit zusammengestellten Korpus entworfen, der allein aus Abbildungen von poemas visuales bestand. Dennoch sind poemas objeto , gemäß der literaturwissenschaftlichen Typologie, als solches bezeichnet, was mit der didaktisch-funktionalen Typologie vereinbar ist. Die Besonderheit der gegenständlichen, dreidimensionalen Form und die daraus entstehenden Konsequenzen für didaktische Überlegungen fließen im Kapitel über die Transformationen nach Kompetenzbereichen (Kapitel 6) im Einzelfall mit ein, so beispielsweise hinsichtlich der lexikalischen Kompetenz (Kapitel 6.3.4.3). 5.1 Poema verbal Im Kontinuum (siehe Abbildung 46) von links nach rechts folgend bildet das poema verbal den ersten Typ von poemas visuales. Hauptbestandteile dieser Gedichte sind schriftsymbolische Zeichen. Poemas verbales sind, weit gefasst, sämtliche aus schriftsymbolischen Zeichen bestehende Gedichte. Ikonische Zeichen sind allenfalls visuelle Auffälligkeiten und Hervorhebungen von Buchstaben und Wörtern wie farbliche Markierungen, auffallende Positionierungen auf dem Papier oder typografische Veränderungen. Mit Knauths Worten ausgedrückt, handelt es sich beim poema verbal um eine „grafisch-morphologische“ oder „verbo-kompositionelle“ Komposition (Knauth 1986, 31). Der literaturwissenschaftlichen Typologie zufolge fallen poemas letristas (Kapitel 1.5.1) und zum Teil poemas concreto-visuales (Kapitel 1.5.2) in die Kategorie des poema verbal . Ein Beispiel für ein poema verbal ist folgendes Gedicht: Abbildung 47. Cae sube . Manel Costa i Adrian (València) 170 5. Didaktisch-funktionale Typologie von poemas visuales Es setzt sich aus schriftsymbolischen Zeichen (schwarze Großbuchstaben) zusammen. Durch die besondere Positionierung der Einzelbestandteile wird ein Zusammenhang zur Bedeutung von cae und sube hergestellt. Der gemeinsame letzte Vokal, E , steht in der Mitte leicht diagonal, eine Bewegung suggerierend. So liest sich das Gedicht von oben nach unten, caE („es fällt“) und von unten nach oben, subE („es steigt auf“). 5.2 Poema verbo-visual Die größte Gruppe des Korpus bildet die Kategorie des poema verbo-visual . Es handelt sich hier um all jene poemas , die weder klar als poemas verbales noch als poemas imagen definiert werden können, weil sie sowohl symbolische als auch ikonische Zeichen zu etwa gleichen Teilen beinhalten. Dabei situiert sie das Auftreten von mehr symbolischen Zeichen eher auf die linke Mitte des Kontinuums und bei mehr ikonischen Zeichen entsprechend eher auf die rechte. Die Mitte des Kontinuums ist demzufolge sehr breit. Charakteristisch ist für diesen Typ in jedem Fall die facettenreiche Kombination von Schrift und Bild. Poemas verbovisuales können insgesamt höchst verschieden ausfallen: vom poema letrista con imagen („Libertad vigilada “ (Rafael Peralto), siehe Kapitel 6.2.5.1, Abbildung 52) bis zum poema objeto con letras, wie beispielsweise folgendes Gedicht: Abbildung 48. El pan nuestro… (2012), Juan José Ruiz Fernández. Durch die Kombination der Gegenstände und dem Titel wird in diesem Gedicht der Bedeutungszusammenhang erzeugt. Auf einem Schneidebrett aus Holz liegt ein Brotlaib, darauf positioniert ist ein rechteckiges Schild auf dem das Wort Privado zu lesen und eine rote Hand (als Symbol für „nicht berühren“) zu sehen ist. Hinter dem Laib ist der Griff des Brotmessers zu erkennen. Das Gedicht funktioniert nur durch die Kombination von schriftsymbolischen Elementen (das Wort auf dem Schild, der Titel) und ikonischen Elementen (das Bild des 5.3 Poema imagen 171 Brotes, der Hand, des Messers, usw.) und ist deshalb als poema verbo-visual zu kategorisieren. 5.3 Poema imagen Den dritten Typ, am rechten Rand des Kontinuums gelegen, bildet das poema imagen . Diese Kategorie umfasst jene Gedichte, deren Hauptbestandteile aus ikonischen Zeichen bestehen. Diese können abfotografierte Gegenstände, Fotografien, Gemälde, Grafiken, Collagen etc. sein. Der literaturwissenschaftlichen Typologie zufolge handelt es sich hierbei insbesondere um poemas semióticos und poemas objeto . Da der Titel als schriftsymbolischer Text, wie weiter oben erläutert, mit zu berücksichtigen ist, kann beim poema imagen außerdem zwischen poemas imagen con título und poemas imagen sin título unterschieden werden. Erstere schließen unmittelbar am Typ der poemas verbo-visuales an. Wird der Titel als Textelement verstanden, weisen solche Gedichte eine stärkere Schrift-Bild-Komposition auf. Letztere stehen hingegen am rechten Rand des Kontinuums und repräsentieren poemas , die ohne schriftsymbolische Zeichen auskommen. Ein Beispiel für Ersteres ist das folgende poema : Abbildung 49. Contraste (1997). Joaquín Gómez Ferreira. Zu erkennen sind ein stehendes Projektil (vermutlich eines Gewehres) auf dem eine Art Schmuckstück befestigt ist, eine Brosche oder ein Haarschmuck, in Form eines Schmetterlings verziert mit bunten, glitzernden Farben. Das Gedicht trägt den Titel Contraste. Der Titel gibt hier den Hinweis auf die Aussage des Gedichtes, das indes ohne schriftsymbolische Zeichen auskommt. 6. Didaktische Transformation nach Kompetenzbereichen 6.1 Zur Verbindung von Gegenstands- und Kompetenzorientierung Jüngere Entwicklungen in der Fremdsprachendidaktik gehen dahin, den Einsatz literarischer Texte wieder mehr zu befürworten. Dabei wird nicht mehr nur deren Bildungspotenzial hervorgehoben, sondern auch mit dem - im Einklang mit den Bildungsstandards stehenden - kompetenzfördernden Wert von Literatur im Fremdsprachenunterricht argumentiert (vgl. z.B. Bredella/ Hallet 2007). Der literarische Text wird vor allem deswegen für den Fremdsprachunterricht als besonders wertvoll erachtet, weil er eine Interaktion zwischen Text und Lernenden ermöglicht, die mit nicht-literarischen Texten nicht im gleichen Maße erreicht werden kann (vgl. ebd., 2). Das Augenmerk richtet sich hier freilich in der Regel mehr auf den Inhalt als auf die Form des literarischen Gegenstandes. Dessen spezifische Beschaffenheit und seine formalen Charakteristika sind in kompetenzorientierten Zeiten zunehmend aus dem Blick geraten. Den Umgang mit literarischen Texten im Fremdsprachenunterricht betreffend stellt sich mithin die Frage, ob der Text den Lernprozess - in psychologischer wie didaktischer Hinsicht - aufgrund seiner formalen Beschaffenheit nicht ebenso beeinflusst wie durch seinen Inhalt. Ohne die inhaltliche Dimension des literarischen Textes aus dem Blick zu verlieren, geht es mir darum, dessen formale Beschaffenheit in den Fokus zu rücken. Aus diesem Grund verwende ich den Begriff Gegenstandsorientierung , denn in ihm − insbesondere auf den literarischen Gegenstand bezogen lässt sich gleichermaßen die inhaltliche wie die formale Ebene fassen. Die Gegenstandsorientierung als literaturdidaktisches Prinzip gilt es im Folgenden zu konkretisieren und zu präzisieren und in einem zweiten Schritt zu zeigen, dass es möglich und sinnvoll ist, Kompetenz- und Gegenstandsorientierung im Literaturunterricht miteinander zu versöhnen. Ich verstehe dabei die Verbindung von Gegenstands- und Kompetenzorientierung als didaktischkonzeptionelle Voraussetzung für die didaktische Transformation der Poesía Visual. Aus der Beschaffenheit des literarischen Gegenstandes Poesía Visual, aus den formalen und inhaltlichen Charakteristika des einzelnen Gedichtes, wird ein Kompetenzen förderndes Unterrichtsszenario für den fremdsprachlichen Literaturunterricht Spanisch entwickelt. Die didaktische Transformation der Poesía Visual erfolgt nach drei (Teil-)Kompetenzbereichen (Kapitel 6.2., 6.3 und 6.4), die die wesentlichen Charakteristika und Strukturelemente des Gegenstandes widerspiegeln bzw. an diese anknüpfen. 6.1 Zur Verbindung von Gegenstands- und Kompetenzorientierung 173 Die Gegenstandsorientierung der 1980er und 1990er Jahre lehnt sich an strukturalistische Literaturtheorien an (vgl. u. a. Haas/ Menzel/ Spinner 1994 Weinrich 1981, 1983). Den Strukturalisten geht es darum, den literarischen Text von seiner Form und Gestaltung her zu analysieren. Diese Herangehensweise hat sich vor allem bei der Analyse poetischer Texte bewährt, die - mehr noch als narrative oder dramatische Texte - durch Überdeterminierung der einzelnen Textelemente (Buchstaben, Wörter, Verse etc.) und durch die Gestaltung des textuellen Gefüges charakterisiert sind. Nach Jakobson bedeutet die strukturalistische Analyse eines poetischen Gegenstands, ihn als ein strukturiertes System zu betrachten und seine Gesetzmäßigkeiten im Einzelnen zu bestimmen. Das Augenmerk ist auf die Differenzqualität des Gegenstands gegenüber anderen Gegenständen zu legen. Es wird also der Frage nachgegangen, was eine poetische Botschaft von einer alltagssprachlichen unterscheidet (vgl. 1979a [1960], 84). Für den Unterricht bedeutet dies, die Aufmerksamkeit auf die sprachliche Gestaltung des Textes zu lenken, um darüber die Wirkung und Bedeutungskonstruktion von ästhetischer Sprache greifbar machen zu können (vgl. Spinner 2006, 9). Im fremdsprachendidaktischen Diskurs ist der Begriff der Gegenstandsorientierung aktuell nicht anzutreffen. Dies bedeutet jedoch nicht, dass formstrukturelle Eigenschaften literarischer Gegenstände nicht berücksichtigt würden, Ansätze dazu finden sich nicht zuletzt in der Inhaltsorientierung. Unter Inhalten werden Themen und, im weitesten Sinn, die dazugehörigen lexikalischen Felder und Texte verstanden (Küster 2009, 114). Ein inhaltsorientierter Unterricht entwickelt sich in erster Linie aus einem ausgewählten Inhalt heraus, sei es ausgehend von einem Thema oder von einem bestimmten Text. Dabei umfasst Inhaltsorientierung Lerner- und Themenorientierung insofern, als es insbesondere darum geht, interessante Unterrichtsgegenstände im Gleichgewicht zwischen den Bedürfnissen der Lerner, den Anforderungen des schulischen Unterrichts und der möglichst authentischen Repräsentation der Zielkultur einzusetzen. Hier kommt vor allem die Bedeutung der Auswahl von Unterrichtsgegenständen zur Geltung, die für einen gesellschaftlich relevanten Fremdsprachenunterricht kennzeichnend ist. Bestimmte Kriterien wie die „Relevanz für die Gegenwart und Zukunft der Schülerinnen und Schüler“, „die Repräsentativität der Themen und Texte für die Zielsprachenkulturen“, die Motivationskraft, Altersangemessenheit und „Vereinbarkeit mit dem Lehrplan“ stehen dabei im Vordergrund (Nieweler 2010, 114). In diesem Zusammenhang wird auch der Aspekt der „Klarheit des Gegenstandes“ (ebd.) erwähnt, was auf eine Berücksichtigung auch der Form des literarischen Gegenstandes schließen lässt. Denn mit „Klarheit“ dürfte weitestgehend die Eigenschaft eines Textes gemeint sein, die maßgeblich aus seiner Form heraus entsteht: klarer sprach- 174 6. Didaktische Transformation nach Kompetenzbereichen licher Stil, klare Struktur des Textes, übersichtliche Gliederung etc. Obwohl hier die formstrukturelle Eigenschaft des Textes eine Rolle spielt, scheint es doch in erster Linie um das Verhältnis der Form zum Lernenden zu gehen. Das bedeutet, dass der Text aus der Perspektive der Lernenden (deren Sprachniveaus, Alters etc.) auf eine formale „Klarheit“ (im Sinne von nicht diffus) hin überprüft wird. Die Form des literarischen Gegenstandes bleibt hier ein schülerorientiertes Auswahlkriterium und nicht ein Aspekt, den es im Unterricht zu thematisieren gilt. Die Inhaltsorientierung fokussiert also eine adressatengerechte, kulturrepräsentative und situationsbezogene Auswahl von Themen und Texten im Fremdsprachenunterricht. Obwohl dem Gegenstand als Instanz hier durchaus Bedeutung beigemessen wird, scheint die formale Beschaffenheit des Gegenstandes und dessen Wirkung auf Lerner und Unterricht weiterhin nur bedingt in Betracht gezogen zu werden. Insbesondere im Hinblick auf literarische Texte wird mit dem didaktischen Prinzip der Inhaltsorientierung nicht explizit auf die formalen Charakteristika, die besondere Struktur des „Signifikanten“ abgehoben (vgl. dazu Steinbrügge 2015, 117). Deswegen greife ich auf den Begriff der Gegenstandsorientierung zurück, der beides umfassen kann: die inhaltliche und die formale Dimension. Am ehesten noch hat die prozessorientierte Mediendidaktik nach Gienow und Hellwig die Eigenschaft des Gegenstandes als isolierten Aspekt im fremdsprachlichen Literatur- und Medienunterricht im Blick (vgl. Gienow/ Hellwig 1996, 1997; auch Küster 2003, 129). Die Autoren haben es sich zur Aufgabe gemacht, Gegenstandsorientierung, Lernerautonomie sowie Handlungs- und Kreativitätsorientierung in einem methodisch-didaktischen Ansatz miteinander zu verknüpfen. In ihrem Konzept wird der Gegenstand als ästhetisches Produkt - mitsamt dessen formalen und inhaltlichen Spezifika - unter Rückgriff auf hermeneutische Texttheorien offengelegt und greifbar gemacht (vgl. Gienow/ Hellwig 1996, 5). Insgesamt wird ein integratives fremdsprachendidaktisches Konzept vorgelegt, das die Verbindung der einzelnen Prinzipien (Gegenstandsorientierung, Lernerautonomie, Kreativitätsorientierung etc.) in einem Lernprozess für erforderlich hält. Gienow und Hellwig plädieren für den Einsatz „bedeutungs- und belangvolle[r]“ Gegenstände im Fremdsprachenunterricht, die nicht nur an die Lebenserfahrungen der Schülerinnen und Schüler anknüpfen, sondern darüber hinaus eine „Tiefe“ bereithalten, die im Sprachunterricht ausgefaltet werden könne. Ausgehend vom erweiterten Textbegriff beziehen sie sich dabei auf „kunsthaltige Texte“, die im besonderen Maße die Kriterien für belangvolle Gegenstände erfüllen (vgl. ebd., 6). Ohne explizit die formstrukturellen Eigenschaften zum Thema zu machen, begreifen die Autoren unter der „Tiefe“ kunsthaltiger Texte deren formale Überdeterminierung und inhaltliche Vieldeutigkeit und weisen zudem auf das Potenzial multimedialer Texte 6.1 Zur Verbindung von Gegenstands- und Kompetenzorientierung 175 für den Fremdsprachenunterricht hin. Bei der Prozessorientierung geht es um eine prozessuale Ver- und Erarbeitung von Informationen und Sprache, die sich zwischen Text und Rezipient ungeachtet des Unterrichtskontexts abspielt (vgl. ebd.). Ausschlaggebend hierfür sind demnach sowohl die inhaltliche (Informationen) als auch die formale Ebene, hier vornehmlich als mediale Darstellung (Schrift, Bild, audiovisueller Text etc.) des jeweiligen Textes verstanden. Über das Konzept von Gienow und Hellwig hinaus verstehe ich Gegenstandsorientierung im Rahmen des fremdsprachendidaktischen Umgangs mit „kunsthaltigen Texten“ als ein didaktisches Prinzip, das den Gegenstand als Ausgangspunkt für die Planung und Gestaltung des Unterrichts betrachtet. Der Leitgedanke der Gegenstandsorientierung ist die These, dass ein Gegenstand aufgrund seiner spezifischen (formalen wie inhaltlichen) Beschaffenheit immer Gesetzmäßigkeiten mitbringt, die den Sprachlernprozess - neben lernpsychologischen und kognitiven Faktoren - steuern. Es geht demnach darum, die formstrukturelle Gestalt des Gegenstandes konzeptionell in der didaktischen Transformation zur Geltung kommen zu lassen. Angelehnt an strukturalistische Literaturtheorien sind sowohl Form und Gestalt des Textes, der Signifikant, gemeint als auch die durch sie vermittelte Bedeutung, das Signifikat. Jedem Signifikanten steht ein Signifikat gegenüber, was bedeutet, dass die formale Beschaffenheit ( Form ) immer auch Bedeutung ( Inhalt ) konstruiert. Die Gegenstandsorientierung rückt also nicht nur die Form poetischer Texte in den Fokus, sondern auch deren fremdsprachendidaktisches Potenzial, das darin besteht, dass durch Beobachtung und Analyse sprachlicher Gestaltung Erkenntnisse über die Funktion poetischer Sprache und Einsicht in die Abweichung von der Alltagssprache gewonnen werden können. In der Aufwertung des Signifikanten verbirgt sich die Chance, neben dem Inhalt die besondere sprachliche Form von poetischen Texten als das didaktische Potenzial zu definieren (vgl. Steinbrügge 2015, 8). Gegenstandsorientierung ist hierbei auch als Gegengewicht zur Kompetenzorientierung zu verstehen, wie ich im Folgenden erläutern möchte. Kompetenzen sind - dem von Franz E. Weinert (2001) geprägten psychologisch-pädagogischen Begriff zufolge - vorhandene und erlernbare kognitive Fähigkeiten und Fertigkeiten eines Individuums, die es in die Lage versetzen, bestimmte Probleme zu lösen sowie die „motivationale, volitionale und soziale“ Bereitschaft und Fähigkeit, diese Problemlösungsfähigkeit in unterschiedlichen Situationen zu nutzen (ebd., 27). Weinert unterscheidet hierbei, im schulischen Kontext, zwischen fachlichen und fachübergreifenden Kompetenzen und Handlungskompetenzen. Das Konzept der Kompetenz ist indes ein mehrdimensionales und dynamisches, das Dimensionen wie Wissen, Fähigkeiten, Fertigkeiten, Einstellungen, Motivation, Volition ebenso wie soziale Aspekte, Erfahrungen und konkretes Handeln in ihrer Wechselwirkung umfasst (vgl. 176 6. Didaktische Transformation nach Kompetenzbereichen Caspari et al. 2008, 3). Neben der Definition von Weinert, die sowohl von Klieme (2003) als auch von Caspari et al. aufgegriffen wird, werden Kompetenzen auch im Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen der Sprachen (GeR) (Europarat 2001) beschrieben. Hier gelten sie als „die Summe des (deklarativen) Wissens, der (prozeduralen) Fertigkeiten und der persönlichkeitsbezogenen und allgemeinen kognitiven Fähigkeiten, die es einem Menschen erlauben, Handlungen auszuführen“ (ebd., 24). Zusammengefasst sind Kompetenzen für den Fremdsprachenunterricht als die Fähigkeit zu verstehen, zwischen Wissen und Können eine Verbindung herzustellen, wie auch als Befähigung, vermöge dieser Fähigkeit unterschiedliche kommunikative Situationen zu bewältigen (vgl. Caspari 2009, 74). Der GeR liefert zudem erstmals ein Kompetenzmodell für Fremdsprachen, das für die Bildungsstandards für die erste und die fortgeführte Fremdsprache als fachliche Richtschnur gilt (vgl. KMK 2003, 6; 2012, 9; Klieme et al. 2003, 122). Das Kompetenzmodell steht für die kommunikative Sprachkompetenz und besteht aus den Komponenten linguistischer, soziolinguistischer und pragmatischer Kompetenzen (vgl. Europarat 2001, 24ff.). In den Bildungsstandards wird ein schulisches Kompetenzmodell vorgelegt, in dem die anzustrebenden Kompetenzen strukturiert und Kompetenzbereiche gezielt für den schulischen Fremdsprachenunterricht beschrieben werden. Sie unterliegen einer Progression und stimmen mit fachübergreifenden Kompetenzbereichen überein. Im Fremdsprachenunterricht der ersten Schulfremdsprache sollen die basalen fremdsprachlichen Kompetenzen ausgebildet werden; daher sind die Kompetenzbereiche kommunikative Kompetenz, interkulturelle Kompetenz und Methodenkompetenz bestimmend (vgl. KMK 2003, 7). Im Fremdsprachenunterricht der Oberstufe steht die „Diskursfähigkeit […], verstanden als Verstehens- und Mitteilungsfähigkeit“ (KMK 2012, 9), im Vordergrund. Sie gliedert sich in die fünf Kompetenzbereiche: funktionale kommunikative Kompetenz, interkulturelle kommunikative Kompetenz, Text- und Medienkompetenz, Sprachbewusstheit und Sprachlernkompetenz (ebd., 10). Kompetenzorientierung bedeutet, dass die Verbindung von Wissen und Können das Ziel des Unterrichts bildet (vgl. Leupold 2010, 58). Es handelt sich folglich um eine strukturierte Betrachtung fremdsprachendidaktischer Prinzipien und Methoden, die Lernziele ihren entsprechenden Kompetenzbereichen, Kompetenzen und Teilkompetenzen zuordnen (vgl. KMK 2012, 10ff.). Werden Kompetenzen als mehrdimensionales Zusammenwirken von Wissen, Können und Handeln verstanden, eröffnen sich im kompetenzorientierten Unterricht direkte Anbindungen an fremdsprachendidaktische Prinzipien wie Lernerzentrierung, Prozessorientierung, Produktions- und Handlungsorientierung, Ganzheitlichkeit und Autonomieförderung (vgl. Caspari 2009, 78). Insbesondere die Lernerzentrierung ist in der Kompetenzorientierung, wie sie hier beschrieben wird, 6.1 Zur Verbindung von Gegenstands- und Kompetenzorientierung 177 als inbegriffen zu verstehen. So sind Motivation und Volition beispielsweise Aspekte, die vom Lerner ausgehen und im GeR als „persönlichkeitsbezogene Fähigkeiten“ gefasst werden (vgl. Europarat 2001, 24). In fremdsprachendidaktischen Diskussionen ist die Kompetenzorientierung vor allem im Hinblick auf die Vernachlässigung bildungsrelevanter Inhalte in die Kritik geraten. Weil Kompetenzen im Fremdsprachenunterricht auf den output , auf die zu erreichenden Fähigkeiten und Fertigkeiten ausgerichtet sind, besteht die Gefahr, dass fremdkulturelle Inhalte wie beispielsweise auch literarische Texte vernachlässigt werden oder sogar völlig aus dem Blick geraten (vgl. z. B. Bausch et al. 2009; Hallet/ Bredella 2007; Rössler 2008). Denn Kompetenzen „können zwar fachbezogen ausdifferenziert werden, sie sind im Wesentlichen jedoch inhaltsneutral oder inhaltsindifferent, da sie an vielen unterschiedlichen Gegenständen erworben werden können“ (Küster 2009, 113). So hat sich das Spannungsfeld zwischen Kompetenz- und Inhaltsorientierung zu einer vieldiskutierten Thematik innerhalb der Fremdsprachendidaktik entwickelt (vgl. u. a. Bausch et al. 2009; Hallet/ Bredella 2007). Dort werden verschiedene Möglichkeiten ausgelotet: Sie reichen von der „Erneuerung von Inhaltsbezogenheit“ - infolge der Einbeziehung des Inhaltsbegriffs (Ahrens 2009, 18) - über die Entwicklung integrierender Ansätze wie der „Diskursfähigkeit als Einheit von Sprache und Inhalt“ (Hallet 2009, 69) bis hin zur „systematischen Verbindung von konsequenter Kompetenzorientierung und einer didaktisch-methodisch begründeten Inhaltsdimension“ (Küster 2009, 115). An dieser Stelle möchte ich mit der Verbindung - im Sinne von Verzahnung - von Kompetenzorientierung und Gegenstandsorientierung anknüpfen. Dabei geht es mir weder um die Rechtfertigung oder „Re-sozialisation“ der Gegenstandsorientierung noch um die (doch rasch ermüdende) Kritik an der Kompetenzorientierung, sondern darum, beides konstruktiv und integrativ miteinander zu kombinieren. Gegenstands- und Kompetenzorientierung verstehe ich so als eine didaktische Konzeption, die ausgehend von der spezifischen Beschaffenheit des literarischen Gegenstandes danach fragt, welche (Teil-) Kompetenzen mit dem jeweiligen literarischen Gegenstand in besonderer Weise gefördert werden können. Der literarische Text wird dabei als Gegenstand verstanden, der auch und gerade aufgrund seiner formalen Charakteristika bestimmte Fragen oder auch Probleme aufwirft, die es zu beantworten und zu lösen gilt. Versteht man mit Weinert (2001) Kompetenzen als Problemlösungsfähigkeit und ein Problem als Aufgabe und die besonderen Eigenschaften eines literarischen Textes als Einladung zur Aufgabenlösung, dann liegt genau hierin die Verbindungsstelle zwischen Kompetenzorientierung und Gegenstandsorientierung: Bestimmte Kompetenzen sind für die Lösung bestimmter Aufgaben, die sich durch die Beschaffenheit eines bestimmten Gegenstandes ergeben, er- 178 6. Didaktische Transformation nach Kompetenzbereichen forderlich. Umgekehrt argumentiert und auf den fremdsprachlichen Literaturunterricht angewendet heißt dies, dass ein Gegenstand (hier der poetische Text) formale und inhaltliche Eigenschaften aufweist, deren Erschließung und Deutung bestimmter Kompetenzen bedarf, die zugleich mit ihm gefördert und ausgebaut werden können. Der Spezifik des hier in Rede stehenden Gegenstandes Poesía Visual hat sich deswegen der literaturwissenschaftliche und literaturhistorische Teil I dieser Arbeit gewidmet. Dabei konnte gezeigt werden, dass poemas visuales poetische Kürzesttexte sind, die ein kommunikatives Ziel verfolgen und sich durch einen besonders hohen Grad an sprachlicher Verdichtung und Überdeterminierung auszeichnen. Aus strukturalistisch-mediensemiotischer Perspektive handelt es sich um eine poetische Textsorte, die durch die Hauptmerkmale Hybridität und Intermedialität gekennzeichnet ist. Das für sie charakteristische Zusammenspiel von Schrift und Bild - von ikonischen und symbolischen Zeichen - konnte unter Rückgriff auf mediensemiotische Modelle in drei Kategorien gegliedert werden (vgl. Kapitel 4.2.1), die wiederum die Grundlage für eine didaktischfunktionale Typologie der poemas visuales darstellten (vgl. Kapitel 5). Um die Differenz von einer quantitativen und einer qualitativen Schrift-Bild-Beziehung begrifflich deutlich zu machen, wird dabei zwischen Komposition (quantitativ) und Relation (qualitativ) unterschieden (vgl. Kapitel 4.2). Wie sich ikonische und symbolische kommunikative Zeichen im poema visual zusammensetzen, in welcher Relation sie zueinander stehen, welche poetische Botschaft - also welchen Inhalt - sie transportieren und welche Wirkung dieses Zusammenspiel auf den Rezeptions- und Lernprozess haben kann, sind hierbei richtungsweisende Fragestellungen gewesen. Sie betreffen gemäß meinem Verständnis von Gegenstandsorientierung die Ebene der Form und des Inhalts gleichermaßen. In formaler Hinsicht wird danach gefragt, wie sich Schrift und Bild zusammenfügen und dabei Bedeutung hergestellt wird und wie sich ihre Zusammensetzung von alltagssprachlichen Schrift-Bild-Kompositionen unterscheidet; auf der Ebene des Inhalts , wie und welche Inhalte bzw. Themen durch Bild-Schrift-Kombinationen zum Ausdruck gebracht werden können und welche (kulturspezifischen oder kulturübergreifenden) Deutungsmuster und Wirklichkeitsmodelle jeweils konstruiert und dem Rezipienten zur Auseinandersetzung angeboten werden. Die so in Teil I geleistete literatur- und medienwissenschaftliche Sachanalyse des Gegenstands Poesía Visual, die in den Kapiteln 4 und 5 von Teil II didaktisch perspektiviert wird und in eine didaktisch-funktionale Typologie des Genres mündet, dient jetzt in Kapitel 6 als Grundlage für die Beantwortung der Frage, welche Kompetenzen im fremdsprachlichen Unterricht Spanisch mit diesem literarischen Genre gefördert werden können und mit welchen didaktisch-me- 6.1 Zur Verbindung von Gegenstands- und Kompetenzorientierung 179 thodischen Szenarien dies gelingen kann. Dabei kristallisieren sich drei große Kompetenzbereiche heraus, die ich im Folgenden zunächst überblicksartig vorstelle, bevor sie in den Kapitel 6.2 Visuell-literarische Kompetenz, 6.3 Lexikalische Kompetenz und 6.4 Inter- und transkulturelle Kompetenz detailliert präsentiert und mit praktischen Unterrichtsbeispielen für den Spanischunterricht illustriert werden. 1. Visuell-literarische Kompetenz. Den ersten und zentralen Kompetenzbereich bildet die visuell-literarische Kompetenz: Mit poemas visuales können im Spanischunterricht sowohl visuelle als auch literarisch-ästhetische Verstehens- und Deutungsprozesse angestoßen und trainiert werden. Die Poesía Visual als literarischer Hybrid aus Schrift und Bild fordert das Wahrnehmen und Lesen ihrer Einzelbestandteile genauso ein wie die Deutung des Zusammenspiels beider Komponenten. Daher definiere ich speziell für den fremdsprachendidaktischen Umgang mit visuell-poetischen Texten einen eigenen neuen Kompetenzbereich, der auf hybride literarische Textformen aus Schrift und Bild zugeschnitten ist: den der visuell-literarischen Kompetenz (vgl. Kapitel 6.2). Er ist durchaus anschlussfähig an den Kompetenzbereich der Text- und Medienkompetenz in den Bildungsstandards für die fortgeführte Fremdsprache (KMK 2012), insofern auch dort - wenn auch eher am Rande - das Zusammenspiel von Schrift und Bild (von symbolischen und ikonischen Zeichen) zum Gegenstand gemacht wird, auch wenn dafür kein eigener Kompetenzbereich ausgewiesen wird. Zur genaueren Bestimmung und Ausdifferenzierung der visuell-literarischen Kompetenz greife ich zusätzlich zu den in der Gattungsanalyse betrachteten Theorien auf Modelle aus der Medienpädagogik (hier v. a. Baacke 1996; Lieber 2013; Mikos 2000; Reichenbach/ van der Meulen 2010) und der Literaturdidaktik (u. a. Küster 2003; Spinner 2012; Weinrich 1981, 1983) zurück. 2. Lexikalische Kompetenz. Sprache wird in poemas visuales auf zweierlei Weisen visualisiert; durch die grafisch-visuelle Hervorhebung einzelner Wörter und durch die Verwendung von Bildern. Poemas visuales verdichten Sprache nicht selten zu einem einzigen Wort (oder zu wenigen Wörtern), zu einem einzigen Konzept, das ikonisch und grafisch repräsentiert wird. Sie spielen mit Wörtern und ihren oft bildlichen Bedeutungen, mit Denotationen und Konnotationen und nicht zuletzt mit ihrem Klang und ihrer Orthografie: Sie setzen sie visuell in Szene. Daher laden sie in besonderer Weise zur Wortschatzarbeit ein: zur Semantisierung, zur Memorisierung und zur kreativen Wortschatzarbeit. 180 6. Didaktische Transformation nach Kompetenzbereichen Was visuelle Repräsentationen, also Bilder, im Allgemeinen betrifft, so haben diese als Hilfsmittel für das Sprachenlernen (z. B. beim Erstspracherwerb bei Kleinkindern) eine lange Tradition; im Fremdsprachenunterricht wurden und werden sie im Sprachlernprozess vielseitig verwendet (vgl. u. a. Hecke/ Surkamp 2010; Lieber 2013; Reinfried 1990, 2013; Rössler 2005; Scherling/ Schuckall 2006), insbesondere für die Wortschatzarbeit, weil Bilder die einzigen Mittel sind, die Sprache ohne Sprachsymbole, also ohne geschriebene Wörter ausdrücken (vgl. Reinfried 1990, 70). Im Kapitel zur lexikalischen Kompetenz (6.3) werden poemas visuales deswegen als Lerngegenstand für die verschiedenen Phasen der Wortschatzarbeit beleuchtet. Dabei werden sprachwissenschaftliche (z. B. Konecny 2010, 2011), psycholinguistische (Wolff 2002a) und kognitionspsychologische (Lawrenz 2009) Forschungen herangezogen und verschiedene rezeptive und produktive Möglichkeiten der Erweiterung, Festigung und Anwendung von Wortschatz an Unterrichtsbeispielen mit poemas visuales illustriert. 3. Inter- und transkulturelle Kompetenz In [literarischen] Texten beobachten sich Kulturen selbst, ob im Sinne einer Differenzierung (oder Durchkreuzung) von popular culture und Hochkultur oder unter Gesichtspunkten einer nach verschiedenen Gattungen und Diskursen bestimmten Ordnung im jeweiligen Literatursystem als Teil des gesellschaftlichen Gesamtsystems. Literarische Texte sind spezifische Formen des individuellen und kollektiven Wahrnehmens von Welt und Reflexion dieser Wahrnehmung. (Voßkamp 2003, 77) 1 Das gilt auch für die Gattung der Poesía Visual. Durch das intermediale Zusammenspiel von Schrift und Bild können sich im poema visual kulturelle Themen manifestieren, die, ausgehend von einer individuellen Wahrnehmung (der des Dichters/ der Dichterin), sowohl kulturspezifische Wissensbestände als auch kulturübergreifende globale Wahrnehmungen und Deutungen von Welt widerspiegeln. Das soziokulturelle Thema wird im poema visual poetisch verdichtet in Schrift und Bild als fiktionale Medien zum Ausdruck gebracht. Das Bild fordert dabei eine besondere Wahrnehmungssensibilität ein, da Schülerinnen und Schüler in Bildern womöglich - eher als in schriftsymbolischen Texten - eine realitätsgetreue Darstellung vermuten. Es bleibt jedoch auch im Kontext des inter- und transkulturellen Lernens (insbesondere bei poemas imagen , die oftmals aus 1 Popular culture (auch Populärkultur) wird meist (wie auch bei Voßkamp) als Gegenbegriff zu Hochkultur verwendet und umfasst Räume der Volks- und Massenkultur wie auch der Subkulturen (vgl. Mayer 2008, 581f.) 6.1 Zur Verbindung von Gegenstands- und Kompetenzorientierung 181 fotografischem Bildmaterial bestehen) eine konstruierte, verdichtete und überdeterminierte visuell-poetische Darstellungsform. Wie das Lesen im Hinblick auf den schriftsymbolischen Text versteht sich das Sehen als das Lesen von im Bild repräsentierten soziokulturellen Themen (vgl. Kapitel 4.1. Lesendes Sehen). Dabei wird die visuelle Wahrnehmung, ähnlich wie beim Prozess des Lesens von schriftsymbolischen Texten, als eine aktive Tätigkeit der Bedeutungszuschreibung verstanden, die auf der Grundlage von Weltwissen und individuellen Erfahrungen ausgelöst wird (vgl. Hallet 2010b, 44). Die Analyse von schrift-bildmedialen Produkten eröffnet somit fremde Weltsichten und Deutungsmuster. Poemas visuales können deshalb im Spanischunterricht zur Förderung der inter- und transkulturellen Kompetenz eingesetzt werden, indem die Schülerinnen und Schüler durch das Lesen und Deuten des intermedialen Zusammenspiels von Schrift und Bild fehlendes Weltwissen erschließen und kulturbezogene und kulturübergreifende Diskurse verstehen und selbst dazu Stellung nehmen. Im Kapitel 6.4 werden so unter Rückgriff auf Theorien aus den philologischen Kulturwissenschaften (Nünning/ Nünning 2003; Nünning/ Sommer 2004) und der fremdsprachlichen Kulturdidaktik (v. a. Altmayer 2004 und Hallet 2002) verschiedene Einsatzmöglichkeiten von poemas visuales für das inter- und transkulturelle Lernen ausgelotet, die abschließend anhand von unterrichtspraktischen Beispielen illustriert werden. Die folgende Grafik veranschaulicht noch einmal die sich aus der spezifischen Beschaffenheit des Gegenstandes ergebenden Kompetenzbereiche. Abbildung 50. Kompetenzbereiche: Poesía Visual im Spanischunterricht Die Kompetenzbereiche sind als komplexe, interagierende Bereiche zu verstehen, die nicht klar voneinander zu trennen sind. Daher sind sie in der Grafik mit gestrichelten Linien voneinander abgegrenzt. Sie bilden keine statischen, sondern dynamische Einheiten und stehen in einer Wechselwirkung zueinander. 182 6. Didaktische Transformation nach Kompetenzbereichen 6.2 Visuell-literarische Kompetenz Poemas visuales sind poetische, also literarische Kürzesttexte. Allgemeine Charakteristika dieser Textsorte sind die hohe sprachliche Verdichtung und Ökonomie, die durch die Konzentration und Rekurrenz formaler Elemente auf einem begrenzten Raum erzeugt wird. Bezogen auf die Menge der (informierenden) Zeichen zeichnen sie sich durch einen besonders dichten Informationsgehalt aus und sind deshalb im Gegensatz zu alltagssprachlichen Texten überstrukturiert und überdeterminiert. Bei poemas visuales wird Überdeterminierung zudem auf zwei Ebenen erzeugt: Verdichtung, Ökonomie und Selbstreferentialität gelten sowohl für symbolische als auch für ikonische Zeichen, also für Schrift und Bild gleichermaßen. Der literarische Gegenstand poema visual zeichnet sich also durch zwei Charakteristika aus: Zum einen ist es die Verwendung von Bildern bzw. Visualisierungen, die ein poema visual von einem diskursiven, rein schriftsymbolischen Gedicht unterscheidet, und zum anderen ist es seine Poetizität und Literarizität, das ihn vom alltagssprachlichen diskontinuierlichen Text (etwa einer Zeitungsannonce oder einer Whatsapp- Nachricht) abgrenzt. Fragen, denen im Umgang mit ihnen im Fremdsprachenunterricht nachgegangen werden muss, sind deswegen: Was kennzeichnet visuell-poetische Texte? Was unterscheidet sie von alltagssprachlichen Texten? Inwiefern wirken Schrift und Bild im poema visual und in welcher Beziehung stehen sie zueinander? Poesía Visual kann und muss als bildgestützte poetische Textgattung sowohl Gegenstand des Lernbereichs „visuelle Kompetenz“ als auch der „literarischen Kompetenz“ sein. Das folgende Kapitel widmet sich dieser zweifachen Verortung der Poesía Visual im gegenstands- und kompetenzorientierten Fremdsprachenunterricht. Dabei werden zunächst beide Kompetenzbereiche isoliert in den Blick genommen: Nach einem Überblick über den Stellenwert von Bildern im Fremdsprachenunterricht wird das aktuelle Verständnis von visueller Kompetenz in der Fremdsprachendidaktik referiert und abschließend festgelegt, wie visuelle Kompetenz in der vorliegenden Studie definiert und verstanden wird. Dasselbe wird im Anschluss für die literarische Kompetenz geleistet, um schließlich für den Umgang mit Poesía Visual einen neuen Kompetenzbereich zu definieren, die visuell-literarische Kompetenz, die speziell auf die Gattungsspezifika von literarischen Bild-Schrift-Texten ausgerichtet ist. Wie die visuellliterarische Kompetenz mit poemas visuales zugleich gefördert und trainiert werden kann, wird im letzten Teil des Kapitels anhand von Unterrichtsbeispielen konkret veranschaulicht. 6.2 Visuell-literarische Kompetenz 183 6.2.1 Zum Stellenwert von Bildern im Fremdsprachenunterricht Nie zuvor in der Geschichte der Menschheit waren Bilder so präsent wie heute. Wir befinden uns im 21. Jahrhundert im Zeitalter des Sehens , des sogenannten iconic turn (Boehm 1994, 13). Mit iconic turn (auch visualistic turn , pictorial turn oder imagic turn ) wird die Wende von einer vorrangig textzentrierten zu einer vorrangig bildzentrierten Wissensvermittlung bezeichnet (vgl. u. a. Maar/ Burda 2004; Sachs-Hombach 2009). Neuere anthropologische sowie medien- und kulturwissenschaftliche Forschungen beschäftigen sich mit dieser Wende und kennzeichnen mit ihr einen signifikanten Wandel in der Relevanz von Bildern in allen gesellschaftlichen Bereichen (vgl. Sachs-Hombach 2009, 7). „Bilder“, betont Burda, „haben für uns in nahezu allen Lebens- und Wissensbereichen eine nie erkannte Bedeutung erlangt“ (Maar/ Burda 2004, 12). Ein Leben ohne Bilder ist wohl kaum mehr denkbar. Vom Arztbesuch über den Schulunterricht bis hin zur Buchung eines Hotelzimmers das Bild hat eine weit breitere Funktion erlangt, als lediglich zu illustrieren oder abzubilden. Bilder werden heutzutage in nahezu allen Kommunikationsformen und -foren genutzt, sie dienen als Instrumente der Wissensproduktion und Wissensvermittlung (vgl. Reichenbach/ van der Meulen 2010, 795). In einem interdisziplinären Dialog der oben genannten Forschungszweige wird zunächst eine allgemeine Bildwissenschaft als Einzeldisziplin ausgebildet, was die steigende Relevanz von Bildern noch einmal unterstreicht (vgl. Sachs-Hombach 2005, 11). Weil Bilder längst über „die Kunstgeschichte hinaus in einem weit umfassenden Sinn Gegenstand der Geistes- und Naturwissenschaften geworden“ (Maar/ Burda 2004, 9) sind, versucht die Bildwissenschaft die Erkenntnisse der verschiedenen wissenschaftlichen Disziplinen, wie Kunst- und Medienwissenschaft, Philosophie, Kognitionswissenschaft etc., in einer einzigen Wissenschaft zu vereinen, die letztlich das Bild zum Forschungsgegenstand macht und damit der zunehmenden Bedeutung von Bildern Rechnung trägt (vgl. Sachs-Hombach 2005, 11). Infolge der rasanten Entwicklung computergestützter Technologien und der freien Verfügbarkeit des Internets seit Mitte der 1990er Jahre werden Bilder besonders von Jugendlichen mehr denn je genutzt. Visualisierungen gehören zum jugendlichen Alltag. Fotos werden in Sekunden mit Digitalkameras (bzw. Smartphonekameras) erstellt, über soziale Netzwerke im Web 2.0 oder auf dem Smartphone ausgetauscht (z. B. WhatsApp, Facebook, Instagram) und auf Daten-Clouds geteilt (z. B. Dropbox), auf Datenträgern gespeichert, in spezifischer Bildverarbeitungssoftware generiert, bearbeitet und verfremdet (z. B. Adobe Photoshop) und sie werden über E-Mails verschickt oder auf Webseiten hochgeladen und verlinkt. Der Umgang mit Bildern ist aus rezeptiver wie produktiver Perspektive zur Alltagstätigkeit von Jugendlichen geworden. Die Konsequenz, 184 6. Didaktische Transformation nach Kompetenzbereichen die sich hieraus für Schule und Unterricht ergibt, wird in medienpädagogischpsychologischen Forschungen untersucht (vgl. Lieber 2013, 72 f.). Daraus hat sich die pädagogisch-didaktische Forderung nach einer Vermittlung visueller Kompetenz im Schulunterricht entwickelt: Kinder und Jugendliche müssen im Umgang mit Bildern geschult werden, damit sie lernen, sich im „bildlastigen Umfeld“ als „selbstbestimmte Menschen“ möglichst erfolgreich zu bewegen (vgl. Reichenbach/ van der Meulen 2010, 795). Neuere medienpädagogische Forschungen fordern daher die Einführung der visuellen Kompetenz als neues Bildungs- und Lernziel für die Institution Schule (vgl. u. a. Doelker 2012; Mikos 2000; Reichenbach/ van der Meulen 2010). Sie schließen sich dabei an medienpädagogischen Forschungen unter anderem von Dieter Baacke (1996) an, aus denen der Begriff der Medienkompetenz entwickelt wurde. Medienkompetenz teilt sich nach Baacke in vier Fähigkeitsbereiche auf: Medien kritik , Medien kunde , Medien nutzung und Medien gestaltung . Auch die Anforderungen an den Fremdsprachenunterricht haben sich dahingehend entwickelt, Bilder als Bestandteile von Kommunikation in den Unterricht zu integrieren. In den Bildungsstandards für die fortgeführte Fremdsprache (Englisch/ Französisch) wird in den Beschreibungen der Kompetenzbereiche von dem sogenannten erweiterten Textbegriff ausgegangen (vgl. KMK 2012, 13). Unter diesem aus der Medienpädagogik stammenden Begriff wird ein Text, ausgehend vom lateinischen textum (das Gefüge, das Gewebe), als ein Gefüge von kommunikativen Zeichen verstanden. Diese Zeichen können Informationsträger verschiedener Modalitäten sein. Dabei können die Informationen schriftlich, bildlich oder auditiv vermittelt werden. Alle kommunikativen Zeichen werden im erweiterten Textbegriff als gleichberechtigt auftretende Partner gesehen. Im Gegensatz zum „engeren Textbegriff“ sieht der „erweiterte Textbegriff“ Comics, Lieder und Filme ebenso als Texte an wie narrative Texte oder Zeitungsartikel (vgl. Doelker 2007, 16). Der Einsatz von Bildern hat im Fremdsprachenunterricht eine lange Tradition. Sie sind als Lerngegenstände besonders attraktiv, weil sie als visuelle Impulse schnell rezipierbar sind und zudem Raum für Sprachproduktion eröffnen. Fotos, Kunstwerke, Poster, Plakate, Karikaturen etc. erzeugen als Repräsentationsmedien der Zielsprache Wissen und besitzen daher kommunikative Relevanz im Fremdsprachenunterricht. Bei Aufenthalten im Ausland, und mittlerweile auch im Internet, steuern unzählige Bilder die Wahrnehmung der Zielsprache und -kultur bei den Schülerinnen und Schülern. Dabei läuft die Sinnkonstitution von Bildern wie bei schriftbasierten Texten in Buttom-up- und Top-down-Prozessen ab (vgl. Hecke 2010, 325): Auch Bilder werden gelesen. Die Lernenden nehmen die visuellen Elemente des Bildes wahr und deuten die aufgenommenen Reize mit eigenem Bildbeziehungsweise Weltwissen. 6.2 Visuell-literarische Kompetenz 185 Das Erlernen der Bildsprache und die Sensibilisierung für das ästhetische Sehen und Lesen haben sich als Bildungsaufträge in fremdsprachendidaktischen Diskursen mittlerweile etabliert (vgl. Küster 2003, 219). Aufgrund der vielfältigen Anforderungen der heutigen Informations- und Mediengesellschaft macht beispielsweise Blell auf die Dringlichkeit der Förderung von visueller Kompetenz im Fremdsprachenunterricht aufmerksam: Sollen unsere Schüler und Schülerinnen also kompetente Mitgestalter dieser Welt werden, reicht es nicht mehr aus, sie zu (nur) geübten Buch- und Textlesern zu machen. Wir müssen sie zu kenntnisreichen und kritisch-kompetenten Lesern und Schauern aller Arten von visuellen Texten erziehen. (Blell 2010, 95) Erkenntnisse aus den Bildwissenschaften und der Hirnforschung 2 fließen bereits in eine fremdsprachliche Bilddidaktik ein. Die Forderungen nach der Ausbildung visueller Kompetenz im Fremdsprachenunterricht sind inzwischen längst keine Ausnahme mehr (vgl. v. a. Blell 2010, Hallet 2010, 2013; Hecke 2010; Küster 2003; Lüning 2014; Reinfried 1990, 2013; Seidl 2007). 6.2.2 Zur visuellen Kompetenz Im englischsprachigen Kulturraum ist der Begriff visual literacy bereits etabliert. Nach Frey und Fisher sind visuell kompetente Schülerinnen und Schüler wie folgt zu beschreiben: To be visually literate, they [the students] must learn to „read“ (consume/ interpret) images and „write“ (produce/ use) visually rich communication. They must be able to move gracefully and fluently between text and images, between literal and figurative worlds. (Frey/ Fisher 2008, 5) In diesem Verständnis von visueller Kompetenz werden neben rezeptiven Kompetenzanforderungen - to „read” ( consume/ interpret ) - auch produktive Komponenten - [to] „write” ( produce/ use ) - definiert. Die rezeptive visuelle Kompetenz umfasst das oben aufgezeigte Zusammenspiel von Lesen und Sehen. In Anlehnung an den erweiterten Textbegriff begreift sich die hier dargelegte produktive Komponente der visual literacy als Ausbau der zentralen kommunikativen Kompetenz Schreiben (to write) um das Produzieren und Nutzen von Bildern. 2 Neuere Hirnforschungen haben ergeben, dass bereits beim rein physischen Sehen Unterschiede bei den individuellen Wahrnehmungen von Probanden zu verzeichnen sind. Das Bild, das visuell wahrgenommen wird, wirkt demzufolge lediglich als ein Impuls. Was das Auge sieht, ist eine individuelle „Interpretations- und Konstruktionsleistung“ des Gehirns (vgl. Lieber 2013, 6). 186 6. Didaktische Transformation nach Kompetenzbereichen Hieran angelehnt und unter Rückgriff auf bestehende Begriffe, wie das Seh- Verstehen 3 (nach Schwerdtfeger 1989) und die Sehkompetenz, sowie auf kunstpädagogische Konzepte des Bildverstehens und der Bildkompetenz 4 , etabliert sich in der Fremdsprachendidaktik derzeit mehr und mehr der Begriff der visuellen Kompetenz (vgl. Hecke 2010, 325). Das Konzept der visuellen Kompetenz unterscheidet zwischen produktiven (der prozedural-methodischen Umgangskompetenz mit Bildern [a]) und rezeptiven Kompetenzen (dem deklarativen Bildbewusstsein [b]), die wie folgt definiert werden: Die prozeduralen Fähigkeiten [a] implizieren die Beherrschung von Methoden der Bildrezeption einerseits sowie der Bildproduktion andererseits. Hinsichtlich der Rezeption umfassen diese Fähigkeiten: den Sinn des Bildes zu konstituieren, das Bild im kulturellen Kontext zu lesen, das Bild deuten zu können sowie die Bildwirkung und -botschaft kritisch zu hinterfragen. Bezüglich der Produktion sind die Fähigkeiten gemeint, „auf der Basis bekannter Visualisierungskonventionen“ (ebd., 325) eine Botschaft zu formulieren bzw. zu encodieren und dafür geeignete Bildtypen und Gestaltungsweisen auszuwählen. Das deklarative Bildbewusstsein [b] umfasst dagegen eine bewusste Bildwahrnehmung und Bewertung, das Beherrschen einer Bildterminologie sowie die Kenntnis verschiedener Bildtypen samt ihrer Wirkungen und das Wissen um Kultur- und Darstellungsspezifik (vgl. Hecke/ Surkamp 2010, 14 f.). Da Bilder im Fremdsprachenunterricht als „Kommunikationsmittel [gelten] und visuelle Signale transportieren“ (Hecke 2010, 325), wird die visuelle Kompetenz prinzipiell den funktional kommunikativen Kompetenzen zugeschrieben. 5 In verschiedenen (nicht nur) fremdsprachlichen Alltagssituationen werden Bilder und schriftbasierte Texte miteinander kombiniert; diese Kom- 3 Seh-Verstehen bezeichnet das (rezeptive) visuelle Verstehen in der non-verbalen Kommunikation (Schwerdtfeger 1989). Dass visuelle Wahrnehmung in Sprechaktsituationen ein Steuerelement der Sprachproduktion sei, ist das Argument, mit dem Schwerdtfeger die Einführung des Seh-Verstehens als fünfte Fertigkeit im Fremdsprachenunterricht fordert. Sie entwickelt ihre Forderung aus Ergebnissen paralinguistischer Studien, die zeigen, dass non-verbale Zeichen wie Gestik, Mimik, Körpersprache die Produktion von Sprache unmittelbar beeinflussen. Daraus leitet sie den Begriff des Seh-Verstehens ab, den sie an unterrichtlichen Übungen zur Wahrnehmung in Sprechaktsituationen und Filmen am Beispiel des Englischunterrichts praktisch deutlich macht. 4 Bildverstehen und Bildkompetenz sind Konzepte der Kunstpädagogik und des Kunstunterrichts und bezeichnen im engeren Sinn das Verstehen und Deuten von Bildern, sie sind also „eher als eine spezifische Form der ästhetischen Urteilskompetenz zu verstehen“ (Reichenbach/ van der Meulen 2010, 800). 5 Die visuelle Kompetenz findet auch im Bereich der interkulturell kommunikativen Kompetenz und der Text- und Medienkompetenz Erwähnung. Sie wird jedoch in erster Linie als Kommunikationsvoraussetzung verstanden, die es demnach ebenfalls in diesem Bereich auszubilden gilt (vgl. Hecke 2010, 325). 6.2 Visuell-literarische Kompetenz 187 binationen fordern sowohl Leseals auch visuelle Kompetenzen ein. Darüber hinaus trägt die visuelle Kompetenz, in höheren Anforderungsniveaus, als ein wichtiger Bestandteil zur Text- und Medienkompetenz bei, wenn es darum geht, die medienspezifische Wirkung von Bildern auch in Beziehung zur schriftsymbolischen Sprache im Unterricht zu erarbeiten (vgl. KMK 2012). In Anlehnung an Frey und Fischer (2008) sowie an Hecke und Surkamp (2010) verstehe ich die visuelle Kompetenz als eine umfassende Fähigkeit, mit Bildern sowohl rezeptiv (verstehen und deuten) als auch produktiv (nutzen und produzieren) umgehen zu können. Unter Rückgriff auf den Medienkompetenzbegriff nach Baacke (1996) ergeben sich so folgende Anforderungen an die Schülerinnen und Schüler: 1. Bilder als visuelle Repräsentationen von Wirklichkeit zu verstehen und sie kritisch zu hinterfragen, 2. über Wissen hinsichtlich verschiedener Formen und Arten von Bildern zu verfügen, 3. Bilder im Alltag adäquat „lesen“ und nutzen zu können und 4. Bilder „über die Grenzen der Kommunikationsroutine hinaus“ (ebd., 120) und abweichend von ihrem alltäglichen Gebrauch auch als poetische Ausdrucksformen verstehen und produzieren zu können. 6.2.3 Zur literarischen Kompetenz und zum literarästhetischen Lernen „Eine sprachliche Zeichenfolge“, schreibt Hallet (2010, 200) und stützt sich dabei auf den amerikanischen Strukturalisten Jonathan Culler ( The Pursuit of Signs 1981), kann „nur als literarischer Text gelesen werden, wenn Lesende über eine ‚literarische Grammatik‘ verfügen, die ihnen die Übersetzung der Zeichen in literarische Strukturen und Bedeutung ermöglicht“. Das Verfügen über diese „literarische Grammatik“ ist für Hallet literarische Kompetenz. Diese auszubilden, gehört in erster Linie zu den Aufgaben des muttersprachlichen Sprach- und Literaturunterrichts. Doch auch der Fremdsprachenunterricht kann hier einen entscheidenden Beitrag leisten. Denn literarische Texte sind als ästhetische Produkte der Zielsprache ein zentraler Gegenstand des Unterrichts, anhand dessen zahlreiche authentische, kreative, mündliche und schriftliche Sprachproduktionsanlässe eröffnet werden können. Im Unterschied zu Sach- und Gebrauchstexten sind literarische Texte „sinnoffen und polyvalent“ (Rössler 2010b, 133). Literarische Texte weisen eine sogenannte Appellstruktur auf, die den Leser zur aktiven Teilhabe an der Erschließung des Textsinns auffordert. Sie appellieren dabei in besonderer Weise an die Imaginationskraft des Rezipienten. Ihr Sinn erschließt sich, nach dem rezeptionsästhetischen Ansatz (vgl. Jauß 1991; Iser 1979), überhaupt erst im Dialog zwischen Leser und Text. So liegt der 188 6. Didaktische Transformation nach Kompetenzbereichen Mehrwert beim Einsatz literarischer Texte im Fremdsprachenunterricht insbesondere darin begründet, dass die persönliche und emotionale Beteiligung der Schülerinnen und Schüler notwendig wird. Wenngleich ihr Nutzen unter den Anforderung des pragmatisch ausgerichteten Fremdsprachenunterrichts auch in Frage gestellt wurde, so ist heute dieses besondere fremdsprachendidaktische Potenzial von Literatur allgemein anerkannt (vgl. u.a. Hallet 2010; Rössler 2010b; Steinbrügge 2016); eine Tatsache, die sich nicht zuletzt auch mit der gestärkten Rolle literarischer Texte in den Bildungsstandards für den Fremdsprachenunterricht der Sekundarstufe II im Bereich der Text- und Medienkompetenz belegen lässt (vgl. KMK 2012). Das Konzept der literarischen Kompetenz stammt ursprünglich aus der Deutschdidaktik (vgl. z. B. Spinner 2006) und wurde für den Fremdsprachenunterricht weitestgehend übernommen - mit der Einschränkung, dass die literarische Kompetenz dort nicht im gleichen Umfang und in der gleichen Qualität erreicht werden kann. Denn es ist zu bedenken, dass fremdsprachliches literarisches Lernen „stets an das sprachliche Dekodieren des fremdsprachlichen Textes und an das Leseverstehen gebunden ist“ (Hallet 2010, 201) und somit niemals die Anforderungen eines muttersprachlichen Literaturunterrichts erfüllen kann (vgl. Steinbrügge 2015, 7). Ein literarisches Kompetenzmodell für den Fremdsprachenunterricht hat u.a. Hallet (2010, 200) entwickelt und differenziert zwischen Ausbzw. Weiterbildung rezeptiver Fähigkeiten und darauf aufbauenden produktiven Fähigkeiten. Für die Aus- und Weiterbildung rezeptiver literarischer Kompetenz bestimmt er folgende Anforderungsbereiche: a) das sinnkonstituierende Lesen literarischer Texte; b) das Erfassen und Analysieren der jeweils besonderen ästhetischen und generischen Merkmale von literarischen Texten; und c) über den literarischen Text auf bestimmte kulturelle und komplexere sprachliche Kontexte der Zielsprache schließen zu können. Die produktiven Fähigkeiten sind als die praktische Umsetzung der Erkenntnisse aus den rezeptiven Fähigkeiten zu verstehen, beispielweise durch das Produzieren narrativer Texte, die szenische Darstellung etc. Die genaue Ausbuchstabierung der literarischen Kompetenz bleibt allerdings umstritten. Verschiedene Komponentenmodelle konkurrieren hier miteinander. Die definitorischen Schwierigkeiten ergeben sich zum einen daraus, dass rezeptive und produktive Fähigkeiten, die im Rahmen der literarischen Kompetenz ausgebildet werden sollen, für den Fremdsprachenunterricht nur schwer formuliert werden, da sie stark vom Sprachniveau der Schülerinnen und Schüler abhängen. So wurden niveaustufenspezifische Modellierungen entwickelt, in denen die einzelnen Komponenten und Deskriptoren in Abhängigkeit vom Sprachniveau der Schülerinnen und Schüler formuliert werden und deswegen sehr komplex und umfangreich sind (vgl. Bergfelder 2007; Burwitz-Melzer 2005, 6.2 Visuell-literarische Kompetenz 189 2007). Zum anderen ist die Unterscheidung von rezeptiven und produktiven Kompetenzen auch insofern nicht unproblematisch, als sie eng miteinander verknüpft sind (vgl. Rössler 2010b, 133). So ordnet Rössler beispielsweise die verschiedenen Anforderungsbeschreibungen des literarischen Lernens den Dimensionen „kognitiv-analytische”, „imaginative” und „affektiv-attitudinale” Kompetenz (ebd.) unter und unterteilt diese in „vorwiegend rezeptiv“ oder „vorwiegend produktiv“. Surkamp (2012, 78) indes favorisiert ein Modell der „Dreidimensionalisierung“ („rezeptiv, reflexiv und produktiv“), das die literarische Kompetenz in kognitive, affektive, motivationale, reflexive, sprachlich-diskursive und produktive Teilkompetenzen unterteilt. Als Quintessenz verstehe ich im Folgenden unter literarischer Kompetenz für den Fremdsprachenunterricht das Verfügen über grundlegende Kenntnisse über gattungsspezifische Besonderheiten von literarischen (poetischen, dramatischen und narrativen) Texten, die Bereitschaft zu und das Genießen von ästhetischen Leseerlebnissen sowie das Verstehen und Erfahren der spezifischen Wirkung von literarisch-ästhetischen Texten durch den produktiven und handlungsorientierten Umgang mit ihnen. Darunter subsumiere ich weitere Teilkompetenzen wie die Fiktionalitätskompetenz, die imaginative und kreative Kompetenz, die poetische und narrative Schreibkompetenz wie auch die interkulturelle Kompetenz (vgl. Bergfelder 2005, Burwitz-Melzer 2007; Hallet 2010; Rössler 2010b; Surkamp 2010, 2012). Bei der Modellierung literarischer Kompetenz lässt sich in neueren fremdsprachendidaktischen Forschungen zunehmend die Verwendung von Begriffen wie ästhetisches Lernen oder ästhetische Erfahrung beobachten (vgl. z. B. de Florio Hansen 2012; Kräling/ Martín Fraile 2015). Dass ästhetische mit literarischer Bildung einhergeht, mag an der im schulischen Kontext mittlerweile uneingeschränkt akzeptierten Erweiterung des Textbegriffes liegen, die nun auch in fremdsprachendidaktischen Curricula und Bildungsstandards fest verankert ist (vgl. z. B. KMK 2012, 13). Die Erweiterung des Textbegriffes vom primär schriftsymbolisch zum multimedial vermittelten Text zwingt logischerweise zur Revision des Literarischen (bedenkt man insbesondere die Etymologie des Begriffes aus dem Lateinischen littera = Buchstabe). Die Ergänzung um ästhetisch , wie etwa bei „ästhetisch-literarisches Lernen“ (Küster 2003), „ästhetisches und literarisches Lernen“ (de Florio Hansen 2012) oder „literarästhetisches Lernen“ (Kräling/ Martín Fraile 2015), soll die genannte Erweiterung begrifflich verdeutlichen. Indes ist der Begriff des Ästhetischen nicht unproblematisch. Küster beschreibt das Ästhetische zunächst als umstrittenen Begriff, der zwischen „Hervorbringung[en] der Bildenden, der Darstellenden Kunst oder der Musik“ und „Merkmal von Wahrnehmung und Wirkungen“ angesiedelt und verstanden werden kann. Weiter stellt er den Begriff der ästhetischen Bildung jedoch in 190 6. Didaktische Transformation nach Kompetenzbereichen den Kontext von medienpädagogischen Aufgaben, wo er über die Dominanz des Visuellen in den Medien zu einem Profil der ästhetisch-literarischen Bildung gelangt, das insbesondere das Bildungspotenzial von bildender Kunst und Literatur auslotet (vgl. Küster 2003, 190 ff.). Auch Spinner (2012, 257) macht mit Blick auf den handlungs- und produktionsorientierten Literaturunterricht darauf aufmerksam, dass literarisches Lernen gleichermaßen anhand visueller Medien ausgebildet werden sollte. Poemas visuales ließen sich somit als literarisch-ästhetische Gegenstände beschreiben. Da es mir im Umgang mit poemas visuales um die didaktische Transformation speziell des Visuell-Poetischen geht, entwickle ich unter Rückgriff auf die visuelle Kompetenz (nach Baacke 1996) und die oben resümierend skizzierten Komponenten literarischer Kompetenz im Folgenden das neue Konzept der visuell-literarischen Kompetenz, die indes als Teilbereich des ästhetisch-literarischen Lernens verstanden werden soll. 6.2.4 Visuell-literarische Kompetenz: Definition und didaktisch-methodische Implikationen Visuell-literarische Kompetenz ist mithin als Teilkompetenz und Schnittmenge beider Ausgangskompetenzbereiche, der literarischen und der visuellen Kompetenz, zu verstehen: Abbildung 51. Schnittmengenbereich der visuell-literarischen Kompetenz Mit visuell-literarischer Kompetenz schlage ich einen neuen Kompetenzbereich für Fremdsprachenlernende vor, der explizit das Literarische an visuellen Texten und das Visuelle an literarischen Texten fokussiert. Visuell-literarische Texte, wie poemas visuales (oder auch novelas- gráficas , caricaturas etc.), können aufgrund ihres Zusammenspiels von Schrift und Bild sowohl aus einer literarischästhetischen als auch einer mediendidaktischen Perspektive behandelt werden. Die visuell-literarische Kompetenz ist im Bereich der Text- und Medienkompetenz anzusiedeln (vgl. KMK 2012, 11 f.). Es ergeben sich folgende An- 6.2 Visuell-literarische Kompetenz 191 forderungsprofile für den Bereich der visuell-literarischen Kompetenz, die im Fremdsprachenunterricht von Schülerinnen und Schüler erfüllt werden sollten: 6 - (Rezeptive Fähigkeiten) Visuell-literarisch kompetente Schülerinnen und Schüler können visuell-literarische Texte sinnkonstituierend rezipieren, verfügen über Wissen von Formen und Arten visuell-literarischer Texte und vermögen die ikonischen und symbolischen Bestandteile des Textes zu erfassen, zu analysieren und zu deuten. Darüber hinaus sind sie auf höheren Anforderungsniveaus in der Lage, die Literarizität der Bildsprache bzw. die Visualität der Schriftsprache sowie deren Wirkung als intermediales Zusammenspiel zu erkennen und zu beschreiben sowie ferner vom visuell-literarischen Text auf bestimmte soziokulturelle und intertextuelle Kontexte zu schließen. - (Produktive Fähigkeiten) Visuell-literarisch kompetente Schülerinnen und Schüler können ihre rezeptiven Fähigkeiten produktiv umsetzen und sind darüber hinaus in der Lage, eigene visuell-literarische Texte zu erstellen. Zur Förderung der visuell-literarischen Kompetenz können verschiedene Lernszenarien mit poemas visuales entwickelt werden. Primär können sie als Gegenstand für eine gattungsspezifische Analyse und Reflexion eingesetzt werden, indem der Schwerpunkt auf die Wirkung und Funktionsweise von Schrift und Bild im poetischen Text gelegt wird. Aus mediendidaktischer Perspektive können die Schülerinnen und Schüler lernen, die besonderen ikonischen und symbolischen Bestandteile der poemas visuales zu erfassen und in vertiefenden Auseinandersetzungen weiter zu reflektieren und zu analysieren. Darüber hinaus können poemas visuales als Brücke zu anderen literarisch-ästhetischen Textformen dienen. Sie sind als bildgestützte Textform für Schülerinnen und Schüler in der Regel zugänglicher als schriftsymbolische fremdsprachliche Texte und nicht zuletzt deshalb auch motivierender. Zum einen können sie dafür eingesetzt werden, um zu nicht-visuellen, diskursiven poetischen Texten hinzuleiten, womit Brücken zwischen visueller und „konventioneller” Poesie geschlagen werden können. Zum anderen können poemas visuales beispielsweise im Rahmen eines bestimmten Themas (Liebe, Krieg o.Ä.), das literarisch behandelt werden soll, als Ausgangs- oder Einstiegstexte eingesetzt werden, sodass sie als Brücke zu anderen, beispielsweise narrativen Textgattungen genutzt werden können. 6 Die Beschreibung der Anforderungen an den Kompetenzbereich visuell-literarische Kompetenz sind an die Formulierungen der Kompetenzbereiche in den Bildungsstandards (vgl. KMK 2003, 2012) angelehnt, die auf die im Gemeinsamen europäischen Referenzrahmen für Sprachen (Europarat 2001) dargelegten Kann-Beschreibungen der ALTE (Association of Lenguage Testers in Europe) (vgl. ebd., 232 f.) zurückzuführen sind. 192 6. Didaktische Transformation nach Kompetenzbereichen Die Lernenden sollen sowohl mit analytischen als auch mit kreativ-produktiven Verfahren im Umgang mit der Poesía Visual vertraut gemacht werden. Dabei steht die individuelle Begegnung von Text und Leser im Vordergrund, die verschiedene Zugänge und Interpretationen der visuellen Gedichte sowie den gemeinsamen Austausch darüber möglich machen soll. Die klassische Textanalyse ist dabei nur ein Bestandteil visuell-literarischen Lernens, das durch produktiv-kreative Herangehensweisen ergänzt werden sollte. Die Schülerinnen und Schüler sollen lernen, sich mit den prototypischen Charakteristika der Gattung Poesía Visual kritisch auseinanderzusetzen, die sprachliche und formale Gestaltung der visuellen Gedichte aufmerksam wahrzunehmen, beim Lesen der Gedichte Vorstellungen zu entwickeln, sich auf die Unabschließbarkeit von Sinnbildungsprozessen einzulassen und die Offenheit und Mehrdeutigkeit der visuellen Gedichte und die damit verbundene Interpretationsvielfalt als Bereicherung zu begreifen und sich darüber im Anschlussgespräch austauschen zu können (vgl. Spinner 2012, 249). Die Ausbildung produktiver visuell-literarischer Kompetenz gelingt mit der Lösung handlungs- und prozessorientierter Aufgaben, die das individuelle Vorverständnis von Schülerinnen und Schülern mit einschließen und ein Lernen auf imaginativer, affektiver und reflexiver Ebene fördern. Bei einem kreativhandlungsorientierten Umgang mit poemas visuales werden außerdem abstrakte Verstehensprozesse in Gang gesetzt, die zu fruchtbaren Erkenntnissen über die ästhetische Beschaffenheit eines poetischen Textes führen können. Im Hinblick auf das Lernziel der visuell-literarischen Kompetenz ist den Schülerinnen und Schülern die Möglichkeit zu geben, ihre rezeptiven Fähigkeiten produktiv umzusetzen, damit sie unter Beweis stellen können, dass sie in der Lage sind, eigene visuell-literarische Texte zu erstellen. Die im Folgenden vorgestellten Unterrichtsbeispiele zeigen exemplarisch, wie verschiedene poemas visuales mit dem Lernziel (rezeptive und produktive) visuell-literarische Kompetenz eingesetzt werden können. 6.2.5 Unterrichtsbeispiele für visuell-literarisches Lernen mit poemas visuales 6.2.5.1 Rezeptive Herangehensweisen a) Ikonische und symbolische Zeichen erkennen und verstehen und ihr Zusammenspiel deuten Die unterschiedlichen Funktionsweisen ikonischer und symbolischer Zeichen und ihr besonderes Zusammenspiel im poema visual lassen sich beispielhaft am Gedicht „Libertad vigilada“ (Abbildung 52) behandeln. 6.2 Visuell-literarische Kompetenz 193 Abbildung 52. Libertad vigilada (2008), Rafael Peralto Das poema setzt sich aus zwei symbolischen und einem ikonischen Zeichensystem zusammen. Die Begriffe libertad im Gedicht und Libertad vigilada im Titel sind schriftsymbolisch dargestellt. Das Auge, das von der Mitte des Gedichtes auf den Betrachter/ die Betrachterin blickt, ist ein ikonisches Zeichen. Der intermediale Rezeptionsvorgang von Lesen und Sehen kann anhand des vorliegenden poema gut nachvollzogen werden. Das poema erzeugt Bedeutung durch die besondere Beschaffenheit des symbolischen Zeichens „Libertad“, das schwarz, in sehr lang gezogenen Großbuchstaben und fett gedruckt ist: „Libertad“ ist ohne Frage ein großes, ein gewichtiges Wort und ein wichtiger Wert in vielen, vor allem westlichen Gesellschaftsformen. Das geöffnete, wachsame Auge als ikonisches Zeichen ist kleiner, aber doch gut sichtbar genau in der Mitte der Schrift positioniert. Es verdeckt die Schrift, aber nur zu einem geringen Teil; es zerstört den Schriftzug nicht, macht ihn nicht unlesbar. Der Titel des Gedichts „Libertad vigilada“, das zweite symbolische Zeichen, nimmt das Schlüsselwort des Gedichts wieder auf und stellt ihm ein Attribut zur Seite, das doppeldeutig ist: „Libertad vigilada“ kann sowohl „überwachte Freiheit“ als auch „bewachte Freiheit“ bedeuten. Diese Doppeldeutigkeit spiegelt sich in der Position des Auges im Schriftzug wider. Die Schrift-Bild-Relation wirft die Frage auf, ob die vigilancia - verstanden als Überwachung und störende Kontrolle - die Freiheit einschränkt und stört oder ob sie - verstanden als Bewachung und Schutz - die Freiheit allererst möglich macht und sichert. Eine Antwort darauf liefert das Gedicht genauso wenig, wie es das Abstraktum „Freiheit“ mit Bedeutung füllt. Diese ikonischen und symbolischen Zeichen wahrzunehmen, zu erkennen und in ihrem Zusammenspiel zu deuten, stellt die Aufgabe dar, vor die das poema visual den Rezipienten stellt und zu deren Lösung er visuell-literarischer Kompetenz bedarf. 194 6. Didaktische Transformation nach Kompetenzbereichen Für den Einsatz des Gedichtes im fremdsprachlichen Unterricht Spanisch schlage ich folgende Vorgehensweise vor: Es bietet sich an, das Gedicht den Schülerinnen und Schülern zunächst ohne Titel vorzulegen und sie darum zu bitten zu beschreiben, was sie sehen und lesen: ¿De qué elementos se constituye el poema? Descríbelos detalladamente. In einem weiteren Schritt kann über die Beziehung zwischen den beiden Zeichen reflektiert und, bei höherem Niveau, auch die Schrift-Bild-Relation bestimmt werden (vgl. hierzu Kapitel 4.2.2). Die Schülerinnen und Schüler können dann über die Funktion und Bedeutung der einzelnen Elemente spekulieren ¿qué-función/ significado-tiene-el-ojo? ,- ¿qué-función/ significado-tiene-la-palabra? Anschließend kann das Verhältnis der Zeichensysteme zueinander reflektiert und analysiert werden: ¿Qué relación hay-entre-ambos? -Justifica-tu-idea.-¿Podría-funcionar-el-poema-sin-el-ojo? -¿Podría- funcionar sin la palabra libertad? ¿Qué elementos crees más fuertes? Die Gegenüberstellung von symbolischen und ikonischen Zeichen dient hierbei nicht der Betonung der medialen Darstellungsdifferenz, sondern vielmehr dazu, das Zusammenspiel von Schrift und Bild nachvollziehbar und die besonderen Eigenschaften beider Zeichen bewusst zu machen. Auf diese Weise können nicht nur die Eigenschaften der Zeichen Schrift (symbolisches Zeichen) und Bild (ikonisches Zeichen), sondern darüber hinaus auch deren Wirkungen herausgearbeitet werden. Mögliche Schülerantworten könnten dabei sein: la imagen del ojo me impresiona mucho, porque parece que me está observando / la imagen tiene más fuerza, más efecto / la escritura es más abstracta / la palabra LIBERTAD da mucho qué pensar, la libertad es algo muy abstracto y muy grande etc. Aufgrund seiner Bedeutungsoffenheit und der Abstraktheit des Schlüsselbegriffs „Libertad“ lädt das Gedicht zu deutenden Anschlussbzw. Rezeptionsgesprächen in besonderer Weise ein. Da der Titel zunächst nicht verraten wird, kann der Einstieg in die Anschlusskommunikation über die Frage nach einem möglichen Titel erfolgen. Dabei wird es zu unterschiedlichen Deutungen des ikonischen Zeichens und damit des Verhältnisses zwischen Freiheit und Bewachung oder Überwachung (s.o.) kommen. Die Aufdeckung des Titels und die Semantisierung des Attributs „vigilada“ kann diese Deutungen noch einmal akzentuieren oder allererst ins Gespräch bringen. Die Deutungsnuancen können zudem durch die Aufforderung an die Schülerinnen und Schüler, Beispiele aus ihrem Erfahrungshorizont und Weltwissen zu nennen, illustriert und damit konkretisiert werden. Damit wird zudem an die persönlichen Lebenswelten der Schülerinnen und Schüler angeknüpft und aktuelle Diskussionen wie etwa die Debatte über die Anbringung von Kameras im öffentlichen Raum können thematisiert werden. Ganz zentral wird es bei einem solchen Rezeptionsgespräch darum gehen, den abstrakten Begriff „Libertad“ mit (individueller und/ oder kollektiver) Bedeutung zu füllen und ein Nachdenken darüber zu initiieren, 6.2 Visuell-literarische Kompetenz 195 was Freiheit für jeden Einzelnen und für das Kollektiv bedeuten kann oder sollte und welchen Stellenwert sie in Gesellschaften haben kann. b) Poemas visuales analysieren und deuten Um eine möglichst große Anzahl von poemas visuales im Unterricht behandeln zu können und den Schülerinnen und Schülern einen individuellen Zugang und im Gegensatz zum ersten Beispiel a) einen autonomen Erschließungsprozess zu ermöglichen, ist es sinnvoll, eine umfangreiche Sammlung vorzulegen, aus der die Schülerinnen und Schüler ein poema auswählen können, mit dem sie sich näher beschäftigen sollen. Auf diese Weise können die Lernenden ein Gedicht nach ihren Interessen und Vorlieben auswählen. Sie erhalten den Auftrag, sich ein Gedicht auszusuchen, das sie analysieren und deuten möchten und ihre Entscheidung dafür zu begründen. Die zur Auswahl stehenden Gedichte können entweder thematisch zusammengestellt sein (z.B. zum Thema amor - vgl. hierzu del Valle Luque et al. 2013) oder formal, also Beispiele aus den drei Typen Poemas verbales, Poemas verbo-visuales und Poemas imagen (siehe Kapitel 5) enthalten. Sollte sich eine produktiv-kreative Arbeitsphase anschließen (vgl. z.B. 6.4.4.2.), ist es wichtig, die Auswahl der Gedichte für die Analyse auf das Thema oder die Gestaltungsprinzipien der gewünschten Endprodukte auszurichten. So können die Schülerinnen und Schüler bereits von Anfang an auf das Endprodukt vorbereitet werden. In einem weiteren Schritt erhalten die Schülerinnen und Schüler den Arbeitsauftrag, das von ihnen ausgewählte Gedicht näher zu betrachten und zu lesen und erste Gedanken und Ideen aufzuschreiben. Dieser Aufgabe folgend sollen zunächst die individuellen Ideen und Assoziationen formuliert werden. Ein nächster Arbeitsauftrag lenkt die Schülerinnen und Schüler zu einer Analyse des Gedichtes, indem Kriterien vorgegeben werden, die hinsichtlich der formalen Gestaltungsweise (Titel, Bilder und schriftliche Elemente, Farben, Positionierung der Elemente, Beziehung von Schrift und Bild etc.) zu beachten sind. Dabei können sie Stichpunkte aufschreiben, die beispielsweise einen kurzen mündlichen Vortrag vorbereiten. Anschließend können die Schülerinnen und Schüler über das Thema des Gedichtes nachdenken und die Art und Weise der Darstellung damit in Verbindung bringen. Daran kann eine mündliche Austauschphase anschließen. Beispielsweise in einem Kugellager können die Experten aufeinander treffen und in kurzen Monologen (z.B. Zwei-Minuten-Vortrag) sich gegenseitig „ihre“ poemas vorstellen, sodass jeder auch die Analysen der anderen poemas kennenlernt. Es ist auch möglich, die Wahl des Gedichtes und seine erste Interpretation als vorbereitende Hausaufgabe zu geben und die Unterrichtsstunde mit dem Kugellager zu beginnen. Die Experten stellen den anderen „ihr“ Gedicht vor und erläutern ihnen ihre Beobachtungen zum 196 6. Didaktische Transformation nach Kompetenzbereichen Gedicht, seine Wirkung und die mögliche(n) Bedeutung(en). Den Abschluss kann eine gemeinsame Runde im Plenum bilden, bei der offene Fragen und Kommentare thematisiert werden, aber auch eine Reflexion über die Arbeit mit Poesía Visual erfolgen kann. Ziel dieses Unterrichtsbeispiels ist die intensive Auseinandersetzung der Lernenden mit einem poema visual . Sie sollen die sprachliche und formale Gestaltung eines visuellen Gedichtes aufmerksam wahrnehmen, sich auf den Sinnbildungsprozess einlassen und sich über mögliche Interpretationen austauschen. Bei der Analyse der Gedichte können sie durch kleinschrittigere Fragen mit gemeinsamer Auswertung im Plenum oder durch sprachliche Hilfen unterstützt und geleitet werden. Dabei sollen sie sich an den Kriterien orientieren, die den Blick auf inhaltliche, sprachliche und ästhetische Gestaltungsaspekte und deren Wirkung lenken. 6.2.5.2 Produktiv-kreative Herangehensweisen c) Kreative Schreib- und Sprechanlässe Poemas visuales machen wenig Worte und erzeugen so hohen Gesprächs- und Deutungsbedarf. Die sprachliche Reduktion und Ökonomie durch Verdichtung und Visualisierung, die sie auszeichnet, eröffnet Raum für individuelle Deutungen und kollektive Aushandlungsprozesse und damit für schriftliche und mündliche Sprachproduktion. In der Auseinandersetzung mit ihnen muss ein Text zu allererst generiert werden. In diesem Sinne verstehe ich Poemas visuales als kreative Schreib- und Sprechanlässe, die an die Imaginationskraft der Rezipienten appellieren und diese zugleich stimulieren und ausbilden können. Dabei können zum einen kreativ-imaginative Produkte entstehen, also geschriebene oder gesprochene Texte, die keiner literarischen Gattung bzw. keinem Genre im engeren Sinne angehören wie etwa freies assoziatives Schreiben, innere Monologe oder improvisiertes szenisches Spiel. Zum anderen können poetische Texte verfasst werden, die einem konkreten literarischen Genremodell folgen (also etwa microrrelatos , poemas oder auch eine Karikatur oder ein Comicstrip (vgl. zur Unterscheidung zwischen kreativem und poetischem Schreiben Rössler 2007a). Aufgabenbeispiel 1: Breve historia de amor Die durch poetische Verdichtung und Ökonomisierung unvermeidlich entstehenden Aussparungen bieten den Schülerinnen und Schülern Raum, ihr Weltwissen, ihren Erfahrungshorizont und auch ihre Emotionen einzubringen. Anhand des poema „Breve historia de amor“ (Abbildung 53) lässt sich das kreativ-imaginative Füllen dieses Raumes beispielhaft initiieren: 6.2 Visuell-literarische Kompetenz 197 Abbildung 53. Breve historia de amor (2010), Juan José Ruiz Fernández Zu sehen sind zwei nebeneinander platzierte Fotos, auf denen jeweils eine filetierte Hähnchenbrust gezeigt wird, das der Form eines Herzens gleicht. Im linken Bild ist das Filet im rohen, im rechten im gebratenen Zustand abgebildet. Dies liefert den Effekt eines Vorher-Nachher-Bilds. Die große Leerstelle, bzw. das literarische information gap, ist die Trennlinie, also die Lücke zwischen beiden Fotos. Was sich dazwischen, also in dieser Liebesgeschichte, deren Anfangs- und Endstadium wir hier vermeintlich sehen, abgespielt hat, bleibt genauso offen wie die Frage, was genau mit einem rohen und einem gebratenen Hähnchenbrustfilet eigentlich zum Ausdruck gebracht werden soll. Genau dieses bedeutungsoffene Zusammenspiel von ikonischen und symbolischen Zeichen motiviert den lesenden Betrachter jedoch dazu, sich eine eigene Version zu imaginieren, und prädestiniert Breve historia de amor als kreativ-imaginativen Schreib- oder Sprechanlass. Die Schülerinnen und Schüler können dieses poema so samt Titel vorgelegt bekommen und dazu aufgefordert werden, zuerst einmal die Bedeutung des Titels zu eruieren und anschließend die Frage ¿Qué tipo de historia de amor es ésta? zu beantworten. In einem zweiten Schritt erhalten sie den Arbeitsauftrag, die im Titel suggerierte Breve historia de amor schriftlich oder mündlich zu erzählen. Dies kann sowohl in Form eines kreativ-imaginativen Produkts geschehen (beispielsweise ein innerer Monolog aus der Perspektive des Hähnchenbrustfilets) oder in Form eines literarischen Textes (etwa einer historieta ). 2. Aufgabenbeispiel: Rutina o ruina Einen überaus stimulierenden kreativen Sprech- oder Schreibanlass stellt auch das Gedicht „Ruina“ dar (Abbildung 54). Trotz maximaler Reduzierung des Sprachmaterials gelingt es mit diesem poema , eine eigentlich komplexe Aussage sprachspielerisch auf den Punkt zu bringen. 198 6. Didaktische Transformation nach Kompetenzbereichen Abbildung 54. Ruina (2007), Mikel Jáuregui Die symbolischen Zeichen, bestehend aus sechs Buchstaben, ergeben das Wort Rutina , der rote Balken, der schräg über das t gezogen ist, ermöglicht das Lesen des Wortes Ruina , was auch im Titel antizipiert wird. Die visuell-grafische und auch phonetische Nähe dieser beiden Begriffe („Routine“ und „Ruine“) erzeugt einen Bedeutungszusammenhang zwischen rutina und ruina . Jeder Rezipient nimmt den Zusammenhang von rutina und ruina jedoch unterschiedlich wahr und füllt die poetische Aussparung mit eigenen Gedanken. Der Rezipient beantwortet für sich die Fragen: Was bedeutet Routine? Was hat Routine mit Ruine gemein? Entsteht eine Ruine, wenn zu viel Routine vorhanden ist oder umgekehrt: Wird das Leben allererst zur Ruine, wenn keine Routine einkehrt? Das poema fordert geradezu dazu auf, den „fehlenden“ Text und damit den Zusammenhang selbst herzustellen. Als motivierender Einstieg könnten die Schülerinnen und Schüler zunächst dazu aufgefordert werden, das poema visual in nur einem Satz auf den Punkt zu bringen: 1. Transforma el poema visual en una sola frase. Dieser bildet den Ausgangspunkt für den Folgearbeitsauftrag: 2.-Escribe-un-texto-ensayístico/ reflexivo- en-el-que-hables-sobre-tu-significado-de-la-rutina. Als Ergebnis erzeugen die Schülerinnen und Schüler einen diskursiven (und damit durchaus kreativ-imaginativen) Text über ihre eigene Betrachtung der Routine und ihre Erfahrungen damit. d) Gattungstransformation: Del poema visual al micropoema In der Transformation von (eher) ikonisch-präsentativen zu (eher) symbolischdiskursiven Textformen können die Schülerinnen und Schüler ihre rezeptive visuell-literarische Kompetenz in Eigenproduktionen unter Beweis stellen, indem sie sowohl über die Gattungsspezifika des Ausgangstextes (hier das poema visual ) als auch über jene des Zieltextes (hier das micropoema ) nachdenken müssen. In diesem - und auch im folgenden Unterrichtsbeispiel - geht es also um poetisches Schreiben (s.o.). 6.2 Visuell-literarische Kompetenz 199 Micropoemas eignen sich im Zusammenspiel mit poemas visuales gut, um Gattungstransformationen zu üben und damit für genrespezifische Elemente literarischer Texte zu sensibilisieren. Analog zum microrrelato ist das micropoema (durch die Vorsilbe „micro“ kenntlich gemacht) eine besonders kurze Form eines Gedichtes, das meist aus nur einem einzigen Satz besteht. Im Gegensatz zum microrrelato (oder microcuento , cuento brevísimo , minicuento ), das sich in der Tradition etwa von Jorge Luis Borges oder Julio Cortázar als Kürzesttextgattung der spanischsprachigen Gegenwartsliteratur längst etabliert hat und als „un subgénero literario en prosa cuya articulación ficcional vendría a estar estructurada por la narratividad y la hiper-brevedad“ (Álamo Felices 2010) definiert wird, lässt sich für das micropoema (bislang noch) keine literaturwissenschaftliche Definition finden. Das mag daran liegen, dass micropoemas schwer von microrrelatos (und anderen literarischen Kürzesttexten) abzugrenzen sind. Am ehesten lässt sich als distinktives Merkmal von micropoemas in Abgrenzung zu microrrelatos festhalten, dass sie eher eine Botschaft, eine Weisheit oder einen Denkanstoß formulieren (etwa in Form einer Sentenz) denn eine Erzählung darstellen; sie weisen in der Regel nicht das für den microrrelato konstitutive Kriterium der narratividad auf. Micropoemas können in sehr verschiedenen Formen erscheinen: beispielsweise als isolierte Verse, als rythmische Kleinsteinheiten (z.B. Reime, Alliterationen etc.) oder auch als Aphorismen in Versform. Kennzeichnend ist dabei immer das Kürzestformat. Als Modellvorlage für die hier vorgestellte poetische Schreibaufgabe habe ich die micropoemas von Ajo, einer zeitgenössischen spanischen Dichterin, ausgewählt. Viele ihrer Mikrogedichte sind online verfügbar und daher für den Spanischlehrenden leicht zugänglich (vgl. Ajo 2007). Im Folgenden sind zwei der ersten Gedichtsammlungen von Ajo, Micropoemas I und Micropoemas II , aufgeführt. Jedes micropoema habe ich mit einer römischen Zahl (I-X) gekennzeichnet. Micropoemas I 7 : (I) Perdona por pedirte peras, no sabía que eras un olmo. (II) Te hiciste feliz de repente, como si no tuvieras otra cosa que hacer en la vida. (III) Qué ganas me dieron anoche de desenchufar la luna, y salir corriendo a la calle para quejarme a oscuras (¡ay! ). (IV) Si le sumo mi soledad a la tuya, ¿qué es lo que obtengo a cambio, dos soledades o ninguna? (¿eh? ) (V) El mar y el viento me dicen algo … pero no lo entiendo (¡qué cosas! ). (VI) Es triste pedir … pero más triste es no dar. 7 Ajo (2012), Arrebato Libros, Madrid. Römische Zahlen von mir ergänzt. 200 6. Didaktische Transformation nach Kompetenzbereichen (VII)-Esto-supera-la-ficción,-debe-de-ser-la-realidad. (VIII) Siempre siempre siempre siempre siempre siempre siempre siempre … y aún así me parece poco. (IX) Tenía tanto que disimular, que silbaba dos canciones al mismo tiempo (¡el tío! ). (X) No sabes dar besos, pero es por no saber dar, más que por no saber besar. Micropoemas II 8 : (I) Me voy a la cama … que tengo mucho que soñar. (II) Todo el mundo tiene nada que decir. (II) Mal asunto si solo soñamos cuando estamos dormidos. (III) Reclamación, devuélveme lo que te he querido. ¡No he quedado satisfecha! (IV) Vendo agendas pequeñas para gente de pocos amigos. (V) La vida es así, me la estoy inventando yo. (VI) Vuelve la luna a estar llena esta noche. ¿Pero de qué? (VII) Desordenando la felicidad me encontré con la vida. (VIII) Qué suerte tengo de que te sobren los besos que a mi me faltan. (IX) El día que dejemos de enamorarnos como perras nos aburriremos como ostras. Das micropoema soll die Zieltextsorte darstellen, in die das poema visual transformiert wird. Deshalb ist es sinnvoll, die Textsorte zuerst zu behandeln und den Schülerinnen und Schülern Modellvorlagen zugänglich zu machen, an denen sie sich bei ihren Eigenkreationen orientieren können. Die micropoemas von Ajo sollten im Vorfeld vorgestellt und gedeutet werden; zudem sollte zusammengetragen werden, wodurch sich micropoemas sprachlich und inhaltlich auszeichnen. So kann später darüber reflektiert werden, ob und inwiefern sich micropoemas und poemas visuales gestalterisch und thematisch ähneln. Mit der Verwandlung eines poema visual in ein micropoema transformieren die Schülerinnen und Schüler eine visuell gestützte in eine nicht visuell gestützte poetische Kurztextform und gewinnen dabei Erkenntnisse über die Beschaffenheit eines visuell-poetischen Textes. Dazu kann ihnen erneut eine Sammlung von poemas visuales vorgelegt werden (vgl. b) Poemas visuales analysieren und deuten), aus denen sie (eines oder mehrere) auswählen, um es in ein micropoema zu transformieren. Prinzipiell eignet sich dafür jedes poema visual , vornehmlich aber das poema imagen , da es aufgrund des höheren Anteils ikonischer Zeichen 8 Ajo (2013), Arrebato Libros, Madrid. Nummerierung von mir ergänzt. 6.2 Visuell-literarische Kompetenz 201 eine größere Bedeutungsoffenheit bietet, die für das Kreieren eines micropoema förderlich ist. e) Gestaltung eigener poemas visuales Durch die eigene Produktion von poemas visuales erfahren und erproben die Schülerinnen und Schüler die rezeptiv erworbenen Fähigkeiten. Die Lernenden sollten dazu bereits Erfahrungen mit poemas visuales vorweisen und verschiedene Gestaltungsformen kennen gelernt haben. In Einzel- oder Partnerarbeit können die Lernenden ein poema visual zu einem bestimmten Thema kreieren, das sie sich aussuchen oder das ihnen vorgegeben wird. Es ist wichtig, die Schülerinnen und Schüler an die kreative Arbeitsphase heranführen. Die Gestaltung eigener poemas visuales lässt sich in eine Lernaufgabe (vgl. Schinke/ Steveker 2013) integrieren, deren Ziel ( tarea- final ) die Organisation und Durchführung beispielsweise einer Ausstellung ( Exposición de Poesía Visual ) sein kann, in der die selbstkreierten Gedichte sowie weitere dazu entstandene Texte (z.B. Interpretationen der Gedichte, Informationen zu den Autoren) ausgestellt werden. Die Ausstellung sollte idealerweise in einem „öffentlichen“ Raum stattfinden, beispielsweise im Rahmen einer Projektwoche, eines Schulfestes, o.Ä. Je realitätsnäher die Umsetzung der Exposición ist, desto größer wird die Motivation der Schülerinnen und Schüler sein, daran mitzuwirken. Die Organisation einer „realen“ Ausstellung dient im Sinne der Lernaufgaben dazu, einen Lebensweltbezug herzustellen, der die Schülerinnen und Schüler zu authentischen Kommunikationssituationen einlädt und sie dazu animiert, aktiv daran teilzuhaben. Nachdem die Phase der Eigenkreation abgeschlossen ist, können die Schülerinnen und Schüler dazu angeregt werden, Interpretationen zu den Gedichten ihrer Mitschülerinnen und Mitschüler zu verfassen. Ausgehend von der Organisation der Ausstellung, in der die von den Lernenden kreierten Gedichten sowie die entsprechenden Interpretationen als Erklärtexte für die Besucherinnen und Besucher ausgestellt werden sollen, beschäftigen sich die Lernenden intensiv mit einem jeweils zugeteilten visuellen Gedicht einer Mitschülerin oder eines Mitschülers. Dabei sollen zum einen inhaltliche und strukturelle Aspekte, wie die Nennung des Autors/ der Autorin, des Titels, des Themas erwähnt werden. Zum anderen ist es von großer Bedeutung, dass die Schülerinnen und Schüler der Formgebung des Gedichtes genügend Aufmerksamkeit schenken und sie in Beziehung zu dessen Inhalt setzen. Im Rahmen einer Kurzinterpretation werden die Lernenden dazu angehalten, sich intensiv mit einem poema visual zu beschäftigen und eine literarische Anschlusskommunikation in schriftlicher Form zu vollziehen. Außerdem wird im Auftrag auf die Subjektivität von Gedichtinterpretationen eingegangen, um die Schülerinnen und Schüler dafür zu 202 6. Didaktische Transformation nach Kompetenzbereichen sensibilisieren, dass eine Interpretation grundsätzlich als Annäherung an einen poetischen Text zu verstehen ist und nicht als Erklärung des vom Autor Intendierten. Aus diesem Grund ist es wichtig, dass die Lernenden ein fremdes und nicht ihr eigenes Gedicht schriftlich interpretieren. 9 Zu welchen Eigenkreationen die beschriebene Aufgabe führen kann, sollen die im Anhang aufgeführten Beispiele zeigen, die im Rahmen einer durchgeführten Reihe in einer 9. Jahrgangsstufe eines Gymnasiums (durchgeführt von Waltraud Löchel) zum Thema Poesía Visual entstanden sind (siehe Anhang 2; ebd., 26f.). Eine Ausstellung ist ein Veranstaltungsbeispiel, das viele Möglichkeiten für die Produktion schriftlicher und mündlicher Metatexte bietet. So könnte überhaupt erst ein Titel für die Ausstellung gefunden werden, der anschließend (beispielsweise in einem Erklärtext) in Zusammenhang zum Ausstellungsthema gebracht wird. Des Weiteren gehören zu Ausstellungen auch Führungen, die sowohl auf spanischer Sprache (z.B. für Schülerinnen und Schüler anderer Klassen) als auch auf Deutsch gehalten werden können, wenn ein Publikum eingeladen ist, das kein Spanisch versteht. Hier ist die Sprachmittlungskompetenz gefragt, wenn die Schülerinnen und Schüler die Titel der poemas , Bildelemente und auch Erklärtexte ins Deutsche übertragen. Es bieten sich viele andere Arrangements mit Anknüpfungen an die „Öffentlichkeit“ an, um kreative Schülerprodukte, hier die poemas visuales , im Unterricht zu würdigen (z.B. die Erstellung eines Blogs und Verlinkung mit Internetseite der Schule, die Zusammenstellung einer Anthologie oder eines Ausstellungskatalogs (digital oder analog), das Drehen einer Dokumentation oder Videos, das Drucken von Postkarten etc.), die es erlauben, Leistungen der Schülerinnen und Schüler wahrzunehmen und „Rückmeldungen an den Urheber“ (Sommerfeldt 2004, 7) zu geben. Solche Foren eröffnen eine „echte“ Interaktion zwischen Autorinnen und Autoren und Zuschauerinnen und Zuschauer (und Leserinnen und Leser); es entstehen so authentische Kommunikationsräume für ästhetische Produkte. 6.3 Lexikalische Kompetenz Viele poemas visuales bestehen aus isolierten Wörtern (manchmal sogar aus nur einem einzigen Wort) oder kombinieren isolierte Wörter mit Bildern oder Bildelementen. Das poetisch-visualisierte Wort spiegelt den semantischen Wert des Begriffs oftmals auf raffinierte Weise wider. Aufgrund dieser Eigenschaften erscheinen poemas visuales für die Wortschatzarbeit geradezu prädestiniert, da 9 Die Idee zur literarischen Anschlusskommunikation durch Kurzinterpretationen verdanke ich Katharina Kräling, Elena Glawion und Waltraud Löchel (vgl. del Valle Luque et al. 2013). 6.3 Lexikalische Kompetenz 203 ein rechtshemisphärisches Speichern visuell-mentaler Wortbilder, die Orthografie und Semantik eines Lexems vereinen, angeregt wird. Das vorliegende Kapitel macht es sich zur Aufgabe, das lexikalisch-sprachdidaktische Potenzial von poemas visuales zu beleuchten. Die erkenntnisleitende Frage ist dabei, inwiefern der Einsatz von poemas visuales zur Festigung und Erweiterung des Wortschatzes und damit zur Förderung der lexikalischen Kompetenz beitragen kann. Ausgehend von einer gegenstandsorientierten Betrachtung, in der die spezifischen Eigenschaften von poemas visuales im Hinblick auf deren besondere Eignung für das Wortschatzlernen analysiert werden, ergeben sich zwei wortschatzdidaktisch relevante Ebenen: zum einen die Funktion von poemas visuales als Hilfsmittel für das Merken und Behalten von Wörtern und zum anderen die Verwendung von poemas visuales zur Erschließung und Konsolidierung eines neuen Wortschatzes. Zudem stellt sich die Frage, inwiefern sich insbesondere poemas visuales zum Üben, Experimentieren und zum freien kreativen Umgang mit Wörtern anbieten. In der Fremdsprachendidaktik ist mittlerweile unumstritten, dass die Ausbildung fremdsprachlicher Kompetenzen nur im Zusammenhang mit einem im Vorfeld erlernten Wortschatz erfolgen kann und dass der Wortschatz wichtiger als die Grammatik ist (vgl. Haudeck 2008, 45). „Language consists“, so bringt es Michael Lewis auf den Punkt, „of grammaticalised lexis, not lexicalised grammar. […] Grammar as structure is subordinate to lexis“ (Lewis 2009, vi/ vii). Was insbesondere die linguistische Kompetenz betrifft, die im Gemeinsamen europäischen Referenzrahmen (GeR) als „Kenntnis der formalen Mittel, aus denen wohlgeformte, sinnvolle Mitteilungen zusammengesetzt und formuliert werden können, und als die Fähigkeit, diese auch zu verwenden“ (Europarat 2001, 110), definiert wird, bildet die lexikalische Kompetenz die Basis, auf der die grammatische, die semantische und die phonologische Kompetenz aufbauen. Mit dem Begriff „lexikalische Kompetenz“ (ebd., 111) wird die „Kenntnis des Vokabulars einer Sprache, das aus lexikalischen und aus grammatischen Elementen besteht, sowie die Fähigkeit, es zu verwenden“ (ebd.), bezeichnet. Im Folgenden gilt es zunächst, Grundlegendes zum Wortschatz lernen und zur Wortschatz arbeit im Fremdsprachenunterricht zu erarbeiten, um daran anschließend das Wörterlernen mit poemas visuales im Besonderen zu beleuchten. Drei Bereiche des Wortschatzlernens sind von besonderer Relevanz: Visualisierungen (aus der Perspektive des Gegenstandes poema visual ) und Individualisierung (im Hinblick auf den Fremdsprachenlernenden) sowie - als kleiner Exkurs - der Einfluss von Emotionen beim Wortschatzlernen. Zum Abschluss wird die Wortschatzarbeit mit poemas visuales anhand verschiedener Unterrichtsbeispiele exemplarisch vorgestellt. 204 6. Didaktische Transformation nach Kompetenzbereichen Der Wortschatz eines jeden Lerners bildet das Fundament seines Sprachenlernens. Die deutsche Bezeichnung Wort schatz macht eindrucksvoll deutlich, wie wichtig und kostbar Wörter für das Sprachenlernen sind. Er umfasst zunächst das gesamte Repertoire an fremdsprachigen Wörtern, über welche die oder der Lernende verfügt (vgl. KMK 2003, 14). Im (Fremd-)Sprachenunterricht ist das Erlernen fremder Wörter ein unaufhörlicher Prozess, der im Sinne des lebenslangen Lernens niemals abgeschlossen ist. Dabei wird der Wortschatz systematisch aufgebaut. Für die Sekundarstufe I soll er ausreichend groß sein, damit sich die Schülerinnen und Schüler in der Fremdsprache „über die häufigsten Alltagsthemen der eigenen und fremdsprachlichen Gesellschaft und Kultur“ (ebd., 14 f.) äußern können. Für den Spanischunterricht entspricht dies einem Grundwortschatzspektrum von etwa 2000 Wörtern, das sich im Aufbauwortschatz um 2500 auf etwa 4500 Wörter vergrößert (vgl. Heupel 2000, 6). Darüber hinaus wird zwischen rezeptivem (auch passivem) und produktivem (aktivem) Wortschatz, der im „mentalen Lexikon“ 10 gespeichert wird, sowie dem potenziellen Wortschatz unterschieden (vgl. KMK 2003; Neveling 2010; Stork 2003). Mit rezeptivem Wortschatz ist der passive Bestand an Worteinheiten gemeint, die hörend oder lesend verstanden werden; der produktive Wortschatz bezeichnet den Vorrat an Wörtern, die (jederzeit) aktiv verfügbar sind; und potenzieller Wortschatz steht für im mentalen Lexikon noch nicht vorhandene Wörter, die aber selbstständig durch das „prozedurale Zusammenspiel aus Vorwissen und Verstehens- und Produktionsstrategien“ (Neveling 2010, 332) erschlossen werden können. Die Organisation und Anwendung von Wortschatz wird im GeR dem Bereich der kommunikativen Kompetenzen zugeordnet (vgl. Europarat 2001, 25). Das Wortschatzlernen gilt wie bereits angedeutet als niemals abgeschlossen, was sich im GeR widerspiegelt, wo eine Skala für das „Wortschatzspektrum“, unterteilt in „gewusster Wortschatz“ und „Wortschatzbeherrschung“ und alle Niveaustufen des Fremdsprachenlernens (A1-C2) betreffend, dargestellt ist (vgl. Europarat 2001, 111 f.). Unter Wortschatzlernen oder Wortschatz erwerb (Stork 2003, 14 ff.), ein Begriff, der die verschiedenen Formen der Aneignungsprozesse besser hervorhebt, wird die Gesamtheit der fremdsprachlichen Wortschatzaneignungen verstanden. Es werden drei Formen des Wortschatzerwerbs unterschieden: 1. der inzi- 10 Das „mentale Lexikon“ wird im Allgemeinen als das (Fremd-)Sprachwissen im Gedächtnis verstanden. Der aus der Psycholinguistik stammende Begriff umfasst das menschliche lexikalisch repräsentierte Wissen, das sowohl rechts- (sensorisches Areal) als auch linkshemisphärisch im Gehirn verortet ist. Im Gegensatz zu der Vorstellung eines Buch- Lexikons ist das mentale Lexikon nicht in alphabetisch-sukzessiver Ordnung, sondern in modularisierter Vernetzung organisiert (vgl. Lutjeharms 2004; Wolff 2002a, 2002b). 6.3 Lexikalische Kompetenz 205 dentelle Wortschatzerwerb: auch als beiläufiger Wortschatzerwerb bezeichnet, weil er beiläufig und unbeabsichtigt erfolgt; 2. der unterrichtlich gesteuerte Wortschatzerwerb: die eigentliche Wortschatzarbeit, die die im Unterricht von der Lehrperson gesteuerte Wortschatzvermittlung bezeichnet; und 3. der lernergesteuerte Wortschatzerwerb: das vom Lernenden ausgehende, autonome Erlernen des fremdsprachlichen Wortschatzes. Nachfolgend sind Wortschatzarbeit sowie lernergesteuerter Wortschatzerwerb von besonderem Interesse. Letzterer ist insbesondere für den Bereich der Angebote, die den Schülerinnen und Schülern mit poemas visuales für das autonome (meistens häusliche) Wortschatzlernen gemacht werden können, sowie für die Motivation und Eigeninitiative für das produktive Lernen bedeutsam. Es gibt eine Reihe von Untersuchungen und Modellen für die verschiedenen Phasen (Dimensionen nach Quetz (1995)) der Wortschatzarbeit (vgl. u. a. Haudeck 2008, 68 ff.; Quetz 1995; Rampillon 1996, 29ff.). Alle verfolgen das Ziel, den Prozess des Wortschatzlernens von der Aufnahme bis zur erfolgreichen Anwendung von Wörtern systematisch zu modularisieren. Neveling fasst den Prozess in vier Phasen zusammen und orientiert sich dabei im Wesentlichen an den Strukturen des mentalen Lexikons (vgl. Neveling 2010, 333 f.). Die vier Phasen sind: 1. die Semantisierungsphase, das Wahrnehmen von Wörtern und ihren Bedeutungen; 2. die Festigung, das Behalten und Speichern von Wörtern; 3. die Sprachanwendung, die syntagmatische Verwendung von Wörtern; und 4. die Kontrolle, das Überprüfen von lexikalischem Wissen. Im Folgenden wird sowohl in den Reflexionen über Visualisierung und Individualisierung beim Wortschatzlernen als auch in der sich daran anschließenden Entwicklung von wortschatzdidaktischen Verfahren jeweils auf die Semantisierungs-, Festigungs- und Sprachanwendungsphase rekurriert. 11 Dabei beziehen sich rezeptive wortschatzdidaktische Verfahren tendenziell mehr auf die Semantisierungsphase und produktive eher auf die Sprachanwendungsphase. Die Festigungsphase kann sowohl für das rezeptive als auch für das produktive Wortschatzlernen ein Handlungsfeld darstellen. Die folgende Grafik gibt diese Phasen und ihre Beziehung zu rezeptiver beziehungsweise produktiver Wortschatzarbeit vereinfacht wieder. 12 11 Visualisierungen können auch in der 4. Phase zur Erfolgskontrolle und Messung des Wortschatzerwerbs, beispielsweise in Tests, verwendet werden. Dieser Aspekt wird hier nicht berücksichtigt, weil es dabei nicht primär um den Gegenstand ( poema visual ), sondern um den Wortschatz und dessen Leistungsmessung geht. Selbstverständlich sind Wortschatztests mit poemas visuales denkbar, diese liegen aber nicht im Interessengebiet der Arbeit und daher wird nicht weiter darauf eingegangen. 12 Mit den gestrichelten Linien werden in der Grafik die fließenden Übergänge deutlich gemacht. 206 6. Didaktische Transformation nach Kompetenzbereichen Abbildung 55. Drei Phasen (ausgenommen Phase 4 - Kontrolle) der Wortschatzarbeit in Beziehung zu Rezeption bzw. Produktion 6.3.1 Visualisierung In der Wortschatzarbeit sind Visualisierungen (grafische Gestaltungen, Bilder, Fotos, Gegenstände etc.) in allen drei genannten Phasen sinnvoll einsetzbar: 13 in der Semantisierungsphase als Hilfestellung bei der Erzeugung von Bedeutung, in der Phase der Festigung für die Veranschaulichung von Bedeutungen und in der Phase der Sprachanwendung als Auslöseimpuls von sprachlicher Produktion in einem bestimmten kommunikativen (thematischen) Kontext (vgl. Neveling 2010, 333). In der Semantisierungs- und der Festigungsphase dienen Visualisierungen als Strategien für das Memorieren und Konsolidieren, also zur „Steigerung der Behaltensleistung“ (Rössler 2009a, 8). Weil Wörter im mentalen Lexikon nicht nur begrifflich-abstrakt, sondern auch bildlich-visuell abgespeichert werden, aktivieren visuelle Wahrnehmungen den entsprechenden Speicherungsmechanismus im Gehirn und erhöhen damit die Behaltensleistung (vgl. Lawrenz 2009, 6 f.). Für die sensorischen, mithin auch die optischen Wahrnehmungen und Speicherungen im Gedächtnis ist die rechte Hemisphäre des Gehirns zuständig. Genauer handelt es sich um die Gehirnareale des „rechten inferioren frontalen Gyrus“ und des „rechten posterioren parietalen Gyrus“ (ebd., 10). Optische Wahrnehmungen werden zunächst im sensorischen Gedächtnis gespeichert, was das Übertragen der Informationen in das Langzeitgedächtnis begünstigt (ebd.). Lawrenz Untersuchungen folgend, bedeutet dies für die Wortschatzarbeit, dass Wörter, die unter Aktivierung der rechten Gehirnhälfte durch optisch-sensorische Repräsentation gelernt werden, nachhaltiger gespeichert werden. Wenn außerdem der (abstrakte) lexikalisch-semantische Worteintrag mit dem mentalen Bild eines visuellen Referenzobjekts verknüpft ist, ist der Erfolg des langzeitlichen Behaltens in höherem Maße gewährleistet. Die didaktischen Folgerungen aus diesen Erkenntnissen betreffen Wortspeicherungswie auch Wortschreibungstechniken, denn nicht nur das Speichern von Wortbedeutungen, sondern auch die orthografisch korrekte Wortschrei- 13 Gemeint sind hier lediglich statische, d.h. bildsymbolische Visualisierungen. Nicht gemeint sind daher bewegte Bilder oder non-verbale Kommunikation (vgl. Schwerdtfeger 1989). 6.3 Lexikalische Kompetenz 207 bung ist Bestandteil des mentalen Lexikons. Die Aktivierung der visuellen Repräsentation von Wörtern im mentalen Lexikon begünstigt demnach das erfolgreiche Lernen korrekter Orthografie (vgl. ebd., 10 f.). Insbesondere im Bereich orthografischer Schwierigkeiten (beispielsweise bei geringen Aktivierungsgraden wie Wortmitte, Geminate oder unbekannten Vokalclustern) verhelfen Visualisierungen zum Lernerfolg (vgl. ebd.). Auch in der Sprachanwendungsphase, in der es darum geht, eine syntagmatische, morphosyntaktische, kollokatorisch richtige und pragmatisch angemessene Sprachverwendung zu üben, sind Visualisierungen sehr hilfreich (vgl. Neveling 2010, 334). Sie stellen Sprechanlässe oder thematische Ausgangspunkte dar, die es ermöglichen, dass neue Wörter „erfragt, benannt, beschrieben, erklärt, paraphrasiert usw.“ (ebd.) werden müssen. Verfahren der Sprachanwendung können von der Lehrperson geleitet im Plenum oder in Gruppen- oder Partnerarbeit beziehungsweise als individuelle Einzelarbeit schriftlich oder mündlich durchgeführt werden. Dabei kann die Wortschatzerweiterung dem Fremdsprachenniveau der Lernenden angeglichen werden: Das Spektrum reicht vom Üben von isolierten Wörtern wie Substantiven, Verben im Infinitiv und Adjektiven bis zum Verfassen eines zusammenhängenden Textes. Das Kontextualisieren neu erlernter Wörter ist ein wichtiges Kriterium für gute Wortschatzübungen und Übungsgrundsätze (vgl. Rössler 2009a, 9). Das Speichern neuer Wörter gelingt im mentalen Lexikon besser, wenn die Wörter miteinander sinnhaft verknüpft sind. Generell werden im Gehirn alle Informationen vernetzt gespeichert. Das mentale Lexikon und die darin gespeicherten Wörter (mutter- und fremdsprachlicher Natur) sind auch mit Schemata des individuellen Weltwissens verknüpft. Und alle Informationen in unserem Gehirn, darunter natürlich auch der fremdsprachliche Wortschatz, sind an unsere individuellen Erfahrungen gebunden (vgl. Wolff 2002a, 13). 6.3.2 Individualisierung und Autonomie Individualisierung in der Wortschatzarbeit, so haben Forschungen gezeigt, fördert „die aktive, bei jedem Lerner unterschiedlich verlaufende Vernetzung des Wortschatzes im mentalen Lexikon“ (Kolacki 2006a, 3). In diesem Zusammenhang wird von der konstruktivistischen Prämisse ausgegangen, dass das menschliche Gehirn „ständig und autonom Wirklichkeit konstruiert“ (ebd., 2). Hierbei wird Individualisierung von der Autonomie des Fremdsprachenlernenden insofern unterschieden, als letztere das eigenständige und selbstgesteuerte Lernen bezeichnet. Bei Individualisierung geht es im Fall der Wortschatzarbeit hingegen um das Einbeziehen des individuellen Wissens und der individuellen Interessen eines Lernenden beim Erlernen eines neuen Wortschatzes. 208 6. Didaktische Transformation nach Kompetenzbereichen Aufgaben, die Individualisierung des Wortschatzlernens und autonomes Wortschatzlernen erlauben, sind dementsprechend besonders nachhaltig. Es steht außer Frage, dass ein bestimmter kollektiver Wortschatz als Basis für den Fremdsprachenlernenden vorhanden sein muss. Der hier gemeinte Lernvorgang bezieht sich mehr auf eine Konstruktion anstatt auf eine Instruktion von Wortschatz (vgl. ebd., 2). Anders als in der muttersprachlichen Wirklichkeit ist der Wortschatz im schulischen Fremdsprachenunterricht (im Unterrichtsgeschehen selbst) „normiert“ (ebd.). Lektion für Lektion werden in den Lehrbüchern die zu erlernenden Wörter vorgegeben, gelegentlich lassen sich Ergänzungen für den außerschulischen Gebrauch finden. Doch auch solche Wörter sind im Prinzip vorgegeben. Kolacki zufolge widersprechen diese Vorgehensweisen den neuesten kognitionspsychologischen Erkenntnissen, die besagen, dass die autonome Konstruktion von Wissen für ein erfolgreiches Lernen fundamental ist (ebd.). Die Wortschatzarbeit im Fremdsprachenunterricht sollte daher dieser Erkenntnis folgen und den Lernenden Lernszenarien anbieten, in denen ein individuelles und autonomes Wortschatzlernen möglich ist. Mit dem Fokus auf dem poetischen Lerngegenstand, dem poema visual, erscheinen folgende Aspekte der individuellen und Lernerautonomie fördernden Wortschatzarbeit besonders interessant: die autonome Verwendung eines Wörterbuches (a. Wörterbucharbeit), die selbstgesteuerte und selbstorganisierte Vernetzung von Wörtern (b. Wörternetze) und die autonome Konstruktion von Wissen bei kreativen Aufgabenformaten (c. Kreativität). a) Wörterbucharbeit Wenn Fremdsprachenlernende ausgehend von einem visuellen Impuls vor die Aufgabe gestellt werden, individuellen Wortschatz ins Spanische zu übertragen, benötigen sie lediglich ein Wörterbuch. Problemlos lassen sich darin je nach Sprachniveau isolierte oder zusammenhängende Wörter heraussuchen. Ein Wörterbuch bietet viele Worterschließungs- und Worterkundungsmöglichkeiten, freilich noch mehr in der digitalen, mit dem Web vernetzten Version. Reden wir von Wort schatz , ist das Wörterbuch eine „Schatztruhe“ (Rampillon 2001, 40). Das Arbeiten mit dem Wörterbuch (Digital- oder Printversion) ist ein wichtiger und meist vernachlässigter Bestandteil der Wortschatzarbeit, der sich nachhaltig auf die Motivation und Fähigkeit zum autonomen (schulischen und außerschulischen, langfristig auch beruflichen) Wortschatzlernen auswirkt (vgl. ebd.; Meyer 2001, 62). Die Möglichkeit, selbstständig den fremdsprachlichen Wortschatz zu recherchieren und Wortkombinationen (nicht zwingend syntaktisch-zusammenhängend) zu erschließen, vereinfacht den Umgang mit der fremden Sprache ungemein und nimmt die Angst vor neuen Wörtern. Das isolierte Suchen nach Wörtern motiviert insbesondere leistungsschwache Fremd- 6.3 Lexikalische Kompetenz 209 sprachenlernende zum Nachschlagen. 14 Der Umgang mit dem Wörterbuch will dabei allerdings gelernt sein. Die Wörterbucharbeit ist insgesamt eine Hinführung zur Entwicklung eigener kognitiver und metakognitiver Strategien zur Erschließung eines potenziellen Wortschatzes (vgl. Neveling 2010, 334). b) Wörternetze Als „Aufschreibstrategie“ finden Schülerinnen und Schüler in Wörternetzen die Möglichkeit, individuell und selbstgesteuert den neu erlernten Wortschatz zu organisieren (vgl. Neveling 2004). Mit Wörternetzen sind individuelle Kombinationen von Wortgruppen in clusterartigen Netzen gemeint, die Teilnetze wie Begriffsnetze, Merkmalsnetze, syntagmatische Netze, Klangnetze, Sachnetze, Wortfamiliennetze und affektive Netze beinhalten (vgl. ebd., 83). Wörter, Wortassoziationen und Wortketten werden gruppiert, zugeordnet, übergeordnet, untergeordnet etc. Wörternetze können aus isolierten oder zusammenhängenden Wörtern (Syntagmen) bestehen. Das Arbeiten mit Wörternetzen hat sich sowohl in lernpsychologischer Hinsicht - als Strategie - wie auch in methodologischer Hinsicht - als Verfahren - als besonders wertvoll erwiesen (vgl. ebd., 342). c) Kreativität Individuelle und autonome Wortschatzerarbeitung wird von handlungsorientierten und konstruktivistischen Ansätzen stark befürwortet (vgl. Neveling 2010, 334). Die Verbindung von Persönlichkeit und Wissenskonstruktion ist insbesondere in kreativen Lernszenarien gegeben, was sich auch positiv auf die Lernmotivation von (insbesondere lernschwachen) Fremdsprachenlernenden auswirkt (ebd.). In Anlehnung an die Prinzipien handlungs- und produktionsorientierten Literaturunterrichts nach Haas, Menzel und Spinner (1994) lässt sich eine kreativ ausgerichtete Wortschatzarbeit entwickeln. Bestimmend hierfür sind die zwei Hauptziele des handlungs- und produktionsorientierten Unterrichts (HPU), zum einen den „durch praktisches Handeln und aktiven Gebrauch der Sinne [sic! ] bestimmten Umgang mit authentischen literarischen Texten“ (Haas/ Menzel/ Spinner 1994, 17) zu fördern und zum anderen das „produktive Erzeugen“ (ebd.) eigener Texte und Textvarianten zu ermöglichen. Diese beiden Hauptziele des produktiven Handelns lassen sich auf das Wortschatzlernen insofern anwenden, als im Umgang mit poemas visuales einerseits eine poetische Sprache visuell präsentiert und somit die visuelle Sinneswahrnehmung aktiviert 14 Diese Erkenntnis beruht auf Beobachtungen, die im Rahmen praktischer Unterrichtsversuche mit Poesía Visual in verschiedenen Alters- und Niveaustufen und Schulformen realisiert wurden (Anfangsunterricht Spanisch mit Schülerinnen und Schülern der 4ième, fortgeschrittene Schülerinnen und Schüler der 2nde und 1ière am Collège Auguste Renoir und am Lycée Auguste Renoir 2008 in Asnière sur Seine, Frankreich). 210 6. Didaktische Transformation nach Kompetenzbereichen wird und andererseits durch die Einfachheit der Texte und damit einhergehende Möglichkeit zur Nachahmung das Erzeugen eigener visuell-poetischer Produktionen gewährleistet werden kann (vgl. Hallet / Königs 2010, 105). Motivierend erscheint hierbei insbesondere der zwanglose und spielerische Umgang mit der spanischen Sprache. Dabei werden durch die kreativ ausgerichtete Wortschatzarbeit einerseits die Sinne angesprochen (hier das Sehen und im Fall des poema objeto auch das Berühren ) und andererseits Emotionen, die angesichts der Involvierung der Lernerpersönlichkeit im kreativen Prozess unvermeidlich sind, zugelassen. Was Emotionen überdies in der Wortschatzarbeit auslösen können, möchte ich im Folgenden in einem kurzen Exkurs darlegen. 6.3.3 Kleiner Exkurs: Emotionen Individuelle Erfahrungen und persönliches Interesse des Fremdsprachenlernenden sind Quelle von Affekten und Emotionen. Die affektive Komponente im Wortschatzlernen, auch als Emotionality- Effekt (Lawrenz 2009, 23) bekannt, bezeichnet die emotionale Besetzung (positiv emotiv oder negativ emotiv) von Wörtern. Es versteht sich von selbst, dass das emotive Besetzen von Wörtern nicht gesteuert und auch nicht zum Unterrichtsgegenstand gemacht werden kann. Vielmehr geht es hier um die Erkenntnis, dass die Berücksichtigung des Emotionality- Effekts zu einem nachhaltigeren Speichern von Wörtern führt. Wörter, die stärker emotional besetzt sind, werden zudem häufiger korrekt geschrieben (vgl. ebd.). Aufgrund des persönlichen Engagements der Lernenden im Worterwerbsprozess kann der Emotionality -Effekt auf verschiedenen Wegen erreicht werden. Wenn Lernende die Möglichkeit bekommen, sich „Wörter zu eigen zu machen“ (Kolacki 2006, 3), indem sie sie eigenständig erschließen und selbstständig mit anderen Wörtern in Verbindung setzen, kann zum Beispiel eine positive Emotion zu diesen Wörtern geweckt werden. Der Emotionality -Effekt ergibt sich aus dem Umgang mit visuell-literarischen Texten umso mehr, als sich mit literarisch-ästhetischer Sprache Affekte und Emotionen eher verstehen und kanalisieren lassen als beispielsweise mittels expositorischer Texte (vgl. Bredella/ Delanoy/ Surkamp 2004). Im Sinne des handlungs- und produktionsorientierten Unterrichts wird in produktiven Verfahren der Emotionality -Effekt in den Eigenproduktionen der Schülerinnen und Schülern erzeugt (vgl. Haas/ Menzel/ Spinner 1994; Spinner 2010 [2002]). 6.3.4 Wortschatzarbeit mit poemas visuales: Unterrichtsbeispiele Ausgehend von in den vorangehenden Kapiteln dargelegten Forschungserkenntnissen zum Wortschatzlernen werden im Folgenden Unterrichtsideen vorgestellt, die didaktisch-methodisch sowohl aus dem Lerngegenstand poema visual (Visualisierung) als auch aus der Perspektive der Lernenden (Individuali- 6.3 Lexikalische Kompetenz 211 sierung und Autonomie) entwickelt sind. Mit Blick auf die drei genannten Phasen der Wortschatzarbeit (Semantisierung, Festigung und Sprachanwendung) können poemas visuales vielseitig eingesetzt werden. Zum einen können sie in der Semantisierungsphase dazu dienen, visualisierte Lexeme im Unterricht (rezeptiv) zu behandeln und individuell um- oder nachzugestalten (produktiv). Zum anderen können in der Sprachanwendungsphase mit poemas visuales gezielt Kommunikationskontexte geschaffen werden, für die die Schülerinnen und Schüler ihren eigenen Wortschatz erschließen. Diese Phase ist mit der Benutzung eines Wörterbuchs zu begleiten. Und zuletzt eignen sich poemas visuales besonders für eine kreative, handlungs- und produktionsorientierte Wortschatzarbeit. Die oftmals sprachspielerisch konzipierten Gedichte fordern einen aktiven Rezeptionsprozess ein. Das Spiel suggeriert Leichtigkeit und Vergnügen, durch Um- oder Nachgestalten von Originalgedichten und die Produktion eigener Versionen kommen Fremdsprachenlernende von selbst dazu, spielerisch, ungezwungen und frei mit der spanischen Sprache zu experimentieren. Eigene Gedichte zu kreieren, ist nicht nur eine schöpferische Tätigkeit, sondern bereitet auch (wenngleich nicht ausschließlich) den jüngeren Fremdsprachenlernenden Spaß und wirkt sich positiv auf die Motivation aus. 15 Obwohl es sich hierbei letztlich um produktives visuell-literarisches Lernen handelt, wird der Fokus auf einen angrenzenden Lernbereich, die kreative Wortschatzarbeit, gelegt. Nachfolgend werden verschiedene Unterrichts- und Aufgabenbeispiele für den Umgang mit poemas visuales in der Wortschatzarbeit vorgestellt. Dabei wird unterschieden zwischen rezeptiver lexikalischer Kompetenz in der Semantisierungsphase sowie der Festigungsphase („Neue Wörter sehen - neue Wörter lernen“ und „Metaphern bewusst machen ver metáforas, comprender metáforas “) und produktiver lexikalischer Kompetenz in der Sprachanwendungsphase („Kreativ Wortschatz üben“). In der Semantisierungsphase geht es in erster Linie darum, neuen Wortschatz mit poemas visuales zu entdecken und zu erschließen. Im Hinblick auf die rezeptive Festigungsphase handelt es sich um das erfolgreiche und langfristige (rechtshemisphärische) Speichern von Wortschatz, indem durch visuelle Hilfestellungen (Zeichnungen, Markierungen, spezifisch zusammenhängende Bild-Text-Wortfelder etc.) Wortschatz konsolidiert wird. Auch produktive Wortschatzaufgaben mit poemas visuales sind in den Phasen der Festigung sowie 15 In den erprobten Unterrichtsversuchen mit Schülerinnen und Schülern im Alter von 10- 14 Jahren hat sich mehrfach beobachten lassen, dass der Faktor Spaß für motiviertes Arbeiten (insbesondere leistungsschwacher Schülerinnen und Schüler) und ein angenehmes Unterrichtsklima ausschlaggebend war. Diese Beobachtungen seien hier nur am Rande erwähnt und sollen nicht weiter in die Untersuchung einfließen. 212 6. Didaktische Transformation nach Kompetenzbereichen der Sprachanwendung einzusetzen. Produktives Wortschatzarbeiten mit poemas visuales bedeutet das Umgestalten, Erweitern, Verändern des poema sowie das Gestalten eigener Versionen. Entsprechend werden verschiedene produktivkreative Wortschatzaufgaben mit poemas visuales vorgestellt: für das individuelle Vernetzen von Wörtern (Gruppieren und Verbinden von Wörtern im Sinne eines individuell gesteuerten Speicherns im mentalen Lexikon), das Einüben syntagmatischer Phrasen (von Wortpaaren, Kollokationen oder orthografischen Phänomenen anhand von Wortfiguren und Schrift-Bild-Zusammenspielen) und das produktive Umsetzen von Metaphern durch die Kreation eigener poemas visuales z.B. aus Gegenständen ( poesía objeto ). 6.3.4.1 Neue Wörter sehen - neue Wörter lernen Der Kern der Semantisierungsphase in der Wortschatzarbeit liegt darin, Wortsemantisierungstechniken zu entwickeln und bereitzustellen, anhand derer die Schülerinnen und Schüler neue Wortbedeutungen kennenlernen (vgl. Rössler 2008, 8). Anhand von poemas visuales können Lernende neuen Wortschatz kennenlernen, doch nicht jedes poema eignet sich ohne weiteres als Semantisierungshilfe. Warum ist das so? Und welche poemas visuales können als Semantisierungshilfe eingesetzt werden? Um diese Fragen zu beantworten, bedarf es eines Rückblicks auf die Konsequenzen des Zusammenspiels und der Beziehung von Schrift und Bild im poema visual (siehe Kapitel 4.2.2). Die drei Typen der Schrift- Bild-Relationen (die pleonastisch-kongruente, die reziprok-komplementäre und die additiv-interpretative Relation) verhalten sich im Hinblick auf Wortschatzsemantisierung unterschiedlich. Ist eine pleonastisch-kongruente Schrift-Bild- Relation im poema visual gegeben, ist die visuelle Sprache für das Verstehen der Wortbedeutung besonders hilfreich. Poemas visuales, die eine solche Relation aufweisen, eignen sich somit ganz besonders als Semantisierungshilfe und können sogar für das autonome Wortschatzlernen, zum Beispiel für eine Hausaufgabe, eingesetzt werden. Semantisierungen können zwar auch mittels poemas visuales , die eine reziprok-komplementäre oder additiv-interpretative Schrift- Bild-Relation vorweisen, funktionieren; diese Relationen sind jedoch semantisch nicht immer eindeutig, manchmal sogar widersprüchlich und erschweren erheblich deren Einsatz in der Semantisierungsphase. Solche poemas bieten sich eher für das Konsolidieren eines bestimmten Wortschatzes beziehungsweise für die produktiv-kreative Sprachanwendung an. Deshalb ist es wichtig, die Schrift- Bild-Relationen im poema visual zu kennen und voneinander zu unterscheiden, um eine erfolgreiche Wortschatzarbeit zu garantieren. Hier zeigt sich einmal mehr die methodisch-didaktische Verbindung von Gegenstandsorientierung 6.3 Lexikalische Kompetenz 213 (Berücksichtigung der Schrift-Bild-Relationen) und Kompetenzorientierung (neue Wortbedeutungen erschließen). Poemas visuales mit pleonastisch-kongruenter Schrift-Bild-Relation eignen sich wie bereits erwähnt am besten als Visualisierung für das Semantisieren oder Konsolidieren von Wortschatz. Ein Beispiel hierfür ist das Gedicht „Argentina siglo 21“ (Abbildung 56). Zu sehen sind neun typografisch aufgearbeitete gedruckte Wörter und der Titel, der den gesellschaftskritischen Blick auf Argentinien verrät. 16 Abbildung 56. Argentina siglo 21 (2000), Fernando García Delgado Die im Gedicht aufgeführten Wörter corrupción, desocupación, hambre, indiferencia, inseguridad, miseria, monopolio, pobreza, vacío sind typografisch so gestaltet, dass ihre Form die schriftsymbolische Bedeutung mit ikonischen Zeichen unterstützt. Das Wort hambre ist beispielsweise typografisch so gestaltet, dass „Bissspuren“ an den oberen und unteren Schriftkanten des „angegessenen Wortes“ den Hunger bildhaft verdeutlichen. Das Wort monopolio ist viel größer als alle anderen dargestellt. Die maximale Schriftgröße auf dem verfügbaren Raum (des jeweiligen Kästchens) spiegelt die Bedeutung von Monopol wider. Die Typogramme wirken wie Wortbilder und eignen sich zum visuell-gesteu- 16 Aus diesem Grund eignet sich dieses Gedicht ebenfalls im Bereich des inter- und transkulturellen Lernens (siehe hierzu Kapitel 6.4). Der kritische Blick auf Argentinien im 21. Jahrhundert kann z. B. durch Aktivierung interkulturellen Vorwissens mit Bedeutung gefüllt und mithilfe der typografischen Besonderheiten gedeutet werden. 214 6. Didaktische Transformation nach Kompetenzbereichen erten Abspeichern von Wörtern. Für den Unterricht sind nach diesem Modell auch Wortgestaltungen aus anderen Wortfeldern denkbar. 17 6.3.4.2 Metaphern bewusst machen - ver metáforas, comprender metáforas Ein versierter Umgang mit metaphorischen Ausdrücken, idiomatischen Redewendungen und Sprichwörtern in der Fremdsprache zeugt von einem hohen Grad an sprachlicher Kompetenz (vgl. Koch 2013, 262). Dafür ist es notwendig, das Bewusstmachen metaphorischer Phänomene in der Muttersprache und darauf aufbauend den Transfer (ob kontrastierend oder konvergierend) von der Mutterin die Fremdsprache zu fördern. Bewusst machen bedeutet dabei, einen klaren, erkennenden Blick zu erzeugen. Metaphern sind ein lebendiges und allgegenwärtiges Element unserer Sprache. Sie sind als Zeugnisse unseres bildlichen Denkens aus unserem Sprachgebrauch vor allem als lexikalisierte Metaphern nicht wegzudenken. Bei Metaphernbewusstheit geht es darum, dem Fremdsprachenlernenden bewusst zu machen, inwiefern bestimmte Realien des menschlichen Lebens, zum Beispiel Gegenstände, Lebewesen, Naturprodukte etc., das menschliche Denken über eine bildliche Sprache begleiten und in welcher Form sich solche bildlichen Denkweisen in der Fremd- und Muttersprache wiederfinden lassen. Auf diese Weise wird die Entwicklung von Sprachbewusstheit (vgl. KMK 2012, 23 f.) sowohl im Hinblick auf die zu erlernende(n) Sprache(n) als auch auf die Muttersprache gefördert. Metaphern werden als Bestandteile des zu erlernenden Wortschatzes verstanden (vgl. Koch 2013, 146). Ausgehend von den Definitionen der aktuellen Metaphernforschung unterscheidet Koch zwei Arten von Metaphern: lexikalisierte (auch konventionelle, verblasste - weil sie als Metaphern nicht mehr explizit erkennbar sind) und innovative Metaphern (auch kreative, lebendige - weil sie meist als idiomatische Wendungen oder rhetorische Mittel auftauchen) (vgl. ebd., 43 ff.). Lexikalisierte Metaphern treten meist in Form von Kollokationen auf (vgl. Konecny 2010) und sind „omnipräsente Alltagsphänomene“ (Koch 2013, 265) unseres Wortschatzes und in authentischen Kommunikationssituationen unvermeidbar. Auch innovative Metaphern sind aus unserem Sprachgebrauch nicht wegzudenken, sie erfordern solide Kenntnisse der (Fremd-)Sprache sowie 17 In einer produktiven Unterrichtsphase kann wahlweise ein Gegenmodell hierzu entwickelt werden, das zum Beispiel positive (statt negative) Aspekte Argentiniens visuell umsetzt. Bei der Erstellung eigener Gedichte bietet es sich an, mit dem Computer zu arbeiten. Grafische Gestaltungen können mithilfe von Word-Art, Paint, Photoshop oder sogar Flash erarbeitet werden. 6.3 Lexikalische Kompetenz 215 der (fremden) Kultur und bieten, sofern ein kompetenter Umgang gegeben ist, zudem einen „sprachökonomischen Vorteil“ (Koch 2013, 147). Die Poesía Visual ist mit dem bildhaften, metaphorischen Sprechen eng verbunden. Lexikalisierte Metaphern treten visualisiert vielfach in poemas visuales auf und können daher in der Wortschatzarbeit behandelt werden. Die besondere Aufmerksamkeit, die die poetas visuales lexikalisierten Metaphern schenken, bestätigt Kochs Feststellung, dass diese Metaphernart im allgemeinen Sprachgebrauch sehr lebendig und eben „nicht tot ist“ (ebd., 46). Diese Feststellung deckt zudem eine interessante Ähnlichkeit zwischen dem fremdsprachlichen und dem poetischen Umgang mit Sprache auf: Fremdsprachenlernende verfügen oftmals nicht über die sprachlichen und kulturellen Kompetenzen, um lexikalisierte metaphorische Ausdrücke als solche erkennen zu können. Sie behandeln diese Ausdrücke wie innovative Metaphern, da sie den übertragenen Sinn der Metapher wörtlich nehmen (vgl. Koch 2011b, 12). Ähnlich gehen auch die Dichterinnen und Dichter vor. Sie greifen lexikalisierte Metaphern des Spanischen auf und präsentieren sie in poemas visuales wie innovative Metaphern. Das Wörtlichnehmen von übertragenem Sprachgebrauch ist eine Form der Sprach verfremdung . So ist die für den Umgang mit Metaphern fruchtbare Gemeinsamkeit zwischen Fremd sprache und poetischer Sprache die Verfremdung von Sprache, deren Thematisierung im Unterricht zu Sprachbewusstsein und Sprachreflexion führt beides Kompetenzbereiche, die für die fortgeführte Fremdsprache definiert sind (vgl. KMK 2012). Mit poemas visuales (vor allem mit poemas imagen ) lassen sich metaphorische Sprachvorkommen als lebendige Elemente der Sprache wirkungsvoll bewusst machen. Lexikalisierte Metaphern, die den Dichtern augenscheinlich wegen ihres neutralisierten Status im Sprachgebrauch als besonders interessante Gegenstände erscheinen, sind wie bereits erwähnt vielfach in poemas visuales zu beobachten. Doch auch innovative Metaphern in Form von visualisierten idiomatischen Wendungen oder rhetorischen Mitteln sind vorzufinden. Das folgende Beispiel zeigt ein lexikalisch-metaphorisch besetztes Substantiv. Das Gedicht „Ladrón“ (Abbildung 57), das das Homonym ladrón in seiner zweifachen Bedeutung („Dieb“ und „Mehrfachsteckdose“) darstellt. Zu erkennen ist ein Mehrfachstecker in einer Holzkiste, deren Vorderfront aus Gitterstäben besteht und damit eine Art Käfig oder (dem Bild des ladrón folgend eine) Gefängniszelle suggeriert. 216 6. Didaktische Transformation nach Kompetenzbereichen Abbildung 57. Ladrón (2005), Iñaki González-Oribe Neben der Nutzung in der Semantisierungsphase kann dieses Gedicht in einer produktiven Unterrichtseinheit als Modellgedicht dienen, anhand dessen eigene poemas objeto oder imagen mit Homonymen wie ratón (äquivalent zum Deutschen: „Maus“ [Tier] und „Computermaus“), camello („Kamel“ und „Drogendealer“), gemelos („Zwillinge“ und „Fernglas“), canguro („Känguru“ oder „Babysitter“) etc. nachzugestalten sind. Im Folgenden möchte ich zwei Möglichkeiten der Metaphernarbeit (insbesondere Bewusstmachung von Methaphern in der Alltagsprache) mit poemas visuales vorstellen: Ein Beispiel für einen visuell-poetisch umgesetzten metaphorischen Phraseologismus ist das Gedicht „Ahogarse en un vaso de agua“ (Abbildung 58). „In einem Glas Wasser ertrinken“ bedeutet im übertragenen Sinn, dass jemand grundlos oder übertrieben überfordert ist. Abbildung 58. Ahogarse en un vaso de agua (2011), Miriam Expósito 6.3 Lexikalische Kompetenz 217 Bildspender der metaphorischen Redewendung sind das Wasser als Gefahrenstelle und damit einhergehend das Ertrinken als große Gefahr und im Kontrast dazu der kleine, transparente Plastikbecher als begrenzter und ungefährlicher Raum. Das poema visual setzt sich wie folgt zusammen: In einem Plastikbecher, der etwa zur Hälfte mit Wasser gefüllt ist, steht eine Playmobil-Figur, deren Arme in die Höhe gestreckt sind und die den Eindruck erweckt, als riefe sie um Hilfe. Das Wasser steht der Figur bis zum Kopf. Augen und Haare (sowie bis zur Hälfte die Arme) stehen nicht unter Wasser. Im Unterricht können sich die Schülerinnen und Schüler zunächst das poema anschauen und dann mit dem Titel in einen Zusammenhang bringen. Um der metaphorischen Wendung näherzukommen, ist es denkbar, in einem ersten Schritt aufzuschreiben oder mündlich aufzuzählen, was das Verb ahogarse und was un vaso de agua in einem übertragenem Sinn bedeuten können. Dabei sind mehrere Optionen denkbar, zum Beispiel für ahogarse: no saber nadar, estar estresado, perder el suelo bajo los pies etc.; und für un vaso de agua: algo muy simple, poca agua, un mundo pequeño etc. Die Ergebnisse können zusammengetragen werden und als Grundlage für weitere Rede- oder Schreibanlässe dienen. Alternativ kann den Schülerinnen und Schülern die Aufgabe gestellt werden, ähnliche sprachliche Bilder im Deutschen zu suchen, die die Bedeutung „überfordert sein“ metaphorisch zum Ausdruck bringen, beispielsweise die Wendungen „in Arbeit ersticken“, „untergehen“, „kein Land sehen“, „das Wasser bis zum Hals stehen haben“. Auf diese Weise kann der Bildspender - (viel) Wasser - in seiner negativen Bedeutung als Gefahrenstelle erkannt und benannt und fernerhin mit Blick auf die deutsche und die spanische Sprache das Bedeutungsfeld begriffen und die Funktion von lexikalisierten Metaphern reflektiert werden. Eine andere Möglichkeit bieten bildlich besetzte Wortkombinationen, wie beispielsweise comerse las palabras . Hier werden die Schülerinnen und Schüler mit dem metaphorischen Bildspender comida und dem Bildempfänger palabra konfrontiert. Anhand der visuell dargestellten Metapher in verschiedenen poemas visuales lernen sie, wie poetisch die (spanische) Alltagssprache sein kann - oder umgekehrt, wie alltägliche, lexikalisierte Metaphern durch ihre deutliche (hier visuelle Darstellung) auch als innovative Metaphern poetisch werden. So wird die Poetizität der Sprache vor Augen geführt. Die poemas visuales „Cómete tus propias palabras” (Abbildung 59) und „Una docena de palabras de amor para ti” (Abbildung 60) stellen poetisch-visuell das lexikalisierte Metaphernfeld dar, dass Wörter essbar sind (las palabras son comestibles ). 218 6. Didaktische Transformation nach Kompetenzbereichen Abbildung 59. Cómete tus propias palabras (2009), Héctor Meneses Ramis Das erste Gedicht „Cómete tus propias palabras” besteht aus einem Teller, auf dem ein in Schnipsel geschnittener Text oder Textfragment wie eine Suppe mit einem Löffel serviert wird. Auf dem oberen Tellerrand ist mit Textschnipseln der Satz cómete tus propias palabras zurechtgelegt; er stellt zugleich den Titel des poema dar. Das zweite poema „Una docena de palabras de amor para ti” zeigt eine Kuchenpappe mit zwölf (wie der Titel angibt) Kuchenteilchen, die in Form des Wortes amor gebacken und mit Zuckerguss überzogen sind. Beide poemas spielen mit dem spanischen metaphorischen Ausdruck comerse las palabras - „Wörter verzehren“. Sie zeigen beispielhaft, dass die metaphorische Besetzung des Bildempfängers palabras mit dem Bildspender comida im Spanischen ein weites Bedeutungsfeld umfasst und daher sowohl positiv als auch negativ konnotiert sein kann. Das erste Gedicht erinnert mit seinem Titel „Cómete tus propias palabras“ an Wendungen wie tragarse sus propias palabras und gängige Äußerungen wie me sabe mal decir . Weiterhin kann im Umgang mit diesem Gedicht die Bedeutung „ungenießbarer Wörter“ im Spanischen und kontrastiv dazu auch in der Muttersprache behandelt werden, ebenso das Gegenteil, wenn „Wörter gut schmecken“, was anhand des zweiten Beispiels „Una docena de palabras de amor para ti“ (Abbildung 60) veranschaulicht wird. 6.3 Lexikalische Kompetenz 219 Abbildung 60. Una docena de palabras de amor para ti (2004), Joaquín Montero Casado Hier böte sich an, den Schülerinnen und Schülern Wörter tatsächlich zum Verzehr bereitzustellen, beispielsweise in Form von Russisch Brot, den als Buchstaben gebackenen Keksen, die in jedem Supermarkt erhältlich sind. So erfahren sie sinnlich (durch Schmecken) Sprache und kommen ihrer poetischen Bedeutung näher. 6.3.4.3 Kreativ Wortschatz üben - Unterrichtsbeispiele a) Wörternetze spannen Poemas visuales können prinzipiell als auslösende Impulse für die Gestaltung individueller Wörternetze benutzt werden (nach Neveling 2004). Sie können ferner als kreative Inspirationen für kognitive (Teil-)Netze, insbesondere Begriffsnetze, Sachnetze oder affektive Netze (vgl. ebd., 44 ff.) dienen, um den Wortschatz zu festigen und zu erweitern. Wenn Schülerinnen und Schüler ihren individuell zusammengetragenen Wortschatz kreativ einsetzen, ist die Wahrscheinlichkeit, dass er langfristig und nachhaltig gespeichert wird, hoch, wie weiter oben unter den Aspekten von Individualisierung und Autonomie (Kapitel 6.2.2) ausführlich dargestellt. Das Gedicht „Verano“ von Enrique Uribe (Abbildung 61) fällt in diesem Zusammenhang besonders ins Auge, da es sich bei diesem poema um eine grafische Darstellung von semantisch zusammengehörigen Wörtern handelt, die netzähnlich miteinander verbunden sind. Es könnte nach Neveling (2010) sogar von einem visualisierten Sachnetz und affektiven Netz die Rede sein, da emotionale Erfahrungen des lyrischen Ichs mit dem Begriff verano vermutlich bereits in der Auswahl der Begriffe enthalten sind. 220 6. Didaktische Transformation nach Kompetenzbereichen Abbildung 61. Verano (2007), Enrique Uribe Der Titel „Verano“ kann als Oberbegriff für die im Gedicht miteinander verbundenen Unterbegriffe ( hielo, (c)azul, espuma, música, beso, amor, locura, calor, vuelo, mujer, sol, avión) verstanden werden. Mehr noch als an ein Netz erinnert das poema an ein Kreuzworträtsel: Die Wörter sind, anders als im Wörternetz, nicht mit Linien oder Pfeilen verbunden, sondern integrieren nach dem Scrabble -Prinzip jeweils mindestens einen Buchstaben anderer Wörter. Für die individuelle und affektive Wortschatzarbeit können die Lernenden Wörter aus dem Gedicht herausschreiben, die ihrer persönlichen Ansicht nach nicht zum Oberbegriff verano passen und umgekehrt neue Wörter hinzufügen. Außerdem kann das poema als Modell dienen, nach dem eigene Versionen je nach Bedarf zu anderen Wortfeldern erstellt werden können. Im Rahmen eines Unterrichtsversuchs, in dem Wortschatzarbeit mit poemas visuales erprobt wurde, ist die folgende Schülerproduktion entstanden (Abbildung 62), die hier beispielhaft ein mögliches Ergebnis veranschaulichen soll. 18 Nachdem im Plenum die Bedeutungen der einzelnen Wörter im Ausgangsgedicht Verano erarbeitet (a) ¿ Qué palabras conocéis/ no conocéis? und verschiedene Möglichkeiten eines Titels besprochen wurden (b) ¿Cómo se puede titular este poema? , bekamen die Schülerinnen und Schüler in kleinen Gruppen zweisprachige Wörterbücher und wurden durch folgende Arbeitsaufträge zur Eigenproduktion von poemas visuales angeleitet: (c) Escoge una palabra que te guste y busca mínimo 12 palabras relacionadas con ella en el diccionario . Die Schülergruppe im Alter zwischen 13 und 14 Jahren befand sich etwa in der Mitte des ersten Lernjahres Spanisch. Der Unterrichtsversuch verfolgte das Ziel, die Schülerinnen und Schüler (ausgehend vom poema visual „Verano“) zu einer 18 Der Unterrichtsversuch fand im Rahmen eines sechswöchigen Fachpraktikums Spanisch ( Espagnole comme Langue Étrangère ) am Collège Auguste Renoir in Asnière-sur-Seine (Paris, Frankreich) vom (22.09. - 03.10.2008) statt. 6.3 Lexikalische Kompetenz 221 selbstgesteuerten Wörterbucharbeit zu bewegen und nach dem Original ein eigenes poema mit individuellem Wortschatz zu gestalten. Die Wahl des Themas (das auch Titel des Gedichtes sein sollte) war ihnen freigestellt. Für das Schülergedicht „Mi vida“ hat der Schüler aus einem zweisprachigen Wörterbuch Wörter herausgesucht, die ihm (für sein eigenes Leben) wichtig erschienen, und sie in einem poema nach dem Modell Uribes miteinander verbunden. 19 Abbildung 62. Mi vida , Schülerarbeit (Transkription von mir) b) Crear metáforas Durch kreative Produktionen von Metaphern lernen die Schülerinnen und Schüler mit diesen produktiv-spielerisch umzugehen. Sie setzen sie als lebendiges Element der Sprache bewusst ein, beispielsweise im Kontrast (oder parallel) zu muttersprachlichen metaphorischen Wendungen. Wenn Metaphernerfahrung und Metaphernverständnis rezeptiv aufgearbeitet wurden, können die Schülerinnen und Schüler in einer Produktionsphase damit konfrontiert werden, selbst spanische idiomatisch-metaphorische Wendungen visuell zu gestalten. Dabei ist es sinnvoll, den Schülerinnen und Schülern eine Reihe von idiomatischen Wendungen oder lexikalisierten Metaphern vorzugeben, aus denen sie eigene poemas visuales kreieren sollen. Solche Wendungen könnten beispielsweise sein: Ponerse las pilas („sich aufpeppen“, „sich anstrengen“), comerse el mundo („übermütig sein“, „Großes vorhaben“), tocar el cielo („außergewöhnlich schöne Momente erleben“), descubrir América („etwas Altbekanntes sagen“), dormirse en los laureles („sich auf Lorbeeren ausruhen“), hacerse la mosquita muerta („sich dumm stellen“). Die Schülerinnen und Schüler können sich in Partner- oder Einzelarbeit idiomatische Wendungen aussuchen, die Bedeutung eruieren und 19 In der Waagerechten: beber, colegio, música, fútbol, vivir, casa, bailar ; in der Senkrechten: videojuegos,-fiesta,-cine,-comer,-respirar,-chicas . 222 6. Didaktische Transformation nach Kompetenzbereichen sie dann poetisch-visuell nach einer Modellvorlage (z. B. anhand des poema visual „Ahogarse en un vaso de agua“, siehe Abbildung 58) umsetzen. Eine weitere Möglichkeit der kreativ-produktiven Metaphernarbeit bietet sich mit poemas objeto an. Als ein Typ des poema visual zielt das poema objeto darauf ab, in einer gestalterisch-produktiven Auseinandersetzung mit Sprache aus Begriffen Gegenstände zu erschaffen. Aus wortschatzdidaktischer Perspektive ist hier die Tatsache besonders interessant, dass die Fremdsprachenlernenden mit poemas objeto die spanische Sprache im wahrsten Sinne des Wortes berühren können. Poemas objeto werden unter anderem in sogenannten revistas objeto 20 oder revistas ensambladas verbreitet. Für den kreativen Wortschatzunterricht können revistas objeto als Vorbild dienen, weil sie Gegenstände und Sprache „poetisch” in Verbindung bringen und weil ein Kollektiv von Dichterinnen und Dicheter daran beteiligt ist, indem mehrere Personen einen Beitrag zur revista leisten. So könnte dieses Konzept als Modell genutzt werden, wenn kreative Wortschatzarbeit als Gruppenarbeit umgesetzt und dabei ein gemeinsames Endprodukt realisiert werden soll. Als ein solches Vorbild eignet sich die revista objeto „Laurel“, deren Heft 13 im Folgenden exemplarisch wortschatzdidaktisch aufgearbeitet werden soll (Abbildung 63). 20 Diese revistas sind Sammlungen von poemas objeto , die von mehreren Dichtern gestaltet wurden. Die Objekte werden meist in einem Behälter zusammengelegt und bilden damit ein Unikat. Das Auftreten dieser Sammlungen ist periodisch, weshalb sie als revistas bezeichnet werden. Sie sind selten käuflich zu erwerben, meistens werden sie lediglich unter den teilnehmenden Dichtern verteilt. So erklärte der Dichter Antonio Gómez im Zusammenhang mit der von ihm herausgegebenen revista ensamblada „La caja de truenos“, dass diese Objektzeitschriften ein “mecanismo de no-difusión” verfolgten und damit einen “autor narcicista” verkörperten, “ya que la difusión es [en la mayoría de los casos] exclusivamente entre los autores en exclusión absoluta del público” (Gómez 2010). „Laurel“ ist eine revista objeto , die als poetisches Experiment in dem kleinen Dorf Escacena del Campo (Huelva) in Südspanien von dem Dichter Paco Aliseda ins Leben gerufen wurde. Sie ist aus einem transparenten Plastikbehälter, den jeweiligen Objektgedichten (im Fall des Heftes Nr. 13 sind es 13) und einem Beiheft zusammengestellt, in dem unter anderem die Dichter namentlich erwähnt werden. Daneben wird die Vorgehensweise des poetischen Projektes im Beiheft erläutert, ferner die spanische Sprache zum poetischen Gegenstand deklariert. Im Wesentlichen informiert das Beiheft die Leserinnen und Leser über den Begriff, der die poemas objeto miteinander verbindet. „Laurel“ ist folgendermaßen konzipiert: Ein spanisches Wort, meist ein sehr seltenes, das entweder aus einer spezifischen diatopischen Varietät (südwestliches Andalusisch) stammt oder nicht mehr im Sprachgebrauch ist, wird als Titel einer 6.3 Lexikalische Kompetenz 223 Abbildung 63. Revista objeto Laurel n° 13: acharar Ausgabe der Zeitschrift festgelegt. Der Titel der Ausgabe „Laurel n° 13“ ist das Wort acharar . Dieses Verb wird im Deutsch-Spanischen Wörterbuch nur noch unter dem aus ihm abgeleiteten Substantiv achares geführt (vgl. LHS s. v. achares ) - übersetzt mit „Eifersucht“ -, was auf eine seltene Verwendung im Spanischen schließen lässt. Im Diccionario de la Real Academia Española ist das Wort acharar mit der Bedeutung avergonzar, azarar, sobresaltar (vgl. RAE s. v. acharar ) zu finden. Anders als bei den revistas ensambladas , deren Funktionsweise Antonio Gómez erläutert, werden bei der revista objeto verschiedenste Menschen dazu eingeladen, von dem ausgewählten Wort ein poema objeto abzuleiten. Hierbei ist ein hoher Grad an Heterogenität unter den Teilnehmerinnen und Teilnehmern zu beobachten. Im Falle von „Laurel n° 13“ treten Dichter (wie beispielsweise Francisco Aliseda) und sogar Kinder (die zehnjährige Gema Vallés) auf. Die Zeitschrift verfolgt klar das avantgardistische Kunstkonzept, das jeden Menschen als Künstler ansieht. Das Beiheft beinhaltet neben den genannten Informationen auch verschiedene Definitionen des Titelwortes unter der Bezeichnung Descripción de la palabra . Um der Wortbedeutung möglichst nahe zu kommen und um objektiv zu bleiben, werden drei Wörterbücher konsultiert: das Diccionario enciclopédico ilustrado La Fuente (1932) , das Diccionario enciclopédico Durvan (o. J.) und das Diccionario de uso del español de María Moliner (o. J.). Im Anschluss an die Bedeutungen des Wortes im Wörterbuch werden die volkstümlichen Bedeutungen aus dem Dorf Escacena del Campo aufgezählt. In der Ausgabe „Laurel n° 13“ heißt es in der einleitenden Erklärung: „en Escacena, acharar , sería: 1 […]“ (Laurel n° 13 2010). 224 6. Didaktische Transformation nach Kompetenzbereichen Das vorgestellte Prinzip von „Laurel“ lässt sich problemlos auf die Wortschatzarbeit im Fremdsprachenunterricht übertragen. Zunächst wird ein Begriff für eine Gruppenarbeit zur Erstellung einer revista objeto bestimmt. In einer Semantisierungsphase müssen die Bedeutungen des ausgewählten Begriffs dann mit dem Wörterbuch selbstständig erarbeitet werden. Anschließend soll das Wort individuell oder in Partnerarbeit in ein Objekt verwandelt werden. Durch haptische und visuelle Sinneserfahrung wird eine (kreative) Konsolidierungsstrategie entwickelt, indem die Fremdsprachenlernenden Wortbedeutungen und abstrakte Begriffe in Gegenstände umwandeln. c) Wortfiguren gestalten Das folgende, weiter oben bereits ausführlich erörterte poema visual „Está nevando” von Julián Alonso bietet sich für die Übung von syntagmatischen Phrasen an (Abbildung 43). Aufgrund der pleonastisch-kongruenten Schrift-Bild- Relation eignet sich dieses poema insbesondere für die Semantisierungsphase, aber auch für die Konsolidierungsphase, weil hier eine bestimmte grammatische Funktion, das gerundio, auf eine raffinierte visuell-poetische Weise präsentiert wird. Die Wörter des poema verbal bilden zusammen eine Verbalphrase mit der Funktion des Gerundiums. Als Semantisierungshilfe eignet sich das Gedicht, weil die beiden Wörter grafisch so positioniert sind, dass die Gerundium-Form nevando aufgrund der suggestiv dargestellten Buchstaben A als Schneeflocken so wirkt, als schneite es gerade. Das Verb im gerundio ist derart zerlegt, dass Wortstamm ( nev …) und Endung (… ndo ) des gerundio räumlich voneinander getrennt sind. Im Zwischenraum zwischen den beiden Fragmenten „fallen“ zahlreiche Buchstaben A wie Schneeflocken auf das …ndo hinab. Der Rezipient erkennt mit einem Blick Folgendes: die sprachliche Funktion des gerundio (etwas findet gerade statt) und dessen korrekte Zusammensetzung aus dem Wortstamm im Spanischen. Die gelungene Visualisierung des Gerundiums begünstigt die Speicherung im mentalen Lexikon (vgl. Lawrenz 2009). Mithilfe dieser Art der Visualisierung lassen sich die Formen des gerundio mit Verben auf -ar und -er sowie -ir (z. B. lloviendo, saliendo etc.) üben. Außerdem können auch Ausnahmen wie creyendo, leyendo etc. mit speziellen Visualisierungen von der regelmäßigen Form abgegrenzt und besser gelernt werden. Neben der grammatischen Funktion wird freilich auch die Bedeutung des Wortes nevar gelernt. Die Fremdsprachenlernenden können nach dem Original beispielsweise eigene poemas produzieren, wobei ihnen die Verben für die Wortflexionsübungen je nach Niveau und Arbeitsaufwand entweder vorgegeben werden können (z. B. llover, granizar, helar oder caer, salir, dormir ) oder es freigestellt sein kann, 6.3 Lexikalische Kompetenz 225 eigene Ideen über Aktivitäten oder Handlungen, deren Visualisierung interessant erscheint, zu verwirklichen. d) Orthografie üben Visualisierungen helfen auch beim Speichern orthografisch korrekter Schreibweisen (vgl. ebd.). Für diesen Zweck lässt sich eine Reihe von poemas visuales finden, welche orthographische Besonderheiten der spanischen Sprache zum Gegenstand haben, so das Gedicht „Océano“ von Mikel Jáuregui (Abbildung 64), das zur Übung und Festigung der Akzentsetzung im Spanischen eingesetzt werden kann. Das Bild eines schmalen Fisches bildet in diesem Gedicht das Betonungszeichen des schlicht und schwarz abgedruckten Wortes oceano. Die Aufmerksamkeit wird durch die Abbildung des farbigen Fisches im Kontrast zu den schwarzen Buchstaben auf den acento gelenkt, sodass durch die rein visuelle Gestaltung die (orthografische) Bedeutung des acento hervorgehoben wird. Das Betonungszeichen gehört zum Wort „oceano” auf ähnliche Weise wie der Fisch zum Ozean gehört: no hay océano sin peces - no hay océano sin acento . Bedeutung und Darstellung sind hier auf raffinierte Weise miteinander verknüpft. Abbildung 64. Océano (2007), Mikel Jáuregui Dieses Gedicht kann als Vorlage für das kreative Üben der Akzentsetzung verwendet werden, indem versucht wird, das Gedicht mit anderen Wörtern nachzugestalten. Das Betonungszeichen kann nach dem Prinzip von océano bei anderen Wörtern im Einklang mit der Bedeutung eines jeweils dazugehörigen Begriffes visualisiert werden. Dabei können die Schülerinnen und Schüler ihre Kreativität entfalten (Beispiele: Superman als acento von héroe oder ein Baum als acento von oxígeno ). 226 6. Didaktische Transformation nach Kompetenzbereichen 6.4 Inter- und transkulturelle Kompetenz Poemas visuales sind Artefakte der spanischsprachigen Welt, die eine visuellpoetisch, also fiktional vermittelte Sichtweise auf soziokulturelle Phänomene artikulieren können. Diese soziokulturellen Phänomene können zielkulturspezifisch oder kulturübergreifend sein. Im Unterschied zum nicht-literarischen, expositorischen Bild-Text-Gefüge legt das poema visual soziokulturelle Phänomene und Sichtweisen darauf nicht so explizit und intersubjektiv nachvollziehbar wie möglich dar, sondern vermittelt oder reflektiert sie implizit und verschlüsselt, anspielungsreich und deutungsoffen. Statt um möglichst objektive Darstellung geht es um subjektive Sichtweisen, Haltungen und Einstellungen, mithin um einen literarästhetisch inszenierten und perspektivierten Blick auf soziokulturelle Phänomene (vgl. Nünning 2001, 7). Im folgenden Kapitel möchte ich deswegen der Frage nachgehen, inwiefern die Poesía Visual auch zum interkulturellen und transkulturellen Lernen im Fremdsprachenunterricht Spanisch beitragen kann. Während die beiden vorangegangenen Kapitel zur visuell-literarischen und zur lexikalischen Kompetenz stärker von der spezifischen Gestalt bzw. Form des literarischen Gegenstands ausgehend methodisch-didaktische Szenarien entwickelt haben, stehen jetzt mehr (wenn auch nicht nur) die Inhalte bzw. die soziokulturellen Themen, die die poemas visuales aufgreifen und poetisch verarbeiten, im Mittelpunkt. Dazu gilt es zunächst zu klären, welches Kulturverständnis sinnvoller Weise dem inter- und transkulturellen Lernen im fremdsprachlichen Literaturunterricht zu Grunde gelegt werden sollte, und in einem zweiten Schritt, was unter inter- und transkulturellem Lernen im Fremdsprachenunterricht zu verstehen ist und in welchem Verhältnis beide Konzepte zueinander und zum globalen Lernen stehen. Welche Komponenten inter- und transkulturellen Lernens insbesondere mit poemas visuales gefördert und trainiert werden können, wird die Leitfrage des folgenden Abschnittes sein. Der letzte Teil des Kapitels illustriert darauf aufbauend das spezifische Potenzial der Poesía Visual für die Förderung inter- und transkultureller Kompetenz an konkreten Unterrichts- und Aufgabenbeispielen und Schülerlösungen. 6.4.1 Vom Kulturbegriff zum inter- und transkulturellen Lernen im Fremdsprachenunterricht Zur-Definition-von-Kultur Auch und gerade aus fremdsprachendidaktischer Sicht und im Kontext des inter- und transkulturellen Lernens ist es wichtig, zu bestimmen, was unter Kultur zu verstehen ist. Sowohl die Entwicklung kulturdidaktischer Konzepte als auch der praktische Umgang mit kulturellen Phänomenen im Fremdsprachenunter- 6.4 Inter- und transkulturelle Kompetenz 227 richt (vgl. Hallet 2010 152ff.) bedarf eines transparenten und reflektierten Kulturverständnis‘. So betont Volkmann: Man kann […] keinen Unterricht ohne ein implizites Kulturverständnis gestalten. Umso wichtiger scheint es, dass Lehrkräfte und auch Lernende (in adäquatem Maße) dazu befähigt sind, über Kultur zu reflektieren. Dazu gehören einerseits Einblicke in die große Bandbreite kultureller Phänomene, aber auch ein Verständnis dafür, wie kulturelle Phänomene in menschlichen Gesellschaften stets hierarchisch-wertend zueinander in Beziehung gesetzt werden. (Volkmann 2010, 36) Als Grundlage für das interkulturelle und transkulturelle Lernen im fremdsprachlichen Literaturunterricht im Allgemeinen und für den Umgang mit Poesía Visual im Besonderen schlage ich vor, mit zwei Kulturbegriffen zu arbeiten, die in der fremdsprachlichen Kulturdidaktik aktuell richtungsweisend sind (vgl. u.a. Hallet 2002; Hu 2007; Decke-Cornill/ Küster 2010; Rössler 2010a): erstens das anthropologisch-holistische Verständnis von Kultur, maßgeblich geprägt von Geert Hofstede (1997), und zweitens das zeichentheoretische (semiotische) Verständnis von Kultur, das auf die Kulturbegriffe von Clifford Geertz (1983) und Roland Posner ([1991] 2003) zurückgeht. Dem anthropologisch-holistischen Verständnis zufolge ist Kultur ein „kollektives Phänomen”, das aus der Gesamtheit kollektiver Denk-, Wahrnehmungs- und Handlungsmuster einer Gesellschaft, die sich durch Heterogenität und Pluralität ihrer Entitäten auszeichnet, entsteht (Hofstede 1997, 4). Als Kulturen werden Gemeinschaften verstanden, die sich durch Manifestationen wie Symbole (Worte, Gesten, Bilder, Objekte), Helden, Rituale (kollektive Tätigkeiten), Werte und Normen sowie die Praktiken der jeweiligen Gemeinschaft zusammenhalten (vgl. ebd., 8f.). Sie umfassen „ein breites Spektrum lebensweltlicher Phänomene“, die stets „einem zeitlichen Wandel unterworfen [sind]“ (Rössler 2010a, 138) und deswegen als dynamisch und nicht als statisch zu verstehen sind. Der holistisch-anthropologische Kulturbegriff bildet das Fundament des ehemals landeskundlichen Unterrichts, der im Zuge der Interkulturalisierung des Fremdsprachenunterrichts im interkulturell-kommunikativen Ansatz aufgegangen ist (vgl. insb. Byram 1997, Erll/ Gymnich 2007, Rössler 2010a). 21 Das zeichentheoretische Verständnis von Kultur stammt aus der Kultursemiotik, die Kulturen als Zeichensysteme untersucht (vgl. Posner 2003, 39). Kultur versteht sich dabei als ein Gesamtsystem miteinander vernetzter Teilsysteme, „deren symbolische Ordnungen, kulturelle Codes und Wertehierarchien sich in kulturspezifischen Praktiken und Sinnstiftungsprozessen manifestieren“ 21 Gemeint ist die Wende von der Landeskunde zum interkulturellen Lernen (vgl. Volkmann 2010, 45f.). 228 6. Didaktische Transformation nach Kompetenzbereichen (Sommer 2008, 396). Geertz geht von der Überlegung aus, dass „der Mensch ein Wesen ist, das in selbstgesponnene Bedeutungsgewebe verstrickt ist“ (1983, 9). Mit dem Verständnis von Kultur als System von Zeichen (Wissen und Bedeutung) geht so die Auffassung von einem Bedeutungs gewebe (ebd.) einher, die metaphorisch als „Kultur als Text“ bezeichnet wird (Bachmann-Medick 1996). Damit wird versucht, die komplexe Verwobenheit und Vielschichtigkeit sowie die mediale Repräsentation von Kultur auszudrücken (vgl. ebd.; Nünning/ Sommer 2004). Unter Kultur als Text wird „eine Konstellation von Texten, die über das gesprochene und geschriebene Wort hinaus auch in Ritualen, Theater, Gebärden, Festen usw. verkörpert sind“ (Bachmann-Medick 1996, 10) verstanden. Im Hinblick auf den Fremdsprachenunterricht ist das Verständnis von Kultur als Text (insbesondere für den Umgang mit Texten und Medien) ertragreich. Da Texte nicht eine unmittelbare, primäre Begegnung mit der Zielkultur anbieten, sondern es sich dabei vielmehr um eine vermittelte, repräsentierte kulturelle Kommunikation handelt, lässt sich mit dem Verständnis von Kultur als Text eben diese Verwobenheit und textuelle Substanz von Kultur (durch ihre kulturellen Produkte repräsentiert) begreiflich machen. Die Vorstellung „textueller Verfasstheit“ (Decke-Cornill/ Küster 2010, 323) von Kultur erlaubt für didaktische Zwecke einen interpretatorischen Zugriff auf Kultur, der als ein Konzept der Vermittlung, der Repräsentation und des Verstehens von kommunikativer Interaktion mit den fremdsprachigen Kulturen beschrieben wird (vgl. Hallet 2010, 152; Volkmann 2010, 41). Interkulturelles Lernen im Fremdsprachenunterricht Interkulturalität bezeichnet in Philosophie und Kulturwissenschaft die Beziehung zwischen Kulturen (vgl. Sommer 2008, 325). Sie besagt ausgehend von einem anthropologisch-holistischen Kulturbegriff-, dass Kulturen als Einheiten verstanden werden können, die für sich kulturspezifische Merkmale aufweisen, aber stets mit anderen interagieren. Das Konzept der Interkulturalität ist im Fremdsprachenunterricht auf erhebliche Resonanz gestoßen, da es dort u.a. darum geht, dass die Schülerinnen und Schüler im Unterricht auf der Basis mindestens zweier Kulturen, der eigenen und der anderen (der zu erlernenden Fremdsprache), die neue Sprache lernen. Byram hat in der Untersuchung Cultural Studies in Foreign Language Education (1989) ein didaktisches Konzept für die Zusammenführung von Fremdsprachen- und Kulturunterricht beziehungsweise „the assessment of the cultural dimension in language learning“ (1997, vii) entwickelt, das er zum Intercultural Communicative Competence-Modell (ICC-Modell) ausgebaut hat. Dieses Komponentenmodell hat wie kein anderes das Verständnis von und die Ausdifferenzierung der interkulturellen Kompetenz für den Fremdsprachenunterricht beeinflusst. 6.4 Inter- und transkulturelle Kompetenz 229 Interkulturelle kommunikative Kompetenz wird darin als die Fähigkeit beschrieben, in fremdsprachlichen und -kulturellen Kontexten mit anderen Menschen zu kommunizieren und zu interagieren (vgl. ebd. 49ff.). Das Modell besteht aus fünf Komponenten der interkulturellen Kommunikation, die bei der Ausbildung der interkulturellen kommunikativen Kompetenz eine Rolle spielen (vgl. ebd., 34ff.): (1) knowledge ( savoirs ) - damit sind zielkulturelle Wissensbestände im Allgemeinen und Wissen über kulturspezifische Konventionen und kommunikative Routinen im Besonderen gemeint; (2) attitudes ( savoir être ), das betrifft die Einstellungen gegenüber einer Fremdsprache beziehungsweise Fremdkultur (Offenheit, Neugier, Bereitschaft zur Dezentrierung und Relativierung von Denk- und Wahrnehmungsmustern etc.); (3) skills of interpret and relate ( savoir comprendre ) - hierbei geht es um die Fähigkeit, eine fremde Kultur unter Berücksichtigung „of specific information and general frames of knowledge“ (ebd., 37) ihrer Artefakte und Routinen zu verstehen; (4) skills of discover and/ or interact ( savoir apprendre/ faire ) - sie bezeichnen die Fähigkeiten, sich neues fremdkultur-spezifisches Wissen anzueignen ( apprendre ) und dieses Wissen darüber hinaus in interkulturellen Kommunikationssituationen aktiv einzusetzen ( faire ); und schließlich (5) education ( savoir s‘engager ), eine Komponente, die genauer mit „political education and critical cultural awareness“ (ebd., 34) beschrieben wird und sich auf die Fähigkeit bezieht, kulturelle Kontexte (Sichtweisen, Praktiken etc.) kritisch zu reflektieren, und idealer Weise in kulturelles bzw. politisches Engagement mündet. Byrams Modell hat nicht nur den fremdsprachendidaktischen Diskurs, sondern auch die Empfehlungen des Gemeinsamen europäischen Referenzrahmens der Sprachen (GeR) (Europarat 2001) und auch die Bildungsstandards für die Fremdsprachen (Englisch/ Französisch) (KMK 2003; 2012), die sich eng an den GeR anlehnen, maßgeblich geprägt (vgl. KMK 2003, 7 bzw. 11; KMK 2012, 9ff.). In den Bildungsstandards für die fortgeführte Fremdsprache wird die interkulturelle kommunikative Kompetenz als Teilbereich der funktionalen kommunikativen Kompetenzen behandelt und wie folgt definiert: Interkulturelle kommunikative Kompetenz ist gerichtet auf Verstehen und Handeln in Kontexten, in denen die Fremdsprache verwendet wird. Schülerinnen und Schüler erschließen die in fremdsprachigen und fremdkulturellen Texten erhaltenen Informationen, Sinnangebote und Handlungsaufforderungen und reflektieren sie vor dem Hintergrund ihres eigenen kulturellen und gesellschaftlichen Kontextes.[…] Der Prozess interkulturellen Verstehens und Handelns beruht auf dem Zusammenspiel von Wissen , Einstellungen und Bewusstheit. (KMK 2012, 20) Interkulturelle kommunikative Kompetenz im Fremdsprachenunterricht gliedert sich so in die Komponenten des Wissens, des Verstehens und des Handelns, 230 6. Didaktische Transformation nach Kompetenzbereichen die sich sowohl auf die direkte als auch auf die medial vermittelte interkulturelle Kommunikation anwenden lassen. Sie schließt zudem Einstellungen, also affektive und attitudinale Komponenten, genauso mit ein wie die Bewusstheit für die Kulturgebundenheit der fremden, aber auch unserer eigenen Sicht- und Denkweisen und Bewertungsmaßstäbe. Beim Umgang mit literarischen Texten handelt es sich um einen besonderen Teilbereich medial vermittelter interkultureller Kommunikation, der in den aktuellen Bildungsstandards für die fortgeführte Fremdsprache als Fähigkeit zum interkulturellen „Verstehen, Deuten und Produzieren” fremdsprachlicher Texte definiert wird (vgl. KMK 2012, 21). Byrams Komponentenmodell wird weiter unten bei der Auslotung des spezifischen Potentials der Poesía Visual für das inter- und transkulturelle Lernen nicht zuletzt deswegen als Bezugsmodell gewählt, weil es heruntergebrochen auf den schulischen Tertiärsprachenunterricht Eingang in die Curricula bzw. Bildungsstandards für den Fremdsprachenunterricht Spanisch nahezu aller Bundesländer gefunden hat. Transkulturelles Lernen im Fremdsprachenunterricht Nach heftigen Debatten in der Fremdsprachendidaktik wird in neueren Publikationen transkulturelles Lernen im Fremdsprachenunterricht nicht mehr als Alternative bzw. als Substitut, sondern als Ergänzung zum interkulturellen Lernen verstanden (vgl. u.a. Delanoy 2008, 2014; Freitag 2010; Reimann 2013, 2014, 2016; Schumann 2008). Nach Welsch (1987) bedeutet Transkulturalität in der Doppeldeutigkeit des lateinischen Präfix trans („durch, hindurch“ bzw. „über, hinüber“) ein gesellschaftliches Konzept der kulturellen Verflechtung, Vermischung, Durchdringung und Überschreitung. Kulturelle Entitäten lösen sich in einer übergreifenden „Weltkultur” auf, sodass sich Identitätsprozesse und Lebensweisen nicht eindeutig im Sinne nationalkultureller Vorstellungen zuordnen lassen (vgl. Schumann 2008, 83). Im Zuge der Globalisierung und der damit einhergehenden Neuausrichtung kulturdidaktischer Methoden ist Transkulturalität als Konzept in die Fremdsprachendidaktik, insbesondere im akademischen Diskurs, eingegangen (vgl. Delanoy 2014, 19; Volkmann 2014, 37). Vor allem ihre praktische Umsetzung im Fremdsprachenunterricht und ihre Stellung gegenüber dem etablierten interkulturellen Ansatz werden hierbei debattiert. 22 Während es bei Interkulturalität um 22 Nachzulesen beispielsweise bei Bredella, Lothar/ Christ, Herbert (Hg.) (1994): Didaktik des Fremdverstehens, Tübingen: Narr. Oder Delanoy, Werner/ Volkmann, Laurenz (Hg.) (2006): Cultural Studies in EFL Classroom, Heidelberg: Winter. Vgl. auch Delanoy, Werner (2012): From ‚Inter‘ to ‚Trans‘? Or: Quo Vadis Culural Learning? In: Eisenmann, Maria/ Sommer, Theresa (Hg.): Basic Issiues in EFL Teaching and Learning, Heidelberg: Winter. 6.4 Inter- und transkulturelle Kompetenz 231 die Verständigung zwischen dem Eigenen und dem Anderen bzw. dem Fremden geht, liegt dem Begriff der Transkulturalität die Vorstellung von einer Aufhebung der Grenzen insofern zu Grunde, als das Eigene und das Andere als Kategorien aufgehoben werden und „das Fremde mit dem Eigenen zu einer Einheit verschmilzt“ (Schumann 2008, 83). Die Vorstellung von fest umrissenen Zielkulturen und „mehr oder weniger kulturell homogen konzipierten Akteuren” (Volkmann 2014, 39) erscheint damit auch in der Fremdsprachendidaktik künftig nicht mehr tragbar: Heute bewegen sich Fremdsprachenlernende als „kulturell komplex beeinflusste Konstrukteure in globalen und fluiden Kontexten” (ebd. 40). Kultur zeigt sich - dem semiotischen Kulturverständnis folgend - als ein System von Vernetzung und Durchdringung. Schumann versteht vor dem Hintergrund dieser Debatte das transkulturelle Lernen im Fremdsprachenunterricht als eine Ergänzung des interkulturellen Lernens. Transkulturelles Lernen meint für sie primär eine kulturübergreifende, transversale Beschäftigung mit soziokulturellen Themen, aber auch die Behandlung kultureller Vermischungen und die Aufhebung der Grenzen des Eigenen und des Fremden. Reimann (2013 und 2014) stimmt darin mit ihr überein und legt ein Modell vor, das soziokulturelles Orientierungswissen (bei Reimann als Landeskunde bezeichnet), interkulturelle Kompetenz und transkulturelle Kompetenz (vgl. Reimann 2013, 173) im Rahmen eines Stufenmodells als sich komplementierende Bereiche versteht. Abbildung 65. Stufenmodell: Soziokulturelles Orientierungswissen - Interkulturelle Kompetenz - Transkulturelle Kompetenz (angelehnt an Reimann 2014) Dabei ist das soziokulturelle Orientierungswissen nach Reimann (2014, 287ff.) als Grundlage der inter- und transkulturellen Kompetenz zu verstehen. Die Vermittlung dieses Orientierungswissens ist unabdingbar, um einen interkulturellen Lernprozess in Gang setzen zu können, der das kulturell Eigene und das kulturell Fremde zu erkennen und sich damit auseinanderzusetzen vermag (vgl. Reimann 2016, 104). Die interkulturelle Kompetenz ihrerseits ist indes die „unabdingbare Voraussetzung für das (tendenziell) spätere Erreichen einer tatsächlichen transkulturellen Kompetenz“ (ebd.). 232 6. Didaktische Transformation nach Kompetenzbereichen Nach Reimann soll durch transkulturelles Lernen zweierlei erreicht werden: Zum einen die Überwindung von Grenzen zwischen Sprach- und Kulturräumen und zum anderen die Vernetzung von Kulturen in einer globalisierten Welt (vgl. ebd. 175). Diese Ziele betreffen sowohl die Inhaltsebene als auch die Handlungsebene (Lernvoraussetzungen und die Identitätsbildung) des Fremdsprachenunterrichts (vgl. ebd. 176). Auf inhaltlicher Ebene bedeutet das transkulturelle Lernen für die Unterrichtspraxis eine Erweiterung der Textauswahl auf solche Texte, die die Hybridität und Komplexität von Kulturen und Identitäten erlebbar machen (vgl. Freitag 2010, 128), und die Ausweitung der Themenfelder von kulturspezifischen auf globale Sujets, also auf Schlüsselthemen der globalen Gesellschaft (vgl. Volkmann 2014, 40). Auf handlungsbezogener Ebene meint es, einen transkulturellen Begegnungs- und Aushandlungsraum im Fremdsprachunterricht zu ermöglichen (vgl. Reimann 2013, 171). Hier zeigen sich deutliche Berührungspunkte zum globalen Lernen 23 , für das die KMK in den Empfehlungen des „Orientierungsrahmens für den Lernbereich ( global education )“ (KMK 2015) Themenfelder vorschlägt, die an die Auswirkungen des globalen Wandels anschließen und aus den Bereichen Wirtschaft, Politik, Gesellschaft und Umwelt stammen (vgl. KMK 2015, 87). Dabei werden die fünf Leitlinien des Lernbereichs klar definiert: 1. Orientierung am Leitbild der nachhaltigen Entwicklung, 2. Analyse von Entwicklungsprozessen auf unterschiedlichen Handlungsebenen, 3. Umgang mit Vielfalt, 4. Fähigkeit zum Perspektivenwechsel und 5. Kontextbeziehungsweise Lebensweltorientierung (ebd., 88). Hierbei wird betont, dass vor allem der Umgang mit der Vielfalt gesellschaftlich und kulturell geprägter Sichtweisen im Unterricht nach konstruktiven Aushandlungsprozessen verlangt, was Offenheit, Empathievermögen sowie die Bereitschaft und Fähigkeit zum Perspektivenwechsel voraussetzt. 23 Beim globalen Lernen ( educación global, educación para una ciudadanía global (Danninger/ Schank 2010, 11)) handelt es sich um ein fächerübergreifendes und -verbindendes Konzept, das aus der entwicklungspolitischen Bildung entstanden ist. Es knüpft unmittelbar an die Empfehlung der UNESCO (Erziehung für internationale Verständigung, Zusammenarbeit und Frieden, 1974) an und wurde vom Europarat als Bildungsaufgabe Europas deklariert ( Global Education Declaration , Maastricht 2002). In dem Konzept wird eine gemeinsame europäische Strategie zur Förderung des Globalen Lernens in Europa verabschiedet, die davon ausgeht, dass globale Bildung für Völkerverständigung und Verteidigung der Menschenrechte steht. Bei zunehmender Komplexität globaler Zusammenhänge durch eine beschleunigte Globalisierung versteht sich das globale Lernen insbesondere als Förderung der Bereitschaft zu einer weltbürgerlichen Sichtweise und einem Werteverständnis, das dazu erziehen soll, Verantwortung für das eigene und gesellschaftliche Handeln zu übernehmen, „ohne dabei eurozentristische Herangehensweisen zu proklamieren und durchzusetzen“ (Danninger/ Schank 2010, 13). Der besondere Beitrag der modernen Fremdsprachen in der Schule wird im Orientierungsrahmen für den Lernbereich Globale Entwicklung der KMK näher beschrieben (vgl. KMK 2015, 166ff.). 6.4 Inter- und transkulturelle Kompetenz 233 6.4.2 Poemas visuales als Gegenstand für das inter- und transkulturelle Lernen Didaktisches Potenzial Bisher sind in der Fremdsprachendidaktik vor allem narrative (und in sehr viel geringerem Maße dramatische) Texte im Hinblick auf ihr Potenzial für das inter- und transkulturelle Lernen beleuchtet worden. Die äußerst zahlreichen und vielfältigen Studien dazu und deren Ergebnisse können hier nicht i. E. referiert werden. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass das Potenzial narrativer Texte für das inter- und transkulturelle Lernen zum einen im Bereich des Fremdverstehens und hier in Sonderheit der Empathieschulung und der Perspektivenübernahme und Perspektivenkoordination verortet wird und zum anderen in der Darstellung interkultureller Kontaktsituationen auf der Ebene der fiktionalen Handlung und transkultureller Identitäten auf der Ebene der Figurendarstellung. In thematischer Hinsicht wird für die Auswahl narrativer Texte für das inter- und transkulturelle Lernen im Fremdsprachenunterricht so häufig das Kriterium in Anschlag gebracht, diese sollten idealer Weise historische und aktuelle interkulturelle Begegnungssituationen oder aus diesen resultierende Identitätskonflikte bi- oder mehrkulturell geprägter Individuen thematisieren (wie etwa die Migrationsliteratur oder postkoloniale Literatur). Der Fokus liegt hier also - in der Terminologie des Komponentenmodells von Byram gesprochen - auf den Teilkompetenzen attitudes ( savoirs être ) und skills of interpret and relate ( savoir comprendre ). Im Folgenden möchte ich zunächst zeigen, welche Teilbereiche des inter- und transkulturellen Lernens mit poemas visuales gefördert werden können. Welche Anknüpfungspunkte bietet die besondere Beschaffenheit dieses literarischen Gegenstandes für die hier in Rede stehenden Lehr- und Lernziele? Im Unterschied zu narrativen Texten verhandeln die poemas visuales , die soziokulturelle Phänomene kulturspezifischer oder globaler Art thematisieren, diese nicht diskursiv-erzählend, sondern in höchstem Maße verdichtet in einzelnen Wörtern und Bildern und in komplexen Schrift-Bild-Relationen, die es zu entziffern und zu deuten gilt. Soziokulturelles Orientierungswissen, das mit Reimann als Basis zunächst für das interkulturelle und darauf aufbauend auch für das transkulturelle Lernen verstanden wird (s.o.), wird hier oft nur anzitiert, sprachspielerisch und visuell suggestiv verarbeitet und nicht diskursiv-darstellend präsentiert. Soziokulturelles Orientierungswissen ist zumeist nicht direkt aus dem Gedicht erschließbar, sondern das soziokulturelle Phänomen, auf das das poema visual einen subjektiven, bedeutungsoffenen Blick wirft, muss vom Rezipienten im Rahmen eines top-down-processes an das Gedicht herangetragen werden; es bildet in Form von Vorwissen die Basis für eine erfolgreiche Rekon- 234 6. Didaktische Transformation nach Kompetenzbereichen struktion der Sichtweise auf das jeweilige Phänomen, die sich im Gedicht manifestiert. Insbesondere bei poemas visuales , die zielkulturspezifische Themen verarbeiten, ist nicht davon auszugehen, dass der Fremdsprachenlerner über dieses Wissen verfügt. Er muss es sich erst im und für den erfolgreichen Rezeptionsprozess aneignen. Das mangelnde Verfügen über zielspezifisches soziokulturelles Orientierungswissen stellt für ihn ein Problem dar, das es mit bestimmten Kompetenzen und Strategien zu lösen gilt. Aus fremdsprachendidaktischer Perspektive sehe ich aber genau hierin ein besonderes Potenzial der Poesía Visual. Denn diese durch ihre spezifische Beschaffenheit hervorgerufenen Verstehensprobleme stellen zentrale Anknüpfungspunkte für das interkulturelle Lernen dar: Das Gedicht wird so Auslöser zur Aktivierung und zum Training der skills of discover nach Byram; ausgehend vom Rätselcharakter des Gedichtes erarbeiten sich die Fremdsprachenlerner soziokulturelles Orientierungswissen, das sie zu seiner Dechiffrierung benötigen, und schaffen damit die Grundlage für das im zweiten Schritt erfolgende savoir comprendre eines literarischen Textes, für das nach Byram diverse s kills of interpret and relate eingesetzt werden müssen. Insbesondere die sogenannten skills of discover und damit das savoir apprendre werden beim interkulturellen Lernen mit literarischen Texten bisher eher selten in Anschlag gebracht. Das interkulturelle Lernen mit Poesía Visual kann sich aber auch auf affektiv-attitudinaler Ebene vollziehen und damit die Komponente betreffen, die Byram als savoir être bezeichnet. Dieser bezieht sich auf das Bewusstmachen und Reflektieren kultureller Verschiedenheit sowie die Förderung von Wahrnehmungssensibilität und Toleranz durch respektvolle Begegnung und kritische Auseinandersetzung mit der zielsprachlichen wie der eigenen Kultur. Die poemas visuales spiegeln auch Haltungen und Einstellungen auf soziokulturelle Phänomene wider, die die Rezipienten unter Rückgriff auf das mithilfe der skills of discover erschlossene soziokulturelle Orientierungswissen verstehen müssen und können. Dabei treten sie mit dem Gedicht in einen interkulturellen Dialog, in dem sie ihre persönlichen Wissenshorizonte, aber auch ihre eigenen Einstellungen und Haltungen einbringen. In der Auseinandersetzung mit den subjektiven Sichtweisen und Deutungen, die das Gedicht anbietet, reflektieren sie idealer Weise ihre eigenen Meinungen und Einstellungen. Affektive und attitudinale Komponenten des interkulturellen Lernens können darüber hinaus im Umgang mit poemas visuales aber auch zum Tragen kommen, wenn es darum geht (wie im unterrichtspraktischen Teil weiter unten illustriert), eigene Gedichte zu kreiieren und aus der Perspektive des Eigenen eine Deutung des Anderen produktiv umzusetzen und somit im Medium einer ästhetischen Kommunikation interkulturell zu handeln. 6.4 Inter- und transkulturelle Kompetenz 235 Im Sinne des inter- und transkulturellen Lernens können poemas visuales so im Spanischunterricht zur Vermittlung, Vernetzung und Weiterverarbeitung von soziokulturellem Wissen unter Einbeziehung des individuellen lebensweltlichen Erfahrungshorizonts der Schülerinnen und Schüler eingesetzt werden. Soziokulturelles Vorwissen und neues Orientierungswissen werden über sie vernetzt und mit eigenkulturellen Wissensbeständen der Lernenden verknüpft. Eine Vielzahl an kulturspezifischen wie kulturübergreifenden Themen lassen sich in poemas visuales finden. Dazu gehören kulturspezifische soziopolitische und historische Themen wie La Guerra Civil Española, la República, la dictadura und la transición , intertextuelle und intermediale Bezüge zu literarischen beziehungsweise künstlerischen Werken oder Epochen (z.B. el Siglo de Oro, Don Quijote, À la recherche du temps perdu ) oder aktuelle sozial-politische Diskurse ( el consumismo, el problema del agua en la Península Ibérica, la polémica sobre la violencia de género, la crisis económica etc.). Nicht zuletzt werden in poemas visuales nicht selten auch transkulturelle Themenbereiche ( guerra y libertad, religión, racismo, el hambre, etc.) angesprochen und zwar sowohl multikulturelle Phänomene und kulturelle Kontakt- und Überschneidungssituationen als auch globale Schlüsselthemen, die attraktive Ansatzpunkte für das oben skizzierte globale Lernen bieten. Sie eröffnen so - gerade auch in Anbetracht der zunehmend multikulturell zusammengesetzten Lernergruppen - einen transkulturellen Begegnungs- und Aushandlungsraum im Fremdsprachenunterricht. Methodisch-didaktische Überlegungen In welchen unterrichtlichen Phasen und methodisch-didaktischen Szenarien können poemas visuales zum inter- und transkulturellen Lernen eingesetzt werden? Dieser Leitfrage wird im Folgenden nachgegangen. Dabei möchte ich zeigen, dass poemas visuales aufgrund ihrer Schrift-Bild-kombinatorischen Dichte literarische Kürzesttexte sind, die wie ein Symbol für ein soziokulturelles Thema stehen können und als solches sowohl in eher rezeptiv ausgerichteten Szenarien des inter- und transkulturellen Lernens als auch in produktiv-kreativen Unterrichtsphasen eingesetzt werden können. Konkret möchte ich hier drei Möglichkeiten für den Einsatz von poema visuales vorstellen, mit denen inter- und transkulturelle Reflexionsprozesse initiiert werden können: zum Öffnen, Wegweisen und zum Schließen von Themen, Wissens- und Informationserschließungsprozessen und zwar als a)-Reflexionsauslöser,-b)-Reflexionswegweiser und c)-Reflexionszusammenfassung. a. Als Ausgangs- oder Einstiegstexte können poemas visuales als Reflexionsauslöser dienen. Aufgrund ihrer Schrift-Bild-Kombination erlauben sie eine visuell-gestützte Themenhinführung und können dafür eingesetzt werden, 236 6. Didaktische Transformation nach Kompetenzbereichen im Unterrichtseinstieg Fragen aufzuwerfen, Hypothesen aufzustellen und Interesse zu wecken. b. Darüber hinaus können poemas visuales als Reflexionswegweiser wie thematische Knotenpunkte fungieren, auf die man in verschiedenen Unterrichtsphasen zurückgreifen kann, um besonders komplexe Sachverhalte zu strukturieren und zu perspektivieren und inter- und transkulturelle Verstehensprozesse (visuell) zu unterstützen. c. Ein poema visual kann als Impuls für eine rezeptive inter- und transkulturelle Reflexionszusammenfassung (c.1) und als Modell für eine Eigenkreation als produktive inter- und transkulturelle Reflexionszusammenfassung (c.2) dienen. c.1) Am Ende einer Unterrichtseinheit kann ein poema visual für eine Reflexionszusammenfassung eingesetzt werden. Dabei kann das behandelte Thema abschließend zusammengefasst (mündlich oder schriftlich) und kulturspezifisch und/ oder kulturübergreifend unter Einbeziehung der eigenkulturellen Sichtweise reflektiert werden. c.2) Darüber hinaus können die Schülerinnen und Schüler ein eigenes poema visual als kreatives Endprodukt (Zieltext) gestalten. Darin bringen sie ihre individuellen kulturgesellschaftlichen Reflexionen und auch subjektive Einstellungen und Haltungen literarästhetisch vermittelt zum Ausdruck. Das produktive Arbeiten mit Poesía Visual knüpft hier an die Zielsetzungen zur Förderung der produktiven visuell-literarischen Kompetenz an (siehe Kapitel 6.1.3.1), die die Schülerinnen und Schüler in der Produktion eigener poemas unter Beweis stellen können. Geht es bei der produktiven visuell-literarischen Kompetenz um die Umsetzung visuell-literarischer Besonderheiten, tritt die poetische Textform des poema visual im Rahmen des inter- und transkulturellen Lernens in den Hintergrund, womit der Schwerpunkt des Produktes auf die visuell-kreative Synthese soziokulturellen Wissens gelegt wird. Die Eigenproduktionen der Schülerinnen und Schüler lassen sich etwa im Rahmen von Ausstellungen in Schaukästen oder auf Plakaten, in Form eines gedruckten Kataloges, in digitaler Version in einem Blog oder auf der Homepage der Schule präsentieren. Solch ein produktiver Umgang mit Poesía Visual eignet sich im Übrigen auch für fachübergreifende, fächerverbindende (im Sinne des transkulturellen Lernens) Schulprojekte, in denen soziokulturelle Themen behandelt werden, wie beispielsweise „Gewalt“ violencia, „Vielfalt“ diversidad, „Migration“ emigración etc. Im Folgenden möchte ich konkrete Unterrichtsszenarien zum inter- und transkulturellen Lernen mit poemas visuales exemplarisch vorstellen. Die beiden ersten Unterrichtsbeispiele führen vor, wie poemas visuales als Reflexionsauslöser, 6.4 Inter- und transkulturelle Kompetenz 237 Reflexionswegweiser und -Reflexionszusammenfassung im Rahmen rezeptiver Herangehensweisen eingesetzt werden können (6.4.2.1). Das dritte Beispiel zeigt anhand authentischer Schülerkreationen, wie eine produktive Reflexionszusammenfassung in Form eines visuellen Gedichtes aussehen kann (6.4.2.2). Diese kreativ-produktiven Schülerlösungen fallen in den Bereich des transkulturellen Lernens und sind von Schülerinnen und Schüler des Spanischen als Zweitsprache ( Instituto Español Lisboa ) erstellt worden. Dass es sich um Beispiele für kreative Schülerlösungen aus dem Spanischunterricht als Zweitsprache handelt, ist für den vorliegenden Zweck, in erster Linie zu veranschaulichen, wie Reflexionszusammenfassungen in Eigenkreationen von poemas visuales münden und wie diese aussehen können, unproblematisch. Dass der Kontext, aus dem die Schülerergebnisse entnommen wurden, nicht der des Spanischen als Fremdsprache ist, liegt daran, dass Erprobungen aus diesem Bereich für das inter- und transkulturelle Lernen nicht bekannt sind. Die Gedichte können hier dennoch als aussagekräftige Beispiele dienen, weil es in diesem Kontext primär nicht um das sprachliche, sondern um das visuell-gestalterische Können der Schülerinnen und Schüler und um ihre eigene Sicht auf ein bestimmtes soziokulturelles Phänomen geht. 6.4.2.1 Poemas visuales als Reflexionsauslöser, Reflexionswegweiser und Rezeptionszusammenfassung für rezeptives inter- und transkulturelles Lernen: Unterrichtsbeispiele a) España 1939-1975 Abbildung 66. España 1939-1975 (2008), Juan José Ruiz Fernández Beim visuellen Gedicht „España 1939-1975“ (siehe Abbildung 66) von Juan José Ruiz Fernández handelt es sich nach der didaktisch-funktionalen Typologie 238 6. Didaktische Transformation nach Kompetenzbereichen (siehe Kapitel 5) um ein poema imagen vom Typus poema objeto . Auf einem schwarzen Hintergrund liegen, im gleichen Abstand voneinander angeordnet, sechs beidseitig angespitzte Buntstifte gleichen Fabrikats. Von links nach rechts lesend, werden die Stifte immer kürzer. Zusammen bilden sie die Form eines gegenüber den Grundseiten um 90 Grad gedrehten Trapezes. Der von links aus gesehen erste und längste Stift ist gleichmäßig zweifarbig: Die obere Hälfte einschließlich der Stiftspitze ist rot, die untere blau. Der von links aus gesehen letzte Stift ist der kürzeste, dieser ist einfarbig blau, seine beiden Spitzen ebenfalls. Die vier dazwischenliegenden Buntstifte werden, der geometrischen Form eines gedrehten Trapezes entsprechend, von links nach rechts immer kürzer. Dabei wird der rote Anteil am Buntstift proportional kleiner. Für den Betrachter entsteht so der Eindruck, als nehme die rote Farbe der Stifte (gleichen Fabrikats) sukzessive ab, um schließlich gänzlich zu verschwinden. Der Titel „España 1939-1975“ liefert den Hinweis auf den soziokulturellen und historischen Kontext, in dem das poema sich verorten lässt: die Nachkriegszeit und das Franco-Regime in Spanien. Erst durch den Titel kann den abgebildeten zweifarbigen Buntstiften eine Bedeutung zugewiesen werden: Die Farben Rot und Blau repräsentieren hier die beiden Bürgerkriegsparteien der Guerra Civil Española , los rojos und los azules . Los rojos stehen für die republicanos (als Antimonarchisten stellvertretend auch für Sozialisten, Kommunisten, Anarchisten etc.) und los azules für die nacionales (eigentlich bando nacional , die Aufständischen unter Franco, ferner die Falangisten/ Faschisten, Traditionalisten, Katholische Kirche etc.). Von links nach rechts gelesen und in Anbetracht des Titels, suggerieren die Stifte eine Art Zeitleiste, die für die Zeit von 1939, dem Ende des Spanischen Bürgerkrieges, bis 1975, dem Tod Francos und dem Ende der Diktatur in Spanien, steht. Dabei stellt der längste und gleichmäßig zweifarbige Stift links das Jahr 1939 und, entsprechend, der letzte, kürzeste und einfarbig blaue Stift rechts das Jahr 1975 dar. Versteht man die zweifarbigen Buntstifte als symbolische Repräsentation der Dos Españas , die die spanische Gesellschaft bis heute charakterisieren, lässt sich das Gedicht wie folgt deuten: Zum Ende des Bürgerkrieges und zu Beginn der Diktatur Francos sind beide Seiten in der spanischen Gesellschaft zu gleichen Teilen vertreten; nach und nach nimmt der linkspolitische, „rote Anteil“ der Gegner des Regimes sukzessive ab, bis er 1975 verschwindet. Das „Verschwinden“ des rotfarbenen Anteils symbolisiert zum einen die Flucht vieler Regimegegner ins Exil und zum anderen deren systematische Verfolgung und Vernichtung im franquistischen Spanien. Der Spanische Bürgerkrieg und insbesondere dessen Folgen stellen in der spanischen Gesellschaft immer noch ein aktuelles, großes und bewegendes Thema dar. Nicht zuletzt sind die Einführung der Ley de la Memoria Histórica (2007) und die hitzigen Debatten, die dieses Gesetz im Vorfeld im Parlament und nach 6.4 Inter- und transkulturelle Kompetenz 239 seiner Verabschiedung in der spanischen Gesellschaft ausgelöst hat, ein Hinweis darauf, welche Bedeutung die Aufarbeitung und Bewältigung der jüngeren Geschichte Spaniens für die Bevölkerung nach wie vor hat. 24 Angesichts seines Entstehungsdatums (2008) lässt sich das Gedicht im Unterricht im Kontext der jüngsten (individuellen und kollektiven) Vergangenheitsbewältigung in Spanien verorten. Wird das poema als Reflexionsauslöser eingesetzt, können, unter Vorenthaltung des Titels, zunächst Hypothesen über die Bedeutung der Bleistifte und ihrer Anordnung im zweidimensionalen Raum aufgestellt werden. So kann eine Spannung erzeugt werden, die zum „Enträtseln“ des Gedichts motiviert. Durch das Aufdecken des Titels wird diese Spannung indes nur partiell aufgelöst. Schließlich gibt der Titel nur einen geographischen und einen zeitlichen Anhaltspunkt zur Deutung. Wie genau die ikonischen Zeichen im Einzelnen gedeutet werden können und welche Sichtweisen auf ein für Spanien so zentrales soziohistorisches Thema darin symbolisch verdichtet zum Ausdruck kommen, kann erst erschlossen werden, wenn zusätzliches soziokulturelles Orientierungswissen in den Deutungsprozess einbezogen wird. So können beispielsweise folgende Fragen an die Schülerinnen und Schüler gestellt werden: Fíjate en el título. ¿Sabes algo sobre las fechas nombradas? ¿Qué sucedió en 1939? y ¿Qué sucedió en 1975? ¿Qué periodo marcan estas dos fechas? und diese dazu aufgefordert werden, sich in eigenständigen Recherchen soziokulturelles Orientierungswissen über die Guerra Civil und deren Konsequenzen zu erschließen und damit skills of discovery in einem autonomen oder teilweise gesteuerten Lernkontext zu erwerben und zu trainieren. Wird das Gedicht als Reflexionswegweiser im Verlauf einer Unterrichtseinheit etwa zur Memoria histórica , also zur Vergangenheitsbewältigung im Gegenwartsspanien herangezogen, kann es vertiefend darum gehen, u.a. der Bedeutung der Farben Rot und Blau ( los rojos und los azules ) nachzugehen und 24 Bei der Ley de la Memoria Histórica (Ley 52/ 2007 de 26 de Diciembre ) - offiziell: LEY 52/ 2007, de 26 de diciembre, por la que se reconocen y amplían derechos y se establecen medidas en favor de quienes padecieron persecución o violencia durante la guerra civil y la dictadura - handelt es sich um ein Gesetz, das 2007 unter der Regierung des PSOE ( José Luis Rodríguez Zapatero) in Spanien verabschiedet wurde. Das Gesetz macht sich zum Ziel, die Opfer politischer, religiöser und ideologischer Gewalt im Spanischen Bürgerkrieg und während des Franco-Regimes anzuerkennen und zu würdigen. Darunter fallen Bestimmungen wie: Verurteilung des Franco-Regimes, allgemeine Zusage öffentlicher Hilfe bei der Suche, Identifizierung und eventuellen Exhumierung von Opfern franquistischer Unterdrückung, Verbot politischer Veranstaltungen im Valle de los caídos , Entfernung franquistischer Symbole von öffentlichen Gebäuden und Plätzen etc. (vgl. Gobierno de España Ministerio de justicia, Leyes y reales decretos http: / / leymemoria.mjusticia.gob.es/ cs/ Satellite/ LeyMemoria/ es/ memoria-historica-522007 (zuletzt eingesehen am 23.02.2016)) 240 6. Didaktische Transformation nach Kompetenzbereichen Hypothesen daran anzuschließen, warum etwa das Rot im Gedicht verschwindet ( ¿Por qué desaparece el rojo de los lápices? ) und warum hier überhaupt als Objekte bzw. Symbole für einen soziohistorischen Prozess Bleistifte gewählt werden ( ¿Qué representan los lápices de colores? ¿Qué asocias tú con ellos? ). Über die Deutung der Stifte, als Utensil, das besonders Kinder verwenden, oder das zum Schreiben oder Zeichnen gebraucht wird etc., kann diskutiert und eine Verbindung zu künstlerisch-ästhetischen Tätigkeiten hergestellt werden. Rot könnte in diesem Zusammenhang als Korrekturfarbe für Zensur stehen und damit für die Repression der kulturellen und intellektuellen Linke Spaniens stehen, deren Vertreter während der Franco-Diktatur zensiert oder gar ermordet wurden oder ins Exil fliehen mussten. Hier kämen somit die skills of interpret and relate zum Tragen. Als rezeptive Reflexionszusammenfassung kann am Ende einer Unterrichtseinheit auf das poema zurückgegriffen werden, um die thematischen Schlüsselaspekte zusammenzufassen und um über die dazugewonnenen Erkenntnisse zu sprechen. Die Schülerinnen und Schüler können auch darüber reflektieren, wie sie das Gedicht zu Beginn gelesen bzw. gesehen haben und wie sie es nach der Unterrichtseinheit und vor dem Hintergrund des neu erworbenen soziokulturellen Hintergrundwissens deuten. Auch denkbar wäre es, das poema visual im Rahmen einer Abschlussklausur als diskontinuierlichen, poetischen Text einzusetzen und zur textanalytischen Leistungsüberprüfung zu nutzen. Eine Reflexionszusammenfassung kann darüber hinaus die Funktion erfüllen, das Gedicht aus seinem spezifischen soziokulturellen Kontext herauszulösen und danach zu fragen, auf welche anderen Kontexte es bezogen werden könnte. Hier können die Sprachlerner eigenkulturelle Themen und Erfahrungen einbringen und in Relation zu dem zielsprachenspezifischen Kontext setzen. b) El tema del agua en la Península Ibérica Abbildung 67. ¿Solidaridad? (2012 [2005]), Rafael Peralto 6.4 Inter- und transkulturelle Kompetenz 241 Bei dem poema imagen von Rafael Peralto „¿Solidaridad? ” (Abbildung 67) handelt es sich um ein poema objeto nach dem Prinzip des objets trouvé, wonach visuelle Gedichte aus vorgefundenen (Alltags-)Gegenständen oder Abfällen hergestellt werden. Auf dem grauen Hintergrund, der an eine verputzte Wand oder einen grauen Lehmboden denken lässt, sind cremeweiße Fliesenscherben so eingelassen, dass sie sich der Fläche anpassen und zusammen ein mosaikartiges Fliesenstück bilden. Es könnte sich um Keramik-, Zement- oder Natursteinfliesen handeln. Ein Muster ist nicht zu erkennen. Um das Mosaik herum sind wenige kleinere Unkrautspuren zu erkennen, die darauf schließen lassen, dass das Bild in einem Außengelände aufgenommen wurde. Insgesamt erinnern das Fliesenscherbenmosaik und der graue, lehmartige Hintergrund an die Struktur vertrockneter Erde. Im rechten oberen Viertel des Bildes ist ein messingfarbener Wasserhahn mit klassischem Hahngriff zu sehen. Er ist über ein kleines chromfarbiges Rohrstück an den Fliesen befestigt und ragt aus dem Mosaik heraus. Es handelt es sich um einen Wasserhahn älteren Modells, das meist im Außenbereich verwendet wird. Der Umriss des Mosaiks gleicht der Form der Iberischen Halbinsel. Das Gedicht trägt den Titel ¿Solidaridad? . Wird das Mosaik als Iberische Halbinsel gesehen, ragt der Wasserhahn (geografisch betrachtet) im Länderdreieck zwischen Aragón, Cataluña und Valencia heraus. Der Wasserhahn als Objekt steht für den Zugang zu Trinkwasser, für die Trinkwasserversorgung und im weitesten Sinn für das Trinkwasser selbst. Der Titel ¿Solidaridad? gibt zunächst keinen direkten Hinweis auf die Bedeutung des Gedichtes. Er kann aber in Verbindung mit dem als Iberische Halbinsel konturierten Fliesenscherbenmosaik, das an getrocknete Erde erinnert, der Bedeutung des Wasserhahns und den durch die (geografische) Lage des Wasserhahns bezeichneten Ländern Aragón, Cataluña und Valencia wie folgt gelesen werden: Die vertrocknete Iberische Halbinsel (Spanien) und die Wasserversorgung aus Aragón - ist das Solidarität? Dass in der Frage ¿Solidaridad? kein Fragewort steht, erschwert indes die Deutung. Es könnte gleichermaßen nach dem Wer, Wo, Wann, Wie oder Warum Solidarität gefragt sein. Oder, weiter gegriffen, Solidarität überhaupt infrage gestellt werden. Geht es überhaupt um Solidarität? Kann Solidarität das Wasserproblem lösen? Die Regierung unter José María Aznar rief 2001 das unter der Kampagne „Agua para todos“ laufende Projekt Plan Hidrológico Nacional (PHN) ins Leben, das während der Legislaturperiode des Partido Popular (PP) 2003 verabschiedet wurde. 25 Es hatte zum Ziel, Trinkwasser aus dem oberen Ebro und dem nördli- 25 Siehe Gobierno de España, Ministerio de Agricultura, Alimentación y Medio Ambiente, eduhttp: / / www.magrama.gob.es/ es/ agua/ temas/ planificacion-hidrologica/ (zuletzt eingesehen am 23.02.2016). 242 6. Didaktische Transformation nach Kompetenzbereichen chen Segura über Aquädukte nach Valencia, in die Gemüseregion Murcia und bis nach Andalusien zu leiten. Weil die feuchten Gegenden Spaniens hergeben sollten, was den trockenen fehlte, nahmen die Menschen aus Aragón und dem Norden Valencias das Projekt nur unter Protest hin. Es fanden große öffentliche Debatten statt. Infolge des Regierungswechsels 2004 wurde das Projekt 2005 unter José Luis Rodríguez Zapatero (PSOE) annulliert und dafür ein neues Projekt entworfen, das die Gewinnung von Trinkwasser aus Meerwasser mithilfe von Entsalzungsanlagen beinhaltete. Die heftigen Diskussionen, die in den Medien verfolgt werden konnten, spalteten die spanische Gesellschaft. Die Aragonesen sahen sich in ihrem Protest gegen den PHN bestätigt, während die Andalusier über die fehlende Solidarität aus dem Norden klagten. Ist eine Wasserversorgung von Aragón nach Andalusien überhaupt die Lösung des Problems? Ist nicht ganz Spanien von zunehmender Wasserknappheit und Dürre betroffen? Dies waren unter vielen anderen die Fragen, die bis heute die spanische Bevölkerung beunruhigen. 26 Im Spanischunterricht kann el tema del agua en España anhand des poema von Peralto behandelt werden. Angesichts seines Entstehungsjahres und der geografischen Anspielung auf Aragón ist der Schluss naheliegend, dass es sich auf den PHN bezieht. Das Gedicht kann als Reflexionsauslöser zum Einstieg oder in der Vertiefungsphase als Reflexionswegweiser , wenn bestimmte Aspekte des Themas bereits erarbeitet wurden, eingesetzt werden. Dabei können im Rahmen der Aufgabe, das poema zu beschreiben, folgende Fragen die Heranführung an das Gedicht leiten: Describe el poema visual. ¿Qué asocias con la forma de las losillas rotas? Si se trata de una representación de la península ibérica, ¿dónde se sitúa el grifo? Considerando la forma y el estado de las losillas, como también el grifo, ¿cuál podría ser el tema del poema? Die Aufgabe zielt darauf ab, Informationen über den Wassernotstand in Spanien und damit zusammenhängende soziopolitische Hintergründe zu erarbeiten. Eigenständige Recherchearbeiten (in Einzelwie in Gruppenarbeit) sowie Anknüpfungen an andere expositorische und literarische Texte sind denkbar. Weiterhin kann vertiefend mit dem Titel gearbeitet werden, womit eine sozialpolitische, humanitäre Komponente thematisiert würde: ¿Qué-significa-solidaridad en este contexto? ¿Por qué se usa una interrogación en el título? Considerando el título, intenta hacer una hipótesis sobre el mensaje del poema. Ziel ist es die interkulturelle Kompetenz insbesondere im Hinblick auf die Byram’schen Komponenten des savoir comprendre ( skills of interpret and relate ) und des savoir apprendre (skills of discover) zu fördern. 26 Die Debatten können nachverfolgt werden z.B. auf http: / / elpais.com/ tag/ plan_hidrologico_nacional/ a/ (zuletzt eingesehen am 23.02.2016). 6.4 Inter- und transkulturelle Kompetenz 243 Der Titel lässt, wie weiter oben angedeutet, mehrere Deutungen zu. Die Infragestellung der ¿Solidaridad? kann als Anlass für eine ethisch-politische Diskussion dienen, in der die Schülerinnen und Schüler ihre Meinungen und Standpunkte, ihre Haltungen und Einstellungen zum Ausdruck bringen und zum Beispiel in einer Podiumsdiskussion aushandeln können. Dafür können zusätzlich journalistische Texte zur Verfügung gestellt werden, aus denen beispielsweise die unterschiedlichen Meinungen der betroffenen Bürgerinnen und Bürger hervorgehen. Auch Rollenspiele sind hier denkbar, in denen beispielsweise ein Bauer aus Aragón (der besonders besorgt um die agrarwirtschaftlichen Folgen ist) auf einen Arzt aus Sevilla (der die besondere Rolle von Trinkwasser in Andalusien hervorheben kann) trifft. Eine andere Art der persönlichen Einbindung der Schülerinnen und Schüler wäre eine fiktive (oder auch reale) Kontaktaufnahme zum Dichter, was zudem die Möglichkeit zu einem Perspektivwechsel (durch die Identifikation mit dem Dichter) bietet. Dazu könnten sie mündlich ein fiktives Interview entwickeln oder schriftlich einen Brief formulieren, in dem sie ihn über seine Intention befragen: Imagina e inventa una entrevista con el autor del poema. Escríbele un correo electrónico al autor, aprovecha para hacerle preguntas sobre tus dudas. Die zuletzt vorgestellten Unterrichtsideen bringen so auch die affektiv-attitudinale Komponente des interkulturellen Lernens ins Spiel. Als Abschlussreflexion können anhand des Gedichtes alle gewonnenen Erkenntnisse gesammelt und es kann abschließend über die Problematik des schwer zu lösenden Wasserproblems in Spanien unter Berücksichtigung verschiedener Faktoren (Politik, Umwelt, Gesellschaft) diskutiert werden. In dieser Phase des Unterrichtsgeschehens auf das poema zurückzukommen, erscheint insofern nicht zuletzt deswegen attraktiv, als so veranschaulicht werden kann, wie das neu erworbene soziokulturelle Orientierungswissen dazu verhilft, das Gedicht vertiefend zu lesen und zu verstehen. Die Wasserversorgung ist zudem ein globales Thema von großer Bedeutung. So kann beispielsweise ausgehend von la política hidráulica en España oder la privatización del agua en Bolivia auf globale Aspekte wie el agua como derecho humano, la responsabilidad de los países industriales , la conciencia de medio ambiente etc. gelenkt und damit ein auch transkultureller Lernprozesse initiiert werden, der idealer Weise die fünfte Komponente des Byram’schen ICC-Modells educaction (s avoir s’engager ) ins Spiel bringt. 6.4.2.2 Poemas visuales als Reflexionszusammenfassung für produktives inter-und transkulturelles Lernen: Beispielhafte Schülerergebnisse Um zu verdeutlichen, wie kreative Eigenproduktionen von Schülerinnen und Schülern zu einem kulturell-thematischen Schwerpunkt als produktiv-kreative Reflexionszusammenfassung aussehen können, werden im Folgenden zwei Bei- 244 6. Didaktische Transformation nach Kompetenzbereichen spiele vorgestellt, die im Rahmen eines Schulprojektes am Instituto Español in Lissabon (Portugal) entstanden und von der Diputación de Badajoz veröffentlich wurden (vgl. Diputación Badajoz 2008b). Es handelt sich um ein Projekt, das mit Schülerinnen und Schülern des Spanischen als Zweitsprache ( Español como Segunda Lengua ) beziehungsweise als Herkunftssprache im Alter von zwölf bis siebzehn Jahren durchgeführt wurde. Wie im Vorwort des Projektkataloges nachzulesen ist, waren die Schülerinnen und Schüler bereits vor dem Projekt und in Kooperation mit der Diputación de Badajoz mehrfach mit Poesía Visual in Berührung gekommen (vgl. Fernández Díaz 2008, 8) und hatten so eine klare Vorstellung von den Gestaltungsmöglichkeiten, die diese Textsorte bietet: Lo que presentamos aquí, con cierta satisfacción, es una breve selección de los trabajos realizados por alumnos de doce a diecisiete años que, como se puede apreciar, han sabido interpretar personalmente el concepto de „poema visual“. (Fernández Díaz 2008, 7) An anderer Stelle heißt es weiter, dass die Schülerinnen und Schüler mit ihren Eigenkreationen „una reflexión profunda y sensible sobre la realidad actual“ (ebd., 8) bewiesen. c) El tema del agua desde una perspectiva global Im ersten Beispiel ¡Cierra el tapón que se seca la tierra! formuliert die Schülerin im Titel des Gedichtes eine Aufforderung, die im Zusammenhang mit der Bildcollage auf das globale Thema der (schwindenden) Wasserressourcen hinweist (siehe Abbildung 68). Abbildung 68. Cierra el tapón que se seca la tierra, Schülerproduktion (Diputación Badajoz 2008b, 12) In dem Bild sind auf einem grünen, nicht weiter definierbaren Hintergrund eine leere, verschlossene Plastikwasserflasche, die von rechts oben diagonal ins Bild hineinragt, sowie ein fotografisches Bild zu sehen, das das linke untere Viertel 6.4 Inter- und transkulturelle Kompetenz 245 des Gedichtes bedeckt. Die Fotografie zeigt aus der Vogelperspektive einen sportlich bekleideten Mann mit Sonnenbrille und einen Hund, die gemeinsam über einen vertrockneten Erdboden laufen. Es ist möglich, dass es sich hierbei um den Boden eines ausgetrockneten Sees handelt. Die Plastikwasserflasche liegt über dem grünen Feld und der Flaschenmund auf der rechten oberen Ecke der Fotografie. Kleine hellblaue Papier- oder Plastikschnipsel sind in der Flasche zu erkennen. Unter Berücksichtigung des Titels könnten diese für das Wasser stehen, das verbraucht wird, wenn der Verschluss ( el tapón ) nicht zugeschraubt wird - was Dürre ( que se seca la tierra ) zur Folge hätte. Die Schülerin stellt mit ihrem poema visual ihre persönliche Sicht auf den steigenden Wasserverbrauch und dessen Konsequenzen - die Dürre - dar. Sie appelliert an die Vernunft ihrer Rezipienten und fordert mit der Überschrift dazu auf, über Wasserverschwendung nachzudenken und sie empfiehlt implizit, sparsamer mit Wasser umzugehen. d) ¿Emigración o marginación? Abbildung 69. ¿Emigración o marginación? Schülerproduktion (Diputación Badajoz 2008b, 51) Der Schüler widmet sich in seinem visuellen Gedicht ¿Emigración o marginación? dem Thema der Migration. Auf einer Collage, die auf einem weißen Blatt Papier arrangiert ist, sind ein großer und ein kleiner schwarz ausgefüllter Kreis zu sehen. Sie sind in einem beträchtlichen Abstand voneinander aufgeklebt. Der große Kreis am linken Papierrand weist im oberen Viertel ein kleines rundes Loch auf. Der kleine Kreis, fast nur ein Punkt, wurde aus dem großen Kreis ausgeschnitten und nahe dem rechten Rand des weißen Papierblattes befestigt. Der große schwarze Kreis kann als eine geschlossene Gesellschaft (als Kollektiv) gedeutet werden, aus der ein kleiner Kreis von Individuen ausgetreten ist oder ausgeschlossen wurde. Er scheint auf der großen weißen Fläche wie verloren. 246 6. Didaktische Transformation nach Kompetenzbereichen Mit der Frage im Titel stellt der Schüler raffiniert zwei sich phonetisch ähnelnde Begriffe einander gegenüber: emigración und marginación und bildet damit eine Frage, die er provokant an den Betrachter weiterleitet, der so über die Herausforderungen, Missstände und Problematiken der Auswanderung nachdenkt. Der Schüler veranschaulicht mit einem überaus schlicht gehaltenen schwarzweißen poema visual den Kontrast zwischen Gesellschaft und Individuum beziehungsweise zwischen Inklusion und Exklusion, zwischen Zugehörigkeit und Ausgrenzung. Das transkulturelle Schlüsselthema der Diskriminierung erlaubt Anbindungen an die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte, an Reflexionen über globale Migrationsprozesse wie auch an aktuelle politische Themen wie die europäische „Flüchtlingskrise” und, und hier auch aus interkultureller Perspektive, an Überlegungen zur Rolle Deutschlands und Spaniens im globalen Kontext. 7. Zusammenfassung: Das didaktische Potenzial der Poesía Visual für den Fremdsprachenunterricht Spanisch Das wesentliche Anliegen meiner Forschungsarbeit war ein doppeltes: Zum einen galt es die bisher weitgehend unbeachtete Gattung Poesía Visual für den Spanischunterricht systematisch zu erschließen; zum anderen ein methodischdidaktisches Szenario für den Umgang mit poemas visuales im Fremdsprachenunterricht Spanisch zu entwickeln, das die Gegenstandsorientierung als didaktisches Prinzip insbesondere des fremdsprachlichen Literaturunterrichts stark macht und dieses mit dem Prinzip der Kompetenzorientierung versöhnt. Gegenstandsorientiert bedeutet, so hat sich gezeigt, die spezifische formale und inhaltliche Beschaffenheit des Gegenstands als Ausgangspunkt für seine fremdsprachendidaktische Transformation zu nehmen, ihn als Phänomen zu er- und begreifen. So ist TEIL I der literaturwissenschaftlichen und -historischen Betrachtung der Poesía Visual gewidmet. Nach einer begrifflichen Verortung des poetischen Phänomens (in den Kapiteln 1.1 bis einschließlich 1.3) hat die strukturalistisch-mediensemiotische Untersuchung gezeigt, dass das poema visual als Hybrid und Intermedium bestimmt werden kann (Kapitel 1.4), als semiotisches Zeichenensemble aus Symbol und Ikon, das in drei verschiedene Typen von poemas visuales ausdifferenziert werden kann. Der nachfolgende literaturhistorische Teil (Kapitel 2) präsentiert eine Entwicklungsgeschichte der Gattung von den ältesten visuell-poetischen Überlieferungen bis zur Gegenwart. Hierzu wurden im Kapitel 2 zunächst Forschungsarbeiten aus dem Bereich der allgemeinen und der vergleichenden Literaturwissenschaft herangezogen (v. a. Adler/ Ernst 1990; Dencker 1972, 2011; Ernst 2012; Higgins 1987) und in einem zweiten Schritt um Arbeiten aus der hispanistischen Literaturwissenschaft ergänzt (v. a. de Cózar 1991; Lanz Rivera 1992; Muriel Durán 2000; Sarmiento 2009; Zárate 1972). Die ausführliche Darstellung der Genese der Poesía Visual erleichtert das Verstehen ihrer Form. Dank ihrer Betrachtung von den Wurzeln an kann nachvollzogen werden, wie sie sich vor und nach den künstlerischen Avantgarden entwickelt hat und noch weiter entwickelt. Die Nähe zur poesía de vanguardia ist konstitutiv für die poesía visual und auch aus literaturdidaktischer Perspektive von Interesse. Aus den zeitgenössischen Manifesten zur poesía experimental und aus den Interviews mit ausgewählten Dichterinnen und Dichtern (Anhang 1) geht hervor, dass die poetas visuales im Sinne avantgardistischer Strömungen die Poesía Visual als ein „soziales“ künstlerisches Werkzeug verstehen, das jedem als poetische Ausdrucksform offensteht. Dieses antielitäre Credo der Szene begünstigt einen produktiv-kreativen Umgang mit poemas visuales im Spanischunterricht insofern, als auch die Eigenproduktionen der Schülerinnen und Schüler als „echte“ poemas visuales verstanden und 248 7. Zusammenfassung wahrgenommen werden. Dies vereinfacht die Würdigung potenzieller Schülerprodukte, beispielsweise im Rahmen einer Ausstellung in einem Katalog, der online gestellt und gegebenenfalls mit den Facebook-Seiten der poetas visuales verlinkt werden könnte. Die im Rahmen der Forschungsarbeit geführten Interviews (Anhang 1) haben (mit Blick auf den didaktischen Schwerpunkt) die Verbindung zum Spanischunterricht, insbesondere zu den Fremdsprachenlernenden offengelegt. Deshalb bezieht sich Frage 1 des Interview-Fragebogens auf Spanischschülerinnen und -schüler: Imagina que un estudiante de Español como Lengua Extranjera te pregunta: ¿Qué es la Poesía Visual Española? ¿Qué le responderías? Die Antwort auf diese Frage kann als authentischer Text im Spanischunterricht eingesetzt werden, da die Schülerinnen und Schüler über ihn Informationen über Poesía Visual aus erster Hand erhalten. Beispielsweise formuliert Mikel Jáuregui mit nur wenigen Worten eine recht unkomplizierte Antwort auf die nicht einfache Frage danach, was Poesía Visual sei, wie folgt: ¿Qué es la Poesía Visual? Una forma de expresión cuando escribimos, dibujamos nuestros pensamientos con palabras. Con lo que llamamos Poesía Visual pasa lo mismo, concretamos nuestros pensamientos mediante otros códigos además de las palabras (objetos, colores, ….) (Mikel Jáuregui, 2013). Auf den Spanischunterricht bezogen, ließe sich aus diesem Zitat die Aussage ableiten, dass poetische Sprachproduktionen nicht nur geschrieben und gelesen, gesprochen und gehört werden können, sondern dass poetische Sprache eben auch gesehen, bisweilen sogar berührt werden kann - womit eine Brücke zur Definition von Poesía Visual geschlagen wäre (vgl. Kapitel 1.1). Aus dieser kurzen Beschreibung dessen, was der Dichter unter Poesía Visual versteht, lassen sich darüber hinaus zwei Gedanken herausfiltern, die für die tiefere Erläuterung von poesía einerseits und visual andererseits überaus hilfreich sein können. Jáuregui spricht von Poesía als “una forma de expresión”, anhand welcher Gedanken konkretisiert würden. Er begreift Dichtung demnach als eine natürliche sprachliche Ausdrucksform, im weitesten Sinn: als Sprache. Diese Ansicht ist umfassender als die im Kapitel 1.1 erwähnte Definition des Diccionario de la Lengua Española . Darin wird Dichtung als durch Worte (in Versen oder in Prosa) zum Ausdruck kommender ästhetischer oder emotiver Anreiz definiert. Weder die Einschränkung auf die verbalsprachliche Äußerung noch jene auf den ästhetischen oder emotiven Anreiz von Dichtung ist in Jáureguis Ansicht erkennbar. Vielmehr lehnt sich der Dichter an die Ursprungsbedeutung von poēsis „das Machen, Verfertigen“ (Burdorf et al. 2007, 590) an und legt damit 7. Zusammenfassung 249 ein breites Verständnis von Dichtung vor („poesía es creación“). Einer in diesem Maße weit gedachten Vorstellung zufolge kann Poesía alles sein: vom einzelnen Buchstaben bis zum inszenierten Tanzstück. Dieses weitgreifende Verständnis von Poesía ist, vergleichbar mit dem Begriff Kunst, zwar für eine wissenschaftliche Untersuchung problematisch, weil es Zuordnungen von Gattungen und Genres kompliziert oder gar unmöglich macht. Für den Unterricht aber ist das weite Verständnis von Dichtung als Grundlage für die Auseinandersetzung mit Poesía Visual - als experimentelle und avantgardistische Dichtung - durchaus fruchtbar, da es flexibel genug ist, um Eigenschaften wie Hybridität als ihr immanent zu begreifen. Mit dem Adjektiv visual beschreibt Jáuregui, auf die Dichtung beschränkt, eine Eigenschaft, die zusätzlich zu der allgemein verbalsprachlichen („además de las palabras“) zu verstehen ist. Visualisierung wird hier (wie bei Brossa) als sprachlicher Code verstanden, sodass alles, was das Auge wahrnimmt (Farbe, Kontrast, Form, Raum etc.), als visuell-poetische Sprache eingesetzt werden kann. Diesem Beispiel entsprechend können Fragmente aus den Interviews im Unterricht herangezogen werden, die Antworten auf die Fragen 5, 6 und 7 beispielsweise, wenn ein bestimmter Dichter/ eine bestimmte Dichterin und seine/ ihre Werke im Unterricht behandelt werden sollen. Die Fragen 2, 3 und 4 sind nicht zwingend für didaktische Zwecke vorgesehen. Sie geben lediglich Informationen über das theoretische Hintergrundwissen mancher Dichterinnen und Dichter und über ihre jeweilige Einstellung zu den erfragten Phänomenen beziehungsweise Spezifika der Poesía Visual. Sie eröffnen einen repräsentativen und aktuellen Einblick in die Poesía Visual. Mithilfe der zeichentheoretischen Begriffe Symbol und Ikon konnte zunächst in Teil I die Funktion der Schrift einerseits und des Bildes andererseits im poema visual bestimmt werden. Im Teil II der Arbeit ging es darauf aufbauend und unter Berücksichtigung medien- und literaturdidaktischer Konzepte zum einen darum, die Konsequenzen des intermedialen Zusammenspiels von Schrift und Bild für den Rezeptions- und Verstehensprozess (Kapitel 4.2.1) herauszustellen und zum anderen die verschiedenen Relationen von Schrift und Bild im poema visual zu bestimmen (Kapitel 4.2.2). Wesentliches Ziel war es hier, eine gegenstandsorientierte didaktische Analyse durchzuführen, um damit die medienspezifische Wirkung von Schrift und Bild im poetischen Gegenstand und die Konsequenzen ihres Zusammenspiels für das Fremdsprachenlernen aufzuzeigen. Hierbei erwiesen sich zwei Aspekte als richtungsweisend: zum einen die wahrnehmungspsychologische Betrachtung des intermedialen Zusammenspiels, anhand derer die Konsequenzen für den Rezeptionsprozess bestimmt werden können, und zum anderen die mediensemiotische Analyse des intermedialen 250 7. Zusammenfassung Zusammenspiels, mit der die Wirkung beider medialer Codes im Verbund zu begreifen und zu beschreiben war. Für den Rezeptionsprozess von Schrift-Bild-Texten hat sich dabei die Bezeichnung lesendes Sehen insofern als sinnvoll erwiesen, als sich dergestalt der besondere Wahrnehmungs- und Verarbeitungsablauf bei der Informationsaufnahme, die gleichermaßen durch das Lesen symbolischer wie ikonischer Zeichen erfolgt, treffend benennen lässt. Die Analyse des intermedialen Zusammenspiels von Schrift und Bild in Schrift-Bild-symbolischen Texten, insbesondere visuellen Gedichten, hat mit Rückgriff auf mediensemiotische und mediendidaktische Begriffe wiederum zu zwei Erkenntnissen für die daran anschließende Didaktisierung von poemas visuales geführt: erstens, zu der Unterscheidung von Komposition (im Sinne einer quantitativen Zusammensetzung) und Relation (im Sinne einer qualitativen Beziehung) von Schrift und Bild im poema visual , wobei Ersteres für die Entwicklung einer didaktisch-funktionalen Typologie (Kapitel 5) erforderlich war; zweitens, zu der kategorischen Differenzierung von Schrift-Bild-Relationen im poema visual und deren Konsequenzen für den Spanischunterricht. Angelehnt an das mediendidaktische Modell der Schrift- Bild-Beziehung für journalistische Printtexte nach Doelker (2006) habe ich eine umfassende und gleichwohl überschaubare dreistufige Kategorisierung vorgenommen, die sich speziell auf den Umgang mit visuell-poetischen Texten anwenden lässt. Die erste Stufe bezeichnet die engste Relation, die pleonastischkongruente Schrift-Bild-Relation (Kapitel 4.2.2.1); die darauffolgende zweite Stufe stellt die reziprok-komplementäre Schrift-Bild-Relation (Kapitel 4.2.2.2) dar, in der die medialen Codes einander bedingen; und die letzte Stufe beschreibt eine mehr Raum zur Deutung bietende Beziehung, die additiv-interpretative Schrift- Bild-Relation (Kapitel 4.2.2.2). Die Kategorien habe ich zwar am Beispiel von poemas visuales entwickelt, sie können aber durchaus auch auf andere Schrift- Bild-kombinatorische Texte übertragen werden. Ausgehend von der intermedialen Untersuchung der Schrift-Bild-Komposition im poema visual (Kapitel 4.2.1) habe ich eine didaktisch-funktionale Typologie entwickelt, die das Genre (je nach Verhältnis von Schrift und Bild zueinander) in drei Kategorien gliedert: poema verbal, poema verbo-visual und poema imagen (Kapitel 5). Das Kapitel 6 von Teil II der Arbeit verfolgt das Anliegen, einen umfassenden Beitrag zur gegenstands- und kompetenzorientierten didaktischen Transformation der Poesía Visual zu leisten. Dazu galt es zunächst die Gegenstandsorientierung als Begriff zu „resozialisieren“ und als Zusammenspiel von Inhalts- und Formorientierung für den fremdsprachendidaktischen Diskurs neu zu bestimmen. Diese Konkretisierung und Schärfung des Begriffs stellt ein wesentliches Ergebnis des Kapitels 6.1 dar, das zudem am Beispiel des Gegenstandes Poesía 7. Zusammenfassung 251 Visual zeigt, dass es möglich und sinnvoll ist, Kompetenz- und Gegenstandsorientierung im fremdsprachlichen Literaturunterricht miteinander zu verbinden. En passant wird hier zudem ein in der fremdsprachlichen Literaturdidaktik bis dato wenig beachteter oder in Vergessenheit geratener literaturdidaktischer Ansatz rehabilitiert, der der Form des literarischen Textes auch und gerade in kompetenz- und inhaltsorientierten Zeiten wieder mehr Beachtung schenkt (vgl. Weinrich 1981, 1983). Die spezifische inhaltliche und formale Beschaffenheit des Gegenstandes Poesía Visual wird so zum Ausgangspunkt für seine didaktische Transformation nach Kompetenzbereichen des fremdsprachlichen Lernens. Damit wird deutlich, dass das didaktische Potenzial des Gegenstands kompetenzorientiert ausgeschöpft werden kann. Wie dies im Falle des Gegenstandes Poesía Visual konkret aussehen kann, lege ich in den Kapiteln 6.2 bis 6.4 dar. Im Sinne der oben skizzierten Verbindung von Gegenstands- und Kompetenzorientierung differenziere ich drei Kompetenzbereiche aus, die mit poemas visuales gefördert und trainiert werden können. Als Zusammenführung von visueller und literarischer Kompetenz habe ich in Kapitel 6.2 die visuell-literarische Kompetenz als Teilkompetenzbereich der Text- und Medienkompetenz modelliert und definiert. Damit schlage ich einen Teilkompetenzbereich für den Literaturunterricht in der Fremdsprache vor, der explizit das Literarische oder Poetische am visuellen Text und das Visuelle an literarischen oder poetischen Texten in den Blick nimmt. Für eine kompetenzorientierte Herangehensweise war die Modellierung eines solchen - bislang nicht beachteten - Teilkompetenzbereichs geboten, weil im breit angelegten Kompetenzbereich der Text- und Medienkompetenz zwar diskontinuierliche Texte als Gegenstände Erwähnung finden, dort jedoch der Aspekt der Zusammenwirkung von Visualität und Literarizität nur bedingt berücksichtigt wird (vgl. KMK 2013, 2012). In den unterrichtspraktischen Beispielen zu diesem Kapitel erhellt, dass rezeptive und produktive visuell-literarische Kompetenzen im Umgang mit poemas visuales insofern gefördert werden, als einerseits das Erkennen und Verstehen des intermedialen Zusammenspiels geübt und seine Wirkung thematisiert und andererseits durch Eigenkreationen die erworbenen rezeptiven Fähigkeiten produktiv umgesetzt werden können. Dies führt zu tiefgreifenden Reflexionen über die Beschaffenheit visuell-poetischer Texte (und deren Schrift-Bild-Relationen) auch im Vergleich zu nicht-visuellen poetischen oder visuellen nicht-poetischen Texten. Darüber hinaus lässt sich durch die Fokussierung auf die ikonischen Zeichen eine Bewusstheit für Bildsprache im Allgemeinen entwickeln und die visuelle Kompetenz im Spanischunterricht stärken. Unter Rückgriff auf sprachwissenschaftliche, psycholinguistische und kognitionswissenschaftliche Forschungen weise ich in Kapitel 6.3 nach, dass poemas 252 7. Zusammenfassung visuales in verschiedenen Phasen der Wortschatzarbeit zum Ausbau der lexikalischen Kompetenz der Fremdsprachenlerner eingesetzt werden können. Im Zusammenspiel von Schrift und Bild werden Bedeutungen von Wörtern intermedial dargestellt, indem Wörter und Begriffe sowohl als ikonische als auch als symbolische Zeichen erscheinen. An einer Vielzahl konkreter Unterrichtsbeispiele veranschauliche ich, wie dieses Potenzial zur Semantisierung, Memorisierung, Konsolidierung von Wortschatz und zur kreativen Wortschatzarbeit genutzt werden kann. In Kapitel 6.4 tritt stärker die inhaltliche Dimension der poesías visuales in den Vordergrund. Poemas visuales verarbeiten auch soziokulturelle - und zwar sowohl kulturspezifische als auch kulturübergreifende - Phänomene literarästhetisch. Das war der Ausgangspunkt für die Frage, inwiefern sie sich zum inter- und transkulturellen Lernen im Spanischunterricht eignen. Unter Rückgriff auf das Komponentenmodell interkulturellen Lernens von Byram und Modelle transkulturellen Lernens von Schumann und Reimann wird aufgezeigt, dass es neben den skills of relate and interpret insbesondere die skills of discover sind, die aufgrund der spezifischen Beschaffenheit des Gegenstandes mit poemas visuales im Fremdsprachenunterricht Spanisch gefördert werden können, indem die Gedichte, die zielsprachliche oder transkulturelle soziokulturelle Phänomene thematisieren, in verschiedenen Phasen des Unterrichts als Reflexionsauslöser, Reflexionswegweiser und rezeptive und produktive Reflexionszusammenfassung eingesetzt werden. In der Zusammenschau aller drei Kompetenzbereiche tritt noch einmal hervor, was poemas visuales im Unterschied zu anderen Textgenres auszeichnet und für den fremdsprachlichen Literaturunterricht besonders attraktiv macht: 1. Poemas visuales bieten als sprachlich-visuelle Kürzesttexte vielfältige produktive Schreib- und Sprechanlässe . Aufgrund ihrer intermedialen Verdichtung, der sprachlichen Reduktion und Überdeterminierung entsteht ein Überschuss an impliziter Bedeutung, der viel Raum für Sprachproduktion eröffnet. Poemas visuales machen wenig Worte und erzeugen so hohen Gesprächs- und Deutungsbedarf. (Fremd-)Sprache muss in der Auseinandersetzung mit ihnen überhaupt erst generiert werden, ein Umstand, der zugleich die Imaginationskraft und Kreativität der Fremdsprachenlerner fordert und fördert wie ihre funktionalen kommunikativen Kompetenzen. 2. Als intermediale, insbesondere bildgestützte Texte weisen poemas visuales im Literaturunterricht eine doppelte Brückenfunktion auf : Zum einen können sie den Weg zu poetischen, schriftsymbolischen (diskursiven) Texten insofern ebnen, als sie durch visuelle Elemente nicht nur das Rezipieren des hohen Grades an sprachlicher Verdichtung erleichtern, sondern darüber hinaus die 7. Zusammenfassung 253 poetische Funktion von Sprache im Unterschied zu alltäglicher Sprache - im wahrsten Sinne des Wortes - vor Augen führen. Zum anderen können poemas visuales als Ausgangstexte für Gattungstransformationen dienen, womit sich Brücken von poetischen zu narrativen oder auch dramatischen Gattungen schlagen lassen. 3. Nicht zuletzt - und damit kehre ich an den Ausgangspunkt meiner Studie zurück - sind poemas visuales als poetisch überdeterminierte Texte im besten Sinne „sperrig“ (vgl. Steinbrügge 2015) und erfordern aufgrund ihres hohen Grades an Poetizität und Literarizität ein „längeres Verweilen“ (Weinrich 1981, 206), eine Verlangsamung des Lesens und damit nicht zuletzt auch eine Entschleunigung des Rezeptions- und Deutungsprozesses. Die Poesía Visual versetzt den Rezipienten nicht nur in einen poetischen „Schwebezustand“ (Weinrich 1981, 205) zwischen signifiant und signifié , sondern sie potenziert durch das für sie konstitutive intermediale Zuammenspiel von Bild und Text diesen „Schwebezustand“ noch einmal, insofern sie die Lesenden (und Schauenden) nicht nur zwischen Signifikat und Signifikant hin- und herschweben lässt, sondern auch zwischen den Bild- und den Schriftelementen, um Bedeutung und Sinn zu konstituieren. Literaturverzeichnis Adler, Jeremy (1989): „Die Kontinuität der Visuellen Poesie. Zur Typologie und Systematik des Figurengedichts.“ In: Bildende Kunst 37 (11), S. 28-31. Adler, Jeremy/ Ernst, Ulrich (1990): Text als Figur. Visuelle Poesie von der Antike bis zur Moderne. Weinheim: VCH. 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Anhang Anhang 1: Entrevista a poetas visuales españoles a) Zugestellte Unterlagen El estudio didáctico del presente proyecto de tesis concluirá con una antología compuesta bajo criterios didácticos. En ésta se recopilan poemas visuales que por diferentes motivos pueden figurar como instrumento didáctico en el aprendizaje de E/ LE (Español como Lengua Extranjera). Los diferentes criterios con los que han sido seleccionados los poemas son: - a nivel de léxico, ortografía o gramática; (poemas visuales que se componen de una o varias palabras visualizadas, para poder ser utilizadas en el aprendizaje de vocabulario, que visualizan, tematizan o sugieren de alguna forma fenómenos ortográficos o composiciones gramaticales propios de la lengua española) - a nivel literario-estético, partiendo de un estudio semiótico del medio; (poemas visuales que se prestan para tematizar o poner en práctica la conexión y el efecto de escritura e imagen para ser implementadas en las clases de la literatura, de arte y de estética en el aula de E/ LE) - a nivel socio-cultural, (poemas visuales que visualizan temas específicos de la cultura, la historia y la actual sociedad hispanoparlante, con especial intéres para el currículo de estudio de E/ LE en Alemania) Fines investigativos de la entrevista: 1. Fin teórico-bibliográfico: El contenido de las respuestas de 1 darán desde la perspectiva del creador o de la creadora informaciones privilegiadas y desencadenarán reflexiones didácticas sobre la Poesía Visual como recurso didáctico-literario en el aprendizaje de E/ LE; las respuestas de 2 a 4 ayudarán a abarcar el campo actual de la Poesía Visual española desde un punto de vista del creador que en este estudio se considera igual de importante que la crítica literaria, la literatura comparada o el arte contemporáneo. 2. Fin teórico-didáctico: Las respuestas de 5, 6 y 7 darán informaciones explícitas sobre el o la poeta, su creación y su poética que serán incorporadas en la antología (siempre que la o el poeta se declare de acuerdo con ello). Se le facilita de este modo tanto al estudiante como al profesor de E/ LE el acceso a la Poesía Visual desde un punto de vista real y auténtico: siendo la autenticidad uno Anhang 1: Entrevista a poetas visuales españoles 277 de los grandes argumentos para la implementación de textos poéticos en el aprendizaje de lengua. Procedimiento con los documentos: Las entrevistas son exclusivamente para el uso investigativo en el contexto de la tesis doctoral de Victoria del Valle Luque (“Poesía Visual im Spanischunterricht”) bajo la dirección de Prof. Dr. Andrea Rössler (filología hispana, didáctica de la lengua y literatura hispana, Leibniz Universität Hannover) y Prof. Dr. Lieselotte Steinbrügge (filología románica, didáctica de las lenguas y literaturas románicas, Ruhr-Universität Bochum). Básicamente se trata de recopilar un banco de recursos de bibliografía auténtica que reflejan y subrayan asimismo la antología preparada con fines didácticos. Figurarán citadas las palabras de los entrevistados (con nombre y fecha de la entrevista) en la tesis doctoral. Las entrevistas se adjuntarán como material anexo a la disertación. Modelo Entrevista Nombre: Año de nacimiento: Fecha de la entrevista: Preguntas: 1. Imagina que un estudiante de Español como Lengua Extranjera te pregunta: “¿Qué es la Poesía Visual Española? ” ¿Qué le responderías? 2. La Poesía Visual se describe como género híbrido, resultado de diferentes escuelas en-un-espectro-continuo-entre-la-literatura-y-arte-plástico.-Por-ende-es-científicamente-difícil-de-abarcar,-de-definir-y-de-categorizar-en-subgéneros.-¿Cómo-ves-tú- el vínculo entre las diferentes escuelas difuminado en la Poesía Visual? 3. Con respecto a 2 ¿Piensas que hay una especialidad española en la hibridez de este género? ¿Y cómo la describirías? 4. ¿Has observado algún cambio con respecto a la presencia de la imagen en los últimos años? 5. ¿Cómo llegaste a crear poemas visuales? 6. En pocas palabras: ¿podrías describir tu poética? y / o 7. Creación de un poema visual destinado al aprendiz de Español como Lengua Extranjera (tema: Poesía Visual española)… Por favor para evitar malosentendidos y / o problemas de copyrights, ruego que me se marque una cruz en cada casilla correspondiente a la declaración: El entrevistado se declara de acuerdo con: □-que-sus-palabras-sean-citadas-en-la-tesis 278 Anhang □-que-la-entrevista-se-adjunte-como-material-anexo-a-la-tesis-(inclusive-el-poema-visual- de 7) □-que-se-publique-la-entrevista-o-partes-de-la-entrevista-(inclusive-poema-visual) ¡Muchísimas gracias por la colaboración! b) Entrevistas in alphabetischer Reihenfolge Antonio Gómez, 1951 1 1. Imagina que un estudiante de Español como Lengua Extranjera te pregunta: “¿Qué es la Poesía Visual Española? ” ¿Qué le responderías? Es el resultado de todo un proceso evolutivo iniciado durante los años 60 y 70 por poetas que siendo practicantes de poesía discursiva enfocaron sus deseos de comunicación desde una percepción visual o plástica. 2. La Poesía Visual se describe como género híbrido, resultado de diferentes escuelas en un espectro continuo entre la literatura y arte plástico. Por ende es científicamente difícil de abarcar, de definir y de categorizar en subgéneros. ¿Cómo ves tú el vínculo entre las diferentes escuelas difuminado en la Poesía Visual? Las distintas disciplinas poéticas coexisten independientes y en algunas ocasiones de una manera anárquica. La Poesía Visual cambia los valores poéticos adaptándose-a-la-cultura-actual-y-pretender-aplicar-la-ciencia-o-la-filosofía-puede-confundir- valores con intereses. 3. Con respecto a 2 ¿Piensas que hay una especialidad española en la hibridez de este género? ¿Y cómo la describirías? La pluralidad poética implica un particular proceso de adaptación y de elaboración en el que al enriquecer planteamientos los resultados se complementan y amplian posibilidades de expresión integral. 4. ¿Has observado algún cambio con respecto a la presencia de la imagen en los últimos años? La mayoría de los creadores llegamos a la experimentación poética desde la literatura apoyándonos en estructuras expresivas diferentes para conseguir nuevos valores simbólicos. La imagen, el color, el volumen y la utilización de nuevas tecnologías han proporcionado cambios sustanciales en el lenguaje poético. 5. ¿Cómo llegaste a crear poemas visuales? 1 Ausgefüllte Unterlagen erhalten am 22.04.2013. Antonio Gómez se declara de acuerdo con que sus palabras sean citadas en la tesis, que la entrevista se adjunte como material anexo a la tesis y que se publique la entrevista. Anhang 1: Entrevista a poetas visuales españoles 279 De la poesía discursiva pasé a realizar caligramas hasta que el concretismo amplió mis conocimientos. La práctica continuada durante más de cuarenta años me ha llevado a experimentar con técnicas, materiales y elementos cada vez más visuales, los- resultados- logrados- han- conseguido- que- me- reafirme- en- la- utilidad- que- esta- poesía tiene para comunicar. 6. En pocas palabras: ¿podrías describir tu poética? Poesía espontánea comprometida con la realidad y liberada de rigores ortodoxos. Eddie (J.Bermúdez), 1975 2 1. Imagina que un estudiante de Español como Lengua Extranjera te pregunta: “¿Qué es la Poesía Visual Española? ” ¿Qué le responderías? Lo primero que respondería es que la Poesía Visual española es JOAN BROSSA. Lo segundo es que la Poesía Visual española ha bebido desde el dadaísmo (fuera del estado español) y se ha nutrido de diferentes expresiones artísticas exteriores (como la-brasileña),-para-que-en-la-actualidad-cuente-con-un-amplio--y-definido--abanico- de-propuestas-visivas,-y-sí-que-se-pueda-afirmar-que-existe-una-tradición-poética- visual practicada desde hace décadas en el estado español. 2. La Poesía Visual se describe como género híbrido, resultado de diferentes escuelas en un espectro continuo entre la literatura y arte plástico. Por ende es científicamente difícil de abarcar, de definir y de categorizar en subgéneros. ¿Cómo ves tú el vínculo entre las diferentes escuelas difuminado en la Poesía Visual? La Poesía Visual se representa por ese híbrido que es. Es, quizás, un dilema o una herramienta más para el poeta, si expresar desde lo visual o lo textual. O unirlo simultáneamente- para- significar.- Para- que- la- poesía- emerja- de- la- página- ha- de- nutrirse de lo plástico, ha de nutrirse de toda disciplina para expresar(se). 3. Con respecto a 2 ¿Piensas que hay una especialidad española en la hibridez de este género? ¿Y cómo la describirías? Pienso que se “etiqueta” desinteresadamente (o con interés) muchas obras plásticas como Poesía Visual, por el simple hecho de que aperezcan letras… No creo que haya ningún género que atienda a esta hibridez en el estado español. 4. ¿Has observado algún cambio con respecto a la presencia de la imagen en los últimos años? 2 Ausgefüllte Unterlagen erhalten am 14.05.2013. Eddie J. Bermúdez se declara de acuerdo con que sus palabras sean citadas en la tesis, que la entrevista se adjunte como material anexo a la tesis y que se publique la entrevista. 280 Anhang En la sociedad en la que vivimos lo rápido es lo que antes se advierte, por lo tanto la imagen ha pasado a ser principal. Los diseñadores trabajan poemas visuales constantemente. Pienso que Brossa fue el primer diseñador, y a día de hoy ignoro si los diseñadores lo tendrán en un altar como iniciador de su labor actual. Por otra parte, cada poema tiene un peso textual o visual dependiendo de lo que queramos expresar. En mis últimas obras distingo entre poema visual (puro y duro) y lo plástico (que si se nutre del letrismo, por ejemplo), pero sí que tengo claro cuando voy a emprender un poema visual o una poetura (término acuñado por Francisco Pino, y con el que denomino mis collages). 5. ¿Cómo llegaste a crear poemas visuales? Por accidente me di cuenta que llevaba tiempo haciéndolos. Al unirme, en Barcelona, a un colectivo artístico, empecé a darme cuenta que mis creaciones se llamaban POEMAS VISUALES. Fue cuando empecé a participar en convocatorias de Mail-Art, exposiciones colectivas. Y a documentarme sobre el tema. 6. En pocas palabras: ¿podrías describir tu poética? y / o …que mejor manera que un poema…..con mi contradicción cotidiana: textual versus visual: "218. a página en sangre a horcajadas de desdicha he interrumpido la ficción para acuñarme mediante el perdón por abandonarte y suplirte por lo visual sin entender que debía valerme por tu verticalidad : no más! " Anhang 1: Entrevista a poetas visuales españoles 281 Francisco Aliseda, 1957 3 Considero que a estas alturas de la vida el trabajo realizado es tan grande que la sola mención de todos los eventos en que he participado puede ser aburrida y pesada. Como autor, realizo poemas concretos, poemas fonéticos, objetuales, pequeñas instalaciones, y series largas de poemas visuales. He publicado en libros, antologías, revistas, revistas ensambladas, revistas objeto, fanzines, y postales, en España y el extranjero. - Desde 1983 edito la revista de poesía y Poesía Visual “Veneno”, revista realizada a mano, ejemplar por ejemplar. - En 2006 propongo la revista objeto “Laurel”, realizada en Escacena del Campo, Huelva, donde se edita cada cuatro meses. - En 2007, junto a Silvia Carrasco, comenzamos la edición de la revista ensamblada “Grisú”, cuatrimestral. - He coordinado exposiciones colectivas, publicaciones sobre poesía experimental, eventos, performances y el grupo coral de poesía fonética “Campo Fonético”. - En 2005 propongo al Ayuntamiento de Peñarroya Pueblonuevo, Córdoba, la creación del “Centro de Poesía Visual (CPV)”, centro que dirijo hasta 2012. 1. Imagina que un estudiante de español como Lengua Extranjera te pregunta: “¿Qué es la Poesía Visual Española? ”, ¿Qué le responderías? 3 Ausgefüllte Unterlagen erhalten am 31.05.2013. Francisco Aliseda se declara de acuerdo con que sus palabras sean citadas en la tesis, que la entrevista se adjunte como material anexo a la tesis y que se publique la entrevista. 282 Anhang Que es un “genero” mestizo de lenguaje y artes, uno de los espacios artísticos de mayor libertad y desarrollo en España. 2. La Poesía Visual se describe como género híbrido, resultado de diferentes escuelas en un espectro continuo entre la literatura y arte plástico. Por ende es científicamente difícil de abarcar, de definir y de categorizar en subgéneros. ¿Cómo ves tú el vínculo entre las diferentes escuelas difuminado en la Poesía Visual? En un principio sí creo que se puede categorizar en géneros y subgéneros, al menos desde el punto de vista histórico, en estructuras troncales de las que devienen las demás, entre ellas nuestro trabajo actual, (algo parecido a lo que se puede ver en las ramas del desarrollo troncal del “Homo sapiens”). Existe un solapamiento en el tiempo de las formas de hacer Poesía Visual: un movimiento recoge los hallazgos del movimiento anterior y así sucesivamente. En España el desarrollo de, entonces, la poesía experimental, tiene lugar en los años 60 del siglo XX (que asimismo depende de las “neovanguardias” de los 50, europea y americana). Por tanto, el vínculo del autor se establece con el conocimiento de la poética experimental, es decir con lo hecho con anterioridad. A partir de ese momento el autor se incorpora a la forma de hacer actual y, durante el tiempo que quiere, desarrolla su trabajo creativo. Observo, y teniendo en cuenta que se hace concretismo, visualidad, objetualidad, instalaciones, fonetismo, accionismo, representaciones y apropiaciones, que más que escuelas existe un “acompañamiento acompasado” de todas ellas, que se desarrollarán según sea el momento histórico en que tiene lugar: Por ejemplo, la crisis económica es causante de la “contracción” de encuentros, eventos, ediciones y propuestas -sobre todo de carácter institucionalen España. Creo, por los contactos entre autores, que unas y otras “formas de hacer” están, comunicadas, y más hoy, con el desarrollo técnico, lo que permite un “diálogo poético”. El vínculo está decidido por el autor. Imaginemos que el poeta visual prepara una comida en una gran olla, y utiliza una serie de ingredientes: la palabra, el fonema, la imagen, el sonido, el movimiento, la representación, el color, o el volumen. Va mezclando despacio el guiso. En un momento dado decide sacar de la olla una cucharada de “sonido mezclado con representación”, y construye un “poema fonético”. Pero al autor le gusta experimentar y recoge en una rebanada de pan un poco de “volumen e imagen”, y realiza un “poema objeto”. Así es el poeta visual. Y un día se cansa de comer y se dedica a la “jardinería”. Es posible que esté experimentando con un nuevo ingrediente….y meterlo en la olla. 3. Con respecto a 2 ¿Piensas que hay una especialidad española en la hibridez de este género? , ¿Cómo la describirías? Como planteas en tu pregunta coexisten diferentes formas de hacer en un mismo tiempo, aunque en el “concepto”, en el fondo, sean parecidas o similares. Pero, a Anhang 1: Entrevista a poetas visuales españoles 283 comienzos del siglo XXI, aparecen nuevos medios de comunicación y reproducción masivos, que facilitan y mejoran la transmisión, y, sobre todo, determinan la manera-como-se-representa-el-poema-visual.-Las-publicaciones-fotográficas-a-color- disminuyen los precios de producción, y la impresión mejora en calidad y rapidez: el terreno es el propicio para que “la imagen” sea preponderante. Las ediciones, conforme pasa el tiempo, así lo demuestran, y, lo que es más claro, facilitan que sean cada vez más los autores que se sumen a “la visualidad”. 4. ¿Has observado algún cambio con respecto a la presencia de la imagen en los últimos años? En líneas generales, la presencia de la imagen a color en las poéticas visuales es absoluta, algo que en España noto desde 2004. 5. ¿Cómo llegaste a crear poemas visuales? Creo que primero observé como la realidad puede ser “polisémica”. De ahí al “lenguaje”, sólo había un paso de años de aprendizaje. En 1975 comencé mi Licenciatura en Filosofía y Letras, y posterior especialización en Historia del Arte, en la Universidad de Valladolid. Con 18 años compré un librito de 57 páginas de Raúl Gustavo Aguirre, “El Dadaísmo”, y, desde la primera página me conmovió una forma de crear, libre y cautivadora. Cuando en la página 47 leí “Sonido poético”, de Hugo Ball, algo se mostró que me atrapó: me hice, y aún soy, “dadaísta”. (Su “gadji beri bimba/ glandridi lauli lonni cadori…..”, siempre está en mis recitales fonéticos). En 1981 concluí mi licenciatura e inicié mi profesión de Pintor: en enero de 1982 hice mi primera exposición individual en “La Casa Vieja”, en Simancas, Valladolid. Fui conociendo la realidad artística. Pero conocía también “La Vanguardia”: “Dadá”, Futurismo. Neoplasticismo, el Constructivismo ruso….Me interesaba la plástica pero, como amigo que era de Hugo Ball, la expresión que me gustaba era el “letrismo”. Por otro lado practicaba la técnica del “collage”: el aprecio por el collage dadaísta-dio-paso-a-los-fotomontajes-de-John-Heartfield,-y,-sobre-todo,-a-la-manera- de construir fotomontajes de Josep Renau. Y por aquí empezó todo: como pintor y editor de la revista “Veneno”, (1983), el proceso fue lento. Ilustraba en periódicos y revistas. Utilizaba la técnica de extraer de la prensa escrita las imágenes con las que montaba “collages”. De los suplementos de los periódicos recogía aquellas imágenes que me llamaban la atención por su “carácter iconológico”. Al construir archivos de “insertos”, trozos de la “realidad impresa”, comprendí que la imagen puede ser tratada como un lenguaje. Sólo faltaba construir “poemas visuales”. Y eso fue en enero de 1989. 6. En pocas palabras: ¿Podrías describir tu poética? 284 Anhang La realidad que nos rodea nos regala el poema. Sólo hay que verlo. 7. ¿Crearías un poema visual para un estudiante de Español como Lengua Extranjera que trate la actual Poesía Visual española? Te mando dos para que elijas el que quieras (Infórmame de la pieza que escoges): Un “Poema visual: “Duelo”,(2012) y un “Frame letrista”: ”Cuaderno Negro”, (2013), (Fotografía realizada por Francisco Ortega). Francisco Peralto Vicario, 1942 4 1. Imagina que un estudiante de Español como Lengua Extranjera te pregunta: “¿Qué es la Poesía Visual Española? ” ¿Qué le responderías? La Poesía Visual es un acto de rebelión contra lo manido del verso sin alas, Una denuncia contra lo turbio que ahoga al hombre. Un acto de libertad absoluta. Una toma de posición frente al inmovilismo de la corrupción. Sus hacedores (la mayoría de ellos), son (somos), por tanto, activistas de la belleza a tumba abierta. 2. La Poesía Visual se describe como género híbrido, resultado de diferentes escuelas en un espectro continuo entre la literatura y arte plástico. Por ende es científicamente difícil de abarcar, de definir y de categorizar en subgéneros. ¿Cómo ves tú el vínculo entre las diferentes escuelas difuminado en la Poesía Visual? 4 Ausgefüllte Unterlagen erhalten am 08.05.2013. Francisco Peralto Vicario se declara de acuerdo con que sus palabras sean citadas en la tesis, que la entrevista se adjunte como material anexo a la tesis y que se publique la entrevista. Anhang 1: Entrevista a poetas visuales españoles 285 Como un todo absoluto. La Poesía Visual busca (debe buscar), a través de lo escrito pintado, un idioma universal que por medio del signo y de la imagen, hermane a todos los hombres. 3. Con respecto a 2 ¿Piensas que hay una especialidad española en la hibridez de este género? ¿Y cómo la describirías? No creo que los españoles nos diferenciemos de los hacedores de Poesía Visual de otras latitudes. 4. ¿Has observado algún cambio con respecto a la presencia de la imagen en los últimos años? Por-supuesto.-Parece-que-la-herencia-tipográfica-de-las-vanguardias-y,-sobre-todo-de- la poesía concreta, se ha perdido a favor de la pintura exclusiva, la fotografía, los montajes y el poema objeto. Antes se gestaba la sorpresa por medio de las letras y/ o palabras en el soporte (por lo general libro), y ahora predomina la idea creadora, más o menos ocurrente, que se plasma por medio de esculturas, o sea de poemas objeto. 5. ¿Cómo llegaste a crear poemas visuales? Al conocer lo que era la Poesía Visual, a través de mi práctica de escritor y pintor. 286 Anhang 6. En pocas palabras: ¿podrías describir tu poética? [QUITA LO QUE CONSIDERES.] [III] La poesía existe desde el mismo instante que el hombre tuvo capacidad para el asombro Con frecuencia creía haber dicho (fpv.) que en tanto que poeta tenía la creencia de ser un médium un transmisor de significados sin saber exactamente qué contienen en realidad Captaba o intuía la poesía y la transmitía de forma discursiva y visual Jamás estuvo seguro de casi nada aunque siempre pensó que hay tantas clases de poesía como clases de hombres existen De ahí que los afines se agrupen en bandas dispuestos a atacar o defender las ganancias y privilegios obtenidos Esto puede dar algún resultado porque ayuda a ampliar nuestra conciencia colectiva haciendo que la poesía sea más universal y menos provinciana Anhang 1: Entrevista a poetas visuales españoles 287 más inconformista revolucionaria en sentido amplio Junto a la aparente inutilidad de la palabra escrita puede esconderse la maldición del paraíso Mas ¿de otra forma no avanzaríamos a ciegas por la naturaleza? Cuando se habla de Poesía Visual la gran mayoría se lleva las manos a la cabeza como si fuera la primera vez que de forma seria y sistemática un grupo más o menos reducido y silenciado inicia o reinicia en el planeta una revolución en el campo de la comunicación Actualmente hemos llegado tan lejos que hay que tomarnos en serio si no desean los censores verse sepultados para siempre en los cementerios culturales bibliotecas de despropósitos dictados por los dinosaurios literarios que los hongos y los insectos bibliófagos devorarán con la fruición de Pantagruel y Gargantúa 288 Anhang La Poesía Visual intenta universalizar el fenómeno artístico sin uniformarlo Es un oficio rigurosamente individual que precisa de la lucha para evadirse de todo lo condicionado de antemano y a la vez transmitir el mensaje del artista La emoción al mayor número de personas aunque no sea imprescindible Por otra parte el azar (no el ripio) desempeña en este proyecto subversivo + forma + visual + pictórico + tipográfico de escritura idéntica secuencia que la estadística aunque también se incluyan caligramas fotomontajes y collages El artista-poeta participa del ready-made La crisis definitiva del artista artesano como Marcel Duchamp entendía Suponía (supongo) que todo está predeterminado por no decir programado de antemano en leyes que escapan a nuestra comprensión actual Anhang 1: Entrevista a poetas visuales españoles 289 La acción de estar en la Poesía Visual representa un ejercicio de constante libertad una sucesión de actos con la forma + la letra + el color + los textos + la fotografía + el espacio + los blancos + el dibujo + la caligrafía + ... Diría un arte total o una escritura completa y compleja que reviste el desarrollo y la forma de la conciencia del progreso de la obra El hecho particularmente puro de la creación es en sí mismo el tema de la composición y no el poema terminado Es la manifestación individual creadora del ego creador Es ese experimento y no otro el que lo enriquece aún a sabiendas de estar utilizado por alguien o algo superior de cuya presencia no dudo ¿O sí? Su finalidad (a la Obra Completa me refiero) escapa por tanto a toda intención superflua. 290 Anhang Joaquín Gómez Ferreira, 1951 5 - http: / / www.ventanadigital.com/ saladeexposiciones/ 1. Imagina que un estudiante de Español como Lengua Extranjera te pregunta: “¿Qué es la Poesía Visual Española? ” ¿Qué le responderías? Decía Andoni Alonso Puelles en su libro „El Arte de los indecible” que “el ejercicio de la poesía no puede acometerse como antaño, nueva época y una nueva sensibilidad, requiere nueva forma de escritura, incluso lejos de la poesía.” El poema objeto, se puede-definir-(no-me-gustan-las-definiciones-porque-acotan-las-proyecciones-y-la- libertad que se pretende con la ampliación) como la capacidad de transformación que tienen los objetos. La Poesía Visual española pues, es un paso más en la evolución de la poesía. Sin transformación, sin pasos adelante, no hay Historia del Arte y de la Literatura del mundo. 2. La Poesía Visual se describe como género híbrido, resultado de diferentes escuelas en un espectro continuo entre la literatura y arte plástico. Por ende es científicamente difícil de abarcar, de definir y de categorizar en subgéneros. ¿Cómo ves tú el vínculo entre las diferentes escuelas difuminado en la Poesía Visual? ¿Género híbrido? Hay objetos variopintos pero una base sustancial son la composición-visual- e-intelectual- con-letras.-Es-díficil-valorarlo- como-híbrido-(los-que-la- critican intentan desviar la atención y su interés porque esté más cercana a las artes plásticas). Hoy hay, es verdad, una mezcla de género que no infravalora, para nada, cualquier disciplina. 3. Con respecto a 2 ¿Piensas que hay una especialidad española en la hibridez de este género? ¿Y cómo la describirías? No entiendo la pregunta. Sin embargo, te digo que no hay especialidad, al menos, desde mi parte: me dedico a la poesía discursiva, visual y poesía objeto. Con la poesía discursiva, puedo decir que mi interés está en la senda marcada, en su día por Yoko Ono, con su grapefruit. 4. ¿Has observado algún cambio con respecto a la presencia de la imagen en los últimos años? Hay un progreso. Viene conducido por esa interrelación con los creadores de imágenes,-como-pueden-ser-los-diseñadores-gráficos. 5. ¿Cómo llegaste a crear poemas visuales? 5 Ausgefüllte Unterlagen erhalten am 22.04.2013. Joaquín Gómez Ferreira se declara de acuerdo con que sus palabras sean citadas en la tesis, que la entrevista se adjunte como material anexo a la tesis y que se publique la entrevista. Anhang 1: Entrevista a poetas visuales españoles 291 Hace muchos años. Creo que fue por el impacto y sus innumerables mensajes. 6. En pocas palabras: ¿podrías describir tu poética? Es importante el mensaje. Como decía McLuhan, en este caso, también el medio: es a través de los objetos, las cosas, cuanto más distintos y distantes sean, mayor será el impacto visual en el espectador. Juan José Ruiz Fernández 6 1. Imagina que un estudiante de Español como Lengua Extranjera te pregunta: “¿Qué es la Poesía Visual Española? ” ¿Qué le responderías? Bajo este término se engloba toda una serie de creaciones que aúnan en su composición tanto imágenes como palabras, es decir, tanto elementos procedentes de la literatura como de las artes plásticas. Así, nos encontramos que dichas creaciones- pueden- incluir- entre- sus- elementos- compositivos- desde- signos- gráficos- y- tipográficos--incluido-los-signos-lingüísticos--a-signos-plásticos--imágenes,-colores,- texturas, etc.-. Esta combinación de elementos no sigue unas reglas estrictas ni proporcionales,- a- veces- los- signos- gráficos,- tipográfico- o- lingüísticos- son- los- protagonistas principales -generalmente en forma no discursivay otras lo son las imágenes- -cualquier- imagen- sea- esta- fotográfica,- cinematográfica,- electrónica,- artística, doméstica, publicitaria etc., incluso la palabra escrita-. Esta introducción de elementos no literarios - o que no cumplen dicha funciónrompe la legibilidad del discurso literario tradicional y favorece una nueva forma de relación con el receptor-en-donde-se-busca-más-una-complicidad-visual-que-lectora.-En-definitiva- a lo que aspira un poema visual es a ser “visto” no a ser “leído”. Su “discurso” sería: no hay nada que decir, mira. Por eso la Poesía Visual encuentra un mejor acomodo dentro de la cultura visual que de la textual, ya que predomina su componte visual sobre el literario. 2. La Poesía Visual se describe como género híbrido, resultado de diferentes escuelas en un espectro continuo entre la literatura y el arte plástico. Por ende es científicamente difícil de abarcar, de definir y categorizar en subgéneros. ¿Cómo ves tú el vínculo entre las diferentes escuelas difuminado en la Poesía Visual? Catalogamos como “poesía visual” a un conjunto heterogéneo de obras muy distintas entre sí y que han sido realizadas con muy diversos procedimientos. Así, podemos hablar de letrismo, poesía experimental, poesía fonética, poesía semiótica, etc. Todas, sin embargo, tienen un vínculo común que las une y es su interés por romper con la forma tradicional de comunicar de las artes. Estas distintas maneras 6 Ausgefüllte Unterlagen erhalten am 31.10.2013. Juan José Ruiz Fernández se declara de acuerdo con que sus palabras sean citadas en la tesis, que la entrevista se adjunte como material anexo a la tesis y que se publique la entrevista. 292 Anhang de acercarse al hecho poético no rivalizan entre sí, sino que, más bien se complementan las unas a las otras, enriqueciéndose mutuamente, y ampliando cada vez más el campo de la creación humana. 3. Con respecto a 2 ¿Piensas que hay una especialidad española en la hibridez de este género? ¿Y como la describirías? No-me-atrevería-a-afirmar-que-existe-una-“especialidad-española”-de-hacer-poesía- visual. Tampoco a negarlo. Creo que la poesía visual abre nuevos campos de estudio y que estas cuestiones corresponde dilucidarlas más a los estudiosos que a los creadores. Por mi parte diría que la poesía visual intenta llegar a un receptor más amplio a aquél que solo lee -en un idioma o en varios-. El hecho de que lo consiga o no va a depender, no tanto del país en el que uno haya nacido cuanto de cuales sean las-“afinidades-culturales”-existentes-entre-creador-y-receptor.-Y-esto,-hoy-en-día,-es- difícil de prever en un mundo en el que las fronteras culturales han desaparecido. 4. ¿Has observado algún cambio con respecto a la presencia de la imagen en los últimos años? La presencia de la imagen ha crecido en la sociedad actual al ritmo que han crecido las pantallas en las que puede verse. Esta saturación de pantallas, y por lo tanto de imágenes viene acompañada de un fenómeno nuevo que resumiría así: a más pantallas donde la imagen puede visualizarse mayor es su invisibilidad. Las imágenes se vuelven invisibles por acumulación. Paradójicamente esta acumulación no redunda en una mayor recepción o en una mejor comunicación, antes al contrario, la excesiva proliferación de imágenes hace que éstas se anulen unas a otras y pierdan su función, sea esta comunicativa, informativa, referencial, conceptual, etc. Este es quizás, a mi juicio, el cambio más importante que se está produciendo en el mundo de las imágenes en los últimos años. 5. ¿Cómo llegaste a crear poemas visuales? Fue a partir del juego, de la experimentación - si acaso no son la misma cosa-. Jugaba con las imágenes, con los textos, con los “contextos”, con los “descontextos”. A veces escribía, a veces dibujaba, a veces recortaba imágenes, textos, viñetas de comic, a veces pegaba objetos, elementos de la naturaleza, etc. De pronto lo hacía todo a la vez, sin saberlo. 6. En pocas palabras: ¿podrías describir tu poética? Vivimos-rodeados-de-imágenes--importa-poco-si-son-reales-o-ficticias,-sagradas-o- profanas--y-bajo-el-influjo-de-su-significado.-Nuestro-grado-de-implicación-con-ellas- es-lo-que,-a-veces,-las-dota-de-un-plus-de-significado.-Este-puede-ser-personal,-social,- cultural, concreto, ambiguo, poético… Descontextualizar las imágenes para darles nuevos-significados-a-través-del-juego,-el-humor,-la-ironía,-la-crítica…-es-el-trabajo- Anhang 1: Entrevista a poetas visuales españoles 293 que-realizo-con-ellas-y-con-el-que-intento-reflejar-las-contradicciones-del-individuo- y de la sociedad contemporánea. 7. Creación de un poema visual destinado al aprendiz de Español como Lengua Extranjera (Tema: Poesía Visual Española). „Brote“ “Brote” implica un renacer constante. En este sentido creo que la poesía visual española se encuentra, desde hace ya muchos años, en un momento dulce que se aprecia tanto en el constante “brote” de nuevos creadores como en la calidad de sus obras. Esto garantiza el relevo generacional y la continuidad con la generación anterior- que- fue- la- que- impulsó,- de- una- manera- definitiva,- la- aceptación- de- la- poesía visual como una disciplina autónoma, independiente tanto del arte como de la literatura situándola en una posición híbrida entre ambas. “Brote” sugiere que este resurgir no se va a agostar, sino que su renovación será constante en los próximos años y que no faltarán “nuevos tallos” que la irán haciendo cada vez más conocida, tanto a nivel nacional como internacional. De todas formas, si consideras que hay alguna otra imagen que se ajusta mejor al tema, de entre las que te he mandado con anterioridad, puedes elegir libremente la que te parezca. 294 Anhang Juan López de Ael, 1951 7 1. Imagina que un estudiante de Español como Lengua Extranjera te pregunta: “¿Qué es la Poesía Visual Española? ” ¿Qué le responderías? La Poesia Visual es, como todas las artes, un conjunto de elementos que intentan comunicar el mundo interior de quien la crea. En la Poesia Visual existe ese momento mágico donde dos o más formas de expresión se funden. Texto e imagen dicen cosas, crean otra forma de decir-comunicar. El artista pinta con letras o escribe con pintura. Forma, color y texto caminan de la mano intentando crear un nuevo lenguaje que sea entendible para todos. También puede ser un lenguaje abstracto que simplemente intente crear belleza visual con estos u otros elementos. 2. La Poesía Visual se describe como género híbrido, resultado de diferentes escuelas en un espectro continuo entre la literatura y arte plástico. Por ende es científicamente difícil de abarcar, de definir y de categorizar en subgéneros. ¿Cómo ves tú el vínculo entre las diferentes escuelas difuminado en la Poesía Visual? Me parece sumamente interesante, ya que todo funciona en base al mestizaje que es lo que enriquece tanto al arte (las artes) como a los seres humanos. 3. Con respecto a 2 ¿Piensas que hay una especialidad española en la hibridez de este género? ¿Y cómo la describirías? En la época actual, en la que la información funciona de manera global, las influencias- generales- hacen- que- no- pueda- hablarse- de- una- especialidad- española,- aunque, cierto es, autores como Joan Brossa han marcado una impronta que se mantiene con el tiempo, de cuya estela siguen bebiendo los poetas visuales españoles actuales. 4. ¿Has observado algúnj cambio con respecto a la presencia de la imagen en los últimos años? Tal vez lo más destacable sea la utilización que la publicidad hace del Poema Visual. 5. ¿Cómo llegaste a crear poemas visuales? Teniendo en cuenta que vengo de la pintura y que me he dedicado desde el comienzo a investigar las posibilidades del lenguaje plástico, no tardé en entrar en contacto con la obra de autores como Pablo del Barco o Joan Brossa y descubrí que lo que yo 7 Ausgefüllte Unterlagen erhalten am 23.04.2013. Juan López de Ael se declara de acuerdo con que sus palabras sean citadas en la tesis, que la entrevista se adjunte como material anexo a la tesis y que se publique la entrevista. Anhang 1: Entrevista a poetas visuales españoles 295 hacía tenía mucho en común con ellos. Esa fue la forma en que advertí que estaba haciendo Poesía Visual sin haberle dado nombre a mis trabajos. 6. En pocas palabras: ¿podrías describir tu poética? Al contrario que en mi pintura, en la que me centro en la abstracción, mi Poesía Visual-es-más-bien-figurativa-en-el-sentido-de-‘hacer-ver’-y-‘entender-un-mensaje‘.- Intento hacer del poema un elemento con rasgos pedagógicos, fácilmente entendible en cualquier cultura. 7. Creación de un poema visual destinado al aprendiz de Español como Lengua Extranjera (tema: Poesía Visual española)… La E se convierte, girada, en un edificio, representando así lo que dice en su base: arquitectura. Juan Rosco Madruga, 1950-2017 8 - “Creadores de imágenes”, en colaboración con Luisa Téllez, libro con 122 poemas visuales y 240 páginas, editado por la Consejería de Educación de la Junta de Extremadura en 1998. ISBN 84- 923779-1-7 - “Con otra mirada”, libro con 41 poemas visuales, nº 1 de la colección de 12 llamada “Pintan espadas”. Editado por Diputación de Badajoz en 2001 - ISBN 978 84 7796 087 3. - “Lejos de Arcadia”, catálogo de la exposición de 52 poemas visuales, editado por la Consejería de Cultura. ISBN 84 71 836 5. - “2008, odisea en el tiempo”, catálogo de exposición de poemas visuales, en fotografía y con objetos reales. Editado por la Editora Regional de Extremadura. ISBN: 978-84-9852-110-8 8 Ausgefüllte Unterlagen erhalten am 25.04.2013. Juan Rosco Madruga se declara de acuerdo con que sus palabras sean citadas en la tesis, que la entrevista se adjunte como material anexo a la tesis y que se publique la entrevista. 296 Anhang - “Reacción Química”, catálogo que recoge 26 obras de la exposición celebrada en Elche en mayo de 2011. con edición a cargo de la Universidad Miguel Hernández y ISBN: 978-84-938764-1-5 1. Imagina que un estudiante de Español como Lengua Extranjera te pregunta: “¿Qué es la Poesía Visual Española? ” ¿Qué le responderías? Creo que el leguaje de la poesía es en gran medida universal y en ese sentido sería equiparable la Poesía Visual española a la de cualquier otra parte del mundo. Pero a la vez la poesía, es una manifestación cultural y en este sentido es una respuesta que-el-autor-da-a-los-acontecimientos-que-se-manifiestan-en-su-marco-geográfico- o de conocimiento con los materiales de que dispone en su entorno o tiene en su bagaje personal. Por todo ello es difícil de catalogar. El ejercicio de subjetivación de-la-realidad-que-hace-el-poeta,-confiere-a-su-producción-un-sello-muy-personal. Resumiendo: la Poesía Visual española, como la de cualquier otra región, lleva el sello de lo universal y también la aportación de lo individual y lo contextual… y-los-contextos-son-infinitos. No creo que el lenguaje tenga un valor en sí, salvo para los lingüistas. Su verdadero valor es como herramienta y como tal susceptible de ser utilizada por el alumno, que muchas veces no es solvente en su discurso oral o escrito, para mostrar sus acuerdos o desacuerdos con la sociedad en que le ha tocado vivir. En un principio percibimos los objetos, luego con el aprendizaje de la lectoescritura cambiaremos la realidad por símbolos, en principio es traumático pues la tangibilidad de las cosas, de la realidad, supera a los estímulos que nos concede la nueva herramienta. Pero esta nueva adquisición será tan potente que nos permitirá abarcar el universo. Los-beneficios-de-la-práctica-de-la-Poesía-Visual-en- español-para-alumnos-que-la- confeccionen desde otra lengua, no están sólo en la adquisición de vocabulario sino en introducirse en el alma del nuevo idioma que descubren, en la fuerza de sus locuciones adverbiales, del refranero popular, en introducirse en el mundo poéticohumorístico de las greguerías, etc. Puede actuar también como elemento motivador esta tarea de transformar objetos y palabras en conceptos, lo que les llevará a aprehender-el-significado-profundo-e-incluso-oculto-de-algunas-expresiones. Creo que no todos los alumnos aprenden de la misma manera y tenemos que acomodarnos-para-que-quienes-encuentren-dificultades-siempre-tengan-otro-camino- para llegar al conocimiento, o por lo menos otro camino en el que sus destrezas se pongan-de-manifiesto-y-de-esta-manera-su-autoestima-se-vea-aumentada.-Los-niños- con dislexia tienen problemas con la escritura porque al parecer piensan no con conceptos sino con imágenes. La Poesía Visual es para ellos el vehículo adecuado. Sin embargo con los autistas, incapaces para la metáfora, el camino ha de ser otro. 2. La Poesía Visual se describe como género híbrido, resultado de diferentes escuelas en un espectro continuo entre la literatura y arte plástico. Por ende Anhang 1: Entrevista a poetas visuales españoles 297 es científicamente difícil de abarcar, de definir y de categorizar en subgéneros. ¿Cómo ves tú el vínculo entre las diferentes escuelas difuminado en la Poesía Visual? Creo-que-definir-la-Poesía-Visual-es-como-querer-poner-puertas-al-campo,-pero-ya- que- me- pides- una- definición- te- diré- lo- que- es- para- mí: - una- forma- de- concebir- el- mundo a través de los objetos o a través de las palabras, en un juego en el que les asignas roles diferentes de aquellos para los que fueron concebidos. Este Arte, como cualquier otro, se basa en la mentira, son interpretaciones de la realidad, pero no son la realidad. Incluso va más allá, nos presenta una revalidada, la-de-los-objetos-o-palabras-que-nada-tienen-que-ver-con-la-significación-de-que-son- portadores. Esta mentira no fraguada para engañar, sino para servir a la vida es el elemento común que veo entre la Poesía Visual y el resto de las Artes. Son atributos de la Poesía Visual, su ligereza, su fuerza, su fácil difusión, es un arte “curativo” que pretende una reacción contra ese lenguaje gastado que, en el decir de Barthes, no-refleja-sino-que-tapa-la-realidad.-Así,-la-Poesía-Visual-vendría-a-destapar-lo-que- en ocasiones el lenguaje, del tipo que sea, tapa. En mi opinión las distíntas “escuelas”, las distintas poéticas, participan en mayor o menor grado de un elemento común: el concepto. Añadiría además, la simplicidad, la relación dialéctica, en oposición, de sus componentes, y tal vez el soporte, nada grandilocuente salvo que interpretemos como Poesía Visual los “empaquetamientos” de Cristo. No es una Arte nacido en nuestro tiempo sino antiguo. Basta que observemos la Venus de Lauselle para darnos cuenta de la asociación entre lo masculino y lo femenino, expresado el primero en forma simbólica. La Historia del Arte está llena de poemas visuales, desde el Paleolítico al Arte Actual, pasando por el romano, sobre todo en los mosaicos, el medieval, estereotipado en formas y colores-para-transmitir-no-lo-que-se-ve-sino-lo-que-significa,-y-así-hasta-nuestros-días. Los-objetos-del-pasado,-combinados,-producían-una-significación.-Hoy,-con-objetos presente podemos recrear los mitos del pasado -hice una exposición bajo este presupuesto: “Odisea en el tiempo” 3. Con respecto a 2 ¿Piensas que hajkjy una especialidad española en la hibridez de este género? ¿Y cómo la describirías? Victoria, creo que la hibridación, término que hoy está en boga, no es en mi opinión el más adecuado pues el producto híbrido guarda relaciones con sus progenitores. Me gusta comparar la Poesía Visual y más concretamente el poema objeto con una reacción química pues en ella los compuestos no se suman ni se mezclan sino que se combinan, dando con ello lugar a sustancias nuevas con propiedades físicas y químicas diferentes. Los objetos se comportan de manera análoga ya que cuando los asociamos no se mezclan sino que se combinan dando lugar a conceptos y significaciones-nuevas,-diferentes-de-la-función-para-la-que-fueron-creados.-Creo-que- 298 Anhang no existe una especialidad o una diferenciación que esté ligada al territorio. Con frecuencia vemos creadores que se lanzan a hacer haikus, piensan que los hacen bien pero no es así, porque la acentuación y otros matices, los ignoran y no saben bien lo que están haciendo salvo la métrica. La creación es un producto cultural, y la interpretación de la creación también lo-es-en-gran-medida.-Como-ejemplo: -hice-un-Portal-de-Belén-con-fichas-de-ajedrez.- La Virgen era la reina, San José el rey, El Niño Jesús, un peón y la mula y el buey sendos caballos, blanco y negro. Resultado: cuando le mostraba el poema a alguien-de-otra- cultura-no-lo- entendía,- sólo-veía-figuras-de-ajedrez-dispuestas-de- una manera extraña. 4 . ¿Has observado algún cambio con respecto a la presencia de la imagen en los últimos años? La imagen como todo lo demás cambia, incluso en el momento que estoy escribiendo. Lo único real en el mundo es el cambio por lo que la imagen, como parte de ese mundo está en continua construcción, en cambio. Pero dicho esto, y a la vez, no puedo entender nada de la imagen si no tengo conocimiento previo de la misma. Su significado-deriva-de-múltiples-factores: -lugar,-procedencia,-sujeto-que-percibe,-cultura… La imagen, como un lenguaje más participa de las interacciones que se dan entre diferentes lenguajes, mezclándose códigos, géneros, en los mismos soportes y canales.-Esta-es-en-definitiva-mi-visión-de-la-imagen,-algo-que-no-se-define-por-un- aspecto concreto sino por su cualidad de ente hipervinculado. 5. ¿Cómo llegaste a crear poemas visuales? Mis primeros poemas surgieron allá por 1984, en Coria, como una actividad vinculada a mi desempeño como profesor en un proyecto educativo novedoso de Educación de Adultos. Consistía en trabajar con los alumnos dentro de las coordenadas que nos imponía la normativa educativa. Lo novedoso del proyecto era utilizar en una parte del currículo a personal que no era docente. Así conseguíamos llevar a cabo algo de lo que preconizaba Paulo Freire “la comunidad educa a la comunidad”. En general los alumnos no eran adultos, era un eufemismo de fracasados en la entonces llamada EGB -Educación General Básica-. Casi todos acababan dominando la lectoescritura, si bien no con la solvencia necesaria como para expresar su visión del mundo, sus problemas personales, sus sueños… De ahí que me propusiera el reto de educar no sólo para que consiguieran unas destrezas sino principalmente para hacer persona. Hacer personas, no desde el punto de vista social, que todos lo somos, sino desde el punto de vista etimológico, desde el punto de vista de lo que significa-PERSONA-“para-sonar”.-Bueno,-fue-un-largo-proceso-hasta-que-se-tomaron- en serio el trabajo y comprendieron que era interesante expresar sus argumentos de una forma muy potente. Anhang 1: Entrevista a poetas visuales españoles 299 A partir del trabajo docente surgió mi interés por la Poesía Visual. Mi primer poema fue un lazo solidario hecho con los eslabones de una cadena. El segundo una denuncia de la dictadura chilena en la que una bota militar aplastaba el zapatito de un bebé. A partir de todo aquello vino la confección de un libro, “Creadores de Imágenes”, en el que dábamos pautas y ejemplos de cómo hacer poemas con los objetos. 6. En pocas palabras: ¿podrías describir tu poética? Definiría-mi-poética-como-la-búsqueda-de-objetos-de-cuya-combinación-con-otro-objeto-o-contexto,-surja-la-chispa-reactiva-de-la-significación.-Con-una-clara-intención- de denuncia social, en el guante de seda de una presentación dulce, trufada de naïf. 7. Creación de un poema visual destinado al aprendiz de Español como Lengua Extranjera (tema: Poesía Visual española)… “El final de un sueño, o ¿esto era todo? ” Julia Otxoa, 1953 9 1. Imagina que un estudiante de Español como Lengua Extranjera te pregunta: “¿Qué es la Poesía Visual Española? ” ¿Qué le responderías? En-primer-lugar-le-hablaría-del-significado-de-Poesía-Visual: La Poesía Visual es una forma experimental en la que la imagen, lo visual, es un elemento-esencial-como-unidad-de-signficante-y-significado.-Esta-forma-de-poesía- no verbal, constituye un género propio, pero hoy en día la realidad de la Poesía Visual en el mundo es múltiple y evoluciona constantemente en sus representaciones, en el campo de su experimentación, sus creadores se mueven en la frontera entre los géneros y las artes, la pintura, la acción poética, la música, y la misma lírica 9 Ausgefüllte Unterlagen erhalten am 23.06.2013. Julia Otxoa se declara de acuerdo con que sus palabras sean citadas en la tesis, que la entrevista se adjunte como material anexo a la tesis y que se publique la entrevista. 300 Anhang discursiva etc., dando lugar a diversas formas de poéticas visuales (concretismo, letrismo, semiótica, poesía objetual, poesía fonética, poema acción, etc.) Por otro lado, para explicar a los alumnos el fenómeno de la Poesía Visual Española en particular, es imprescindible primero acercarles a este género, darles a conocer mediante imágenes por ejemplo (Fundación Joan Brossa) en la red. En una pedagogía basada en la ya extensa bibliografía que sobre dicho género en nuestro país viene publicándose sobre todo en las últimas décadas (entre otras antologías “Poesía Visual Española“ Editorial Calambur, Madrid, 2007 etc. etc.). A esta información se unirían algunos enlaces imprescindibles en la red que están ayudando a su estudio y difusión como ocurre por ejemplo con http: / / boek861.blog.com.es/ . 2. La Poesía Visual se describe como género híbrido, resultado de diferentes escuelas en un espectro continuo entre la literatura y arte plástico. Por ende es científicamente difícil de abarcar, de definir y de categorizar en subgéneros. ¿Cómo ves tú el vínculo entre las diferentes escuelas difuminado en la Poesía Visual? Yo no hablaría de “Escuelas”·sino de diferentes líneas de creación en la Poesía Visual que se interrelacionan muchas veces entre ellas, sus manifestaciones dan fe de las respuestas e interrogantes que a nivel estético se están haciendo el hombre y la mujer contemporáneos, tal vez algo diferentes a laquellas que se hicieron los egipcios, primeros poetas visuales con sus epigramas. 3. Con respecto a 2 ¿Piensas que hay una especialidad española en la hibridez de este género? ¿Y cómo la describirías? No hay una especialidad española en las distintas manifestaciones de la Poesía Visual. Si bien es cierto que ha habido grandes poetas visuales como el catalán Joan Brossa excepcionalmente esenciales y originales en su modo concreto (Poesía objetual, teatral etc.) de entender dicho género. 4. ¿Has observado algún cambio con respecto a la presencia de la imagen en los últimos años? Los cambios son sobre todo referentes al gran auge de la Poesía Visual Española respecto a otras décadas anteriores que permanecía como un género menos conocido y marginal. 5. ¿Cómo llegaste a crear poemas visuales? Desde-hace-años-mi-trabajo-como-escritora-ha-ido-paralelo-al-de-mi-obra-gráfica,- especialmente en el campo de la Poesía Visual y la fotografía. Frecuentemente llego a la realización de cada obra con austeridad de medios, los ensamblajes poéticos parten de objetos cotidianos encontrados con facilidad en nuestro entorno. Para mi resulta muy interesante trabajar con materiales sencillos, reciclados, mínimos en cuanto a su valoración comercial de uso en la sociedad. Esta es mi personal Anhang 1: Entrevista a poetas visuales españoles 301 apuesta por esa poética de lo invisible, por esa belleza de las cosas aparentemente más-insignificantes,-que-pasa-desapercibida-ante-nuestros-ojos-tan-llenos-de-prisa. En mi trabajo, tanto el poema objeto como la fotografía, parten de la percepción poética de la realidad como universo susceptible de fabulación, como forma de narración múltiple del mundo, que persigue conferir a lo contemplado otra representación,-otro-significado-ante-nuestros-ojos. Cuantas- veces- me- preguntan- por- la- definición- de- mis- poemas- visuales,- acostumbro a responder que el poema objeto es ese lenguaje visual de la brevedad, conciso y rotundo cual microrrelato visual. Correspondencia lúdica e irónica de analogías y yuxtaposiciones inesperadas que colocan al que contempla las imágenes ante una nueva representación simbólica basada en un tipo de pensamiento combinatorio e iconoclasta en la traducción del mundo. 6. En pocas palabras: ¿podrías describir tu poética? Esta pregunta ha sido respondida en la anterior Julián Alonso, 1955 10 1. Imagina que un estudiante de Español como Lengua Extranjera te pregunta: “¿Qué es la Poesía Visual Española? ” ¿Qué le responderías? La Poesía Visual Española no se diferencia esencialmente de la que se crea en otros países, pues utiliza técnicas y elementos similares y parte de fuentes de inspiración difundidas por todo el mundo. Sin tener en cuenta los ejemplos de la antigüedad, tales como los laberintos medievales del monje Vigilán y los ejercicios de las llamadas- “formas- difíciles- de- la- poesía”- o- “poesía- figural”- del- barroco,- igualmente- comunes, si tomamos como punto de partida los comienzos del siglo XX y las primeras vanguardias, nos damos cuenta de que las fuentes de las que bebe la Poesía Visual Española se corresponden con las corrientes europeas del momento (futurismo, cubismo, dadaísmo…), del mismo modo que sucede con otras disciplinas artísticas. Esta dinámica se frenará en seco con la dictadura franquista, debido por una parte a la diáspora de artistas y por otra a la represión, directa o soterrada, de todas-aquellas-formas-de-pensamiento-o-creación-que-se-salieran-de-la-oficialidad. No obstante, ya en los años 50 del pasado siglo comienzan a manifestarse tímidamente signos de recuperación y aparecen individuos y movimientos poéticos minoritarios que, desde su soledad comienzan a retomar la experimentalidad y se atreven-a-mostrar-obras-que-son-ignoradas-o-toleradas-por-el-pensamiento-oficial- 10 Ausgefüllte Unterlagen erhalten am 03.05.2013. Julián Alonso se declara de acuerdo con que sus palabras sean citadas en la tesis, que la entrevista se adjunte como material anexo a la tesis y que se publique la entrevista. 302 Anhang porque son consideradas como “juegos” y ocurrencias de artista. Será el germen de lo que desde mediados de los 60 toma ya cuerpo y empieza a ser conocido y reconocido. De aquel caldo de cultivo iniciado por algunos elementos del “postismo”, movimiento netamente español, y por individuos solitarios como el gran Francisco Pino, Juan Eduardo Cirlot, Joan Brossa o el uruguayo Julio Campal entre otros, así como la difusión llevada a cabo por Ángel Crespo del movimiento concretista brasileño, surgirán algunos grupos aglutinantes de poetas experimentales y visuales (Problemática 63, Cooperativa de producción artística, N.O. e incluso algunos elementos de ZAJ), que pondrán su obra en el mapa de la Poesía Visual europea gracias a dos publicaciones, una alemana y otra francesa. La alemana fue la revista Akzente, que publicó una muestra de la Poesía Visual que se hacía en España coordinada por-el-gran-poeta-concretista-español-Felipe-Boso,-afincado-en-ese-país.-Lo-propio- hizo en Francia la revista Docks, publicando una amplia nómina de obras y autores españoles recopilados por José Antonio Sarmiento. Esas dos publicaciones tuvieron la virtud de aglutinar y poner en valor en Europa a la mayoría de autores que por entonces trataban de abrirse paso dentro de la Poesía Visual en España y que ya no dejarían de trabajar, si bien la Poesía Visual siguió siendo muy minoritaria hasta que, terminada la dictadura, los vientos de libertad que llegaron supusieron el gran caldo de cultivo que trajo como consecuencia la eclosión de un gran número de autores activos y activistas que mantuvieron durante toda la década de los 80 la llama de esta poesía que en los últimos veinte años no ha dejado de crecer, al irse incorporando, dentro de los diversos estilos y caminos que la Poesía Visual tiene, numerosos creadores no sólo originariamente poetas visuales, sino también procedentes de otras disciplinas como la fotografía, la pintura, las artes plásticas en general, el vídeo, la informática, etc. Esto, que en algunos momentos puede crear cierta confusión porque las fronteras entre las distintas artes son cada vez más difusas, ha resultado también muy enriquecedor y, si hace diez años se podía considerar que en España no había más allá de doscientos poetas decididamente visuales, hoy en día su número sería muy difícil de-cuantificar-porque-además,-casi-de-manera-constante,-se-están-incorporando-al- movimiento numerosas personas y colectivos jóvenes, cada vez más activos y la difusión vía Internet ha crecido de un modo exponencial. Nos- podríamos- fijar- en- muchos- aspectos,- pero- una- de- las- características- que- siempre me han parecido más notables dentro de la Poesía Visual española y que supongo común a otros países en mayor o menor medida, es el carácter multidisciplinar de sus cultivadores, pues creo que muy pocos pueden considerarse pura y simplemente poetas visuales. Quizás Eduardo Scala sea uno de esos escasos fenómenos únicos, pero si repasamos a los grandes nombres de la Poesía Visual en España, con los enormes Francisco Pino, Felipe Boso y Joan Brossa a la cabeza, nos encon- Anhang 1: Entrevista a poetas visuales españoles 303 tramos casos tan relevantes como el de Antonio Gómez, cultivador de la Poesía Visual, el poema objeto y la poesía discursiva, el poeta visual y publicista Isidro Ferrer, el también fotógrafo Chema Madoz, el poeta discursivo y experimental, músico, cantante, dibujante, cineasta y pintor Luis Eduardo Aute, el pintor, escritor y poeta discursivo Pablo del Barco, el poeta e impresor Francisco Peralto, el profesor, ensayista y performer Bartolomé Ferrando y así tantos y tantos nombres de la cada vez más nutrida nómina de la Poesía Visual española, también caracterizada, a mi entender, por una veta entre social, irónica y a veces llena de humor negro tan característica del temperamento español. 2. La Poesía Visual se describe como género híbrido, resultado de diferentes escuelas en un espectro continuo entre la literatura y arte plástico. Por ende es científicamente difícil de abarcar, de definir y de categorizar en subgéneros. ¿Cómo ves tú el vínculo entre las diferentes escuelas difuminado en la Poesía Visual? El poeta visual es como quien se dedica a recoger palabras u objetos usados, para descontextualizarlos y componer uno nuevo y servible y a eso la Poesía Visual española no es ajena. Los géneros y maneras de trabajar se entremezclan, se amalgaman, interaccionan unos con otros y el resultado es casi siempre híbrido por naturaleza, por eso pienso que todos tienen que ver con todos. Ha habido en España durante al menos veinte años, una gran confraternización entre los poetas visuales que ha permitido un rico intercambio de ideas, maneras de trabajar y planteamientos y eso ha hecho que muy pocos hayan mantenido una línea única y poco “contaminada”. El hecho de que no fuéramos muchos en número y el enorme intercambio llevado a cabo por medio de revistas ensambladas (ahí está la gran labor de Antonio Gómez y José Luis Campal con “Píntalo de verde” y las carpetas “El paraíso), correspondencia cruzada, aprovechamiento de los circuitos del mail-art, exposiciones colectivas como las propiciadas por el malogrado José Carlos Beltrán, publicaciones también colectivas y desinteresadas llevadas a cabo por Francisco Peralto y su editorial “Corona del Sur” o antologías varias, han propiciado que se expongan a la luz pública muchos trabajos de variado signo y ahí cada uno se ha quedado con lo que le parecía más interesante desde su propia óptica. También han sido y son muy interesantes las distintas convocatorias temáticas a las que acudimos los poetas visuales, tratando un mismo tema desde ópticas a veces similares, a veces muy distintas, pero siempre enfocadas hacia una misma idea. No obstante, siempre se pueden distinguir las grandes líneas que han ido traspasando el tiempo dentro de la Poesía Visual, no sólo española, como el caligrama, el letrismo, el concretismo, el poema objeto, la mezcla de códigos diferentes de 304 Anhang comunicación, el collage, la imagen potenciada por medio de un título que da la pista al espectador para interpretar la obra, etc. Y hay dos cosas que para mi caracterizan a un buen número de autores hispanos: la denuncia social y la ironía. 3. Con respecto a 2 ¿Piensas que hay una especialidad española en la hibridez de este género? ¿Y cómo la describirías? Yo diría que no, si bien no debe descartarse la labor individual de algunos autores muy-fieles-a-sí-mismos-y-con-una-línea-trazada-desde-antiguo-que-han-mantenido-a- través de los años. Es el caso de Isidro Ferrer, Antonio Montesino, Antonio Orihuela, Antonio Gómez, Rafael Marín o Gustavo Vega, por poner algunos ejemplos y los de Eduardo Scala y Luis Eduardo Aute si hablamos sólo de la letra, la palabra y el juego de palabras como materia prima. 4. ¿Has observado algún cambio con respecto a la presencia de la imagen en los últimos años? El uso de la imagen se ha incrementado de manera muy notable, sobre todo a partir de la utilización cada vez más extendida de la informática y de la incorporación tanto de pintores o collagistas como de fotógrafos. Para mi el gran ejemplo es el del fotógrafo Chema Madoz. 5. ¿Cómo llegaste a crear poemas visuales? Eso surgió de manera espontánea a mediados de los 70 y yo entonces ni siquiera sabía que lo que estaba haciendo se llamaba Poesía Visual. Era una manera de experimentación que en un primer momento se encaminaba por una línea muy crítica hacia la situación política del momento y se publicada en una revista “underground” llamada “La Cueva”, pero fue una fase que abandoné hacia 1982 para retomar-de-nuevo-con-planteamientos-mucho-más-estéticos-y-de-juego-a-finales-de- los 80 y, ya en los 90, deslumbrado por la obra de autores como Francisco Pino, Joan Brossa o Antonio Gómez, seguir profundizando por líneas diferentes y a veces entremezcladas hasta el día de hoy. 6. En pocas palabras: ¿podrías describir tu poética? Mi obra se ha desarrollado por impulsos, conforme me la han ido dictando la inspiración y las circunstancias del momento. Podría decirse que tanto en Poesía Visual como en poesía discursiva, soy una persona bastante ecléctica que voy acopiando materiales diversos y utilizándolos juntos o por separado según las necesidades de cada obra y el mensaje que quiero comunicar, ahora bien, una cosa para mi muy importante es la complicidad del lector, que éste pueda entender o al menos intuir el significado-del-poema-con-un-solo-golpe-de-vista,-aunque-a-veces-juegue-a-las-doble- Anhang 1: Entrevista a poetas visuales españoles 305 interpretaciones-como-manera-de-enriquecer-una-obra-y-que-el-lector-se-identifique- desde su propia experiencia personal. 7. Creación de un poema visual destinado al aprendiz de Español como Lengua Extranjera (tema: Poesía Visual española)… “El barco de España” Manuel Calvarro Sánchez, 1955 11 - www.manuelcalvarro.com 1. Imagina que un estudiante de Español como Lengua Extranjera te pregunta: “¿Qué es la Poesía Visual Española? ” ¿Qué le responderías? Es un lenguaje en el que las imágenes usadas como código de comprensión universal son las que marcan las pautas para facilitar una perfecta comunicación entre el emisor y el receptor. 2. La Poesía Visual se describe como género híbrido, resultado de diferentes escuelas en un espectro continuo entre la literatura y arte plástico. Por ende es científicamente difícil de abarcar, de definir y de categorizar en subgéneros. ¿Cómo ves tú el vínculo entre las diferentes escuelas difuminado en la Poesía Visual? Evidentemente, somos el resultado de un universo de ideas y situaciones, que luego se canalizarán no se sabe como en cada individuo para dar lugar a su característica 11 Ausgefüllte Unterlagen erhalten am 23.04.2013. Manuel Calvarro Sánchez se declara de acuerdo con que sus palabras sean citadas en la tesis, que la entrevista se adjunte como material anexo a la tesis y que se publique la entrevista. 306 Anhang personalidad. En base a esto, podríamos deducir que hay pocas cosas realmente nuevas bajo el Sol y que por ello, en todo lo que hago, incluida la Poesía Visual, seguro que hay partículas adquiridas en mi aprendizaje a nivel consciente o subconsciente. 3. Con respecto a 2 ¿Piensas que hay una especialidad española en la hibridez de este género? ¿Y cómo la describirías? Cada país tiene su propia idiosincrasia resultado de milenios de historia en un mundo ahora muy globalizado pero no antes. Según esto, a lo mejor la Poesía Visual Española puede que tenga unas características propias, no sabría decirlo, ya que pienso que no es el país en conjunto el que tiene un estilo propio de hacer las cosas, sino que es cada persona la que da un giro particular a lo que hace según sean sus particulares intereses. 4. ¿Has observado algún cambio con respecto a la presencia de la imagen en los últimos años? Si, ciertamente. Vivimos en un mundo en el que la imagen tiene, a mi modo de ver las cosas, cada día más protagonismo. 5. ¿Cómo llegaste a crear poemas visuales? Primero descubrí el Mail Art, luego, sin darme cuenta, entro en contacto con la Poesía Visual y quedo, en cierto modo, atrapado por ella. 6. En pocas palabras: ¿podrías describir tu poética? La Poesía Visual me permite llevar las ideas abstractas al campo de lo concreto, ejercitar libremente mi ironía y mi intelecto, comprobar que una imagen vale más que cien palabras. Al-ser-consciente-de-que-la-vida-solo-es-una-etapa-insignificante-dentro-de-la-no- existencia mis constantes de preocupación son: Las ataduras sociales, el paso del tiempo, las injusticias, la soledad, el amor, la intransigencia, la pureza, el mal trato a-los-animales-o-a-las-personas…-Pero-procuro-tratar-estos-temas-con-la-suficiente- dosis de ironía, para sacar del que se acerca a mis obras un pensamiento, o por lo menos, una mínima sonrisa de complicidad. 7. Creación de un poema visual destinado al aprendiz de Español como Lengua Extranjera (tema: Poesía Visual española)… He pensado que este, titulado “Estudiante de español en prácticas” puede valer. Anhang 1: Entrevista a poetas visuales españoles 307 Mikel Jáuregui, 1948 12 1. Imagina que un estudiante de Español como Lengua Extranjera te pregunta: “¿Qué es la Poesía Visual Española? ” ¿Qué le responderías? Una forma de expresión - Cuando escribimos, dibujamos nuestros pensamientos con palabras. Con lo que llamamos Poesía Visual pasa lo mismo, concretamos nuestros pensamientos mediante otros códigos además de las palabras (objetos, colores, olores….) 2. La Poesía Visual se describe como género híbrido, resultado de diferentes escuelas en un espectro continuo entre la literatura y arte plástico. Por ende es científicamente difícil de abarcar, de definir y de categorizar en subgéneros. ¿Cómo ves tú el vínculo entre las diferentes escuelas difuminado en la Poesía Visual? Entiendo le “híbrido” como mestizo. Una libertad absoluta para utilizar cualquier elemento en la composición donde la verdadera fuente esta en la IMAGINACIÓN para 1) encontrar la idea y 2) el mejor código de expresión. No me preocupa teorizar, me atrae exclusivamente hacer, crear y olvidarme luego para empezar de nuevo con la mente limpia. Si hay escuelas, tendencias, etc. supongo-que-en-alguna-de-ellas-encajaré-mejor-que-en-otras-pero-definirlo-es-una- cuestión en la que no quiero participar. 12 Ausgefüllte Unterlagen erhalten am 13.07.2013. Mikel Jáuregui se declara de acuerdo con que sus palabras sean citadas en la tesis, que la entrevista se adjunte como material anexo a la tesis y que se publique la entrevista. 308 Anhang 3. Con respecto a 2 ¿Piensas que hay una especialidad española en la hibridez de este género? ¿Y cómo la describirías? Hay tendencias más materiales partiendo del la transformación de objetos, dibujos, etc, en donde lo plástico juega un papel muy importante y yo diría que arrastran la herencia de Joan Brossa. Por otro lado están los trabajos a partir de signos e iconos, más oscurantistas que los anteriores, propugnando quizás posturas más intelectuales que probablemente lleven también la herencia de Fernando Millán. 4. ¿Has observado algún cambio con respecto a la presencia de la imagen en los últimos años? El cambio que se produce como consecuencia de los avances tecnológicos para fotografiar-y-transformar-las-imágenes-que-nos-llevan-a-traducir- con-mayor- calidad- el pensamiento. 5. ¿Cómo llegaste a crear poemas visuales? Por casualidad. En vez de pintar o escribir, me entretenía haciendo esas “cosas” sin valorarlas adecuadamente. Un día Paco Aliseda me descubrió y me llevó de la mano hacia esta disciplina. 6. En pocas palabras: ¿podrías describir tu poética? Prefiero- que- sean- otros- los- que- la- describan,- al- fin- y- al- cabo- esos- otros- son- los- destinatarios de ella. Anhang 2: Exemplarische Schülerlösungen von Eigenkreationen (poemas visuales) und Interpretationen zu Kapitel 6.2.5.2 e) Im Folgenden wird anhand dreier Beispiele von poemas visuales und deren Interpretationen, die von Schülerinnen und Schüler einer 9. Jahrgangsstufe eines Gymnasiums kreiert bzw. geschrieben wurden, exemplarisch vorgeführt, wie die Gestaltungen eigener poemas ausfallen können (Ergänzung zu Kapitel 6.2.5.2 e)). Die Schülerprodukte sind im Rahmen einer von Waltraud Löchel in Berlin durchgeführten Reihe zum Thema Poesía Visual y el tema „Amor” entstanden. Jedes poema wird von einem interpretatorischen Text begleitet, der von einem Mitschüler bzw. einer Mitschülerinn verfasst wurde (vgl. del Valle Luque et al. 2013, 26f.). Die personenbezogene Daten der Schülerinnen und Schüler wurden anonymisiert. Beispiel 1: “El lado oscuro del amor”, Schülerproduktion. Beispiellösung für die Interpretation von „ El lado oscuro del amor “ : El título del poema es „El lado oscuro del amor” que trata del amor y lo visualiza. El poeta del poema se llama D. El tema de este poema no es solo el amor porque también muestra el otro lado del amor. Se ven dos palabras en diferentes colores. La palabra amor es de color rojo y D. utiliza el color rojo para expresar el lado positivo del amor. La palabra duele representa la sombra de la palabra amor y ésta es gris. El color gris expresa el lado negativo del amor. El título describe la idea del poema porque la palabra ‘oscuro’ es negativa y pesimista. El poema de D. me parece interesante porque el poeta usa diferentes colores para mostrar y subrayar el significado. 310 Anhang Beispiel 2: „Rojo y negro“, Schülerproduktion. Beispiellösung für die Interpretation von „Rojo y negro“: El poema rojo y negro de M. es un poema visual que trata del amor. Se ve un corazón que consiste de palabras rojas y negras que podrían simbolizar los aspectos positivos y negativos del amor. Esto es muy probable porque hay palabras negativas como dolor o problemas y palabras positivas como feliz y corazón. En la parte exterior hay tres veces la palabra amor en rojo y dos veces en negro. El autor quizás quiere expresar de esta manera que el amor tiene más aspectos positivos que aspectos negativos. En conclusión, este poema tiene en cuenta la parte triste del amor, pero paralelamente acentúa los aspectos positivos. Beispiel 3: „¡El final de una historia de amor es un comienzo de algo nuevo! ”, Schülerproduktion. Beispiellösung für die Interpretation von „¡El final de una historia de amor es un comienzo de algo nuevo! ”: La autora del poema es C. El poema tiene el título „¡El-final-de-una-historia-de-amor-es-un-comienzo-de-algo-nuevo! ”-El-tema-principal- es-el-amor.-El-poema-nos-muestra-cuatro-flores.-Las-semillas-tienen-la-forma-de-un- corazón-rosa.-Al-principio-la-planta-crece-y-florece,-entonces-se-puede-ver-una-flor- abierta.-La-última-fase-es-la-flor-marchita.-Cuando-no-hay-ninguna-flor-queda-la- semilla.-Las-flores-nos-muestran-como-puede-ser-el-proceso-de-amor.-Al-principio- hay-la-floración-del-amor-y-después-se-termina.-Se-supone-que-la-semilla-significa- un nuevo comienzo, lo que el título del poema también dice. Anhang 2: Exemplarische Schülerlösungen 311 Die vorliegende Studie lotet das didaktische Potenzial der Poesía Visual für einen gegenstands- und kompetenzorientierten Spanischunterricht aus. Die spezifische formale und inhaltliche Beschaffenheit des Gegenstands wird als Ausgangspunkt genommen und literaturwissenschaftlich und -historisch untersucht. Von den Spezifika ausgehend wird aus fremdsprachendidaktischer Perspektive danach gefragt, welche Kompetenzen ausgebildet und gefördert werden können. Die daraus resultierenden Kompetenzbereiche werden definiert und anhand von Unterrichtsbeispielen mit poemas visuales illustriert. Romanistische Fremdsprachenforschung und Unterrichtsentwicklung 10 RFU 10 Romanistische Fremdsprachenforschung und Unterrichtsentwicklung 10 ISBN 978-3-8233-8170-9 del Valle Poesía Visual im Spanischunterricht Victoria del Valle Poesía Visual im Spanischunterricht Von der literaturwissenschaftlichen Analyse zur gegenstands- und kompetenzorientierten Didaktik