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Geschichte des Fremdsprachenstudiums in der Romania

2020
978-3-8233-9251-4
Gunter Narr Verlag 
Lidia Becker
Julia Kuhn
Christina Ossenkop
Anja Overbeck
Claudia Polzin-Haumann
Elton Prifti

Die Beiträge des XXXI. Romanistischen Kolloquiums beleuchten verschiedene Aspekte der Geschichte des Fremdsprachenstudiums in den romanischen Ländern. Neben den auf einzelne romanische Länder fokussierten Darstellungen allgemeinen Charakters zur Geschichte des Fremdsprachenstudiums enthält der Band auch eine Reihe von Beiträgen, in denen Einzelaspekte des Fremdsprachenstudiums in den romanischen Ländern aus einem historischen Blickwinkel untersucht werden. Am Rande wird auch der Geschichte des Studiums der romanischen Sprachen im deutschsprachigen Raum sowie der Fremdsprachendidaktik in der Romania Beachtung geschenkt, wodurch das Gesamtbild vervollständigt wird.

TBL Tübinger Beiträge zur Linguistik Geschichte des Fremdsprachenstudiums in der Romania Romanistisches Kolloquium XXXI Lidia Becker / Julia Kuhn / Christina Ossenkop / Anja Overbeck / Claudia Polzin-Haumann / Elton Pri i (Hrsg.) Tübinger Beiträge zur Linguistik herausgegeben von Gunter Narr 569 Lidia Becker / Julia Kuhn / Christina Ossenkop-/ Anja Overbeck / Claudia Polzin-Haumann / Elton Prifti (Hrsg.) Geschichte des Fremdsprachenstudiums in der Romania Romanistisches Kolloquium XXXI Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http: / / dnb.dnb.de abrufbar. © 2020 · Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG Dischingerweg 5 · D-72070 Tübingen Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Internet: www.narr.de eMail: info@narr.de CPI books GmbH, Leck ISSN 0564-7959 ISBN 978-3-8233-8251-5 (Print) ISBN 978-3-8233-9251-4 (ePDF) ISBN 978-3-8233-0226-1 (ePub) www.fsc.org MIX Papier aus verantwortungsvollen Quellen FSC ® C083411 ® Inhalt Vorwort: Geschichte des Fremdsprachenstudiums in der Romania ................. 7 Lukas Eibensteiner Geschichte der frühen Französisch-„Lehrwerke“ in Spanien: Eine Analyse des 16., 17. und 18. Jahrhunderts ................................................... 13 Raúl Sánchez Prieto El estudio universitario del Alemán como Lengua Extranjera en España: perspectiva histórica y análisis de planes de estudios ....................................... 35 Esme Winter-Froemel „Por esto dicen que más ven cuatro ojos que dos“: Valdés’ Diálogo de la lengua (1535) aus der Perspektive moderner Ansätze der Fremdsprachendidaktik verwandter Sprachen ................................................................................ 59 Johannes Kramer Französisch für Mädchen 1587: La Guirlande des jeunes filles von Gabriel Meurier ......................................................................................................................... 95 Daniel Reimann Geschichte des Fremdsprachenunterrichts und der Fremdsprachenforschung in der Romania - eine Annäherung am Beispiel Italiens ............ 119 Massimo Vedovelli Verso una storia dell'insegnamento dell'italiano L2: maestri di lingua, materiali didattici, istituzioni ................................................................................. 165 Maria Selig Fremde Sprachen/ Fremdsprachen und die Romanistik des 19. Jahrhunderts .... 193 Alexander M. Teixeira Kalkhoff Die Romanische Philologie und die Herausbildung des Neuphilologen als neuer Typus des Fremdsprachenlehrers im 19. Jahrhundert in Deutschland .......................................................................................................... 211 Johanna Wolf Zurück zu den Anfängen? Was historische Perspektiven auf die Debatten um die Grammatikvermittlung der modernen Fremdsprachen für den aktuellen Dialog zwischen Forschung und Praxis lehren könnten .............. 227 6 Inhalt Nadine Rentel Die didaktische Konzeption deutschsprachiger Italienischlehrwerke von 1924 bis zur Gegenwart .................................................................................. 249 Sylvia Thiele Les mots voyagent autant que les hommes ‒ Potentiale der Mehrsprachigkeitsdidaktik in dia- und synchroner Perspektive .................. 265 Vorwort: Geschichte des Fremdsprachenstudiums in der Romania Facettenreich und vielschichtig ist die Geschichte des Fremdsprachenunterrichts in allen Alters- und Ausbildungsstufen. Die Romania stellt dabei ein besonders reizvolles Untersuchungsfeld dar. Zu nennen ist hier beispielsweise die allmähliche Umgestaltung des Fächerkanons, vom Rückgang der klassischen Sprachen, vor allem des Griechischen und des Lateins, bis hin zur zunehmenden Auffächerung des Spektrums der modernen Fremdsprachen und zur Kombination des Fremdsprachenstudiums mit nicht-philologischen Studienfächern. Man denke auch an das Spannungsverhältnis zwischen Sprache und Literatur, an das persönliche Profil und die Tätigkeitsbereiche der Lehrpersonen sowie an das Studium der modernen Fremdsprachen im europäischen Vergleich. Im Mittelpunkt des vorliegenden Bandes, der die Beiträge des XXXI. Romanistischen Kolloquiums vereint, das im Jahr 2016 an der Universität Mannheim stattgefunden hat, stehen Einzelaspekte der Entwicklung des Fremdsprachenstudiums in der Romania. Ergänzend wird dabei ferner auch dem Studium der romanischen Sprachen im deutschsprachigen Raum Beachtung geschenkt. Die ersten drei Beiträge des Bandes beziehen sich auf Spanien. Im Zentrum des Aufsatzes von Lukas Eibensteiner stehen Grundzüge der Entwicklung des Fremdsprachenstudiums in Spanien mit besonderer Berücksichtigung von Nebrijas Gramática castellana und von Wilhelm Viëtors Pamphlet Der Sprachunterricht muss umkehren! Nach einem allgemeinen Überblick über die Institutionen, in denen Fremdsprachen gelehrt wurden, wird das Studium bzw. das Lernen des Französischen näher beleuchtet. Dabei finden Grammatiken, Wörterbücher, Konversationslehrbücher und verwandte Textsorten Beachtung, die bis ins 19. Jahrhundert für die Vermittlung der französischen Sprache verwendet wurden. Die Entwicklung des Studiums von Deutsch als Fremdsprache in spanischen Hochschulen von den Anfängen bis heute ist Gegenstand des Beitrags von Raúl Sánchez Prieto. Auf der Grundlage von gesellschaftspolitischen und sozialpädagogischen Aspekten unterscheidet er dabei fünf Phasen. Die erste Phase umfasst die Jahre vor der Gründung der spanischen Germanistik im Jahre 1952, in denen dem Deutschen an den spanischen Universitäten kaum Beachtung geschenkt wurde. Die zweite Phase (1952-1973) ist durch die Gründung und Konsolidierung der Germanistik an den Universitäten von Salamanca, Madrid sowie später in Barcelona gekennzeichnet. Der Zeitraum, der sich vom Erscheinen der Stu- 8 Vorwort: Geschichte des Fremdsprachenstudiums in der Romania dienpläne im Jahr 1973 bis zur Anpassung des Hochschulreformgesetzes an die Studienpläne im Jahr 1993 erstreckt, macht die dritte Phase aus, die durch die Steigerung der Anzahl der Germanistik-Studierenden sowie der Universitäten, an denen man Germanistik studieren konnte, gekennzeichnet ist. Die vierte Phase (1993-2010) wird von der Krise des Faches geprägt. Die fünfte Phase (seit 2010) wird durch die Neuorganisation der Germanistik an den meisten spanischen Universitäten charakterisiert. Der Beitrag von Esme Winter-Froemel setzt sich zum Ziel, Juan de Valdés’ Diálogo de la lengua (1535) im Hinblick auf die Perspektiven zu betrachten, die auf das Erlernen verwandter Sprachen - konkret des Spanischen und Italienischen - eingenommen werden. Ergänzend werden weitere Autoren, insbesondere Antonio de Nebrija, herangezogen. Es wird gezeigt, dass der Diálogo , auch wenn er wirkungsgeschichtlich und von seiner Zielsetzung her nicht im Sinne einer Grundlegung kontrastiver fremdsprachendidaktischer Ansätze verstanden werden kann, dennoch Impulse für die Diskussion auf diesem Gebiet geben kann. Untersucht wird ferner, wie die Vergleiche zwischen den Sprachen motiviert und im Text realisiert werden und wie Konvergenzen und Divergenzen zwischen den Sprachen im Hinblick auf den Fremdsprachenerwerb zu bewerten sind. Ausgehend davon wird eine Brücke zu aktuellen fremdsprachendidaktischen Ansätzen geschlagen, die nach einer Phase der dezidierten Zurückweisung kontrastiver Perspektiven nun gezielt wieder Kenntnisse in der Muttersprache der Lernenden sowie ggf. weiterer erlernter Fremdsprachen einbeziehen. Abschließend wird erörtert, inwiefern sich aus den untersuchten Werken des 16. Jahrhunderts hilfreiche Perspektiven für das Studium der Romanistik im deutschsprachigen Raum in der heutigen Zeit ergeben können. Das 16. Jahrhundert ist in Europa eine erste Blütezeit der Sprachlehrbücher aller Art. Besonders dort, wo Französisch, Niederländisch und Deutsch aufeinandertrafen, gab es ein großes Interesse an solchen Sprachlehrwerken. Eine große Produktion von Lehrwerken war auch in Antwerpen zu verzeichnen, einer damals zweisprachigen Stadt, in der die Weltsprache Französisch ein höheres Prestige als das regionale Flämische genoss und eine Bedingung für den sozialen Aufstieg darstellte. Im Mittelpunkt des Beitrags von Johannes Kramer steht das 1597 in Antwerpen entstandene und publizierte dialogische Lehrbuch des Französischen für Mädchen, La guirlande des ieunes filles, en françois & flamen , mit dem niederländischen Untertitel Het Cransken der jonghe Dochters-/ in Fransoys ende Duytsch von Gabriel Meurier. Im Werk wird der Schulalltag einer aus 48 jeunes filles an der Schwelle zum Erwachsenenalter bestehenden Gruppe dargestellt. Es folgen zwei Beiträge mit Bezug zu Italien. Der erste stammt von Daniel Reimann und versteht sich als eine Sondierung zur Geschichte des Fremdspra- Vorwort: Geschichte des Fremdsprachenstudiums in der Romania 9 chenunterrichts und der Fremdsprachenforschung in der Romania aus deutschsprachiger Perspektive. Einleitend wird der Forschungsstand zur Geschichte des Fremdsprachenunterrichts und der Fremdsprachendidaktik in der Romania aus allgemeiner Perspektive betrachtet, wobei eine systematische Einteilung des Forschungsstands im deutschsprachigen Raum, in der Romania außerhalb Italiens und in Italien vorgenommen wird. Es folgen methodische Überlegungen sowie ein Überblick über die Geschichte des Fremdsprachenunterrichts und der Fremdsprachendidaktik in Italien von den Anfängen bis zur Gegenwart. Abschließend werden Forschungsperspektiven und -desiderata aufgezeigt. Massimo Vedovelli stellt drei zentrale Themen aus der Geschichte der Vermittlung des Italienischen als Fremdsprache in den Mittelpunkt seines Beitrags. Dabei geht es um die Personen und das Handeln der Sprachlehrer, denen vielfach innovative Vorschläge zu verdanken waren, sowie die Distanz zwischen dem in den Lehrmaterialien des 17. und 18. Jahrhunderts dargestellten gesprochenen Italienischen und seinem tatsächlichen Sprachgebrauch auf der Halbinsel. Abschließend wird die Rolle thematisiert, die die Einrichtung des ersten Lehrstuhls für Italienisch an einer Universität der Halbinsel spielte, die 1588 in Siena stattfand und als ein Akt institutioneller Sprachpolitik des Italienischen für Ausländer zu verstehen ist. Der Autor illustriert seine Ausführungen anhand einiger Beispiele aus Lehrwerken des 17. und 18. Jahrhunderts. Die weiteren Beiträge des Sammelbandes sind auf das Studium der romanischen Sprachen im deutschsprachigen Raum fokussiert. Nicht alle Facetten der Vorgeschichte der Romanistik entsprechen dem heroischen Bild, das man gerne mit der Entstehung neuer wissenschaftlicher Disziplinen verknüpft. Der Unterricht in romanischen Sprachen hatte bereits vor dem 19. Jahrhundert eine längere Tradition an den deutschen Universitäten, allerdings im extracurricularen Bereich. Die Gründungsphase der Romanistik, die Zeit, in der Friedrich Diez auch die lateinisch-romanische Sprachgeschichte als Gegenstand sprachwissenschaftlicher Forschung etablierte, scheint dagegen wenig bis kein Interesse an den romanischen Sprachen als Kommunikationsinstrumenten im internationalen Austausch gehabt zu haben. Dennoch ist der Gedanke der ‚Fremdheit‘ der romanischen Sprachen in der sprachwissenschaftlichen Diskussion dieser Jahrzehnte präsent. Er fügt sich ein in ein nur unscharf abgegrenztes Alteritätsparadigma, das die kulturelle und sprachliche Vielfalt zum Forschungsgegenstand der sich neu formierenden Philologien macht. Maria Selig geht in ihrem Beitrag dem Gedanken nach, welche Rolle den romanischen Sprachen in diesen Diskussionen um die zeitlich und räumlich begründete Alterität zukommt. Sie folgt der Hypothese, dass gerade der Bezug auf die romanischsprachigen Kulturen die Spannung zwischen einer genealogisch-identitären und einer räumlich-differentiellen Lesart des Alteritäts- 10 Vorwort: Geschichte des Fremdsprachenstudiums in der Romania gedankens sichtbar werden lässt, eine Spannung, die auch heute noch in den didaktischen Diskussionen um den Fremdsprachenunterricht spürbar bleibt. Gegenstand des Beitrags von Alexander M. Teixeira Kalkhoff ist der Prozess der Institutionalisierung des Fachs Romanische Philologie an den deutschen Universitäten, der etwa zwischen 1820 und 1890 stattfand. Dabei haben funktionelle Bezüge zur Französischlehrerausbildung für die höheren Bürgerschulen eine entscheidende Rolle gespielt. Insofern besteht ein Zusammenhang zwischen der Bildungssymbolik des schulischen Französischunterrichts, dem universitären Ausbildungskanon und dem Selbstverständnis des sich neu herausbildenden Berufsstandes des Neuphilologen. Die auch historisch offenkundige Inkompatibilität zwischen universitärer Ausbildung und schulischem Französischunterricht wird im Geschichtsnarrativ eines sich herausbildenden neuphilologischen Selbstverständnisses aufgelöst. Johanna Wolf unternimmt in ihrem Beitrag eine Revision der tradierten Diskurse im Lichte neuerer Erkenntnisse aus der (Fremd)Spracherwerbsforschung, die ab Mitte des 19. Jahrhunderts innerhalb der Fremdsprachendidaktik z.B. mit Blick auf den Stellenwert der Lektüre und die Methodik des Grammatikunterrichts entstanden sind. Durch eine kritische Analyse des Ist-Zustandes werden Potenziale aufgezeigt, die zu einer Verbesserung der Lehr-/ Lernformate im Fremdsprachenunterricht der romanischen Sprachen führen können. Zudem wird für einen neu geführten Dialog zwischen Fremdsprachenerwerbs- und Fremdsprachenunterrichtsforschung plädiert, damit Forschungsergebnisse besser rezipiert werden und die Bedürfnisse der schulischen Unterrichtsrealität stärkere Beachtung finden. Paradigmenwechsel bei den didaktischen Ansätzen spiegeln sich in den Lehrwerken wider. Im Beitrag von Nadine Rentel werden sechs ausgewählte Italienisch-Lehrwerke aus dem Zeitraum von 1924 bis 2014, die sich überwiegend an deutschsprachige Lernende richten, hinsichtlich ihrer Konzeption und ihres Aufbaus miteinander verglichen. Im Zentrum der Analyse stehen dabei jeweils die Vorworte, die erste Lektion sowie die Klappentexte. Methodische Konzepte zur Ausbildung mehrsprachiger Lernender lassen sich in Europa über Jahrhunderte hinweg ausmachen. Struktur und Motivation der Zielgruppen variieren in diachroner Perspektive, die spezifischen, gewissermaßen handwerklichen methodischen Vorgehensweisen weisen jedoch markante Ähnlichkeiten und Berührungspunkte auf. Der Beitrag von Sylvia Thiele, der den Band abschließt, beleuchtet diese Perspektive näher, wobei die sprachvernetzende Unterrichtsmethodik den roten Faden darstellt. Ferner wird auf Fremdsprachenlernende der Gegenwart Bezug genommen, die migrationsbedingt mehrsprachig sind. Vorwort: Geschichte des Fremdsprachenstudiums in der Romania 11 Die Herausgeberinnen und Herausgeber danken den Beiträgerinnen und Beiträgern des Bandes, Frau Kathrin Heyng vom Narr Verlag für die Betreuung dieser Publikation sowie Clara Comas Valls und Imane Sghiouar für ihren Einsatz bei der Druckvorbereitung der Beiträge. Lidia Becker Julia Kuhn Christina Ossenkop Anja Overbeck Claudia Polzin-Haumann Elton Prifti Geschichte der frühen Französisch-„Lehrwerke“ in Spanien Eine Analyse des 16., 17. und 18. Jahrhunderts Lukas Eibensteiner (Mannheim) 1 Einleitung Die Frage nach der richtigen Methode stellt sich seit den Anfangsstunden des Unterrichts der modernen Fremdsprachen im 16. Jahrhundert. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts kommt es zu einem Höhepunkt dieser Debatte, was sich beispielsweise anhand der reformpädagogischen Bewegung, der Gründung der Berlitz-Schulen oder des Pamphlets von Wilhelm Viëtor äußert. Diese drei Aspekte haben allesamt eines gemeinsam: Sie wenden sich gegen die neuhumanistische Abwertung des Anwendbaren bzw. die damals vorherrschende Grammatik-Übersetzungsmethode (Decke-Cornill/ Küster 2014, 65). Die Diskussion wird im 20. Jahrhundert fortgeführt, bis man gegen Ende des letzten Jahrhunderts zu der Einsicht gekommen ist, dass es nicht eine , sondern eine Vielzahl an richtigen Methoden gibt (Decke-Cornill/ Küster 2014, 78), weshalb man die aktuelle fremdsprachendidaktische Diskussion als eine „post-Methoden-Ära“ (Brown 2007, 40) charakterisieren könnte. Im vorliegenden Beitrag soll allerdings nicht die Intensivierung der didaktisch-methodischen Diskussion ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts betrachtet werden. Es wird vielmehr ein Einblick in die Anfänge dieser Entwicklung im 16., 17. und 18. Jahrhundert gegeben. Nach einem allgemeinen Überblick über die Lehrmethoden jener Zeit werden die in Spanien publizierten Französisch-Grammatiken im Hinblick auf folgende Fragestellungen analysiert: Welche didaktisch-methodischen Überlegungen liegen den Französisch-Grammatiken zugrunde? Inwiefern werden diese explizit geäußert? Kann eine systematische Entwicklung zwischen dem 16. und 18. Jahrhundert festgestellt werden? Zur Beantwortung dieser Fragen werden sieben Französisch-Grammatiken exemplarisch ausgewählt und im Hinblick auf didaktisch-methodische Aspekte analysiert, wobei ein besonderes Augenmerk 14 Lukas Eibensteiner auf den Titelblättern, den Inhaltsverzeichnissen und den Vorworten der Werke liegt. Die ersten beiden Punkte geben einen allgemeinen Überblick über den Aufbau. Die Prologe ermöglichen einen Einblick in die Gedanken der Autoren, da sie in diesen einführenden Worten an den Leser des Öfteren darauf eingehen, wie die Grammatik zu verwenden sei und dabei auch didaktisch-methodische Ratschläge geben. 2 Lehrmethoden des 16., 17. und 18. Jahrhunderts Schon in den frühen Phasen des Unterrichts der modernen Sprachen können zwei allgemeine Richtungen unterschieden werden, die sich in den nachfolgenden Jahrhunderten weiterentwickeln und spezifizieren. Auf der einen Seite gab es einen deduktiven Ansatz, der in der Literatur meist als reguläre Methode (Suso López 2009, 104) oder als theoretisch-traditionelle Methode (Fernández Fraile 1995, 163) bezeichnet wird. In diesem Beitrag wird der Terminus grammatisch-traditionell bevorzugt, da er sowohl den grammatikalischen als auch den traditionellen Charakter der entsprechenden Methode betont. Dieser Ansatz orientierte sich am Unterricht des Lateinischen und setzte sowohl die Sprachbeherrschung der klassischen Sprache als auch die Kenntnis der grammatikalischen Kategorien voraus (Reinfried 2014, 259). Der Unterricht begann mit der Erklärung des Lehrers eines grammatikalischen Phänomens, welches mithilfe von Beispielsätzen veranschaulicht wurde. Dieses musste anschließend von den Lernenden auswendig gelernt und mündlich vorgetragen werden. Durch die grammatikalische Analyse bzw. wörtliche Übersetzung eines meist literarischen, klassischen Textes sollte das Sprachwissen angewandt und überprüft werden. Erst im letzten Schritt wurden die Texte frei übersetzt und stilistische Aspekte traten in den Vordergrund (Fernández Fraile 1995, 163). Laut Reinfried (2014, 260) wurde diese Methode vor allem in universitären Kontexten, aber auch in ergänzenden Kursen an Sekundarschulen angewandt. Auf der anderen Seite findet sich eine nicht-grammatikalische, praktische Tradition (Sanchez Pérez 1992, 11 ff), deren Verfechter die These vertreten, Sprachlernen solle sich an den natürlichen Prozessen des kindlichen L1-Erwerbs orientieren. So schreibt beispielsweise Johann Amos Comenius, dass [t]odas las lenguas son más fáciles de aprender mediante la práctica que a fuerza de reglas, es decir, escuchando, leyendo, volviendo a leer lo oído, copiando, imitando con la mano y con la lengua y haciendo todo eso tan frecuentemente como sea posible (Comenius 1648, Prolog; zit. n. Sanchez Pérez 1992, 137). Vertreter dieses Ansatzes argumentieren gegen ein Sprachlernen mithilfe von Regeln und bevorzugen als Hilfsmittel Lernmaterialen, die sich am authenti- Geschichte der frühen Französisch-„Lehrwerke“ in Spanien 15 schen Sprachgebrauch orientieren (Sanchez Pérez 1992, 23). Sprachlernen darf man sich in diesem Kontext als ein Memorieren von Thesauren, Gesprächs- und Wörterbüchern sowie alltäglichen Dialogen vorstellen. Eines der wohl bekanntesten Gesprächsbücher ist das Colloquia et dictionariolum (1536) von Noël de Berlaimont, das aus alltäglichen Gesprächen und einem kurzen alphabetischen Wörterbuch besteht. Zwischen 1536 und 1703 erscheinen etwa 100 Ausgaben (Hüllen 2005, 56), was den enormen Erfolg und Einfluss des Werkes belegt. Der praktische Ansatz richtete sich primär an Personen, die im direkten Umfeld mit der Zielsprache standen (Adelige, Reisende, Pilger, Kaufleute etc.) und daher sprachliche (Grund-)kenntnisse aufbauen wollten. Des Weiteren war es Lernenden dieser Gruppe meist nicht möglich, sich einen Sprachlehrer zu leisten, weshalb sie sich Sprachkenntnisse autodidaktisch beibringen mussten (Suso López 2009, 102). Der Ausdruck nicht-grammatikalisch (Sanchez Pérez 1992, 11 ff) ist allerdings irreführend, da es vor allem im 16. Jahrhundert eine regelrechte Tradition praktischer Grammatiken gab. An dieser Stelle ist Gabriel Meurier, ein Fremdsprachenlehrer und Autor aus Antwerpen, zu nennen, dessen Coniugaisons, règles et instructions (1558) großen Einfluss auf andere Werke unter anderem auf die erste in Spanien publizierte Französisch-Grammatik hatte. 3 Didaktisch-methodische Ansätze in den frühen in Spanien publizierten Französisch-Grammatiken 3.1 Das 16. Jahrhundert: Sotomayors praktische Grammatik 1565 erscheint die erste Grammatik für das Lernen des Französischen in Spanien, die Grammatica con reglas mvy prouechosas y necesarias para aprender a leer y escriur la lengua Francesa . Über das Leben des Autors, Baltasar Sotomayor, weiß man relativ wenig. Er ist vermutlich in Toledo geboren und lehrte Französisch am madrilenischen Hof (Gaspar Galán/ Corcuera Manso 2015, XXIIIff). Seine Grammatik ist insofern von großer Bedeutung, als sie die erste ihrer Art ist und dies auch bis ins Jahre 1635 bleibt. Dieses frühe Auftreten ist möglicherweise auf die Heirat von Felipe II und Isabel de Valois zurückzuführen. Sie führte zu einem Anstieg der französisch-sprechenden Personen am madrilenischen Hof und dürfte die Rentabilität einer entsprechenden Grammatik erhöht haben (Gaspar Galán/ Corcuera Manso 2015, XXXI). Sotomayors Grammatik steht in der Tradition der Coniugaisons, règles et instructions von Gabriel Meurier (1558). Sie besteht im Wesentlichen aus einer Präsentation der französischen Verbalkonjugationen, die durch eine tabellarische Darstellung auf Französisch und Spanisch mithilfe eines auf Donatus zurückgehenden Frage-Antwort-Spiels in diversen Tempora und Modi dargestellt 16 Lukas Eibensteiner werden. In Abbildung 1 beispielsweise soll der Lernende durch die Kontextualisierung mithilfe der Fragen und Antworten die Funktion des passé composé erschließen. Im zweiten Teil des Buches wird auf die französische und spanische Aussprache und Morphologie eingegangen (Gaspar Galán/ Corcuera Manso 2015, LIVff ). Abb. 1: Frage- und Antwortspiel (Sotomayor 1565: 17; neu herausgegeben von Gaspar Galán/ Corcuera Manso 2015) Die Herausgeber Robles de Alcalá und Francisco de Cormellas publizierten die Grammatik nicht als eigenständiges Werk, sondern gemeinsam mit einem Wörterbuch von Jacques de Liaño (fr. Jacques Ledel). Dieses Vocabulario de los vocablos von de Liaño steht in sehr engem Zusammenhang mit dem Colloquia et dictionariolum von Noël de Berlaimont (García Bascuñana 2016a) und betont einmal mehr den praktischen Charakter des Buches. Lépinette (1996, 150) bezeichnet Sotomayors Werk als eine „grammaire aide-mémoire“, bei der weniger die Refl exion über Sprache an sich als die Anwendung derselben, eingebettet in authentische Kontexte, im Mittelpunkt steht. Folglich verfolgt Sotomayor (1565, 7) das Ziel, seinen Schülern Kenntnisse in allen vier Sprachfertigkeiten beizubringen: „Enesta obra curioso lector, se te representa un breue arte y traça, conla qual puedes entender, leer, y escreuir, y hablar la lengua francesa“. Auch wenn die praktische Ausrichtung der Grammatik positiv hervorzuheben ist, muss festgehalten werden, dass es an einer klaren Struktur fehlt und sie daher für das Lernen des Französischen vermutlich nicht wirklich nützlich war Geschichte der frühen Französisch-„Lehrwerke“ in Spanien 17 (Lépinette 1996, 152). Nichtsdestoweniger gibt Sotomayor eine Richtung vor, die sich an der kommunikativen und praktischen Anwendung orientiert. Diese Tendenz wird sich allerdings in Spanien vorerst nicht durchsetzen können, (Sanchez Pérez 1992, 38). 3.2 Das 17. Jahrhundert: Erste Französisch-Grammatiken nach traditionellem Vorbild Diego de Cisneros, der auch unter seinem Ordensnamen Diego de la Encarnación bekannt ist, lebte mehrere Jahre im Karmeliterkloster in Douai und war ebenso Professor für Theologie an der Universität (Suárez Gómez 2008, 99 f). Die hohe Präsenz spanischer Beamter und Kaufleute in Douai, das zu jener Zeit Teil der spanischen Krone war, dürfte Cisneros zur Publikation der Grammatica Francessa en Hespañol (1624), die von einer spanischen Grammatik begleitet wurde (García Bascuñana 2016b), bewegt haben. Die französische Grammatik wird 1635 mit dem Titel Arte de grammatica francesa en español in Madrid neu editiert und folgt anders als jene von Sotomayor einem klassischen dreigliedrigen Aufbau: Orthographie und Aussprache, Morphologie und Syntax. Im einleitenden Teil finden sich keine Hinweise auf didaktisch-methodische Überlegungen seitens des Autors und auch keine Anmerkungen in Bezug auf die praktische Anwendung bzw. kommunikative Einbettung der gelernten Regeln. Dies ist nicht weiter verwunderlich, wenn man bedenkt, dass Cisneros selbst kein Sprachlehrer war. Im Fokus seines Interesses steht daher das Wissen über Sprache an sich und weniger die kommunikative Beherrschung des Französischen: [L]a grammaire du moine espagnol veut s’appuyer sur le raisonnement et non sur la pure mémorisation d’éléments linguistiques. […]. L’ouvrage de D. de la Encarnación est donc une grammaire de langue étrangère qui veut favoriser la formation grammaticale de l’apprenant plutôt que l’assimilation de données sur la langue cible. (Lépinette 1996, 156) Die nächste Grammatik erscheint etwa vierzig Jahre später. Ihr Autor, Pedro Pablo Billet, gebürtiger Pariser, unterrichtete Adelige, Geschäftsmänner und Interessierte im Umkreis des Madrider Hofes (Fischer 1996, 213). 1673 verfasst er eine erste Fassung seiner Grammatik, welche bis 1815 sieben Neuauflagen erfährt (Supiot 1996). Seiner Viertauflage aus dem Jahre 1688 ist nach den traditionellen Kapiteln zur Aussprache, Morphologie und Syntax noch eine arte poética sowie eine dissertacion critica, sobre una cartilla von Juan Pedro Jaron 1 1 Juan Pedro Jarón war ebenfalls Französischlehrer in Madrid und Autor der Arte nuevamente compuesto de la Lengua Francesa por la Española (1688). 18 Lukas Eibensteiner angefügt. Im zweiten Teil befindet sich ein ca. 110-seitiges, alphabetisch geordnetes paralelo de la eloquencia , welches spanische und französische Lexeme sowie Redewendungen beinhaltet. Billets Buch wird anders als jenes von Cisneros ein Referenzwerk für zukünftige Französisch-Grammatiken in Spanien sein. 3.3 Das 18. Jahrhundert: Über die Transformation der Französisch- Grammatiken in Französisch-„Lehrwerke“ 3.3.1 Das Real Seminario de Nobles: José Núñez de Prado und Antonio Galmace Im 18. Jahrhundert nimmt die Anzahl der Französisch-Grammatiken stark zu. Supiot (1996) zählt allein zwischen 1700 und 1799 25 Neuerscheinungen. Die Erklärungen dafür sind vielfältig: Einerseits zeigt sich eine immer stärker werdende affirmative Haltung bezüglich der Nationalsprachen in ganz Europa (Hüllen 2005, 28), andererseits übernehmen die Bourbonen die Macht in Spanien, was vor allem in Madrid zu einer steigenden Anzahl französischer Migranten führt (Bruña Cuevas 2016). Des Weiteren erhält das Französische im 18. Jahrhundert den Status einer langue universelle und alle, die am Zeitgeist der Aufklärung teilhaben wollten, mussten die Sprache lernen. Der rationale Geist der Aufklärung dürfte ebenfalls dazu beigetragen haben, Traditionen — auch im Hinblick auf den Fremdsprachenunterricht — kritisch zu betrachten und zu diskutieren (Sanchez Pérez 1992, 143). Im 18. Jahrhundert (1725) wird außerdem das Real Seminario de Nobles von Madrid gegründet, in welchem Französischunterricht für Kinder bzw. Jugendliche im Alter von acht bis fünfzehn Jahren verpflichtend war (Soubeyroux 1995, 208). Obwohl Zielgruppe und institutionelle Rahmenbedingungen klar vorgegeben sind, finden sich in der eigens für diese Institution geschriebenen Grammatik, die Grammatica de la Lengua Francesa dispuesta para el uso del Real Seminario de Nobles (1728) 2 von dem Jesuiten Joseph Núñez de Prado (1666- 1743) kaum didaktisch-methodischen Reflexionen oder Anweisungen. Jedoch kann man durch die Analyse der Gliederung des Werkes einen Einblick in sein didaktisches Denken erlangen: [E]n la primera [parte], pongo las reglas para pronunciar, y escribir exacta, y perfectamente en Francès; en la segunda, las partes de la Oracion , consecutivas, por el orden que suelen ponerse en la Grammatica Latina; en la tercera, explico el uso de ellas, con exemplos que pongan à la vista su practica, à que añado un Indice Alphabetico de ciertas expresiones de la Lengua Francesa, que sirven de unir las frases, y cuya construccion no corresponde à la Castellana (Nuñez de Prado 1728: al lector; Hervorhebung L.E.). 2 Supiot (1996) zählt zehn Auflagen bis 1798. Geschichte der frühen Französisch-„Lehrwerke“ in Spanien 19 In diesem Zitat werden vier Aspekte benannt, die für den grammatisch-traditionellen Ansatz charakteristisch sind: (1) Der erste Teil seines Werkes besteht aus einer Grammatik, die einer klassischen Gliederung (Aussprache, Morphologie und Syntax) folgt. Der zweite Teil enthält ein Verzeichnis mit französischen Ausdrücken. (2) Wie auch in den anderen behandelten Werken fungiert das Spanische, die L1 der Lernenden, als Metasprache. Schon Nebrija verfasst seine Gramática de la lengua castellana (1492, 383) „para aquellos que por la lengua castellana querrán venir al conocimiento de la latina, lo cual pueden más ligera mente hazer, si una vez supieran el artificio sobre la lengua que ellos sienten”. Des Weiteren ging man in rationalistisch geprägten Grammatiken davon aus, dass „die Hauptregeln für alle Sprachen dieselben waren“ ( Jungen/ Lohnstein 2007, 110). Diese Grundstruktur einmal zu verstehen, war ausreichend, um das System Sprache im Allgemeinen zu begreifen und eröffnete dadurch die Möglichkeit, Regeln in der Muttersprache zu formulieren, „die [auch] für eine zu erlernende Sprache Gültigkeit hatten. Fremdsprachenunterricht war also nicht länger durchweg fremdsprachlicher Unterricht“ ( Jungen/ Lohnstein 2007, 110). (3) Dies führt zu einer großen Bedeutsamkeit von Sprachvergleichen des Französischen mit der Muttersprache, aber auch mit anderen Sprachen, vor allem dem Lateinischen. Eine völlige Loslösung vom Lateinischen war ohnehin undenkbar, zumal „[d]ie lateinische Grammatik […] jedem Gebildeten aus dem Lateinunterricht vertraut [war]. Eine Darstellung des Französischen mit den bekannten Begriffen und Klassifikationen erleichterte deshalb das Verständnis“ (Berschin/ Felixberger/ Goebl 2008, 233). Vor allem im Bereich der Syntax werden diese Sprachvergleiche zum Spanischen explizit thematisiert, besonders dann, wenn eine Divergenz zwischen den beiden Sprachen besteht (Lépinette 1996, 163): [Y] advierto que no pondre aqui mas que las construcciones, donde el Francès se aparte del Castellano; porque aquellas en que ambas lenguas convienen, es ocioso expresarsarlas; pues el Castellano, que se pone a hablar Francès, naturalmente se va al orden, y colocacion de su construccion Castellana, luego si essa colocacion, y orden es el mismo que el de la construccion Francesa, guardando el orden, y colocacion del Castella, hablarà bien el Francès (Nuñez de Prado 1728, 144 f). Núñez de Prado führt hier einen Gedanken fort, der sich beispielsweise schon beim spanischen Grammatiker Franciscus Sanctius Brocensis (1523-1600) findet, welcher im Hinblick auf die Syntax zwischen einer semantischen, universalen Tiefenstruktur und einer realisierten, einzelsprachlichen Oberflächenstruktur unterscheidet ( Jungen/ Lohnstein 2007, 119). Sind die Oberflächenstrukturen des Spanischen und des Französischen gleich, ist dies auf die universale Tiefenstruktur zurückzuführen, welche dann problemlos von der Mutterin die 20 Lukas Eibensteiner Zielsprache transferiert werden kann. Schwierigkeiten sind dann zu erwarten, wenn sich die Oberflächenstrukturen unterscheiden: Una de las dificultades de las Lenguas (y no sè diga la mayor) consiste en ciertas expresiones, y modos de unir, y travar las voces, y frasses los quales, […] si el principiante (como es natural) usa à traducirlos palabra por palabra, desfigoraria totalmente el Francès, y harian un lenguage tan barbaro […] (Núñez de Prado 1728, 230). (4) Um einer barbarischen Sprachverwendung (Núñez de Prado 1727, 230) entgegenzuwirken, müssen alle Konstruktionen, die im Französischen und Spanischen differieren, auswendig gelernt werden (Fernández Fraile 1995, 166). Hierzu fügt Núñez de Prado eine Wortliste an, die solche Wörter und Redewendungen aufgreift. Der nächste Autor, Antonio Galmace, ehemaliger Professor für Philosophie und Theologie an der Universität Paris (Suárez Gómez 2008, 123), wandert um 1740 nach Madrid aus, um dort am madrilenischen Hof und im Umkreis des Real Seminario de Nobles als Französischlehrer zu arbeiten (Viémon 2013, 514). Er publiziert seine erste Grammatik, die Adiciones a la Gramatica Francesa […] (1745), als Ergänzung zu Nuñez de Prados Werk. Drei Jahre später veröffentlicht er die LLave nueva, y universal, para aprender con brevedad, y perfección la lengua francesa, sin auxilio de maestro . Zählt man die Auflagen der Adiciones mit jenen der Llave nueva zusammen, so kommt man insgesamt auf zwanzig Neudrucke zwischen 1745 und 1800 (Supiot 1996). Allein diese Zahl weist auf den enormen Erfolg des Werkes hin. Die Llave nueva besteht aus einem Grammatikteil, einer alphabetisch geführten Wortliste „de los modos de hablar mas particulares, y frequentes de la Lengua Francesa“ (Galmace 1745, 213), einer thematisch organisierten Wortschatzliste, einem Dialog und einer Sammlung von Fehlern aus anderen Grammatiken. Auch bei Galmace finden sich keine didaktisch-methodischen Reflexionen im eigentlichen Sinne. Jedoch steht außer Zweifel, dass methodische Überlegungen die Erstellung seines Werkes beeinflusst haben. Auch García Bascuñana (2005, 136) unterstreicht die „importancia de la significación pedagógica y metodológica de Galmace, yendo más allá de la concepción puramente gramatical“, wie sie noch in Núñez de Prados Werk zu finden ist. Diese Tendenz, den mündlichen Sprachgebrauch und die praktische Anwendung in den Mittelpunkt zu rücken, äußert sich in zweierlei Hinsicht: (1) Die Integration eines Dialogs „en [el] que se hallaràn practicadas todas las reglas […] para que sirviendo de exemplo al que desee aprender, halle la solución de qualquiera duda sin mas trabajo, que la lección, y aplicación“ (Galmace 1748, lector 3). Wie der Dialog zu verwenden ist, wird zwar nicht klar beschrieben, dennoch stellt allein die Integration desselben ein Zeichen für die langsame Verknüpfung von grammatikalischem Wissen und Geschichte der frühen Französisch-„Lehrwerke“ in Spanien 21 dessen Anwendung dar und weist somit auf eine beginnende Transformation der Grammatiken in Lehrwerke hin (Lépinette 1996, 159). (2) Eine zweite wesentliche Erneuerung stellt der Versuch dar, die französische Aussprache mithilfe eines selbst erfundenen Transkriptionssystems (Viémon 2013, 515) auch für Autodidakten zugänglich zu machen. Aus diesem Grund verfasst Galmace seine Grammatik in drei Spalten: In der ersten und zweiten gibt er spanische und französische Lexeme wieder; in der dritten wird die Aussprache der französischen Wörter mithilfe des selbst erfundenen Transkriptionssystems dargestellt (siehe Abb. 2): Abb. 2: Dreispaltiges System bei Galmace (1745: 5) Galmaces Einfluss auf die Entwicklung der Französisch-Lehrwerke in Spanien ist mit seinen zwanzig Auflagen immens. Im Unterschied dazu hatten die Grammatiken von Sebastián Roca y María (1750), Paul François Rousseau (1754), Pedro Contaut (1763) und Juan Magín Tallés (1773) mit jeweils einer Auflage (Supiot 1996) nur eine geringe Bedeutung für die Nachwelt. Alle diese Werke haben jedoch eines gemeinsam: Sie beinhalten in unterschiedlichem Ausmaß didaktisch-methodische Reflexionen. 3.3.2 Die Fortsetzung des praktisch-traditionellen Ansatzes: Pedro Contaut Dieses Kapitel geht genauer auf die Grammatik von Pedro Contaut, der Lehrer in Cádiz (Isla de León) und Madrid war (Suárez Gómez 2008, 125), ein. Anhand dieses Werkes, das als charakteristisches Beispiel für die Fortsetzung des schon bei Sotomayor vorhandenem praktisch-traditionellen Ansatzes herangezogen wird, werden die didaktisch-methodischen Überlegungen im Kontext der praktischen Methode exemplarisch dargestellt. Seine Gramatica española, y francesa folgt keiner traditionellen Gliederung. Sie besteht aus einem ersten Teil, in welchem grammatikalische Themen behandelt und Wortlisten — teilweise sogar ganze Sätze — aufgeführt werden (ca. 380 Seiten). Im zweiten Teil fügt der Autor eine „composicion de diversas cartas divertidas“ (Contaut 1763, 385 ff) mit einer Gesamtlänge von ca. 150 Seiten an. Im Kapitel „Del modo que se ha de aprender un idioma“ (Contaut 1763, 304 ff) stellt Contaut folgende Methode dar. Diese besteht aus drei Schritten: 22 Lukas Eibensteiner Para aprender con propiedad, y brevedad un Idioma, se deben observar las tres cosas que se siguen. La primera , es aprender de memoria una multitud de nombres substantivos los mas usuales, con la declinacion de ellos; y juntamente se han de aprender tambien varios adjetivos . La segunda , es aprender un numero crecido de adverbios . Y la tercera es aprender una porcion de verbos con la conjugacion de cada classe de ellos, la qual basta para la inteligencia de los demàs. Poniendo en practica estas tres cosas antes que se empiece á hablar con nadie la Lengua que se desea aprender, ni que se lean sus reglas, presto se alcanzarà el uso de la conversacion de dicha Lengua. Pero al contrario, […] si se estudian en un mismo tiempo los vocablos con sus reglas […] tendrán […] una detencion en el modo de hablar, y el entendimiento de suspenso, lo que sucede ordinariamente à la gente de letras, porque se quieren portar de este modo. Por la misma razón se vè en todas partes, que los que no tienen estudio […] aprenden à veces mas presto que los Sabios un Idioma […], porque se aprende una lenguage mas bien por practica que por theorica (Contaut 1763, 304 ff; Hervorhebungen L.E.). Da ein gleichzeitiges Lernen von Lexik und Grammatik die Fertigkeit im Sprechen verzögere, sollen die Lernenden mit dem Auswendiglernen lexikalischer Einheiten (Substantive und Adjektive vor Adverbien vor Verben) starten, bevor sie sich mit explizitem Regelwissen beschäftigen. Contauts Ansatz ist demnach induktiver Natur, das heißt, dass seine Schüler zuerst die langen Wortlisten auswendig lernen müssen, bevor er auf die Funktionsweise der Grammatik eingeht: „[L]a practica hace la Lengua, y que la theorica la perfecciona“ (Contaut 1763, 305). Er ist damit ein regelrechter Verfechter der Praxis und somit sowohl ein Nachfolger des praktischen Ansatzes von Sotomayor als auch von namhaften Humanisten und Pädagogen wie der eingangs zitierte Johann Amos Comenius. Wie Galmace integriert auch Contaut authentische fremdsprachliche Texte in sein Lehrwerk. Es handelt sich dabei um Briefe, die sich an alltäglichen Situationen orientieren und somit an die Lebenswelt der Lernenden anschließen. Aus diesem Grund verwendet er „voces claras, y de assuntos que diviertan y no lastimen“ (Contaut 1763, al lector). 3.3.3 Der Wegbereiter für das 19. Jahrhundert: Pedro Nicolas Chantreau Man kann die Entwicklung der Französisch-„Lehrwerke“ im 19. Jahrhundert nicht verstehen, „sin evocar la figura de Pierre Nicolas Chantreau o mejor dicho su gramática. […] [H]asta muy avanzado el (sic! ) siglo XIX, la mayoría, por no decir, prácticamente todos los manuales de francés que van apareciendo se sitúan en su órbita“ (García Bascuñana 2008, 79). Fernández Fraile (2016) zählt 31 Neuauflagen seiner Arte de hablar bien francés, ó Gramática completa (1781). Rechnet man hierzu noch jene Werke, die sich auf seine Grammatik berufen oder seine Methode fortführen, wie zum Beispiel jenes von Antonio Bergnes de Geschichte der frühen Französisch-„Lehrwerke“ in Spanien 23 las Casas Novísimo Chantreau o Gramática francesa (1845), das 26-mal neu editiert wird (Fernández Fraile 2016), kommt man auf über hundert Publikationen (Suárez Gómez 2008, 143). Pedro Nicolas Chantreau wird 1741 in Paris geboren und besucht dort die Militärschule, von welcher er allerdings 1767 ausgeschlossen wird, was vermutlich der Auslöser für seine Reise nach Spanien war. Er arbeitet anschließend als Französischlehrer an der Militärakademie von Ávila, wo er etwa fünfzehn Jahre verweilt. Danach kehrt er nach Frankreich zurück, arbeitet zwischenzeitlich für den französischen Geheimdienst und als Geschichtslehrer an der Escuela Central de Auch, bis er 1803 zum Professor für Geschichte an der Escuela Militar de Fontainebleau ernannt wird (Suárez Gómez 2008, 133 ff). Seine Grammatik gliedert sich in vier Teile: (1) Aussprache und Orthographie, (2) Morphologie, (3) Syntax und (4) ein lexikalisch-praktischer Zusatzteil (Chantreau 1786, Titel). Sein Erfolg ist im Wesentlichen auf seine Kenntnisse im Bereich der Linguistik und auf seine langjährige Lehrerfahrung, in welcher er ein pädagogisches Gespür für die Bedürfnisse seiner hispanophonen Schüler entwickelt hat, zurückzuführen (Lépinette 1995, 159). Chantreau verweist in seiner Arte auf zahlreiche Werke, beginnend mit der Grammatik der Real Academia Española über diverse Grammatiken seiner Vorgänger, sowohl spanischer (beispielsweise Núnez de Prado, Galmace oder Contaut) als auch französischer Herkunft (z. B. Wailly, du Marsais, Valart oder Fromant). Seine didaktisch-methodischen Gedanken hat Chantreau (1786, XVIIff) in dem Kapitel „Metodo que el Maestro debe llevar en su enseñanza, y el Discípulo en su estudio“ für die Nachwelt festgehalten. In diesem Abschnitt gibt er dem Leser Anweisungen, wie das Französische gelehrt und gelernt werden soll. An erster Stelle steht das Verständnis der allgemeinen, universalen Prinzipien aller Sprachen, welche man am besten durch die Beschäftigung mit der eigenen Muttersprache lernt: „[P] ara pasar al estudio de una segunda lengua, mucho convendria el estar antes enterado de los principios de la materna“ (Chantreau 1786, III). Eigentlich sei es nicht Aufgabe seiner Grammatik, diese Prinzipien zu lehren, denn la única tarea de una Gramática, escrita para la enseñanza de una segunda lengua, deberia ser el mero Análisis de las diferencias que se encontraren en el idioma materno, y el que se tratáre de aprender; y no la enfadosa explicacion de los elementos comunes á todas las lenguas (Chantreau 1786, IV). Wie in den anderen behandelten Grammatiken nimmt der Sprachvergleich zwischen Ziel- und Muttersprache auch bei Chantreau eine zentrale Rolle ein. Er thematisiert primär jene Strukturen, die sich im Spanischen und Französischen unterscheiden und widmet ihnen sogar ein eigenes Kapitel („Construcciones Castellanas que no admite el francés“; Chantreau 1786, 189), in welchem er 24 Lukas Eibensteiner beispielsweise auf eine Schwierigkeit mit der spanischen Konstruktion estar + gerundio hinweist: Muchas veces en castellano en lugar del tiempo simple, se construye con el gerundio acompañado de estar, como: Está leyendo, en lugar de lee: estaba comiendo, por comia: estuvo hablando por habló, &c. El francés no admite esta construccion, sino la del tiempo simple; y asi es menester traducir: está leyendo il lit , estaba comiendo il mangeait , estuvo hablando il parla (Chantreau 1786, 189; Hervorhebung im Original). Chantreau greift dabei meist nicht auf sein linguistisches Wissen zurück, um diese sprachstrukturellen Unterschiede zu erklären, sondern versucht, diese mithilfe einer Übersetzung darzustellen ( está leyendo — il lit ). Diese Vorgangsweise ist keine Seltenheit in den Französisch-Grammatiken des 18. Jahrhunderts und findet sich auch in anderen der gleichen Art (Fischer Hubert 1999). Im Methodenkapitel gibt Chantreau (1786, XVII-XX) eine klare Anweisung, wie seine Grammatik zu verwenden ist, nämlich in Form eines dreimaligen Studierens, jedes Mal mit einem unterschiedlichen Schwerpunkt. Aus diesem Grund markiert er seine Grammatik mit Sternchen, Kreuzen und Klammern (Chantreau 1786, XVII), um so die von ihm vorgeschlagene grammatikalische Progression zu kennzeichnen: Ello significa que Chantreau tiene organizado ya todo el material lingüístico según un criterio de mayor o menor importancia en cuanto a la pertinencia de su conocimiento, así como una concepción de la progresión que implica un ordenamiento del contenido según el criterio de lo más sencillo hacia lo más complejo (Fernández Fraile 1995, 135). Zu Beginn sollen die Regeln der Aussprache gelernt werden. Sobald diese verstanden sind, se dividirá […] [la] tarea diaria [del estudiante] en tres repasos, dándole a estudiar, 1. una porcion de las voces incluidas en la nomenclatura, ó recopilacion de las voces. 2. Otra corta porcion de las frases familiares. 3. Una leccion regular del cuerpo de la Gramática […] de modo que […] llegue al mismo tiempo á saber las reglas Gramaticales, las voces mas usuales, para con ellas hacer oraciones, y aquellas frases introducidas por el uso en la conversacion y trato de las gentes (Chantreau 1786, XVIII; Hervorhebung L.E.). Seine Schüler sollen von Beginn an sowohl die grammatikalischen Regeln als auch kommunikative Komponenten lernen. Wortschatz und Redewendungen befinden sich damit auf einer Ebene mit den Regeln der Grammatik. Daraus ergibt sich auch, dass Übung und Anwendung der Regeln nicht am Ende des Lernprozesses stehen, sondern unmittelbar nachdem diese erklärt wurden (Fernández Fraile 1995, 176). Diese praktische, an der mündlichen Sprachkom- Geschichte der frühen Französisch-„Lehrwerke“ in Spanien 25 petenz orientierte Komponente zeigt sich außerdem im Hinblick auf das Lernen der Verbformen, welche nicht von der 1. Person Singular bis zur 3. Person Plural pro Tempus und Modus gelernt werden sollen, sondern am besten „con personas sueltas, pasando con rapidez de un tiempo á otro“, denn diese Art zu konjugieren „es [la] que mas se asimila al mecanismo de conversacion“ (Chantreau 1786, XVIIIf). Der Praxisbezug zeigt sich auch durch die Integration von Übersetzungsübungen , denn „[n]ada formará mas al Discípulo en el hablar y escribir que este trabajo, resultando de él la necesidad de practicar todas las reglas […]“ (Chantreau 1786, XX). Er unterscheidet zwischen versión und traducción , wobei er ersteres als eine wörtliche und letzteres als eine freie Übersetzung versteht (Chantreau 1786, XIX). Die versión ist dabei weniger als eine wörtliche Übersetzung im eigentlichen Sinne zu verstehen, sondern vielmehr als eine Übung, in der die Regeln — vor allem der Aussprache — geübt und die Satzteile analysiert werden (Suso López 2016a). Dabei solle man mit der Übersetzung vom Französischen ins Spanische beginnen und sich erst im zweiten Schritt mit der Übersetzung in die eigentliche Zielsprache befassen. Das Ganze solle sowohl schriftlich als auch mündlich geübt werden (Chantreau 1786, XX). Mit diesen Übersetzungsübungen verfolgt Chantreau zwei Ziele: Ein linguistisches, nämlich die praktische Anwendung der Regeln und ein stilistisches, um so die Mechanismen der Kunst des Übersetzens kennenzulernen (Chantreau 1786, 257). Abgesehen von der detaillierten Darstellung seiner Methode ist auch sein ca. 340 Seiten langes Suplemento erwähnenswert. Es besteht aus zwei Büchern und beinhaltet ausführliche Wortlisten, für die Kommunikation nützliche Sätze sowie eine Auflistung von spanischen und französischen Lexemen, die mehrere Bedeutungen in der jeweils anderen Sprache besitzen. Auch die oben schon angesprochenen Beobachtungen zur Übersetzung und die dazugehörigen Übungen befinden sich im Suplemento . Mithilfe dieses Ergänzungsbandes bereichert Chantreau „enormemente tal contenido lingüístico objeto de aprendizaje, al comprender igualmente un contenido léxico […], y fundamentalmente al ampliarlo hacia lo que actualmente se denomina ‚contenido comunicativo‘ […]“ (Fernández Fraile 1995, 132). 4 Versuch einer Kategorisierung Im Folgenden soll der Versuch unternommen werden, die behandelten Grammatiken nach ihren didaktisch-methodischen Grundgedanken zu kategorisieren und die Entwicklung von der klassischen Grammatik hin zum „Lehrwerk“ herauszuarbeiten. Ein solches Vorhaben ist nicht unproblematisch, weil sich in vielen der behandelten Werken keine didaktisch-methodischen Reflexionen 26 Lukas Eibensteiner finden. Erst ab dem 18. Jahrhundert treten diese vermehrt in Erscheinung. Die Tatsache, dass viele Grammatiken Merkmale mehrerer Ansätze beinhalten und dass in diesem Artikel ein Zeitraum von mehr als 200 Jahren behandelt wurde, erschwert das Vorhaben noch zusätzlich. Die nachstehenden Überlegungen (zusammengefasst in Tabelle 1) erheben also keinesfalls Anspruch auf Vollständigkeit und sollen eher als Grundlage für weitere Diskussionen dienen. 4.1 Zwischen Grammatikregeln und praktischer Anwendung: Die eklektische Methode Im einführenden Teil wurden zwei unterschiedliche Ansätze des frühen Fremdsprachenlernens unterschieden. Im Folgenden sollen diese zusammengefasst und in Anlehnung an Suso López (2009, 103 ff) um eine Methode erweitert werden. Auf der einen Seite wurde von einer grammatikalischen Tradition gesprochen, deren Vertreter für ein bewusstes Lernen der Zielsprache eintreten, was mithilfe von Regeln und Sprachvergleichen vor allem zur L1 und zum Lateinischen erreicht werden soll. Das Verständnis der Regeln sowie das Memorieren derselben gemeinsam mit dem der Lexik würden zu einer adäquaten Sprachverwendung führen. Sowohl die Grammatiken von Billet (1688) als auch jene von Núñez de Prado (1728) können in diese Kategorie eingeordnet werden. Weder Billet noch Núñez de Prado erwähnen die mündliche Sprachkompetenz als Ziel. Auch fremdsprachliche Texte, Übungen oder didaktisch-methodische Reflexionen sind nicht zu finden (siehe Tabelle 1 auf Seite 29). Bei Galmace (1745, 1748) sieht die Situation schon etwas anders aus. Suso López (2016b) ordnet seine Grammatik sogar als „modo ejemplar [de] los principios del método práctico en el siglo XVIII“ ein. Galmace geht sehr wohl auf die Wichtigkeit der mündlichen Sprachkompetenz ein, genauso wie er fremdsprachliche Dialoge am Ende seiner Grammatik integriert. Allerdings nimmt die Beschreibung der Grammatik doch einen Großteil seines Werkes ein, weshalb es nicht als Paradebeispiel für den praktischen Ansatz angesehen werden kann. Vielmehr sollte es als Brücke zwischen dem grammatikalischen und dem praktischen Ansatz bzw. als Wegbereiter für spätere Grammatiken allen voran für jene von Chantreau verstanden werden: „Será precisamente este autor quien dará un paso que se nos antoja decisivo para la enseñanza del francés en España […] yendo más allá de la concepción puramente gramatical“ (García Bascuñana 2005, 136). Auf der anderen Seite findet sich eine praktische Tradition, in welcher der Lernende mithilfe von authentischem Sprachmaterial, meist durch Thesauren, Gesprächs- und Wörterbüchern, bzw. mithilfe von praktischen Grammatiken die Sprache lernt. Sotomayors Grammatik (1565) kann aufgrund der systematischen Einbettung grammatikalischer Phänomene in authentische Kontexte der Geschichte der frühen Französisch-„Lehrwerke“ in Spanien 27 praktischen Methode zugeordnet werden. Auch Contaut (1763) betont die Relevanz der Praxis und stellt das explizite Regelwissen hinter das Memorieren von Lexemen und Sätzen. Beide Autoren betonen die Wichtigkeit der mündlichen Sprachkompetenz und fügen ihren Werken eine ausführliche Wortschatzliste an. Auch die Arbeit mit fremdsprachlichen Texten ist in beiden Grammatiken zu finden. Was fehlt sind lediglich konkrete Übungen (siehe Tabelle 1). Die dritte Methode wird von Suso López (2009, 106) als eklektische Methode bezeichnet. Dabei handelt es sich um einen Ansatz, der das Lernen der Regeln mit der konkreten Anwendung und Übung verbindet. Contaut könnte theoretisch auch diesem Ansatz zugeordnet werden, tritt er doch für eine praktische Anwendung der Sprache ein, ohne die Bedeutung des expliziten Regelwissens ganz zu negieren. Da er jedoch die praktische Anwendung über das Lernen der Regeln stellt, erscheint eine Zuordnung zum praktischen Ansatz passend. Auch die Grammatik von Galmace ist nur schwer eindeutig kategorisierbar und könnte als früher Vertreter des eklektischen Ansatzes betrachtet werden. Ein Paradebeispiel ist jedoch die Grammatik von Pedro Nicolas Chantreau (1781). Er betont die Wichtigkeit des bewussten Sprachlernens und damit auch des Regelwissens. Beide Aspekte will er allerdings immer in einem konkreten, praktischen Kontext angewendet wissen und das nicht nach dem Lernen der Regeln, sondern gleichzeitig. Die praktische Anwendung befindet sich daher auf einer Ebene mit dem Lernen von explizitem Regelwissen. Des Weiteren betont er die Wichtigkeit der mündlichen Sprachkompetenz, fügt eine Reihe fremdsprachlicher Texte an und integriert als erster konkrete Übersetzungsübungen. Chantreau wird somit zum direkten Wegbereiter der Grammatik-Übersetzungsmethode, die im 19. Jahrhundert ihren Siegeszug antreten wird. Cisneros (1635) Grammatik kann keiner der drei Methoden zugeordnet werden. In diesem Werk finden sich weder didaktisch-methodische Reflexionen, noch Wortschatzlisten, Lesematerial oder Übungen. Das Ziel, nämlich das Französische mithilfe dieser Grammatik zu lernen (Cisneros 1635, lector), scheint aufgrund des allgemeinen Zugangs nur schwer zu erreichen. 4.2 Die zweite Hälfte des 18. Jahrhunderts als konstitutives Moment für die Entwicklung hin zum Französisch-„Lehrwerk“ Als Startpunkt für das Interesse für moderne Sprachen wird in der Literatur meist das 16. Jahrhundert bzw. die Renaissance genannt (García Bascuñana 2005, 130). Obwohl die ersten Französisch-Grammatiken bereits im 16. und 17. Jahrhundert erscheinen, ist es das 18. Jahrhundert, das konstitutiv für die Entwicklung der Fremdsprachenlehrwerke in Spanien ist. Diese quantitativen und qualitativen Veränderungen im Hinblick auf das Lernen moderner Sprachen sind nicht nur in Spanien zu finden; ähnliche Tendenzen finden sich in 28 Lukas Eibensteiner ganz Europa. Sanchez Pérez (1992, 143; Hervorhebung L.E.) führt dies auf folgende Gründe zurück: El incremento de los desplazamientos y viajes , con la consiguiente necesidad de comunicación entre personas de hablas distintas, hace surgir una más acuciante ‘urgencia’ por aprender […] idiomas […]. Esto sirve de acicate a gramáticos, profesores y pedagogos en general para mejorar los ya seculares problemas en torno a la enseñanza de idiomas. Por otra parte, el espíritu racionalista del siglo empuja a cuestionarse procedimientos que en ocasiones seguían en vigor ‘porque así se había hecho siempre y así se seguía haciendo’. Auf der einen Seite sind es die steigenden Kommunikationsbedürfnisse zwischen den Ländern Europas, die zu einer erhöhten Nachfrage nach Sprachlehrern und Sprachlehrwerke bzw. Grammatiken führen. Erfahrene Sprachlehrer wie beispielsweise Galmace oder Chantreau sind es, die mit der grammatisch-traditionellen Methode brechen und den Weg für den eklektischen Ansatz frei machen. Dieser Schritt kann als konstitutives Moment für die Entwicklung der Französisch-Lehrwerke im 19. und 20. Jahrhundert angesehen werden. In den Grammatiken äußert sich diese Entwicklung durch die Integration von Wortschatzlisten, authentischem Sprachmaterial wie alltäglichen Dialogen und Briefen, Lektüremöglichkeiten wie literarischen oder wissenschaftlichen Texten bzw. durch die Eingliederung von Übersetzungsübungen. Auch die steigende Bedeutsamkeit der mündlichen Sprachkompetenz in den Grammatiken weist auf eine Verschiebung in Richtung kommunikativer Sprachfertigkeit hin. Auf der anderen Seite spricht Sanchez Pérez vom Geist der Aufklärung, der dazu beigetragen habe, mit traditionellen Vorgehensweisen zu brechen. Dieses Bedürfnis nach einer Verbesserung der Lehrmethode äußert sich auch anhand der zunehmenden Anzahl der didaktisch-methodische Reflexionen. Diese Auseinandersetzung weist auf ein steigendes Bewusstsein der Sprachlehrer hin, sich mit den Bedürfnissen der Lernenden auseinanderzusetzen und führt so zu einer Verbesserung ihres eigenen Sprachunterrichts bzw. der darin verwendeten Materialien. Geschichte der frühen Französisch-„Lehrwerke“ in Spanien 29 Autor ( Jahr) Tätigkeitsbereich Lexik Mündliche Sprachkompetenz Fremdsprachliche Texte Didaktischmethodische Reflexionen Übungen Methode Sotomayor (1565) Privatlehrer im Umkreis des königlichen Hofes  (de Liaño)   x x Praktisch Cisneros (1635) kein Französischlehrer (Professor für Theologie) x x x x x Keine Billet ( 4 1688 [1673]) Privatlehrer im Umkreis des königlichen Hofes  x ~ ( Arte poética ) x x Grammatischtraditionell Núñez de Prado (1728) Lehrer am Real Seminario de Nobles  x x x x Grammatischtraditionell Galmace (1745, 1748) Privatlehrer im Umkreis des königlichen Hofes (de Liaño)    x x Grammatischtraditionell / eklektisch Contaut (1763) Privatlehrer in Cádiz und im Umkreis des königlichen Hofes     x Praktisch Chantreau (²1786 [1781]) Sotomayor (1565)      Eklektisch Tab. 1: Klassifizierung ausgewählter Französisch-Grammatiken (von 1565 bis 1786) 30 Lukas Eibensteiner 5 Zusammenfassung und Ausblick Nach zwei relativ isolierten Grammatiken (Sotomayor und Cisneros) bildet sich mit Billet eine Tradition von Grammatiken heraus, die hispanophonen Französischlernern als Lehrwerk dienen sollen. Diese hatten anfangs eine grammatikalisch-traditionelle Orientierung (beispielsweise Núñez de Prado) bis sich ab Galmace eine Entwicklung in Richtung moderner Lehrwerke abzeichnet, welche mit Chantreau und der Übernahme der eklektischen Methode einen ersten Abschluss findet. Die Debatte zwischen direkten — also ohne den Umweg über die Erstsprache der Lernenden — und indirekten Methoden bzw. die Frage, inwiefern eine Sprache durch eine induktive Herangehensweise über die Praxis oder durch eine deduktive Vermittlung von explizitem Regelwissen gelernt wird, hat hier ihren Ursprung und erreicht im 19. und 20. Jahrhundert ihren Höhepunkt. Chantreau ragt durch sein linguistisches Wissen und seine Methode heraus und kann als Ende dieser ersten Etappe der Französisch-„Lehrwerke“ bzw. als Startpunkt einer zweiten Phase gesehen werden. Dank des umfangreichen Forschungsprojektes rund um Juan F. García Bascuñana et al. (2016) wurde ein Diccionario de historia de la enseñanza del francés en España (siglos XVI-XX) erstellt, das als idealer Ausgangspunkt für weitere Studien dienen kann. Ein ähnliches Projekt, das sich mit dem Deutschunterricht auf der iberischen Halbinsel beschäftigt, gibt es meines Wissens nach nicht (für einen ausführlichen Überblick über die Geschichte des Deutschstudiums in Spanien siehe Sánchez Prieto 2020, in diesem Band). Des Weiteren wären Studien, die den Unterricht anderer moderner Sprachen vor allem des Deutschen, Englischen und Italienischen mit jenem des Französischen vergleichen, von großem Interesse. Gefragt sind auch Forschungen, die sich „verstärkt länderübergreifenden Fragestellungen zuwenden […], allerdings mit zeitlichen, räumlichen und thematischen Einschränkungen“ (Reinfried 2007, 626). So wären beispielsweise Studien, die sich mit den Grammatiken dieses Artikels und Französisch-Grammatiken, die in Deutschland oder Österreich erschienen sind, wünschenswert. 6 Bibliographie 6.1 Primärliteratur Berlaimont, Noël de (1536): Vocabulaire pour apprendre legièrement à bien lire, escripre, parler François et Flameng, lequel est mis tout le plus part par personnaiges , Antwerpen, Willem Vorsterman. Billet, Pedro Pablo ( 4 1688): Gramatica francesa, dividida en tres partes , Madrid, Bernardo de Villa-Diego. Geschichte der frühen Französisch-„Lehrwerke“ in Spanien 31 Chantreau, Pedro Nicolas (²1786): Arte de hablar bien frances o gramatica completa dividida en tres partes […] con un suplemento que contiene una nomenclatura muy ámplia, las frases mas precisas para romper en una conversacion, un tratado de la propiedad de las voces, y algunas observaciones sobre el arte de traducir , Madrid, Antonio de Sancha. 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El estudio universitario del Alemán como Lengua Extranjera en España: perspectiva histórica y análisis de planes de estudios Raúl Sánchez Prieto (Salamanca) 1 Introducción: el alemán en el sistema educativo español y su estudio En esta contribución al estudio del alemán como lengua extranjera en el ámbito universitario español se examinará detalladamente tanto la trayectoria institucional de los estudios alemanes a lo largo de los siglos XX y XXI como el desarrollo de los contenidos de los diferentes planes de estudio que han estado vigentes durante esa época desde un punto de vista empírico. Como se verá en el punto dos, la lengua alemana no aparece en las enseñanzas universitarias españolas (como en las de muchos otros países europeos) hasta el primer tercio del siglo XX. Como carrera universitaria, es decir, como estudios autónomos de germánicas, no estará presente en el panorama universitario español hasta los años 50 del siglo XX. Estamos, por lo tanto, ante una corta historia, más aún si comparamos el estudio universitario del alemán en España con el de las lenguas románicas en los países de habla alemana. El poco peso que el alemán ha tenido y sigue teniendo en la universidad española se debe en gran medida a la precaria situación del alemán en el sistema educativo español, especialmente en secundaria y bachillerato. Mientras que en las Escuelas Oficiales de Idiomas (EOIs) y en la formación de adultos el alemán es la tercera lengua extranjera más estudiada sólo por detrás del inglés y muy cerca del francés (Keim 2011, 1519; según Basteck 2013, 506 en 2007 el 11,4 % de los alumnos matriculados en EOIs cursaban alemán), en la educación secundaria reglada, tanto pública como privada o concertada, el alemán apenas ha estado presente ( Jané Carbó/ Wolff 1991, 204). En su informe sobre el presente y el futuro de la germanística en el sur de Europa Sturm-Trigonakis (2014, 10) cifra porcentualmente el número de alumnos de bachillerato españoles que cursan alemán en un máximo de 0,9 % en los institutos públicos y un 2,4 % en los privados. 36 Raúl Sánchez Prieto Estos datos, que seguramente reflejan con precisión la escasa presencia del alemán en el sistema educativo español no universitario, explican en gran parte el hecho de que la germanística española, responsable de la formación del profesorado que imparte alemán en secundaria, bachillerato, EOIs, etc., continúe siendo un área de conocimiento con poco peso en la universidad española. Según uno de los últimos estudios disponibles sobre la presencia del alemán en la enseñanza superior en España, sólo 48 universidades públicas y privadas españolas ofrecen cursos de lengua alemana dentro de sus enseñanzas regladas (Sturm-Trigonakis 2014, 3). Esto significa que en 34 universidades no se puede cursar ninguna asignatura del primer idioma materno de la Unión Europea. De esas 48 universidades donde el alemán está presente sólo ocho ofertan el alemán como grado universitario, y de estas ocho sólo dos han retenido la filología alemana/ estudios alemanes/ germanística como “maior-maior” o “Vollstudium”. Se hace necesario, por lo tanto, diferenciar la presencia del alemán como lengua extranjera en la universidad española de acuerdo a su relevancia. Para tal objeto, y en lo que respecta a estudios de grado, se establece la siguiente tipología: • Como asignatura(s) aislada(s), generalmente optativa(s) y de 3 o 6 ECTS, se puede cursar alemán en algunos grados (antiguas licenciaturas) de humanidades (filosofía, historia, etc.) y, sobre todo, de economía y turismo (Corbacho Sánchez 2012, 130-132). • Como lengua B (primera lengua extranjera) o C (segunda lengua extranjera) se puede estudiar alemán en muchos de los grados de traducción, entre ellos los de las universidades de Salamanca, Valladolid, Valencia, Autónoma de Barcelona, Granada, Barcelona, Alicante, Pablo Olavide de Sevilla, Las Palmas de Gran Canaria, en la Universidad del País Vasco o en la Universidad Pompeu Fabra. Los grados de traducción no son relevantes para la formación de profesorado de alemán. • Como “minor” o “Nebenfach” el alemán se estudia en algunos (pocos) grados de filología que no ofertan esta lengua como “maior” o “Hauptfach”. Este es el caso de las universidades de Alcalá de Henares, Oviedo, Autónoma de Barcelona o Granada. Según los planes estudios, los estudiantes de estos “minores” deberían alcanzar un B1 en alemán al terminar sus estudios. Lógicamente, este nivel es insuficiente para que los egresados puedan impartir alemán como lengua extranjera profesionalmente. • Como “maior” el alemán puede estudiarse en seis universidades cuyos grados de filología combinan este “maior” en alemán con un “minor”: Universidad Complutense de Madrid (tanto el grado de filología como el nuevo grado en Estudios Hispanoalemanes), Universidad de Barcelona, Universidad del País El estudio universitario del Alemán como Lengua Extranjera en España 37 Vasco, Universidad de Valladolid, Universidad de Santiago de Compostela y Universidad de Valencia. En todas ellas se puede cursar además el alemán como “minor”. En estas universidades las antiguas licenciaturas de Filología Alemana fueron víctimas del proceso de Bolonia: los planes de estudio pasaron de un “maior-maior” en alemán al sistema actual de “maior-minor”, “was praktisch eine Kürzung der Unterrichtsstunden für Germanistik bedeutet” (Sturm-Trigonakis 2014, 3). • Como “maior-maior” aún se puede estudiar alemán en los grados de filología de dos universidades, la Universidad de Salamanca y la Universidad de Sevilla. En estas universidades la formación en estudios alemanes cuenta con un número de créditos mayor que en las demás universidades. • Como especialidad de alemán en estudios de magisterio (educación primaria) se oferta alemán en la Universidad de Salamanca, y, desde el año que viene, en la Universidad de Sevilla. En lo que se refiere al postgrado, el estudio del alemán está presente en la actualidad en las siguientes constelaciones universitarias oficiales: 1. Como especialización de másteres filológicos y culturales en algunas pocas universidades españolas, como es el caso, por ejemplo, del Master Erasmus Mundus en Lexicografía de la Universidad de Santiago de Compostela. 2. Como asignaturas o especialización en másteres de traducción, p.e. en las universidades de Salamanca, Valladolid, Valencia, Granada, Las Palmas o Comillas, entre otras. No existen másteres de traducción dedicados íntegramente al alemán. 3. Como especialización en másteres de formación de profesorado. Estos másteres profesionalizantes, denominados todos ellos oficialmente “Máster en Formación de Profesorado de Educación Secundaria Obligatoria y Bachillerato, Formación Profesional y Enseñanza de Idiomas”, dependen de las facultades de Educación y tienen una parte común a todas las especialidades y otra particular de especialidad, en el caso de los idiomas generalmente impartida por filólogos. Las únicas universidades que ofertan una especialidad completa en alemán son la Universidad Complutense de Madrid y la Universidad de Valladolid. Al menos seis universidades más incluyen varias asignaturas de formación específica para profesores de alemán en la especialidad de lenguas extranjeras modernas. Estas universidades son las de Salamanca, Sevilla, Autónoma de Barcelona, La Laguna, Valencia y Barcelona. En el resto de universidades, incluso en alguna que oferta un “maior” de alemán en grado, solo se imparten másteres genéricos de formación de profesorado de lenguas extranjeras (con la excepción del inglés, las lenguas regionales y, en algún caso, del francés). 38 Raúl Sánchez Prieto 4. Apenas existen estudios de postgrado dedicados íntegramente al alemán. A este respecto, la Universidad de Santiago de Compostela oferta un máster en Literatura Alemana en la Edad Media Europea, y la Universidad de Salamanca impartió hasta hace unos años junto a la Universidad de Leipzig un máster en Alemán como Lengua Extranjera. Esta contribución tendrá especialmente en cuenta el desarrollo institucional de la filología alemana/ estudios alemanes en aquellas ocho universidades que, hasta la llegada de los cambios provocados por el Espacio Europeo de Educación Superior, eran las responsables de la formación docente del alemán como lengua extranjera en España (Orduña 2006, 132). En lo que se refiere al desarrollo de contenidos de planes de estudios nos centraremos en las dos universidades donde se fundan los estudios universitarios de germanística (esto es, del alemán como lengua extranjera a nivel universitario) en España, la Universidad de Salamanca y la Universidad Complutense de Madrid. Estas dos universidades representan actualmente en la germanística española los dos grandes itinerarios diferenciados de entender la formación de profesionales en el área del alemán como lengua extranjera tras las reformas de Bolonia: en Salamanca se han conservado los estudios de grado “maior-maior” pero, desde el 2013 se ha perdido la especialidad completa de alemán en el máster de formación de profesorado y un máster binacional de “DaF”, mientras que en la Complutense de Madrid el alemán dejó de ser “maior-maior” para convertirse en “maior-minor” hace años, pero en cambio, a nivel de postgrado, se conserva la especialidad propia y se oferta un máster binacional con Regensburg. Si se tiene en cuenta la corta trayectoria del estudio del alemán en la universidad española no son pocos los trabajos y las meta y autorreflexiones que se han publicado sobre la germanística en España. Ya en los años ochenta del siglo XX, Pérez Varas (1981), uno de los primeros catedráticos de filología alemana, hacía una reflexión basada en parte en el pasado sobre las posibilidades del estudio universitario del alemán en el país ibérico. A finales de los ochenta y en los noventa, Regales (1987), Jané Carbó/ Wolff (1991), Zurdo (1993), Acosta (1997) y Pfeiffer (1998) analizan la situación de la germanística en España en una época de expansión tanto en docentes como en número de estudiantes. De esta época existe incluso algún estudio que tematiza la situación (actual y pasada) de alguna universidad concreta, como p.e. Siguan Boehmer (1998) y Montesinos Caperos (1998). Ya en el siglo XXI, Keim (2001) hace un sucinto pero exhaustivo repaso a la situación del alemán en todo el sistema educativo español y Marizzi (2002) realiza una interesante descripción de la exposición de métodos de enseñanza del alemán en España a lo largo de la historia que tuvo lugar en Santiago de Compostela en 2002. En Dobstadt/ Nitsche (2005) los germanistas españoles y alemanes que atendieron el congreso “Bilanz und Perspektiven der Germanistik in Spanien” de 2002 en Salamanca exponen sus inquietudes con respecto al futuro de la formación de universitarios en alemán como lengua extranjera y estudios alemanes en el marco de las reformas de Bolonia que entonces aún no se habían producido. Orduña (2006) se centra igualmente en la descripción de los problemas, pero también de las posibilidades, de las reformas de Bolonia. Más actualmente, Haderlein (2009) realiza un repaso a la deteriorada situación de la enseñanza del alemán y Marizzi (2015) repasa la historia del aprendizaje del alemán en España en un capítulo de libro sobre el alemán como lenguaje técnico en el país ibérico. 2 Desarrollo institucional de los estudios de alemán en el sistema universitario español Aunque el estudio universitario del alemán nace propiamente con la creación provisional de los estudios de filología moderna, especialidad de alemán, en 1952, es necesario analizar la situación del alemán en el sistema universitario español de etapas anteriores. Por este motivo, la primera de las cinco etapas que se distinguirán en este punto está dedicada a describir la escasísima presencia del alemán en la universidad española de los siglos XIX y primera mitad del XX: • El alemán en la universidad española antes del nacimiento de la germanística española • Nacimiento y primeros pasos de la germanística española • La germanística española durante la transición y los años 80 • La germanística española desde los 90 hasta el EEES • La germanística española desde las reformas del EEES Como se puede comprobar, en España los estudios de alemán a nivel universitario, es decir aquellas licenciaturas y posteriormente grados (y postgrados) que capacitan por ley para ejercer de profesor de alemán en el sistema educativo, han estado y siguen estando estructurados alrededor de la germanística/ estudios alemanes. Los criterios seguidos para dividir la corta historia de la germanística española en cinco etapas son tanto de índole sociopolítica como legal. Los cambios legales producidos que marcan las diferentes etapas se deben a distintas reformas universitarias que, en general, implementan novedades en la política educativa de los estudios de secundaria anunciadas anteriormente mediante decretos ley. El estudio universitario del Alemán como Lengua Extranjera en España 39 40 Raúl Sánchez Prieto 2.1 El alemán en la universidad española antes del nacimiento de la germanística española A pesar de las fluidas relaciones culturales entre España y y los países de lengua alemana en los siglos XVII y XVIII (Hernández 2014, 49) y de que ella haya testimonios del aprendizaje del alemán como lengua extranjera por parte de españoles en el siglo XVI (Palau-Ribes 1981, 96), el alemán prácticamente no tiene importancia ninguna en España hasta el siglo XIX. Los pocos métodos de aprendizaje de esta lengua son gramáticas. La primera gramática del alemán para hispanohablantes parece ser la de Juan de Zumarán, que data de 1634 (Zurdo 2001, 55) y cuya primera parte está dedicada a los españoles que desean aprender el alemán (Martínez González 2008, 553), casi 150 años antes que la de Strauch y Vidal de 1783 (Palau-Ribes 1975, 515 ff; Marizzi 2012, 95ss). Palau-Ribes (1981) ofrece una descripción de las gramáticas y manuales más destacados en la historia del alemán en España. El alemán aparece como lengua extranjera en la incipiente educación secundaria por primera vez en la denominada Ley Pidal de 1845 (Decreto Real de 1845). No obstante, tanto en los institutos como en las escuelas de comercio “el Estado se limita a mantener una apariencia de enseñanza” de los idiomas modernos (Castro 1921, 120), pues el estudio del alemán (y de las demás lenguas modernas) está restringido a un curso lectivo y la metodología aplicada estaba ya anticuada y era ajena “a cualquier fin utilitario de la lengua” (Morales Gil 2009, 235). Todo esto, junto al hecho de que hasta 1915 no estuviese regulada la profesión de profesor de idiomas y de que después de 1915 no se respetase el requisito establecido por el decreto de 20 de abril de 1915 de estar en posesión del título de Licenciado en Filosofía y Letras para poder concursar a profesor de instituto (Morales Gil 2009, 238), tiene su reflejo en la universidad. Hasta el advenimiento de la Segunda República prácticamente, y como afirma Castro (1921, 13), “en España las Universidades desconocen el cultivo de las lenguas modernas”. De hecho, el alemán no aparece en ningún plan de estudios universitario de los desarrollados hasta entonces: ni en los de 1924 (Real Orden de 14 de octubre de 1824), ni en los de 1836 (Real decreto de 4 de agosto de 1836), y tampoco en los desarrollados en 1845 (Real Decreto de 17 de septiembre de 1845) y sucesivos (1866: RD de 9 de octubre de 1866, 1868: RD de 25 de octubre de 1868, 1898: RD de 30 de septiembre de 1898, 1900: RD de 20 de julio de 1900, 1913: RD de 15 de agosto de 1913). En una Real Orden de 1846 que complemente al Real Decreto de 1845 se estipula explícitamente que “queda suprimido el estudio obligatorio del inglés o alemán para el grado de licenciado de letras” (RO de 24 de julio de 1846, art. 5), por lo que los planes iniciales de 1845, que incluían el estudio del alemán en algunas carreras, no se llegan a desarrollar. Desgraciadamente, tampoco pudieron implementarse los planes de estudio ideados y promulgados durante la efímera Primera República, que sorprendentemente elevaba el alemán de facto al estatus de primera lengua extranjera en España al legislar que el examen de ingreso en cada una de las cinco Facultades versará sobre las asignaturas de la segunda enseñanza que el Claustro acuerde, debiendo además el alumno probar conocimientos del alemán suficientes para que pueda traducir y utilizar en sus estudios libros escritos en dicho idioma (Decreto de 2 de junio de 1873, art. 26). Habría que esperar hasta la Segunda República para que, de nuevo, el alemán reapareciese, esta vez como especialidad propia dentro de los estudios de Filología Moderna en la universidad española. El decreto de 15 de septiembre de 1931 estipula que el alemán será una de las seis especialidades (junto al español, francés, inglés, portugués e italiano) de los estudios de Filología Moderna en las universidades de Madrid y Barcelona. Este año habría sido el del nacimiento de la germanística española si se hubiesen desarrollado planes de estudio concretos que hubiesen respondido a las pruebas orales y escritas que marca la ley de 1931 para la obtención del título de Filología Moderna, especialidad de alemán. En la Facultad de Filosofía y Letras hay documentada una asignatura de lengua alemana por primera vez para el curso 1932-1933 (Gimber/ López Ríos 2009, 390). Los planes de estudio republicanos para bachillerato de 1934 (Decreto de 29 de agosto de 1934), que se vieron truncados por la Guerra Civil, y los franquistas de 1938 (Ley de 20 de septiembre de 1938) incluyen al alemán. Es más, según la ley de 1938 el alemán o el italiano son obligatorios. No obstante, el alemán no está presente como estudio autónomo en el decreto de 7 de julio de 1944 que ordena la Facultad de Filosofía y Letras de Madrid, estableciendo estudios de filología románica, clásica y semítica, y que es consecuencia de la ley de 29 de julio de 1943 que reordena la universidad española. No obstante, ya en la ley del 1943 se establece la obligatoriedad de disponer de un título universitario para presentarse a oposiciones de profesorado de instituto, “Escuelas Normales” y enseñanzas medias. Esto permitía intuir la futura creación de estudios universitarios de las lenguas modernas no románicas ofertadas en secundaria. 2.2 Nacimiento y primeros pasos de la germanística española El nacimiento y los primeros pasos de los estudios de germanística en España están vinculados a la política educativa de los gobiernos franquistas y, por lo tanto, a los planes de estudio de bachillerato promulgados anteriormente. Políticamente esta etapa se desarrolla durante el franquismo. Oficialmente la germanística española nace mediante la Orden de 2 de octubre de 1952 por la que “se organizan con carácter provisional en las Universidades [sic] de Salamanca los estudios de lenguas modernas”. La creación de los estudios de alemán, junto a los de otras lenguas modernas está justificado según el legislador El estudio universitario del Alemán como Lengua Extranjera en España 41 42 Raúl Sánchez Prieto no sólo en la insuficiente preparación en idiomas de nuestros estudiosos, si no más particularmente en la carencia de enseñanzas universitarias idóneas que ofrezcan deseable y conveniente formación científica de nuestros futuros profesores de lenguas modernas (Orden de 2 de octubre de 1952). Se crea una cátedra de germanística en inglés y una plaza de profesor adjunto de lengua alemana. En el curso lectivo 1952-1953 se implantan, por lo tanto, los estudios de filología alemana en Salamanca. Un año más tarde se inician los estudios de germanística en la Universidad de Madrid. Mediante el decreto de 9 de julio de 1954 se articulan definitivamente los estudios de alemán dentro de la sección de filología moderna de las dos universidades. Barcelona tendría que esperar hasta 1955 para ver nacer a la germanística catalana (Decreto de 17 de junio de 1955). Emilio Lorenzo Criado fue el primer catedrático español de lingüística germánica en 1958, esto es, de inglés y de alemán, mientras que Feliciano Pérez Varas fue el primer numerario de germanística (esto es, solo de alemán) en 1966. Junto a Lorenzo Criado y Pérez Varas, en esos primeros años de la germanística tuvieron gran importancia por su labor formativa dos profesores alemanes: en el caso de las universidades de Madrid y Salamanca el romanista y antiguo empleado de la embajada del Tercer Reich en Madrid durante el periodo nazi Hans Juretschke, y en el de la universidad de Barcelona el también romanista Karl-Heinz Trost, un pilar de estabilidad primero como lector del DAAD y después como profesor en una sección que, a finales de 1960 no contaba con profesorado estable español (Orduña 2010, 663). Los planes de estudio de esta época datan de 1954 (Decreto de 9 de julio de 1954) y se mantienen en espíritu, aunque se sometiesen a cambios menores (en el caso de Salamanca mediante la Orden de 18 de junio de 1955; en el caso de la Universidad de Madrid mediante la Orden de 17 de septiembre de 1963, rectificada en BOE de 25 de febrero de 1964) hasta 1973. 2. 3 La germanística española durante la transición y los años 1980 En el tardofranquismo la reforma del sistema educativo español mediante la Ley General de Educación de 1970 de 4 de agosto abrió el camino hacia una reforma progresiva de la universidad española, que concluiría provisionalmente (pero no en la práctica) con la Ley de Reforma Universitaria de 1983 (Ley Orgánica de 25 de agosto de 1983). Políticamente esta etapa coincide, por lo tanto, con el periodo de la transición a la democracia y el primer gobierno socialista, abarcando desde 1970 hasta 1993. La Ley General de Educación de 1970 y el posterior desarrollo de los planes de estudio de la educación secundaria en 1975 (Orden de 22 de marzo de 1975) propiciaron una reforma de los planes de estudio de Filología Alemana, conocidos en las secretarías de las facultades de filosofía y letras y posteriormente de filología como “planes de 1973”. En realidad, los nuevos planes, que son posteriores a 1973, tienen una estructura similar a los anteriores: de los cinco años de estudio de la licenciatura tres son comunes a todas las filologías y dos son específicos para el alemán. Aunque en este periodo ya hubiese estudios de filología anglogermánica o de filología alemana en más universidades como las de Valladolid, Santiago de Compostela, Valencia, etc., la interpretación de la Ley General de Educación en lo referente a las lenguas extranjeras para la Educación General Básica (educación primaria), el Bachillerato Unificado Polivalente y el Curso de Orientación Universitaria (educación secundaria) por parte de los colegios e institutos impedía de hecho el desarrollo de una germanística fuerte en España: a pesar de que podían por ley ofertar alemán, la inmensa mayoría de los establecimientos educativos contemplaban únicamente como lenguas extranjeras el inglés o el francés. Esta situación se debía en gran medida a la imposibilidad de contratar más profesorado de alemán que el estipulado en el decreto de 21 de marzo de 1958 sobre la provisión de cátedras y demás profesorado de instituto (en total 50 plazas para todo el estado). Este reducido número de plazas en secundaria no aumentaría hasta 1985 (Bosch Roig 1999, 43), una vez promulgada la Ley de Reforma Universitaria de 1983. Esta ley (Ley Orgánica de 25 de agosto de 1983), que vio la luz pocos meses después de la llegada del socialista Felipe González a la presidencia del gobierno, introduce cierta flexibilidad curricular, la contabilización de la enseñanza universitaria en créditos y preveía la provisión de directrices comunes para los títulos universitarios. En gran parte de los títulos universitarios la provisión por parte del Ministerio de Educación y Ciencia de directrices generales de los planes de estudios de las diferentes licenciaturas fue extremadamente lenta, de tal forma que los denominados “planes del 1973” (algunos de ellos aprobados en los años ochenta) seguirían vigentes en las universidades de Salamanca, Complutense de Madrid, Barcelona y otras, algunos con ligeros cambios, hasta 1993-1994, una vez que se hubieron promulgado en 1990 por real decreto las directrices generales de los planes de estudios conducentes a la obtención del título en Filología Alemana en toda España (Real Decreto de 26 de octubre de 1990). Los planes de estudio de esta época datan, por lo tanto, de mediados y finales de los años 1970 en el caso de la Universidad de Salamanca (el plan del primer ciclo de licenciatura, esto es, los tres primeros cursos, fue aprobado en 1973 mediante Resolución de 14 de noviembre de 1973; el de segundo ciclo, es decir, los dos últimos cursos, mediante Orden de 28 de julio de 1977) y de mediados de los setenta y principios de los ochenta en el caso de la Universidad Complutense de Madrid (el plan de primer ciclo fue aprobado en 1973 por Resolución de 11 de diciembre de 1973 y modificado en 1975 por Resolución de 23 de junio de 1975; el de segundo ciclo fue aprobado en 1984 por Orden de 24 de julio de 1984). El estudio universitario del Alemán como Lengua Extranjera en España 43 44 Raúl Sánchez Prieto 2.4 La germanística española desde los 1990 hasta el EEES La Ley de Reforma Universitaria 1983 no empezó a tomar forma hasta comienzos de los años 1990, cuando “el Consejo de Ministros fue aprobando los nuevos títulos universitarios con sus directrices comunes” (Infante Díaz 2010, 271). En el caso de la Filología Alemana las directrices generales de los futuros planes de estudios de las universidades españolas se promulgaron en octubre de 1990 (Real Decreto de 26 de octubre de 1990), dando un plazo de tres años para la homologación de los estudios en germanística que se venían impartiendo hasta entonces en varias universidades. Esta etapa, que termina con la imposición de los planes de estudio adaptados al Espacio Europeo de Educación Superior y con el inicio de la crisis económica española, podría ser subdividida en dos períodos claramente diferenciados. El primer período, marcado por los planes de estudio de 1993, es una etapa de consolidación y expansión de la germanística española en cuanto a docentes universitarios y número de alumnos. En esta época son ya ocho las universidades españolas con estudios de licenciatura en alemán: Universidad de Barcelona, Universidad Complutense de Madrid, Universidad de Salamanca, Universidad de Santiago de Compostela, Universidad de Sevilla, Universidad del País Vasco, Universidad de Valencia y Universidad de Valladolid. La Ley Orgánica de Ordenación General del Sistema Educativo (L.O.G.S. E.) de 3 de octubre de 1990, que reestructuró las etapas del sistema educativo, tuvo poca influencia en los estudios de Filología Aleman de la universidad española, que, además de preparar docentes de alemán para la educación secundaria formaba principalmente futuros profesores de Escuelas Oficiales de Idiomas. Uno de los mayores hitos de esta época fue la creación de la Federación de Asociaciones de Germanistas y Profesores de Alemán en España (FAGE) en 1996, que articula los intereses de la germanística española y de los profesores de secundaria y EOI de alemán como lengua extranjera. El segundo período, marcado por la reforma de los planes de estudio del 2000, abarca hasta 2010 y es mucho más turbulento: las Comunidades Autónomas no recogen la sensibilidad de muchos padres que deseaban que los centros educativos de secundaria ofertaran el alemán como segunda lengua extranjera (Orduña 2006, 77), se reforma dos veces en ocho años el sistema educativo con leyes polémicas (Ley Orgánica de Calidad de la Educación de 23 de diciembre 2002 y Ley Orgánica de Educación de 03 de mayo de 2006), se produce una bajada generalizada del número de alumnos (fuente: secretarías de las facultades de filología de varias universidades) que amenaza con desligitimar los estudios del alemán en España (a lo que se responde mediante el “Salamanca-Manifest der spanischen Germanistik”, Dobstadt/ Nitsche 2005, 231-232) y se pone en duda el contenido de los planes de estudio, que, como bien explica Jordi Jané en Dobstadt/ Nitsche (2005, 52), “setzt sich aus den Inhalten der Fächer DaF und Germanistik, die wir anbieten können, zusammen”. Finalmente se inicia la discusión entorno a la modificación de las licenciaturas y su adaptación al Espacio Europeo de Educación Superior, que coincide con la etapa de pre-crisis y con el principio de la crisis económica y de deuda del país. Los planes de estudio de esa época datan de 1993 (Resolución de 9 de julio de 1993 para la Universidad de Salamanca y Resolución de 14 de septiembre de 1993 en el caso de la Universidad Complutense de Madrid), y fueron modificados en 2000 en Salamanca (Resolución de 3 de octubre de 2000) y en 2001 en la Complutense (Resolución de 20 de julio de 2001). 2.5 La germanística española desde las reformas del EEES Esta última etapa de los estudios universitarios del alemán como lengua extranjera en España, iniciada en 2010, está fuertemente condicionada por la adaptación de las enseñanzas universitarias oficiales al Espacio Europeo de Educación Superior. Entre el primer intento de modificación de las estructuras de grado (antigua licenciatura) en 2005 mediante el Real Decreto de 21 de enero de 2005, sustituido en 2007 por el Real Decreto de 29 de octubre de 2007, levemente modificado varias veces, y la aprobación de los planes de estudios de Lenguas Modernas/ Estudios Alemanes transcurren al menos cuatro o cinco años. A diferencia de lo sucedido en otros países, en España los mayores cambios no afectan al número de años que han de cursarse para obtener el grado, que siguen siendo cuatro, sino al número de créditos formativos de alemán, que con la introducción del sistema “maior-minor” han sido reducidos considerablemente en seis de las ocho universidades que tradicionalmente ofertaban estudios de germanística. En el primer punto de esta contribución se encuentra una descripción detallada del estado actual de los estudios universitarios del alemán en España. La crisis económica que está acompañando a esta etapa se manifiesta en una muy considerable disminución tanto de la financiación de los departamentos y áreas de alemán como de los medios disponibles para la actualización bibliográfica y la investigación. Aún más preocupante es la drástica reducción del profesorado, tanto del contratado como del permanente, lo cual ha obligado a algunas universidades a restringir la oferta formativa e incluso a eliminar másteres oficiales. Por el contrario, y en clara contradicción a lo afirmado por Corbacho Sánchez (2012, 121-122), el número de alumnos ha aumentado considerablemente durante este periodo de crisis (fuente: secretarías de las facultades de filología de varias universidades). Los planes de estudio de esta época datan de finales de los 2000 y principios de los 2010. En el caso de Salamanca, el actual grado en Estudios Alemanes fue aprobado por Resolución de Resolución de 7 de abril de 2010 (aunque los planes de estudio lo fuesen mediante Resolución de 17 de marzo de 2011 y hayan sido El estudio universitario del Alemán como Lengua Extranjera en España 45 46 Raúl Sánchez Prieto modificados en 2016 por Resolución de 13 de junio de 2016). En el de la Complutense, el actual grado en Lenguas Modernas y sus Literaturas, que contempla un “maior” de alemán, vio aprobados sus planes de estudios en 2010 (Resolución de 7 de abril de 2010), mientras que el grado en Estudios Hispano-alemanes fue aprobado en 2013 (Resolución de 17 de enero de 2013). 2.6 Formación oficial de profesorado del alemán como lengua extranjera La historia de la formación oficial del profesorado del alemán como lengua extranjera en España es mucho más corta que la de los estudios de germanística y depende en gran medida no de las facultades de filosofía y letras o de filología sino de las facultades de educación. La formación del profesorado nace a nivel general en 1965 mediante Decreto de 22 de julio con la creación de un un servicio público centralizado, la “Escuela de Formación del Profesorado de Grado Medio”. La Ley General de Educación de 1970 (art. 103. 1) encomienda a los denominados “Institutos de Ciencias de la Educación” esta importante tarea formativa, articulada mediante el “Certificado de Aptitud Pedagógica” (C.A.P.). Este certificado se expedía tras un cursillo de entre 100 y 300 horas según cada universidad (Salillas/ Vicente 2017, 78) y, aunque al principio no era obligatorio, “finalmente, tal como la ley establecía en sus inicios, fue exigido tanto para las oposiciones como para acceder a una plaza de Educación Secundaria” y Escuelas Oficiales de Idiomas (Gutiérrez González 2011, 98). Eran obligatorias unas prácticas docentes con unos requisitos muy bajos. Dado que la impartición de los cortos cursos del C.A.P. dependía de las facultades de educación no había contenido ninguno específico para la formación de profesores de alemán como lengua extranjera. De hecho, el C.A.P. apenas tuvo valor formativo-profesional y era concebido ya desde un principio por sus estudiantes únicamente como un requisito “que se exige para opositar” (Castillejo Brull 1982, 47). Esta situación se mantuvo hasta la introducción del Espacio Europeo de Educación Superior en España y la promulgación de la Orden de 27 de diciembre de 2007, que establece los requisitos para la verificación del máster oficial que sustituye al C.A.P. y es de obligado estudio para todo filólogo que quiera dedicase a la enseñanza de idiomas: el “Master Oficial de Profesor de Educación Secundaria Obligatoria y Bachillerato, Formación Profesional y Enseñanzas de Idiomas”. Esta orden ministerial fija unos contenidos generales, impartidos por las facultades de educación y sin ninguna o poca relación con la futura actividad docente de los estudiantes, y unos específicos, cifrados en 24 ECTS (es decir, algo menos de un semestre de formación), además de 16 ECTS de prácticum y un número de créditos variable de trabajo de fin de máster. Salvo en las dos universidades citadas en el punto uno de esta contribución, los másteres de formación de profesorado actuales ofertan generalmente contenidos específicos de alemán dentro de la especialidad de lenguas modernas. Aún con los problemas que arrastran desde su creación (una formación general inadecuada, poca formación específica y sin relación con el temario de oposiciones, profesorado universitario que desconoce en gran medida la educación secundaria y las escuelas de idiomas, bajos requisitos de entrada en cuanto al dominio del alemán, escasez de plazas para cubrir las prácticas, etc.), los nuevos másteres suponen un gran (pero, a todas luces, insuficiente) avance frente a la época del C.A.P. 3 Análisis de planes de estudio en perspectiva histórica El análisis sistemático de planes de estudios es un ámbito de investigación apenas desarrollado dentro de la filología, y, en general, en todos los ámbitos de las Humanidades. Aunque por su naturaleza la realización de este tipo de estudios, en principio, debería corresponder a las ciencias de la educación, más concretamente a la denominada “Empirische Bildungsforschung” y la “Hochschulforschung” (Gräsel 2011, 13ss), éstas han demostrado poco interés a la hora de contribuir a aclarar la evolución concreta del ámbito de estudio que nos ocupa, la formación universitaria de docentes del alemán como lengua extranjera. De hecho, en el caso de la germanística española y tras una ardua y larga búsqueda bibliográfica no ha sido posible localizar ningún estudio de este tipo. Para la realización del análisis empírico que tiene como objetivo comparar todos los planes de estudio de las licenciaturas/ grados que forman estudiosos del alemán de las dos universidades españolas con mayor tradición en este campo, se ha tenido especialmente en cuenta el método analítico del estudio longitudinal de Frank et al. (2000, 29ss) sobre los planes de estudios de la especialidad de historia en el mundo. En este artículo, que documenta que “systematic empirical studies are especially rare” en este campo de investigación (Frank et al. 2000, 29), se hace una estimación del porcentaje de cursos dedicados a los diferentes periodos históricos y a la historia de determinados países en 335 planes de estudios de 89 países durante más de un siglo. El estudio empírico que aquí se presenta es mucho más humilde en lo que al conjunto de datos se refiere, pues recoge únicamente ocho planes de estudio. Estos planes, no obstante, y excepción de las escasas modificaciones puntuales que han sufrido, representan la totalidad de los planes de estudio de las dos universidades que son objeto de estudio, la Universidad de Salamanca (USAL) y la Universidad Complutense de Madrid (UCM). El corpus abarca los cuatro periodos de la germanística española anteriormente señalados, marcados por los planes de estudios de 1954, 1973, 1993 y 2010 (véase tabla 1). El estudio universitario del Alemán como Lengua Extranjera en España 47 48 Raúl Sánchez Prieto Plan de estudios Universidad de Salamanca Universidad Complutense 1954 - Planes reformados de 1954 estipulados en la Orden de 18 de junio de 1955 - Planes reformados de 1954 según Decreto de 9 de julio de 1954 (y no según sus posteriors reformas según Orden de 17 de septiembre de 1963, rectificada en BOE de 25 de febrero de 1964) 1973 - Planes de 1973 modificados en Resolución de 24 de junio de 1975 (de los originales de 14 de noviembre de 1973) para el primer ciclo y en Orden de 28 de julio de 1977 para el segundo ciclo - Planes modificados en 1975 por Resolución de 23 de junio de 1975 de los originales de 1973 estipulados en Resolución de 11 de diciembre de 1973 (primer ciclo) y en Orden de 24 de julio de 1984 (segundo ciclo) 1993 - Planes de 1993 promulgados en Resolución de 9 de julio de 1993 (no se tiene en cuenta la modificación de 2000 según Resolución de 3 de octubre de 2000) - Planes de 1993 estipulados en Resolución de 14 de septiembre de 1993 (no se tiene en cuenta la modificación de 2001 según Resolución de 20 de julio de 2001) 2010 - Planes aprobados por Resolución de Resolución de 17 de marzo de 2011 (no se tiene en cuenta la modificación de 2016) - Planes del grado en Lenguas Modernas y sus Literaturas con “maior” de alemán, aprobados en 2010 (Resolución de 7 de abril de 2010) Tabla 1: Corpus Los dos mayores problemas que se presentan para garantizar la comparabilidad de los resultados que se pretenden obtener son la homogeneización de los datos y el tratamiento de las asignaturas optativas. En el primer caso la solución más practicable es la reconstrucción de los créditos de las asignaturas que integran los planes de estudios, esto es, la conversión de las horas de clase por semana para cada asignatura que marcan los planes de 1954 y 1973 en créditos ECTS. Para ello se parte de la premisa de que, como en la actualidad, cada curso lectivo abarca 60 créditos ECTS. Puesto que para los planes de 1954 y 1973 se estipula una duración de cinco cursos lectivos, la carga de trabajo de las correspondientes licenciaturas correspondería a una totalidad de 300 créditos ECTS. El plan de estudios de Filología Alemana de 1993 de la Universidad de Salamanca está estructurado en cuatro años lectivos y 300 créditos “USAL”. Por lo tanto, y visto que tenía la misma duración que los estudios actuales de grado, pero 60 créditos más, el factor de conversión es 0,8 créditos ECTS por 1 crédito USAL de 1993. El crédito “UCM” de 1993 parece tener diferente carga de trabajo, pues la licenciatura en Filología Alemana de esa época tiene 320 créditos y dura cinco cursos lectivos. De esto se sigue que un crédito UCM de 1993 equivale a 0,937 créditos ECTS. En el segundo caso ha sido necesario unificar el tratamiento de las asignaturas optativas de los planes de estudio de 1993 (y, en menor medida de 2010; en los planes anteriores la optatividad era muy reducida o no existía), especialmente en el caso de las asignaturas de didáctica y metodología y “Landeskunde”. Se ha optado por contabilizar todos los créditos posibles de estas dos materias dentro del cómputo total de créditos del plan de estudios. Por lo tanto, para los planes de la USAL de 1993 se ha supuesto que el estudiante cursa todos los créditos posibles de didáctica del alemán (8 créditos USAL, esto es, 6,4 ECTS) y 24 créditos USAL (19,2 ECTS) de formación optativa en lingüística, literatura o cultura alemanas de un total de 32 créditos (25,6 ECTS). Para los planes de la Complutense se parte de que el estudiante realiza todos los créditos posibles de didáctica del alemán (4 créditos UCM, esto es, 3,75 ECTS) y 104 créditos (97,45 ECTS) de formación optativa en lingüística, literatura o cultura alemanas de un total de 108 créditos optativos UCM (101,2 ECTS). La formación específica en Filología Alemana/ Estudios Alemanes se subdivide en formación práctica en alemán, formación en didáctica y metodología, formación práctica en “Landeskunde” y formación en lingüística, literatura y estudios culturales. Los resultados obtenidos (véase tabla 2) muestran unos datos realmente interesantes y que reflejan fielmente la formación de los estudiantes de alemán. La formación práctica en lengua alemana ocupa, como es lógico en el estudio universitario de una lengua extranjera, un porcentaje cambiante, pero nunca mayor del 20 % en la Complutense ni del 22,5 % en Salamanca del total de todos los créditos impartidos. En líneas generales, parece un porcentaje adecuado a unos estudios universitarios, diferentes por su naturaleza a la formación de las escuelas de idiomas. En perspectiva, en la Universidad de Salamanca la carga de la formación práctica, estipulada en la tabla en número de créditos ECTS o ECTS reconvertidos, no ha sufrido grandes variaciones a lo largo de los más de 60 años y cuatro planes de estudios de germanística: en los planes de 1954 había 49 ECTS de lengua alemana, en los de 1993 47,2 y en los de 2010 54. Solo en los planes de 1973 se observa una carga lectiva mucho menor, que se cifra en 31,83 ECTS. En la Universidad Complutense, antigua Universidad de Madrid, los planes de 1954 y 1993 presentan una carga similar (36,3 ECTS y 37,48 ECTS El estudio universitario del Alemán como Lengua Extranjera en España 49 50 Raúl Sánchez Prieto reconvertidos), claramente inferior a la de los planes de 1973 y 2010 (47,25 y 48 ECTS, respectivamente), que se acercan al número de ECTS que se dedican a la formación práctica en lengua en los planes salmantinos. Como se puede extraer de los datos obtenidos, en perspectiva histórica no parece que, como acertadamente hace notar Saalbach en el caso de los planes de estudio de las universidades españolas de 1993, haya una relación entre una mayor dedicación de créditos para la formación en lengua y una disminución de los destinados a la formación en lingüística, literatura y estudios culturales: Das allgegenwärtige Problem des Zeitmangels schlägt sich auch zu Buche: Wo Studiengänge immer weiter verkürzt und in ein reglementiertes Korsett aus knapp bemessener Regelstudienzeit und Höchststudiendauer gezwängt werden, muß man sich sehr wohl überlegen, wie viele Veranstaltungsstunden man der Sprachvermittlung zur Verfügung stellen kann, ohne daß dadurch die Substanz der eigentlichen Studieninhalte allzu sehr zusammenschrumpfen würden (Saalbach 1999, 327ss). En los planes de 1954 tanto la formación en lengua como en lingüística y literatura/ cultura es muy limitada (27 y 46,2 ECTS reconvertidos en Salamanca y Madrid, respectivamente). Esto se debe al hecho de que, en esta época, los dos primeros años de estudios son comunes a todas las filologías y no presentan ningún contenido específico de alemán. Además, en los tres últimos cursos se siguen estudiando contenidos de filología hispánica. En los planes de 1973 se introduce la formación práctica del alemán en los tres primeros cursos, que son comunes, mientras que los últimos dos cursos están dedicados, en gran medida, al estudio de contenidos filológicos específicos de germanística. En la Universidad Complutense de Madrid sube en este periodo el número de créditos dedicados tanto a la formación en lengua (47,25 ECTS reconvertidos) como a la formación en literatura y literatura/ cultura (69,75 ECTS reconvertidos). En Salamanca, por el contrario, baja la carga en formación práctica en lengua y sube fuertemente la formación específica filológica hasta alcanzar los 99,6 ECTS reconvertidos. Esta subida se produce no solo a expensas de la formación en lengua, sino, sobre todo, en perjuicio de la formación general filológica (que en la práctica incluye materias de filología española). En los planes de 1993 y 2010 en Salamanca aumentan en proporción similar los créditos dedicados tanto a la formación en lengua como a las materias de lingüística y literatura/ cultura: en el primer caso se pasa de 47,2 a 54 créditos, en el segundo de 88 créditos en 1993 a 93 en 2010. En la Universidad Complutense se produce un aumento de poco más de 10 créditos en la formación práctica entre 1993 y 2010 (de 37,48 a 48 ECTS), sin que ello suponga un trasvase de créditos de la formación filológica específica obligatoria, que en ambos planes de estudio es similar y ronda los 75-78 créditos. Los 179,9 créditos que se registran para el plan de 1993 incluyen unos 104 créditos ECTS reconstruidos de formación optativa obligatoria en germánicas, que, lógicamente, supuso una bajada considerable de los créditos destinados a la formación en filología hispánica/ lingüística general/ teoría de la literatura. Como se aprecia en la tabla, y con la excepción de los planes de la Complutense de 1993, la formación en lingüística y literatura/ cultura alemanas ha ido aumentando su peso en los planes de estudio de ambas universidades. Esta carga formativa ha pasado en Salamanca de un 9 % en 1954 a un 33,2 % en 1973 y a un 38,75 % en 2010. En Madrid ha aumentado de un 15,4 % en 1954 a un 23,25 % en 1973 y a un 32,5 % en 2010. Los contenidos en “Landeskunde”, concepto por el que entendemos siguiendo a Baumgratz (2001, 1294) “die didaktische Repräsentation der Beziehung zwischen Zielsprache und Zielgesellschaft im Fremdsprachenunterricht”, abarcan sobre el 5 % de las asignaturas de los planes de estudios analizados. No se aprecia una trayectoria histórica clara. En lo que se refiere a la formación en didáctica y metodología, ésta es aún más escasa. En los planes de 1954 no existe. Aparece por primera vez en los planes de la Complutense de 1973 con 8 ECTS reconvertidos, que se dividen prácticamente a la mitad en los planes de 1993 y desaparecen en los actuales, seguramente debido a la existencia del máster en formación de profesorado. En Salamanca aparecen solo en 1993 con 6,4 créditos, que aumentan a 10,5 % en los planes actuales. Plan de estudios y universidad Formación práctica en alemán Formación en didáctica y metod. Formación práctica en Landeskunde Formación en Ling., Lit. y Cult. 1954 USAL 49 (16,3%) 0 0 27 (9 %) 1954 UCM 36,3 (12,1%) 0 36,3 (12,1%) 46,2 (15,4%) 1973 USAL 31,83 (10,61%) 0 9,9 (3,3%) 99,6 (33,2%) 1973 UCM 47,25 (15,75%) 8 (2,6%) 23 (7,6%) 69,75 (23,25%) 1993 USAL 47,2 (19,6%) 6,4 (2,6%) 12,8 (5,3%) 88 (36,6%) 1993 UCM 37,48 (12,49%) 3,75 (1,25%) 14,99 (4,9%) 179,9 (59,9%) 2010 USAL 54 (22,5%) 10,5 (4,37%) 10,5 (4,37%) 93 (38,75%) 2010 UCM 48 (20 %) 0 12 (5 %) 78 (32,5%) Tabla 2: Formación específica en Filología Alemana/ Estudios Alemanes (en ECTS y %) El estudio universitario del Alemán como Lengua Extranjera en España 51 52 Raúl Sánchez Prieto En general, por lo tanto, la formación específica en filología alemana ha aumentado continuamente con el desarrollo de nuevos planes de estudios, especialmente en la formación práctica en alemán. Esto es especialmente visible en los nuevos planes de estudio adaptados al Espacio Europeo de Educación Superior, que recogen en buena medida las repetidas peticiones de los alumnos en las encuestas de calidad de aumentar el número de créditos de lengua alemana (fuente: Encuestas de Coordinación de Grado USAL 2008, 2009, 2010, 2011 y 2012). 4 Conclusiones En esta contribución se ha repasado la situación del alemán en los estudios universitarios en España y examinado detalladamente la trayectoria de los estudios del alemán como lengua extranjera en la universidad española desde antes de su fundación a mediados del siglo XX hasta la actualidad. A tal efecto se han distinguido cinco etapas marcadas por criterios socio-políticos, socio-educativos y por la puesta en marcha de los diferentes planes de estudio que han definido la germanística española de los últimos sesenta años. En la primera etapa, dedicada a examinar la presencia del alemán antes del nacimiento de la germanística española en 1952, esta lengua germánica apenas está presente en la universidad española. La segunda etapa, que abarca desde la 1952 hasta 1973, ve nacer los estudios de alemán en las universidades de Salamanca y Madrid, posteriormente en Barcelona. El tercer periodo considerado, que dura desde la aparición de los planes de estudio de 1973 hasta la adaptación de la Ley de Reforma Universitaria 1983 a los planes de estudio en 1993, es un periodo de expansión tanto en número de alumnos como de universidades que ofertan licenciaturas de alemán. La cuarta etapa (1993-2010), que termina con la adopción del Espacio Europeo de Educación Superior, es expansiva en una primera fase y de retracción y crisis en otra segunda. La quinta etapa, la de los “planes Bolonia” (del 2010 en adelante), coincide con el estallido de la crisis económica y ha supuesto una reorganización completa de los estudios de alemán en la mayor parte de las universidades españolas. Esta trayectoria ha sido estudiada de modo empírico partiendo de los cuatro grandes planes de estudio que ha visto la germanística en las dos universidades fundadoras de la Filología Alemana en España, la Universidad de Salamanca y la Universidad (Complutense) de Madrid. A este respecto se ha constatado que la carga docente y de trabajo del alumno ha aumentado en la serie histórica en lo que se refiere a la formación práctica en lengua alemana, se ha mantenido desde 1973 relativamente estable en lo que concierne a la lingüística, la literatura y los estudios culturales, y siempre ha sido baja o muy baja en didáctica y metodología y “Landeskunde”. En el marco de esta contribución no ha sido posible abordar empíricamente los contenidos de los programas de las asignaturas de los diferentes planes de estudios. Un análisis en profundidad de estos programas permitiría deducir, partiendo del tipo de libros de texto, gramáticas y ejercicios planteados, los métodos de enseñanza (y, por lo tanto, aprendizaje) empleados en la formación del alemán como lengua extranjera en España en cada época de las señaladas anteriormente. Bibliografía Acosta Gómez, Luis (1997): Germanistik und Deutsch an den spanischen Hochschulen. Institute, Lehrkräfte und Studenten , Madrid, Asociación Madrileña de Germanistas. Basteck, Elisabeth (2013): “Deutsch als Fremdsprache in Spanien”, en: Oomen-Welke, Ingelore/ Ahrenholz, Bernd (eds.): Deutsch als Fremdsprache. Deutschunterricht in Theorie und Praxis , Baltmannsweiler, Schneider Verlag, 503-510. Baumgratz, Gisela (2001): “Alltagskultur und Landeskunde”, en: Helbig, Gerhard et al. 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Resolución de 13 de junio de 2016, De la Universidad de Salamanca, por la que se publica la modificación del plan de estudios de Graduado en Estudios Alemanes, Boletín Oficial del Estado 2016/ 160, de 4 de julio de 2016. „Por esto dicen que más ven cuatro ojos que dos“: Valdés’ Diálogo de la lengua (1535) aus der Perspektive moderner Ansätze der Fremdsprachendidaktik verwandter Sprachen Esme Winter-Froemel (Würzburg) 1 Einleitung Die Tatsache, dass das Erlernen einer Fremdsprache grundsätzlich in einem Rahmen erfolgt, in dem die Lernenden bereits über Kenntnisse in mindestens einer anderen Sprache verfügen - einer oder mehrerer Muttersprachen / L1 sowie ggf. anderer bereits gelernter Fremdsprachen / L2 - mag als trivial erscheinen. Dennoch kann die Frage, wie dies bei der Vermittlung der Fremdsprache angemessen zu berücksichtigen ist, nach wie vor als eine zentrale Frage der Fremdsprachendidaktik angesehen werden. Hierbei rückte in einer ersten Phase in der 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts zunächst die Frage nach dem angemessenen Umgehen mit der (oder den) L1 der Lernenden in den Vordergrund, wobei vor allem die Gefahren einer Interaktion von L1 und L2 im Sinne von Interferenzen, d. h. von Abweichungen gegenüber korrekten L2-Äußerungen, die auf die L1 der Lernenden zurückgeführt wurden, gesehen wurden. In jüngerer Zeit lässt sich ein verstärktes Interesse für die Frage konstatieren, inwiefern Lernende beim Erwerb von Fremdsprachen - die nun auch als Tertiärsprachen / L3 gefasst werden - auch auf Kenntnisse anderer bereits gelernter L2 zurückgreifen; im Vordergrund stehen hier nun vor allem positive Transfereffekte auf die jeweils zu erlernende L3 (vgl. u. a. Müller-Lancé 2003). Letztere Thematik erscheint aufgrund der Möglichkeit, neue Wege zu Fremdsprachen aus derselben Sprachfamilie zu erschließen, für die Romanistik (wie etwa auch für die Slavistik und Skandinavistik) unmittelbar relevant, so dass entsprechenden Ansätzen ein großes Potential im Bereich der romanistischen Hochschuldidaktik zugeschrieben werden kann. Ausgehend von der festgestellten Relevanz und Aktualität kontrastiver Ansätze speziell für das Erlernen verwandter Sprachen soll im vorliegenden Bei- 60 Esme Winter-Froemel trag ein Sprachdialog des 16. Jahrhunderts aus Italien in den Blick genommen werden, der sich im Kontext der Darstellung der wesentlichen Merkmale des Spanischen auch den Besonderheiten des Erlernens des Spanischen durch Muttersprachler des Italienischen widmet: Juan de Valdés’ Diálogo de la lengua . Ergänzend werden weitere zeitgenössische Autoren und Werke, insbesondere Antonio de Nebrijas Gramática de la lengua castellana , herangezogen. Der vorliegende Beitrag möchte analysieren, wie in den untersuchten Werken kontrastive Perspektiven im Kontext des Erlernens verwandter Sprachen thematisiert und wie sprachliche Strukturen des Spanischen und Italienischen konkret verglichen werden. Die genannten Texte Valdés’ und Nebrijas wurden - im Gegensatz zu anderen Werken der genannten Autoren - im zeitgenössischen Kontext nur schwach rezipiert (vgl. insbesondere den großen Erfolg von Nebrijas Werken zum Lateinischen; Bossong 1990, 73; Neumann-Holzschuh 1992, 618; Martínez 2013 1 ). Valdés’ Dialog war zu seinen Lebzeiten nur handschriftlich überliefert, und es kursierten verschiedene Versionen (vgl. die Titelvariante … de las lenguas ); eine anonyme Druckfassung erschien erst 1737, eine Druckfassung unter Valdés’ Namen und mit korrektem Titel erst 1860 (vgl. Bossong 1990, 94; Martínez 2013, 45). Mein Beitrag versteht sich daher nicht als wirkungsgeschichtlich orientiert. Vielmehr soll ausgehend von Konzepten der aktuellen Fremdsprachendidaktik der Frage nachgegangen werden, inwieweit diese in den untersuchten Werken des 16. Jahrhunderts bereits punktuell aufscheinen. Aus Platzgründen können dabei die Valdés’ und Nebrijas Darstellungen zugrunde liegenden übergeordneten Ziele und Haltungen nicht umfassend erörtert werden; eine umfassendere Untersuchung der jeweiligen didaktischen Ansätze unter Einbeziehung der Rahmenbedingungen der Mehrsprachigkeit bleibt daher weiterführenden Studien vorbehalten (zur Mehrsprachigkeit im spanischen Italien des 16. und 17. Jahrhunderts vgl. auch Ambrosch-Baroua 2015). Der vorliegende Beitrag beschränkt sich darauf aufzuzeigen, dass Überlegungen zur didaktischen Relevanz gemeinsamer Strukturmerkmale verwandter Sprachen bereits im 16. Jahrhundert anzutreffen sind. Um dies zu zeigen, wird in Abschnitt 2 zunächst ein kurzer Abriss über kontrastive Ansätze in der Geschichte der Fremdsprachendidaktik gegeben, die in 1 Martínez benennt in seiner einleitenden Positionierung neben Nebrijas Grammatik die Rede Karls V. in Rom 1536 als zweites Ereignis, dem in der Rezeptionsgeschichte eine einschneidende Bedeutung zugewiesen wurde, die zeitgenössisch jedoch so nicht gegeben war: „Two main events of a somewhat anecdotal character […] have structured the narratives of Spanish as a triumphant imperial language that suddently acquired political currency and international prestige in the first decades of the sixteenth century“ (Martínez 2013, 44). „Por esto dicen que más ven cuatro ojos que dos“: Valdés’ Diálogo de la lengua (1535) 61 der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts in Abgrenzung zu bis dahin etablierten Ansätzen geprägt werden. Auch wenn die kontrastive Fremdsprachendidaktik als eigene Methode damit erst für diesen Zeitraum angesetzt werden kann, soll nachfolgend untersucht werden, inwiefern kontrastive Perspektiven bereits in fremdsprachlichen Lehrwerken des 16. Jahrhunderts anzutreffen sind. Aufgrund der Vielzahl der Werke wird im vorliegenden Beitrag eine Fokussierung auf Italien und auf Werke zum Erlernen des Spanischen als einer eng verwandten Sprache vorgenommen. In Abschnitt 3 wird ein knapper Überblick über entsprechende Werke gegeben, bevor in Abschnitt 4 Valdés sowie ergänzend dazu Nebrija in den Blick genommen werden. Ausgehend von Begriffen und Elementen der aktuellen Fremdsprachendidaktik wird untersucht, wie diese bereits in den untersuchten Werken thematisiert werden. In Abschnitt 5 werden Überlegungen zur Aktualität der Texte angestellt, wobei einerseits generelle Aspekte und andererseits spezielle Perspektiven für die aktuelle Hochschuldidaktik im Bereich der romanischen Sprachen betrachtet werden. Abschnitt 6 fasst die wesentlichen Ergebnisse zusammen und liefert einen kurzen Ausblick 2 . 2 Kontrastive Ansätze in der Geschichte der Fremdsprachendidaktik In der Geschichte der Fremdsprachendidaktik (vgl. hierzu ingesamt Roche 2008; Reimann 2014) werden kontrastive Ansätze üblicherweise ab den 1950er bis 1970er Jahren angesetzt. Die Ansätze zielen darauf ab, eine Theorie des Fremdsprachenerwerbs zu entwickeln, die Schwierigkeiten beim Erlernen bestimmter Strukturen erklären möchte (vgl. Bettoni 2001, 172). Als grundlegende Werke können Charles C. Fries’ Teaching and learning English as a foreign language (1945) und Robert Lados Linguistics Across Cultures (1957) gelten; die von Lado geprägte „Contrastive Analysis Hypothesis“ wird in der Folge in der Fremdsprachendidaktik umfassend rezipiert (vgl. z. B. Szulc 1976). Lados Arbeit und die nachfolgenden Ansätze stehen dabei wissenschaftsgeschichtlich im Kontext des Strukturalismus und Behaviorismus. Im Sinne des letzteren wird Sprachenlernen als die Ausbildung von Gewohnheiten ( habit formation ) konzipiert, wobei angenommen wird, dass die Gewohnheiten aus der L1 aufgrund der Verschiedenheit der Sprachen grundsätzlich einen potentiell störenden Einfluss ausüben. Demnach lassen sich im Sinne der kontrastiven Hypothese Erwerbsschwierigkeiten voraussagen und im Bereich von Strukturen 2 Für hilfreiche Kommentare zu dem Vortrag, der die Grundlage dieses Beitrags darstellt, danke ich den Teilnehmerinnen und Teilnehmern des XXXI. Romanistischen Kolloquiums. Den Herausgebern dieses Bandes danke ich für die sehr gute Organisation des Kolloquiums und Betreuung der Publikation. 62 Esme Winter-Froemel lokalisieren, die in der L1 und der L2 nicht übereinstimmen und daher unterschiedliche „Gewohnheiten“ der Sprecher erfordern: „those elements that are similar to his [the learner’s] native language will be simple for him, and those elements that are different will be difficult“ (Lado 1957, 2). Damit ergibt sich der strukturalistische Sprachenvergleich als zweite wesentliche Grundlage kontrastiver Ansätze in der Fremdsprachendidaktik: Um schwierig zu erlernende Strukturen voraussagen zu können, müssen die Strukturen in L1 und L2 verglichen und Übereinstimmungen sowie Abweichungen identifiziert werden. Als weiteres spezielles Instrument der Fremdsprachendidaktik erhält ferner die Fehleranalyse ( error analysis ) zentrale Bedeutung. Für die als schwierig identifizierten Strukturen werden sodann gezielte Übungsmethoden und -aufgaben ausgearbeitet. Wichtige Begriffe, die in diesem Zusammenhang geprägt werden, sind die Begriffe des Transfers und der Interferenz, die ausgehend von der Norm der jeweiligen Sprache bestimmt werden: Diejenigen Fälle der Abweichung von den Normen der einen wie der anderen Sprache, die in der Rede von Zweisprachigen als Ergebnis ihrer Vertrautheit mit mehr als einer Spache [sic], d. h. als Ergebnis des Sprachkontaktes vorkommen, werden als Interferenzerscheinungen verzeichnet (Weinreich 1976, 15, Hervorhebung im Original; vgl. Weinreich 1968, 1). Darüber hinaus werden dann jedoch in der Kontaktlinguistik und in der Fremdsprachendidaktik im Detail unterschiedliche Begriffsbestimmungen vorgenommen. In der Sprachkontaktforschung werden Einflüsse einer Ausgangssprache (AS) auf eine bestimmte Zielsprache (ZS) untersucht; hierbei wird der Begriff ‘Interferenz’ auf Realisierungen angewendet, die sich von den „üblichen“ (ohne Sprachkontakteinflüsse stattfindenden) Realisierungen der L2 unterscheiden (Coseriu 1977, 99; Kabatek 1996, 16-17; 1997; Winter-Froemel 2011, 38-41). Diese Interferenzen können sowohl Abweichungen darstellen, die an der Oberfläche sichtbar sind, als auch Abweichungen, die sich erst aus dem Vergleich der realisierten Äußerung mit anderen, ebenso möglichen Realisierungen zum Ausdruck des intendierten Inhalts ergeben. Im ersten Fall spricht man von positiven Interferenzen; diese liegen vor, wenn bestimmte von der ZS-Norm oder vom ZS-System abweichende Einheiten aus der AS in die ZS transferiert werden und die Äußerung von den ansonsten üblichen Realisierungen abweicht (d. h. ein „Fehler“ im Sinne der Norm der ZS vorliegt; Übertragungsinterferenz, z. B. it. altezza ‘Höhe’ → sp. * alteza ). Der zweite Fall wird durch den Begriff der negativen Interferenzen umschrieben; hier geht es um eine sprachkontaktbedingte Nichtrealisierung bestimmter Optionen, die entweder als unbewusstes Realisieren konvergenter Strukturen (Überschneidungsinterferenz, z. B. Realisierung von it. solamente / solo wie sp. solamente- / sólo ) oder aber als bewusste Vermeidung übereinstimmender Strukturen (Unterscheidungsinterferenz, z. B. Realisierung von it. soltanto unter Vermeidung von it. solamente / solo ) vorliegen kann. Im Falle von negativen Interferenzen liegt demnach kein „Fehler“ im Hinblick auf die ZS vor, sondern es geht um die relative Gebrauchsfrequenz bestimmter Formen und Strukturen. In der Fremdsprachendidaktik und Zweitspracherwerbsforschung herrscht dagegen ein partiell anderes Begriffsverständnis vor; im Vordergrund steht hier die positive bzw. negative Bewertung von normkonformen vs. normabweichenden Realisierungen durch die Lernenden. Im Sinne der oben skizzierten Grundannahme, nach der der Lernende Elemente aus einer ihm bereits bekannten Sprache (z. B. seiner L1) in die zu lernende Sprache / L2 überträgt, können sich abhängig von der Übereinstimmung / Nichtübereinstimmung der jeweiligen Struktur in beiden Sprachen L2-konforme oder -nichtkonforme Realisierungen ergeben. Der erstere Fall wird als (positiver) Transfer gefasst, der zweite als (negative) Interferenz (vgl. Lado 1967, 299; Matras 2009, 72; Müller/ Kupisch/ Schmitz/ Cantone 2006, 19). Damit liegt ein partiell anderes Verständnis von ‘Interferenz’ und speziell des Begriffs der ‘negativen Interferenz’ als in der Sprachkontaktforschung vor; für beide Bereiche können Interferenzen jedoch als ein zentrales Phänomen und ein wichtiger Untersuchungsgegenstand der Forschung gelten. Insgesamt lässt sich für die frühen kontrastiven Ansätze in der Fremdsprachendidaktik eine starke Fokussierung auf die L1 der Lernenden sowie eine starke Betonung ihres negativen Einflusses feststellen, den es bestmöglich zu unterdrücken gilt. Im Rahmen der Ansätze wird davon ausgegangen, dass die L1 das Erreichen eines bestimmten Kompetenzgrads in der L2 verhindere oder erschwere; die Divergenzen zwischen den Sprachen stehen im Vordergrund der Didaktik, und das Lernmaterial ist so konzipiert, dass schwere, d. h. divergente Strukturen gezielt durch Wiederholung und Einübung bestimmter Routinen angeeignet werden sollen. Im Unterricht wird versucht, die L1 zurückzudrängen, um den störenden Einfluss möglichst gering zu halten; dementsprechend wird auf die ausschließliche Verwendung der L2 im Unterricht hingearbeitet. Betrachtet man die Weiterentwicklung der kontrastiven Ansätze und Lernmodelle in der Fremdsprachendidaktik am Ende des 20. und Beginn des 21. Jahrhunderts, so lassen sich einige grundlegende Richtungsänderungen feststellen. Ingesamt wird nun stärker auf die positiven Einflüsse anderer Sprachen abgehoben und der Begriff des Transfers gegenüber dem der Interferenz in den Vordergrund gerückt. Im Hinblick auf die Methoden kann generell eine Entwicklung hin zu gemischten Zugängen, die Lehr-/ Lernmethoden und Aufgabentypen aus unterschiedlichen Theorien kombinieren, festgestellt werden, „Por esto dicen que más ven cuatro ojos que dos“: Valdés’ Diálogo de la lengua (1535) 63 64 Esme Winter-Froemel wobei über die rein induktiven Methoden der kontrastiven Ansätze der ersten Phase hinaus auch deduktive Zugänge einbezogen werden, etwa um schwierig zu erlernende Strukturen zu thematisieren. Was die potentiellen Einflusssprachen angeht, werden über die Einflüsse aus der oder den Muttersprachen der Lernenden hinaus auch Einflüsse aus anderen bereits gelernten Fremdsprachen in den Blick genommen; als Konsequenz wird der Begriff der ‘Tertiärsprachen’ (L3) geprägt, der mögliche anderweitige Einflüsse sowohl aus L1als auch aus bereits gelernten L2-Sprachen sowie qualitative Unterschiede zwischen den jeweiligen Einflüssen vorsieht. Darüber hinaus wird - vor allem im Kontext neu entstehender Ansätze zu einer Mehrsprachigkeitsdidaktik, die ein simultanes Erlernen mehrerer Sprachen einer Sprachfamilie anvisiert (vgl. hierzu u. a. Müller-Lancé 2003; Klein 2009) - eine Aufwertung rezeptiver Kompetenzen sowie niedriger oder mittlerer Kompetenzgrade in der zu erlernenden Sprache vorgenommen. Hervorgehoben werden in diesem Zusammenhang die positiven Effekte von Kenntnissen in anderen Sprachen im Hinblick auf die Nutzung vielseitiger Strategien beim Erschließen schwieriger Wörter und Texte. Besonders deutlich werden diese neuen Ansätze in einzelnen Lehrwerken für eine Mehrsprachigkeitsdidaktik der romanischen Sprachen (EuroComRom: Klein & Stegmann 2000; EuRom4 [bzw. später EuRom5; vgl. Reimann 2014, 25]: Blanche-Benveniste et al. 1997, Blanche-Benveniste & Valli 1997; vgl. darüber hinaus Dabène 1975; Dabène & Degache 1996; Meißner & Reinfried 1998; 2001; Kischel 2002; Müller-Lancé 2003; Robert 2004; Klein 2009; Berschin 2014, 242-245 sowie für einzelne Sprachenpaare Saussol 1978; Formichi, Nuzzo & Luque 1997; Arntz & Ré 2007; Bouwmeester 2011). Bereits dieser kurze Abriss zeigt ein recht großes Spektrum an möglichen Positionen innerhalb einer Fremdsprachendidaktik kontrastiver Ausrichtung. Dabei erweisen sich verwandte Sprachen als besonders interessantes Forschungsfeld mit großem Entwicklungspotential. Über die genannten vorwiegend praktisch orientierten Projekte und mehrsprachigkeitsdidaktischen Lehrwerke hinaus gibt es bislang nur wenige theoretische Studien, die Spezifika des Erlernens verwandter Sprachen ausgehend von kontrastiven Perspektiven systematisch in den Blick nehmen - zwar gibt es z. B. in den romanischsprachigen Ländern zahlreiche Lehrwerke und Arbeiten zu Potentialen und möglichen Schwierigkeiten beim Erlernen bestimmter anderer romanischer Sprachen (etwa zur Didaktik des Französischen für Italienisch-Muttersprachler etc.), jedoch kaum Arbeiten, die über die Betrachtung einzelner Sprachenpaare hinausgehen und die Besonderheiten, die für verwandte Sprachen zu berücksichtigen sind, in einer theoretischen Perspektive systematisieren. Nachfolgend soll anhand von Valdés’ Diálogo de la lengua offengelegt werden, dass bestimmte Elemente kontrastiver Zugänge bereits im 16. Jahrhundert anzutreffen sind. Dies bestätigt ihre epochenübergreifende Bedeutung; gleichzeitig können hieraus Impulse für die Aktualität gewonnen werden. Der Schwerpunkt der Darstellung liegt darauf zu untersuchen, welche sprachlichen Phänomene und linguistischen Beschreibungsebenen thematisiert werden, wie dies konkret umgesetzt wird und welche Bewertungen der Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen den Sprachen dabei anklingen. 3 Kontrastive Perspektiven in Werken zum Spanischen im Italien des 16. Jahrhunderts Die Werke zum Erlernen des Spanischen im 16. Jahrhundert auf dem Gebiet des heutigen Italiens sind im Hinblick auf ihren historischen Kontext zu betrachten. Die Entstehungszeit der Werke ist durch eine politische Vormachtstellung des spanischen Königshauses sowie eine starke internationale Ausstrahlung des Spanischen gekennzeichnet; dementsprechend stellt die Kenntnis des Spanischen einen Teil der höfischen Bildung dar. Vor diesem Hintergrund entstehen ab dem 16. Jahrhundert zahlreiche vergleichende Wörterbücher und Grammatiken, wobei über das Gebiet der Romania hinaus auch weitere durch intensiven sprachlichen und kulturellen Austausch geprägte Zentren wie Antwerpen eine wichtige Rolle als Publikationsorte spielen 3 . Die entstehenden Werke sind häufig vielsprachig gestaltet, so etwa das 1520 in Antwerpen veröffentlichte Vocabulario para aprender francés, español y flamini , das 1551-1560 veröffentlichte Vocabulario de cuatro lenguas. Tudesco, francés, latino y español, muy provechoso para los que quisieren aprender estas lenguas sowie Gabriel Meuriers Conivgaisons, regles, et instrvctions, movt propres et necessairement reqvises, pour ceux qui desirent apprendre François, Italien, Espagnol & Flamen (Anvers 1558) und die darin enthaltene Breve Instrvction contenante la maniere de bien pronocer & lire le François, Italien, Espagnol y Flamen (vgl. Neumann-Holzschuh 1992, 620). Der Diálogo de la lengua von 1535 von Juan de Valdés, der im Folgenden im Vordergrund stehen wird, wurde im Vizekönigreich Neapel im Zusammenhang mit einem dortigen Aufenthalt des Kaisers 1535/ 1536 verfasst; der Text richtet sich dabei primär an ein höfisches italienisches Zielpublikum und steht in engem Zusammenhang mit zeitgenössischen Diskussionen zur Questione della lingua und Pietro Bembos Le Prose della volgar lingua (1525). Wie andere, in der Folge entstehende Werke zum Spanischen zielen die Darstellungen daher auf die Bedürfnisse des Zielpublikums im Hinblick auf das Leben am Hof, die Handelsbeziehungen sowie die Administration des Habsburgerreichs ab (vgl. 3 Insgesamt kommt Flandern hier eine zentrale Bedeutung zu, die im vorliegenden Beitrag jedoch ausgeklammert wird. „Por esto dicen que más ven cuatro ojos que dos“: Valdés’ Diálogo de la lengua (1535) 65 66 Esme Winter-Froemel Martínez 2013, 50); beim Erlernen der Sprachen steht deren Gebrauch im öffentlichen Leben und Handel im Vordergrund, d. h. es geht um praktische Verwendungskontexte. Der Text Valdés’ lässt sich als ein fiktiver Dialog kennzeichnen, der von einem von den Gesprächsteilnehmern beauftragten und während des Gesprächs zunächst unsichtbar agierenden - d. h. insbesondere von Valdés zunächst unbemerkt bleibenden - Schreibers aufgezeichnet wird, um Valdés sodann für eine Übersetzung der italienischen Textpassagen ins Spanische sowie eine stilistische Verfeinerung vorgelegt zu werden (vgl. Lope Blanch 1990, 77). Dies wird innerhalb des Dialogs sowohl am Textbeginn als auch am Textende thematisiert 4 : Coriolano. […] querría que pusiéssemos escondido en algún lugar secreto un buen escrivano para que notasse los puntos principales que aquí se dixessen. Porque podría ser que con este principio engolosinássemos a Valdés de tal manera, que le hiziéssemos componer qualque diálogo de lo que aquí platicaremos. Marcio. Avéislo pensado muy bien; hágase assí: poned a messer Aurelio que, como sabéis, es entendido en entramas lenguas, y ordenadle lo que ha de hazer […] (Valdés, DL, 51). Marcio. […] Aurelio, daca lo que as escrito. Veis aquí anotado todo lo que avéis dicho, y yo tengo por tal al escrivano, que ha sabido bien lo que ha escrito (Valdés, DL, 183). T.[orres] […] [a Valdés] Avéis de saber que lo que todos os pedimos por merced es que, tomando esto que stá anotado de lo que aquí avemos hablado, lo pongáis todo por buena orden y en buen estilo castellano, que estos señores os dan licencia que les hagáis hablar en castellano, aunque ellos ayan hablado en italiano (Valdés, DL, 183). Die Rechtfertigung für die Abfassung des Textes, die Valdés hier konstruiert, kann im Sinne einer indirekten Captatio benevolentiae interpretiert werden: Der Text sei zunächst gegen den Willen von Valdés niedergelegt worden; die Gesprächspartner versuchen, Valdés vom Wert der schriftlichen Niederlegung des Dialogs zu überzeugen, wodurch indirekt auch der Leser angesprochen wird. Interessant ist die spezifische Ausrichtung der gegebenen Rechtfertigung: Es geht darum, zu rechtfertigen, warum Valdés überhaupt beanspruchen kann, eine Abhandlung über die spanische Sprache zu schreiben. Es handelt sich um den einzigen (überlieferten) Text von Valdés, der sich mit Sprache befasst, so dass der Text innerhalb seines Gesamtwerks, das sich vor allem mit Fragen der Religion befasst (vgl. auch entsprechende Inhalte innerhalb des Diálogo de la lengua ), als thematisch randständig gelten kann. Somit stellt sich auch die Fra- 4 Ich zitiere nachfolgend nach der Ausgabe des Diálogo de la lengua von Lope Blanch von 1969 (= Valdés, DL). ge, inwiefern Valdés das notwendige Wissen bzw. die notwendige Autorität für das Verfassen eines entsprechenden Werks verfügt. Im Hintergrund steht hier Nebrijas Gramática de la lengua castellana , die einen wichtigen Bezugsrahmen für Valdés darstellt. Dies zeigt sich auch darin, dass Nebrija (bzw. bei Valdés “Librixa”) immer wieder im Text erwähnt wird, wobei Valdés angibt, ihn nicht gelesen zu haben (vgl. z. B. Valdés, DL, 75); dies erscheint aber sowohl angesichts der häufigen Erwähnung von Nebrija als auch des zum Teil präzisen Aufgreifens von bei Nebrija besprochenen Formen nicht glaubwürdig. Es geht Valdés somit darum, ein gegenüber Nebrija eigenständiges Modell zu konzipieren und zu rechtfertigen, was sowohl formale Aspekte (die Wahl der Textgattung Dialog sowie eines relativ mündlichkeitsnahen bzw. nähesprachlichen Stils) als auch inhaltliche Fragen einschließt. Für die letzteren ist die von Valdés angenommene Ebenbürtigkeit des Spanischen gegenüber dem Lateinischen sowie das von ihm vertretene Stilideal zwischen uso und arte zu nennen. Entsprechend der grundsätzlichen Konzeption von Valdés’ Text als Dialog weist dieser keine Textgliederung in Form von Zwischenüberschriften auf. Dennoch lassen sich inhaltliche Blöcke eingrenzen, die innerhalb des Dialogs wiederum fiktiv von Marcio festgelegt werden: Marcio. Si os queréis governar por mí, haremos desta manera: En la primera parte le preguntaremos lo que sabe del origen o principio que an tenido, assí la lengua castellana como las otras lenguas que oy se hablan en España; en la segunda lo que pertenece a la gramaática; en la tercera lo que le avemos notado en el escrivir unas letras más que otras; en la quarta la causa que lo mueve a poner o quitar en algunos vocablos una sílaba; en la quinta le pediremos nos diga por qué no usa de muchos vocablos que usan otros; en la sesta le rogaremos nos avise de los primores que guarda quanto al estilo; en la séptima le demandaremos su parecer acerca de los libros que stán escritos en castellano; al último haremos que nos diga su opinión sobre quál lengua tiene por más conforme a la latina, la castellana o la toscana. De manera que lo primero será del origen de la lengua, lo segundo de la gramática, lo tercero de las letras, adonde entra la ortografía, lo quarto de las sílabas, lo quinto de los vocablos, lo sesto del estilo, lo séptimo de los libros, lo último de la conformidad de las lenguas […] (Valdés, DL, 51). Damit kann festgestellt werden, dass grundlegende Aspekte von Sprache, wie sie innerhalb von Werken der Textsorte Abhandlung erscheinen, auch hier besprochen werden: die Ursprünge des Spanischen, die Grammatik, Orthographie, Verwendung der Wörter sowie Fragen des Stils und literarische Beispiele. Das Spanische wird dabei im Vergleich zum Italienischen sowie zu den antiken Sprachen (auch Valdés besitzt sehr gute Kenntnisse im Lateinischen, Griechischen und Hebräischen) und weiterer Sprachen betrachtet. Dennoch kann Valdés’ Diálogo in inhaltlicher Hinsicht nicht als umfassende Abhandlung zur „Por esto dicen que más ven cuatro ojos que dos“: Valdés’ Diálogo de la lengua (1535) 67 68 Esme Winter-Froemel spanischen Sprache gesehen werden, da stets von konkreten Schwierigkeiten beim Erlernen dieser Sprache durch Sprecher einer anderen Sprache ausgegangen wird. Deren Vorwissen stellt damit zu einem gewissen Grad einen Filter im Hinblick auf die behandelten Inhalte dar, was sich beispielsweise daran zeigt, dass gezielt konvergente Strukturen zwischen dem Italienischen und Spanischen realisiert werden, was sich in fremdsprachendidaktischer Perspektive als Betonung von Transfermöglichkeiten, in der Perspektive der Sprachkontaktforschung als Realisierung von negativen Interferenzen in Form von Überschneidungsinterferenzen charakterisieren lässt (vgl. die Abschnitte 2 und 4. 1 des vorliegenden Beitrags). Wie Nebrija sieht auch Valdés gewisse Übertragungsmöglichkeiten zwischen dem Spanischen und dem Lateinischen, und er nimmt an, dass Lateinkenntnisse zu einem besseren Verständnis des Spanischen beitragen können (womit die Perspektive gegenüber Nebrija umgekehrt wird, bei dem das Erlernen des Lateinischen das eigentliche Ziel darstellt, zu dessen Erreichen das Studium des Spanischen beitragen könne). Dabei geht Valdés von einer Ebenbürtigkeit des Spanischen gegenüber dem Lateinischen sowie gegenüber anderen romanischen Sprachen aus: Valdés. Y aun porque cada lengua tiene sus vocablos propios, y sus propias maneras de dezir […] y assí unas cosas se dizen en una lengua bien que en otra no se pueden dezir assí bien; y en la mesma otra, otras que se digan mejor que en otra ninguna (Valdés, DL, 146). Hier wird ein zentrales Ziel des Dialogs deutlich, das als die Begründung einer Hispanidad angegeben werden kann. Diese Botschaft wird jedoch vor allem indirekt geäußert, und es erscheint bemerkenswert, dass dies über eine Kontrastierung mit dem Italienischen - als einer Sprache, in der bereits im Rahmen der Diskussionen der Questione della lingua eine Tradition der Reflexion über sprachbezogene Fragen etabliert ist - erfolgt. Die Kontrastierung der Sprachen und die Inszenierung eines Dialogs zwischen Sprechern verschiedener Herkunft dient somit dazu, grundlegende Reflexionen über Sprache und konkrete Einzelsprachen sowie ihr Verhältnis zueinander anzustellen. Im Vergleich zu Nebrija betont Valdés in diesem Zusammenhang den grundlegenden Unterschied zwischen dem Lateinischen (das durch Regeln und arte gelernt werde) und dem Spanischen (das nur durch den uso gelernt werde). Ausgehend von dieser Grundannahme argumentiert Valdés für eine bestimmte uso -orientierte Konzeption von Sprache, die gleichwohl auch arte (im Sinne eines bewussten Grammatikstudiums) sowie cuidado und miramiento (im Sinne einer „Geschmacksbildung“ beim Erlernen der Sprache) einschließt. Hierbei spielen Sprichwörter ( refranes ) und coplas eine zentrale Rolle, da für das Spanische literarische Modelle, wie sie durch das Trecento für das Italienische vorhanden sind, nicht in vergleichbarer Form zur Verfügung stehen (vgl. Valdés, DL, 44). Insgesamt wird Sprache damit als ein komplexes soziales und kulturelles Phänomen charakterisiert, und es werden nicht nur interne, sondern auch externe Aspekte beim Erlernen der Sprache einbezogen. Letztere umfassen bei Valdés sowohl Handelsbeziehungen als auch die zentrale Rolle des Spanischen als Sprache der politischen Herrschaft; sein Werk zielt darauf ab, nicht nur Informationen über das Spanische zu geben, sondern auch nützliche Ausdrucksweisen für höfische Konversation bereitzustellen. Der Dialog steht somit zwischen Grammatik und Konversationslehrbuch, so dass auch ein Bezug zu Castigliones Il libro del cortegiano (1528) zu sehen ist. Das schriftlich Niedergelegte orientiert sich dabei, so Valdés, generell an einem gepflegten mündlichen Ausdruck: Marcio. Que nos digáis lo que observáis y guardáis acerca del escrivir y hablar en vuestro romance castellano cuanto al estilo. [VI] Valdés. Para deziros la verdad, muy pocas cosas observe, porque el estilo que tengo me es natural, y sin afetación ninguna escrivo como hablo; solamente tengo cuidado de usar de vocablos que sinifiquen bien lo que quiero dezir, y dígolo quanto más llanamente me es possible […] (Valdés, DL, 153-154). Bevor in den folgenden Abschnitten gezielt einzelne didaktische Konzepte im Hinblick auf ihre Berücksichtigung in Valdés’ Dialog betrachtet werden, sollen kurz einige weitere Werke genannt werden, die im 16. Jahrhundert auf dem Gebiet des heutigen Italiens entstehen und die weiterführend vergleichend analysiert werden könnten. Zu nennen ist hier zunächst Giovanni Mario Alessandris Il paragone della lingua toscana et castigliana (1560, Neapel), das sich ebenso an ein höfisches Zielpublikum richtet und in dem eine explizite Kontrastierung des Kastilischen und Toskanischen vorgenommen wird. Anders als Valdés’ Werk ist dieser Text in italienischer Sprache abgefasst; die vier vergleichenden Kapitel orientieren sich dabei an klassischen Bereichen der Grammatik („Retta scrittura et pronuntia“, „Nomi“, „Pronomi“, „Verbi“), wobei Konvergenzen und Divergenzen herausgestellt werden, so etwa bezüglich der Aussprache des Buchstabens G: „Considerata per se questa lettera ,g, egual uirtù ha nelle uoci Toscane & Castigliane, perche cosi da noi si proferisce, Gaeta, ingordo, augurio, come da Castigliani Gaspar, gouierno, agustin. Solamente di nanzi la ,e, & ,i, si pronuntia la ,g, da Castigliani co(n) un spirito un poco piu grosso, & piu confuso, che da noi. di maniera che la lor pronuntia in queste due sil labe [sic], ge, gi, si può dire esser meza, fra la pronuntia che diamo noi a ge, gi, & quella che diamo à sce, sci, come gente, mugèr, general […]“ (Alessandri 1560, 16r-18v). Das fünfte „Por esto dicen que más ven cuatro ojos que dos“: Valdés’ Diálogo de la lengua (1535) 69 70 Esme Winter-Froemel Kapitel behandelt „Voci indeclinabili“; hier werden spanische Äquivalente für italienische Adverbien und phraseologische Einheiten angegeben, d. h. es werden hochfrequente und / oder idiomatische Ausdrücke behandelt, denen aus Sicht der heutigen Fremdsprachendidaktik ein hoher kommunikativer Nutzen zugeschrieben werden kann. Eine weitere explizite Konstrastierung der beiden Sprachen findet sich in Juan de [/ Giovanni] Mirandas Osservationi della lingua castigliana (1566, Vinegia [Venedig], hier zitiert nach der Ausgabe von 1567). Auch dieses Werk, das unter dem Einfluss des vorgenannten Werks von Alessandri entsteht und sich ebenso an ein höfisches Zielpublikum richtet, ist in italienischer Sprache verfasst. Die kontrastive Perspektive steht hier nicht durchgängig im Vordergrund, ist aber für einzelne Kapitel klar herausgestellt (vgl. etwa die Kapitel „L’Alphabeto Spagnuolo diuerso dal toscano e in che consista la differenza della pronuntia“, „Nomi che in castigliano sono del la femina, & in toscano del maschio“, „Quante maniere siano di motteggiare e quai s’usino da castigliani“, „Che nello scriuere castigliano non si troui tanta difficoltà come nel lo scriuer toscano“, „I nomi toscani finiti in tudine finiscono in tud in castigliano“; vgl. Calvi 1995, 16-22). Darüber hinaus liefert Cristóbal de las Casas mit seinem Vocabulario de las dos lenguas Toscana y Castellana (1570) ein zweisprachiges Wörterverzeichnis, das auch einige Hinweise zu Aussprache und Grammatik bereitstellt (vgl. Lope Blanch 1990, 111-125). Ein weiteres sehr einflussreiches Werk ist Lorenzo Franciosinis Grammatica spagnvola, et italiana (1624, Venetia) (vgl. Neumann-Holzschuh 1992, 620). Bevor im folgenden Abschnitt auf einzelne didaktische Konzepte bei Valdés eingegangen wird, sollen abschließend Grundzüge von Antonio de Nebrijas Gramática de la lengua castellana (1492) skizziert werden, die, wie erläutert, einen wichtigen Bezugspunkt für Valdés darstellt und trotz ihrer in wesentlichen Aspekten grundlegend anderen Ausrichtung auf das Verhältnis von Sprache und politischer Macht ebenso einzelne kontrastive Perspektiven beinhaltet. Aus heutiger Sicht kann das Werk als erste Grammatik des Spanischen und als erste Grammatik einer Volkssprache charakterisiert werden; hierbei ist jedoch einschränkend auf die äußerst schwache zeitgenössische Rezeption hinzuweisen (vgl. die Einleitung des vorliegenden Beitrags). Die Abhandlung steht neben anderen Werken Nebrijas zur Grammatik und zum Wortschatz des Lateinischen; der Aufbau des Textes ist an antike Grammatiken des Lateinischen angelehnt, und es geht nun darum, sprachliche Besonderheiten des Spanischen zu beschreiben und so das Spanische als Sprache des imperio zu festigen (vgl. den Prólogo der Gramática de la lengua castellana ) 5 . Dabei lassen sich drei wesentliche Zielsetzungen des Werks benennen: Erstens geht es um eine Kodifizierung des Spanischen (vergleichbar der des Griechischen und Lateinischen), um eine Weiterentwicklung weg vom Lateinischen und einen drohenden Verfall zu verhindern: […] acordé ante todas las otras cosas reduzir en artificio este nuestro lenguaje castellano: para que lo que agora y de aquí adelante en él se escriviere pueda quedar en un tenor: y estenderse en toda la duración de los tiempos que están por venir (Nebrija, GLC, Prólogo). Darüber hinaus wird für das Studium des Spanischen als Zugang zum Lateinischen argumentiert: Porque después que sintieren bien el arte del castellano: lo cual no será mui difícile porque es sobre la lengua que ia ellos sienten: cuando passaren al latín no avrá cosa tan escura: que no se les haga mui ligera: maior mente entreveniendo aquel Arte de la Gramática que me mandó hacer vuestra Alteza contraponiendo línea por línea el romance al latín (Nebrija, GLC, Prólogo). Drittens soll mit der Gramática de la lengua castellana ein Lehrwerk zur Vermittlung der Sprache an eroberte Völker und benachbarte Völker, mit denen Beziehungen bestehen, vorgelegt werden: Que después que vuestra Alteza metiesse debaxo de su iugo muchos pueblos bárbaros y naciones de peregrinas lenguas: y con el vencimiento aquellos ternían necessidad de recebir las leies: quel vencedor pone al vencido y con ellas nuestra lengua: entonces por esta mi Arte podrían venir en el conocimiento della como agora nos otros deprendemos el Arte de la Gramática latina para deprender el latín. y cierto assí es que no sola mente los enemigos de nuestra fe que tienen ia necessidad de saber el lenguaje castellano: mas los vizcaínos. navarros. franceses. italianos. y todos los otros que tienen algún trato y conversación en España y necessidad de nuestra lengua: si no vienen desde niños a la deprender por uso: podrán la más aína saber por esta mi obra (Nebrija, GLC, Prólogo). 5 Ich zitiere nachfolgend nach der online-Ausgabe Nebrija, Antonio de (1492): Gramática de la lengua castellana , Salamanca, www.antoniodenebrija.org/ indice.html, 2007 (Zugriff 24. 05. 2016) (= Nebrija, GLC). Bei dieser Ausgabe wurde eine Anpassung an die moderne Akzentsetzung vorgenommen, und vorhandene Abkürzungen (Nasalierungsstrich, et -Kürzel) wurden aufgelöst, ohne dass dies in der Transkription kenntlich gemacht wird. Ergänzend wurde das Digitalisat der Biblioteca Nacional de España konsultiert (http: / / bdh.bne.es/ bnesearch/ detalle/ bdh0000174208, Zugriff 26. 09. 2019). „Por esto dicen que más ven cuatro ojos que dos“: Valdés’ Diálogo de la lengua (1535) 71 72 Esme Winter-Froemel Entsprechend dieser drei Ziele lassen sich unterschiedliche Lesergruppen benennen, die bei der Abfassung des Werks berücksichtigt sind. Während sich die ersten vier Bücher auf die beiden zuerst genannten Aspekte konzentrieren ( ortographia , prosodia y sílaba , etimología y dición, sintaxi e orden de las diez partes de la oración ), stehen im fünften Buch Nichtmuttersprachler als Lerner des Spanischen im Vordergrund ( de las introduciones de la lengua castellana para los que de estraña lengua querrán deprender ), womit auch kontrastive Perspektiven berücksichtigt werden. 4 Valdés’ Diálogo de la lengua im Licht von Konzepten der modernen Fremdsprachendidaktik Nachfolgend soll untersucht werden, inwiefern sich Begriffe der modernen Fremdsprachendidaktik auf Valdés’ Diálogo de la lengua anwenden lassen. Zwar werden die entsprechenden Aspekte bei Valdés nicht genuin aus fremdsprachendidaktischen Überlegungen heraus verwendet; dennoch ergeben sich etwa durch die Ausrichtung an Adressatengruppen und die Berücksichtigung idiomatischer Wendungen Brücken zu aktuellen Ansätzen, wobei gerade aus der Alterität von Valdés’ Werk auch neue Anstöße gewonnen werden können. So erklärt sich Valdés’ umfassende Berücksichtigung von refranes aus dem Ziel einer Orientierung am uso , für den anders als für das Italienische keine umfassenden literarischen Modelle zur Verfügung stehen; gleichzeitig wird damit aber eine bestimmte Konzeption bezüglich des Wesens des Spanischen bzw. von Sprache überhaupt (zumindest lebender Sprachen) vertreten, die unmittelbar auch für didaktische Fragestellungen relevant ist. Dies kann an den Entwicklungen in der Fremdsprachendidaktik des 20. Jahrhunderts bezüglich der Messung von Sprachkompetenz aufgezeigt werden, bei der nach einer Fokussierung auf Grammatik und Materialien im Medium der Schrift zunächst die mündliche Ausdrucks- und Verstehensfähigkeit und dann in einem weiteren Schritt der Bereich pragmatischer oder kommunikativer Kompetenz als zusätzliche Komponenten sprachlicher Kompetenz in den Blick genommen wurden, womit jeweils auch ein grundlegender Wandel in der zugrunde gelegten Sprachauffassung einherging. Valdés’ refranes lassen sich zu einem gewissen Grad als Elemente der Vermittlung einer kommunikativen Kompetenz auffassen, so dass sein Text anschlussfähig im Hinblick auf aktuelle Diskussionen erscheint. Darüber hinaus beziehe ich im Folgenden vergleichend Nebrija ein, der nicht nur eine wichtige Grundlage für das Verständnis von Valdés darstellt, sondern wie dieser L1-Sprecher des Spanischen ist, einen längeren Studienaufenthalt in Italien verbrachte und dadurch in Kontakt mit der italienischen Renaissance kam. Interessant ist hierbei, wie die jeweiligen Bezüge zwischen den Sprachen hergestellt und wie die Sprachen im Detail kontrastiert werden. Um dies zu untersuchen, wird zunächst in den Blick genommen, welche Adressaten(gruppen) im Vordergrund stehen; sodann wird die Darstellung von Konvergenzen und Divergenzen zwischen den Sprachen analysiert; schließlich wird erörtert, wie die Behandlung dieser Konvergenzen und Divergenzen im Text begründet wird und wie diese bewertet werden. 4.1 Ausrichtung an Adressatengruppen Der Diálogo de la lengua von Valdés ist als Gespräch zwischen Personen unterschiedlicher sprachlicher Herkunft und unterschiedlicher Kompetenzgrade bezüglich des Spanischen konzipiert. Abgesehen von Aurelio, der zwar physisch anwesend ist, jedoch als unsichtbarer Schreiber nicht am Gespräch teilnimmt, sind vier Sprecher zu berücksichtigen, die sich in je zwei Muttersprachler des Italienischen und Spanischen aufteilen: Marcio, der über eine gewisse mündliche Kompetenz des Spanischen verfügt, Coriolano, der das Spanische erlernen möchte, Pacheco (bzw. Torres, vgl. das in Madrid konservierte Manuskript und die Edition von Barbolani, Valdés 1982 / 2014 [1535]), der Muttersprachler des Spanischen ist und somit den uso beherrscht, sowie Valdés, der sowohl uso als auch arte des Spanischen beherrscht und daher als Experte konsultiert wird: Marcio. […] el señor Pacheco, como hombre nacido y criado en España, presumiendo saber la lengua tan bien como otro, y yo, como curioso della, desseando saberla assí bien escrivir como la sé hablar, y el señor Coriolano como buen cortesano, quiriendo del todo entenderla (porque, como veis, ya en Italia assí entre damas como entre cavalleros se tiene por gentileza y galanía saber hablar castellano) […] (Valdés, DL, 41). Dabei erfolgt auch eine fiktive Rechtfertigung der Tatsache, dass der Bereich der Schriftlichkeit ebenfalls behandelt wird, indem die italienischen Gesprächspartner von einem regelmäßigen Briefverkehr mit Valdés und einem gegenseitigen Austausch seiner Briefe unter den drei Rezipienten berichten, im Zuge dessen immer wieder Fragen zur spanischen Sprache aufgekommen seien (vgl. Valdés, DL, 41). Auch bei Nebrija werden unterschiedliche Adressatengruppen bzw. unterschiedliche Lernergruppen erwähnt; anders als bei Valdés werden diese jedoch nicht durch konkrete Individuen verkörpert, sondern allgemein charakterisiert. Es handelt sich hierbei erstens um Sprecher, die das Spanische als Muttersprache / L1 erlernt haben, zweitens um Sprecher, die ausgehend vom Spanischen das Lateinische erlernen möchten, und drittens um Sprecher anderer Muttersprachen / L1, die Spanisch lernen möchten. Das fünfte Buch der Gramática de „Por esto dicen que más ven cuatro ojos que dos“: Valdés’ Diálogo de la lengua (1535) 73 74 Esme Winter-Froemel la lengua castellana , das hier im Vordergrund stehen soll, richtet sich dabei an die zuletzt genannte Gruppe: Como diximos en el prólogo desta obra: para tres géneros de ombres se compuso el Arte del Castellano. Primera mente para los que quieren reduzir 6 en artificio e razón la lengua que por luengo uso desde niños deprendieron. Después para aquellos que por la lengua castellana querrán venir al conocimiento de la latina: lo cual pueden más ligera mente hazer: si una vez supieren el artificio sobre la lengua que ellos sienten. I para estos tales se escrivieron los cuatro libros passados, en los cuales siguiendo la orden natural de la grammática: tratamos primero de la letra e sílaba: después de las diciones e orden de las partes de la oración. Agora en este libro quinto siguiendo la orden de la doctrina daremos introduciones de la lengua castellana para el tercero género de ombres: los cuales de alguna lengua peregrina querrán venir al conocimiento de la nuestra […] (Nebrija, DLC, Libro quinto, Prólogo). Im Vergleich zeigt sich, dass bei Valdés Nebrijas zweite Lernergruppe fehlt (die das Spanische als Zwischenschritt auf dem Weg zum Lateinischen erlernen möchte), während die bei Valdés von Marcio verkörperte Adressatengruppe interessierter Lerner mit Vorkenntnissen keine Entsprechung bei Nebrija hat. Dies erscheint insofern bedeutsam, als die kontrastiven Betrachtungen bei Valdés vor allem über Marcio motiviert werden. Damit wird nahegelegt, dass sprachvergleichende Betrachtungen insbesondere für Lernende mit gewissen Vorkenntnissen gewinnbringend sind. Gleichzeitig ermöglicht es die Heterogenität der Kompetenzen der Gesprächspartner Valdés, in seinem Text umfassende begriffliche Erklärungen zu geben; insbesondere auf Rückfragen Coriolanos hin werden Begriffe wie refranes oder ecepción (das Corominas bereits 1342 nachweist, vgl. Barbolanis Kommentierung in Valdés 1982 / 2014 [1535]: 154) oder einzelne Ausdrücke wie alevoso erläutert: Coriolano. Antes que passéis adelante, es menester que sepa yo qué cosa son refranes. Valdés. Son proverbios o adagios (Valdés, DL, 48). Pacheco. Mirad cómo habláis, porque ecepción , pues yo no lo entiendo, no es vocablo puro castellano. Valdés. Tenéis razón, pero, pues me hazéis hablar en esta materia, en que yo no he visto cómo otros castellanos an hablado, es menester que sufráis me aproveche de los vocablos que más a propósito me parecerán, obligándome yo a declararos los que no entendiéredes, y assí digo que tener ecepción una regla es tener algunas cosas que sallen de aquella orden que la regla pone (Valdés, DL, 73). 6 Im Digitalisat der Biblioteca Nacional de España: redezir . Marcio. ¿Qué significa alevoso ? Valdés. Pienso sea lo mesmo que traidor […] (Valdés, DL, 120). Dabei werden gezielt übereinstimmende Strukturen zwischen dem Italienischen und Spanischen realisiert, um einen Transfer zu ermöglichen und das Verständnis zu erleichern (vgl. die Erläuterung von refranes durch sp. proverbios , das über die italienische Form proverbi unmittelbar erschlossen werden kann, sowie die Erläuterung von alevoso durch sp. traidor , das über it. traditore erschlossen werden kann). Dieses Vorgehen wird im Text auch explizit thematisiert: Valdés. […] voy siempre acomodando las palabras castellanas con las italianas, y las maneras de dezir de la una lengua con las de la otra, de manera que sin apartarme del castellano sea mejor entendido del italiano (Valdés, DL, 147). 4.2 Darstellung von Merkmalen der spanischen Sprache, Konvergenzen und Divergenzen gegenüber anderen Sprachen Aufgrund der Rahmenbedingungen des Dialogs bei Valdés sind umfassende kontrastive Betrachtungen erwartbar, und entsprechende Darstellungen finden sich im Text tatsächlich in großer Zahl, wobei die Vergleiche häufig explizit als solche markiert werden. Dabei werden vor allem das Spanische bzw. Kastilische und Lateinische sowie das Spanische und Toskanische bzw. Italienische kontrastiert. Implizite Vergleiche liegen vor, wenn beispielsweise Lernschwierigkeiten in Bezug auf die graphischen Akzente im Spanischen oder etymologische Graphien (vgl. zur Ebene der Schreibungen insgesamt Meisenburg 1996) thematisiert werden; aus den Darstellungen kann dabei erschlossen werden, dass die auftretenden Lernschwierigkeiten durch die Tatsache bedingt sind, dass die entsprechenden Strukturen im Italienischen keine Entsprechungen aufweisen: Marcio. […] ésta de los acentos es una de las principales cosas con que yo venía armado contra vos, y paréceme lo que sobrêsto dezís tan bien, que no puedo dexar de aprovarlo, aunque hasta aquí me parecía cosa bien demasiada (Valdés, DL, 72). Marcio. Veo en vuestras cartas que en algunos vocablos ponéis b adonde otros no la ponen, y dezís cobdiciar , cobdo , dubdar , súbdito ; querría saber por qué lo hazéis assí. Valdés. Porque a mi ver los vocablos están más llenos y mejores con la b que sin ella, y porque toda mi vida los he scrito y pronunciado con b (Valdés, DL, 89). Im Bereich der expliziten Vergleiche mit dem Lateinischen lassen sich Betrachtungen zum grammatischen Genus nennen: Valdés. […] que por la mayor parte, los vocablos latinos guardan en el castellano el mesmo género que en el latín; y digo por la mayor parte, porque ay muchos que no lo „Por esto dicen que más ven cuatro ojos que dos“: Valdés’ Diálogo de la lengua (1535) 75 76 Esme Winter-Froemel guardan assí, como son los nombres de árboles, que en latín son, como sabéis, casi todos femeninos, y en castellano son casi todos masculinos, y los de la fruta son los más femeninos; pero por lo más ordinario veréis que los nombres en castellano guardan el género que en el latín desta manera, que los nombres acabados en a serán femeninos, y assí por el consiguiente (Valdés, DL, 69). Explizite Vergleiche mit dem Italienischen / Toskanischen erscheinen zunächst in Bezug auf das Schriftsystem bzw. einzelne Grapheme. So wird eine Entsprechung von kast. <j> und tosk. <gi> festgestellt, die an späterer Stelle wieder aufgegriffen wird: Valdés. […] Confórmase también con el latín en el a. b.c , aunque difieren en esto, que la lengua castellana tiene una j larga que vale por gi , y tiene una que nosotros llamamos cerilla , la cual haze que la c valga por z ; tiene más una tilde que en muchas partes, puesta sobre la n , vale tanto como g (Valdés, DL, 66). Valdés. Quanto a la j larga, ya al principio os dixe cómo suena al castellano lo que al toscano gi , de manera que stará bien en todos los lugares que uviere de sonar como vuestra gi , y mal en los que uviere de sonar de otra manera. Stá bien en mejor , trabajo , jugar , jamás , naranja , y assí en todos los vocablos que tienen este ja jo ju (Valdés, DL, 82-83). Ebenso wird ausgehend von der Schwierigkeit der Aussprache von <ll>, d. h. der Frage der hier geltenden Graphem-Phonem-Korrespondenzen des Spanischen, zunächst eine Abweichung gegenüber den Leseregeln für it. <ll> festgestellt und sodann auf das äquivalente Graphem des Italienischen verwiesen, um die entsprechende Aussprache wiederzugeben; damit kehrt sich die Betrachtung hin zu Phonem-Graphem-Korrespondenzen um: Coriolano. Uno de los tropieços en que yo caigo quando leo algunas cosas en castellano, es el de las dos eles, porque como no las pronunciáis como nosotros, nunca acabo de caer en la pronunciación dellas. Valdés. […] el castellano pronuncia siempre las dos eles como vosotros pronunciáis la g con l y con i , de manera que vosotros escrivís gagliardo y nosotros gallardo , y todos los pronunciamos de una mesma manera […] (Valdés, DL, 99). Ebenso wird eine Entsprechung zwischen der diakritischen Funktion der Tilde im Kastilischen und dem <g> im Italienischen bzw. <ñ> und it. <gn> festgestellt; den Ausgangspunkt stellt dabei zunächst eine Feststellung der Divergenz der Aussprache von Formen wie sp. sinificar - it. significar dar, bei der Schreibungen mit <gn> als spezifisches Merkmal des Italienischen herausgehoben werden: Valdés. Quando escrivo alguna carta particular en castellano para algún italiano, pongo la g por la mesma causa que he dicho que en lugar de la j larga pongo gi ; pero quando escrivo para castellanos, y entre castellanos, siempre quito la g , y digo sinificar y no significar , manífico y no magnífico , dino y no digno , y digo que la quito, porque no la pronuncio, porque la lengua castellana no conoce de ninguna manera aquella pronunciación de la g con la n ; y veréislo, porque no dize segnor , sino señor , sirviéndose de la tilde donde vosotros os servís de la g […] (Valdés, DL, 96). An späterer Stelle wird wiederum in Bezug auf die Tilde zusätzlich auf das Lateinische Bezug genommen: Valdés. […] La tilde generalmente sirve en el castellano del mesmo oficio que en el latín, y particularmente, puesta sobre la n , vale lo que al latino y toscano la g quando stá cabo la n , y assí, donde el latino escrive ignorancia , el castellano iñorancia , y donde el toscano escrive signor , el castellano pone señor (Valdés, DL, 110-111). Neben diesen punktuellen Vergleichen einzelner Merkmale vor allem des Spanischen und Italienischen finden sich Vergleiche einer Reihe von Einzelausdrücken in verschiedenen Sprachstufen, Vergleiche von Ausdrücken, die in der jeweils anderen Sprache keine direkte Entsprechung haben, sowie ein Vergleich der Nähe der beiden genannten Sprachen zum Lateinischen. Damit kommt für die Sprachenvergleiche insbesondere der lexikalischen Ebene eine zentrale Bedeutung zu. Insgesamt wird bei Valdés systematisch eine kontrastive Perspektive zugrunde gelegt und in umfassender Weise abgehandelt. Dennoch dominiert diese nicht durchgängig die Darstellung der Inhalte, sondern die entsprechenden Betrachtungen erfolgen vor allem punktuell und fallbezogen für spezifische Erwerbsschwierigkeiten bzw. für Fälle, für die sich klare Entsprechungsregeln zwischen dem Kastilischen und Toskanischen angeben lassen. Ferner wird bei der Besprechung von Konvergenzen und Divergenzen nicht ein einheitliches Beschreibungsschema zugrunde gelegt, sondern die Darstellung orientiert sich jeweils an konkreten Übereinstimmungen und Divergenzen (vgl. insbesondere die Darstellungen zur Tilde, die sich auf mehrere Stellen im Text verteilen und zwischen den Ebenen der Aussprache, der Schreibungen sowie der Graphem-Phonembzw. Phonem-Graphem-Korrespondenzen wechseln). Bei einem vergleichenden Blick auf Nebrija ergeben sich einige überraschende Erkenntnisse. Kontrastive Betrachtungen lassen sich bei Nebrija insbesondere im fünften Buch De las introduciones de la lengua castellana para los que de estraña lengua querrán deprender erwarten. Es zeigt sich aber, dass hier insgesamt relativ selten explizite Kontrastierungen vorgenommen werden. Implizite Kontrastierungen ausgehend von Lernschwierigkeiten einzelner Lernender wie bei Valdés sind nicht in derselben Weise möglich, da ja nicht konkrete Personen die jeweiligen Lernergruppen verkörpern, sondern die Lernergruppen als abstrakte Größen gefasst werden. Darüber hinaus fällt auf, dass die Kontrastierun- „Por esto dicen que más ven cuatro ojos que dos“: Valdés’ Diálogo de la lengua (1535) 77 78 Esme Winter-Froemel gen im Text fast ausschließlich auf das Lateinische bezogen sind; hierbei geht es vor allem um sprachliche Merkmale auf bestimmten Beschreibungsebenen, z. B. der Ebene der Graphie: Las figuras de las letras que la lengua castellana tomó prestadas del latín para representar veinte e seis pronunciaciones que tiene: son aquestas veinte e tres. a. b. c. d. e. f. g. h. i. k. l. m. n. o. p. q. r. s. t. u. x. y. z. […] Las xxvj pronunciaciones de la lengua castellana se representan e escriven assí. a. b. c. ç. ch. d. e. f. g. h. i. j. l. ll. m. n. gn. o. p. r. s. t. v. u. x. z. Las letras que ningún uso tienen en el castellano son estas. k. q. y griega. […] (Nebrija, GLC, Libro V, Capítulo primero, de las letras, sílabas e dicciones). Darüber hinaus wird bei der Besprechung der Konjugation zunächst auf eine sprachenübergreifende Lernschwierigkeit hingewiesen und sodann das Ausgehen vom Infinitiv auch dadurch begründet, dass dieser Lernenden des Spanischen mit anderen Muttersprachen als erstes begegne: La mayor dificultad de la gramática, no solamente castellana, mas aun griega y latina, y de otro cualquier lenguaje que se hubiese de reducir en artificio, está en la conjugación del verbo, y en cómo se podrá traer por todos los modos, tiempos, números y personas. Para instrucción de lo cual es menester primeramente que pongamos alguna cosa firme de donde demostremos toda la diversidad que puede acontecer en el verbo. Y pareciónos que éste principalmente debía ser el presente del infinitivo, al cual otros llamaron nombre infinito. Lo primero, porque éste tiene mayor proporción y conformidad con toda la conjugación; después, porque lo primero que del verbo se ofrece a los que de otra lengua vienen a deprender la nuestra, es el presente del infinitivo; lo tercero, porque, como dijimos, de este mismo tiempo se toma la diversidad de las tres conjugaciones que tiene el castellano (Nebrija, GLC, Libro V, Capítulo quinto, de la formación del verbo, reglas generales). Insgesamt bleiben kontrastive Betrachtungen im fünften Buch relativ randständig. Für die Bücher I bis IV finden sich jedoch ebenso kontrastive Perspektiven, wobei insbesondere das Spanische mit dem Lateinischen verglichen wird, darüber hinaus aber auch andere Sprachen wie Griechisch, Italienisch, Französisch, Hebräisch oder Arabisch thematisiert werden. Jedoch findet meist keine Ausrichtung an L1-Sprechern der zeitgenössischen Sprachen statt 7 ; vielmehr 7 Eine gewisse Ausnahme in dieser Hinsicht stellt die folgende Textpassage dar: „[…] Mas, aunque las voces sean al hombre connaturales, algunas lenguas tienen ciertas voces que los hombres de otra nación, ni aun por tormento no pueden pronunciar. […] Como esto que en nuestra lengua común escribimos con doblada 'l', así es voz propia de nuestra nación, que ni judíos, ni moros, ni griegos, ni latinos, la pueden pronunciar, y menos tienen figura de letra para la poder escribir. Eso mismo, esto que nosotros escribimos con 'x', así es pronunciación propia de moros, de cuya conversación nosotros la recibimos, que ni judíos, ni griegos, ni latinos, la conocen por suya […] (Nebrija, GLC, I,3). werden immer wieder Entsprechungen zwischen den Sprachen benannt, wobei eine Reihe von Phänomenen auf unterschiedlichen Beschreibungsebenen der Sprache einbezogen wird (Graphie, Aussprache bzw. Graphem-Phonem-Korrespondenzen, Silbenstruktur, Personennamen, Diminutiv- und Augmentativbildung, Flexion / Komparative und Derivation / Komposita, Artikel, Diathese, Verbflexion, Präpositionen): […] porque las letras de que nosotros usamos fueron tomadas del latín […] cuántas son las letras que están en el uso de la lengua latina, y si de aquellas sobran o faltan algunas […] (Nebrija, GLC, I,4). […] La n tiene dos fuerzas: una que trajo consigo del latín, y otra que le damos ajena, doblándola, y poniendo encima la tilde […] haremos lo que en esta pronunciación hacen los griegos y latinos, escribiéndola con gn […] (Nebrija, GLC, I,6). […] El latín puede sufrir en una sílaba cinco consonantes con una vocal […] lo cual sienten la lengua griega y latina, y llaman sílabas cortas y breves a las que gastan un tiempo en su pronunciación; luengas, a las que gastan dos tiempos […] Mas el castellano no puede sentir esta diferencia, ni los que componen versos pueden distinguir las sílabas luengas de las breves […] (Nebrija, GLC, II,1). […] los latinos antepusieron otro nombre, que llamaron prenombre […]. Nuestra lengua no tiene tales prenombres, mas en lugar de ellos pone esta partecilla ‘don’, cortada de este nombre latino ‘dominus’, como los italianos ‘ser’ y ‘miser’, por mi señor; los franceses ‘mosier’; los aragoneses ‘mosén’; los moros ‘abi’, ‘cid’, ‘mulei’ […] (Nebrija, GLC, III,2). […] Diminutivo […] En este género de nombres, nuestra lengua sobra a la griega y latina, porque hace diminutivos de diminutivos, lo cual raras veces acontece en aquellas lenguas, como de hombre: hombrecillo, hombrecico, hombrecito; de mujer: mujercilla, mujercica, mujercita. Tiene eso mismo nuestra lengua otra forma de nombres contraria de estos, la cual no siente el griego, ni el latín, ni el hebraico; el arábigo en alguna manera la tiene [los aumentativos] […] (Nebrija, GLC, III,3). […] ‘Prior’ y ‘senior’, en el latín son comparativos, en nuestra lengua son como positivos, porque ‘prior’ en latín es primero entre dos, y en castellano no quiere decir sino primero de muchos; ‘senior’ quiere decir más anciano en latín, en nuestra lengua es nombre de honra […] (Nebrija, GLC, III,3). […] En esto tienen los griegos maravillosa facilidad y soltura, que hacen composición de muchas palabras, como aquel libro de Homero que se intitula “Vatracomyomachia”, que quiere decir pelea de ranas y de ratones. Los latinos muchas veces hacen composi- „Por esto dicen que más ven cuatro ojos que dos“: Valdés’ Diálogo de la lengua (1535) 79 80 Esme Winter-Froemel ción de dos palabras, de tres muy pocas, salvo con preposiciones. El castellano muchas veces compone dos palabras, mas tres pienso que nunca […] (Nebrija, GLC, III,6). Todas las lenguas, cuantas he oído, tienen una parte de la oración, la cual no siente ni conoce la lengua latina. Los griegos llámanla ‘arzrón’; los que la volvieron de griego en latín llamáronle artículo […] (Nebrija, GLC, III,9). […] El latín tiene tres voces: activa, verbo impersonal, pasiva; el castellano no tiene sino sola el activa. El verbo impersonal súplelo por las terceras personas del plural del verbo activo del mismo tiempo y modo, o por las terceras personas del singular, haciendo en ellas reciprocación y retorno con este pronombre se; y así por lo que en el latín dicen “curritur”, “currebatur”, nosotros decimos corren, corrían, o córrese, corríase; y así por todo lo restante de la conjugación […] (Nebrija, GLC, III,11). Tiene también el castellano en la voz activa menos tiempos que el latín […] (Nebrija, GLC, III,11). […] Tienen eso mismo los latinos otra parte de la oración que ellos llaman supino, la cual no tiene el griego ni el castellano, ni otra lengua de cuantas yo he oído; mas cuando la volvemos de latín en castellano, en lugar del primero supino ponemos esta preposición ‘a’ con el presente del infinitivo, y por lo que en el latín decimos ‘eo venatum’, en castellano decimos ‘voy a cazar’; por el segundo supino ponemos esta preposición ‘de’ con el presente del infinitivo de la pasiva, y por lo que en el latín se dice ‘mirabile dictu’, nosotros decimos ‘cosa maravillosa de ser dicha’ (Nebrija, GLC, III,12). Una otra parte de la oración tiene nuestra lengua, la cual no se puede reducir a ninguna de las otras nueve, y menos la tiene el griego, latín, hebraico y arábigo. Y porque aún entre nosotros no tiene nombre, osémosla llamar nombre participial infinito […]. Esta parte fue hallada para que con ella y con este verbo, he, has, hube, se suplan algunos tiempos de los que falta el castellano del latín; y aún para decir por rodeo algunos de los que tienen, según que más largamente lo dijimos en el onceno capítulo de este libro […] (Nebrija, GLC, III,14). […] Los latinos abundan en preposiciones por las cuales distinguen muchas maneras de significar; y porque nuestra lengua tiene pocas es forzado que confunda los significados. […] pero el latín tiene preposiciones distintas, y por lo primero dice ‘apud’; por lo segundo, ‘erga’; por lo tercero, ‘penes’; eso mismo esta preposición ‘por’, o significa causa, como ‘por amor de ti’; o significa lugar por donde, como ‘por el campo’; por lo primero dice ‘propter’, por lo segundo ‘per’, o significa en lugar, como dicendo: ‘téngolo por padre’, por decir ‘en lugar de padre’, y por esto dice ‘pro’ […] (Nebrija, GLC, III,15). Nebrija zeigt somit eine systematischere Berücksichtigung kontrastiver Perspektiven als Valdés, überraschenderweise jedoch gerade nicht innerhalb des über eine entsprechende kontrastive Zielsetzung definierten fünften Buchs, sondern vor allem innerhalb der anderen Bücher der Gramática de la lengua castellana . Die im Vergleich dazu eher unsystematischen Vergleiche bei Valdés sind demgegenüber dadurch motiviert, dass die Betrachtungen zum Spanischen in einem Gespräch von Personen erfolgen, die jeweils bestimmte Adressatentypen verkörpern. In dem so gesetzten Rahmen nimmt die Perspektive der Lerner, verkörpert durch die realistisch konzipierten, exemplarischen Dialogpartner, zentralen Raum ein. Darüber hinaus lässt sich die Art und Weise der Behandlung kontrastiver Aspekte bei Valdés mit der Ausrichtung auf den uso und die Betonung eines Zugangs zum Spanischen als moderner / lebendiger Sprache in Verbindung bringen. Kontrastive Perspektiven werden damit bei Valdés in einer spezifischen Weise entwickelt, die ausgehend von allgemeinen Grundannahmen zur Sprache bestimmte Ausgestaltungen im Text nahelegt, die auf lernerorientierte Zugänge der modernen Fremdsprachendidaktik verweisen. 4.3 Erklärung und Bewertung von Konvergenzen und Divergenzen Die Bedeutung der allgemeinen Konzeption von Sprache, die zugrunde gelegt wird, spiegelt sich auch darin wider, wie Konvergenzen und Divergenzen zwischen den Sprachen erklärt und bewertet werden. Während bei Nebrija der Aspekt des Verfalls der Aussprache, d. h. negativ bewerteter Lautwandel, im Vordergrund steht („no es otra cosa la lengua castellana sino latín corrompido“, Nebrija, GLC, I, 7), geht Valdés auch auf die Rolle von Sprachkontakten, insbesondere mit dem Griechischen und Arabischen, ein, durch die Konvergenzen zwischen den Sprachen entstehen können. Dabei werden entsprechende Austauschprozesse auch als positive Möglichkeit für die Weiterentwicklung der Sprachen gesehen; Valdés befürwortet ausgewählte lexikalische Entlehnungen aus dem Griechischen, Lateinischen und Italienischen ins Spanische bzw. fordert diese sogar ein (Valdés, DL, 140 ff). Darüber hinaus betont Valdés die generelle Konventionalität der Sprache und die Wandelbarkeit des uso : Valdés. […] el uso nos ha hecho tener por mejores los [vocablos] arávigos que los latinos; y de aquí es que dezimos antes alhombra que tapete, y tenemos por mejor vocable alcrevite que piedra sufre, y azeite que olio […] (Valdés, DL, 58). Vor diesem Hintergrund erscheint es auch konsequent, dass ggf. konkurrierende Varianten gleichberechtigt toleriert werden („Valdés. Por la mesma razón que ellos escriven su traxo escrivo yo mi truxo ; vosotros tomad el que quisiéredes.“, Valdés, DL, 78). Sprachwandel wird damit nicht nur unter dem Vorzeichen eines Verfalls gesehen, sondern eine permanente Dynamik kann als grundlegendes Element von Valdés’ Sprachkonzeption gelten. Dabei werden die Sprecher als Aktanten des Wandels herausgestellt (vgl. Valdés, DL, 99). Der Diálogo de la lengua berührt damit eine Frage, der in der aktuellen Sprachwandelforschung „Por esto dicen que más ven cuatro ojos que dos“: Valdés’ Diálogo de la lengua (1535) 81 82 Esme Winter-Froemel noch immer eine große Bedeutung zukommt (vgl. die grammar-usage -Kontroverse um Newmeyer und Bybee und die sich daran anschließenden Diskussionen), und Valdés vertritt diesbezüglich eine sehr moderne Position, die mit der Traditionslinie bzw. den Positionen von Wilhelm von Humboldt (1830- 1835/ 1907), Hermann Paul ( 10 1920/ 1995), Eugenio Coseriu (1958/ 1969) und Rudi Keller ( 2 1994/ 1 1990) bzw. den Begriffen des methodologischen Individualismus 8 oder einer „speaker-based diachrony“ ( Janda & Joseph 2003, 128) in Verbindung gebracht werden kann (vgl. Winter-Froemel 2011, 192-193). Diese Konzeption wirkt bei Valdés implizit auf die kontrastiven Betrachtungen zurück, insofern als sich daraus eine grundsätzlich neutrale Haltung gegenüber Sprachwandel und sprachlichen Divergenzen ergibt. 5 Zur Aktualität des Diálogo de la lengua 5.1 Sprachkonzeption und didaktische Konzepte Nachfolgend soll aufgezeigt werden, dass Valdés’ Diálogo de la lengua hinsichtlich einer Reihe von Aspekten auf aktuelle fremdsprachendidaktische Diskussionen bezogen werden kann, auch wenn sein Text nicht den Anspruch erhebt, Prinzipien einer Didaktik zu formulieren. Die entsprechenden Aspekte sollen nachfolgend beschreibend erfasst werden, so wie sie sich im Text selbst manifestieren. Zunächst lässt sich festhalten, dass Valdés bei der Darstellung kontrastiver Perspektiven auf unterschiedliche Kompetenzgrade, vertreten durch die verschiedenen Dialogpartner, eingeht. Damit wird das Gespräch, das im Diálogo de la lengua inszeniert wird, zum einen sehr adressatenorientiert geführt; zum anderen ergibt sich dadurch eine nuancierte Sicht auf Konvergenzen und Divergenzen zwischen den Sprachen, da abhängig vom jeweiligen Kompetenzgrad des Lernenden unterschiedliche Lernerleichterungen und Lernschwierigkeiten sichtbar und relevant werden. Die Adressatenorientierung bezieht sich somit sowohl auf das Wie der konkreten Vermittlung der Inhalte als auch auf die Bestimmung angemessener Lerninhalte selbst, wobei für die letzteren eine deutliche Ausrichtung auf praktische und lebensnahe Verwendungskontexte vorliegt (Handelsbeziehungen, höfische Kommunikation). Was das Wie der Vermittlung der Inhalte angeht, geht Valdés (als Gesprächspartner) auf die unterschiedlichen Fragen und Bedürfnisse der anderen ein, die sich aus ihren heterogenen Zugängen zum Spanischen und zu dessen Vergleich 8 „Meine Erklärung [für Sprachwandel, EWF] ist den Prinzipien des methodologischen Individualismus verpflichtet. Das heißt: Ausgangspunkt der Erklärung sind handelnde Individuen; nicht Sprachen, Strukturen, Prozesse oder Kollektive“ (Keller 1994, 164). mit dem Italienischen ergeben. Im Zentrum des Dialogs steht generell die L1 der Lernenden und die Frage nach sich daraus ergebenen Lernschwierigkeiten. Gleichzeitig wird nach Strategien gesucht, den Lernerfolg zu maximieren; als ein Mittel hierzu erscheint die bevorzugte Realisierung konvergenter Strukturen, wie durch die folgende Diskussion veranschaulicht werden kann: Pacheco. […] ¿por qué vos algunas vezes ponéis gi en lugar de j larga? Valdés. Porque essas vezes será escriviendo a algún italiano, por acomodarme a su lengua por ser mejor entendido. Marcio. No me parece bien que, por acomodaros a la lengua agena, saquéis la vuestra de sus quicios. Valdés. Vos tenéis razón, quando de tal manera la sacasse de sus quicios o quiciales, que el natural de mi lengua no me entendiesse; pero, si me entiende tanto escriviendo megior como mejor , no me parece que es sacar de quicios mi lengua, antes adornarla con el agena, mostrando que es tan general, que no solamente es entendida de los naturales, pero aun de los estraños (Valdés, DL, 83). Ebenso werden Bezüge zu verschiedenen anderen Sprachen hergestellt, die als Teil der Wissensbestände potentieller Leser angesetzt werden können (vgl. Zucker 1962). Die Adressatenorientierung kann ferner im Hinblick auf eine motivationale Komponente interpretiert werden. Dabei lässt sich der Stil von Valdés’ Text (beispielsweise im Vergleich zu Nebrija) als stark nähesprachlich kennzeichnen: Er enthält immer wieder expressive Formulierungen und sprachliche Komik, wobei angenommen werden kann, dass Valdés diese Gestaltungsmittel auch einsetzt, um die Lektüre aufzulockern und die Motivation für die weitere Lektüre zu steigern. Dies zeigt sich beispielsweise an bildlichen, drastischen Ausdrucksweisen („os apedrearían“) und abwertenden Formulierungen („tantos potajes“) sowie an Formulierungen, die auf religiöse Tabus verweisen ( ir al infierno ), bis hin zu klaren Tabuverletzungen („hi de puta“ usw.); die Wirkung der entsprechenden Passagen wird dabei durch den sozialkritischen Inhalt noch verstärkt: Valdés. […] el que no quisiere tomar este trabajo [die Unterscheidung von donde und adonde usw. abhängig von der lautlichen Umgebung], déxelo estar, que no por esso se irá al infierno (Valdés, DL, 77). Pacheco. No sé yo si osaríades vos dezir esso en la cancellería de Valladolid. Valdés. ¿Por qué no? Pacheco. Porque os apedrearían aquellos notarios y escrivanos que piensan levantarse diez varas de medir sobre el vulgo, porque con saber tres maravedís de latín hazen lo que vos reprehendéis (Valdés, DL, 93). „Por esto dicen que más ven cuatro ojos que dos“: Valdés’ Diálogo de la lengua (1535) 83 84 Esme Winter-Froemel Marcio. […] dezidme: ¿a qué propósito hazéis tantos potajes de la h , que jamás puede la persona atinar adónde stá bien o dónde stá mal? (Valdés, DL, 97). Pacheco. ¡O hi de puta y qué buen fraile! ¡Gujarrazo de villano y palo de sacristan! Valdés. ¡Cómo os alteráis en oyendo hablar de frailes! Como si no fuessen hombres como nosotros (Valdés, DL, 136). Darüber hinaus finden sich Passagen eines spielerischen Neckens der Gesprächspartner, die ebenfalls zur Belustigung des Lesers beitragen und damit seine Motivation für die weitere Lektüre steigern können: Valdés. Si acordássedes bien de lo que avemos dicho, hallaríades que stáis respondido a esso, pero, pues tenéis mala memoria, torno a dezir que […] (Valdés, DL, 92). Marcio. […] os tengo por tan delicado, que de cada mosquito que os passa por delante la cara, si no va a vuestra voluntad, os ofendéis (Valdés, DL, 182). Gegen Ende des Dialogs wird ferner eine Reihe von Wortspielen bzw. equívocos zitiert, bei denen eine Funktion der Komik und Unterhaltung des Lesers klar erkennbar ist (Valdés, DL, 133 ff.). Darüber hinaus können die religionskritischen Bemerkungen sowie die im Text immer wieder geäußerte scharfe Kritik an Nebrija bzw. Librixa als running gags gesehen werden; dabei wird der Name im Dialog als ein Tabuausdruck etabliert, dessen explizite Erwähnung von den Gesprächspartnern vermieden wird; durch die dennoch immer wieder stattfindenden Bezugnahmen auf das Tabu wird die komische Wirkung noch gesteigert: Marcio. Pues Librixa… [Nebrija] Valdés. No aya más Librixa, por vuestra vida. Marcio. ¡Picastes! Pues más de otras diez vezes os haré picar de la mesma manera. Valdés. Buen tiempo tenéis; pues algún día me vernéis a la melena (Valdés, DL, 81-82). Pacheco. […] sabed que esto no lo saqué de mi cabeça, sino que lo aprendí de un hombre que todos conocemos, cuyo nombre callaré por no lastimar a alguno (Valdés, DL, 112). Coriolano. Pues yo he oído dezir esse mi dueño a un hombre que… Valdés. Ya sé por quién dezís; dexadlo estar (Valdés, DL, 122). In engem Zusammenhang mit dem wichtigen Grundprinzip der Adressaten- und Lernerorientierung lässt sich ferner die Kombination eines induktiven und deduktiven Lehr- und Lernmodells feststellen. Diese zeigt sich darin, dass Valdés - als fiktiver Gesprächspartner und als Autor des Diálogo de la lengua - sowohl Regeln und Strukturen des Spanischen erklärt als auch Beispiele zitiert, anhand derer die Gesprächspartner und Leser selbst Regeln und Strukturen erschließen können. Im Hintergrund steht hierbei Valdés’ Forderung, sowohl uso als auch arte , sowohl cuidado als auch miramiento einzubeziehen. Zur Illustration dieser Sprachkonzeption verwendet Valdés im Text immer wieder idiomatische Wendungen und refranes , deren zentrale Bedeutung für das Erlernen der Sprache herausgestellt wird (vgl. Valdés, DL, 70). Diese werden nicht nur explizit innerhalb des Hauptteils des Dialogs zur spanischen Sprache von den Gesprächspartnern diskutiert und deduktiv abgehandelt, sondern erscheinen bereits in der fiktiven Rahmenhandlung (z. B. „Valdés. […] ganaréis conmigo lo que suele ganar un cossario con otro“, Valdés, DL, 42). Die Verwendung von refranes und formelhafter Sprache setzt sich innerhalb des Dialogs fort, so dass die Vermittlung von Formulierungen für gebildete Konversation nicht nur in Form von explizit thematisierten Lerninhalten erfolgt, sondern auch en passant durch die sprachliche Ausdrucksweise der Gesprächspartner selbst geschieht. Dabei liegt eine Verschachtelung von Kommunikationsebenen vor, durch die sich eine Vielstimmigkeit bzw. Polyphonie ergibt: Im Text sprechen einerseits die Kommunikationspartner, zu denen der (fiktive) Valdés gehört, andererseits richtet sich durch den Text auch Valdés als realer Autor an einen realen - primär zeitgenössischen - Leser (der sowohl an der deduktiven Vermittlung der Inhalte auf der Ebene der fiktiven Kommunikationspartner teilhat als auch im Sinne eines induktiven Zugangs durch die im Dialog vor allem von Valdés und Pacheco verwendeten Ausdrucksweisen angesprochen wird). Eine entsprechende Verschachtelung von Kommunikationsebenen ist aus literarischen Texten gut bekannt und auch in anderen Sprachdialogen des 16. Jahrhunderts anzutreffen (vgl. etwa Bembos Prose della volgar lingua , vgl. Lope Blanch 1990, 77 und Bossong 1990, 94), ist aber aus heutiger fremdsprachendidaktischer Sicht ungewöhnlich und markiert somit ein Element der Alterität, durch das der Text auch neue Denkanstöße für die aktuelle Didaktik bereitstellen kann. Die differenzierte und gleichzeitig umfassende Sprachkonzeption Valdés’, die neben der arte den uso als ebenso wichtigen bzw. für die Vermittlung des Spanischen eigentlichen Aspekt betont, spiegelt sich auch darin wider, dass das präsentierte sprachliche Material eine große Bandbreite an Ausdrucksweisen beinhaltet, die beispielsweise sowohl höfliche Ausdrucksweisen als auch Neckereien und spielerische Beschimpfungen beinhalten. In theoretischer Hinsicht lässt sich diese Konzeption wiederum mit aktuellen Ansätzen in Verbindung bringen, welche die Traditionalität von Sprachlichem betonen und neben den (historischen) Regeln und Strukturen des Sprachsystems auch eine Historizität sprachlicher Traditionen im Sinne von Diskurstraditionen (vgl. Koch 1997) und durch Wiederholung und Routinisierung verfestigten Konstruktionen (vgl. Ansätze der Konstruktionsgrammatik) ansetzen. Die Verankerung der Sprache in ihrem historischen, sozialen und kulturellen Kontext bei Valdés zeigt sich „Por esto dicen que más ven cuatro ojos que dos“: Valdés’ Diálogo de la lengua (1535) 85 86 Esme Winter-Froemel ebenso darin, dass im Diálogo de la lengua auch landeskundliche Aspekte wie die auf der iberischen Halbinsel neben dem Kastilischen vorhandenen Sprachen und Dialekte berücksichtigt werden. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass Valdés’ Diálogo de la lengua durch seine Ausgestaltung Brückenschläge zu aktuellen fremdsprachendidaktischen Konzepten ermöglicht und hierbei vor allem im Hinblick auf Lernerzentrierung, Methodenpluralismus sowie die Förderung einer kommunikativen Kompetenz potentiell Denkanstöße bereitstellen kann. Dies soll abschließend für die aktuelle Hochschuldidaktik der romanischen Sprachen innerhalb der Romanistik angedeutet werden. 5.2 Perpektiven für die aktuelle Hochschuldidaktik in der Romanistik? Das Modell der Romanistik als Fach, dessen Studium nicht nur die Beschäftigung mit einer Sprache (einschließlich ihrer Literatur(en), Kultur(en) usw.) beinhaltet, sondern ihrer Betrachtung im größeren Zusammenhang der Sprachfamilie große Bedeutung beimisst, stellt eine Tradition der deutschsprachigen Länder dar, die im Ausland vielfach sehr geschätzt wird. Gleichzeitig werden romanistische Masterstudiengänge in Fortführung der „alten“ Tradition an vielen Universitäten wenig nachgefragt, und es sind - allein in der Bezeichnung der Studiengänge, darüber hinaus aber auch in der Konzeption einzelner Studienmodule etc. - Tendenzen der Ersetzung romanistischer Studiengänge durch auf romanische Einzelsprachen fokussierte Studiengänge festzustellen, verbunden mit einer stärkeren Kanonisierung der fachlichen Inhalte im Bereich der synchronen Beschreibung der Sprachen. Ohne diesen zweifelsohne sehr vielschichtigen Wandel im Detail erörtern zu wollen 9 , lässt sich feststellen, dass durch die grundlegenden inhaltlichen Verschiebungen, die hier stattfinden, unter Umständen wichtige Potentiale der Romanistik aufgegeben werden. Die Frage nach möglichen Zugängen zu verwandten Sprachen ausgehend von einer Sprache der Sprachfamilie, die in Valdés’ Diálogo de la lengua am Beispiel des Italienischen und Spanischen erörtert wird, erscheint somit auch für die aktuelle Romanistik in höchstem Maß relevant: Kontrastiv fundierte Ansätze, die auf die Potentiale eines erleichterten Zugangs zu anderen Sprachen abzielen, können als eine Chance für die romanistische Hochschuldidaktik begriffen werden, indem sie Möglichkeiten bereitstellen, in der universitären Lehre auch einzelsprachbezogener Studiengänge eine Beschäftigung mit anderen romani- 9 Vgl. hierzu auch die Diskussion zwischen Schönberger (2000a; 2000b) und Kramer (2000), der hier für eine differenzierte Sichtweise argumentiert, bei der auch Aspekte zu berücksichtigen sind, die der genannten Tendenz widersprechen. schen Einzelsprachen zu integrieren und ein Bewusstsein für romanistische Perspektiven zu schaffen. Dabei sind für ein romanistisches Zielpublikum ggf. bestimmte Anpassungen vorzunehmen. Während bei Valdés die Blickrichtung vom Italienischen zum Spanischen geht und L1-Sprecher des Italienischen im Vordergrund stehen, ist im Hinblick auf Adressatenorientierung und Lernerzentrierung zu berücksichtigen, dass für Studierende der Romanistik in der Regel ein Transfer ausgehend von einer studierten Fremdsprache erfolgt, wobei aber auch Wissensbestände aus der L1 sowie aus weiteren bekannten Fremdsprachen einbezogen werden können (vgl. die umfassende Berücksichtigung dieses Aspekts bei dem Ansatz von EuroComRom; Klein & Stegmann 2000). Darüber hinaus scheinen für die Romanistik sowohl Kontrastierungen von Einzelsprachpaaren als auch simultane Zugänge zu mehreren anderen romanischen Sprachen, wie sie etwa das Projekt EuroComRom konzipiert, gewinnbringend. Was Sprachpaarungen von Einzelsprachen der Romania angeht, sind für die aktuelle Romanistik weitere Kombinationen potentiell interessant (z. B. ausgehend vom Französischen oder Spanischen zum Italienischen oder Portugiesischen). Einerseits besteht durch die Integration kontrastiver Ansätze somit die Chance, ein Interesse für „kleinere“ Sprachen der Romania zu wecken, andererseits die Möglichkeit, Einblicke in andere „große“ romanische Sprachen zu vermitteln, die ggf. auch in ein anschließendes vertieftes einzelsprachliches Studium münden können. Niederschwellige kontrastive - sprachenpaarbasierte und mehrsprachigkeitsdidaktische - Ansätze erscheinen damit als Chance, romanistische Perspektiven einzubringen und Impulse für den Einbezug anderer romanischer Sprachen auch in einzelsprachorientierte romanistische Studiengänge zu geben. Auch im Hinblick auf die Lehr- und Lernmethoden erscheint ein pluralistischer Ansatz, wie er bei Valdés vertreten wird, gewinnbringend. Zwar kann davon ausgegangen werden, dass z. B. bei einer Verankerung kontrastiver Zugänge innerhalb einzelner Studienmodule relativ homogene Kompetenzen des studentischen Zielpublikums im Hinblick auf die studierte romanische Sprache bestehen (zumindest im Vergleich zu den Gesprächspartnern Marcio und Coriolano bei Valdés, die deutlich asymmetrische Kompetenzen aufweisen). Gleichzeitig ist aber bekannt, dass abhängig von Lernerpersönlichkeit, Lerninhalten usw. unterschiedliche Vermittlungsmethoden besonders geeignet sein können. Darüber hinaus besteht für kontrastive Zugänge zu anderen romanischen Sprachen, die im Wesentlichen im Sinne eines Zusatzangebots für die Studierenden konzipiert werden, die Herausforderung, dieses Angebot einerseits niederschwellig und hinsichtlich motivationaler Aspekte optimal zu gestalten und andererseits zu berücksichtigen, dass das Zielpublikum aus Studierenden besteht, die umfassende Erfahrungen im Erlernen einer romanischen Sprache haben. „Por esto dicen que más ven cuatro ojos que dos“: Valdés’ Diálogo de la lengua (1535) 87 88 Esme Winter-Froemel Daher erscheint eine Kombination unterschiedlicher Zugänge zu den vermittelten Inhalten, wie sie bei Valdés erkennbar ist, auch für aktuelle romanistische Anwendungen gewinnbringend. Ein entsprechend pluralistischer Zugang wird auch bei der grundsätzlichen Positionierung bei EuroComRom eingefordert; die Kombination induktiver und deduktiver Komponenten erfolgt hier aber in grundlegend anderer Form als bei Valdés, so dass sich aus der relativen Andersartigkeit seines Texts auch neue Impulse gewinnen lassen (etwa im Hinblick auf die Integration spielerischer und humoristischer Elemente sowie die Kombination der unterschiedlichen Komponenten im Rahmen der Verschachtelung der Kommunikationsebenen). Für spielerische Elemente ist ferner anzumerken, dass beispielsweise aus der Werbekommunikation hinlänglich bekannt ist, dass diese die Memorierung der entsprechenden Botschaften steigern können (vgl. z. B. Tanaka 1992; 1999), was fremdsprachendidaktisch ebenfalls unmittelbar relevant ist. Als weiterer Aspekt lässt sich die Förderung einer kommunikativen Kompetenz nennen. Wie bei der Untersuchung von Valdés’ Text aufgezeigt wurde, betont dieser die Einbettung der Sprache in einen bestimmten historischen, sozialen und kulturellen Kontext sowie die Einbettung der kommunikativen Äußerungen in bestimmte Kommunikations- und Handlungszusammenhänge. Auch hier lassen sich unmittelbar Brücken zur aktuellen Fremdsprachendidaktik schlagen, wobei insbesondere innerhalb mehrsprachigkeitsdidaktischer Ansätze darauf abgehoben wird, auch Teilkompetenzen und vor allem passive Kompetenzen nicht als defizitär, sondern unter dem Gesichtspunkt eines zusätzlichen Wissens zu sehen. Ferner kann gerade im Hinblick auf die vielseitigen Berufsfelder für Absolventinnen und Absolventen der Romanistik eine im Rahmen kontrastiver Ansätze erfolgende stark lernerzentrierte induktive Annäherung an andere Sprachen auch als Ausbildung einer Schlüsselkompetenz gesehen werden, die für vielfältige Berufsbilder gewinnbringend einsetzbar ist (vgl. die Betonung der Entwicklung von Erschließungsstrategien in Ansätzen der Mehrsprachigkeitsdidaktik, z. B. bei Müller-Lancé 2003; Klein 2009 und Meißner 2009, 24-28 sowie im Beitrag von Sylvia Thiele im vorliegenden Band). 6 Schlussbemerkungen Im vorliegenden Beitrag wurde Juan de Valdés’ Diálogo de la lengua (1535) als Ausgangspunkt einer Reflexion über kontrastive Ansätze zum Erlernen verwandter Sprachen genommen. Dabei wurde gezeigt, dass sich in der Ausgestaltung des Texts viele Elemente feststellen lassen, die sich mit aktuellen fremdsprachendidaktischen Konzepten in Verbindung bringen lassen, auch wenn diese bei Valdés in andere Zielsetzungen und Hintergrundannahmen eingeschrieben sind. Zu nennen sind insbesondere die Adressatenorientierung, die Kombination unterschiedlicher Zugänge und Vermittlungsmethoden einschließlich spielerischer und humoristischer Elemente sowie die Betonung der pragmatischen Einbettung der Kommunikation. Kontrastive Ansätze erweisen sich für die aktuelle Fremdsprachendidaktik als höchst relevant, wobei es als zentral erscheint, das breite Spektrum an Umsetzungsmöglichkeiten kontrastiver Zugänge einzubeziehen. Gerade für die Romanistik ergeben sich vielfältige Möglichkeiten zur Integration kontrastiver Ansätze sowohl im Sinne von einzelsprachenpaarbezogenen als auch im Sinne von mehrsprachigkeitsdidaktischen Zugängen. Valdés’ Text kann hierbei gerade durch seine relative Fremdheit neue Impulse bereitstellen. Nicht zuletzt erscheint in diesem Zusammenhang die Tatsache interessant, dass bei Valdés die Vermittlung von Wissen in Form eines Dialogs erfolgt: Die Wahl dieser im 16. Jahrhundert zur Abhandlung philosophischer und sprachbezogener Reflexionen fest etablierten Diskurstradition im Rahmen eines Werks, das auch als kontrastives Lehrwerk des Spanischen gelesen werden kann, eröffnet weiterführende Perspektiven im Hinblick auf neue mediale Formate der Vermittlung der Lerninhalte. 7 Literaturangaben Textausgaben Alessandri, Giovanni M. (1560): Il Paragone della lingua Toscana et Castigliana , Napoli, Cancer. Bayerische Staatsbibliothek digital. http: / / mdz-nbn-resolving.de/ urn: nbn: de: bvb: 12-bsb10185827-7. Miranda, Juan de (1567): Osservationi della lingua Castigliana , Vinegia, Gabriel Giolito de’ Ferrari. 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Besonders dort, wo Französisch, Niederländisch und Deutsch aufeinandertrafen, gab es ein großes Interesse an Werken, die Sprachfertigkeit in der jeweils anderen Sprache zu vermitteln versprachen. Wir haben es also mit einer für die Zeitverhältnisse großen Produktion an Sprachlehrbüchern in Städten wie Straßburg, Köln oder Antwerpen zu tun (Bibliographie: Stengel/ Niederehe 1976), wo man davon ausgehen muss, dass das Interesse an der anderen Sprache nicht wie beispielsweise bei Friedrich dem Weisen von Sachsen von Bildungserwägungen oder wie bei den späteren Ritterakademien vom Streben nach Distinktion gegenüber weniger herausgehobenen Gesellschaftsschichten geprägt war (Kuhfuß 2014, 76), sondern dass schlicht und einfach Nützlichkeitserwägungen den Ausschlag gaben (Greive 1993, 173). In der ursprünglichen Themenumschreibung des XXXI. Romanistischen Kolloquiums war als Gegenstand vorgegeben: „Geschichte des Fremdsprachenstudiums in der Romania“. Es stellt sich also die Frage, ob Antwerpen und seine jungen Damen, die in die Sprachenwelt eindringen möchten, am Ende des 16. Jahrhunderts zur Romania zu rechnen sind. Nach heutiger Begriffl ichkeit würde man sagen, dass die Stadt und ihre Bewohner ganz eindeutig zur Germania, genauer gesagt zum niederländischen Sprachraum, gehören, und die belgische Verfassung ist da auch ganz eindeutig: Antwerpen ist die Hauptstadt der gleichnamigen Provinz in der Region Flandern, und die Amtssprache Flanderns ist das Niederländische. So ist es aber erst seit den Sprachengesetzen Anfang der sechziger Jahre des 20. Jahrhunderts, in denen am 8. November 1962 der Verlauf der Sprachgrenze genau festgelegt wurde (Raskin 2012, 247-248). Vorher galt eine Art Zweisprachigkeit, die in Kraft trat, wenn 20 % (nach 1932 30 %) der Wahlbürger (nur Männer) darum baten (Raskin 2012, 199-200), was in Antwerpen der Fall war. Vor 1921 war ganz Belgien dem Buchstaben des Gesetzes nach frankophon, also einsprachig französisch, und gehörte also so gesehen zur Romania. Diese juristische Regelung überdeckte aber nur, was faktisch vorlag, und das war eine soziale Zweiteilung: Die Elite Flanderns sprach und schrieb 96 Johannes Kramer französisch und war im Denken von französischen Vorbildern beeinflusst, die breite Unterschicht hingegen sprach die lokalen flämischen Ortsdialekte, konnte aber weder schreiben noch lesen und war also von der Entwicklung der niederländischen Schriftsprache unbeeinflusst. Für jemanden aus der Unterschicht, der auf sozialen Aufstieg setzte, war es klar, dass außerhalb einer persönlichen Meisterschaft im Französischen jedes Fortkommen unmöglich sein musste, so dass es immer wieder eine Auffüllung der neuen Französischsprecher durch Flamen gab, die ihre Muttersprache aufgaben - und oft auch, wie es ja für Neubekehrte typisch ist, verleugneten. Besonders für größere Städte wie Antwerpen war der sozial bedingte Übergang vom regionalen flämischen Heimatdialekt ländlicher Prägung zur Weltsprache Französisch charakteristisch (Übersicht über die Sprachgeschichte Belgiens: Kramer 2014). Für das Ende des 16. Jahrhunderts ist Antwerpen also als zweisprachige Stadt mit einem starken sozialen Gefälle zwischen dem Französischen am oberen und dem Niederländischen am unteren Ende der Skala einzuschätzen, eine Stadt also, in der Germania und Romania sich berühren. Die Notwendigkeit von Lehrbüchern, die die Grundlagen für die Beherrschung der sozial höherstehenden Sprache zu vermitteln auf dem Programm hatten, liegt in einer derartigen Situation auf der Hand. Kurz ein Blick auf die politisch-soziale Situation Antwerpens im letzten Drittel des 16. Jahrhunderts! Die Stadt stand im Zentrum des Trennungsprozesses, der dazu führen sollte, dass sich die kalvinistischen Provinzen im Norden von den katholisch bleibenden Provinzen im Süden trennten; dieser Unabhängigkeitskrieg der Niederländer fungiert meist unter der Bezeichnung „Achzigjähriger Krieg“ (1568-1648). In der ersten Periode dieser Auseinandersetzung stand Antwerpen noch auf der Seite der Aufständischen: Die spanischen Truppen plünderten 1576 in den „Spaanse beroerten“ die Stadt, und in der Pazifikation von Gent vom 8. November 1576 (Lademacher 1983, 72) wurde Antwerpen de facto die Hauptstadt der antispanischen Koalition. Die Spanier brachten jedoch unter ihrem Heerführer Alessandro Farnese nach der Ermordung von Wilhelm von Oranien am 10. Juli 1584 die widerspenstigen Städte des Südens unter ihre Herrschaft: Gent 1584, Brüssel 1584 und schließlich nach einer einjährigen Belagerung am 17. August 1585 Antwerpen. Hatte die Stadt um die Mitte des 16. Jahrhunderts noch etwa 100.000 Einwohner (nach einer Zählung im Jahre 1580 50 % Katholiken, 33 % Kalvinisten und 17 % Lutheraner), sank die Bevölkerung auf 45.000 Bürger; die überzeugten Kalvinisten, aber auch diejenigen, die vom Fernhandel lebten (1584 sperrten die Niederländer die Schelde, die erst 1839 endgültig wieder freigegeben wurde), verließen die Stadt Richtung Norden und nahmen nicht nur ihre religiöse Begeisterung, sondern auch ihr Wissen und ihre bürgerliche Gesinnung mit. Ohne jeden Zweifel erlebte das Geistesleben Antwerpens einen tiefen Einbruch, es ist aber nicht wahr, dass sich eine geistige Wüste ausbreitete, wie es vor allem belgische Autoren des 19. Jahrhunderts gern gehabt hätten: Pieter Pauwel Rubens (1577-1640) wurde einer der bedeutendsten Barockmaler, Christoffel Plantin (1520-1589) und sein Schwiegersohn Jan Moretus (1543-1610) machten Antwerpen zu einem der Zentren der zeitgenössischen Druckkunst, Im Zusammenhang mit dem Aufschwung der Druckkunst stehen auch die zahlreichen Grammatiken und Sprachlehren, die im Laufe des 16. und 17. Jahrhundert in Antwerpen entstanden. Edmund Stengel hat 1890 ein chronologisches Verzeichnis von Französischlehrbüchern zusammengestellt, das 1976 von Hans-Josef Niederehe ergänzt wurde. Daran kann man erkennen, dass viele Sprachlehrbücher erschienen, die einer bestimmten Berufsgruppe zugeschrieben werden können, nämlich den Sprachmeistern oder maistres de langue , die meist in einer Bruderschaft wie etwa der Confrérie Saint-Ambroise organisiert waren. Eindeutig lag das Hauptinteresse auf der praktischen, im ökonomischen und sozialen Leben nutzbaren Vermittlung der Fremdsprache, während es im zeitgleichen Unterricht an der höfischen Gesellschaft „um einen inhaltlich ausgerichteten, zur moralischen, vergnüglich-amüsanten Unterhaltung und politisch-geschichtlichen Belehrung und Information vorgesehenen Textunterricht, nicht um die Vermittlung von praktischen Kenntnissen für mündliche Kommunikationssituationen“ (Kuhfuß 2014, 74) ging. Mit dem besonderen Typ eines kommunikationsbezogenen Unterrichts in einer ökonomisch, nicht ständisch strukturiertren Gesellschaft hängen auch die Lehrbuchgenera zusammen: Wir haben es nicht mit wissenschaftlichen Werken mit starkem Lateinbezug, sondern mit „Gebrauchsgrammatiken“ (Polzin-Haumann 2001, 131) zu tun, in denen weitgehend auf „gelehrte“ Terminologie verzichtet wird, und auch der Gedanke des Fortschreitens von einfachen zu komplizierteren grammatischen Zusammenhängen bricht sich Bahn. Neben die Grammatiken im weitesten Sinne treten die „Gesprächsbücher“, die durchaus eine antike Tradition fortsetzen, aber in die neuzeitliche Sprachlehre vom Antwerpener Noël de Berlaimont († 1531) eingeführt wurden, woraus sich eine vielgestaltige Lehrbuchfamilie mit vielen modernen Sprachen (während das Lateinische nun meist nicht mehr Referenzsprache ist) entwickelt, in denen die Konversation zur Methode und zum Ziel des Fremdsprachenlernens wird (Kuhfuß 2014, 112). Die Gesprächsbücher wurden wohl meistens in einem schulähnlichen Kontext verwendet, in dem der Sprachmeister die Themen der Konversation vorgab und den Fortgang der Gespräche lenkte. Allein mit einem Gesprächsbuch hat man im 16. Jahrhunderts sicher nicht Französisch lernen können, sondern man Französisch für Mädchen 1587: La Guirlande des jeunes filles von Gabriel Meurier 97 98 Johannes Kramer braucht dazu zumindest einen Elementarunterricht, obwohl man nicht unterschätzen darf, dass früher die Fähigkeit zum Auswendiglernen viel ausgeprägter war als heute. Eine Persönlichkeit, die für die Produktion von Sprachlehrbüchern in Antwerpen in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts eine große Rolle spielte, ist Gabriel Meurier (Biographie: De Vreese 1897). Er ist um 1513 (eine genaue Geburtsurkunde fehlt) in Avesnes geboren, das heute zum französischen Département du Nord gehört, aber bis 1659 Teil der Niederlande war. Eine Sterbeurkunde fehlt ebenfalls, aber die deutsche Übersetzung seiner Guirlande des jeunes filles von 1597 spricht auf der Titelseite von feu Maistre Gabriel Meurier (De Clercq 1997, 29), während im letzten bei Janssens in Antwerpen gedruckten Werk, Les mots du guet du temps présent von 1595 nicht vom Tode des Autors die Rede ist. Die Muttersprache von Gabriel Meurier war wohl das Französische, aber er wuchs sicher in einer niederländischsprachigen Umgebung auf, so dass er diese seine Zweitsprache perfekt zu beherrschen lernte, und als Intellektueller seiner Zeit konnte er natürlich gut Latein. Als Erwachsener war er so sattelfest im Italienischen, Spanischen und Englischen, dass er Lehrbücher in diesen Sprachen verfassen konnte, aber wir wissen nicht, wann und wo er diese Fähigkeiten erworben hat (De Clerq 1997, 29). Jedenfalls fühlte er sich in seiner Jugend durch die aufstrebende Handelsmetropole Antwerpen angezogen und war dort lange genug vor 1548 ansässig, um sein Sprachenkaleidoskop mit neuen Sprachen zu erweitern, die man sicher nicht in Avesnes hatte lernen können (De Vreese 1897, 719): „Meurier passa pour ainsi dire sa vie entière à Anvers. S’il n’était pas Anversois de naissance, il l’était de cœur et d’esprit“ (De Vreese 1897, 7). Ein wichtiges Datum seiner persönlichen Geschichte ist die Tatsache, dass er am 24. Juni 1547 Bürger, poorter (wörtlich: ‘Hafenbürger’), von Antwerpen wurde (De Clercq 1997, 29), was es ihm ermöglichte, 1548 in die St. Ambrosius-Gilde der Schulmeister einzutreten, was Nichtbürgern nicht möglich war. Meurier war ein unbequemes Mitglied der Gilde: Er war dreimal Dekan dieser Berufsvertretung (1564/ 5, 1572/ 3, 1775/ 6), aber er legte sich mit allen einflussreichen Mitgliedern an, war aufbrausend und beleidigend, ging verschwenderisch mit den Geldmitteln der Gilde um, war nicht über jeden Verdacht der Bestechlichkeit erhaben und paktierte mit Vertretern der Politik. Zudem war er ein Anhänger des Katholizismus in einer Zeit, in der die Protestanten den verbliebenen Katholiken das Leben schwer zu machen suchten: „Il est à noter que Gabriel Meurier, à cette époque si troublée, est resté bon catholique, et semble saisir toutes les occasions pour le proclamer“ (De Vreese 1897, 709-710 mit einer Stellensammlung). So ist es nicht besonders verwunderlich, dass er 1579 nach einer langen Verhandlung, deren Hauptpunkte von Willem De Vreese aufgeführt werden (1897, 703-709), aus der St. Ambrosius-Gilde ausgeschlossen wurde. Von da an fließen die Quellen über sein Leben weit spärlicher, aber weder seine Aktivitäten auf dem Buchmarkt noch seine Tätigkeit als Lehrer scheint darunter gelitten zu haben. Sein Hausverlag in Antwerpen war Johan van Waesberghe, der auch eine Dépendance in Rotterdam hatte. Gabriel Meurier schuf Bücher für das ganze Spektrum des Sprachunterrichts; die genaue Bibliographie, die Jan de Clercq über „Het œuvre van Meurier“ (1997, 45-46) geliefert hat, ermöglicht einen Überblick. 1557 beginnt die Reihe mit einem bei Plantinus erschienen Vocabulaire françois-flameng , das mindestens fünf Neuauflagen erlebte und dem 1563 das Dictionnaire flamen-françois mit zwei Neuauflagen folgte. 1557 kam La Grammaire Françoise heraus , 1562 sahen die Conjugaisons Flamen-Françoises das Licht der Welt , 1568 erschienen bei van Waesberge zwei äußerst erfolgreiche Werke mit mindestens einem Dutzend Neuauflagen bis 1652, Recueil de sentences notables, dicts et dictons communs, Adages, Proverbes & Refrains und Le Bouquet de Philosophie morale , 1583 La Perle de similitudes und 1595 Les mots du guet du temps present. Das 16. Jahrhundert war auch das Zeitalter vielsprachiger Handbücher, und auch in diesem Sektor hat Gabriel Meurier seine Spuren hinterlassen: 1558 Conjugaisons, regles, et instructions pour ceux qui desirent apprendre François, Italien, Espagnol, & Flamen ; 1558 Breve instruction contenante la maniere de bien prononcer & lire le François, Italien, Espagnol, & Flamen . Was man heute dem Sektor „Fachsprache“ zurechnen würde, war ebenfalls im Programm vertreten: 1569 Deviz Familiers, Propres a tous Marchands ; 1563 Traité pour apprendre a parler François et Anglois, ensemble de faire missives, obligations, quittances, lettres de changes. Die im 16. Jahrhundert sehr modernen dialogischen Lehrbücher, die in Parallelspalten den französischen und den flämischen Text nebeneinander setzen, fanden die besondere Zuneigung von Gabriel Meurier. Schon 1557 erschienen bei Plantin die Colloques ou nouvelle invention de propos familiers. Die Konjugationsregeln wurden ebenfalls Inhalt eines Dialogs: Dialoue Contenant les Conjugaisons Flamen-Françoises par Forme de Demandes et Réponses (1562, mit vielen Neuausgaben). Dialoge, die sich an die männliche Jugend richteten, waren sehr erfolgreich und erlebten zahlreiche Neuauflagen: 1561 Propos pueriles en François et Flamen ; 1580 Le Perroquet mignon des petits enfants François-Flameng ; 1586 Dialogue chrestien Contenant le devoir des enfans a l’endroit de leur parens. Das erfolgreichste dialogische Werk Meuriers, das auch in einer deutschen Übersetzung von Abraham des Mans 1593 in Köln erschien, ist aber sicher La guirlande des ieunes filles, en françois & flamen, mit dem niederländischen Untertitel Het Cransken der jonghe Dochters / in Fransoys ende Duytsch. Dieses Werk stellt den Schulalltag einer „vrouwenwereld“ (De Clercq 1997, 35) vor: Es treten 48 weibliche Personen auf, die mit Ausnahme der Lehrerin und der Die- Französisch für Mädchen 1587: La Guirlande des jeunes filles von Gabriel Meurier 99 100 Johannes Kramer nerin Marthe, die für das Aufwachen sorgt, alle jeunes filles an der Schwelle des Erwachsenenalters sind; Männer kommen nicht vor. Lehrbücher für Mädchen gibt es im 18. Jahrhundert durchaus zahlreich (vgl. Beck-Busse 1994), und im 19. Jahrhundert ist eine weibliche Leserschaft durchaus an der Tagesordnung (Holtus 1997, 247-249, gibt ein Verzeichnis dieser Werke), aber im 16. Jahrhundert ist Meurier der einzige Autor, der sich speziell an Mädchen richtet, die aus der kommerziellen Bürgerschaft stammten, und Gabriele Beck-Busse beginnt ihre „bibliographie raisonnée de manuels de la langue française à l’usage de la jeunesse féminine“ mit Recht mit diesem Werk (1994, 11) und behandelt es ausführlich (1994, 23-24). Der Titel der Guirlande ist nicht dem Zufall zu verdanken, sondern beruht auf einer Anspielung an eine antike Tradition. Ob Meurier griechisch konnte, wissen wir nicht, aber er hatte im humanistisch geprägten Antwerpen sicherlich Zugang zu Informationen über antike Titelprägungen. Die griechische Entsprechung zu bouquet, Titel der 1577 erstmals erschienenen Anthologie philosophischer Sinnsprüche Le Bouquet de Philosophie morale , und zu guirlande ist στέφανος (der Unterschied zwischen Blumenstrauß und Blumengebinde war in der Antike noch nicht geläufig), und das war beispielsweise der Titel einer Epigrammsammlung von Meleagros von Gadara, der an der Wende vom 2. zum 1. Jahrhundert v. Chr. eine Sammlung eigener und fremder Dichtungen veröffentlichte; sein Widmungsgedicht ( Anthologia Palatina 4, 1) trägt den Titel Στέφανος und vergleicht jeden der genannten 48 Dichter, darunter die Frauen Sappho, Moiro, Anyte und Nossis, mit einer Blume, denn ἔστι δὲ μύσταις | κοινὸς ὁ τῶν Μουσέων ἡδυεπὴς στέφανος ‘es ist aber den Geweihten der wohlredende Kranz der Musen gemeinsam’. Die lateinische Entsprechung von στέφανος ist corōna , was als Bezeichnung von Zusammenstellungen wichtiger Stellen belegt ist ( ThLL IV, 987, 83-988, 7), und serta , was im Oxford Latin Dictionary (S. 1745) mit ‘a garland of verse’ umschrieben wird. Die französischen Entsprechungen bouquet und guirlande, die bei Gabriel Meurier 1577 und 1564 in Titelformulierungen auftreten, setzen also eine antike Tradition fort (Kramer 1998, 205-206). Von der Guirlande des jeunes filles gibt es vier Ausgaben, die zur Lebzeiten von Gabriel Meurier erschienen (1564; 1580; 1581; 1587), und zwei, die nach seinem Tode herauskamen (1606; 1618), außerdem drei Auflagen einer von Abraham des Mans in Köln verlegten deutschen Übersetzung (1597; 1616; 1617) und eine Überarbeitung von Zaharias Heyns unter dem Titel La nouvelle guirlande des jeunes filles (1644; 1653). Den Erfolg des Werkes kann man an den verschiedenen Neuauflagen, die Jan De Clercq sorgfältig zusammengestellt hat (1997, 34), ablesen. Über „den üblichen Tagesablauf von Mädchen gehobenen Standes“ (Holtus 1997, 252) werden wir in den Kapiteln der Guirlandes ausführlich unterrichtet, und die Dialoge „hebben een grote documentaire waarde omdat zij de praxis van het vreemde-talenonderwijs illustreren“ (De Clercq 1997, 34). Die zwanzig Kapitel folgen dem Tagesablauf der jungen Damen: 1. De la leuée ; 2. L’ordre apres la leuée ; 3. Salutations matutines, & diuerses demandes familieres ; 4. En allant à l’escole ; 5. En estudiant & recordant la lecon ; 6. Au tems de dejuner ; 7. En escriuant, Contant, & chiphrant à l’enuy ; 8. En montrant l’escriture ; 9. Pour faire vn message ; 10. De la rencontre des filles ; 11. De la Cuisine ; 12. Conuiue Pueril ; 13. Dispute apres le repas ; 14. De la Couture ; 15.-16. Diuers jœux ; 17. Pour mesnager ; 18. De la Feste ou Dedicasse ; 19. De la replicque de leur iournée ; 20. En allant au Lict. Im vierten Kapitel tritt eine neue Schülerin, Annette, hinzu, die soeben zugezogen ist, und sie wird über das Funktionieren des Unterrichts von der älteren Schülerin Damiane unterrichtet; später kommen noch die Schülerinnen Clarette und Rose hinzu. Dieser Abschnitt bietet ein lebendiges Bild des Lehrbetriebs und der matronne und sei hier als Beleg (zusammen mit der deutschen Übersetzung von Abraham des Mans) zitiert. D. Wie heeft v D. Qui vous a adressé D. Wer hat dir vnsere t’onser scholen gewesen? à nóstre escole? Schull gezeyget? A. Den goeden name A. La bonne fame A. Der guter nahme ende fame bruit & renom gerücht vnd rühm / van uwe rustighe de vóstre gentille euwerer Tügentsamer ende goede Matroone / & bonne Matrone, vnd guter Matronen hebbender my beweecht my ont acheminé haben mich beweget ende ghebracht. & conduit. vnd hinzugeführet. D. Spreect ghy ooc D. Parlez vous D. Kanstu etwas Frantzöwat Fransoys? grain François? sisch? A. Ic hoor wel A. I’oy bien A. Ich höre wol wanneerment spreect / quand on le parle, wann mans spricht / maer ic en weet niet mais je ne sçay aber ich weis nicht watmen seyt. ce qu’on dit. was man sagt. D. Ghy moetet leeren. D. Il le vous faut apprendre. D. Du must es lehrnen. A. Ic hebber wel A. I’en ay bien A. Ich hab groß begird grooten lust toe. grand’ enuie. dar zu. D. Tẽ sal maer aen v lie- D. Il ne tiendra qu’a vous, D. Wirt nur an dir ligen gen / want de vrouwe car la dame dan die Frauwe sal haer neerstelijc voegẽ s’emploira diligemment wirdt fleiß ahnwenden om haer wterste beste te à faire son total deuoir. ihr allerbestes zu thun. Französisch für Mädchen 1587: La Guirlande des jeunes filles von Gabriel Meurier 101 102 Johannes Kramer A. Ic sal ooc (doene. A. Ie rendray aussi A. Ich werde mich auch sulcken arbeyt doen / telle peine, der gestalt gebrauchen / dat ic hope dat sy que j’espere qu’elle das sie nit wirt vervrsacht gheẽ oorsake hebbẽ en sal n’aura occasion sein vber mich zuklagen. haer van my te beclagen. de se mescõtẽter de moy. D. Ist dat ghy soo doet / D. Si faites ainsi, D. So du das thust / soo suldy haer care wesen vous serez sa mignone, wirsta ir lieblein sein / ende ist anders / & si autrement, vnd wo anders (dwelc Godt niet en (que Dieu ne vueille) (da Gott für sey) wirstu wille) soo en suldy vous ne serez pas in ire gunst nicht kommen. in haer gratie niet staen. en sa grace. A. Ic versta dat sy seer A. I’entens qu’elle tient A. Ich verstehe / das sie goede ordinantie hout / tres-bon ordre gute ordnung helt / eñ eẽ loffelijcke maniere / & louable maniere de vnd löblichen brauch ihre leerende eñ zedighende faire, en enseign-t & mo- Töchterlein zu vnterweihaer dochterkens. rigerant ses fillettes. sen / vnd zu lehrẽ gute sittẽ. D. Sy onderwijst ons D. Elle nous instruit D. Sie lehrnet vns die Godt te vreesene / à craindre Dieu, forcht Gottes vnd vnser ende ons ouders & honnorer noz parens Eltern / vñ Lehrer in ehren ende leeraers t’eeren. & instructeurs. zu halten. C. Daer na lesen C. Puis à lire C. Darnach Lesen vnnd en schrijuen & escrire. Schreiben. R. Sy bestelt eñ beschict R. Elle ordõne & cõpasse R. Sie ordnet vñ gibt für / soo wel dẽ buytẽ kinders tant aux foraines so woll den außwendigen / als den costdochters / comme aux cameristes, als den kost Töchtern / wat sy te doene hebben ce qu’elles ont de faire was sie zu jederer stunde t’elcker uren. à chascune heure. zuuerrichten haben. C. Ongheschictheytj C. Chose sans ordre C. Ein vnordentlich wesen baert schande / engendre confusion, gebiert schande / sonder hope van eenighe sans espoir d’aucune da kein nütz außgehoffet goede volmaectheyt. bonne perfection. wirt. A. Verclaert my by A. Deduisez moy par A. Erzehle mir stückweiß stucke / wat reghelen menu quelles regles welche regulen ir haltet. dat ghy houdt. vous tenez. D. Wy beneerstighen õs D. Nous taschons D. Wir befleißigẽ vns dem te volgen d’exẽpel eñ pad’imiter l’exemple du pa- Exempel vnnd vorbildt / troon die wy voor ons tron qu’auons auant so für vnsern Augen / ooghen hebben. noz yeux. nachzufolgen. A. Welc is desen patroõ? A. Qui est ce patron? A. Welches ist dʒ vorbildt? D. Het volcomen D. La vie correcte D. Das volkommen vnd ende onberispelijc leuen / & irreprehensible, vnsträfflich Leben van onse regeerster. de nostre regente. vnserer Regiererin. A. Hoedanich is A. Quelle vie est A. Was gestalt ist ihr haer leuen? la sienne? leben? C. Sy en is weereltsch / C. Elle n’est mondaine, C. Sie ist nit Weltlich / hooueerdich / spijtich / orgueilleuse, fiere, Hoffertig / stoltz / noch mit noch met eenighe ne d’aucun eyniger vntügendt beondeucht besmet. vice contaminée. schmitzet. A. Sulex behoort seker A. Telle certes doit A. Eine solche behört warde goede matroone te zijn. estre la bonne matrone. lich die gute Matrone zusein. D. Het is heel seker / D. Il est bien certain, D. Es ist versichert / dat sy eerlijc / deuchdelijc / qu’estant honneste, vertunachdem sie ehrlich en wel gemautert zijnde / euse & bien conditionée, Tügendtsam vnnd wolbede dochters elle rendrà les filles lebt / das sie die Töchter die t’haren laste staen / qui sont souz sa charge so vnder ihrem gebiet / lichtelijc sulcke makẽ sal. facilement telles. sich gleich machen wirdt. A. My wert lestent ghe- A. Il me fust dit vn jour A. Man sagte mir am letzseyt / datter gheen int lant passé qu’il n’y-a ouuriére ten / das man im Landt mit en is die haers gelijc is au païs qui la seconde der Nadel zu arbeyten / metter naelden. à l’aguille. ihres gleichen nicht fünde. C. Ter goeder uren / C. A la bonne heure, C. Zur guter Stunde vnd en sonder ander te ver- & sans mespris d’autres sonder nachtheyl anderer achten mach ict segghen / le puis je dire, muß ich sagen / es ist die tis d’aerdichste ende c’est la plus gentille & artigste vñ scharpffsinniggheestichste die nu ter tijt ingenieuse, qui soit huy ste die jetzt zur zeyt onder de Sonne sy. souz le Soleil. vnter der Sonnen ist. A. Is sy weduwe A. Est elle vefue A. Ist sie Witwe oft jonghmeyssen? ou à marier? oder zuuermählen? C. S’is gehout met eenẽ C. Elle est mariée à vn C. Sie ist befreyet mit seer eerlijcken man / (ren bien honeste homme, einẽ gar Erbarn geschick- Französisch für Mädchen 1587: La Guirlande des jeunes filles von Gabriel Meurier 103 104 Johannes Kramer gheschict / rustich eñ eruadisert, facond, & versé ten / wolredenden / vnnd in inde Fr-soysche sprake. en la langue Françoyse. der Frantzösischer spraach wollerfahrnen Manne. Dieser Abschnitt liefert uns ein lebendiges Bild des Tageslaufs, wie wir es sonst nirgendwo finden. Die Schülerinnen, die von zu Hause aus täglich die Schule besuchen ( foraines / buytenkinders ) oder in einer Art Internat untergebracht sind ( cameristes / costdochters ), werden ganzheitlich betreut, also nicht nur der Sprachunterricht, sondern auch Anweisungen für die Kleiderordnung und Benimmregeln für alle Gelegenheiten werden unterrichtet. In der Sprache des 16. Jahrhunderts heißt das, dass en enseignant et morigérant den fillettes beigebracht wird, tres-bon ordre zu halten, also craindre Dieu, honnorer les parens et instructeurs, lire et escrire. Das Ganze steht unter der Aufsicht der Matrone, die auch respektvoll la dame / de vrouwe oder nostre régente / onse regeerster genannt wird. Das Bild, was von ihr gezeichnet wird, kann nicht positiver ausfallen: Sie ist nicht mondaine , sie ist nicht orgueilleuse , sie ist nicht fière und sie ist d’aucun vice contaminée , positiv gesagt ist sie honneste, vertueuse, bien conditionée, in einem Satz gesagt, sie ist la plus gentille et ingénieuse qui soit huy sous le Soleil. Die bürgerliche Stellung der Matrone wird eindeutig beschrieben: Sie ist weder verwitwet noch unverheiratet (was ja wohl viele der zeitgenössischen Sprachlehrerinnen waren), sondern elle est mariée à un bien honeste homme disert, facond et versé en la langue françoise. Mit anderen Worten: Uns wird hier ein Familienbetrieb vorgestellt, in dem der Mann die männliche und die Frau die weibliche Kundschaft betreut. Interessanterweise werden den Schülerinnen, die ohne größere Französischkenntnisse in die Schule eintreten und für die also in einem auf Französisch ablaufenden Tagesprogramm learning by doing angesagt ist, auch im Sinne des 16. Jahrhunderts typisch weibliche Tätigkeiten wie Nadelarbeiten beigebracht. Im folgenden Abschnitt soll das gesamte Kapitel 2 abgedruckt werden: In der Antwerpener Ausgabe von 1587, der letzten von Gabriel Meurier selbst besorgten Fassung, steht in der linken Spalte der in Fraktur gesetzte niederländische Text, in der rechten Spalte parallel daneben die französische Fassung; hier figuriert der französische Text in der Mittelspalte, weil die deutsche Fassung von Abraham des Mans, die 1597 in Köln erschien, neben die niederländisch-französische Fassung gesetz wurde (im Original steht der deutsche Text auf der linken, der französische Text auf der rechten Spalte). Die Zeileneinteilung, die keinen rechten Randausgleich aufweist, wurde übernommen. Einige wenige Worterklärungen zur französischen Spalte, meist nach dem FEW und nach Gamillschegs Wörterbuch (1969), das gute deutsche Übersetzungen bietet, wurden hinzugefügt. [1] De ordinantie na L’ordre apres Die Ordnung nach dem het opstaen. la leuée auffstehen. Chapitre II. Denise, Simonette, Leonore, Mariette, Alison, Peronelle, Nicolette [5] D. Waer sydy D. Ov estes vous D. Wo bistu Maertken? chambrillon? Cammermägdlein? S. Hier ben ic vrou. S. Me voi-cy Dame. S. Hie bin ich frauwe. D. Waer zijn D. Où sont D. Wo sein al dees dochters / zijn toutes ces filles, sont alle diese töchter / sein [10] sy noch in her bedden? elles encore en leurs lits? sie noch in ihren bette? S. Sy zijn ouer langhe S. Elles sont pieçà S. Sie sein vorlangest wacker eñ ouereynde. esueillées & descouchées. erwachet vñ auffgestandẽ. D. Ic en sieder D. Ie n’en voy cap D. Ich sehe heubt hovt noch steert af. ne quëue. noch schwantz daruon. [15] S. Som sijnse S. Les vnes sont en la sale, S. Die eine sein im saal/ inden vloer / & les autres en la court. vnd die ander auff dem en d’andere op de plaetse. vorhoff. D. Doetse tot my komẽ / D. Faites les venir à moy, D. Laß sie zu mir kommen op dat ic sie à fin que je voye auf das ich besehe / [20] oftse wel gheschiet zijn. s’elles sont bien en ordre. ob sie wol gezieret sein. L. Godt gheue v L. Dieu vous doint L. Gott geb euch goedẽ dach mijn vrouwe. bon jour madame. guten tag frauwe. D. Goeden dach ghewe v D. Bõ jour vo 9 doint Dieu D. Gutẽ tag geb dir Gott / [6] chambrillon ‘Dienerin’ (Gamillscheg 1969, 208) ist eine seit dem 16. Jh. belegte Femininbildung mit Suffixwechsel zu altfrz. chamberière ( FEW 2, 133). [11] pieça ‘seit langem’, aus älterem pièce à formelhaft seit dem 12. Jh. (Gamillscheg 1969, 701), nur bis zum 17. Jh. geläufig ( FEW 8, 340-341). [23] doint ist eine alte Konjunktivform des Präsens, vgl. Grevisse 1969 = § 645: „Notons en passant, pour le présent du subjonctif de donner, les deux séries d’anciennes formes: que je doigne, que tu doignes, qu’il doignet (réduit à doint ) - et que je doinse, que tu doinses, qu’il doinst ( doint, après amuïssement de s ). - Doint se retrouve encore au XVII e siècle, comme archaïsme […] et même au XVIII e siècle“. God hoe gady so vuylijc? cõment allez vous si sale? wie gehest du so vnsauber. Französisch für Mädchen 1587: La Guirlande des jeunes filles von Gabriel Meurier 105 106 Johannes Kramer [25] L. Ic en ben niet L. Je ne suis pas L. Ich bin nicht gewäschẽ. ghewasschen. lauée. S. Het blijct seker wel. S. Il y appert certes bien. Es scheint warlich wol. D. Moetmen dus ont- D. Faut-il aller ainsi D. Muß man also mit bloshult gaen / deffublée, sem haubt ohne frung vnd [30] sonder cuypteling / sans tresset, mit hangendem haar gehẽ. eñ met hangenden haire? & decheuelée? L. Ic en vinde kam / L. Ie ne trouue peigne, L. Ich finde sträl noch camdoec: ne pignoire: noch strältuch: waer mach mijnen où peut estre ma wo mag mein keelbandt [35] keelbant gourmette vnd spiegel sein? eñ mijnen spieghel zijn? & mon miroir? D. Waer heb dyse geleyt D. Où les auez vous mis? D. Wo hastu sie hingelegt. L. Ons katteken heeft se L. Nostre chaton les a L. Vnser kätzlein hat sie langs de camere gesleppt trainé & rondelé durch die kaḿer geschleif- [40] ende gherolt. par la chambre. fet vnd gerollet. D. Dat mense soecke / D. Qu’on les cerche, D. Das man sie suche / en dat men hem kemme / & qu’on se peigne, vnd das man sich kämme / wassche / en schoon make. laue & nettoye. wäsche vnd reinige. L. Mijn hair L. Mes cheueux L. Mein haar ist so [45] is soo verwert sont si mélez, gar verwirret / das ichs dat icx niet ontdoen que ne les puis nit wieder auffthun noch noch ontwerren en can démeler ne détoũiller. entwirren kan. M. Heft dat hairsnoer M. Releuez ce las M. Häbt das haarschnur ende spansel oppe. & ruben. vnd den heubtbandt oder spänsel auff. [50] S. Ic heb erghens S. I’ay laissé tomber S: Ich hab irgent meinen mijnen schors-haec ende quelque part schurtz kramp / vũ schleyer hul-pserken laten vallen. mon agraphe & tiffet. eysen fallen lassen. L. Isser gheen sweetsel L. Y a-il point de noir L. Ist kein schwärtzel hie / om mijn holblocken pour noircir meine klumpffen zu [55] te swerten? mes sabots? schwärtzen? M. Neemt eerst een M. Prenez premierement M. Nimb vorhin einen voddeken / ende vaechese vn torchon, & torchez les wischtuch vnd wische sie [27] il appert ‘es liegt klar zutage’ (Gamillscheg 1969, 43) ist die einzige finite Form von apparoir ( FEW 25, 24). [29] deffubler ‘ein Gewand abnehmen’ (Gamillscheg 1969, 305) ist mit Beziehung auf den Kopf pikardisch und wallonisch ( FEW 24, 250). [30] tresset gehört zu tresse ‘Haarflechte’ ( FEW 13 [2], 263). [33] pignoire ‘Kammbesteck’ (Gamillscheg 1969, 690) kam im 18. Jh. außer Gebrauch ( FEW 8, 106). [35] gourmette ‘Kinnkette’ (Gamillscheg 1969, 490) war ursprünglich ein Ausdruck der Pferdezucht ( FEW 17, 610), hat sich dann aber zum Terminus für „die schwere, aus zahlreichen Gliedern bestehende und bis an die Brust reichende Halskette“ (Kühnel 1992, 99) entwickelt. [52] agraphe ‘Spange’ ( FEW 24, 365) und tiffet ‘Haarbefestiger’ ( FEW 17, 332) sind Modeausdrücke des 16. Jh. [57] torchon ‘Wischlappen’ ist ein Diminutiv zu torche (Gamillscheg 1969, 854). wel schoon af. bien nettement. rein ab. [59] L. Wie heeft de L. Qui a l’espoussette, L. Wer hat die klopffrut cloproeye eñ cleer-bessem & les vergettes? vnd den kleiderbessen? S. Ic en hebbe S. Ie n’ay S. Ich hab nur dẽ klattermaer den cladder que le decrotoir bessen vnd burstel. ende den borstel. & la broisse. L. Ontcladt ende keert L. Décrotez & escouue- L. Klattere vnd käre mich [65] my achter af. rez moy par derriere. hinden ab. A. V cladden A. Voz crottes A. Die klatteren en zijn niet drooghe. ne sont pas seiches. sein noch nit drucken. L. Ghy zijt wel beclat L. Vous estes bien crottée L. Du bist wol beklattert ende bestouen. & poudreuse. vnd bestäubet. [70] A. Desen cleerbessem A. Ceste escouuette A. Dieser kleiderbessem is heel vet. est bien grasse. ist gar fett. L. Sullen wy met gedec- L. Irons nous à la messe L. Werdẽ wir mit bedeckten hoofde ter missen eñ & sermon à teste tem heubt zu predig gehẽ. te sermoon gaen? voylée? [75] S. Ja wy / ten sy by ghe- S. Ouy, n’est faute S. Ja wir / es mangle dan breke van caproene. de chaperon. an kaprunen. L. Salmen tẽ Vrouwen- L. Preschera-on L. Wirt man zun Frauwẽ broers predicken? aux Carmes? brüdern predigen? R. Neent / maer tẽ Preec- R. Non, mais aux Iaco- R. Nein / [80] heerẽ oft Minrebroed·s. bins ou aux Cordeliers. aber zun Predigern Französisch für Mädchen 1587: La Guirlande des jeunes filles von Gabriel Meurier 107 108 Johannes Kramer oder zun Minnerbrüdern. A. Wie heeft mijnen aen- A. Qui a eu A. Wer hat meinen trecker ghehadt? mon chausse-pied? anzieher gehabt? L. Snut uwen neuse / L. Mouchez vostre nez, L. Schnaub deinenase / ghy zijt besnot la morüe vous découle der Rotz laufft dir ab [85] tot de kinne toe. fin au menton. biß auff das kin. A. Mijnen snutdoec A. Mon mouchoir A. Mein Schnaubtuch ist is inden sac est en la pochette imsack meines grünẽ rocks. van mijnẽ groenẽ bouwẽ de ma verde robbe. S. Wehme sein zu gehörig S. Wien hooren dees S. A qui sont ces diese ermel vnd handtkröß [90] mouwẽ en mouken toe? manches & mancherons? oder auffschlege? R. Dese trijpe pantoffel R. Ces pantouffles de R. Dise Tripen pantuffeln [59] espoussette > époussette ist der ‘Staubwedel’ (Gamillscheg 1969, 385). [60] vergette ist wörtlich eine ‘Bürste aus Besenginster’ ( FEW 14, 498-499). [66] crotte heißt ‘Kot’ (Gamillscheg 1969, 287), generell einfach ‘Schmutz’, die Verbalableitungen crotter und décrotter ‘nettoyer en enlevant la crotte’ gehören dazu ( FEW 16, 407-409). [70] escouvette > écouvette ‘Löschwischer, Kehrbesen’ (Gamillscheg 1969, 349) ist vom 15. bis 17. Jh. belegt ( FEW 11, 318). [76] chaperon ‘Schweifkappe, Kopfbinde’ (Gamillscheg 1969, 212) ist die Kopfbedeckung vornehmer Damen im 16. Jh. ( FEW 2, 269). [78] Carmes sind die Karmeliterinnen, Iacobin die Jakobiner, Cordelier die Franziskaner (wegen ihres strickförmigen Gürtels) oder Minderbrüder. [90] manche ist der ‘Ärmel’, mancheron der ‘obere Ärmelbesatz’ (Gamillscheg 1969, 493). [91-92] pantouffles de tripes sind ‘leichte Hausschuhe aus Velours, samtartig gearbeitetem Wollstoff’ (Gamillscheg 1969, 676; 870). zijn mijne. tripes sont miennes. gehören mir zu. D. Ende dese D. Et ces D. Vnd diese ledderen leeren clickers? souliers cliqu-ts de cuir? klapfschuch? [95] A. Sy sullen haren A. Ilz trouueront bien A. Sie werden ihren meester wel vinden. leur maistre. Meister wol finden. L. Dect uwen boesem L. Couurez vostre sein L. Bedecke deinen busen oft v borstkens. ou voz tetins. vnd deine brüstlein. [99] S. Ic en can my S. Ie ne me puis S. Ich kan mich nit zumaniet toedoẽ noch rojghen. serrer ne lacer. chen noch schnüren. A. Schaemdy v niet A. Auez pas honte A. Schämest du dich nicht soo ontloken te gane / d’aller ainsi desbraillée, also offen vnd mit blosser ende met blooter borstẽ? & à poitrine ouuerte? brüst zugehen? S. De malie van mijne S. Mon lacet S. Die nadel ist von mei- [105] rijgh-nettel is af. est demaillé. nem schnür riehmen. A. Maect dat ghy A. Faites qu’en ayez A. Mache das du einẽ neueenen nieuwen crijght. vn nouueau. wen bekompst. M. T’snoer van mijn M. Le pendant de mon M. Die schnur von meinem herteken is verloren. espinglier est perdu. nadel kocher ist verloren. [110] A. Ist verloren / A. S’il est perdu, A. Ist sie verlorn / soo en vermaenter niet meer n’en parlez plus so schweig daruon still. L. V lijfken / colier (af. L. Vostre corset, collier, L. Dein leibgen / köller ende pels zijn vol & pelice sont pleins vnd beltz sein vol schaben [114] schieters oft motten. de teignes ou mottes. oder motten. A. Is mijnẽ kuers schoñ? A. Ma cotte est elle nette? A. Mein vnderrock ist er R. Keert v omme. R. Tournez vous. (hõny Wende dich vmb. M. V sielken is seer vuyl M. Vostre cotillon es bien M. Dein vnderröcklein ist beslijct ende bestouen. enfangé & empoudré. gar vnsauber / besudelt / vnd bestäubt. A. Waert wel ghewreuẽ A. S’il estoit bien frotté, A. Wehre es wol geriben / ten sou soo beclat niet zijn. il ne seroit pas si crotté. es würd nicht also beklattert sein. [121] L. Schuddet L. Escoüez-le L. Schutle vnnd khere es en keeret wel. & escouuetez-le bien. wol. P. V huyue en staet niet wel. P. Vous estes mal cœffée. P. Dein haube stehet dir vbel. S. Ghy en zijt niet S. Vous n’estes pas S. Du bist nit zu wol ge- [125] seer wel ghehult. trop bien attifée. schleyert. [94] soulier de cuir ist der ‘Lederstiefel’ (Gamillscheg 1969, 819; FEW 12, 362-364).. [97/ 98] sein ‘Busen’ (Gamillscheg 1969, 801) und tétin ‘Brustwarze’ (Gamillscheg 1969, 847; FEW 17, 333-335) stehen nur selten nebeneinander, weil meist seins euphemistisch für tétins steht ( FEW 11, 652). [100] lacer heißt ‘verschnüren’ (Gamillscheg 1969, 554). [104] lacet ist ein ‘cordon avec lequel on serre un vêtement en le passant dans les œillets’ ( FEW 5, 180). Französisch für Mädchen 1587: La Guirlande des jeunes filles von Gabriel Meurier 109 110 Johannes Kramer [105] démailler ‘défaire en dénouant les mailles’ ist laut FEW 6 [1], 13 erst im 19. Jh. belegt. [109] espinglier steht für ‘étui à épingles' ( FEW 12, 185). [115] cotte , ursprünglich ‘Kutte’, bedeutet im 16. Jh. den ‘Frauenrock’ (Gamillscheg 1969, 268), genauer ‘jupe de femme plissée à la ceinture’, die Ableitung cotillon bezeichnet des ‘Unterrock’ (Gamillscheg 1969, 267; FEW 16, 347). [125] attifer bedeutet wörtlich ‘sich zurechtmachen’; hier ist wohl an attifet ‘petit bonnet de femme, s’avançant en pointe sur le front’ gedacht ( FEW 17, 332). A. Wil ic v A. Vous attiferay-je A. Sol ich dich auff kindt op sijn kindsbeds hullen? en accouchée? bedts weise schleyern? N. Neen - ghy / op rous / N. Non, en deüil, N. Nein / auff räuw oft et tapkens. ou à cornettes. oder mit zipffeln. [130] S. Hult my S. Attourez ou achemez moy S. Schleyere mich auff op soo schoonen weder pour la pareille. so schöns wetter. A. Ic sal v een bagijne aẽ A. Ie vous beguineray A. Ich werde dir ein doen op syn jonghwijfs. & espingleray en ancelle. haubttuch anlegen nach der deinst mägt weise. S. Tsy op zijn kindbeds S. Soit en gesine, S. Es sey auff kindtbedt [135] oft op jonghmeyssens. ou en pucelle. oder jungfräwlein weise. A. Staet stille A. Demeurez quoye A. Stehe still vnd fest / en vaste / & ferme, daß ich dich nicht steche. dat ic v niet en steke. que je ne vous picque. S. Ic en ruere my S. Ie ne me S. Ich rege mich nicht ein [140] niet een siere. bouge grain. haar. A. Staet rechte / A. Dressez vous, A. Stehe auffrecht / vnd ende houdt de kinne op. & hausez le menton. halt das kin in der hohe. L. Wascht v vuysten / L. Lauez vos poins, L. Wäsche di fäust vñ hẽende v handen: & voz mains: de / sträuffe die ermel auff / [145] strijct v mouwen op / troussez voz manches, daz du dich nit naß machest. dat ghy v niet nat en maect. que ne vous mouilliez. A. Vwen tabbaert Vostre robbe A. Dein rock ist gar beis seer bepluymt. est bien emplumée. pflaumet. L. Doet de kleerschap- L. Ouurez L. Offne das kleider- [150] praepe open / la garde robbe, schrein das ich meinen dat ic mijnen samaris que je puisse auoir schamaris bekomme. hebben mach. mon chamarre. A. V hooft-dwale A. Vóstre tocque o cœffe A. Deine haubtzwehel ist is seer vuyl. est bien soüillée. gar vnsauber. [155] P. Ende uwen doec P. Et vóstre couurechef P. Vnd deine schleyer ghecrooct. froissé. gekrochet. L. Wie heeft mijn hant- L. Qui a pris L. Wer hat meine händtschoenen ghenomen? mes gants? schuch genommen? R. Daer is v moffele. R. Voy-là voz mitaines. R. Da sein deine stauchen. [127] accouchée ‘Wöchnerin’ (Gamillscheg 1969, 8; FEW 2, 908-909). [129] cornette ist eine ‘Art Frauenhaube mit zwei Hörnchen’ (Gamillscheg 1969, 263); für Flandern ist belegt ‘ancien bonnet de femme avec 2 bandes que l’on nouait sur le dessus de la tête’ ( FEW 2, 1195). [133] espingler steht für ‘attacher, fixer avec une épingle’ ( FEW 12, 185). ancelle , „aujourd’hui sorti de l’usage“ ( FEW 24, 541), bedeutet urspünglich ‘femme de condition servile’, und so fasst es auch der deutsche Glossator auf ( deinst mägd ); der flämische Glossator trifft mit jonghwijf wohl eher den Sinn des französischen Wortes: ‘junges Mädchen’. [134] gésine ‘Wöchnerin’, zu gésir ‘liegen’ (Gamillscheg 1969, 477). [152] chamarre ist der ‘verbrämte Pelzmantel’ (Gamillscheg 1969, 207). [153] toque (Gamillscheg 1969, 854) und coiffe (Gamillscheg 1969, 241) bezeichnet die ‘weibliche Kopfhaube’. [159] mitaine ist der ‘Fausthandschuh’, der „aus zwei Teilen besteht, von denen einer den Daumen, der zweite die übrigen vier Finger umfängt“ (Gamillscheg 1969, 625). [160] S. Cnopt my S. Boutonnez moy S. Knäupffe mir disen fliedesen vlieghere / cette ropille, & ger / vnnd krämpffe diese eñ haect dees haecxkens. attachez ces agraphins. krämpfflein. L. De knoppẽ eñ haeckẽ L. Les boutons & L. Die knöpff vnd krämzin ghebroken. crochets sont rompus. pffe sein gebrochen. [165] A. Hernaeyt v hemd- A. Recousez vóstre che- A. Nehe dein wullẽ hembdrocxken eñ lijnen lijfken. misole & lingette. lein vñ Leibgen widerinñ. S. Tis beter ontnaeyt / S. Mieux vaut decousu, S. Es ist besser entnähet / dan ghegaet / ghescheurt / que troüé, dechiré, dan gelöchert gerissen vnd oft ghebroken. ne rompu. gebrochen. [170] L. Bint v koussens op / Liez voz chausses, L. Bindt deine hosen auff / Französisch für Mädchen 1587: La Guirlande des jeunes filles von Gabriel Meurier 111 112 Johannes Kramer die v op de hielen hangẽ. qui vous pendent sur les die dir biß auff die ferssen (talons hangen. N. Mijn koussebanden N. Mes jartiers N. Meine hosenbendel sein zijn ontstucken. sont en pieces. zu stucken. A. Cnoopt de twee eyndẽ A. Renoüez les deux A. Knäupffe die zwey ende [175] weder t’samen. bouts ensemble. wiederzusamen. L. Gesyt ende strict v L. Bouclez & noüez voz L. Rincke vnd binde deine schoenẽ dat de meestersse souliers, que la maitresse schuch das dich die Meistev niet en bekijue. ne vous tanse. rin nit schelte. A. De ghespe is los / A. La boucle est detachée A. Der schuchring ist ent- [180] eñ t’riemken ooc. & la courroyette aussi. löset vñ das reimlein auch. L. Ic en sieder L. Ie n'y voy L. Ich sehe keinen gheenen doorne aen. point de hardillon. dorn darahn. N. Gort v met desen N. Ceignez vous de ce N. Gürte dich mit diesem blauwen veurschoot. bleu deuantier. blauwen schurtzel. A. Wie heeft mijnẽ riem A. Qui a prins A. Wer hat meinen gurtel [186] ghenomen ma ceinture vor den seinen genommen? veur den sijnen? pour la sienne? N. Is den uwen beslagen N. Est la vóstre ferrée N. Ist der dein beschlagen oft gheweuen? ou tissue? oder geweben? L. Daer is aẽ tot litteekẽ L. Il y a pour enseigne L. Er hat zum zeichen eẽ herteken oft naeldekovn carlet ou aguillier, anhangẽ ein hertzlein oder [192] ker / met een tesse. auec vne scarcelle. nadelkocher mit einer täschen. N. En siet ghyen niet? N. La voyez vous pas? N. Sichstu sie nicht? [160] ropille steht für einen ‘manteau ample’, also eine „Jacke, die über das Wams angezogen wird“ ( FEW 16, 680). [164] crochet ist das ‘Häkchen’ (Gamillscheg 1969, 285). [165/ 166] camisole ist ein ‘vêtement court, à manches, qu’on porte sur la chemise’ ( FEW 2, 142). [166] lingette ist ein ‘justaucorps de toile’ ( FEW 5, 357), also ‘Unterwäsche’. [170] chausses ist die Bezeichnung für das ‘Beinkleid’, das durch unmittelbar unter dem Knie liegende jartiers ‘Strumpfbänder’ gehalten wird ( FEW 2, 70-73; 4, 69). [179] boucle bedeutet ‘Ring, Schnalle’ (Gamillscheg 1969, 130). [180] courriette steht in nordfranzösischen Mundarten für ‘Schuhnestel’ ( FEW 2, 1223). [182] (h)ardillon ist der ‘Schnallendorn’ (Gamillscheg 1969, 48). [191] carrelet ist ein ‘Holzstück’ ( FEW 2, 1402). A. Waert dat ickẽ saghe / A. Si je la voyoye, A. So ich ihn sehe / ich ic en souds niet eysschen. ne la demanderoye pas. wurde nit darnach fragen. [196] L. Waert eenen wolf / L. Si c’estoit vn loup, L. Wer es ein wolff / hy soud'v de keele afbijtẽ il vous estrangleroit er bisse dir die keel ab / oft den neuse ou arracheroit oder ruckt dir die nase van d’aensichte rucken. le nez du visage. vom angesicht. [200] A. Hy is verdroncken A. Elle est noyée A. Er ist verdruncken op een wint-meulen. sur vn molin à vent. auff einer windt müllen. S. Sydy ghewasschen S. Estes vous lauée S. Bistu gewäschen bruynken? brunette? bräunlein? N. Men soude veel wa- N. Il faudroit N. Man solte viel wassers [205] ters behoeuen prou d’eaue bedurffen mich weis zu om my wit te maken. pour me blanchir. machen. A. T’bruyn A. Le brun A. Das braun ist warlich is voorwaer est pour certain vber alle farben / [209] bouen alle coleuren sur toutes couleurs ein sünderliche farb. een sonderlinghe verwe. vn singulier taint. L. Hier ben ic ghekemt / L. Me voy-cy peignée, L. Itzt bin ich gekähmet / schoõ gemaect en gekeert. nettoyée, & escouuetée. gereiniget vnd gekehret. N. Cort v naghelen / N. Roignez voz ongles, N. Kurtze deine negel die soo lanc zijn. qui sont si longues. die so lang sint. [215] P. De litten P. Les jointures P. Die gelench vnd knüchel eñ knokelẽ v- v vingerẽ & neuds de voz doits deiner finger seind zijn heel vet / sont biẽ pleins de gresse, gar fett / en vol vuylichheyts. & d’ordure ou de salissure. vnd voller vnreinigkeit. A. Neemt eenen eemer A. Prenez vn seau A. Nimb ein eymer / oft een krupcke / ende put ou vne cruche, & tirez oder einẽ krug vnd ziehe [221] versch water wten put. de l’eau fresche au puis. frisch wasser auß dem pfütz. L. Ic ben te kleyne L. Ie suis trop petite, L. Ich bin zu klein ende t’onsterc. & peu forte. vnd nit starck genugt. A. Roept de diẽstmaecht / A. Appellez la seruante, A. Ruffe die deinstmaght / ende seght dat sy v helpe. & dites qu’elle vous ayde. vnd sag das sie dir helffe. [226] L. Daer en is koorde L. Il n’y a corde L. Es ist entweder seil noch ketinge die deucht. ne chaine qui vaillent. noch kette daran die tügẽ. Französisch für Mädchen 1587: La Guirlande des jeunes filles von Gabriel Meurier 113 114 Johannes Kramer [197] étrangler heißt ‘erdrosseln, erwürgen’ (Gamillscheg 1969, 402). [211/ 212] peigner ‘kämmen’ , nettoyer ‘reinigen’ , écouvetter ‘abwischen’ sind die Grundregeln, die ein Mädchen beherrschen muss, bevor es das Haus verlässt. [219] seau ist der ‘Eimer’ (Gamillscheg 1969, 799). [226] corde ist das ‘geflochtene Seil’ ( FEW 2, 645: „réunion de ficelles très fortes tordues ensemble, relativement longue et grosse“). [227] chaine ist eine ‘Metallkette’ ( FEW 2, 498: „lien ou parure fait d’une suite d’anneaux de métal“). P. Den eemer P. Le seau P. Le seau en kan niet gheputten. ne peut puiser. ne peut puiser. N. T’water is d- te leege / N. L’eau êt dõc trop basse, N. Das wasser ist dan zu ni- [231] oft de koorde te kort. ou la corde trop courte. drig oder das seil zu kürtz. P. Den eemer P. Le seau P. Der eymer hat kein boen heeft gheenen bodem / n’a point de fond, dem / vnd die korb ist ende de kitte & le broc zu grunde gesuncken. is te gronde ghesoncken. est enfonsé au fond. [236] N. T’water schijnt N. L’eau semble N. Es scheint das wasser be-ijst eñ bevrozen te zijne estre glacée & engelée. sey beeyst vnd befroren. N. Leent my A. Prestez moy A. Leihe mir deinen [239] uwen zeep bal / vóstre pomade de sauon, seiffbal damit ich meine om mijn handen te zeepẽ. pour m’ensauoner les mains. pour m’en savoner les mains. N. En isser gheenen N. Y a-il point N. Ist kein handtuch hantdoec oft dwale / de suaire ou linge, oder zwehel hie / vnsere om ons h-dẽ te droogen? pour essuyer noz mains? hende zu trucknen? A. Daer is eenen A. Voy-là vn essuyoir, A. Da ist ein gar vnsau- [245] vuylen drooch-doec. bien sale. bers trucktuch. N. Wat soud’ic N. Que feroy-je N. Was solt ich mit diesem met desen klets doen / de ce soüillon, vnsauberen stinckendẽ / vnd soo vuyl / verduft / tant sale, puant, beschimmelten wischtuch ende verschimmelt? & relant? machen? [250] A. Ic en weet A. Ie ne say A. Ich weiß kein besser anders gheenen raet / autre remede, mittel / dan daz eine jegliche dan datse sinon que sich an jr schnaubtuch elc drooghe chacune les essuye truckne. aen haren snutdoec. à son mouchoir ou fassolet. [255] N. Wie sal my N. Qui me prestera N. Wer will mir einen eenen oorlepel leenen? vn cur’oreille? ohrlöpffel leihen? A. Daer isser eenen A. En voy-là vn A. Da ist einer wie er ist / ouer dat hy is / tel que tel, aber gib in mir wider / maer gheeften my weder mais rendez le moy wenn du in gebraucht hast. als ghyen gebesicht hebt. quand vous en auez fait. [261] N. Ist dat icken N. Si je ne N. So ich ihn dir nit wie- [239] pommade steht für ‘composition molle et onctueuse faite avec des substances médicamenteuses ou des parfums mêlés à des corps gras’ ( FEW 9, 157); pommade de savon ist also ein rundes Stück Seife, zeepbal bzw. seiffbal. [254] fassolet ist ein sehr seltener Italianismus nach fazzoletto , vgl. REW 3, 356. [256] cure-oreille ist eine ‘tige taillée en petite spatule d’un côté, pour curer les oreilles’ ( FEW 2, 1560). v niet weder en gheue / le vous rends, dergebe so leihe mir in en leenten my niet meer. ne le me prestez plus. nicht mehr. S. Sijdy alle ghelijc S. Estes vous toutes S. Seit jr alle geschmücket? [265] op gheschict? en ordre? L. Ic heb my aengedaẽ / L. Ie suis accoutrée, L. Ich bin angezogen / ghekoust / gecleet / gehult / chaussée, vestue, attourée, bekleydet / geschleyert / ghereghen / ende getopt. lacée, & assenée. geschmückt vnnd auffgemunt. A. Eñ ic gepalleert / ghe- A. Et moy attifée, A. Vñ ich gezieret / begürgort / ghehuyft eñ gehult. ceinte, cœffée & toquée. tet vnd gehaubet. [271] L. Set my doch oppe L. Dressez moy degrace, L. Lieber streich mir auß de lobben les frases die kröse von meinem van mijnen halsdoec. de mon gorgerin. halßtuch. A. Men soude A. Lon auroit A. Man solte balde eine eer een bruyt toegemaect plus-tost attifée Braudt geschmückt haben [276] hebben dan v. vne épouse que vous. dan dich. L. D’een vrientschap L. Vn plaisir L. Eine freundtschafft soect dandere. requiertt l’autre. erforderet die andere. N. En de slincke hant N. Et la main gauche N. Vnd die lincke handt Französisch für Mädchen 1587: La Guirlande des jeunes filles von Gabriel Meurier 115 116 Johannes Kramer [280] wascht de rechte. laue la droite. wäscht die rechte. R. Wat sullẽ wy nu doẽ? R. Que ferõs nous à ceste R. Was wollen wir jetzt ( heure? machen? S. Valt neder S. Plantez vous S. Setzt euch nieder auff op v knien / en genoux, euwere knie / vnnd sprecht eñ leest wel aendachtelijc & dites bien deuotement mit andacht ewere gebett / [285] v bedinghen voz prieres vnd bittungen. ende ghebedekens. & oraisons. [265] en ordre heißt hier prägnant ‘ordentlich angezogen’. [266-270] Hier wird noch einmal das ABC der Herrichtung einer Dame vor dem Verlassen des Hauses widerholt: accoutrer ‘herausstaffieren’, chausser ‘mit Beinkleidern versehen’, vestir ‘Kleidung anlegen’, attourer ‘den Schleier anlegen’, lacer ‘verschnüren’, assener ‘versorgen’, attifer ‘schmücken’, ceinte ‘gegürtet’, coiffée ‘mit einer Haube versehen’, toquée ‘mit einer Kopfbedeckung versehen’. 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Französisch für Mädchen 1587: La Guirlande des jeunes filles von Gabriel Meurier 117 Geschichte des Fremdsprachenunterrichts und der Fremdsprachenforschung in der Romania - eine Annäherung am Beispiel Italiens Daniel Reimann (Duisburg-Essen) 1 Einleitung 1.1 Fragestellung Die Geschichte des Fremdsprachenunterrichts und der Fremdsprachenforschung in der Romania ist insgesamt wenig, in der deutschsprachigen Romanistik beinahe gar nicht erforscht. Dies betrifft insbesondere den institutionalisierten Fremdsprachenunterricht v. a. für Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene, mithin den schulischen Fremdsprachenunterricht und seine Vorläufer in seiner ideen- und institutionengeschichtlichen Dimension. In besonderem Maße betrifft es auch die Geschichte der Disziplin (romanistische) Fremdsprachendidaktik, deren Genese auch bezogen auf den deutschsprachigen Raum noch zahlreiche Forschungslücken bereithält 1 , für den romanophonen Raum beinahe noch vollkommen unerforscht ist. Beides möchte dieser Beitrag exemplarisch für ein romanophones Gebiet, namentlich am Beispiel Italiens, einführend darstellen. Das besondere Potential einer (kontrastierenden) Geschichte des Fremdsprachenunterrichts und vor allem auch der Fremdsprachenforschung in der Romania besteht darin, dass die historische oder in philologischer Terminologie diachronische Perspektive (hierzu vgl. einleitend z. B. Gnutzmann/ Königs 2011) hier durch eine zweite Dimension, die wiederum in Anlehnung 1 Vgl. meinen Vortrag „Geschichte der Didaktik der romanischen Sprachen in Deutschland”, gehalten am 27. 05. 2016 im Rahmen des XXXI. Romanistischen Kolloquiums „Geschichte des Fremdsprachenstudiums in der Romania”, 26.-28. 05. 2016, Universität Mannheim. Zur Geschichte und Gegenwart des Italienischunterrichts und der Didaktik des Italienischen in Deutschland, die wiederum als Folie zu der im Folgenden verhandelten Geschichte des Fremdsprachenunterrichts in Italien gelesen werden kann, vgl. z. B. meine Beiträge Reimann 2004 und 2005 sowie Ausblicke in Reimann 2016a und in Michler/ Reimann 2019 (bes. 1-13, 279-302). 120 Daniel Reimann an die linguistische Terminologie als diatopische bezeichnet werden kann, ergänzt und bereichert wird und somit Konvergenzen und Divergenzen, Stärken und Schwächen einzelner Entwicklungen deutlicher hervortreten und ggf. ganz neue Anregungen gewonnen werden können. Aus Raumgründen muss in diesem einführenden Beitrag auf eine explizite und systematische kontrastierende Darstellung zu Entwicklungen im deutschsprachigen Raum verzichtet werden. Sachkundige Leserinnen und Leser werden Parallelen und Divergenzen indes sogleich erkennen. Sie im Detail, auch die romanophonen Gebiete untereinander kontrastierend, herauszuarbeiten, soll Gegenstand von Folgeuntersuchungen sein: Es handelt sich beim vorliegenden Aufsatz um erste Vorarbeiten, angeregt durch das XXXI. Romanistische Kolloquium in Mannheim, die in einem Projekt zu einer vergleichenden Geschichte des Fremdsprachenunterrichts und der Fremdsprachenforschung in der Romania und im deutschsprachigen Raum in den nächsten Jahren und Jahrzehnten fortgesetzt werden sollen. 1.2 Forschungsstand Einführend sei der Forschungsstand dargestellt, auf den diese Studie wie auch die Nachfolgestudien aufbauen konnte und können. Wiewohl die Übergänge in den Wissenschaftskulturen fließend sind, soll der Übersichtlichkeit halber im Folgenden zunächst der Forschungsstand innerhalb der deutschsprachigen Fremdsprachenforschung, sodann innerhalb der Romania, umrissen werden, wobei als Kriterium für die Zuordnung der Erscheinungsort der jeweiligen Publikation herangezogen wurde (vgl. die Tatsache, dass die die jeweiligen Sprachgebiete betreffenden Beiträge Lutjeharms/ Lochtmann 2011; Martinez/ Narcy-Combes/ Narcy-Comes 2011 und Esteve 2011 in Deutschland erschienen, aber von Forschenden aus den jeweiligen Gebieten verfasst sind). In Abschnitt 2. 3 wird der Forschungsstand zur Geschichte des Fremdsprachenunterrichts und der Fremdsprachenforschung in Italien gesondert umrissen. 1.2.1 Forschungsstand im deutschsprachigem Raum Eine systematische Erforschung der Entwicklung des Fremdsprachenunterrichts und der Fremdsprachenforschung in der Romania steht noch aus. Dies wird bei einem Blick in die einschlägige Forschung deutlich. Fehlanzeige besteht etwa in dem verdienstvollen frühen, teilweise vergleichend ausgerichteten Band Kommunikation in Europa. Probleme der Fremdsprachendidaktik in Geschichte und Gegenwart (Zapp/ Raasch/ Hüllen 1981), der Einzelanalysen u. a. zu den USA und zur UdSSR enthält, nicht aber zu romanophonen Sprachräumen. Ein äußerst wertvolles Kompendium für die Entwicklung des Fremdsprachenunterrichts (und teilweise der Fremdsprachenlehrerbildung und der Fremdsprachendidaktik) in Italien, Spanien, Rumänien, Frankreich und der Schweiz stellt der von Elmar Lechner herausgegebene Band Formen und Funktionen des Fremdsprachenunterrichts im Europa des 20. Jahrhunderts (Lechner 2002) dar. Er enthält Einzelbetrachtungen zu den genannten Sprachräumen, berücksichtigt dabei für Italien die Zeit seit der Einigung, wobei in einer konzisen Darstellung für einzelne Phasen jeweils die „politisch-institutionelle Ebene“, die „theoretische Ebene“ und die „Unterrichtspraxis“ untersucht werden (Gattullo 2002). Auch für Spanien stellt der Beitrag Ipland García 2002 eine der fundiertesten vorliegenden Darstellungen über die jüngere Geschichte des Fremdsprachenunterrichts, einschließlich eigener Betrachtungen für die Sprachen Französisch, Deutsch und Englisch, dar. Wagner 2002 zu Rumänien konzentriert sich zwar auf das Deutsche in Rumänien, stellt dessen komplexe Situation aber sehr differenziert dar und darf daher auch als ein wichtiger Baustein zur Geschichte des (Fremd-) Sprachenunterrichts in Rumänien gelten. Während auch der Beitrag Gut/ Badertscher 2002 auf die Situation des Fremdsprachenunterrichts in der mehrsprachigen Schweiz fundiert eingeht, trägt der Aufsatz Soëtard 2002 zu Frankreich deutlich subjektivere Züge, enthält aber in diesem Rahmen durchaus auch relevantes statistisches Material zur Entwicklung und Situation verschiedener Fremdsprachen in Frankreich. Den umfassendsten Überblick zur Geschichte des Unterrichts der romanischen Sprachen in Europa leistet Reinfried 2014. Dieser höchst verdienstvolle Beitrag bietet punktuell konkrete Hinweise zur Geschichte des Unterrichts der romanischen Sprachen auch in der Romania, an denen Folgestudien zu der hier vorgelegten Untersuchung anschließen können. Aufgrund seines Überblickscharakters, der den Unterricht der romanischen Sprachen in ganz Europa in den Blick nimmt, kann er freilich vertiefte Einzeldarstellungen nicht ersetzen. In demselben Band des Manuals of Romance Linguistics: Language Acquisition finden sich sprachraumbezogene Darstellungen zum Fremdsprachenunterricht in der Romania (v. a. Franceschini 2014 zu Italien und weiteren italophonen Gebieten; Halbach 2014 zu Spanien; Capucho/ Silva 2014 zu Portugal und Brasilien; Spiță 2014 zu Rumänien), wobei die meisten dieser - ansonsten in jeder Hinsicht äußerst verdienstvollen Beiträge -, sofern sie den Fremdsprachenunterricht thematisieren, tendenziell eher gegenwartsbezogen sind. Am ehesten wird eine historische Dimension von Capucho/ Silva 2014 für Portugal und Brasilien herausgearbeitet. Einen der ganz wenigen deutschsprachigen Beiträge zur Fremdsprachendidaktik/ Fremdsprachenforschung in romanophonen Gebieten stellt der vierseitige Handbuchartikel Meißner 2010a dar. Fundiert geht er v. a. auf Frankreich ein, konzentriert sich auch da überwiegend auf begriffliche Grundlagen (35 f.), die Vorstellung von Institutionen wie Alliance Française, CIEP, CREDIF, CRAPEL sowie auf die Rolle der jeweiligen Kulturinstitute für die Fremdsprachenver- Geschichte des Fremdsprachenunterrichts und der Fremdsprachenforschung in der Romania 121 122 Daniel Reimann mittlung (37 f.). Die Gegenwart der Lehrerbildung wird kurz für Frankreich und Spanien skizziert (36). Für Italien wird für die Geschichte der Fremdsprachendidaktik auf den Centro Interuniversitario di Ricerca sulla Storia de[gli] insegnamenti linguistici (CIRSIL) verwiesen (38). Die Themenhefte Geschichte des Fremdsprachenunterrichts und Fremdsprachenforschung in Europa der Zeitschrift Fremdsprachen Lehren und Lernen (39, 2010 respektive 40, 1, 2011), schöpfen das Potential, das sie in Hinblick auf die Erforschung des Fremdsprachenunterrichts und der Fremdsprachenforschung in der Romania gehabt hätten, nur in Ansätzen aus: FLuL 39, 2010 zur Geschichte des Fremdsprachenunterrichts enthält keinen Beitrag zum Fremdsprachenunterricht in der Romania, FLuL 40, 1, 2011 neben einem Beitrag zur Fremdsprachendidaktik in den Beneluxländern (Lutjeharms/ Lochtmann 2011) nur je einen Beitrag zur aktuellen Situation und Publikationsschwerpunkten der Fremdsprachenforschung in Frankreich und Spanien (Martinez/ Narcy-Combes/ Narcy-Comes 2011 sowie Esteve 2011). Bezüglich der Schweiz, Italien, Portugal und Rumänien, um an die Fremdsprachenforschung nur in der europäischen Romania zu denken, besteht hier Fehlanzeige. Zur frühen Geschichte des Deutschunterrichts in der Romania kann natürlich auf entsprechende Abschnitte in Helmut Glücks einschlägigem Handbuch Deutsch als Fremdsprache in Europa vom Mittelalter bis zur Barockzeit verwiesen werden (Glück 2002). Berichte über die Germanistik im Ausland geben meist wenig Aufschluss über die Geschichte des Deutschunterrichts und der Didaktik/ Fremdsprachenforschung des Deutschen als Fremdsprache (so ist z. B. Institut für Deutsche Sprache 2006 rein gegenwartsbezogen). Neben dem Fehlen an systematischen Darstellungen zu Geschichte und Situation des Fremdsprachenunterrichts und der Fremdsprachendidaktik sind zahlreiche Einzelstudien zu historischen Lehr-/ Lernmaterialien (Dialog-/ Gesprächsbücher, Glossare und Grammatiken) der romanischen Sprachen auch aus der Romania vor allem aus linguistischer Perspektive zu verzeichnen, die hier nicht eigens gewürdigt werden können, da sie keine unmittelbare Grundlage für die im Folgenden unternommene Überblicksdarstellung v. a. einer Ideen- und Institutionengeschichte des Fremdsprachenunterrichts und der Fremdsprachenforschung bilden (einführend zu Italien z. B. Reimann 2004, erwähnt werden sollen weiterhin der Beitrag Meißner 2010b sowie die nunmehr überarbeitet publizierte Habilitationsschrift Beck-Busse 2014). 1.2.2 Forschungsstand in der Romania (ohne Italien) Zu den herausragenden Überblicksdarstellungen zur Geschichte des Fremdsprachenunterrichts, die in der Romania entstanden sind, zählen die beiden Bände von Caravolas 1994 und 2000 mit Abschnitten zu Italien, Frankreich, Spanien und Portugal (Caravolas 1994, 31-64, 167-220, 263-293) (vgl. dazu den kritischen Besprechungsaufsatz von Zöfgen 1998), sowie der sehr verdienstvolle einführende Band Évolution de l’enseignement des langues: 5000 ans d’histoire von Claude Germain (Universität Montréal) (Germain 1993). Allerdings enthält der Band eher Bezüge auf die Geschichte der Fremdsprachendidaktik in Deutschland und im anglophonen Raum, spezifische Entwicklungen innerhalb der Romania werden inbesondere bezüglich des Wirkens François Gouins (Germain 1993, 113- 126), der in Frankreich entwickelten audiovisuellen Methode - méthode SGAV - (Germain 1993, 153-167) oder der Immersionsprogramme in Kanada (Germain 1993, 313-327) dargelegt. Dem Programm des Titels entsprechend handelt es sich also eher um eine ‘Weltgeschichte’ des Fremdsprachenlernens - mit verdienstvollen Einführungen in das Fremdsprachenlernen im Altertum -, die Entwicklungen einzelner Sprachräume, hier vor allem des frankophonen Bereichs, nur dann Rechnung trägt, wenn diese internationale Strahlkraft hatten (mit punktuellen Verweisen z. B. auf die Rezeption der Grammatik-Übersetungsmethode in Frankreich oder frankophonen Vorläufern der direkten Methode wie Sainliens, Germain 1993, 108 bzw. 127). Ein früher herausragender Autor der Historiographie des Fremdsprachenunterrichts in Spanien ist der Anglist und Germanist Aquilino Sánchez Pérez (Universidad de Murcia). Ebenso wie Renzo Titone, dem das Verdienst zukommt, als Erster in Italien eine Überblicksdarstellung zur Geschichte des Fremdsprachenunterrichts unternommen zu haben (vgl. Abschnitt 1. 2. 3), hat er einige Zeit an der University of Georgetown in Washington D.C. verbracht. Zwei seiner monographischen Darstellungen können hier erwähnt werden: Historia de la enseñanza del Español como lengua extranjera (Sánchez Pérez 1992) befasst sich neben ideengeschichtlichen und soziokulturellen Kontexten gerade in den Kapiteln zum frühen Spanischunterricht vor allem mit einzelnen Lehr-/ Lernmaterialien (Glossare, Grammatiken), dann aber auch mit den großen Methodenentwürfen seit dem 19. Jahrhundert und in eigenen Kapiteln mit dem Spanischunterricht in Amerika (291-363). Seine Überblicksdarstellung La enseñanza de idiomas en los últimos cien años. Métodos y enfoques (Sánchez Pérez 2009) liest sich indes ähnlich wie Germain 1993 eher als eine Geschichte der großen wie auch ‘klassischer alternativer’ Methoden des Fremdsprachenunterrichts oder wie ein Beitrag zum Transfer anglophoner Modelle in den hispanophonen Sprachraum, auf Spezifika innerspanischer Entwicklungen wird kaum eingegangen. Die meisten und fundiertesten Vorarbeiten zur Geschichte des Fremdsprachenunterrichts, mitunter auch der fremdsprachlichen Lehrerbildung und der Fremdsprachenforschung, wurden von der frankophonen Forschung vorgelegt, insbesondere um die 1987 gegründete Société Internationale pour l’Histoire du Français Langue Étrangère ou Seconde und deren periodisches Publikationsorgan Geschichte des Fremdsprachenunterrichts und der Fremdsprachenforschung in der Romania 123 124 Daniel Reimann Documents pour l’Histoire du Français Langue Étrangère ou Seconde . Schwerpunkte sind auch hier immer wieder Dokumenten- und Materialanalysen (v. a. Dialogbücher, Grammatiken, Glossare und Wörterbücher) sowie die Figur der Fremdsprachenlehrkräfte in der Vergangenheit 2 . Auch die wenigen, auf die Geschichte des Fremdsprachenunterrichts in der Romania, bezogenen monographischen Studien aus der romanophonen Forschung reihen sich in den Bereich der materialanalytischen Untersuchungen ein (z. B. Minerva/ Pellandra 1991; Mandich 2002; Minerva 2003 bzw. Suárez Gómez 1956; Fischer/ García Bascuñana/ Gómez 2004 zu Französisch-Lehrwerken in Italien resp. Spanien). Eine monographische Überblicksdarstellung ist der Geschichte des Französischunterrichts in Italien gewidmet (Minerva 1996). Ein jüngerer Sammelband sowie eine monographische Qualifikationsschrift stellen die Erträge eines großen spanischen Forschungsprojekts zur Geschichte der Ausspracheschulung im Französischunterricht in Spanien vor (Gaspar Galán/ Vicente Pérez 2016; Viémon 2016). Die gegenwärtige Situation des Fremdsprachenunterrichts in Spanien beschreibt González Villarón 2015. Insbesondere in der Linguistik gibt es zahlreiche Studien zu Grammatiken aus der Geschichte der Fremdsprachenvermittlung. Unter den jüngeren Veröffentlichungen kann über die o. g. Publikationen hinaus einführend auf den Band Historia de las ideas lingüísticas. Gramáticas, diccionarios y lenguas (siglos XVIII y XIX) (Villoria Prieto 2011) hingewiesen werden, der u. a. Studien zu Lehr-/ Lernmaterialien für Latein, Englisch und Französisch in Spanien enthält. Immer wieder widmen sich in dem oben genannten Periodikum Einzelbeiträge auch der Geschichte des Französischunterrichts in Italien, Spanien (bes. z. B. Documents 8, 1991 (Themenheft: Pour une histoire de l’enseignement du français en Italie ), Documents 33/ 34, 2005 (Themenheft: L’enseignement du français en Europe autour du XIX e siècle. Histoire professionnelle et sociale ), Documents 56, 2016 (Themenheft: Les dictionnaires bilingues des maîtres ou professeurs auteurs de manuels pédagogiques ); weiterhin z. B. Pellandra 1993, Minerva 1995, und 2010 zu Italien, Piquer Desvaux 2012, Gaspar Galán/ Corcuera Manso 2016 zu Spanien 3 sowie Santos 2012 und 2013 zu Portugal. Das Themenheft Usages et représentations du français hors de France. 25 ans d’études historiques au sein de la SIHFLES (50, 2013), das als Jubiläumsheft zum 25jährigen Bestehen der SIH- FLES konzipiert ist, enthält u. a. einen Forschungsbericht zur Historiographie des Französischen als Fremdsprache in Spanien (García Bascuñana/ Suso López 2013) und in Deutschland (Reinfried 2013). Auch die Zeitschrift Le français 2 Eine Übersicht über die thematischen Schwerpunkte der einzelnen Hefte und weitere Publikationen des Verbandes enthält SIHFLES 2012, bes. 33-41. 3 Einführend in die Geschichte des Fremdsprachenunterrichts in Spanien (v. a. Französisch und Deutsch) bes. Piquer Desvaux 2014 und García Bascuñana 2014. dans le monde - Recherches et applications widmet im Jahr 2012 anlässlich des 25jährigen Bestehens der SIHFLES ein Heft dem Thema Histoire internationale de l’enseignement du français langue étrangère et seconde: problèmes, bilans et perspectives (52, 2012, Gastherausgeber des Thementeils: Marie-Christine Kok Escalle/ Nadia Minerva/ Marcus Reinfried). 4 Beide Hefte enthalten darüber hinaus mehrere grundlegende Beiträge zu Epistemologie und Methodologie der historischen Fremdsprachenforschung (v. a. Minerva/ Reinfried 2012; Frijhoff/ Suso López/ Swiggers 2012; Berré 2013). Mit der Entwicklung der Lehrerbildung im Fach FLE - Français Langue Étrangère, mithin auch zur institutionengeschichtlichen Entwicklung der Didaktik des Französischen in Frankreich, befasst sich das Themenheft 44, 2010 der Zeitschrift Documents ( De l ’École de préparation des professeurs de français à l’étranger à l’UFR de FLE . Histoire d’une institution ). Eine der wenigen jenseits der Documents veröffentlichten Einzeluntersuchungen zum Fremdsprachenunterricht in Spanien, die über das Referieren der allgemein bekannten großen Methodenkonzeptionen (dazu exemplarisch Martín Sánchez 2010) hinausgehen, ist der Beitrag Westermann 2010, der sich in den materialanalytischen Forschungszweig einreiht, indem er zwei Lehrwerke für den Deutschunterricht in Spanien von Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts untersucht. Tatsächlich scheint der fremdsprachendidaktische Diskurs in Spanien insgesamt noch am schwächsten ausgeprägt zu sein. Dies mag auch darin begründet sein, dass Fremdsprachenunterricht in Spanien erst seit den 1970er Jahren obligatorisch ist (vgl. Halbach 2014, 622) - wiewohl Spanien mit den Escuelas Oficiales de Idiomas schon seit 1911 bzw. 1960 über ein in Europa einzigartiges staatliches, für Schülerinnen und Schüler wie auch Erwachsene zugängliches, System von offiziellen Fremdsprachenkursen parallel zu den Schulen verfügt (hierzu vgl. Díaz Ballesteros 2011; Nistal Ramón/ Yuste López 2016). Die EOI, die mit den Außenstellen der regionalen Zentren über 300 Standorte in ganz Spanien bedienen (vgl. es.wikipedia.org, s. v. Escuela Oficial de Idiomas, 06. 06. 2017), nehmen insofern lange Zeit sowohl Aufgaben des schulischen Fremdsprachenunterrichts als auch dessen, was in Deutschland traditioneller Weise die Volkshochschulen im Bereich der Erwachsenenbildung leisten, wahr. Die späte Entwicklung einer Fremdsprachendidaktik in Spanien lässt sich exemplarisch an zwei Veröffentlichungsprojekten darstellen. Eine Publikation wie Métodos y enfoques en la enseñanza/ aprendizaje del español como lengua extranjera (Melero Abadía 2000) zeugt um das Jahr 2000 von Bemühungen, für 4 Für den Hinweis auf diesen Band danke ich Marcus Reinfried ebenso herzlich wie Harro Stammerjohann für den Hinweis auf Cardinale 2006. Weitere Hinweise zur Situation in Rumänien verdanke ich Wolfgang Dahmen und Mihaela Secrieru. Geschichte des Fremdsprachenunterrichts und der Fremdsprachenforschung in der Romania 125 126 Daniel Reimann die zunehmende Zahl von noch nicht grundständig ausgebildeten Lehrkräften für Spanisch als Fremdsprache Selbstlernmaterialien zur berufsbegleitenden Weiterbildung zur Verfügung zu stellen. Der Band ist in einer Reihe Programa de Autoformación y Perfeccionamento del Profesorado de E/ LE erschienen und geht aus einem trinationalen deutsch-italienisch-spanischen Projekt (Lingua/ Socrates) unter Leitung des Goethe-Instituts und unter Beteiligung des Instituto Cervantes, der Escuela Internacional Tandem Madrid und der Università degli Studi di Torino hervor, das, an die Reihe Fernstudienprojekt zur Fortund- Weiterbildung im Bereich Germanistik und Deutsch als Fremdsprache (Langenscheidt) des Goethe-Instituts anknüpfend, Lehrmaterialien zum Selbststudium bereitstellen sollte. Dieser Band beschränkt sich auf eine, allerdings sehr anschauliche, Darstellung der großen Methodenkonzeptionen des Fremdsprachenunterrichts im 19. und 20. Jahrhundert 5 . Seit 2010 entstehen im Zuge der Etablierung erziehungswissenschaftlicher Master-Studiengänge, die unmittelbar berufsvorbereitet sein sollen, erste Handbücher zur Didaktik und Methodik romanischer Schulfremdsprachen: mit Guillén 2010a und b liegen zwei erste auf die Didaktik des Französischen bezogene Studienbücher vor, deren erstes vor allem auf curriculare und unterrichtsmethodische Aspekte fokussiert, das zweite auf forschungsmethodische Aspekte im Rahmen von Handlungsforschung zur Erstellung kleinerer Forschungsskizzen im Master-Studium. Insgesamt ist die Zahl der veröffentlichten Handbücher und Nachschlagewerke zur Fremdsprachendidaktik in Spanien - anders als in Italien (dazu s. u.) und auch im frankophonen Bereich - nach wie vor überschaubar und soll daher an dieser Stelle kurz gewürdigt werden: Neben dem voluminösen Vademécum para la formación de profesores. Enseñar español como segunda lengua (L2) / lengua extranjera (LE) (Sánchez Lobato 2005) sind insbesondere die beiden Begriffswörterbücher (jeweils mit weiterführender, häufig in den anglophonen Bereich verweisenden, Bibliographie) Diccionario de enseñanza y aprendizaje de lenguas (Palacio Martínez 2007) und Diccionario de términos clave de ELE (Martín Peris 2008) zu erwähnen. Beide sind überwiegend auf den gegenwärtigen Fremdsprachenunterricht bezogen und eignen sich daher v. a. selbst als Gegenstände einer Historiographie des Fremdsprachenunterrichts und der Fremdsprachendidaktik in Spanien und sind weniger Vermittler eines historiographischen Diskurses. Zu Rumänien können neben den oben in 1. 2. 1 erwähnten Beiträgen Wagner 2002 und Spiță 2014 auch die Studien von Mihaela Secrieru erwähnt werden. 5 Weitere in Spanien erschienene Titel behandeln folgende Themen: Aprendizaje del léxico y connotaciones culturales, La destreza auditiva, Como trabajar con libros de texto, Las imágenes en la clase de E/ LE (alle Madrid: edelsa, 2001). In Italien sollten aus diesem Projekt zwischen 1999 und 2000 bei Paravia und Bruno Mondadori (Torino/ Milano) 12 Bände erscheinen; greifbar sind v. a. Andorno/ Bosc/ Ribotta 2003 und Corda/ Marello 2004. Insbesondere die Bibliographie in Secrieru 2011 stellt eine Fundgrube dar, die in Hinblick auf die Geschichte des Rumänischen als Fremdsprache systematisch ausgewertet werden müsste. 1.2.3 Forschungsstand in Italien In Italien gibt es zwei einschlägige historische Überblicksdarstellungen zur Geschichte des Fremdsprachenunterrichts, die auch aufgrund ihrer personellen Verflechtung als komplementär erachtet werden können. Renzo Titones 1980 erschienene Glottodidattica. Un profilo storico (Titone 1980) stellt die - von Paolo E. Balboni - übersetzte und um Anhänge (v. a. eine kommentierte Bibliographie zur italienischen Fremdsprachenforschung der 1950er, 1960er und 1970er Jahre) erweiterte Fassung seiner 1968 in Georgetown erschienenen Darstellung Foreign language teaching: an historical sketch dar (Titone 1980). Diese Darstellung ist während Titones Gastprofessur an der Georgetown University in Washington D.C. entstanden. Es handelt sich gerade aufgrund der Entstehungsbedingungen in den USA und dem Anliegen eines Transfers von Methoden aus den USA nach Europa um eine sehr fundierte, jedoch stark an den Entwicklungslinien der ‘großen’ Methoden ausgerichtete Darstellung, die, vergleichbar zu Germain 1993 (s. 1. 2. 2), beginnend mit der Sprachvermittlung in der Antike, v. a. methodische Ansätze von internationaler Bedeutung betrachtet. Spezifika der italienischen Entwicklung wird, abgesehen von dem erwähnten Forschungsüberblick (Titone 1980, 233-249), nur sehr wenig Rechnung getragen. Der Abschnitt „Glottorama: L’insegnamento attuale delle lingue nel mondo“ (Titone 1980, 137-158) ist für die USA sehr ausführlich. Unter den romanophonen Gebieten wird Frankreich am detailliertesten betrachtet (Titone 1980, 145-161), die Ausführungen zu Italien (Titone 1980, 155 f.) und Spanien (Titone 1980, 156) sind sehr knapp gehalten. Spezifka der sprachlichen Bildung in Italien vom Mittelalter bis zur Gegenwart werden indes in der Darstellung Storia dell’educazione linguistica in Italia. Dalla legge Casati alla Riforma Gelmini von Paolo E. Balboni dargestellt (Balboni 2009). Der Anglist Balboni, der nach einigen Jahren Lehrtätigkeit an der Università per Stranieri di Siena seit 1995 Lehrstuhlinhaber an der Università Ca’Foscari in Venedig ist 6 und sich im Laufe der Jahre auf die Fremdsprachenforschung mit Schwerpunkt Didaktik des Italienischen als Fremd- und Zweitsprache spezialisiert hat, darf mithin derzeit als herausragender Historiograph der Fremdsprachenforschung in Italien gelten. Die folgenden Ausführungen orientieren sich im Wesentlichen an dieser Darstellung (vgl. die Abschnitte 1. 3 und 2). 6 Vgl. http: / / www.unive.it/ data/ persone/ 5590567/ curriculum (06. 06. 2017). Geschichte des Fremdsprachenunterrichts und der Fremdsprachenforschung in der Romania 127 128 Daniel Reimann Eine sehr wertvolle Monographie zur Geschichte des Italienischunterrichts ist Grammatiche di italiano per stranieri dal ‘500 a oggi. Profilo storico e antologia von Massimo Palermo und Danilo Poggiogalli (Palermo/ Poggiogalli 2010). Darin enthalten ist - neben den Einzelbetrachtungen zu Grammatiken - auch ein wertvoller Überblick zur Geschichte des Italienischunterrichts in Italien (bes. 41-52). Als Untersuchung zu historischen Grammatiken des Italienischen in Italien ergänzt diese Monographie den von Carla Pellandra herausgegebenen Band Grammatiche, grammatici, grammatisti. Per una storia dell’insegnamento delle lingue in Italia dal Cinquecento al Settecento (Pellandra 1989). Der Band ITALS. Dieci anni di formazione e ricerca enthält Beiträge, welche die jüngere Geschichte des „Progetto ITALS“, der von Giovanni Freddi 1974 begründet worden war (Balboni/ Dolci/ Serragiotto 2007, 7), in seiner Fortführung als „Laboratorio ITALS“ seit der zweiten Hälfte der 1990er Jahre betrachten, in der sich einerseits eine Hinwendung zum Italienischen als Zweitsprache infolge zunehmender Immigration nach Italien, zum anderen eine zunehmende Forschungsorientierung und zugleich eine Institutionalisierung der Italienischlehrerbildung für den außerschulischen Bereich (z. B. Master) abzeichnen. Für weitere, zumeist kleinere, Einzelstudien aus Italien kann auf Balboni 2009 sowie auf über dessen Rezeption hinausgehende Titel in den Anmerkungen und in der Bibliographie des vorliegenden Aufsatzes verwiesen werden 7 . 1.3 Zielsetzung und methodische Vorbemerkung Durch den Forschungsüberblick in Abschnitt 2 konnte aufgezeigt werden, dass es auf internationaler Ebene zwar durchaus Untersuchungen zu Einzelaspekten der Geschichte des Fremdsprachenunterrichts und der Fremdsprachenforschung in der Romania gibt, dass diese jedoch häufig im Bereich der Untersuchung von Grammatiken als Sprachlehrwerken angesiedelt sind. Untersuchungen der größeren Zusammenhänge des Fremdsprachenunterrichts auf institutionen- und ideengeschichtlicher Ebene sind indes sehr selten und liegen innerhalb der Romania beinahe nur für den Fall Italiens vor (Balboni 2009). Seitens der deutschsprachigen Forschung wurde neben den Einzeldarstellungen in Lechner 2002 einzig der sehr verdienstvolle Beitrag Reinfried 2014 vorgelegt, der jedoch international-vergleichend ganz Europa in den Blick nimmt. Der vorliegende Beitrag möchte vor dem Hintergrund der herausgearbeiteten For- 7 Ein umfassendes bibliographisches Instrument zu seit 1960 in Italien erschienenen Publikationen stellt weiterhin die online verfügbare Bibliografia dell’Educazione Linguistica in Italia BELI (ed. Balboni) dar, die online verfügbar ist: www.itals.it/ sites/ default/ files/ docs/ Bibliografia_Educazione_Linguistica_in_Italia_1960-1999.pdf bzw. www.itals. it/ sites/ default/ files/ docs/ Bibliografia_Educazione_Linguistica_in_Italia_2000-2016.pdf (06. 06. 2017) schungsdefizite und als Ansatzpunkt für weitere, Einzelaspekte vertiefende und weitere Überblicksdarstellungen in der historischen Fremdsprachenforschung und in der historisch-vergleichenden Bildungsforschung ermöglichende, Untersuchungen einen ersten Überblick über Geschichte des Fremdsprachenunterrichts, der Fremdsprachenlehrerbildung und der Fremdsprachenforschung in Italien liefern. Zu diesem Zweck wurde der Band Balboni 2009 systematisch ausgewertet. Die vorgelegten Ergebnisse wurden immer dann geprüft und ggf. korrigiert, wenn kleinere Fehler offensichtlich waren, die Darstellung potentiell subjektiv sein konnte (z. B. bei expliziter Bezugnahme auf Maßnahmen politischer Parteien) oder anderweitig Zweifel an der Plausibilität bestanden. Die einschlägigen von Balboni zitierten Studien v. a. seit den 1970er Jahren wurden eingesehen, konnten aber in den meisten Fällen im Rahmen der vorliegenden Einführungsdarstellung nicht eigens gewürdigt werden. Hier besteht Potential für vertiefende Einzelstudien etwa im Rahmen von Qualifikationsschriften. Ergänzende Hinweise zu diesen Studien wurden v. a. in Fußnoten aufgenommen. Die - zwangsläufig im Rahmen einer derartigen ‘historiographischen Pilotierung’ subjektive - Auswahl der im Folgenden referierten Momente einer Geschichte des Fremdsprachenunterrichts und der Fremdsprachenforschung in Italien erfolgte konsequent aus der Perspektive der aktuellen deutschsprachigen Fremdsprachenforschung und Historiographie des Fremdsprachenunterrichts. Insofern versteht sich der Aufsatz nicht nur als Beitrag zur Wissenschaftsgeschichte, sondern nicht zuletzt auch als ein Beitrag zum deutsch-italienischen Kulturtransfer. 2 Geschichte des Fremdsprachenunterrichts und der Fremdsprachenforschung in Italien 2.1 Vorgeschichte - Anfänge des Fremdsprachenunterrichts in Italien: Latein, Griechisch, Hebräisch und das Toskanische Ab dem 14. Jahrhundert kennt Italien drei Institutionen der grundlegenden Bildung, die kirchlichen scuole di catechismo , die neben der Einführung in den christlichen Glauben für eine grundlegende Alphabetisierung sorgen und ggf. in eine weiterführende Bildung nach Eintritt in ein Kloster münden, die scuole d’abaco , die im weiteren Sinne vor allem in Hinblick auf den Handel berufsvorbereitend sind und sich als Unterrichtssprache des jeweiligen volgare bedienten, und die scuole di grammatica , die von Bürgern und dem angehenden Klerus besucht werden und in denen das Lateinische eine zentrale Rolle spielt (Balboni 2009, 3). Seit Ende des 16. Jahrhunderts tritt, durch die Jesuiten eingeführt, das Geschichte des Fremdsprachenunterrichts und der Fremdsprachenforschung in der Romania 129 130 Daniel Reimann Griechische als klassische Bildungs-Fremdsprache hinzu (ebd.). In der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts wird das Bildungssystem durch die Jesuiten auch insofern neu organisiert, als der Wechsel an die weiterführenden Schulen, so genannte collegi , bereits im Alter von etwa 10 bis 11 Jahren erfolgt (ebd.). Hier werden das Lateinische, das Griechische, und in den letzten drei Schuljahren auch das Hebräische gelehrt (ebd.). Die Sprachenbiographie eines Absolventen dieser Schulen umfasst den lokalen volgare , das Toskanische, Latein, Griechisch und Hebräisch (ebd.). Kenntnisse in modernen Fremdsprachen sind nicht erforderlich, da einerseits das Lateinische noch als lingua franca dient, andererseits das Italienische an vielen europäischen Höfen und Banken verbreitet ist (op. cit., 4). Im 17. Jahrhundert treten neben die Schulen der Jesuiten Schulen anderer religiöser Orden (z. B. Somasker, Barnabiten), die weniger elitär und für die Bildung des Bürgertums bis ins 19. Jahrhundert von zentraler Bedeutung sind (ebd.). 2.2 Bildung und Fremdsprachenunterricht seit der Aufklärung: Französisch Mit der Aufklärung verbreitet sich die Idee, dass weiter greifende Volksbildung eine staatliche Aufgabe sei. Ab 1717 gründet das Haus Savoyen staatliche, laizistische Schulen, 1788 wird in Mailand die erste scuola normale eingerichtet, die den Beginn der staatlichen (Volksschul-) Lehrerbildung markiert (ebd.). Dem Italienischen kommt nunmehr der Charakter der zentralen Kultur- und Bildungssprache zu, so dass die Bedeutung des Lateinischen zurückgeht (ebd.). Auch als lingua franca wird das Lateinische weitgehend vom Französischen abgelöst, das mithin für die Aristokratie und das gehobene Bürgertum zur bedeutendsten Fremdsprache wird. 8 Die Französische Revolution und Napoleon besiegeln die Bedeutung des Französischen als wichtigste Fremdsprache in Italien, die bis weit ins 20. Jahrhundert anhält (ebd.) 9 . Ab 1802 wird das liceo zur die weiterführende Bildung verkörpernden Institution. In seiner Genese stellt das liceo eine Kombination des österreichischen Gymnasiums mit dem französischen lycée dar (ebd.). Ein liceo muss in jeder Gemeinde mit mehr als 10.000 Einwohnern eingerichtet werden; es gibt die beiden Ausbildungsrichtungen classico und scientifico (ebd.). 8 Reinfried (2014, 256) verweist kontrastierend und mit weiterführender Bibliographie darauf, dass eine Intensivierung des Französischunterrichts in Italien bereits seit der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts, in Spanien erst ab Ende des 18. Jahrhunderts festzustellen ist. 9 Noch bis weit in die 1990er Jahre hinein kann man gerade in Süditalien das altsprachliche Abitur ohne Englischkenntnisse (also mit den Sprachen Latein, Griechisch, Französisch) ablegen; eigene Beobachtung. 2.3 Fremdsprachenunterricht im Königreich Italien ab dem 19. Jahrhundert: Französisch, Latein, Griechisch, Deutsch, Englisch - und Italienisch 10 1859 wird die legge Casati verabschiedet, die zunächst für die Reform des Schulwesens im Königreich Sardinien konzipiert ist, ab 1861 indes für das gesamte Königreich Italien Anwendung findet (op. cit., 4 f.). Die legge Casati sieht die Verbreitung des Italienischen als Nationalsprache einerseits, (op. cit., 5 f.) 11 , die Einführung des Französischen als einziger moderner Fremdsprache an den Gymnasien andererseits vor (op. cit., 11). Englisch und Deutsch gelten lediglich als „nützliche“ Sprachen („ lingue strumentali “, op. cit., 11) und werden nur in den letzten drei Jahren der beruflich orientierten Schulen ( scuola tecnica ) angeboten (ebd.). Die frühe Berücksichtigung des Deutschen im italienischen Bildungssystem erklärt sich durch die österreichische Präsenz in Norditalien (Balboni 2009, 24 f.). In den Institutionen liceo und scuola tecnica setzen sich im Grunde die mittelalterlichen Schultypen der scuole di grammatica einerseits und der scuole di abaco andererseits fort (ebd.): Im liceo (classico) werden die alten Sprachen der auch in Deutschland hinlänglich bekannten Argumentation einer ‘Schulung des Geistes und des Charakters’ folgend nebst dem Französischen an eine intendierte Führungsschicht nach der Grammatik-Übersetzungsmethode gelehrt (ebd., auch Balboni 2009, 22-24). Das Griechische wird mit der legge Casati erstmals offiziell in den Bildungskanon aufgenommen (Balboni 2009, 23), eine Schwierigkeit bei seiner Verbreitung stellt indes zunächst die nicht flächendeckend gesicherte Lehrerbildung dar: die einzige Universität, die Griechischlehrer ausbilden kann, ist zunächst die in Pavia; die Universität Padua, die ebenfalls einen Lehrstuhl für Griechisch eingerichtet hat, gehört bis 1866 noch zu Österreich-Ungarn (Balboni 2009, 23 f.). Dagegen sehen die scuole tecniche tendenziell das Englische und Deutsche als beruflich relevante Sprachen vor (Balboni 2009, 11). Die (Volksschul-) Lehrerbildung findet weiterhin an den scuole normali statt, die den technischen Schulen gleichgestellt sind und somit allenfalls Englisch und Deutsch lehren (Balboni 2009, 11 f.). Für den 10 Als Einführung in die Geschichte des italienischen Bildungswesens seit dem 19. Jahrhundert, die als Hintergrund zu diesen spezifisch den Fremdsprachenunterricht betreffenden Ausführungen gelesen werden kann, sei auf Corbi/ Sarracino 2003 verwiesen. 11 In diesem Kontext entsteht auch die Storia della letteratura italiana von De Sanctis, die als Lehrwerk für die licei konzipiert war (Balboni 2009, 6). Tatsächlich wurde Italienisch zum fraglichen Zeitpunkt wohl maximal von 10 % der Bevölkerung - De Mauro 1963 geht sogar nur von 2,5 % der Bevölkerung aus - gesprochen (ebd., mit weiterführender Bibliographie). Zudem ist aus heutiger Sicht beachtlich, dass bei einer errechneten Analphabetismus-Quote von 74,7 % im Königreich Italien (87,1 % im Mezzogiorno) keine konkreten Maßnahmen zur Finanzierung und Durchsetzung der Schulpflicht, mithin einer grundlegenden Alphabetisierung, vorgesehen waren (Balboni 2009, 11). Geschichte des Fremdsprachenunterrichts und der Fremdsprachenforschung in der Romania 131 132 Daniel Reimann fremdsprachlichen Anfangsunterricht orientiert man sich ausschließlich an der aus Deutschland übernommenen Grammatik-Übersetzungsmethode nach Heinrich Seidenstücker und Karl Plötz (Balboni 2009, 25). Innovative Ansätze aus den USA (Ticknor, Longfellow, Sauveur, Marcel) oder französischen Ursprungs (Gouin) werden im schulischen Bereich vollkommen ignoriert (Balboni 2009, 25). Lehrpläne lesen sich daher als „Stoffsammlungen“ auf der Ebene der sprachlichen Mittel mit kurzen methodischen Verweisen auf Übersetzung und Diktat (Balboni 2009, 25). Ab dem dritten Lernjahr indes soll der Unterricht auf dieser Grundlage im Sinne der direkten Methode rein einsprachig in der Zielsprache gehalten werden (Balboni 2009, 25). Mit dem Übergang der Macht an die „Sinistra Storica“ ab 1876 wird die Bedeutung des liceo und vor allem auch die des Lateinischen im ginnasio (also im Alter von 10 bis 14 Jahren bzw. der heutigen 5. bis 9. Jahrgangsstufe) erstmals hinterfragt (Balboni 2009, 27 ff., 32 ff.). Zur Stärkung der berufsvorbereitenden scuola tecnica , die gerade auch unter den Vorzeichen der Industrialisierung angezeigt scheint, diskutiert man die Einführung einer grundsätzlich „lateinfreien“ scuola media zwischen Grundschule und weiterführendem liceo bzw. scuola tecnica (Balboni 2009, 32 f.). Die Reform einer einheitlichen scuola media ohne Latein scheitert, gerade auch, weil linksgerichtete Entscheidungsträger der Ansicht waren, man dürfe den aufstrebenden sozialen Schichten die klassische Bildung nicht vorenthalten (Balboni 2009, 40). Im Jahr 1905 schlägt eine „Commissione Reale per l’Ordinamento degli Studi“ neue Sprachenfolgen für verschiedene Schultypen vor: Gymnasium ( Jg. 5-9) mit Französisch statt Latein, liceo classico mit Latein und Griechisch, liceo scientifico mit zwei lebenden Fremdsprachen, liceo moderno nur mit Latein. Die angedachte Reform wird indes nicht umgesetzt (Balboni 2009, 41). In der Zeit nach dem ersten Weltkrieg wird in der Mittelstufe an großen Schulen bisweilen auch Englisch neben Französisch unterrichtet (Balboni 2009, 76). Die in den Lehrplänen vorgesehenen Methoden für den alt- und neusprachlichen Unterricht sind zunächst weitgehend unverändert, wiewohl v. a. auf dem Papier - ohne methodische Umsetzungsmöglichkeiten aufzuzeigen - in den neueren Sprachen eine verstärkte Berücksichtigung der Mündlichkeit gefordert wird (was als Spiegel internationaler Diskussionen etwa um die „Direkte Methode“ oder auch die Berlitz-Methode gedeutet werden kann, vgl. Balboni 2009, 33). In den Rundschreiben und grundlegenden methodischen Hinweisen („ circolare “) des Ministers Baccelli aus den Jahren 1919/ 1920 wird dem Unterricht in den modernen Fremdsprachen - die ab 1920 erstmals als „ lingue straniere “, also Fremdsprachen, und nicht mehr als „ lingue moderne “ in Abgrenzung zu den alten Sprachen („ lingue classiche “) bezeichnet werden (zugleich wird das Italienische nach dem 1. Weltkrieg zunehmend als „ lingua patria “ benannt, Balboni 2009, 42) - explizit eine utilitaristische Zielsetzung zugesprochen (Balboni 2009, 43), wobei diese vor allem im schriftlich-rezeptiven Bereich angesiedelt ist: Ziel soll das Leseverstehen praxisrelevanter Texte sein, die sodann - in heutiger Terminologie sprachmittelnd - in der Muttersprache erklärt werden sollen („obbligando gli alunni a spiegare in italiano quello che hanno letto“, zit. in Balboni 2009, 43). Balboni hebt als fremdsprachendidaktische und -methodische Neuerungen der circolare Baccelli hervor: die Tatsache, dass praxisrelevante Sachtexte statt literarische Texte in den Vordergrund rücken, die Forderung, dass die Texte in italienischer Sprache „erklärt“ („ spiegare “) und nicht übersetzt werden sollen - in heutiger Terminologie also eine frühe Variante von „Sprachmittlung“ - sowie die Tatsache, dass ein globales Leseverstehen bei einer schnellen Lektüre verbunden mit einer punktuellen vertieften Analyse im Unterricht angestrebt werden („ in iscuola si riprenderanno per commentarli solo alcuni passi “, Balboni 2009, 43). Dem fortschrittlichen Ansatz der circolare steht eine konservative Praxis gegenüber, die sich bereits den sich auf sie beziehenden „ programmi “, also Lehrplänen mit inhaltlichen und methodischen Hinweisen, des Jahres 1920 entnehmen lassen (vgl. Balboni 2009, 44). Einerseits wird auch hier in den eher theoretischen Passagen neben dem bildenden Wert, der den modernen Fremdsprachen ebenso wie den alten Sprachen zugeschrieben wird, der praktische Wert der modernen Fremdsprachen hervorgehoben, so z. B. für das Englische und Deutsche: Per i licei moderni l’insegnamento delle lingue ha fine formativo, alla pari delle lingue classiche. Ma sarebbe assurdo che, nell’educare la loro intelligenza, gli scolari rinunziassero a impadronirsi di uno strumento tanto utile per la pratica della vita e degli studi. In ogni modo al fine formativo si può arrivare partendo da uno studio pratico e quanto più occasionale possibile della grammatica, e procedendo per via d’intense e meditate letture (zit. in Balboni 2009, 44). Andererseits stehen in den inhaltlichen Hinweisen nach wie vor sprachsystematische Listen, begonnen bei den Phonemen, im Vordergrund, als methodische Hinweise für den Französischunterricht wird die Hinübersetzung aus dem Italienischen, aber auch aus dem Lateinischen ins Französische empfohlen, methodische Hinweise zur Förderung der mündlichen Kompetenzen bleiben aus (vgl. Balboni 2009, 43 f.). 2.4 Fremdsprachenunterricht in Zeiten des Faschismus: Vor allem Latein - und Abschaffung der modernen Fremdsprachen Im Jahr 1923 werden die Dekrete erlassen, die als Riforma Gentile bekannt sind (z. B. Balboni 2009, 51). Balboni weist darauf hin, dass der verbreitete synonyme Gebrauch von scuola gentiliana und faschistischem Schulsystem bei näherem Geschichte des Fremdsprachenunterrichts und der Fremdsprachenforschung in der Romania 133 134 Daniel Reimann Hinsehen nicht richtig ist, insofern Gentile nur kurze Zeit Bildungsminister ist (1922-1924) und die zu seiner Zeit erlassenen Dekrete in der Folgezeit immer wieder in einer Form modifiziert werden, der Gentile selbst explizit widerspricht. Das faschistische Schulsystem wird vielmehr von den Ministern De Vecchi und Bottai geprägt (Balboni 2009, 45). Nach Balboni habe Gentile, der u. a. Intellektuelle wie Salvemini, Croce und Codignola auf seiner Seite wusste, zwar eine elitäre und aristokratische Bildungskonzeption vertreten, nicht aber eine solche, die Interessen einer sozio-ökonomischen oder parteipolitischen Elite stärken sollte (Balboni 2009, 45). In Hinblick auf die Sprachbildung steht für die faschistische Bewegung eine „Italianisierung“ im Sinne der Verbreitung eines nationalen Standards im Vordergrund (z. B. Balboni 2009, 46-57). Diese Sprache wird zum einen latinisierend überhöht, um auch sprachlich an das Erbe des Imperium Romanum anzuknüpfen (Balboni 2009, 47), zum anderen durch die Mobilität von Staatsbediensteten (Militärs, Beamte, Lehrer) gerade auch in alloglotten Gebieten (Balboni 2009, 47) und durch durch gezielte Programme wie die Lehrmaterial-Reihe „Dal dialetto alla lingua“, an der auch namhafte Linguisten wie Migliorini und Tagliavini mitwirken (Balboni 2009, 47, 48), verbreitet und durch gezielte sprachpolitische Interventionen insbesondere im Bereich der Lexik beeinflusst (z. B. „datore di lavoro“ statt „padrone“, Balboni 2009, 48). Mussolini selbst wird zum sprachlichen Vorbild: „il primo modello di „italicità“ linguistica è Mussolini stesso: un parlante che ama la ridondanza, la parola dotta o ritenuta tale, la sintassi ipotattica all’eccesso“ (Balboni 2009, 48). Die Schule ist dabei nur ein Akteur von untergeordneter Bedeutung und tritt in Hinblick auf die Verbreitung der ‘faschistischen Norm’ hinter den neuen Massenmedien Radio und Film zurück (Balboni 2009, 46). Bezüglich des Fremdsprachenunterrichts kann in inhaltlicher und methodischer Hinsicht Folgendes festgehalten werden: die mündliche Übersetzung eines italienischen Textes in die Fremdsprache und ein Diktat an der Tafel werden zentrale Bestandteile in den mündlichen Aufnahmeprüfungen für die 4. Klasse des Gymnasiums ( Jahrgangsstufe 9) (sic) und im Abitur des liceo scientifico (Balboni 2009, 60 f.), der Lektürekanon wird sukzessive im Sinne des Regimes entleert und neu bestückt, etwa wird für das Deutsche Nietzsche aufgenommen (Balboni 2009, 61). Dabei kann Balboni am Beispiel des Englischen zahlreiche Rechtschreibfehler selbst in den Namen von Schriftstellern nachweisen und damit die „profonda ignoranza presente nel nuovo personale ministeriale dopo le dimissioni di Gentile e Lombardo Radice“ belegen (Balboni 2009, 61). Die ausführlichen Lektüre-Kanones belegen zugleich, dass jeder Ansatz der kommunikativen Nützlichkeit von Sprache, der den Programmen von 1919/ 1920 innegewohnt hat, wieder zurückgefahren wird (Balboni 2009, 61). Besagter utilitaristischer und kommunikativer Anspruch besteht zunächst, ab 1928, in der Abendschule, Corsi serali di lingue straniere sowohl für die Schüler als auch für Erwachsene, fort, wobei er hier mithilfe der Grammatik-Übersetzungsmethode realisiert werden soll (Balboni 2009, 61). Auch in der 1930 neu eingerichteten berufsvorbereitenden Schule, „scuola di avviamento professionale“, sollen kommunikative Lernziele erreicht werden, wobei für den mündlichen Bereich neben dem Diktat eine Diskussion über landeskundliche Inhalte der Zielkultur in italienischer Sprache auf dem Programm steht (Balboni 2009, 61). Immerhin wird 1931 in einem ministeriellen Rundschreiben die Nutzung des „g rammofono “ bzw. „ radiogrammofono “ für die Kurse von Linguaphone angeordnet (Balboni 2009, 61). Gegen Ende des faschistischen Regimes verschwindet der Fremdsprachenunterricht aus dem Bildungssystem: konnte in den oben erwähnten Erlassen des Ministers Baccelli aus den Jahren 1919/ 1920 eine Art „proto-kommunikativer“ Ansatz festgestellt werden („ approccio proto-comunicativo “, Balboni 2009, 59 f.) und hat die Riforma Gentile des Jahres 1923 das Stundenkontingent für den Fremdsprachenunterricht sogar noch erhöht (Balboni 2009, 60), so wird im Jahr 1930 zeitgleich mit der Einführung der berufsvorbereitenden scuola di avviamento professionale die Stundentafel wieder reduziert und unter dem Minister Bottai im Jahr 1940 der Fremdsprachenunterricht vollständig eliminiert (Balboni 2009, 60). Balboni hebt die Art und Weise hervor, auf die diese Eliminierung vor sich ging: das Gesetz zur Unterrichtsreform ( legge n. 899) vom 1. Juli 1940 sieht Fremdsprachenunterricht in der zweiten und dritten Klasse der scuola media wie auch der scuola di avviamento professionale vor, die entsprechende Verordnung zur inhaltlichen Ausgestaltung des Gesetzes vom Ende desselben Monats gesteht den Fremdsprachen in den Stundentafeln indes keinerlei Kontingente mehr zu (Balboni 2009, 60). Auch außerschulisches institutionalisiertes Fremdsprachenlernen wird de facto ausgeschlossen, indem die Schließung der Berlitz-Schulen im Namen des Erziehungs- und des Außenministeriums angeordnet wird (Balboni 2009, 60). Mit Balboni kann man kontrastierend darauf verweisen, dass praktisch zeitgleich in den USA mit Hilfe der audiolingualen Methode, die ja auch als „army method“ bezeichnet wird, die fremdsprachliche Ausbildung der Militärs beschlossen wird (Balboni 2009, 60). Mit der „riforma Gentile“ des Jahres 1923 wird der altsprachliche Unterricht immens ausgebaut: dem Fach Latein kommen in den fünf Jahren des ginnasio ( Jahrgangsstufen 5 bis 9) 33 Jahreswochenstunden zu (mehr als dem Fach Italienisch mit 31 Jahreswochenstunden), also im Durchschnitt über 6 Wochenstunden pro Schuljahr. In den beiden letzten Jahren des ginnasio ( Jahrgangsstufen 8 und 9) treten insgesamt acht Jahreswochenstunden Griechisch hinzu. In den Geschichte des Fremdsprachenunterrichts und der Fremdsprachenforschung in der Romania 135 136 Daniel Reimann drei Jahren des liceo classico (heute Jahrgangsstufen 10 bis 12) werden beide Sprachen (ebenso wie das Italienische) mit insgesamt jeweils 11 Jahreswochenstunden unterrichtet (Balboni 2009, 57). Im liceo scientifico hat das Lateinische mehr Stunden als das Italienische, auch wird Latein in eher berufsorientierten Schulen wie dem Istituto Tecnico Agrario und dem Istituto Tecnico per Ragionieri unterrichtet (Balboni 2009, 57) 12 . In inhaltlicher und methodischer Hinsicht kann hervorgehoben werden, dass die Verordnungen explizit die Lektüre und Auseinandersetzung von und mit Texten im Zentrum des Unterrichts wissen wollen (in Abgrenzung zu einem eher sprachorientierten und enzyklopädischen altsprachlichen Unterricht, wie er bis dato vorherrscht) (Balboni 2009, 57). Darüber hinaus ist die riforma Gentile auch insofern für die weitere Geschichte des italienischen Bildungssystems bedeutend, als die Grundschule nunmehr nicht mehr vier-, sondern fünfjährig ist (vgl. it.wikipedia.org, s. v. Storia dell’istruzione in Italia, 06. 06. 2017). Man geht heute davon aus, dass Gentile die Alten Sprachen tatsächlich als Bildungsgut stärken wollte und dass seine Reformen in einem zweiten Schritt von der faschistischen (Schul-) Politik weitergeführt und instrumentalisiert werden konnten (Balboni 2009, 58; vgl. Charnitzky 1994, z. B. 76, 126, 144). Dass der Anspruch, das Lateinische auf hohem Niveau auch auf den berufsvorbereitenden Schulen einzuführen, nicht haltbar ist, zeigt sich an den bereits 1925 unmittelbar nach dem Rücktritt Gentiles deutlich verringerten Prüfungsanforderungen an den istituti tecnici (Balboni 2009, 58) - zugleich beweist das Festhalten am Lateinischen eben auch an diesen Schularten, dass die faschistische Schulpolitik ein großes Interesse an der Vermittlung des Lateinischen im Sinne einer Begründung des imperialen Anspruchs Italiens aus der Antike heraus an den Tag legt (vgl. Balboni 2009, 58). In der Carta della Scuola von Bottai aus dem Jahr 1939, welche Balboni als den „ vero manifesto della scuola fascista “ bezeichnet (Balboni 2009, 58), wird die Rolle des Lateinischen ab der scuola media nochmals dezidierter im Sinne eines Faches, das der Disziplinierung des Geistes einerseits und der Leistungsdiagnostik andererseits diene und einen Zugang zu jeglicher Kultur ermögliche, unterstrichen („È con il latino che si disciplina, si organizza e si orienta la mente; ed è con il latino che si discernono meglio e più sicuramente le capacità diverse degli studenti. […] l’incontro del giovinetto con il latino, nella scuola media, è un incontro non solo per il latino, ma per la cultura . “, zit. in Balboni 2009, 58 f.). 12 Zu einer literarisch überformten, parodistischen Skizze der Rolle des Lateinischen in der bürgerlichen Erziehung der 1920er Jahre vgl. sehr anschaulich die Erzählung San Giorgio in casa Brocchi von Carlo Emilio Gadda (publiziert 1931), hierzu vgl. Reimann 2000 und - open access und ausführlicher - Reimann 2002. Tatsächlich ist auch die faschistische Schulreform unter Bottai im Jahr 1940 insofern für das heutige Schulsystem Italiens nach wie vor relevant, als die scuola media - eine sich an die Grundschule anschließende dreijährige „Gesamtschule“ für alle vor einer weitergehenden Differenzierung - hier begründet wird, indem die ersten drei Jahre des ginnasio , des istituto magistrale und der istituti tecnici in der scuola media zusammengeführt werden (it.wikipedia.org, s. v. Scuola secondaria di primo grado in Italia , 14. 04. 2017). 2.5 Fremdsprachenunterricht in den 1950er und 1960er Jahren: Weniger Latein, mehr moderne Fremdsprachen - auch Deutsch und Spanisch Für die Geschichte der (Sprachen-) Bildung im Italien der unmittelbaren Nachkriegszeit hat Balboni vier entscheidende Momente herausgearbeitet: 1. Das Wirken von Carleton W. Washburne, eines Schülers Deweys, beim Wiederaufbau des italienischen Bildungssystems im Auftrag der US-Armee zwischen 1943 und 1949, das den starken Einfluss Deweys in der italienischen Pädagogik begründet und u. a. zur Gründung einer Art „Volkshochschulen“, scuole popolari , führt, die zur Alphabetisierung von laut Balboni etwa fünf Millionen Erwachsenen in Italien beitragen (Balboni 2009, 62), 2. konsequente Aufwertung der Bildungspolitik, die sich in dauerhaften und mithin handlungsfähigen, kompetenten Besetzungen des nunmehr Ministero della Pubblica Istruzione genannten Ministeriums auch über einzelne Regierungen hinweg zeigt (u. a. Reform der scuola media ohne Latein, mit Unterstützung des Papstes Johannes XXIII., durch Aldo Moro, s. u.) (Balboni 2009, 62 f.), 3. Einführung des Fernsehens im Jahr 1954 mit der Verbreitung eines (Standard-) Italienischen, das nicht mehr nur römische (vgl. Cinecittà in Zeiten des Faschismus), sondern auch norditalienische (v. a. mailändische) Züge trägt (Balboni 2009, 63) und 4. Binnenmigration im Zeichen des italienischen Wirtschaftswunders und der eineinhalbjährigen Wehrpflicht (Balboni 2009, 63). Unmittelbar nach Ende des Zweiten Weltkriegs wird im September 1945 per Notverordnung der Fremdsprachenunterricht in der scuola media (zweites und drittes Jahr, also Jahrgangsstufen 7 und 8, jeweils dreistündig) angeordnet (Balboni 2009, 75). Es fehlen indes qualifizierte Lehrkräfte, man greift bestenfalls auf Absolventen anderer Studiengänge ( Lettere , also im Wesentlichen Italienisch, Geschichte, Philosophie, und Economia ) mit verpflichtenden Fremdsprachenkursen, teilweise auch auf Lehrkräfte, die einzig aus ihrem eigenen schulischen Fremdsprachenunterricht schöpfen können, zurück. Mitunter wird auch auf im Krieg, in Kriegsgefangenschaft oder im Exil erworbene Fremdsprachenkenntnisse gebaut (Balboni 2009, 75). Die Aufwertung der Fremdsprachen zeigt sich u. a. auch an folgenden Entwicklungen: bereits 1944 ließ Washburne die Fremdsprachen in den lehrer- Geschichte des Fremdsprachenunterrichts und der Fremdsprachenforschung in der Romania 137 138 Daniel Reimann bildenden istituti magistrali wieder ausweiten (Balboni 2009, 75), in vielen altsprachlichen Gymnasien entstehen auf private Initiative fremdsprachliche Arbeitsgemeinschaften für die letzten drei Schuljahre (Balboni 2009, 75), schon 1958 beschließt das Bildungsministerium unter Aldo Moro, dass an großen scuole medie (ab neun Klassen) neben Französisch und Englisch jeweils auch eine Deutsch- und eine Spanisch-Klasse angeboten werden müssen (Balboni 2009, 76). Diese fortschrittliche Einrichtung stößt indes in der Elternschaft nur bedingt auf Verständnis (Balboni 2009, 76). Dennoch werden, in dem Maße, als die Schülerinnen und Schüler dieser Klassen an die weiterführenden Schulen kommen, dort ab 1961 erstmals cattedre - „Lehrstühle“ respektive Planstellen - für Deutsch bzw. Spanisch eingerichtet (Balboni 2009, 76), was den Beginn einer hoch qualifizierten Professionalisierung der Deutsch- und Spanischlehrerschaft markiert. Mit der Reform der scuola media von 1962/ 63 wird der fremdsprachliche Unterricht bereits in der ersten Klasse der scuola media ( Jahrgangsstufe 6) verpflichtend, zunächst zwei-, später dreistündig (Balboni 2009, 77). Tatsächlich bleibt - jenseits der erwähnten positiven Entwicklung der Lehramtsqualifikation in den Fremdsprachen an den Gymnasien - die Situation der Professionalisierung der Lehrerschaft in den 1960er Jahren gerade an den scuole medie prekär: es gibt nur wenige fremdsprachenlehrerbildende Facoltà di Lingue , die anderen Lehrkräfte kommen wie bereits in der unmittelbaren Nachkriegszeit aus Fächern wie Lettere , Magistero (Erziehungswissenschaften), Giurisprudenza , Scienze politiche , Economia e commercio , mit oder ohne fremdsprachliche Studienanteile (Balboni 2009, 77 f). Mit Abschaffung der berufsvorbereitenden Scuole di avviamento professionale werden ferner Lehrkräfte technischer Fächer an diesen Schulen aufgefordert, ihre Einsatzwünsche im fremdsprachlichen Bereich zu benennen (Balboni 2009, 78). In unterrichtsmethodischer Hinsicht wird von der alliierten Washburne-Kommission erkannt, dass die in Italien dominante Grammatik-Übersetzungsmethode für den neusprachlichen Unterricht nicht adäquat ist. Man regt an, sich neuen Ansätzen zu öffnen: an den ginnasi Betonung der Mündlichkeit im Rückgriff auf die Direkte und die Audiolinguale Methode, an den istituti magistrali vor allem Lektüre theoretischer pädagogischer Texte und von Kinderliteratur im Sinne der Reading Method (Balboni 2009, 76). Mit Beendigung der Arbeit dieser Kommission fällt man freilich zumindest teilweise in alte Schemata zurück bzw. etabliert diese erneut auf ministerieller Ebene: selbst für die praxisorientierten istituti tecnici wird wieder die Grammatik-Übersetzungsmethode vorgeschrieben, 1954 in der Abschlussprüfung der dritten Klasse der scuola media ( Jahrgangsstufe 8), eine Hinübersetzung in die Fremdsprache verpflichtender Prüfungsgegenstand (Balboni 2009, 76). Ein ministerieller Entwicklungsplan für die 1960er Jahre, Piano di sviluppo per la scuola dal 1959 al 1969 , sieht dann allerdings doch zumindest auf dem Papier eine Betonung der Mündlichkeit, den einsprachigen Unterricht in der Zielsprache, den Einsatz auditiver Medien und eine Reduktion des Grammatikunterrichts um seiner selbst willen vor (Balboni 2009, 77). Die 1960er Jahre zeichnen sich vor allem durch eine spürbare Reduktion des Unterrichts im Lateinischen aus, das in einer neu konzipierten scuola media kein eigenständiges Fach mehr ist, d. h., als solches nunmehr nur noch in bestimmten weiterführenden Schulen ab der Jahrgangsstufe 9 erlernt wird. Diese Entwicklung hat sich bereits mit der Einberufung einer Reformkommission für die scuola media im Jahr 1958 und mit der Abschaffung der Hinübersetzung aus dem Italienischen ins Lateinische in den Abschlussprüfungen der scuola media unter Aldo Moro im Jahr 1959 angebahnt (Balboni 2009, 72) und findet ihren Abschluss in der von der ersten Mitte-Links-Regierung verabschiedeten Reform über eine scuola media unica , die alle bis dahin auf dem Niveau der frühen Mittelstufe noch existierenden Profile bzw. Ausbildungsrichtungen zu einer einzigen Gesamtschule zusammenführt und lediglich, wenn auch im Umfang von insgesamt neun Jahreswochenstunden im zweiten Jahr (also in Jahrgangsstufe 7), das Fach „Italiano e elementari conoscenze di latino“ vorsieht (Balboni 2009, 73). Ziel ist hier vor allem die kontrastierende Sprachbetrachtung zur Erklärung der Strukturen des Italienischen („chiarificazione delle strutture linguistiche dell’italiano mediante la riflessione su quelle latine e il confronto tra le une e le altre“, zit. in Balboni 2009, 74). Für die Umsetzung des Fremdsprachenunterrichts an der neuen scuola media kann Balboni Widersprüche zwischen Vorbemerkungen - avvertenze - und methodischen Umsetzungsanweisungen in den programmi nachweisen. Einerseits berufen sich die avvertenze auf strukturalistische Ansätze. Diese begründen einen erklärten Primat der Mündlichkeit, technologiegestützte Ausspracheschulung, frequenzbasierte Erstellung des Lernwortschatzes und Auswendig-Lernen von Dialogen und Gedichten (Balboni 2009, 77). Andererseits werden in den programmi noch immer Verfahren der Grammatik-Übersetzungsmethode nahegelegt, wie etwa Ausspracheschulung in den ersten (Vor-) Lektionen, Schulung der Orthographie durch Diktate, Entwicklung grammatikalischer Kompetenz durch Übersetzungen, Lesetexte aus Prosa und Lyrik als bevorzugte Input-Medien (Balboni 2009, 77). Vor diesem Hintergrund äußert Balboni zu Recht Zweifel, ob das Postulat des einsprachig-zielsprachlichen Unterrichts ab dem ersten Lernjahr realistisch ist („fin dal primo anno, [l’insegnante] dovrà fare uso costante della lingua straniera e abituare gli alunni a usarla direttamente“, zit in. Balboni 2009, 77). Im Kontext der Washburne-Kommission entstehen weiterhin in verschiedenen italienischen Städten pädagogische und didaktische Informations- und Dokumentationszentren, die so genannten USIS ( United States Information Service ). Geschichte des Fremdsprachenunterrichts und der Fremdsprachenforschung in der Romania 139 140 Daniel Reimann Aus diesen wiederum geht Ende der 1970er Jahre ein für Europa einzigartiges groß angelegtes Programm zur Förderung des schulischen Fremdsprachenunterrichts, der Progetto Speciale Lingue Straniere ( PSLS ) hervor (Balboni 2009, 64, s. u. 2. 8). 2.6 Von den 1960er zu den 1970er Jahren: Die „rivoluzione glottodidattica“ unter den Vorzeichen von Soziolinguistik und Pragmatik Balboni erkennt in den 1960er und 1970er Jahren für Italien eine sprachendidaktische „kopernikanische Wende“ („rivoluzione copernicana“, Balboni 2009, 79), sowohl auf theoretischer als auch auf unterrichtspraktischer Ebene. Der Fremdsprachenunterricht an der scuola media unica ist in diesen Jahren noch bzw. nach den Innovationsbemühungen der Washburne-Kommission (s. o.) wieder an der Grammatik-Übersetzungsmethode orientiert (Balboni 2009, 83). Zentral ist nunmehr allerdings die Rolle der Linguistik als Bezugsdisziplin, und zwar insbesondere die der beiden Subdisziplinen der Soziolinguistik - diese ist im Sinne einer Varietätenlinguistik zunächst vor allem für das Italienische als Erstsprache relevant - und der Pragmatik. Letztere ist insbesondere für die Fremdsprachendidaktik entscheidend (Balboni 2009, 80, 100). Damit fügt sich die italienische Fremdsprachendidaktik im Zusammenhang europäischer Projekte (v. a. dem 1967 initiierten Modern Language Project / Projet Langues Vivantes des Europarats, in dessen Zentrum die Entwicklung eines Treshold Level steht, s. u., vgl. Balboni 2009, 83) in den internationalen Kontext ein, wenn sie auch innerhalb des pragmatisch beeinflussten Ansatzes - vgl. die „kommunikative Wende“ im deutschsprachigen Diskurs - spezifische Ausprägungen entwickelt. Zentrale Dokumente und Bündel von Maßnahmen sind die „zehn Thesen“ („Dieci tesi“) aus dem Jahr 1975, das nationale Sonderprogramm zur Förderung der Fremdsprachen Progetto Speciale Lingue Straniere , das im Jahr 1978 startet, und neue Lehrpläne ab 1979 (Balboni 2009, 79). Im Einzelnen sollen aus den 1960er und 1970er Jahren folgende Entwicklungen rekapituliert werden: Der soziolinguistisch geprägte Diskurs der Didaktik des Italienischen als Erstsprache ist im Kontext der „Nuova questione della lingua“ zu verstehen (Balboni 2009, 79, 80-82). So widmet die Beilage der Rinascita , Il contemporaneo Supplemento di cultura marxista , bereits im Februar 1966 dem Thema „Come s’insegna l’italiano in Italia“ eine ganze Ausgabe (Balboni 2009, 82). Die pragmatische Wende der Fremdsprachendidaktik wird in Italien etwa durch Giovanni Freddi vollzogen, der in ihr eine Überwindung des Strukturalismus erkennt (Balboni 2009, 82). Tatsächlich wird das Modern Language Project / Projet Langues Vivantes , geleitet von J.M.L. Trim, einem Schüler Austins, zum Ausgangspunkt der pragmatischen Wende nicht nur in Europa, sondern auch in Italien: 1972 veröffentlicht Wilkins Linguistics and Language Teaching , wobei vor allem die linguistische Pragmatik als mögliche Impulsgeberin für den Fremdsprachenunterricht gesehen wird, 1975 veröffentlicht er ein Kompendium von Notional-Functional Syllabuses - in demselben Jahr wird durch den Europarat für das Englische der Treshold Level - Sprachfunktionenlisten auf dem heutigen Niveau B1 des GeR - veröffentlicht, in den folgenden Jahren entsprechende Publikationen für andere europäische Sprachen vorgelegt (etwa für Italienisch als Livello soglia ) (Balboni 2009, 83). Innerhalb des internationalen Kontextes weist Balboni 2009 zwei Vermittlungslinien nach, über welche die sprachendidaktischen Innovationen nach Italien gelang seien. Er bezeichnet diese als Linien, die von Besançon über Frascati einerseits und von Washington über Venedig andererseits in den italienischen Diskurs Einzug gehalten hätten (Balboni 2009, 83), und bezieht sich dabei auf folgende Publikationsstränge bzw. Ereignisse: Im Centro Europeo dell’Educazione di Frascati findet 1963 eine Tagung statt, aus der zwei Sprachkurse für Kinder hervorgehen - einer für Französisch (Hrsg. Arcaini), einer für Englisch (Hrsg. Amato) (Balboni 2009, 83). Mehrere Teilnehmer der Tagung in Frascati nehmen in der Folge, 1965 und 1966, an Kursen des BELC und des CREDIF in Besançon teil. Diese Gruppe um Enrico Arcaini, Giovanni Freddi und Renzo Titone bewahrt einerseits ausgewählte strukturalistische Übungsmuster, öffnet sich aber den in Besançon vorgestellten neuen, von Balboni als „proto-kommunikativ“ bezeichneten („proto-comunicativi“, Balboni 2009, 83) Ansätzen, wie etwa dem (noch deutlich strukturalistisch beeinflussten) audiovisuellen Ansatz („méthode SGAV“ - „structuro-globale audio-visuelle“, italienisch „approccio audio-visuale-globale“, Balboni 2009, 83) und dem „situativen“ Ansatz („approche situationnelle“, italienisch „approccio situazionale“, Balboni 2009, 84). Renzo Titone steht seinerseits (auch) für die zweite Linie des internationalen fremdsprachendidaktischen Wissenstransfers nach Italien: Titone hat seit den 1950er Jahren in Georgetown gelehrt. Diese Erfahrung mündet u. a. 1966 in seine Dieci tesi di glottodidattica (Balboni 2009, 84). Seine zunächst 1967 in englischer Sprache erschienene Geschichte des Fremdsprachenunterrichts und der Fremdsprachendidaktik, Foreign Language Teaching: An Historical Sketch - auf Italienisch erweitert als Glottodidattica: un profilo storico (Titone 1982) - mündet in eine Darstellung zeitgenössischer didaktischer und methodischer Ansätze (vgl. Balboni 2009, 84). Bereits 1961 hat Titone in L’insegnamento delle materie linguistiche e artistiche (Roma: Pontificio Ateneo Salesiano) einen gestalttheoretisch basierten Ansatz des Fremdsprachenlernens, der eine „natürliche“ Aneignungsfolge der Fertigkeiten Hören - Sprechen - Lesen - Schreiben bei gleichzeitigem Kontextbezug anregte, vorgelegt („nel vivo contesto di situazioni reali“, Balboni 2009, 84) - ein Vorschlag, der in den Lehrplänen der reformierten scuola media Geschichte des Fremdsprachenunterrichts und der Fremdsprachenforschung in der Romania 141 142 Daniel Reimann von 1963 (s. o.) noch keinerlei Berücksichtigung fand (Balboni 2009, 84). Weiterhin steckt in den Reflexionen Titones aus dem Jahr 1961 insofern hochgradig innovatives Potential, als er eine integrierte Sprachendidaktik fordert, die das Italienische als Erstsprache, die Minderheitensprachen Italiens (einführend zu den Minderheitensprachen im italienischen Bildungswesen Balboni 2009, 20 f., 55 ff., 68-71, 98-100, 125 ff.), Zweitsprachen, Alte und Moderne Fremdsprachen umfasst und „educazione linguistica“ als einen Teilbereich von Bildung neben etwa künstlerischer, musischer, körperlicher, tänzerischer usw. Bildung konzipiert (Balboni 2009, 88 f.). Zu einer vergleichbaren integrativen Ausrichtung der Mehrsprachigkeitsdidaktik im aktuellen deutschsprachigen Diskurs vgl. einführend Reimann 2016b. Als weitere Vermittlerin internationaler Stimmen nach Italien erwähnt Balboni 2009, 84 etwa Wanda D’Addio, die Impulse aus Großbritannien kritisch reflektiert; so kritisiert sie etwa die dort postulierte eindeutige Trennung von pragmatisch-funktionalem und situativen Ansatz (Balboni 2009, 101). Ende der 1960er Jahre entwickelt sich eine Reflexion über das Verhältnis von theoretischer und angewandter Linguistik zum Fremdsprachenunterricht (Balboni 2009, 85). Im Jahr 1967 gibt Freddi Strutturalismo e didattica delle lingue heraus (Bergamo: Minerva Italica), 1968 erscheint Arcainis Dalla linguistica alla glottodidattica (Torino: SEI) 13 , 1970 wiederum veröffentlicht Freddi das erste italienische Handbuch der Fremdsprachendidaktik: Metodologia e didattica delle lingue straniere (Bergamo: Minerva Italica) (Balboni 2009, 85). Da es noch keine Fremdsprachenforschung im heutigen Sinne gibt, erachtet man die Linguistik als wissenschaftliche Basis des Fremdsprachenunterrichts (Balboni 2009, 85). Im zeitgenössischen italienischen Diskurs gilt es als akzeptiert, dass weder der Strukturalismus, der seine lerntheoretische Konsequenz etwa bei Skinner findet, noch der Generativismus Chomskys geeignet sind, dem Fremdsprachenunterricht eine theoretische Basis zu geben (Balboni 2009, 85). In Freddis Metodologia e didattica delle lingue straniere werden der situativen Ansatz, der funktionalkommunikative Ansatz wie auch die soziokulturelle Dimension der Sprache betont (Balboni 2009, 85). In den 1970er Jahren gelangt - wie auch in anderen westeuropäischen fremdsprachendidaktischen Diskursen - das von 1972 Hymes geprägte, primär soziolinguistische, ethnographisch geprägte und pragmalinguistische Aspekte berücksichtigende Konzept der kommunikativen Kompetenz in die italienische 13 Bereits 1967 waren Arcainis von Balboni nicht rezipierten Principi di linguistica applicata. Proposte per una glottodidattica scientifica: struttura - funzione - trasformazione (Bologna: Il Mulino) erschienen, die teilweise dieselben Bereiche verhandeln. Aus beiden Bänden geht Arcainis Herkunft aus der Linguistik bzw. seine Arbeit an einer (für die Sprachvermittlung) Angewandten Linguistik hervor. fremdsprachendidaktische Debatte (Balboni 2009, 85). Als erste rezipiert Franca Orletti im Jahr 1973 das Konzept auf einer sehr abstrakten Ebene (Balboni 2009, 86), bevor u. a. Freddi, Arcaini und D’Addio es 1977 ff. für die Fremdsprachendidaktik erschließen, wobei sie jeweils unterschiedliche Schwerpunkte setzen (Balboni 2009, 86, mit weiterführender Bibliographie). Die Reflexionen münden u. a. in die von Giovanni Freddi, Magda Farago Leonardi und Elisabetta Zuanelli 1979 veröffentlichte monographische Darstellung Competenza comunicativa e insegnamenti linguistici (Bergamo: Minerva Italica) (Balboni 2009, 86). Dabei erschließen verschiedene italienische Forscherinnen und Forscher verschiedene Dimensionen des Konzepts der „kommunikativen Kompetenz“: Arcaini betont, dass einem fremdsprachendidaktischen Kompetenzbergriff mit dem Konzept eines idealen Sprechers chomskyscher Prägung nicht gedient ist und ersetzt diesen durch den realen Sprecher als Bezugsgröße, während Freddi den Begriff des Kommunikativen in seiner gesamten semiotischen Reichweite auslotet und so über die rein sprachliche Ebene hinaus erweitert. D‘Addio betont ihrerseits als fremdsprachendidaktisches Spezifikum die Bedeutung der Textkompetenz als im schulischen Kontext realistische Dimension der kommunikativen Kompetenz (Balboni 2009, 86 f.). Das Konzept sprachlicher Bildung - „educazione lingiuistica“ kennt in den 1970er Jahren verschiedene Ausprägungen: seitens der Italienischdidaktik als Erstsprache wird die oben erwähnte soziolinguistische Prägung in eine demokratische Zielsetzung überführt, was etwa in den 1975 veröffentlichten „Dieci tesi per una educazione linguistica democratica“ zum Ausdruck kommt (Balboni 2009, 88, 93-96). Die Didaktik des Italienischen als Erstsprache versteht sich in ihrem Beitrag zu einer „educazione linguistica“ primär als „angewandte Soziolinguistik“, „sociolinguistica applicata“ (Balboni 2009, 90), wie der Soziolinguist Berruto 1977 formuliert: […] i principi sociolinguistici sono ampiamente condivisi da tutti coloro che attualmente si occupano di ricerca nel settore dell’educazione linguistica; e chi scrive è fermamente convinto che il fine dell’educazione linguistica sia quello di addestrare alla varietà degli usi della lingua (zit. in Balboni 2009, 90). Eine einschlägige Veröffentlichung dieser Jahre ist etwa der von Lorenzo Renzi und Manlio A. Cortelazzo herausgegebene Band La lingua italiana oggi. Un problema scolastico o e sociale (Bologna: Il Mulino, 1977) (vgl. Balboni 2009, 92). Zum anderen versteht man nunmehr „educazione linguistica“ tatsächlich als integrierte Sprach(en)didaktik, wie Titone sie bereits 1961 postuliert hatte (Balboni 2009, 88). Im fremdsprachendidaktischen Diskurs bleibt die linguistische Pragmatik zentral, insofern demokratische Ziele als durch die kommunikative Kompetenz im Umgang mit Sprecherinnen und Sprechern anderer Sprachen Geschichte des Fremdsprachenunterrichts und der Fremdsprachenforschung in der Romania 143 144 Daniel Reimann erreichbar gedacht werden (Balboni 2009, 88). Balboni verweist darauf, dass die 1974 begründeten, so genannten scuole sperimentali , bis zum Auslaufen des groß aufgelegten Schulversuch-Projekts Ende der 1980er Jahre regelrechte Laboratorien auch der Aktionsforschung in Hinblick auf eine integrierende Sprachdidaktik seien (Balboni 2009, 88 f.). Bezüglich der Sprachenfolgen begünstigt die Einführung der sperimentali die Verbreitung der Fremdsprachen nachhaltig: viele licei classici sperimentali entscheiden sich für die Fortführung der modernen Fremdsprache aus der scuola media neben dem Lateinischen und dem Griechischen über die gesamten drei Jahre des liceo hinweg und scientifici sperimentali führen eine zweite Fremdsprache ein (v. a. Englisch, wenn die erste Fremdsprache Französisch war). Weiterhin entstehen zahlreiche licei linguistici sperimentali mit drei modernen Fremdsprachen an staatlichen Gymnasien und scuole magistrali bzw. später licei socio-psico-pedagogici (inzwischen liceo delle scienze umane ) (Balboni 2009, 129) mit einem traditionell anderen Schwerpunkt (z. B. classico oder scientifico ), während zuvor licei linguistici auf den Privatschulsektor beschränkt und überwiegend reine Mädchenschulen gewesen sind (Balboni 2009, 103, mit weiterführender Bibliographie). 2.7 Institutionelle und epistemologische Konstituierung einer italienischen Fremdsprachendidaktik In den 1960er Jahren entstehen erste fremdsprachendidaktische Forschungszentren in Italien: etwa der 1966 gegründete Centro di Linguistica Applicata e Didattica delle Lingue ( CLADIL ) unter der Leitung von Giovanni Freddi (bestehend bis 1987, ebenso wie die dort herausgegebene, 1968 erstmals erschienene Zeitschrift Lingue e civiltà ) (Balboni 2009, 82 f., 89) oder der Centro Italiano di Linguistica Applicata ( CILA ) unter der Leitung von Renzo Titone, an dem u. a. Katerin Katerinov und Enrico Arcaini wirken und das seit 1969 die bis heute existierende Rassegna Italiana di Linguistica Applicata (Bulzoni) herausgibt (Balboni 2009, 84, 89). Von einer frühen Forschungsorientierung zeugt auch das forschungsmethodische Handbuch Introduzione alla metodologia della ricerca nell’insegnamento linguistico (Titone 1974). Bereits Mitte der 1960er Jahre lehrt Renzo Titone „glottodidattica“ an der Università Salesiana in Rom (Balboni 2009, 90). Im genannten Kontext wie auch infolge der studentischen Forderungen nach 1968 erteilt die renommierte Sprachenfakultät der Universität Ca’Foscari in Venedig ab 1969 einen Lehrauftrag für Fremdsprachendidaktik an Giovanni Freddi, der dort später für über 25 Jahre einen entsprechenden Lehrstuhl innehaben und 1973/ 1974 den „Progetto ITALS“ (Italiano come Lingua Straniera), zunächst formal noch in Brescia am CLADIL angesiedelt (Titone 1979, 277), begründen wird (Balboni 2009, 84) 14 . 1971/ 1972 wird ebenfalls Ca’Foscari Renzo Titone zum Professor („professore aggregato“) für Methodik des Fremdsprachenunterrichts („Metodologia didattica delle lingue straniere“) berufen (später wird er Allgemeine Linguistik an der Universität Catania und schließlich Psycholinguistik an der Sapienza in Rom lehren) (Balboni 2009, 84, 91). Ende der 1970er Jahre werden Freddi und Arcaini zu den ersten ordentlichen Professoren für Fremdsprachendidaktik ernannt (Balboni 2009, 85). Ab 1982 gibt es an den Universitäten dann auch curricular verankerte Lehrveranstaltungen zur Fremdsprachendidaktik - „Didattica delle lingue moderne“ (Balboni 2009, 79). Zu den ersten Dozenten gehören neben den benannten Enrico Arcaini, Giovanni Freddi und Renzo Titone etwa Wanda D’Addio, Nereo Perini und Bona Cambiaghi (Balboni 2009, 83 f.). Renzo Titone veröffentlicht bereits 1966 ein Vorlesungsskript Metodologia didattica. Le lingue straniere (Roma: Pontificio Ateneo Salesiano), in dem er über die Epistemologie der „glottodidattica“ reflektiert (Balboni 2009, 90). Die italienische Bezeichnung glottodidattica ist ein Calque aus dem Polnischen, wo es seit 1949 eine Zeitschrift mit dem Titel Glottodydaktika gibt (Balboni 2009, 90). Titone arbeitet dabei heraus, dass das (forschungs-) methodische Spezifikum der Fremdsprachenforschung ihr pluridisziplinärer Zugriff sei (Balboni 2009, 90). Dabei benennt Titone insbesondere folgende Forschungsfelder mit ihren jeweiligen forschungsmethodischen Ansätzen: die Erforschung des Objekts des Lernprozesses - der Sprache - mithilfe linguistischer Methoden sowie die Erforschung des spezifischen fremdsprachlichen Lernprozesses mithilfe der Methoden der Lernpsychologie und der Psycholinguistik (weiterführend Balboni 2009, 90 f.). 1971 wird die Bewegung LEND - Lingua e Nuova Didattica - gegründet (Balboni 2009, 101), die (bis heute) eine gleichnamige Zeitschrift herausgibt und sich als Forum eines innovativen Fremdsprachenunterrichts versteht. Neben LEND veranstaltet auch die 1949 gegründete ANILS - Associazione Nazionale degli Insegnanti di Lingue Straniere Kurse zur Fremdsprachenlehreraus- und -weiterbildung, wobei sich deren Bedeutung insofern von durch Fachverbände angebotenen Fortbildungen etwa in Deutschland unterscheidet, als die Verbände für die Vergabe von Planstellen bzw. für die Verbeamtung in den 1970er Jahren obligatorische Kurse („corsi abilitanti“) anbieten (Balboni 2009, 101). Diese Kurse können von Lehrkräften nach einem Fremdsprachenstudium („laureati in lingue“) belegt werden, so dass nunmehr erstmals fundiert ausgebildete Fremdsprachenlehrkräfte (und nicht mehr etwa Absolventen wirtschaftswissenschaftlicher Fächer mit obligatorischen Sprachkursen, s. o.) zur Verfügung 14 Eine zeitgenössische Vorstellung des Konzepts und des Projekts findet sich in Titone 1979, bes. 265-277. Geschichte des Fremdsprachenunterrichts und der Fremdsprachenforschung in der Romania 145 146 Daniel Reimann stehen (Balboni 2009, 101). Zugleich erinnert Balboni eine teilweise mangelnde Befähigung der Dozenten solcher Kurse, die häufig lediglich fremdsprachendidaktische Lehrwerke aus dem Ausland zum Gegenstand ihrer Kurse machten, ohne einen Bezug zur italienischen Realität herzustellen (Balboni 2009, 101). Darüber hinaus gibt die ANILS die Zeitschrift Scuola e lingue moderne ( SeLM ) heraus, deren Beiträgen, ebenso wie denen in LEND , Balboni durchaus Originalität und Bewusstsein für die italienische Tradition wie auch die Spezifik des Fremdsprachenunterrichts in Italien zugesteht (Balboni 2009, 102). Eine fremdsprachendidaktische Bibliographie - mit einem Schwerpunkt auf der Didaktik des Italienischen als Zweitsprache - findet sich ab 2001 in der Biblioteca Italiana di Glottodidattica auf der Seite des Projekts ITALS (www.itals.it) (Balboni 2009, 116, 125). Zunehmend widmen sich italienische Verlage der Fremdsprachendidaktik: zunächst Minerva Italica und Zanichelli, später auch Bruno Mondadori und La Nuova Italia. Inhaltlich ist eine Entwicklung von der Übersetzung fremdsprachendidaktischer Werke zu Beginn der 1970er Jahre über kommentierte „kritische Übersetzungen“ („traduzioni critiche“, z. B. Lado bei Minerva Italica - vgl. z. B. auch in Deutschland die Übersetzung von Reinhold Freudenstein 15 ) über Anthologien mit Übersetzungen ausgewählter Studien, denen für die italienischen Rezipienten besonderes Interesse zugeschrieben wird, bis hin zur Publikation eigener italienischer Forschungsbeiträge festzustellen (Balboni 2009, 101). Balboni unterstreicht, dass die italienische Fremdsprachendidaktik in ihren Ursprüngen ein Bewusstsein dafür zeigt, dass sie einen spezifischen Gegenstand beforscht, aber noch keine eigene Forschungsmethodik entwickelt hat (Balboni 2009, 88). Während in den 1960er Jahren v. a. eine beginnende Emanzipation von den Bildungswissenschaften festzustellen ist, steht in den 1970er und 1980er Jahren die epistemologische Auseinandersetzung mit der Linguistik im Vordergrund (Balboni 2009, 139). Die Bezeichnung ist häufig, wie international und v. a. im anglophonen Bereich üblich, zunächst noch „angewandte Linguistik“ - linguistica applicata (vgl. die Bezeichnung der o. g., in den 1960er Jahren gegründeten Forschungszentren) (Balboni 2009, 89). Vor der Gleichsetzung von linguistica applicata und Fremdsprachendidaktik warnen gleichwohl seit den 1960er Jahren u. a. Tullio De Mauro, Giovanni Freddi und Renzo Titone, 1976 appelliert der Linguist Giovanni Berruto folgerichtig, dass Linguistik nicht mit Didaktik gleichgesetzt werden dürfe („[non è] un passepartout per la didattica“) (Balboni 2009, 89 f.). Ähnlich wie etwa auch in Deutschland gibt es in der Folge, seit Ende der 1970er Jahre, mehrere Veröffentlichungen auch namhafter Lin- 15 Lado, Robert: Moderner Sprachunterricht. Eine Einführung auf wissenschaftlicher Grundlage . Übersetzung von Reinhold Freudenstein. München: Hueber 1967. guisten, die mögliche Bezüge zwischen Linguistik und Fremdsprachendidaktik reflektieren (z. B. Raffaele Simone, Gaetano Berruto, Lorenzo Renzi, vgl. Balboni 2009, 90, mit weiterführender Bibliographie) 16 . Die frühen Vertreter der italienischen Fremdsprachendidaktik repräsentieren dabei nach Balboni folgende Zugriffe: Titone stehe seit den frühen 1970er Jahren für eine „angewandte Psycholinguistik“ („psicolinguistica applicata“, Balboni 2009, 91) 17 , einschließlich einer motivationspsychologischen Komponente in seinem „modello glottodinamico“ des Jahres 1973 (Balboni 2009, 102). Giovanni Freddi befasse sich mit epistemologischen Fragen der Fremdsprachenforschung, erörtere zunächst die Bezüge zwischen (noch vor allem strukturalistischer) Linguistik und Fremdsprachendidaktik und stehe dann für eine Integration von psycholinguistischen und soziolinguistischen Ansätzen im Dienste der Fremdsprachendidaktik (Balboni 2009, 91). Elisabetta Zuanelli transferiert 1974 den Ansatz der kontrastiven Linguistik nach Italien, der dort indes nur wenig Fuß fassen konnte (Balboni 2009, 102), Gianfranco Porcelli führt ab 1975 das us-amerikanische Konzept der Sprachtestung ein (in Weiterführung der italienischen Prüfungstraditionen, die weniger auf quantifizierbare Leistungsmessung gesetzt hatten, Balboni 2009, 102,140). Herausragende Forschungs- und Entwicklungsprojekte dieser Zeit betreffen den Fremdsprachenunterricht im Primarbereich, so etwa unter Leitung von Renzo Titone Insegnamento della Lingua Straniera nella Scuola Elementare (ILSE) (publiziert 1984). Im Projekt Ianua Linguarum werden, im Auftrag des pädagogisch-didaktischen Regionalinstituts IRRSAE ( Istituto regionale di ricerca, sperimentazione e aggiornamento educativi ) des Veneto und unter Leitung von Giovanni Freddi, Sprachfunktionenlisten des Englischen, Französischen und Deutschen erstellt und erprobt (publiziert 1987 f.) (Balboni 2009, 133) 18 . 16 Vgl. für Deutschland exemplarisch aus anglistischer Perspektive: Burgschmidt, Ernst et al.: Englisch als Zielsprache. Handbuch des Englischunterrichts unter besonderer Berücksichtigung der Weiterbildung . München: Hueber 1974, aus romanistischer Sicht z. B. Hausmann, Franz Josef: Linguistik und Fremdsprachenunterricht 1964-1975. Ausführliche kommentierte Bibliographie für Schule und Hochschule (mit besonderer Berücksichtigung des Französischen) . Mit einer Einleitung von Hans Helmut Christmann. Tübingen: Narr 1975 oder Barrera-Vidal, Albert / Kühlwein, Wolfgang: Angewandte Linguistik für den fremdsprachlichen Unterricht. Eine Einführung . Dortmund: Lensing 1975. 17 Vgl. auch seine einführende Veröffentlichung Psicolinguistica applicata. Introduzione psicologica alla didattica delle lingue aus dem Jahr 1971 (Titone 1971). 18 Einen guten zeitgenössischen Einblick in die Entwicklungen zwischen Mitte der 1960er und Mitte der 1970er Jahre bietet der Beitrag „Didattica delle lingue straniere“ von Renzo Titone in dem Band Dieci anni di linguistica italiana (1965-1975) der Società di Linguistica Italiana (ed. Daniele Gambarara und Paolo Ramat) (Titone 1977). Geschichte des Fremdsprachenunterrichts und der Fremdsprachenforschung in der Romania 147 148 Daniel Reimann 2.8 Ein europäisches Spezifikum in der Fremdsprachenlehrerbildung: der Progetto Speciale Lingue Straniere (1979) Ende der 1970er Jahre ergeben sich weitere Neuerungen in der italienischen Sprachdidaktik. Was das Italienische als Erstsprache betrifft, ist eine erstmalige Betonung der Sprachreflexion festzustellen. Balboni spricht von einem Übergang von einem „insegnamento della grammatica“ zu einer „riflessione sulla lingua“, in der sich zugleich eine Hinwendung zur Zentralität der Lernenden vollzieht (Balboni 2009, 97). Für die Bewertung von schriftlichen Prüfungsleistungen im Italienischen an der scuola media tritt nun neben die „correttezza“ auch das soziolinguistische Kriterium der „appropriatezza“ (Balboni 2009, 98). Für die Fremdsprachendidaktik stellt Balboni den situativen Ansatz („approccio situazionale“) als italienisches Spezifikum heraus, das sich vom pragmatisch-funktionalen Ansatz des Modern Language Project des Europarats unterscheide. Als diesen Ansatz prägende Veröffentlichungen benennt er Freddis Metodologia e didattica delle lingue straniere (Bergamo: Minerva Italica) aus dem Jahr 1970 (Balboni 2009, 101), D’Addios Lingua straniera e comunicazione aus dem Jahr 1974 (Bologna: Zanichelli) und den Sammelband von Cosma Siani, Glottodidattica. Principi e realizzazioni (Firenze: La Nuova Italia) (Balboni 2009, 101). In den Jahren 1977-1978 beschließt das italienische Bildungsministerium eine einzigartige Initiative zu Reform und Innovation im Fremdsprachenunterricht: durch den Progetto Speciale Lingue Straniere - „Spezialprojekt Fremdsprachen“ - sollen jährlich mehrere Dutzend Lehrkräfte in die USA, nach Frankreich und nach Deutschland entsandt werden, um dort an fremdsprachendidaktischen und die Fremdsprachenlehrerbildung betreffenden Intensivkursen teilzunehmen. Diese Lehrkräfte werden sodann verpflichtet, in Italien Kurse im Umfang von 100 Stunden (mit Folgeveranstaltungen in den Folgejahren) abzuhalten (Balboni 2009 102). Durch den Progetto Speciale Lingue Straniere seien von 1979 bis Ende der 1980er Jahre innerhalb eines Jahrzehnts etwa die Hälfte aller Englisch- und Französischlehrkräfte sowie 75 % aller Deutschlehrkräfte erreicht worden (Balboni 2009, 102, mit weiterführender Bibliographie). Neben dem nationalen Progetto Speciale sind auch neue Lehrpläne für das Fach Deutsch in der Provinz Bozen aus dem Jahr 1978 symptomatisch für den Erneuerungswillen der italienischen Fremdsprachendidaktik und des Fremdsprachenunterrichts am Ende der 1970er Jahre (Balboni 2009, 102). Beide zeichnen sich durch einen kommunikativen Ansatz und das Bemühen, den pragmatisch-funktionalen Ansatz in die italienische Bildungstradition zu transferieren, aus: tatsächlich werden in Italien 1. der Aspekt der Sprachreflexion („riflessione sulla lingua“), 2. der Aspekt der Bildung durch Fremdsprache(n) („la dimensione formativa dello studio della lingua“) stärker hervorgehoben als in anderen Bildungssystemen (Balboni 2009, 102). In inhaltlicher und medialer Hinsicht ist die Betonung der mündlichen Fertigkeiten einerseits und die tragende Rolle der audiovisuellen Medien v. a. für das Hörverstehen andererseits hervorzuheben (Balboni 2009, 102 f.). 2.9 Entwicklungen des Fremdsprachenunterrichts und der Fremdsprachenlehrerbildung seit den 1980er Jahren Die jüngere Entwicklung des Fremdsprachenunterrichts in Italien seit den 1980er Jahren soll hier nur in Grundzügen skizziert werden. Sie ist auch durch eine zunehmend instabile Bildungspolitik in den Jahren der Regierungen Berlusconi seit den 1990er Jahren geprägt, die zu zahlreichen, oft wenig nachhaltigen, Reformen geführt hat, die an dieser Stelle nicht vertieft betrachtet werden können. Eine noch grundlegende Neuerung bringt die so genannte Riforma Falcucci der Grundschulen im Jahr 1985: eine Fremdsprache wird ab der 3. Klasse der Grundschule verpflichtend; als Lehrkraft wird entweder eine geeignete Lehrperson innerhalb einer Art „Klassenlehrer-Pool-Prinzip“ (mehrere Lehrkräfte für mehrere Klassen) oder aber eine spezielle Fremdsprachenlehrkraft mit einem universitären Abschluss in lingue eingesetzt. Bis die Reform flächendeckend greift, vergehen indes einige Jahre (Balboni 2009, 105). Mit der Riforma Moratti des Jahres 2003 wird das Englische zur einzigen an den Grundschulen vermittelten Fremdsprache, die indes nunmehr ab der 1. Klasse einsetzt. Als Lehrkräfte werden, zumal nach der Riforma Gelmini von 2009, die nur noch die Figur des maestro unico , des „alleinigen Klassenlehrers“, vorsieht, nur noch spezialisierte Grundschullehrkräfte, keine Spezialisten im Sinne der laureati in lingue mehr eingesetzt (Balboni 2009, 107 f.). Bezüglich der Alten Sprachen ist folgende Entwicklung festzustellen: seit der Riforma Gentile der 1920er Jahre ist das Lateinische - nicht zuletzt durch seine Integration in den Italienischunterricht an der scuola media - als sprachgeschichtliche Folie des Italienischen, und, wenn auch inzwischen in abgeschwächter Variante, als Grundlage einer italienischen Identität - italianità - gelehrt worden (Balboni 2009, 128). Mit den insgesamt innovativen Empfehlungen - deren Umsetzung nicht obligatorisch ist (Balboni 2009, 105) - der Commissione Brocca von 1986, in einer Zeit, als die Bemühungen um eine europäische Einigung virulent sind, wird dem Lateinunterricht verstärkt eine europäische Dimension zugeschrieben (Balboni 2009, 128). Im Falle des Griechischen wird die europäische Bedeutung weniger stark betont (Balboni 2009, 128). Für beide Sprachen wird eine Lese- und Lektürefähigkeit über die bloße Kenntnis von Literaturgeschichte, wie sie an italienischen Schulen eine lange Tradition hat, gestellt (Balboni 2009, 128). Übersetzungskompetenz (Version vom Latei- Geschichte des Fremdsprachenunterrichts und der Fremdsprachenforschung in der Romania 149 150 Daniel Reimann nischen bzw. Griechischen oder aus einer modernen Fremdsprache ins Italienische) wird als eigenständige persönlichkeitsbildende Kompetenz modelliert („[…] si costruisce così la mentalità del traduttore“, zit. in Balboni 2009, 129), was in der italienischen Schultradition, in der sehr lange eine wörtliche „Grammatik-Übersetzungsmethode“ auch die Praxis der Übersetzung dominiert hat („ruolo meccanicamente grammaticale“, Balboni 2009, 129), als innovativ gelten darf (Balboni 2009, 129). Insgesamt steht in den Jahrzehnten zwischen 1980 und 2010 dem spürbaren Rückgang des altsprachlichen Unterrichts eine beachtliche Ausweitung des neusprachlichen Unterrichts gegenüber (Balboni 2009, 130). Im Jahr 1998 setzt ein dreijähriger Progetto Lingue 2000 ein, welcher die EU-Vorgaben zur Vermittlung zweier Fremdsprachen an jeden EU-Bürger umsetzen soll und insbesondere im Bereich der Lehrerfortbildung sehr effektiv wirkt: so gibt es Fortbildungs-Zyklen auf dem Schulfunk-Kanal des staatlichen Rundfunks, RAI Educational , die an den Schulen vor Ort in Arbeitsgemeinschaften („gruppi d’ascolto“) bearbeitet und diskutiert werden (Balboni 2009, 106). Zwischen 1999 und 2003 (Aufhebung de jure ) bzw. 2008/ 2009 (Aufhebung de facto ) gibt es in Italien erstmals eine institutionalisierte zweite Phase der Lehrerbildung in so genannten Scuole di Specializzazione all’Insgenamento Secondario ( SSIS ). Die SSIS sind den Universitäten angegliedert und dauern zwei Jahre. Balboni konstatiert einen überproportionalen Ausbildungsanteil der Bildungswissenschaften im Vergleich zu den Fachdidaktiken („didattiche disciplinari“) (Balboni 2009, 141). Ihre Auflösung geschieht im Rahmen der weitgreifenden Reformen der Bildungsministerin Gelimini im Jahr 2008. An die Stelle der SSIS ist nunmehr ein einjähriger Tirocinio Formativo Attivo getreten; aktuell plant man für die Jahre nach 2018 einen dreijährigen vergüteten Vorbereitungsdienst (it.wikipedia.org, s. v. Scuola di specializzazione all’insegnamento secondario und Tirocinio Formativo Attivo, 06. 06. 2017). Die Riforma Moratti des Jahres 2003 führt nicht nur zur Einführung des Englischen als erster und einziger Fremdsprache an den Grundschulen (s. o.), sondern auch zur Einführung einer zweiten Fremdsprache an den scuole medie . Diese wird freilich nur zweistündig unterrichtet; ihre Fortführung in den weiterführenden Schulen muss gewährleistet sein (Balboni 2009, 107). Im Jahr 2007 liefert die Riforma Mussi eine grundlegende Vorgabe für die Universitäten: alle Studierende müssen, unabhängig vom Fachbereich, das Niveau B1 des GeR im Englischen nachweisen können. Diese Reform hat massive Auswirkungen auf die Fremdsprachenwahl in den weiterführenden Schulen (zugunsten des Englischen, zuungunsten anderer Fremdsprachen) und auf die Nachfrage nach das Englische betreffenden Sprachzertifikaten in den Oberstufen weiterführender Schulen (Balboni 2009, 108). Mit der Riforma Gelmini des Jahres 2009 wird über die den grundschulischen Fremdsprachenunterricht betreffenden Maßnahmen (s. o.) hinaus die 2003 eingeführte obligatorische zweite Fremdsprache an der scuola media insofern wieder zurückgefahren, als an die Stelle der zweiten Fremdsprache wahlweise intensiverer Englischunterricht treten kann (2003- 2009: „3 Stunden Englisch + 2 Stunden zweite Fremdsprache“, nunmehr wahlweise auch: „5 Stunden Englisch“, Balboni 2009, 108). Weiterhin ermöglicht die Riforma Gelmini , dass an den licei linguistici bei gleichzeitigem Erlernen einer dritten modernen Fremdsprache das Lateinische in den letzten drei Schuljahren nicht mehr belegt werden muss und an den naturwissenschaftlichen Gymnasien eine zweite Fremdsprache anstelle des Lateinischen gelehrt und gelernt wird, wobei das Gesamt-Stundenkontingent für die Fremdsprachen für die drei Jahre des liceo von 17 Jahreswochenstunden erheblich auf nur noch 12 Jahreswochenstunden gekürzt wird (Balboni 2009, 108, 129 f.). Mit den Empfehlungen der Commissione Brocca von 1986 wird eine Umsetzung des kommunikativen Ansatzes der 1970er Jahre, der in den Lehrplänen für die scuola media des Jahres 1979 angelegt war, von der offiziellen Schulpolitik auch für die Oberstufe empfohlen (Balboni 2009, 132). Darüber hinaus werden interkulturelle Kompetenz („comprensione interculturale“), Sprachbewusstheit und Sprachreflexionsfähigkeit sowie Sprachlernkompetenz als Zieldimensionen des Fremdsprachenunterrichts benannt (Balboni 2009, 132). Die traditionell starke Präsenz und Bedeutung der Literatur wird zurückgefahren: die ersten beiden Lernjahre im liceo gelten nunmehr ausschließlich der Entwicklung kommunikativer Kompetenzen, im dritten Jahr ( Jahrgangsstufe 11), die als eine Art Übergangsklasse zur Oberstufe konzipiert wird, sollen Charakteristika literarischer Texte und poetischer Sprachverwendung erkannt werden, um dann im vierten und fünften Jahr (also Jahrgangsstufen 12 und 13) literarische Texte zu rezipieren (Balboni 2009, 132). In den traditionell berufsbildenden Schulen, die inzwischen auch in 13 Jahren zum Abitur führen, ist die Progression entsprechend ausgerichtet: während in den ersten Jahren ebenfalls die allgemeinsprachlichen Grundlagen gelegt werden, werden hier in den letzten beiden Jahren die jeweils entsprechenden Fachsprachen, ihre Textsorten und Stilistik (also z. B. Wirtschaft, Tourismus und entsprechende Formen der Korrespondenz) vertieft (Balboni 2009, 132). Insgesamt wirken die Vorgaben der Commissione Brocca sehr fortschrittlich: anstelle kleinschrittiger inhaltlicher Lernzielvorgaben weisen sie weiter greifende - in heutiger Terminologie - Kompetenzziele und grundlegende methodische Richtungen auf, wobei u. a. eine Abkehr von der Grammatik- Übersetzungsmethode, die Berücksichtigung des kommunikativen Ansatzes wie auch spielerische Lernformen explizit erwähnt werden (Balboni 2009, 133, mit weiterführenden Zitaten). Zugleich legen sie explizit einen Dreischritt vom Verstehen über die Aneignung zur Produktion („sequenza comprensione - assimilazione - produzione“, zit. in Balboni 2009, 133) sowie einen Vorrang des Geschichte des Fremdsprachenunterrichts und der Fremdsprachenforschung in der Romania 151 152 Daniel Reimann Mündlichen vor dem Schriftlichen nahe („è necessario che inizialmente l’attività didattica si svolga in forma orale“, zit. in Balboni 2009, 133). Die innovativen Ansätze der Commissione Brocca von 1986 werden durch die Arbeiten der Commissione Bertagna , die der sog. Riforma Moratti von 2003 zugrundeliegt (Balboni 2009, 107), in gewisser Hinsicht konterkariert: zwar wird eine zweite Fremdsprache für die scuole medie eingeführt (s. o.), doch wird das Englische einzige Fremdsprache an den Grundschulen, die nicht mehr zwingend durch Anglisten unterrichtet werden muss (ebenfalls s. o.). Vor allem aber sind die Ausführungen zur Umsetzung der Lehrpläne in den Augen Balbonis „assolutamente ignari della ricerca glottodidattica italiana e internazionale, di quanto proposto dal Quadro Comune Europeo , di quanto già recepito dalla maggioranza degli insegnanti di lingue“ (Balboni 2009, 134). Balboni weist nachvollziehbar auf, wie hier Sprachfunktionen, Sprechakte, lexikalische Inhalte usw. gemischt präsentiert und teilweise offensichtlich willkürlich auf die verschiedenen Jahrgangsstufen verteilt werden. Ferner kann er sprachliche Fehler, die zumindest von Oberflächlichkeit zeugen, aufzeigen (Balboni 2009, 134 f.). Allerdings hat inzwischen die Sprachenpolitik der EU v. a. seit der Veröffentlichung des Referenzrahmens auch den Fremdsprachenunterricht in Italien nachhaltig beeinflusst, u. a. kann auf die Stärkung des frühen Fremdsprachenunterrichts und die obligatorische Einführung des bilingualen Sachfachunterrichts in zumindest einem Unterrichtsfach im letzten Jahr vor dem Abitur (bzw. in den letzten drei Jahren im liceo linguistico ) in der Riforma Gelmini von 2009 hingewiesen werden (Balboni 2009, 136). Parallel zu diesen Entwicklungen des Fremdsprachenunterrichts hat sich die Qualität der Fremdsprachenlehrerbildung spürbar verbessert, was zu einer Professionalisierung der Figur der Fremdsprachenlehrkraft und nicht zuletzt zu einer Verbesserung des Fremdsprachenunterrichts führt. Balboni begründet dies u. a. mit folgenden Maßnahmen: • Progetto Speciale Lingue Straniere von 1979 mit flächendeckenden Fortbildungen durch im Ausland geschulte Multiplikatoren (s. o.) • Progetto Lingue 2000 mit flächendeckender Fortbildung durch das staatliche Bildungsfernsehen RAI Educational und lokale Arbeitsgruppen an den Schulen (s. o.) • Fortbildungsangebote - auch zielgerichtet und teilweise obligatorisch - der Fremdsprachenlehrerverbände ANILS und LEND bes. in Hinblick auf die staatlichen Einstellungswettbewerbe bzw. Ranglisten (s. o.) • Fortbildungsangebote ausländischer Kulturinstitute wie etwa des Goethe-Instituts, der Alliance Française, des Instituto Cervantes oder des British Council • zunehmendes Angebot von Lehrveranstaltungen in Fremdsprachendidaktik an den Universitäten (s. o.) • zwischenzeitlich Wirkung einer zweiten Phase der Lehrerbildung an den SSIS (1999-2009) (s. o.) • Sprachpolitik der EU und des Europarats (Balboni 2009, 130 f.). Hinzu kommen die Forschungen, aber auch die Fortbildungsbemühungen und Zertifizierungen insbesondere im Bereich des Italienischen als Fremd- und als Zweitsprache vor allem, aber nicht nur, an den Universitäten Venedig und Rom sowie an den Ausländeruniversitäten Perugia und Siena (Reimann 2016a, 514 f.). 2.10 Jüngere Ausdifferenzierungen der Fremdsprachenforschung in Italien 2.10.1 Zur Entwicklung einer Didaktik des Italienischen als Zweitsprache In Italien entsteht bereits seit Ende der 1980er Jahre (Balboni 2009, 116) der Bedarf, Schülerinnen und Schüler mit anderen Erstsprachen als dem Italienischen in den Schulunterricht zu integrieren. Massimo Vedovelli hat als Denkanstoß formuliert, dass die Didaktik des Italienischen als Zweitsprache die Rolle der Soziolinguistik der 1970er Jahre in Hinblick auf deren Funktion des sozialen Engagements eingenommen habe (Balboni 2009, 115 f.). Anfangs werden Lehrkräfte des Italienischen als Muttersprache, bei vorhandenen Ressourcen auch Fremdsprachenlehrkräfte für den Unterricht im Italienischen als Zweit- und Fremdsprache eingesetzt (Balboni 2009, 116 f.). Ist es zunächst das individuelle Engagement einzelner Lehrkräfte, so entstehen im Laufe der 1990er Jahre immer zahlreichere koordinierte Initiativen, um die sprachliche Integration einerseits und die Entwicklung einer Didaktik des Italienischen als Zweitsprache andererseits zu befördern („ azione individuale “ - „ risposta associativa “, Balboni 2009, 116). In Zusammenarbeit mit lokalen, häufig städtischen, Behörden entstehen Vereine und Zentren wie Centro COME in Mailand, Centro D.A. R.I. in Padua, Ufficio Lingue der Stadt Venedig, Circolo Didattico di Piazza Vittorio in Rom, die sich einer Art sprachlicher Sozial- und Integrationsarbeit vor Ort verschreiben (Balboni 2009, 117). In diesen Kontexten findet die Arbeit am Italienischen als Zweitsprache zunächst auf folgenden drei Ebenen statt: Reflexion über die Spezifika des Italienischen als Zweitsprache, Erstellung von Unterrichtsmaterial, Lehreraus- und -fortbildung (Balboni 2009, 117 f.). Einschlägige frühe, v. a. konzeptionelle, Forschungsbeiträge entstehen um das Jahr 2000 und stammen u. a. aus der Feder von Graziella Favaro ( Progetto di formazione linguistica in Italiano seconda lingua. Milano: Franco Angeli 1997, Imparare l’italiano, imparare in italiano . Milano: Guerini 1999 (Hrsg.), I mediatori linguistico-culturali a scuola . Bologna: Emi 2001) (Balboni 2009, 117 f.). Weiterhin gibt es seit den 1980er Jahren eine Tradition erwerbslinguistischer Studien (an- Geschichte des Fremdsprachenunterrichts und der Fremdsprachenforschung in der Romania 153 154 Daniel Reimann gefangen etwa mit Anna Giacalone Ramat (Hrsg.): L’italiano tra le altre lingue. Strategie di acquisizione . Bologna: Il Mulino 1988, gefolgt und flankiert u. a. von Studien mit und von Massimo Vedovelli, Gabriele Pallotti, Roberta Grassi, Camilla Bettoni, Anna De Marco u. a., Balboni 2009, 118, 123). Teilweise sind solche Studien im Kontext der traditionellen Ausländeruniversitäten entstanden (z. B. Costamagna, Lidia/ Scaglione, Stefania (Hrsg.): Italiano. Acquisizione e perdita . Milano: Francoangeli 2008), teilweise ist die Beschäftigung mit erwerbslinguistischen Fragestellungen auch im Bereich der Psychologie angesiedelt (z. B. Pavia, vgl. Ferrari, Marcella/ Palladino, Paola: L’apprendimento della lingua straniera . Roma: Carocci 2007). Ab der Jahrtausendwende macht sich auch das Bildungsministerium die Lehrerfortbildung im Bereich des Italienischen als Zweitsprache zur Aufgabe: Zwischen 1999 und 2008 gibt es zahlreiche Maßnahmen, um die Ausbildung von Lehrkräften für Italienisch als Zweitsprache zu befördern: ein erstes Projekt mit einem Schwerpunkt auf Aktionsforschung wird von 14 Universitäten getragen und mündet u. a. in einen nationalen Online-Kurs. Die Materialien werden in gedruckter Form, aber auch auf der Homepage des Laboratorio ITALS an der Universität Ca’ Foscari in Venedig öffentlich und frei zugänglich gemacht (Balboni 2009, 118). An einer Fortsetzung ab 2003 sind 21 Universitäten beteiligt, 110 Tutorinnen und Tutoren (vier bis acht pro Region) sorgen für die Implementierung auf regionaler Ebene (Balboni 2009, 107). Im Jahr 2006 macht das Bildungsministerium mit dem „Osservatorio nazionale per l’integrazione degli alunni stranieri e per l’educazione interculturale“ die Integration neu zugewanderter Schülerinnen und Schülern zu einer Aufgabe der nationalen Bildungspolitik (Balboni 2009, 107 f.). Das Ministerium spricht von ItalBase im Sinne des BICS von Cummins, von ItalStudio im Sinne des CALP von Cummins (Balboni 2009, 117, 120). Zunächst besteht aus Perspektive der Fremdsprachenforscher und Didaktiker des Italienischen als Zweitsprache die Gefahr, dass Konzepte zur sprachlichen Integration nur unter unzureichender Berücksichtigung ihrer Expertise v. a. durch die Bildungswissenschaften entwickelt werden sollen (Balboni 2009, 119, 123; zu Gefahren der Verantwortung von Sprachenbildung durch Bildungswissenschaftler exemplarisch vertiefter Balboni 2009, 141). Um das Laboratio ITALS der Ca’Forscari mit seinen zahlreichen Fortbildungsaktivitäten, aber auch an den anderen klassischerweise dem Italienischen als Fremdsprache gewidmeten Forschungsinstituten und Universitäten - etwa den Università per gli Stranieri in Perugia und Siena sowie der Universität Roma III - entstehen immer zahlreichere Forschungsbeiträge zum Italienischen als Zweit- und Fremdsprache, teilweise bezogen auf bestimmte sprachliche Herkunftsgruppen (z. B. Sinophone, Arabophone) in Italien. 2.10.2 Zur Entwicklung einer Didaktik der Herkunfts- und Familiensprachen Für den italienischen Diskurs unterscheidet Balboni zwischen lingua d’origine als der von einer eingewanderten Person der ersten Generation gesprochenen Sprache und lingua etnica als Familiensprache im Sinne von heritage language , community language oder eben family language , die im Umfeld einer eingewanderten Person ab der zweiten Generation gesprochen wird (Balboni 2009, 137). Die Entwicklung einer Didaktik der Herkunfts- und Familiensprachen steht noch in den Kinderschuhen (Balboni 2007, 137-139). Dennoch ist hervorzuheben, dass bereits 2006 eine Lehrbefähigung für den Sekundarbereich für die Fächer Rumänisch, Chinesisch und Arabisch eingeführt worden ist (zur weiteren Entwicklung s. u.) und dass es mehrere Dutzend Gymnasien gibt, in denen Chinesisch und Arabisch oder dritte Fremdsprache unterrichtet werden (erstes Abitur im Fach Chinesisch im Jahr 2009) (Balboni 2009, 139). 2.10.3 Zur Entwicklung der Didaktik der Alten Sprachen Entwicklungen in der Didaktik und Methodik des Altsprachlichen Unterrichts werden in der Publikationslage insbesondere seit 2000 sichtbar. In dieser Zeit sind mehrere Handbücher erschienen (z. B. Anna Giordano Rampioni: Manuale per l’insegnamento del latino nella scuola del 2000 . Bologna: Patron 2002; Maria Pace Pieri: La didattica del latino. Perché e come studiare lingua e civiltà dei romani . Roma: Carocci 2005; Andrea Balbo: Insegnare latino. Torino: UTET 2007, weiterführend Balboni 2009, 130). Ein beeindruckendes Zeugnis legt ferner der Band Cardinale 2006 ab. Perspektiven der Didaktik der Alten Sprachen und der altsprachlichen Lehrerbildung zeigen dort die Beiträge Rocca 2006 und Pretagostini 2006 auf 19 . Auch in methodischer Hinsicht nimmt der altsprachliche Unterricht in Italien an internationalen Innovationen teil, so z. B. auch im Kontext des europäischen Projekts Classics & ICT Resources Course für Europe (CIRCE) (Balboni 2009, 130). 2.10.4 Zur Entwicklung der Fremdsprachendidaktik Auch die Fremdsprachendidaktik hat sich - wie in anderen europäischen Sprachgebieten auch - in den letzten Jahren beständig weiterentwickelt. Balboni weist dies an der Zahl der veröffentlichten Einführungen in die Fremdsprachendidaktik und in die Didaktik des Italienischen als Fremdsprache über die Jahrzehnte hinweg nach: nach der Einführung Titones aus dem Jahr 1966 ( Metodologia didattica. Le lingue straniere , Roma: Pontificio Ateneo Salesiano, s. o.), zwei frühen Einführungen aus den 1970er Jahren, welche die ganzen 1980er 19 Der Band enthält mit Alvar Ezquerra 2006 auch einen Beitrag zum altsprachlichen Unterricht in Spanien. Geschichte des Fremdsprachenunterrichts und der Fremdsprachenforschung in der Romania 155 156 Daniel Reimann Jahre hindurch neu aufgelegt wurden (Wanda D’Addio: Lingua straniera e comunicazione . Bologna: Zanichelli 1974 und Giovanni Freddi: Didattica delle lingue moderne . Bergamo: Minerva Italica 1979), folgen in den 1980er Jahren zunächst nur zwei Neuerscheinungen (Giovanni Balboni: Elementi di glottodidattica . Brescia: La Scuola 1985; ders.: Gli insegnamenti linguistici in Italia . Padova: Liviana 1988), vier in den 1990er Jahren und mindestens sieben nach 2000 (ohne die o. g. zur Didaktik der Alten Sprachen) (Balboni 2009, 136, mit weiterführender Bibliographie). Auch das Spektrum der Verlage, die eigene Reihen zur Fremdsprachenforschung eröffnet haben, hat sich nunmehr u. a. auf die renommierten Verlagshäuser Carocci, Guerra und UTET erweitert (Balboni 2009, 136 f.). Anders als etwa in Deutschland, wo Fremdsprachendidaktik in der Fachsystematik der DFG noch immer inexistent ist, wird „Didattica delle Lingue Moderne“ in Italien in der Fächergruppe L-Lin02 gebündelt (Balboni 2009, 140) 20 . Seit den 2000er Jahren gibt es Versammlungen der Hochschullehrer und der Post-Docs dieses Bereichs, in denen nach wie vor auch der Bezug zur Linguistik diskutiert wird (Balboni 2009, 140): Auf der einen Seite stehen Forscherinnen und Forscher, die Fremdsprachendidaktik in der Tradition De Mauros klar als Teil der Linguistik verstehen, wobei nunmehr weniger von angewandter Linguistik denn von „ linguistica educativa “ (etwa: „Bildungsbzw. Erziehungslinguistik“) gesprochen wird (Balboni 2009, 140). Für sie ist die Abgrenzung von den Bildungswissenschaften noch immer ein zentrales Arbeitsfeld (Balboni 2009, 141). Auf der anderen Seite stehen Vertreterinnen und Vertreter eines Ansatzes, die in der Tradition von Titone und Freddi Fremdsprachendidaktik seit nunmehr etwa 45 Jahren als eigenständige, interdisziplinäre Wissenschaft konzipieren (mit Bezügen zur Linguistik hinsichtlich des zu vermittelnden Gegenstandes, zur (Lern-) Psychologie bezüglich der Lernenden und der Lernprozesse und zu den Bildungswissenschaften bezüglich der Forschungsmethodik) (Balboni 2009, 140 f.). Das Selbstverständnis der Disziplin manifestiert sich auch in der Gründung einer Società di Didattica delle Lingue e Linguistica Educativa im Jahr 2009 (Balboni 2009, 143). 20 „L-LIN/ 02 - Didattica delle Lingue Moderne (Ex: L09H - Didattica delle Lingue Moderne): Comprende gli studi relativi all'insegnamento linguistico tanto della lingua madre quanto di altre lingue parlate, con specifica attenzione agli aspetti teorici, anche relativamente al problema della traduzione, ed alle lingue speciali e con particolare riferimento alla didattica delle lingue straniere moderne e alle tecniche didattiche di trasmissione delle conoscenze linguistiche.“ (http: / / sito.cineca.it/ php5/ settori/ elenco.php? gruppo=L-LIN, 08. 05. 2017). 3 Schlussfolgerung und Perspektiven Aus den vorausgegangenen Abschnitten wurde deutlich, dass die Entwicklung des Fremdsprachenunterrichts und der Fremdsprachenforschung in Italien neben zahlreichen Parallelen zu gesamteuropäischen Entwicklungen zahlreiche Nuancen und Spezifika aufzuweisen hat, die von historiographischem Interesse sind, teilweise aber auch Anschlussmöglichkeiten für die Weiterentwicklung von Fremdsprachenunterricht und Fremdsprachenforschung im deutschen Sprachraum bieten. In historischer Perspektive erklärt z. B. das Erlernen der Nationalsprache - zunächst als Literatursprache toscano , später als Standard - beinahe als Fremdsprache eine frühe Sensibilität für das, was heute häufig unter Schlagworten wie ‘Gesamtsprachencurriculum’ oder ‘integrierte Sprachdidaktik’ gefasst wird. Einzigartige Fortbildungsinitiativen wie der Progetto Speciale Lingue , aber auch später etwa Progetto Lingue 2000 oder die Schulversuche um die licei sperimentali zeugen vom Potential, das in einer nationalen (und nicht regionalen und sogar zunehmend auf die (vermeintliche) Autonomie einzelner Institutionen setzenden) Bildungspolitik steckt. Zugleich zeugen die zahlreichen Reformen, die immer wieder auch zu Rückschritten geführt haben, welche Gefahren einer instabilen (Bildungs-) Politik innewohnen, die, wenn es sich um nationale Bildungspolitik handelt, dann eben auch weiter greifen, wodurch eine Gefahr des Zentralismus vor Augen geführt wird. Fortschrittlich scheint Italien - zumindest auf dem Papier - auch in der Entwicklung des bilingualen Sachfachunterrichts. Nicht zuletzt sind in der Gefahr der Vereinnahmung der Sprachbildung durch die so genannten Bildungswissenschaften Parallelen zu Entwicklungen im deutschsprachigen Raum zu erkennen. In jedem Fall ist Italien, sicherlich auch aufgrund der Tatsache, dass Vorboten der aktuellen Migrationsbewegungen dort schon früher zu spüren waren, im Bereich der sprachlichen Integration in Europa beinahe Vorreiter, man denke an die (teilweise freilich auch wieder zurückgenommene) frühe Einführung einer Lehrbefähigung für Rumänisch, Chinesisch und Arabisch, mit der eine Einführung dieser Fächer als Abiturfächer einherging. Über diese punktuellen Feststellungen hinaus konnten zahlreiche Entwicklungen erkannt werden, die in Einzelstudien, vor allem Quellenstudien anhand der eingesetzten Lehrwerke nach der Zeit der vielfach untersuchten Grammatiken, anhand einer systematischen und vergleichenden Auswertung der zitierten Einführungsdarstellungen, anhand der Analyse und Interpretation der jeweiligen ministeriellen Dokumente und vor allem von Zeitschriften wie LEND und SeLM, vertieft werden sollten. Geschichte des Fremdsprachenunterrichts und der Fremdsprachenforschung in der Romania 157 158 Daniel Reimann Bibliographie Alvar Ezquerra, Antonio (2006): „Estado actual de la enseñanza del latín y del griego en España y perspectivas de futuro“, in: Cardinale, Ugo (ed.): Essere e divenire del “classico”. Atti del Convegno Internazionale (Torino - Ivrea, 21-22-23 Ottobre 2003), Torino, UTET, 380-392. Andorno, Cecilia/ Bosc, Franca/ Ribotta, Paola (2003): Grammatica. Insegnarla e impararla , Perugia, Guerra. 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Verso una storia dell'insegnamento dell'italiano L2: maestri di lingua, materiali didattici, istituzioni Massimo Vedovelli (Siena) 1 Premessa Anche se a tutt'oggi manca una sistematica e completa ricognizione degli sviluppi storici dell’insegnamento dell’italiano come L2 a partire almeno dal XVI sec., esistono diverse ricerche che possono contribuire a raggiungere l’obiettivo di ricostruire una compiuta storia di tale materia 1 : si tratta di indagini centrate soprattutto sull'insegnamento dell'italiano L2 in singole aree (Francia, Germania, Inghilterra ecc.), sviluppate secondo prospettive filologiche o storico-linguistiche, attente all’analisi dei modi in cui veniva gestita la comparazione linguistica fra l'italiano e le rispettive lingue. Anche facendo riferimento a tali lavori, il presente contributo intende proporre alla riflessione alcuni possibili elementi per definire un quadro di questioni entro il quali potrebbe collocarsi una organica ricognizione storica dell'insegnamento dell'italiano agli stranieri nei secoli passati. Inoltre, cerchiamo di applicare a tale materia un punto di vista che discende dalle riflessioni a noi contemporanee sulla condizione dell’insegnamento dell’italiano come L2. In particolare, ci si sofferma su tre nuclei tematici: la figura e l'azione dei maestri di lingua; i modi in cui alcuni materiali didattici dei secc. XVII-XVIII si rapportano alle questioni poste dall’insegnamento della lingua italiana considerata nelle sue specificità di diffusione e di uso; un atto di politica linguistica che ha segnato l'insegnamento dell'italiano agli stranieri, ovvero l'istituzione 1 Tra i diversi lavori che toccano la questione della dimensione dell’italiano lingua di e per stranieri nei secc. passati citiamo Migliorini (1960) e Folena (1983), e ancora quelli di Bingen (1984, 1986, 1987, 1992, 1994, 1996), Bonomi (1987, 1998), Carrera Díaz (1997) Gamberini (1970), Gorini (1997); Jerney (1979), Liddle (1996), Lo Cascio (1997), Maraschio (1998), Marazzini (1992, 1993, 1997), Mattarucco (2003), Mormile (1988, 1989), Muljačić (1985), Palermo, Poggiogalli (2010), Pellandra (1989a, b), Poggi Salani (1988), Silvestri (2002), Skytte (1996). Stammerjohann (1990, 1997), Tavoni (1990, 1999), Trovato (1994), Vanvolsem (1996), Vanvolsem et al. (2000), Widłak (1997). Per le ricognizioni storiche sulla glottodidattica v. Titone (1980, 1986). 166 Massimo Vedovelli della prima cattedra di italiano in una università della Penisola, avvenuta a Siena nel 1588. Premettiamo che ci appare superato quanto affermavamo in Vedovelli (2002) circa lo stato allora iniziale della ricerca sulla materia: l'interesse delle varie prospettive di indagini - storico-linguistiche, grammaticografiche, didattico-linguistiche - sembra ampliare l'orizzonte della materia creando le condizioni per un rimando fra le analisi delle questioni a noi contemporanee e uno sguardo rivolto alle radici passate dell'attuale situazione. L'idea di una storia dell'insegnamento dell'italiano L2 spinge a chiederci se nel passato si possono ritrovare, se non le ragioni della situazione attuale, almeno alcuni fili sotterranei che oggi condizionano, in maniera più o meno esplicita, più o meno determinante, il nostro modo di vivere le questioni linguistico-educative. Indubbiamente, occorre evitare di guardare alla storia passata come dimensione direttamente condizionante la situazione presente della linguistica educativa quando si occupa di insegnamento dell'italiano L2, ma appare necessario anche evitare di assolutizzare i riferimenti generali e gli approcci metodologici contemporanei per non rischiare di universalizzare tratti che, in realtà, devono mantenere forte il legame con la specifica identità di un idioma anche nella sua condizione di oggetto di insegnamento / apprendimento da parte di non nativi. Proprio l’attuale globalizzazione dei modelli e delle pratiche didattico-linguistiche ci sembra fare il paio con le spinte verso ordini linguistici globali tutti tesi a annullare la diversità linguistica, la varietà delle identità simboliche e perciò anche le specifiche condizioni entro le quali è avvenuto nel corso del tempo il rapporto fra gli stranieri e una L2 che decidono di apprendere. Da qui la necessità di guardare anche alla storia per ritrovare le ragioni di certi modi, per una lingua come l'italiano, di essere presente oggi fra gli stranieri e per interpretare i motivi della sua attrazione contemporanea, così come per comprendere i motivi di certi ritardi sul piano degli approcci metodologici o su altri quali, ad esempio, la politica linguistica o l'industria delle lingue 2 . L’oggi, comunque, ci fornisce categorie di analisi che può essere utile proiettare sulla condizione passata dell’insegnamento dell’italiano L2: lo facciamo in questa sede utilizzando concetti quali ‘motivazione’, ‘pubblico’, ‘mediazione’, nella consapevolezza che la ricostruzione storica delle vicende passate può ammettere anche prospettive interpretative capaci di arricchire sia l’analisi filologica ricostruttiva, sia modellizzazione teorica e metodologica a noi contemporanea. La materia, infatti, è stata affrontata finora facendo riferimento a batterie categoriali di analisi che rilevano da ambiti di ricerca quali quelli letterario, del 2 Su queste tematiche rinviamo a Vedovelli (2016). dibattito sulla norma linguistica, dei modelli pedagogici che hanno caratterizzato i pensatori italiani e europei nel settore, delle scienze del linguaggio che si interessano alla storia e alla vita delle lingue. Il ricorso a categorie più proprie dell’ambito linguistico-educativo (o, che dir si voglia, glottodidattico) potrebbe aprire nuove prospettive di lettura di una materia cronologicamente collocata nel passato, ma anche di avere nuovi elementi per comprendere tanti fenomeni attuali proprio relativi alle questioni della mediazione, dei pubblici, delle loro motivazioni allo studio dell’italiano L2. 2 Elementi di sfondo per una storia dell'insegnamento dell'italiano L2 In mancanza di una compiuta ricognizione storica dell'insegnamento dell'italiano L2, abbiamo comunque ‘punti fondamentali’ che possono segnare la mappa di una storia, il disegno del terreno dove la storia si è svolta. Quali sono i grandi confini della materia entro la quale si sono collocate le vicende dell'insegnamento dell'italiano L2? A nostro avviso, il primo tratto discende dalle vicende storiche che hanno segnato la Penisola. Dalla mancanza di uno Stato unitario e di una capitale unificatrice e matrice di condivisi modelli culturali e linguistici, come invece è avvenuto secoli addietro per altre grandi realtà statuali europee, è derivata come conseguenza principale la mancanza delle condizioni di possibilità per una politica linguistica capace di prendere come proprio oggetto anche la situazione dell’italiano per gli stranieri. Tale impossibilità si è poi trasformata in incapacità (o forse anche in volontaria noncuranza) o comunque in scelta verso una specifica idea di politica linguistica fra le diverse che si potevano adottare. Tale carenza ha condizionato i piani delle strutture istituzionali deputate a tale materia, della ricerca scientifica, dei sistemi e dei modelli di azione formativa. La secolare condizione di policentrismo della Penisola a livello politico, sociale, culturale, linguistico ha agito sulle dinamiche della vita della nostra lingua come idioma degli abitanti della Penisola, ma ha fatto sentire effetti anche sull’italiano nel momento in cui diventava oggetto di studio da parte degli stranieri. Tale policentrismo storico ha alimentato anche gli stereotipi che accompagnano ancora oggi la complessa, dinamica, mutevole condizione contemporanea dell’italiano come L2, e che sembrano avere una qualche radice, magari lontana nelle vicende storico-culturali-sociali: la creatività che fa da controparte alla inaffidabilità; il saper trarre inaspettate ricchezze da risorse limitate e nelle situazioni meno favorevoli; la difficoltà a muoversi secondo ordinate e sistematiche strategie collettivamente condivise. Il secondo tratto generale dell'universo di questioni entro le quali potrebbe collocarsi una storia dell'insegnamento dell'italiano L2 è costituito dalle con- Verso una storia dell'insegnamento dell'italiano L2 167 168 Massimo Vedovelli seguenze della 'questione della lingua' su tale materia. Strettamente legata alla mancanza di un reale assetto statuale e di una capitale di riferimento, la condizione della lingua italiana si è sviluppata su diversi piani di tensioni, il più rilevante dei quali è quello della dialettica fra la codificazione normativa riferita a un canone letterario e la realtà degli usi vivi delle popolazioni della Penisola. I diversi ceti, con i loro differenti gradi di alfabetizzazione, facevano riferimento a modelli di uso linguistico non coincidenti, andando dall'esclusivo uso del dialetto locale e dall’analfabetismo assoluto a varietà di italiano specificamente connotate secondo i tratti locali e secondo il possesso incerto della scrittura, fino al possesso sicuro della norma codificata. Quest'ultimo livello è stato appannaggio comunque di una ristrettissima area di popolazione, quali che possano essere le stime che, almeno da quelle di De Mauro (1963) sono state via via proposte: principalmente i colti, i nobili, i ricchi che potevano permettersi la scolarizzazione avanzata, i militari, i prelati. Le conseguenze di questo assetto linguistico plurale, e soprattutto dello scarto fra norma codificata e realtà degli usi vivi delle popolazioni, hanno condizionato tutti i processi della formazione linguistica, innanzitutto per l'italiano da proporre alle popolazioni della Penisola (o meglio: ai ceti cui era permesso di fatto l'accesso alla scolarità), ma anche agli stranieri che sceglievano di studiare l'italiano. La pratica dell'insegnamento dell'italiano L2 si collocava entro lo spazio dove si creava questo scarto fra norma e uso, e spingeva necessariamente i soggetti coinvolti a porre in atto specifiche azioni: ci riferiamo alle istituzioni, ai maestri di lingua, ai materiali didattici. 3 Le scelte istituzionali 3.1 L'istituzione della prima cattedra di italiano e la questione della lingua Le tensioni cui sommariamente abbiamo accennato si manifestano compiutamente proprio in quello che consideriamo il primo vero atto di politica linguistica per l'italiano L2, che vede una istituzione effettuare una scelta che deriva dal quadro culturale e dagli orientamenti linguistici prevalenti, ma che si assume la responsabilità di proporre un progetto più ampio, appunto di tipo politico-culturale. Ci riferiamo alla fondazione della cattedra di lingua italiana in una Università della Penisola. Siamo a Siena, dove il Granduca di Toscana Ferdinando I, la istituisce nel 1588. Si tratta della prima cattedra di italiano mai istituita in una Università della Penisola. Abbiamo a che fare con un atto istituzionale, cioè con la creazione di una cattedra universitaria: chiediamoci se siamo di fronte a un fatto di pura cronaca accademica, sicuramente importante per la storia della lingua italiana, o se può avere una portata più generale proprio in riferimento alla materia che trattiamo. Quale rapporto ha tale fatto istituzionale con le tematiche dell’italiano L2? Diamo subito la risposta a quest’ultima domanda: la prima cattedra di italiano, istituita a Siena, è destinata agli studenti tedeschi che andavano a studiare nel locale ateneo. Questo fatto dà nuova luce, a nostro avviso, a tutta la questione, come ha bene messo in luce il convegno svoltosi in occasione del quarto centenario dell’evento (Giannelli, Poggi Salani, Vedovelli 1991; Coveri 1991). Si tratta di un atto che supera i confini della cronaca accademica e che, caricandosi di valori simbolici, assume un valore storico fondativo per la materia che stiamo trattando: lo studio dell’italiano non può prescindere dalla sua condizione di lingua degli e per gli stranieri. Il quadro di discussioni entro il quale si colloca l’istituzione della prima cattedra di italiano è quello relativo all’esito della prima questione della lingua. Riducendo all’estremo i termini delle vicende, la soluzione alla prima questione della lingua, che vede vincitrice la posizione bembiana, è centrata sul ruolo di Firenze e del fiorentino, della lingua letteraria e dei grandi autori. L’alternativa possibile era costituita da una posizione che aveva in alcuni intellettuali senesi i propri fautori e che era più attenta alle ragioni dell’uso vivo della lingua: non solo legata a Firenze, ma allargata a un’area toscana più vasta; non solo limitata a un ristretto canone letterario, ma anche a altri autori e a altre varietà. Oggi potremmo definirla una posizione più sociolinguisticamente orientata alla variazione linguistica, se non fossimo consapevoli che il quadro teorico generale della prima questione della lingua era solo latamente compatibile con le nostre categorizzazioni. Quale che sia la portata dell’attenzione ‘sociolinguistica’ alla lingua italiana, esce vincitrice dalla prima questione una posizione purista, normativa e letteraria. Questo impianto può consentire al Granduca di rispondere a una sollecitazione che arrivava al suo sistema formativo avanzato, ovvero il fatto che in Toscana venivano a studiare studenti stranieri? La soluzione scelta da Ferdinando I, resa possibile proprio nel momento in cui un modello di lingua si formalizza in quanto vincente entro il dibattito intellettuale, è di istituire una cattedra, cioè di formalizzare con un atto politico (di politica culturale, ovviamente) e di spostare a livello istituzionale il discorso sulla lingua italiana e sulla sua diffusione. La lingua italiana è quella sancita dai teorici, dai grammatici; tale modello va ora diffuso pubblicamente, cioè attraverso le strutture deputate allo studio, alla formazione, alla trasmissione dei modelli culturali. Si tratta, dunque, di una scelta politica che riguarda la pianificazione linguistica: la scelta riguarda la dimensione culturale e viene a riguardare il pubblico degli intellettuali, cioè di coloro che sono direttamente toccati dai temi della formalizzazione di un modello di identità linguistica che sorregga Verso una storia dell'insegnamento dell'italiano L2 169 170 Massimo Vedovelli i valori delle produzioni culturali. Ci si deve chiedere perché, a fronte di una decisione di politica culturale che si appoggia alla soluzione risultata vincente nella questione della lingua, il Granduca scelga proprio Siena come sede della prima cattedra di italiano. La risposta riguarda, a nostro avviso, le esigenze del pubblico al quale la cattedra è rivolta. In una scelta di politica linguistica sono pertinentizzate le ragioni dei destinatari degli interventi: gli studenti tedeschi. Le esigenze del pubblico spingono a scegliere Siena come sede della cattedra: la città cui in qualche modo facevano capo i fautori di un modello più variazionista di lingua, più attento agli usi vivi, più segnato dalle caratteristiche di un’area geolinguistica non coincidente con la sola Firenze. Con abile mossa politica, il Granduca attiva la cattedra nella città dei ‘perdenti’ nella questione della lingua: ma alla mossa politica, di mediazione e insieme di segnale di un potere capace di indirizzo anche culturale, si aggiunge la considerazione che solo nella città dei perdenti era possibile trovare le condizioni didattico-linguistiche adeguate a proporre una lingua capace di rispondere alle esigenze degli stranieri che decidevano di sviluppare la propria formazione nel territorio toscano. La cattedra era destinata a stranieri e perciò doveva essere in grado di rispondere alle esigenze sia di valore culturale, sia di spendibilità immediata nella interazione quotidiana: il modello dei vincitori, purista e normativo, scritto e letterario, generava criticità circa la capacità di rispondere a tali esigenze. Da qui la scelta (di politica culturale) di porre a Siena la sede della prima cattedra di italiano. In questo modo il Granduca sancisce un fatto del quale ancora oggi vediamo vive le conseguenze: viene spostato sul piano istituzionale il conflitto fra le esigenze della norma e della purezza di un modello linguistico basato su capolavori assoluti, e le esigenze poste dagli utenti concreti che vivono le interazioni comunicative in specifici contesti di enunciazione e che devono rispondere alle loro sollecitazioni con adeguati strumenti linguistici. Con tale scelta, il piano istituzionale formalizza la tensione che ha caratterizzato la vita della lingua italiana fino ai giorni nostri: fra il suo modello ideale e alto, ma non sufficientemente sostenuto dalla dialettica di un vasto corpo sociale di utenti, e le esigenze dei suoi concreti utenti di averla come strumento da utilizzare nella quotidianità, sia essa quella alta della riflessione e della ricerca scientifica, sia essa quella dei normali scambi sociali. Ed è ugualmente importante sottolineare che il nesso inscindibile fra queste due dimensioni trova nell’utente straniero quello più adeguato a fungere da cerniera e luogo di attrito, sollecitatore di esigenze ai soggetti che devono essere capaci di elaborare soluzioni. 3.2 La prima cattedra rivolta agli stranieri La scelta del Granduca sottolinea che le esigenze degli utenti vanno tenute presenti anche nell'azione istituzionale di diffusione della lingua italiana. L’utente straniero sollecita gli intellettuali, gli uomini di scienze, i grammatici a trovare le soluzioni che mettano in armonia le esigenze della norma e della purezza del modello ideale con le capacità della lingua di spendersi nella vita e negli usi. Con la decisione istituzionale del Granduca lo straniero si trasforma da soggetto marginale della riflessione sul modello di lingua a principale banco di prova di ogni soluzione alla questione della lingua, proponendo fortemente le ragioni della ricerca della lingua italiana in quanto veicolo e forma di identità intellettuali alte, e quelle di una lingua che possa essere usata in tutta la gamma delle sue funzioni. Chi era, allora, il destinatario di tale azione istituzionale di politica linguistica dal punto di vista delle sue caratteristiche culturali e del suo sistema di attese linguistiche? Lo straniero si presenta nella duplice natura di soggetto reale con concrete esigenze e di soggetto ideale, capace di istanze ideali. Si tratta di un soggetto ideale in quanto capace di porre istanze che non hanno risposta immediata nella concretezza di un diffuso tessuto di interazioni comunicative. I soggetti nativi nella Penisola non potevano avere uguale forza di sollecitazione verso un modello di lingua italiana a motivo della mancanza di una condizione di unitarietà politica capace di creare le condizioni sociali e istituzionali per un uso linguistico comunemente condiviso. La pluralità degli stati e staterelli italiani, impedendo l’unità politica, impediva anche quella linguistica, che era lasciata appannaggio solo dei soggetti nella cui condizione non fosse inscritto il tratto dell’appartenenza a una realtà statuale. Tra i soggetti capaci di rapportarsi alla lingua italiana in maniera unitaria indipendentemente dalle barriere degli stati potevano rientrano, allora, gli stranieri perché, da origini statuali diverse, si rapportavano a un’unica lingua come oggetto di apprendimento, ideale punto di riferimento nella pluralità delle loro lingue materne. Il riferimento che aveva lo straniero era dato innanzitutto dalla letteratura e dai suoi capolavori; da qui partiva una esigenza di dominio che spingeva a voler apprendere la lingua di tali capolavori; ma a tale scelta veniva collegato un mondo (immaginario) di estesi scambi comunicativi in italiano nei contesti sociali. Questi, però, nella maggior parte della Penisola si svolgevano negli idiomi locali. Si ha a che fare, dunque, con una prima idealizzazione del dominio comunicativo di riferimento dell’italiano L2 nell’immaginario linguistico degli stranieri che nei secoli passati si riferivano all’italiano. Lo straniero poneva istanze ideali anche in un secondo senso, in quanto le possibili risposte alle sue esigenze erano sempre e solo frutto di una elaborazione non Verso una storia dell'insegnamento dell'italiano L2 171 172 Massimo Vedovelli confrontata (se non in occasioni limitate) con la complessità e variazione degli usi vivi. In mancanza di un tessuto vivo e generalizzato di scambi comunicativi centrati sulla lingua italiana, le soluzioni al problema di quale lingua proporre come risposta all’esigenza (immaginaria) di interazione nella vita sociale quotidiana erano comunque frutto di una elaborazione intellettuale. Questa era tesa a prefigurare gli esiti potenzialmente derivabili da un sistema formale consolidato solo o prevalentemente in una determinata gamma dei suoi usi, quelli scritti e letterari, per di più legato a una sola area geolinguistica della penisola. La lingua italiana come lingua d’uso vivo è invece richiesta dagli stranieri come oggetto / obiettivo del proprio apprendimento: nella loro tensione verso di essa, fanno l’ipotesi che sia viva e che possa rispondere alle loro esigenze di viva comunicazione. 3.3 Il rapporto lingua-- cultura negli stereotipi Il primo docente della cattedra istituita dal Granduca di Toscana è stato Diomede Borghesi, che, nel 1589, apre di corsi con una prolusione nella quale disegna il progetto della formazione linguistica partendo proprio dalla disamina della concreta realtà degli usi 3 . La sua Oratione si sofferma a lungo sulle immagini che di fatto si sono trasformate in stereotipi relativi all’identità culturale: sono queste immagini stereotipate la cornice socioculturale entro la quale viene inscritta la formazione linguistica. …Voi dovete sapere, ingegnosi Ascoltatori, che tutte l’arti che tra le meccaniche ritengon più degnità sono pervenute in Germania a sommo grado d’eccellenza; e che non può quivi alcuno il quale non sia trovator di qualche nuovo strumento o formator di qualche nuova cosa, essere nominato maestro né haver tra gli altri del suo mestiero alcune sorte d’onore e di maggioranza. L’artigliaria fu maraviglioso ritrovamento de’ Germani; i Germani trovarono il modo utilissimo dello stampar libri; e l’uso della carta da navigare fu parimente ritrovato in fra ‘ Germani. Fanno i Tedeschi molto grande stima della pudicizia delle donne loro, e come quegli da cui non si deve ignorar punto che l’ozio è radice e sementa d’ogni male e d’ogni bruttura, in fanciullesca età le cominciano ad avvezzare alla fatica, singolar producitrice di ogni bene e d’ogni orrevolezza; e poi, secondo il consiglio del tempo e dell’opportunità, le vanno adoperando in più degni affari, e ‘n più pregiati e commendabili esercizi. Non pur l’abominevoli menzogne, ma le vane lusinghe, a cui s’è scioccamente dato il nome di cirimonie, sono in tutto discordanti alla schietta natura de’ generosi Alamanni. I Germani, e particolarmente i più nobili, stando sempre lontanissimi da’ vituperosi termini dell’avaritia e mai non trapassando a’ biasimevoli confini della prodigalità, prontamente dispensan delle sostanze loro a chi si dée per quello che è dovuto, quanto è convenevole e quando si conviene. … Da Tedeschi universalmente s’attende alle lettere in così fatta maniera che fra essi, non senza maraviglia degli stranieri, fioriscono del continuo le facoltà più 3 Sui primi docenti della cattedra di tosca favella v. Cappagli (1991). ragguardevoli e le più soprane scienze: di che fanno certissima fede tutte le principali terre dove sia pubblico studio, e questa singolarmente, la qual si rende oggi più bella e onorata per tanti e sì valorosi spiriti di quella illustrissima e gloriosa natione, e chiara testimonianza ne danno infinite librarie tutte ripiene d’opere dottissime di scrittori alamanni ( Oratione del Sig. Diomede Borghesi … lettore di tosca favella nello Studio publico di Siena , in: Borghesi D., Orazioni accademiche , a cura di Carlo Caruso, Edizioni ETS, Pisa, 2009, pp. 45-47). La lode, che sconfina nello stereotipo, viene a riguardare anche la vita politica; così, infatti, prosegue Borghesi: [La Germania] appo se stessa interamente conserva le tre maniere di vero principato: cioè la monarchia nell’imperio, l’aristocrazia - o diciam governo de’ migliori - in assai città nobilissime, e la democratia - o vero stato popolaresco - in più altre poderose città (ivi, p. 46). Dopo la disamina dei tratti caratteristici dell’identità storica, sociale, culturale dei Tedeschi, l’analisi di Borghesi si volge alla dimensione linguistica: È lodevole usanza de’ Germani il darsi ad imprender con faticoso studio i linguaggi più scelti e di maggior grido (ivi., p, 47). A questa disposizione all’apprendimento delle lingue straniere, ovviamente da parte del ceto colto, Borghesi risponde evidenziando due caratteri: da un lato, la qualità intrinseca della lingua italiana, cui aggiunge, dall’altro, una proposta di apprendimento degli usi vivi di tale lingua: [I Germani] i quali, ancorché mediante la fruttuosa lettion di più libri faccian buono acquisto della più famosa e più pregiata lingua che si favelli nel presente da una intera natione, tuttavia, desiderando assai di potere imparar compiutamente la sua propietà dal vivo sermon di coloro a cui s’è mostrata più benigna e cortese la Natura, si dispongono a venire per qualche spatio a soggiornare in Italia (ibid.). 3.4 La proposta linguistico-educativa fra le ragioni della norma e dell’uso Borghesi è ben conscio della varietà diatopica che caratterizza la Penisola, e, dopo avere passato in rapida rassegna le possibili destinazioni degli apprendenti tedeschi (da Capodistria alla Valtellina all’Abruzzo), individua nella Toscana la destinazione ideale per il contatto con il “suo gratioso linguaggio” che “riluce oggi di sopra le provincie d’Europa” (ivi). E Siena ha grande vantaggio dall’essere meta degli studenti tedeschi: Ma chi lo sa meglio di voi Sanesi, i quali a tutte le ore solete ricever commodi e benefici da questa liberalissima gente? (ivi, p. 46). Verso una storia dell'insegnamento dell'italiano L2 173 174 Massimo Vedovelli Lo stereotipo culturale, che prima era stato esposto circa la nazione germanica, ora si applica alla lingua toscana: essa è, riprendendo le parole di Borghesi, “abbondante e copiosa … pura, schietta, spedita e di meravigliosa efficacia … ha leggiadria nelle cose vaghe, dolcezza nelle piacevoli, magnificenza nelle grandi, maestà nelle gravi e altezza nelle sublimi” (ib., p. 48). Insomma, la tosca favella è idioma “bellissimo” e “glorioso”: i tratti intrinsecamente estetici e il patrimonio culturale costituiscono l’identità della lingua toscana che Borghesi vuole insegnare. Anche sul progetto didattico-linguistico la posizione del primo lettore di tosca favella è chiaro. Dopo avere sottolineato che non basta “la fruttuosa lettion di più libri” per fare “buono acquisto” della lingua, ovvero che la competenza non può svilupparsi solo con uno studio puramente metalinguistico, grammaticale, ma che è necessario il contatto con l’uso vivo dei parlanti nativi, successivamente delinea un programma in cui, con singolare acutezza, mette in relazione quelli che oggi chiameremmo i processi acquisizionali nei contesti spontanei di comunicazione con le lezioni cattedratiche peraltro non limitate alla sola dimensione grammaticale. Borghesi non vuole semplicemente insegnar loro il nostro favellare ordinario: impercioché, quando assai diversa non fosse la loro intentione, il popolo stesso di queste contrade, col quale eglino si vengono rimescolando, saria bastevole in picciol tempo ad interamente ammaestrargli (ivi, p. 49). La comunicazione quotidiana - il favellare ordinario - attiva quei processi di acquisizione che portano a livelli di competenza sufficienti all’interazione strumentale; la cattedra del Borghesi accetta tale dimensione dello sviluppo spontaneo della competenza e, potremmo dire, la ingloba in un progetto più ampio, o meglio su di essa appoggia tale progetto, che ha come obiettivo quello di proporre agli studenti tedeschi “ragionamenti di favella toscana” (ivi), ovvero una riflessione di portata più ampia e approfondita sulla lingua, così come questa si manifesta negli “scritti dei più famosi e più autorevoli poeti e prosatori” (ivi, p. 52), negli usi vivi più culturalmente qualificati. Le “annotazioni e osservazioni” su tale materia che Borghesi intende proporre ai suoi allievi sono il frutto di “venticinque e più anni” di lavoro, di studio. Anche in questa nota si evidenzia il carattere di mediazione della proposta di Borghese, che si colloca sempre al centro di due estremi: la bellezza decantata della lingua toscana poi si concretizza nello stereotipo della lingua “sciolta e spedita” dei Senesi; non basta studiare la grammatica sui libri per apprendere una lingua straniera, ma è necessario il contatto con l’uso vivo; questo serve sì, ma è autonomo nella capacità di sviluppare una competenza strumentale alla relazione sociale; la cattedra nello Studio mira a una riflessione linguistica non astratta, ma sugli usi dei grandi poeti e scrittori. Si tratta di un programma di mediazione, che rende evidente la posizione del ‘maestro di lingua’, del docente di italiano L2 entro lo spazio determinato dalla dialetti tra la forma codificata e gli usi vivi. La mediazione è scelta, è selezione: innanzitutto, diatopica e diafasica. Tra tutti i luoghi della Penisola, è scelta la tosca favella , l’idioma toscano, per la sua purezza e per la sua grandezza letteraria; gli usi vivi del popolo, primariamente parlati, non sono rifiutati, ma sono collocati nella dimensione della relazionalità sociale dove i vari soggetti assumono e manifestano i propri ruoli sociali nel processo enunciativo. Borghesi parte dalla concreta effettualità delle forme di vita dei due popoli, delle loro elaborazioni culturali, e su questo terreno appoggia il percorso della formazione linguistica: non un astratto ideale linguistico ancorato a un passato che non sappia fare presa sul presente, ma un presente sentito come vivo anche se ricostruito e riproposto agli studenti stranieri innanzitutto nei termini degli stereotipi (la tosca favella come lingua leggiadra, meravigliosa ecc.). Stereotipi e usi vivi soprattutto parlati rappresentano la cornice per lo studio di una più elevata materia, consona ai tratti socioculturali degli apprendenti (i colti, la classe dirigente). L’istituzione della prima cattedra di italiano e il programma del suo primo docente ci spinge a delineare l’idea che da subito si evidenziano i due tratti che animano la diffusione del nostro idioma: lingua legata a un’alta tradizione intellettuale e lingua che serve per comunicare. Queste due dimensioni si sorreggono reciprocamente, si intrecciano e si sovrappongono fino ad oggi, pur vedendo prevalere nei vari momenti ora l’una ora l’altra. 4 I maestri di lingua mediatori fra norma e uso Diomede Borghesi è in qualche modo il paradigma della figura del docente di italiano, del ‘maestro’ di lingua, come sovente si autodefinivano soprattutto quando erano autori dei manuali di italiano destinati agli stranieri: materiali didattici prodotti della loro riflessione e della loro esperienza, non grammatiche esclusivamente descrittive. Le caratteristiche della figura professionale del maestro e i materiali didattici appaiono inscindibilmente uniti a creare un riferimento che ha un notevole interesse per i diversi piani coinvolti nella materia. L’analisi di diversi materiali didattici - manuali - per l’italiano destinati agli stranieri di diverse origini ci spingono a proporre una ipotesi interpretativa della figura del ‘maestro di italiano’ soprattutto dei secc. XVII-XVIII: riteniamo che tale figura professionale concentri la sua azione intorno a una funzione di mediazione per poter attuare un processo formativo specificamente destinato alla competenza in italiano L2. Verso una storia dell'insegnamento dell'italiano L2 175 176 Massimo Vedovelli Tale mediazione riguarda innanzitutto la teoria e la pratica: si tratta di mediare fra queste due dimensioni, dei quali i maestri / autori hanno conoscenza e dominio: conoscono le teorizzazioni dei grammatici, che assumono a riferimento e base per il loro insegnamento; dominano i problemi dell’insegnamento dell’italiano L2, grazie alla loro concreta esperienza. Collocata fra scienza e arte, fra rigorosa analisi secondo una batteria categoriale elaborata principalmente dai grammatici da una parte, e dall’altra dall’invenzione creativa di percorsi formativi, l’azione dei maestri di lingua ci sembra caratterizzarsi per i tratti dell’artigianato: un’area di mezzo fra le due citate dimensioni, non rigorosamente scientifica ma comunque fondata sull’esperienza capace di assumere i tratti di entrambe, ma anche di far ricadere su di esse i risultati della concreta esperienza di insegnamento linguistico. Naturalmente, le stesse tensioni si ritrovano in altri ambiti investiti dalla questione della lingua, e l’elaborazione teorica di modelli linguistici non è solo appannaggio del settore dell’italiano L2: soprattutto, gli studi sulle caratteristiche del parlato così come sono testimoniate dalle commedie, o le caratteristiche di scritture non standard. Tutto ciò sembra confermare il fatto che, pur in mancanza di un esteso uso vivo, era presente alla coscienza linguistica di diversi soggetti lo sforzo di estrarre dalle potenzialità del sistema formale dell’italiano i tratti più funzionali contesti e che più apparivano naturali nella gestione dell’interazione comunicativa nella generalità dei suoi. La mediazione fra teoria e pratica messa in atto dai maestri / autori nelle proprie opere si concretizza nell’adesione esplicita ai modelli elaborati a livello teorico sulla lingua e sulla sua norma. È difficile trovare un manuale di italiano L2 dei secoli passati che nell’introduzione non ribadisca esplicitamente il suo obiettivo primario di diffondere la lingua italiana così come è sancita dalla norma accademica relativa sia al canone dei testi di riferimento, sia alle categorie di analisi della struttura linguistica (la ‘grammatica ragionata’): si tratta di aderire esplicitamente al modello dominante per evitare il rischio di trovarsi ereticamente fuori da un ambito di riflessione che aveva il potere di decidere che cosa si dovesse intendere per lingua. La funzione di mediazione messa in atto dal maestro / autore si colloca entro un quadro generale dei manuali di italiano L2 sostanzialmente determinato dalla contrastività della trattazione, fondata sul presupposto dell’ universalità delle categorie linguistiche e dell’analisi linguistica, e capace di produrre strumenti speculari. A questo carattere si aggiunge l’ impianto fortemente metalinguistico . Il richiamo al modello normativo e purista sancito soprattutto dalla Crusca e dai grammatici si trova esplicitata principalmente nelle parti introduttive dei manuali, deputate alla spiegazione della struttura e della natura dell’opera. Altri luoghi in cui tale richiamo si fa esplicito sono le spiegazioni metalinguistiche dei fenomeni strutturali dell’italiano. L’adesione alla norma purista e comunque alle soluzioni accademiche sono però variabili, e tale variabilità rappresenta un altro piano dove si svolge la mediazione messa in atto dai maestri / autori. Con ‘variabilità’ intendiamo riferirci al fatto che l’adesione esplicita o meno ai modelli normativi e puristici della Crusca non è omogenea fra i diversi autori e nel tempo: in una stessa opera l’esame delle varie edizioni (prendiamo come esempio la fortunata produzione glottodidattica che va sotto il nome di Veneroni) mostra che l’adesione varia, muta, prende forme e soprattutto misure diverse. La mediazione messa in atto dal maestro / autore investe direttamente, allora, la misura della presenza dei vari generi testuali: la quantità dei dialoghi, quella di generi più virati verso la lingua scritta e letteraria sono il segno degli esiti di tale mediazione. Il luogo principale nel quale si manifesta l’opera di mediazione riguarda, però, a nostro avviso, la natura di riflessione conoscitiva e intellettuale del contenuto del manuale da un lato, e dall’altro la sua capacità di consentire agli apprendenti stranieri di usare la lingua italiana in contesti di comunicazione diversi da quelli letterari. In altri termini, il maestro / autore si trova a mediare fra il piano di alta intellettualità su cui è fondata la norma puristica e il sistema di riferimento culturale della lingua italiana da un lato, e un piano di contenuti più diversificati, meno legati alla cultura intellettuale, ma più fortemente in grado di interessare gli apprendenti l’italiano L2 dall’altro. Dal momento che i maestri svolgevano una professione direttamente dipendente dai loro pubblici, l’articolata opera di mediazione si rapporta ai profili dei pubblici e delle loro motivazioni. 5 Le motivazioni allo studio dell’italiano nei manuali di italiano per stranieri nei secoli XVII e XVIII Proprio esaminando i manuali di italiano per stranieri dei secoli XVII e XVIII troviamo indicatori linguistici e non linguistici dei pubblici ai quali essi si rivolgevano tentando di dare risposte a bisogni di formazione linguistica specificamente definiti. Il bisogno di contatto diretto con gli usi vivi, ben chiarito nella Oratione del Borghesi, è una delle componenti che alimentano il Grand Tour , il viaggio in Italia, che, seppure prevalentemente orientato verso il patrimonio artistico materiale e immateriale della Penisola, non poteva non attivare processi di interazione linguistica fra i protagonisti stranieri e italiani. Indicatori linguistici del ruolo del viaggio in Italia nel sistema di motivazioni degli stranieri all’apprendimento dell’italiano sono dati dalle scelte operate nei manuali circa gli input linguistici, i testi da proporre come modelli di uso: i loro contenuti sono legati Verso una storia dell'insegnamento dell'italiano L2 177 178 Massimo Vedovelli spesso alle situazioni in cui uno straniero si trova nel suo viaggio in Italia, dai dialoghi con gli osti a quelli con i negozianti a quelli con le persone italiane di nobile e colto lignaggio. Nei manuali sono presenti, però, anche indicatori di tipo non linguistico legati alla motivazione del viaggio. Si prenda in esame, ad esempio, quanto avviene nel manuale anonimo per l’insegnamento del francese pubblicato a Venezia da Torre nel 1788. Una serie di immaginette che si trovano nel frontespizio, all’inizio e alla fine di alcune delle parti in cui è articolata l’opera sembrano avere solo funzione esornativa: in realtà, riteniamo che tali immagini abbiano la funzione di richiamare le motivazioni allo studio della lingua che, si deduce, potrà avvenire efficacemente utilizzando tale manuale. Dato che la lingua italiana era fortemente capace di attrazione come oggetto di apprendimento, ecco che le immagini riprendono a livello iconico gli stereotipi che si legavano alla diffusione della nostra lingua e che da quel momento hanno accompagnato per sempre il suo studio da parte degli stranieri. Le icone contenute nel manuale di Torre (1788), allora, aggiungono al valore stereotipico anche un‘altra funzione: non solo indicano, ma anche esaltano le motivazioni allo studio dell’italiano estremizzando le caratteristiche della sua identità. Fig. 1: Frontespizio di Torre (1788) Nel frontespizio di Torre (1788) (v. fig. 1) c’è un’immagine di giullare o di cantore nell’atto di suonare uno strumento: è difficile non vedervi il richiamo alla commedia e alla musica, arti nelle quali da sempre la nostra cultura ha trovato le vie per la sua diffusione internazionale. È difficile non vedere in tale raffigurazione un richiamo rivolto agli stranieri e teso a suggerire il valore dello studio dell’italiano come strumento per poter accedere a manifestazioni culturali legate alla nostra lingua nella loro patria. E musica e teatro sono ancora due caratterizzazioni dell’attrazione culturale odierna dell’italiano. Più avanti, un’altra immagine è un evidente richiamo al Grand Tour , al viaggio in Italia, come fattore motivazionale allo studio dell’italiano (v. fig. 2). Fig. 2: Immagine nella Prefazione di Torre (1788: VII) Una figura maschile sta seduta su un rudere antico in un paesaggio di rovine; siamo a Roma. Si riconosce la piramide Cestia; si intravedono colonne in piedi sui loro basamenti e altre atterrate, un antico palazzo è in primo piano, forse il Laterano (o palazzo Farnese, a giudicare dal cornicione aggettante) e lo sfondo della città è irto di campanili. Il giovane seduto contempla il paesaggio di ruderi e monumenti, tiene una penna in mano e un foglio: disegna o scrive. L’immagine sintetizza il mito del viaggio in Italia, la rivisitazione dell’antichità classica, l’ispirazione tratta dalle rovine della Roma cadente. Tale immagine, a premessa del volume, non sembra avere un valore puramente decorativo, ma ci sembra svolgere una funzione centrale nell’architettura del manuale di lingua: essa funge da richiamo motivante al pubblico potenziale cui è destinato il manuale. La sua collocazione e i suoi contenuti stanno a richiamare l’attenzione dell’utilizzatore del manuale: rafforzano la spinta a studiare la lingua ricordandogli che l’apprendimento dell’italiano permette la realizzazione del viaggio in Italia. In tale richiamo motivazionale si uniscono la funzione culturale dell’apprendimento dell’italiano e quella strumentale (il viaggio implica sì la contemplazione e Verso una storia dell'insegnamento dell'italiano L2 179 180 Massimo Vedovelli l’ispirazione artistica, ma anche la necessità di sopravvivere comunicativamente fra locande, osti, viaggiatori e tutte le situazioni che intessono la quotidianità di un viaggio all’estero). Proprio questa compresenza di funzione culturale e strumentale manifestata dai richiami alle motivazioni per lo studio dell’italiano nasconde la contraddizione legata al fatto che la necessità di sopravvivere comunicando nell’interazione quotidiana non implicava l’uso dell’italiano, se non nelle aree in cui questo era più parlato, ovvero la Toscana e Roma. Le altre aree attraversate dallo straniero nell’ipotesi di un suo viaggio in Italia avrebbero richiesto, infatti, una ben più pronta competenza nei vari dialetti che erano diffusi trasversalmente nella stratificazione sociale. Se si tiene conto di questa contraddizione, si può capire come il richiamo che i manuali facevano alle caratteristiche e ai bisogni dei pubblici dell’italiano L2 era inscritto entro un quadro problematico, se non addirittura contraddittorio, che sottolinea ancora una volta lo sforzo di mediazione di modelli linguistico-culturali messo in atto dai loro autori e dai loro utilizzatori primari, cioè dai maestri di lingua: uno sforzo che cercava di risolvere tali contraddizioni, ma che non poteva rinunziare al tentativo di prefigurare un uso vivo e quotidiano della lingua insegnata. Il legame fra i profili socioculturali e professionali dei pubblici e le loro motivazioni all’apprendimento dell’italiano si manifesta, ovviamente, anche nella prassi didattica. Così, i manuali segnalano l’attenzione ai pubblici attraverso le scelte che riguardano le liste lessicali o i contenuti dei modelli di testi scritti o dei dialoghi. Veneroni (1701), ad esempio, attento a far rientrare nella sua proposta manualistica generalista anche il pubblico costituito dai militari, riporta una lista lessicale che comprende termini che vanno da saccheggiare a ferire a amazzare e uccidere , da montare a cavallo a aprire la trincera a incalzare il nemico e sonare a raccolta 4 . 6 I dialoghi La sezione dei manuali in cui si evidenziano maggiormente le tematiche della mediazione fin qui ricordate è quella dei dialoghi . Presenti in molti materiali, se non addirittura costituenti un genere autonomo di materiali per l’insegnamen- 4 Concordiamo sui molti motivi che spingono a non inserire tale nucleo tematico nei manuali di italiano L2 a noi contemporanei, pur se il necessario intento descrittivo non può spingerci a non considerarlo. Si tenga presente, comunque, che a Perugia esiste una Scuola per l’insegnamento delle lingue istituita dall’Esercito Italiano, dove si insegnano le lingue straniere ai nostri militari e l’italiano a quelli stranieri: è difficile non ipotizzare la pertinenza della specifica area tematica in questi corsi. to della L2, i dialoghi riguardano situazioni di comunicazione ritenute comuni e/ o di rilevante importanza per l’apprendente. Si tratta di interazioni inserite il più delle volte in una cornice più generale rappresentata dal viaggio in Italia: i contesti sono quelli dell’ospitalità negli alberghi e nelle locande; di scambi comunicativi in situazioni di compravendita (in sartoria, ad esempio); di interazioni in cui si parla del tempo o in cui ci si scambia convenevoli legati ai rapporti in società. Non mancano, allora, le situazioni che classicamente ritornano in ogni manuale di L2 di ogni epoca: richiesta di informazioni sull’ora, scambi di opinione sul tempo, sul mangiare, sui costumi dell’epoca. Non mancano nemmeno dialoghi centrati sulla situazione di insegnamento - apprendimento, con protagonisti il maestro e l’allievo impegnato l’uno a guidare nello studio, l’altro a chiedere spiegazioni sull’uno o l’altro aspetto della lingua (v. fig. 3). Fig. 3: Dialogo fra allievo e maestro su temi scolastici (da Veneroni, 1701) Verso una storia dell'insegnamento dell'italiano L2 181 182 Massimo Vedovelli Nella sezione delle Maniere italiane di parlare Veneroni (1701) riporta anche una lista di ingiurie e parolacce, che non vengono ormai più riportate nei manuali a noi contemporanei 5 . Il dialogo appare come il luogo più sensibile all’opera di mediazione in cui si impegna il maestro / autore di materiali per l’italiano L2 in quanto contesto di sperimentazione di moduli espressivi che simulano la lingua viva e, pertanto, rappresenta il punto dove più facilmente si può trovare lo scarto rispetto a quanto esplicitamente affermato nella sezione di descrizione grammaticale. Nei dialoghi i fenomeni non combacianti con quelli oggetto della descrizione grammaticale di tipo normativo vengono esibiti proprio perché viene fatta prevalere la ragione dell’uso vivo sulla norma della scrittura, o almeno di ciò che viene ipotizzato come ciò che potrebbe essere più candidato a costituire un uso vivo. Se nella sezione grammaticale viene riaffermata la priorità della norma fissata dai grammatici, nei dialoghi vengono esibiti i modelli di lingua parlata viva (o simulata come tale): con ciò il dialogo diventa il luogo dove maggiormente si può esercitare la creatività linguistica del maestro / autore. Proprio per tale ragione l’analisi del peso della parte dialogica dei manuali ci dà conto del tipo di impostazione seguita dal maestro / autore. Se la sezione di dialoghi è ampia sia come quantità, sia come varietà tipologica, di temi e di contesti di comunicazione presentati, allora si può fare l’ipotesi che sarà maggiore la possibilità di incontrare nei testi elementi non del tutto capaci di rientrare in ciò che la norma grammaticale fissava. Se la sezione dialogica non è ampia, ma convive solo con quella grammaticale, il maestro / autore segnala la sua adesione al modello normativo e, pur consapevole della necessità di esibire gli usi vivi che solo nel dialogo si manifestano, non porta all’estremo tale linea presentando modelli che possono entrare in contrasto con le esplicitazioni grammaticali. Il successo di un’opera come il manuale di italiano del Veneroni non può che essere legata alla sua capacità di rispondere nel tempo alle esigenze del pubblico e di mantenersi in sintonia con le scelte culturali prevalenti nei vari periodi. Di tale capacità di risposta è segno la pluralità di edizioni avuta dall’opera, che è manifestazione anche della lotta, delle tensioni fra le varie componenti che animavano l’azione di formazione linguistica. In particolare, il confronto fra due edizioni dell’opera, quella del 1701 e quella del 1752 mette in luce un richiamo alla norma operato dalla seconda rispetto invece alla carica più innovativa e più attenta all’uso vivo della lingua, al parlato e alle sue ragioni che invece caratterizzava la precedente. Le due edizioni hanno struttura e articolazione diverse 5 Come per l’area tematica militaria , anche in questo caso si pone un problema di selezione, di autocensura, di adeguamento al sistema dei valori morali ritenuti accettabili socialmente, che non fa altro che riproporre la dialettica fra istanza descrittiva della scienza e giudizi di valore sugli usi linguistici e su ciò che ad essi è connesso sul piano sociale. dei contenuti, con un maggior peso dato ai dialoghi in quella del 1701 rispetto a quella del 1752: quest’ultima riporta la prima alla norma anche mediante un maggiore spazio dato a testi non dialogici; soprattutto, la normalizzazione è operata mediante il richiamo alla autorità, in quanto essa è “ augmentée de plusieurs regles très necessaires & corrigée selon l’ortographe moderne & la plus pure de l’Academie della Crusca … le tout revû et corrigé par Charles Placardi, membre de la dite Academie ”. La purezza è il carattere distintivo della nuova edizione e l’Accademia della Crusca ne è la garante. Nella già citata edizione 1752 del manuale del Veneroni, l’intervento purificatore dell’accademico della Crusca Carlo Placardi non si limita alla revisione degli accenti, delle regole di ortografia e di pronuncia, alla chiarificazione delle regole morfosintattiche: tocca invece la quantità dei generi testuali proposti. All’aumento dei testi scritti, soprattutto lettere, fa riscontro la diminuzione dei dialoghi: la scelta ideologica di riportare alla purezza spinge a far diminuire il genere dove la modellizzazione dell’uso vivo avrebbe portato al potenziale contrasto fra la formalizzazione purista della norma e l’autonomia delle regole del parlato. Diminuendo i dialoghi, si riduce la possibilità di tale contrasto, a tutto favore dell’impianto normativo centrato sulla regolarità della lingua scritta. I dialoghi appaiono divisi in due grandi tipi di categorie: quelli costruiti con un criterio di coerenza interna forte che fa prevalere il tema, il contenuto, lo sviluppo dell’evento comunicativo da un lato; quelli che hanno la forma materiale dello scambio di battute fra interlocutori, ma che non sono altro che esibizioni di battute non legate da criteri di coerenza e coesione testuale. Esempi del primo tipo sono quelli riportati nelle figg. 4 e 5, dove gli inserti metalinguistici che indicano agli apprendenti le possibili battute alternative in un certo turno di parola non interferiscono con l’obiettivo di fondo di mantenere per il possibile salva l’identità di genere: le caratteristiche strutturali; l’evocazione del contesto di comunicazione; le parti costitutive di un gioco linguistico che vede i due interlocutori stabilire il contatto, sviluppare lo scambio comunicativo in direzione di un obiettivo sociale, accomiatarsi. Il contesto interattivo e l’obiettivo possono essere quello della compravendita, come nei dialoghi riportati nelle figure, ma anche altri legati alla quotidianità. Verso una storia dell'insegnamento dell'italiano L2 183 184 Massimo Vedovelli Fig. 4: Un dialogo in sartoria (da Veneroni, 1752) Nel dialogo della fig. 4 (fra un gentiluomo e un sarto) le battute (riquadro n. 1) sono inframmezzate da note metalinguistiche (& mieux ) che segnalano le possibili alternative che possono essere date; il carattere tipografico di tali notazioni è diverso da quello delle battute, proprio per segnalare la dimensione metalinguistica sulla quale si colloca il sintagma. L’alternarsi di piano linguistico (le battute del dialogo) e piano metalinguistico (i segnalatori delle possibili battute) rende intrinsecamente innaturale il dialogo, che manifesta in tal modo tutta la sua primaria funzione didattica. L’analisi degli scambi dialogici mostra, però, un grande sforzo di mediazione fra la naturalezza comunicativa e l’intento pedagogico: le battute sono brevi (riquadro n. 2), e ciò per riprodurre l’andamento dei dialoghi con funzione strumentale nell’interazione comunicativa quotidiana. D’altra parte, l’asciuttezza delle battute rende l’input linguistico più accessibile all’apprendente, soprattutto se principiante. Si noti come sia tematizzato il rapporto sociale fra le figure del gentiluomo e del sarto: il primo usa toni perentori mediante la forma verbale imperativa (riquadro n. 3) o comunque con un tono assertorio o di verifica che lo pone su un piano superiore all’interlocutore (riquadro n. 4), che invece usa una modalità comunicativa centrata su forme non perentorie e su segnali di cortesia (riquadro n. 5). Si noti, infine, il testo bilingue affiancato. All’interno di questo primo tipo di dialoghi è possibile ritrovare una distinzione in rapporto al profilo del destinatario: se i testi sono indirizzati a principianti le battute sono asciutte, brevi (fig. 4); se sono prodotti per apprendenti di più alto livello di competenza l’andamento delle battute è molto più ampio, al punto che si allontanano dalla simulazione del dialogo quotidiano per assumere caratteri di generi di discorso più vicini allo scritto o comunque più attenti a convenzioni sociali capaci di orientare verso un formalismo linguistico eccessivo le produzioni degli interlocutori (fig. 5). Questa prima grande classe di dialoghi mantiene comunque la coerenza e la coesione in misura tale da costruire uno scenario comunicativo entro il quale si svolge una simulazione di interazione. Fig. 5: Un dialogo fra cliente e mercante (da Torre, 1788) Verso una storia dell'insegnamento dell'italiano L2 185 186 Massimo Vedovelli La seconda grande classe di dialoghi è, invece, quella che non mantiene tale coerenza e coesione: lo scenario è evocato, ma le battute dialogiche non sono legate strettamente secondo un senso che manifesti almeno l’idea di una scena interattiva fra locutori. Si tratta di dialoghi dichiaratamente destinati a principianti, dove le battute sono sostanzialmente isolate l’una dall’altra, con un filo tematico che è molto debole e che comunque ha difficoltà a trovare relazioni di coerenza. In questa classe di dialoghi la preoccupazione per l’apprendimento e per l’esibizione di un input linguistico adeguato alla scarsa competenza dell’apprendente fa sì che non si possa parlare di testo (sia pure nel suo carattere di simulazione di parlato), ma di frasi sostanzialmente giustapposte (v. fig. 6). Torre (1788) intitola questa sezione del manuale proprio Frasi in forma di Dialogho per il principio . Con questo tipo di materiale linguistico, il testo evidenzia la frattura che caratterizza il suo modello di riferimento: la testualità è destinata a chi ha competenze non iniziali, mentre la dimensione della frase è ritenuta appropriata per gli stadi iniziali dell’apprendimento. Tale linea che privilegia la dimensione frasale nell’insegnamento / apprendimento iniziale si ritrova ininterrotta fino ad oggi, anche in materiali didattici a noi contemporanei che pur dichiarano di riferirsi a modelli che considerano la globalità del testo e della comunicazione. La dimensione frasale caratterizza, in questi, soprattutto le sezioni esercitative. Fig. 6: Frasi in forma di dialogo per il principiante (da Torre, 1788) Analizzando i dialoghi dei manuali che stiamo considerando, ci colpiscono diversi elementi. Innanzitutto, il dialogo pur mirando a esibire un esempio di scambio fra interlocutori, in quanto esibizione di un testo modello viene a inserire una funzione - appunto quella modellizzante - che interferisce con la dimensione naturale dell’interazione che il dialogo vorrebbe riportare fedelmente. Da ciò deriva il fatto che in alcuni punti le battute sono presentate in alternativa, come varianti possibili. Ciò introduce una dimensione metalinguistica, facendo scartare il discorso dal suo piano linguistico naturale: a volte il salto di piano è segnalato con un carattere tipografico diverso o mediante l’inserimento della congiunzione disgiuntiva fra le varie battute in alternativa. Questa situazione diminuisce il tono di naturalità del dialogo, facendo emergere la sua natura primariamente didattica. Vanno anche considerate le presenze di forme che, non ammesse dal sistema delle norme, hanno il proprio fondamento in fenomeni più generali che caratterizzano il parlare, come, ad esempio, le dislocazioni: il fatto che i maestri / autori le inseriscano nei dialoghi contenuti nelle proprie opere sottolinea la sensibilità verso quei tratti che sono sentiti caratterizzare specificamente il parlato, anche quello italiano. Da qui il valore di ‘simulazione di parlato’ che abbiamo attribuito a tali dialoghi, che estraggono dalla forma tratti che la norma non accetterebbe e che li assegnano a una realtà non presente se non in modo lato e comunque ristretto come base di utenti 6 . La creatività linguistica del maestro / autore, la sua libertà rispetto alla norma purista della scrittura, si colloca allora in diversi punti: nella scelta del tema del dialogo; nella capacità di evocare, tramite il dialogo, situazioni sociali che implicano la costruzione di scenari che chiameremmo sociolinguistici a giustificare l’apparizione di forme collocate su piani diversi della lingua; nell’esibizione di strutture non del tutto rientranti nella descrizione normativa iniziale; nell’indicare forme alternative in un determinato punto del dialogo. In questo senso i margini di manovra del maestro / autore sono abbastanza ampi, andando dalla semplice esibizione di forme al suggerimento esplicito di alternative al rimando a contesti di uso sociale implicanti salti di registro. Veneroni (1752) ha consapevolezza della distanza lessicale fra scritto e parlato, e di conseguenza propone una lista di parole ‘più necessarie’ per parlare (fig. 7): un antesignano delle moderne liste di frequenza lessicali del parlato! 6 Sulle questioni della simulazione del parlato rimandiamo a Testa (1991). Verso una storia dell'insegnamento dell'italiano L2 187 188 Massimo Vedovelli Fig. 7: Il lessico del parlato (da Veneroni, 1752) Appaiono interessanti i ruoli che assumono i protagonisti dei dialoghi: i maestri / autori evocano sistemi di rapporti sociali codificati, a loro rimandano nell’uso didattico presupponendo una conoscenza di ‘come va il mondo’. Esemplari ci sembrano i dialoghi fra interlocutori appartenenti a classi diverse, come il nobile e il sarto. Vediamo, dal dialogo di Veneroni (1752) che il gentiluomo parla in modo perentorio, mentre il sarto assume toni più subalterni, meno diretti, sempre impegnato a difendere il proprio diritto dalla protervia dell’interlocutore (v. fig. 4). Quest’ultimo, però, può permettersi di chiudere il dialogo rimandando ad altro momento il pagamento della merce! L’uso delle forme linguistiche serve a esibire strategie retoriche di gestione dell’interazione dialogica che hanno il proprio fondamento nel sistema dei rapporti sociali dell’epoca: il dialogo può essere analizzato, allora, anche in chiave sociolinguistica, alla ricerca delle correlazioni fra le strutture linguistiche e i ruoli sociali degli interlocutori. 7 Conclusioni Gli autori di tali materiali, i maestri di italiano per stranieri sono i testimoni privilegiati della evoluzione della nostra lingua e delle tensioni fra norma e uso: simulando parlato creano modelli di uso vivo ed esaltano le ragioni di modalità comunicative che, pur presenti in alcuni tipi di testi scritti (cf. D’Achille 1990), solo nella nostra epoca entrano pienamente a far parte della norma (nuova norma) dell’italiano; raccolgono strutture ‘minoritarie’ e ‘periferiche’, ne riconoscono la funzionalità a livello di uso parlato e le ripropongono come modelli. I maestri di italiano a stranieri sono figure centrali nella formazione di una lingua d’uso, e gli stranieri vengono a esporsi a un input che è più variato e comunicativamente vivo rispetto a quanto la norma prevedesse. Da qui, oggi, quella strana sensazione che prende chi di occupa delle questioni della diffusione dell’italiano come L2 nel mondo: la fortissima visibilità nei panorami linguistici e la grande produzione di pseudoitalianismi segnala una sorta di ‘padronanza della lingua’ che non sembra appannaggio solo dei parlanti italiani madrelingua: perché gli stranieri manipolano la lingua italiana? Chi dà loro questa potestà? La risposta sta anche nella nostra storia linguistica (con i parlanti italiano nativi comunque in minoranza nella Penisola rispetto ai dialettofoni) e nella storia dell’insegnamento dell’italiano L2: consapevoli di vivere in un mondo, da un lato, ben collocato nella tradizione della culturale intellettuale e, dall’altro, aperto alla creazione di moduli espressivi e comunicativi che venivano vissuti nella simulazione didattica, gli stranieri si sono sentiti e si sentono ancora protagonisti delle vicende linguistiche italiane. Non dimenticarlo può aiutare, oltre che alla ricostruzione del passato, anche alla comprensione del presente. Bibliografia Bingen, Nicole (1984): „Sources et filiations de la ‘Grammaire italienne’ de Jean-Pierre de Mesmes“, in: Bibliothèque d’Umanisme et Renaissance XLVI, 3, 633-638. Bingen, Nicole (1986): „Una académie italienne à Paris: l’«Accademia dei Peregrini» (1657)“, in: Studi francesi 88, I, 46-56. Bingen, Nicole (1987): Le Maître italien (1510-1660). 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Viele Faktoren spielen eine Rolle, und es ist Aufgabe einer Fachgeschichtsschreibung, die Interessenlagen, Diskurse und institutionellen Möglichkeiten aufzudecken, die zur Entstehung romanistischer Lehrstühle und Seminare an den deutschsprachigen Universitäten beigetragen haben 1 . Die Entstehungsgeschichte der Romanistik ist deswegen auch keineswegs ‚heroisch‘: Die Anfänge in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts können nicht direkt mit der Etablierung des Universitätsfaches „Romanische Philologie“ in dessen zweiter Hälfte verknüpft werden; vor allem aber gibt es kein einheitliches programmatisches Wollen, das die Entwicklung von den ersten Gründergenerationen an trägt und mit unserer gegenwärtigen Situation verbindet. Warum dieser Hinweis? Er scheint mir wichtig, weil es nicht selbstverständlich ist, die Verbindung der universitären Romanistik mit dem Fremdsprachenstudium zu problematisieren. In unserer Gegenwart liegt der Gedanke einer engen Zusammengehörigkeit nahe, ja man muss sogar betonen, dass die heutige Romanistik gut daran tut, den Aspekt des Fremdsprachenstudiums herauszustellen und die Anbindung an den schulischen Unterricht deutlich zu machen. Denn diese Verbindung sichert unsere Existenz, auch und gerade deshalb, weil sie die Verbindung von Literatur-, Kultur- und Sprachwissenschaft in einem Universitätsfach - und einem Institut bzw. Seminar - rechtfertigt 2 . Es ist aber 1 Zur Fachgeschichte der Romanistik vgl. etwa Bahner 1983; Briesemeister 2001; Christmann 1985; Fürbeth 1999; Hirdt 1993; Hültenschmidt 2000; Kalkhoff 2010; Lebsanft 2009; Lieber 1994; Trabant 1988; Werner 1990; Wolf 2012; Wunderli 2001. 2 Dies betonte sehr deutlich Helmut Glück in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung („Deutschlehrer dringend gesucht“, FAZ vom 18. 2. 2017). 194 Maria Selig nicht möglich, diesen heute so wichtigen Legitimationsansatz auf die gesamte Geschichte der Romanistik zu übertragen. Es gibt wichtige Brüche in der Entwicklung, und die Frage nach der Rolle des Fremdsprachenstudiums innerhalb der Romanistik lässt dies sichtbar werden. Darüber darf nicht hinwegtäuschen, dass bereits an den deutschen Universitäten des 18. und teilweise des 17. Jahrhunderts Lektoren tätig waren, die Französisch, Italienisch oder Spanisch unterrichteten. Auf die Präsenz dieser „Sprachmeister“ verweist Hans Helmut Christmann (Christmann 1985; vgl. auch Lebsanft 1994; Schiller 2000), und er integriert deren Tätigkeit in die Periodisierung, die er für die Geschichte der Romanistik als Universitätsfach vorschlägt. Folgende Phasen werden von ihm unterschieden: 1) „Sprachmeister bzw. Lektoren (bis ca. 1850)“; 2) „Professoren anderer Fächer, die über neuere Literaturgeschichte lesen (Ende des 18. Jh. und erstes Drittel des 19. Jh.)“; 3) „Erste Bemühungen um die Gründung spezifischer Professuren der neueren Sprachen und Literaturen (erste Hälfte des 19. Jahrhunderts)“; 4) „Die Schule verlangt die Errichtung neuphilologischer Professuren zur Ausbildung von Gymnasiallehrern - Habilitationen für moderne Philologie (ca. 1840 bis ca. 1860)“; 5) „Errichtung von Doppelprofessuren für romanische und englische Philologie (ca. 1860 bis ca. 1875)“; 6) „Trennung […] durch Gründung eigener Professuren (ab 1870)“ (Christmann 1985). Christmann schlägt also einen Bogen von der ersten Phase der „Sprachmeister bzw. Lektoren“ bis zur letzten, der sechsten Phase, in der sich Romanistik und Anglistik durch die Etablierung jeweils eigener Lehrstühle trennen. Nun sind Periodisierungen bekanntermaßen heuristische Instrumente, die den Betrachter auf Übergänge und Einschnitte aufmerksam machen sollen, die eine geschichtliche Entwicklung strukturieren. Zur Voraussetzung haben Periodisierungen allerdings implizit den Gedanken, es handle sich um kohärente Entwicklungszusammenhänge, denn anders lässt sich die gesamthafte Ausgrenzung nicht rechtfertigen. Die Periodisierung von Hans Helmut Christmann scheint also nahezulegen, dass es das Interesse am Fremdspracherwerb ist, das die Herausbildung der Romanistik einleitet. Genau dies ist aber nicht der Fall. Auffallend ist bereits die geringe Wertschätzung, die der Fremdsprachenunterricht an den deutschen Universitäten mindestens bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts erfuhr. Lektoren bzw. „Sprachmeister“ stehen am Rande des universitären Curriculums. Der in Freiburg zuständige Lektor durfte zum Französischen nur „horis alias non legibilibus“, „zu Zeiten, zu denen keine regulären Vorlesungen stattfinden können“, lesen (Christmann 1985, 7). Außerdem wurden in den Vorlesungsverzeichnissen die Lektoren zusammen mit den Tanzlehrern und Degenfechtern aufgeführt (Storost 2001, 1247-1248). Richtig ist zwar, dass einige dieser „Sprachmeister“ und Lektoren Professuren erhielten (Christmann Fremde Sprachen/ Fremdsprachen und die Romanistik des 19. Jahrhunderts 195 1985, 8; Hültenschmidt 1995; Kalkhoff 2010, 103-104). Man mag außerdem noch erwähnen, dass Friedrich Diez zu Beginn seiner Laufbahn „Lector der neueren Sprachen“ an der Universität Bonn war (Storost 2001, 158). Die Verbindungen zwischen dem Fremdsprachenunterricht an den Universitäten und der beginnenden Ausdifferenzierung einer wissenschaftlichen Romanistik sind jedoch, abgesehen von diesen wenigen biographischen Kontinuitäten, gering bis nicht existent. Die ersten universitären Romanisten sind keine Sprachlehrer, und sie wollen dies auch dezidiert nicht sein (Kalkhoff 2010, 104). Der fremdsprachliche Unterricht an den deutschen Universitäten sollte deshalb nicht unmittelbar in die Vorgeschichte der Romanistik integriert werden (Kalkhoff 2010, 264). 2 Philologie(n), Wissenschaft und Wissenschaftlichkeit Warum dies so ist, wird deutlich, wenn man sich in einer weiteren, die engere Fachgeschichte verlassenden Perspektive mit der Entwicklung der Romanistik beschäftigt. Denn die Romanistik entwickelt sich aus der Philologie, und es ist die Verwissenschaftlichung, die die philologisch orientierte Forschung im Kontext der neuen Universitätsstrukturen erfährt, in die sich die universitäre Institutionalisierung der Romanistik einfügt. Selbstverständlich würde es den Rahmen meines Beitrags sprengen, wenn ich detailliert darauf eingehen wollte, was diese wissenschaftssystematische, methodologische und diskursiv-legitimatorische Verankerung der Anfänge der Romanistik in der Philologie bzw. den Philologien bedeutet 3 . Auf einige zentrale Aspekte dieser Diskussion will ich jedoch Bezug nehmen, weil sie die Einbettung der Romanistik in die Entwicklung der nunmehr wissenschaftlichen Neuphilologien transparent macht. Beginnen wir mit dem Hinweis auf etwas, was gerne in wissenschaftsgeschichtlichen Arbeiten übersehen wird 4 : Die Veränderungen, die die deutschsprachigen Universitäten spätestens ab dem letzten Viertel des 18. Jahrhunderts erfassten, waren keine einfachen Umschichtungen innerhalb einer bereits gefestigten und disziplinär ausdifferenzierten wissenschaftlichen Praxis. Vielmehr 3 Vgl. hierzu etwa Bähler 2004; Bluhm 1997; Espagne/ Werner 1990; Flashar/ Gründer/ Horstmann 1979; Fohrmann/ Voßkamp 1987; Fürbeth et al. 1999; Stierle 1979; Wolf 2012; Wyss 1979. 4 Wulf Oesterreicher spricht von der Gedankenfigur der „invertierten Teleologie“, die im historiographischen Kontext immer dann zu beobachten ist, wenn die Ergebnisse der historischen Entwicklung auf deren Beginn projiziert werden (Oesterreicher 2007, 16-23). Die Entwicklung erscheint dann wie die Entfaltung eines immer schon Dagewesenen bzw. als bewusste und zielorientierte Herbeiführung des schon immer Gewünschten. Diese Gedankenfigur steht der Erkenntnis im Wege, dass die historischen Prozesse - in der Makroperspektive des Historikers betrachtet - nicht zielgeleitet, sondern emergent sind. 196 Maria Selig bildete sich in diesem Prozess das moderne Wissenschaftsideal überhaupt erst heraus (vgl. dazu etwa Fohrmann/ Voßkamp 1987; Kalkhoff 2010; Kalkhoff/ Wolf 2014; Oesterreicher/ Selig 2014; Stichweh 1994; Wolf 2012). An den neuen Universitäten fand der Übergang zu einer wissenschaftlichen, d. h. vernunft- und erfahrungskontrollierten Form des Wissensgewinns und der Wissenssicherung statt, die die alte Form der enzyklopädischen Gelehrsamkeit ebenso wie die spekulative und empirisch kaum kontrollierte Philosophie langsam verdrängten 5 . Der Bruch mit den Traditionen, die den Umgang mit Wissen und Wissenserwerb bisher bestimmten, erfolgte selbstverständlich nicht abrupt. Die alten Strukturen reichen in die Zeit der Institutionalisierung der neuen universitären Disziplinen hinein. Dennoch ist die Absetzung von den traditionellen Verfahren unübersehbar, und es sind gerade die Philologie bzw. die Philologien, an denen sich dieser Wille zum Neuem besonders klar manifestiert. Der Philologie kommt in methodologischer Hinsicht nämlich eine Pionierfunktion zu. Philologische Forschung, also die Auseinandersetzung mit Texten, Sprachen, Artefakten vergangener Epochen, konnte auf eine jahrtausendealte Tradition eines reflektierten, kritischen Umgangs mit Quellen und Datenmaterial zurückblicken. Für die neue, auf Empirie fokussierte Forschung bot die Philologie also bereits erprobte Methoden an. Die Philologie als Philologie der kanonischen Texte hatte sich außerdem schon sehr lange mit der Wahrheitsfähigkeit von Urteilen, der Angemessenheit von Analysemethoden sowie hermeneutischen Problemstellungen auseinanderzusetzen, und auch hier hatte sie Standards definiert, die in das neue Ideal der Wissenschaftlichkeit übernommen werden konnten (vgl. Thouard/ Vollhardt/ Mariani Zini 2010; außerdem Flashar/ Gründer/ Horstmann 1979; Grafton 1983; Horstmann 1978, 1989, 2008; Hültenschmidt 1987, 2000; Kolk 1988). Die Philologien, d. h. die mit der kritischen Rekonstruktion der Vergangenheit beschäftigten Forschungsbereiche, konnten sich daher sehr schnell zu wissenschaftlichen Disziplinen formieren und universitär etablieren. Die Text- und Editionsphilologie unter der Ägide von Karl Lachmann (1793-1851), später die historisch-vergleichende Sprachwissenschaft mit Franz Bopp (1791-1867) und Jacob Grimm (1785-1863), ebenso die Altertumswissenschaften mit Friedrich August Wolf (1759-1824), August Boeckh (1785-1867) oder Theodor Mommsen (1817-1903) setzten Maßstäbe durch ihre methodische Strenge, ihre Reflektiertheit und den Organisationsgrad ihrer Forschungsprojekte; sie hatten daher im neuen Wissenschaftssystem eine klare 5 Auf Seiten der empirischen Forschung zeigt Anthony Grafton sehr deutlich, was die Verdrängung des Ideals des Gelehrten durch das des Wissenschaftlers bedeutete (Grafton 1983). Die Abwendung von der philosophischen Spekulation, die letztendlich auch die Vorherrschaft der Philosophie im Wissenschaftssystem beendete, zeichnet Herbert Schnädelbach (Schnädelbach 1983) nach. Fremde Sprachen/ Fremdsprachen und die Romanistik des 19. Jahrhunderts 197 Vorbildfunktion und trugen wesentlich zur Formulierung des neuen Ideals der Wissenschaftlichkeit bei. Die zentrale Rolle, die der methodologischen Diskussion im Prozess der universitären Institutionalisierung zukam, lässt sich auch an der Entwicklung der Sprachwissenschaft ablesen. Bekanntlich erfolgte an der Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert ein entscheidender Bruch in der sprachbezogenen Forschung, der durch die Entdeckung des Sanskrit und der Verwandtschaftsbeziehungen innerhalb der indo-europäischen Sprachfamilie ausgelöst wurde. Man könnte von einer „révolution morphologique“ sprechen (Rousseau 2000), weil anstelle der bisherigen heterogenen und methodisch beliebigen Ansätze in der Beschäftigung mit sprachlichen Phänomenen nunmehr ein strenges, grammatiktheoretisch fundiertes und methodologisch kontrolliertes Forschungsparadigma verpflichtend wurde: Die neue historisch-vergleichende Grammatik grenzte einen klar umrissenen Forschungsgegenstand aus, das morphologische bzw. später das lautliche System, dessen Autonomie und Eigengesetzlichkeit sich in der internen Kohärenz (Sprachverwandtschaft) und Regelmäßigkeit (Lautgesetze) der diachronen Entwicklungen manifestierte. Der Nachweis der Systematizität sprachlicher Strukturen durch Konstitutionsanalysen und paradigmatische Relationierungen sicherte der historischen Grammatik ihren Status als wissenschaftliche Disziplin, ein für die universitäre Institutionalisierung zentraler Faktor (Oesterreicher 2000, 2013). Wir müssen im vorliegenden Kontext die Weiterentwicklung des Wissenschaftsideals nicht im Einzelnen verfolgen. Die „disziplinäre Matrix“, die die neuen Disziplinen einte und ihnen Prestige verlieh (Kalkhoff 2010, 241-251; Oesterreicher 2013) wird mit der Entwicklung der Phonetik komplexer, weil nunmehr auch die Nähe zu den experimentellen Naturwissenschaften relevant wird. Festzuhalten ist aber die entscheidende Rolle, die das neue Wissenschaftsparadigma und dessen Forderungen an die sprachwissenschaftliche Forschung spielte. Dass es eine Slavistik oder Romanistik an den Universitäten der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts gab, war zwar nicht ausschließlich, aber zu einem sehr großen Teil dem wissenschaftlichen Renommee von Franz Miklosichs sprachgeschichtlichen Arbeiten oder eben Friedrich Diez‘ „Grammatik der romanischen Sprachen“ (1836-1844) zu verdanken 6 . Voraussetzung dafür, in den Kanon der universitären Fächer aufgenommen zu werden, war der Nachweis der Wissenschaftlichkeit, mit der in dem betreffenden 6 Vgl. dazu Gauger 1981, 17-19. Adalbert von Keller, 1841 zum außerordentlichen Professor „der neueren Sprachen und Litteraturen“ an der Universität Tübingen ernannt, unterstreicht, dass die „modernen Philologien“, also die Philologien der noch gesprochenen Sprachen, zunächst ihre Wissenschaftlichkeit nachweisen müssen, bevor sie in den Kreis der Universitätsfächer aufgenommen werden können. Mit Grimms Grammatik und der Grammatik von Friedrich Diez sei dieser Schritt aber bereits vollzogen (Selig 2008, 24). 198 Maria Selig Sachgebiet gearbeitet wurde. In diesem Sinne kommt Friedrich Diez (1794-1876) ganz eindeutig die Rolle eines founding father zu. Ohne ihn bzw. ohne seine „Grammatik“ wäre die Entwicklung der Romanistik anders verlaufen 7 . 3 Identität und Alterität: Philologie(n) und fremde Sprachen Die universitäre Institutionalisierung der Romanistik ist Teil der Ausdifferenzierung der Philologie in wissenschaftliche Disziplinen. Die zunehmende Bedeutung der disziplinären Matrix, die neuen Universitätsstrukturen und die Professionalisierung der einzelnen Karrierestufen des Wissenschaftlers sichern eine Praxis, die eine eigene, forschungsdominierte Dynamik entwickelt (vgl. Hültenschmidt 2000). Die Entwicklung der Romanistik im 19. Jahrhundert hat aber noch eine zweite Seite, die den Gedanken von der Autonomie disziplinärer Entwicklungen relativiert und die verdeutlicht, dass die gesamtgesellschaftlichen Zusammenhänge trotz des Autonomiegedankens weiterhin eine wichtige Rolle spielen. Die Philologie und die philologische Forschung legitimieren sich nämlich, anders als die neue Wissenschaft, nicht ausschließlich methodologisch, sondern auch über die gesellschaftliche Relevanz der Forschungsbereiche, denen sie sich zuwenden. Es ist hier nicht wichtig zu klären, ob die philologische Tradition aus quasi intrinsischen Gründen auf dem Recht bestehen muss, nur die Forschungsbereiche zu bearbeiten, deren kritische Durchleuchtung einen ethisch-moralischen Mehrgewinn erbringen kann. Was die Entwicklung im 19. Jahrhundert anbetrifft, ist es aber in der Tat so, dass die Philologie bzw. die Philologien genau diese Differenz betonen, die sie von der gegenstandsneutralen, nur an wahrheitsfähiger Erkenntnis interessierten Wissenschaft trennt. Philologie wird, anders als Wissenschaft, über die ethische Wertigkeit ihrer Themen definiert. In diesem Sinne hat die Philologie nicht zweckfreie Erkenntnis als primäres Ziel, sondern Bildung über Partizipation an den kulturellen Leistungen vorbildlicher Epochen und Kulturen (vgl. Horstmann 1978, 2008; Selig 2005, 2008; Selig/ Kalkhoff/ Wolf 2006; Stierle 1979; Wolf 2012). Die Verknüpfung von Forschung, Erkenntnis und Ethik in einem Bildungsideal wird sehr früh, im Kontext des von Friedrich August Wolf (1759-1824) initiierten Neuhumanismus vorgeschlagen (vgl. Assmann 1993; Bollenbeck 1994). Der Neuhumanismus ist aus verständlichen Gründen nicht auf die Universität 7 Wie entscheidend das Ansehen innerhalb der Gruppe der Wissenschaftler war, zeigt sich beispielsweise bei der Besetzung der neu eingerichteten romanistischen Professur an der Berliner Universität. Obwohl sehr bekannte, engagierte „Schulmänner“ wie Ludwig Herrig (1816-1889) als Kandidaten im Gespräch sind, wird Adolf Tobler (1835-1910) berufen, weil er als Schüler von Diez die Tradition der historischen Grammatik weiterführen kann (Kalkhoff 2010, 144-146). Fremde Sprachen/ Fremdsprachen und die Romanistik des 19. Jahrhunderts 199 als Ort der Forschung beschränkt, sondern formuliert seine These, die Ideale des Menschseins könnten in der „Klassik“, also der griechisch-römischen Antike, gefunden werden, mit einem Geltungsanspruch für die Gesamtgesellschaft. Die philologische Forschung an den Universitäten, die „Alterthumswissenschaft“, wie Wolf sie nennt, soll die „Kenntniss der alterthümlichen Menschheit selbst“ (Wolf 1807, 124) „in allen möglichen Absichten“ (Wolf 1831, 13), also hinsichtlich der unterschiedlichsten Dimensionen kultureller Wirklichkeit sichern (Selig 2005, 290-295). Dies deshalb, weil die Menschheit in der Antike das ausgewogenste Verhältnis zur Welt und die überzeugendsten Manifestationen philosophischer, ethischer und ästhetischer Kreativität gefunden hat und es zur Bildung, zur moralisch-ästhetischen Vervollkommnung des Einzelnen beiträgt, wenn er diese Manifestationen empathisch nachvollzieht. Mit demselben partizipativen Anspruch wird auch die Hinwendung zur eigenen, nationalen Vergangenheit propagiert. Die philologische Methode, die nunmehr zu einer wissenschaftlichen geworden ist, soll also auch auf andere Kulturen und Epochen angewendet werden, und zwar auf die Epochen, in denen sich die Größe der deutschen Nation besonders eindringlich offenbarte. In beiden Fällen wird dem anthropologischen, panchronischen und auf die Perfektibilität in der Zukunft ausgerichteten Menschenbild der Aufklärung ein Ideal entgegengehalten, das der Vergangenheit wieder zu ihrem Recht auf Vorbildlichkeit verhilft. Diese „affektive Disposition zur Vergangenheit“ (Gauger 1981, 22) und diese Verknüpfung von Forschung und Bildung wird durchgehend die Entwicklung von Universität und Schule im 19. Jahrhundert kennzeichnen. Die Vergangenheit, sei es, wie im Neuhumanismus, die der klassischen Antike, sei es, wie in den nationalistischen Bewegungen, die eigene nationale, wird als Raum erlebt, der ein reicheres, erfüllteres Sein erlaubt als die Gegenwart. Man könnte, um die affektive und identitätsbezogene Besetzung der Vergangenheit zum Ausdruck zu bringen, von Historizismus sprechen, von einer bedingungslosen Relevanzsetzung des Alten, sobald es um die Formulierung ethischer, politischer und auch ästhetischer Maßstäbe geht. Man muss gleich hinzufügen, dass diese historizistische Verklärung der Vergangenheit von einer wesentlichen Veränderung im historischen Denken und der Auflösung einer jahrhundertealten „epistemologischen Blockade“ (Oesterreicher 2013, 305) begleitet wurde. Das Interesse für vergangene Epochen und andere Kulturen war die Voraussetzung dafür, sich die intensive Erforschung der Diversität der gesellschaftlichen, kulturellen, literarischen und sprachlichen Formen zum Ziel zu setzen und bereit zu sein, die Variabilität und Mannigfaltigkeit positiv, als Leistungen menschlicher Kreativität einzustufen. Erstmals war es möglich, die Historizität, d. h. die geschichtliche und damit gesellschaftliche Prägung von Kultur, Sprache und Literatur zu erkennen und sie vor allem an- 200 Maria Selig zuerkennen. Dieser Historismus, also die theoretisch und empirisch überprüfte Erkenntnis der Geschichtlichkeit kultureller Phänomene, wendet sich gegen ein ahistorisches, rein anthropologisches Menschenbild und betont die Rolle, die der Gesellschaft, also dem jeweiligen Gesamt der historischen Akteure, für die kulturelle Entwicklung zukommt 8 . Gerade für die Sprachwissenschaft war diese Anerkennung der Geschichtlichkeit entscheidend. Die morphologischen Forschungen von Franz Bopp oder die lautgeschichtlichen von Jacob Grimm waren von dem Gedanken getragen, dass sich in den jeweiligen Sprachen Entwicklungen vollziehen, die nicht die Natur und nicht eine universelle Vernunft bestimmte, sondern ausschließlich die geschichtlichen Bedingungen der jeweiligen Zeit (vgl. Oesterreicher 2013). Diese Erkenntnis ist ein wesentlicher Schritt hin zur Anerkennung der prinzipiellen Gleichberechtigung aller Epochen, aller Kulturen, aller Sprachen; er kann hinführen zum Programm einer vergleichenden Anthropologie, die die Beschreibung und Erklärung menschlicher Kreativität, so wie sie sich in der Verschiedenheit der Kulturen in Zeit und Raum manifestiert, zu ihrem Forschungsziel wählt und die Partizipation an dieser Diversität als Komponente eines auf Alteritätserfahrung beruhenden Bildungsideals propagiert. Dies entspräche dem Ansatz von Wilhelm von Humboldt (1767-1835), dessen sprachwissenschaftliches Programm letztendlich das einer Bestandsaufnahme sprachlicher Kreativität in all ihren Formen ist. Im Rahmen des von Humboldt skizzierten Ansatzes wäre es Aufgabe der neuen wissenschaftlichen Sprachforschung, alle Sprachen - und das sind, außer der einen Muttersprache, fremde Sprachen - zum Untersuchungsgegenstand zu machen, weil erst in der Summe manifest werden kann, was menschliche Kreativität ausmacht (vgl. Trabant 1990). In der damaligen Situation dominierte über diesem an Alteritätserfahrung interessierten, dem Historismus verpflichteten Sprachvergleich allerdings der identitätsstiftende Historizismus, der darauf bestand, nur die Kulturen oder Sprachen zu untersuchen, die als wertvoll und relevant ausgewählt worden waren. Die ethisch-moralischen Momente wurden nicht an der Fremderfahrung, sondern an der Erfahrung des Eigenen - oder der Erfahrung des Klassischen - festgemacht. Deshalb waren auch Ethnozentrismus, Nationalismus, teilweise sogar Rassismus für die Gegenstandsbestimmungen der Philologien ausschlaggebend (vgl. Messling/ Ette 2013). Nicht jede Nation und nicht jedes Volk waren würdig, Gegenstand philologischer Forschung zu werden. Übrigens auch nicht die romanischen Sprachen und Kulturen. Das Verdikt des Unwerten oder vielleicht 8 Zur Relevanz des Historismus für die moderne (Sprach-)Wissenschaftsentwicklung vgl. Gauger 1981, 22-28; Hültenschmidt 1983, 1987; Oesterreicher 1983, 2013, Oesterreicher/ Selig 2014; Rüsen 2014; Trabant 1990. Fremde Sprachen/ Fremdsprachen und die Romanistik des 19. Jahrhunderts 201 einfach nur des nicht Vorbildlichen betraf auch die französische Sprache und Kultur - aus den bekannten politischen Gründen -, teilweise auch das ‚Romanische‘ allgemein, aus welchen Gründen auch immer (Selig 2005, 304-305). Das herrschende Bildungsideal, sei es das neuhumanistische oder das nationalistische, war also nicht günstig für die Romanistik. Deren universitäre Etablierung stellt daher gerade nicht eine bruchlose Weiterentwicklung eines bereits seit längerem bestehenden Interesses an „neueren Literaturen“ oder „neueren Sprachen“ (vgl. Christmann 1985) dar. Deshalb gilt es hier, sorgfältig zu trennen zwischen den Kulturen und Sprachen, die als bildungsrelevant eingestuft wurden, und denen, gegen die es Vorbehalte und Widerstände gab. 4 Friedrich Diez, die wissenschaftliche Romanistik und die Tochtersprachendebatte Von Friedrich Diez (1794-1876) und seiner Rolle als Gründervater der Romanistik war bereits die Rede. Jetzt soll genauer sein wissenschaftlicher Werdegang nachvollzogen werden, um das Bedingungsgeflecht, das die universitäre Institutionalisierung der Romanistik begleitet, zu verdeutlichen. Diez beginnt seine wissenschaftlichen Bemühungen mit Editionen und Übersetzungen mittelalterlicher Texte, weil er dem Gedanken einer ‚Universalliteratur‘ oder ‚Universalpoesie‘ in der Art von August Wilhelm Schlegel (1767-1845) nahesteht (vgl. Gumbrecht 1984; auch Baum 1999). Am Anfang seiner Laufbahn wird Diez also von der romantischen Begeisterung für das Mittelalter motiviert, und alles deutet darauf hin, dass er die empathische Identifikation mit dem Forschungsgegenstand teilt, die für die Philologie des 19. Jahrhunderts prägend ist 9 . Diez teilt die strengen methodischen Grundsätze der von Karl Lachmann entwickelten Editionsphilologie. Seine philologische Arbeit ist von Beginn an an der neuen wissenschaftlichen Methode orientiert. In seiner Laufbahn scheint es nun einen Bruch zu geben. In einer zweiten Phase konzentriert sich Diez nämlich ganz auf sprachgeschichtliche Fragestellungen. Von 1838 bis 1844 erscheinen die drei Bände seiner „Grammatik der romanischen Sprachen“ (Diez 1838-1844), 1853 das „Etymologische Wörterbuch der romanischen Sprachen“, Werke, die ihn sofort sehr bekannt machen und die, wie oben bereits angesprochen, als Begründung einer wissenschaftlichen Romanistik gewertet werden. Diez‘ Ab- 9 Hans-Martin Gauger (Gauger 1981, 23) zitiert aus einem Brief von Ludwig Uhland von 1807: „So wollt ich sie beschwören bei dem heiligen Mutternamen: Teutschland, gehen Sie in die Bibliotheken von Paris, suchen Sie hervor, was da vergraben liegt an Schätzen altdeutscher Poesie. […] Allein sehen Sie nicht ausschließlich auf teutsche Altertümer, achten Sie auch der romanischen Vorzeit Frankreichs! Ein Geist des Rittertums waltete über ganz Europa“. 202 Maria Selig wendung von den literaturgeschichtlichen Interessen ist mit Resignation erklärt worden, mit dem Gefühl des Scheiterns der literarischen bzw. philologisch-idealistischen Ambitionen (Gumbrecht 1984). Vielleicht lässt sich der Wandel auch einfach damit erklären, dass für Diez das, was es bisher zur mittelalterlichen romanischen Sprachgeschichte gab, nämlich die Arbeiten von François Raynouard (1761-1836), nicht ausreichend wissenschaftlich war und angesichts der in der historisch-vergleichenden Sprachwissenschaft erreichten Fortschritte dringend überarbeitet werden musste (Gauger 1981, 93). In jedem Falle sagt Diez von sich selbst, dass er Jacob Grimms Methode auf die romanischen Sprachen anwenden wollte (Gauger 1981, 18). Diez folgt also den neuen wissenschaftlichen Idealen der Genauigkeit, Exhaustivität, Quellenkritik sowie den neuen Erkenntnissen zu den Bedingungen sprachlicher Strukturbildung, und er wendet die neue Methode nicht nur im Bereich der Textedition, sondern auch in der historischen Grammatik und Lexikographie an. Man kann ihm sogar ein gutes Gespür für die Bedingungen sprachlicher Variation zuschreiben; sein Umgang mit dem Ursprungsproblem der romanischen Sprachen und seine Definition der „römischen Volkssprache“ als gemeinsamer ‚Quelle‘ der romanischen Sprachen sind reflektiert und undogmatisch, ganz im Gegensatz zum Ansatz von François Raynouard, der seine Idee, das Altokzitanische sei die gemeinsame romanische Ursprache („langue romane“), zu einer mystischen Überhöhung der romanischen Sprachgenese nutzt (vgl. Selig 2007). Diez folgt also dem neuen Wissenschaftsideal, das an der vorurteilsfreien und leidenschaftslosen Bestandsaufnahme der Fakten interessiert ist. Er garantiert gerade durch seinen trockenen Positivismus Wissenschaftlichkeit, und diese Wissenschaftlichkeit verleiht seinem Forschungsgegenstand, der romanischen Sprachfamilie, ‚Universitätseignung‘. Es lohnt sich, noch einmal genauer den trockenen Positivismus von Diez anzuschauen. Diez weigert sich nämlich explizit, seine Forschungstätigkeit in den bildungsbezogenen, idealistisch-geschichtsphilosophischen Kontext einzuordnen, der die Verwissenschaftlichung der Philologie und der Philologien parallelisiert (vgl. Selig 2007). Er bezieht damit Stellung in einer Debatte, die noch einmal sehr deutlich die nationalistischen Tendenzen sichtbar macht, die philologische und universitäre Forschung in Deutschland auch haben konnte. Diez verzichtet darauf, seinen Versuch, die Filiationen zwischen den lateinischen und romanischen Formen nachzuvollziehen, sprachtypologisch auszudeuten 10 . Er übernimmt also nicht die negativen Bewertungen analytischer Sprachstrukturen, die August Wilhelm Schlegel (1767-1845) im Anschluss an seinen Bruder Friedrich Wil- 10 In der Einleitung zum ersten Band seiner Grammatik schreibt er, dass er nicht die „Humboldtsche Fragestellung“ aufnehmen will, sondern sich auf den „Umbildungsproceß der Form im weiteren Sinne, als dessen was der historischen Grammatik die sichersten und fruchtbarsten Resultate verheißt“ beschränken wird (Diez 1836-44, vol. I, iv). Fremde Sprachen/ Fremdsprachen und die Romanistik des 19. Jahrhunderts 203 helm Schlegel (1772-1829) in die romanische Sprachgeschichte eingebracht hat (vgl. Selig 2013). Anders als Schlegel ordnet er den Übergang vom Synthetischen zum Analytischen nicht als Verfall und als Abwendung vom Ausdruck innigster sprachlicher Verschmelzungen von Form und Gedanke und Hinwendung zum Ausdruck kalter Rationalität ein. Es ist auch durchaus nicht so, dass derartige Bewertungen nur am Anfang des Jahrhunderts und nur durch die Gebrüder Schlegel vertreten werden, in einer Zeit, in der der wissenschaftliche Status der Sprachforschung noch nicht immer gewährleistet ist. Noch 1864 vertrat Heyman Steinthal (1823-1899) in einem Vortrag auf der Versammlung der Neuphilologen die These, dass die romanischen Sprachen als sogenannte Tochtersprachen, d. h. in Sprachkontaktsituationen weiterentwickelte Sprachformen, „abstract logisch“, ohne „sinnliche Grundlage“, „unorganisch“ seien, und dass „der Romane […] eine Sprache spricht, die ihm nicht ursprünglich, nicht ganz gehört“: „[…] sein Wort ist ihm nicht angeboren, ist nicht von ihm geboren, darum trägt er es nicht im Herzen, wie eine Mutter ihr Kind; sondern er pflegt es wie einen fremden Pflegling“ (Steinthal 1864, 141 f.; vgl. dazu Veldre 1992). Die versammelten Neuphilologen wenden sich allesamt gegen Steinthal. Allerdings dürfte die Tochtersprachendebatte zu diesem Zeitpunkt bereits marginalisiert sein. Die Epoche spekulativer, geschichtsphilosophischer und idealistischer Ausdeutungen der Sprachgeschichte ist vorbei, nicht zuletzt dank der von Diez bewirkten Verwissenschaftlichung der historischen Sprachforschung in der Romanistik. 5 Die Neueren Philologien und der neue Fremdsprachenunterricht Es dürfte klar geworden sein, dass die universitäre Institutionalisierung der Romanistik ein Prozess ist, der nicht geradlinig verläuft, sondern von einander widersprechenden Faktoren geprägt wird. Die Ausgliederung der Romanistik aus der Philologie erfolgt unter zunächst nicht unbedingt günstigen Bedingungen, innerhalb eines Interessengeflechts, das sich zwischen dem Streben nach wissenschaftlicher Autonomie und nationalistischen Ausgrenzungen oder Abwertungen der ‚fremden‘ Forschungsgegenstände aufspannte. Die Entwicklung bis zur Etablierung der ersten romanistischen Lehrstühle folgte, so dürfte auch klar geworden sein, an den Universitäten einer wissenschaftsinternen Logik. Die entscheidende Rolle für die Aufnahme der Romanistik in den Kanon der universitären Fächer spielte Friedrich Diez mit seinem Nachweis der Wissenschaftlichkeit romanistischer (sprachgeschichtlicher) Forschung. Im letzten Viertel des 19. Jahrhunderts veränderten sich aber die Bedingungen universitärer Lehre und Forschung, und es zeichnen sich Entwicklungen ab, die auch und gerade dem Fremdsprachenunterricht eine neue Funktion zuweisen. 204 Maria Selig Die Veränderungen manifestieren sich zunächst darin, dass der bisherige altphilologisch dominierte Bildungsdiskurs um ein neuphilologisches Bildungsideal erweitert wird, das die modernen europäischen Kulturnationen aufwertet. Eine der zentralen Figuren in diesem Prozess ist Karl Mager (1810-1858), der das vom Neuhumanismus entworfene Ideal der Menschenbildung durch Partizipation an der klassischen Antike durch eine „Moderne Philologie“ ablösen will, in der England, Frankreich, Italien und Spanien die Vorbildfunktion der Antike übernehmen (vgl. Selig/ Kalkhoff/ Wolf 2006). Das von Mager vorgeschlagene Programm spielt eine wichtige Rolle bei der Aufwertung der Schultypen, die „Realien“, also beruflich konkret nutzbare Kenntnisse vermittelten. Die „Moderne Philologie“ ist also auch eine Abwendung von dem ästhetischen, dezidiert nicht pragmatischen Bildungsideal des Neuhumanismus. Magers Initiative bot deshalb allen Lehrern, die nicht Latein und Griechisch unterrichteten, die Möglichkeit, ihre Tätigkeit zu legitimieren, und zwar mit Argumenten, die die klassische Philologie bisher monopolisiert hatte. In dem Professionalisierungsprozess der Fremdsprachenlehrer, der spätestens ab der Mitte des Jahrhunderts einsetzte und der beispielsweise 1863 in der Gründung der „germanistisch-romanistischen Sektion“ des „Vereins deutscher Philologen und Schulmänner“ seinen Ausdruck fand, wurde diese Legitimationsmöglichkeit auch sehr schnell aufgenommen und häufig eingesetzt. Der Professionalisierungsprozess der neuphilologischen Lehrer bleibt nicht ohne Folgen für die Universitäten. Von Anfang an sind die Veränderungen der Philosophischen Fakultät mit den Entwicklungen im Schulsystem verbunden (Kalkhoff 2010, 223-232). In der Mitte des 19. Jahrhunderts beginnt aber eine Entwicklung, die direkt in die Fächerstruktur eingreift und die Professionalisierung der Lehrer mit der Entwicklung an den Universitäten eng verzahnt. Mit der Einführung spezifischer Prüfungsordnungen für das höhere Lehramt in Bayern und Preußen (Kalkhoff 2010, 255) wird die universitäre Lehrerausbildung fachlich ausdifferenziert. Während zuvor ein Studium der (Klassischen) Philologie zum Französischunterricht (oder zum Mathematikunterricht! ) qualifizierte, wird nun eine spezifische neuphilologische Ausbildung für den Unterricht in den modernen Fremdsprachen verbindlich. Die universitären Strukturen müssen sich unter dem Druck dieser neuen Anforderungsprofile verändern. Einige der damaligen Wissenschaftler beteiligen sich aktiv daran, die Themen des universitären Unterrichts an die neue Situation anzupassen. Die Mehrheit reagiert jedoch ablehnend und versucht, bei den alten, von der wissenschaftlichen Forschung bestimmten Strukturen zu bleiben (Kalkhoff 2010, 272-274). Der verstärkte Einfluss der Schule auf die universitären Entwicklungen ist dennoch nicht zu übersehen. Die „Neusprachliche Reformbewegung“, die sich ab den 1880er Jahren formiert und die einen ersten Höhepunkt in Wilhelm Viëtors Streitschrift „Der Sprachunterricht muß umkehren“ (Viëtor 1882) findet, fügt sich in diesen Kon- Fremde Sprachen/ Fremdsprachen und die Romanistik des 19. Jahrhunderts 205 text ein. Sie schlägt eine Neuorientierung der romanistischen Lehre an den Universitäten vor, und zwar gerade im Bereich des Fremdsprachenunterrichts. Für die Neusprachliche Reformbewegung stehen die romanischen Sprachen als Instrumente der Verständigung über die nationalen Grenzen hinweg im Fokus, und der Unterricht an den Universitäten soll die Eignung zu dem für diese Verständigung notwendigen kommunikativen Fremdsprachenunterricht vorbereiten. 11 Jetzt erst, in den 80er Jahren des 19. Jahrhunderts, ist die Romanistik da angekommen, wo sie auch heute noch ist: Sie wird zu einem universitären Fach, dessen Strukturen sich aus den Anforderungen der Ausbildung von Lehrern der modernen Fremdsprachen ableiten. Nicht nur, denn selbstverständlich sind die Belange der disziplinären Forschung auch weiterhin prägend. Aber, so könnte man sagen, immer öfter, auch wenn die Balance zwischen Wissenschaft und Lehrerbildung nicht immer leicht zu gewährleisten ist. Ich habe am Anfang gesagt, dass die Romanistik gut daran tut, die Verbindung zur Lehrerausbildung nicht zu kappen und ich möchte dies abschließend noch einmal unterstreichen. Wir können die aktive Integration einer guten, methodisch reflektierten Fremdsprachenausbildung in die universitäre Romanistik nicht mit dem Hinweis rechtfertigen, dass der Fremdsprachenunterricht schon immer zur Romanistik dazugehörte. Das ist, wie wir gesehen haben, historisch falsch. Aber wir sollten diese Integration weiterhin fordern und sie unterstützen. Wir sollten die Ausbildung von Fremdsprachenlehrern zu einer unserer vielen Aufgaben machen und wir sollten diese Verbindung - immer öfter - zu unserer Legitimation nutzen. Bibliographie Assmann, Aleida (1993): Arbeit am nationalen Gedächtnis. Eine kurze Geschichte der deutschen Bildungsidee , Frankfurt a.M./ Paris, Campus/ Edition de la Maison des Sciences de l’Homme. Auroux, Sylvain (ed.) (2000): Histoire des idées linguistiques , vol. 3, Sprimont, Mardaga. Bähler, Ursula (2004): Gaston Paris et la philologie romane , Genève, Droz. Bahner, Werner (1983): Kontinuität und Diskontinuität in der Herausbildung der romanischen Sprachwissenschaft , Berlin, Akademie-Verlag. Baum, Richard (1999): „Die Wende in der Philologie: Die Geburt der Sprachwissenschaft aus dem Geist der Romantik - Jacob Grimm und Friedrich Diez“, in: Fürbeth, Frank et al. 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Teixeira Kalkhoff (Freiburg) 1 Einleitung Zwischen etwa 1820 und 1890 bildet sich an den deutschen Universitäten das Universitätsfach Romanische Philologie in einem vielschichtigen Entwicklungsprozess heraus (u. a. Christmann 1985; Selig 2005; Kalkhoff 2010; Wolf 2012; Kalkhoff/ Wolf 2014). Dieser Prozess ist Teil der Ausdifferenzierung der modernen Wissens- und Fächersystematik innerhalb der Philosophischen Fakultät (u. a. Stichweh 1984; Turner 1987). Mit Fug und Recht kann man behaupten, dass das Fach Romanische Philologie vor diesem Zeitraum an den Universitäten nicht existierte, aber auch, dass die sich herausgebildete Romanische Philologie des späten 19. Jahrhunderts nicht mehr dem entspricht, wofür die heutige Romanistik steht. Insofern müssen wir eine historische Spezifizität für die Romanische Philologie postulieren. Meines Erachtens kann aber diese historische Spezifität der Romanischen Philologie nicht allein ideengeschichtlich (u. a. Gauger 1981) erfasst werden, sondern muss - um den Prozess als Ganzes in den Blick zu bekommen - durch bildungs- und wissenssoziologische, diskursanalytische, institutionengeschichtliche, biographische usw. Zugänge zur Wissenschaftsgeschichte ergänzt werden. Dann wird nämlich deutlich, dass der Prozess der Fächerwerdung sowohl im diskursiven (Autopoiesis im Sinne Niklas Luhmanns (1984)) als auch im sozialen und institutionellen Raum abläuft. Und Fächerwerdung ist in der neuzeitlichen Logik westlicher Wissenschaftshegemonie durch Universitäten der nahezu exklusive existentielle Garant für Sichtbarkeit, Prestige und Ressourcensicherung. Im Falle der Romanischen Philologie konvergierten mit einem Kulminationspunkt um 1875 wissenschaftsinterne (v. a. Anschlusskommunikationen an Friedrich Diez‘ Grammatik der romanischen Sprachen ) und institutionelle 212 Alexander M. Teixeira Kalkhoff Faktoren (Institutionalisierung der Romanischen Philologie und Professionalisierung des Neuphilologen als Wissenschaftler, Real- und Gymnasiallehrer) zu einem entsprechenden Universitätsfach. Vorliegender Beitrag greift die Institutionalisierung der Französischlehrerausbildung für Schulen des höheren Bildungssystems heraus und entwickelt eine historisch-kritische Perspektive auf den Zusammenhang zwischen Bildungssymbolik des schulischen Französischunterrichts, universitärem Ausbildungskanon und dem Selbstverständnis des sich neu herausbildenden Berufsstandes des Neuphilologen. Die nicht nur aus heutiger Sicht offenkundige Inkompatibilität zwischen universitärer Ausbildung und schulischem Französischunterricht wird aufgelöst im Narrativ eines neuphilologischen Selbstverständnisses. 2 Ideologeme des Französischunterrichts Durch Bildung wird kulturelles und soziales Kapital (Bourdieu 1983) angehäuft verbunden mit dem Versprechen an das aufstrebende Bürgertum des 19. Jahrhunderts, das im Vergleich zum alten Adel selber für sein Fortkommen sorgen muss, ökonomisches Kapital im Existenzkampf zu erringen. Doch Bildung hat immer etwas mit Wertung und Gewichtung der Gegenstände, an der sie sich im Ideellen vollziehen soll, zu tun. Deshalb ist die Frage, warum gerade Französisch - und nicht etwa Spanisch oder Russisch - zum höheren deutschen Bildungskanon im 19. Jahrhundert gehört (Koselleck 1990), nicht trivial. Französisch war immanenter Teil des kulturellen und symbolischen Kapitals der gesellschaftlichen Funktionseliten des 18. und 19. Jahrhunderts (u. a. Hültenschmidt 1978). Im Sozialisierungsprozess nachwachsender Generationen werden für den Erwerb der französischen Sprache oder präziser, was man bildungssymbolisch dafür hielt, Ressourcen und Strategien aufgewendet. An der frühneuzeitlichen Artistenfakultät etwa bezahlen die überwiegend adligen Studenten muttersprachliche Sprachmeister (geborene Franzosen oder hugenottische Abkömmlinge) dafür, dass sie mit ihnen Französisch parlieren. Französisch figuriert hier neben Reiten, Fechten und Tanzen als soziale Praktik der gepflegten Konversation in Vorbereitung auf den Kontakt mit der adligen Welt Europas. Auch in privathaushaltlichen Erziehungskontexten wurde Französischunterricht ausschließlich von Muttersprachlerinnen und Muttersprachlern geleistet. Mit dem sozio-ökonomischen Aufstieg des Bürgertums zur neuen Funktionselite innerhalb der kapitalistischen Industriegesellschaft wird im Laufe des 19. Jahrhunderts ein staatlich gelenktes und kontrolliertes Bildungswesen geschaffen, das dem Französischunterricht eine zentrale Rolle zuweist. Erika Hültenschmidt spricht plastisch vom Französischen als dem „Latein der bürgerlichen Mittelschicht“ (Hültenschmidt 1978, 193). Von Bedeutung ist hierbei - und das bildet den Kern des vorliegenden Beitrags - dass dieser Französischunterricht nicht mehr von Muttersprachlern, sondern von deutschen Neuphilologen geleistet wird. Für den sozialen Raum bedeutet dies, dass das deutsche Bürgertum diese Lehrer aus seinen eigenen Reihen endogen rekrutiert und stabile Ausbildungs- und Selbstreproduktionszyklen von Hochschulprofessoren, Studierenden der Romanischen Philologie, Gymnasial- und Realschullehrern sowie Französischschülern im Bildungssystem entstehen (vgl. Weimar 1989, 418 für die Deutsche Philologie). Französischen Muttersprachlern wird eine neue Rolle als Mittler (Lektoren, akademische Sprachlehrer) im Spracherwerbsprozess der Studierenden der Romanischen Philologie zugewiesen. Statusmäßig werden diese Lektoren aber nie auch nur annäherungsweise den deutschen Professoren gleichgestellt. Auch figuriert ihr Sprachunterricht eher an den Rändern der Vorlesungsverzeichnisse, was als Indiz für den insgesamt peripheren Status ihres Unterrichts gelten darf. Inhaltlich geht es auch nicht mehr um gepflegte Konversation in adligen Kreisen, sondern um das Gegenwartsfranzösisch der bürgerlichen Mittelschicht. Diese Veränderungen haben einerseits ganz pragmatisch mit der sprunghaften quantitativen Zunahme der Lehrkontexte für Französisch im Rahmen der Gründung höherer Bürger- und Realschulen ab ca. 1850 zu tun (Realschule I. Ordnung (1859), Oberrealschule (1882), Realgymnasium (1882)). Ein derart ansteigender „Import“ muttersprachlicher Lehrer wäre schier unmöglich gewesen. Auch dürfen wir in diesem Zusammenhang nicht die kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen Deutschland und Frankreich vergessen. Diese lebensweltlichen Realien-Schulen sind in Abgrenzung zum idealistischen humanistischen Gymnasium die gesellschaftliche Antwort auf sich verändernde sozio-ökonomische Rahmenbedingungen des heraufziehenden Kapitalismus‘ und der Industrialisierung (Romberg 1979). Französisch wird hier als erste Fremdsprache analog zum Latein des humanistischen Gymnasiums unterrichtet und steigt zum höheren Bildungsmittel per se der Realanstalten auf (vgl. Hültenschmidts Zitat weiter oben). Anderseits läuft parallel hierzu eine Umwertung der Bildungssymbolik und der bildungstheoretischen Fundamente des Französischen. Unter Bildungstheoretikern findet eine intensive Auseinandersetzung über den Bildungswert der neueren Sprachen im Kontrast zum weithin unumstrittenen Latein und Griechisch statt. Ein Spezifikum deutscher höherer Bildung des 19. Jahrhunderts ist, dass Lehrgegenstände als bildungsmäßig wertvoll befunden werden müssen und erst dann zu höheren Bildungsmitteln aufsteigen können. Auch utilitaristische Lehrgegenstände der Realanstalten brauchen diesen idealistischen Mehrwert. So muss sich das jüngere und weitaus flexionsärmere Französisch mit den beiden alten Sprachen mit ihrer großartigen antiken Vergangenheit und ihren ausgefeilten Flexionssystemen messen. Die Romanische Philologie und die Herausbildung des Neuphilologen 213 214 Alexander M. Teixeira Kalkhoff Interessanterweise springen hier zwei bedeutende Neuhumanisten, Wilhelm von Humboldt (1767-1835) und August Boeckh (1785-1867), zu Hilfe, jener mit seiner Genietheorie, dieser mit seinem weiten Philologiebegriff, der prinzipiell auch nachantike Kulturen einbegreift. Der heute weitgehend in Vergessenheit geratene Lehrer und Bildungstheoretiker Karl Mager (1810-1858) entwickelt etwa unter explizitem Rückgriff auf W. v. Humboldt das bildungstheoretische Konzept der „modern-europäischen Bildung“, das die modernen Kulturleistungen Frankreichs, Englands und Deutschlands einschließt (Selig 2005, 295-300; Wolf/ Kalkhoff 2010, 76-81): […] und wenn die Bürgerschule die beiden alten Sprachen und Litteraturen ausschließt, so gibt sie sich dafür der Hoffnung hin, daß sie, die nicht Gelehrte bilden will, in ihren Angehörigen dennoch eine wesentlich humane, intellectuelle, ethische und ästhetische, europäisch-moderne Bildung durch das Studium neuerer Sprachen und Litteraturen erzeugen könne. Die Bürgerschule, wenn sie ihren Begriff erfaßt, läßt es sich nicht gefallen, der Gelehrtenschule als einer Humanitätsschule entgegengesetzt zu werden, denn es ist nur ein Unterschied vorhanden, kein Gegensatz, wenigstens liegt der allerdings vorhandene Gegensatz ganz wo anders (Mager [1844] 1985, 25). Damit steht die Realie Französisch bildungssymbolisch neben Englisch für den Zugang zur modernen „realen“ Welt. Über die modernen Fremdsprachen Französisch und Englisch sollen der Zugang zu zeitgenössischer Wissenschaft und Technik sowie die Stiftung und der Unterhalt wirtschaftlicher und kultureller Beziehungen zum Ausland sichergestellt werden. Englisch, das nur über ungefähr der Hälfte des Stundenumfangs von Französisch verfügt (Christ/ Rang 1985, vol. 7, 75 ff. und 129 ff.), wird dem Französischen erst ab den 1930er Jahren den Rang ablaufen. Neben dem Erschließen der modernen Lebenswelt muss sich Französisch auch hinsichtlich formallogischer Geistesbildung in Analogie zu den stark flektierenden alten Sprachen positionieren. Hierbei kann es auf die lange Tradition der rationalen Grammatiktheorie seit der Aufklärung zurückgreifen. Trotz ihrer anerkanntermaßen weitaus ärmeren Flexionsmorphologie und eingeschränkten Syntax wird der französischen Sprache v. a. aufgrund des Ideenreichtums der französischen Literatur und Philosophie geistbildende Kraft und darüber schließlich auch formallogische Bildungskraft zugesprochen (ausführlich hierzu Kalkhoff 2011). Im Preußischen Lehrplan von 1882 heißt es etwa: Die Aufgabe, durch den grammatischen Unterricht in einer fremden Sprache die Grundlagen sprachlich-formaler Bildung bei den Schülern herzustellen, ist an den Realgymnasien im Wesentlichen durch den lateinischen Unterricht zu erfüllen; an den Ober-Realschulen fällt diese Aufgabe dem Unterrichte im Französischen zu. Die Stellung der Ober-Realschulen als Lehranstalten allgemeiner Bildung ist wesentlich dadurch bedingt, daß für die Methodik des französischen Unterrichts, insbesondere in den drei untersten Klassen, dieser Gesichtspunkt volle Berücksichtigung finde (Christ/ Rang 1985, vol. 2, 65 f.). Die Polemiken von Sprachlehrern gegen die stark grammatik- und übersetzungszentrierte Fremdsprachenmethodik im Zuge der Neusprachlichen Reformbewegung der 1880er Jahre (u. a. Viëtor 1882) zeigen aber auch, dass es sich bei alledem um hehre bildungstheoretische Ansprüche handelte, die wohl kaum der Realität entsprochen haben mögen. Und hier kommen wir zum kruzialen Punkt, nämlich der Frage nach der Ausbildung der Französischlehrer. Ein grundständiges Studium, das auf den Beruf des Französischlehrers vorbereitet, gab es bis weit in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts nicht. Klassische Philologen, Theologen und Mathematiklehrer unterrichteten neben ihren staatlich geprüften Fächern die neueren Sprachen (Mangold 1902, 192). Neusprachliche Lehramtsprüfungen werden erst 1854 in Bayern und 1866 in Preußen eingeführt. Institutionengeschichtliche Daten zeigen deutlich, dass von der Möglichkeit einer systematischen Französischlehrerausbildung an allen deutschen Universitäten erst ab ca. 1875, ja vielleicht in einem umfassenderen Maße sogar erst ab den 1880er oder gar 1890er Jahren, gesprochen werden kann (Kalkhoff 2010; ausführlich für Bayern siehe Neuerer 1978). 3 Die Institutionalisierung der Französischlehrerausbildung Als charakteristisches Fallbeispiel sei die Gründung eines neusprachlichen Seminars an der Universität Heidelberg herausgegriffen (ausführlich hierzu siehe Kalkhoff 2010, 23-61). An der Universität Heidelberg werden zwischen ihrer Neuordnung im Jahre 1803 und den 1870er Jahren französische, englische, italienische und spanische Sprache und Literatur mit phasenweiser unterschiedlicher Gewichtung von Sprachmeistern, Privatdozenten für neuere Sprachen und sogar Professoren unterrichtet. Diese Lehrveranstaltungen richten sich an ein nicht weiter spezifiziertes Publikum im Lehrprogramm der Philosophischen Fakultät bzw. als Sprachkurse an die Hörer aller Fakultäten am Ende des Vorlesungsverzeichnisses. In den frühen 1870er Jahren ändert sich etwas Grundlegendes hinsichtlich des neusprachlichen Studiums in Heidelberg. Diese Veränderung schließt sowohl institutionelle Dispositive (neu)philologischen Arbeitens (Ordinariat, Seminar, Bibliothek, Lektoren), als auch die Präzisierung eines Zielpublikums (künftige Französisch- und Englischlehrer) ein. Zum einen wird 1871 Karl Bartsch (1832- 1888) von der Universität Rostock nach Heidelberg als „Ordinarius für germanische und altromanische, insbesondere altfranzösische Sprache und Literatur“ Die Romanische Philologie und die Herausbildung des Neuphilologen 215 216 Alexander M. Teixeira Kalkhoff berufen. Zum anderen finden wir im Universitätsarchiv einen Schriftverkehr zwischen dem Ministerium des Innern und der Universität Heidelberg über die Gründung eines neusprachlichen Seminars. Am 8. Januar 1873 regt das Ministerium an: Der bei der letzten Tagung der Landstände geäußerte Wunsch, es möge das wissenschaftliche Studium der neueren Sprachen an unseren Hochschulen durch Errichtung eines Seminars für diese Disciplinen gefördert werden, begegnete der Anschauung der Gr. Regierung um so mehr, als schon das Bedürfniß unserer Mittelschulen die Heranbildung wissenschaftlich gebildeter Lehrkräfte für den deutschen, französischen und englischen Unterricht dringend gebietet. Eine Ueberbürdung der Candidaten der Philologie wird dadurch nicht eintreten, da wir bei der bevorstehenden Revision der Verordnung vom 5. Januar 1867 über die Vorbereitung zu dem öffentlichen Dienst eines wissenschaftlichen Lehrers an den Mittelschulen in der Richtung vorzugeben beabsichtigen, daß die Anforderungen auf dem Gebiete der classischen Philologie für diejenigen ermäßigt werden, welche sich als Lehrer der neueren Sprachen auszubilden gedenken. Das Seminar hätte nach unserer Anschauung die Förderung des Studiums der deutschen, französischen und englischen Sprache durch Bearbeitung wissenschaftlicher Fragen und Vornahme der entsprechenden Uebungen zur Aufgabe und wäre von dem derzeitigen Vertreter der germanischen und altromanischen Sprache und Literatur Herrn Hofrath Bartsch zu leiten (Universitätsarchiv Heidelberg: RA 6418, ohne Blattzählung). In diesem Textausschnitt kondensiert vieles des bereits Gesagten: Das Jahr 1873 vor dem Horizont des Kulminationspunktes der Institutionalisierung der Romanischen Philologie um 1875; ein erwachendes Bewusstsein für eine genuine neusprachliche Lehrerausbildung; die althergebrachte Kopplung des altsprachlichen Lehramts an das neusprachliche; die Überarbeitung der Lehramtsprüfungsordnungen in Bezug auf ein neusprachliches Lehramt bzw. auf einen neusprachlichen Anteil am philologischen Lehramt; Kopplung von wissenschaftlichen Fragestellungen und praktischen Übungen im Seminar; das Ordinariat. Dass das Innenministerium an der Universität Heidelberg mit seiner Initiative offene Türen eingerannt haben muss, belegt der Umstand, dass nur knapp drei Wochen später, am 30. Januar 1873, die fertig ausgearbeiteten „Statuten des Seminars für neuere Sprachen zu Heidelberg“ vorliegen. Der kurz zuvor nach Heidelberg berufene Bartsch kann hierbei auf seine Erfahrungen aus dem, 1858 von ihm gegründeten Rostocker „deutsch-philologischen Seminar“ zurückgreifen, wenngleich er in seinen Erinnerungen an die Heidelberger Seminargründung nicht gerade vor Begeisterung überbordet, da er lieber seine Zeit seinen Vorlesungen gewidmet hätte (Bartsch 1883, 237 f.). An dieser Stelle sei ein kurzer Exkurs über die Rolle des philologischen Seminars als institutionelles und methodologisches Dispositiv der Lehrerausbildung eingefügt, da ja nicht unmittelbar auf der Hand liegt, weshalb das Ministerium ein Seminar anregt, um neusprachliche Lehrer auszubilden. Das Seminar als Ort der Lehrerbildung hat seine Ursprünge im theologischen Seminar, wo angehende Theologen auf die Katechese vorbereitet wurden. 1738 gründet Johann Matthias Gesner (1691-1761) ein genuin philologisches Seminar an der Universität Göttingen, das v. a. unter seinem Nachfolger Christian Gottlob Heyne (1729-1812) vermittelt über seine Schüler Friedrich August Wolf (1759-1824) und Wilhelm von Humboldt im Zuge der neuhumanistischen Ausrichtung des Preußischen Bildungswesens Anfang des 19. Jahrhunderts seine Wirkungsmacht entfaltet. 1787 löst Wolf an der Preußischen Landesuniversität Halle das Lehrerbildungsseminar aus der Theologischen Fakultät heraus und begründet es als seminarium philologicum an der Philosophischen Fakultät neu. Ein von der Theologie entkoppelter säkularer Lehrer-Philologe kann entstehen. Bis ins 20. Jahrhundert hinein ist die Klassische Philologie untrennbar mit der Gymnasiallehrerausbildung verbunden (noch heute heißt die Berufsstandvertretung der Gymnasiallehrer „Deutscher Philologenverband“) (vgl. u. a. Wolf 1788; Erben 1913; Clark 1989; Brocke 1999). Als Scharnier zwischen klassisch-philologischem und neuphilologischem Seminar kann Bartsch mit seinem Rostocker „deutsch-philologischen Seminar“, dem ersten seiner Art, gelten, wo er in Lachmannscher Manier mittelalterliche Handschriften in Analogie zum antiken Schrifttum mit seinen Studenten bearbeitet. Zurück zum Heidelberger Seminar: Zu Zweck und Zielpublikum des Seminars heißt es in den Statuten nun erwartungsgemäß: „§ 1. Das Seminar für neuere Sprachen hat den Zweck, das wissenschaftliche und praktische Studium derselben zu fördern, insbesondere die künftigen Lehrer der neueren Sprachen an Gymnasien und Realschulen für ihren Beruf vorzubereiten.“ (Generallandesarchiv Karlsruhe: 235/ 3226, ohne Blattzählung). Bereits Ostern 1873 nimmt das Seminar seine Arbeit auf. Mehrere finanzielle Zuschüsse des Innenministeriums erlauben Bartsch den Auf- und Ausbau einer Seminarbibliothek mit stark altgermanistischer Schwerpunktsetzung. Der sprachpraktische Unterricht an der Universität Heidelberg wird im Zuge der Seminargründung ab 1873 funktionell zwischen Seminarübungen und Sprachunterricht für Hörer aller Fakultäten aufgespalten. Damit haben wir auf institutioneller Ebene alles, was als unentbehrlich für eine universitäre Lehrerausbildung gilt: ein wissenschaftliches Ordinariat, ein Seminar, eine Seminarbibliothek und Lektoren/ Sprachlehrer. Es sei noch hinzugefügt, dass in direkter Nachfolge Bartschs erst mit Fritz Neumann (1854-1934) 1890 ein Romanist auf das Ordinariat - umbenannt jetzt zum Lehrstuhl für Romanische Philologie - berufen wird. Auch dieses Berufungsjahr spiegelt die erwähnte institutionelle und konzeptuelle Verdichtung für das Universitätsfach Romanische Philologie in den 1880er und 1890er Jahren wider. Die Romanische Philologie und die Herausbildung des Neuphilologen 217 218 Alexander M. Teixeira Kalkhoff 4 Der Neuphilologe als neuer Typus des Fremdsprachenlehrers Machen wir einen Sprung ins Jahr 1914, um zu sehen, wozu die institutionellen Dispositive zur neusprachlichen, hier insbesondere der Französischlehrerausbildung seit Mitte der 1870er Jahre genutzt wurden. In den Jahren vor Ausbruch des Ersten Weltkriegs strotzt die deutsche Romanistik wissenschaftlich und institutionell vor Kraft. Auf dem, noch in Friedenszeiten abgehaltenen XVI. Deutschen Neuphilologentag in Bremen spricht der Hallenser Romanist Carl Voretzsch (1867-1947) über das Verhältnis von Romanischer Philologie und Französischlehrerausbildung. Er kommt zu folgendem Schluss: Tritt nun der Jüngling - oder die Jungfrau, die wir heutzutage weniger als je vergessen dürfen - an die Pforten der Alma Mater heran, lesen sie dort am Schwarzen Brett oder vorher im Vorlesungsverzeichnis die Ankündigungen der Professoren, so finden sie da vieles, an das sie bei Ergreifung ihres Berufes nicht gedacht haben: … außer Französisch noch Provenzalisch, Italienisch, Spanisch, gelegentlich sogar Katalanisch, Portugiesisch, Rätoromanisch, Rumänisch, dazu Vulgärlatein oder enzyklopädische Vorlesungen, neben den Vorlesungen Übungen, Proseminar, Seminar mit bestimmten Vorbedingungen für die Zulassung. Kurz, sie sehen, daß hier nicht bloß französische, sondern romanische Philologie getrieben wird (Voretzsch 1914, 18). Romanische Philologie als Fachwissenschaft entspricht offenkundig nicht dem, was ein frisch immatrikulierter Student aus seinen Erwartungen, die sich aus seiner eigenen Schulzeit speisen, auf sein bevorstehendes Studium projiziert. Dem schulischen Französischunterricht steht ein Wissen gegenüber, dass in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts Romanisten an den Universitäten erzeugt hatten. Dieses neue Wissen wird übrigens ein erstes Mal enzyklopädisch in Gustav Gröbers (1844-1911) monumentalen vierbändigen Grundriss der romanischen Philologie (Gröber 1888-1902) dokumentiert. Ein Blick in die Vorlesungsverzeichnisse offenbart uns den geläufigen Ausbildungskanon für Studierende der Romanischen Philologie: historische und moderne Laut- und Formenlehre vornehmlich des Französischen, Italienischen, Provenzalischen und Spanischen, Syntax, Metrik, Etymologie, Lautphysiologie, Literaturgeschichte, Interpretation ausgewählter Autoren (Molière, Racine, Boileau, Rousseau, Lafontaine, Dante, Petrarca, Ariost, Tasso, Calderón, Cervantes, Camões), Sprachdenkmäler des romanischen Mittelalters, gelegentlich Autoren des 19. Jahrhunderts (Hugo), Altfranzösisch und Altprovenzalisch sowie Seminarübungen und sprachpraktischer Lektorenunterricht (vgl. auch Kalkhoff 2010, 232-241). Eines wird deutlich: Bei Romanischer Philologie geht es nicht nur um Französisch und weitaus weniger um die Vorbereitung auf seine Vermittlung in der Schule. Aber wie passt das mit den Argumenten zusammen, die wir aus der Institutionalisierungsphase der Romanischen Philologie kennen, dass die Ordinariate, Seminare, Bibliotheken und Lektoren zur wissenschaftlichen Ausbildung künftiger neusprachlicher Lehrer eingesetzt werden sollen? Heidelberg war nur ein Beispiel hierfür, aber prinzipiell hätte jede andere Universität herangezogen werden können. Immer ging es um eine verbesserte Lehrerausbildung. War die Bezugnahme auf die Französischlehrerausbildung nur eine geschickte argumentative Strategie im Kampf um knappe Ressourcen im Prozess der Fächerausdifferenzierung an der Philosophischen Fakultät des 19. Jahrhunderts? Ex post kann die Geschichte der Romanischen Philologie durchaus als eine Geschichte der Inkompatibilität zwischen pädagogisch-schulischen Belangen der Französischlehrerausbildung und fachwissenschaftlich-universitären Belangen wissenschaftsinterner Autopoiesis erzählt werden. Als sprechendes Beispiel kann hier die Wiederauflösung der romanisch-englischen Seminar- und Lehrstuhldoppelstrukturen an den Universitäten Breslau, Göttingen, Greifswald, Gießen, Kiel, Königsberg, Marburg, München und Würzburg ab ca. 1890 zugunsten einer rein wissenschaftlich motivierten Trennung in Romanische und Englische Philologie herangezogen werden (Christmann 1985, 23-27). Die Verbindung von französischen und englischen Anteilen zu einer Philologie der Moderne in Analogie zur Klassischen Philologie war durchaus eine reale Option für einen anderen, mehr an den Belangen der Schule orientierten Fachzuschnitt. Ein anderes denkbares, mehr pädagogisch-erzieherisch ausgerichtetes Entwicklungsszenario wäre die Etablierung einer Modernen Philologie als humanities mittels Etablierung eines autoritativen Textkorpus - und die romanischen Literaturen haben hier einiges zu bieten - gewesen, dessen Kenntnis ethische, kulturelle und zivilisatorische Teilhabe garantiere. Ein Weg, den etwa die Klassische Philologie genommen hat. Eine alternative , vom Autor vertretene Deutung ist, diese Inkompatibilität der Französischlehrerausbildung zwischen Schule und Universität in einem Geschichtsnarrativ der Herausbildung eines neuen Sprachlehrertypus, des Neuphilologen, aufzuheben und ihr einen historischen Sinn zuzuweisen. Zur Erinnerung: Während bis ins frühe 19. Jahrhundert private Sprachlehrer und Universitätslektoren gleichzeitig immer französische Muttersprachler waren, rekrutiert das deutsche Bildungssystem in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts Realschul- und Realgymnasiallehrer für Französisch sowie Universitätsprofessoren für Romanische Philologie aus dem deutschen Bürgertum. Auf das Paradoxon, dass die französischen Lektoren keinen gewichtigen Anteil an der Genese der deutschen Romanischen Philologie hatten, wurde immer wieder hingewiesen und gehört heute zu den Allgemeinplätzen unserer Fachgeschichte. Mit dieser Veränderung im Sozialen geht auch eine Veränderung im Selbstbild der Französischlehrenden vor sich, die man auf die griffige Formel „vom Sprachmeister zum Neuphilologen“ bringen kann: Die Romanische Philologie und die Herausbildung des Neuphilologen 219 220 Alexander M. Teixeira Kalkhoff Eine gründliche Besserung kann aber erst dann eintreten, wenn das ganze bisherige System ein anderes wird, wenn sich die Schulbehörden die Förderung der neu-sprachlichen Studien ernstlich angelegen sein lassen, wenn die Regierungen dem allgemein gefühlten Bedürfnisse entgegen kommen und künftig an den Gymnasien und den Real-Schulen keine Sprachmeister, sondern nur philologisch-gebildete Lehrer der neueren Sprachen anstellen (Breymann 1876, 37). Durch eine komplexe Gemengelage aus staatlicher Administrierung des neusprachlichen Lehramtes, Öffnung der Habilitation für „neusprachliche“, in der Regel altgermanistische und altromanische, Forschungsfragen und die sukzessive Institutionalisierung der Romanischen Philologie an den deutschen Universitäten entsteht in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts das konkrete, prestigeträchtige und eine bürgerliche Existenz tragende Berufsbild des Neuphilologen . Dieser Prozess der Professionalisierung des Neuphilologen erlaubt es immer mehr, den neuen Beruf in das Kalkül individueller Lebensplanung einzubeziehen. Lehrer etwa optieren für das neusprachliche Lehramt auch unabhängig von anderen, „sicheren“ Lehramtsoptionen wie Latein oder Mathematik. Insgesamt ist dies ein zirkulärer Prozess, da er gleichzeitig auch bedeutet, dass sich durch die Berufswahl der jungen Männer die Zuhörerschaft für das Universitätsfach Romanische Philologie ab ca. 1850 stabilisiert und Ressourcen eingeworben werden können. Untrügliche Reflexe eines sich selbst bewusst werdenden neuphilologischen Selbstverständnisses sind 1863 die Gründung der „germanistisch-romanistischen Section“ auf der „Versammlung deutscher Philologen und Schulmänner“ in Meißen und 1886 endlich die Gründung eines eigenständigen „Deutschen Neuphilologen-Verbandes“ in Hannover. Als Fachverband und Berufsstandsvertretung vereint er sowohl Schul-, als auch Universitätsneuphilologen (in dieser Hinsicht heute nur noch mit dem Deutschen Italianistenverband vergleichbar). „Neuphilologie“, „Romanische“, „Englische“ und „Deutsche Philologie“ werden im Untersuchungszeitraum weitgehend synonym verwendet. Diese sich unabhängig vom Arbeitsort Schule oder Universität als Fachgemeinschaft verstehenden Neuphilologen kommunizieren in einem Netzwerk neuphilologischer Zeitschriften. Zu dem bereits 1846 gegründeten und heute noch existierenden Archiv für das Studium der neueren Sprachen treten dann vor dem Hintergrund der Institutionalisierungswelle Romanische Studien (1871- 1895), als Zentralgestirn die Zeitschrift für romanische Philologie (1877-heute), die Zeitschrift für neufranzösische Sprache und Literatur (1879-1966) und Die neueren Sprachen (1893-1943) (Schweickard 2001). Wie spezifisch diese deutsche Entwicklung zur Romanischen Philologie und zum Neuphilologen sowohl inhaltlich (Anschlusskommunikationen an Diez‘ vergleichende Grammatik), methodologisch (Seminar) als auch professionell (neusprachliches Lehramt) ist, zeigt sich auf der Folie anderer nationalstaatlicher Modelle wie der französischen „Littérature médiévale“ oder den britischen „Medieval and modern languages“: En résumé, à une confrontation ouverte, inévitable si l’on avait sérieusement songé à créer des chaires de philologie romane selon le modèle allemand, avec les disciplines littéraires, rhétoriques et belles-lettristes, déjà en place, on semble avoir privilégié une réforme « méthodologique » à l’intérieur d’une discipline exclusivement médiévistique (Bähler 2004, 301). […] 4. Seminararbeit in deutscher weise ist unbekannt und vorläufig noch kaum durchführbar. […] 20. Ein nicht unbeträchtlicher theil der hiesigen studenten wendet sich überhaupt später nicht dem lehrberuf zu (Breul 1888, 268-270). 5 Vom neuen Selbst-Bewusstsein: Ein Fazit In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts ermöglicht ein Bündel bildungsideologischer und institutioneller Faktoren, dass sich in Deutschland eine, sich institutionell erfolgreich durchsetzende kognitive Struktur herausbilden kann, die dem Zeitgenossen unter dem, sich selbst bewussten Etikett „Neuphilologie“ entgegentritt. Wissenschaft und nationale Wissenschaftstraditionen sind nämlich nicht nur Objektivierungen von Wissen und Wissensproduktion (Bücher, Theorien, Apparaturen, Ordinariate, Seminare, Laboratorien usw.), sondern v. a. auch die Wahrnehmung von Diskontinuitäten innerhalb eines Spektrums des potentiell Wissbaren (Fächer, Disziplinen, Objektbereiche). Diese Diskontinuitäten entstehen, verstärken sich und verschwinden in dem Maße, wie bestimmte Routinen, d. h. methodologisch und ideologisch gelenkte Zugriffe auf Objekte, eingeübt und wiederholt werden. Durch wirksame Ideologeme des Historismus und des Neuhumanismus, etwa die Fokussierung der klassischen Antike als kulturelles Ideal und der daraus gespeiste neuhumanistische Bildungsbegriff, entsteht die Konstellation eines insgesamt philologiefreundlichen Klimas innerhalb des deutschen Bürgertums. Historisches und klassisch-philologisches Wissen gehören zum Kernbestand seines kulturellen und symbolischen Kapitals. Eine Ausweitung dieses Humanitätsanspruches auf nachantike vorbildliche Kulturen gelingt über Konzepte wie „europäisch-moderne Bildung“ (Karl Mager), „Moderne Philologie“, „Neuphilologie“, „Romanische“, „Englische“ und „Deutsche Philologie“. Durch die konsequente Trennung von Gymnasium und Universität im Zuge der Preußischen Bildungsreformen 1809/ 10 verliert die Philosophische Fakultät ihre wissenspropädeutische Funktion (die sieben freien Künste der Artistenfakultät). Diese funktionale Entlastung ist neben einer ideologischen Flankierung Die Romanische Philologie und die Herausbildung des Neuphilologen 221 222 Alexander M. Teixeira Kalkhoff (Kant, Fichte, Schleiermacher) der Motor des imposanten wissenschaftsgeschichtlichen Umbruchs des 19. Jahrhunderts (Höflechner 1999). An der Philosophischen Fakultät etablieren sich fortan alle Fächer, die nicht unter Theologie, Medizin oder Jura subsumiert werden können. Als neue Hörerschaft gewinnen viele dieser Fächer künftige Gymnasiallehrer, deren Gruppe durch die Verstaatlichung des Bildungssystems und Schulpflicht immer größer wird. Herausbildung und Etablierung der neuphilologischen Universitätsfächer wie der Romanischen Philologie muss im Lichte dieser Neuausrichtung der Philosophischen Fakultät gesehen werden. Einen weiteren, nicht zu unterschätzenden institutionellen Faktor stellt die prinzipielle thematische Offenheit der deutschen Habilitation und dem eng damit verbundenen „Forschungsimperativ“ (Turner 1981), immer neues Wissen hervorzubringen, dar (u. a. Busch 1959). Und in der Tat finden sich in archivalisch überlieferten Schriftverkehren Anfragen von Wissenschaftlern bei der Fakultät und/ oder beim Ministerium, sich mit einem neuartigen neusprachlichen Thema habilitieren zu dürfen. In einem gewissermaßen subversiven Akt der Eigenermächtigung fordern programmatisch Neuphilologen ab ca. 1840 neuphilologische Habilitationen und Lehrstühle (u. a. Heintze 1842; Mager 1843; Herrig/ Viehoff 1848; Mahn 1863). Hierbei handelt es sich um einen Ausdifferenzierungsdruck erzeugenden Prozess „von unten“ aus dem Kreis der entstehenden Fachcommunity heraus, da es im Gegensatz zur schulischen Administration und Förderung des neusprachlichen Unterrichts kaum vergleichbare Verwaltungsakte „von oben“ gab. Das oben zitierte Heidelberger Beispiel der Seminargründung bildet in dieser Hinsicht eine Ausnahme. Damit sind sich um 1880/ 1890 die Neuphilologen völlig ihrer selbst bewusst geworden und eine erste Revolte gegen die übermächtige altsprachliche Vorlage wird in der Neusprachlichen Reformbewegung erfolgreich geübt (ausführlich hierzu vgl. u. a. Wolf/ Kalkhoff 2010, 81-85). Auch die Gründung der „Association Phonétique Internationale“ 1886 in Paris als internationaler Vereinigung neusprachlicher Lehrer mit dem Ziel, eine den lebenden Fremdsprachen angemessene Methodik v. a. im Bereich der Aussprache zu etablieren, steht für dieses neue Selbstbild. Den „Preis“, den die immerhin überwiegend im schulischen Kontext arbeitenden Neuphilologen hierfür „zahlen“, ist eine ausschließlich an fachwissenschaftlichen Inhalten orientierte Ausbildung, die wenig bis nichts mit der Vermittlung des Französischen als Schulsprache zu tun hat. Aber sie können damit gut leben, denn schließlich speist sich daraus ihr Selbstbild und Status: Keinesfalls aber wird es billig sein, für eine bei manchen Lehrern etwa sich zeigende Unzulänglichkeit des Könnens den Universitätsunterricht in romanischer Philologie verantwortlich zu machen. Dieser hat zunächst mit Wissenschaft, nicht mit irgend welchen Fertigkeiten zu thun. Wenn er die künftigen Lehrer des Französischen besonders berücksichtigt, da sie doch die Mehrzahl derer bilden, die ihn aufsuchen, so wird dies vor allem im Hinblick auf ihre wissenschaftliche Ausbildung geschehen sollen, bei der es steht, ob das, was sie lehren, und ob sie selbst bei Schülern, Amtsgenossen und in der öffentlichen Meinung der Wertschätzung teilhaft werden, deren andre Lehrfächer und ihre würdigen Vertreter sich erfreuen, und ob sie vermögen auf Verstand, Gemüt und Charakter ihrer Schüler fördernd einzuwirken (Tobler 1890, 26). 6 Literatur Bähler, Ursula (2004): Gaston Paris et la philologie romane , Genf, Droz. Bartsch, Karl (1883): „Über die Gründung germanischer und romanischer Seminare und die Methode kritischer Übungen“, in: Verhandlungen der 36. Versammlung deutscher Philologen und Schulmänner in Karlsruhe vom 27. bis 30. September 1882 , Leipzig, Teubner, 237-245. 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Was historische Perspektiven auf die Debatten um die Grammatikvermittlung der modernen Fremdsprachen für den aktuellen Dialog zwischen Forschung und Praxis lehren könnten Johanna Wolf (Salzburg) 1 Bildung versus Ausbildung - der historische Kontext einer aktuellen Grundsatzdebatte Bereits im 19. Jahrhundert bildeten die Rolle und die Methoden der Grammatikvermittlung eine Quelle für heftige Debatten zwischen Wissenschaft und Schule sowie zwischen alten bzw. klassischen und neueren bzw. modernen Sprachen. 1 Die Vertreter der modernen Sprachen waren nicht nur über das Primat der alten Sprachen verärgert, vor allem die Dominanz der Grammatik und die rein deduktive Art ihrer Vermittlung erregten ihren Widerspruch. Als besonders einschneidende Phase kann dabei die Zeit ab 1876 gesehen werden: Zumindest in der theoretischen Auseinandersetzung um die Didaktik der modernen Fremdsprachen ante litteram gilt sie als essentiell für die Herausbildung einer wissenschaftlichen Beschäftigung mit der Fremdsprachenvermittlung im gesteuerten Kontext, wie wir sie heute unter dem Etikett ʻFremdsprachendidaktik(en)ʼ kennen. In dieser Zeit fanden die Reformer immer mehr Gehör, die Unterrichtsrealität begann sich zu verändern und vor allem wendete sich das Blatt im Konkurrenzkampf zwischen alten und neueren Sprachen zugunsten der letzteren (vgl. Klippel 2000; Kalkhoff/ Wolf 2010). Um diese Entwicklungen 1 Aufgrund der historischen Ausgangsbasis des vorliegenden Artikels ist eine rein romanistische Sichtweise nicht immer möglich, gab es doch gegen Ende des 19. Jahrhunderts immer noch die Tradition der Doppellehrstühle (meist eine Koppelung von Englischer und Romanischer Philologie). So sind die Reformvorschläge, methodischen Diskussionen und Auseinandersetzungen um den Stellenwert der Grammatik im Rahmen der neueren Sprachen nicht immer scharf abgrenzbar, da ihre Vertreter zumeist sowohl Englisch als auch Französisch unterrichtet bzw. gelehrt haben (vgl. Kalkhoff 2010). 228 Johanna Wolf sowie die historisch begründeten diskursiven Traditionen in der Debatte um die Grammatik im Fremdsprachenunterricht analysieren zu können, soll zunächst die Entwicklung des Schulsystems und des Unterrichtswesens in Bezug auf die höhere Bildung beleuchtet werden. Im 19. Jahrhundert entstand das höhere Bildungswesen in Deutschland nahezu in seiner heutigen Form. War die Zulassung zu einem Universitätsstudium zunächst ein Privileg der humanistischen Gymnasien, so änderte sich diese Situation grundlegend, als die Abschlüsse an Realgymnasien und Oberrealschulen am Ende des 19. Jahrhunderts ebenfalls zu einem Studium berechtigten (vgl. hierzu Finkbeiner 1996; Herrlitz/ Hopf/ Titze ²1998; Klippel 2000). Im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts erfolgten dadurch Verschiebungen, die sich nachhaltig auf die Wahrnehmung der Debatten - auch aus heutiger Sicht - auswirkten, die einerseits um „Bildung“ als Gegenstand an sich des schulischen Unterrichts geführt wurden, andererseits aber auch um die Gegenstände und die Methoden, über die diese Bildung vermittelt werden sollte (Klippel 2000, 42). Neben der Aufwertung der Naturwissenschaften, die als eine Begleiterscheinung des gesamten 19. Jahrhunderts gelten kann (Lepenies 1976), ließ sich auch ein Erstarken der Realia als bildende Inhalte des Schulunterrichts konstatieren. Infolgedessen gerieten auch die modernen Sprachen in eine bessere Position im Rahmen des Konkurrenzkampfes zwischen den alten und den neueren Sprachen, avancierten sie doch als moderne Philologien zu den „Lehrerbildungsverantwortlichen“. Verbunden mit dieser Reform war auch eine Verschiebung im Rahmen der Diskursformationen, die den Fremdsprachenunterricht im 19. Jahrhundert begleiteten und die zu einer Spaltung des Bildungsbegriffs und des mit ihm jeweils verbundenen Bildungsideals führte (vgl. Kramsch/ Wellmon 2008; Hu/ Byram 2009). Die bis ins erste Drittel des 20. Jahrhunderts dominierende Diskursformation speiste sich aus den Konzeptionen und Vorstellungen, die mit der Etablierung der Modernen Philologien an den Universitäten als dem Ort, an dem die Fremdsprachenlehrer ihre Ausbildung absolvierten, verknüpft war. Auch in aktuellen Debatten um den „Zweck“ des Fremdsprachenunterrichts begegnet man den tradierten semantischen frames , die sich um die Begriffe ‚Bildung‘ und ‚Fremdsprachenerwerb‘ gebildet haben. Dominant ist hier ein modern-europäisches Bildungsideal, das auf den idealistischen Bildungsvorstellungen humboldtscher Provenienz beruht und recht klar neohumanistische Züge trägt (Mager 1838; 1844). Die historisch-kulturelle Dimension steht im Vordergrund der Überlegungen, denn diese gilt es den Schülern bei der Ausbildung ihrer Individualität zu vermitteln 2 . Mit dem Erstarken der Naturwissenschaften 2 Vgl. hierzu das sprechende Zitat aus Mager 1843, 275: „In unserer modernen, christlichen Welt, wo kein Volk mehr alle anderen Völker Barbaren nennt, gehört es nun zur höhe- Zurück zu den Anfängen? 229 und einem damit verbundenen zunehmend naturwissenschaftlichen Blick auch auf den Gegenstand ,Spracheʻ wird sich dieses Bildungsideal mehr und mehr in Richtung eines funktionalen Bildungsziels verschieben. Ziel des vorliegenden Beitrags ist es, die Herausbildung der verschiedenen Bildungsideale zum einen historisch nachzuzeichnen, zum anderen aber auch die Wirkungsweise der damit verbundenen Diskursformationen in aktuellen Debatten um das Bildungsziel des Fremdsprachenunterrichts zu analysieren. Dabei fokussiert die Analyse auf die modernen, speziell die romanischen Sprachen und die verschiedenen methodischen Ansätze im Bereich des Grammatikunterrichts, um zu illustrieren, inwieweit historisch anmutende Argumentationsmuster im Lichte neuerer Forschung zu einer - zumindest teilweisen - Neubetrachtung und zu einer Neujustierung des Dialogs zwischen Wissenschaft und Praxis auffordern könnten. 2 Die Herausbildung eines neuen Bildungsideals für die modernen Fremdsprachen Durch die Gleichstellung der Abschlüsse von Oberrealschulen und höheren Bürgerschulen mit denen der humanistischen Gymnasien entstand zunehmend ein Rechtfertigungszwang für die Inhalte, deren Bestimmung bisher als Bildungsauftrag der klassischen Philologie oblag, und die fest mit dem Sprachunterricht des Griechischen und Lateinischen verknüpft waren. Im Rahmen dieser Verbindung fand sich die neohumanistische Konzeptionierung eines Bildungsauftrags, der im Erlernen einer Fremdsprache zunächst einen Weg zu Alteritätserfahrungen begriff, die den Lerner 3 - so hatte es Wilhelm von Humboldt angedacht - bis zur Wesensgleichheit mit den antiken Vorbildern führen und so die Schüler zu einem veredelten Individuum erziehen sollten (vgl. Kalkhoff/ Wolf 2010, 80-81). 4 Diese Vorstellung, über den Fremdsprachenunterricht ließe sich der Charakter eines Schülers ausbilden und ihn zu einem tieferen Verstehen des Fremden führen, konnte vor allem für die romanischen Sprachen leicht überren Bildung, dass man die Schranken seines bloß nationalen particularen Bewusstseins durchbreche, dass man in Deutschland sein deutsches (in Frankreich sein französisches) Bewusstsein erweitere und durch Aufnahme derjenigen Bildungselemente fremder Culturnationen vervollständige, die unserer nationalen Cultur mehr oder minder fehlen und dabei mit unserem Wesen sich leicht verbinden und unser Gutes zu vermehren oder uns auch nur zu schmücken mögen“. 3 Aus Gründen der leichteren Lesbarkeit wird auf hier auf eine geschlechterspezifische Differenzierung verzichtet. 4 Ein beredtes Beispiel für die Nachhaltigkeit dieser Überzeugung liefert die Rede von Ulrich von Wilamowitz-Moellendorff 1892 über das Verhältnis von Philologie und Schulreform (vgl. Wilamowitz-Moellendorff 1892). 230 Johanna Wolf nommen und als Ziel in den Fremdsprachenunterricht integriert werden, wie beispielsweise die Schriften August Fuchsʼ belegen, der die Egalität der romanischen Sprachen gegenüber den klassischen zu beweisen suchte (Fuchs 1844; 1849). Seine Argumentation wies die romanischen Sprachen als erwachsene Töchter des Lateinischen aus, die in ihrer Vorbildhaftigkeit ebenso die Bildung des Menschen zu leisten imstande seien wie die klassischen. Mitte des 19. Jahrhunderts aber blieb das Bildungsziel für Fuchs ganz klar die Charakterbildung als gesellschaftliche Aufgabe des Fremdsprachenunterrichts. Die Gemengelage gegen Ende des 19. Jahrhunderts führte jedoch zur Herausbildung einer neuen Diskursformation, die als Bildungsziel des Unterrichts allgemein nicht mehr der humboldtschen Konzeption folgte, sondern sich vielmehr an den Bedürfnissen der Zeit (Industrialisierung, beginnende Internationalisierung, zunehmende Spezialisierung der Berufsfelder etc.) orientierte und stärker die Ausbildung der Schüler in Richtung bestimmter Berufszweige in den Blick nahm. Beide Bildungsideale legitimierten sich durch ihre Metaziele: Hatte das Bildungsideal humboldtscher Provenienz nach wie vor die Menschenbildung im Blick, so richtete sich das eher pragmatisch ausgerichtete Bildungsideal der Reformer stärker auf Anforderungen, die die Praxis an die Absolventen richten würde. 5 Dies führte zu einem immer drängenderen Ruf nach Reformen des Fremdsprachenunterrichts, die gegen Ende des 19. Jahrhunderts in der sogenannten „Überbürdungsfrage“ gipfelten: Angesichts einer überforderten Schuljugend sowie nicht zufriedenstellender Lernkarrieren wurde von den Reformern vor allem im Hinblick auf Inhalte und Methoden des Fremdsprachenunterrichts ein grundsätzliches Umdenken gefordert (Breymann 1876; Viëtor 1882). Getragen wurde dieses neue Bildungsideal von allerhöchster politischer Stelle, was die Rede Wilhelms II anlässlich der Schulkonferenz vom 4. Dezember 1890 eindrucksvoll belegt: Wir sollen junge deutsche erziehen, und nicht junge griechen und römer. Wir müssen von der basis abgehen, die jahrhundertelang bestanden hat, von der klösterlichen erziehung des mittelalters, wo das lateinische massgebend war und ein bisschen griechisch dazu. Das ist nicht mehr massgebend. (Wilhelm II 1890 zit. nach: Paulsen 1960: 5) 6 5 Beiden Konzeptionen lassen sich auch zwei im 19. Jahrhundert konkurrierende Sprachbegriffe zuordnen: Ein idealistisch-hermeneutischer und ein positivistisch-materialistischer Sprachbegriff. Vgl. zur Entwicklung dieser Sprachbegriffe in Bezug auf Bildungsdiskussionen und schulische Entwicklungen im 19. Jahrhundert Kalkhoff/ Wolf 2010; vgl. zur Herausbildung der beiden Sprachbegriffe Leventhal 1986. 6 Die Rede Wilamowitz-Moellendorffs ist als direkte Reaktion auf die Kaiserrede zu verstehen. Zurück zu den Anfängen? 231 Die neueren Sprachen rückten im Rahmen dieser Debatte in den Fokus der Überlegungen. Gerade für die romanischen Sprachen boten die Diskussionen um Ziel und Zweck des Fremdsprachenunterrichts die Möglichkeit, aus dem Schatten der alten Sprachen herauszutreten: Bisher war es ihr großer Vorteil gewesen, sich über die Rolle als „Töchter des Lateinischen“ und somit über ihren quasi per Verwandtschaftsweg vererbten Bildungsinhalt zu legitimieren. Nun aber, angesichts der geforderten Pragmatisierung des Fremdsprachenunterrichts, bot sich den romanischen Sprachen, in erster Linie dem Französischen, die Möglichkeit, sich zusätzlich zu ihrem idealistisch-hermeneutischen Wert auch über den praktischen Nutzen als ebenbürtig auszuweisen und auf diese Weise den alten Konkurrenzkampf mit den alten Sprachen für sich zu entscheiden (Kalkhoff/ Wolf 2010). Hierin sahen auch die Gegner der Reformen die größte Gefahr: Eine einseitige Konzentration auf Praxis und Kommunikation des Fremdsprachenunterrichts könnte zu einem Rückfall zu dem bereits als überwunden geglaubten philanthropischen Ideal des Unterrichts führen, dessen Inhalte und Methoden tatsächlich rein utilitaristisch definiert waren. Bereits gegen Ende des 19. Jahrhunderts treffen als Bildungsideale für die anzustrebenden Lernziele der Fremdsprachenschüler also zwei Konzeptionen aufeinander, die aktuell immer noch konkurrierend nebeneinanderstehen: der Lerner mit einer sog. native-like proficiency , also einer nahezu muttersprachlichen Kompetenz in der Zielsprache, und der in mehreren Sprachen kommunizierende Lerner, der zwar in mehreren Zielsprachen zurechtkommt, dabei aber ein wesentlich niedrigeres Niveau erreicht (Handwerker 2009; 2015). Gleichzeitig zu diesen Debatten über Überbürdung und Reform hat sich an den Universitäten eine Wende vollzogen, die ursächlich für den fehlenden Dialog zwischen Schule und Wissenschaft zu sein schien. Im Zuge der immer stärkeren Spezialisierung der einzelnen Fächer und Disziplinen verloren die modernen Philologien eine ihrer Triebfedern, die mindestens bis ins letzte Drittel des 19. Jahrhunderts eine maßgebliche Rolle für ihre Legitimierung spielte: die Anbindung an die Schule und den ihnen über diese Verbindung inhärenten pädagogisch-ethischen Bildungsauftrag. Dieser Dialog, der sich zu Beginn der Entstehung und Herausbildung der modernen Philologien als akademische Fächer an den Universitäten manifestierte (Selig 2005), verlor im Laufe des 19. Jahrhunderts zunehmend an Gewicht und spielte am Ende des Autonomisierungs- und Verwissenschaftlichungsprozesses der modernen Philologien keine Rolle mehr. Für die Romanische Philologie lässt sich dies am Beispiel des Grundrisses der romanischen Sprachen (1888) von Gustav Gröber zeigen, in dem er auf die Loslösung des Forschungsprogramms ,Romanische Philologie‘ von dem ehemals relevanten ethischen Bildungsauftrag hinwies: 232 Johanna Wolf Das Wertvolle ist Gegenstand des Unterrichts. Es kann wohl Triebfeder der klassisch-philologischen Forschung sein, nicht aber kann es der Gegenstand ihrer Forschung heissen und das Wertvolle in der romanischen Philologie kann von anderer Art sein als in jener. Daher ist mit jener Bestimmung des Begriffs der klassischen Philologie ihre Verwendung, nicht ihr Gegenstand bezeichnet, und also auch sie nicht angethan, den Gegenstand der romanischen Philologie bestimmter erfassen zu helfen. (Gröber 1888, 143/ 144; Sperrung wie im Original). Diese Entfremdung zwischen Wissenschaft und Schule manifestierte sich auch in der Auseinandersetzung um die Inhalte der Lehrerbildung sowie um das Ziel des fremdsprachlichen Unterrichts: Es sind uns jüngst von sehr geschätzter Seite recht unhöfliche Zurechtweisungen über die Art zuteil geworden, wie wir angeblich unseren Unterricht erteilen, die wir höflich aber entschieden zurückweisen müssen. Wer überhaupt weiß, was Wissenschaft ist, kann sich mit niemandem auf eine Debatte einlassen, der wissenschaftlichen Unterricht mit der Abrichtung für irgendeinen Beruf verwechselt. Uns hat der Staat angestellt Philologie zu lehren: wie wir das tun, darüber legen wir vor keinem irdischen Tribunale Rechenschaft ab. (Wilamowitz-Moellendorf 1892, 13/ 14) Angesichts der verschiedenen Diskursformationen um ein übergeordnetes Ziel des Fremdsprachenunterrichts sowie der Loslösung der akademischen Fächer von der schulischen Realität schien demnach die Kluft zwischen Wissenschaft und Praxis unüberwindbar und die Positionen von Reformern und Gegnern unvereinbar. Dennoch wäre es eine Verkürzung, den gängigen Darstellungen der Geschichte des Fremdsprachenunterrichts zu folgen, in denen das Verhältnis zwischen neusprachlichem Reformwillen und altsprachlichem Bewahrertum zumeist einseitig aus Sicht der Reformer beleuchtet und die Methoden und Bildungsaspirationen der Gegenseite als veraltet und unbrauchbar für die neueren Sprachen dargestellt werden. 7 Zunächst blicken die Sprachlehrer am Ende des 19. Jahrhunderts auf eine gemeinsame philologische Basis zurück (Klippel 2000, 45), die in sich bestimmte, in der Episteme der Epoche fest verankerte Annahmen beinhaltet, beispielsweise hinsichtlich des Menschenbildes, aber auch in Bezug auf Vorstellungen, wie der Spracherwerb verläuft. Sie verfügen demnach über ein ähnlich gelagertes Dispositiv an kulturellen Codes und Wahrnehmungsschemata, die sicherlich in die Überlegungen zur Methodik sowie den Inhalten 7 Vgl. hierzu Klippel 2000, die auf diese einseitige Wahrnehmung der Positionen in Bezug auf den Sprachunterricht gegen Ende des 19. Jahrhunderts hinweist und vor einer teleologischen ex-post Analyse der Schulrealitäten warnt (Klippel 2000, 41-43). Zurück zu den Anfängen? 233 des Fremdsprachenunterrichts miteinfließen. 8 So betreffen die gegensätzlichen Ansichten vor allen Dingen zwei Kernfelder des fremdsprachlichen Unterrichts: die Lektüre und die Grammatik. 9 Im Folgenden sollen diese beide Kernfelder kurz umrissen und die Anknüpfungspunkte für methodische Debatten erörtert werden, um die Traditionslinien, die in aktuellen Diskussionen immer noch spürbar sind, sichtbarer zu machen. 3 Die Streitpunkte: Die Rolle der Lektüre und der Grammatikvermittlung Um die Rolle und Aufgabe der Lektüre wie auch der Grammatik im Fremdsprachenunterricht des 19. Jahrhunderts zu verstehen, ist es nötig, erneut auf den tiefgreifenden Wandel in der Konzeption von Sprache und Sprachbegriff hinzuweisen. Wie bereits erwähnt, zeigen sich für den Unterricht in den modernen Sprachen zwei - doch relativ gegenläufige - Tendenzen im Laufe der Epoche: Zunächst dominiert das idealistisch-ethische Konzept einer modern-europäischen Bildung, das sich sehr stark am neuhumanistischen Bildungsideal orientiert und dieses für die modernen Fremdsprachen adaptiert. 10 Dieses idealistische Fundament des Sprachunterrichts wird zunehmend zur Zielscheibe eines Diskurses, der den fremdsprachlichen Unterricht zwar auch als Mittel zur Geistesbildung 11 begreift (Breymann 1876, 29), aber das Primat doch sehr klar zugunsten einer aktiven Beherrschung der Zielsprachen in Wort und Schrift als berufsvorbereitende Maßnahme verschiebt und damit den Überlegungen zu Inhalt und Methode nicht mehr einen idealistisch-hermeneutischen, sondern einen positivistisch-materialistischen Sprachbegriff unterlegt. Dieser Domi- 8 Vgl. zur Wirkungsmacht der Episteme als zeitlich gebundenes Wissenssystem Foucault 1966. 9 Die Kritik richtet sich dabei meist nicht gegen die wissenschaftlichen Überzeugungen im Hinblick auf die Bedeutung der Grammatik bzw. vor allem auch der Lektüre - hier hat die philologische Basis nach wie vor einigende Kraft (vgl. Klippel 2010). Kritisch gesehen wird die Instrumentalisierung der Texte als Steinbruch für das Erlernen bestimmter grammatischer Strukturen - ein Vorwurf, den sich der kommunikative Ansatz auch aktuell gefallen lassen muss (vgl. Schwarz-Friesel 2001; Thörle 2010). 10 Vgl. hierzu z. B. die Bildungskonzeption Karl Magers (Mager 1838; 1843; 1840/ 1844). Mager begründet beispielsweise die Notwendigkeit einer fachwissenschaftlichen Ausbildung der künftigen Lehrer mit dem Argument, dass diese eben keine einfachen Sprachmeister seien und der Unterricht daher auch kein rein praktischer Sprachkurs sei, sondern dass die Lehrer vielmehr in der Lage sein müssten, die Schüler in einem studium humanitatis zu unterweisen (Mager 1843, 24 f.). 11 Dies ist vor allem für die gemäßigten Reformer der Fall. Als einer ihrer wichtigsten Vertreter sei hier stellvertretend Hermann Breymann genannt. 234 Johanna Wolf nanzwechsel in der Sicht auf Sprache hat unmittelbare Auswirkungen auf die Inhalte und die Methoden des Sprachunterrichts, wie sich zunächst am Beispiel der Textauswahl und der Lektüre zeigen lässt. 3.1 Die Texte Stellvertretend für die Bedeutung, die der Textlektüre im Rahmen eines idealistisch geprägten Bildungsverständnisses zukam, sei hier auf Ludwig Herrig verwiesen, dessen Überzeugung, über die Rezeption der klassischen Werke könne der Schüler Zugang zu einem tiefgreifenden Verständnis der fremden Kultur erlangen, als metonymisch in einer pars-pro-toto Relation für die Verfechter des modern-europäischen Bildungsbegriffs gelesen werden kann: 12 If the study of modern languages may claim to intrinsic value and an honourable position in our educational establishments, equal to that of the classic languages, they should be taught so as to impart with the language, both the general information possessed by the respective people, and their history which was always found embodied in their literature. The language of a people elucidates only one point of its existence, is inseparable from it, and becomes, as it were, the corporal mind of the nation; whilst the various phases of that mind indicate the nation’s history. […] Hence the teaching of a language imparts not the language alone, but - and this is more particularly - furnishes the pupil with a key to civilization, the social habits and the political organization of the people, all of which are most faithfully reflected in national literature. (Herrig ³1852, X) Obwohl Herrig wohl als Englischdidaktiker ante litteram - auf dem Gebiet des Französischen tritt er weniger auffällig in Erscheinung - zu gelten hat, so sind seine Aussagen doch übertragbar. Der nationale Kanon fremdsprachiger Literatur, so die Vorstellung, führe den Lerner zu einer Alteritätserfahrung, die ihm Einblicke in das historische, soziale und kulturelle Geflecht eines Volkes ermögliche. Das erklärte Lehr-/ Lernziel der Textlektüre war somit, die fremdsprachlichen Texte im Original lesen und verstehen zu können, um dieser Form der Kultur- und Sprachvermittlung gerecht zu werden. Für den Unterricht in den modernen Sprachen lässt sich allerdings von Anfang an ein Unterschied hinsichtlich des Stellenwerts von Originaltexten im Vergleich zum altsprachlichen Unterricht konstatieren (vgl. Klippel 2000, 54-55). Ursächlich dafür scheint zum einen die fortlaufende Produktion von Texten auf Englisch oder Französisch gewesen zu sein, da diese Dynamik die Kanonbildung, die für die alten Sprachen 12 Klippel 2010 verdeutlicht diese Bedeutung der klassischen Nationalliteratur als Unterrichtsgegenstand auch an den Publikationen Herrigs: Die von ihm herausgegebenen Anthologien für den Englisch- und Französischunterricht sind weitaus zahlreicher als seine Publikationen auf dem Gebiet des Grammatikunterrichts (Klippel 2010, 44-45). Zurück zu den Anfängen? 235 bereits etabliert war, erschwerte (vgl. Klippel 2000, 53, auch Klippel 1994). Zum anderen sorgte auch die über den Lateinunterricht tradierte Methode, die die Texte in isolierte Einzelsätze, mit dem Ziel bestimmte sprachliche Strukturen einzuüben, zerlegte, für Unmut und Unzufriedenheit bei den Lehrern der neueren Sprachen, wollte man den Text ja gerade als Ganzes verstehen, um über die analytische Methode zu einem besseren Verständnis zu gelangen. So macht Julius Lattmann Ende des 19. Jahrhunderts vor allem die falsche Methode des Lateinunterrichts und die damit verbundene ,Zweckentfremdung‘ der Lektüre für den sinkenden Stellenwert der Texte verantwortlich: Das Lesebuch mit seinem alten [sic! ] aber leichten Latein, das in das Altertum, d. h. inhaltlicherseits in seine realen geschichtlichen Zustände, seine Vorstellungs- und geistigen Gesichtskreis einführte, das als das eigentliche Lehrbuch, als Mittelpunkt und Hauptteil des Unterrichts galt, ist zusammengeschrumpft in einen Anhang, dessen Benutzung erst nach abgearbeiteten Grammatikpensum mit ihm angeschlossenen Übungen, oder allenfalls gelegentlich einmal als Nebensache in Betracht kommt, die Grammatik hat wieder die Herrschaft und Führung des Unterrichts an sich gerissen. (Lattmann 1896, 356 f.) 3.2. Grammatikunterricht und -vermittlung Diese Beobachtung - einer Dominanz der Grammatikvermittlung über rein deduktive Methoden und eine Abwertung der Texte als reiner Steinbruch für diese Form des Fremdsprachenunterrichts - führt zu dessen wohl umstrittensten inhaltlichen Feld: der Grammatik. Ihre Vermittlung ist es, die die Gemüter vornehmlich spaltet und die Positionen von Reformern und Bewahrern als diametral entgegengesetzt zeichnet. Nach wie vor wird die Rolle des Grammatikunterrichts, vor allem im Hinblick auf die alten Sprachen, geprägt von der Überzeugung, das Erlernen der Grammatik sei verbunden mit einer formalen Bildung und einer Schulung des logischen Denkens. Diese Vorstellung förderte in erster Linie deduktive Methoden, deren Ziel der Regelerwerb über die Darbietung derselben war (Klippel 2000, 51). Vornehmlich über die neusprachliche Reformbewegung gelangen gegen Ende des 19. Jahrhunderts stärker induktive Verfahren in den Grammatikunterricht, synthetische und analytische Herangehensweisen werden kombiniert, was vorsichtig an eine beginnende Methodenvielfalt erinnert, die heute relativ einstimmig von Seiten der Fremdsprachendidaktik gefordert wird (vgl. z. B. Koch 2015). Verbunden mit diesem methodischen Umdenken ist auch eine stärkere Schülerorientierung sowie eine Aufwertung respektive Einführung neuer Inhalte wie z. B. phonetische Schulung, ein Anliegen, das besonders stark von Wilhelm Viëtor vertreten wird (Viëtor 1882). Besondere Beachtung für die romanischen Spra- 236 Johanna Wolf chen erlangt Hermann Breymann, der gerade im Bereich der Grammatikvermittlung für eine intensive Übertragung wissenschaftlicher Erkenntnisse in die Schulrealität plädiert (Christmann 1986, 664/ 665). Er gilt als gemäßigter Reformer, der gezielt den Dialog zwischen Schule und Universität wieder zu etablieren und so an die diskursive Tradition zu Beginn der Entstehung der modernen Philologien anzuknüpfen sucht. Breymann sieht das Problem der Grammatikvermittlung vor allem im Fehlen einer historisch-vergleichenden Basis, deren zentrale Achse die Vermittlung der Gesetzmäßigkeiten innerhalb einer Sprache bildet - und die aber gleichzeitig Elemente des Mnemonischen, des Rationellen und der Anschaulichkeit enthält. 13 Die fehlende wissenschaftlich-theoretische Fundierung sei das Hauptproblem des Grammatikunterrichts seiner Zeit, ein Vorwurf, den Breymann allerdings nicht ausschließlich an die Vertreter der alten Sprachen richtet, sondern generell für die Unterrichtsrealität konstatiert: Es wird dort [in den höheren Bildungsanstalten; J.W.] in der althergebrachten Weise, noch wie vor 50 und mehr Jahren gelehrt, als ob es Männer wie Bopp, Grimm, Schleicher, Curtius, Diez, Mätzner, Littré u. a. nie gegeben hätte. (Breymann 1876, 16) 14 Deutlich wird hier erneut der ideengeschichtliche Hintergrund, der die methodischen wie auch die inhaltlichen Überlegungen auf dem Gebiet der Fremdsprachendidaktik in ihren Anfängen beeinflusst. Obwohl sich Breymann stark an Karl Mager und dessen Entwicklung einer „genetischen Methode“ (Mager 1846) orientiert, so unterlegt er seinen Reformvorschlägen nicht mehr den idealistisch-ästhetischen Sprachbegriff mit seiner ethisch-pädagogischen Komponente, sondern einen positivistischen Sprachbegriff, wie er am Ende des 19. Jahrhunderts in der (romanischen) Sprachwissenschaft vertreten wird (vgl. Kalkhoff/ Wolf 2010). Für die Entwicklung des Dialogs zwischen wissenschaftlicher Erforschung des Gegenstands ,Romanische Sprachen‘ und dem Fremdsprachenunterricht lässt sich am Ende des 19. Jahrhunderts ein eher desaströses Bild zeichnen: Die Universität und damit die wissenschaftliche Disziplin romanische Sprachwissenschaft hat die Schule aus dem Blick verloren. Neue Erkenntnisse gelangen nur vereinzelt in die Unterrichtsrealität, die Forschungsprogramme beinhalten keine Anknüpfungspunkte für Fragen, die die Fremdsprachenvermittlung 13 Vgl. Breymann 1876, 23 f., ausführlicher zu den vielfältigen Methodikvorschlägen, die in diese Zeit fallen vgl. Riedl 2004. 14 Sehr viel deutlichere Worte für das schlechte Niveau des Grammatikunterrichts findet der als radikaler Reformer geltende Viëtor: „Nun, unsere Sprachunterrichtsmethode ist über die Donatusmanier noch gar nicht so weit hinaus! Es handelt sich darum, den Inhalt der Schulgrammatik und nebenher den nötigen Wortvorrat dem Schüler zu überliefern.“ (Viëtor 1882, 25). Zurück zu den Anfängen? 237 betreffen. Dieser Zustand wird sich auch bis zu den 1950-60er Jahren für das Verhältnis zwischen Sprachwissenschaft und Fremdsprachenunterricht nicht wesentlich verändern. Erst durch die kognitive und die pragmatische Wende in der Sprachwissenschaft entstehen neue Möglichkeiten für eine Anbindung der Fremdsprachenunterrichtsforschung an die Sprachwissenschaft (in Form der sog. Applied Linguistics ), und der eingeschlafene Dialog scheint neuen Aufwind zu erhalten (Hinger 2017, 58). 4 Die alten Debatten im neuen Licht? Zur aktuellen Methodendebatte aus linguistischer Sicht Mehrfach plädiert Hubert Haider für einen stärkeren Stellenwert der Psycholinguistik im Rahmen der Ausbildung von Fremdsprachenlehrern (Haider 2010; 2015). Besonderer Stein des Anstoßes sind die Lehrwerke, die aus Haiders Sicht viel zu wenig auf die kognitive Disposition der Lerner eingehen und Erkenntnisse von psycho- und neurolinguistischen Studien schlicht zu ignorieren scheinen: […] the cause of the disaster is the incapability of identifying the stage - dependent elements of the learning task that the teacher expected the pupils to be able to master. Every time a text book presents a new task that is ill-scheduled in terms of the phase-dependent cognitive road map, the pupils will be unable to transfer it into their procedural repertoire. They will do their best and memorize what they are able to memorize, that is, they try to grasp it declaratively. If at a given stage they are unable to integrate what they memorized into their procedural repertoire, it does not matter how often it is explained to them or exercised, simply because it is premature for them. You are unable to genuinely exercise an activity that you are unable to perform properly at your given stage of expertise. Entrenching by exercising means that first of all, you perform the activity properly and second, cycles of exercising the activity contribute to turn the activity into a habit. Exercising without access to the supporting cognitive routines of the activity will have no long-lasting positive effect. (Haider 2015, 9) Haiders Vorwürfe gemahnen an die Argumentation, wie sie von den neusprachlichen Reformern vorgetragen wurden: Kritisiert wird hier vor allem die Methode der Grammatikvermittlung und die teilweise sich manifestierende Ignoranz des linguistischen Kenntnisstands über (Fremd)Sprachverarbeitung in den verschiedenen Lehrwerken. In der Tat scheinen Einsichten in Sprachverarbeitung von didaktischen Arbeiten zur Grammatikvermittlung im Fremdsprachenunterricht nur in geringem Umfang rezipiert zu werden. 15 So thematisiert der zwar 15 In ähnlicher Weise plädiert Lena Heine für eine stärkere Integration psycho- und neurolinguistischer Studienergebnisse über (Fremd)Sprachverarbeitung in die Didaktik und 238 Johanna Wolf facettenreiche und breit angelegte Beitrag von Corinna Koch zur „dienenden Funktion der Grammatik“ im Fremdsprachenunterricht (Koch 2015) die Möglichkeit einer universell erfolgenden Progression, die sie allerdings eher zu verneinen scheint (Koch 2015, 135). 16 Aus linguistischer Sicht aber wird das Problemfeld, gerade vor dem Hintergrund einer dominierenden kommunikativen Ausrichtung des Fremdsprachenunterrichts und der von Koch geforderten Instrumentalisierung der Grammatik, nicht in ausreichender Weise perspektiviert. So fehlen Hinweise auf die unterschiedliche Speicherung grammatischen und lexikalischen Wissens (dies wird nur vage angedeutet), die die Neurolinguistik über Aphasiestudien mit bilingualen Patienten klar belegen konnte (Ullman 2001). Auch die Bedeutung des Inputs sowie die Rolle von Automatisierungsprozessen im Hinblick auf eine prozedurale Speicherung der grammatikalischen Strukturen im Langzeitgedächtnis treten nicht in Erscheinung. So werden oft vielversprechende Ergebnisse von Studien, die mit focus-on-form- oder input processing- Ansätzen arbeiten und hier trotz einer unterrichtskritischen Haltung nach der Bedeutung von Instruktion fragen (Fernández 2008; 2011; van Patten 2015) innerhalb der didaktischen Unterrichtsforschung nur wenig rezipiert. Die Bedeutung der Frequenz wie auch des wiederholenden Übens für eine Überführung der Lerninhalte in das Langzeitgedächtnis (LZG) spielen in den Überlegungen zur Grammatikvermittlung keine Rolle, dabei sind aus neuro- und psycholinguistischer Sicht gerade die Stichworte „age of exposure“ (Progression) und „practice“ (Frequenz und Wiederholung) von Bedeutung für ein erfolgreiches Speichern der grammatikalischen Strukturen einer L2 im prozeduralen Gedächtnis und bedürften einer stärkeren Rezeption von Seiten der Fremdsprachenlehrforschung. Besonders eine Beachtung der unterschiedlichen Speicherformate für sprachliches Wissen, wie sie auch in grammatiktheoretibeklagt, dass diese in Einführungen in die Fremdsprachendidaktik ebenfalls nur unzureichend reflektiert werden (vgl. Heine 2014, 42). Auch sie zieht ein eher bedauerndes Fazit im Hinblick auf den Dialog zwischen Fremdsprachenerwerbs- und Fremdsprachenunterrichtsforschung: „Insgesamt erscheinen die Zugänge der kognitiven Psycholinguistik zur Erweiterung der soziokulturellen Ansätze vielversprechend, weil sie erlauben, Lernprozesse in größerem Auflösungsgrad in den Blick zu nehmen. Sie sind allerdings bisher noch verhältnismäßig wenig für den Praxisbezug erschlossen.“ (Heine 2014, 48) 16 Sicherlich ist die stufenartige Progression nicht als starres Modell zu begreifen. Relative Einigkeit herrscht jedoch darüber, dass sich innerhalb des Fremdsprachenerwerbs bestimmte Abfolgemuster abzeichnen, die sich allerdings in Bezug auf die Geschwindigkeit (beeinflussbar z. B. durch Instruktion), wann ein Lerner die jeweils nächsthöhere Stufe erreicht, durchaus dynamisch verhalten (vgl. Ågren 2008). Auch scheinen der Autorin die Studien zur stufenartigen Progression im Französischen nicht bekannt zu sein (vgl. Bartnig/ Schlyter 2004; Ågren 2008; Véronique 2009), da sie deren Fehlen beklagt (Koch 2015: 6), was durchaus als ein Zeichen für den mangelhaft geführten Dialog zwischen Fremdsprachenerwerbsforschung und Fremdsprachendidaktik gewertet werden kann. Zurück zu den Anfängen? 239 schen Auseinandersetzungen über Sprachverarbeitung (z. B. Universal Grammar vs Construction Grammar ) geführt werden, scheinen von nicht unerheblichem Einfluss auf den Lernerfolg zu sein: The evidence suggests the following. Aspects of grammatical processing are less dependent upon left frontal and basal ganglia structures in L2 than in L1. Linguistic forms that are largely grammatically/ procedurally computed in L1 are more dependent in L2 than in L1 on declarative/ lexical memory - although in L1 as well as in L2, some processing of complex representations may depend on declarative memory […]. The shift from procedural to declarative memory is rejected by an increased involvement of left (and, to a lesser extent, right) temporal/ temporo-parietal structures. This shift of dependence from the procedural/ grammatical system to declarative/ lexical memory appears to be a function both of age of exposure and of practice . (Ullman 2001, 118, Kursivierung J.W.) Wenig hilfreich erweist sich hier auch der Gemeinsame Europäische Referenzrahmen für Sprachen (GERS) 17 . So beschreibt der GERS beispielsweise den Spracherwerb aus psycholinguistischer Seite folgendermaßen: ,Spracherwerb‘ kann somit entweder als Oberbegriff verwendet oder auf Folgendes eingeschränkt werden: auf Analysen der Lernersprache von nicht-muttersprachlichen Sprechern vermittels aktueller Theorien der Universalgrammatik (z. B. ,Setzung von Parametern‘). Hierbei handelt es sich fast immer um einen Bereich der theoretischen Psycholinguistik, der wenig oder keinen direkten Bezug zur Arbeit von Fremdsprachenlehrenden besitzt, besonders da die Grammatik als dem Bewusstsein weitgehend unzugänglich angesehen wird. (GERS 2001, 137). Diese reduktionistischen Ausführungen zu Spracherwerb und Grammatikvermittlung sowie die fehlende Evidenzbasierung der einzelnen Kompetenzniveaus haben (berechtigte) Kritik aus den Reihen der Spracherwerbsforschung hervorgerufen haben, vor allem im Hinblick auf die Etablierung von Inhalten und Stufung besagter Niveaueinteilung (vgl. Hulstijn 2014). Ein Blick in ein Grammatikkapitel zum Erwerb des Futurs im Französischen verdeutlicht den fehlenden Dialog zwischen der Fremdsprachenerwerbsforschung und der Praxis in der Schule. Das Lehrbuch Découvertes 1 18 führt in das Thema futur périphrastique/ futur proche ein, indem es Berufswünsche und 17 Der GERS legt seinen Ausführungen ein klar soziokulturell-funktionales Sprachverständnis zugrunde, dessen theoretische Unterfütterung die Arbeiten Lew Wygotskys und - speziell für den Spracherwerb - Stephen Krashens bilden (Krashen 1987). 18 Es handelt sich hierbei um ein für den Unterricht zugelassenes Lehrwerk, das vor allem in den südlicheren Bundesländern, z. B. in Bayern, gerne genutzt wird, aber auch im österreichischen Sprachraum zugelassen ist. 240 Johanna Wolf Zukunftspläne als Sprechanlass wählt und die Schüler explizit auffordert, auf die Frage „Qu’est-ce que tu vas faire un jour? “ zu antworten ( Découvertes 2010, 67). Aus dieser Form der Heranführung ergeben sich aus linguistischer Sicht zwei Problemfelder: Zum einen ist die Wahl des futur périphrastique hier eher unwahrscheinlich, zu bevorzugen wäre eine Form wie „Qu’est-ce que tu veux faire un jour/ plus tard/ quand tu seras grand? “. 19 Den Schülern wird hier auf grammatikalisch-morphosyntaktischer Ebene also bereits ein falsches form-meaning mapping (Sicht der gebrauchsbasierten Theorien) oder mangelhafter Input für die Etablierung einer regelgeleiteten Verarbeitung (Sicht der UG-basierten Theorien) angeboten, was für die kognitive Verarbeitung äußerst negativ ist. Denn fehlerhafter Input, und hier sind sich sowohl die Vertreter einer eher modularen Sichtweise wie auch die Vertreter eher konnektionistischer Modellierungen der Sprachverarbeitung relativ einig, hat für den Fremdsprachenerwerb negative Folgen, da auf kognitiver Ebene falsche Spuren gelegt werden. Der zentrale Punkt beim Grammatikerwerb liegt auf der idealen Darbietung des Inputs, von dem aus dann die kognitiven Prozesse starten, die zum erfolgreichen Erwerb führen. 20 Zum anderen wird dieses Thema ( futur périphrastique ) im Lehrbuch ausschließlich in dieser Lerneinheit angeboten und im weiteren Verlauf finden sich keine Übungsmöglichkeiten mehr. 21 Dies deutet auf ein Problem hin, über das auch die meisten Lehrkräfte klagen: Die Unterrichtszeit erlaubt kein regelhaftes Üben grammatikalischer Strukturen - vor allem nicht über induk- 19 Die Validität der Aussage, dieser Gebrauch sei für eine authentische Sprechsituation unwahrscheinlich bis falsch, wurde anhand einer Akzeptabilitätsstudie mit native-speakern getestet. Von zehn Probanden (alle mit L1 Französisch) markierten neun den Satz aus dem Lehrbuch als inakzeptabel, eine Person markierte ihn als akzeptabel, aber wenig vorstellbar in der Sprecherrealität. Zusätzlich wurde das Beispiel an die Online-Plattform der Académie française „Dire, ne pas dire“ geschickt. Die Antwort per Mail war kurz und knapp: „Ce n’est pas l’usage“. Als Verbesserung wurden exakt dieselben Sätze (s. Fließtext) benannt, wie sie auch die Natives als akzeptabel und vorstellbar markiert hatten. 20 Unterschiedlich betrachtet werden die Prozesse sowie die neurobiologischen Grundlagen, die dem Erwerb solcher Strukturen zugrunde liegen: Umweltreizverarbeitung und statistische Analyse über Frequenzen, Prototypikalität etc., die dann in den Aufbau sprachlicher Muster münden und deren grammatikalische Modellierung stärker an die Theorie der usage-based Ansätze wie z. B. der Konstruktionsgrammatik angelehnt ist (vgl. z. B. Bybee 2008, Ellis 2003; Goldberg 2006) oder das Vorhandensein einer Universalgrammatik und einer eher modularen Sprachverarbeitung (vgl. Carroll 2002; Meisel ³2014). 21 Aus einer holistischen Perspektive wäre es zudem im Falle des Futurerwerbs im Französischen auch sinnvoll, beide Futurformen ( futur périphrastique vs . futur simple ) gleichzeitig einzuführen, um jeweils, vor dem Hintergrund der bestehenden Aspektopposition im Französischen, ein vollständiges Form-Bedeutungspaar zu konstruieren. Aus Sicht der modularen, UG-basierten Theorie könnte sich hier auch ein positiver Transfereffekt aus dem Englischen ergeben, das im Gegensatz zur (wahrscheinlichen) L1-Deutsch, vorsichtig formuliert, eine ähnliche Opposition bietet. Zurück zu den Anfängen? 241 tive Verfahren (vgl. Koch 2015) 22 , was im Sinne einer Automatisierung aber wünschenswert wäre. Biber/ Reppen 2002 ziehen aus ihrer Studie zum Erwerb grammatikalischer Strukturen ein klares Fazit: Nur über Frequenz, und dies bedeutet in diesem Fall Iteration der Struktur, lässt sich möglicherweise eine Speicherung derselben im prozeduralen Gedächtnis erreichen: […] language learners naturally rely on frequency for many different language tasks, ranging from irregular verb patterns to collocation patterns. Given its importance in acquisition, we would argue that frequency should also play a key role in the development of materials and in the choices that teachers make in language classrooms. (Biber/ Reppen 2002: 207) Damit soll nun keinesfalls dem soziokulturellen Ansatz des Fremdsprachenerwerbs, der aktuell im Fremdsprachenunterricht dominant zu sein scheint (Heine 2014; Koch 2015), eine Absage erteilt werden. Gerade im Bereich der Grammatikvermittlung lohnt sich aber möglicherweise doch eine stärkere Integration der „‘reduktionistisch[en]ʼ, positivistisch-naturwissenschaftlich[en] Ansätze der Kognitions- und Neurowissenschaften“ (Heine 2014, 44), um der Natur des Gegenstands ,Sprache‘ gerechter zu werden. 23 Denn, um den Kreis zum 19. Jahrhundert in der Diskussion um die Grammatik und ihren Stellenwert zu schließen, bereits zu dieser Zeit gab es die Diskussion um die Mehrdimensionalität des sprachlichen Zeichens und der Sprache und wie man sich ihr wissenschaftlich zu nähern habe. 24 So gilt es vielmehr, die soziokulturellen Ansätze 22 Interessant ist aber hier die Scheu vieler Didaktiker in Bezug auf wiederholendes Üben klare Aussagen zu machen: So lässt H eine 2014 in ihrer Analyse der Übertragbarkeit psycho- und neurolinguistischer Erkenntnisse über Sprachverarbeitungsprozesse den Aspekt der Wiederholung außer Acht, da er ihr zu „allgemein“ und zu wenig „fremdsprachenspezifisch“ erscheint (Heine 2014, 46). Diese Haltung ist nachvollziehbar, aber a uch problematisch: Neuere Forschungen gehen von einer hohen Einflussnahme des working memory auf die Sprachverarbeitung aus (Baddeley 2003). Ebenso spielen die unterschiedlichen Speicherformate im LZG eine bedeutende Rolle für den Erwerb (Ullman 2001). Folgt man zudem den Ansätzen, die Spracherwerb eher als Verarbeitung von Umweltreizen und Mustererwerb begreifen - was für einen L2 Erwerb wahrscheinlich ist - so ist der allgemeine Aspekt der Frequenz doch von einiger Bedeutung und sollte stärker thematisiert werden, da er unmittelbar Auswirkungen auf die Inputoptimierung der Lehr-/ Lernformate hat, vgl. hierzu z. B. Madlener 2015; 2016. 23 Keine der Theorien zur Sprachverarbeitung, weder modular-UG basierte Ansätze noch usage-based Ansätze oder der soziokulturelle Ansatz behaupten von sich, das komplexe Gebiet der Sprachverarbeitung in seiner Gänze zu begreifen. Daher wäre eine stärkere Kooperation der unterschiedlichen Ansätze miteinander wünschenswert, vgl. hierzu Lantolf 2011. 24 Vgl. zu dieser Diskussion z. B. die Ausführungen Georg Curtiusʼ zur Kultur- und zur Naturseite des sprachlichen Zeichens (Curtius 1862/ 1977). Vgl. zu dieser Diskussion im Rahmen von Philologie und Linguistik auch Wolf 2012. 242 Johanna Wolf und die psychobzw. neurolinguistische Perspektive einander anzunähern, um für die Fremdspracherwerbsforschung in besserem Ausmaß als bisher von den Erkenntnissen beider zu profitieren (vgl. Lantolf 2011). 5 Fazit: Noch immer kein Goldstandard - aber ein beginnender Dialog Wie die Analyse der Diskussionen um die „richtige“ Methode und den „richtigen“ Stellenwert der Grammatik zeigt, sind die Debatten des 19. Jahrhunderts immer noch aktuell. Einigkeit scheint allein in Bezug auf die Bedeutung von Übung zu herrschen: : The overall conclusion is that practice may not make perfect but as long as it helps L2 learners on their way to form related, meaning related and use related linguistic perfection, L2 researchers and L2 teachers should do all that they can to help provide insights into practice based instruction to create instances of perfect practice and, in so doing, optimize the SLA process. (Ureel 2011, 247) Dieser Aussage können sich wohl Praktiker wie auch Forscher anschließen, schwieriger gestaltet sich die Frage nach dem „Wie“ der Übungen - eine Frage, die von den Praktikern gerne an die Forschung herangetragen wird. Hier ist mit aller Deutlichkeit zunächst festzuhalten, dass die Fremdsprachenerwerbsforschung kein Rezept für die perfekte Methode oder die perfekte Praxisaktivität liefern kann. Sie bietet Einsichten in Verarbeitungsprozesse, was z. B. Progression oder Variation im Erwerbsprozess betrifft. So müsste die Frage der Praxisseite an die Forschung vermutlich in Zukunft eher lauten „Warum lernen die Schüler nicht, was wir unterrichten? “ 25 Hierfür ist es aber notwendig, dass sich die beiden Diskurswelten von Fremdsprachenerwerbsforschung und Fremdsprachenunterricht noch stärker aufeinander zu bewegen, was immer dringlicher eingefordert wird (vgl. Heine 2014; Ellis/ Shintani 2016; Hinger 2017). In der Ausarbeitung gemeinsamer Fragestellungen und einer gezielten, intensiven Zuwendung der Erwerbsforschung an unterrichtliche Bedürfnisse sollte die Zukunft des Fremdsprachenunterrichts und der ihn begleitenden Erwerbsforschung liegen. Hier kann die Geschichte des Fremdsprachenunterrichts, vor allem der neueren Sprachen, als Beispiel dienen, wie dieser Dialog schon einmal glückte: bei der Entstehung der modernen Philologien. Erst die zu starke Abkapselung der universitären Fächer von der Unterrichtspraxis führte zum 25 Auf diesen zentralen Aspekt des inert knowledge problems und seine Bedeutung für einen gelingenden Fremdsprachenerwerb wie auch -unterricht macht auch Barbara Hinger aufmerksam (Hinger 2017, 72). Zurück zu den Anfängen? 243 Verstummen dieses Dialogs, der dann zur Gänze in die Fremdsprachendidaktiken verschoben wurde, mit denen die Fachwissenschaften nur allmählich und vereinzelt in Kooperationen treten (vgl. Hinger 2017). Möglicherweise liegt die Innovation genau in der Herausbildung eines neujustierten Dialogs, der nicht nur nach ähnlichen Interessen fragt, sondern sehr viel stärker gemeinsame Ziele und Fragestellungen erarbeitet, die Bedürfnissen der Schulrealität stärker als bisher entgegenkommen. Es gilt also den Graben, der zwischen den „verschiedenen“ Welten besteht zu überwinden: Doch zur Zeit ist eine solche didaktische Umsetzung neurobiologischer Grundlagen nur in Ansätzen oder mit Gedankensprüngen möglich, weil die Erkenntnisse aus sehr unterschiedlichen wissenschaftlichen Welten stammen, die noch lernen müssen, wie man vertieft miteinander Fragestellungen entwickelt. (Franceschini 2014, 207) Gerade der Unterricht der romanischen Sprachen bietet hier ein breites Potenzial für einen solchen Dialog: In geradezu idealer Weise antworten sie auf Ansätze der Mehrsprachigkeitsdidaktik, der Transferforschung wie auch Fragen der soziokulturellen Perspektive. Es gilt demnach nun, dieses Potenzial auszuloten und in die Unterrichtsrealität der Sprachlehrenden wie auch der Sprachlernenden einfließen zu lassen, um die Fehler der Vergangenheit nicht zu wiederholen. Bibliographie Ågren, Malin (2008): A la recherche de la morphologie silencieuse. 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Die didaktische Konzeption deutschsprachiger Italienischlehrwerke von 1924 bis zur Gegenwart Nadine Rentel (Zwickau) 1 Einleitung Die Methoden, die dem Fremdsprachenunterricht zugrunde liegen, zeichnen sich durch einen Wandel im Laufe der Zeit aus. Als einer der größten Paradigmenwechsel der neueren Zeit kann in diesem Zusammenhang das Aufkommen der kommunikativen Methode in den 1970er Jahren angesehen werden, die die audiolinguale und die audiovisuelle Methode ablöste. Ihr übergeordnetes Ziel besteht darin, die Lernenden in die Lage zu versetzen, sich mittels angemessener sprachlicher Mittel in der Fremdsprache zu verständigen. Die Entwicklung einer solchen kommunikativen Didaktik ging dabei auf gesellschaftliche und wirtschaftliche Umwälzungsprozesse nach dem Zweiten Weltkrieg zurück, die wiederum zum Erschließen neuer Zielgruppen von Fremdsprachenlernenden und damit einhergehend zur Notwendigkeit des Anpassens von Sprachlehrkonzepten führten (vgl. dazu Neuner/ Hunfeld 2004, 83). In diesem Kontext tritt die grammatikalische und lexikalische Korrektheit hinter den Aspekt der kommunikativen Adäquatheit zurück. Die kommunikative Methode wird stark von der linguistischen Teildisziplin der Pragmatik beeinflusst, die sich seit ihrem Entstehen in den 1960er Jahren sprachlichem Handeln in konkreten Kontexten widmet (vgl. Meibauer 2006) und sich dabei auf die Sprechakttheorie nach Austin (1962) und Searle (1969) stützt. Im vorliegenden Beitrag werden sechs ausgewählte Italienisch-Lehrwerke des Zeitraums von 1924 bis 2014 hinsichtlich ihrer Konzeption und ihres Aufbaus miteinander verglichen. Bis auf das aktuellste Werk des Untersuchungskorpus richten sich alle Lehrwerke an deutschsprachige Lernende. Im Rahmen des Aufzeigens diachroner Tendenzen liegt ein Schwerpunkt auf der Fragestellung, in welcher Weise ab den 1970er Jahren kommunikativ-pragmatische Ansätze berücksichtigt werden und ob sich zwischen den frühen und den neueren Lehrwerken im Korpus deutliche Unterschiede hinsichtlich der didaktischen Konzeption ausmachen lassen. Lassen sich in den Lehrwerken unter Umständen 250 Nadine Rentel Hinweise darauf finden, dass der Anspruch an pragmatische Ansätze, zumindest in Teilbereichen, vielleicht schon viel früher auftrat? Und ist es umgekehrt wirklich zu belegen, dass in den neueren Werken die kommunikative Ausdrucksfähigkeit hinter die kommunikative Kompetenz zurücktritt? Um die Frage zu beantworten, ob sich pragma-linguistische Zielsetzungen in Konzeption und Gestaltung der untersuchten Italienisch-Lehrwerke niederschlagen, werden neben einer detaillierten Analyse der Vorworte jeweils die ersten Lektionen exemplarisch einander gegenüber gestellt. 2 Das Korpus Die Analyse von Italienisch-Lehrwerken beginnt in den 1920er Jahren und somit vor dem Ausbruch des Zweiten Weltkriegs. Sie verzeichnet eine Lücke in den 1940er Jahren, die aber im Rahmen eines Exkurses zu einem Konversationsbuch geschlossen wird. In den 1950er Jahren steht ein Werk aus der ehemaligen DDR im Fokus, bevor die Beschreibung in den späten 1960erbzw. frühen 1970er Jahren fortgeführt wird. Den Abschluss bilden zwei ausgewählte Lehrwerke, die Mitte der 1980er Jahre und, ganz aktuell, im Jahre 2014 auf den Markt gebracht wurden. Zur genauen Zusammensetzung des Analysekorpus siehe im Folgenden: • Sauer, Carl Marquard (1924): Kleine italienische Sprachlehre für den Gebrauch in Schulen und zum Selbstunterricht. Fünfzehnte, verbesserte Auflage, Heidelberg, Julius Groos. • Politi, Francesco (1938): Italienisch lernen - eine Freude, Zürich, Rascher. • Macchi, Vladimir (1955): Modernes Italienisch. Praktisches Lehrbuch der italienischen Sprache. Zweite, verbesserte und erweiterte Auflage, Halle (Saale), VEB Max Niemeyer. • Frenzel, Herbert/ Hermann Willers (1968): Langenscheidts Praktisches Lehrbuch Italienisch. 2., erneuerte Auflage, München, Langenscheidt. • Brambilla, Rosanna et al. (1986): Buongiorno! Italienisch für Fortgeschrittene, Stuttgart/ Dresden, Klett. • Bozzone Costa, Rosalia/ Piantoni, Monica/ Scaramelli, Elena/ Ghezzi, Chiara (2014): Nuovo contatto C1. Corso di lingua et civiltà italiana per stranieri, Torino, Loescher Editore. Die Lehrwerke bis in die 1970er Jahre sind in erster Linie an Selbstlerner adressiert, sind aber laut den Empfehlungen im Vorwort auch für den Einsatz an Schulen und teilweise an Universitäten geeignet. Die beiden letztgenannten Lehrwerke ( Buongiorno! und Nuovo contatto ) sind primär für die Arbeit mit Lernenden an Volkshochschulen konzipiert, finden bzw. fanden jedoch auch Verwendung im universitären Italienischunterricht. Obwohl sich das Korpus durch eine gewisse Heterogenität bezüglich der anvisierten Zielgruppen auszeichnet, erscheint es aufgrund der möglichen bzw. tatsächlichen Verwendung aller Bände im (hoch-)schulischen Unterricht vertretbar, den Vergleich auf den angegebenen Werken aufzubauen, da sich Entwicklungen im Laufe der Zeit manifestieren. 3 Ergebnisdiskussion In den folgenden Abschnitten steht eine detaillierte Sichtung der Lehrwerke des Korpus hinsichtlich ihrer didaktischen Konzeption, mit einem Fokus auf der Berücksichtigung kommunikativ-pragmatischer Ansätze, im Zentrum. In diesem Rahmen spielen bei den frühen Lehrwerken die im Vorwort formulierten methodischen Überlegungen eine zentrale Rolle, welche im Anschluss mit der Umsetzung in Lektionstexten abgeglichen werden. In den neueren Lehrwerken tritt die Bedeutung des Vorworts hinter den Klappenbzw. Buchrückentext zurück, die leicht zugänglich die verkaufsfördernden Aspekte des Lehrwerks hervorheben sollen. 3.1 Die “Kleine italienische Sprachlehre” (1924) Das älteste Lehrwerk im Korpus richtet sich, wie sich aus dem Titel bereits schließen lässt, an Lernende an Schulen. Ebenso ist es für das Selbststudium geeignet. Abb. 1: Kleine italienische Sprachlehre Die didaktische Konzeption deutschsprachiger Italienischlehrwerke 251 252 Nadine Rentel Das Vorwort ist stark verkaufs- und aus heutiger Sicht marketingorientiert und hebt die Vorteile der Sprachlernmethode „Methode Gaspey-Otto-Sauer“ hervor: Die Lehrbücher zum Studium der neueren Sprachen nach der Methode Gaspey-Otto-Sauer sind über das gesamte In- und Ausland verbreitet und haben sich innerhalb der letzten Jahrzehnte einen Weltruf erworben, […]. Ihre Vorzüge […] sind folgende: Dem Lernenden wird hier […] durch eine große Zahl Gelehrter und im Unterricht praktisch erfahrener Männer der gesamte Stoff so leichtverständlich und übersichtlich wie nur eben möglich dargeboten. Wirksam unterstützt wird die Leichtfaßlichkeit schon rein äußerlich durch eigens für diesen Zweck ausgearbeitete Tabellen und Schemata sowie durch die Anwendung eines entsprechenden Druckes, wodurch sich vieles schon beim Lesen dem Gedächtnis einprägen kann. Planmäßig und vorsichtig, im wahrsten Sinne des Wortes stufenweise, erfolgt der Fortschritt vom Bekannten zum Unbekannten […]. Befestigt wird das Erlernte in ständigen, mit dem Neuen verknüpften Wiederholungen. (S. 1, Anhang) Hervorgehoben wird neben der internationalen Verbreitung der Methode ihre jahrzehntelange Tradition. Ein Vorteil für die Lernenden sei die leicht verständliche und übersichtliche Vermittlung des Stoffs, wobei die Urteilsinstanz stets ausgewiesene Experten des Italienischen sind, die über die Aufnahme sprachlichen Materials in das Lehrwerk entscheiden. Auch formale Charakteristika spielen zu diesem frühen Zeitpunkt, zu dem die Gestaltung des Layouts weitaus weniger Möglichkeiten zuließ als in der Gegenwart, eine Rolle. Insbesondere die Memorisierung der Lerninhalte gestalte sich durch den geschickten Einsatz typographischer Mittel sozusagen als Automatismus. Angesprochen wird weiterhin die didaktische Progression („stufenweises“ Vorgehen, vom Bekannten zum Unbekannten) als Kernelement der didaktischen Konzeption, wobei die Festigung der Inhalte in erster Linie durch Wiederholungen („pattern drill“) erzielt werden soll. Verkaufsargumente sind schließlich noch „der billige Preis und die gute Ausstattung“. Als „Beweis“ für den Erfolg der Methode wird ein „hervorragender Pädagoge“ zitiert, der die Unentbehrlichkeit der Lehrbücher hervorhebt. Neben der grammatikalischen Korrektheit finden die Aspekte des konkreten Sprachgebrauchs und der Mündlichkeit in der Konzeption des Lehrbuchs Berücksichtigung. Sprache wird als etwas „Lebendiges und Anwendbares“ präsentiert, was die Frage aufwirft, ob es sich an dieser Stelle, zumindest auf theoretischer Ebene, um erste Ansätze pragmalinguistischer Prägung handelt. Die Lernenden werden ermuntert, „selbständig Gespräche zusammenzustellen“, was auf einen zumindest grundlegenden Stellenwert der mündlichen Kommunikation hinweist; offen bleibt aber die Frage nach der Authentizität der Sprachproduktion. Die Sprachverwendung soll jedoch „immer grammatisch korrekt“ sein; dies wird sichergestellt durch „die gediegene grammatische Grundlage“, so dass kein Abrücken vom Primat der grammatischen Korrektheit zu konstatieren ist. Fehler in der Sprachproduktion sollen möglichst vermieden werden („Die nötige Sicherheit, das richtige Können wird erworben, wodurch gleichzeitig hilfloses Tasten und fehlerhaftes Entgleisen nach Möglichkeit vermieden wird.“, S. 2, Anhang) und werden als Hindernis angesehen, abweichend von unserer heutigen Auffassung vom Fehler als notwendiger Erscheinung im Spracherwerbsprozess: Den Fehler als Sünde zu bezeichnen - diese Einstellung fand man noch bei vielen Forschern Anfang der Sechzigerjahre vor. […] Seit dem Ende der 60-er Jahre hat sich die Einsicht durchgesetzt, dass man eine Sprache […] nicht vorrangig über die möglichst fehlerfreie Imitation von sprachlichen Vorbildern lernt. […] Der Fehler spielt nun seit Ende der 60-er Jahre in der Forschung eine zentrale und positive Rolle. Man geht davon aus, dass er beim kreativen Prozess der Aneignung einer Fremdsprache unumgänglich ist, ja dass er diesen Prozess sogar widerspiegeln und man eben an einigen Fehlern besonders gut erkennen kann, was eventuell im Gehirn des Lernenden vor sich geht, vielleicht sogar, welche Lernschwierigkeiten auftreten. (Kleppin 2000, 51 f.) Das Vermitteln von Regelwissen wird abgerundet durch die praktische Anwendung in Form von Musterbeispielen und Übungssätzen, wie sie im Kontext der Grammatik-Übersetzungs-Methode üblich sind. Komplettiert werden die Lektionen durch Konversationsübungen, die der Kontrolle des Lernfortschritts gelten; zu diesem Zweck sollen fiktive Dialoge zwischen Lehrer und Schüler gebildet werden. Angestrebt wird zudem die „Selbständigkeit“ der Lernenden bzw. die Motivation, Lernfortschritte zu machen. Diese Zielsetzung weist Parallelen zu den Ansätzen moderner Lehrwerke auf, die den Lernenden Methodenwissen und Lernstrategien vermitteln möchten. Der Erwerb landeskundlicher und schriftsprachlicher Kompetenzen soll durch das Lehrwerk ebenfalls sichergestellt werden („[…] das ihn zugleich zu gründlicher Kenntnis von Land und Leuten, von ihrer Geschichte, ihren Zuständen, Sitten und Gebräuchen mühelos führt.“, S. 2, Anhang). Im Kontext des Erwerbs der Schriftkompetenz werden ausgewählte Textsorten eingeübt: Hand in Hand mit dem mündlichen Gebrauch der Fremdsprache geht die schriftliche Übung. Durch eine planmäßige, neuartige und dabei einfache Methode lernt der Schüler hier, nicht nur Übungssätze […] auch schriftlich fehlerfrei wiederzugeben, sondern […] über naheliegende oder vorbereitete Gegenstände einen kürzeren Aufsatz niederzuschreiben oder einen Brief abzufassen, und zwar in guter, richtiger Sprachweise. (S. 3, Anhang) Die didaktische Konzeption deutschsprachiger Italienischlehrwerke 253 254 Nadine Rentel Die Verfasser stellen die Authentizität der verwendeten Sprachbeispiele heraus; die Äußerungen unterlägen einem geringen Planungsgrad und seien nicht korrigiert: „[…] wird dem Lernenden doch von vornherein die idiomatische, gesprochene Fremdsprache geboten, die nicht konventionell zurecht gemacht ist, sondern die Eigenheiten der unmittelbaren Sprachäußerung zeigt.“ (S. 3, Anhang). Unklar bleibt, wie sich in der konkreten Ausgestaltung der Lektionstexte die Vereinbarkeit zwischen der angestrebten Authentizität sprachlicher Äußerungen und dem Fokus auf dem Vermeiden von Fehlern sicherstellen lässt. Schließlich wird angestrebt, dass die Lernenden die korrekte Aussprache des Italienischen erwerben: Ebenso peinlich sorgt die Methode Gaspey-Otto-Sauer für die Aneignung einer korrekten Aussprache der Fremdsprache. Darum hat der Verlag keine Opfer gescheut, in seinen Lehrbüchern die Aussprachebezeichnung des Welt-Lautschrift-Vereins […] einzuführen, da dies die beste und verbreitetste aller bestehenden Lautschriften ist und die denkbar genaueste Angabe der Aussprache gestattet. (S. 3, Anhang) Im Folgenden soll überprüft werden, in wieweit die im Vorwort formulierten Ansprüche an das Lehrwerk in den Lektionen umgesetzt werden. Zu diesem Zweck soll die erste Lektion, in der die Formen und die Funktion des Artikels vermittelt werden, näher betrachtet werden. Im Rahmen der Vermittlung grammatischer Regeln wird auf den Gebrauch von Fachterminologie verzichtet. Die zentralen grammatischen Kategorien, die in der Lektion behandelt werden, werden in der Überschrift auch auf Italienisch bezeichnet, ansonsten ist die Metasprache Deutsch. Erste kontrastive Ansätze in der Fremdsprachenvermittlung zeigen sich, wenn Unterschiede zum Deutschen aufgezeigt werden. Das Beispiel der ersten Lektion macht deutlich, dass ausschließlich Übersetzungsübungen zur Festigung des Stoffs eingesetzt werden, was der damals verbreiteten didaktischen Konzeption entspricht. Vermutlich bedingt durch den Mangel an methodischer Variation fehlt eine Aufgabenstellung, so dass aus heutiger Sicht unklar bleibt, was von den Lernenden in den Übungen verlangt wird. So verweist der Autor beispielsweise auf die Tatsache, dass es im Italienischen „ein männliches und weibliches Geschlecht“ beim bestimmten Artikel gibt, während „das sächliche Geschlecht“ nicht vorkommt Abb. 2: Lektionstext der „Kleinen italienischen Sprachlehre“ Als Fazit ist festzuhalten, dass der immer wiederkehrende Verweis auf die sprachliche Korrektheit zentraler Bestandteil der Konzeption des Lehrwerks ist und dass authentische Sprechanlässe, anders als im Vorwort angekündigt, nicht geschaffen werden. Die Forderung nach Authentizität der Sprachbeispiele wird in den Lektionen nicht eingelöst, so dass deutliche Widersprüche zwischen Anspruch und Umsetzung in den Lektionen zu konstatieren sind. Da aus Platzgründen nicht alle Lehrwerke im Detail vorgestellt werden können, soll an dieser Stelle angemerkt werden, dass die Gliederung in „Italienisch lernen - eine Freude“ von der Kleinen italienischen Sprachlehre dahingehend abweicht, dass die Behandlung des Artikels nicht in einer Lektion erfolgt, sondern aufgegliedert wird in die Darstellung „Das männliche Geschlecht“ und „Das weibliche Geschlecht“. Auch hier ist die Metasprache Deutsch; Italienisch tritt in der Überschrift auf, wenn es um die Nummerierung („lezione terza“) der Lektionen und um die Bezeichnung grammatischer Kategorien geht, die behandelt werden. Auf Fachtermini wird ebenfalls verzichtet. 3.2 Exkurs: „In Italia“ (1941) Bei dem untersuchten Konversationsbuch „In Italia“ handelt es sich um ein „praktisches Gesprächsbuch für Italienischlernende“ (von A. Scanferlato in der zweiten Auflage, die erste stammt aus dem Jahr 1939), das dem Grammatikerwerb ergänzend zur Seite gestellt werden soll. Aus dieser Zielsetzung wird deut- Die didaktische Konzeption deutschsprachiger Italienischlehrwerke 255 256 Nadine Rentel lich, dass Grammatik und Kommunikationsfähigkeit als voneinander trennbare Bereiche angesehen werden. Abb. 3: In Italia Nach Ansicht des Herausgebers liegen dem Grammatikerwerb kognitive Fähigkeiten zugrunde, wohingegen die Kunst der Konversation „intuitiv erfasst“ werden könne, und zwar in erster Linie durch Nachahmen: Das Studium der Grammatik ist unerlässlich, wenn man eine fremde Sprache lernen will, aber die Grammatik hält sich vor allem an den Verstand und an die Logik. Eine Sprache muss jedoch auch intuitiv erfasst werden. […]. Sehr zu empfehlen ist, dass der Lehrer Stück für Stück laut vorliest und der Schüler sich bemüht, den Klang der Sprache nachzuahmen. Die Worte, die Eigenart der Satzform und der Ausdrucksweise wird der Schüler leichter erfassen und sich merken, wenn er den Rhythmus und den Klang der Sprache im Ohre hat. (Vorwort) Die Methode basiert im Wesentlichen auf dem „Lesen und Üben von Alltagsgesprächen“; mündliche Kommunikation wird somit medial schriftlich vermittelt. Das Postulat der Authentizität des dargebotenen Sprachmaterials („Die hier zusammengestellten Unterhaltungen sind so, wie sie dem Fremden, der sich in Italien aufhält, täglich begegnen.“ (Vorwort) erscheint bei Sichtung der Dialoge fraglich. Die mündliche Kommunikationsfähigkeit soll anhand mechanistischer Wiederholungen und Auswendiglernen gefördert werden; echte Sprechanlässe werden nicht geschaffen. Interessant bei der Analyse des Konversationsbuchs ist die Widerspiegelung politischer Ereignisse in den Lektionstexten, was sich in den gewählten Themenbereichen und auf der Ebene des vermittelten Vokabulars manifestiert. In vielen Lektionen wird Kriegsvokabular vermittelt, und die fiktiven Dialoge tragen Titel wie „Ein Fremder und ein Soldat gehen zusammen ein Stück Wegs“, „Unsere Soldaten in Afrika“ oder „Meine erste Begegnung mit dem Feind“. In der Regel steht dabei die fiktive Begegnung deutscher und italienischer Soldaten im Mittelpunkt, die sich über ihre persönlichen Erfahrungen im Kriegsalltag austauschen. Da diese Besonderheit ein Themenschwerpunkt für eine eigene wissenschaftliche Beschäftigung mit Lehrwerken im Wandel der Zeit wäre, sei an dieser Stelle nur kurz darauf verwiesen. 3.3 Modernes Italienisch (1955) Die Veröffentlichung des Lehrbuchs schließt nach Auffassung des Autors eine bestehende Lücke auf dem Buchmarkt und markiert einen Neuanfang nach dem zweiten Weltkrieg. Das Vorwort zur ersten Auflage des Lehrwerks, welches sich sowohl an Selbstlernende als auch an Lehrer an Schulen richtet, ist im Vergleich zur „Kleinen italienischen Sprachlehre“ relativ kurz gehalten. Dies spiegelt sich auch im Umfang des Vorwortes wieder, und umfasst lediglich eine Seite. Zudem weist das Vorwort einen weitaus geringeren Grad an Marktorientiertheit auf. Der Herausgeber listet im Vorwort seine Erfahrungen in der Sprachvermittlung Italienisch auf und hebt so seine Kompetenzen hervor: Um den Mangel an einem Lehrbuch der italienischen Sprache zu beheben, habe ich mein „Modernes Italienisch“ herausgegeben, das den Anforderungen eines neuzeitlichen, lebendigen Sprachunterrichtes entspricht. Es ist meines Wissens die erste Grammatik, die nach dem Kriege erscheint. (o.S., Vorwort zur ersten Auflage) Die Aussage, es handele sich um „die erste Grammatik, die nach dem Kriege erscheint“, wirft die Frage auf, ob es sich um eine Gleichsetzung von Lehrbuch und Grammatik handelt. Die Darstellung der grammatischen Regeln soll „übersichtlich und klar formuliert“ sowie durch „Beispiele und italienisch-deutsche Übungssätze belegt“ sein. Da der Fokus auf dem modernen Italienisch liegt, verzichtet der Autor explizit auf „Anmerkungen über die Entwicklung der Sprache […], die in eine historische Grammatik hineingehören“. Die didaktische Konzeption deutschsprachiger Italienischlehrwerke 257 258 Nadine Rentel Abb. 4: Modernes Italienisch Die Lektionen setzen sich zusammen aus dem Vermitteln grammatischer Regeln, Übersetzungsübungen sowie aus „Vokabeln aus dem täglichen Leben und kurzen Lesestücken aus der modernen italienischen Literatur.“ Im Unterschied zur „Kleinen italienischen Sprachlehre“ kommen ergänzend zu den Einsatz- und Übersetzungsübungen in den Lektionen Leseübungen hinzu, wobei jedoch nur literarische Texte berücksichtigt werden („Das Lehrwerk soll nicht nur ein guter Wegweiser sein, sondern darüber hinaus die Liebe zu Dantes klangvoller Sprache erwecken.“). Der Gebrauch von Fach- und Gemeinsprache hinsichtlich der Bezeichnung grammatischer Kategorien alterniert. Zentrale italienische Entsprechungen werden angegeben. Die Präsentation des Artikels erfolgt aufgeteilt in zwei Lektionen bzw. „Stunden“ (der bestimmte und der unbestimmte Artikel). Zentrale grammatische Termini werden unmittelbar neben den deutschen Bezeichnungen auch auf Italienisch vorgestellt, z. B. „Die italienische Sprache hat nur zwei Geschlechter: Maskulinum maschile und Femininum femminile. “ Auf Unterschiede zum Deutschen wird teilweise implizit („hat nur zwei Geschlechter“ > Bezugsgröße ist das Deutsche) oder explizit hingewiesen („Anders als im Deutschen …“). Hinsichtlich des Gebrauchs der deutschen Terminologie fallen Inkonsistenzen auf, da beispielsweise bei der Bezeichnung der Genera Fach- und Gemeinsprache scheinbar willkürlich alternieren: Einerseits wird von „Geschlecht“ statt von „Genus“ gesprochen, dann wiederum werden einleitend die Fachtermini „Maskulinum“ und „Femininum“ verwendet, in den Beispielen und Explikationen aber „Die männliche Form“ und „vor männlichen Wörtern“. Bezeichnungen wie „Singular, Plural, Adjektiv“ werden als bekannt vorausgesetzt und in den Erklärungen verwendet. In den Übungen soll vom Italienischen ins Deutsche und umgekehrt übersetzt werden; eine konkrete Aufgabenstellung fehlt jedoch, wie bereits für die Kleine italienische Sprachlehre angemerkt. 3.4 „Langenscheidts Praktisches Lehrbuch Italienisch“ (1968) Zielgruppe von Langenscheidts Praktischem Lehrbuch Italienisch sind Lernende, die sich “über die bloße Verständigungsmöglichkeit hinausgehend” mit der italienischen Sprache beschäftigen möchten. Vor dem Hintergrund der kommunikativ-pragmatischen Wende überrascht es, welch marginaler Stellenwert dem Schaffen von Sprechanlässen in der didaktischen Konzeption (laut Vorwort) sowie in der Ausgestaltung der Übungen in den einzelnen Lektionen zugeschrieben wird: Das Lehrbuch stellt ein wissenschaftlich fundiertes Werk zur gründlichen Erlernung der italienischen Sprache dar und will die Ansprüche derjenigen Kreise befriedigen, die sich, über das Ziel der bloßen Verständigungsmöglichkeit hinausgehend, eingehender mit dem Studium der Fremdsprache befassen möchten. (o.S., Vorwort zur ersten Auflage) Das „eingehende Befassen“ mit der Fremdsprache ist in diesem Kontext wohl so aufzufassen, dass der korrekte Gebrauch grammatischer Strukturen als Lernziel dem „bloßen Kommunizieren“ übergeordnet ist; der angemessene Gebrauch sprachlicher Mittel tritt hinter die grammatikalische Korrektheit zurück. In den Übungen werden somit auch keine Sprechanlässe geschaffen, sondern den Lernenden werden Grammatik- und Übersetzungsübungen angeboten. Im Vorwort wird jedoch der Anspruch formuliert, dass eben diese Übungen „den Lernenden befähigen sollen, das richtige Sprachgefühl zu erwerben und sich korrekt auszudrücken.“ Nicht explizit gemacht wird dabei, was unter „Sprachgefühl“ verstanden wird; eine reine Intuitivität im Sinne von kommunikativ-pragmatischen Fertigkeiten würde der Zielsetzung des Lehrbuchs entgegenlaufen. Bedeutet „Sprachgefühl“ also das fehlerfreie Beherrschen der Fremdsprache? Ein Grund für das Festhalten an der altbekannten Grammatik-Übersetzungsmethode mag eine Übernahme der didaktischen Prinzipien früherer Auflagen sein, da sich die kommunikativ-pragmatische Wende bei der Konzeption des Lehrwerks gerade in ihren Anfängen befand. 3.5 „Buongiorno! “ (1986) Im Rahmen der Analyse eines Lehrwerks aus den 1980er Jahren, das unmittelbar nach der kommunikativ-pragmatischen Wende konzipiert worden und erschienen ist, stellt sich besonders eindringlich die Frage, ob der Anspruch nach Vermittlung kommunikativ-pragmatischer Kompetenzen in den Lektionen eingelöst und auf welche Weise die metapragmatische Ebene berücksichtigt wird. Da das Lehrwerk, wie in der Einleitung erwähnt, statt eines Vorworts lediglich über einen Klappentext verfügt, steht die nähere Betrachtung des Inhaltsverzeichnisses im Mittelpunkt. Die didaktische Konzeption deutschsprachiger Italienischlehrwerke 259 260 Nadine Rentel Ein Blick auf das Inhaltsverzeichnis macht deutlich, dass dieses auf der Basis von drei Kategorien (Themen; Kommunikative Ziele; Grammatik) strukturiert ist. Der Komplex zu den Themen beinhaltet die Überschriften zu den einzelnen Lektionstexten, während bei der Angabe der kommunikativen Ziele Sprechakte angeführt werden, welche die Lernenden in einer Lektion erwerben sollen. In den Lektionstexten werden somit sprachliche Strukturen zum Erreichen bestimmter Ziele bzw. zur Bewältigung kommunikativer Aufgaben vorgestellt und eingeübt. Der Erwerb kommunikativer Fähigkeiten und Strategien steht im Zentrum des Lehrwerks, während die Grammatik weiterhin als unabdingbar für den Erwerb der Fremdsprache angesehen wird, jedoch nicht mehr an erster Stelle steht und nicht ausschlaggebend für die Gliederung des Lehrwerks ist, die sich an inhaltlich-thematischen Prinzipien orientiert. 3.6 „Nuovo contatto C1“ (2014) Das Lehrwerk gliedert sich in 10 thematische Einheiten, wobei laut Klappentext gesellschaftliche und kulturelle Gegebenheiten des modernen Italien berücksichtigt werden („10 unità tematiche che fotografano le diverse sfaccettature dell‘Italia contemporanea attraverso i cambiamenti in atto nella società e nella cultura.“, Klappentext, Rückseite des Lehrwerks). Die Gliederung in thematische Einheiten stellt einen deutlichen Unterschied zu den frühen Lehrwerken dar, deren Aufbau sich an der grammatischen Progression orientiert. Anders als die bis zu dieser Stelle besprochenen Lehrwerke ist „Nuovo contatto“ nicht dezidiert an deutsche Lernende gerichtet (die Metasprache ist Italienisch). Ein weiterer Unterschied zu den anderen Lehrwerken des Korpus besteht darin, dass es an fortgeschrittene Lerner adressiert ist, was sich durch die Einstufung auf dem Kompetenzniveau C1 des Europäischen Referenzrahmens erschließen lässt. An jede thematische Einheit schließt sich ein Übungsteil an: ausgehend von testi-input zu unterschiedlichen Textsorten und Formalitätsgraden werden Übungen zum Textverstehen und zur Textproduktion angeboten. Ergänzend werden Informationen zu kulturellen Besonderheiten, zum Wortschatz und zu Lernstrategien vermittelt. Besondere Berücksichtigung im Lehrwerk (in den Rubriken „Il caffè letterario“ und „La lingua di …“) finden die Formen und Funktionen unterschiedlicher Fachtextsorten. Die Herausgeber weisen der Vermittlung kommunikativ-pragmatischer Kompetenzen einen zentralen Stellenwert zu, da insbesondere die Fähigkeit zur Textanalyse dem Ausbilden einer diskursiven Handlungsfähigkeit dient, deren spezieller Fokus auf der Argumentation sowie auf Verhandlungsstrategien liegt. Den Lernenden werden im Detail die Bezüge zwischen einzelnen lexikalischen Einheiten im Wortschatz des Italienischen aufgezeigt („Ampio spazio viene dato al lavoro lessicale su sinonimia, collocazioni, variazioni di registro, espressioni idiomatiche, regole di formazione.“, Klappentext, Rückseite des Lehrwerks). Eingesetzt werden unterschiedliche Textsorten und unterschiedliche mediale Realisierungen. In jeder Lektion stehen vier Kategorien im Zentrum, die deutlich machen, welche Kompetenzen auf den unterschiedlichen Ebenen vermittelt werden sollen: Percorsi e temi [Themenbereiche und Überschriften der Lektionstexte], Generi testuali e abilità [Textsorten und kommunikative Fähigkeiten/ Strategien], Lessico/ testualità [Wortbildungsverfahren, idiomatische Wendungen, Relationen im Wortschatz, kommunikative Fähigkeiten], Grammatica [zu erlernende grammatische Strukturen und deren Funktionen]. Innerhalb der Kategorien wird angegeben, mittels welcher Medien bzw. Textsorten der Themenblock behandelt wird; es treten z. B. schriftlich realisierte Texte, Videosequenzen oder Audiodateien auf; auch der Multimedialität der Lebensrealität der Lernenden wird Rechnung getragen. Für die Bereiche der Lexik und der Grammatik werden Input und Übungssequenzen miteinander kombiniert. Was die Sozialformen der Übungen betrifft, so wird ein Methodenmix aus Partner- und Gruppenarbeit verwendet. Zum Einstieg in die Behandlung einer grammatischen Kategorie sollen die Lernenden selber Regeln finden. Die Kreativität der Lernenden wird beispielsweise durch das eigene Erstellen einer Werbekampagne und durch Textanalysen gefördert. Es wird deutlich, dass die Grammatik den Inhalten und dem Erwerb pragmatisch-kommunikativer Kompetenzen untergeordnet wird, was sich auch darin widerspiegelt, dass die Grammatik als letzte Kategorie, hinter kommunikativen Zielen und Strategien, aufgeführt wird. Dies ist insbesondere bemerkenswert, da seit der kommunikativen Wende des Fremdsprachenunterrichts in den 1970er Jahren häufig pragma-linguistische Aspekte bei der Gestaltung der Lehrwerke an Bedeutung gewonnen haben, sich aber die grundlegende Gliederung der Lehrwerke nicht verändert hat. Mögliche Gründe dafür könnten sein, dass sich eine Progression nur anhand pragmatischer Fertigkeiten schwierig gestaltet; zudem können einzelne Sprechakte mittels einer Vielzahl sprachlicher Strukturen ausgedrückt werden. Das Inhaltsverzeichnis liefert eine detaillierte Übersicht über den Aufbau und die Ziele jeder Lektion. Es wird verdeutlicht, anhand welcher Texte bestimmte Fertigkeiten vermittelt und eingeübt werden sollen. Was aber fehlt, ist das Markieren sprachlicher Mittel, mit denen bestimmte kommunikative Funktionen realisiert werden können (d. h. eine explizite Zuordnung von Sprechabsichten zu Ausdrucksressourcen). Eine stringente Zuordnung grammatischer Strukturen zu Sprechabsichten erfolgt nicht, sondern Kommunikationsanlässe werden innerhalb der ersten drei Kategorien hergestellt. Die „pragmatische Instruktion“ (nach Warga 2004, 359) in dem Sinne, dass Unterrichtsaktivitäten angeboten werden, die bewusst die pragmatischen Kompetenzen der Lernenden fördern, wird jedoch umgesetzt. Die didaktische Konzeption deutschsprachiger Italienischlehrwerke 261 262 Nadine Rentel Lediglich die Vermittlung metapragmatischer Kompetenzen kommt etwas zu kurz (die „explizite Instruktion“ nach Warga 2004, 359). Das Schaffen „echter kommunikativer Bedürfnisse“ ist jedoch im Unterricht ohnehin problematisch, da die Kommunikationssituation immer konstruiert und die Authentizität der Texte eingeschränkt ist. Das Lehrwerk bietet jedoch gute Ansätze, auf der Basis eines breiten Spektrums verwendeter Texte, die sich nahe an der Lebenswirklichkeit der Lernenden bewegen (z. B. Werbung, Soziale Medien) und geeignet sind, in den Übungen kommunikative Bedürfnisse auf der Seite der Lernenden zu wecken. 4 Zusammenfassung und Ausblick Der Vergleich ausgewählter Italienisch-Lehrwerke des frühen 20. Jahrhunderts mit modernen Lehrbüchern zeigt eine Verschiebung von einem Fokus der Vermittlung grammatischen Regelwissens zu einer Methodenvielfalt. Eine Analyse der Vorworte der frühen Werke macht deutlich, dass kommunikativ-pragmatische Kompetenzen zum Teil bereits auf der Ebene der methodischen Reflexion älterer Lehrwerke Erwähnung finden, während sie in späteren Lehrwerken hinter die grammatische Korrektheit zurückgestellt werden. Zumindest theoretisch wird ein Anspruch auf den Erwerb kommunikativ-pragmatischer Kompetenzen erhoben, und auch die mündliche Kommunikationsfähigkeit spielt eine Rolle. In den Lektionstexten werden diese Anforderungen hingegen nicht umgesetzt, da letztendlich das Primat der sprachlichen Korrektheit vor der kommunikativen Kompetenz bestehen bleibt. In diesem Zusammenhang muss auf das Spannungsfeld zwischen den eigenen Ansprüchen der Lehrbuchautoren und den wirtschaftlichen Zwängen der Verlage hingewiesen werden; diese Heterogenität in den Zielsetzungen spiegelt sich sehr deutlich in den frühen Lehrwerken wider, deren Vorworte stark verkaufsorientiert sind. In den neueren Lehrwerken werden vielfältige Kommunikationsanlässe geschaffen, wobei Verbesserungebedarf hinsichtlich der metapragmatischen Ebene besteht. Interessanterweise finden Ansätze der kommunikativen Didaktik um 1970, also um die kommunikativ-pragmatische Wende herum, keinen Widerhall in dem untersuchten Lehrwerk, das sich durchgehend an den bis dato geltenden Prinzipien orientiert und im Gegenteil der grammatischen Korrektheit einen höheren Stellenwert einräumt als der kommunikativen Kompetenz. Über die Jahrzehnte hinweg ist zu beobachten, dass Grammatik (bzw. sprachliche Korrektheit) einerseits und kommunikative Kompetenzen andererseits in einem Konkurrenzverhältnis zueinander stehen. Erst ab den 1980er Jahren wird die grammatische Korrektheit zugunsten der Bewältigung konkreter Sprechanlässe zurückgestellt. Zu konstatieren ist somit ein Auflösen der Periodisierungen, die sich an den bekannten Methoden des Fremdsprachenunterrichts festmachen lassen. Neben dem Widerspiegeln gesellschaftlicher Rahmenbedingungen in den Lehrwerken fällt auf, welch unterschiedlicher Stellenwert der Wahl von Textsorten zugrunde liegt (Gebrauchstexte, Fachtexte, literarische Texte, usw.). Die Ergebnisse der Studie haben lediglich eingeschränkte Gültigkeit, da es sich um eine punktuelle, qualitativ orientierte Studie handelt. Um allgemeingültige Aussagen treffen zu können, müssten jeweils mehrere Lehrwerke pro Zeitabschnitt untersucht werden; gleichwohl konnten einige Tendenzen aufgezeigt werden. Im Rahmen einer weiteren Untersuchung erscheint es vielversprechend, die Konzeption derjenigen Lehrwerke, die in Deutschland und somit für Lernende mit deutscher Muttersprache erstellt wurden, mit dem Aufbau und den Zielen von Lehrwerken zu vergleichen, die aus Italien stammen. Die Frage, die mit Hilfe einer solchen vergleichenden Studie beantwortet werden könnte, wäre die nach dem Widerspiegeln nationaler Bildungstraditionen in den Lehrwerken. Interessant wäre weiterhin eine genauere Differenzierung der Zielgruppen, um festzustellen, auf welche Weise sich die Konzeption von Lehrwerken, die sich an Lernende an Schulen richten, von den Publikationen unterscheiden, die für den hochschulischen Unterricht erstellt worden sind. 5 Bibliographie 5.1 Analysierte Lehrwerke Bozzone Costa, Roselia/ Piantoni, Monica/ Scaramelli, Elena/ Ghezzi, Chiara (2014): Nuovo contatto C1. Corso di lingua et civiltà italiana per stranieri, Torino, Loescher Editore. Brambilla, Rosanna et al. (1986): Buongiorno! Italienisch für Fortgeschrittene, Stuttgart/ Dresden, Klett. Frenzel, Herbert/ Willers, Hermann (1968): Langenscheidts Praktisches Lehrbuch Italienisch. 2., erneuerte Auflage. München, Langenscheidt. Macchi, Vladimir (1955): Modernes Italienisch. Praktisches Lehrbuch der italienischen Sprache. Zweite, verbesserte und erweiterte Auflage, Halle (Saale), VEB Max Niemeyer. Politi, Francesco (1938): Italienisch lernen - eine Freude, Zürich, Rascher. Sauer, Carl Marquard (1924): Kleine italienische Sprachlehre für den Gebrauch in Schulen und zum Selbstunterricht. Fünfzehnte, verbesserte Auflage, Heidelberg, Julius Groos. 5.2 Sekundärliteratur Austin, John L. (1962): How to do things with words, Oxford, Clarendon Press. Die didaktische Konzeption deutschsprachiger Italienischlehrwerke 263 264 Nadine Rentel House, Juliane (1996): „Developing pragmatic fluency in English as a foreign language. Routines and metapragmatic awareness”, in: Studies in Second Language Acquisition- 18, 225-252. Kleppin, Karin (2000): Fehler und Fehlerkorrektur, Berlin u. a., Langenscheidt. Knapp-Potthoff, Annelie (1977): „Linguistische Pragmatik und Fremdsprachenunterricht - Probleme eines Verwertungszusammenhangs“, in: Linguistische Berichte 50, 58-75. Kunkel, Melanie (o. J.): „Pragmatische Aspekte im Italienischlehrwerk In piazza “, Fortbildungsskript der Digitalen Schule Bayern, www.digitale-schule-bayern.de/ dsdaten/ 495/ 7.pdf (18.04.2020). Meibauer, Jörg (2006): Pragmalinguistik . 2., verbesserte Auflage, Tübingen, Stauffenburg. Neuner, Gerhard/ Hunfeld, Hans (2004): Methoden des fremdsprachlichen Deutschunterrichts. Eine Einführung, Berlin u. a., Langenscheidt. Searle, John R. (1969): Speech Acts, Cambridge, Cambridge University Press. Warga, Muriel (2014): „Soll Pragmatik im Französischunterricht gelehrt werden? Eine Untersuchung am Beispiel von Aufforderungen“, in: Französisch heute 4, 352-362. Les mots voyagent autant que les hommes ‒ Potentiale der Mehrsprachigkeitsdidaktik in dia-und synchroner Perspektive Sylvia Thiele (Mainz) 1 Einleitung Das intensive Studium der romanischen Sprachen als Fremdsprachen - v. a. in sprachvergleichender Perspektive - beginnt spätestens in der frühen Neuzeit. Für methodische Konzepte, deren Ziel es ist, Lernende mehrsprachig auszubilden, lässt sich ein europäisches Kontinuum über Jahrhunderte hinweg ausmachen. Struktur und Motivation der Zielgruppen variieren in diachroner Perspektive, spezifische, gewissermaßen handwerkliche, methodische Vorgehensweisen müssen jedoch Ähnlichkeiten und Berührungspunkte aufweisen. Der Beitrag zeigt zum einen diese diachrone Perspektive auf und fokussiert einen ‚roten Faden‘ in der sprachvernetzenden Unterrichtsmethodik im Überblick. Zum anderen nimmt er aktuelle Fremdsprachenlerner in den Blick, die durch Migration allochthon mehrsprachig sind und deren Herkunftssprachen großes Potential für den mehrsprachigkeitsdidaktisch orientierten FSU bieten. Den folgenden Ausführungen zur Polyglossie und ihrer Didaktik sei das Motto der Reise vorangestellt: Positive Konnotationen zu diesem Thema sind sicherlich Ferien, Erholung, Studienbzw. Sprachreisen mit dem Ziel, neue Kulturen kennenzulernen, Dienstreisen, diplomatisch-politisch motivierte Reisen, Abenteuer - vielleicht dann aber auch Beschwerlichkeit, Gefahren, Reise als Aufbruch, u. U. zu einer Veränderung der eigenen Lebenssituation, ggf. sogar die Reise als Flucht oder - unterstellen wir weniger friedliche Absichten - als ein Aufbruch zur territorialen Eroberung. Bei all diesen ‚Reisen‘ bewegen sich Menschen - und damit auch Wörter, mehr noch, Sätze, Geschichten, also Sprachen - von einem Ort zum anderen. Und auf all diesen eben erwähnten Reisen ist Kommunikation zwischen Menschen erforderlich, verschiedene Sprachen müssen verstanden werden - und sofern dies nicht durch individuelle Mehrsprachigkeit gegeben ist, mussten schon immer, müssen und werden mehrere Sprachen erworben werden. 266 Sylvia Thiele Mehrsprachigkeit meint hier nicht nur die bloße Koexistenz mehrerer Sprachen oder Varietäten in der Romania, sondern die bewusste Nutzung operabler - aktiver und passiver - Sprachkenntnisse und sprachübergreifender Lernerfahrungen: Wie sollte und konnte diese notwendige Mehrsprachigkeit der Europäer seit dem 16. Jahrhundert erreicht werden? Geographische Distanz hat in der modernen Welt an Bedeutung verloren; die vielsprachige Menschheit lebt in einem „globalen Dorf “. Für eine friedliche Verständigung ist es unabdingbar, dass möglichst viele Menschen über Sprachenkenntnisse und interkulturelle Kompetenz verfügen 1 . So z. B. beginnt das Fachprofil des bayerischen gymnasialen Lehrplans zum Selbstverständnis der modernen Fremdsprachen. Europäer sollen heute also mehrsprachig und auch kulturell mobil sein, oder - um ein Bild Herbert Christs auf die Forderung der Europäischen Union anzuwenden - neben ihrer Muttersprache in der Lage sein, in zwei weiteren Sprachen, Fremdsprachen, die Schwelle des Sprachhauses der jeweiligen Zielsprache zu überschreiten. Das mehrsprachige bzw. plurikulturelle Abschlussprofil des Lernenden kann dabei unterschiedlich ausgeprägt sein (Europarat, 2001,168; Nieweler, 2006, 60). Der rheinlandpfälzischen curricularen Vorgaben für das Fach Französisch der Sekundarstufe II unterstreichen die sinnvolle Vernetzung des Erwerbs mehrerer Sprachen: Das Zusammenwachsen Europas und der Welt macht Sprachenkenntnisse unverzichtbar. Individuelle und gesellschaftliche Bedürfnisse nach Mobilität, Kommunikation und Kooperation in unterschiedlichen Bereichen fordern die Kenntnis moderner Sprachen. Die Vielsprachigkeit als Charakteristikum der europäischen und weltweiten Sprachensituation verlangt vom Einzelnen zunehmend Mehrsprachigkeit . Der Unterricht einer modernen Fremdsprache schafft die Gelegenheit und Möglichkeit der Öffnung, der Erweiterung zu anderen Sprachen. Schulischer Sprachenunterricht sollte deshalb auch Anreiz für das Erlernen weiterer Sprachen sein 2 (Lehrplan Französisch: Gymnasium Sekundarstufe II, Ministerium für Bildung, Wissenschaft und Weiterbildung Rheinland-Pfalz, 1998, 8). Die baden-württembergischen Vorgaben 3 für Französisch als erste Fremdsprache an Gymnasien seinen hier exemplarisch paraphrasiert: Unter ‚Methoden und Sprachlernkompetenz‘ wird u. a. gefordert, Lernerfahrungen fächer-, man 1 www.isb-gym8-lehrplan.de/ contentserv/ 3. 1.neu/ g8.de/ index.php? StoryID=26366 (Zugriff am 01. 04. 2017). 2 http: / / lehrplaene.bildung-rp.de/ lehrplaene-nach-faechern.html (Zugriff am 01. 04. 2017). 3 http: / / www.bildung-staerkt-meschen.de/ service/ downloads/ Bildungsplaene/ Gymnasium/ Gymnasium_Bildungsplan_Gesamt.pdf (Zugriff am 01. 04. 2017, S. 128 ff). möchte ergänzen und sprach übergreifend sowie lernökonomisch zu nutzen und beim Verstehen von Texten außersprachliche Entschlüsselungshilfen anzunehmen sowie schon Vorkenntnisse aus anderen Sprachen zu berücksichtigen. Eine Sprachen und Kulturen vergleichende Unterrichtsperspektive wird im Rahmen einer aktuellen Didaktik der Mehrsprachigkeit eingefordert. Dabei geht es um den Ausbau fremdsprachlicher Kenntnisse durch gesteuerten Spracherwerb, um die institutionell verankerte, verknüpfende transversale Betrachtungsweise der Einzelsprachen. Auch eine größere Bandbreite an Erstbzw. Muttersprachen − bedingt durch allochthone Mehrsprachigkeit der europäischen Bürger mit Migrationshintergrund - sollte in diesem Kontext berücksichtigt werden. Ein neues Selbstverständnis der Lehrenden hinsichtlich der Vermittlungsprozesse, die hier im Fokus stehen sollen, muss sich einstellen, so dass u. a. folgende sprach- und kulturvernetzende Anwendungsbereiche den aktuellen FSU charakterisieren: Erfahrungen mit kultureller Fremdheit sind zentral. Die Sprachmittlung, bei der die Mittler neben Wortschatz und Strukturen in der Zielsprache vor allem kulturelle Gepflogenheiten, idiomatische und pragmatische Zusammenhänge überschauen müssen, kann hier hilfreich sein (vgl. Reimann/ Rössler 2013). Die zwischensprachliche Wortschatzarbeit, eine Gegenüberstellung phonologischer und morphologischer Entsprechungen, die Kontrastierung ausgewählter Strukturen mit dem Ziel der Sprachbewusstheit sowie der Vermeidung von Interferenzen spielen eine wichtige Rolle (vgl. Gabriel/ Thiele 2017; Joosten 2001; Nieweler 2001; Meißner 2001; Reimann 2015). In diesem Zusammenhang ist auch die Texterschließung auf der Basis von Interkomprehension, d. h. Lese- oder Hörverstehenstraining bei genetisch verwandten Sprachen zu erwähnen (vgl. Klein/ Stegmann 1999). Dieser didaktisch geplante, interlinguale und vor allem auch inter- oder transkulturelle Vergleich ist keinesfalls ausschließlich modern, vergleichbare Ansätze finden sich in Hilfsmitteln zum Fremdsprachenerwerb bereits ab dem 16. Jahrhundert, wie ein Blick in verschiedene, sogenannte Grammatiken und mehrsprachige Wörterbücher zeigt. Die Gebrauchsgrammatiken, also Sprachlehrwerke polyglotter Autoren, stellen Dokumente dar, und zwar einerseits für den Sprachzustand einer bestimmten Epoche und andererseits für das zu einer bestimmten Zeit verbreitete Sprachbewusstsein. Die an ihren Zielgruppen orientierten Sprachvermittlungstechniken können als Wegbereiter der Mehrsprachigkeitsdidaktik bezeichnet werden. Les mots voyagent autant que les hommes ‒ Potentiale der Mehrsprachigkeitsdidaktik 267 268 Sylvia Thiele 2 Gebrauchsgrammatiken, Konversationswörterbücher und Glossare Im Folgenden sollen deshalb zunächst knapp zentrale methodische Elemente bedeutender, sogenannter Gebrauchsgrammatiken und eines polyglotten Wörterbuchs vorgestellt werden. Dabei handelt es sich im Einzelnen um das ‚Kolloquium‘ 4 mit Wörterbuch stellt Sprache - Texte - synoptisch in sechs Spalten gegenüber, die Grammatiken sind zum einen deskriptiv, in Teilen sprachvergleichend angelegt, wenn sie Mehrsprachigkeit berücksichtigen, und zum anderen weisen sie schon didaktisch-methodische Konzepte auf, die im Rahmen aktueller mehrsprachigkeitsdidaktischer Überlegungen diskutiert werden, die dann den Abschluss dieses historischen Überblicks bilden. Bereits in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts und im 17. Jahrhundert sind mehrsprachig verfasste Grammatiken erschienen, die u. a. romanische Sprachen knapp, prägnant - gewissermaßen didaktisch reduziert oder transformiert, damit sie als Fremdsprachen, z. B. von Kaufleuten, ohne größere Mühe und ggf. auch im Selbststudium gelernt werden konnte. Die Sprachtheoretiker vor allem des 16. Jahrhunderts standen vor einer wichtigen Aufgabe, denn Sprechen oder Schreiben war über viele Jahrhunderte hindurch gleichbedeutend mit ‚Sprechen oder Schreiben auf Latein über das Latein’: Es steht also außer Frage, daß [sic] für die Beschreibung der lebenden Sprachen zunächst die lateinische Grammatik das maßgebende Muster darstellte, sie bildete den Hintergrund und die Basis für jede Reflexion über Sprache […] (Polzin-Haumann 2001, 136) Damit sich charakteristische Merkmale der Volkssprache vom Lateinischen deutlich abzeichnen konnten, mussten die Grammatikographen eine neue Realität sprachlich erfassen und ihre Beobachtungen in der eigenen Muttersprache oder eben in einer Volkssprache festhalten, die Reflexion darüber gewann an Intensität. Häufig wurden lateinische Kategorien übernommen und mit volkssprachlichen Termini bzw. Umschreibungen gedoppelt. Die wichtige, 1566 in Italien erschienene Grammatik des Spanischen, Giovanni Mirandas Osservationi , wurde Vorbild für die später in Frankreich und England erschienenen Werke. Las Osservationi obtuvieron un considerable éxito, siendo comprendidas, anotadas (y traducidas), no sólo en Italia sino también en Europa (San Vicente 1989, 194 f). 4 Vgl. Berlaimont (1583). Als Sprachlehrwerk, als manual de lengua para extranjeros , bietet sie reichhaltiges Material für die Untersuchung des Spanischen und seiner Vermittlung. Sie diente in erster Linie dem höfischen Publikum, damit es sich con facilidad entre damas y caballeros (ebd. 204) bewegen konnte. Im angefügten Compendio von Massimo Traiano, der gekürzten Grammatik in Dialogform, erweitert sich die Zielgruppe. So liest man im Vorwort an den Leser, dass alle Menschen Fremdsprachen beherrschen sollten: ogni sorte di huomini: & spetialmente a’ chiari & e di nobili ingegni, a’ negotianti, & ad altri che vanno pel mondo, & praticano con diverse nationi . Diese auf Italienisch verfasste Grammatik mit entsprechender Übersetzung der Beispiele in zwei Spalten ist zwar durch die klassische Tradition geprägt und stellt Gebrauchsnormen vor, bietet darüber hinaus aber Hinweise zur Sprachverwendung in Gesprächen. Las Osservationi de Miranda, escritas en italiano con su correspondiente traducción de ejemplos a dos columnas, son una gramática de castellano, […] en su aproximación a la norma de uso y a la práctica comunicativa, podía ser también utilizada como manual de lengua española para los cortesanos en particular, […] lógicamente era la clase social más interesada en aprender español (San Vicente 1989, 195). Als innovative didaktische Neuerung ist die Sammlung der Maniere di parole o di parlare , der idiomatischen Ausdrücke (der Vergleiche, der scherzhaften Äußerungen oder der Sprichwörter) hervorzuheben, deren Erwerb die höfische Konversation bereichern sollte. César Oudins zweisprachige Grammatik Grammaire et observations de la langue espgnolle recueillies & mises en françois lässt sich typologisch ebenfalls zwischen dem präskriptiven Modell für Muttersprachler und dem auf z. T. kommentierte Listen reduzierten Werk für diejenigen einordnen, die Spanisch als Fremdsprache erlernen möchten. Auch sie bildet das Spanische der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts detailliert ab. Vor allem hinsichtlich der Struktur, der Gliederung und der Sprachbeispiele orientiert sich Oudin an Miranda: U. a. „das spanisch-französische Verzeichnis der Ordnungsadverbien [kann] als prototypisches Beispiel für die simple Replikation bzw. Transposition der spanisch-italienischen Auflistung Mirandas“ (Oudin [1604] 2004, 23) angeführt werden. Oudin übersetzt jedoch nicht nur wörtlich, sondern ergänzt, modifiziert oder kürzt die Vorlage. Bei ihm finden sich im Unterschied zu Miranda Beispiele aus berühmten Werken der spanischen Literatur; er arbeitet stark kontrastiv. Andre Klump (2004, 24 f) stellt dazu einen weiteren interessanten Aspekt heraus: Einzelne Worterklärungen Mirandas (z. B. „ aguadero , quel che porta l’acqua“. S. 72) wurden von Oudin zunächst ins Französische übersetzt und anschließend mit eigenen Kommentaren bzw. persönlichen Einschätzungen versehen: „nous dirons bien agua- Les mots voyagent autant que les hommes ‒ Potentiale der Mehrsprachigkeitsdidaktik 269 270 Sylvia Thiele dera , porteuse d’eau, d’autant qu’en France nous en aõns beaucoup, et principalement à Paris, mais le mot n’est pas commun en Espagnol“. Die Grammatik Franciosinis, eines Sieneser Lehrmeisters für die spanische und italienische Sprache, gilt als wichtigste spanische Gebrauchsgrammatik des 17. und 18. Jahrhunderts. « La novissima grammatica delle tre lingue italiana, franzese e spagnuola » aus dem Jahr 1655 wird als un’opera profittevole à chi desidera imparare fondatamente & con brevità à leggere, comporre, intendere e parlare in quelle im Vorwort beschrieben. Sie richtet sich an lettori e professori delle Quattro principali lingue, Latina, Spagnuola, Franzese ed Italiana 5 . Bei diesem in Venedig bei Guerigli verlegten Werk handelt es sich um eine Kombination der vergleichenden Grammatik Italienisch-Französisch von Jean Alexandre Lonchamps sowie der auf Italienisch verfassten spanischen Grammatik von Franciosini, die Introduttione alla lingua Castgliana , die in der Herzog August Bibliothek in Wolfenbüttel (im Folgenden HAB) auch als Einzelwerk unter dem Titel Grammatica spagnuola ed italiana (Rom,1638) vorliegt. Vergleicht man die venezianische mit der römischen Fassung, springt zunächst der doppelt so große Umfang des älteren Werks ins Auge. Ihr folgen in der HAB-Ausgabe Diálogos apazibles, compuestos en Castellano y traducidos en Toscano . Ziel dieser im Titel als ‚unterhaltsame Gespräche’ ausgewiesenen Dialoge ist ausgehend vom Spanischen der Erwerb des Toskanischen. Dazu werden die Versionen einander gegenübergestellt und mit zwischensprachlichen pragmatisch orientierten kontrastiven Erklärungen zu Grußformeln, zu Sprichwörtern und zur Idiomatik versehen. Franciosinis grammatischer Teil orientiert sich − ähnlich wie der Oudins − an Miranda. Im Unterschied zu den französischen und italienischen Teilen der in Venedig veröffentlichten Kombinationsausgabe umfasst die Beschreibung der spanischen Aussprache, der Artikel und Pronomen wenige Seiten. Gar nur zwei Drittel einer Seite sind den Substantiven und Adjektiven gewidmet. Der Autor möchte möglicherweise den Kommentar aussparen, denn der Benutzer kann strukturelle Zusammenhänge zu diesen Themen aufgrund von Analogie oder Ähnlichkeiten gewissermaßen induktiv - um einen modernen didaktisch-methodischen Terminus vergleichend heranzuziehen - selbst erschließen. Darüber hinaus kann er unreflektiert italienische Muster im Spanischen adaptieren, ohne dass die Kommunikation ernsthaft beeinträchtigt würde. Wie auch bei Lonchamps gibt es umfangreiche, alphabetisch geordnete Konjugationsmuster hochfrequenter Verben: Auxiliaria, Beispiele zu den drei Konjugationen und den Reflexiva werden aufgelistet. 5 Ein französisch-italienisch-lateinisches Glossar von Angelo da Firenze ermöglicht den Blick auf alle vier Sprachen. Die Beschreibung des Spanischen endet mit einem lexikalischen Teil: Wortlisten zu Numeralia, zu den Monatsnamen, Jahreszeiten und Wochentagen schließen das Werk ab. Diese erinnern an heutige Ausgaben zum Grundwortschatz, die themenspezifische Vokabellisten zum Lernen anbieten. Die bei anderen Autoren dargestellten Redewendungen, Sprichwörter und idiomatischen Ausdrücke fehlen. Die « Grammaire pour apprendre les langues italienne, françoise, et espagnole » von Antonio Fabro (1656) kann - wenn auch in der Forschung zur spanischen Grammatikographie weniger intensiv berücksichtigt - durchaus als mehrsprachiges Lehrwerk eingeordnet werden. Fabro beschreibt es als ”une Œuvre très nécessaire & de trè grande utilité aux Historiens, secretaires & traducteurs qui legitimement et avecq un vray sens et fondament les veuillent traduire et apprendre ” . Außerdem ist es “ enrichie d’observation & preceptes necessaires & de claires & parfaictes reigles pour bien & correctement prononcer & ecrire les dictes langues ”. Der Grammatik sind inhaltsgleiche Einführungen in den drei genannten Sprachen vorangestellt: Die Regeln zur Aussprache einer Sprache sind jeweils in den anderen beiden beschrieben bzw. erklärt. Die gesamte Strukturtheorie und auch die didaktisierten Dialoge zwischen Reisenden und Händlern erscheinen synoptisch in drei Spalten, die französische Version auf der linken Seite, die italienische in der Mitte und die spanische rechts. Dieses übersichtliche Tabellensystem begünstigt interlinguistische Vergleiche und Übersetzungen durch die Benutzer. Auf Besonderheiten der Einzelsprachen wird mit einem Hinweis, einem precetto circa la lingua spagnola ausdrücklich verwiesen, so z. B. auf die Akzentsetzung beim Indefinido (ab S. 127). Den gerade erwähnten phonologischen Analysen folgen Beschreibungen der Orthographie, der Morphologie und der schon betrachteten Strukturen, so auch zu den Deklinationen. Es fällt auf, dass das lateinische Kasussystem auf die Vulgärsprachen übertragen wird: Es wird durch den Wegfall der Kasusmarkierung mit Präposition plus Artikel aufgefangen, also etwa (Tabelle u. a. in Anlehnung an Franciosini/ Lonchamps): singolare plurale francese italiano francese Italiano N. le prince il principe les princes li principi G. du prince del principe des princes delli prinicipi D. au prince al principe aux prences alli principi Ac. le prince il principe les princes li principi Abl. du prince dal principe des princes dalli principi Tab. 1: Kasusmarkierung durch Präposition im Romanischen Les mots voyagent autant que les hommes ‒ Potentiale der Mehrsprachigkeitsdidaktik 271 272 Sylvia Thiele Die Informationen zu den drei Sprachen werden in diesem Fall zweisprachig, auf Französisch und Italienisch, deskriptiv-vergleichend vermittelt, so zum Beispiel zum Aktiv bzw. Passiv bzw. zum Artikel: …che la lingua italiana ha questo di comune con la Franzese e la Spagnola, s’accommoda e si congionge col verbo havere in tutti i verbi attivi & col verbo essere in tutti li passivi. Non è altro l’articolo che una dittione, laquale serve per manifestare in qual caso è il nome ch’essa precede come il padre, la madre & bisogna sapere che l’articolo francese (le) si va cangiando in italiano con (il) overo (lo) & l’articolo (la) è il medesimo in italiano, come noi vedremo nelle lor declinationi… 6 . Mehrsprachige Konversationshandbücher und Glossare erleichterten Reisenden und Händlern die Kommunikation. Die Antwerpener Edition der Colloquia cum dictionariolo sex linguarum : Teutonicae, Anglicae, Latinae, Gallicae, Hispanicae, & Italicae De Berlaimonts ist breit aufgestellt: En 1583, le libraire anversois en publia trois éditions différentes : dans chaque édition, aux quatre langues de base (flamand, français, italien, espagnol) s'ajoutent deux des trois autres langues (latin, allemand et anglais). In aktuellen Gebrauchsgrammatiken, die ja heute zusätzlich zu den Lehrwerken verwendet werden, findet sich Bekanntes, aber auch Neues. Noch immer angelehnt an klassische grammatische Kategorien werden die am häufigsten gebrauchten Strukturen erläutert. Synoptische Tabellen, typographische Hervorhebungen von Besonderheiten oder Ausnahmen, Abbildungen, ggf. auch Identifikationsfiguren bis hin zu Testaufgaben mit Lösungen sind Standard. 3 Zwischenfazit Seit der Renaissance gibt es Sprachlehrwerke, die belegen, dass Europäer individuell abhängig von ihrer Biographie rezeptiv und/ oder produktiv mehrsprachig werden wollten bzw. mussten. Heute fordert der Europarat als transnationales Gremium Mehrsprachigkeit. Diese Institutionalisierung - der politische Wille zur Umsetzung − ist neu, aber die Idee, dass zur kommunikativen und kulturellen Mobilität eine Mehrsprachigkeit vonnöten ist, ist es nicht: Sie manifestiert sich schon in den eben vorgestellten Sprachlehrwerken. Historische Bedingungen des Sprachunterrichts forderten unterschiedliche spezifische Hilfsmittel bzw. Medien. Mit Beginn der Renaissance waren die Adressaten wie etwa reisende Kaufleute oder wandernde Handwerksgesellen, gegebenenfalls Studierende oder Söldner, mehrheitlich des Lateinischen un- 6 Fabro 1656, 41 f bzw.19. kundige Sprecher: Fremdsprachenerwerb war u. a. bei einem Sprachmeister vorgesehen, der mit Gebrauchsgrammatiken und schriftsprachlichem Textmaterial arbeitete und verantwortlich für Differenzierung und Individualisierung des Lehrens und Lernens war. Viele Lerner hatten Interesse an mündlichen Sprachfertigkeiten und wollten sich auch im Selbststudium in der Aussprache und in der gesprochenen Phraseologie weiterbilden. Mehrsprachigkeit aus politisch-dynastischen Gründen spielte ebenfalls eine wichtige Rolle. An den Höfen waren mehrsprachige Übersetzer und Sekretäre tätig, junge Adlige trainierten die höfischen Gepflogenheiten, lernten mehrere Sprachen. In der Erziehung junger Adliger in den Ritterakademien stand eine besondere Ausbildung nicht nur in Französisch auf dem Programm, sondern es war auch möglich, sofern entsprechende Sprachlehrer gefunden werden konnten, Englisch, Italienisch oder Spanisch zu lernen. Dabei wurde großen Wert auf die korrekte Aussprache gelegt […] (Düwell 2001, 291). Die unterschiedlichen Hilfsmittel mussten Angebote für diese Zielgruppen bereithalten, ihre Autoren die didaktisch-methodische Organisation der Werke darauf abstimmen. Dabei lässt sich der Einfluss vorangehender Werke konstatieren, im diachronen Vergleich werden Entwicklungslinien, Schwerpunkte, spezifische Konzepte in verschiedenen Epochen, aber auch Rückgriffe auf dieselben Konzepte zu unterschiedlichen Zeiten deutlich. Neben allgemein sprachdidaktischen werden auch mehrsprachigkeitsdidaktische Techniken sichtbar: Frequente Strukturen werden übersichtlich, z.T. didaktisch reduziert und synoptisch beschrieben sowie in Abgrenzung zu einer bzw. mehreren anderen Sprachen präsentiert, Besonderheiten werden dabei typographisch hervorgehoben. Dies erleichtert memorierendes Nachschlagen. Das Erlangen wichtiger sprachlicher Kompetenzen, wie (aus)sprechen, lesen und schreiben, wird − u. a. von Fabro − ausdrücklich berücksichtigt. Dazu sind auch, ganz ähnlich wie in aktuellen Lehrwerken, didaktisierte Texte konzipiert worden, die Alltagssituationen aus dem Zielsprachenland widerspiegeln. Neben Beispielen aus authentischen, meist literarischen Texten finden sich typische Redensarten oder Grußformeln in vergleichender Präsentation, die induktives Erschließen und selbstständiges Erarbeiten von Zusammenhängen ermöglichen. Ein Erfassen der zielsprachlichen Realität, ein wichtiger Bestandteil auf dem Weg zur interkulturellen Kompetenz, wird zusätzlich intendiert, wenn z. B. Precht in authentischen Texten auf Varietäten verweist. Oudin konstruiert folgenden Fall: Falls man porteuse d’eau ins Spanische übersetzen wollte, müsste man aguadera, Unterstellplatz bzw. Holzschrank für Fässer, verwenden. Diese Unterstellplätze sind in Frankreich, vor allem in Paris, üblich, ein aguadero, Les mots voyagent autant que les hommes ‒ Potentiale der Mehrsprachigkeitsdidaktik 273 274 Sylvia Thiele ein Wasserbehälter oder Trog, findet sich häufiger in Spanien, in wohl eher ländlichen Gebieten. Durch diese semantische und morphologische Kontrastierung wird deutlich, dass landeswissenschaftliche Aspekte für den Gebrauch bestimmter Wörter ausschlaggebend und Kenntnisse auf diesem Gebiet für die Fähigkeit zur Kommunikation in der jeweiligen Zielsprache notwendig sind. Sie ermöglichen die Reflexion über den eigenen kulturspezifischen Hintergrund. 4 Aktuelle methodische Vorgehensweisen Die Bedingungen des aktuellen institutionellen schulischen Fremdsprachenunterrichts sind nicht vergleichbar mit denen zurückliegender Jahrhunderte. Privatstunden, Kleingruppenunterricht oder Selbststudien verlangen grundsätzlich andere methodisch-didaktische Zugriffe als z. B. Lektionen für Klassen mit mindestens 28 Schülerinnen und Schülern, von denen nicht alle zwangläufig motiviert sind, eine Fremdsprache zu lernen. Das didaktisch-methodische Repertoire im Laufe der Jahrhunderte hat sich erweitert: Zusätzlich zur Arbeit mit Regeln, Wortlisten und Texten erscheinen in jüngeren Lehrwerken viele Trainingsgegenstände, in den aktuellen auch Übungen zum Hörverstehen, begünstigt durch ausgefeilte elektronische, auditive bzw. audiovisuelle Hilfsmittel zur Sprachpräsentation. In der Regel wird bei der Vermittlung von Strukturen heute an Stelle des deduktiven Vorgehens ein induktives bevorzugt. Regeln sollen mithilfe eines didaktisierten Texts, der das Phänomen eindeutig erschließbar macht, entdeckt werden. Anschließend kann, wann immer es sich im Rahmen mehrsprachigkeitsdidaktischer Überlegungen anbietet, ein Bogen zu bereits gelernten Sprachen geschlagen werden. So besteht etwa im Kontext Tagesablauf die Möglichkeit, bekannte französische Vokabeln mit Übersetzungsimpuls zu präsentieren und ad hoc ohne Erarbeitung bzw. Erklärung die spanische oder italienische Parallelstruktur konstruieren zu lassen, Typ avant d’aller à la plage… , antes de ir a la playa… oder prima di andare alla spiaggia… . Voraussetzung wäre hier, dass antes und prima sowie die Entsprechung von Französisch avant de bekannt sind. Das Symbol des Eiffelturms mit Pfeil zu einer entsprechenden Länderflagge oder charakteristischen Bauwerken kann z. B. als vorgeschalteter Aufgabenimpuls ein ‚Zwischensprachendenken‘ von der vorgelernten Sprache Französisch hin zur neuen Zielfremdsprache Italienisch initiieren: Abb. 1: Unterrichtsimpuls zum sprachvernetzenden Denken (Foto und Montage: privat) Abschließend sollen im Folgenden kurz zwei methodische Vorgehensweisen vorgestellt werden, die die Integration distanter Herkunftssprachen in den Französischunterricht ermöglichen. Ein Beispieltext aus einem Ferienlesebuch für frankophone Kinder, die den Urlaub z. B. im Maghreb verbringen, ermöglicht Einblicke in den französischen Lehnwortschatz im Arabischen (Haddioui/ Chevalier 2013, 26): Les mots voyageurs Les mots voyagent autant que les hommes et, si la langue française s’est beaucoup enrichie au contact de l’arabe, la réciproque est vraie. Imaginons : vous parcourez le Maghreb en voiture… Que faire si le karbirator de votre kamyonn est en panne ? Trouver un taksi ou un otobiss pour aller au garaj qui vend des akseswar . Ou alors louer une limouzinn avec chofer et ne pas oublier de remplir le rizirvwar de dyzell … Et maintenant, anavan à toute vitess sur l’ asfalt ! Vous avez vraiment besoin d’une traduction ? Aber auch Parallelstrukturen des Türkischen, Französischen und Deutschen bieten Potential für Vergleiche - hier zur Bildung des Futurs (Parallelstruktur: Markierung in kursiv), zur adverbialen Bestimmung der Richtung (Markierung durch Unterstreichung) und zur Infinitiv-Konstruktion Typ ‚um zu‘ (Markierung in grün und rot). Was man einmal in einer Spreche gelernt hat, muss man kein zweites Mal lernen, eine Bewusstmachung verinnerlichter Strukturen charakterisiert effektives und zeitökonomisches Fremdsprachenlernen: Les mots voyagent autant que les hommes ‒ Potentiale der Mehrsprachigkeitsdidaktik 275 276 Sylvia Thiele Ich werde nach Istanbul fahren , um Türkisch zu lernen. J‘ irai à Istanb(o)ul pour apprendre le turc. Istanbul’a gid eceğim Türkçe öğrenmek için. (Türkçe öğrenmek için Istanbul’a gideceğim 7 .) 5 Zusammenfassung und Ausblick Die aktive, produktive Nutzung gelernten Sprachwissens, das Brücken zu anderen Sprachen baut, sollte einen festen Platz im Unterricht haben: Die intensivere Integration von Trainingsgegenständen mit dem Ziel der spontanen Sprachproduktion, die sich Mehrsprachigkeit zunutze machen, bleibt in vielen aktuellen Lehrwerken ein Desiderat. Die Anmerkungen und Hinweise in Vokabellisten auf weitere Fremdsprachen am Ende eines Lehrbuches greifen nicht weit genug. Migrationssprachen finden weitestgehend keine Berücksichtigung. Die aktive, produktive Nutzung gelernten Sprachwissens, das Brücken zur neuen Zielsprache baut, sollte einen festen Platz im FSU haben. Die Integration verschiedener Sprachen in den Unterricht − und dies sei hier nur am Rande erwähnt − setzt dann ein anderes Verständnis der Fremdsprachenlehrerrolle und ein modifiziertes Korrekturverhalten voraus. Die Bildungsstandards, die sich auf Beschluss der Kultusministerkonferenz (KMK) am Gemeinsamen europäischen Referenzrahmen (GeR) orientieren und die Grundlage der Lehrpläne und Kerncurricula bilden, weisen Kompetenzen aus, die Schüler im modernen Europa der offenen Grenzen und weltweit, also im eingangs erwähnten „globalen Dorf “, für Kontakte mit Bürgern anderer Länder und Kulturen benötigen. Diese werden durch die Vorgaben institutionalisiert, der Vergleich von Fremdsprachenkenntnissen durch Kompetenzorientierung angestrebt. In verschiedenen Kerncurricula sind auf der Basis gesicherten Wissens und der Kenntnis und Anwendung fachbezogener Verfahren Kompetenzen verortet, deren Ziel in der Lösung komplexer werdender Aufgaben besteht: interkulturelle, funktionale, kommunikative und Methodenkompetenzen. Betrachtet man die Aspekte, die zum Erlangen bzw. zum Ausbau der einzelnen Fähigkeiten relevant sind, entdeckt man didaktisch-methodische Konstanten für unterschiedlichste Zielgruppen, die beim Spracherwerb eine tragende Rolle gespielt haben, spielen bzw. spielen werden. Sprachvernetzung im Rahmen des Erwerbs muss in der Lehrer- und Lehrerinnen(aus)bildung eine noch stärkere Rolle spielen, wünschenswert wäre darüber hinaus der Erwerb von Grundkenntnissen einer von deutschen Schul(fremd) 7 Die Wortfolge hier in Klammern ist die bevorzugte, die darüberstehende Anordnung der Satzglieder hilft mein Strukturvergleich im Sinne einer didaktischen Transformation. sprachen distanten Herkunftssprache, als Zusatzausbildung oder Standardmodul im Bachelor (BEd) bzw. Master of Education (MEd). Ein fächerübergreifendes Sprachkonzept und eine Fachkonferenz Sprache wären in diesem Zusammenhang ebenfalls sehr hilfreich, bleiben in der Regel aber nach wie vor Desiderata an bundesdeutschen Schulen. An dieser Stelle bietet es sich an, mit Somers et al. zusammenfassen: […] such ‚flexible language arrangements‘ (García 2009) expressed in the pedagogically strategic use of different languages in the classroom serve to both recognize and valorise different languages, thereby improving learning effectiveness, strengthening students‘ linguistic confidence and self-image, and enhancing students‘ intrinsic motivation […]“ (Somers et al. 2013, 92) Lerngelegenheiten und der zielgerichtete Einsatz mehrerer Sprachen im Unterricht dienen dazu, verschiedene Sprachen zu erkennen und wertzuschätzen, dass so effektiver gelernt wird, das Vertrauen auf die eigene Sprachkompetenz und das Selbstbild gestärkt werden, schließlich die intrinsische Motivation gesteigert wird. Seit etwa fünf Jahrhunderten also wird der europäischen Sprachenvielfalt und den polyglotten Kompetenzen der Europäer der Weg bereitet. Diese Idee verdient nachhaltige Unterstützung und kann sie u. a. im Rahmen der Mehrsprachigkeitsdidaktik erfahren: [Denn j]edes Schulbzw. Unterrichtsmodell, das bereits im Pflichtschulalter eine möglichst breite Sprachkompetenz gewährleisten kann, bietet gute Voraussetzungen für eine echte Integration Europas, für die Kommunikation und Verständigung zwischen den Völkern und nicht zuletzt die besten Grundlagen für das Erlernen weiterer Sprachen (Rifesser 1994, 26). Die hier präsentierten Überlegungen zur Geschichte des Fremdsprachenunterrichts in der Romania unterstreichen die Relevanz des linguistischen und kulturellen Erbes in Europa für den aktuellen Fremdsprachenerwerb und -unterricht. 6 Literatur 6.1 Gebrauchsgrammatiken & Wörterbücher (in chronologischer Reihenfolge) Miranda, Giovanni (1566): Osservationi della lingua Castigliana , Venezia, Gioliti. 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Romanistischen Kolloquiums beleuchten verschiedene Aspekte der Geschichte des Fremdsprachenstudiums in den romanischen Ländern. Neben den auf einzelne romanische Länder fokussierten Darstellungen allgemeinen Charakters zur Geschichte des Fremdsprachenstudiums enthält der Band auch eine Reihe von Beiträgen, in denen Einzelaspekte des Fremdsprachenstudiums in den romanischen Ländern aus einem historischen Blickwinkel untersucht werden. Am Rande wird auch der Geschichte des Studiums der romanischen Sprachen im deutschsprachigen Raum sowie der Fremdsprachendidaktik in der Romania Beachtung geschenkt, wodurch das Gesamtbild vervollständigt wird.