eBooks

Mehrsprachigkeit im Fremdsprachenunterricht

2018
978-3-8233-9272-9
Gunter Narr Verlag 
Sylvie Méron-Minuth

Wie gehen gymnasiale Fremdsprachenlehrkräfte mit der lebensweltlichen und schulischen Mehrsprachigkeit ihrer Schülerschaft um, und wie thematisieren und nutzen sie diese in ihrem Fremdsprachenunterricht? Anhand von qualitativen Interviews mit Lehrenden auf der Basis eines explorativen Designs wird die Bandbreite von Einstellungen und erlebter Praxis deutlich. Hieraus folgen abschließend Überlegungen zur Fremdsprachenlehrerausbildung unter dem Gesichtspunkt sprachlich und kulturell heterogener Lerngruppen.

Giessener Beiträge zur Fremdsprachendidaktik Giessener Beiträge Giessener Beiträge zur Fremdsprachendidaktik Méron-Minuth Mehrsprachigkeit im Fremdsprachenunterricht 24,2 Sylvie Méron-Minuth Mehrsprachigkeit im Fremdsprachenunterricht Eine qualitativ-empirische Studie zu Einstellungen von Fremdsprachenlehrerinnen und -lehrern Wie gehen gymnasiale Fremdsprachenlehrkräfte mit der lebensweltlichen und schulischen Mehrsprachigkeit ihrer Schülerschaft um, und wie thematisieren und nutzen sie diese in ihrem Fremdsprachenunterricht? Anhand von qualitativen Interviews mit Lehrenden auf der Basis eines explorativen Designs wird die Bandbreite von Einstellungen und erlebter Praxis deutlich. Hieraus folgen abschließend Überlegungen zur Fremdsprachenlehrerausbildung unter dem Gesichtspunkt sprachlich und kulturell heterogener Lerngruppen. ISBN 978-3-8233-8272-0 18272_Meron-Minuth_Umschlag.indd Alle Seiten 23.10.2018 12: 37: 02 Mehrsprachigkeit im Fremdsprachenunterricht GIESSENER BEITRÄGE ZUR FREMDSPRACHENDIDAKTIK Herausgegeben von Eva Burwitz-Melzer, Wolfgang Hallet, Jürgen Kurtz, Michael Legutke, Hélène Martinez, Franz-Joseph Meißner und Dietmar Rösler Begründet von Lothar Bredella, Herbert Christ und Hans-Eberhard Piepho Sylvie Méron-Minuth Mehrsprachigkeit im Fremdsprachenunterricht Eine qualitativ-empirische Studie zu Einstellungen von Fremdsprachenlehrerinnen und -lehrern Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http: / / dnb. dnb.de abrufbar. © 2018 · Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG Dischingerweg 5 · D-72070 Tübingen Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Internet: www.narr.de E-Mail: info@narr.de Satz: pagina GmbH, Tübingen Printed in Germany ISSN 0175-7776 ISBN 978-3-8233-9272-9 Pour Christian, mon mari et pour David, mon fils Inhaltsverzeichnis Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 1. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 1.1 Meine Beweggründe, dieses Projekt durchzuführen . . . . . . . . . . . . . . . . 15 1.2 Fremdsprachenlehrkräfte und die multilinguale Herausforderung . . 19 1.3 Lehrerrolle und Pädagogisches Handeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 1.4 Aufbau der Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 2. Historischer Exkurs und theoretische Grundlagen zum Konzept der Mehrsprachigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 2.1 Europäische Sprachen- und Bildungspolitik und Mehrsprachigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 2.2 Zweisprachigkeit - Mehrsprachigkeit: Annäherung an eine Begrifflichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 2.2.1 Zweisprachigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 2.2.2 Mehrsprachigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 2.3 Gesellschaftliche Mehrsprachigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 2.4 Individuelle Mehrsprachigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 2.4.1 Lebensweltliche Mehrsprachigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 2.4.2 Schulische Mehrsprachigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 2.5 Aspekte meines eigenen Verständnisses von Mehrsprachigkeit . . . . . 49 2.6 Mehrsprachigkeitsdidaktik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 2.6.1 Begriffsklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 2.6.2 Integrierte Sprachdidaktik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 2.6.3 Interkomprehensionsforschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 2.6.4 Der EuroComRom-Ansatz und seine Umsetzung . . . . . . . . . . . . . . 59 2.6.5 Schulfremdsprachen als Brückensprachen und ihr Potenzial . . . 63 2.6.5.1 Englisch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 2.6.5.2 Französisch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 2.6.5.3 Latein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 2.6.5.4 Spanisch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 2.6.5.5 Italienisch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 2.6.6 Lebensweltliche Sprachen als Brückensprachen und ihr Potenzial für das Erlernen einer Schulfremdsprache . . . . . . . . . . 68 2.6.6.1 Türkisch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 2.6.6.2 Russisch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 8 Inhaltsverzeichnis 3. Zur Erforschung der Binnensicht von Fremdsprachenlehrkräften . . . . . . . . . . . 71 3.1 Terminologische Vielfalt: Subjektive Theorien - Einstellungen . . . . . 71 3.2 Zum Forschungsprozess über Einstellungen von Lehrpersonen . . . . 77 3.3 Einstellungen und Unterrichtshandeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 4. Forschungsmethodischer Ansatz und Erhebungsdesign . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 4.1 Wissenschaftstheoretische Grundlagen - Rahmenbedingungen, Forschungsverfahren und Fragestellungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 4.2 Exkurs: Veränderungen der gesellschaftlichen Situation in Deutschland seit der Datenerhebung im Jahr 2012 . . . . . . . . . . . . . . . 89 4.3 Datenerhebung - qualitative Interviews als Forschungsmethode . . . 92 4.3.1 Leitfaden-(halbstrukturiertes) Interview . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 4.3.2 Das problemzentrierte Interview . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 4.3.3 Explorativ-problemzentriertes Experteninterview . . . . . . . . . . . . . 96 4.4 Diskussion zur Auswertung von verbalen Daten aus mündlichen Befragungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 4.5 Durchführung der Erhebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 4.6 Transkription . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 4.7 Auswertungsverfahren - qualitative Inhaltsanalyse . . . . . . . . . . . . . . . 107 4.8 Transparenz und Nachvollziehbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 5. Die Vorstudie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 5.1 Vorüberlegungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 5.2 Genese der Vorstudie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 5.3 Die Untersuchungsgruppe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 5.4 Analyse und Ergebnisse der Untersuchungsergebnisse . . . . . . . . . . . . 118 5.4.1 Kategorisierungen der Antworten - Hauptkategorien . . . . . . . 118 5.4.1.1 Sprachlernbiografische Aspekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 5.4.1.2 Eigendefinition „Mehrsprachig sein“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 5.4.1.3 Mehrsprachigkeit und Unterricht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 5.4.1.4 Lebensweltliche Mehrsprachigkeit und Einbeziehung der Herkunftssprachen der Schüler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 5.4.2 Nebenkategorien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 5.4.2.1 Der Gemeinsame Europäische Referenzrahmen für Sprachen und das Europäische Sprachenportfolio . . . . . 142 5.4.2.2 Unterrichtspraxis und -methodik, Fortbildungsangebote . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 5.4.2.3 Projektunterricht und fächerübergreifender Unterricht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 Inhaltsverzeichnis 9 5.4.2.4 Zukünftige Entwicklung des Fremdsprachenunterrichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 5.5 Fazit und Bedeutung für die Hauptuntersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 6. Die Hauptstudie-- Einzelfalldarstellungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 6.1 Exemplarische Darstellung einer Interviewpartnerin - Charlotte Heilmann . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 6.1.1 Biografisches und berufliche Rahmenbedingungen . . . . . . . . . . . 156 6.1.2 Einstellungen zur schulischen und lebensweltlichen Mehrsprachigkeit ihrer Schüler / Unterrichtspraxis . . . . . . . . . . 157 6.1.3 Anregungen und Änderungsvorschläge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 6.1.4 Zusammenfassung ihrer Einstellungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 6.2 Clara Mühlbauer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 6.2.1 Biografisches und berufliche Rahmenbedingungen . . . . . . . . . . . 163 6.2.2 Einstellungen zur schulischen und lebensweltlichen Mehrsprachigkeit ihrer Schüler / Unterrichtspraxis . . . . . . . . . . 166 6.2.3 Anregungen und Änderungsvorschläge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 6.2.4 Zusammenfassung ihrer Einstellungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 6.3 Anne Rieder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 6.3.1 Biografisches und berufliche Rahmenbedingungen . . . . . . . . . . . 170 6.3.2 Einstellungen zur schulischen und lebensweltlichen Mehrsprachigkeit ihrer Schüler / Unterrichtspraxis . . . . . . . . . . 173 6.3.3 Anregungen und Änderungsvorschläge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 6.3.4 Zusammenfassung ihrer Einstellungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 6.4 Natalia Peréz Sanchez . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 6.4.1 Biografisches und berufliche Rahmenbedingungen . . . . . . . . . . . 181 6.4.2 Einstellungen zur schulischen und lebensweltlichen Mehrsprachigkeit ihrer Schüler / Unterrichtspraxis . . . . . . . . . . 183 6.4.3 Anregungen und Änderungsvorschläge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 6.4.4 Zusammenfassung ihrer Einstellungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 6.5 Sophie Kallmayer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 6.5.1 Biografisches und berufliche Rahmenbedingungen . . . . . . . . . . . 191 6.5.2 Einstellungen zur schulischen und lebensweltlichen Mehrsprachigkeit ihrer Schüler / Unterrichtspraxis . . . . . . . . . . 194 6.5.3 Anregungen und Änderungsvorschläge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200 6.5.4 Zusammenfassung ihrer Einstellungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 6.6 Werner Scholl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 6.6.1 Biografisches und berufliche Rahmenbedingungen . . . . . . . . . . . 202 6.6.2 Einstellungen zur schulischen und lebensweltlichen Mehrsprachigkeit seiner Schüler / Unterrichtspraxis . . . . . . . . . 204 10 Inhaltsverzeichnis 6.6.3 Anregungen und Änderungsvorschläge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209 6.6.4 Zusammenfassung seiner Einstellungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210 6.7 Isabel Mayr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 6.7.1 Biografisches und berufliche Rahmenbedingungen . . . . . . . . . . . 212 6.7.2 Einstellungen zur schulischen und lebensweltlichen Mehrsprachigkeit ihrer Schüler / Unterrichtspraxis . . . . . . . . . . 214 6.7.3 Anregungen und Änderungsvorschläge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218 6.7.4 Zusammenfassung ihrer Einstellungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219 6.8 Grit Kaufmann . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 220 6.8.1 Biografisches und berufliche Rahmenbedingungen . . . . . . . . . . . 220 6.8.2 Einstellungen zur schulischen und lebensweltlichen Mehrsprachigkeit ihrer Schüler / Unterrichtspraxis . . . . . . . . . . 222 6.8.3 Anregungen und Änderungsvorschläge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225 6.8.4 Zusammenfassung ihrer Einstellungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227 6.9 Adriana Pini . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228 6.9.1 Biografisches und berufliche Rahmenbedingungen . . . . . . . . . . . 228 6.9.2 Einstellungen zur schulischen und lebensweltlichen Mehrsprachigkeit ihrer Schüler / Unterrichtspraxis . . . . . . . . . . 229 6.9.3 Anregungen und Änderungsvorschläge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233 6.9.4 Zusammenfassung ihrer Einstellungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233 6.10 Noemie Hartmann . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 6.10.1 Biografisches und berufliche Rahmenbedingungen . . . . . . . . . 235 6.10.2 Einstellungen zur schulischen und lebensweltlichen Mehrsprachigkeit ihrer Schüler / Unterrichtspraxis . . . . . . . . . 238 6.10.3 Anregungen und Änderungsvorschläge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 243 6.10.4 Zusammenfassung ihrer Einstellungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 244 6.11 Constanze Schrader . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 247 6.11.1 Biografisches und berufliche Rahmenbedingungen . . . . . . . . . 247 6.11.2 Einstellungen zur schulischen und lebensweltlichen Mehrsprachigkeit ihrer Schüler / Unterrichtspraxis . . . . . . . . . 253 6.11.3 Anregungen und Änderungsvorschläge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 257 6.11.4 Zusammenfassung ihrer Einstellungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 258 6.12 Katrin Drewes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259 6.12.1 Biografisches und berufliche Rahmenbedingungen . . . . . . . . . 259 6.12.2 Einstellungen zur schulischen und lebensweltlichen Mehrsprachigkeit ihrer Schüler/ Unterrichtspraxis . . . . . . . . . . 261 6.12.3 Anregungen und Änderungsvorschläge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 264 6.12.4 Zusammenfassung ihrer Einstellungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 264 Inhaltsverzeichnis 11 7. Gesamtauswertung der Ergebnisse der Lehrerinterviews . . . . . . . . . . . . . . . . . 267 7.1 Beruflicher Werdegang und berufliches Selbstbild der gymnasialen Fremdsprachenlehrkräfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 271 7.1.1 Beruflicher Werdegang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 271 7.1.2 Berufliches Selbstbild und Einstellungen zum Lehrerberuf . . . 275 7.2 Kenntnisse der Sprachbiografien und der lebensweltlichkulturellen Erfahrungen der Schülerinnen und Schüler . . . . . . . . . . . . 280 7.3 Einstellungen zu den schulischen Fremdsprachenkompetenzen der Schülerinnen und Schüler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 284 7.4 Einstellungen zu Herkunftssprachen und -kulturen der mehrsprachigen Schülerinnen und Schüler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 290 7.5 Änderungsvorschläge für die Unterrichtspraxis mit Fokus auf Mehrsprachigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 295 7.5.1 Lehrerpersönlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 295 7.5.2 Institutionelle Bedingungen: G8 als Hindernis . . . . . . . . . . . . . . . 296 7.5.3 Fortbildungsmaßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 297 7.6 Änderungsvorschläge zur Lehrerausbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 299 7.6.1 Defizite im Studium und in der Lehrerausbildung . . . . . . . . . . . . 299 7.6.2 Anregungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 300 7.7 Das interindividuelle Gemeinsame - abschließende Thesen und Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 302 8. Ausblick und Forschungsperspektiven . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 305 8.1 Kritik der europäischen Mehrsprachigkeitsdoktrin . . . . . . . . . . . . . . . . 307 8.1.1 Aus der Forschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 307 8.1.2 Aus Lehrerperspektive . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 311 8.2 Forschung zum Unterrichtshandeln der Lehrkräfte: ein (wohlwollend-)kritischer Blick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 313 8.3 Forschungsdesiderata . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 314 8.3.1 Bezogen auf Lehrerfort- und -weiterbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . 314 8.3.2 Bezogen auf Unterrichtsbeobachtung / Fremdsprachenlehrpraxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 315 8.3.3 Bezogen auf die aktuelle Migrationsentwicklung . . . . . . . . . . . . . 316 9. Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 319 Vorwort Die vorliegende Habilitationsschrift wurde im Dezember 2017 in der Philologisch-Historischen Fakultät der Universität Augsburg eingereicht und angenommen. Mein ganz besonderer und herzlicher Dank gilt meiner Erstbetreuerin, der Lehrstuhlinhaberin Frau Prof. Dr. Christiane Fäcke, unter deren Leitung ich viele Jahre in Augsburg als wissenschaftliche Mitarbeiterin gearbeitet habe, für ihre stete Unterstützung, ihre wertvolle Beratung und engagierte Betreuung sowie ihre fachlich anspruchsvollen und konstruktiven Denkanstöße zu dieser Arbeit. Diese Betreuung erstreckte sich über die vielen Jahre meiner Tätigkeit als Mitarbeiterin und auch weit darüber hinaus. Ein herzliches Dankeschön gebührt ebenfalls meinem zweiten Betreuer, Herrn Prof. Dr. Engelbert Thaler, der den Fortgang meiner Arbeit mit Interesse verfolgt hat und mir bereichernde Rückmeldungen - insbesondere in den Jahren 2013 und 2014 - mit auf den Weg geben konnte. Weiterhin danke ich Frau Prof. Dr. Hélène Martinez sehr herzlich dafür, dass sie mir für die externe Betreuung meiner Habilitationsschrift unverzüglich zusagte und mir bei der Fertigstellung dieser Arbeit immer erneut Mut zuflüsterte. Meinen ehemaligen Kolleginnen und Kollegen der Universität Augsburg und vor allem den Mitgliedern des Forschungskolloquiums in den Jahren 2013 und 2014 danke ich für bereichernde Gespräche und die vielen wertvollen Hinweise und Anregungen, die ich im Anschluss an meine Präsentationen erfahren durfte. Allen voran gilt meiner Kollegin und Freundin Frau Dr. Senem Şahin mein lieber Dank für ihre permanente Unterstützung, für die intensiven und konstruktiven Gespräche und unseren kontinuierlichen Austausch u. a. über die Validierung der qualitativen Daten in den letzten Jahren. Ihre aufmunternden Worte waren mir eine wertvolle Hilfe und haben mich immer wieder in Phasen des Zweifels bestärkt und ermutigt, weiterzumachen. Meinen ehemaligen Augsburger Studierenden aus dem Wintersemester 2010 / 11 danke ich recht herzlich für ihre Mitarbeit, den regen und produktiven Austausch während der Seminare und ihre Kooperationsbereitschaft bei der Durchführung der Vorstudie. Diese Diskussionen haben mir wichtige Impulse für die Konzeption meiner Studie geliefert. Ebenfalls bin ich meinen wissenschaftlichen Hilfskräften, Frau Kathrin Pöhlmann und Frau Beate Valadez Vazquez aus den Jahren 2011-2012 für ihre Mithilfe bei der aufwändigen Transkriptionsarbeit zu großem Dank verpflichtet. 14 Vorwort Allen befragten Fremdsprachenlehrerinnen und -lehrern aus Bayern, Baden- Württemberg und Hessen - auch denjenigen, die aus forschungsimmanenten Gründen nicht in meine Studie aufgenommen wurden - danke ich ebenfalls sehr herzlich für die Zeit, die sie mir für ein Interview gewährt haben und für die Einblicke in ihre alltägliche Unterrichtspraxis, die ich in erzählerischer Form erfahren durfte und die mich oft an meine eigene, frühere Praxis als Lehrerin zurückdenken ließen. Für sorgfältiges Korrekturlesen danke ich meiner derzeitigen studentischen Hilfskraft an der Universität Bonn, Frau Bareen Wahed. Weiterhin danke ich allen Kolleginnen und Kollegen, insbesondere meiner früheren Mitarbeiterin Frau Aurélie Pérez von der Universität Regensburg für ihre engagierte Mitarbeit bei der Analyse, Ergänzung und Validierung größerer Teile der empirischen Daten, sowie meinen Freundinnen und Freunden von fern und nah, die mir im Laufe meines Forschungsprozesses interessierte Nachfragen stellten, mit mir animierende Gespräche über meine Forschungsarbeit führten und mich auf unterschiedliche Weise immer wieder motivierten. Pour terminer, je souhaiterais remercier ma petite famille du fond du cœur - en particulier mon mari Christian et mon fils David - pour le soutien constant et l’amour intarissable qu’ils me témoignent depuis toujours. Sans eux, sans leur aide, ce projet n’aurait sans doute pas abouti. Je vous dis merci. C’est à eux deux que je dédie ce travail. Hirschhorn am Neckar, im August 2018 Sylvie Méron-Minuth Er suchte zu allen Menschen in ‚ihrer’ Sprache zu sprechen, und da er diese nur nebenher auf seinen Reisen gelernt hatte, waren seine Kenntnisse, mit Ausnahme der Sprachen des Balkans, zu denen auch sein Spanisch gehörte, höchst mangelhaft. Er zählte gerne an den Fingern auf, wieviel Sprachen er spreche, und die drollige Sicherheit, mit der er es bei dieser Aufzählung - Gott weiß wie - manchmal auf 17, manchmal auf 19 Sprachen brachte, war trotz seiner komischen Aussprache für die meisten Menschen unwiderstehlich. Ich schämte mich dieser Szenen, wenn sie sich vor mir abspielten, denn was er da von sich gab, war so fehlerhaft, dass er selbst in meiner Volksschule beim Herrn Lehrer Tegel damit durchgefallen wäre, wie erst bei uns zu Hause, wo die Mutter uns mit erbarmungslosem Hohn den kleinsten Fehler verwies. Dafür beschränkten wir uns zu Hause auf bloß vier Sprachen, und wenn ich die Mutter fragte, ob es möglich sei, 17 Sprachen zu sprechen, sagte sie, ohne den Großvater zu nennen: »Nein! Dann kann man keine! « (Elias Canetti 1977: Die gerettete Zunge. Geschichte einer Jugend, S. 103) 1. Einleitung 1.1 Meine Beweggründe, dieses Projekt durchzuführen Die Ideen für die vorliegende Studie entstanden schon lange bevor ich als Lehrerin für Französisch an baden-württembergischen, sächsischen und brandenburgischen Schulen unterrichtete, oder an verschiedenen Universitäten lehren konnte. Der Themenkomplex Mehrsprachigkeit ist mir als Französin, die seit mehr als 25 Jahren in Deutschland lebt, immer bewusst gewesen. Mein eigener Migrationshintergrund unterscheidet sich in vielen Punkten von dem der meisten Migranten und Flüchtlinge, weil ich aus freien Stücken und voller Begeisterung nach Deutschland kam, um als Auslandsgermanistin meine Sprachkenntnisse zu perfektionieren und in Deutschland zu leben und zu arbeiten. Meine Motive sind nicht aus körperlicher und materieller Not geboren, niemand hat mich verfolgt oder bedroht, niemand hat mir in Deutschland unangenehme Fragen gestellt oder Hindernisse aufgebaut. Die junge Französin, die ich war, wurde als assistante de langue in Esslingen am Neckar herzlich in die Schulgemeinde aufgenommen, mein Ansehen bei den Schülerinnen und Schülern war groß, wie im Jahr darauf auch bei den Thomasschülern in Leipzig. Mein Aufenthalt in Deutschland ist dauerhaft gesichert, ich genieße (natürlich) völlige Reisefreiheit und verfüge über alle Rechte einer Bürgerin der Europäischen Union. Die Realität der meisten Migranten in Deutschland ist dagegen vielfach eine ganz Andere. Aufgrund verschieden motivierter Migrationsbewegungen wie Arbeitsmigration, politische Verfolgung und Terror, Folter, (Bürger-)Kriege 16 1. Einleitung und Flucht ist die aktuelle Zuwanderungsbewegung durch Furcht und Existenzangst geprägt und von einer allgemeinen Ablehnung durch populistische, diskriminierende Parolen verunsichert. Die Migrantensprachen werden nicht wertgeschätzt, sondern als lästig und hinderlich für eine mögliche Integration angesehen. Meine eigene Mehrsprachigkeit hingegen war ein Vorteil für meine rasche Integration in Deutschland, und als Fremdsprachenlehrerin hat es mich immer interessiert, wie Kolleginnen und Kollegen mit der in ihren Klassen vorgefundenen - schulischen und lebensweltlichen - Mehrsprachigkeit umgehen. In diesem Zusammenhang zeichnete sich mein beruflicher, wissenschaftlicher Werdegang Anfang der 2000er Jahre durch die langjährige Begleitung einer sprachlich sehr heterogenen Schülergruppe aus, die ich im Rahmen des an der Universität in Tübingen angesiedelten Pilotprojektes WIBE - Wissenschaftliche Begleitung der Pilotphase Fremdsprache in der Grundschule; Zielsprache Englisch und Zielsprache Französisch - kennenlernte und wissenschaftlich und unterrichtlich begleitete. Vier Jahre lang, während der gesamten Grundschulzeit der jungen Lernenden (damals 6 bis 10 Jahre), nahm ich am immersiv angelegten, zweistündigen Französischunterricht teil bzw. unterrichtete zuweilen selbst, beobachtete, beschrieb, analysierte und interpretierte nach und nach ihre anfänglichen und allmählich häufiger verwendeten fremdsprachlichen Kommunikationsstrategien. Diese befähigten die Lernenden zur aktiven Beteiligung an der Interaktion mit der Lehrkraft im Unterricht. Dieses umfangreiche, von mir erhobene Datenmaterial konnte ich anschließend in mein Dissertationsprojekt münden lassen (vgl. Publikationen Méron-Minuth, insbesondere von 2009 bis 2012). Die eigene Mehrsprachigkeit, die Beobachtungen des frühen Fremdsprachenlernens und der Lern- und Kommunikationsstrategien von Lernenden, mit einem nicht-romanischen, herkunftssprachlichen Hintergrund und schließlich der Kontakt mit Fremdsprachenlehrerinnen und -lehrern im Zusammenhang mit studentischen Praktika ließen immer deutlicher die Frage in mir reifen, in welcher Weise die Schule und hier speziell der Fremdsprachenunterricht mit vorhandener Mehrsprachigkeit umgehen würde. Hinzu kamen sprachenpolitische Bestrebungen und schulische Zielsetzungen, die mich letztendlich dazu bewogen haben, einen Perspektivenwechsel von den jungen Lernenden zu den Lehrenden vorzunehmen und im Rahmen meines Habilitationsprojektes Näheres über die Einstellungen und die Unterrichtspraxis von Fremdsprachenlehrkräften zu erfahren, die im Kontext realer Mehrsprachigkeit in ihren Klassen in der Institution Schule arbeiten. Infolgedessen habe ich diese Studie in der Erwartung durchgeführt, Informationen über ihre Innenperspektive, ihre subjektiven Sichtweisen zur Mehrsprachigkeit ihrer Schülerinnen und Schüler zu sammeln und zu analysieren, um letztendlich 1.1 Meine Beweggründe, dieses Projekt durchzuführen 17 daraus mögliche Schlussfolgerungen für eine veränderte Praxis der Lehreraus-, -fort und -weiterbildung, vor allem mit Blick auf eine sich verändernde Schülerschaft, ableiten zu können. Denn durch Flucht, Vertreibung und Arbeitsmigration hat sich die Schülerschaft in den letzten Jahren beträchtlich verändert (vgl. dazu Kapitel 4.2). Bei den Ergebnissen der PISA -Studie von 2000 stammt bereits über ein Fünftel (21,7 %) der fünfzehnjährigen Jugendlichen aus Familien mit Migrationshintergrund (vgl. Baumert, Klieme et alii, Deutsches PISA -Konsortium 2002). Bereits die Arbeitsmigranten (Italien, Spanien, Türkei) der ersten Generation hatten mit Problemen der Integration zu kämpfen, und die Nachkommen der zweiten und dritten Generation sind teilweise heute noch die Verlierer des deutschen Bildungssystems (vgl. Bildungsbericht der Bundesregierung 2016): „Hinsichtlich der Beteiligung an den weiterführenden Schulen zeigen sich - zunächst in der schulstatistischen Unterscheidung nach deutschen und ausländischen Jugendlichen - eklatante Unterschiede: Während deutsche Jugendliche im Schuljahr 2014 / 15 fast zur Hälfte am Gymnasium sind (rund 44 %) und nur zu 8 % an Hauptschulen, besucht lediglich knapp ein Viertel (24 %) der ausländischen Jugendlichen das Gymnasium und ein weiteres Viertel (25 %) die Hauptschule […].“ (Deutsches Institut für Internationale Pädagogische Forschung 2016: 173) Der folgende Auszug aus demselben Bericht hebt die hohen Diskrepanzen hervor, die auf dem Arbeitsmarkt zwischen Ausländern und Deutschen besteht: „Die Disparitäten in der Ausbildung setzen sich auf dem Arbeitsmarkt fort. Die Differenz im Erwerbsstatus zwischen jungen Erwachsenen ohne und mit Migrationshintergrund erweist sich als beträchtlich. Bei der Erwerbstätigkeit macht sie 13 Prozentpunkte (86 gegenüber 73 %) aus (Abb. H2-5). Die Differenz erklärt sich weniger aus Arbeitslosigkeit als aus der Quote der Nichterwerbspersonen, die bei jungen Erwachsenen mit Migrationshintergrund mehr als doppelt so hoch ist wie bei Personen ohne Migrationshintergrund (21 zu 10 %).“ (Deutsches Institut für Internationale Pädagogische Forschung 2016: 178; Hervorhebungen im Text) Dabei ist schulische Bildung der Kinder der wichtigste Faktor der Hoffnungen der Migrantenfamilien auf Integration ihrer Sprösslinge in Deutschland. Diese Hoffnungen werden durch deren schlechte Schullaufbahnchancen häufig gedämpft. Schulische Anforderungen orientieren sich an der Majoritätskultur und der schulische Habitus ist weiterhin monolingual (vgl. Göbel & Schmelter 2016; Gogolin 1994, 2011). Die noch unzureichende Beherrschung der Schulsprache und mögliche Bildungsferne sind dabei die Hauptgründe für das Scheitern der Kinder mit Migrationshintergrund. Aus diesem Grunde haben alle Bundesländer diverse Sprachförderprogramme mit dem Anspruch der Verringerung 18 1. Einleitung von Disparitäten aufgelegt (vgl. Bundesministerium für Bildung und Forschung 2007). Die meisten Familien- und (vor allem) Minderheitensprachen stehen in einer möglichen Beliebtheitsliste der Sprachen ganz unten; sie werden gar im institutionellen Schulkontext ignoriert, wie es Senem Aydin (2016) hervorhebt: “[…] the already existing migration-related multilingualism of pupils speaking minority languages is generally ignored in the school context.” (Aydin 2016: 8) Weiterhin betrachtet Aydin kritisch, dass die Forschung im Bereich von Mehrsprachigkeit und Fremdsprachenunterricht die Bedürfnisse sowie das Potenzial der Migrationsschülerinnen und -schüler mit Minderheitensprachen vernachlässigt beziehungsweise geringgeschätzt wird. Die entsprechenden Studien in diesem Feld sind „[…] still very modest” (Aydin 2016: 9), obgleich die migrationsbedingte sprachliche Heterogenität längst zur Landschaft des deutschen Schullebens gehört: “[…] Although migration-related linguistic heterogeneity has become part of school life in Germany, the needs of pupils with a migration background have been neglected in research in the field of multilingualism and foreign language education.” (Aydin 2016: 8) Demgegenüber genießen die romanischen Sprachen beziehungsweise die institutionell gelehrten Fremdsprachen ein erheblich höheres Ansehen. Es bleibt allerdings festzustellen, dass dieser negative Blick kein komplettes Spiegelbild der Leistungen von Schülerinnen und Schülern mit Migrationshintergrund repräsentiert, weil diese eben auch bemerkenswerte Erfolge aufweisen, wenn ihre sprachlichen Kompetenzen und individuelle, familiäre und (schul-)kontextuale Merkmale als positive Einflussfaktoren für effizientes Englischlernen als dritte Sprache berücksichtigt werden (vgl. Özkul 2015 und Aydin 2016). Diese Aussagen sind insofern wichtig, als Berichte jüngeren Datums zeigen, dass ausländische Kinder weniger Bildungschancen haben bzw. bildungserfolgreich und demgemäß weniger an Gymnasien anzutreffen sind. Dies zeigen vor allem beispielsweise Flam und Schönefeld in einem Beitrag von 2007 oder auch Siegert in einem Bericht von 2008 zur schulischen Bildung von Migrantenkindern in Deutschland: „Ausländische Schüler besuchen häufiger eine Hauptschule und seltener eine Realschule oder ein Gymnasium als deutsche. Darüber hinaus gehen sie häufiger auf eine Förderschule und speziell auf eine Förderschule mit dem Förderschwerpunkt Lernen.“ (Siegert 2008: 32) Es ist also Aufgabe der Schule, die Integrationsbemühungen der Kinder mit Migrationshintergrund zu fördern und ihre verschiedenen Sprachkompetenzen 1.2 Fremdsprachenlehrkräfte und die multilinguale Herausforderung 19 und vorgängige Sprachlernerfahrungen in den Unterricht zu integrieren und zu persönlichen Erfolgserlebnissen zu verdichten. Die seit den letzten zwei Jahren präsenten Fluchtbewegungen werden zukünftig Einfluss auf die Bildungseinrichtungen der Zielländer - hier Deutschlands - haben. Denn die neu zugewanderten Menschen bringen neue Herkunftssprachen sowie bedingt durch Kriege, Konflikte etc. traumatisierende Erfahrungen mit sich, die das Leben in der Gemeinschaft in der schulischen Institution sowie in weiteren Bildungseinrichtungen in den kommenden Jahren prägen werden. „Dabei wird aber auch deutlich, dass von „dem“ ausländischen Schüler prinzipiell nicht gesprochen werden kann. Differenziert man die ausländischen Schüler nach ihrer Staatsangehörigkeit, so zeigen sich zwischen den einzelnen Gruppen teilweise deutliche Unterschiede: Polnische, russische und kroatische Schüler können sich im deutschen Schulsystem vergleichsweise gut positionieren, Schüler aus Serbien und Montenegro, der Türkei und Italien dagegen vergleichsweise schlecht.“ (Siegert 2008: 32 f.; Hervorhebungen im Text) Aber im Zentrum der vorliegenden Arbeit stehen nicht nur die Schülerinnen und Schüler mit ihren herkunftssprachlichen Diversitäten, sondern auch die übrigen Lernenden, die ja bereits in ihrer Schullaufbahn Fremdsprachen gelernt haben und bis zu einem Punkt ihrer jeweiligen Interimssprache mehrsprachig sind. Die Einstellungen der Lehrenden zu den beiden unterschiedlichen Populationen und ihrer jeweiligen Mehrsprachigkeit soll untersucht werden, um der Antwort auf die Frage: „Mehrsprachigkeit als Ressource“ (Göbel & Schmelter 2016: 274) näher zu kommen. Die letztgenannten Autoren bemängeln zu Recht, dass in den letzten Dekaden innerhalb der Fremdsprachendidaktik kein Unterschied zwischen dem Erlernen der ersten, zweiten oder dritten Fremdsprache gemacht wurde. Auch stellen sie eingangs fest, dass weder die Herkunftssprachen noch die schulischen Fremdsprachen wirklich in den regulären Unterricht integriert würden (vgl. Göbel & Schmelter 2016). Zur Exploration dieses Problems spielt die Kenntnis der Einstellungen der Fremdsprachenlehrerinnen und -lehrer eine essenzielle Rolle und dies wird der Kern meiner Untersuchung sein. 1.2 Fremdsprachenlehrkräfte und die multilinguale Herausforderung Die Fremdsprachenlehrkräfte haben hier eine Schlüsselrolle, so Ingeborg Christ (2006: 265). Und zwar soll(te) ihre Aufgabe darin bestehen, die in den jeweiligen Klassen vorhandenen Sprachen (Mutter-, Herkunfts- und Fremdsprachen) beim Erlernen weiterer Sprachen zu berücksichtigen und sie einzubeziehen. Selbst 20 1. Einleitung wenn die Lehrkräfte nicht in allen Sprachen Experten sind und sein können, sollten sie sich dennoch für Phänomene anderer Sprachen und Kulturen interessieren und dies in ihren Unterricht einbeziehen, um dadurch die Lernenden an mehrsprachige Kompetenzen heranzuführen und zu unterstützen. Auf diese Weise können vorhandene Fremdsprachenkenntnisse und individuelle Mehrsprachigkeit Anerkennung, Zuspruch und Förderung finden und das Sprachenlernen kann als ganzheitlicher Prozess erfahren werden (vgl. Méron-Minuth 2015 und 2016). Mit dem Erziehungsziel zu Mehrsprachigkeit sollen junge europäische Bürgerinnen und Bürger additional zu ihrer Muttersprache mindestens zwei (Fremd-)sprachen so weit (er-)lernen, dass die Sprachkompetenzen funktionalpragmatisch und für die Anforderungen ihres späteren Lebensweges ausreichend sind. Dieses Ziel gilt ebenfalls für die Kinder und Schülerinnen und Schüler mit Migrationshintergrund: ihre mitgebrachte Mehrsprachigkeit sollten ihnen zugute kommen, indem sie im Unterricht berücksichtigt wird, sowie indem sie „[…] nicht mehr in partikularen Maßnahmen, sondern in der allgemeinen Pluralisierung der Sprachenordnung, mit positiven Folgen für die gesellschaftliche Wertung ihrer mehrsprachigen Leistungen [herangezogen wird].“ (Stölting 2005: 245 f.) Stölting (2005) sieht eine mögliche Verwirklichung der Integration von Mehrsprachigkeit in das schulische Lernen darin, dass die Institution Schule „[…] unter anderem auch mehrere Sprachen für alle sichtbar und erfahrbar werden lässt“ (Stölting 2005: 246). Dies könne eintreten, so Stölting fortführend, wenn die Schule die Schülersprachen zum Vorschein kommen lässt, „[…] denn aus der Passzugehörigkeit lassen sie sich nicht mit Gewissheit ableiten.“ (Ebd.). Eine Möglichkeit dafür besteht darin, das auf Initiative des Europarates 2001 entwickelte didaktische Instrument „Europäische Portfolio der Sprachen“ ( EPS ) einzusetzen (Europarat 2001). Dieses Dokument sammelt in strukturierter und anschaulicher Weise schulische und außerschulische Spracherfahrungen, die auf unterschiedliche Art gemacht wurden, und die demnach die eingeschlagenen, reflektierten Lernwege und -erfolge eines jeden einzelnen Lerners belegen (vgl. BLK Verbundprojekt 2009). 1.3 Lehrerrolle und Pädagogisches Handeln Wie lässt sich die europäische Sprachenpolitik in Bezug auf Mehrsprachigkeit und Plurilinguismus der einzelnen Schülerinnen und Schüler auf den Fremdsprachenunterricht übertragen? 1.3 Lehrerrolle und Pädagogisches Handeln 21 Boeckmann (2012: 1) spricht an, was ein zentrales Problem der Forderung nach größtmöglichem Plurilinguismus europäischer Bürger in der Praxis für Lehrende darstellt: In der Regel werden Lehrende des Muttersprachenunterrichts weniger umfassend darin ausgebildet, Unterricht in einer Zweitsprache zu geben als Fremdsprachenlehrkräfte, und sie sind deshalb auch weniger darauf eingestellt, das plurilinguale Repertoire von Lernenden weiter zu entwickeln. Dementsprechend muss der Mehrheitssprachenunterricht mehr leisten als der Erstsprachenunterricht (vgl. Boeckmann et alii 2011). Die Berücksichtigung der von den Schülerinnen und Schülern mitgebrachten Sprachen, die offiziell weder Teil des Muttersprachennoch des Fremdsprachenunterrichts sind, stellt die Lehrkraft vor eine schwierige Herausforderung. Es ist wahrscheinlich, dass die Lehrkraft selbst bei weitem nicht alle von den Lernenden beherrschten Sprachen selbst zu sprechen in der Lage ist. Dennoch, könnte die Lehrperson die Heterogenität ihrer Lerngruppen als pädagogische Chance wahrnehmen (vgl. Reich 2006: 5), so ließen sich zum Beispiel bestimmte Grammatikphänomene auf andere Sprachen übertragen und die Schülerinnen und Schüler, in ihrem jeweiligen, individuellen Lernprozess, könnten so gezielt als „Experten“ in die Lehre miteinbezogen werden (vgl. Boeckmann et alii 2011). Reich (2006) betont, wie dienlich es für eine erfolgreiche Unterrichtsführung ist, die persönlichen Lernfortschritte jedes einzelnen Schülers zu berücksichtigen: „Der Unterrichtserfolg kann in heterogenen Gruppen nicht allein durch das Erreichen der allgemeinen Lernziele definiert werden. Es werden zusätzlich die individuellen Lernfortschritte miteinbezogen.“ (Reich 2006: 5) Dies gilt gleichermaßen sowohl in Situationen mit einer Mehrheitensprache als Unterrichtssprache und einer mitberücksichtigten Minderheitensprache, als auch im Fremdsprachenunterricht, in dem Lernstrategien und Sprachphänomene aus anderen Sprachen einbezogen und im Sinne eines differenzierten Lernens nutzbringend in das Unterrichtsgeschehen implementiert werden können (vgl. beispielsweise Hufeisen & Neuner 2003; Boeckmann et alii 2011). Stellvertretend für die Vielzahl an vorgeschlagenen Maßnahmen zur Förderung der Mehrsprachigkeit im (Fremdsprachen-)Unterricht soll hier ein Beispiel kurz skizziert werden, das einen breit angelegten, grundsätzlichen und theoretischen Ansatz darstellt: Castelotti, Coste und Duverger (2008) schlagen sieben operationalisierbare Prinzipien für Mehrsprachigkeit im Schulkontext vor, die im Folgenden exemplifiziert und erörtert werden: « Premier principe: Du plurilinguisme limité à certaines situations, souvent à connotation élitiste, au plurilinguisme pour tous. » (Castelotti, Coste & Duverger 2008: 14) 22 1. Einleitung Mehrsprachigkeit muss dabei eine regelmäßige Erfahrung im Unterrichtsgeschehen werden; des Weiteren muss sich ein Demokratisierungsprozess in diesen Situationen realisieren. Eine stetige Integrierung verschiedener (Neben--)Sprachen im Unterricht ermöglicht es, auf die höheren Ziele der Schule abzuzielen, insbesondere auf das Konzept der Inklusion und der sozialen Zusammengehörigkeit. « Deuxième principe : Du plurilinguisme négligé des répertoires des apprenants et de la communauté proche à un plurilinguisme inclusif reconnu et valorisé par l’école. » (Castelotti, Coste & Duverger 2008: 14) Nur wenn die gesamte Sprachenvielfalt in einer Lerngruppe gleichermaßen im Rahmen des Unterrichts gewürdigt wird, kann Mehrsprachigkeit als Katalysator für Wertschätzung und Zusammenhalt fungieren. Allen Sprachen und Kulturen im Unterricht Bedeutung zuschreiben heißt zugleich Unterschiede anzusprechen, zu tolerieren und letztendlich schätzen zu lernen. Dies gilt gleichermaßen für in der Schule gelernte Fremdsprachen als auch für Minderheitensprachen, die nur von einigen Schülerinnen und Schülern beherrscht werden und normalerweise nicht Teil des Unterrichts sind. « Troisième principe: De l’apprentissage de différentes langues vers une éducation langagière générale ouverte à la diversité linguistique et culturelle et aux enseignements plurilingues. » (Castelotti, Coste & Duverger 2008: 14) Sprachenlernen sollte nicht getrennt nach einzelnen Sprachen verlaufen, sondern gemeinsam als Lernen verschiedener Sprachen auf gemeinsamer Basis geschehen. Fremdsprachen sollen dabei im Grunde wie die Muttersprache behandelt werden, was dadurch der Sprachen- und Kulturvielfalt zu Gute käme. Das präzise Vorgehen hängt aber stark von der jeweiligen Lerngruppe und den Sprachen ab. Die Grundlage dafür stellt das vierte Prinzip dar. « Quatrième principe: De l’enseignement cloisonné de différentes langues vers une conception holistique des enseignements langagiers. » (Castelotti, Coste & Duverger 2008: 15) Sprachvermittlung sollte zunächst immer eine ganzheitliche Idee der Vermittlung von Sprache sein, und nicht von vorn herein nur in Einzelsprachen als abgeschlossenes System gedacht werden. Der Transfer von Sprachlernstrategien und grundsätzlichen Kenntnissen von Sprachsystemen vereinfacht ein ganzheitliches Lernen von mehreren Sprachen. Zentral für diese holistische Herangehensweise sind bekannte Prinzipien der Didaktik wie integrierte Sprachendidaktik, Förderung des Sprachbewusstseins, Öffnung anderen Kulturen gegenüber, Austausch zwischen den Sprachen und ihren Sprachgemeinschaften. 1.4 Aufbau der Arbeit 23 « Cinquième principe: D’une politique linguistique centrale à des politiques linguistiques partagées et donc partiellement décentralisées. » (Castelotti, Coste & Duverger 2008: 15) Aus den ersten vier Prinzipien ergibt sich das fünfte: Sprachenpolitik sollte nicht zu sehr im großen Maßstab gedacht, sondern die allgemein akzeptierten, sprachenpolitischen Prinzipien lediglich auf den jeweiligen lokalen Fall angewendet und entsprechend adaptiert werden. Dies scheint zunächst den Ideen des Europarates zu widersprechen. Dabei handelt es sich bei genauerem Hinsehen aber vielmehr um die direkte Umsetzung der Forderung nach Mehrsprachigkeit, wenn lokal unterschiedliche (Minderheiten-)Sprachen unterschiedlich viel Gewicht und Bedeutung im Unterricht bekommen, je nach dem jeweiligen Umfeld. « Sixième principe: De la logique de l’ajout de langues au curriculum à celle d’un curriculum intégré des langues. » (Castelotti, Coste & Duverger 2008: 15) Lehrpläne sollten stärker auf das Sprachenlernen im Allgemeinen ausgerichtet werden. Es macht für die im Folgenden zitierten Autoren mehr Sinn, Sprachenlernen so weit wie möglich als eine Einheit zu betrachten, und nicht kategorisch nach Sprachen zu unterscheiden. Die Präsenz anderer Sprachen im stetigen Verlauf des Unterrichtens würde auch das Sprachverständnis im Allgemeinen und die Mehrsprachigkeit im Konkreten fördern. « Septième principe: D’une vision du style « tout et tout de suite » à une politique linguistique réaliste « des petits pas ». » (Castelotti, Coste & Duverger 2008: 15) Das letzte Prinzip bezieht sich auf das Ideal einer Lernspirale, die pas à pas in kleinen Happen das Sprachenlernen fördert und nicht mit zu viel Inhalt jegliche Motivation seitens der Lernenden verhindert. Im Fall der geforderten Mehrsprachigkeit bedeutet dies zugleich, ein gesundes Gleichgewicht zwischen zu vielen Sprachen und Inhalten und zu wenig Bezug auf andere Sprachen zu finden. Kurz gefasst der bekannte Satz von Butzkamm (1989) einmal anders: „So viel wie möglich, so wenig wie nötig“. Denn Plurilinguismus und Mehrsprachigkeit dürfen nicht zu einem alles überschattenden Credo werden (vgl. auch die Kritik von Maurer unter anderem in Kapitel 8). 1.4 Aufbau der Arbeit Insgesamt setzt sich die Arbeit aus acht Teilen zusammen. In der vorliegenden Einleitung (Kapitel 1.1 bis 1.3) wurden die intrinsischen Beweggründe der Forscherin sowie die Ausgangssituation der vorliegenden Studie skizziert. 24 1. Einleitung Darauf aufbauend beginnt das zweite Kapitel mit theoretischen Grundlagen des Konzepts der Mehrsprachigkeit und dessen Bedeutung für den institutionellen Fremdsprachenunterricht. Hierzu wird zunächst auf (grundlegende) sprachen- und bildungspolitische Diskurse in Europa eingegangen (Kapitel 2.1). Es folgt ein Überblick aus der Literatur über begriffsklärende und konzeptuelle Dimensionen der Zwei- und Mehrsprachigkeit (Kapitel 2.2) sowie der gesellschaftlichen und individuellen Mehrsprachigkeit (Kapitel 2.3 und 2.4), die für die Arbeit relevante (Teil-)Aspekte darstellen. Vor dem Hintergrund dieser Definitionen werden im darauffolgenden Unterkapitel das Konzept der Mehrsprachigkeitsdidaktik, ihre Ansätze und Projekte wie: integrierte Sprachdidaktik, Interkomprehension und EuroComRom sowie zentrale Zielsetzungen vorgestellt (Kapitel 2.5 bis 2.5.4). Besonderes Augenmerk wird anschließend sowohl auf die unterrichteten Schulfremdsprachen als auch die lebensweltlich erworbenen Sprachen gerichtet, da die vorhandenen Sprachkenntnisse ein nicht zu unterschätzendes, abrufbares Potenzial für das Erlernen weiterer Sprachen darstellen (Kapitel 2.5.5 und 2.5.6). Das dritte Kapitel widmet sich verschiedenen Forschungsansätzen und Konzepten aus der Forschungsliteratur zu subjektiven Theorien, Binnensicht, Einstellungen und Überzeugungen von Fremdsprachenlehrkräften. Deren pädagogisches Handeln in der alltäglichen Berufspraxis spielt eine entscheidende Rolle bei der Förderung und Implementierung gegebenenfalls Nicht-Implementierung der Mehrsprachigkeitsdidaktik (Kapitel 3). Gegenstand des vierten Kapitels bilden Vorüberlegungen zum Forschungsparadigma und die Vorstellung des empirischen und qualitativen Forschungsdesigns, das explorativ-interpretativ verortet ist. Derzeitige, gesellschaftliche Veränderungen in Form von Migrationsgeschehen und -wellen und Zuwanderungsbewegungen, die sich seit der Datenerhebung aus den Jahren 2011 und 2012 ergeben haben und in der vorliegenden Studie nicht berücksichtigt werden konnten, werden erörtert und diskutiert (Kapitel 4.2). Danach werden Forschungsfragen und das Erhebungsinstrument vorgestellt (Kapitel 4.3 und 4.4). In einem anschließenden Unterkapitel wird die Auswertung verbaler Daten aus mündlichen Befragungen zur Diskussion gestellt (Kapitel 4.5). Das vierte Kapitel schließt mit Angaben zur Durchführung der Studie (Kapitel 4.6), den verwendeten Transkriptionsregeln (Kapitel 4.7) und dem Auswertungsverfahren auf der Basis der qualitativen Inhaltsanalyse (Kapitel 4.8) ab. Die nächsten zwei Kapitel (Kapitel 5 und 6) stellen die Feldarbeit umfassend dar und inkludieren Lehrerinterviews zu ihren Einstellungen und zu ihren Erfahrungen im Umgang mit Mehrsprachigkeit im täglichen Schulkontext. Zunächst werden im fünften Kapitel Vorüberlegungen zur Vorstudie, zu ihrer Genese und den Interviewpartnerinnen und -partnern ausführlich vorgestellt 1.4 Aufbau der Arbeit 25 und analysiert (Kapitel 5.1 bis 5.3). Daraufhin werden die erhobenen Antworten in Haupt- und Neben-Kategorien ausdifferenziert. Die so dargestellten Ergebnisse und erste Befunde können bereits Einblicke in Einstellungen und Attitüden von Fremdsprachenlehrkräften gewähren, die relevant für die Durchführung der Hauptstudie und die verwendeten Fragenstrategien sein werden (Kapitel 5.4 und 5.5). Das sechste Kapitel entwickelt die Äußerungen der Interviewpartnerinnen und -partner der empirischen Hauptstudie mit der Darstellung und Auswertung von insgesamt zwölf Lehrerporträts. Um die Auswertung möglichst transparent und nachvollziehbar zu gestalten, werden die Aussagen und Explikationen einer der von mir interviewten Fremdsprachenlehrkräfte exemplarisch beleuchtet und ausgelotet (Kapitel 6.1). Gleich im Anschluss daran erfolgen die Einzelfalldarstellungen und -auswertungen der Interviews weiterer elf Lehrkräfte (Kapitel 6.2 bis 6.12). Anschließend wird im siebten Kapitel der Schwerpunkt auf der Gesamtauswertung der Ergebnisse der Lehrerinterviews liegen. Zusätzlich zu den individuellen Äußerungen und Einstellungen der Fremdsprachenlehrkräfte zu ihrem pädagogischen Handeln werden ebenfalls bildungspolitische, fachdidaktische und theoretische Diskurse in den Blick (zurück) genommen. Hierzu wird das Kategorienraster verfeinert und die Gesprächsinhalte entlang von Unterkategorien systematisiert. Abschließend wird versucht, das interindividuell Gemeinsame der Einstellungen der Lehrkräfte aus der Untersuchung in Form von abschließenden Thesen und Ergebnissen zusammen zu bringen (Kapitel 7.7) und zuzuspitzen. Die Studie schließt im achten Kapitel mit einem Ausblick auf Forschungsdesiderata und weiterführende Fragestellungen für die universitäre Lehrerausbildung sowie notwendige, potenzielle Ansatzpunkte für zukünftige Studien (Kapitel 8). Ein Europa von Polyglotten ist kein Europa von Menschen, die viele Sprachen perfekt beherrschen, sondern im besten Fall eines von Menschen, die sich verständigen können, indem jeder die eigene Sprache spricht und die des anderen versteht, ohne sie fließend sprechen zu können, wobei er, während er sie versteht, wenn auch nur mit Mühe, zugleich ihren « Geist » versteht, das kulturelle Universum, das ein jeder ausdrückt, wenn er die Sprache seiner Vorfahren und seiner Tradition spricht. (Umberto Eco 1994: Die Gabe an Adam, S. 355) 2. Historischer Exkurs und theoretische Grundlagen zum Konzept der Mehrsprachigkeit Mehrsprachigkeit wird in Europa im Zuge der europäischen Sprachenpolitik seit Jahrzehnten gefordert und gefördert. Zu Beginn dieses Kapitels gilt es zunächst, auf den Themenkomplex Mehrsprachigkeit im europäischen Kontext einzugehen, auf Basis dessen sich auch die bildungspolitischen und fremdsprachendidaktischen Forderungen nach einer Mehrsprachigkeit im schulischen Bereich ableiten lassen. Da es das Ziel der vorliegenden Arbeit ist, festzustellen, ob und inwiefern die Einstellungen einer Gruppe von ausgewählten Fremdsprachenlehrenden den genannten sprachenpolitischen Zielen entsprechen und somit der gymnasiale Fremdsprachenunterricht in Deutschland der Forderung Europas nach Mehrsprachigkeit gerecht werden, und die Herkunftssprachen der Schülerinnen und Schüler in das Unterrichtsgeschehen integrieren kann, ist ein historisch-sprachenpolitischer Überblick notwendig. Daran anknüpfend werden aus der Fachliteratur einleitend die Terminologie der Zwei- und Mehrsprachigkeit und in der Folge Ausführungen zu der gesellschaftlichen und individuellen Mehrsprachigkeit einer näheren Untersuchung unterzogen, die für die vorliegende Studie relevante (Teil-)Aspekte darstellen. Anschließend werde ich für die vorliegende Untersuchung gemäß verschiedener Diskurse aus der Forschung eigene Aspekte meines Verständnisses von Mehrsprachigkeit entwickeln. Vor dem Hintergrund dieser Definitionen wird darauf das Konzept der Mehrsprachigkeitsdidaktik, ihre Ansätze und Projekte samt zentralen Zielsetzungen geschildert. Ein besonderer Blick wird an- und abschließend sowohl auf die unterrichteten Fremdsprachen des Gymnasiums als auch auf die lebensweltlich erworbenen Sprachen gerichtet, wobei der Fokus auf das Potenzial eben dieser vorgängig gelernten Sprachen und ihre Bedeutung für den Fremdsprachenunterricht gerichtet wird. 28 2. Historischer Exkurs und theoretische Grundlagen zum Konzept der Mehrsprachigkeit 2.1 Europäische Sprachen- und Bildungspolitik und Mehrsprachigkeit Im Folgenden wird zunächst ein theoretischer Umriss des Begriffs Sprachenpolitik im Allgemeinen und der europäischen Sprachenpolitik im Besonderen entwickelt werden, um dann im weiteren Verlauf die knapp sechzigjährige Geschichte der gemeinsamen europäischen Sprachenpolitik, die zentralen Ziele und konkreten Auswirkungen für den Fremdsprachenunterricht darlegen zu können. Was versteht man unter Sprachenpolitik? In einem ersten Schritt grenzen einige allgemein gefasste Definitionen den Begriff etwas ein. Bußmann (1990) sieht als Sprachenpolitik „[…] [p]olitische Maßnahmen, die auf die Einführung, Durchsetzung und Bestimmung der Reichweite von Sprachen zielen. [Dazu zählt auch die] [p]olitische Sprachregelung. [Sie ist ein] Eingriff in den Sprachgebrauch, meist durch staatliche Stellen und mit dem Ziel, bestimmte Bewusstseinsinhalte zu wecken oder zu unterdrücken.“ (Bußmann 1990: 713) In diesem Sinne ist Sprachenpolitik die Ausübung staatlicher Einflussnahme auf den Sprachengebrauch und die Sprachenverwendung in einem Land oder einer Region. Sprachenpolitik kann zudem als politisch motivierter Eingriff in die sprachliche Situation einer Gesellschaft verwendet werden: „Sprachenpolitik sieht sich der Problematik gegenüber, mindestens zwei oder mehrere Sprachen in einem Staat in ein Gleichgewicht zu bringen.“ (Haarmann 1988: 1661) Die Möglichkeit des Missbrauchs der Sprachenpolitik für andere politische Ziele liegt auf der Hand: insbesondere sprachlichen Minderheiten gegenüber (vgl. dazu die „Charta der Regional- und Minderheitensprachen als Gegenentwurf des Europarates“, Europarat 1992). In einer Stellungnahme von 2005 hat die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) auf die vielfach missachteten Minderheitensprachen in Europa hingewiesen: „In Frankreich haben die Verfassungsgerichte die Ratifizierung der Charta der Regional- und Minderheitensprachen und damit auch die Anerkennung der Vielsprachigkeit des Landes abgelehnt. Eine Umfrage unter 380 000 französischen Staatsbürgern ergab, dass statistisch betrachtet 26 Prozent oder 11,5 Millionen Staatsbürger Frankreichs eine andere Sprache als die französische sprechen. Etwa zur Hälfte ist dies eine Minderheitensprache und zur Hälfte die eines anderen Landes. Im Dezember 2002 hat der Staatsrat entschieden, dass Französisch die einzige Unterrichtssprache ist. Diese Entscheidung hat Viele enttäuscht, insbesondere in der Bretagne, wo zahlreiche 2.1 Europäische Sprachen- und Bildungspolitik und Mehrsprachigkeit 29 Modellschulen zweisprachig in bretonisch und französisch unterrichten. Auch andere Gegenden sind betroffen, so erhalten 8679 Schüler eine zweisprachige Erziehung mit Elsässisch, 3509 in Okzitanisch und 766 in Kalatanisch. Diese Entscheidung bedroht diese Sprachen in ihrer Existenz, insbesondere wenn man das Profil der Angehörigen von Minderheitensprachgruppen bedenkt. Mehr als die Hälfte aller, die Bretonisch sprechen, sind älter als 65 und 75 Prozent älter als 50.“ (Gesellschaft für bedrohte Völker 2005: ohne Seitenangabe) Das Zusammenspiel von Sprachen in einem Land und seiner Gesellschaft (Sprachengemeinschaften) spielt eine wesentliche Rolle bei der Identitätsbildung. Die Sprachenpolitik ist, laut Louis-Jean Calvet (1996) im folgenden Zitat (Übersetzung durch die Verfasserin), die Sprachplanung, die sich in der Bestimmung der bedeutenden Entscheidungen bezüglich der Beziehungen zwischen Sprachen und Gesellschaft und ihrer konkreten Umsetzung manifestiert: « […] détermination des grands choix en matière de relations entre langues et société […] » [et sa] « mise en pratique. » (Calvet 1996: 3) Sprachenpolitik reguliert das Miteinander der Sprachen durch Sprachpflege ebenso wie Sprachförderung. Seit den Anfängen des zusammenwachsenden Europas nach dem zweiten Weltkrieg wird eine gemeinsame europaweite Sprachenpolitik politisch gewollt und vorangetrieben. Zwei große Institutionen spielen dabei eine wichtige Rolle, es sind die Europäische Union und vor allem der Europarat, die zwei unabhängige Organisationen der internationalen europäischen Politik sind. Während die Europäische Union erst 1951 mit der Gründung der Europäischen Gemeinschaft ihren Anfang nahm, besteht der Europarat, der durch den Vertrag von London gegründet wurde, bereits seit Mai 1949. Die Europäische Union lenkt heute die Geschicke von 28 Mitgliedstaaten (vgl. EU Länder 2017). Im Vergleich repräsentiert der Europarat 47 Staaten in Europa. Die Europäische Union ist seit ihrer Gründung traditionell stärker auf wirtschaftliche Zusammenarbeit ausgelegt, sie trägt folglich der Mehrsprachigkeit eher formal Rechnung, wohingegen der Europarat schon immer ein Garant für eine starke Sprachen- und Kulturpolitik in Europa war und ist (vgl. hierzu Informationen vom Conseil de l'Europe und der Union Européenne 2007). Durch den Europarat gegründet befassen sich zahlreiche weitere Unterorganisationen noch detaillierter mit der Ausrichtung der europäischen Sprachenpolitik. Die „Unité des Politiques Linguistiques“ in Straßburg existiert seit 1957 und ist für die Konzeption und Koordination der Sprachpolitik des Europarates federführend. Bereits in der Gründungsphase des Europarates (1949) und der Europäischen Gemeinschaft wurden die Wichtigkeit der Sprachenfrage erkannt und grund- 30 2. Historischer Exkurs und theoretische Grundlagen zum Konzept der Mehrsprachigkeit sätzliche Regelungen vertraglich festgehalten. Seit 1957 war der Gedanke der europäischen Mehrsprachigkeit immer wieder ausdrücklicher Bestandteil von Gründungs- und Vertragstexten der Europäischen Gemeinschaft bzw. der Europäischen Union. In diesem Sinne existiert seither auch eine Kommission zur Mehrsprachigkeit (vgl. u. a. Jostes 2006; Europäische Union 2007; Council of Europe 2007). Dennoch genießt die Sprachenpolitik größere Aufmerksamkeit seitens des Europarates. Im Rahmen des Schutzes der Menschenrechte in Europa spielt ebenfalls der Erhalt und Austausch der europäischen Sprachen und Minderheitensprachen für die älteste europäische Organisation eine wichtige Rolle (vgl. umfangreiche Darstellung der Sprachenpolitik des Europarats in: Jostes 2005 und 2006). In diesem Zusammenhang ist die „Europäische Charta der Regional- oder Minderheitensprachen“ bedeutsam, wo es in der Präambel aus dem Jahr 1992 heißt, dass die unterzeichnenden Mitgliedsstaaten die jeweiligen Regional- oder Minderheitensprachen schützen werden und begründen dies: „[…] in der Erwägung, daß es das Ziel des Europarats ist, eine engere Verbindung zwischen seinen Mitgliedern herbeizuführen, um insbesondere die Ideale und Grundsätze, die ihr gemeinsames Erbe bilden, zu wahren und zu fördern; in der Erwägung, daß der Schutz der geschichtlich gewachsenen Regional- oder Minderheitensprachen Europas, von denen einige allmählich zu verschwinden drohen, zur Erhaltung und Entwicklung der Traditionen und des kulturellen Reichtums Europas beiträgt.“ (Conseil de l’Europe 1992; Hervorhebungen im Text) Bei der Vielzahl der Entwicklungen in der Geschichte der europäischen Sprachenpolitik sind einige Ereignisse besonders hervorzuheben, die weitreichende Folgen bis in den Fremdsprachenunterricht in der Schule haben. Ein erster Meilenstein ist das „Europäische Kulturabkommen“ des Europarates von 1954, das insbesondere das Studium von Sprachen, Geschichte und Landeskunde der Staaten Europas anregen möchte, wie es folgender Auszug aus der europäischen kulturellen Konvention hervorhebt (vgl. u. a. Europarat 1954: 1; Council of Europe 2007): Each Contracting Party shall, insofar as may be possible, a encourage the study by its own nationals of the languages, history and civilisation of the other Contracting Parties and grant facilities to those Parties to promote such studies in its territory, and b endeavour to promote the study of its language or languages, history and civilisation in the territory of the other Contracting Parties and grant facilities to the nationals of those Parties to pursue such studies in its territory. (Council of Europe 2007: 34; Absatzmarkierungen im Text) 2.1 Europäische Sprachen- und Bildungspolitik und Mehrsprachigkeit 31 Eine erste praktische Umsetzung bedeutete in der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft ( EWG ) der Artikel 149 des Gründungsvertrags (1957), der im Bildungswesen durch das Erlernen und die Verbreitung der Sprachen der Mitgliedstaaten in Europa die europäische Einigung institutionell vorantreiben sollte. Ein Jahr später wurden die offiziellen Sprachen der Mitgliedstaaten als gleichberechtigte Amts- und Arbeitssprachen anerkannt. Diese Verordnung gilt als Richtlinie für die weiteren sprachpolitischen Aktivitäten der Gemeinschaft. Ab 1992 ist es jedem europäischen Bürger möglich, den Schriftverkehr mit den europäischen Institutionen in seiner Muttersprache abzuwickeln. Zugleich tritt die „Charta der Regional- und Minderheitensprachen“ in Kraft (vgl. dazu auch Lebsanft & Wingender 2012), die vom Europarat ratifiziert wird und seitdem allgemein als richtungsweisend in Europa erachtet wird. Seit die Europäische Union gegründet wurde, hat sie immer wieder Fragen zu Sprachen, ihrer Bedeutung und ihrer Förderung thematisiert. Im Vertrag von Maastricht im Jahr 1992 wurden die Entwicklung individueller Mehrsprachigkeit sowie auch das Sprachenlernen - in erster Linie die „großen“ Nationalsprachen der Gemeinschaft - in den Blick genommen. So heißt es in Artikel 126 folgendermaßen: „Die Gemeinschaft trägt zur Entwicklung einer qualitativ hochstehenden Bildung dadurch bei, daß sie die Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten fördert und die Tätigkeit der Mitgliedstaaten unter strikter Beachtung der Verantwortung der Mitgliedstaaten für die Lehrinhalte und die Gestaltung des Bildungssystems sowie der Vielfalt ihrer Kulturen und Sprachen erforderlichenfalls unterstützt und ergänzt. Die Tätigkeit der Gemeinschaft hat folgende Ziele: Entwicklung der europäischen Dimension im Bildungswesen, insbesondere durch Erlernen und Verbreitung der Sprachen der Mitgliedstaaten.“ (Amtsblatt der europäischen Gemeinschaften 1992: C 191 / 01) Im Jahr 1995 verkündet die „Charte Européenne de l’Éducation Plurilingue“ des Conseil Européen des Langues 1 als wichtigste Zielsetzung, dass ein Minimum von zwei modernen Fremdsprachen von einer möglichst großen Zahl von europäischen Bürgerinnen und Bürgern erlernt werden soll (vgl. Meißner & Reinfried 1998). In diesem Zusammenhang sei Mehrsprachigkeit innerhalb der Europäischen Union "[…] ein Lernziel von hoher Verbindlichkeit" (Meißner & Reinfried 1998: 11). Einige Jahre später - im Jahr 2000 - unterzeichnen die Präsidenten des Europäischen Parlaments, des Europarats und der Kommission die „Charta der Grundrechte der Europäischen Union“, die unter anderem die Achtung der 1 Der Conseil Européen des Langues wurde am 13. April 1996 in Amsterdam gegründet (vgl. Meißner & Reinfried 1998: 12). 32 2. Historischer Exkurs und theoretische Grundlagen zum Konzept der Mehrsprachigkeit Vielfalt der Kulturen, Religionen und Sprachen in Europa betont und jegliche Diskriminierung einzelner (Minderheiten-)Sprachen verbietet (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften 2000, Artikel 21-22). Zwei Jahre später findet ein erster Europäischer Tag der Sprachen statt. Jedes Jahr sollen an diesem Tag aktuelle Fragen zum Thema „Sprache in Europa“ diskutiert werden. Der Ministerrat definierte dann 2002 in Barcelona konsequent das Ziel, dass jeder europäische Bürger seine Muttersprache plus zwei andere Sprachen beherrschen solle, was der Auslöser für eine aktive Förderung (z. B. Sprachprogramme) war (vgl. Kommission der Europäischen Gemeinschaften 2002: 3). Mit dem europäischen Jahr der Sprachen 2001 setzt sich nach und nach der Begriff der Mehrsprachigkeit durch. Eine im selben Jahr veröffentlichte, wichtige Initiative des Europäischen Rates und richtungsweisende Publikation ist der „Gemeinsame Europäische Referenzrahmen für Sprachen“ ( GER ) (Trim et al. 2001), der für Sprachlehrende und -lernende als umfangreiche Empfehlung zu verstehen ist. Der GER behandelt das Thema des Spracherwerbs, der Sprachanwendung und der Sprachkompetenz von Lernenden. Er stellt überdies den Plurilingualismus ins Zentrum der Reflexion - sowohl als erzieherisches als auch als politisches Projekt - im Dienste und zur Weiterentwicklung der demokratischen verfassten Staaten und ihrer Bevölkerung in Europa (vgl. Europarat 2001: 16). Im November 2005 legte die europäische Kommission dann eine erste Mitteilung zum Thema Mehrsprachigkeit in Europa unter dem Titel „Eine neue Rahmenstrategie für Mehrsprachigkeit“ (Kommission der Europäischen Gemeinschaften 2005) vor. Die beiden großen europäischen Institutionen - der Europarat und die Europäische Union - haben sich in der Sprachenpolitik die Mehrsprachigkeit zum Ziel gesetzt und verschiedene Projekte zu deren pädagogischer Förderung initiiert. Die allgemeinen Zielsetzungen des Europarates bestehen in ihren Grundsätzen seit dem Europäischen Kulturabkommen; Die Europäische Union orientiert sich daran ebenfalls maßgeblich. Der Europarat hat es sich zur Aufgabe gemacht, Völkerverständigung, Demokratie und soziale Zusammengehörigkeit in Europa sowie die sprachliche Vielfalt und das Sprachenlernen im Bereich der Bildung zu fördern. Das Ziel der Mehrsprachigkeit und einer mehrsprachigen Erziehung - so der Council of Europe 2007 in der englischen Fassung seiner sprachenpolitischen Erklärung - meint nicht das gleichzeitige Unterrichten einer Reihe von Sprachen, das Unterrichten durch den Vergleich verschiedener Sprachen oder noch das Unterrichten so vieler Sprachen wie möglich. Vielmehr geht es hier darum, eine mehrsprachige Kompetenz und eine interkulturelle Bildung zu entwickeln, im Sinne des friedlichen Zusammenlebens und einer sozialen Kohäsion: 2.1 Europäische Sprachen- und Bildungspolitik und Mehrsprachigkeit 33 “The aim of plurilingualism and plurilingual education is not simultaneously teaching a range of languages, teaching through comparing different languages or teaching as many languages as possible. Rather, the goal is to develop plurilingual competence and intercultural education, as a way of living together.” (Council of Europe 2007: 18) Denn in einer Epoche der immer größer werdenden Mobilität, der Globalisierung und des Zusammenwachsens Europas haben sich die Anforderungen an die heutige Lernwelt grundlegend verändert (vgl. z. B. Meißner & Reinfried 1998). In einem multilingualen Europa und einer globalisierten Welt erfährt die Kenntnis fremder Sprachen eine zunehmend stärkere Aufmerksamkeit. Die Beherrschung oder zumindest das Verständnis der Sprachen der (europäischen) Nachbarn soll zur Ausbildung einer europäischen Identität und zur Friedenssicherung beitragen (vgl. Ahrens 2004: 14). Dabei werden die rund 220 geschätzten Sprachen in der europäischen Gemeinschaft nicht als Hindernis, sondern als Reichtum, als kulturelles Erbe angesehen, welches es zu schützen gilt (vgl. dazu Wiater 2006: 57 und Europäische Union 2007: 11). In jedem Fall wird aber die individuelle Mehrsprachigkeit der europäischen Mitglieder von der europäischen Kommission als zu erreichendes Erziehungsziel erklärt, dessen Konkretisierung im Jahr 1995 im Weißbuch festgehalten wurde (vgl. Europäische Kommission 1995: 62). Der Europarat legt jedem europäischen Bürger nahe, das ganze Leben lang Sprachen aktiv zu lernen und zu sprechen und somit beständig die „europäische Idee“ der kulturellen Vielfalt zu leben. Zu diesem Zweck sei es notwendig, dass den Sprechern Mittel und Werkzeuge zur Einschätzung des eigenen Sprachvermögens und der kommunikativen Kompetenzen an die Hand zu geben; wichtige Errungenschaften des Europarats sind das europäische Sprachenportfolio oder noch der „Gemeinsame Europäische Referenzrahmen für Sprachen“. Resümierend ist festzuhalten, dass die Sprachenpolitik des Europarats folgende Zielsetzungen für jeden einzelnen europäischen Bürger vorantreiben will: • LE PLURILINGUISME: tous les citoyens européens ont le droit d’acquérir un niveau de compétence communicative dans plusieurs langues, et ce, tout au long de leur vie, en fonction de leurs besoins • LA DIVERSITE LINGUISTIQUE : L’Europe est un continent multilingue et toutes ses langues ont la même valeur en tant que moyens de communication et d’expression d’une identité. Les Conventions du Conseil de l’Europe garantissent le droit d’utiliser et d’apprendre des langues • LA COMPREHENSION MUTUELLE : La communication interculturelle et l’acceptation des différences culturelles reposent fortement sur la possibilité d’apprendre d’autres langues 34 2. Historischer Exkurs und theoretische Grundlagen zum Konzept der Mehrsprachigkeit • LA CITOYENNETE DEMOCRATIQUE: la participation aux processus démocratique et social dans des sociétés multilingues est facilitée par la compétence plurilingue de chaque citoyen • LA COHESION SOCIALE : l’égalité des chances en matière de développement personnel, d’éducation, d’emploi, de mobilité, d’accès à l’information et d’enrichissement culturel dépend de la possibilité d’apprendre des langues tout au long de la vie. (Conseil de l’Europe 2014: ohne Seitenangaben; Hervorhebungen im Text) Die Sprachenpolitik in Europa fußt noch immer auf der ursprünglichen Grundüberzeugung des Europarats, der es sich seit seinem Bestehen zur Aufgabe gesetzt hat, den Erwerb eines hohen kommunikativen Kompetenzniveaus aller europäischen Bürgerinnen und Bürger voranzutreiben. Diese Initiative basiert zudem auf der verstärkten Mobilität und Zusammenarbeit auf europäischer und internationaler Ebene. Die Grundidee hat dabei bis heute ihre Aktualität in Zeiten der Globalisierung nicht verloren. Um am politischen, sozialen und wirtschaftlichen Leben teilzunehmen, sei das Beherrschen mehrerer Sprachen besonders im vielsprachigen Europa fast unvermeidbar geworden. Die Vielfalt der Sprachen wird als etwas Positives und Schützenswertes betrachtet. Für den Europarat ist Mehrsprachigkeit Garant für eine starke Demokratie und gesellschaftliche Einheit. Zudem ist Mehrsprachigkeit auch Voraussetzung für den interkulturellen Austausch im 21. Jahrhundert, der nicht zuletzt helfen soll, alte Grenzen, dank einer Sprachenvielfalt, zu überwinden (vgl. dazu Conseil de l’Europe 2014). Deshalb wird angestrebt, die europäischen Bürgerinnen und Bürger lebenslang, je nach Kommunikations- und Interaktionsbedarf, zum Zwecke einer größeren Mobilität und eines besseren gegenseitigen Verstehens und Zusammenarbeitens die notwendigen Voraussetzungen zur Kommunikation in jeder anderen Gemeinschaftssprache im Sinne einer funktionalen Mehrsprachigkeit entwickeln können, die sich in dem Aufbau folgender Kompetenzen niederschlägt: 1. Die europäischen Bürgerinnen und Bürger sollen zum Ersten kommunikative, darunter linguistische Kompetenzen 2 für den persönlichen, publiken, schulischen und ebenfalls den professionellen Bereich erwerben; zum Zweck der Kommunikation sollen sie darüber hinaus pragmatische Kompetenzen erlangen, die eine angemessene Kenntnis und Bewältigung der sozialen Dimensionen des (verständlichen) Sprachgebrauchs umfasst; 2. Zum anderen sollen sie allgemeine Kompetenzen wie allgemeines Weltwissen und soziokulturelles Wissen, Fertigkeiten zur Vermittlung zwischen verschiedenen Kulturen, Lernfähigkeiten und Persönlichkeitskompetenz besitzen. (vgl. dazu Wiater 2006: 57) 2 Unter „linguistischen Kompetenzen“ werden lexikalische, grammatische, semantische, phonologische und soziolinguistische Kompetenzen verstanden (vgl. Wiater 2006: 57). 2.1 Europäische Sprachen- und Bildungspolitik und Mehrsprachigkeit 35 Sowohl im sozialen als auch im bildungspolitischen Diskurs wird deutlich hervorgehoben, dass eine migrationsbedingte Mehrsprachigkeit eine wertvolle Ressource für das schulische Lernen, für Sprachbewusstheit, für die persönliche Entwicklung und interkulturelles Lernen darstelle und in diesem Sinn zu begreifen sei (vgl. z. B. Fürstenau 2011: 25). Jedoch entsprechen die Migrantensprachen meistens nicht dem offiziellen, schulischen Sprachenkanon, werden gesellschaftlich nicht besonders wertgeschätzt und folglich in der Schule auch nicht eingebunden (vgl. Fürstenau et al. 2017: 49). Und Adelheid Hu (2010) konstatiert: „Während für die Schüler/ innen Mehrsprachigkeit und sprachlich-kulturelle Identität zentrale Kategorien darstellten, spielten diese für die Fremdsprachenlehrer/ innen kaum eine Rolle.“ (Hu 2010: 67) Brigitte Jostes weist zu Recht kritisch darauf hin, dass die sprachenpolitischen Vorgaben der verschiedenen europäischen Institutionen, die sie mit dem Globalziel „effektive Kommunikation“ ( Jostes 2005: 28) bezeichnet, bei der entscheidenden Frage nach den Kriterien im Repertoire der sprachlichen Fähigkeiten unentschieden bleiben und die Globalziele auf personale Kompetenzen abzielen, bzw. den kommunikativen Verwertungsaspekt zu sehr in den Mittelpunkt stellen. „Mit „effektiver Kommunikation“ als einzigem Ziel jeglichen Sprachenlernens - und so hat es den Anschein, Begründung des menschlichen Sprachbesitzes schlechthin - kommt erstens bei dieser „Komplementarität, Gleichwertigkeit und Gleichberechtigung aller Sprachen“ eine „affektive, identifikatorische, sozialisierende und enkulturierende Rolle einer oder mehrerer Muttersprachen“ überhaupt nicht in den Blick. Aus dem Blick gerät zweitens der andere Sprachgebrauch, der nicht auf „effektive Kommunikation“ abzielt und den Humboldt als den „rednerischen“ bezeichnet. Erst dieser Sprachgebrauch, in dem die Sprache „als Sprache“ erscheint, liefert doch dem Leitbild der Mehrsprachigkeit seinen zugrundeliegenden Begründungszusammenhang.“ ( Jostes 2005: 28 f.; Hervorhebungen im Text) Diese Kritik verweist auf die Bemerkungen von Jürgen Trabant, der anmahnt: „Ich meine damit, […] daß man fremde Sprachen nicht nur zum effektiven Kommunizieren lernt - das machen wir ja schon mit dem Englischen -, sondern daß man sich eine andere europäische Sprache wirklich als einen Kulturgegenstand zu eigen macht, daß man eine fremde Sprache als einen Bildungsgegenstand erwirbt.“ (Trabant 2005: 103) Trabant ist weiterhin als kritische Stimme zu lesen, wenn er 2001 am Beispiel der Wissenschaftssprachen und der Wissensgesellschaft das Funktionieren und 36 2. Historischer Exkurs und theoretische Grundlagen zum Konzept der Mehrsprachigkeit die Umsetzbarkeit der genannten europäischen Ziele vor dem Hintergrund ökonomischer Zwänge in Zweifel zog und erklärte: „Daher sollten gerade wir Geistes- oder Kulturwissenschaftler bei der Redeweise von der Wissensgesellschaft genau hinhören. Wir können ja nicht umhin zu bemerken, wie unser Wissen, das Wissen von nahen und fernen Kulturen, Kunstwerken, Texten, vergangenen Zeiten und von Sprachen, zunehmend und rasant gesellschaftlich entwertet wird. Die Funktion des von uns produzierten Wissens ist ins Gerede gekommen. Sie wird deswegen diskutiert, weil die schönen Zeiten vorbei sind, in denen die Produktion des Wissens überhaupt - egal wovon - als kostbar angesehen wurde und von der Gesellschaft auch bezahlt wurde. Nun aber drängen die ökonomischen Zwänge - es sind eher vermeintliche Zwänge, shareholder-Zwänge eben - uns die Diskussion um die Legitimation unseres Wissens auf. Wir müssen uns vor dem Tribunal der zukünftigen Wissensgesellschaft verantworten: Nicht jedes Wissen ist da mehr willkommen und folglich finanzierbar, sondern offensichtlich nur noch solches, das der unmittelbaren Reproduktion des geld-generierenden Wissens dient. Warum sollte da z. B. - um ein Beispiel fernerliegenden Sprachwissens zu geben - einer Lateinisch oder Nahuatl studieren? Wie schnell sind dann auch das Erlernen des Französischen und das Studium der französischen Literatur und Sprache kaum mehr zu rechtfertigen.“ (Trabant 2001: 59) Mit diesem kurzen historischen Abriss lässt sich bereits zeigen, dass eine Erziehung zur Mehrsprachigkeit in Europa - politisch und sprachenpolitisch gesehen - am Ende des 20. Jahrhunderts an zentraler Bedeutung gewonnen hat und politisch gewollt ist, dass aber die Umsetzung dieser politischen Vorgaben keineswegs einfach zu realisieren ist und mit gesellschaftlichen Widerständen zu kämpfen hat. 2.2 Zweisprachigkeit-- Mehrsprachigkeit: Annäherung an eine Begrifflichkeit Als eine Folge zunehmender gesellschaftlicher Globalisierungsprozesse haben Zwei- und Mehrsprachigkeit in den letzten Jahrzehnten den genannten Bedeutungszuwachs erfahren. Durch die Integrationsprozesse in der Europäischen Union werden mehrsprachige Kompetenzen auf Seiten der Bürgerinnen und Bürger der europäischen Länder erforderlich, wenn sie, im weitesten Wortsinn, geschäftlich miteinander in Beziehungen treten. Selbst wenn die Rolle des Englischen als Lingua franca für die Verständigung zwischen den Menschen nicht in Frage zu stellen ist, zielen die Vorstellung einer europäischen Mehrsprachigkeit mit ihrem zusätzlichen kommunikativen Wert weit darüber hinaus. Auch 2.2 Zweisprachigkeit-- Mehrsprachigkeit: Annäherung an eine Begrifflichkeit 37 die Förderung von Regional- und Minderheitensprachen rückte in den letzten Jahren verstärkt in den Blickpunkt der Europäischen Union. Mit Sprach-Schutz- Programmen wird versucht, bisher an den Randgedrängte, unterdrückte oder im Niedergang befindliche Sprachen zu revitalisieren. Zur Diskussion um die Rolle des Englischen kritisiert der Romanist und Sprachwissenschaftler Jürgen Trabant dies als eine Scheindiskussion: „Die Frage tut so, als ob sie noch offen wäre. Die Frage ist natürlich längst beantwortet. Welche Sprache für Europa? Natürlich Englisch, globales Englisch, die Sprache der Welt oder, wie ich es nenne, Globalesisch. Globalesisch ist trotz aller französischen Eindämmungsversuche die Sprache der EU , zunehmend auch in den Korridoren und Büros in Brüssel und Straßburg.“ (Trabant 2005: 91) Er charakterisiert ein so verstandenes, effektives Geschäftsenglisch als „Sprachenkiller“, weil es als internationale Kommunikationssprache die anderen Sprachen in ihrem Inneren bedrohe (vgl. Trabant 2005: 93). Auch könnten Menschen keine engere geistige und emotionale Bindung und Beziehung zu einer reinen Verkehrssprache aufbauen. Dieser Vorstellung stellt er das Modell der drei Sprachen gegenüber, unter denen er die Muttersprache für die jeweils eigene Identität, die praktische, internationale Kommunikationssprache und schließlich die weitere Sprache zum Verstehen des europäischen Anderen subsumiert. Entgegen ersten Vorstellungen einer Lingua franca hat die Europäische Union sich auch zum Ziel gesetzt, die Mehrsprachigkeit ihrer Bürgerinnen und Bürger zu fördern (Muttersprache + 2) und möglichst früh mit einer gezielten Fremdsprachenförderung zu beginnen (vgl. Hufeisen 1998), denn das Phänomen europäischer Mehrsprachigkeit wird längst als der Regelbzw. Normalfall im 21. Jahrhundert angesehen, während Zweisprachigkeit eher als Sonderfall der Mehrsprachigkeit verstanden wird (vgl. Trim; North & Coste 2001: 17 und Lutjeharms 2009: 19). Um die Möglichkeiten zur Erfüllung dieses Ziels zu untersuchen, gilt es im Folgenden zunächst zu klären, was unter jenen Begriffen der Zwei- und Mehrsprachigkeit zu verstehen ist, und in welchen Formen sie sich hier äußern. Es mag auf den ersten Blick einfach erscheinen: Mehrsprachigkeit heißt, mehrere Sprachen zu beherrschen. Doch schon eine solche - sehr einfach formulierte - Erklärung ist problematisch und keinesfalls so klar, wie sie auf den ersten Blick scheint. Denn Mehrsprachigkeit, so machen etliche Forscher deutlich, ist beileibe kein klares Konzept und es gibt zahlreiche, unterschiedliche Kategorisierungen dieses Konzept (vgl. u. a. Bertrand & Christ, 1990; Meißner, 1993; de Cillia 2010; Bär, 2004; Boeckmann et alii 2012: 79). 38 2. Historischer Exkurs und theoretische Grundlagen zum Konzept der Mehrsprachigkeit So weist exemplarisch eine Reihe von Forscherinnen und Forschern (z. B. Beacco & Byram 2007: 17; Riehl 2009; Hu 2011; Boeckmann et alii 2012) auf die im „Gemeinsamen europäischen Referenzrahmen für Sprachen“ (Europarat 2001) vorgenommene Unterscheidung von Plurilingualismus (individuelle, persönliche Mehrsprachigkeit) und Mehrsprachigkeit / Vielsprachigkeit (gesellschaftliche Mehrsprachigkeit) hin. Diese begriffliche Unterscheidung wird allerdings in den meisten Beiträgen nicht übernommen 3 ; vielmehr geht es hauptsächlich um die persönliche Mehrsprachigkeit, die immer in gesellschaftlich mehrsprachigen Kontexten entwickelt bzw. gefördert werden soll. Doch auch die persönliche Mehrsprachigkeit lässt sich nicht ohne Weiteres konzeptuell erfassen. So widmet sich die Forschung einerseits der so genannten "lebensweltlichen Mehrsprachigkeit" und Fragen zur damit zusammenhängenden gesellschaftlichen Multikulturalität bzw. zur Mehrsprachigkeit in Migrationsgesellschaften (Hu 2003; Krumm 1994; Gogolin 2001; Fürstenau 2011; Lengyel 2017). Weitere Forscherinnen und Forscher (z. B. Hu 2004; Mordellet-Roggenbuck 2009; Jakisch 2014, 2015; Heydt & Schädlich 2015) beschäftigen sich schwerpunktmäßig mit dem schulischen bzw. institutionellen Fremdsprachenlernen, das zur individuellen Mehrsprachigkeit führen soll. 2.2.1 Zweisprachigkeit In der umfangreichen Literatur zu dem komplexen Thema der Zweisprachigkeit bzw. des Bilingualismus findet sich eine große Vielfalt von Definitionen und Herangehensweisen der einzelnen Autorinnen und Autoren sowie verschiedenste Untersuchungen zu einzelnen Aspekten des Zweitspracherwerbs (vgl. Forschungsstand z. B. in: Apeltauer 2001, Ahrenholz 2008; Ahrenholz & Oomen-Welke 2014; Grießhaber 2016). Der Terminus Zweisprachigkeit, der gleichzeitig mit Bilingualismus oder auch Bilinguismus (vgl. Müller; Kupisch; Schmitz & Cantone 2011: 15) sinnverwandt benutzt wird, beschreibt sowohl das Individuum, das Sprecher von mindestens zwei Sprachen ist, die es als Kleinkind im natürlichen Kontext als Muttersprachen simultan erworben hat, als auch die Institutionen und Gesellschaften, in denen dieses Individuum lebt (vgl. Coste; Moore & Zarate 2009: 16). Eine bilinguale Situation tritt dann auf, wenn ein Land, ein Staat oder auch eine Gegend zweisprachig ist, und wenn Angehörige zweier unterschiedlicher Ethnien in engem Kontakt zusammenleben und untereinander kommunizieren (vgl. Zydatiß 2010: 339). 3 Riehl (2009) beispielsweise weist darauf hin, dass in der Sprachkontaktforschung generell von drei Typen von Mehrsprachigkeit gesprochen wird: der individuellen, gesellschaftlichen (territorialen) und institutionellen Mehrsprachigkeit (Riehl 2009: 60). Sie merkt dazu an, dass die territoriale meist mit der individuellen Mehrsprachigkeit korreliert wird. 2.2 Zweisprachigkeit-- Mehrsprachigkeit: Annäherung an eine Begrifflichkeit 39 Je nach Wissenschaftsdisziplin wie beispielhaft in der Erziehungswissenschaft, der Psychologie, der Soziologie, der Sprachwissenschaft sowie auch der Zweitsprachenerwerbsforschung wird Zweisprachigkeit als Forschungsfeld unter verschiedenen Aspekten analysiert. Es existiert dementsprechend eine Kumulierung von Definitionsansätzen, die nicht einheitlich erfasst werden können (vgl. dazu Hu 2011: 214). Bilingualismus wird beispielsweise in der Zweitsprachenerwerbsforschung als Form von Mehrsprachigkeit betrachtet (Ebd.). Wirft man aber einen Blick in die Literatur der Psycholinguistik und der Zweitsprachenerwerbsforschung der vergangenen Dekaden, so werden Menschen als bilingual bezeichnet, wenn sie auch nur mindestens eine der vier Fertigkeiten Hörverstehen, Sprechen, Lesen und Schreiben in einer anderen Sprache als ihrer Muttersprache besitzen, so wie es Macnamara 1967 verdeutlicht: “[…] I will use the term bilingual of persons who possess at least one of the language skills even to a minimal degree in their second language.” (Macnamara 1967: 59 f.) Eine entgegengesetzte Position vertritt Bloomfield (1976, 1984), der für das Vorliegen von Bilingualismus höhere Kompetenzen voraussetzt, und ihn demzufolge als quasi muttersprachliche Beherrschung von zwei Sprachen charakterisiert: "[…] the native-like control of two languages" (Bloomfield 1984: 56). Seiner Auffassung nach gehört ein annähernd muttersprachlicher Perfektionsgrad dazu, um als zweisprachig betrachtet zu werden. Was Edwards (1994) angeht, so ist dieser einer ähnlichen Auffassung bezüglich des Bilingualismus wie Macnamara und unterstreicht, dass „Everyone [sic] als bilingual“ bezeichnet wird (Edwards 1994: 55). Für Edwards genügen bereits geringe Kenntnisse in einer Fremdsprache, um als zweisprachig zu gelten und zwar unabhängig davon, ob diese Kenntnisse ausschließlich in einem bestimmten Bereich, wie dem Mündlichen, ausgebildet sind (vgl. auch Aronin & Singleton 2012: 1 f.). Diese dichotomen Sichtweisen verdeutlichen, wie umstritten die Abgrenzungsproblematik betreffs des Bilingualismus ist (vgl. Wode 1985: 36) und wie weit diese Aussagen ebenfalls auf den Plurilingualismus übertragbar sind (vgl. Christ 2004: 31). Bloomfields Position wurde in den darauffolgenden Jahren als überholt angesehen, so Wode (1995); vielmehr öffnen sich Publikationen in der Tertiärsprachenforschung und der Fremdsprachendidaktik den eher weiter gefassten Begriffen von Zweibzw. Mehrsprachigkeit (vgl. Wode 1995: 36; Hu 2011: 11). Gegenwärtige Begriffsbestimmungen für die individuelle Zweisprachigkeit - per exemplum Coste, Moore und Zarate (2009) - beschreiben damit Einzelpersonen, die eine Sprachbeherrschung in zwei linguistischen Codes aufweisen, welche im Idealfall auf annähernd gleichem Niveau sind. 40 2. Historischer Exkurs und theoretische Grundlagen zum Konzept der Mehrsprachigkeit Eine aktuelle Definition von Zweisprachigkeit erfordert jedoch mehr Flexibilität und muss verschiedene Aspekte berücksichtigen. Der ideale Muttersprachler (Trim; North & Coste 2001: 17) als maximale Anforderung betreffend der Sprachkompetenz gilt nicht mehr als das Maß der Dinge, so wie im Verständnis von Bloomfield (vgl. Definition von Bloomfield 4 [1933] 1984: 55 f.). Fäckes Definition (2010) erscheint einleuchtender und trifft die Unterscheidung zwischen individueller und gesellschaftlicher Zweisprachigkeit. Erstere wird noch einmal in simultane oder primäre Zweisprachigkeit und sukzessive oder sekundäre Zweisprachigkeit unterteilt (Fäcke 2010: 86 f.). Im simultanen Fall werden zwei oder mehrere Sprachen parallel und zum gleichen Zeitpunkt erworben. Beim sukzessiven Phänomen ist eine ferner erworbene Zweisprachigkeit gemeint. Des Weiteren wird zwischen additivem und subtraktivem Bilingualismus differenziert: „Additiver Bilingualismus bezieht sich auf eine gleichgewichtige und positive Berücksichtigung beider Sprachen und Kulturen für die Entwicklung eines bilingualen Kindes. Subtraktiver Bilingualismus geht vom gegenteiligen Fall aus, in dem eine der beiden Sprachen bzw. Kulturen als minderwertig gegenüber der anderen Sprachen bzw. Kultur erachtet wird und in der Folge nicht gefördert wird.“ (Fäcke 2010: 87) Bei symmetrischem oder ausgewogenem Bilingualismus verfügt der Sprecher über ein identisches Sprachniveau, das heißt einen annähernd gleichgewichtigen Sprachstand in zwei Sprachen (vgl. u. a. Appeltauer 1997; Müller; Kupisch; Schmitz & Cantone 2006; Allemann-Ghionda 2007: 28). Bei asymmetrischem Bilingualismus liegt in einer Sprache ein höheres, dominanteres Niveau vor als in der anderen (Müller et al. 2006: 48 ff.; Fäcke 2010: 87). Der Dominanzgrad der Sprache ist demzufolge vom Gebrauch im jeweiligen Kontext abhängig; er kann sich durch geografische oder soziale Veränderungen anpassen. Doppelte Halbsprachigkeit oder Semilingualismus als weitere Unterform der Zweisprachigkeit liegt vor, wenn keine der zwei Sprachen in verschiedenen Lebensbereichen angemessen und kompetent verwendet, bzw. auf nur sehr geringem Niveau beherrscht wird. Defizite quantitativer und qualitativer Art in beiden Sprachen, die sowohl die pragmatische als auch die affektive und psycholinguistische Ebene betreffen, sind in der Realisierung der Kommunikation vorzufinden. In diesem Fall können nur rudimentäre Kommunikationsabläufe stattfinden, die 4 Bloomfields Definition von Bilingualismus (1984 [1933]): „In the extreme case of foreignlanguage learning the speaker becomes so proficient as to be indistinguishable from the native speakers round him. […] In the cases where this perfect foreign-language learning is not accompanied by loss of the native language, it results in bilingualism, native-like control of two languages.“ (Bloomfield 1984: 55 f.). 2.2 Zweisprachigkeit-- Mehrsprachigkeit: Annäherung an eine Begrifflichkeit 41 zum Zwecke der Alltagsbewältigung dienen. Der Begriff der doppelten Halbsprachigkeit 5 ( double semilingualism ) ist heute allerdings insofern strittig (vgl. Butzkamm 1993: 55, 2002; Riehl 2009: 74), als dass er suggeriert, das Individuum verfüge lediglich über unzureichende Kenntnisse in beiden Sprachen und habe damit eine Art Handicap aufzuweisen. Man spricht deshalb heute vom "doppelten" Erstspracherwerb. Zur Beschreibung und Erklärung der verschiedenen Formen der Zweisprachigkeit hat vor allem Jim Cummins (1979) gearbeitet. Er entwickelte die Interdependenz- oder auch Schwellenniveauhypothese, bestehend aus zwei Teilen. BICS steht für „Basic Interpersonal Communicative Skills“ und fasst die mündlichen Grundfertigkeiten und das sprachliche Leistungsvermögen eines Sprechers zusammen, die in der Alltagskommunikation interpersonal benötigt werden. Jedoch sind diese Kompetenzen für den schulischen Unterricht unzureichend; vielmehr werden einfache Satzkonstruktionen bzw. unvollständige Sätze verwendet. CALP steht für „Cognitive Academic Language Proficiency“ und beschreibt hingegen vor allem die Fähigkeit, schriftliche, kognitiv eher anspruchsvollere Fertigkeiten zu verstehen und zu verarbeiten. Während BICS sich in jeder Sprache tendenziell entwickeln kann, setzt CALP eine entfaltete Erstsprache für die zu erbringenden sprachlichen Leistungen in der Zweitsprache voraus. Somit ist im Bereich der BICS nach Cummins eine ausreichende Sprachkompetenz relativ schnell erreichbar, wohingegen für das Erlangen der CALP fünf bis sieben Jahre Lernzeit für altersentsprechende Schulkenntnisniveaus angesetzt werden müssten (vgl. Cummins 1979, 1984 und 2000; Apeltauer 2004; Fäcke 2010: 87 f.). Diese exponierte Unterteilung hilft vor allem bei der Analyse von Sprachfertigkeiten von Schülerinnen und Schülern mit Migrationshintergrund. Durch Submersion liegen bei ihnen häufig nur niedrige, grundlegende konversationelle Sprachfertigkeiten vor. 5 Dieser Begriff wurde 1968 von Nils Erik Hansegård zum ersten Mal eingeführt. Doppelte Halbsprachigkeit bezeichnet das Phänomen, wonach Personen, die zwei- oder mehrsprachig aufwachsen, weder ihre Erst- oder Herkunftssprache noch die Zweitsprache ausreichend beherrschen würden. Die Debatte um diesen Begriff bildet die Diskurse der deutschen Bildungsforschung am Ende des 20. Jahrhunderts ab, in denen vor allem die schulischen Misserfolge von Kindern mit Migrationshintergrund untersucht wurden; er ist im übrigen stark umstritten und es muss heute von doppeltem Spracherwerb gesprochen werden (vgl. Kielhöfer & Jonekeit 1983; Köppe 1997; Tracy & Gawlitzek-Maiwald 2000; Tracy 1996, 2002), wie es das folgende Zitat hervorhebt: „Werden Kinder von frühester Kindheit an mit zwei Sprachen konfrontiert, z. B. indem Vater und Mutter sie in unterschiedlichen Sprachen ansprechen oder indem im Elternhaus eine, in der Umgebung eine andere Sprache gesprochen wird, so spricht man vom "doppelten" Erstspracherwerb“ (Tracy 2002: 11). 42 2. Historischer Exkurs und theoretische Grundlagen zum Konzept der Mehrsprachigkeit 2.2.2 Mehrsprachigkeit Die genannten Wissenschaftsdisziplinen haben den Terminus Mehrsprachigkeit längst angenommen. Er ist Gegenstand linguistischer, psychologischer, soziologischer, erziehungswissenschaftlicher und nicht zuletzt fremdsprachendidaktischer Forschung. Dieses umfassend eingesetzte, komplexe Konzept fungiert meist als Oberbegriff, um Forschungen zum Zweitbzw. Fremdsprachenerwerb und zum Bilingualismus einzuschließen (u. a. Franceschini 2009: 63; Lengyel 2017: 154). Der Begriff Mehrsprachigkeit ist ambivalent und wird vielschichtig ausgelegt. Einerseits bezieht er sich auf die Existenz mehrerer, unterschiedlicher Sprachen auf einem geografischen Gebiet, innerhalb eines individuellen oder gesellschaftlichen Systems, was als Multilingualität klassifiziert wird und die kollektive Mehrsprachigkeit beschreibt (vgl. De Florio-Hansen 2006; Wiater 2006: 51, De Cillia 2010). Andererseits nimmt Mehrsprachigkeit gewohntermaßen Bezug auf die menschliche Fähigkeit, in verschiedenen Sprachen verbal zu kommunizieren, was wiederum als Plurilingualität bezeichnet wird und auf die individuelle Mehrsprachigkeit fokussiert (vgl. Wiater 2006: 51; De Florio-Hansen 2006 sowie Näheres dazu in Kap. 2.2.2.2). Mehrsprachig sein bedeutet nicht zwingend: "[…] über volle Kompetenzen in zwei oder mehreren Sprachen relativ konstant [zu] verfügen." (Bausch 2003: 439) Aus sprachwissenschaftlicher Sicht fungiert Mehrsprachigkeit als Oberbegriff, um soziale, institutionelle und individuelle Formen der Aneignung von Sprachen für die gesamte Lebenszeit - z. B. Spracherwerb und Sprachlernen, unter anderem in der Familie, im Freundeskreis, in der Schule - wie auch die konkrete Verwendung von Sprachvarietäten - im Alltagsleben, am Arbeitsplatz, in Institutionen bis hin zu deren Rechtsgrundlagen - zu bezeichnen (vgl. dazu z. B. Müller; Kupisch; Schmitz & Cantone 2006; Riehl 2009). In der Fremdsprachendidaktik und der Tertiärsprachenforschung wird eine Person als mehrsprachig bezeichnet, wenn sie auf der Basis der Kenntnis ihrer Muttersprache eingeschränkte Kenntnis in (mindestens) zwei weiteren Sprachen entweder in gleichen oder in verschiedenen Diskursbereichen erworben beispielsweise gelernt hat, um gegebenenfalls soziale Kontakte in gesprochener oder geschriebener Sprache aufzunehmen, Texte zu lesen oder noch Fachgespräche führen zu können (Bertrand & Christ 1990: 208; Christ 1991: 23-40; 2004: 31 und 2015; Hu 2011: 234). Entscheidend hier ist der zugrunde gelegte Sprachbegriff. Werden z. B. Dialekte und Soziolekte als eigenständige Sprachen gezählt, so kann jeder Mensch grundsätzlich als mehrsprachig angesehen werden, wie es Mario Wandruszka beschreibt: 2.2 Zweisprachigkeit-- Mehrsprachigkeit: Annäherung an eine Begrifflichkeit 43 „Schon in unserer Muttersprache sind wir also mehrsprachig. Nach der regional, sozial, kulturell eng begrenzten Sprache unserer Kindheit ist die transregionale, transsoziale Kultursprache, die wir in der Schule lernen, schon gewissermaßen unsere erste Fremdsprache. Viele Menschen bestätigen uns das aus der Erinnerung an ihre eigene Kindheit.“ (Wandruszka 1975: 321) Lässt man aber ausschließlich Nationalsprachen gelten, so konstruiert man einen Monolingualismus, der erst durch das Erlernen von Fremdsprachen überwunden werden kann. Hinzu kommt das Kriterium der sprachlichen Kompetenz: da es sich - nach Hu (2000) - selten um eine ausgewogene Mehrsprachigkeit handelt, sei es ausschlaggebend, die Kompetenzniveaus in den diversen Sprachen zu bestimmen, damit überhaupt von Mehrsprachigkeit die Rede sein könne (vgl. Hu 2011: 214). Herbert Christ schlägt folgende Definition der Mehrsprachigkeit, im Anschluss an die Metapher vom Schwellen-Niveau / threshold level , zum Exempel nach Cummins (1984) vor: „Mehrsprachig ist eine Person, die in mehreren Sprachen die Schwelle in andere Sprachhäuser zu überschreiten gelernt hat.“ (Christ 2001: 2 f.) Aufgrund der Tatsache, dass Sprache mit Kultur verbunden ist, ergibt sich aus der Mehrsprachigkeit immer eine Multikulturalität (vgl. Ahrens in Bausch 2004: 9; Minuth 2009; Christ 2015). Gemäß dem „Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen für Sprachen“ (Europarat 2001) erscheint es uns aufgrund seiner Signifikanz sinnvoll, den Begriff Vielsprachigkeit und sein Unterscheidungskriterium zur Mehrsprachigkeit (auch Plurilinguismus) näher zu beleuchten und abzugrenzen. Die Fremdsprachendidaktiker Yves Bertrand und Herbert Christ, beispielsweise, betrachteten bereits in den 1990er Jahren das Konzept der Vielsprachigkeit - auch Multilinguismus (Englisch: multilingualism und Französisch: multilinguisme ; vgl. Hu 2016) - als das Ergebnis von Migrationsbewegungen und deren Verwendung zahlreicher Sprachen auf einem selben Territorium, den gesellschaftlichen Charakter hervorhebend: « Chaque fois que cela semble à propos, il est important de distinguer le multilinguisme du plurilinguisme. Tandis que le premier est le résultat de la migration et de l’emploi de très nombreuses langues sur un même territoire, ce qui explique son caractère profondément social, le plurilinguisme est surtout de caractère individuel. » (Bertrand & Christ 1990: 44) Vielsprachigkeit unterstreicht auch das sozietale Phänomen der additiven Koexistenz und Kohabitation verschiedener Sprachen und Kulturen innerhalb 44 2. Historischer Exkurs und theoretische Grundlagen zum Konzept der Mehrsprachigkeit eines geografischen Raums (Sprachgebiets), eines Staates und Staatengemeinschaften oder im Kopf eines Sprechers (vgl. u. a. Europarat 2001: 17 und 2007; Hu 2011 und 2016: 214; Christ 2015). Mehrsprachigkeit - auch Plurilinguismus genannt (Englisch: plurilinguism und Französisch: plurilinguisme ; vgl. Hu 2016) - meint hingegen die individuelle Ebene eines Einzelnen, der eine persönliche, mehrsprachige und mehrkulturelle Kompetenz entwickelt hat, die sich nicht aus dem schlichten Addieren einzelsprachlicher Kompetenzen zusammensetzt. Vielmehr handelt es sich um eine sprachenübergreifende Kompetenz, auf die in variablen Interaktionen und in kommunikativen Situationen mit einem Gesprächspartner flexibel Bezug genommen wird. Sie wird kombiniert und vielfältig transversal vernetzt 6 (vgl. u. a. Le Pape Racine 2005: 105 und 2009: 15; Martinez 2015: 8). Mehrsprachigkeit verweist somit auf die Fähigkeit eines Menschen, mehr als eine Sprache neben der Muttersprache, verbunden mit dem Wissen um die kulturelle Einbettung der Sprachen, unmittelbar aktiv und passiv gebrauchen und sich in ihr ausdrücken zu können (Wiater 2006: 59). Sie wird als Schlüssel zur Verständigung zwischen den europäischen Völkern anerkannt, als Vermittler von Toleranzdenken und infolge dessen als ein Medium der Friedenssicherung (vgl. dazu Ahrens 2004: 14). Auch wenn das Mehrsprachigkeitskonzept sehr vielfältig ausgelegt werden kann, bleibt jedoch ein gemeinsamer Nenner, nämlich der der sprachenpolitischen Vorgaben der Europäischen Union, die besagen, dass jeder europäische Bürger nebst seiner Muttersprache über ausbaufähige Kenntnisse in zwei modernen Sprachen verfügen sollte (vgl. Jakisch 2015b). Es geht folglich um die personale Mehrsprachigkeit, die im europäischen Sinne als individuelles Gut gesehen wird und „[…] betont die Tatsache, dass sich die Spracherfahrung eines Menschen in seinen kulturellen Kontexten erweitert, von der Sprache im Elternhaus über die Sprache der ganzen Gesellschaft bis zu den Sprachen anderer Völker, die er entweder in der Schule oder an der Universität lernt oder durch direkte Erfahrung erwirbt. Diese Sprachen und Kulturen werden aber nicht in strikt voneinander getrennten mentalen Bereichen gespeichert, sondern bilden vielmehr gemeinsam eine kommunikative Kompetenz, zu der alle Sprachkenntnisse und Spracherfahrungen beitragen, und in der die Sprachen miteinander in Beziehung stehen und interagieren.“ (Trim; North & Coste 2001: 17) Im Folgendem geht es darum, grundsätzlich zwischen drei Typen von Mehrsprachigkeit zu unterscheiden (u. a. Riehl 2009; Lengyel 2016), auf die ich in den nächsten Unterkapiteln näher eingehen möchte: die gesellschaftliche, die 6 Im französischen Diskurs hat sich die Distinktion zwischen individueller und gesellschaftlicher Mehrsprachigkeit etabliert (vgl. dazu Zarate, Lévy & Kramsch 2008). 2.4 Individuelle Mehrsprachigkeit 45 individuelle und die institutionelle - hier in unserem Kontext: die schulische - Mehrsprachigkeit. 2.3 Gesellschaftliche Mehrsprachigkeit Franceschini (2009) schlägt folgende Definition einer gesellschaftlichen Mehrsprachigkeit vor: „Unter Mehrsprachigkeit wird die Fähigkeit von Gesellschaften, Institutionen, Gruppen und Individuen verstanden, in Raum und Zeit einen regelmäßigen Umgang mit mehr als einer Sprache in ihrem Alltag zu haben. Mehrsprachigkeit beruht auf der grundlegenden menschlichen Fähigkeit, in mehreren Sprachen kommunizieren zu können. Sie ist ein in kulturelle Entwicklungen eingebettetes Phänomen und ist somit durch hohe Kultursensitivität geprägt.“ (Franceschini 2009: 64) Die gesellschaftliche Mehrsprachigkeit meint das gleichzeitige, dynamische Vorhandensein und Zusammenleben mehrerer Sprachen auf demselben Territorium, in einer Gesellschaft. Sie liegt vor, wenn sich zahlreiche Personen beim Eintritt gegenseitiger Durchdringung der Sprachgemeinschaften im Alltag mehr als einer Sprache bedienen, ob in Institutionen, Behörden oder noch Organisationen, die mehrsprachig aufgebaut und entsprechend mehrsprachig tätig sind (z. B. die Schweiz, oder Belgien). Auch Luxemburg ist beispielswiese gekennzeichnet durch eine soziale Mehrsprachigkeit, bei der drei Amtssprachen eine wichtige Rolle erfüllen. Während Französisch als gesetzliche, amtliche Verkehrssprache fungiert, wird das Luxemburgische für kommunikative Zwecke in nicht formalen Zusammenhängen verwendet, und das Deutsche als Bildungssprache gleich zu Beginn der schulischen Sozialisation beziehungsweise Alphabetisierung gelernt. Damit verbunden ist gleichzeitig auch die gesellschaftliche Wertschätzung dieser Sprachen. 2.4 Individuelle Mehrsprachigkeit Mehrsprachigkeit - wie wir bereits in den vergangenen Kapiteln feststellen konnten - wurde seinerzeit im Weißbuch von 1995 (vgl. Europäische Kommission 1995: 62) als ein zu erreichendes Erziehungsziel für jedes Individuum erklärt. Individuelle Mehrsprachigkeit meint einen Zustand, in dem ein Individuum Kompetenzen in mehr als einer Sprache besitzt, sich entsprechend ein kommunikatives Sprachrepertoire zugelegt hat, das aus psycholinguistischer Perspektive auch Sprachmischungen umfasst. Anders formuliert: mehrsprachig ist derjenige, der 46 2. Historischer Exkurs und theoretische Grundlagen zum Konzept der Mehrsprachigkeit im alltäglichen Leben regelmäßig zwei oder mehrere Sprachen verwendet und sich somit verständigen kann, sowie von der einen in die andere umschalten kann, vorausgesetzt, dass die Umstände dies erforderlich machen. Dabei muss der Sprecher die einzelnen Sprachen nicht mit demselben Perfektionsgrad beherrschen, so wie es Yves Bertrand und Herbert Christ im folgenden Auszug verdeutlichen: « Cette définition [du plurilinguisme individuel] ne demande pas qu’un individu maîtrise toutes ces langues avec la même perfection. Contrairement au multilinguisme, le plurilinguisme est planifiable, par exemple dans le cadre d’une politique scolaire dont il est le produit. » (Bertrand & Christ, 1990: 44) Vielmehr sei die individuelle Mehrsprachigkeit planbar, so wie zahlreiche offizielle Texte diese Unterscheidung aufgreifen (Ebd.). Sie sei auch das Ergebnis verschiedenartiger Lernprozesse und somit von zahlreichen äußeren und inneren Faktoren wie Alter und der Zeitpunkt des Erwerbs, der Ort des Erwerbs, die Art des Erwerbs zusätzlich zu Umständen und Motivation. 2.4.1 Lebensweltliche Mehrsprachigkeit Ingrid Gogolin führte 1988 den Terminus der lebensweltlichen Mehrsprachigkeit im Zusammenhang mit Forschungen zu Zwei- und Mehrsprachigkeit 7 ein. Damit beschreibt sie die sprachlichen Kenntnisse und Kompetenzen von Menschen, die durch ihre persönliche, außerschulische Biografie in ihrem alltäglichen Leben in mehr als einer Sprache aufwachsen, denken, agieren und kommunizieren. Diese lebensweltliche Mehrsprachigkeit wird zur gewöhnlichen Lebensführung gebraucht und ist erforderlich, um den Alltag handlungsfähig zu gestalten. So übernehmen beispielsweise Kinder mit Migrationshintergrund häufig Mediationsaufgaben für ihre Eltern im schulischen Zusammenhang. Mit Blick auf das deutsche Bildungssystem war es Gogolins Anliegen, die besondere Stellung zwei- und mehrsprachiger Schülerinnen und Schüler - Kinder mit Migrationshintergrund - darzulegen, um ihre These vom monolingualen Habitus der deutschen Schule zu stützen, dem sie die multilinguale Realität eines großen Teils der Schülerschaft gegenüberstellt. Nach Gogolin wird dieses Sprachvermögen durch die Institution Schule nicht vermittelt und entsprechend auch nicht offiziell anerkannt bzw. unterrichtlich eingebunden (vgl. Gogolin 1994). Heidemarie Sarter (2013) fügt hinzu, dass die lebensweltlichen Sprachkenntnisse der Schülerinnen und Schüler allzu häufig ein totes Kapital blei- 7 Sie benutzt zunächst den Begriff „lebensweltliche Zweisprachigkeit“ als Gegenposition zu der doppelten Halbsprachigkeit (vgl. Fußnote 5 in diesem Kapitel). Daraufhin erweiterte sie 2004 den Begriff zur lebensweltlichen Mehrsprachigkeit (Gogolin 2004: 55). 2.4 Individuelle Mehrsprachigkeit 47 ben, anstatt revitalisiert und ausgebaut zu werden (vgl. Sarter 2013: 55). Deshalb - entsprechend dem erklärten Ziel der Europäischen Union (2005) - die Mehrsprachigkeit zu fördern, schließt dies ebenfalls die lebensweltliche Mehrsprachigkeit der Schülerschaft ein, die umfangreichen Eingang in das unterrichtliche Geschehen finden muss (vgl. Gogolin 1994, 2008; Hu 2003). Wenn wir einen Blick auf Statistiken der ausländischen Schülerinnen und Schüler an allgemeinbildenden Schulen für das Schuljahr 2015 / 16 werfen, so repräsentiert das Türkische mit 15,4 % die mit Abstand am stärksten vertretene Herkunftssprache (vgl. Statistisches Bundesamt 2017). Die russische Sprache gehört gleichermaßen zu den weit verbreiteten Herkunftssprachen in Deutschland nach der Türkei und Polen (vgl. Anstatt 2009; Brehmer & Mehlhorn 2015: 85 f.). Neben Immigranten aus den russischen Kerngebieten sind vor allem russlanddeutsche Spätaussiedler aber auch Georgier, Kasachen, Usbeken und Ukrainer Teil der russischsprechenden Gemeinschaft in Deutschland. Exemplarisch am Bundesland Nordrhein-Westfalen gezeigt, lebten dort im Jahre 2015 Familien mit ihren Kindern, die aus mehr als 190 verschiedenen Herkunftsländern stammten. „In den Ballungsgebieten liegt die Quote der Kinder im Einschulungsalter, die mehrsprachig aufwachsen, bereits bei 40 Prozent und mehr. […] Manche Stadtteile haben Quoten von 80 Prozent und mehr, während andere eine Quote von 20 Prozent nicht übersteigen.“ (Bainski & Trujillo 2015: 478) Bainski und Trujillo fügen hinzu, dass 50 % bis 70 % dieser Kinder neben Deutsch ihre Herkunftssprache sprechen würden (Ebd.). Somit kommen diese Kinder von frühester Kindheit an, auf natürlichem Wege im öffentlichen Alltagsleben mit etlichen Sprachen in Berührung. Nicht nur in der globalisierten Welt, sondern auch in unserer von Migration geprägten Gesellschaft sei es deshalb unabdingbar, die lebensweltlich erfahrene Mehrsprachigkeit der Schülerinnen und Schüler als Bestandteil ihrer Identität in den schulischen Unterricht einzubetten (vgl. z. B. Oomen-Welke & Krumm 2004; Hufeisen 2004b; Sarter 2013). 2.4.2 Schulische Mehrsprachigkeit Anders als die lebensweltliche Mehrsprachigkeit bleibt die schulische Mehrsprachigkeit anzubahnen, also ein Desiderat der Europäischen Union, die die Mehrsprachigkeit als „ein Lernziel von hoher Verbindlichkeit“ sieht (Meißner & Reinfried 1998: 11). Unter schulischer Mehrsprachigkeit versteht man demnach die Sprachen ( Interlangues ), die die Lernenden in ihrer schulischen Laufbahn gelernt haben oder gerade dabei sind zu lernen. 48 2. Historischer Exkurs und theoretische Grundlagen zum Konzept der Mehrsprachigkeit Überträgt man die Idee des Plurilinguismus auf den Fremdsprachenunterricht und das Fremdsprachenlernen, so fordert der Europarat folgende Kriterien im Kern zu berücksichtigen, nämlich dass der Fremdsprachenunterricht eine mehrsprachige Erziehung fördern möge, bei der neben dem Fremdsprachenlernprozess auch eine Bewusstmachung über die vielfältige Vernetzung der Kompetenzen entwickelt wird: L’éducation plurilingue encourage: la prise de conscience du pourquoi et du comment on apprend les langues choisies; la prise de conscience de compétences transposables et la capacité à les réutiliser dans l’apprentissage des langues; le respect du plurilinguisme d’autrui et la reconnaissance des langues et de leurs variétés, quelle que soit l’image qu’elles ont dans la société; le respect des cultures inhérentes aux langues et de l’identité culturelle d’autrui la capacité à percevoir et à assurer le lien entre les langues et les cultures; une approche globale intégrée de l’éducation linguistique dans les curricula. (Conseil de l’Europe 2014: politiques; Absatzmarkierungen im Text) Denn in der schulischen und sprachlichen Bildung - also im institutionalisierten Kontext - wird das Erlernen von mindestens zwei Fremdsprachen angestrebt, um gegenseitiges, in diesem Fall bilaterales, Verständnis innerhalb europäischer Länder zu gewährleisten. Werden zwei, drei oder noch vier Fremdsprachen - vor allem im Gymnasium - gelernt, so eignet sich der Einzelne aufgrund der vorgängig gelernten Sprachen einen sehr großen Erfahrungsschatz an sprachlichem Wissen, Lernstrategien und Kompetenzen an, auf dem das Lernen weiterer Sprachen (Vorwissen) basiert und ermöglicht wird (vgl. Hu 2011: 234). Kennzeichnend nach Neuner und Hufeisen (2005), 2009 durch Neuner; Hufeisen et alii in Folge auf Wandruszkas Begriffsdefinition erweitert, gilt für das neue Mehrsprachigkeitskonzept, dass: „Wenn eine Person mehrere Sprachen lernt, so fängt sie nicht bei null an, sondern ihr vorhandener Sprachbesitz wird durch jede neue Sprache immer mehr erweitert, Das Ideal der muttersprachenähnlichen Sprachkompetenz in jeder neu zu erlernenden Sprache nicht erzielt werden muss, Das Kompetenzniveau und das Fertigkeitsprofil in den einzelnen, jeweiligen zu erlernenden Sprachen, sehr unterschiedlich sein kann (während man in der einen eine hohe Lesekompetenz entwickeln kann, kann in einer anderen Sprache die mündliche Mitteilungsfähigkeit besonders ausgeprägt sein.“ (Neuner; Hufeisen; Kursiŝa; Marx; Koithan & Erlenwein 2009: 19; Hervorhebungen im Text) Das Besondere im „Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen für Sprachen“ (Europarat 2001) ist, dass Sprachen und Kulturen nicht getrennt betrachtet 2.5 Aspekte meines eigenen Verständnisses von Mehrsprachigkeit 49 werden, sondern gemeinsam die kommunikative Kompetenz des europäischen Bürgers ausmachen, die von ihm wiederum lebenslang (weiter-)entwickelt werden müsste. Mit diesem Grundverständnis vom Sprachenlernen beschäftigt sich die entwickelte Mehrsprachigkeitsdidaktik seit einem guten Jahrzehnt, die im Folgenden einer näheren Betrachtung unterzogen wird. Die Diskurse zur Mehrsprachigkeit sind so umfangreich und komplex, dass sie hier nicht vollständig darstellbar sind. Aufgrund dieser Komplexität sei auf meine zentralen Forschungsanliegen dieser Studie verwiesen. Hier stehen die Einstellungen von gymnasialen Fremdsprachenlehrerinnen und -lehrern im Fokus, die in ihren Klassen in unterschiedlichem Maße mit Mehrsprachigkeit konfrontiert sind. Dies kann eine lebensweltliche Mehrsprachigkeit aufgrund von Migration sein, oder aber auch die schulische Mehrsprachigkeit aufgrund der vorgelernten Fremdsprachen. Nicht der Grad der Beherrschung einer dieser Sprachen, die man mit Selinker immer auch als Interlanguage 8 bezeichnen kann (vgl. Selinker 1972), ist hierbei interessant, sondern die Einbeziehung oder Nicht-Einbeziehung eben dieser Sprachen durch die Lehrpersonen. Im Übrigen ist die Sprachenfolge am Gymnasium nach dem Hamburger Abkommen von 1964 und 1971 in Paragraph 13 a, b, c geregelt, wonach in der fünften Klasse eine erste lebende Fremdsprache oder Latein und ab der siebten Klasse eine weitere Fremdsprache gelernt werden ( KMK 1973: 5). Durch die Forderung nach Mehrsprachigkeit der Europäischen Union (L1 + 2) sieht sich auch der Fremdsprachenunterricht mit diesbezüglichen Fragen konfrontiert. Es muss überlegt werden, welche Sprachen in welchem Ausmaß unterrichtet werden sollen, um auf die reale Mehrsprachigkeit der Europäischen Union optimal vorzubereiten (vgl. Nieweler 2001: 207). 2.5 Aspekte meines eigenen Verständnisses von Mehrsprachigkeit Nachdem in den vorausgegangenen Kapiteln (vgl. Kapitel 2.1 bis 2.4) verschiedene Definitionen und Ansätze vor dem Hintergrund bildungspolitischer Texte und fremdsprachendidaktischer Diskurse exponiert und erklärt wurden, ist es nun an dieser Stelle angebracht, meine eigene Definition von Mehrsprachigkeit zu entwickeln. 8 Bei der Interlanguage oder Lernersprache handelt es sich um eine Zwischensprache bei Lernenden einer zweiten Sprache, bei der sowohl Züge der Erst- und Zweitsprache, als auch eigenständige, von der Erst- und Zweitsprache unabhängige sprachliche Merkmale aufgewiesen werden (vgl. Méron-Minuth 2009). 50 2. Historischer Exkurs und theoretische Grundlagen zum Konzept der Mehrsprachigkeit Ich betrachte Mehrsprachigkeit nicht als starre Gegebenheit, sondern vielmehr als Kontinuum einer umfassenden, stets im Wechsel begriffenen Situation. Dabei ist es von essenzieller Bedeutung, verschiedene Faktoren wie Gesprächspartner und Kommunikationssituation bei der Beurteilung aktiver Nutzung der Mehrsprachigkeit zu berücksichtigen. Diese Faktoren spielen eine zentrale Rolle, wenn man bei einem einzelnen Individuum oder einer Gruppe die sprachliche Kompetenz bzw. Dominanz einer Sprache feststellen will. Resultierend daraus liegt Mehrsprachigkeit (allgemein) dann vor, wenn ein Sprecher über linguistische Fähigkeiten sowie sprachbezogene kommunikative Kompetenzen verfügt, um mit einem Gesprächspartner der Zielsprache im Sinne seiner eigenen Redeabsichten kommunizieren zu können. In Anlehnung an Oksaar (1980), Hufeisen (1994) oder noch Lüdi (1996) ist für mich eine Person mehrsprachig, wenn sie in den meisten Alltagssituationen, mühelos und ohne größeren Aufwand, von der einen Sprache in die andere Sprache umschalten kann - ob sich diese Person zweier oder mehrerer Sprachvarietäten bedient (vgl. z. B. Lüdi 1996) -, sofern dies die Umstände erfordern. Der Grad der Sprachbeherrschung sowie die Eloquenz des Gesprächsaktes können dabei je nach Situation oder angesprochenen Themen unterschiedlich sein und verschiedene Kompetenzniveaus aufweisen (vgl. Oksaar 1980: 43); die ist nicht entscheidend. Vielmehr ist es entscheidend - so Hufeisen (1994) -, dass eine funktionale sprachliche Kompetenz in den beiden verwendeten Sprachen besteht. Im Übrigen gilt für mein Verständnis jeglicher Art von Fremdsprachenkompetenzen die Interlanguage-Hypothese Selinkers. Ich vertrete weiterhin die Ansicht, dass Mehrsprachigkeit nicht nur ungesteuert (ob simultan oder sukzessiv), im natürlichen, sozialen Umfeld erworben werden kann, sondern dass die Institution Schule durch ihren gesteuerten Fremdsprachenunterricht durchaus künftige mehrsprachige Sprecherinnen und Sprecher ausbilden kann, indem sie das Fundament für lebenslanges (Sprach-) Lernen aufbaut. Hier setzen das Forschungsinteresse und der angestrebte Erkenntnisgewinn der vorliegenden Studie an. 2.6 Mehrsprachigkeitsdidaktik 2.6.1 Begriffsklärung In unserem Zeitalter der zunehmenden internationalen Verflechtung von Wirtschaft, Politik und Wissenschaft, des Zusammenwachsens Europas und der wachsenden Migrationsbewegungen der letzten Jahre haben sich die Anforderungen an die heutige Lernwelt grundlegend verändert (vgl. auch Kapitel 2.1). 2.6 Mehrsprachigkeitsdidaktik 51 Nicht nur die sprachliche Heterogenität in der Gesellschaft allgemein, sondern vor allem auch die sprachliche und kulturelle Vielfalt in den Klassenzimmern ist aktueller denn je (vgl. Meißner & Reinfried 1998: 9). Diese Vielfalt kann nicht gesondert voneinander betrachtet werden, sondern zusammen betrachtet bildet sie vielmehr die kommunikative Kompetenz des europäischen Bürgers, die gleichzeitig zum lebenslangen Lernprozess, der über die Institution Schule als Lernort hinausgeht, gewinnbringend ausgebaut werden kann (vgl. Wiater 2006: 57 f.). Unter diesen Prämissen ändern sich die Anforderungen an den Fremdsprachenunterricht entscheidend, denn die Sprachenvielfalt unserer modernen Gesellschaften und damit verbunden die latent vorhandene, lebensweltliche Mehrsprachigkeit der Lernenden (mit Migrationshintergrund) repräsentiert ein Potenzial für das Sprachenlernen. Neue Anforderungen an den Fremdsprachenunterricht meinen somit einerseits die Frage nach dem konkreten Umgang mit zweibzw. mehrsprachigen Schülerinnen und Schülern, und andererseits wie einsprachige Lernende an Mehrsprachigkeit herangeführt werden können, damit sie sich in ihrem zukünftigen Lebensumfeld problemlos, angemessen und tolerant bewegen können. Die aktuellen Leistungsziele des Fremdsprachenunterrichts sollen sich konkret nicht mehr am herkömmlichen Muttersprachler- Ideal (vgl. Europarat 2001) als allein geltendes, globales Sprachvorbild orientieren. Der nach dieser Auffassung zu erteilende Fremdsprachenunterricht sollte vielmehr darauf bedacht sein, andere Fähigkeiten zu priorisieren, so wie es Werner Wiater (2006) im Folgenden veranschaulicht: „[…] auf „language (learning) awareness“ sowie auf allgemeine Fähigkeiten zum Lernen von und zum Umgang mit fremden Sprachen wie z. B. Sprachreflexion, Metakommunikation, Metalernen und Aspekte der Sprachenpolitik [Wert zu legen].“ (Wiater 2006: 58; Hervorhebungen im Text) Die Mehrsprachigkeitsdidaktik hat sich in den 1990er Jahren konstituiert (vgl. Beacco & Byram 2003; Candelier et al. 2007) und ihr Aufgabenspektrum wurde seitdem mehrmalig in Publikationen beschrieben 9 . Sie nimmt sich ausschließlich die neueren, international gesprochenen Sprachen zum Gegenstand; dagegen werden die alten Sprachen Latein und Griechisch nicht einbezogen (vgl. Wiater 2006: 58). Ihr obliegt es, die Zielsetzungen der Mehrsprachigkeit lehr-, lern- und erforschbar zu machen (vgl. Escudé & Janin 2010: 18). Sie steht in engem Zusammenhang mit der Hinwendung zur Erforschung und Entwicklung 9 Aus der Vielzahl der Studien und Publikationen sei hier stellvertretend auf wegweisende Publikationen von Meißner 1995, 2000, 2005, 2007; Meißner & Reinfried 1998 und Martinez & Reinfried 2006 referiert. 52 2. Historischer Exkurs und theoretische Grundlagen zum Konzept der Mehrsprachigkeit der Lernerperspektive, mit der sich seit nunmehr vier Jahrzehnten die Fremdsprachenlehr- und -lernforschung auseinandersetzt 10 . Mehrsprachigkeitsdidaktik, um den Begriff genauer konturieren zu können, charakterisiert eine Form der Fremdsprachenvermittlung, bei welcher die zu unterrichtende Sprache mit explizitem Einbezug der vorhandenen Mehrsprachigkeit der Schülerschaft - sowohl der lebensweltlichen als auch der schulischen Mehrsprachigkeit - gelehrt wird. Auch sollte das bei jedem Lerner inhärente sprachliche und kulturelle Vorwissen für die aktive und passive mentale Verarbeitung einer neuen Sprache nutzbar gemacht werden. Dies beinhaltet die Vorstellung, dass Sprachen nicht mehr nebeneinander, in isolierten mentalen Bereichen und Fächern unterrichtet und gelernt werden; vielmehr sollen jederzeit Verbindungen zwischen den Sprachen hergestellt werden. Alle Sprachkenntnisse und -erfahrungen sollen zu einer kommunikativen Kompetenz beitragen, in der die Sprachen miteinander in Beziehung stehen und interagieren (vgl. u. a. Europarat 2001; Wiater 2006). Das Erlernen einer neuen Sprache baut auf vorhandenem sprachlichen Wissen, Weltwissen sowie sprachlernstrategischem Wissen auf. Die Mehrsprachigkeitsdidaktik beruht auf dem Ansatz, überall dort systematisch interlingualen Transfer in den Fremdsprachenunterricht einzubeziehen, wo sich Möglichkeiten in lexikalischer, inhaltlicher, (grammatischer) struktureller, lernstrategischer Hinsicht ergeben (vgl. Martinez & Reinfried 2006). Hierbei geht es darum, Vernetzungen herzustellen und eine mehrsprachige Kompetenz bei dem Lernenden zu bewirken, die es ihm ermöglicht, aus der Gesamtheit seines sprachlichen Repertoires, seiner Sprachlernerfahrungen und -strategien, folglich seiner Kompetenzen in mehreren, verschiedenen Sprachen, zu schöpfen, seine Sprachlernfähigkeit zu unterstützen und dabei eine Sensibilität für Sprachen zu entwickeln (vgl. u. a. Trim et al. 2001: 17 ff.; Lutjeharms 2009: 21; Leitzke-Ungerer 2008), ohne dass dabei die Erwerbssituation und der Perfektionsgrad berücksichtigt wird (vgl. Abendroth-Timmer & Breidbach 2000b: 13). Somit lernt die Schülerschaft gleichzeitig, über die jeweilige Sprache und Kultur zu reflektieren und Beziehungsstrukturen zu analysieren. De Florio-Hansen (2003, 2006) sieht in der Institution Schule die Aufgabe, den lebensweltlich zwei- oder mehrsprachigen Kindern und Jugendlichen "[…] bei der Entwicklung eines multilingualen Selbstkonzepts zu helfen" (De 10 Bis in die 1970er Jahren war die herkömmliche Fremdsprachendidaktik mit Fragen des Lehrstoffes, des Unterrichtens und der Notengebung beschäftigt (vgl. Neuner 2003: 13). Bei diesem Verständnis von Fremdsprachenunterricht war folglich der Fokus weniger auf Lernende orientiert; vielmehr sollte im Sinne behavioristischer Lerntheorien (vgl. Brooks 1963, Lado 1964) ein „[…] „geordnete[s] Nebeneinander“ als Credo der Sprachaufnahme, -speicherung und -verarbeitung beim Sprachenlernen […]“ entwickelt werden (Neuner 2003: 16). 2.6 Mehrsprachigkeitsdidaktik 53 Florio 2003b: 17), sogar eines „Gesamtsprachencurriculums“, wofür Rück und De Florio-Hansen (2005), Hufeisen und Lutjeharms (2005) oder noch Krumm (2004, 2006) plädieren, denn dieses berücksichtigt das spracherwerbstheoretische Prinzip, welches besagt, dass Sprachen sich gegenseitig beeinflussen und folglich nicht getrennt voneinander unterrichtet werden sollten (vgl. Hufeisen 2006: 115). Daher sei es in diesem Zusammenhang essenziell, durch das Lernen mehrerer Sprachen den nötigen Grundstein für eine derartige Kompetenz überhaupt erst zu legen. Die Mehrsprachigkeitsdidaktik kompensiert allerdings nicht die bevorstehenden einzelsprachlichen Didaktiken (Deutsch, Englisch, Französisch, Spanisch etc.), sondern sie komplettiert sie und ihr Methodenrepertoire vielmehr, da sie bestimmte Blickpunkte weitgehend außer Betracht lässt, wie beispielsweise die „epistemische Vorgeschichte der Lerner“ (vgl. Meißner 2000b: 65; Doyé 2008). Der Begriff Mehrsprachigkeit wird inhaltlich weitgehend offen und weit verwendet (vgl. Christ 1990), weil er weder an ein festgelegtes Kompetenzniveau, noch an konkrete Fertigkeiten gebunden ist. Meißner schreibt dazu, dass dieser Begriff „[…] alle Stufen des Fremdsprachenlernens einschließlich der auf Rezeption beschränkten Sprachkompetenz [erfasst].“ (Meißner 1995: 174) Nach Franz-Joseph Meißner und Marcus Reinfried stellt eine Mehrsprachigkeitsdidaktik, welche sich an verwandten Sprachen innerhalb einer Sprachengruppe orientiert, den großen Vorteil der Lernökonomie, hauptsächlich im rezeptiven Bereich (vgl. Meißner & Reinfried 1998: 21) dar, da es für den jungen Lerner darauf ankommen soll, neben dem Erwerb zweier Fremdsprachen während seiner Schulzeit darüber hinaus zahlreiche weitere Sprachen zu verstehen, ohne dass er sich selbst dieser zu bedienen vermag (vgl. Meißner & Reinfried 1998: 14). Fremdsprachendidaktische Konzepte zur Mehrsprachigkeit und demzufolge neurolinguistische Forschungsergebnisse seien hierbei besonders relevant, denn sie bringen die politischen Entscheidungsträger dazu, Erkenntnisse der Wissenschaft in die Praxis umzusetzen (vgl. Meißner & Reinfried 1998: 19; Wiater 2006). Auf der Basis existierender Konzepte entwickelte Franz-Joseph Meißner 1995 das Konzept einer Mehrsprachigkeitsdidaktik, die die einzelsprachlichen Didaktiken lateral begleitet und ergänzt, von der Muttersprache bis zu den Tertiärsprachen (Meißner & Reinfried 1998: 20). Demzufolge beinhaltet das mehrsprachigkeitsdidaktische Konzept nach Meißner und Reinfried (1998) zentrale didaktisch-methodische Betrachtungen: es gründet auf einem kognitivistischkonstruktiven Lernbegriff, in dessen Fokus die Inferenz steht und der auch als inferentieller Lernbegriff bezeichnet wird. Dabei wird Inferenz als die selbsttätige Fähigkeit des Lerners aufgefasst, sein vorhandenes und abrufbares sprachliches 54 2. Historischer Exkurs und theoretische Grundlagen zum Konzept der Mehrsprachigkeit und kulturelles Vorwissen aus der L1 (Erstsprache) bis zu Ln für den passiven und aktiven mentalen Transfer in eine neue Sprache erfolgreich zu nutzen. Somit vernetzt die Mehrsprachigkeitsdidaktik das mehrsprachliche, prozedurale und enzyklopädische Wissen des Lerners durch Anpassung und gezielte Vernetzung respektive Reorganisation der Wissens- und Könnensbestände einer oder mehrerer vor- und nachgelernten Sprache(n). Somit entstehen Synergieeffekte, durch die die fremdsprachliche Kompetenz der Lernenden entwickelt wird. Weiterhin essenzieller Bestandteil der Mehrsprachigkeitsdidaktik ist die Öffnung des Fremdsprachenunterrichts für unterschiedliche Sprachen und Kulturen (Stichwort: Mehrkulturalität; vgl. u. a. Meißner 2000b), die gleichermaßen jene der Schülerinnen und Schüler mit Migrationshintergrund berücksichtigt, verknüpft und inkludiert (vgl. Meißner & Reinfried 1998: 20). Somit könne der monolinguale Habitus der multilingualen Schule, die Gogolin 1994 vehement beanstandet hatte, abgewendet und überwunden werden. Hierauf wird noch einzugehen sein. (Fremd-)Sprachenlernen nach Annahme der Mehrsprachigkeitsdidaktik vollzieht sich stets auf der Basis von Vorerfahrungen und Vorkenntnissen (vgl. Jakisch 2015: 45). Sie kennzeichnet eine „[…] Transversaldidaktik, die das die Sprachen und Kulturen Verbindende zusammendenkt und das Zwischen-Sprachen-Lernen fördert.“ (Meißner 2000a: 45) Das Bestreben der Mehrsprachigkeitsdidaktik ist es demnach, ein integratives, curriculares Sprachlernangebot mit dem Ziel sprachlicher Handlungsfähigkeit weiterzuentwickeln, die den Lernenden, so Hans-Jürgen Krumm (2003), „[…] unterschiedliche Optionen für die Entfaltung individueller Mehrsprachigkeitsprofile bietet.“ (Krumm 2003: 46) In der Mehrsprachigkeitsdidaktik wird das Konzept der Interkomprehension seit geraumer Zeit diskutiert. Im Nachfolgenden wird explizit Bezug auf den EuroComRom-Ansatz genommen und illustriert. 2.6.2 Integrierte Sprachdidaktik In der wissenschaftlichen Literatur der letzten fünfzehn Jahre hat das Konzept der integrierten Sprachdidaktik immer mehr an Bedeutung hinzugewonnen, wird in der Tertiär- und Mehrsprachenerwerbsforschung aufgegriffen und mit Mehrsprachigkeitsdidaktik in Verbindung gesetzt (vgl. dazu Hufeisen & Lutjeharms 2005; Neuner 2005; Meissner 2005 sowie Martinez 2006). Neuner (2009) betont, dass die integrierte Didaktik nicht als neue Fremdsprachenlehrmethode zu verstanden sei, sondern dass sie als Hyperonym sowohl die muttersprach- 2.6 Mehrsprachigkeitsdidaktik 55 liche Didaktik (L1) als auch die Fremdsprachendidaktik mit dem Unterrichten mehrerer (Fremd-)Sprachen (L2, L3, Ln) inkludiert und koordiniert. Erkenntnisse und Resultate aus der Spracherwerbsforschung haben gezeigt, dass das Erlernen mehrerer Sprachen für die Lernenden nicht isoliert stattfindet, oder wie es Gerhard Neuner (2009) zum Ausdruck bringt: „[…] sich […] in separaten ‚Schubläden’ unseres Kopfes vollzieht, sondern in der Entfaltung der einen grundlegenden Sprachfähigkeit besteht.“ (Neuner 2009: 14) Vielmehr wird ein synergiestiftendes Netzwerk zwischen allen vorhandenen erworbenen Sprachelementen hergestellt, das sich beim Erlernen weiterer einzelner Sprachen kontinuierlich erweitert (vgl. Le Pape Racine 2007: 156; Neuner 2009). Die integrative Sprachdidaktik steht somit in engem Zusammenhang mit dem Begriff der mehrsprachigen Kompetenz, so wie sie im „Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen für Sprachen“ (Trim; North & Coste 2001) definiert wird: „Der Begriff ‚mehrsprachige und plurikulturelle Kompetenz’ bezeichnet die Fähigkeit, Sprachen zum Zweck der Kommunikation zu benutzen und sich an interkultureller Interaktion zu beteiligen, wobei ein Mensch als gesellschaftlich Handelnder verstanden wird, der über - graduell unterschiedliche - Kompetenzen in mehreren Sprachen und über Erfahrungen mit mehreren Kulturen verfügt. Dies wird allerdings nicht als Schichtung oder als ein Nebeneinander von getrennten Kompetenzen verstanden, sondern vielmehr als eine komplexe oder sogar gemischte Kompetenz, auf die der Benutzer zurückgreifen kann.“ (Trim; North & Coste 2001: 163; Hervorhebungen im Text) Der Begriff „integrierte Sprachdidaktik“ ist in seiner Geschichte einigen Veränderungen unterworfen gewesen. Christine Le Pape Racine und Britta Hufeisen (2005) beispielsweise sprechen von integrierter Sprachendidaktik, die - so die beiden Forscherinnen - selten genau und nicht trennscharf definiert, sondern nebeneinander verwendet wird (vgl. Le Pape Racine & Hufeisen 2005). Mit der Bezeichnung ‚integriert’ wurde die Integration und die damit verbundene Intensivierung der Gemeinsamkeiten in den sich parallel existierenden Sprachdidaktiken sowie in den curricularen Vorgaben mit dem Ziel, Synergieeffekte zu erzielen, angestrebt. Es besteht Einigkeit darüber, dass unter das Konzept der integrierten Sprachdidaktik die Bezüge zwischen den unterschiedlichen Sprachen und der jeweiligen Didaktik gemeint sind, und nicht allein die Thematisierung der Sprache im Allgemein. In jedem Fall soll der Terminus als ein übergeordneter Begriff verstanden werden, so Le Pape Racine (2005), der oberhalb des Konzepts der Immersion angesiedelt ist. Meissner (2005) beschreibt den Begriff der integrativen Sprachdidaktik in Zusammenhang mit Mehrsprachigkeitsdidaktik. Die Erweiterung von Sprach- 56 2. Historischer Exkurs und theoretische Grundlagen zum Konzept der Mehrsprachigkeit didaktik zu Sprachendidaktik betont, dass mehrere Sprachen gemeint sind und nicht nur eine oder die Sprache im Allgemeinen (vgl. Hufeisen & Lutjeharms 2005; Sauer 2004). Es zeigt sich aber, dass die Begriffe noch nebeneinander verwendet werden und nicht trennscharf sind. Grundsätzlich kann man davon ausgehen, dass jeder Unterricht Sprachunterricht ist. Laut Meissner, Klein und Stegmann (2004) sollen Fremdsprachen in einem sprachen- und fächerübergreifenden Ansatz nicht mehr isoliert unterrichtet und gelernt werden, sondern es sollten variierende Verbindungen in allen Bereichen durch Vergleiche hergestellt werden können. Hier ist vor allem die sprachliche Diversität der Schülerinnen und Schüler zu nutzen (Stichwort: Anerkennung der inneren und äußeren Mehrsprachigkeit der Schüler), welche - auf einer Metaebene - die Sensibilisierung und Reflexion über Sprachen und Kulturen, interkulturelles Lernen fördert, gemäß dem Konzept der language and cultural awareness , welches die bewusste Auseinandersetzung mit der sprachlichen Vielfalt einer Schulklasse involviert und demzufolge die Mehrsprachigkeit und Mehrkulturalität der Lernenden ernst nimmt. Zielvorstellungen sind die Befähigung zu Empathie sowie Eigen- und Fremdverstehen im pluralen Kontext. Le Pape Racine (2007) verdeutlicht dies folgendermaßen: "[…] indem Lernende andere Sprachen hören, untersuchen und zueinander in Beziehung setzen, entwickeln sie Basiskompetenzen für das Sprachenlernen überhaupt, wie zum Beispiel das Diskriminieren von Lauten, das Erkennen von Mustern und Funktionsweisen von Sprache. Language awareness (Sprachenbewusstheit) bedeutet in der affektiven und kognitiven Dimension: Entdecken, Fragen stellen, Zuhören, Vergleichen, Staunen." (Le Pape Racine 2007: 158) Sprachliche Vielfalt soll bewusst wahrgenommen und sprachliche und kulturelle Vorurteile sollen abgebaut werden mit dem Ziel, eine weniger ethnozentrische Haltung zur Sprache zu entwickeln und somit eine wertschätzende Haltung allen Sprachen gegenüber einzunehmen. Der Sprachunterricht würde dann eine positive Einstellung zu Sprachen im Allgemeinen fördern, wenn er Lernstrategien bewusst macht und zu Transferleistungen anregt. Dabei ist die Selbstständigkeit im sprachlichen Handeln ein zentrales Anliegen. Der Sprachunterricht, der auf Gemeinsamkeiten und Unterschiede in den Sprachen eingeht, stellt Verbindungen auf kognitiver Ebene her, was das Erlernen der Sprachen untermauert und zugleich rationalisiert. Des Weiteren wird die integrative Sprachendidaktik von Le Pape Racine (2007) allgemein als eine Grundidee definiert, bei der Erkenntnisse über den Erst-, Zweit- oder Fremdsprachenerwerb zusammengeführt werden. Im Zuge dessen kann es sich sowohl um die Integration von Fremdsprachen und Inhalten nichtsprachlicher Fächer handeln als auch um die Integration verschiedener 2.6 Mehrsprachigkeitsdidaktik 57 Sprachen und Kulturen. Das Erlernen und Anerkennen anderer Sprachen repräsentiert eine Bereicherung, eine Erweiterung des kulturellen Horizonts und befähigt dazu, in einer mehrsprachigen und multikulturellen Welt zu leben. Die verschiedenen Sprachen festigen sich gegenseitig auf sprachlicher, textueller und kultureller Ebene (vgl. Gelmi 2005). Auf kognitiver Ebene lernen die Schülerinnen und Schüler Sprachen kennen, sie angemessen und möglichst korrekt rezeptiv und produktiv zu applizieren. Über sprachliche Strukturen und Erscheinungsformen lernen sie zu reflektieren sowie den geschichtlichen, sozialen und kulturellen Werdegang der Sprachen in Betracht zu ziehen. Auf textueller Ebene werden vielfältige Textsorten erkannt und verfasst und in ihren historischen, sozialen und kulturellen Kontext gesetzt. Mit Hilfe von Lektüren erleben Lernende bedeutsame Werke der Literatur der jeweiligen Sprache, Texte werden autonom gelesen und individuell gedeutet. Verschiedene Hilfsmittel wie beispielsweise Wörterbücher leisten hierbei einen wertvollen Beitrag. Auf kultureller Ebene sind Schülerinnen und Schüler in der Lage, Verbindungen zwischen den kulturellen Werken in den verschiedenen Sprachen herzustellen sowie thematische, formale und methodische Vergleiche zwischen den verschiedenen kulturellen Ausdrucksformen anzustellen. Somit beweisen sie die eigene kulturelle und kommunikative Kompetenz und erweitern sie durch selbständiges Lernen. Sprachen und ihre jeweilige Literatur gewinnen für sie einen erzieherischen Wert und öffnen den Blick für andere kulturelle Welten. 2.6.3 Interkomprehensionsforschung Die Didaktik der Interkomprehension repräsentiert ein recht junges, innovatives Forschungs- und Praxisfeld, das in der Debatte der (Fremd-)sprachendidaktik um die Förderung der Mehrsprachigkeit in Europa zu Beginn der 1990er Jahre aufgetaucht ist (vgl. Doyé 2005; Ollivier & Strasser 2013). Dieses Forschungsfeld entwickelte sich im europäischen Rahmen (man findet auch das Konzept der Eurokomprehension vor; vgl. Meißner 2004), um das bildungspolitische Ziel der europäischen Union zu erreichen. Das Konzept der Interkomprehension geht auf seinen Urheber, den französischen Linguisten Jules Ronjat zurück, der 1913 dieses Konzept (Französisch: intercompréhension ) in seinem Buch zur Syntax der provenzalischen Dialekte « Essai de syntaxe des parlers provençaux modernes » erstmals verwendete. Ronjat begründet den Begriff in der Annahme, dass Sprecher verschiedener provenzalischer Varietäten sich gegenseitig ausgezeichnet verstehen würden, und somit der Eindruck gewonnen werden könnte, dass es um dieselbe Sprache ginge, die lediglich anders ausgesprochen würde. Nach der erstmaligen Prägung des Begriffs der Interkomprehension durch Ronjat wurde das Grundprinzip immer weiter verfeinert und später einige Projekte zur För- 58 2. Historischer Exkurs und theoretische Grundlagen zum Konzept der Mehrsprachigkeit derung der europäischen Mehrsprachigkeit durchgeführt, wie per exemplum im skandinavischen Raum (vgl. nähere Ausführungen dazu in: Ollivier & Strasser 2013: 11-15). Die Interkomprehensionsdidaktik stößt auch in Deutschland seit über zwei Jahrzehnten auf ein reges Interesse, welches sich in zahlreichen Projekten und Publikationen niederschlägt (vgl. z. B. Klein & Stegmann 2000; Schöpp 2008; Bär 2004, 2009; Meißner 2004, 2005, 2008; Mordellet-Roggenbuck 2015; Prokopowicz 2017). Dennoch hat sie nur in wenigen Bundesländern Eingang in Curricula und Lehrpläne gefunden und wird demzufolge auch nur zögernd in die Unterrichtspraxis einbezogen (Ollivier & Strasser 2013). Interkomprehension ist eine Kommunikationsmethode, die einen neuen Ansatz für das Sprachenlernen darstellt. Allerdings zeigt dieser Begriff in der Fülle der existierenden Definitionen, dass er weitgehend diffus und vielschichtig zu betrachten ist, und nicht immer eine allgemeingültige, einheitliche Definition durch die Forscherinnen und Forscher erfährt (vgl. z. B. Klein 2000, 2004; Klein & Reissner 2002; Meißner 2000, 2004, 2007; Ollivier & Strasser 2013: 9 f.). Klein und Reissner (2002) verstehen unter Interkomprehension die Fähigkeit, in einer Gruppe von Sprachen, die einen gemeinsamen Ursprung haben, kommunizieren zu können (Klein & Reissner 2002: 19). Für Doyé (2005) bedeutet Interkomprehension, dass zwei Sprecherinnen und Sprecher verschiedener Erstsprachen miteinander kommunizieren und unter Verwendung ihrer jeweiligen Sprache interagieren und sich verstehen können, so wie er dies mit folgendem Zitat zu veranschaulichen trachtet: « L’intercompréhension est une forme de communication dans laquelle chaque personne s’exprime dans sa propre langue et comprend celle de l’autre. » (Doyé 2005: 7) Die Vorteile dieser Positionierung liegen darin, dass Doyé die gesprochene und geschriebene Sprache miteinschließt und die aktive Nutzung der Zielsprache ausschließt. Hierbei gibt es zwei Aspekte; Ersterer ist die Performanzebene, die sich auf die Aktivität zweier Menschen mit unterschiedlichen Muttersprachen bezieht, die kommunizieren, indem sie ihre eigene Sprache sprechen und die des jeweiligen Anderen verstehen. Der zweite Aspekt ist die Kompetenzebene, die sich auf die Fähigkeit bezieht, eine andere Sprache zu verstehen, ohne sie gelernt zu haben (vgl. Doyé 2005: 7; Übersetzung durch die Verfasserin). Meißner (2009) und gleichermaßen Meißner, Tesch und Vázquez (2011) erfassen hingegen Interkomprehension als: „[…] die Fähigkeit und den Vorgang, eine sprachliche Varietät oder eine Sprache zu verstehen, ohne sie in zielsprachlicher Umgebung auf natürliche Weise erworben oder mittels Fremdsprachenunterricht erlernt zu haben.“ (Meißner; Tesch & Vázquez 2011: 81) 2.6 Mehrsprachigkeitsdidaktik 59 Mit dieser Auffassung sehen Meißner, Tesch und Vázquez die Interkomprehension somit als rezeptive Kompetenz, bei welcher das Verstehen von Sprachen für den Kommunikationspartner, die er entweder gar nicht oder jedenfalls nicht produktiv gelernt hat, im Vordergrund steht. Marcus Bär et alii (2005: 84), die die Interkomprehension ebenfalls als die Befähigung auffassen, „[…] eine fremde Sprache lesend oder hörend zu verstehen, ohne sie formale erlernt zu haben“, fügen hinzu, dass es sich um Sprachvarietäten innerhalb derselben Sprachfamilie handelt: „Nicht nur Varietäten (Dialekte, Soziolekte) einer und derselben Sprache […] füreinander interkomprehensiv, sondern weitgehend auch nah miteinander verwandte Sprachen.“ (Bär; Gerdes; Meißner & Ring 2005: 84) Die Interkomprehension stellt somit eine Methode zum Erwerb rezeptiver Kompetenzen in allen romanischen, germanischen und slawischen Sprachen dar, auf denen anschließend aufgebaut werden kann. Sie geht von der Beobachtung von Verstehenspotenzialen zwischen Kommunikationspartnerinnen und -partnern der drei genannten großen europäischen Sprachgruppen aus (vgl. Meißner 2004; Doyé 2008; Reissner 2007 und 2011). Klein und Stegmann (2000) heben drei essenzielle Zielsetzungen für die Interkomprehension hervor: 1. Es ist die Methode, um eine wirkliche Sprachendiversifizierung im Schul- und Bildungssystem Europas realistisch möglich zu machen. 2. Es ist die Methode, um Sprachenkompetenzdiversifizierung zu erreichen und den Erwerb breitgestreuter rezeptiver Kompetenzen als besonders europarelevant aufzuwerten. 3. Es ist die Methode, um kleinen und Minderheitensprachen Europas erstmalig ein Minimum an Präsenz im gesamten europäischen Schulsystem einräumen zu können. (Klein & Stegmann 2000: 9; Hervorhebungen im Text) 2.6.4 Der EuroComRom-Ansatz und seine Umsetzung Das von der Europäischen Union geförderte Forschungsprojekt EuroCom steht im engen Verhältnis zur Mehrsprachigkeitsdidaktik und stützt sich auf Forschungen zur europäischen Interkomprehension. Das Projekt, das 1998 in Hagen von der Forschergruppe EuroCom gegründet wurde, nimmt sich die sprachenpolitischen Bestrebungen der europäischen Union von 1995 zum Vorbild und hat dabei die Intention, eine rezeptive Mehrsprachigkeit, vorerst für die romanischen, später für die slawischen und die germanischen Sprachen auszubilden (vgl. Klein 2002: 29). 60 2. Historischer Exkurs und theoretische Grundlagen zum Konzept der Mehrsprachigkeit Die Romanisten Horst G. Klein und Tilbert D. Stegmann der Universität Frankfurt am Main entwickelten in der Folge den Ansatz EuroComRom, der es ermöglicht, in allen romanischen Sprachen simultan rezeptive Kompetenzen bzw. Teilkompetenzen in einer oder mehreren verwandten Fremdsprachen zu erlangen und somit langfristig mit Hilfe der Interkomprehension 11 einen produktiven Umgang mit Fremdsprachen zu schaffen. Primäres Ziel der Forschergruppe EuroComRom ist es, einen qualitativen Sprung bei der Förderung europäischer Mehrsprachigkeit zu erreichen. Hierbei soll den Lernenden eine rezeptive Kompetenz innerhalb einer Sprachfamilie durch interlinguale Lese- und Hörkompetenz vermittelt werden, die als Einstieg in das Lernen einer neuen Sprache 12 nutzbar gemacht werden kann. Dem Lernenden wird somit verdeutlicht, dass er durch die Kenntnis seiner Muttersprache und lediglich einer Brückensprache bereits eine unerwartete Vielzahl von Kenntnissen mitbringt, um beispielsweise Nachrichten- oder noch Fachtexte in allen typologisch verwandten, aber noch nicht erlernten Sprachen in kürzester Zeit verstehen zu können. Weitere, über das Lese- und Hörverstehen hinausgehende Kompetenzen lassen sich daraus höchst lernökonomisch und nach eigenem Bedarf beschleunigt entwickeln (vgl. Klein 2006). Darin sieht sich dieses methodische Vorgehen als komplementär zum konventionellen schulischen Sprachen- und Sprachenlernangebot (vgl. Klein & Stegmann 1999: 11). Denn im Vergleich zum traditionellen Fremdsprachenunterricht aktiviert EuroComRom vorhandene, ungenutzte Kompetenzen der Lernenden. Darin liegt der große Unterschied beim Erlernen neuer Sprachen zum konventionellen Fremdsprachenunterricht. Der Lernende wird sprachlich nicht als völlig „unbeschriebenes Blatt“ angesehen, sondern es wird damit begonnen, ihm zu verdeutlichen, was er aus einem einfachen Gebrauchstext in 11 Zur europäischen Interkomprehension haben sich zahlreiche Forschungsprojekte entwickelt, die Klein (2001) in fünf große Gruppen einteilt: 1) Die Hagener Projekte, die sich in die Lesekurse, das Projekt IGLO und Lernen für Europa unterteilen lassen, 2) Intercommunicabilité romane , 3) EuRom4, 4) Galatea und 5) EuroCom. Für eine ausführliche Darstellung der Interkomprehensionsprojekte und deren regelmäßige Forschungsergebnisse in zahlreichen Publikationen sei hier u. a. auf Klein 2001: 40 f. und Klein 2006 verwiesen. Im Folgenden beschränke ich mich für die vorliegende Studie auf das Projekt Euro- ComRom, da sein Fokus auf typologisch verwandten romanischen Sprachen beruht (vgl. Meißner 1998; Meißner & Reinfried 1998; Müller-Lancé 2006) und diese Blickrichtung für die vorliegende Studie relevant ist. 12 Zu einem späteren Zeitpunkt wurden durch die Entwicklung von Online-Kursen und digitalen Medien in der Folge auch das Hörverstehen und die Sprachproduktion trainierbar gemacht und einbezogen (Klein 2005). Es handelt sich um ein Sprachtraining, um einzelne Sprachen, wie das Spanische oder noch das Italienische, interkomprehensiv zu erlernen und die unter dem Titel EuroComDigital hinzugefügt wurde (Klein 2005, 2007). 2.6 Mehrsprachigkeitsdidaktik 61 der neuen Sprache schon alles entziffern kann. Strategien zur Erleichterung und Beschleunigung der Anfangsphase von Sprachlernprozessen werden erarbeitet und somit ein früher Übergang zu Nachbarsprachen ermöglicht. Während im konventionellen Anfangsunterricht Verstöße gegen die Sprachrichtigkeit verbessert werden und darauf geachtet wird, dass die Lernenden möglichst alles korrekt wiedergeben, so verfolgt EuroComRom das Ziel, jede annäherungsweise richtige Erschließungsleistung zu verstärken, und somit das Erlernen anderer Sprachen in einem neuen Kontext zu erfahren. Fehler werden bei dieser Methode neu bewertet. Durch Versuch und Irrtum gelangt der Lerner zu einer neuen Stufe der eigenen Reflexion über Sprachlernprozesse. Damit kann einer Entmutigung auf Seiten der Lernenden entgegengewirkt werden. EuroComRom setzt realistische sprachliche Nahziele und vermeidet einen illusionären Perfektionismus. Vielmehr soll ein Mehr an Teilkompetenzen in vielen Sprachen erreicht werden (vgl. Klein & Stegmann 2000: 13). Zudem wird dem Lernenden aufgezeigt, dass Sprachenlernen machbar ist, wo eine Sprachverwandtschaft besteht. Dies lässt sich innerhalb der Sprachfamilien sehr gut verdeutlichen. Sprecherinnen und Sprecher einer europäischen Sprache besitzen bereits ein sehr breit gefächertes Wissen über die meisten anderen europäischen Sprachen. EuroComRom will aufzeigen, dass Nachbarsprachen keine Fremdsprachen darstellen. Lernende sollen das linguistische Wissen, das sie bereits besitzen, nicht ungenutzt lassen und durch Analogieschlüsse und Nutzung der Logik des Kontextes Unbekanntes erschließen. Hierzu vermittelt EuroComRom transferierbare Erschließungsstrategien und bedient sich der „Sieben Siebe“. Dabei handelt es sich um von Klein und Stegmann (1999) entwickelte linguistische Transferbasen, nach denen der Lerner aus fremdsprachlichen Texten alle verständlichen Elemente (Lexeme und Satzstrukturen) zur Dekodierung herausfiltert und sieben Mal auf Bekanntes hin durchsiebt (vgl. Klein & Stegmann 2000: 13). Das erste Sieb umfasst den internationalen Wortschatz, der in zahlreichen europäischen Sprachen aufgrund der gemeinsamen lateinischen Basis ähnlich ist. Dass der internationale Wortschatz als erstes Sieb steht, ist darauf zurückzuführen, dass er in einem fremdsprachigen Text am einfachsten zu dekodieren ist. Das zweite Sieb schließt den panromanischen Wortschatz ein, demzufolge Lexeme, die in allen romanischen Sprachen auftreten und die ihnen gemeinsam sind. Sofern der Lerner Kenntnisse einer romanischen Sprache aufweist, ist er in der Lage, diesen Gewinn für andere Sprachen heranzuziehen und Wortschatz zu entschlüsseln. Das dritte Sieb untersucht die Lautentsprechungen und ist für die Dekodierung förderlich, da viele häufig auftretende Lexeme vordergründig nicht lexikalisch verwandt zu sein scheinen, dadurch dass sie im Laufe der Sprachgeschichte Modifizierungen durchlaufen haben. Demnach filtert das dritte Sieb Lautentsprechungsformeln, damit der Lerner die Gemeinsamkeiten deutlich erkennt. Das dritte Sieb steht 62 2. Historischer Exkurs und theoretische Grundlagen zum Konzept der Mehrsprachigkeit inhaltlich in enger Verbindung mit dem vierten Sieb, den Graphien und Aussprachen, da häufig gleiche Laute unterschiedlich geschrieben und gesprochen werden. Des Öfteren begegnet der Lerner Schwierigkeiten beim Dechiffrieren von Wörtern aufgrund einer divergenten Schreibweise, beziehungsweise einer unterschiedlichen Aussprache. Aus diesem Grund muss er den Zusammenhang zwischen Graphie und Aussprache erfassen, um Wortverwandtschaften aufdecken zu können. Das fünfte Sieb bezieht sich auf die panromanische Syntax. Es existieren neun in allen romanischen Sprachen vorherrschende Kernsatztypen, deren Kenntnis vor allem bei einer komplexen Syntax dienlich ist. Durch das Wissen um die syntaktischen Strukturen kann rasch konstatiert werden, ob ein Wort ein Verb, ein Adjektiv oder noch ein Substantiv ist. Das sechste Sieb ergründet die morphosyntaktischen Elemente wie grammatische Phänomene, z. B. Steigerungsformen, Artikel oder Pluralmarkierungen. Dabei handelt es sich vor allem um Konvergenzen innerhalb der lebenden romanischen Sprachen, die das Lateinische nicht aufweist. Das siebte und letzte Sieb filtert schließlich Präfixe und Suffixe. Diese befähigen den Lerner, den Sinn zusammengesetzter Wörter durch Isolierung vom Wortstamm zu entschlüsseln (vgl. Klein & Stegmann 2000: 13 ff.). Diese interkomprehensive Vorgehensweise wird auch als optimiertes Erschließen bezeichnet und berücksichtigt jede Art des Vorwissens. Die Reihenfolge des Durchlaufens der einzelnen Siebe ist beliebig (vgl. Klein & Reissner 2002). Die dargelegten Erschließungsleistungen sollen, langfristig gesehen, zu einer Optimierung der Fähigkeiten und Fertigkeiten im Umgang mit Fremdsprachen führen (vgl. Klein & Stegmann 2000: 19). Die Methode fördert dadurch den Erwerb einer allgemeinen Sprachlernkompetenz. Des Weiteren kann Euro- ComRom die kulturelle Vielfalt Europas in ihren Zusammenhängen begreifbar werden lassen und durch das Behandeln authentischer Texte zu einem besseren interkulturellen Verständnis führen. Ein weiteres Ziel ist es, den Minderheitensprachen Europas, die oftmals wenig Aufmerksamkeit erfahren, ein Minimum an Präsenz im aktuellen Diskurs über die Mehrsprachigkeit der europäischen Bürgerinnen und Bürger zuzusprechen. Dabei lässt sich meist ohne zusätzlichen Sprachlernaufwand das Verständnis und Kennenlernen der oftmals benachteiligten Minderheitensprachen, die in ihrem Verbreitungsgebiet meist Mehrheitssprachen sind, erreichen. EuroComRom hat deshalb konsequent neben den großen Sprachen Französisch, Spanisch, Italienisch auch das Portugiesische, das Katalanische und das Rumänische integriert und macht es möglich, auf dieser Basis auch Texte in anderen romanischen Sprachen zu verstehen (vgl. Klein & Stegmann 2000; Klein 2006: Anmerkung 8). 2.6 Mehrsprachigkeitsdidaktik 63 2.6.5 Schulfremdsprachen als Brückensprachen und ihr Potenzial In einem Beitrag von 2004 verweist Herbert Christ auf den metaphorischen Charakter des Begriffs der Brückensprache, der, seiner Ansicht nach, in einem doppelten Sinn verwendet wird: zunächst wird von einer Brückensprache gesprochen, wenn zwei Sprecher differenter Sprachen auf eine dritte, ihnen verfügbare Sprache zu Kommunikationszwecken zurückgreifen; die dritte Sprache sozusagen eine kommunikative Brücke zwischen den beiden Kommunikationspartnern darstellt. Aber auch aus der Perspektive der Mehrsprachigkeitsdidaktik ist die Rede von einer Brückensprache, wenn ein Sprecher eine ihm bereits bekannte Sprache als Brücke nutzt, um sich einer weiteren Sprache anzunähern (vgl. Christ 2004: 35). Mit Hilfe linguistischer Transferbasen (vgl. Kapitel 2.3.3) kann die Brückensprache zur Dekodierung herangezogen werden. Es ist dabei von großem Vorteil, wenn zwischen der Brücken- und der Zielsprache eine Verwandtschaftsbeziehung vorliegt. Je mehr Transferbasen die Brückensprache hergibt, desto müheloser und optimierter lassen sich die unbekannten Phänomene in der Zielsprache erschließen (vgl. Klein 2002: 38). Prinzipiell kann jede zuvor erlernte Sprache als Brückensprache fungieren. Dabei muss das gesamte Sprachenwissen möglichst umfassend und bewusst genutzt werden. Die Aktivierung des vorhandenen Vorwissens in der Brückensprache ist unabdingbar. Die Nutzung des Potenzials der Brückensprache macht es möglich, rezeptive Kompetenzen möglichst lernökonomisch in einer ganzen nahverwandten Sprachengruppe zu erwerben. Aus diesem Grund wird fremdsprachendidaktisch gesehen dem Gebrauch von Brückensprachen im Unterricht ein fester Platz zugewiesen. Auf diese Weise könne die europäische Mehrsprachigkeit bestmöglich gefördert werden (Klein 2002: 36). Weiterhin sollten die Kenntnisse in der Brückensprache ein gewisses Niveau erreicht haben, damit die Lernenden überhaupt eine Übereinstimmung mit der Zielsprache erkennen können. Zudem sollten sie über die notwendigen Strategien verfügen, mit deren Hilfe zielsprachliche Phänomene entschlüsselt werden können (Reinfried 1998: 23). Im Folgenden wird das Augenmerk auf die Stellung derjenigen Fremdsprachen gerichtet, die üblicherweise im schulischen Fremdsprachenunterricht im deutschen Schulsystem angeboten und unterrichtet werden 13 . Der aktuell erteilte schulische Fremdsprachenunterricht unterliegt eher strengen linearen, curricularen und länderspezifischen Regelungen, die festlegen, wann und in welcher Reihenfolge Fremdsprachen gelernt werden. 13 Vgl. Überblick in Zahlen vom Statistischen Bundesamt über die vier am häufigsten erlernten Schulfremdsprachen (Englisch, Französisch, Latein und Spanisch) an deutschen Schulen im Schuljahr 2014 / 15 in: Malecki 2016: 20-21. 64 2. Historischer Exkurs und theoretische Grundlagen zum Konzept der Mehrsprachigkeit 2.6.5.1 Englisch Englisch wird regulär als erste Schulfremdsprache angeboten und stellt deshalb eine wichtige Basis sowohl aus Schülerals auch aus Lehrerperspektive dar. Doch wie hoch ist dessen Transferpotenzial für das Erlernen weiterer, meist romanischer Sprachen einzustufen? Als westgermanische Sprache der indoeuropäischen Sprachfamilie zugeordnet enthält das Englische einen besonders hohen Anteil an romanischen Elementen; annähernd 60 % der Lehnwörter entstammen von ihrer Etymologie her dem Lateinisch-Romanischen, darunter sind an die bis zu 38 % französischen Ursprungs (vgl. Reissner 2012; Schöpp 2008: 205). Die Sprachgeschichte Englands wurde in vielen Jahrhunderten von verschiedenen Einflüssen und Spuren geprägt, seit England im Jahr 1066 von den Normannen erobert wurde. Aus dieser Zeit sind über 10 000 französische Wörter in das Mittelenglische übernommen worden, davon sind Dreiviertel im aktuellen Sprachgebrauch verblieben (vgl. Reissner 2012: 183 f.). In lexikalischer Hinsicht bietet das Englische als Brücke zwischen der germanischen und der romanischen Sprachfamilie mit seiner Vielzahl an Internationalismen ein großes Transferpotenzial (vgl. Hemming; Klein & Reissner 2011: 15). Ebenfalls existieren phonetische und phonologische sowie morphologische Übereinstimmungen, die einen Nutzen für die intra- und interlingualen Aktivitäten darstellen können. So ähneln sich beispielsweise die Pluralbildung im Nominalsystem oder die Bildung von Adverbien. Die Sprachvergleiche zwischen den verschiedenen Sprachfamilien helfen letztendlich die language learning awareness zu stärken (vgl. Reissner 2012: 193). Aus diesen Gründen eignet sich das Englische sehr wohl als Brückensprache und nimmt eine zentrale Rolle zur Erreichung einer europäischen Mehrsprachigkeit ein. 2.6.5.2 Französisch Im schulischen Kontext erhalten die Schülerinnen und Schüler die Möglichkeit, die französische Sprache in der Regel als zweite Fremdsprache aus der romanischen Sprachgruppe zu erlernen. Französisch als Brückensprache zu den gesamten anderen romanischen Sprachen - und hier vor allem in der Institution Schule als Brücke zum Spanischen und Italienischen (vgl. Schöpp 2008: 196) - umfasst eine Gruppe von beinahe einer Milliarde Sprecherinnen und Sprecher auf der gesamten Welt (vgl. Klein 2002 und 2006: 59). Für das Französische finden sich gewichtige Argumente und Kriterien, weshalb diese als erfolgversprechendste Brückensprache für die Romania angesehen wird 14 . 14 Beispielsweise Klein (2002: 42 f.), der in seinem Beitrag auf morphosyntaktische Phänomene des Französischen hinweist, die sich als besonders begünstigend für das Erlernen 2.6 Mehrsprachigkeitsdidaktik 65 „Mit der französischen Sprache erwirbt der Lerner linguale Grundmuster, die auch den anderen romanischen Sprachen zugrunde liegen: wer operabel Französisch erlernt, erwirbt einen wichtigen Teil des panromanischen Wortschatzes sowie eine Grundgrammatik, die in jeder romanischen Sprache mehr oder weniger anzutreffen ist.“ (Meißner 2008: 268) Die französische Sprache ermöglicht somit den Einstieg zur gesamten Romania mit ihrem hohen Maß an Panromanität und durch ihre Wiedererkennbarkeit im lexikalischen Bereich in allen romanischen Sprachen (vgl. Klein 2002: 41; Klein 2006: 59). Aufgrund dieses Faktums ist es nach Horst G. Klein besonders sinnvoll und erstrebenswert, die romanische Interkomprehension auf der Basis des Französischen als Brückensprache aufzubauen. Durch das Erlernen einer weiteren romanischen Sprache könne zwar eine Lesekompetenz in allen romanischen Sprachen entwickelt werden, allerdings bleibe das Hörverstehen in der Zielsprache Französisch relativ eingeschränkt. Laut Klein (2002, 2006) funktioniert die französische Sprache nach zwei unterschiedlichen Systemen. Kompetente Sprecherinnen und Sprecher der Brückensprache Französisch haben zwei Sprachcodes erlernt: zum Einen den geschriebenen Code, den code écrit , der besonders panromanisch ist und sich für den Einstieg zu den anderen Schriftsystemen eignet, und zum Anderen den gesprochenen Code - den code oral - , der von den panromanischen Gemeinsamkeiten wesentlich weiter entfernt ist und ganz andere typologische Merkmale aufweist (vgl. Klein 2006). Französisch übernimmt die Funktion der Brückensprache für das spätere Erlernen weiterer romanischer Sprachen wie Spanisch oder Italienisch als dritte oder als neu einsetzende spätbeginnende Fremdsprache in der Oberstufe. „Der Französischunterricht an den deutschen Schulen erhält daher unter den Gesichtspunkten der Mehrsprachigkeitskonzepte der EU -Kommission einen wichtigen zusätzlichen Stellenwert: Er öffnet über die Interkomprehensionsvorteile der französischen Sprache den Zugang zur gesamten romanischen Sprachengruppe in Europa und der übrigen romanischsprachigen Welt. Dem Französischen fällt dadurch die Rolle einer Weltbrückensprache zu.“ (Klein 2002: 44 f.) weiterer romanischer Sprachen erweisen. Vgl. auch eine Vielzahl von Diskursen weiterer Befürworter des Französischen als geeignete Brücke zur Förderung der schulischen Mehrsprachigkeit. Vgl. ebenfalls exemplarisch konvergente Ansichten in: Nieweler 2002; Klein 2006; De Florio-Hansen 2008; Schöpp 2008 und Schmelter 2015. 66 2. Historischer Exkurs und theoretische Grundlagen zum Konzept der Mehrsprachigkeit 2.6.5.3 Latein Latein ist die gemeinsame Basis und „Mutter“ der romanischen beziehungsweise europäischen Sprachen (vgl. Müller-Lancé 2012: 11). Stefan Kipf (2014) beispielsweise, führt aus, dass der Lateinunterricht den Schülerinnen und Schülern einen akribischen Zugang zur Tradition der europäischen Kultur gewähre, ihr historisches Bewusstsein fördere, und dass allgemein Latein einen grundlegenden Beitrag zur „Förderung einer gemeinsamen europäischen Identität“ leiste (Kipf 2014: 139). Allerdings befindet sich das Lateinische aus der Sicht der Schulsprachenpolitik weiterhin in einer eher kritischen Lage (vgl. Haag & Stern 2002: 523 sowie auch Jakisch 2015: 36 f.), insofern als der Anspruch des Europarates - nebst der Muttersprache, Kenntnisse in zwei weiteren europäischen Sprachen zu erwerben - auf moderne Fremdsprachen und auf deren aktive Sprachverwendung in konkreten Begegnungssituationen zurückgreift. Dieser Erklärung zufolge wird Latein als alte Sprache ausgeschlossen (vgl. Jakisch 2015: 36). Während die lebenden Fremdsprachen die Entwicklung einer Kommunikationsfähigkeit und einer interkulturellen Handlungskompetenz anstreben, bei welchen rezeptive und produktive Fertigkeiten ausgebildet werden (vgl. Neveling 2010), schult das Lateinische dagegen eher kognitive und rezeptive Kompetenzen, im Besonderen die Sprachbewusstheit, die Reflexion und Betrachtung durch die Lernenden von Sprachstrukturen mittels antiker literarischer Texte, die umsichtig und kontrastiv mit dem Deutschen in Übersetzungsarbeit reflektiert und hermeneutisch erschlossen werden (vgl. dazu Haag & Stern 2002; Große 2013: 190 f.; Kipf 2014). Sowohl das Hör-/ Sehverstehen als auch die Sprechfähigkeit und das Schreiben werden dabei weitgehend außer Acht gelassen (vgl. Haag & Stern 2002: 524). Transfereffekte lassen sich vorwiegend bei der Vokabelarbeit auf das Erlernen einer modernen, romanischen Sprache feststellen (Haag & Stern 2002: 523), denn die allermeisten Lexeme in den romanischen Sprachen haben einen lateinischen Ursprung. Ludwig Haag und Elsbeth Stern (2002), die untersucht haben, ob sich Französisch oder Latein besser als Brückensprache eignen würden, empfehlen - wie auch andere Sprachdidaktiker und Linguisten (z. B. Meißner 2000, 2003; Müller-Lancé 2001; Neveling 2006) - das Erlernen von Latein nur als freiwillige dritte oder sogar vierte Fremdsprache (vgl. Haag & Stern 2002: 525). Ihrer Ansicht nach liefere Latein nur wenige Transferbasen, die Morphosyntax sei typologisch unterschiedlich zu betrachten und der panromanische Basiswortschatz differiere ebenfalls; es bestünde nur ein minimal wahrnehmbares Verwandtschaftsverhältnis betreffend der sprachlichen Ähnlichkeiten (vgl. Haag & Stern 2002: 524 f.). Darüber hinaus schule es als tote Sprache zudem die kommunikative Kompetenz nicht. 2.6 Mehrsprachigkeitsdidaktik 67 Die möglichen Nachteile des Lateinischen als Brückensprache bedeuten aber nicht, dass ihr Erlernen überhaupt keine positiven Auswirkungen mit sich brächte. Im Laufe der Jahre hat sich das Fach positiv weiterentwickelt (Kipf 2014: 139; Große 2015: 189; Siebel 2011, 2017), so wie es das statische Bundesamt 2013 in einer Statistik attestiert hat (vgl. Hinweis in Kipf 2014: 139). Das Fach Latein hat die Prinzipien der Mehrsprachigkeits- und Interkomprehensionsdidaktik mitaufgenommen (vgl. Kipf 2014: 141) und kann dabei als „reflexionsbasierte neutrale Brücke zwischen Erst- und Zweitsprache“ fungieren (Große 2015: 195). Im Sprachvergleich ergeben sich hierbei sowohl Gemeinsamkeiten als auch Unterschiede in Bezug auf die moderne Zielsprache. Das Fach schult im Besonderen die Sprachbewusstheit und die Sprachreflexion seiner Lernenden (vgl. Große 2015: 192 ff.). Man kann dem Lateinischen also im Hinblick auf die Ausbildung rezeptiver Kompetenzen keineswegs sein Transferpotenzial absprechen. Abschließend betrachtet ist es nicht zwingend notwendig, Latein im Sinne der Mehrsprachigkeitsdidaktik zu erlernen. Jedoch leistet die Sprache auch eine bedeutende Stützfunktion für alle weiteren (Fremd-)sprachen. 2.6.5.4 Spanisch Das Spanische als Zielsprache ist in aller Regel die dritte Fremdsprache für deutschsprachige Schülerinnen und Schüler 15 und somit haben diese bereits Kenntnisse in bis zu zwei zuvor erlernten Fremdsprachen: Englisch und eine romanische Sprache. Demzufolge bietet Spanisch als Tertiärsprache den Vorteil, dass sein Erwerb keine größeren Schwierigkeiten mehr darstellt beziehungsweise darstellen sollte. Vielmehr bringen die Lernenden zahlreiche Voraussetzungen mit: sie verfügen über vorhandene schulische und auch herkunftsbedingte sprachliche Ressourcen sowie über Verarbeitungsstrategien des Fremdsprachenlernens und Kenntnisse betreffend des strukturellen Aufbaus von Sprachen. Durch ihr reichliches Erfahrungswissen wird der Erwerb des Spanischen erleichtert und beschleunigt; ihre Kenntnisse in einer ersten romanischen Sprache können demzufolge unter Anleitung ihrer Lehrperson die Funktion der Transfer- oder Brückensprache einnehmen. 15 Laut das Statistische Bundesamt lernen Schüler Spanisch häufiger als zweite Fremdsprache in den Bundesstaaten Hamburg (16 %), Bremen (13 %) und Berlin (7 %) (vgl. Malecki 2016: 21). 68 2. Historischer Exkurs und theoretische Grundlagen zum Konzept der Mehrsprachigkeit 2.6.5.5 Italienisch Vorteil des Italienischen als dritte bzw. spätbeginnende Sprache in der gymnasialen Oberstufe ist, dass der linguistische Hintergrund aus den zuvor erlernten Sprachen beachtlich ist, und dass die Schülerinnen und Schüler entsprechende Bezüge zu diesen Fremdsprachen in Form von interlingualen Parallelen bei grammatikalischen oder lexikalischen Phänomenen erkennen können. Ähnlich dem Spanischen respektive dem Französischen bietet deshalb das Italienische als romanische Sprache den Lernenden ein großes Potenzial, welches sich in der Vielzahl von Transferbasen im lexikalischen, phonetisch-graphischen oder noch morphosyntaktischen Bereich widerspiegelt. Italienischlernende haben insgesamt wenige Einstiegsprobleme oder noch unüberwindbare Schwierigkeiten (vgl. Reimann 2016: 512). Sowohl aktive als auch rezeptive, bewusste und unbewusste Kompetenzen können durch die Lernenden entwickelt werden. Durch die Nähe von Laut- und Schriftbild können sie sich schnell in die neue Sprache hineinfinden, demzufolge sehr rasch Fortschritte machen und somit auch motivierende Erfolgserlebnisse haben. 2.6.6 Lebensweltliche Sprachen als Brückensprachen und ihr Potenzial für das Erlernen einer Schulfremdsprache 2.6.6.1 Türkisch Die türkische Sprache ist in ihrer geschichtlichen Entwicklung von Sprachkontakten wie das Arabische und das Persische und im 19. und 20. Jahrhundert das Französische auf der lexikalischen Ebene geprägt und weist zahlreiche französische Lehnwörter auf (vgl. Brüser & Wojatzke 2010: 122; Thiele 2015: 139). Die türkische Schrift basiert seit einem knappen Jahrhundert auf der lateinischen Graphie und stellt deshalb keine zusätzlichen Schwierigkeiten bei der Entzifferung der Wörter dar, wie dies im Russischen oder Arabischen der Fall ist (vgl. Thiele 2015: 140) 16 . Im Gegenteil, die relative typologisch-lexikalische Nähe zwischen Französisch und Türkisch kann von den Lernenden als Transferstrategie durchaus bewusst eingesetzt werden, um unbekannte Wörter gewinnbringend zu erschließen und zu verstehen. Deshalb plädieren Brüser und Wojatzke (2010) dafür, 16 Im Rahmen der vorliegenden Arbeit kann nicht näher aus linguistischer Perspektive auf die erheblichen divergierenden strukturellen Aspekte der türkischen Sprache zu den indoeuropäischen Sprachen eingegangen werden. Ausführliche Beschreibungen zum Beispiel in Thiele 2015. 2.6 Mehrsprachigkeitsdidaktik 69 „[…] die türkische Sprache als Brückensprache beim Wortschatzerwerb des Französischen in den Unterricht einzubeziehen […].“ (Brüser & Wojatzke 2010: 122) Die Integration der herkunftssprachlichen Türkischkenntnisse der Schülerinnen und Schüler in das Unterrichtsgeschehen hat den positiven Effekt, dass deren Mehrsprachigkeit sichtbar wird, indem die Schule das Türkische neben den anderen gesprochenen (Schul-)Sprachen zulässt. Somit erlebt die lebensweltliche Mehrsprachigkeit türkischstämmiger Schülerinnen und Schüler Wertschätzung und Anerkennung. Das vorhandene, sprachliche Repertoire und die Plurikulturalität dieser Schülerschaft werden gefördert. Nebst der Präsenz zahlreicher französischer Lexeme im Türkischen können - so exemplarisch Reissner (2015) und Thiele (2015) - landeskundlich-kulturelle Themen in verschiedenen Unterrichtsaktivitäten genutzt und in den Fremdsprachenunterricht eingebunden werden (vgl. Reissner 2015: 216 f.; Thiele 2015: 137 ff.). Bereits Ingrid Gogolin (2008) hat - allerdings mit dem Blick auf die Primarstufe - darauf hingewiesen, dass die Alphabetisierung der deutsch-türkischen Kinder insofern an eine Grenze stößt, als sie weiterhin in Fächergrenzen gedacht wird und damit die genannten möglichen Transferaspekte reduziert bleiben. „Das Experiment der deutsch-türkisch-bilingualen Alphabetisierung beispielsweise sprengt den Rahmen des hierzulande Üblichen zwar insofern, als es eine Sprache einbezieht, der gewöhnlich der Status des schulisch Behandelns- und Lehrenswerten nicht zugebilligt wird. Aber sie bleibt zugleich in diesem Rahmen, weil sie in den üblichen Fächergrenzen gedacht ist […].“ (Gogolin 2008: 264) 2.6.6.2 Russisch Russisch ist eine indoeuropäische Sprache und gehört der slawischen Sprachfamilie an. Der Wortschatz des Russischen enthält vor allem allgemein- und ostslawische Lexeme, verwendet das kyrillische Alphabet und ist eine der sechs offiziellen Sprachen der Vereinten Nationen (vgl. Mehlhorn 2016: 534). Es beinhaltet eine große Anzahl von Lehnwörtern aus verschiedenen Sprachen, z. B. im 18. Jahrhundert aus dem Holländischen, im 18. und 19. Jahrhundert aus dem Deutschen und Französischen und seit dem 20. Jahrhundert auch aus dem Englischen (vgl. Mehlhorn 2016). „In Deutschland ist Russisch mit derzeit mindestens 4,5 Mio. russischsprachigen - russlanddeutschen Spätaussiedlern, jüdischen Zuwanderern und Ausländern aus den Nachfolgestaaten der ehemaligen Sowjetunion - die meist gesprochen Migrantensprache.“ (Mehlhorn 2016: 535) 70 2. Historischer Exkurs und theoretische Grundlagen zum Konzept der Mehrsprachigkeit Ähnlich den türkischen Schülerinnen und Schülern, die als Erstsprache Türkisch sprechen, verfügen die russischstämmigen Lernenden mit ihrer Muttersprache beim Erlernen einer neuen Sprache bereits über ein größeres Repertoire an phonetisch-phonologischen Parametern, an Lernstrategien und metalinguistischem Wissen. Hierdurch können sie - im Gegensatz zu ihren monolingualen Mitschülerinnen und -schülern - einen bewussten und erleichternden, positiven Transfer in der weiteren Fremdsprache L3, L4, Lx ausführen. Abschließend zu diesen Überlegungen halte ich Hufeisens Stellungnahme (2004) zur Gestaltung des (Fremd-)Sprachenunterrichts an dieser Stelle für wichtig: „[Im Mittelpunkt jeglicher Unterrichtsaktivitäten steht] die Bewusstmachung, die Bewusstmachung über die verschiedenen Sprachen (Sprachbewusstsein), über den Vergleich, den Kontrast, die Beschreibung der Sprachen und die eigene Distanz zu den Sprachen (metalinguistisches Bewusstsein) und die Bewusstmachung des eigenen Lerntyps und der eigenen verwendeten und bevorzugten Lernstrategien in Bezug auf Fremdsprachen (Lernbewusstsein).“ (Hufeisen 2004: 21) Les professeurs qui m’ont sauvé - et qui ont fait de moi un professeur - n’étaient pas formés pour ça […]. Ils étaient des adultes confrontés à des adolescents en péril. Ils se sont dit qu’il y avait urgence. Ils ont plongé. […] Ils ont fini par me sortir de là. Et beaucoup d’autres avec moi. Ils nous ont littéralement repêchés. Nous leur devons la vie. (Daniel Pennac 2007: Chagrin d’école, pp. 41-42) 3. Zur Erforschung der Binnensicht von Fremdsprachenlehrkräften 3.1 Terminologische Vielfalt: Subjektive Theorien-- Einstellungen Die vorliegende Arbeit hat es sich zum Ziel gesetzt, einen Einblick in die Binnensicht einer Probandengruppe von Lehrpersonen zu ermöglichen und ihre Einstellungen zur Mehrsprachigkeit aufzuzeigen. Wenn es Ziel des Fremdsprachenunterrichts und damit die professionelle Aufgabe der Lehrpersonen ist, Einstellungen von Lernenden als persönlichkeitsbezogene Teilkompetenzen auszubilden (vgl. Venus 2015), etwa in Michael Byrams Sinne des „savoir-être “ (Byram 1997: 34 f.), dann sind auch die Einstellungen und das Expertenwissen eben dieser Lehrpersonen damit untrennbar verbunden und von besonderem Interesse für die heutige, empirische fremdsprachendidaktische Forschung (vgl. Caspari 2014). Diese wichtigen Beziehungen zwischen Lehrereinstellungen im Allgemeinen und Lernleistungen und Verhalten von Lernenden stellt John Hattie in der deutschen Übersetzung von Wolfgang Beywl und Klaus Zierer (2014) auf der Basis tausender empirischer Studien unter anderem dar: „[…] wenn wir uns die […] Lehrpersonen anschauen: ihre Erwartungen und ihre Unterrichtskonzepte. Kinder werden in eine Welt der Erwartungen hineingeboren. Ähnlich treten sie in die Klasse mit eigenen Erwartungen ein, die denen der Lehrperson gegenüberstehen. Auch Lehrpersonen kommen in die Klasse mit Auffassungen bezüglich des Lehrens, des Lernens, der Benotung und der Lernenden. Wir müssen diese Vorstellungen besser verstehen, denn sie sind offenbar starke Moderatorvariablen für den Erfolg dieser Lehrpersonen. Wenn man geringe Erwartungen an den Erfolg der Lernenden hat, wird dies zu einer sich selbst erfüllenden Prophezeiung.“ (Beywl & Zierer 2014: 43) Zum beruflichen Selbstverständnis von Fremdsprachenlehrpersonen liegen umfassende Arbeiten vor, die Daniela Caspari in ihrer Dissertation von 2003 und dann 2014 in einem Überblicksartikel zusammenfasst (Caspari 2014: 20-35). 72 3. Zur Erforschung der Binnensicht von Fremdsprachenlehrkräften Allerdings konzentriere ich mich in meiner Untersuchung nur auf einen Teilaspekt dieses Selbstverständnisses, die schon benannten Einstellungen zur Mehrsprachigkeit. Zur Grundlegung dieser explorativen Studie und um eine Binnensicht auf die oben genannten Einstellungen zu erreichen, eignet sich das theoretische Konstrukt, das in der Sozialpsychologie und der Erziehungswissenschaft seit Jahrzehnten beforscht wird: „Subjektive Theorie“. Caspari (2014) systematisiert in ihrem Überblicksartikel die unterschiedlichen Forschungsansätze und -arbeiten zu „subjektiven Sichtweisen“ oder „Innensicht“ nach inhaltlichen, forschungsmethodologischen zielgruppenspezifischen Kriterien. Hier stichwortartig verkürzt unterscheidet sie fünf Kategorien: 1) Innensicht und Lehrerhandeln; 2) Innensicht plus Einzelaspekte / Themen; 3) nach dem Forschungskonzept; 4) nach Zielgruppen; 5) nach dem Forschungsparadigma. (vgl. Caspari 2014: 22) Dabei weist sie darauf hin, dass sich die vorherrschende Forschungsrichtung seit den 1980er Jahren insgesamt stärker den Wahrnehmungen der Akteure des Fremdsprachenlernens zuwandte, und dass sich seit der Jahrtausendwende praktisch keine Arbeiten zum Lehrerhandeln mehr finden lassen, die sich nicht mit der Binnensicht der Lehrkräfte beschäftigen. Zudem sei die Mehrzahl dieser Forschungsarbeiten dem qualitativen Paradigma zuzuordnen (vgl. Caspari 2016a: 43-45). In der vorliegenden Studie werden Einstellungen von Lehrpersonen zum Thema Mehrsprachigkeit in gleicher Weise empirisch-qualitativ untersucht, damit reiht sich die Arbeit in genannte Forschungsrichtung ein, die sich seit der Jahrtausendwende mit einzelnen Aspekten der subjektiven Sichtweisen beschäftigt. Neben dem bilingualen Sachfachunterricht, der Grammatik und den kommunikativen Kompetenzen, beschäftigten sich Arbeiten darüber hinaus auch mit der Evaluation von Lernerleistungen und schließlich der Mehrsprachigkeit, Multikulturalität und dem interkulturellen Lernen (vgl. Caspari 2014: 25 ff.). Die Arbeiten von Christiane Kallenbach (1996) und Daniela Caspari (2003) waren bahnbrechend für den Blick auf die Einstellungen von Fremdsprachenlehrpersonen, da sie inhaltlich und forschungsmethodologisch den Weg für qualitative Untersuchungen dieses komplexen Feldes geebnet haben. Diesen Untersuchungen kommt für die vorliegende Arbeit eine zentrale Bedeutung zu. Mit dem qualitativen Forschungsansatz soll erforscht werden, was Fremdsprachenlehrkräfte im Zusammenhang mit ihrer Unterrichtspraxis über die Biografien und die eventuelle lebensweltliche und schulische Mehrsprachigkeit 3.1 Terminologische Vielfalt: Subjektive Theorien-- Einstellungen 73 ihrer Schülerschaft wissen, und wie sich dieses Wissen auf ihre Überzeugungen auswirkt und möglicherweise ihr Handeln bestimmt. Auf die Kluft zwischen Wissen und Handeln wird weiter unten noch einzugehen sein. Wissen ist somit nicht allein auf Denkprozesse bezogen, das heißt im rein kognitiven Sinne zu verstehen, sondern Affektivität in Form von Einstellungen, Werthaltungen und Intentionen spielt eine wichtige Rolle (vgl. Kallenbach 1996: 18). In der qualitativen Forschung ist dieses Anwendungsfeld der Analyse von Alltagswissen der Forschungsperspektive „Zugänge zu subjektiven Sichtweisen“ zuzuordnen (vgl. im Überblick Flick et al. 2000: 18 f.). Die Frage nach den subjektiven Theorien der Lehrerinnen und Lehrer hat im Übrigen seine Wurzeln in der Abkehr vom behavioristischen Menschenbild im Rahmen der kognitiven Wende in der Psychologie. Als Ersatz für dieses überkommene, weitgehend mechanistische Menschenbild wurde ein epistemologisches Subjektmodell formuliert (vgl. Groeben und Scheele 1977, 2000) und in der Erziehungswissenschaft (vgl. Klafki 1973) wurden die subjektiven Perspektiven der Lehrenden zum Forschungsgegenstand gemacht. Die gängigste Methode zur Erhebung von subjektiven Theorien ist das Interview 17 (vgl. Kallenbach 1996: 82-85) und deshalb und aufgrund der Tatsache, dass die individuellen Einstellungen, Argumentationen, Bezüge und Überzeugungen für die vorliegende Untersuchung von Interesse sind, bieten sich als Forschungsmethode fragengeleitete, explorative Interviews an, um die subjektiven Theorien bzw. Einstellungen herauszuarbeiten. Über die Schilderungen ihrer jeweils subjektiv erlebten, empfundenen und reflektierten Erfahrungen im Klassenraum mit Mehrsprachigkeit sollen die Einstellungen der Lehrpersonen dann kategoriengeleitet rekonstruiert werden (vgl. Kallenbach 1996: 75). Somit betont der Ansatz zum Einen die Subjektivität der Ausführungen einer befragten Person, zum Anderen kann ihnen Theoriestatus zugesprochen werden, weil sie Erklärungs- und Vorhersagepotenzial, Kohärenz und erfahrungsbasierte Abstrahierung und Strukturierungen enthalten (vgl. Kallenbach 1996: 12). Seit der Arbeit von Christiane Kallenbach (1996) hat sich bis heute weiterhin eine große terminologische Vielfalt in Bezug auf die kognitiven Strukturen, Erklärungs- und Verhaltensmuster, Konstruktionen und Modifikationen des Wissens und der handlungsleitenden Theorien, kurz: der Binnensicht des Individuums und seiner subjektiven Theorien gehalten: „Die Begrifflichkeiten sind ausgesprochen vielfältig und nicht immer trennscharf voneinander abgegrenzt. Ich benutze den Begriff ‚Subjektive Theorien’ nicht nur weil er am festesten etabliert ist, sondern auch, weil sich in ihm die personenbezogenen He- 17 Oft das halb-standardisierte Interview (vgl. Scheele & Groeben 1998: 22; Flick 2000 und Flick; von Kardorff & Steinke 2005). 74 3. Zur Erforschung der Binnensicht von Fremdsprachenlehrkräften rangehensweisen und der Status, der dem subjektiven Wissen zugesprochen werden soll, am besten widerspiegeln.“ (Kallenbach 1996: 17) Weitere Begriffe zur Erforschung subjektiver Wissensbestände von Lehrkräften und Lernenden finden sich auch in der Übersicht von Grotjahn 1998 (Grotjahn 1998: 44). Die Begriffsdefinitionen ähneln sich jedoch im Wesentlichen, denn Sprachlehrforscher wie Rüdiger Grotjahn und Britta Viebrock (2007: 41) gehen von der „[…] Innensicht des Lehrers bzw. des Lerners [aus] und [sehen] die jeweiligen individuellen Kognitionen als potentielle explanative Konstrukte im Bereich des Lehrens und Lernens von Fremdsprachen [an].“ (Grotjahn 1998: 44) Die Innenperspektive von Lehrpersonen ist auch heute immer noch terminologisch nur sehr komplex zu fassen, worauf auch Caspari in der Folge von Simon Borg (2003) hinweist (vgl. Caspari 2014). In dieser weiterhin unklaren terminologischen Lage arbeitet Schart (2003) mit dem Begriff des subjektiven Wissens von Lehrenden und beschreibt es als ein „[…] sehr komplexes und heterogenes Bündel aus Überzeugungen, Vorstellungen und Metaphern, Beurteilungstendenzen, Rezepten, Emotionen und Selbstrechtfertigungen […].“ (Schart 2003: 25) Weiterhin finden sich in der Literatur Termini wie „Subjektive Lehr-Lern- Überzeugungen“ (vgl. Pajares 1992), „pedagogical content beliefs“ (vgl. Staub & Stern 2002), „Lehrauffassung / Grundhaltung“ (vgl. Viebahn 2005 und 2009). Norten und Kollegen (2005) definieren ihrerseits „teachers’ beliefs“; Baumert und Kunter (2006) sprechen von „Überzeugungen / Werthaltungen“; Dubberke et alii (2008) untersuchen die „lerntheoretischen Überzeugungen“ und Luebeck bezeichnet dies als „intrapsychische Überzeugungsstrukturen“ (Luebeck 2009: 253 f.). Niessen spricht von „Individualkonzept von Lehrenden“ (2008) und Fäcke schließlich allgemeiner von „mentalen Prozessen“ oder auch von Einstellungen (Fäcke 2006: 47 f.). Schließlich zählt Caspari ebenfalls die Vielzahl der verwendeten Begriffe auf (vgl. Caspari 2016b: 305 f.) und benennt die Schwierigkeiten, diese trennscharf gegeneinander abzugrenzen. Sie stellt aber die Möglichkeiten der Erforschung mentaler Prozesse von Lehrenden positiv dar: „Trotz der Schwierigkeit, die genannten Begriffe bzw. die damit bezeichneten Konzepte voneinander abzugrenzen, und der insgesamt begrenzten Reichweite qualitativer Forschung, erlauben diese Arbeiten eine Vielzahl von Einsichten in die subjektiven Sichtweisen von Lehrkräften.“ (Caspari 2016b: 307) 3.1 Terminologische Vielfalt: Subjektive Theorien-- Einstellungen 75 Auch die obige Aufzählung stellt eine Liste dar, die sich fortführen ließe und auf die genannte unsichere Terminologiesituation im Bereich der Subjektiven Theorien (ST) verweist, weil dieses Konzept auch üblicherweise synonym verwendet wird zu: „Einstellungen, Einschätzungen, Auffassungen, Überzeugungen“ (vgl. z. B. Pajares 1992; Wahl 2001). Das Forschungsprogramm Subjektive Theorien wurde in den 1970er und 1980er Jahren von einer Forschergruppe um Norbert Groeben und Brigitte Scheele (1988) entwickelt. Grundlegend für diesen Ansatz waren drei Werke: Kellys Psychology of Personal Constructs (1955), Heiders Psychology of Interpersonal Relations (1958) und Lauckens Naive Verhaltenspsychologie (1974), in deren Tradition das Forschungsprogramm Subjektive Theorien neben einer theoretischen Fundierung vor allem einen methodischen Zugang darstellt, um diese empirisch erforschen zu können (vgl. Kallenbach 1996: 37). Das Konzept der „subjektiven Theorien“ ist den Konzepten der amerikanischen Forschung - attitudes, beliefs - und der frankophonen Forschung - représentations, opinions, attitudes, stéréotypes - verwandt (vgl. Geiger-Jaillet 2006: 351 f.). Für den frankophonen Sprachraum hingegen scheinen sich vor allem die oben genannten Begriffe attitudes und représentations sociales durchgesetzt zu haben (vgl. z. B. Castelotti & Moore 2002; Carrasco Perea & Piccarda 2009). Beide Termini - sowohl représentations als auch attitudes - haben vielerlei Berührungs- und Überschneidungspunkte und werden häufig deckungsgleich verwendet. Sie sind der Sozialpsychologie entlehnt und bezeichnen die Fähigkeit, auf adäquate, für den Handelnden vorteilhafte Weise auf eine Klasse von Objektanforderungen und -gegebenheiten reagieren oder nicht reagieren zu können. Es sind dies erworbene, psychische (Prä-)Dispositionen, über die ein Individuum verfügt und das seinen Vorrat an Einschätzungen ( croyances ) darstellt (vgl. Lüdi & Py 1986). Diese Einschätzungen wiederum können sowohl auf objektiven Informationen als auch auf Vorurteilen oder Stereotypen gründen. Andere Autoren bevorzugen eine Trennung beider Begriffe: « […] une (pré)-disposition psychique latente, acquise, à réagir d’une certaine manière à un objet. » (Lüdi & Py 1986: 97) Für die vorliegende Arbeit habe ich mich entschieden, mit dem Begriffskonzept der ‚Einstellung’ weiterzuarbeiten. Es wird in der Lehr-Lernforschung in Bezug auf den Lehrerberuf im Grunde synonym gebraucht zu beliefs und auch attitudes als „[…] jenes Geflecht aus Überzeugungen (beliefs), Meinungen und verallgemeinerten Erfahrungswissen“ zusammenfassend bezeichnet, welches zusammengenommen das Unterrichtshandeln der Lehrenden prägt (Woods 1996, zitiert in Krumm 2007: 356). 76 3. Zur Erforschung der Binnensicht von Fremdsprachenlehrkräften "Subjektive Theorien stehen als mehr oder weniger bewußtes Wissen hinter dem (Sprach-)Handeln. Sie sind prinzipiell aktualisierbar, lassen sich jedoch nicht als systematisch strukturierte Theorie 'abrufen'. Vielmehr entwickeln sie sich Schritt für Schritt im Gespräch und können deshalb nur mit Hilfe qualitativer Forschungsmethoden erhoben werden, deren Verfahren auf Interpretations- und Verstehensprozessen beruhen." (Kallenbach 1996: 50; Hervorhebungen im Text) So verwende ich den Begriff der Einstellungen als generellen Terminus und terminologische Klammer im Deutschen und der deutschen fachdidaktischen Literatur (vgl. Venus 2015). Dieses Konzept der ‚Einstellungen’ erscheint geeignet, die durch die Fragebogenerhebung gewonnene „Außenperspektive“ durch eine „Innenperspektive“ bzw. „Binnensicht“ zu erweitern und hat damit zum Ziel, die Perspektive der Befragten auf den Gegenstand, hier: ihre Einstellungen zur Mehrsprachigkeit, zu erhellen (vgl. Viebrock 2007: 103). Im Zusammenhang mit den Anforderungen an das unterrichtliche Lehrerhandeln - hier Einbeziehung der Mehrsprachigkeit - weist Philippe Perrenoud darauf hin, dass eine immer größer werdende Lücke zwischen den gesellschaftlichen Ansprüchen und den realen Möglichkeiten und Kompetenzen der Lehrpersonen klafft. Er stellt das als eine Überbürdung des Berufsstands dar, die nicht mehr zu bewältigen sei, wie: Unterrichtseinheiten stringent planen, die den Lernenden bestmöglich an seinem Entwicklungsstand abholen; differenziert und individualisiert arbeiten; individuelle Lernprojekte stützen; kooperative und aktive Methoden anwenden; den Sinn schulischer Arbeit verdeutlichen; zu Toleranz in einer multiethnischen Lerngruppe erziehen und Vieles mehr. « A l’échelle de la classe, l’écart s’est accru également entre ce qu’un enseignant moyen sait faire et ce qu’il est censé savoir faire, par exemple construire des séquences didactiques rigoureuses et des situations d’apprentissage atteignant l’apprenant dans sa „zone proximale de développement“, différencier son action pédagogique, individualiser les parcours de formation, pratiquer une observation formative, développer des méthodes actives […] faire de la classe une société multi-ethnique basée sur la tolérance, gérer la diversité des cultures ou simplement des familles. » (Perrenoud 1996: 80) Hierbei spricht er von dem Unaussprechlichen, der non-dits (Perrenoud 1996: 69 f.) des Lehrerberufs und führt unter anderem Angst, Verführung, Macht, Dilemma der Ordnung, Basteln und Improvisation, Langeweile und Routine und die unvermeidliche Differenz der Standpunkte zwischen Lehrenden und Lernenden auf. Die in diesen Dilemmata gefangenen Lehrpersonen werden möglicherweise im narrativen Interview ihre eigene berufsbiografische Selbstkonstruktion dergestalt darstellen, dass sie persönliche, unterrichtspraktische Lösungen für die genannten Probleme konstruieren, um sich nicht dem Ver- 3.2 Zum Forschungsprozess über Einstellungen von Lehrpersonen 77 dacht auszusetzen, mit der erneuten Anforderung nach Einbeziehung der Mehrsprachigkeit überfordert zu sein. 3.2 Zum Forschungsprozess über Einstellungen von Lehrpersonen Einen Überblick über die Geschichte der Erforschung subjektiver Theorien geben unter anderem Uwe Flick (1989), Christiane Kallenbach (1996) und Daniela Caspari (2003 und 2014). Zum Einen wurden die verschiedenen Forschungsmethoden zu subjektiven Theorien in modifizierter Form in Bezug auf das Fremdsprachenlernen von Schülerinnen und Schülern, also in einem schulischen Rahmen, eingesetzt und haben sich dabei bewährt. Zum Anderen hat dieser Forschungsansatz auch eine Bedeutung für die Befragungen anderer Personengruppen wie z. B. Lernende an bilingualen Schulen (vgl. Kallenbach 1996: 264) oder Schulen, mit bilingualem Angebot ermöglichen (Fäcke 2011). Im Rahmen ihrer Studie zum beruflichen Selbstverständnis von Fremdsprachenlehrkräften zeigt Caspari (1998) anhand der Einstellung von Lehrern zum interkulturellen Lernen, wie die subjektiven Theorien der Lehrkräfte „[…] stark von der eigenen Sprachlernbiographie und den mit Fremdsprachen gemachten Erfahrungen bestimmt sind.“ (Caspari 1998: 73) Seither sind zahlreiche empirische Einzelstudien erschienen, die sich Lehrertheorien mithilfe qualitativer Forschungsansätze angenommen haben (vgl. dazu z. B. De Florio-Hansen 1998; Krumm 2007: 356). In ihrem Überblicksartikel weist Caspari (2014) aber auch darauf hin, dass es sich bei den Sichtweisen der Lehrenden um multifaktorielle und hoch komplexe Gebilde handelt, „[…] die insbesondere durch die eigene Lernerbiographie, die beruflichen Erfahrungen und die Wahrnehmung der Kontextfaktoren geprägt sind.“ (Caspari 2014: 25) Das Forschungskonzept der subjektiven Theorien ist durch Deutungsprozesse geprägt, die im ersten Schritt die Deutungsmuster und Konstruktionen der subjektiven Theorien auf Seiten der Interviewteilnehmerinnen und -teilnehmer betreffen und im zweiten Schritt das Erschließen dieser Konstruktionen durch die Interpretation des Interviewers, der schon im Laufe des Interviews stattfindet, und zwar vor allem bei der Auswertung der transkribierten Interviews (Meyer 2007: 117). Damit ist ein hermeneutisches Vorgehen im Forschungsprozess beschrieben, das als Sinn und Zweck das Verstehen konkreter Einzelfälle verfolgt, aber immer die narrative Selbstkonstruktion des Individuums im Blick behalten muss. Aus konstruktivistischer Sicht bedeutet das Verstehen konkret: 78 3. Zur Erforschung der Binnensicht von Fremdsprachenlehrkräften „Verstehen, was jemand gesagt oder geschrieben hat, bedeutet nicht mehr, aber auch nicht weniger, als dass man auf Grund seines sprachlichen Austauschs eine begriffliche Struktur aufgebaut hat, die in dem gegebenen Zusammenhang als kompatibel mit dem betrachtet wird, was der Sprecher offenbar gemeint hat. diese Kompatibilität kann jedoch nie durch einen direkten Vergleich überprüft werden. […] Aus dieser Sicht liegt eine unvermeidliche intrinsische Unbestimmtheit in aller sprachlichen Kommunikation.“ (Glasersfeld 1997: 232) Trotz dieser prinzipiellen Unbestimmtheit in der Kommunikation soll versucht werden, mithilfe der Interviews die Einstellungen zu verstehen, die Interviewpartnerinnen und -partner im Zusammenhang mit Mehrsprachigkeit äußern. In der deutschen Psychologie wurde durch das Forschungsprogramm Subjektive Theorien ( FST ) von Norbert Groeben und Brigitte Scheele Ende der 1970er Jahre die Erforschung der Innensicht 18 unterschiedlicher Aktanten in die wissenschaftliche Diskussion eingeführt und danach stets weiterentwickelt. Das FST stellt die menschliche Reflexivität in den Mittelpunkt seines Menschenbildes (vgl. Groeben & Scheele 1998: 27, 2000). Die Reflexivität wird dabei als zentrales Merkmal des bewussten, geplanten, willkürlichen Handelns angesetzt. Die Handlungsfähigkeit des Individuums und mit ihr verbunden die Sprach- und Kommunikationsfähigkeit, steht beim FST im Mittelpunkt des Subjektmodells. Aufgrund dieser Tatsache ist es dann nicht nur unerlässlich, das Subjekt - hier die Lehrperson - von außen zu beobachten, sondern auch ihre inneren Sichtweisen einzubeziehen, indem man sie fragt, was sie mit ihren Handlungen verbindet (vgl. Groeben & Scheele 1998: 13). Entsprechend hatten Groeben et alii bereits 1988 die subjektiven Theorien als bewusste oder unbewusste Überzeugungen von Lehrkräften zu grundlegenden Fragen des Lehrens und Lernens beschrieben: "Subjektive Theorien von Lehrerinnen und Lehrern im Kontext von Unterricht sind komplexe Aggregate bewusster und / oder unbewusster automatisierter Überzeugungen zu grundlegenden Fragen des Lehrens und Lernens, die sich in der Unterrichtsdurchführung widerspiegeln. Sie erfüllen - analog zu objektiven Theorien - die Funktion der Erklärung, Prognose und Technologie und besitzen eine entsprechende implizite Argumentationsstruktur." (Groeben; Wahl; Schlee & Scheele 1988: 17 f.) Subjektive Theorien sind in der Regel implizit, das heißt, dass eine Person auf bestimmte Annahmen nicht bewusst zurückgreift, um ein Verhalten oder eine Situation zu erklären. Vielmehr handelt es sich um unbewusste Prozesse, die prinzipiell ins Bewusstsein transportiert werden können und sich mit Hilfe 18 Anstelle von Innensicht bzw. Außensicht wird auch von emischer und etischer Perspektive gesprochen (vgl. Borg 1998 in Bezug auf den Fremdsprachenunterricht). 3.2 Zum Forschungsprozess über Einstellungen von Lehrpersonen 79 verschiedener Methoden wie beispielsweise Interviews erschließen und rekonstruieren lassen. „Subjektive Theorien über Fremdsprachenlernen sind komplexe Wissenskonstrukte, die der / die einzelne aus der persönlichen Erfahrung im Umgang mit Fremdsprachen in und außerhalb der Schule aufbaut. Sie stellen subjektiv wahrgenommene und relevante Aspekte des Fremdsprachenlernens in einen individuellen Sinnzusammenhang. […] Durch die mit der Verbalisierung einhergehende Bewußtmachung haben subjektive Theorien das Potential, in nachfolgende fremdsprachliche Lern- und Anwendungssituationen hineinzuwirken.“ (Kallenbach 1996: 49 f.) Kallenbach betont die Möglichkeit der Versprachlichung und der damit einhergehenden Bewusstmachung, da subjektive Theorien - wie Repräsentationen und Einstellungen - nur verändert werden können, wenn man sich ihrer bewusst ist. Auf den Fremdsprachenunterricht übertragen bedeutet dies, dass die Reflexionen der Lehrenden zur Erklärung und Verbesserung des Fremdsprachenlernens in das Zentrum der Forschungsbemühungen gerückt werden (Groeben & Scheele 1998: 14; Caspari 2014: 20 f). Drei Gegenstandsbereiche der subjektiv-theoretischen Reflexionen lassen sich nach Groeben und Scheele (1998) unterscheiden: 1) Reflexionen über die Sprache / n; 2) Reflexionen über das Lernen; 3) Reflexionen über das Lehren bzw. den Unterricht (vgl. Groeben & Scheele 1998: 14) Die Reflexionen der Lehrenden zum Lernen und Unterrichten dürften schon die Theorien der Lernenden über ihr eigenes Lernen und das Lehren der Unterrichtspersonen berücksichtigen und mitreflektieren, während es andersherum nicht zu vermuten ist (Groeben & Scheele 1998: 15). Unterrichtsplanung bleibt den Schülerinnen und Schülern in aller Regel verborgen. Deswegen impliziert die Thematisierung der Einstellungen Fremdsprachenlehrender indirekt auch die Berücksichtigung der Einstellungen der Lernenden zur Sprache, zum Lernen und zum Unterricht (Ebd.). In diesem Zusammenhang spricht Theresa Venus (2015) von „Einstellungen als individuelle Lernvariable“. Wie lässt sich das Konstrukt definieren? Subjektive Theorien oder Einstellungen werden als „[…] Aggregate von prinzipiell aktualisierbaren Kognitionen, in denen sich die subjektive Sichtweise des Erlebens und Handelns niederschlägt.“ (Mandl 1998: 98) bezeichnet, die sich auf die Selbst- und Weltsicht beziehen. 80 3. Zur Erforschung der Binnensicht von Fremdsprachenlehrkräften 3.3 Einstellungen und Unterrichtshandeln Die Signifikanz der Einstellungen von Lehrkräften wird vor allem im Zusammenhang mit deren beruflichem Alltagshandeln erkennbar und ihre Bedeutung verweist auf Kognitionen der Selbst- und Weltsicht, mit anderen Worten: Denkinhalte und -strukturen, die auf die eigene Person, auf andere Individuen und auch „auf alle übrigen belebten und unbelebten Objekte unserer Welt“ (Groeben & Scheele 1998: 15) gerichtet sind. Subjektive Theorien werden seither auch als Oberbegriff zu Konzepten wie Alltagstheorie, Laien-Theorie und naive, implizite oder intuitive Theorie (Grotjahn 1998: 33) benutzt. Dabei hat das Konstrukt „Subjektive Theorie“ eine recht präzise Bedeutung und ist theoretisch hinreichend verankert, so Rüdiger Grotjahn: es wird als strukturell und funktional analog zum Begriff der objektiv-wissenschaftlichen Theorie expliziert (vgl. Grotjahn 1998: 34) 19 . Matthias Trautmann (2005) stellt die Frage nach dem Zusammenhang zwischen Überzeugungen ( beliefs ) und der Unterrichtspraxis und will die Forschungen in diesem Bereich für den Englischunterricht nutzbar machen. „Sucht man statt dessen nach empirischen Erklärungsansätzen, warum Lehrende ihre Unterrichtspraxis in einer bestimmten Art und Weise gestalten oder wovon das Lernen von Schülerinnen und Schülern beeinflusst wird, dann stößt man in der aktuellen Literatur auf das psychologisch inspirierte Konzept der Überzeugungen (beliefs). Überzeugungen gelten als Filter für die Wahrnehmung der Fachinhalte, für die Zuweisung von Bedeutung sowie für Verstehen, Motivation und Leistung.“ (Trautmann 2005: 39; Hervorhebungen im Text) Am Beispiel zweier Englischlehrender zeigt Trautmann deren Einstellungen zum Grammatiklernen und unterscheidet dabei einen Ansatz den man deklaratives Wissen nennen könnte und einen weiteren, der sich aus der individuellen Sprachlernbiografie speist. Allerdings weist er zu Recht auf die Diskrepanz zwischen Überzeugungen und tatsächlichem Unterrichtshandeln hin. „Die Erforschung von language learning beliefs stellt einen Versuch dar, Einflussfaktoren auf das Lehren und Lernen von Fremdsprachen zu identifizieren und einer reflexiven Bearbeitung zugänglich zu machen. So plausibel es in der Regel erscheint, dass Überzeugungen sich in irgendeiner Form auf das Handeln auswirken, so sehr 19 Krumm konstatierte noch 2007, dass größere Forschungsprojekte mit Ausnahme von Schocker-von-Ditfurths Arbeit im Jahr 2001 über das Lehrerwissen künftiger Englischlehrer, welche das Lehrerhandeln in Lehr-Lern-Kontexten untersuchen, bislang fehlen (Krumm 2007: 356) und sieht es als Forschungsdesiderat an. Dies Lücke füllen allerdings bereits die Arbeiten von Dirks (2000), Schart (2003) sowie Roters und Trautmann (2014). 3.3 Einstellungen und Unterrichtshandeln 81 ist doch Vorsicht angebracht, hier einen allzu direkten Zusammenhang („handlungsleitend“) zu konstruieren […]. An Phänomenen wie der „aufgesetzten“ Überzeugung, der „bloßen“ Überzeugung und an Routinen wird deutlich, dass Vorstellungen darüber, wie man handelt oder handeln sollte, nicht mit dem tatsächlichen Handeln übereinstimmen müssen, oder dass ‚Handeln’ auch nichtreflexiv stattfinden kann.“ (Trautmann 2005: 49; Hervorhebungen im Text) Die Beziehungen zwischen Einstellungen und Handlungen werden in der deutschen fachdidaktischen Literatur allerdings keineswegs so kausal verbunden gesehen, worauf Caspari (2016) hinweist: „Aus Arbeiten, die mithilfe unterschiedlicher Zugänge eine umfassende Rekonstruktion der subjektiven Sichtweisen von Lehrkräften unternehmen, wird deutlich, dass es sich dabei um hoch komplexe und heterogene Konstrukte handelt, die jeweils von zentralen Überzeugungen strukturiert werden. […] Obwohl diese Überzeugungen das unterrichtliche Handeln nachweislich beeinflussen, ist ihre Aussagekraft aufgrund situativer und sozial wie individuell unbewusster Faktoren begrenzt.“ (Caspari 2016b: 307 f.) Der Zusammenhang zwischen Einstellungen und Verhalten ist in der Forschung nicht eindeutig. Das, meines Erachtens, unauflösliche Dilemma besteht darin, dass Einstellungen nicht zwingend zu einem bestimmten Verhalten führen und somit auch nicht retrospektiv erhoben werden können, indem aus dem Verhalten auf die Einstellungen zu schließen sei. Gleiches gilt aber eben auch in der anderen Richtung, da sich aus Einstellungen nicht zwangsläufig eine bestimmte Praxis ableiten lässt. In diesem Sinne ist die Verbindung von croyances und comportements wie sie von Véronique Castellotti und Danièle Moore (2002) dargestellt werden, kritisch zu sehen: « Les informations dont dispose un individu sur un objet particulier constituent ainsi son stock de croyances sur l’objet. Ces croyances peuvent être motivées par des informations objectives, comme elles peuvent s’appuyer sur des préjugés ou des stéréotypes. Elles peuvent aussi être modifiées et évoluer. Les attitudes organisent des conduites et des comportements plus ou moins stables, mais ne peuvent pas être directement observées. Elles sont généralement associées et évaluées par rapport aux comportements qu’elles génèrent. » (Castellotti & Moore 2002: 7 f.; Hervorhebungen im Text) Zur Bedeutung der subjektiven Theorien von Lehrkräften wird vor allem im Zusammenhang mit ihrem beruflichen Alltagshandeln argumentiert: einem Handeln, das mit der Beeinflussung anderer Menschen, hier: der Schülerinnen und Schüler, in zwischenmenschlichen Beziehungen zu tun hat (Mandl & Huber 82 3. Zur Erforschung der Binnensicht von Fremdsprachenlehrkräften 1983). Effektives Lehrerhandeln, das auf eine optimale Förderung der Schülerschaft abzielt, ist somit von hoher Bedeutung und Effizienz und wird allgemein mit Lernzuwachs und -erfolg verknüpft. Auf der Basis ihrer subjektiven Theorien formulieren Lehrkräfte während ihres Unterrichts - in der Regel unbewusst - Hypothesen und Annahmen über die Lernprozesse der Lernenden. Sie beziehen sich auf Wissensbereiche, die ihnen als Person Orientierung geben, indem sie das eigene Verhalten sowie dasjenige anderer Personen erklären. Damit ein kompetenter Umgang mit alltäglichen Schulsituationen erfolgen kann und für das beobachtete Verhalten Erklärungsmuster bereit gehalten werden können, sind entsprechende Kognitionen und Wissenselemente, die durch die subjektiven Theorien bereit gestellt werden von Bedeutung (vgl. Mandl & Huber 1983; Dann 1994; Scheele & Groeben 1998). Allerdings bleibt hierbei die Frage nach der Beziehung zwischen Einstellungen und dem unterrichtlichen Handeln ungeklärt. Auch die Position von Hanns-Dietrich Dann (1992, 1994), der neben folgenden Definitionsmerkmalen unter Punkt 4 den Handlungsbezug formuliert, muss kritisch gesehen werden: 1. Subjektive Theorien stellen relativ stabile Kognitionen (mentale Repräsentationen) dar, die allerdings durch Erfahrung veränderbar sind. 2. Subjektive Theorien sind teilweise implizit, teilweise aber dem Bewusstsein der handelnden Person zugänglich, wenn etwa unterstützende Explizierungshilfen angeboten werden, die die Person darin unterstützen, ihre Kognitionen zu artikulieren. 3. Subjektive Theorien besitzen - ähnlich wie wissenschaftliche Theorien - eine zumindest implizite Argumentationsstruktur, d. h. sie können zur Erklärung und Prognose herangezogen werden, da sie Wenn-Dann-Beziehungen enthalten und Schlussfolgerungen ermöglichen. Sie erfüllen die Funktionen (a) der Situationsdefinition, (b) der Erklärung eingetretener Ereignisse, (c) der Vorhersage zukünftiger Ereignisse sowie (d) der Generierung von Handlungsentwürfen oder -empfehlungen. 4. Für die individuelle Person haben Subjektive Theorien eine handlungsleitende oder handlungssteuernde Funktion und beeinflussen zusammen mit anderen Faktoren (wie etwa Emotionen) das Verhalten der Person. (vgl. Dann 1994: 166) Eine direkte Verbindung zwischen Einstellungen und Handeln kann aus den Interviews ohne begleitende Unterrichtsbeobachtung nicht gezogen werden; die vorliegende Studie bildet auch verbale Daten zu einer möglichen Beziehung zwischen beiden an, dabei handelt es sich aber um die persönlichen Äußerungen der Interviewpartnerinnen und -partner. Inwieweit es sich dabei um Darstellungen handelt, die der tatsächlichen Praxis entsprechen oder um Abstufungen 3.3 Einstellungen und Unterrichtshandeln 83 einer didaktisch-methodischen Erwünschtheitserwartung bei den Interviewpartnern, soll im Auswertungskapitel diskutiert werden. Hinweise auf diesbezügliche Fehleinschätzungen der Lehrkräfte lieferte bereits die „Videostudie des Englischunterrichts“ ( DESI -Konsortium 2008). Zu ernüchternden Aussagen kommt John Hattie in der deutschen Übersetzung von Wolfgang Beywl und Klaus Zierer (2014), auf dessen bahnbrechende Ergebnisse noch einzugehen sein wird, in dieser Frage, indem er die anekdotenhaften Schilderungen der Lehrpersonen kritisch hinterfragt: „In einer Analyse der Berichte von Lehrpersonen über ihre Erfahrungen in der Klasse stellt Little (2007) fest, dass das Unterrichten weitgehend außer Sichtweite anderer Lehrpersonen erfolgt. Es gebe daher eine Tendenz, sich auf Erzählungen zu verlassen, um ein gemeinsames Verständnis zu entwickeln. Allzu oft sind Lehrpersonen abhängig von „Kriegsgeschichten“, persönlichen Erlebnissen und dem Vertrauen auf ihre eigene Erfahrung, um ihre persönlichen Präferenzen zu rechtfertigen.“ (Beywl & Zierer 2014: 297; Hervorhebungen im Text) Une recherche en sciences humaines et sociales est toujours une aventure. L’enquête qualitative de terrain, en particulier, comporte de nombreuses inconnues, car ses opérations ne sont pas aussi prévisibles que, disons, une recherche expérimentale. (Paillé & Mucchielli 2009: 13) 4. Forschungsmethodischer Ansatz und Erhebungsdesign 4.1 Wissenschaftstheoretische Grundlagen-- Rahmenbedingungen, Forschungsverfahren und Fragestellungen Im Zentrum des Forschungsinteresses der vorliegenden empirischen Studie stehen die Diskurse und Erzählungen Fremdsprachenlehrender an Gymnasien, ihre subjektiven Theorien und Einstellungen zu der von ihnen gestalteten und erlebten Unterrichtspraxis im Zusammenhang mit Mehrsprachigkeit. Die Untersuchung geht unter anderem der Frage nach, wie ausgewählte, einzelne Fremdsprachenlehrkräfte in ihrem beruflichen Alltag mit der individuellen, lebensweltlichen Mehrsprachigkeit ihrer Schülerinnen und Schüler umgehen, und wie sie, darüber hinaus, deren durch Schulfremdsprachenunterricht erworbene Fremdsprachenkenntnisse für das Erlernen weiterer Sprachen aktivieren, um dem bildungspolitischen Ziel der Mehrsprachigkeitsförderung gerecht zu werden und das Potenzial der vorhandenen Mehrsprachigkeit für den Unterricht zu nutzen. Die gewonnenen Erkenntnisse sollen kurzfristig dazu beitragen, Aussagen über den Unterricht ausgewählter Fremdsprachenlehrkräfte, deren Erfahrungen, Sichtweisen und Einstellungen bei der Implementierung respektive Nicht- Implementierung erlebter Mehrsprachigkeit im Klassenraum zu dokumentieren, sowie eine möglichst detaillierte und umfassende Darstellung und Analyse der möglichen Bandbreiten erlebter Praxis eben dieser Lehrkräfte im genannten Forschungsfeld zu liefern (vgl. Méron-Minuth 2015 und 2016). Anhand von Einzelfallstudien soll aufgezeigt werden, welche Relevanz Lehrerinnen und Lehrer der Mehrsprachigkeit in ihrem Fremdsprachenunterricht zuschreiben. Dabei verfolgt die Studie nicht, "[…] das Aufdecken allgemeiner Gesetzmäßigkeiten, sondern sie setzt sich eine möglichst detaillierte und zugleich umfassende, interpretative Beschreibung des beruflichen Selbstverständnisses von Fremdsprachenlehrer/ inne / n zum Ziel […]." (Caspari 2001: 88 f.) 86 4. Forschungsmethodischer Ansatz und Erhebungsdesign Die Auswertung des zu erhebenden Datenmaterials - qualitative Leitfadeninterviews - setzt sich unter anderem zum Ziel, nicht nur die explizit-reflexiven Vorstellungen von Fremdsprachenlehrkräften, sondern auch die zugrunde liegenden, impliziten Orientierungen zu rekonstruieren. Lehrkräfte sind Handelnde im Rahmen eines schulischen Kontextes, der ihnen selbstbestimmtes Handeln und Entscheidungsprozesse auf der einen Seite ermöglicht, auf der anderen Seite aber auch eine Eigenrationalität besitzt und das Handeln der in ihm Praktizierenden bestimmt (vgl. Radtke 2004: 130 ff.). Ziel muss es sein - soweit dies das Datenmaterial ermöglicht - auch die nicht explizit formulierten Annahmen und Vorstellungen zu rekonstruieren, das heißt, die impliziten und sozial determinierten Deutungs- und Argumentationsmuster zu erschließen (vgl. Wieser 2008: 16). Bei der Datenauswertung gilt es das „Überindividuell-Gemeinsame herauszuarbeiten“ (vgl. Meuser & Nagel 2002: 80) und „[…] gemeinsam geteilte, gewissermaßen typische Wissensbestände, Relevanzstrukturen und Deutungsmuster zu rekonstruieren. Der jeweilige Interviewtext bzw. der oder die Befragte interessieren uns daher nicht in seiner Besonderheit, vielmehr wird der befragte Experte als Repräsentant seiner „Zunft“ behandelt.“ (Bogner, Littig & Menz 2014: 78) Insofern liefert die vorliegende Studie subjektzentrierte, exemplarische Einblicke in Überzeugungen und Handlungsmuster von Fremdsprachenlehrkräften als Experten in Bezug auf das Mehrsprachigkeitspostulat. Dabei wird es besonders interessant sein zu zeigen, welche Position die befragten Fremdsprachenlehrkräfte hier insgesamt zu diesem europäischen, sprachenpolitischen Postulat einnehmen. In der europäischen Sprachenpolitik wird Mehrsprachigkeit - politisch überhöht - als Mittel gesehen, gesellschaftliche Kohäsion zu fördern (vgl. Kapitel 2). « Le plurilinguisme en tant que valeur et finalité des politiques linguistiques et européennes est considéré comme un instrument de cohésion sociale. » (Crochot 2006: 28) Mit den Interviews soll versucht werden, die Lehrenden zu motivieren, über ihre Einstellungen zur Mehrsprachigkeit, Position zu beziehen. In der Analyse ihrer Stellungnahmen wird auch zu zeigen sein, welche Aspekte hier im Vordergrund stehen und ob es sich eher um homogene Vorstellungen handelt oder ob vielmehr, vor dem Hintergrund einer heterogenen Praxis, differenzierte Sichtweisen vorherrschen. Auch wird zu zeigen versucht werden, inwieweit ihre Einstellungen - bewusst oder unbewusst - mit den Leitgedanken der europäischen Sprachenpolitik übereinstimmen bzw. differieren. Es gilt als Folge dessen zu ermitteln, was unterrichtende Lehrkräfte über ihren beruflichen Alltag und den 4.1 Wissenschaftstheoretische Grundlagen 87 Umgang mit Mehrsprachigkeit berichten, inwieweit sie diese - den eigenen Berichten nach - praktizieren oder auch nicht, und warum sie in der einen oder anderen Weise handeln. Es geht auch um die verstehende Deutung und Ursächlichkeit von Einstellungen und sozialem Handeln von Fremdsprachenlehrkräften als Experten (vgl. Gläser & Laudel 2010: 25). Die wissenssoziologische Diskussion über den Expertenbegriff (vgl. Bogner; Littig & Menz 2014: 9 f.) soll hier nicht weiter fortgeführt werden. Nur soviel: Fremdsprachenlehrkräfte sind im Gegensatz zu den Politikern, die beispielsweise das hier interessierende europapolitische Postulat „Mehrsprachigkeit“ aufgestellt haben, Experten in der unterrichtlichen Umsetzung beziehungsweise Nichtumsetzung eben jener politischen Forderung und vieler anderer von außen an sie herangetragener Begehrlichkeiten. Ihr Expertenwissen ist gepaart mit den oben genannten Einstellungen und subjektiven Theorien und basiert auf ihrer unterrichtlichen Praxis. Gemäß der wissenssoziologischen Definition sind Experten Personen, die sich „[…] ausgehend von einem spezifischen Praxis- oder Erfahrungswissen, das sich auf einen klar begrenzbaren Problemkreis bezieht - die Möglichkeit geschaffen haben, mit ihren Deutungen das konkrete Handlungsfeld sinnhaft und handlungsleitend für Andere zu strukturieren.“ (Bogner; Littig & Menz 2014: 13) Diese relativ verengte Definition, die sich von einer Vorstellung kritisch absetzen will, wie „Alle Menschen sind Experten“ (Bogner; Littig & Menz 2014: 10), vernachlässigt den bereits genannten Aspekt der Einstellungen und subjektiven Theorien. Lehrkräfte sind Experten für pädagogisches Handeln und die Aktionsforschung (vgl. u. a. Moser 1977; Fiedler & Hörmann 1978; Minuth 2008) zeigt Wege zur Beforschung dieses unterrichtlichen Handelns durch die Lehrperson selbst. Ihre Expertise haben sie in der universitären Ausbildung und im Referendariat erworben und diese gleicht sich unablässig mit der täglichen Praxis und den ursprünglichen eigenen Erfahrungen ab. Allerdings trifft die oben genannte Vermittlungsdimension - die „Macht der Experten“ (Bogner; Littig & Menz 2014: 14) - gegenüber anderen Akteuren nur dann zu, wenn die Experten selbst in ausbildender Funktion tätig sind. Dies ist aber auch immer dann der Fall, wenn die hier befragten Lehrpersonen Mentorentätigkeiten oder Aufgaben in der Referendarausbildung übernehmen, und damit auch ihre eigenen Einstellungen und subjektiven Theorien weitergeben 20 . In jedem Fall ist das hier gemeinte Expertenwissen als Deutungswissen zu interpretieren und damit gilt es, die implizierten Handlungsorientierungen und 20 Die interessante Frage nach dem Wahrheitsgehalt des Slogans „ Teachers teach as they were taught“ muss hier ausgeklammert bleiben (Oleson & Hora 2014: 29). 88 4. Forschungsmethodischer Ansatz und Erhebungsdesign Normen in deren Aussagen zu rekonstruieren und zu dekodieren. Im Sinne der rekonstruktiven Sozialforschung (vgl. Bohnsack 2007, 2014) gilt daher: „Die Realität ist nicht einfach eine Ansammlung von Dingen und Relationen, sprich: von „einfach“ vorliegenden Fakten, die durch die Forschung möglichst wirklichkeitsgetreu und verzerrungsfrei abgebildet werden kann und soll. Die Wirklichkeit ist vielmehr ein Resultat vielfältiger Aushandlungsprozesse über die Bedeutung der Dinge, kurz gesagt: eine Interpretationsleistung der Subjekte bzw. deren Konstruktion. […] Wenn man also davon ausgeht, dass soziales Handeln im Wesentlichen durch jene (oft gar nicht bewussten) Werte und Maximen strukturiert ist, die den konkreten Dingen und Prozessen überhaupt erst einen Sinn, eine Bedeutung verleihen, dann muss man in der Datenauswertung den Sprung von der manifesten auf die latente oder Bedeutungsebene vollziehen.“ (Bogner; Littig & Menz 2014: 76 - Hervorhebungen im Text) Ich bin mir darüber bewusst, dass die Ergebnisse der vorliegenden empirischen Studie nur begrenzt verallgemeinerbar sind, insofern als die individuellen Einstellungen und Sichtweisen der befragten Lehrkräfte keinen Anspruch auf Repräsentativität begründen können (vgl. dazu Schart 2003; Prokopowicz 2017: 92). Dazu ist das Sample zu begrenzt und sowohl geografisch als auch schultypenspezifisch zu sehr verengt. „Jede Art von Forschung bringt ihre eigenen Stärken und Schwächen mit sich und keine Sicht kann den Anspruch darauf erheben, alles zu erkennen.“ (Schart 2003: 17) Nichtsdestotrotz bietet das qualitative Forschungsparadigma, das im Folgenden näher zu beleuchten sein wird, einen adäquaten Ansatz für die Forschungsfragen. Diese ergeben sich entsprechend der eingangs beschriebenen Zielsetzungen als forschungsleitende Aspekte für die vorliegende Studie: 1. Was erzählen die befragten, gymnasialen Fremdsprachenlehrkräfte über ihren beruflichen Werdegang und ihr berufliches Selbstbild? 2. Was wissen sie von den Sprachbiografien und den lebensweltlich-kulturellen Erfahrungen ihrer Schülerinnen und Schüler? 3. Wie berücksichtigen sie in ihrem beruflichen Alltag die schulische Mehrsprachigkeit ihrer Schülerschaft? 4. Wie berücksichtigen sie in ihrer Praxis die herkunftssprachlich und -kulturell mehrsprachigen Schülerinnen und Schüler? 5. Wo sehen sie Änderungsbedarf sowohl für die Unterrichtspraxis als auch für die Lehrerausbildung im Zusammenhang mit Mehrsprachigkeit? 4.2 Exkurs: Veränderungen der gesellschaftlichen Situation in Deutschland seit 2012 89 4.2 Exkurs: Veränderungen der gesellschaftlichen Situation in Deutschland seit der Datenerhebung im Jahr 2012 Mehrsprachigkeit ist aktuell durch die Zuwanderungsbewegungen der Jahre 2015 und 2016 zu einer großen Herausforderung für die Schulen in Deutschland geworden. Seit der Erhebung der hier vorgelegten Daten in den Jahren 2011 und 2012 hat sich die Bedeutung der Zuwanderung nach Deutschland entscheidend verändert und die Situation der verschiedenen Herkunftssprachen in den Schulen stark beeinflusst. Waren zum Erhebungszeitraum Türkisch und - mit Abstand dahinter - Russisch die wichtigsten Herkunftssprachen der Kinder mit Migrationshintergrund 21 , so hat sich der Sprachenmix zugunsten arabischer Herkunftssprachen verschoben. Durch diese Entwicklung - gepaart mit einer innergesellschaftlichen Diskussion, die nicht immer demokratisch-humanitären Grundvoraussetzungen entspricht - hat sich eine völlige Veränderung der Ausgangsbedingungen für die vorliegende Untersuchung aus den Jahren 2011 und 2012 ergeben. Mein Fokus liegt weiterhin auf den grundlegenden Aspekten wie der bestehenden Mehrsprachigkeit, sei sie schulisch oder lebensweltlich bedingt. Diese sind unverändert, denn, während die Flüchtlingskrise eine Ausnahmesituation darstellt, ist die lebensweltliche Mehrsprachigkeit durch die Kinder aus türkischen Familien zum Beispiel seit Jahrzehnten der Standard in den Schulklassen. Im Migrationsbericht der Bundesregierung heißt es zu den Migrationsbewegungen vor 2016: „Das Zuwanderungsgeschehen nach Deutschland ist seit Jahren vor allem durch Zuwanderung aus anderen europäischen Ländern bzw. Abwanderung in andere europäische Staaten gekennzeichnet. So kamen im Jahr 2015 fast drei Fünftel aller zugewanderten Personen (57,2 %) aus einem anderen europäischen Staat nach Deutschland. Insgesamt betrug der Wanderungssaldo gegenüber den anderen EU -Staaten +332.511. Aus den alten Staaten der Europäischen Union ( EU -14) kamen 11,8 % aus den zwölf neuen EU -Staaten ( EU -12) 28,2 % und aus Kroatien 2,7 % (zur EU -Binnenmigration vgl. Kapitel 2). Aus dem übrigen Europa kamen 14,5 % aller zugezogenen Personen des Jahres 2015. Weitere 32,2 % der Zugezogenen wanderten aus einem asiatischen Staat zu. Lediglich 5,4 % zogen aus afrikanischen Ländern nach Deutschland und 3,6 % aus Amerika, Australien und Ozeanien.“ (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge 2016: 31 f.) 21 Die hier vorgelegte Studie behält, trotz der seit 2012 durch die Flüchtlingskrise veränderten Migrationssituation, ihre Relevanz, insofern als türkischbzw. russischstämmige Schülerinnen und Schüler nach wie vor die Mehrheit der Lernenden mit Migrationshintergrund bilden (vgl. die Zahlen und Fakten des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge von 2016). 90 4. Forschungsmethodischer Ansatz und Erhebungsdesign Da nur ein sehr geringer Teil der Zuwanderer aus Osteuropa und dem Nahen Osten eine sprachliche Sozialisation aus der romanischen Sprachenfamilie hat und es sich vielmehr um arabische oder slawische Herkunftssprachen handelt, kann in den heutigen Schulklassen erwartet werden, dass Bezüge zwischen den Schulfremdsprachen und diesen Sprachen im Fremdsprachenunterricht kaum hergestellt werden. Ableiten, Inferenzieren usw. sind angesichts der Verschiedenheit der Sprachfamilien kaum möglich. Dies ist lediglich bei rumänischstämmigen Schülerinnen und Schülern (Kinder von etwa 10,4 % Rumänen in der Migration) denkbar. Die folgende Tabelle veranschaulicht das Migrationsgeschehen bundesweit für das Kalenderjahr 2015: Abb. 1: Zuzüge im Jahr 2015 nach den häufigsten Herkunftsländern (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge 2016: 33) Insgesamt konstatiert das Statistische Bundesamt 2016 zur aktuellen Migrationssituation, was die unverändert brisante Bedeutung meiner Studie unterstreicht: „Mit rund 17,1 Millionen hatten im Jahr 2015 mehr Menschen in Deutschland einen Migrationshintergrund als je zuvor. [Dies] entsprach einem Zuwachs gegenüber dem 4.2 Exkurs: Veränderungen der gesellschaftlichen Situation in Deutschland seit 2012 91 Vorjahr von 4,4 %. Der Anteil der Bevölkerung mit Migrationshintergrund an der Gesamtbevölkerung erreichte 21,0 %. Der außergewöhnlich hohe Anstieg ist vor allem auf ausländische Zuwanderer zurückzuführen. 2015 lebten 11,5 Millionen Zuwanderer in Deutschland, das waren 5,5 % mehr als im Vorjahr. Die drei wichtigsten Herkunftsländer der Menschen mit Migrationshintergrund sind die Türkei, Polen und die Russische Föderation. Insgesamt 6,3 Millionen hatten ihre Wurzeln in den ehemaligen Gastarbeiteranwerbestaaten, darunter vor allem in der Türkei, in Italien und in Griechenland. Die Bevölkerung mit Migrationshintergrund ist im Schnitt deutlich jünger als die Bevölkerung ohne Migrationshintergrund. Jede dritte Person unter 18 Jahren hatte einen Migrationshintergrund. Den höchsten Anteil gab es in der Altersgruppe der Kinder unter fünf Jahren (36 %). In der Gruppe der über 65 Jahre alten Bevölkerung lag der Anteil hingegen bei unter 10 %.“ (Statistisches Bundesamt 2016) Leider liegen aus dem Statistischen Bundesamt und den aktuellen Ausländerstatistiken (vgl.: Bevölkerung mit Migrationshintergrund - Ergebnisse des Mikrozensus, Fachserie 1 Reihe 2.2-2015) keine Daten zu Sprachkenntnissen der Zuwanderer vor. In diesem Bereich herrscht insgesamt große Unsicherheit vor, die den oben genannten Vorurteilen Vorschub leistet und die „doppelte Halbsprachigkeitsvermutung“ bei den Lehrkräften unwidersprochen lässt (vgl. dazu Kapitel 2.2.1). Neuere Forschungen beschäftigen sich seit etlichen Jahren mit den schulischen Erfolgen - hier vor allem interessant: im Fremdsprachenunterricht - dieser Kinder und Jugendlichen (vgl. Özkul 2015a: 256). Dieser Perspektivenwechsel, weg von „[…] einem defizit-orientierten Ansatz zu einem an Ressourcen orientierten Forschungszugang“ (Özkul 2015a: 257), ist von besonderer Bedeutung für die vorliegende Arbeit. Es wird zu zeigen sein, ob und inwieweit defizit-orientierte Haltungen und Einstellungen, die durch die Publikation der Ergebnisse aus den PISA-Studien seit 2000 eine breite Öffentlichkeit erreicht hat, sich in der Lehrerschaft durchgesetzt haben: „Demzufolge werden monolinguale Lerner und homogene Fremdsprachenklassen als Normalfall akzeptiert, während die Multilingualität als Ausnahme gilt […]. Abendroth-Timmer und Breidbach (2000: 11) konstatieren als wichtiges Resultat eines solchen Sachverhalts, dass die Mehrsprachigkeit von Kindern mit Migrationshintergrund bereits im Ansatz geringgeschätzt oder als ein ‚Problem’ der Migrantenkinder betrachtet wird. Das Potenzial und die Ressourcen der Schüler mit Migrationshintergrund können in einer Schule mit monolingualem Habitus nicht chancengerecht gefördert werden.“ (Özkul 2015b: 166; Hervorhebungen im Text) 92 4. Forschungsmethodischer Ansatz und Erhebungsdesign Vielversprechende erste Ergebnisse deuten darauf hin, dass vor allem die Lernstrategien der erfolgreichen Kinder und Jugendlichen mit Migrationshintergrund übertragbar und für den Unterricht operationalisierbar sind (vgl. Aydin 2016). Alle genannten Fakten betreffen auch die Fremdsprachenfächer, die sich auf mehrsprachige Schülerinnen und Schüler einstellen müssen; diese befinden sich aktuell bereits in einem Wandlungsprozess. In der Lehrerausbildung hat die Bedeutung des Grundlagenwissens im Bereich Deutsch als Zweitsprache zugenommen. Dies manifestiert sich in der breiten Aufstellung der Studiengänge Deutsch als Fremdsprache / Deutsch als Zweitsprache an den meisten deutschen Universitäten, wo sie inzwischen stark vertreten sind 22 . 4.3 Datenerhebung-- qualitative Interviews als Forschungsmethode Als explorative Studie basiert das Projekt auf dem qualitativ-interpretativen Forschungsdesign, welches die Binnensicht gymnasialer Fremdsprachenlehrender und ihre Einstellungen und subjektiven Theorien zu ihrer Unterrichtspraxis zum Gegenstand hat. Die Interviewmethode in Form des qualitativen Interviews (Leitfaden-Interview - narratives Interview) eignet sich besonders gut, um Elemente der subjektiven Theorien von Lehrkräften aufzudecken, ihre diskursive Auseinandersetzung mit eigenen Praxiserfahrungen in der Form des Erzählens zu erfassen und zu explizieren. Qualitative Interviews in der Sozial- und Fremdsprachenforschung sind eine anerkannte Forschungsmethode, bieten eine Bandbreite von Möglichkeiten, „[…] um an Informationen zu Prozessen und Sachverhalten, an Erfahrungen oder an Denk- und Wahrnehmungsmuster individueller Akteure zu gelangen […].“ (Trautmann 2012: 218) Karin Aguado stellt fest, dass seit den 1990er Jahren, in der deutschen Fremdsprachenforschung, präferenziell qualitativ gearbeitet wird (Aguado 2013: 119), und dass die Untersuchungen auf die „Innensicht der an Lehr- und Lernprozessen Beteiligten“ fokussieren (Aguado 2013: 119-135; auch Caspari 2016a). Subjektive Theorien, Einstellungen und berufliches Selbstverständnis sind von den Befragten nicht in ihrer Gesamtheit reflektierbar (vgl. Caspari 2003: 92), sondern sie sind Teil eines größeren Narrativs, dem es sich mehrperspektivisch 22 Dies zeigt unter anderem eine Aufstellung der Universität Augsburg, verfügbar unter: https: / / www.philhist.uni-augsburg.de/ lehrstuehle/ germanistik/ DaF/ links/ daf.html [zuletzt gesehen am 17. 9. 2017]. 4.3 Datenerhebung-- qualitative Interviews als Forschungsmethode 93 zu nähern gilt. Dies kann durch ein hohes Maß an Offenheit und Nicht-Direktivität erreicht werden. „Durch die Möglichkeit, Situationsdeutungen oder Handlungsmotive in offener Form zu erfragen, Alltagstheorien und Selbstinterpretationen differenziert und offen zu erheben, und durch die Möglichkeit der diskursiven Verständigung über Interpretationen sind mit offenen und teilstandardisierten Interviews wichtige Chancen einer empirischen Umsetzung handlungstheoretischer Konzeptionen in Soziologie und Psychologie gegeben.“ (Hopf 2005: 350) Bezüglich der Terminologie herrscht in der wissenschaftlichen Literatur zur qualitativen Sozialforschung eine relative begriffliche Vielfalt für die Vielzahl der angewandten Forschungsverfahren. So benennt Christel Hopf (2005) unter anderem Struktur- oder Dilemma-Interviews, klinische Interviews, biografische Interviews, fokussierte Interviews und narrative Interviews (vgl. Hopf 2005: 351 ff.). Die in der vorliegenden Studie als Erhebungsinstrumente eingesetzten Leitfadeninterviews werden vor allem explorativ zur Hypothesengewinnung verwendet und hier speziell zur qualitativen Beschreibung und Analyse von Einzelfällen im Sinne subjektbezogener Forschung (vgl. Stier 1999: 189). Als qualitativ werden Interviews vor allem dann bezeichnet, “[…] wenn die damit befassten Wissenschaftler / innen subjektive Sichtweisen, Alltagsprozesse oder latente soziale Muster / Strukturen rekonstruieren wollen und dabei soziale Wirklichkeit im Prinzip als immer schon gedeutete und interaktiv hergestellte Konstruktionen verstehen.“ (Trautmann 2012: 218 f.; Hervorhebungen im Text) Aufgabe des Wissenschaftlers ist es hierbei, die individuellen Konstruktionen zu rekonstruieren. „Damit die Befragten ihren Sinn artikulieren können, bedarf es einer (mehr oder weniger) großen Offenheit der Interviewer / innen in einer grundsätzlichen Reflexivität bezüglich der eigenen Vorannahmen sowie der interaktiven “Herstellung“ von Wirklichkeit im Interview.“ (Trautmann 2012: 219; Hervorhebungen im Text) Der Leitfaden dient als Gerüst für die Datenerhebung und macht die Ergebnisse unterschiedlicher Interviews vergleichbar (vgl. Bortz & Döring 1995: 289). Sie stellen eine Mischform dar, die offen und nicht-direktiv und weitgehend nicht beziehungsweise wenig invasiv vorgeht, den Befragten zu selbstbestimmter Narration einlädt. Die Forscherin arbeitet gemeinsam mit der befragten Person einen Leitfaden ab. Grundlage für ein Leitfadeninterview ist ein Gesprächsleitfaden, der alle zu stellenden Fragen beinhaltet, um somit eine gewisse Vergleichbarkeit der Interviewergebnisse zu gewährleisten. Vorteil des Leitfaden- 94 4. Forschungsmethodischer Ansatz und Erhebungsdesign interviews ist, dass dem Befragten genügend Raum für eigene Formulierungen, Äußerungen gegeben wird und die Befragung damit wenig invasiv ist. Für die vorliegende Studie wird ein halbstrukturiertes Interview mit einer Grobstruktur durch einen Leitfaden vorgegeben. Damit kann einerseits die Interviewthematik restringiert werden, um Exkurse zu verhindern (vgl. Viebrock 2007: 85), andererseits können vom Befragten auch über den Leitfaden hinausgehende Themen respektive Fragen eingebracht werden, und damit möglichen Antworttendenzen einerseits und zu starke Einschränkungen andererseits vorgebeugt werden. "Beim halbstrukturierten-leitfadenorientierten Tiefeninterview wird der Kompromiß zwischen z. T. vorgegebenen Fragen und dem Erzählenlassen, d. h. dem flexiblen Eingehen auf nicht-antizipierte Äußerungen der Befragten gesucht [werden], um sowohl Reichweite als auch Tiefe des Themas abzudecken und um vielfältiges und vergleichbares Material zu erhalten." (Bock 1992: 94; Hervorhebung im Text) Als Erhebungsinstrumente stehen für die genannten Forschungsfragen prinzipiell folgende Verfahren zur Verfügung, die hier in einer Mischform, dem explorativ-problemzentrierten Experteninterview, angewendet wurden: Leitfaden-(halbstrukturiertes) Interview, das problemzentrierte Interview. 4.3.1 Leitfaden-(halbstrukturiertes) Interview Leitfadeninterviews werden überwiegend explorativ eingesetzt, zur Hypothesengewinnung oder hier zur qualitativen Analyse von Einzelfällen (vgl. Stier 1999: 189). Der Leitfaden dient als Gerüst für die Datenerhebung und macht somit die Ergebnisse unterschiedlicher Interviews vergleichbar (vgl. Bortz & Döring 1995: 289); dieser Gesprächsleitfaden enthält alle zu stellenden Fragen. Die Forschungsmethodik der vorliegenden Studie entspricht dem Prinzip des halbstrukturierten Interviews und die Lehrkräfte wurden vorab schriftlich per E-Mail angefragt, ob sie für ein Interview bereit stünden. Zum Einstieg in die Befragung wird dann eine Einstiegsfrage gestellt, um das Gespräch in angenehmer Atmosphäre in Gang zu bringen. Zum Beispiel: "Können Sie mal erzählen, wie Sie dazu gekommen sind, Fremdsprachenlehrerin bzw. -lehrer zu werden? " Der Hauptteil bezieht sich nun auf die Problemsicht des Befragten, hier werden im Leitfaden je nach Fragestellung drei bis fünf Themen angesprochen, bei denen nachgefragt wird, wie die Betreffenden diese Punkte sehen, welche Probleme bestehen, wo die Missstände liegen. Da es sich um Praxisforschung handelt, wird man es immer mit Unvollkommenheit und Problemen oder Missständen zu tun haben. Dabei wird der Interviewpartner als Experte angespro- 4.3 Datenerhebung-- qualitative Interviews als Forschungsmethode 95 chen, und um Vorschläge und Änderungsideen gebeten, wie beispielsweise: „Was kann, was muss, was sollte getan werden, damit es besser wird? “ In letzter Konsequenz geht es hierbei oft auch darum, Menschen zu gewinnen, die möglicherweise bereit sind, sich aktiv für Veränderungen einzusetzen (epistemologische Funktion). Vor dem Interview der Hauptstudie wird ein Kurzfragebogen eingesetzt (vgl. Witzel 1985: 236 und 2000), der Angaben zu Ort und Zeitpunkt der Interviewdurchführung, zu persönlichen Daten der Gesprächspartner (Name, Alter) und des beruflichen Werdegangs (Schule, Unterrichtsfächer) ermöglicht. Über jedes Gespräch hinaus wird ebenfalls ein Postskriptum angefertigt (vgl. Witzel 1985: 236 ff.), in welchem die unmittelbaren globalen Eindrücke der Interviewerin zum Gesprächsverlauf, zur Atmosphäre etc. festgehalten werden (vgl. Viebrock 2007: 90). 4.3.2 Das problemzentrierte Interview Mit diesem Konzept wird eine Interviewvariante bezeichnet, die eine lockere Bindung an einen knappen, der thematischen Orientierung dienenden Leitfaden mit dem Versuch verbindet, die Befragten weitgehende Artikulationschancen einzuräumen und sie zu freien Erzählungen anzuregen. Problemzentrierte Interviews werden oft als Kompromiss zwischen leitfadenorientierten und narrativen, erzählenden Gesprächsformen angesehen (vgl. Witzel 1985; Bortz & Döring 1995; Hopf 2005), die auf eine spezifische Fragestellung rekurrieren (vgl. Aydin 2016: 10). Sie eignen sich besonders gut für die detaillierte und nachvollziehbare Explorierung eines gegebenen thematischen Bereichs (vgl. Caspari 2003: 93). „Sie vereinbaren ein hohes Maß an Offenheit und Nicht-Direktivität mit einem hohen Niveau der Konkretion und der Erfassung detaillierter Informationen und sind dadurch anderen Interview-Varianten überlegen.“ (Hopf 2005: 351) Das problemzentrierte Interview wurde Anfang der 1980er Jahre von Andreas Witzel entwickelt (vgl. Witzel 2000; Trautmann 2012: 220). Nach Witzel geht es im problemzentrierten Interview um eine qualitative Analyse subjektiver Sinnbezüge. Für die hier angesetzte Forschungsmethode habe ich mich für die Bezeichnung „explorativ-problemzentriertes Experteninterview“ (vgl. Gläser & Laudel 2010; Caspari 2003: 93; Bogner; Littich & Menz 2014) entschieden. Explorativ im Sinne der Hypothesengenerierung bedeutet hier den prinzipiell offenen Zugang zu den Daten und der Möglichkeit der sukzessiven Veränderung der Kategorien. Diese Möglichkeit im Bereich der qualitativen Datenanalyse deuten auch Jochen Gläser und Grit Laudel (2010) an: 96 4. Forschungsmethodischer Ansatz und Erhebungsdesign „Die Merkmalsausprägungen von Kategorien werden nicht vorab festgelegt. Stattdessen werden Merkmalsausprägungen frei verbal beschrieben. Man stellt gewissermaßen offene Fragen an den auszuwertenden Text und nicht geschlossene. Es kann während der Extraktion verändert werden, wenn im Text Informationen auftauchen, die relevant sind, aber nicht in das Kategoriensystem passen. […] Wird das Kategoriensystem verändert, dann verändert sich damit auch die Struktur der Informationsbasis, die also nicht ausschließlich durch die theoretischen Vorüberlegungen, sondern auch durch die im Material enthaltenen Informationen strukturiert wird.“ (Gläser & Laudel 2010: 205) Sowohl Andreas Witzel (vgl. 1985: 236) als auch Siegfried Lamnek (vgl. 1995: 78) schlagen für das problemzentrierte Interview eine Kombination aus quantitativen und qualitativen Methoden vor, indem ein standardisierter Kurzfragebogen zu Beginn des Interviews wichtige Vorabinformationen zum Befragten erfasst. Dieser bietet einen günstigen Gesprächseinstieg und ermöglicht es, zentrale Informationen zum Befragten aus dem Interview herauszunehmen, um den Gesprächsfluss nicht zu stören. Beim problemzentrierten Interview dient der knappe Leitfaden als thematische Orientierung und Gedächtnisstütze zur Anregung der freien Erzählung, aber auch zur kontrollierten und vergleichbaren Herangehensweise an den Gegenstand (vgl. Witzel 1985: 236 f.). 4.3.3 Explorativ-problemzentriertes Experteninterview Für meine Studie ist der Hinweis wichtig, dass ich mich nicht für ein methodisches Verfahren in Reinform entschieden habe (vgl. Position von Aguado 2016: 244), sondern ich werde als Mischform der vorgenannten Verfahren ein explorativ-problemzentriertes Experteninterview einsetzen und kombinieren, da es sich um ein dialogisches Verfahren handelt, das auf die Beschreibung und Analyse von subjektiven Theorien zur Unterrichtspraxis fokussiert (vgl. Trautmann 2012: 219), und dabei die Experten als Interviewpartner in eine fragengeleitete, freie Narration führt. Es ist explorativ im Sinne der Grounded Theory , da keine Vorannahmen formuliert werden und auch nicht latent existieren, sondern erst die Daten und die zentralen Kategorien das Material liefern, anhand dessen Einstellungen rekonstruiert werden können. Karin Aguado (vgl. 2016: 245 f.) weist darauf hin, dass diese ursprüngliche Vorstellung der amerikanischen Begründer der Grounded Theory - Glaser und Strauss in den 1960er Jahren - entsprechend der heutigen wissenschaftlichen Standards nicht mehr zu halten sei. Es könne ausgeschlossen werden bzw. es sei zugleich „unrealistisch und ineffizient“ so Aguado (2016: 245), dass Forscherinnen und Forscher ohne Vorannahmen, nur durch induktives Vorgehen, Daten zu kategorisieren und zu analysieren, in der Lage seien. 4.4 Diskussion zur Auswertung von verbalen Daten aus mündlichen Befragungen 97 „Zu Beginn ihrer gemeinsamen Arbeit fordern Glaser und Strauss von Forschenden, die mit dem GTM -Ansatz arbeiten wollten, den völligen Verzicht auf jegliche Lektüre einschlägiger Literatur und daraus möglicherweise resultierenden Begriffsbildungen. […] Die Rezeption und Verarbeitung vorhandener Fachliteratur spielt für jeden Forschungsprozess eine zentrale Rolle - und sie schützt vor unangenehmen Überraschungen oder vermeintlichen Neuentdeckungen. Ferner ist unbestritten, dass empirische Untersuchungen nicht nur von fachlichem Vorwissen, sondern auch von subjektiven Erfahrungen und Erwartungen beeinflusst werden, und so gehört es inzwischen zum wissenschaftlichen Standard, Vorwissen jeglicher Art entsprechend zu dokumentieren und hinsichtlich seines Stellenwerts zu evaluieren […].“ (Aguado 2016: 245 f.) 4.4 Diskussion zur Auswertung von verbalen Daten aus mündlichen Befragungen Bei allen erwähnten Erhebungsverfahren stellt sich die Frage nach der Validität der gewonnenen verbalen Daten, die folgendermaßen lauten können: „Wie können Äußerungen von Interviewpartnerinnen und -partner im Sinne der Hermeneutik verstanden werden? “ und „Welche kommunikationspsychologischen Dimensionen müssen berücksichtigt werden? “ Mit Blick auf das Erkenntnisinteresse der Erforschung des Lehrens von Fremdsprachen vor dem Hintergrund der Mehrsprachigkeit, soll die Binnensicht der Lehrkräfte zu Wort kommen und ihre Erfahrungen, Einstellungen, Haltungen, beliefs und Sinnkonstruktionen der sozialen Realität und Alltagswelt, hier im Besonderen der schulischen Alltagsrealität sollen rekonstruiert werden. Mit Alfred Schütz (1994) kann angenommen werden, dass unser gesamtes Wissen von der Welt, sei es im wissenschaftlichen oder im alltäglichen Denken, Konstruktionen enthält, das heißt einen Verband von Abstraktionen, Generalisierungen, Formalisierungen und Idealisierungen, die der jeweiligen Stufe gedanklicher Organisation gemäß sind (vgl. Minuth 1996). Vermeintliche Tatsachen der objektiven Welt sind immer schon aus einem universellen Zusammenhang durch unsere Bewusstseinsabläufe ausgewählt. Somit sind sie immer interpretierte Tatsachen: entweder sind sie in künstlicher Abstraktion aus ihrem Zusammenhang gelöst, oder aber sie werden nur in ihrem partikulären Zusammenhang gesehen. „Die Sozialwelt hat eine besondere Sinn- und Relevanzstruktur für die in ihr lebenden, denkenden, handelnden Menschen. In verschiedenen Konstruktionen der alltäglichen 98 4. Forschungsmethodischer Ansatz und Erhebungsdesign Wirklichkeit haben sie die Welt im voraus gegliedert und interpretiert, und entsprechend den Sinn und Relevanzstrukturen bestimmen sie ihr Verhalten, definieren ihre Handlungsziele und entwerfen die Mittel zur Realisierung.“ (Minuth 1996: 203) Die hier zu analysierenden Daten sind in diesem Sinn Konstruktionen zweiter Ordnung, die von der Forscherin kontrolliert, überprüft und überprüfbar entworfen werden. Dieses sozialwissenschaftliche Verstehen „[…] zielt ab auf die Erkenntnis der Konstitutionsbedingungen für <Wirklichkeit>, auf die Entzauberung gesellschaftlicher Konstruktionen. Es soll Phänomene, die der Wissenschaftler in den Blick genommen hat, sinnentsprechend, problemadäquat und logisch konsistent rekonstruieren und es dadurch ermöglichen, sie […] sowohl «sinnadäquat» zu verstehen als auch «kausaladäquat» zu erklären.“ (Soeffner 2005: 168; Hervorhebungen im Text) Es handelt sich bei diesem Ansatz um einen Prozess des methodisch kontrollierten Fremdverstehens (vgl. Bohnsack 2014: 21), der verschiedenen kommunikativen Regularien gehorcht und dessen Abläufe hier standardisiert sind, um weitgehende Vergleichbarkeit erreichen zu können. Durch die relativ freie Form des leitfadengestützten Interviews werden die Befragten in ihren Kommunikationsmöglichkeiten wenig eingeengt, dies schränkt allerdings die intersubjektive Vergleichbarkeit ein. Die so erhobenen Daten stellen daher ein sehr, weitgehend von den Befragten, mitgestaltetes Narrativ dar, bei dem es gilt, die verschiedenen Selbstzuschreibungen zu verstehen. Harry Hermanns (2005) spricht hier von einem Drama, das besonderen Bedingungen gehorcht, und in dem sich eine breite Palette von Gefühlsebenen und Haltungen zeigt, im Einzelnen: Recorderangst, Schonverhalten, Intimitätsverletzungen, Persönlichkeitskrisen und Peinlichkeiten von Darstellungsinhalten, aber auch Glücksgefühle, wohlwollende Neugier und Wertschätzung (vgl. Hermanns 2005: 365 f.). Das angesetzte Verfahren „Explorativ-problemzentriertes Leitfragen-Interview“ zählt zu den offenen induktiven Verfahren, denen die aktiv gestaltende Rolle des Befragten gemein ist. In der vorliegenden Untersuchung setzen die Interviewpartner Expertenschaft bei der Forscherin voraus, allerdings ist ihre Position als Hochschullehrerin in der Lehrerbildung bei den Befragten deutlich konnotiert und präjudiziert möglicherweise bestimmte Antworttendenzen in dem generellen Drama eines Interviews über berufliche Praxis (vgl. dazu Hermanns 2005: 367). In diesem Beziehungsgeflecht sind Bandbreiten der projizierten Annahmen möglich, die als Extrempunkte von möglichen Äußerungen oder auch nur Annahmen wie „Die von der Uni kennen ja die Praxis gar nicht“ bis zu „Sich nur nicht durch falsche Antworten gegenüber der Expertin von der Uni blamieren“ reichen 4.4 Diskussion zur Auswertung von verbalen Daten aus mündlichen Befragungen 99 können. Diese stellen vielmehr rekurrierende, allerdings nicht wissenschaftlich überprüfte Aussagen in der Art von Alltagsempirie dar. Derartige unterschwellige Annahmen lassen sich aus dem vorliegenden Material nicht zweifelsfrei herauslösen, allerdings werden entsprechende Hinweise bei der Datenauswertung herangezogen werden. „Allen offenen Verfahren ist gemeinsam, dass sie denjenigen, die Gegenstand der Forschung sind, die Strukturierung der Kommunikation im Rahmen des für die Untersuchung relevanten Themas so weit wie möglich überlassen, damit diese ihr Relevanzsystem und ihr kommunikatives Regelsystem entfalten können und auf diesem Wege die Unterschiede zum Relevanzsystem des Forschenden überhaupt erst erkennbar werden.“ (Bohnsack 2014: 23) Die im Interview entstehende Beziehung zwischen Interviewer und Befragtem unterliegt intersubjektiven, sich in der Kommunikation niederschlagenden Gesetzmäßigkeiten, die unter anderem von Watzlawik (1969), Schütz (1994) und auch Habermas (1981) analysiert wurden. In unserer prinzipiell intersubjektiven Lebenswelt gilt, mit Alfred Schütz (1994: 88 f.), die Vertauschbarkeit der Standpunkte. Das bedeutet, dass ich in der Begegnung mit dem Anderen davon ausgehen kann, dass dieser prinzipiell mit einem Bewusstsein ausgestattet ist und die Dinge der Außenwelt grundsätzlich gleich sind. Allerdings weiß ich auch um die Tatsache, dass dasselbe Objekt für den Anderen Unterschiede haben wird. Vielmehr noch gilt diese Grundannahme für die Relevanzsysteme des Anderen, die sich von meiner erheblich unterscheiden dürften. Diese „Generalthese der wechselseitigen Perspektiven“ (Schütz 1994: 89) erfährt nun ihre Einschränkungen in der Kommunikationssituation, in der Begegnung mit dem Anderen. Durch das kommunikative Aushandeln von Sinn und die Narration des Anderen erlebe ich einerseits Differenz und Gemeinsamkeit, aber auch Individualität und Eigenes. Da sich diese Erfahrung zwar unendlich oft wiederholen lässt, aber einer Tendenz zur Ökonomie gehorcht, entwerfen wir reflektierte Typen, mit denen wir Interaktionspartner kategorisieren. In der Befragungssituation, die ja keine natürliche Gesprächssituation ist, und angesichts der knappen Zeit, bestehen nur wenige Möglichkeiten, diese Typisierung zu verändern oder Vor- Urteile zu relativieren. „Aber ich bringe in jede konkrete Situation, in der ich einem anderen begegne, meinen Wissensvorrat, das heißt also die Sedimentierung vergangener Erfahrungen mit. Dieser Wissensvorrat schließt natürlich auch ein Geflecht von Typisierungen von Menschen im allgemeinen, ihrer typisch-menschlichen Motivierungen, Handlungsmuster, Planhierarchien usw. ein.“ (Schütz 1994: 95) 100 4. Forschungsmethodischer Ansatz und Erhebungsdesign Allerdings verändern sich diese starren Verhältnisse der vordefinierten Rollen in dem Moment, wo der Interviewer und sein Gesprächspartner in eine direkte Konfrontation - eine sogenannte face-to-face Situation - eintreten, also wenn aus dem anonymen, weitgehend typisierten Gegenüber ein Mitmensch wird, der mit Bewusstsein ausgestattet ist. „Ich verwende mein typisches Wissen auch in Situationen, die Mitmenschen involvieren. Ich erfasse die Mitmenschen als „Leute wie …“. Aber zugleich erfahre ich sie in der Wir-Beziehung als einzigartige Menschen, deren Bewußtseinsleben sich vor meinen Augen manifestiert. Sie haben also einen Doppelcharakter: sie sind „Leute wie …“ und sie sind ein Du. Auf der Grundlage dieses Doppelcharakters der Mitmenschen erfolgt dann eine dritte Transposition: der bloße Zeitgenosse, von mir als Typus erfahren wird mit einem Bewußtseinsleben wie ein Mitmensch ausgestattet.“ (Schütz 1994: 109; Hervorhebungen im Text) Das Wissen um diese von den Interaktionspartnerinnen und -partnern wechselseitig und im Bewusstsein vorformulierten Rollenklischees muss bei der Datenanalyse angemessen berücksichtigt werden. Neben den verbalisierten Haltungen und beliefs usw. der Lehrenden enthalten die fragen-geleiteten Interviews Leerstellen, Subtexte und Vieles mehr, die möglicherweise in Kontrast zu den Aussagen stehen, diese ergänzen oder auch unterstreichen und verstärken. Die Qualität der Befragungsdaten hängt unter anderem auch von der Bereitschaft und Fähigkeit der Befragten, ihrer Verbalisierungsfähigkeit zu wahrheitsgemäßen und relevanten Aussagen ab (vgl. Riemer 2016: 155). Aufgrund der speziellen Interaktionssituation des Interviews ist hier das Problem der Antworttendenz beim Befragten zu beachten, das bei Fragebögen und allen Formen von mündlichen Befragungen in verschiedener Form auftritt. Gerade in diesem Bereich sind Effekte sozial erwünschter Antworten, Gefälligkeitsaussagen, Akquieszenz, gefühlte oder lediglich angenommene Hierarchiebeziehungen oder gefühlte oder lediglich angenommene Abhängigkeitsverhältnisse nicht auszuschließen (vgl. Riemer 2016: 155). Die für die vorliegende Untersuchung von den befragten Lehrpersonen angenommene soziale Erwünschtheit im Bereich der Mehrsprachigkeit dürfte z. B. den Vorgaben der europäischen Sprachenpolitik entsprechen, wonach Mehrsprachigkeit zu fördern sei, und vor dem Hintergrund dieser Kenntnis passen die Befragten ihre Äußerungen den vermutlich erwarteten, der Interviewerin unterstellten Aussagen an. Die Daten werden darauf zu überprüfen sein, inwieweit sich die oben genannten Effekte einstellen und welche beliefs und Sichtweisen sich durch die Analyse von Leerstellen decodieren lassen. Dieser hermeneutische Deutungsansatz wird noch näher zu definieren sein. Er bewegt sich im Bereich der qualitativen Inhaltsanalyse, da manifeste und latente Sinnzusammenhänge aus den Interviewdaten entnommen werden sollen. 4.5 Durchführung der Erhebung 101 Jenseits der Bedeutungszuweisungen des Forschers, die immer Sinnkonstruktionen von Sinnkonstruktionen (also zweiten Grades) der Befragten sind, weist Florence Descamps (2001) auf zwei weitere, noch sehr viel weitgehendere, Merkmale mündlicher Daten und Befragungen hin: L’erreur et le mensonge , Irrtum und Lüge, die sich in der Kritik der Ehrlichkeit und Genauigkeit der befragten Person fortsetzen könnte: « […] elle doit se prolonger dans la critique de sincérité et d’exactitude, qui s’intéresse, elle, davantage au témoin qu’au document […]. » (Descamps 2001: 535) Eventuelle Lügen als extreme Form der Äußerung in den vorhandenen Daten sind im Bereich der sozialen Erwünschtheit und den vom Befragten vermuteten Erwartungshaltungen der Forscherin zu vermuten. Da es den Befragten wahrscheinlich erscheinen kann, dass die Forscherin - selbst zweisprachig und französische Muttersprachlerin - positive Einstellungen zur Mehrsprachigkeit und der entsprechenden Unterrichtspraxis von ihnen erwartet, müssen die Daten hier besonders sensibel analysiert werden. Irrtümer sind eher für die historische Forschung an verbalen Daten relevant, für die vorliegenden Daten lassen sie sich nicht von Einstellungen und beliefs trennen. Der Grad der Muttersprachenbeherrschung von Zuwanderungskindern beispielsweise, über den in der vorliegenden Untersuchung mehrere Befragte Einschätzungen abgeben, basiert nicht auf exakten, getesteten Werten (etwa entsprechend den Niveaustufen des GER ), sondern gehört in den Bereich der Vermutungen. Als Irrtum ließen sich solche Aussagen den Befragten gegenüber aber nur bei Vorliegen von Testergebnissen über die Sprachkompetenzen eben dieser Kinder darstellen, was nur bei retrospektiver, kommunikativer Datenvalidierung mit den Teilnehmerinnen an der Befragung einen pädagogischen Sinn machen würde. 4.5 Durchführung der Erhebung Zwischen Juli 2011 und März 2012 wurden 21 Interviews mit Fremdsprachenlehrkräften in Bayern, Baden-Württemberg und Hessen durchgeführt, die zwei moderne Fremdsprachen - zum Teil zwei romanische Sprachen - unterrichten. Durch diese Vorauswahl in der Fächerkombination sollte - im Sinne einer konstitutiven Vorannahme - die potenzielle Möglichkeit geschaffen werden, dass die Lehrkräfte auf zuvor erlernte Sprachen durch ihre Schülerinnen und Schüler im institutionalisierten Kontext zurückgreifen und möglicherweise Transferaktivitäten mit den vorhandenen Sprachen fördern. Diese Tätigkeit als Fremdsprachenlehrerin und -lehrer ist für die Untersuchung ein Auswahlmerkmal wie Gymnasiallehrkräfte in den oben genannten Bundesländern, um eine große 102 4. Forschungsmethodischer Ansatz und Erhebungsdesign Variationsbreite verschiedener Lebensläufe und Unterrichtspraxis zu erfassen. Im oben genannten Sinne kamen nur jene Lehrkräfte in die engere Wahl, die zum Zeitpunkt des Interviews beide Sprachen gleichzeitig und kein anderes Fach fachfremd beispielsweise wegen erhöhten Bedarfs in einem Fach unterrichteten. Das Merkmal Gymnasium wurde als traditioneller Ort mehrsprachiger Bildung ausgewählt. Das Interview gliedert sich in zehn Fragen (vgl. Anhang 10.1 auf der Begleit- CD ) und dauerte - je nach Eloquenz und Disposition der befragten Experten - zwischen dreißig Minuten und eineinhalb Stunden. Vor dem tatsächlichen Beginn des Interviews fragte ich im Sinn von Eisbrecherfragen nach dem Namen, Vornamen, dem Alter sowie nach der Schulform und -ort und der unterrichteten Fächerkombination, bevor ich anschließend behutsam in das Interviewgespräch überleitete. Jedes Interview begann ich mit folgendem Erzählimpuls: „Können Sie mir bitte erzählen, was Sie dazu bewogen hat, Fremdsprachenlehrer/ in zu werden und seit wie vielen Jahren Sie - inklusive Referendariat - unterrichten? “ Der auf die berufliche Erfahrung der Interviewpartner abhebende Erzählimpuls ergibt sich aus dem Forschungsinteresse. Hier geht es darum, den Lehrerdiskurs über die Klassenzusammensetzung im Hinblick auf vorhandene Sprachen und das Fremdsprachenlehren detailliert zu erfassen. Im Laufe des Interviews wird durch bestärkende parasprachliche Signale wie Kopfnicken, Bejahen (z. B. „mhm“ ; vgl. die gesamten Interviews im Anhang 10.2 auf der Begleit- CD und Transkriptionszeichen im Kapitel 4.6) oder Ähnliches meine Aufmerksamkeit gezeigt, um den Erzählvorgang aufrechtzuerhalten. Die Studie folgt den Charakteristika und Zielsetzungen qualitativ-empirischer Forschung (vgl. Terhart 1997; Steinke 1999), die folgende Aspekte in Betracht zieht: • Möglichst unvoreingenommener unmittelbarer Zugang zum sozialen Forschungsfeld • Berücksichtigung der Weltsicht der im sozialen Feld handelnden Personen und ihrer Erfahrungen • Beschreibende und rekonstruierende Vorgehensweise • Generierung der Abstraktionen aus der Erfahrung unter permanentem Rückbezug auf die Erfahrungsbasis. (vgl. Terhart 1997: 27 f.) Dabei ist es für die genannten Prinzipien qualitativer Forschung wichtig, zwecks Transparenz und intersubjektiver Nachvollziehbarkeit, genau und lückenlos den Forschungsprozess zu dokumentieren (vgl. Aguado 2013: 125). Dies wird durch lückenlose Transkription der Interviews und Offenlegung sämtlicher 4.5 Durchführung der Erhebung 103 Kategorien zur Auswertung sichergestellt. Zudem herrschte Offenheit und Flexibilität dem Gegenstand und dem methodischen Vorgehen gegenüber (Ebd.). Aufgrund der Fragen erfüllt die vorliegende Untersuchung auch das Kriterium der Gegenstandsangemessenheit. Im Hinblick auf die Analyse der Daten wird eine induktive Verfahrensweise verfolgt, bei der die Kategorienbildung zum großen Teil aus den Daten selbst erfolgt, im Sinne der Grounded Theory Method ( GTM ) nach Barney G. Glaser und Anselm L. Strauss (1967, 1994). Das gesamte Datenmaterial wird mit Hilfe von drei verschiedenen Kodierungstypen gesichtet und strukturiert: offenes, axiales und selektives Kodieren. Beim offenen Kodieren wird jedes Interview Schritt für Schritt sorgfältig betrachtet und gründlich analysiert und besondere Phänomene anschließend benannt und kategorisiert. Beim nächsten darauf folgenden axialen Kodieren werden aus den Daten die aufgefundenen Konstrukte definiert und Verbindungen zwischen den ersten einzelnen Kategorien geschaffen. Mit diesem Schritt soll das Datenmaterial abstrahiert und dann reduziert werden (vgl. Rosenthal 2008; Bortz & Döring 2006). Beim selektiven Kodieren schließlich werden die entwickelten Kategorien, die durch das axiale Kodieren herausgearbeitet wurden, in Kernbzw. Hauptkategorien integriert (vgl. Rosenthal 2008: 214). Gegenüber anderen qualitativen Forschungsansätzen besteht der wichtige Unterschied der GTM in dem Anspruch, auf der Grundlage intensiver Untersuchungen einzelner Fälle eine Theorie zu erstellen. Angestrebt wird nicht nur das Explorieren eines Forschungsfeldes oder die Überprüfung einer Theorie, sondern deren Entwicklung, die kontinuierlich in der Erhebung weiterer Daten erfolgt, damit ein möglichst breites Variationsspektrum und Heterogenität bis hin zur möglichen Sättigung der Daten gewonnen werden können, ohne dass die sukzessiv dokumentierten Erkenntnisse bereits als eine repräsentative Stichprobe angesehen werden könnten. Diese Schritte werden so oft und so lange angewendet, bis eine theoretische Sättigung erreicht ist (vgl. Glaser & Strauss) und kein neuer Erkenntnisgewinn im Datenmaterial mehr konstatiert oder erwartet werden kann (vgl. Aguado 2016: 246). Um den Anspruch der Offenheit qualitativer Forschungsansätze zu erfüllen, ist es deshalb erforderlich, dem Material keine deutenden und ordnenden Kategorien von außen anzutragen, sondern es ist von zentraler Bedeutung, die Äußerungen der befragten Lehrpersonen aufzugreifen und herauszufinden, welchen Sinngehalt diese damit verbinden (vgl. die Kritik an der GTM in Kapitel 4). • Kontaktaufnahme und Auswahl der Befragten Durch die Praktikumsbetreuung der Studierenden während meiner langjährigen Tätigkeit als Fachdidaktikerin hatte ich zahlreiche Kontakte zu Schulen in drei Bundesländern (Bayern, Baden-Württemberg und Hessen). Diese konnte 104 4. Forschungsmethodischer Ansatz und Erhebungsdesign ich mit der Bitte um Mitarbeit der dort beschäftigten Lehrerinnen und Lehrer kontaktieren. Das endgültige Sample ist dann als Mischform aus theoretischem Sampling und Schneeballprinzip entstanden, mit den selbst gestellten Vorgaben: Schulart (Gymnasium), Fächerkombination (zwei Fremdsprachen, die von den Lehrkräften zum Zeitpunkt des Interviews tatsächlich unterrichtet werden), Berufserfahrung (mindestens das Referendariat absolviert). Das Alter der Befragten liegt zwischen 30 und 58. Die befragten Lehrerinnen und Lehrer waren mir nicht bekannt. Bevor ich die jeweiligen Fremdsprachenlehrerinnen und -lehrer zur Datenerhebung in ihrer jeweiligen Schule besuchte, informierte ich sie einige Wochen zuvor über mein Anliegen, ohne dabei genauere Details zur Forschungsfrage offen zu legen. Bei allen potenziellen Interviewpartnerinnen und -partnern traf ich auf großes Interesse und gewann den Eindruck, dass die Lehrkräfte sehr gerne bereit waren, mit mir über ihre Schulpraxis zu sprechen und diese zu reflektieren. Die Interviewsituation wurde eingerahmt durch eine Vielzahl von Gesprächen, die sich vor oder nach den Interviews ergaben und sich häufig auf einzelne Unterrichtssituationen bzw. Schülerinnen und Schüler konzentrierten, in denen aber auch meine persönliche Stellungnahme oder meine Praxiserfahrung als Lehrerin thematisiert wurden. Zu Beginn jedes Interviews kündigte ich die Anonymisierung der Daten an, die ich mit einem Aufnahmegerät aufnahm. Die Lehrerinnen und Lehrer stimmten, ohne weitere Bedenken, dem Gesamtprozedere zu. Die Durchführung der geplanten Erhebung hat keiner besonderen Genehmigung bedurft. Die Teilnahme am Interview beruhte auf dem Prinzip der Freiwilligkeit. Typisch für das „Schneeballprinzip“ meldeten sich aus dem Bundesland Hessen nach einem Interview zwei weitere Kolleginnen, die prinzipiell ebenfalls für ein Interview bereit standen. Als schwierig erwies sich hingegen das Auffinden männlicher Kollegen. Dies hängt mit der Zusammensetzung der Fremdsprachenlehrerschaft insgesamt zusammen. • Der Interviewort Die Interviews fanden sowohl am Schulvormittag in einer Freistunde der Lehrkräfte oder nach Schulende, am Nachmittag, in der Schule statt. Es passierte folglich oft, dass die für ein Interview benötigte Ruhe und Konzentration für einen Moment gestört wurde, beispielsweise durch das Ertönen der Schulklingel oder eintretende Schülerinnen und Schüler mit verschiedenen Anliegen. Meine Befragung war in den normalen Schulalltag integriert, verlieh der Situation eine gewisse Normalität und förderte die Empathie zwischen Interviewpartner und Forscherin. Nur ein Interview fand an einem Nachmittag in der Privatwohnung einer Lehrerin statt, da sie ihr kleines Kind versorgen musste. 4.6 Transkription 105 4.6 Transkription Die Tonbandaufnahmen - mit Hilfe eines Diktaphons - der qualitativen Interviews, habe ich wörtlich und vollständig erfasst und verschriftlicht. Die Transkriptionen erfolgten mit dem Softwareprogramm f4 23 , welches das eigenhändige Abschreiben der Gespräche aus den Audioaufnahmen sowie die Steuerung und Navigation zwischen Audiodatei und Transkript erleichtert. Die Software f4 bietet den Vorteil, dass die Abspielgeschwindigkeit durch den zusätzlichen Einsatz eines Fußschalters bei Bedarf verlangsamt werden kann. Für die Überführung des rohen Datenmaterials in Schriftsprache wird kein besonderes Transkriptionsmodell als Grundlage herangezogen, sondern ich verwende die Zeilenschreibweise zwecks einer leichteren, für den Nicht-Linguisten zugänglichen Lesbarkeit. Auf eine Spezialnotationsweise wie z. B. eine phonetische Umschrift wird verzichtet (vgl. Mayring 2002; Dittmar 2009 sowie Flick 2011: 380). Beim Wechsel des jeweiligen Sprechers wird mit einer neuen Transkriptionszeile begonnen, die beginnend mit 01, laufend durchnummeriert wird. Am Ende eines Sprecherbeitrags wird die Länge des Beitrages zeitlich festgehalten (z. B.: 00: 00: 09-2). Bei alternierenden Sprecherinnen bzw. Sprechern (Interviewer vs. Interviewpartner/ in) wird eine Zeile übersprungen. Es wird keine Partiturschreibweise verwendet. Die literarische Umschrift wird durchgehend für die Umwandlung der verbalen Daten nach der Standardorthografie eingesetzt, bei der sowohl die Elision (z. B. gehn für gehen ) als auch die Assimilation (z. B. machste für machst du ) berücksichtigt werden. Sowohl die Umgangssprache ( Jungs für Jungen ) als auch Dialektfärbungen - und somit von der Standardsprache abweichende Aussagen der Fremdsprachenlehrkräfte - werden möglichst laut- und wortgetreu abgebildet (z. B. des is ne Sache für das ist eine Sache; net so für nicht so etc.) und im gebräuchlichen Alphabet wieder gegeben. Die Notation von parasprachlichen Äußerungen und Verhaltensmerkmalen wird in die Klammer gesetzt, dabei werden die nichtsprachlichen Signale mit einer inhaltlichen Charakterisierung wie beispielsweise Lachen festgehalten. Dasselbe Verfahren gilt ebenfalls, wenn Interviewpartner / in und Interviewerin ineinandergreifend sprechen. Erwähnte Orte bzw. namentlich genannte Personen oder Schulen werden - um die Anonymität zu bewahren - anteposiert durch den Kode **respektive ** ersetzt. 23 Die kostenfreie Software ist verfügbar unter: www.audiotranskription.de/ f4.htm (letzter Zugriff am 4. 9. 2017). 106 4. Forschungsmethodischer Ansatz und Erhebungsdesign Alle in Schriftform erfassten Daten werden möglichst interpretationsfrei notiert. Jedes Transkript wird in der Kopfzeile mit dem anonymisierten Vor- und Nachnamen der befragten Lehrperson, ihrem Alter, dem Datum, dem Schulort und den unterrichteten Fächern ausgestattet. Die nachfolgende Legende gibt einen Überblick über die verwendeten Notationszeichen mit ihren entsprechenden Hinweisen: Zeichen Erläuterungen (…) Zeitlich nicht definierte Pause * Postposiert. Kennzeichnet einen Verstoß gegen Sprachrichtigkeit im Deutschen **bzw. ** Anteposiert bei anonymisiertem Ort, z. B. **-Gymnasium bzw. ** anstelle eines Personennamens oder der direkten Erwähnung des Gymnasiums ähm, euh Fülllaute / Gedankenüberlegung äh, hm, mmh Vgl. ähm Zögerungsphasen mhm, mmm Zustimmende, bestätigende Lautäußerung boah Staunen ( lacht; räuspert ) Charakterisierung nichtsprachlicher Signale ( XYZ ) Beschreibung außersprachlicher Handlungen wie z. B. überlegen, schaut in ihre Notizen etc. ( Klingel ertönt ) Beschreibung von Außenfaktoren wie z. B. Laut im Flur (…? ) Nicht vollständig ausgesprochene Worte bzw. eine Aussage bleibt unverständlich aaah, sooo Gedehnter Vokal, um Erstaunliches oder Betontes hervorzuheben Tab. 1: Notationszeichen Die vollständigen Transkriptionen werden mit Dritten durch Vorlesen sowie auch mit Hilfe der Tonbandaufnahmen mehrmals gemeinsam besprochen und potenzielle Übertragungsfehler entfernt. 4.7 Auswertungsverfahren-- qualitative Inhaltsanalyse 107 4.7 Auswertungsverfahren-- qualitative Inhaltsanalyse Alle von mir erhobenen Interviews wurden durch eine dritte Person transkribiert, um eine subjektiv verfälschende Sicht auf die Interviews zu vermeiden, die möglicherweise dadurch entstehen kann, dass die Interviewerin unter dem Eindruck des Gesprächs interpretierend transkribiert. Für die detaillierte Analyse habe ich die Interviews in die engere Wahl genommen, die angesichts meiner Forschungsfragen die meisten Varianten und die prägnantesten Besonderheiten enthielten (vgl. Dirks 2000: 85). Diese Datenbasis, also die Transkripte der narrativen Interviews, sind durch die Leitfragen bereits grob strukturiert und werden nun in ein Kategoriensystem gegliedert, das induktiv aus den Daten entwickelt wird und sich an den Forschungsfragen orientiert. „Die inhaltlich strukturierende Inhaltsanalyse ist aus heutiger Sicht die wohl häufigste Form der qualitativen Inhaltsanalyse in der deutschen empirischen Fremdsprachenforschung. Sie zielt auf eine Strukturierung und Reduktion der gesammelten Daten ab, die deduktiv oder induktiv oder in einer Mischform aus beiden Verfahren kategorisiert werden können.“ (Burwitz-Melzer & Steiniger 2016: 265) Für die vorliegende Studie wähle ich eine induktive Verfahrensweise, bei der die Kategorienbildung zum großen Teil aus den Daten selbst erfolgt. Würden den Daten die Kategorien - etwa im Sinne vorgängiger Hypothesen - übergestülpt, müsste von einem deduktiven Vorgehen sprechen, da das Material anhand zuvor festgelegter und à priori Kategorien generiert und bearbeitet wird. Um dem Anspruch der Offenheit qualitativer Forschungsansätze auch in der anschließenden Auswertung zu genügen, ist es deshalb besonders wichtig, "[…] dem Material keine deutenden und ordnenden Kategorien von außen aufzudrängen und überzustülpen. Es kommt vielmehr darauf an, die Formulierungen der Befragten aufzugreifen und herauszufinden, welchen Sinngehalt sie damit verbinden." (Schmidt 2010: 548) Die vorliegende Untersuchung hat als Ausgangspunkt Menschen (Subjektbezogenheit), die von der Forschungsfrage betroffen sind, und intendiert eine möglichst exakte, vollständige und facettenreiche Betrachtung des Gegenstandsbereichs (Ganzheitlichkeit, Historizität) (vgl. Gläser-Zikuda 2013: 137). Die gewonnenen Äußerungen aus den Interviews werden zunächst in einem ersten Durchlauf des freien Kodierens gesichtet und grob sortiert. Dabei werden den Textpassagen noch recht weit gefasste, grobe Kategorien beigeordnet. In einem weiteren Überarbeitungsschritt werden Hauptkategorien definiert, also Themenbereiche, die - aufgrund des fragengeleiteten Vorgehens - immer wieder auftauchen und eine gewisse Sättigung erreichen. In einem dritten Durch- 108 4. Forschungsmethodischer Ansatz und Erhebungsdesign lauf werden Unterkategorien gebildet und die jeweiligen Textpassagen kodiert. Hierbei sind die Daten aus der Vorstudie (vgl. Kapitel 5) besonders hilfreich, da sie eine Fokussierung der in der Hauptstudie erhobenen Daten ermöglichen werden und - wie sich bei der Auswertung zeigen soll (vgl. Kapitel 8) - unter Umständen die Ergebnisse der Hauptstudie stützen. Die Kategorienbildung erfolgt in mehreren Durchgängen, indem Aussagen der Interviewpartnerinnen und -partner notiert und nach Themenbereichen gegliedert werden. Hierbei ergeben sich Übereinstimmungen beziehungsweise neue Gesichtspunkte. Auf diese Weise entwickelt sich nach und nach ein Kategorienraster aus den Daten. Allerdings erlaubt die Struktur der erhobenen Daten keine top-down Differenzierung bis auf die Ebene von Schlüsselworten (vgl. Fäcke 2006: 82; Bardin 2007), da die Narrationen der Interviewpartnerinnen und -partner nur als längere Textsegmente, kontextgebunden verstehbar sind. Längere Textsegmente werden in Beziehung zu anderen Passagen zu setzen sein, mit denen sie sich inhaltlich ergänzen oder widersprechen. Möglicherweise lassen sich auf diese Weise versteckte Sinnstrukturen rekonstruieren. Ich werde mich für die Gesamtauswertung aller Interviews insgesamt an die inhaltlich strukturierende Inhaltsanalyse (vgl. Burwitz-Melzer & Steininger 2016: 265) anlehnen, wobei ich schließlich, nach erfolgter Untersuchung der Einzelfälle und Kategorienbildung, themenorientiert alle Fälle miteinander vergleichen werde. Für die konzeptionierte explorative Studie eignet sich aus meiner Sicht diese Form der Strukturierung in optimaler Weise, um die Interviewaussagen vor dem Hintergrund der mich interessierenden Forschungsfragen zu interpretieren. Die Inhaltsanalyse betrifft das bereits erhobene Datenkorpus, hier: die Transkripte der Interviews. Insgesamt entspricht dieses Vorgehen dem Auswertungsverfahren der qualitativen Inhaltsanalyse, allerdings in der von mir für diese Studie entwickelten, den Daten entsprechenden Form einer immer feiner werdenden Ausdifferenzierung von Unterkategorien, um eine möglichst tiefgehende Beschreibung der Einstellungen zu erreichen. Historisch betrachtet wurde die qualitative Inhaltsanalyse zunächst in den USA zur Erforschung der Massenmedien als kommunikationswissenschaftliche Technik entwickelt (vgl. Burwitz-Melzer & Steininger 2016: 256). Bald entstand Kritik an ihren Ergebnissen, da zu wenig auf den Kontext von Textelementen, latente Sinnstrukturen, markante Einzelfälle eingegangen wurde. Das Einsatzfeld der qualitativen Inhaltsanalyse kann einerseits die Interpretation von Forschungsmaterial sein, andererseits kann sie als Entscheidungsgrundlage für weitere Datenerhebungen dienen, ihr Vorgehen ist im qualitativen Forschungsprozess mehr verzahnt und weniger linear als im quantitativen Forschungsprozess. Manifeste Kommunikationsinhalte, also explizite und bewusste 4.8 Transparenz und Nachvollziehbarkeit 109 Äußerungen sowie subjektive Sichtweisen - häufig der Untersuchungsgegenstand - liegen in der Form von Textmaterial als Datenkorpus vor. Das Verfahren der qualitativen Inhaltsanalyse nach Philipp Mayring (vgl. Lamnek 1995: 207-218; Mayring, z. B. 1999, 2000, 2002, 2005) dient der Interpretation dieses sprachlichen Materials und unterscheidet drei Grundformen des Interpretierens, mit denen unterschiedliche Intentionen verfolgt werden (vgl. Mayring 1985: 193 f.). Bei der ersten Grundform wird die Reduktion des Interviewmaterials unter Erhaltung der wesentlichen Inhalte angestrebt, um ein abstrahiertes Abbild des Grundmaterials zu kreieren. Die explizierende Inhaltsanalyse als nächste Grundform (Explikation) hebt auf die Bedeutung ab, zu vereinzelten, unklaren Textstellen auf Zusatzmaterial zurückzugreifen, welches zu deren erweitertem Verständnis beiträgt. Anschließend werden in der letzten Grundform (Strukturierung) gewisse Aspekte aus den Daten ausgeschöpft, die an vorab festgelegten Ordnungskriterien in Form eines Kategoriensystems an das Material herangebracht werden (vgl. Mayring 2002: 115 und 2005: 473). In diesem Zusammenhang unterscheidet Lamnek (1995, 2005) zwei Ausprägungen: die eher an der quantitativen Vorgehensweise orientierte Technik, bei der systematisch und sukzessiv mit einem Kategorienschema gearbeitet wird und eine weiter gefasste Auswahlstrategie, bei der keine vorher festgelegten Analysekriterien verwendet werden (vgl. Lamnek 2005: 184). Dieser zweite Ansatz kommt in der vorliegenden Arbeit im Sinne des induktiven Verfahrens zum Tragen. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die vorliegenden Interviewdaten als narrativ-biografische Fallrekonstruktionen (vgl. Rosenthal & Fischer-Rosenthal 2005: 460) und praxisgeleitete Expertenmeinungen und Einstellungen andererseits gelesen werden können. Das Herausarbeiten des Beziehungsgeflechts zwischen beiden Aspekten soll die Gesamtauswertung leiten und Erkenntnisse zu Motiven des Lehrerhandelns liefern. Es muss sich zeigen, ob nebeneinanderstehende, individuelle Positionen eine Addition von Facetten ergeben, oder ob überindividuelle Gemeinsamkeiten erkennbar werden, die anschließend in Form von knappen Thesen zusammengefasst werden können. 4.8 Transparenz und Nachvollziehbarkeit Die Bedeutung der aktuellen Flüchtlingskrise für die vorliegende Untersuchung lag vor allem darin, dass zunächst geplante Nachfrageinterviews bei den Befragten aus den Jahren 2011 / 2012 aufgrund der geschilderten Situation ihre validierende Funktion verfehlt hätten, da die Äußerungen der damals befragten Experten von aktuell sehr unterschiedlichen Gegebenheiten hätten ausgehen 110 4. Forschungsmethodischer Ansatz und Erhebungsdesign müssen, die nicht mehr vergleichbar gewesen wären. Unter dem Eindruck der aktuellen Zuwanderungsproblematik war zudem damit zu rechnen, dass sich kritische Positionen zu möglicher Integration von Herkunftssprachen heute radikalisiert haben dürften. Auch wenn eine spätere Triangulation durch nachfragende Interviews methodologisch akzeptabel ist (vgl. Knorr & Schramm 2016: 91), hatten sich zwischenzeitlich durch die vorliegende Flüchtlingssituation Fakten ergeben, die dies unmöglich erscheinen ließen. Um deshalb derartige Verzerrungen der Ausgangseinstellungen zu vermeiden, wurde auf eine retrospektive Validierung verzichtet, und einem qualitativexplorativen Vorgehen auf der Grundlage der qualitativen Inhaltsanalyse mit Forschertriangulation (vgl. Caspari et al. 2016: 93) und Sättigung der Daten der Vorzug gegeben. Hierbei konnten vor allem die Daten der Vorstudie - die sich ex post facto unerwartet als stark übereinstimmend zu den Daten der Hauptstudie erweisen - mit berücksichtigt werden. Zwar war die Datenerhebung der Vorstudie durch ein engeres Fragenraster charakterisiert, dennoch konnten Teile der Erhebung sowohl zur Fokussierung der Hauptstudie verwendet werden, als auch stützend und validierend die Aussagen der narrativen Interviews komplettieren (vgl. Kapitel 5). Im Sinne von Qualitätskriterien qualitativer Forschung wird mein Forschungsprozess in seiner Durchführung, seinen Erhebungsmethoden und -Kontext und Auswertung transparent und umfangreich expliziert und dokumentiert (vgl. Kapitel 5 und 6), damit eine intersubjektive Nachvollziehbarkeit ermöglicht wird (vgl. z. B. Steinke 2005: 326; Fäcke 2006: 87; Breuer 2010: 109 und Özkul 2015: 134 f.) und die dargelegten Gesamtresultate plausibel sind. Mithilfe zahlreicher, in regelmäßigen Abständen geführten Diskussionen - ob im Rahmen von Forschungskolloquien oder vor allem auf zahlreichen, internationalen Kongressen - konnten mehrfach Zwischenergebnisse und erste Interpretationen meiner Daten vorgestellt und anschließend durch peer debriefing von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern begutachtet und diskutiert werden. Dadurch war es mir möglich, eine einseitige Betrachtung der Gesamtdaten und unzutreffende Urteile zu vermeiden. Caminante, no hay camino, se hace camino al andar. (Antonio Machado 1917: Proverbios y cantares, Campos de Castilla) 5. Die Vorstudie 5.1 Vorüberlegungen Für den Zugang zum Feld ist es unabdingbar, eine gewisse Zahl von Fremdsprachenlehrkräften für narrative Interviews zu gewinnen und dabei die noch relativ unbekannte Perspektive - Einstellungen von Lehrpersonen zur Mehrsprachigkeitsdebatte - auf das Forschungsfeld zu definieren und zu konkretisieren. Zunächst können auch nur unsichere Vermutungen über die Qualität und Themenzentriertheit der Expertenäußerungen angestellt werden; dies macht eine Vorstudie zwingend erforderlich wie sie unter anderem im Methodenlehrbuch von Flick, von Kardorff und Steinke (2005) von Stephan Wolff angeregt wird: „Die Beschäftigung mit dem Weg ins Feld dient nicht nur methodologischen oder forschungspragmatischen Zwecken. Sie eröffnet darüberhinaus Einblicke in Strukturen und Abläufe der Forschung als einer sozialen Veranstaltung und in das untersuchte Handlungsfeld. Die oft beklagten und als lästig empfundenen Anläufe, Umwege und Holzwege, ja selbst die üblicherweise sorgsam verschwiegenen gescheiterten Zugangsversuche avancieren dann zu „kritischen Ereignissen“, deren Analyse eigene Erkenntnismöglichkeiten eröffnet.“ (Wolff 2005: 336) Auch handelt es sich im Feld der Einstellungen und subjektiven Theorien um einen sensiblen Bereich von Persönlichkeitsmerkmalen, die es erfordern, ein nicht-invasives Design zu konzipieren und den Leitfragenapparat entsprechend anzupassen. Durch die Vorstudie mit Fremdsprachenlehrkräften können - über einen Fragebogen mit teilweise offenen Fragen - Erkenntnisse gewonnen werden, die helfen, den Kreis möglicher Interviewpartner für die Hauptstudie besser einzugrenzen. Ebenso können bestimmte Nebenbedingungen als solche erkannt und die Leitfragen weiter fokussiert werden. Bei der Vorstudie können außerdem Merkmale deutlich werden, die möglicherweise in der Hauptstudie eine Rolle spielen werden, wie das Alter, Auslandserfahrungen, Dienstjahre, die berufliche Zufriedenheit, die Fächerkombination so wie weitere eigene Fremdsprachenkenntnisse. „Da anders als in der quantitativen Forschung eine Analyse des Datenmaterials nur mit relativ kleinen Stichproben vorgenommen werden kann, muss sichergestellt 112 5. Die Vorstudie werden, dass die für die Fragestellung „relevanten Fälle“ berücksichtigt bzw. dass „Verzerrungen“ möglichst vermieden werden. Prinzipiell geht es um eine möglichst enge und präzise Bestimmung der zu untersuchenden Personengruppe, um die Verallgemeinerbarkeit der Ergebnisse besser abschätzen zu können […].“ (Doff 2012: 222; Hervorhebungen im Text) Aus den oben genannten Gründen, vor allem aber, um den Feldzugang zu ermöglichen und die Angemessenheit des Fragenapparats zu überprüfen, muss die Vorstudie thematisch sehr breit angelegt werden, um erste, orientierende Ergebnisse zu Einstellungen, professionellem Wissen und Handeln von Gymnasiallehrkräften und ihrem Fremdsprachenunterricht zu liefern, die zu einem späteren Zeitpunkt in der Hauptstudie vertieft und präzisiert werden können. So werden in der Vorstudie neben Fragen zur Mehrsprachigkeit ebenfalls Äußerungen zur Bedeutung des „Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen“ (Europarat 2001) für den eigenen Unterricht, zu Kenntnis und Nutzung eines Sprachenportfolios, zum methodisch-didaktischen Vorgehen, zur Bedeutung fächerübergreifenden Unterrichts, zu Projekten im Fremdsprachenunterricht, zum Fortbildungsverhalten und schließlich auch Äußerungen zur angenommenen Zukunft des Fremdsprachenunterrichts erhoben. Diese weitergehenden Ergebnisse müssen hier im Sinne der Fokussierung auf das Forschungsthema weitgehend ausgeklammert bleiben; sie können aber punktuell Einzelaussagen stützen und diese in breitere Kontexte einzuordnen helfen. Besonders relevant sind hier die in direkter Kommunikation gemachten Erfahrungen mit den sensiblen Persönlichkeitsdaten der unterrichtenden Lehrerinnen und Lehrer, also ihr subjektives Empfinden, ihre biografischen Referenzen und ihre Emotionen, kurz: ihre individuelle Narration. Diese werden von mir in Feldnotizen zusätzlich zur Erhebung des Fragebogens festgehalten. Erst durch die Kombination der Ergebnisse des Fragebogens mit den verbalen Daten aus der Voruntersuchung kann die Hauptuntersuchung mit ihren Leitfragen konfiguriert werden, auch, um den hier angestrebten forschungsethischen Prinzip „nicht-invasiv zu sein“, zu genügen 24 . Im Zuge der Vorstudie stellt sich die forschungsmethodologische Frage nach dem Vorwissen und den „Ex-ante-Hypothesen“ (Meinefeld 2005: 267). Durch die umfangreiche Befragung von insgesamt 13 Lehrpersonen in der Vorstudie konnten erhebliche Datenmengen gesammelt und ausgewertet werden, die ein 24 Dieser aus der medizinischen Diagnostik stammende Begriff soll hier in dem Sinne verwendet werden, dass Fragen vermieden werden, die vom Befragten als grenzverletzend, peinlich, bloßstellend usw. in Bezug auf seine Persönlichkeitsrechte empfunden werden (vgl.: Ethik-Kodex der Deutschen Gesellschaft für Soziologie (DGS) und des Berufsverbandes Deutscher Soziologinnen und Soziologen (BDS) in: www.soziologie.de). 5.2 Genese der Vorstudie 113 umfangreiches und schon relativ gesättigtes qualitatives Datenkorpus darstellen (vgl. dazu u. a. Merkens 2005: 294). Dieses Vorwissen wird die Konzeption der Hauptstudie beeinflussen, ohne dabei bereits in unzulässiger Weise Ex-ante- Hypothesen zu generieren. Es ist aber aus den weiter oben genannten Gründen nützlich und hilft bei der Formulierung der Forschungsfragen für die Hauptuntersuchung und gibt Hinweise für die Strukturierung der Auswertung. „Was die Praxis im Umgang mit «Vorwissen» und «Hypothesen» betrifft, so zeigt sich, in welch hohem Maß das Forschungshandeln insbesondere am theoretischen, aber auch am alltagsweltlichen Wissen der Forscher orientiert war und wie sehr diese Vorstellungen, indem sie die Sammlung und Strukturierung des Datenmaterials erst ermöglichten, den Ertrag ihrer Arbeiten bestimmt haben.“ (Meinefeld 2005: 267; Hervorhebungen im Text) Aufgrund der explorativen Anlage der Hauptstudie sind vorformulierte bzw. auch nur unbewusste Hypothesengenerierungen kaum oder nur in sehr allgemeiner Form möglich, da die Interviewpartnerinnen und -partner in der Hauptstudie die Äußerungen weitestgehend frei bestimmen werden und Einstellungen, Haltungen, beliefs nicht vorhersehbar sind. Überdies sind sie der Forscherin vorab nicht bekannt. Die oben erwähnten (Vor-)Urteile sind darüber hinaus für den Forschungsprozess gefährlich, zumal sie die Forscherin verleiten könnten, nach Bestätigungen für ihre eigenen Annahmen zu suchen. Das Dilemma, das aus den beiden Maximalforderungen resultiert, nämlich „absolut unvoreingenommene Wahrnehmung“ einerseits und „Einbezug des alltagsweltlichen Vorwissens“ andererseits, lässt sich mit dem Hinweis Alfred Schütz’ auflösen, wonach die Kategorien anderer Personen immer nur auf der Basis eigener Kategorien verstehbar seien (vgl. Meinefeld 2005: 273). Jeder Forscher hat alltagsweltliches Vorwissen, allgemein-theoretische und gegenstandsbezogene Konzepte, die die Gesamtheit seiner Vorkenntnisse ausmachen und die Anlage, Durchführung und Auswertung seiner Forschung leiten. Hierauf wurde bereits eingegangen (vgl. Kapitel 4.1). 5.2 Genese der Vorstudie Im Zuge eines Fachdidaktik-Seminars der Universität Augsburg mit dem Thema „Mehrsprachigkeit und Mehrsprachigkeitsdidaktik“ entwickelte ich gemeinsam mit meinen Studierenden den Fragebogen für die hier vorgelegte Vorstudie. Dabei folgte auch dieses Seminar meiner hochschuldidaktischen Konzeption des kooperativen Lernens, wie ich sie in Ralf Junkerjürgens Veröffentlichung „Ko- 114 5. Die Vorstudie operatives Lehren und Lernen in den Fremdsprachenphilologien. Theoretische Annäherungen und praktische Beispiele aus Schule und Hochschule“ (2017) als Ausgangshypothese dargelegt habe: „In kooperierenden Lerngruppen machen Studierende persönlich bedeutsame Erfahrungen, indem sie ihr (Vor-)Wissen mobilisieren, Entscheidungen treffen, unterschiedliche Kompetenzen aufbauen, eigene Ziele verfolgen und diese mit den anderen Gruppenmitgliedern aushandeln. Dieser Prozess der Aushandlung von Inhalten, Vorgehensweisen und schließlich des Verstehens von Phänomenen ist das Herzstück des kooperativen Lernens. Die gemachten Erfahrungen verstärken die persönliche sowie kollektive Identität und sind auf weitere Projekte transferierbar und nachhaltig.“ (Méron-Minuth 2017: 9) Im Unterschied zu traditionell ausgerichteten Seminaren und Vorlesungen besteht das innovative und kreative Potenzial von Projekten in Didaktik-Seminaren an der Hochschule darin, dass Aufgabenstellungen und Zielsetzungen durch die Studierenden generiert und die Projekte eigenverantwortlich realisiert werden; Problemorientierung ist hier ein gängiges und erprobtes hochschuldidaktisches Ziel. Im Projekt wird - wie ich es im oben genannten Buch verdeutliche - die Lerngruppe mit realen Problemen aus der Lebenspraxis konfrontiert, die anderer Natur sind als hochschultypischen Aufgaben. „Für die Erreichung der Projektziele der Lerngruppen gilt es, selbstgesteuert Lösungswege zu finden und Hindernisse zu überwinden, um zu dem angestrebten und vorher definierten Ziel zu gelangen. Um dies realisieren zu können, muss die Gruppe in die Lage versetzt werden, alle kognitiven Ressourcen zu mobilisieren, problem- und aufgabenbedingten Transfer auszuüben, und sich entsprechenden Herausforderungen stellen, die traditionsgemäß nicht in zu den üblichen Arbeitsformen der Hochschule gehören.“ (Méron-Minuth 2017: 22) In weitgehend autonom arbeitenden Gruppen formulierten die Studierenden zusammen mit der Dozentin Fragenkataloge, die im Zusammenhang mit dem Seminarthema relevant erschienen, und handelten dann im Plenum einen definitiven Fragebogen aus, der von allen übernommen und anschließend für die Befragungen verwendet wurde. Eingebettet war die Erarbeitung des Interviewbogens in Seminarsitzungen zu den Themenbereichen: Sprachlernbiografien; Seminartagebuch; Problemaufriss Mehrsprachigkeit; Bilingualer Fachunterricht; Mehrsprachigkeitsdidaktik; interrespektive intralingualer Transfer; Lernstrategien; Erhebungsmethoden; fragengeleitetes, narratives Interview. 5.3 Die Untersuchungsgruppe 115 5.3 Die Untersuchungsgruppe Im Folgenden werden tabellarisch die, am Interview während des Wintersemesters 2010/ 11, beteiligten Lehrkräfte vorgestellt. Es handelt sich um insgesamt dreizehn Fremdsprachenlehrende aus dem Augsburger Raum, die sich freiwillig für dieses Interview zur Verfügung gestellt haben und der Forscherin nicht bekannt waren. In den meisten Fällen ging dies auf persönliche Verbindungen der Studierenden zurück, sei es, weil sie die jeweiligen, ehemaligen Fremdsprachenlehrerinnen oder -lehrer waren oder sie ihnen im Rahmen ihres Praktikums als Betreuerin bzw. Betreuer zur Seite standen. Um die Anonymität der Lehrkräfte zu wahren, werden sie lediglich mit P für Interviewpartner durchnummeriert und mit einem fiktiven Familiennamen ausgestattet. Ebenfalls wurde ihr exaktes Alter nicht angegeben; vielmehr wurden sie lediglich nach Altersgruppen sortiert. Zum Zweck der Vorstudie wird ihre Fächerkombination präzise dargestellt: 116 5. Die Vorstudie Interviewpartner Lehrkraft Alter Schulform Fächerkombination w m 35-45 46-55 56-65 RS GYM GS FOS BOS ANDERE EN / FR EN / SP EN / IT FR / SP FR / IT Andere P1 Frau Brügge X X X X P2 Frau Blei X X X X P3 Frau Gütig X X X X P4 Frau Lund X X X X P5 Herr Grau X X X X P6 Frau Holtz X X X X GL P7 Herr Fiedler X X X X Sp P8 Herr Baltzer X X X En / Geo P9 Frau Kuhlmann X X X X P10 Frau Fischer X X X X X P11 Frau Stumm X X X Sp / Fr / Lat P12 Frau Eulert X X X En / Geo P13 Frau Backfisch X X X X Tab. 2: Grunddaten der Lehrpersonen der Vorstudie 5.3 Die Untersuchungsgruppe 117 Für die Vorstudie wurden diese Fremdsprachenlehrkräfte zu ihren Fächerkombinationen, ihrem beruflichen Werdegang, zur Bedeutung des „Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen“ für den eigenen Unterricht, zu Kenntnis und Nutzung eines Sprachenportfolios, zu ihrem methodisch-didaktischen Vorgehen, zur Bedeutung fächerübergreifenden Unterrichts, zu Projekten im Fremdsprachenunterricht, zum Fortbildungsverhalten, zur Zukunft des Fremdsprachenunterrichts und zu ihren Erfahrungen und Einstellungen zur Mehrsprachigkeit befragt (vgl. supra). Darüber hinaus wurden sie ebenso gebeten, über ihre eigenen Fremdsprachenkenntnisse Auskunft zu geben, die als Indikator für das Handlungspotenzial zur Einbeziehung von Mehrsprachigkeit in ihren Fremdsprachenunterricht dienen sollten. Hierzu wurden die Lehrkräfte um eine Selbsteinschätzung mithilfe der Skala der Niveaustufen des „Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens“ (Europarat 2001) A1-C2 gebeten (vgl. Kratzmann; Jahreiß; Frank; Ertanir & Sachse 2017: 244). Bei den Interviewpartnern 25 handelt es sich im Einzelnen um: P1 = Frau Brügge; P2 = Frau Blei; P3 = Frau Gütig; P4 = Frau Lund; P5 = Herr Grau; P6 = Frau Holtz; P7 = Herr Fiedler; P8 = Herr Baltzer; P9 = Frau Kuhlmann; P10 = Frau Fischer; P11 = Frau Stumm ; P12 = Frau Eulert und P13 = Frau Backfisch. Das Sample dieser Vorstudie weist eine Verteilung der befragten Lehrpersonen in Mann und Frau im Verhältnis 3 zu 10 auf, die recht genau dem deutschen Mittel im allgemeinbildenden Schulwesen entspricht: 72 % weibliche gegenüber 28 % männliche Lehrkräfte in Deutschland (vgl. Statistische Ämter des Bundes und der Länder 2017). Weiterhin handelt es sich bei zwei Dritteln der Befragten um relativ junge Gymnasiallehrerinnen und -lehrer der Altersgruppe 35-45 Jahre, während der Anteil dieser Altersgruppe mit ungefähr 42 % im deutschen Bildungswesen niedriger liegt (Ebd.). Bei annähernd der Hälfte der Befragten - insgesamt 6 Lehrkräfte (P1, P2, P6, P7, P9, P10) - liegt die Fächerkombination Englisch / Französisch vor. Eine Lehrerin (P6) unterrichtet zusätzlich zu dieser Fächerkombination Gesellschaftslehre und eine andere Kollegin (P7) Spanisch als drittes Fach. Etwa ein Viertel hat die Fächerkombination Englisch / Spanisch (P5, P10, P13) und eine Lehrkraft (P3) unterrichtet Englisch und Italienisch (vgl. Abb. 2). Zwei befragte Lehrerkollegen unterrichten neben Englisch ein Sach- 25 Die befragten Lehrkräfte wurden für die Studie anonymisiert und erscheinen deshalb mit neuen Namen. 118 5. Die Vorstudie fach, Geographie (P8, P12) und eine Lehrkraft (P11) weist eine Dreifächerkombination Sprachen mit Spanisch, Französisch und Latein auf. 5.4 Analyse und Ergebnisse der Untersuchungsergebnisse 5.4.1 Kategorisierungen der Antworten-- Hauptkategorien Aus dem Gesamtfragenapparat der Vorstudie werden im Folgenden vier große Themenkomplexe - Hauptkategorien - ausgewählt und die Äußerungen der Interviewpartnerinnen und -partner zu diesen Komplexen in Unterkategorien dargestellt. Die folgenden vier Hauptkategorien ergaben sich aus den verbalen Daten, die ebenfalls zitatweise wieder gegeben werden. Es sind dies: 1. Sprachlernbiografische Aspekte • Institutionell (Schule, Universität und Auslandsaufenthalte) • Lebensweltlich (multikulturelle Familien) 2. Eigendefinition „mehrsprachig sein“ • Hohes Anforderungsniveau an die eigene Mehrsprachigkeit • Geringeres Anforderungsniveau an die eigene Mehrsprachigkeit 3. Mehrsprachigkeit und Unterricht • Bewusste Integration und strategische Konzepte • Gute Fremdsprachenkompetenz als Voraussetzung • Gelegentliche Integration • Keine Integration 4. Lebensweltliche Mehrsprachigkeit und Einbeziehung der Herkunftssprachen der Schülerinnen und Schüler • Skepsis gegenüber nicht-romanischen Herkunftssprachen • Skepsis aufgrund von Interferenzen • Einbeziehung bei romanischen Herkunftssprachen • Einbeziehung der Herkunftssprachen als Chance • Keine oder kaum Einbeziehung der Herkunftssprachen Tab. 3: Hauptkategorien Zusätzlich zu den oben genannten Hauptkategorien werden in der Vorstudie vier weitere Themenkomplexe - Nebenkategorien - angesprochen, die nicht im unmittelbaren Fokus der Hauptuntersuchung stehen, aber am Ende des Kapitels in komprimierter und synoptischer Form referiert werden (vgl. Tab. 5: 138-141): 5.4 Analyse und Ergebnisse der Untersuchungsergebnisse 119 1. Der Gemeinsame Europäische Referenzrahmen für Sprachen 2. Fortbildung zum Thema „Mehrsprachigkeit“ 3. Fächerübergreifender Unterricht / Projektunterricht 4. Zukünftige Entwicklung des Fremdsprachenunterrichts Im Folgenden werden die oben genannten Hauptkategorien mit den Lehrerzitaten aus der Befragung belegt. 5.4.1.1 Sprachlernbiografische Aspekte • Institutionell (Schule, Universität und Auslandsaufenthalte) In diesem Teil geht es um die Fremdsprachen, die in Schule und Universität sowie bei Auslandsaufenthalten gelernt wurden: P6 Frau Holtz beherrscht Latein, Spanisch und Italienisch und hat diese Sprachen an der Universität in Münster gelernt; Englisch in der Schule. Gleiches gilt für P9 Frau Kuhlmann, die ebenfalls ihre Sprachen Englisch, Französisch und Latein in der Schule und Italienisch auf der Universität gelernt hat. Ebenso P4 Frau Lund, die Fremdsprachen Französisch und Englisch auf der Schule und Latein auf der Universität gelernt hat und dazu noch Auslandsaufenthalte angibt. Dies gilt ebenso für P7 Herr Fiedler, der zusätzlich noch als Sprachassistent in Frankreich und England gearbeitet hat und für P8 Herr Baltzer, der über private Kontakte nach Norwegen verfügt und daher Grundkenntnisse in Norwegisch angibt. P11 Frau Stumm und P5 Herr Grau geben die Schule und die Universität als den Ort an, wo sie die jeweiligen Fremdsprachen gelernt haben. P5 Herr Grau hat zudem seine Englischkompetenz bei der Bundeswehr perfektioniert. Allen diesen Interviewpartnern ist gemeinsam, dass sie nur knappe, lakonische Angaben zu ihrer Sprachlernbiographie machen. Anders ist dies bei den folgenden Befragten, die sich erheblich ausführlicher zu diesem Thema äußern. P1 Frau Brügge hat ihre Fremdsprachen in Schule und Hochschule gelernt und frischt ihre Sprachkenntnisse regelmäßig bei Reisen wieder auf: „Englisch und Französisch habe ich im Rahmen meines Lehramtsstudiums an der Universität Erlangen studiert; Spanisch habe ich für drei Semester an der Universität zusätzlich belegt. Alle Sprachen habe ich also „schulisch“ gelernt. Kürzere Auslandsaufenthalte in England und Frankreich während des Studiums. Nach dem Studium immer wieder Reisen, vor allem nach Frankreich.“ P13 Frau Backfisch macht sehr genaue und zeitlich differenzierte Angaben zu ihrer Sprachlernbiografie. Dabei ist auffällig, dass die Interviewpartnerin fünf Sprachen beherrscht und angibt, diese sowohl im schulischen als auch außerschulischen Kontext erlernt zu haben. Sie bevorzuge das direkte Lernen im Kontakt mit native speakers, ohne ein Lehrwerk benutzen zu müssen. Bei dieser Art 120 5. Die Vorstudie zu lernen sei die Motivation besonders hoch. Auch zeigt sich P13 Frau Backfisch als Typus des „good language learner“ (vgl. Rubin 1975; Naiman et alii 1978), da sie Auslandsaufenthalte nutzt, um authentischen Kontakt zu Muttersprachlern zu suchen und ein mehrsprachiges Profil zeigt, das sie auch außerschulisch realisiert hat. „Aufgewachsen bin ich in Oberbayern mit Muttersprache Deutsch. Bis zum heutigen Tag habe ich mir Kenntnisse in fünf weiteren Sprachen angeeignet. Da ich für ein Jahr in Cáceres (Extremadura, Spanien) gelebt und in dieser Zeit mein Spanisch sehr verbessert habe, würde ich Spanisch auch als meine Zweitsprache bezeichnen. Des Weiteren konnte ich durch Auslandsaufenthalte in den USA […] Englischkenntnisse verbessern und Wissen über die amerikanische Kultur aus erster Hand erfahren. Weitere Sprachen, mit denen ich mich beschäftigt habe, sind Französisch, Arabisch und Italienisch. Ich habe mich bisher mit fünf Sprachen näher befasst. In meinem Fall lassen sich die Sprachen, die ich gelernt habe, wie folgt unterteilen: Schule, Universität und außerschulisch. Auf dem Gymnasium kam ich auf Grund der wirtschaftswissenschaftlich-mathematischen Ausrichtung leider nur in den Genuss zweier moderner Fremdsprachen, Englisch und Französisch. Meine persönliche Lieblingsvariante ist das Lernen ohne Lehrwerk rein durch das Gespräch mit Muttersprachlern der anderen Sprache. Durch die enorme Anstrengung und den Zeitaufwand ist eine hohe Motivation meist Grundlage des Lernprozesses und führt daher zu maximalem Erfolg.“ • Lebensweltlich (multikulturelle Familien) P3 Frau Gütig hat Englisch auf der Schule, und später auf der Universität Italienisch gelernt. Seither ist sie auch mit einem Italiener verheiratet: „Also Englisch hab ich in der Schule gelernt, Italienisch hab ich dann nach der Schule in der Universität angefangen. Und das war von Anfang an meine große Liebe die Sprache. Bin inzwischen auch mit einem Italiener verheiratet und hab’ das dann auch durch viele Auslandsaufenthalte vertieft. Englisch dann natürlich auch während dem Studium durch einen Auslandsaufenthalt vertieft. Das ist schon immer notwendig, dass man ins Land geht.“ P10 Frau Fischer hat neben der Schule und der Universität auch noch an Volkshochschule und im Ausland Sprachen gelernt. Zudem hat sie Verwandte in Mexiko: „Englisch, Französisch und Latein habe ich in der Schule gelernt Spanisch zunächst in der VHS , das war mir dann bald zu lasch. Ich habe dann in meinem Abijahr an der Uni Spanisch gelernt. Außerdem habe ich alle meine Sprachen im Ausland gelernt / vertieft. Ich war z. B. ein Jahr lang assistant teacher in Schottland In Mexiko habe ich Ver- 5.4 Analyse und Ergebnisse der Untersuchungsergebnisse 121 wandte, die ich auch besucht habe. Und ich hatte einen französischen Freund. Abgesehen davon hatte meine Mutter immer Austauschschüler aufgenommen’ mit denen ich dann in der Fremdsprache gesprochen habe. Mein Motto ist learning by living.“ • Zusammenfassung der Ergebnisse zur Kategorie „Sprachlernbiografische Aspekte“ Alle Befragten haben die deutsche Staatsbürgerschaft und verfügen über insgesamt breite und teilweise muttersprachenähnlich vertiefte Fremdsprachenkenntnisse (P2 Frau Blei; P5 Herr Grau; P7 Herr Fiedler; P8 Herr Baltzer; P12 Frau Eulert; P13 Frau Backfisch). Englisch wird von Allen muttersprachenähnlich bis fließend beherrscht, während die Französischkenntnisse auf hohem Niveau als fließend bis Niveau C2 angegeben werden. Lediglich zwei Befragte haben nur geringe Französischkenntnisse. Während alle Befragten bei Französisch und Englisch Angaben machen, liegen nur noch bei sieben Befragten Angaben zu Spanisch, acht zu Italienisch und eine zu Portugiesisch vor. Auffallend sind auch noch die Angaben zu „exotischen“ Sprachen: Japanisch, Rätoromanisch, Norwegisch und Maltesisch. Ein Befragter nennt Grundkenntnisse im Türkischen. Zehn Lehrpersonen haben Lateinkenntnisse, dies hängt mit den Studienanforderungen in der Romanistik zusammen, wo auch heute noch in aller Regel, ein Latinum gefordert ist 26 . Bei den jeweiligen Fachkollegen ist die Selbsteinschätzung der eigenen Sprachkenntnisse entsprechend ihrer Facultas erwartungsgemäß hoch: fließend, muttersprachenähnlich beziehungsweise C2. Unklar bleibt hier, was die jeweiligen Lehrpersonen als „fließende“ Sprachbeherrschung definieren, allerdings dürfte dies in etwa dem von den romanistischen Fakultäten generell im Ersten Staatsexamen beziehungsweise im Master mindestens erwarteten Niveau B2 / C1 entsprechen 27 . Bei allen Befragten zeigen sich vergleichbare Abläufe in der Sprachlernbiografie; dem schulischen Fremdsprachenunterricht folgte ein Universitätsstudium in den 26 Beispielsweise Universität Heidelberg: http: / / www.uni-heidelberg.de/ studium/ interesse/ faecher/ romanistik.html oder Universität Tübingen: http: / / www.uni-tuebingen.de/ fakultaeten/ philosophische-fakultaet/ fachbereiche/ neuphilologie/ romanisches-seminar/ studium/ erstsemester-infos.html oder auch Universität Bonn http: / / www.ruhr-uni-bochum.de/ fsr-romanistik/ faq.html.de u. v. A. m. 27 Am Beispiel der Freien Universität zu Berlin: „Neben dem fachwissenschaftlichen Studium ist eine erweiterte sprachpraktische Ausbildung in den beiden gewählten romanischen Sprachen zentraler Bestandteil des Studiengangs. Der Bereich des Spracherwerbs führt die Studierenden in der Schwerpunktsprache zum Niveau C1.1 / C.1.2 des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens (GER), in der zweiten Sprache zum Niveau A2.2 / B1.1 GER.“ Verfügbar unter: http: / / www.geisteswissenschaften.fu-berlin.de/ we05/ dokumente/ Master_Romlitwiss.pdf 122 5. Die Vorstudie gewählten Fremdsprachen verbunden mit Auslandsstudium oder anderen Auslandsaufenthalten wie Sprachassistentenzeit (P2 Frau Blei, P12 Frau Eulert) und Auslandsreisen (P1 Frau Brügge, P2 Frau Blei, P4 Frau Lund, P8 Herr Baltzer, P10 Frau Fischer, P13 Frau Backfisch). Die hier zusammen getragenen Sprachlernbiografien scheinen typisch für die Fremdsprachenlehrerausbildung. Die Äußerungen der Interviewpartnerinnen und -partner zu diesem Thema sind geprägt von hoher Motivation, die Zielsprache(n) auf einem möglichst hohen Niveau zu beherrschen (P1 Frau Brügge, P3 Frau Gütig, P10 Frau Fischer) und auch durch authentische Kontakte zu vertiefen. Hinzu kommt eine persönliche Motivation, „Austauschschüler beherbergt“ (P10 Frau Fischer), „ausländischer Ehemann“ oder „Verwandte im Ausland“ (P3 Frau Gütig, P2 Frau Blei, P10 Frau Fischer), also eine insgesamt hohe Affinität zu Fremdsprachen und Interkulturalität. Diese hohe Motivation zieht sich durch sämtliche hier betrachteten Sprachlernbiografien und scheint ein verallgemeinerbarer Aspekt des Berufsbildes gymnasialer Fremdsprachenlehrerinnen und -lehrer zu sein. Diesbezügliche Parallelen in der Hauptstudie bleiben abzuwarten. Insgesamt handelt es sich bei der Frage nach der Selbsteinschätzung der eigenen Sprachkompetenz eher um ein sensibles Merkmal professioneller Kompetenz, denn es ist kaum zu erwarten, dass Interviewpartner an dieser Stelle eventuelle Schwächen zugeben könnten. Hohe Fremdsprachenkompetenz ist für das berufliche Selbstverständnis von Fremdsprachenlehrkräften ein selbstverständlicher Anspruch an die eigene Professionalität. Ein Fragebogeninterview ist in diesem Fall nicht das geeignete Forschungsinstrument, wollte man diesem Problemfeld näher kommen. In einem narrativen, lediglich durch Leitfragen strukturierten Interview, das auf der Basis einer nicht-hierarchischen Kommunikation unter vier Augen stattfinden würde, könnten derartige Informationen möglicherweise erzielt werden. Etwa in dem Sinne, wie man es oft in Lehrerzimmern hören kann: „Ich kann gar nicht nach Frankreich fahren, wegen der Familie.“; „Ich verlerne mein Französisch immer mehr.“; „Es gibt kaum Fortbildungen auf Französisch.“ (vgl. auch Kapitel 5.4.2.3). Zur Diagnose der realen Fremdsprachenkompetenz, was nicht intendiert war, müsste auf Unterrichtsbeobachtungen zurückgegriffen werden. Dieser sensible Bereich wird von den hier befragten Lehrkräften als invasiv und unangenehm empfunden, da die hohe Fremdsprachenkompetenz als konstitutiv für das berufliche Selbstbild erachtet wird. In der Konsequenz werden solche Fragen in der Hauptstudie zu vermeiden sein. 5.4.1.2 Eigendefinition „Mehrsprachig sein“ • Hohes Anforderungsniveau an die eigene Mehrsprachigkeit 5.4 Analyse und Ergebnisse der Untersuchungsergebnisse 123 P1 Frau Brügge setzt ein hohes Niveau der Fremdsprachenkompetenz für die Eigendefinition „mehrsprachig sein“ an: „Ja, mit Englisch und Französisch spreche ich zwei Fremdsprachen zusätzlich zur Muttersprache Deutsch. Da ich beide Sprachen auch studiert habe, würde ich mich auch in Bezug auf das Sprachniveau als mehrsprachig bezeichnen. Mehrsprachigkeit beginnt meiner Ansicht nach zwar nicht erst auf muttersprachlichem Niveau, es muss aber dennoch ein bestimmtes Sprachniveau erreicht sein, um von Mehrsprachigkeit sprechen zu können. Grundkenntnisse in einer Sprache reichen nicht aus.“ Für P13 Frau Backfisch verbinden sich mit dem Begriff „mehrsprachig sein“ ebenfalls sehr hohe Anforderungen: „Ich würde mich als Mehrsprachig bezeichnen, da ich zum einen zwei Fremdsprachen unterrichte und diese dadurch jeden Tag, wenn auch nur auf Schülerniveau, verwende und mir durch die Schüler auch immer wieder Gedanken über einfachste grammatische Strukturen mache. Meine Kenntnisse gehen selbstverständlich weit über die Schulischen hinaus. Außerdem verwende ich, vor allem Englisch, täglich in der Familie und im Freundeskreis und habe dadurch eine near-nativeness entwickelt. Das ist auch der Hauptaspekt meiner Mehrsprachigkeit.“ P4 Frau Lund setzt fließendes Sprechen als Voraussetzung an: „Mehrsprachig zu sein, bedeutet für mich, mich in mehreren Sprachen flüssig und korrekt ausdrücken zu können, mehrere Sprachen fließend zu sprechen.“ P7 Herr Fiedler verweist auf den kulturellen Aspekt neben der reinen Sprachbeherrschung, setzt aber „mehrsprachig sein“ in Verbindung mit längeren Auslandsaufenthalten und mit bilingualer Erziehung und damit auf einem sehr hohen Niveau an: „Mehrsprachig zu sein bedeutet nicht nur die Fokussierung auf sprachliche Fertigkeiten, sondern Sprache ist vielmehr Mittel zum Zweck, um einen leichteren Zugang zu den Kulturen zu ermöglichen. Mehrsprachigkeit ist deswegen wichtig, da andere Kulturen über die Sprache verstanden werden können. Ich unterrichte mehrere Fremdsprachen und benutze diese aktiv im Unterricht. Ich bezeichne mich aber nicht als mehrsprachig aufgrund der Auslandserfahrungen die ich während meines Studiums machte, da diese nicht über einen längeren Zeitraum waren. Und dann die Bilinguale Erziehung, d. h. man ist mehrsprachig, wenn man bilingual erzogen wurde. Man spricht eine Fremdsprache als zweite Muttersprache und hat Auslandserfahrungen über einen längeren Zeitraum gemacht.“ P3 Frau Gütig orientiert „mehrsprachig sein“ und ihre eigene Fremdsprachenkompetenz an der muttersprachlichen Kompetenz und setzt damit ein sehr ho- 124 5. Die Vorstudie hes Anforderungsniveau, denn gegenüber der Muttersprache bestünden immer Lücken: „Für mich bedeutet das, dass ich mich in den Ländern, deren Sprache ich spreche, wie zuhause bewegen kann, das find’ ich sehr angenehm. Zum anderen denke ich, dass man nur durch die Sprache auch wirklich so in die Gedankenstruktur des anderen Landes eindringen kann, die Sprache hilft Einem da auf jeden Fall weiter. Ob ich selbst mehrsprachig bin, das kommt natürlich darauf an, wie man es definiert. Also ich bin jetzt nicht mehrsprachig, wie jemand, der mit zwei Sprachen aufwächst. Es ist immer Deutsch die Sprache, die Einem am nächsten ist. Also in ganz engem Sinne nicht. Ich komm immer und überall gut zurecht, aber hab’ im Englischen und Italienischen immer eine Lücke, die ich im Deutschen nicht habe. Also, es ist schon, dass ich wirklich sehr gut zurecht komm’, aber es ist nicht wie Deutsch für mich, und das kann ich für mich sagen, dass kann ich auch nicht erreichen.“ P11 Frau Stumm setzt als Anforderung für „mehrsprachig sein“ an, dass mehr als nur Grundkenntnisse vorhanden seien, verweist auf die Lektüre von Büchern und das Verstehen von Filmen und Gespräche mit Muttersprachlern: „Mehrsprachig zu sein bedeutet für mich, in mehreren Sprachen zu Hause zu sein, Bücher und Filme im Original lesen beziehungsweise anschauen zu können, sowie Gespräche mit Muttersprachlern führen zu können, ohne eine vermittelnde Instanz, wie einen Dolmetscher, zu benötigen. Nur dann kann ich sagen, was ich wirklich möchte und nur so findet für mich echte Kommunikation statt. Deshalb ist es für mich auch wichtig, mehr als nur Grundkenntnisse in einer Sprache zu besitzen, sonst würde ich mich eingeschränkt fühlen. Mehrsprachigkeit gibt mir auch eine große Freiheit und Selbständigkeit beim Reisen, denn ich kann mich ohne Probleme zurecht finden oder notfalls Fragen stellen.“ P2 Frau Blei setzt ausschließlich Muttersprachenkenntnisse als Kriterium für Mehrsprachigkeit an: „Ich würde mich nicht als mehrsprachig bezeichnen, weil das bedeuten müsste, mehrere Muttersprachen zu besitzen. Ich spreche zwar Englisch und Französisch und außerdem noch andere Sprachen aus Volkshochschulkursen, aber ich habe nur Deutsch als Muttersprache.“ • Geringeres Anforderungsniveau an die eigene Mehrsprachigkeit P9 Frau Kuhlmann bezeichnet sich als mehrsprachig, setzt aber das Anforderungsniveau niedriger an: 5.4 Analyse und Ergebnisse der Untersuchungsergebnisse 125 „Ich stelle mir unter dem Konzept „Mehrsprachigkeit“ vor, mindestens eine Fremdsprache aktiv einigermaßen fehlerfrei zu beherrschen. Wünschenswert wären aber zwei bis drei Fremdsprachen.“ P6 Frau Holtz gibt Basiskenntnisse in mehreren Sprachen als Anforderungsniveau für „mehrsprachig sein“ an und weist auch auf die positive Wirkung des Lateinlernens für weiteren Spracherwerb hin: „Mehrsprachigkeit bedeutet für mich Basiskenntnisse in Sprachen zu haben und man muss nicht das höchste Niveau erreicht haben, um sich als mehrsprachig bezeichnen zu können. Latein stellt einen guten Ausgangspunkt dar.“ P12 Frau Eulert definiert ihr „mehrsprachig sein“ über das fließende Sprechen zweier Sprachen: „Ja, ich würde mich als mehrsprachig bezeichnen, weil ich zwei Sprachen fließend sprechen kann.“ Für P5 Herr Grau ist die Kommunikation mit fremdsprachigen Sprecherinnen und Sprechern wichtiges Kriterium und mehr als nur Grundkenntnisse zu haben: „Für mich bedeutet das vor allem, mit Leuten aus anderen Ländern kommunizieren zu können. Die sind dann aufgeschlossener. Man muss schon zwei Fremdsprachen beherrschen und zwar mehr als nur Grundkenntnisse.“ P10 Frau Fischer verweist als Einzige bei ihrer Beschreibung des Anforderungsniveaus „mehrsprachig sein“ auf das Konzept der rezeptiven Mehrsprachigkeit: „Ich bin mehrsprachig und genieße es sehr. Von Konrad Schröder, der Professor für Fachdidaktik Englisch an der Uni Augsburg war, habe ich davon gehört, Mehrsprachigkeit durch rezeptives Lernen von Sprachen. Also in mehreren Sprachen kommunizieren können und sich in den Ländern verständigen können.“ • Zusammenfassung der Ergebnisse zur Kategorie: „Mehrsprachig sein“ Besonders interessant sind die zentralen Einstellungen der Lehrenden zu den Fragen „Mehrsprachig zu sein bedeutet für mich …“ und „Ich bin mehrsprachig / nicht mehrsprachig“ . Auffällig sind die hoch gesteckten Kriterien für die Definition der Mehrsprachigkeit; fließend und korrekt die unterrichteten Fächer zu sprechen und sich mit Angehörigen anderer Kulturen verständigen zu können. Außerdem werden genannt: „Gefühl der Unabhängigkeit und Selbstvertrauen; Möglichkeit, im Ausland zu studieren“ (P9 Frau Kuhlmann), „zwei oder mehrere Fremdsprachen sprechen zu können“ (P12 Frau Eulert) aber auch „Bücher und 126 5. Die Vorstudie Filme im Original lesen bzw. ansehen können“ (P11 Frau Stumm). Diese hohen Ansprüche scheinen sich an schulischen Kernkompetenzen des gymnasialen Fremdsprachenunterrichts auszurichten und entsprechen nicht dem Ansatz einer funktionalen Mehrsprachigkeit (vgl. Lehrplan für das Gymnasium in Bayern 28 ): „Im Anschluss an die Spracherwerbsphase fördert der themenorientierte, unterschiedliche kulturelle und gesellschaftliche Aspekte zunehmend verknüpfende Unterricht in der Oberstufe und in den Seminaren exemplarisch ein vertieftes Literaturverständnis sowie die Weiterentwicklung landeskundlicher wie interkultureller und methodischer Kompetenzen und motiviert für ein lebenslanges Lernen. Die Schüler erwerben so die nötigen Kompetenzen, um vielfältige mündliche und schriftliche Kommunikationssituationen in Privatleben, Studium und Beruf sicher und flexibel in französischer Sprache zu bewältigen. Sie verfügen damit auch über die sprachlichen Voraussetzungen für den Erwerb der vom französischen Staat verliehenen, weltweit gültigen Zertifikate DELF .“ ( ISB 2017) Bei der Einschätzung der eigenen Mehrsprachigkeit schlagen gymnasiale Ansprüche an eine möglichst hohe und weit entwickelte Fremdsprachenkompetenz durch, die die Befragten offenbar auch an sich selbst anlegen. Der überwiegende Teil der befragten Lehrerpersonen gibt an, sich für mehrsprachig zu halten, lediglich zwei Personen nehmen dies nicht für sich in Anspruch (P2 Frau Blei, P3 Frau Gütig). Hier ist die folgende Begründung besonders interessant: „Ich sehe mich nicht als mehrsprachig, da ich nie Muttersprachenniveau in mehreren Sprachen erreichen kann […]“ (P2 Frau Blei), weil sie anzeigt, dass hier besonders hohe Ansprüche geäußert werden (Muttersprachenniveau). Dies korrespondiert auch mit den oben genannten Einstellungen von Gymnasiallehrerinnen und -lehrern zu ihrer Professionalität und mit den - durch starke Motivation und persönliches Engagement geprägten - Sprachlernbiografien der befragten Lehrkräfte. Diese Äußerungen werden durch die Studie von Yüksel Ekinci und Habib Günesli (2016) bestätigt (vgl. Kapitel 7 und 8), in deren Untersuchung sich die Lehrpersonen ohne migrationsbedingte Mehrsprachigkeit eher als nicht mehrsprachig bezeichnen, auch wenn sie teilweise drei Sprachen beherrschen, wohingegen die Lehrpersonen mit einem solchen Hintergrund sich in ihrer klaren Mehrheit als mehrsprachig bezeichnen. Auch hier gibt das „Muttersprachenargument“ den Ausschlag: „Fast 45 % der Lehrkräfte mit einem migrationsbedingt mehrsprachigen Hintergrund sprechen demnach drei Sprachen. Die Anzahl derjenigen, die zwei und mehr als drei 28 Fachprofil Französisch Bayern, 2017: http: / / www.isb-gym8-lehrplan.de/ contentserv/ 3.1.neu/ g8.de/ index.php? StoryID=26370 5.4 Analyse und Ergebnisse der Untersuchungsergebnisse 127 Sprachen in ihrem Repertoire haben, liegt bei fast 30 %. Die Angaben ihrer Kolleg_innen mit keinem migrationsbedingt mehrsprachigen Hintergrund liegen mit steigender Sprachanzahl stets unter denen der Lehrkräfte mit Migrationshintergrund. […] Dementsprechend bezeichnen sich im Vergleich zu den migrationsbedingt mehrsprachigen Lehrkräften nur 67,3 % der nicht migrationsbedingt mehrsprachigen Lehrkräfte als nicht mehrsprachig. […] Dies trifft für einen sehr viel niedrigeren Teil (2,2 %) der erstgenannten Lehrer_innen zu. Diese bezeichnen sich zu fast 85 % als mehrsprachig und nur 13 % als nicht mehrsprachig.“ (Ekinci & Günesli 2016: 34; Hervorhebungen im Text) Diese Einschätzungen zu kompetenter Fremdsprachenbeherrschung stellen offenbar eine Schlüsselaussage zur Mehrsprachigkeitsdiskussion dar, denn im Umkehrschluss hängt die weiter unten geäußerte Skepsis gegenüber der Einbeziehung möglicher Schülerfremdsprachen daran. Nur bei eigener, hoher Fremdsprachenkompetenz scheint dies für die Lehrkräfte denkbar und praktikabel. Durch das Studium und die Sprachausbildung in den universitären Philologien (Romanistik, Anglistik, Hispanistik etc.), die kaum fächerübergreifend, interdisziplinär organisiert sind, werden die genannten Kompetenzvorstellungen generiert und die Lehrkräfte als Spezialisten für eine Sprache bzw. zwei Sprachen - je nach Studienfächerwahl - in ihrer Selbsteinschätzung und institutionellen Zuordnung festgelegt. Damit wird fächerübergreifendes respektive sprachübergreifendes Denken und Arbeiten bereits durch die Ausbildungssituation erschwert. Hierauf hat Gudrun Ziegler (2013) hingewiesen (vgl. auch Kapitel 7), die beklagt, dass die Fremdsprachenlehrerausbildung keine oder nur eine geringe multilinguale Ausrichtung habe und in ihren Disziplingrenzen verharre, obwohl die Schülerbiographien längst eine mehrsprachige Realität repräsentieren. „Language-teacher education largely fails to integrate in a sustainable and tangible way, for trainers and trainees, the issue of language teaching as plurilingual education in general. This has massive implications for the professional identity of language teachers, because disciplinary delimitations (e. g. the delimitations between two languages) are a heavy burden.” (Ziegler 2013: 19 f. - Hervorhebungen im Text) Nach Ziegler muss die Lehrerbildung eine professionelle Identität herausbilden helfen, in der mehrsprachige Inhalte und Sichtweisen mit den verschiedensten Themenbereichen verknüpft sind. Tatsächlich könnten die lebensweltlichen Realitäten der Lernenden als Leitlinie der thematischen, mehrsprachigen Arbeit der Lehrpersonen dienen. Ziegler weist hier vor allem auf die fächer- und sprachübergreifende Dimension hin, wo sie Defizite erkennt: “Most of these initiatives address the “across-discipline” or “language-transversal” perspective despite the fact that - interestingly - plurilingual initiatives on the level of 128 5. Die Vorstudie language teacher education are still an exception.“ (Ziegler 2013: 20; Hervorhebungen im Text) Dieser Befund, wonach die Fachgrenzen zwischen den Schulfremdsprachen praktisch undurchlässig seien, wird durch meine Vorstudie bestätigt und könnte sich als zentrales Motiv für die Äußerungen in der Hauptstudie erweisen: die Fixierung der Lehrerinnen und Lehrer auf die unterrichtete Fremdsprache als konstitutives Element ihrer Berufspraxis. 5.4.1.3 Mehrsprachigkeit und Unterricht • Bewusste Integration und strategische Konzepte Sehr umfangreich und mit der Nennung konkreter Lern- und Präsentationsstrategien äußert sich P11 Frau Stumm. In der folgenden, längeren Passage entwickelt sie ein methodisch-didaktisches Vorgehen, das sehr breit aufgefächert ist und Fachtermini ( Skimming, Scanning , Kognaten) verwendet: „Ja, das mache ich, wann immer möglich. Oftmals ergibt es sich von ganz alleine. Wenn ich zum Beispiel in einer Vertretungsstunde in der fünften Klasse sage, dass ich Spanischlehrerin bin, sagt ein Schüler, dass er auch Spanisch kann und wir wechseln ein paar Sätze. Die anderen Kinder finden das total spannend und plötzlich ruft einer: „Ich kann Türkisch”. Dann vergleichen wir zum Beispiel Begrüßungsfloskeln in allen Sprachen, die in der Klasse vorhanden sind. Das macht den Kindern großen Spaß. In den älteren Klassen versuche ich, den Schülern bewusst ihre durch andere Sprachen vorhandenen Kompetenzen aufzuzeigen. Wenn wir zum Beispiel in der achten Klasse für die Schulaufgabe Leseverstehen üben, benutze ich gerne kurze Originaltexte wie zum Beispiel Unfallberichte aus spanischen Lokalzeitungen. Wenn dann ein Bild von einem verunglückten Bus auf Folie erscheint, ruft schon der erste Schüler: „Da ist ein Bus verunglückt.” Ich fordere die Schüler dann auf, im Text Beweise zu finden. Die Idee ist, dass sie dann nach bekannten Wörtern, wie in diesem Fall ‚autobús’ oder ‚accidente’ suchen, oder nach Internationalismen oder Kognaten. Somit werden sie einerseits mit Techniken wie dem Skimming oder Scanning vertraut gemacht und nutzen andererseits ihr mehrsprachiges Wissen. Selbst wenn sie das spanische Wort für Unfall noch nicht kennen, können sie es meistens durch ihre Englischkenntnisse erkennen. Schüler mit weiteren Muttersprachen bringen sich dann oftmals ein und sagen, dass es bei ihnen ähnlich heißt. Besonders diese Schüler verstehen die Nützlichkeit dieses Wissens sehr schnell.“ P2 Frau Blei gibt an, immer wieder kontrastives Vorgehen in ihren Unterricht zu integrieren um mehrsprachige Zusammenhänge deutlich zu machen: 5.4 Analyse und Ergebnisse der Untersuchungsergebnisse 129 „Ich konnte durch das Einbeziehen anderer Sprachen und der Muttersprachen der Schüler Mehrsprachigkeit zum Thema machen. Auch im Französischunterricht konnte ich durch meine Türkischkenntnisse und durch Anregungen der Schüler Parallelen zum Vokabular des Französischen feststellen und ich nutze das seit jeher im Unterricht. Auch der Vergleich Englisch und Französisch hat sich für mich als gewinnbringend erwiesen, hier vor allem in der Oberstufe im Bereich der kontrastiven Grammatik. Ähnlichkeiten und Unterscheide der beiden Sprachen können den Schülern helfen.“ • Gute Fremdsprachenkompetenz als Voraussetzung P1 Frau Brügge hat eine klare Einstellung zur Sprachenfolge und zu den eventuell auftretenden Interferenzen, die sie kontrastiv in Französisch-Spanisch beobachtet hat. Bedingung für erfolgreiche Mehrsprachigkeit liege in der guten Festigung der vorgängigen Sprache: „Ich weise zum Beispiel im Französischunterricht schon darauf hin, dass sich die romanischen Sprachen untereinander sehr ähneln und es viele Parallelen gibt, was das Lernen einer weiteren romanischen Sprache erleichtern würde. Ich habe aber die Erfahrung gemacht, dass Schüler die dann beispielsweise Spanisch als Wahlfach dazu nehmen, im Französischen eher Probleme bekommen. Wortbedeutungen, aber auch Grammatisches wird oft verwechselt. Ich denke einfach, dass, um Mehrsprachigkeit aufzubauen eine Fremdsprache schon deutlich gefestigt sein muss, was teilweise in den unteren Klassen noch nicht immer der Fall ist.“ • Gelegentliche Integration P6 Frau Holtz gibt an, sie habe sich bei der Integration von Mehrsprachigkeit in ihren Fremdsprachenunterricht immer auf die Lehrmaterialien gestützt und dabei gelegentliche Hinweise gegeben. „Ich habe Mehrsprachigkeit soweit zum Thema gemacht, wie es die Lehrmaterialien hergaben. In meiner aktiven Zeit als Lehrerin habe ich mit „Ensemble“ vom Klett- Verlag gearbeitet und in dem Buch wird zum Beispiel auf die arabische Herkunft des Wortes „bœuf “ hingewiesen.“ • Keine Integration In dieser Subkategorie werden vor allem Argumente und Aspekte wie: Zeitmangel, organisatorische Hürden oder noch mangelnde Fremdsprachenkompetenz genannt, um zu begründen, warum mehrsprachigkeitsdidaktische Phasen keinen Platz im Unterricht finden. Die folgenden Lehreräußerungen verdeutlichen dies: P13 Frau Backfisch habe nach eigenen Aussagen explizit noch nie Mehrsprachigkeit in ihren Unterricht integriert, vor allem wegen mangelnder the- 130 5. Die Vorstudie matischer Übereinstimmung und mangelnder Fremdsprachenkenntnisse bei Lehrenden und Lernenden: „Ich habe Mehrsprachigkeit bisher noch nie explizit zum Thema meines Unterrichts gemacht hat. Zumindest nicht Mehrsprachigkeit im Sinne des Fragebogens. Im Rahmen des Sprachenunterrichts Englisch und Spanisch habe ich zwar über Mehrsprachigkeit im Süden der USA , Cataluña, dem Baskenland und Galizien gesprochen. Die Brücke zur Sprachsituation in Deutschland konnte allerdings nie geschlagen werden, da es thematisch zu wenige Übereinstimmungen gab. Auch der zeitliche Rahmen dafür wäre zu knapp bemessen und nicht in einer Einheit, auf die Schnelle, angemessen behandelbar. Meiner Meinung nach wäre dieses Thema auch nur dann sinnvoll, wenn in einer Klasse sowohl der Lehrer als auch die Schüler mehrere Sprachen sprächen und somit ein Vergleichsmoment gegeben wäre.“ P7 Herr Fiedler gibt an, er komme aus Zeitgründen kaum dazu, Mehrsprachigkeit zu thematisieren, behandele aber „Spanglish“: „Ich thematisiere in meinem Unterricht vor allem das sogenannte „Spanglish“, das heißt das Vermischen von Englisch und Spanisch. Ansonsten eher weniger, der Unterrichtsstoff ist relativ dicht und lässt wenig Zeit für die Sensibilisierung im Rahmen der Mehrsprachigkeit.“ P3 Frau Gütig sieht die Möglichkeiten der Integration von Mehrsprachigkeit in den Fremdsprachenunterricht als nur begrenzt, weil die Lernenden keine Voraussetzungen zum Vergleich hätten, außerdem sei die Sprachenfolge in Bayern viel zu straff: „Nein, eigentlich nicht direkt. Also, wenn ich eine Vokabel erklär, geh ich schon auf die anderen Sprachen ein. Bei mir halt so, das habt ihr doch im Englischen schon gehabt. Aber das ist schwer. Und gerade mit dem Vergleich der romanischen Sprachen, das nützt den Schülern ja nichts, weil die ja entweder Italienisch, oder Spanisch, oder Französisch lernen. Das machen sie ja nie gleichzeitig. Ich kann höchstens auf Latein eingehen, wenn mir da noch was einfällt von meinen rudimentären Kenntnissen von früher. Oder halt Englisch und Italienisch im Kontrast, aber die anderen Sprache’) das nutzt ja nix. Da ist eigentlich diese Sprachfolge, wie sie in Bayern möglich ist, viel zu straff.“ P12 Frau Eulert hat sich bewusste gegen die Integration von Mehrsprachigkeit in den Unterricht entschieden, weil sie sich auf eine einzige Sprache konzentrieren müsse und Deutsch als gemeinsame Muttersprache angesehen wird: „Ich mache die Mehrsprachigkeit nicht zum Thema meines Unterrichts, da ich mich auf die englische Sprache konzentriere. Wenn es aber von den Schülern selbst an- 5.4 Analyse und Ergebnisse der Untersuchungsergebnisse 131 gesprochen wird, dann gehe ich durchaus auch auf andere Sprachen ein. Ansonsten läuft der Unterricht nach dem Prinzip ab, dass Deutsch als Muttersprache und Englisch als Zielsprache angesehen wird. Zum einen sind Türkisch und Russisch dem Englischen sehr fern und es gibt nicht viele Gemeinsamkeiten, zum anderen können alle meine Schüler perfekt Deutsch.“ P5 Herr Grau sieht bei der Integration der Mehrsprachigkeit sofort mögliche Parallelen zum Türkischen, das er aber nicht spricht. Außerdem sollen die Schülerinnen und Schüler Deutsch lernen. Dennoch findet er das Thema wichtig, zumal er als Fachbetreuer für die Fremdsprachen werbe: „Hier geht es vor allem um das Türkische es ist für einen Lehrer nicht unbedingt sinnvoll oder zwingend notwendig, Türkisch zu lernen, da die Schüler eigentlich Deutsch lernen sollen. Ich gehe im Unterricht auf Mehrsprachigkeit passiv und implizit ein, aktiv und explizit behandele ich dieses Thema selten. Einmal jedoch habe ich es behandelt, weil es in meinem Leistungskurs als Thema im Lehrbuch angeführt war. Ich halte die Mehrsprachigkeit für ein ergiebiges und gutes Thema und habe im Schulalltag relativ viel damit zu tun, da ich Fachbetreuer bin und in meinen Klassen das Lernen mehrerer Sprachen bewerbe.“ P9 Frau Kuhlmann äußert sich nur lakonisch, dass sie ab und zu Mehrsprachigkeit zum Thema mache, während P8 Herr Baltzer nur sehr knapp bemerkt, dass er aus Zeitmangel und wegen überfrachteter Lehrpläne keine kreativen Phasen einbauen könne. P4 Frau Lund antwortet mit einem einfachen „Nein“ . Schließlich äußert sich P10 Frau Fischer ablehnend. Sie weise ihre Schüler darauf hin, dass es viele Sprachen gibt, sagt ihnen, dass es schön sei mehrere Sprachen zu sprechen und dass sie es selbst auch sehr genieße, fügt dann im Interview hinzu: „Mehr aber nicht“. • Zusammenfassung der Ergebnisse zur Kategorie: Integration von Mehrsprachigkeit in den Fremdsprachenunterricht Mehrsprachigkeit und Mehrsprachigkeitskonzepte werden in gleicher Verteilung von den Befragten in Bezug auf den Unterricht thematisiert beziehungsweise nicht thematisiert. Sechs Personen geben an, den Interkomprehensionsansatz gut zu kennen, während sieben Personen ihn nicht kennen. Dies ist ein Hinweis darauf, dass ein in der Fachdidaktik und der Linguistik viel diskutierter Begriff (vgl. Doyé 2005; Bär 2004 und 2009; Meißner & Morkötter 2009; Meißner 2010) sich anscheinend noch nicht bis in die Schulrealität und zu den dort beruflich Handelnden durchgesetzt hat. Eine prinzipielle Dichotomie der Einstellungen zeigt sich bei der Frage nach der rezeptiven Mehrsprachigkeit: sich in einer anderen Sprache verständigen können vs. etwas in einer anderen 132 5. Die Vorstudie Sprache (schriftlich oder mündlich) verstehen. Während die Anforderung „Sich verständigen“ aktives Sprechen mit einschließt, meint „Verstehen“ das Dekodieren von Äußerungen, auch unter Zuhilfenahme von Kenntnissen anderer Sprachen. In diesem Zusammenhang verweisen mehrere Interviewpartner auf die Zusammenhänge innerhalb der romanischen Sprachfamilie (Interkomprehension), ebenfalls werden Erschließungsstrategien angesprochen (vgl. z. B. Klein & Stegemann 1999). Zur möglichen Interkomprehension hat eine Interviewpartnerin eine auffällige Einstellung. P13 Frau Backfisch vertritt die These, dass muttersprachlich spanischsprachige Schülerinnen und Schüler das Fach Spanisch nur wählten, weil sie damit weniger Arbeitsaufwand hätten. Sie bezeichnet das mit: „aus Faulheit“. Diese negative Einstellung erstaunt, denn die Lehrerin könnte die Präsenz von Lernenden mit einem romanischen, muttersprachlichen Hintergrund als profitabel für ihren Unterricht ansehen. Im Gegensatz zu überwiegend mündlicher Arbeit im Unterricht nennt eine Probandin das Leseverstehen als Ziel, da eine visuelle Stütze das Verstehen erleichtere. Auch wird von einer Probandin angenommen, dass sich mehrsprachiges Verstehen ab einer kritischen Masse von Fremdsprachenkenntnissen selbständig entwickle. Zwei Stellungnahmen liegen außerhalb der oben genannten Dichotomie der Kernaussagen, indem zum Einen die Bemühungen um Mehrsprachigkeit ganz aus der Schule verbannt werden und zum Anderen Mehrsprachigkeit nur dann als Bezeichnung akzeptiert wird, wenn muttersprachenähnliche Kenntnisse vorhanden sind. Insgesamt lässt sich eine gewisse Skepsis bei den befragten Gymnasiallehrerinnen und -lehrern bezüglich der Einbeziehung mehrsprachiger Lernender konstatieren. Neben der Nicht-Beherrschung der Herkunftssprachen außerhalb der Romania wird vor allem auf den Lehrgangscharakter des Fremdsprachenlernens, die Interferenzproblematik und das gymnasiale Anforderungsniveau abgehoben. 5.4.1.4 Lebensweltliche Mehrsprachigkeit und Einbeziehung der Herkunftssprachen der Schüler • Skepsis gegenüber nicht-romanischen Herkunftssprachen P1 Frau Brügge nutzt die Herkunftssprache gelegentlich zur Semantisierung, empfindet aber den Rückgriff auf Türkisch oder andere, nicht-romanische Sprachen als nicht förderlich für die Schülerinnen und Schüler, da diese ihr Deutsch weiter entwickeln müssen und durcheinander gebracht werden: 5.4 Analyse und Ergebnisse der Untersuchungsergebnisse 133 „Hauptsächlich frage ich nach einzelnen Wortbedeutungen („Wie heißt das in deiner Sprache? “) Schüler sind aber dadurch oft überfordert; können nicht so schnell umschalten und wissen dann die Bedeutung oft nicht, auch wenn sie sicherlich über die nötige Kompetenz in der Sprache verfügen. Es hängt auch sehr viel davon ab, wie gut die Schüler die Sprache ihrer Eltern beherrschen. Auf das Türkische oder andere, nicht romanische Sprachen, gehe ich eigentlich nicht ein. Ich finde es auch nicht so gut, die Ausgangssprachen der Schüler mit einzubeziehen, denn sie sollen sich ja an das Deutsche gewöhnen.“ • Skepsis aufgrund von Interferenzen P13 Frau Backfisch versucht, Herkunftssprachen einzubeziehen, sieht aber Probleme mit Interferenzen. Sie nutzt eher die bereits gelernten Schulfremdsprachen zur Herleitung von Lexik oder Syntax. Auffällig ihr Urteil, Lernende würden aus Gründen der „Arbeitsersparnis“ einfach die muttersprachlichen Wörter benutzen, was sie nicht dulden könne: „Ich habe ein großes Interesse an anderen Sprachen, meinen Schülern und deren kulturellen Hintergrund. Ich versuche, immer wieder die vorhandenen Sprachen in den Unterricht mit einzubeziehen. Gelegentlich bietet sich dadurch auch die Möglichkeit, auf lnterferenzen hinzuweisen. Die vorhandenen Sprachen sind jedoch sehr zahlreich und gehören verschiedensten Sprachfamilien an, deshalb ist ein Vergleich nicht immer möglich. Im Wesentlichen nutze ich die bereits in der Schule gelernten Sprachen Englisch, Latein, Spanisch, Französisch und deren Vokabular und Grammatik als Grundlage für Vergleiche. Meistens können solche Vorkenntnisse bzw. Wissen in anderen Sprachen bei der Vokabelarbeit und dabei zur Erschließung neuen Vokabulars verwendet werden.“ und: „Ich mache schon eine Unterscheidung zwischen Schülern die sich bemühen sich in der Sprache entsprechend grammatikalisch richtig auszudrücken und den anderen, die aus Faulheit Defizite aufweisen und es eigentlich besser könnten. Zum Beispiel ein Schüler aus der dreizehnten Klasse mit italienischem Migrationshintergrund. Der hat aus Arbeitsersparnis immer wieder versucht sich durch seine Italienisch Kenntnisse zu retten. (sposo -> marido / esposo, etc.). In solchen Situationen kann ich nicht nachsichtig sein.“ • Einbeziehung bei romanischen Herkunftssprachen P3 Frau Gütig bezieht Englisch und die romanische Sprachenfamilie mit ein, bemängelt allerdings, dass die Schülerinnen und Schüler mit romanischer Her- 134 5. Die Vorstudie kunftssprache immer genau diese Sprache als zu lernende Fremdsprache wählen. Die Einbeziehung erfolgt für die Lehrerin daher nur eingeschränkt: „Ja, das ist eigentlich wie bei der letzten Frage, höchstens was Vokabular betrifft. Ich kann Englisch für Grammatik überhaupt nicht hernehmen, ich könnt höchstens auf Latein zurückgreifen wenn ich Verbkonjugationen erklär, aber das hat man selber auch nicht mehr so präsent, da müsst ich dann Lateinlehrer sein. In den meisten Fällen lernen auch die Kinder mit italienischen Wurzeln italienisch bei uns, die mit spanischen Wurzeln spanisch, das ist natürlich immer der leichtere Weg für sie. Auch wenn wir dann sagen, es wäre doch super, wenn du noch ne Sprache kannst, aber das ist der häufigste Weg.“ P5 Herr Grau benutzt die Herkunftssprachen zur Motivation bei jüngeren Lernenden und später für die Aussprachschulung, wenn Schülerinnen und Schüler mit romanischen Herkunftssprachen zum Vorlesen von Texten genutzt werden können: „In meiner 6. Klasse beziehe ich die Spracherfahrungen meiner Schüler aus pädagogisch-motivatorischen Gründen mit ein und finde dieses Vorgehen sehr sinnvoll. Für eine Schülerin mit Migrationshintergrund, die etwas Interessantes aus Ihrer Muttersprache zum Unterricht beitragen kann, ist das sehr toll, wenn ihre Klassenkameradinnen ihr zuhören und sich auch für ihre Muttersprache interessieren. Eine andere Gelegenheit, die Vorkenntnisse meiner Schüler für die Gestaltung des Unterrichts zu nutzen, ist das Üben von Hörverstehen. So lasse ich oft einen Muttersprachler die zu behandelnden Texte lesen, anstatt eine Kassette oder eine CD zu benutzen. Auch bediene ich mich der Möglichkeit, die Aufgabenverteilung in der Klasse so zu gestalten, dass Muttersprachler schwierigere Aufgaben erteilt bekommen, wodurch eine Binnendifferenzierung bewirkt wird.“ • Einbeziehung der Herkunftssprachen als Chance Für P10 Frau Fischer sind Verweise auf die Herkunftssprachen eine Chance für den Unterricht: „Natürlich nutze ich die vorhandenen Sprachen. Vor allem beim Ableiten von Wörtern. Ich lasse auch gerne Schüler erzählen, was sie erfahren haben in anderen Ländern oder mit anderen Kulturen, also landeskundliche Aspekte. Interferenzen sehe ich nicht als Problem. Ich bewerte Interferenzfehler nach dem Prinzip der Verständlichkeit.“ • Keine oder kaum Einbeziehung der Herkunftssprachen P6 Frau Holtz stellt keine sprachlichen Bezüge zwischen den Schulfremdsprachen und den Herkunftssprachen her, gibt aber Informationen zu kulturellen Eigenarten der verschiedenen Länder. Auch P9 Frau Kuhlmann weist auf die 5.4 Analyse und Ergebnisse der Untersuchungsergebnisse 135 Gefahr von Interferenzen hin und benutzt deshalb die Herkunftssprachen nicht. P8 Herr Baltzer findet es schade, nutzt aber aus Zeitmangel ebenfalls die Herkunftssprachen nicht. P2 Frau Blei beschreibt ihre Klassen als weitgehend monolingual und hat daher keine Gelegenheit, die Herkunftssprachen ihrer Schülerschaft miteinzubeziehen. P4 Frau Lund trifft auf das Phänomen, dass ein arabischer Junge seine eigene Herkunftssprache ablehnt: „Ich habe in meinem LK einen Jungen mit arabischer Herkunft. Allerdings möchte er nicht gerne darüber sprechen und hat es nicht gerne, wenn seine Zweisprachigkeit zum Thema wird. Ich finde das sehr schade, da ich schon öfters seine Erfahrung mit seiner Zweitsprache mit in den Unterricht einbauen wollte, aber ich muss seine Entscheidung respektieren. Ich kann die Herkunftssprache nicht nutzen, denn der Schüler möchte nicht, dass es thematisiert wird, dass er eine andere Sprache spricht, also ist es schwierig.“ P7 Herr Fiedler geht nicht direkt auf die Frage nach den Herkunftssprachen der Schülerschaft ein, sondern geht davon aus, dass Englisch als erste Fremdsprache alle Kinder gemeinsam beherrschen und bezieht nur dies in den Unterricht ein: „Ich baue hauptsächlich auf den Kenntnissen in der ersten Fremdsprache Englisch auf, da diese von allen Schülern gesprochen wird. Überwiegend durch Wortschatz- und Grammatikvergleich zwischen den einzelnen Sprachen.“ Mangels eigener Kenntnisse in diesen Sprachen bezieht P12 Frau Eulert die Herkunftssprachen ihrer Schülerinnen und Schüler nicht in ihren Unterricht mit ein. Im Übrigen seien alle Lernenden perfekt in Deutsch, was in einem Gymnasium zu erwarten sei, wie sie an anderer Stelle ausführt: „Ich beziehe die vorhandenen Sprachen deshalb nicht ein, weil alle perfekt Deutsch können und weil ich persönlich kein Türkisch oder Russisch kann. Selbst wenn ich türkische oder russische Hinweise geben würde, würde der Großteil der Klasse diese nicht verstehen, weshalb ich es vorziehe, die anderen Sprachen in meinem Unterricht beiseite zu lassen.“ P11 Frau Stumm bezieht Herkunftssprachen spontan oder situativ mit in den Unterricht ein, sieht aber die Gefahr der Interferenzen. „Entweder ich beziehe es spontan oder situativ mit ein, wie in den Vertretungsstunden‚ oder ich baue gezielt darauf auf, wie in den Übungen zum Leseverständnis. Die Schüler können oft erstaunliche Brücken schlagen und profitieren auch stark davon. Aufpassen muss man natürlich, wenn durch die Muttersprache negative Interferenzen entstehen. Das versuche ich schnellstmöglich zu unterbinden.“ 136 5. Die Vorstudie • Zusammenfassung der Ergebnisse zur Kategorie: „Einbeziehung der Herkunftssprachen“ Bezogen auf die Herkunftssprachen und ihre Einbeziehung in den Fremdsprachenunterricht, decken sich die hier geäußerten Einstellungen weitgehend mit den breiten, deutschlandweiten Erhebungen von Ekinci und Günesli (2016). Zum Einen ist die hier untersuchte Gruppe insofern homogen, als sie zu 100 % aus Lehrpersonen mit „keinem migrationsbedingten mehrsprachigen Hintergrund“ (kmbmH) (vgl. die in Ekinci & Günesli 2016 von den Autorinnen verwendete Abkürzung) handelt; dort sind dies 80 % kmbmH, während 20 % der Lehrpersonen der bundesweiten Studie einen migrationsbedingten, mehrsprachigen Hintergrund haben. Weiterhin weisen die befragten bayerischen Lehrerinnen und Lehrer auf die insgesamt große Vielfalt - bei geringem Anteil der romanischen Sprachenfamilie - der in ihren Klassen vorhandenen Herkunftssprachen hin. Dies deckt sich mit der Ekinci und Günesli-Studie, denn dort liegen sie im Schnitt in den Sekundarstufen I und II für die fünf bedeutendsten Migrationssprachen in der Deutschen Schule bei: Sekundarstufe I Sekundarstufe II Türkisch 10,0 % 12,7 % Russisch 7,8 % 10,4 % Polnisch 7,5 % 9,2 % Kurdisch 5,7 % 6,3 % Arabisch 7,5 % 7,3 % Tab. 4: Migrationssprachen an deutschen Schulen (umgezeichnet nach Ekinci & Günesli 2016: 38) Die Äußerung von P7 Herr Fiedler (s. o.) entspricht den Erkenntnissen aus der Ekinci und Günesli-Studie, wonach nur die Hälfte der untersuchten Lehrkräfte die Erstsprachen ihrer Schülerschaft in den Unterricht einbeziehen und einige vor allem von der Lingua franca Englisch als gemeinsamer Sprache ausgehen. In diesem Zusammenhang ist die Argumentation der die Herkunftssprache „ablehnenden“ Lehrer aus der Ekinci und Günesli-Studie interessant, die sich deutlich mit denen meiner Vorstudie (vgl. P1 Frau Brügge; P5 Herr Grau s. o.) deckt: „Doch, welche Sichtweise vertreten die Lehrkräfte, die den Gebrauch der Erstsprachen im Unterricht nicht befürworten? Lehrer_innen, die sich gegen den die Anwendung der Erstsprachen im Unterricht aussprechen, heben, ähnlich wie die Befürworter, so- 5.4 Analyse und Ergebnisse der Untersuchungsergebnisse 137 wohl personelle als auch kognitive und soziale Aspekte hervor. Am wichtigsten sind ihnen die Sprachkenntnisse ihrer sprachlich heterogenen Schülerschaft in Deutsch. Sie sollen in der Schule die Gelegenheit nicht verpassen, sich mit der deutschen Sprache und ihrer Struktur ausführlich und intensiv zu befassen, „denn woanders lernen sie es nicht“, so die Meinung der Lehrkräfte. Deshalb sei der Fachunterricht in Deutsch wichtiger. […] Darüberhinaus unterstützen sie die Identifikation dieser Schüler_innen mit Deutschland. Deshalb sollen sich die migrationsbedingt mehrsprachigen Schüler_ innen mit der deutschen Sprache und Kultur auseinandersetzen.“ (Ekinci & Günesli 2016: 53; Hervorhebungen im Text) Die bereits im Zusammenhang mit der vorhergehenden Kategorie beobachtete Skepsis der Lehrpersonen bezüglich der Einbeziehung der migrationsbedingten Mehrsprachigkeit setzt sich hier deutlich fort. Zusätzlich wird auch erwähnt, dass Interferenzen negative Wirkung beim Fremdsprachenlernen hätten. Schließlich gebe es unterschiedliche Sensibilitäten bezüglich der eigenen Muttersprache innerhalb der verschiedenen Lerngruppen und man wolle und könne sich da nicht zu weit vorwagen. Als weiteres wichtiges Argument wird einerseits die Nicht-Beherrschung der Herkunftssprachen genannt und andererseits bestehen die Interviewpartnerinnen und -partner auf der perfekten Beherrschung des Deutschen und lehnen daher die Einbeziehung der Herkunftssprachen ab; das Gymnasium sei monolingual zu sehen. Dies knüpft an die Übergangsbestimmungen der 4. Jahrgangsstufe der Grundschule für den Zugang zum bayerischen Gymnasium und der besonderen Bedeutung der Leistungen in den Fächern Deutsch, Mathematik und Heimat- und Sachunterricht an. Um für die Grundschülerinnen und -schüler die Schullaufbahnempfehlung für den Besuch eines Gymnasiums zu erhalten, heißt es laut Ministerium, dass „[für] den Übertritt auf das Gymnasium eine Durchschnittsnote von mindestens 2,33 erforderlich [sei]“ (Bayerisches Staatsministerium für Bildung und Kultus, Wissenschaft und Kultur 2017, Paragraph „Übertrittsvoraussetzungen Gymnasium“ , ohne Seitenangabe). Synopse der Ergebnisse der Vorstudie: 138 5. Die Vorstudie Lehrkräfte Sprachlernbiografie Eigendefinition „mehrsprachig sein“ Mehrsprachigkeit und Unterricht Lebensweltliche Mehrsprachigkeit Schüler/ Herkunftssprachen P1 Frau Brügge Schule + Uni Auslandsreisen * Sprache studiert haben * Kann unterhalb Muttersprachenniveau liegen, aber viel mehr als Grundkenntnisse * Hinweis auf Interkomprehension (romanische Sprachfamilie * Gefahr der Interferenzen und false friends * sinnvoll nur bei gefestigter Kompetenz * Problem der nichtromanischen Sprachen (Türkisch, Russisch) * Schüler überfordert * sollen sich an Deutsch gewöhnen P2 Frau Blei Schule + Uni + VHS Zahlreiche Auslands-aufenthalte; Ex-Ehemann aus Malta * Nur Muttersprachen zählen *Einbeziehen andrer Sprachen * Parallelen zwischen Sprachen * Oberstufe: kontrastive Grammatik * Klassen sind weitgehend monolingual P3 Frau Gütig Schule + Uni Mit Italiener verheiratet * Nur wer in zwei Sprachen aufwächst * Immer Lücken im Vergleich zur Muttersprache * romanischer Sprachvergleich geht nicht, weil Schüler immer nur eine der beider FS lernen * Sprachfolge in Bayern zu straff * nur Vergleich mit Latein und der romanischen Sprachfamilie scheint sinnvoll * Kinder wählen die Muttersprache als Fremdsprache, dadurch kein Profit 5.4 Analyse und Ergebnisse der Untersuchungsergebnisse 139 P4 Frau Lund Schule + Uni Auslandsaufenthalte * Mehrere Sprachen flüssig und korrekt sprechen können * Nein * arabischer Junge lehnt seine Herkunftssprache ab P5 Herr Grau Schule + Uni Bundeswehr * zwei Fremdsprachen beherrschen (nicht nur Grundkenntnisse) * Schüler haben oft Türkisch als Muttersprache, aber Lehrer spricht es nicht *Schüler sollen Deutsch lernen * wenn im Lehrbuch dann thematisiert * Motivation jüngerer Schüler * Aussprachschulung durch romanische Muttersprachler (vorlesen) * schwierigere Aufgaben für romanische Muttersprachler P6 Frau Holtz Schule + Uni * Basiskenntnisse in mehreren Fremdsprachen * Latein als Ausgangspunkt * nur selten, lehrbuchabhängig * keine sprachlichen Bezüge, aber Hinweise auf kulturelle Eigenarten P7 Herr Fiedler Schule + Uni Sprachassistent ( PAD ) Sprachliche Fertigkeiten und kulturelles Verstehen (Fremdverstehen) Nur bei bilingualer Erziehung liegt Mehrsprachigkeit vor * wenig thematisiert * Ausnahme: Spanglish * zu dichter Unterrichtsstoff * nur Englisch als gemeinsam von allen gelernte Fremdsprache als Basis 140 5. Die Vorstudie P8 Herr Baltzer Schule + Uni Auslandskontakte Norwegen * mit möglichst vielen Menschen kommunizieren können. Beispiel: hat sich in Thailand mit nur wenigen Worten aus Wörterbuch + Englisch verständlich machen können * keine Zeit für kreative Phasen * keine Nutzung aus Zeitmangel * bedauert das P9 Frau Kuhlmann Schule + Uni * eine Fremdsprache weitgehend fehlerfrei sprechen * besser zwei bis drei Fremdsprachen * ab und zu * Problem Interferenzen * keine Nutzung der Herkunftssprachen P10 Frau Fischer Schule + Uni VHS Verwandte in Mexiko * in mehreren Sprachen kommunizieren können * rezeptive Mehrsprachigkeit * lehnt es ab im Unterricht zu thematisieren * natürlich! * lässt Schüler aus ihren Herkunftsländern erzählen * Interferenz kein Problem P11 Frau Stumm Schule + Uni * in mehreren Sprachen zu Hause sein * Bücher lesen, Filme verstehen, Gespräche mit Muttersprachlern führen * z. B. Vergleich Begrüßungsfloskeln in versch. Sprachen * in höheren Klassen: bewusster Einsatz anderer Sprachen * Ableitungsstrategien über Interkomprehension * skimming, scanning, Kognaten * spontan und situationsabhängig * Gefahr von Interferenzen 5.4 Analyse und Ergebnisse der Untersuchungsergebnisse 141 P12 Frau Eulert Schule + Uni VHS PAD Praktikum in Cambridge * zwei Sprachen fließend sprechen * bewusst dagegen entschieden * Konzentration auf nur eine Sprache * gemeinsame Muttersprache: Deutsch * keine Kenntnisse in den Herkunftssprachen P13 Frau Backfisch Uni + Schule 1 Jahr Spanien + weitere Auslandsaufenthalte; Sprachen lernen mit Muttersprachlern im Land * Durch stetiges Unterrichten und häufige Reflexion über Grammatik * Tägliche Nutzung Englisch * nie explizit zum Thema gemacht * Hinweis auf mehrsprachige Länder * nur sinnvoll, wenn Lehrer und Schüler mehrsprachig sind * versucht Einbeziehung * Problem Interferenzen * Schulfremdsprachen werden genutzt * Rückgriff auf romanische Muttersprache bei Schülern aus Faulheit Tab. 5: Ergebnisse der Vorstudie zu den Hauptkategorien 142 5. Die Vorstudie 5.4.2 Nebenkategorien Über die Hauptkategorien im vorausgehenden Unterkapitel hinaus haben sich durch die Fragenstruktur der Vorstudie weitere vier Kategorien - hier als Nebenkategorien bezeichnet - gezeigt, die in der Hauptstudie keine direkte Rolle spielen werden, weil sie keinen expliziten Bezug zum Thema darstellen. Sie sollen nichtsdestotrotz hier erwähnt werden, weil sie einen weiteren Einblick in die erzählte Praxis der befragten Lehrkräfte erlauben. Es handelt sich um folgende Aspekte: 5.4.2.1 Der Gemeinsame Europäische Referenzrahmen für Sprachen und das Europäische Sprachenportfolio Der „Gemeinsame Europäische Referenzrahmen für Sprachen“ ( GER ), der im Jahre 2001 entwickelt wurde (Europarat 2001; vgl. dazu Kapitel 2) spielt bei neun Befragten keine (u. a. P4 Frau Lund und P5 Herr Grau) oder lediglich eine geringe Rolle für ihre Unterrichtsgestaltung und wird eher noch im Bereich der Leistungsmessung angewandt. Diese relative Unkenntnis beziehungsweise geringe Anwendungsquote erstaunt zehn Jahre nach seiner Einführung. Das Sprachenportfolio kennen neun Befragte nicht oder haben keine Erfahrungen damit. In den letzten beiden Frageblöcken (Interkomprehension / Mehrsprachigkeit und GER , sowie Sprachenportfolio) zeigt sich die Diskrepanz zwischen einem sprachenpolitischen Diskurs und einer forschungsbasierten, wissenschaftlichen Fachdidaktik auf der einen und der Praxis von Gymnasiallehrern in der Schule auf der anderen Seite. 5.4.2.2 Unterrichtspraxis und -methodik, Fortbildungsangebote Der folgende Fragenapparat zur Unterrichtspraxis ermöglicht nun - in Ergänzung zu den geschilderten fremdsprachenpolitischen, terminologischen und konzeptionellen Unsicherheiten der Interviewpartnerinnen und -partner - auch Aussagen darüber zu, wie selbst ihr unterrichtliches Handeln gepaart mit ihren Einstellungen sehen und einschätzen. Gerade hier werden wichtige Informationen deutlich, die im Sinne der für die Auswertung notwendigen Vorüberlegungen genutzt werden sollen. Dies erfolgt nicht im Sinne überprüfbarer Hypothesen, sondern als möglicherweise zu erwartende Aussagen im Leitfrageninterview der Hauptuntersuchung. Das sensible Problem der Vorannahmen wird von Gläser und Laudel (2010) angesprochen, die Hypothesen im Sinne von Forschungsfragen verstehen. Sie bekommen also eine anleitende Funktion. „Für die relationsorientierte Erklärungsstrategie ist der Weg klar vorgeschrieben: das Vorwissen muss in Form statistisch prüfbarer Hypothesen über Zusammenhänge zwi- 5.4 Analyse und Ergebnisse der Untersuchungsergebnisse 143 schen Variablen organisiert werden. Die mechanismusorientierte Erklärungsstrategie kennt keine solche Vorgabe, und ihre Methodologie gibt nur wenige Hinweise darauf, wie das Vorwissen organisiert werden sollte. Zwar wird auch in der qualitativen Sozialforschung vorgeschlagen, Hypothesen zu formulieren […], diese haben jedoch eine ganz andere Funktion. […] Sie können […] die empirische Erhebung und die Auswertung anleiten, weil sie das Erkenntnisinteresse (die Forschungsfrage) detaillieren. Außerdem explizieren sie die Vorannahmen des Forschers, die ja einen nicht zu unterschätzenden Einfluss auf die Untersuchung haben.“ (Gläser & Laudel 2010: 77) Zehn Kollegen geben an, dass in ihren Klassen mehrere Sprachen vertreten sind. Genannt werden: Türkisch, Kroatisch, Italienisch, Spanisch, Portugiesisch, Arabisch, osteuropäische und asiatische Sprachen. Zwei davon schränken das ein: „Mit Ausnahmen“ (P9 Frau Kuhlmann) und „In höheren Klassenstufen eher ja“ (P11 Frau Stumm). Vier Lehrkräfte haben eher monolinguale Klassen (P1 Frau Brügge; P3 Frau Gütig; P4 Frau Lund; P10 Frau Fischer). Die Einbindung der vorhandenen lebensweltlichen Mehrsprachigkeit der Schüler geschieht im Bereich des Wortschatzes: • „Nur einzelne Wortbedeutungen: Wie heißt das in deiner Sprache? “ (P1 Frau Brügge) • „Hauptsächlich Wortschatzerschließung“ (P11 Frau Stumm) • „Vokabelarbeit“ (P13 Frau Backfisch) Beziehungsweise mit der ungenauen Angabe: • „Nicht gezielt, nur wenn es sich im Unterrichtsverlauf ergibt.“ (P9 Frau Kuhlmann) Ebenso werden Aussprachevorteile genutzt: • „Schülerinnen als authentische Leserinnen einsetzen, anstatt Texte von Kassetten. Immer dann, wenn ich es für sinnvoll erachte.“ (P5 Herr Grau) Die Antworten deuten eher darauf hin, dass die Einbeziehung lebensweltlicher Mehrsprachigkeit wohl eher punktuell und lediglich im Bereich der Lexik und eventuell der Aussprache erfolgt. Ein strukturierter, geplanter Einsatz der mehrsprachigen Schüler ist nicht zu erkennen. Bei der genaueren Nachfrage nach Transferaktivierungen und dem Umgang mit faux amis / false friends sind unterrichtliche Strategien erkennbar. Hier werden genannt: • „unterschiedliche Schreibungen vor allem zwischen Englisch und Französisch mache ich bewusst“ (P1 Frau Brügge) • „passiv ja, aktiv eher weniger, abhängig von der Zeit im Unterricht, da ich anderen Falls Abschweifungen befürchte“ (P5 Herr Grau) 144 5. Die Vorstudie Allerdings wird auch von zwei Kolleginnen darauf hingewiesen, dass dies selten vorkomme. Als Grund wird das Zeitproblem genannt. Besonders umfangreich antworten die Interviewpartnerinnen und -partner auf die Frage nach den Interferenzen. Offensichtlich ist hier ein hohes Problembewusstsein vorhanden, denn die Arbeit mit faux amis / false friends wird von allen Befragten - außer einer Kollegin, die angibt: „Kein Auftreten“ - ausführlich behandelt und in der Gesamtschau zeigt sich als Unterrichtsstrategie die Bewusstmachung des Phänomens. Alle nutzen die faux amis / false friends für ihren Unterricht. Eine Kollegin macht einen Unterschied zwischen positiven und negativen Interferenzen, eine Weitere geht tolerant mit Interferenzen um, weist aber darauf hin, dass sie „bei Faulheit keine Fehlertoleranz“ walten lässt (P11 Frau Stumm und P13 Frau Backfisch). Wahrscheinlich unterscheidet die Lehrperson hier zwischen dem aktiven, kommunikationsstrategischen Bemühen um eine angemessene Lexik und der bloßen Übertragung aus der Muttersprache durch den Schüler ohne erkennbares Bemühen. Ein unerwartetes weiteres Ergebnis brachte die Frage nach der Einbeziehung der Muttersprache eines Schülers, da die Antwort der Lehrerin lautete: „weil er das nicht will“ (P4 Frau Lund). Dieses Ergebnis korrespondiert mit Erkenntnissen aus verschiedenen Gesprächen mit Kindern und Jugendlichen aus Russland, die aus Gründen einer möglichst schnellen Integration die Muttersprache völlig ablehnen und nicht mehr mit ihren kulturellen Wurzeln in Berührung kommen wollen. 5.4.2.3 Projektunterricht und fächerübergreifender Unterricht Die länderspezifischen Gegebenheiten (Bayern) und Verordnungen scheinen fächerübergreifendes Unterrichten zu verhindern, weil sechs Befragte benennen, dass sie keinen bilingualen Unterricht praktizieren und weitere zwei darauf hinweisen, dass die Schulbehörden derartigen Unterricht auch nicht zulassen würden. Neun Befragte geben an, dass sie die Umsetzung bilingualen Unterrichts schwierig umzusetzen finden. Anders sieht es bei der Realisierung schulischer Projekte aus, wo bei allen Befragten Erfahrungen vorliegen, und auch konkrete Projektthemen genannt werden, was auf eine breite und nachhaltige Realisierung schließen lässt: „Französischer Abend“ und ein „Spanischer Abend“; „Studienfahrt, Projekte, Sprachwettbewerb, Schüleraustausch, Werbung für die Sprachen bei den Schülern“; „Austausch, Sprachwettbewerb“; „Frankreichfahrt, Praktikumsplätze in Frankreich und England“; „Austausch in allen Fremdsprachen, Sprachwettbewerb: selten (Zeit! )“ (P8 Herr Baltzer). Während die Fragen zur fächerübergreifendem Unterricht hier und in der Hauptstudie ausgeklammert bleiben müssen aber eventuell einer anderen Studie zuarbeiten könnten, zeigt sich bei der Frage nach Fortbildung zu Mehrsprachig- 5.4 Analyse und Ergebnisse der Untersuchungsergebnisse 145 keit und unterrichtlicher Umsetzung vollständige Einhelligkeit, indem benannt wird, dass derartige Angebote entweder überhaupt nicht vorliegen, oder aber von keinem der Probanden und Interviewpartner wahrgenommen wurden. Die Äußerung von P5 Herr Grau lässt zumindest als wahrscheinlich erscheinen, dass ein gewisses Defizit in diesem Bereich besteht, denn der Proband ist Teilnehmer an Fortbildungsveranstaltungen: „Auf mehreren Fortbildungen war ich schon aber keine davon war ganz explizit auf Mehrsprachigkeit bezogen“ (P5 Herr Grau). Ebenso P4 Frau Lund, die offensichtlich die Verzeichnisse durchgearbeitet und dabei keine entsprechenden Veranstaltungen gefunden hat: „Habe nur ein Angebot zu bilingualem Sachfachunterricht gesehen.“ Über das tatsächliche Fortbildungsangebot liegen keine Erkenntnisse vor, allerdings zeigt diese vollständige Übereinstimmung aller Befragten, dass (noch) kein reichhaltiges Angebot vorhanden sein dürfte. Ob die Interviewpartner dies allerdings beklagen, lässt sich nicht aus den Antworten schließen. Es ist nicht einmal klar, ob ein Bedürfnis nach Fortbildung in diesem Bereich vorliegt oder ob die Antworten rein frageninduziert sind. 5.4.2.4 Zukünftige Entwicklung des Fremdsprachenunterrichts Besonders ausführlich äußern sich die Lehrkräfte der Befragung zu der Frage nach der Zukunft des Fremdsprachenunterrichts und ihren persönlichen Vorschlägen und Vorstellungen. Hier ist die Bandbreite der Antworten wegen der offenen Frage sehr groß. Im Einzelnen lassen sich aus den Äußerungen zu dieser Frage folgende Kategorien tabellarisch ausgliedern, auf die im Zusammenhang mit der Gesamtauswertung noch einzugehen sein wird: Synopse der Vorstellungen über den künftigen Fremdsprachenunterricht: 146 5. Die Vorstudie • Skepsis „Mehrsprachigkeit sehe ich eher skeptisch. Eher befürworte ich die Entwicklung hin zu einem noch stärker monolingualen Unterricht.“ (P1 Frau Brügge) • Sprachliche Korrektheit und Genauigkeit fördern „Alte Tugenden, die Genauigkeit fördern, nicht unter dem Gesichtspunkt verstärkter Mündlichkeit vernachlässigen.“ (P2 Frau Biel) • Schriftlichkeit und Mündlichkeit gleichwertig „Schriftlichkeit soll nicht verloren gehen; mehr interkulturelle Kompetenz; vermehrte Mündlichkeit beibehalten.“ (P3 Frau Gütig) • Mehrsprachigkeit vorwiegend rezeptiv „Mehrsprachigkeit sollte unbedingt massiv gefördert werden. Besonders in Richtung Passivität und Rezeptivität.“ (P4 Frau Lund) • Literatur und Kultur „Mehr Interesse für andere Kulturen wecken, Stereotype überwinden, alle Muttersprachen sollten gefördert werden, es sollte mehr Literatur und Kultur unterrichtet werden, mehr Zeit für Spaß an der Sprache.“ (P12 Frau Eulert) • Kerngeschäft: Fremdsprachenunterricht „Weniger Fokus auf übergeordnete Lernziele; aktuelle Fremdsprachen lernen“ (P10 Frau Fischer) • Lehrwerke und Mehrsprachigkeit „Lehrwerke sollten Mehrsprachigkeit noch mehr aufnehmen, Kommunikationsstunden.“ (P2 Frau Blei) • Mehrsprachigkeit aufgrund von Migration „Augenmerk auf Schüler, die nicht aus dem germanisch-romanischen Sprachraum kommen (Russlanddeutsche, Polen, Türken, Griechen …) und bei denen das Ziel ‚Mehrsprachigkeit’ wohl ganz anders verfolgt werden muss.“ (P9 Frau Kuhlmann) • Schulbürokratie soll Lösungen anbieten „Dafür werden am ISB viele Leute gut bezahlt, um sich darüber Gedanken zu machen.“ (P8 Herr Baltzer) • Kommunikation zentrale Bedeutung „Kommunikativer, mehr an Alltagssituationen orientiert, nicht nur Englisch als Lingua Franca; Französisch und Spanisch stärken.“ (P7 Herr Fiedler) Tab. 6: Der künftige Fremdsprachenunterricht aus Sicht der Befragten 5.4 Analyse und Ergebnisse der Untersuchungsergebnisse 147 Und hier die Gesamtsynopse der Ergebnisse der Nebenkategorien: Befragte Lehrkräfte GER und Sprachenportfolio Fortbildung zum Thema Mehrsprachigkeit Fächerübergreifender Unterricht; Projektunterricht Zukünftige Entwicklung des Fremdsprachenunterrichts P1 Frau Brügge a) spielt keine Rolle b) keine Erfahrungen Es gibt keine Angebote a) stellt sich schwierige Umsetzung vor b) ja Mehrsprachigkeit sehe ich eher skeptisch; eher befürworte ich die Entwicklung hin zu einem noch stärker monolingualen Unterricht P2 Frau Blei a) spielt große Rolle b) hat Erfahrungen a) ja, darf aber eigentlich nicht b) ja + Kompetenzorientierung + Lehrwerke sollten Mehrsprachigkeit noch mehr aufnehmen + Kommunikationsstunden P3 Frau Gütig a) Rolle bei Bewertung b) keine Erfahrungen Es gibt keine Angebote a) unterrichtet kein Sachfach; stellt sich schwierige Umsetzung vor b) ja alte Tugenden, die Genauigkeit fördern, nicht unter dem Gesichtspunkt verstärkter Mündlichkeit vernachlässigen 148 5. Die Vorstudie P4 Frau Lund a) spielt keine Rolle b) kennt es nicht Habe nur ein Angebot zu bilingualem Sachfachunterricht gesehen. a) stellt sich schwierige Umsetzung vor b) ja Schriftlichkeit soll nicht verloren gehen; mehr interkulturelle Kompetenz; vermehrte Mündlichkeit beibehalten P5 Herr Grau a) große Rolle bei Bewertung b) keine Erfahrungen Auf mehreren Fortbildungen war ich schon aber keine davon war ganz explizit auf Mehrsprachigkeit bezogen. a) würde gern, darf nicht (Kultusministerium) b) ja Mehrsprachigkeit sollte unbedingt massiv gefördert werden. Besonders in Richtung Passivität und Rezeptivität P6 Frau Holtz a) spielt keine Rolle b) hat Erfahrungen Es gibt keine Angebote a) stellt sich schwierige Umsetzung vor b) ja sollte stattfinden P7 Herr Fiedler a) spielt eine große Rolle b) keine Erfahrungen Es gibt keine Angebote a) stellt sich schwierige Umsetzung vor b) ja kommunikativer mehr an Alltagssituationen orientiert nicht nur Englisch als Lingua franca; Französisch und Spanisch stärken 5.4 Analyse und Ergebnisse der Untersuchungsergebnisse 149 P8 Herr Baltzer a) spielt keine Rolle b) kennt es nicht War noch auf keiner Fortbildung zur Mehrsprachigkeit a) - b) selten; Zeitproblem. Aber: Austausch Dafür werden am ISB viele Leute gut bezahlt, um sich darüber Gedanken zu machen. P9 Frau Kuhlmann a) spielt eine Rolle bei Bewertung b) keine Erfahrungen Ja, auf einer war ich schon, war mir aber nicht bewusst, dass es sich um das Thema Mehrsprachigkeit handelt a) unterrichtet kein Sachfach b) ja Augenmerk auf Schüler, die nicht aus dem germanischromanischen Sprachraum kommen (Russland-deutsche, Polen, Türken, Griechen …) und bei denen das Ziel „Mehrsprachigkeit“ wohl ganz anders verfolgt werden muss. P10 Frau Fischer a) spielt keine Rolle: hat ihn noch nicht gelesen; nur Broschüren vom Kultusministerium b) - Es gibt keine Angebote a) stellt sich schwierige Umsetzung vor b) ja Weniger Fokus auf übergeordnete Lernziele; aktuelle Fremdsprachen lernen 150 5. Die Vorstudie P11 Frau Stumm a) spielt eine Rolle bei Bewertung b) hat Erfahrungen War noch auf keiner Fortbildung zur Mehrsprachigkeit a) stellt sich schwierige Umsetzung vor b) ja offenerer Wahlbereich, mehr Begleitangebote für die Schüler und ein vielfältigeres Sprachenangebot; nicht so viel Stundenausfall P12 Frau Eulert a) spielt eine Rolle bei Bewertung b) hat Erfahrungen Es gibt keine Angebote a) unterrichte BiLi Erdkunde auf Englisch b) ja Mehr Interesse für andere Kulturen wecken, Stereotype überwinden, alle Muttersprachen sollten gefördert werden, es sollte mehr Literatur und Kultur unterrichtet werden, mehr Zeit für Spaß an der Sprache P13 Frau Backfisch a) spielt eine Rolle bei Bewertung b) kennt es nicht Es gibt keine Angebote a) stellt sich schwierige Umsetzung vor b) ja - Tab. 7: Ergebnisse der Vorstudie zu den Nebenkategorien 5.5 Fazit und Bedeutung für die Hauptuntersuchung 151 5.5 Fazit und Bedeutung für die Hauptuntersuchung Die Ergebnisse der Voruntersuchung erlauben erste Einblicke in Einstellungen, Haltungen und beliefs von Fremdsprachenlehrkräften im Hinblick auf den Untersuchungsgegenstand und stellen den Ausgangspunkt für die weitere Untersuchung in diesem wichtigen Feld dar ( vgl. Hauptstudie, Kapitel 6). Aus den vorliegenden Antworten der Vorstudie haben sich zwei Kohorten von Kategorien 29 ergeben, die eine Fokussierung der Hauptstudie auf zentrale Fragestellungen ermöglichen. Da die Hauptstudie als fragengeleitetes Interview auf der Basis eines offenen Fragenapparates durchgeführt wird, setzen die Interviewpartnerinnen und -partner die Schwerpunkte selbst, allerdings lassen sich die Antworten ferner bei der Auswertung auf die hier erkennbaren Tendenzen fokussieren und mit ihnen abgleichen. Aus der Vorstudie zeigen sich folgende Kategorien von Meinungen und Einstellungen der Lehrpersonen zum Thema Mehrsprachigkeit: • Selbstbild des Fremdsprachenlehrers • Multikulturell offen • Kommunikativ • Engagiert, interessiert • Lernbereit; sprachliche Weiterentwicklung • Hohe Anforderungen an eigene Sprachkompetenz • Fremdsprachenunterricht als einsprachiger Raum • Bewusstsein von der multilingualen Schulwirklichkeit • Reagieren auf die multilinguale Schulwirklichkeit • Produktiv, einbindend • Zur Kenntnis nehmend • Skeptisch bis ablehnend • Klares Anforderungsprofil, Zielperspektiven für Schülerkompetenzen (Gymnasium) • Förderung des Fremdsprachenunterrichts allgemein • Wenig Kenntnis der aktuellen fremdsprachenpolitischen Diskussion zu Mehrsprachigkeit • Geringe Implikation in aktuelle fremdsprachendidaktische Diskussion zu Mehrsprachigkeit 29 Vgl. Hauptkategorien: Sprachlernbiografie; Eigendefinition „mehrsprachig sein“; Mehrsprachigkeit und Unterricht; Lebensweltliche Einbeziehung Mehrsprachigkeit Schüler / Herkunftssprachen und Nebenkategorien: GER und Sprachenportfolio; Fortbildung; Fächerübergreifender Unterricht / Projekte; Zukünftige Entwicklung Fremdsprachenunterricht. 152 5. Die Vorstudie • Keine oder wenige Fortbildungsangebote zu Mehrsprachigkeit Bei der abschließenden Seminardiskussion mit den Studierenden, die ja die Befragung der Vorstudie mitgeplant und durchgeführt hatten, ergaben sich außerdem noch die weiteren zentralen Gesichtspunkte: Innerhalb der Lehrerschaft herrschen unterschiedlichste Ansichten von Mehrsprachigkeit vor und die Vorstellungen gehen dabei weit auseinander. Einige Lehrende stehen mit ihren Einstellungen nah am Konzept des Europarats, während Andere damit die quasi muttersprachliche Beherrschung einiger weniger Fremdsprachen verbinden. Auch die Vorstellungen über die Verwendung beziehungsweise die Kenntnis vom GER und dem Sprachenportfolio sind sehr unterschiedlich, insgesamt aber eher schwach ausgeprägt. Während einige Lehrkräfte mit dem GER gut vertraut sind und auch Portfolios nutzen, waren diese Werkzeuge anderen Lehrern gänzlich unbekannt. Auch die Umsetzung der mehrsprachigen Konzepte und die Anwendung von Kenntnissen in anderen Sprachen schwanken stark von einer Lehrperson zur anderen. Einige scheinen fast intuitiv andere Sprachen - ob es sich um die eigenen oder um die der Schülerinnen und Schüler handelte - in den Unterricht miteinzubeziehen, während andere Lehrerinnen und Lehrer diesen Aspekt scheinbar vollkommen ausklammern. Dabei war es weniger eine Frage des Alters als die der persönlichen Einstellung, vielleicht auch der eigenen Sprachlernbiografie. Zu Beginn der Interviews zeigte sich, dass ein Konzept von Mehrsprachigkeit, wie es die sprachenpolitische Diskussion und die Fachdidaktik beschreiben, nicht der Vorstellung von Mehrsprachigkeit der Lehrkräfte entspricht. Die in der Vorstudie erkennbare, vorherrschende Vorstellung besteht darin, dass zwei oder mehr Sprachen relativ flüssig beherrscht werden müssen, um von Mehrsprachigkeit zu sprechen (vgl. Kapitel 2). Oft finden wir bei den Lehrkräften eine Vermischung mit dem Begriff der Bilingualität und damit der Koexistenz von zwei Muttersprachen. Obwohl die Lehrkräfte mehrere Sprachen sprechen oder verstehen können, bezeichnen sie sich selbst häufig nicht als mehrsprachig. Erst mit dem Begriff der rezeptiven Mehrsprachigkeit, der eng mit dem Konzept der Mehrsprachigkeitsdidaktik verbunden ist, können die Lehrenden entsprechende Ansätze verbinden. Sie schlussfolgern, dass es um ein rein passives Verstehen einer weiteren Sprache geht, nicht um deren aktive Beherrschung. Hier handelt es sich womöglich um eine Deduktionsstrategie seitens der Lehrkräfte, mithilfe derer sie aus dem Terminus „rezeptive Mehrsprachigkeit“ das Konzept erschlossen haben, da ihnen auch der Begriff „Interkomprehension“ aus der fachdidaktischen Diskussion unbekannt war. 5.5 Fazit und Bedeutung für die Hauptuntersuchung 153 Trotz dieser Unkenntnis des Fachbegriffs scheint aber durchaus ein Unterricht praktiziert zu werden, der dem Konzept „Interkomprehension“ in Teilen entspricht, indem Bezüge zu anderen romanischen Sprachen hergestellt werden. Öfter geben die Lehrkräfte an, weitere Sprachen heranzuziehen, um Grammatik und / oder Wortschatz zu erläutern. Allerdings scheint Mehrsprachigkeit nicht explizit im Unterricht thematisiert zu werden, dennoch sind Ansätze des Konzepts im Unterricht zu erkennen. In der Unterrichtspraxis der befragten Lehrkräfte scheint - im Gegensatz zur wissenschaftlichen fachdidaktischen Mehrsprachigkeitsdiskussion - eine direkte Umsetzung in der Praxis durch Herleitung / Deduktion aus anderen Sprachen stattzufinden, ohne dass das theoretische Konzept bekannt wäre. Es lässt sich also insgesamt feststellen, dass Subkonzepte wie „bilingualer Unterricht“ oder „Portfolio“ bekannt sind, übergeordnete Prinzipien der Mehrsprachigkeit jedoch nicht, was aber keine negativen Auswirkungen zu haben scheint, da dies teilweise von den Lehrenden in der Praxis auch ohne Kenntnis der jeweiligen theoretischen Konzepte angewandt wird. Auch das Konzept des bilingualen Unterrichts ist bekannt und wird teilweise umgesetzt. Der GER und das Sprachenportfolio werden von den befragten Lehrkräften als zu begrüßende Konzepte angesehen, deren reale Umsetzbarkeit aber stark aufgrund der folgenden Tatsachen gefährdet sei: • Immer weniger Personal an den Schulen in immer größer werdenden Klassen • Immer mehr Stoff zu lehren • Studienfahrten ins Ausland immer schwieriger Die befragten Lehrkräfte wünschen sich, mehr Zeit für den Fremdsprachenunterricht zur Verfügung zu haben, auch und gerade um zwischensprachliche Transferleistungen bewusst machen zu können. Sie wünschten sich zudem mehr Fortbildungen zum Thema Mehrsprachigkeit, die bis jetzt nicht angeboten würden. Unterrichtliche sowie außerunterrichtliche Projekte wie Schüleraustausch und Sprachwettbewerbe gebe es an allen Schulen, jedoch mit unterschiedlicher Häufigkeit und Dauer. Der fächerübergreifende und bilinguale Unterricht habe mit Kürzung des 13. Schuljahres (Wechsel G9 zu G8) drastisch abgenommen, da dies kaum noch zeitlich umsetzbar sei. Für die Zukunft des Fremdsprachenunterrichts wünschen sich fast alle befragten Lehrkräfte die Förderung von Mehrsprachigkeit, ohne dies allerdings weiter konkretisieren zu können. Nach Meinung einiger Lehrenden sollten aber auch außereuropäische Sprachen gefördert werden und es sollte mehr Wahlangebote geben. Diese Resultate bedeuten für die Hauptstudie, dass folgende Aspekte näher in Betracht gezogen werden müssen: 154 5. Die Vorstudie • Hohe Affinität für Fremdsprachen und Interkulturalität • Hohe Anforderungen an „Mehrsprachigkeit“ • Bewusste Integration Schulfremdsprachen (Lexik) versus keine Integration (Zeitmangel; Unterrichtsmaterialien; Interferenzen) • Herkunftssprachenproblematik En principio la investigación necesita más cabezas que medios. (Severo Ochoa de Albornoz 1905-1993) 6. Die Hauptstudie-- Einzelfalldarstellungen In diesem Kapitel werden zwölf Interviewpartnerinnen und -partner vorgestellt, ohne deren Aufgeschlossenheit und Aufnahmebereitschaft meine Studie nicht hätte realisiert werden können. Die Grundgesamtheit der insgesamt zwölf folgenden Interviews mit den Probanden wurde zunächst komplett transkribiert (vgl. Transkriptionsregeln Kapitel 4). Aus den Transkripten der narrativ angelegten Interviews wurden dann in einem zweiten Schritt Hauptkategorien definiert, die bei allen Teilnehmerinnen und Teilnehmern an der Erhebung durch die Leitfragen induziert waren. In einem mehrmaligen Kodierungsdurchlauf wurden schließlich drei Hauptkategorien gebildet. Unterhalb dieser Hauptkategorien wurden - ebenfalls noch durch die Leitfragen induziert - Oberkategorien gebildet. Unterhalb dieser Ebene beginnt die inhaltliche Variationsbreite der narrativen Äußerungen der Probanden, die nicht mehr fragengeleitet sind. Aus diesen Äußerungen konnten Unterkategorien / Codes gebildet werden, die das intersubjektiv Gemeinsame bzw. Verschiedene in der gesamten Breite aufzeigen (vgl. Kapitel 7 Gesamtauswertung). Die Hauptkategorien sind: 1. Biografisches und berufliche Rahmenbedingungen: Familie, Berufswahl, Auslandserfahrungen, Schule, Umfeld, Klassen 2. Einstellungen zur schulischen und lebensweltlichen Mehrsprachigkeit ihrer Schüler / Unterrichtspraxis: Schulfremdsprachen Schüler, Herkunftssprachen Schüler, Bezugnahme Schulfremdsprachen Schüler, Bezugnahme Herkunftssprachen Schüler, Bewusstmachung 3. Anregungen und Änderungsvorschläge: Unterrichtspraxis Mehrsprachigkeit, Lehrerausbildung Nach Sichtung aller zwölf Gesprächstranskriptionen und Zuordnung zu den Kategorien zeigten sich elf - zusätzlich zum exemplarischen Interview - besonders ausführliche und auf das Thema fokussierte Interviews, die im Folgenden einzeln umfassend dargestellt und interpretiert werden. Die interviewten Personen sind: Frau Mühlbauer, Frau Rieder; Frau Peréz Sanchez; Frau Kallmayer; Herr Scholl; Frau Mayr; Frau Kaufmann; Frau Pini; Frau Hartmann; Frau Schrader und Frau Drewes. 156 6. Die Hauptstudie-- Einzelfalldarstellungen 6.1 Exemplarische Darstellung einer Interviewpartnerin-- Charlotte Heilmann Um das Auswertungsverfahren deutlich und nachvollziehbar zu machen, wird es am Beispiel von Frau Heilmann, einer der zwölf Interviewpartnerinnen und -partner, dargestellt. Dabei werden ihre Aussagen strukturiert und mit Zitaten belegt. Diese wiederum werden im Zusammenhang zu anderen Passagen gestellt und ergeben ein Gesamtbild der Lehrerpersönlichkeit unter dem hier leitenden Forschungsaspekt „Einstellungen zur Mehrsprachigkeit“. Das Interview mit Frau Heilmann ist sachlich, fokussiert und vergleichsweise kurz. Nach einer Zuordnung der verschiedenen Äußerungen der Probandin zu den Hauptkategorien, werden ihre Einstellungen am Ende der Präsentation für eine bessere Lesbarkeit zusammenfassend herausgearbeitet. 6.1.1 Biografisches und berufliche Rahmenbedingungen Zur ersten Hauptkategorie „Biografisches und berufliche Rahmenbedingungen: Familie, Berufswahl, Auslandserfahrungen, Schule, Umfeld, Klassen, Sprachen“ erfahren wir Folgendes aus dem narrativen Interview: Frau Charlotte Heilmann ist eine - zum Befragungszeitpunkt - 30-jährige Lehrerin für Spanisch und Englisch, die seit zwei Jahren fertig ausgebildet an einem Gymnasium in Augsburg arbeitet. Über ihre Berufswahl als Fremdsprachenlehrerin gibt sie an, während und nach der Schulzeit zwar geplant zu haben, irgendetwas „mit Fremdsprachen“ (Z. 8) machen zu wollen, aber „was das sein sollte, war mir lange nicht klar.“ (Z. 9) Zunächst entwickelt sie Interesse für den Beruf als Übersetzerin literarischer Texte, stellt dann aber nach dem Besuch einer Veranstaltung in der Übersetzerschule in München fest, dass der Beruf als Übersetzer „[…] eigentlich ein sehr einsamer Beruf ist und da dachte ich mir, nur vor dem Computer sitzen und übersetzen das gefällt mir nicht, ich möchte schon mit Menschen auch zu tun haben.“ (Z. 14-15) Nach einer Beratung beim Arbeitsamt „[…] hab ich mir das reiflich überlegt und dann hab ich beschlossen, dass ich die Herausforderung dann annehme.“ (Z. 21-22) Es seien insgesamt eher rationale Gründe gewesen, die ihre Entscheidung beeinflusst hätten und „[…] nicht so wie bei vielen Kollegen, glaub ich, dass sie das schon immer werden wollten, das kann ich von mir nicht sagen.“ (Z. 22-24) Über ihr Studium und eventuelle Auslandserfahrungen erzählt sie im Interview nichts. Ihre beruflichen Erfahrungen fasst sie in wenigen Sätzen zusammen, wonach sich die Schule durch gutes Schulklima und einen guten Umgangston 6.1 Exemplarische Darstellung einer Interviewpartnerin-- Charlotte Heilmann 157 zwischen Lehrern und Schülern auszeichnet: „[…] gegenüber den Schülern ist es auch relativ liberal, das Klima, so der Umgangston ist eigentlich ziemlich gut, finde ich zwischen Lehrern und Schülern […].“ (Z. 72-74) Auch sei es eine offene Schule, in der Ideen für einen innovativen Unterricht geäußert und umgesetzt werden können: „[…] also neue Ideen sind immer willkommen, das umzusetzen.“ (Z. 71-72) Allerdings seien die technischen Bedingungen für ihren Fremdsprachenunterricht nicht zufriedenstellend, denn die technische Ausstattung „[…] ist ziemlich schlecht, weil ähm ich auch oft Hörtexte vorspielen muss und da muss ich mich eigentlich selber um die Technik kümmern, so wie es halt früher mit den CD -Playern war, ist es halt jetzt mit der Docking-Station und dann mit den Lautsprechern und man trägt halt das im Prinzip alles selber rum.“ (Z. 449-453) Dazu gehöre noch der Zwang, aufgrund der baulichen Situation, zu Raum- und Schulgebäudewechseln (Altbau mit hohen Stockwerken bis zum 3. Stock, Z. 474); zwei Pausen à zwanzig Minuten, die sich durch den Raumwechsel um die Hälfte verkürzen. Die Schulleitung sei bemüht, Doppelstunden in den Unterrichtsplan einzubauen, was Frau Heilmann persönlich gut findet (Z. 487-489). 6.1.2 Einstellungen zur schulischen und lebensweltlichen Mehrsprachigkeit ihrer Schüler / Unterrichtspraxis Die zweite Hauptkategorie, die den eigentlichen Fokus der vorliegenden Untersuchung beschreibt - „Mehrsprachigkeit und Unterrichtspraxis“ - vereint fragengeleitete Äußerungen zu den Schulfremdsprachen und Herkunftssprachen der Schüler, die Bezugnahme der Lehrerin in ihrem Fremdsprachenunterricht zu den Schulfremdsprachen bzw. den Herkunftssprachen der Schüler und Formen der Bewusstmachung von sprachlichen Gemeinsamkeiten, Unterschiedlichkeiten, Herleitungen und generellen Beziehungen zwischen Sprachen auf morphosyntaktischer oder lexikalischer Ebene, sowie mögliche kulturelle Implikationen. Über die Herkunftssprachen weiß sie zu berichten, „[…] das ist gemischt, also viele bringen halt türkisch mit von zu Hause, dann auch kroatisch hab ich mit dabei, rumänisch […]“ (Z. 190-191). Sie mutmaßt, dass die türkischen Schülerinnen und Schüler häufiger anzutreffen sind: „[…] ich denke, der türkische Hintergrund ist der Häufigste, teilweise auch russischsprachiger Hintergrund […]“ (Z. 195-196). Über die wirkliche, zahlenmäßige Zusammensetzung der Schülerschaft nach Herkunftssprachen kann sie nur Vermutungen anstellen, was darauf schließen lässt, dass sie sich nicht speziell mit dieser Frage beschäftigt hat, sondern ein eher stereotypes Bild ihrer Schulwirklichkeit in Bezug auf die Herkunftssprachen hat. 158 6. Die Hauptstudie-- Einzelfalldarstellungen An einem Beispiel zeigt sich, wie wenig die Lehrerin in ihren unterrichtlichen Bemühungen von möglichen Herkunftssprachen der Schüler profitiert. Eine Einbeziehung finde nach ihren eigenen Aussagen praktisch nicht statt, weil die Lehrerin - in diesem Fall - weder Kroatisch noch Türkisch beherrscht: „Nee, mach ich nicht, ehrlich gesagt, nee, weil ich ja auch ähm also ich kann ja net auf das Kroatische irgendwie Bezug nehmen, weil ich’s ja nicht kenne und das ist mit Türkisch genauso.“ (Z. 272-274) Auch kann sie nicht einschätzen, wann ein Verweis auf das Rumänische sinnvoll wäre, „weil ich ja, ich weiß ja nicht, wann es passt, nachdem ich kein Rumänisch kann (lacht).“ (Z. 283-284). Die Beziehung der Lehrerin zu einem rumänischen Mädchen ist von einer abwartenden Haltung, einer Art Beobachterrolle gekennzeichnet, obwohl sie die Vorkenntnisse aus der hier immerhin romanischen Sprache möglicherweise für den Spanischunterricht nutzen könnte: „Also ich hab eine Schülerin in Spanisch, die absolut Spitze ist, das ist die mit dem rumänischen Hintergrund. Ich denk, dass das was miteinander zu tun hat. Die kann auch rumänisch, ich hab sie mal danach gefragt und die kann sich da auch Dinge ableiten.“ (Z. 202-205) Die Lehrerin scheint lediglich anzunehmen, dass Rumänisch etwas mit Spanisch zu tun habe, scheint es aber nicht zu wissen, was angesichts ihrer romanistischen Facultas erstaunlich ist. Ihre Beobachtungen beziehen sich insgesamt auf die sehr guten Schulleistungen dieses Mädchens, eine aktive Einbeziehung in den Fremdsprachenunterricht ist aber nicht erkennbar: „Also, die begreift unheimlich schnell die Grammatik, die hat auch weniger Problem mit unbekannten Texten, die findet sich da gut rein, also ohne Scheu auch, sag ich mal. Und die schreibt auch halt sehr gut, also im produktiven Bereich ist sie sehr gut, wenn ich mir anschaue, was andere so schreiben. Also sie hat wirklich schon ziemlich gutes Sprachgefühl, also das ist wirklich toll, was die leistet.“ (Z. 210-214) Sehr deutlich wird die subjektive, stereotypisierende und wohl eher von Annahmen geprägte Wahrnehmung der Lehrerin in ihren Äußerungen über die türkische Schülerschaft: „Bei den türkischen Schülern habe ich halt immer eher das Problem, das Gefühl, dass das Problem folgendes ist, wenn ich jetzt wenn die Grammatik im Spanischen unklar ist und ich das auf Deutsch erklär, vielleicht kontrastiv, dann habe ich als Referenzsprache ja immer Deutsch. Und für diejenigen Schüler, für die das schon eine Fremdsprache ist, bringt das natürlich net so viel, also.“ (Z. 214-218) Hier zeigt sie durchaus eine interkulturelle Wahrnehmung, gleichzeitig ist diese Stelle auch ein Beispiel für den insgesamt monolingualen Habitus. Sie habe durchaus erkannt, dass Deutsch ebenso eine Fremdsprache für diese Kinder ist, habe aber keine klaren Vorstellungen von den Unterschieden morpho- 6.1 Exemplarische Darstellung einer Interviewpartnerin-- Charlotte Heilmann 159 syntaktischer Art zwischen Deutsch und Türkisch: „[…] hab manchmal den Eindruck, dass die so diesen, dass die grammatikalischen Kategorien anders sind und dass sie das vielleicht net so kennen, aus ihrer Muttersprache.“ (Z. 225-227) Der Rückgriff auf bereits gelernte Schulfremdsprachen finde anfänglich im Spanischunterricht bei ihr ebenso kaum statt: „[…] am Anfang ist es relativ schwer zu sagen, also ich glaub, da sind die Schüler noch so damit beschäftigt mit dem Spanisch, weil einfach alles neu ist, dass sie noch nicht großartig Transfer herstellen können, aber so gegen Ende vom Schuljahr kann man das dann öfter feststellen, dass sie sich schon übers Latein irgendwie Dinge ableiten […]“ (Z. 168-172). Über die Möglichkeiten der Bewusstmachung über Ähnlichkeiten respektive Differenzen zwischen den Sprachen erklärt die Lehrerin, dass Ableitungen bei guten, interessierten Schülerinnen und Schülern möglich seien. Nach ihrer Ansicht werden Ableitungen über das Lateinische von denjenigen Lernenden gemacht, bei denen „Es halt immer voraus[setzt], dass sie da Talent haben und interessiert sind, sonst funktioniert es gar nicht.“ (Z. 175-176) Aber nicht alle Schülerinnen und Schüler, die Latein hätten, führten automatisch Transferleistungen vom Lateinischen ins Spanische durch. Die wiederholt geäußerte Einstellung der Lehrerin heißt hier: nur talentierte und interessierte Lernende stellen derartige Bezüge überhaupt her. Ein ähnliches Beispiel führt sie am Beispiel der indirekten Rede an, die eine gleiche morphosyntaktische Struktur im Englischen wie im Spanischen habe: „Und da ist halt wieder das gleiche, die, die in Englisch gut sind, bei denen fällt der Groschen sofort, und das ist dann eigentlich kein Problem, aber die, die natürlich in Englisch schon schwach sind, haben dann jetzt weniger Nutzen. Weil die müssen dann erst mal die Regeln für Englisch wiederholen, dass ihnen dann einfällt, wie es im Spanischen geht“ (Z. 241-245). Auch hier wird die Möglichkeit der Herstellung von Bezügen von ihrer Einstellung und Vorannahme „guter Schüler“ abhängig gemacht. Andererseits nutze sie lexikalische Bezüge, indem sie Verweise auf andere Schulfremdsprachen mache, aber dann „eher bei Vokabelarbeit“ (Z. 183) und mit Hilfe der Sprache, die sie am Längsten hätten, nämlich Englisch (vgl. Z. 183-184), "Wie würde das auf Englisch heißen? " und dann kommen die automatisch drauf, wie es dann im Spanischen sein muss eigentlich.“ (Z. 295-297) Sie gibt folgende Erklärung ihres Vorgehens: „[…] und dann sagt’s ein Schüler und dann schreibe ich es an und dann lasse ich die das Englische praktisch wortwörtlich mehr oder weniger ins Spanische übersetzen. Und dann merken sie gleich, dass es gleich ist.“ (Z. 303-305) Sie stelle nur wenige Bezüge zu den kulturellen Differenzen zwischen deutscher und zielsprachlicher Kultur beziehungsweise der Herkunftskultur der 160 6. Die Hauptstudie-- Einzelfalldarstellungen Schülerschaft her: „[…] ich muss ehrlich sagen, dass ich net sehr viel darauf eingehe […]“ (Z. 253-254), aber gelegentlich biete sich eine Gelegenheit wie bei dem Schüler, dessen Mutter aus Galizien stammt: „[…] der hat halt dann ein bisschen was präsentiert, als wir so die Regionen kurz besprochen haben, welche es gibt, ja was sie so essen, was typische Instrumente sind und so was ihm halt eingefallen ist […]“ (Z. 260-262). Kulturelle Differenzen würden thematisiert, denn zu diesem Zweck ließe sie ihre Schülerinnen und Schüler gegen Ende des ersten Lernjahrs über das Gesagte reflektieren, die Inhalte umformulieren und erklären, damit diese feststellen können, wo Unterschiede zu ihrer Kultur bestehen können: „Also ich versuche auch in der achten Klasse, sobald es halt geht so gegen Ende, schon relativ viel die so paraphrasieren und erklären zu lassen, weil ich mir denke, das ist das ganz zentrale, weil wenn ich die Sprache verwende, dann ja im Umgang mit anderen Menschen, und da kann es natürlich immer Missverständnisse geben, kultureller Art, und dann finde ich es wichtig, dass man selber so reflektiert ist, dass man das sagen kann, das und das war jetzt das Problem und bei euch ist es anders und bei uns ist es halt so und dann kann ich da irgendwie den Wind aus den Segeln nehmen […].“(Z. 320-327) Allerdings seien die Schulbücher nicht ausreichend mit interkulturellen Themen ausgestattet; hier sieht sie einen deutlichen Optimierungsbedarf: „[…] es ist jetzt net sehr viel drin diesbezüglich im Lehrplan oder in den Schulbüchern. Also es kommt vielleicht mal irgendwann vor, wenn es um spanische Tapas-Bars geht, wie es mit dem Bezahlen funktioniert oder so was schon aber so wirklich "wie kann ich Missverständnisse ausräumen" zum Beispiel, das kommt meiner Meinung nach zu kurz, weil die Stofffülle, also von der Stofffülle her, muss man sagen, liegt schon immer noch der Fokus hauptsächlich auf der Grammatik.“ (Z. 328-333) Insgesamt beklagt sie mehrmals die Stofffülle, die sie an kommunikativen Phasen und der Einbeziehung kultureller Informationen hindere. Durch die dichte Grammatik (viele Verben), die die Schülerinnen und Schüler lernen müssten, kämen auf ihrer Seite kulturelle Betrachtungen zu kurz, was sie unzufrieden mache: „[…] Und das ist oft bei mir ein Problem, warum ich nicht so zufrieden mit meinem eigenen Unterricht auch, weil ich schon das Gefühl hab, ich muss dermaßen mich ranhalten, um mit der ganzen Grammatik durchzukommen, dass ich eigentlich nicht genug Zeit hab zwischendrin, wo ich mal so kommunikativere Aufgaben machen kann, weil ich brauch ja keine kommunikativere Aufgaben machen, wenn ich net vorher zum gleichen Thema halt schon so bissel Pattendrill gemacht hab, sonst sitzt es ja nicht.“ (Z. 339-345) Um Mehrsprachigkeit besser unterrichtlich einbinden zu können, müsste die Stofffülle reduziert werden. Die Schülerinnen und Schüler müssen nach 6.1 Exemplarische Darstellung einer Interviewpartnerin-- Charlotte Heilmann 161 ihrer Auffassung „[…] schon sehr sehr viel Stoff innerhalb kurzer Zeit eigentlich lernen“ (Z. 505-506) und sie „[…] tun sich schwer mit dem Gewinn, den sie eigentlich schon hätten aus den anderen Fremdsprachen. Also von dem her, ja genau, da will ich schon reduzieren.“ (Z. 510-512) 6.1.3 Anregungen und Änderungsvorschläge Die dritte Hauptkategorie, die Anregungen und Änderungsvorschläge umfasst, wird von Frau Heilmann genutzt, um ihre - insgesamt relativ knappen, generellen - Einschätzungen zu Studium, Ausbildung und aktueller Lehrerolle zu verbalisieren. Was das Studium angeht, sei es sehr wissenschaftlich und es „[…] ist halt so, dass es mit der späteren Berufspraxis ganz, ganz wenig zu tun hat“ (Z. 588-589). Wobei sie anmerkt, dass es ihr sehr gut gefallen habe (Z. 590-591), dass sie „[…] finde[t] das schon toll, so viel Wissensvorsprung dann zu haben, ich finde es auch irgendwo wichtig. Und es ist vielleicht auch Luxus, mal Altenglisch zu lernen, weil man damit nie in Berührung kommen würde im normalen Leben.“ (Z. 591-593) Einerseits habe sie das Studium genossen, andererseits war es ihr klar, „[…] dass es eigentlich auf den Beruf an sich nicht sehr gut vorbereitet.“ (Z. 594-595) Über das Referendariat kann sie nicht viel Positives berichten, weil es keine angemessene Vorbereitung auf die Lehrerrolle sei: „Ich finde auch die Referendarausbildung nicht Hundert pro gelungen“ (Z. 583-584). Außerdem seien die Ansprüche zu hoch geschraubt, „[…] aber ich finde, das Referendariat, das ähm erzieht einem so sehr sehr hohe Ansprüche an, die man später nicht erfüllen kann“ (Z. 599-600) und „[…] man scheitert danach so ein bissel an seinen eigenen Ansprüchen, weil man das nie mehr umsetzen kann.“ (Z. 611-612) Der mangelnde Praxiskontakt und die hohe Belastung im Beruf werden schließlich kritisiert. Erst gegen Ende des Referendariats könne man lernen, wie man eine gute Stunde - am Beispiel des Fachs Englisch - mit dem Lehrwerk mache: „[…] Aber ich finde gegen Ende, wenn man dann eben auf die 24 Stunden im vollen Deputat zuläuft, wäre es ganz gut, wenn man einfach da mal bissel abspecken würde und dann das gezeigt kriegen würde, ganz praktisch mit ‘nem vollberuflichen Lehrer, wie das funktioniert. Wie kann ich mit wenig Zeit halt auch eine Stunde machen, die gut läuft oder die die Schüler interessiert. Das würde ich mir eigentlich wünschen.“ (Z. 650-654) 162 6. Die Hauptstudie-- Einzelfalldarstellungen 6.1.4 Zusammenfassung ihrer Einstellungen Die Informationen zur Berufswahl zeigen eine zunächst unentschlossene Haltung, die dann aufgrund rationaler Überlegungen in den Lehrerberuf mündet, den die Probandin als eine Herausforderung sieht. Auch vergleicht sie sich mit anderen Kolleginnen und Kollegen und sieht sich hier in der Position einer Spätberufenen. Ihrer zögerlichen Berufswahl als Lehrerin stehe eine offene und liberale Berufswirklichkeit gegenüber, die sie positiv wahrnimmt und schildert. Was die Schulfremdsprachen ihrer Schülerinnen und Schüler angeht, so sind Latein und Spanisch vertreten. Zwar arbeite sie an einer offenen, liberalen Schule, in der sich viele pädagogische Verbesserungen praktizieren ließen, gleichzeitig kann aber vermutet werden, dass die weiter unten von ihr geschilderte Arbeitsbelastung, die relativ schlechte technische Ausstattung und die langen Wege innerhalb der Schule zu einer partiell negativen Einstellung zum gewählten Beruf führen, was sich vor allem in ihrem etwas kryptischen Satz „das ist von Tag zu Tag sehr unterschiedlich“ (Z. 408) niederschlägt, den man im Zusammenhang des Gesamtinterviews auch als eher negatives Statement lesen kann. Mit dem Hinweis auf die Nichtbeherrschung der Schülerherkunftssprachen begründet die Lehrerin die Vermeidung ihrer Einbeziehung in den Fremdsprachenunterricht. Dabei hat sie eine vorsichtige, abwartende, mögliche eigene Fehler vermeidende Haltung. Ihre Einstellung ist zudem geprägt von relativ festen Urteilen über den Zusammenhang von Leistungsfähigkeit und Motivation ihrer Schülerschaft mit Inferenzierungs- und Transferstrategien, die sie nur den talentierten und motivierten Lernenden zutraut. Zudem hat sie zwar beobachtet, dass die rumänischsprachige Schülerin deutlich bessere Leistungen aufweist als deren kroatische und türkische Schulkameraden, dies führt aber nicht zu einer aktiven Nutzung des sprachlichen Potentials dieser Schülerin durch die Lehrerin. Die insgesamt recht deutliche Ablehnung der Einbeziehung von sowohl den Herkunftsals auch den Schulfremdsprachen zeigt eine starke, fast exklusive Fokussierung der Lehrerin auf die unterrichteten Sprachen gemäß ihrer Facultas. Die offensichtliche Unkenntnis der Lehrerin im Bezug auf ihre rumänische Schülerin zu den Beziehungen der beiden romanischen Sprachen - Rumänisch- Spanisch - untereinander verwundert angesichts eines absolvierten universitären Romanistikstudiums. Bemerkenswert ist die gleichzeitige Wertschätzung und Bewusstmachung kulturspezifischer Differenzen, mit denen sie gelegentlich im Unterricht arbeite. Hier deutet sich eine Trennung von formalsprachlichem Lernen und kulturellem Hintergrundwissen an. Kulturspezifische Informationen und emotional besetzte Tatsachen (typische Feste, Essen) werden aufgrund der Stofffülle als auflockern- 6.2 Clara Mühlbauer 163 des Beiwerk gesehen, während Fremdsprachenlernen weitgehend auf Lexik und Grammatikvermittlung reduziert bleiben. Um die abzuarbeitenden Grammatikkapitel schaffen zu können, greife sie auf Lernmethoden wie „pattern drill” (Z. 344) zurück. Gleichzeitig kritisiert die Lehrerin aber das zu geringe Angebot zum interkulturellen Lernen in den Lehrwerken. Die Einstellungen von Frau Heilmann zur Mehrsprachigkeit lassen sich umschreiben mit: vorsichtig, skeptisch, eher ablehnend, sich nicht kompetent fühlend. Ihre bereits gezeigte Unsicherheit im Umgang mit der Mehrsprachigkeit der Schülerinnen und Schüler setzt sich im Bereich dieser Hauptkategorie fort, indem die Lehrerin nur einen Vorschlag „Reduzierung der Stofffülle“ (Z. 504-506) einbringt, der aber genuin kaum von ihr selbst realisiert werden kann, da er mit staatlichen Rahmenvorgaben zusammenhängt. Zusätzlich hebt sie sehr deutlich auf das hohe Stundendeputat ab, was ihren Handlungsspielraum einschränke. Sie kritisiert sowohl die insgesamt berufsferne Ausbildung an der Universität, als auch die zu falschen Erwartungen an die eigene, realisierbare Praxis führende Referendariatsausbildung. 6.2 Clara Mühlbauer „[…] die wollen hier und jetzt sein und hier und jetzt dann im Deutschunterricht gut sein und in der Fremdsprache gut sein und des russisch ist denen egal, weil des so weit weg ist von denen, weil die ja meist schon hier geboren sind.“ (Z. 219-221) 6.2.1 Biografisches und berufliche Rahmenbedingungen Frau Mühlbauer ist eine 40-jährige Französisch- und Englischlehrerin, die, inklusive Referendariat, seit zwölf Jahren an einem Gymnasium in Augsburg unterrichtet (Z. 57). Sie erzählt von einem „ganz speziellen Ereignis“ (Z. 6) aus ihrer Jugend, um zu erklären, wie sie später dazu kam, Französischlehrerin zu werden. Am Ende der 8. Klasse sollte sie im Rahmen eines Städtepartnerschaftsjubiläums Franzosen abholen, weil ihre Eltern noch auf der Arbeitsstelle waren. Damals hatte sie keine Französischkenntnisse und lediglich ein Wörterbuch in der Hand. Reden wäre für sie wichtiger gewesen, als mit Hilfe von Gesten und dem Wörterbuch zu kommunizieren. Nach dieser Begebenheit weiß sie, dass sie Französischlehrerin werden will, um ihr Wissen anderen Menschen vermitteln zu können: „[…] ich fand’s einfach nur doof, dass ich nicht mit denen reden konnte, muss ich ehrlich sagen, des hat mich so geärgert, dass ich also wirklich mit Wörter- 164 6. Die Hauptstudie-- Einzelfalldarstellungen buch, mit Händen und Füßen versuchen musste, mich verständlich zu machen und, ähm, und dann hab ich mir gedacht so was jemandem beizubringen ist ne tolle Sache und so was selber zu können ist auch ne tolle Sache“ (Z. 18-22) und „Des will ich können. Und des will ich dann auch weiter geben, dass des andere Leute können.“ (Z. 12-13) Von Faszination für Sprachen sei dabei noch nicht die Rede gewesen, sondern eine Zeit lang wäre sie lieber Kunstlehrerin geworden, ist aber an der Akademie nicht angenommen worden (Z. 45-47). Daraufhin habe sie sich für ein Studium der Fächer Französisch und Englisch entschieden (Z. 47-48). Über die eigene Studienzeit erzählt sie, dass Vieles von dem, was sie heute praktiziere, nicht vermittelt wurde: „Ich find halt, wir sind da halt einfach viel zu wenig dafür ausgebildet, ganz ehrlich. Also, ähm, des, das, was ich jetzt da erzählt hab, des is ja alles Learning by Doing, weil ich ja überhaupt keine Ahnung hatte.“ (Z. 580-582) So fehle ihr auch Vorwissen aus ihrer Ausbildungszeit, beispielsweise über interkulturelles Lernen. In diesem Bereich hätte sie eine praxisorientierte Anwendung für wichtig gehalten, leider gab es nur Vorträge über theoretische und psychologische Grundlagen zur Interkulturalität (Z. 595-596). Insgesamt sei das Studium keine angemessene Vorbereitung auf die künftige Lehrerrolle gewesen: „[…] ich glaub ganz ehrlich, dass es, dass nicht wirklich.“ (Z. 635) und „[…] nur ganz wenig Berührungspunkte mit dem [hat], was ich jetzt tue.“ (Z. 636) Bezüglich des Studiums der Fremdsprachen notiert sie, dass fast nur Deutsch geredet werde: „[…] das geht schon zum Beispiel beim, ähm, beim Benutzen der Fremdsprache los, das findet an der Uni viel zu viel auf Deutsch statt.“ (Z. 637-638) Im Referendariat werde dann aber die Zielsprache verwendet und „man kommt hier an, im Referendariat und stellt plötzlich fest, oh, man muss ja Englisch oder Französisch reden und man hat‘s aber eigentlich gar net so, so drauf, also zumindest nicht genug, dass man […] sich frei schwimmen kann, dass man sich um die Kinder kümmern kann“ (Z. 638-641). Über ihre Schule berichtet sie, es sei eine Multikulti-Schule (Z. 77), die auch von Manchen als „Brennpunktschule“ (Z. 77) bezeichnet wird, weil es dort „viele Kinder aus der Innenstadt, sehr hoher Ausländeranteil“ (Z. 78) gebe. Dort seien „[…] ganz viele Kinder von unterschiedlichsten Nationen“ (Z. 109-110), in einer bunten Mischung, die der Schule gut gelinge (Z. 110-111). Es gebe auch keinen Streit wegen Rassismus (Z. 111-112). Ab der fünften Klasse gebe es mehr Jungen als Mädchen (Z. 79) und den Grund dafür vermutet sie in der Tatsache, dass es früher eine Jungenschule (Z. 83-84) war, und dass diese damalige Struktur weiterhin fest verankert zu sein scheint (Z. 84-85). Insgesamt herrsche ein tole- 6.2 Clara Mühlbauer 165 rantes Gesamtklima (Z. 86). Die Schule habe eher Zulauf von unteren Schichten, wenige Akademikerkinder, viele Kinder, deren Eltern Probleme wie Arbeitslosigkeit haben (Z. 86-89). Außerdem gebe es Integrationsprojekte und Sprachbegleitung für Migrantenkinder (Z. 89-90). In diesen Sprachbegleitungsprojekten sei ihr bewusst geworden, wie „massiv die [Migrantenkinder] Probleme haben im Deutschen und dass ich das nicht als Grundlage nehmen kann ganz oft, weil sie gar nicht genügend Verständnis für die deutsche Sprache schon mal mitbringen.“ (Z. 748-750) Beim Wechsel von München-Umland, wo „der Ausländeranteil lag praktisch bei 0 %“ (Z. 309), erlebte sie in ihrer derzeitigen Schule ein anderes Bild: „Und als ich hierher kam, hab ich wirklich absolut, ja, ganz andere Klassen, ganz andere Strukturen vorgefunden […]“ (Z. 313-314). Über ihre Arbeit an der Schule und ihre mögliche Freude am Lehrerberuf sagt sie: „Ja, definitiv! “ (Z. 489) „es ist a toller Beruf, genau des, was ich immer machen wollte, also kein Thema“ (Z. 495-496). Auch wenn es „phasenweise“ Schattenseiten gebe, wie die vielen Korrekturarbeiten oder Ärgernisse in einer Klasse (Z. 493-496). Mit den Bedingungen des Fremdsprachenunterrichts sei sie nicht zufrieden: „Nein […] wir haben viel zu wenig Möglichkeiten […]“ (Z. 505-506). Es gebe keine brauchbare Medienausstattung (Z. 511), obwohl laut Lehrplan, Medienkompetenz trainiert werden solle (Z. 506). Die Internetrecherche scheitere daran, dass die Schule nur einen Computerraum habe (Z. 506-509), der für das Pflichtfach Informatik gedacht und entsprechend fast immer belegt sei (Z. 508). Auch sei kein Beamer in den Klassenräumen vorhanden; der Beamerkoffer müsse „geschleppt werden“ (Z. 510), auch bis in das dritte Stockwerk. Diese ungünstige Situation habe zur Folge, „und manchmal, geb ich dann auch ehrlich zu, ähm, lohnt‘s den Aufwand nicht […] in ’ner normalen Woche den Beamerkoffer da hoch schleppen müsste in 3. Stock, des würd ich einfach lassen“ (Z. 513 und 517). Ihr Fazit zu der Situation: „wir täten wahnsinnig gern Sachen machen, aber es scheitert so bissel an den Bedingungen im Haus“ (Z. 519-520). Das Problem liege im Übrigen nicht an der Schulleitung, sondern es scheitere nur an den finanziellen Mitteln (Z. 532-536). Fachschaftsintern gebe es aber gute Arrangements, indem sich die Kolleginnen und Kollegen untereinander beispielsweise privat französische oder englische Filme ausleihen (Z. 569-570). 166 6. Die Hauptstudie-- Einzelfalldarstellungen 6.2.2 Einstellungen zur schulischen und lebensweltlichen Mehrsprachigkeit ihrer Schüler / Unterrichtspraxis Über die Herkunftssprachen der Schülerinnen und Schüler weiß sie zu berichten, „die meisten haben Muttersprache Deutsch; […] zuhause wird ganz viel auch äh ne andere Sprache gesprochen“ (Z. 185-186). So habe sie beispielsweise in der 6. Klasse Lernende aus der Türkei, aus Polen, aus Kroatien, aus Serbien und aus Italien, die in vielen Fällen zuhause noch die andere Sprache mit den Eltern sprechen (Z. 185-186). Sie erzählt, dass diese Schülerinnen und Schüler mit dem beschriebenen herkunftssprachlichen Hintergrund in der sechsten Klasse bereits ihre dritte oder vierte Fremdsprache erlernen (Englisch ab der dritten Klasse in der Grundschule; vgl. Z. 190-192). Im Bezug auf die Herkunftssprachen herrsche ein „ganz offenes Klima“ (Z. 196), da die Schülerinnen und Schüler oft von sich aus erzählen, wie es in ihrer Sprache heißt: „viele französischen Begriffe“ in der türkischen Sprache (Z. 203). Allerdings sagen auch türkische Kinder aus der dritten Generation der Lehrkraft, dass "sie gar nicht richtig Türkisch können, zum Beispiel“ (Z. 216-217), weil die Eltern so eingegliedert seien, dass sie ihren Kindern das Türkische „auch gar nicht mehr vermitteln wollen“ (Z. 218). Bei russischen Kindern habe sie die Beobachtung gemacht, dass diese keine Lust mehr hätten, die Sprache ihrer Eltern zu sprechen, obwohl diese es gerne sähen (Z. 219-222): „weil die wollen hier und jetzt sein und hier und jetzt dann im Deutschunterricht gut sein und in der Fremdsprache gut sein und des russisch ist denen egal, weil des so weit weg ist von denen, weil die ja meist schon hier geboren sind.“ (Z. 220-222) Diese Schülerinnen und Schüler wollten sich über eine gute Beherrschung der deutschen Sprache integrieren aber auch gute Leistungen in der Fremdsprache (Z. 221) zeigen. Sie führt das Beispiel einer russischen Mutter auf, die sich bei ihr beklagt, ihre Tochter würde sich verweigern, Russisch zu Hause zu sprechen. Frau Mühlbauer spricht die Schülerin darauf an und erhält folgende Antwort: „"Was will ich damit? Ich will nicht nach Russland zurück. Ich wohne hier, ich bin hier geboren, hab hier meine Freunde, ich fühl mich auch eher als Deutsche, klar hab ich russische Verwandtschaft, aber, ähm, ich muss doch gucken, dass ich hier nen guten Schulabschluss mach und da hilft mir das Russische nicht so wahnsinnig weiter."“ (Z. 229-233) Die Lehrkraft habe einige Male beobachtet, dass da, wo die russischen Schülerinnen und Schüler mit ihrer Identität „so bissel abschließen“ (Z. 233), die türkischen Kinder dagegen „mehr so Identitätsbestreben“ (Z. 234-235) haben. Diese führen öfter in die Türkei und verbrächten die gesamten Sommerferien dort (Z. 235-237). Das Problem im neuen Schuljahr sei dann, dass sie „Deutsch massiv vergessen“ hätten (Z. 238). 6.2 Clara Mühlbauer 167 Außerdem habe sie noch einen Halbitaliener in der sechsten Klasse, der „kann gar kein Italienisch, gar nicht“ (Z. 244). Dies sei die Entscheidung der Eltern (die Mutter ist Deutsche, der verstorbene Vater war Italiener) aufgrund ihres Wohnortes, das Kind nur Deutsch lernen zu lassen (Z. 246-248). Insgesamt gebe es zwei verschiedene Auffassungen innerhalb der Elternschaft, was das Beibringen der Herkunftssprache angehe: „wir haben wirklich Leute, die stolz sind auf ihre Herkunft und versuchen, so viel wie möglich an ihre Kinder weiter zu geben und andere, die sagen "Äh nö, ich muss jetzt hier gucken, dass mein Kind des Beste macht und des geht eigentlich nur über die guten Deutschkenntnisse." Und das ist leider wahr.“ (Z. 248-251) Die Lehrerin sagt, sie greife auf die sprachlichen Erfahrungen der Schülerinnen und Schüler zurück - „die Großen seien eher bewusster“ (Z. 261) - und thematisiere es selbst beziehungsweise übernehme das Thema des Lehrbuchs (Englisch / Französisch), insbesondere in den fünften und sechsten Klassen: „“Ja, und wer kann denn sonst noch was, was könnt ihr denn alles noch für Sprachen? "“ (Z. 264-265). Sie fertige folglich einen Tafelanschrieb zur Herkunft an: „[…] woher sie sind, woher ihre Eltern sind“ (Z. 266); „da haben wir dann meistens ne ewig lange Liste an der Tafel auf Französisch, oder auf Englisch, vollkommen egal, wo, damit jeder auch wirklich sagen kann, wo seine Eltern her sind und wie er sich fühlt, ob er sich als Türke fühlt, ob er sich als Deutscher fühlt, ob er sich als Russe fühlt oder, oder, oder ob er noch gar nicht weiß (lacht kurz), wie er sich fühlt […]“ (Z. 266-270). Wenn sie beispielsweise den Artikel im Französischunterricht einführe: „unbestimmter Artikel Einzahl, Mehrzahl“ (Z. 276), dann stellten die Schülerinnen und Schüler fest, dass es ihn im Deutschen - in der Mehrzahl-Form - gar nicht gebe (Z. 277). Sie frage dann: "Ja, in welchen Sprachen gibt’s denn den? Wer macht das denn noch in einer anderen Sprache? " (Z. 278-279). Die türkischen Schülerinnen und Schüler antworteten demnach häufig, dass es ihn im Türkischen nicht gebe: „"Wir machen überhaupt keine Artikel, des geht doch auch ohne."“ (Z. 279-280) Dies führe zu einer interessanten Diskussion, weil Schülerinnen und Schüler die morphosyntaktischen Unterschiede nicht akzeptieren könnten und sagen: „wieso machen wir des jetzt nicht und die machen des, des is aber schräg, Französisch ist ne komische Sprache."“ (Z. 281-282) Außerdem verweise die Lehrkraft auf weitere Sprachen, um Ähnlichkeiten respektive Differenzenzwischen den Sprachen bewusst zu machen: „Und dann stellen sie relativ schnell raus, dass halt einfach Sprachen nach ganz unterschiedlichen Mustern funktionieren können und des hilft weiter und eben auch beim Wortschatz […]“ (Z. 283-284). Obwohl sie weder Türkisch noch Russisch könne, habe sie im Laufe ihrer Unterrichtsreihe: „[…] so ein Repertoire [bekommen], äh, was man wo welche Nationalität fragen kann.“ (Z. 286-287) 168 6. Die Hauptstudie-- Einzelfalldarstellungen Auch ein Rückgriff auf die kulturellen Erfahrungen der Schülerschaft erfolge beispielsweise in bestimmten Unterrichtsphasen (Z. 290-291): „Ja, ich mach’s tatsächlich, wenn sich’s anbietet und des kommt immer mal wieder zur Sprache, auch bei so Sachen wie Essgewohnheiten usw.[…].“ (Z. 293-294) Für sie seien Fragen an ihre Lernenden nach kulturellen Gewohnheiten in Anbetracht der bunten Population, die in den Klassen vorherrsche, nicht wegzudenken. Dadurch könnten sich die Schülerinnen und Schüler mit ihrer jeweiligen Herkunft auch identifizieren. Sie hielte es nicht für richtig, nur Deutschland mit seinen Traditionen vorzustellen, denn diese Attitüde würde ihre Schülerschaft stark einschränken: „[…] auch bei so Sachen wie Essgewohnheiten usw., also weil sich’s ja immer wieder anbietet und da nur zu sagen: "So ja wir in Deutschland machen des so" find ich für die Kundschaft, die wir hier haben, zu beschränkt. Des, ähm, damit können sich die Schüler, manche Schüler können sich damit einfach nicht identifizieren und da muss man halt einfach bissle weiter graben, find ich, um so bissle positive Stimmung zu schaffen für das Sprachenlernen generell, find ich […].“ (Z. 294-298) Die Migrantenschülerinnen und -schüler zeigen mit Stolz, was sie den deutschen Kindern voraushaben; diese Schülereinstellungen setze sie als Lehrerin bewusst ein: „[…] was ich zur Verfügung hab, das nutz ich, weil sich’s wirklich bewährt hat“ (Z. 352-353). Hierdurch erfahren diese Schülerinnen und Schüler eine Aufwertung der persönlichen Herkunftskultur jedes Einzelnen, was sie am Beispiel eines Mädchens illustriert: „Weils den türkischen Schülern auch das Gefühl gibt, ähm, des is jetzt zwar für mich schwer, weil‘s schon wieder ne Sprache obendrauf ist, aber ich weiß da ja schon was und ich weiß da schon Sachen, die die deutschen Kinder nicht wissen, äh, was die, was die natürlich auch motiviert dann, des wertet sie auf, also grad zum Beispiel, die Çiğdem, die ist da immer ganz stolz, weil sie sagt: "Des kenn ich schon."“ (Z. 354-357) Das erste Ziel ihres Fremdsprachenunterrichts sei mündliche Kommunikation: „Ich möchte in erster Linie, dass sie diese Sprache sprechen, dass sie also aktiv dabei sind, das ist mir ganz wichtig […]“ (Z. 463-464). Sie sei auch der Meinung, dass allein „Grammatik lernen und Literatur lesen“ nicht ausreichend sei, um eine Sprache zu können (Z. 465-466). Dies könne und solle in der Oberstufe gemacht werden (vgl. Z. 466). Sie verstehe Fremdsprachenlernen, um im Zielsprachenland durchkommen zu können: „des wichtigste ist, dass ich so des Gefühl hab, die kann ich jetzt nach Frankreich schicken und die werden mir nicht untergehen, egal, wo sie sind (Interviewer lacht), die kommen schon durch, also des is, find ich so, des is so mir, so des wichtigste Ziel so tatsächlich“ (Z. 466-469). Um diese Ziele zu realisieren, praktiziere sie seit einigen Jahren mündliche Schulaufgaben (Z. 474) und szenische Spiele (Z. 476): „dass die Kinder auch lernen, einfach die Sprache zu benutzen und Dialoge zu spielen“ 6.2 Clara Mühlbauer 169 (Z. 476). Das Feedback werde daraufhin von der Lehrerin und den Mitschülerinnen und -schülern gegeben: „Und dann überlegen wir uns, gemeinsam in der Gruppe, was war gut, was war nicht gut, und machen auch ’nen Unterrichtsbeitrag draus […]“ (Z. 479-480). Es sei von besonderer Bedeutung für sie, dass die Schülerinnen und Schüler sich nicht schämen müssten, wenn ein Fehler begangen wird, sondern: „wenn man verstanden wird und sich so bissle zu helfen weiß, des is schon ganz wichtig.“ (Z. 483-484) 6.2.3 Anregungen und Änderungsvorschläge Was Anregungen zur Förderung der Mehrsprachigkeit in der Schule angeht, so könne sie sich Ringvorlesungen vorstellen, in denen das Funktionieren von Sprachen wie Türkisch oder Kroatisch für den Fremdsprachenunterricht zunutze gemacht werden könnte: „„Wie funktioniert Türkisch? ", zum Beispiel, „Was kann ich da als Fremdsprachenlehrer oder als Deutschlehrer oder auch als Englischlehrer, was kann ich mir da zunutze machen? Oder wie funktioniert Kroatisch? ““ (Z. 722-724). Dies sei als Plädoyer dafür zu verstehen, dass Lehrkräfte eine Vorstellung von dem Funktionieren einer ihnen nicht bekannten Sprache bekommen können. 6.2.4 Zusammenfassung ihrer Einstellungen Ausgehend von ihren negativen, persönlichen Mediationserfahrungen in der Jugend hat die Interviewpartnerin eine Einstellung entwickelt, wonach es ihr eine Befriedigung sei, Fremdsprachen zu beherrschen und zu vermitteln. Frau Mühlbauer äußert sich besonders ausführlich und umfassend über die Herkunftssprachenproblematik. Hier kann sie sehr viele Beispiele anführen und scheint sich besonders zu bemühen, viel darüber zu erfahren. Sie scheint insgesamt eine positive Einstellung den Herkunftssprachen ihrer Schülerinnen und Schüler gegenüber zu haben, was sich aus den vielen positiven Detailschilderungen und Anekdoten schließen lässt. Sie verfügt darüber hinaus über ein großes methodisch-didaktisches Repertoire, um Sprachvergleiche, Bewusstmachungsprozesse und Rückgriffe auf die kulturelle Vielfalt anstoßen zu können. Hierbei greife sie auch auf geschichtliche Themen zurück, über die teilweise die Schülerinnen und Schüler selbst berichten, beispielsweise: Krieg zwischen Türkei und Griechenland (vgl. Z. 331-332). Insgesamt betrachtet sie die Herkunftssprachen ihrer Schülerschaft als ein sehr großes Potenzial (Z. 322; 330). Zentrales Ziel ihrer unterrichtlichen Bemühungen sei die mündliche Sprachbeherrschung und eine praktikable Fremdsprachenkompetenz ihrer Schülerin- 170 6. Die Hauptstudie-- Einzelfalldarstellungen nen und Schüler, die sie auch durch szenisches Spiel und mündliche Leistungsüberprüfung mit anschließendem Feedback zu erreichen trachte. Viele ihrer Unterrichtsideen seien durch lange Lehrpraxis - im Sinne eines Learning by Doing - entstanden und hätten während des Studiums noch keine Rolle gespielt. Bei den Ausführungen von Frau Mühlbauer fällt auf, dass sie für Grundkenntnisse der Lehrpersonen in einigen Herkunftssprachen der Schülerinnen und Schüler plädiert, damit Bezüge einfacher herzustellen seien. Außerdem verfolge sie in den Bereichen Lexik und Grammatik auch immer kontrastive Ziele (kontrastive Grammatik), die sie durch konkrete Nachfragen bei den mehrsprachigen Schülern erreichen wolle. Was die Einstellungen der Schülerschaft zu ihren Herkunftssprachen angeht, sehe sie Unterschiede zwischen türkischen und russischen Kindern; Letztere versuchen sich dadurch stärker in Deutschland zu integrieren, dass sie die Herkunftssprache Russisch nicht praktizieren. In ihrer Karriere als gymnasiale Fremdsprachenlehrerin habe sie Schülerinnen und Schüler aus Migrationsfamilien gesehen, die nur wenige Deutschkenntnisse mitbrächten. Dies steht im Widerspruch zu Äußerungen anderer Interviewpartnerinnen und -partner, die auf die Grundvoraussetzungen des Übergangs auf das bayerische Gymnasium verweisen. 6.3 Anne Rieder „Also wenn sie hier ein deutsches Gymnasium durchlaufen, find ich, muss danach dann schon mehr raus kommen als nach ’nem Volkshochschulkurs.“ (Z. 502-504) 6.3.1 Biografisches und berufliche Rahmenbedingungen Frau Rieder ist zum Zeitpunkt des Interviews eine 45-jährige Gymnasiallehrerin in Augsburg, die seit 15 Jahren die Fächer Deutsch, Englisch und Spanisch unterrichtet. Sie habe während ihrer Schulzeit Latein, Englisch und lediglich zwei Jahre Französisch gelernt und sagt über ihre eigene Sprachlernbiografie, dass sie Sprachen eigentlich erst richtig an der Universität gelernt habe. Dennoch bleibt ihr die Englischlehrerin aus der Schulzeit im Gedächtnis: „[…] die war wirklich spitze.“ (Z. 46) Überhaupt seien ihre Erinnerungen an die Schulzeit sehr positiv, denn sie sagt, dass sie selber gerne Schülerin war. Die von den damaligen Lehrern vorgelebte Praxis stelle für sie ein Rollenvorbild dar und habe ihre spätere Berufsentscheidung mit geprägt: 6.3 Anne Rieder 171 „Ich war selber gern Schülerin, also das heißt, ich hab Schule eigentlich immer mit was Positivem verbunden und hatte auch während meiner Schulzeit eigentlich viele gute Lehrer, das muss ich sagen. Also insofern, ähm, war für mich der Weg eigentlich relativ klar, ich möchte so was ähnliches machen wie diese Rollenmodelle, die ich da eben hatte, ähm, hab aber zu meiner Schulzeit schon viel Nachhilfe gegeben, also ich wusste, so ungefähr oder habe so ein bisschen hinein geschmeckt in diesen Beruf, wusste was so bisschen damit zusammenhängt.“ (Z. 8-14) Ihre Leidenschaft für Sprachen habe sie dann dazu geführt, ein Fremdsprachenstudium zu beginnen, allerdings anfangs noch mit unklarem Berufsbild: „Ich wusste immer, ich will auf jeden Fall was mit Sprachen machen, also das war von vornherein klar. Da haben sich zwei Berufsbildereröffnet, das eine war ebendann Lehramt, Fremdsprachen, ja, Gymnasium oder Dolmetschen, da hab ich relativ lange überlegt sogar, ähm, hab mich dann aber erkundigt, wusste, ich muss auf jeden Fall zwei Sprachen dann natürlich zwei Fremdsprachen sehr gut beherrschen, konnte damals nur gut Englisch nach dem Abitur, weil ich an ‘nem musischen Gymnasium war und sehr lange Latein gelernt hatte, also meine erste Fremdsprache war Latein.“ (Z. 22-28) Lange Zeit habe sie überlegt, ob sie Lehramt mit Fremdsprachen oder Dolmetschen - nicht Übersetzen - mit Englisch und Französisch, studieren solle. Sie habe dann aber eine sehr große Entmutigung durch einen Professor erlebt und daraufhin auf das Dolmetschen verzichtet. Auch hier wird noch einmal die entscheidende Rolle ihrer ehemaligen Englischlehrerin deutlich: „[…] ich hab auch in der Uni dann erst Spanisch gelernt und zwar aus ganz ähm, ja, wie soll ich sagen, strategischen Gründen, rationalen Gründen, ich hatte mit Spaniern oder Spanisch nie irgendwie Kontakt, hab mich nie interessiert für das Fach oder für das Land oder für die Sprache, hatte aber eben zu Schulzeiten ‘ne ganz hervorragende Englischlehrerin, die wusste, dass ich ins Lehramt will, in einer Zeit, in der es ganz wenig Stellen gab und die hat zu mir gesagt: "Wenn du irgendeine Chance haben willst, musst du dich höher qualifizieren, mach‘s mit Spanisch, die Sprache ist im Kommen." Und das war damals sehr weise und weitblickend, also der verdank ich ganz ganz viel, muss ich wirklich sagen, also dieser Frau. Der hab ich geglaubt, habe ganz großes Vertrauen in sie gehabt und hab dann einfach, weil die es gesagt hat, äh, hab ich‘s dann mit Spanisch.“ (Z. 33-42) Sie habe schließlich die Idee mit dem Dolmetschen verworfen und sich für das Lehramt entschieden: „[…] und dann, ja, dann blieb, dann blieb letztendlich ja nur noch das Lehramt für die Sprachen. So groß sind die Möglichkeiten letztendlich nicht und hab’s auch nie bereut. Des war für mich dann glaub ich schon die, die richtige Entscheidung.“ (Z. 67-69) 172 6. Die Hauptstudie-- Einzelfalldarstellungen Frau Rieder hat berufliche Auslandserfahrungen sammeln können, indem sie nach dem Abitur zunächst ein Jahr lang in England als Au-pair Mädchen (Z. 57) und während ihrer Berufstätigkeit ein Jahr in Madrid über den Pädagogischen Austauschdienst als Austauschlehrerin für Deutsch (Z. 105-106) gearbeitet habe. Nach einem Jahr Lehrtätigkeit an einem Gymnasium in Neu-Ulm, kehrt sie 1996 wieder nach Augsburg zurück. Seither arbeitet sie an einem Innenstadtgymnasium der Stadt Augsburg. Über die Stadt sagt sie, das sei eine „[…] Großstadt mit 260 000 Einwohnern, die ja mit den höchsten Ausländeranteil in ganz Deutschland hat, also was die türkische Bevölkerung in Augsburg anbelangt ist größer als in Berlin prozentual gesehen.“ (Z. 132-134) Ihre Schule habe traditionell einen hohen Jungenanteil, da es früher eine technische Schule gewesen sei. Bei vier siebten Klassen bilde sich eine Sprachklasse neben drei naturwissenschaftlichen Klassen. Die Eltern gehörten nach Einschätzung der Lehrerin „[…] der unteren Mittelschicht oder Unterschicht“ (Z. 169) an. In der Schule seien zahlreiche Nationen vertreten, die in einem guten, konfliktfreien Miteinander leben; daraus resultiere ein positives Schulklima: „Wir haben Schüler aus glaub ich 26 verschiedenen Nationen. Die meisten eben mit nem türkischen oder mit nem russischen Hintergrund, aber auch Vietnamesen, Chinesen, relativ viele Spanier sogar, erfreulicherweise eben, Lateinamerikaner und so weiter, sie sind da ganz gemischt und das wirkt sich natürlich auf das Schulklima aus, des ist ganz klar, weil man versuchen muss, die vielen Sprachen und Religionen auch in dem Fall unter einen Hut zu bekommen.“ (Z. 139-144) Aber es sei eine harte Arbeit als Deutschlehrerin aufgrund der Sprachdefizite der Migrantenkinder. Als Deutschlehrerin stelle sie fest, dass das Niveau der Schülerinnen und Schüler nicht gut sei: „[…] aber, das sag ich jetzt vor allem als Deutschlehrerin, man merkt’s natürlich am Niveau. Das muss man jetzt sagen.“ (Z. 145-146) Sie konstatiere große Defizite im schriftlichen Bereich, was zur Folge habe, dass Migrantenkinder die schulischen Anforderungen weniger gut bestünden als die deutschen Schülerinnen und Schüler, beziehungsweise es nicht bis zum Abitur schafften. Hiervon seien vor allem die türkischen Schülerinnen und Schüler betroffen, was zu einer hohen Abbruchquote bei diesen Lernenden führe. Was sie an signifikanten, markanten Problemen mit dem Deutschen beobachte: „Das ist tatsächlich so, also, im Deutschen sich jetzt grad so im schriftlichen Bereich einfach sehr schlecht ausdrücken können, ähm, und die Durchfallerquote an der Schule ist letztendlich auch natürlich unter den Migranten- 6.3 Anne Rieder 173 kindern sehr viel höher ausgeprägt als bei den deutschen Kindern. Das heißt, es kommen von den türkischen oder russischen Kindern, also vor allem von den türkischen kommen ziemlich Wenige dann tatsächlich beim Abitur an. Also die Abbruchquote auf dem Weg ist hoch. Das hat viele Gründe, aber die Sprache spielt natürlich da eine große Rolle.“ (Z. 148-154) Die Schule unternehme große Anstrengungen, indem zum Beispiel ein Schulführer für Türkisch und Russisch als Prospekt aufgelegt werde. Ein „[…] Schulführer, der zum Beispiel auf Türkisch und auf Russisch noch erscheint jetzt für die Fünftklasseeltern, äh, damit die wissen, ja, was wichtig ist, wo Bücher herkommen, wo die Fahrkarte für die Kinder zum Beispiel am ersten Schultag herkommt und solche Dinge“ (Z. 175-178). Dieses Informationsinstrument sei für die Eltern gedacht, die die deutsche Sprache nicht beherrschten und womöglich auch wenig Bildung hätten. In dieser Broschüre erhalten sie Hinweise für den Schulalltag ihrer Kinder. Die Lehrerin sei sich sicher, dass es einen derartigen Schulführer für Türkisch gebe; mit Russisch sei sie sich weniger sicher (Z. 184). Außerdem gebe es an der Schule Fortbildungen für die Lehrkräfte in Sachen Erziehung und Erziehungsproblemen mit türkischen Kindern, auch zur Rolle der Religion (Z. 187); es gebe Referate, die von einer türkischen Lehrerin abgehalten würden über das adäquate Verhalten der Lehrer bei Elterngesprächen (Z. 190-193). 6.3.2 Einstellungen zur schulischen und lebensweltlichen Mehrsprachigkeit ihrer Schüler / Unterrichtspraxis Welche Kenntnisse über die Herkunftssprachen der Schülerinnen und Schüler hat Frau Rieder und wie bezieht sie ihre Informationen? Sie stütze sich hauptsächlich auf die Anwesenheitsliste zu Beginn des Schuljahres mit Hilfe derer sie Einiges über die Herkunft der Schülerschaft erfahren könne: „Also, das versuch ich schon. Ich seh ‘s ja am ersten Schultag letztendlich an der Namensliste, ist ja viel zu erkennen, wo die Kinder herkommen.“ (Z. 309-310) In den meisten Fällen kenne sie die Kinder sowie ihre Eltern schon lange, wenn sie in der Oberstufe sind, räumt allerdings ein: „[…] leider sind’s natürlich meistens Kinder, eben jetzt türkische oder russische Kinder sind, zu denen ich sprachlich keinen Zugang habe, weil ich weder Türkisch noch Russisch kann.“ (Z. 312-313) Das herkunftssprachliche Potenzial der Schülerinnen und Schüler könne sie integrieren, wenn es sich um Lernende aus der Romania handle. Dies erfolge zum Beispiel bei spanischsprachigen Sprechern: „Wir hab ’n jetzt paar eben Spanier in der Mittelstufe, da kann ich eher dann mal schnell sozusagen umschalten und sagen, denk mal da ans Spanische, das ist doch so und so.“ (Z. 313-315) 174 6. Die Hauptstudie-- Einzelfalldarstellungen Allerdings könne sie das nicht bei türkischbzw. russischsprachigen Schülerinnen und Schülern: „Des geht jetzt bei diesen Kindern nicht, weil mir da die Sprachkenntnisse fehlen.“ (Z. 315-316) Auch was den Rückgriff und die Einbeziehung der herkunftssprachlichen Erfahrungen der Lernenden angeht, sagt sie, dass sie diesen praktiziere: „Eigentlich schon, ja, eigentlich schon“ (Z. 336) aber es erfolge kein Rückgriff auf die Strukturen der ihr unbekannten Sprachen wie Türkisch oder Russisch: „Jetzt was die sprachwissenschaftliche Seite anbelangt, zum Beispiel Wortbildung, ähm, ist, funktioniert im Türkischen soviel ich weiß ganz anders, ähm, Syn Syntax funktioniert im Russi (verbessert sich; SMM ) im im Türkischen ganz anders, kann ich aber wenig dazu sagen, weil ich die Unterschiede nicht weiß.“ (Z. 348-35) Gelegentlich frage sie ihre Schülerschaft nach der Bedeutung in der Herkunftssprache: „Ja natürlich, klar, das kommt schon vor. Es kommt vor, einzelne Wörter. Manchmal kommen die Kinder auch von selber und sagen: "Ach ja, Mensch, das heißt ja auf Türkisch auch" oder so“ (Z. 357-359). Allerdings verbleibe diese Aktivität auf der Wortebene und erfolge auch eher beiläufig: „[…] wenn dann in der Lexik, dass man tatsächlich bestimmte Wörter untersucht“ (Z. 364); "Kennen wir das aus anderen Sprachen oder so, klingt es so ähnlich? "“ (Z. 365); „Ich frage, wenn sich‘s anbietet bei den Schülern.“ (Z. 370) Die Verweise auf die Herkunftssprachen seien von der Unterrichtssituation abhängig und hätten Erfolg bei den Kleineren, während die älteren Lernenden schweigen würden: „Die Kleineren, so in der Unterstufe auf jeden Fall, die Mittelstufe und die Größeren die schweigen sich da aus. Da würde kaum jemand von selbst, äh, da was beitragen, also hab‘s ich zumindest nie so erlebt, ähm, dass, die sind dann eher, ich weiß nicht, ob‘s manchmal peinlich ist […].“ (Z. 370-373) Die Lehrerin kenne die Gründe ihres Schweigens nicht und vermute auch Unsicherheiten in der zweiten Sprache oder nehme an, dass die andere gesprochene Sprache auch eine zweite Fremdsprache darstelle: „[…] ich weiß auch nicht, muss ich sagen, wie sicher die eben in ihrer zweiten Sprache oder was im Grund die zweite Sprache ist.“ (Z. 373-375) Hierzu habe sie die Vermutung, dass die türkischsprachigen Schülerinnen und Schüler ihre Herkunftssprache nicht besonders gut sprechen würden: „Ich hör ja immer wieder, dass die Kinder im Grunde eigentlich relativ schlecht Türkisch sprechen, zum Beispiel, wo ich mir dann denke "Hm, Deutsch auch nicht so toll" (lacht) […].“ (Z. 375-377) Sie finde es persönlich bedenklich, sprachlich nicht beheimatet zu sein: „[…] also das find ich ganz schlimm eigentlich, wenn ein Kind eben in keiner Sprache zuhause ist.“ (Z. 377-378) 6.3 Anne Rieder 175 Eine weitere Vermutung der Lehrerin drückt sich folgendermaßen aus: „Das ist sicherlich ein Grund, warum die sich dann da nicht kompetent genug fühlen, da sich da groß dazu zu äußern. Ich glaub, dass das ne große Rolle spielt, dass da die Unsicherheit in der anderen Sprache eben genauso groß ist.“ (Z. 378-380) Zu einem möglichem Rückgriff auf die Herkunftskultur der Schülerschaft erzählt die Lehrerin am Beispiel des Deutschunterrichts, dass dies als Unterrichtsthema erfolge: „[…] zum Teil wird’s je nach Thema natürlich auch der Unterrichtsstunde thematisier ich’s.“ (Z. 336-337) Am Beispiel des Lehrplans für die fünfte Klasse, in der Märchen behandelt werden, habe sie eine Ausstellung realisiert: „[…] da war’s dann tatsächlich so, dass wir so ne kleine Ausstellung auch im Klassenzimmer gemacht haben und da haben alle Kinder aus ihrem Kulturkreis ein Märchenbuch mitgebracht und dann waren da natürlich russische Märchenbücher mit ’ner kyrillischen Schrift oder eine Chinesin war dabei usw., die das mitgebracht hat, das heißt von da, ähm, das ist ein Selbstläufer im Grunde, sehen die Kinder des dann und, und, nehmen des wahr.“ (Z. 338-343) In dieser Ausstellung seien die Märchenbücher aus den verschiedenen Ländern (russisch, chinesisch) von den Schülerinnen und Schülern angeschaut worden und die Gruppe habe dann dabei Text- und Bildgestaltung sowie kulturelle Unterschiede thematisiert. Derartige Projekte seien „ein Selbstläufer“ (Z. 342): „Wir ham die Bücher so a bissel angeschaut und ham gesehen, also wie sich da letztendlich natürlich so kulturelle Dinge äußern, die russischen Märchenbücher sind auch ganz knallig ehrlich gesagt, von den Farben her, ist oft so im Walt-Disney-Stil.“ (Z. 344-347) Frau Rieder versuche, Ähnlichkeiten beziehungsweise Differenzen zwischen den Sprachen bewusst zu machen, indem sie in der Klasse Bezüge zwischen Latein und Spanisch herstelle: „Ja, das mach ich immer und Lateinisch natürlich auch, denn so und so viele lernen hier ja auch noch Latein und, ähm, es ist ei(gentlich) ja, meine Bibel, sozusagen des Latein, ähm, allerdings muss ich zugeben […].“ (Z. 428-430) Sie stütze sich dabei auf Sprachen, die sie könne respektive unterrichte, und mache Verweise auf Ähnlichkeiten zwischen Spanisch und Französisch mit Hilfe der lateinischen Sprache. Problematisch und frustrierend sei dabei, dass die Schülerinnen und Schüler den Transfer vom Lateinischen auf das Spanische nicht machen könnten, weil sie die Aspekte nicht erkennen würden. Deshalb „[…] ist es frustrierend, weil die bei den einfachsten, also viele Schüler bei den einfachsten Dingen den Transfer, äh, nicht vollziehen können und des nicht erkennen, also grad was zum Beispiel Verbkonjugation anbelangt zwischen dem Lateinischen, ähm, und dem Spanischen, des ist ja manchmal also wirklich fast identisch“ (Z. 430-433). 176 6. Die Hauptstudie-- Einzelfalldarstellungen Transferaktivitäten fänden im Unterricht statt: „Des kommt von selber, obwohl ja die Bücher so gestaltet sind“ (Z. 447) und „[…] es wird im Unterricht natürlich immer darauf hingewiesen, sei es über die Aussprache, sei es jetzt eben über ne Endung oder so, ne Wortwurzel“ (Z. 463-465). Dabei verbleibe die Lehrerin aber im Bereich Lexik und Grammatik wie weitere Zitate belegen: „Meistens kommt dann so ’n Schulterzucken, so quasi, "Was fragen Sie uns nach Latein, wir können ja auch Latein nicht" (lacht)“ (Z. 456). Sie finde dieses Verhalten bedauerlich: „Es ist schade, weil viel verschenkt wird.“ (Z. 456-457); Auf die Nachfrage über das Interesse der Schüler an derartigen Vergleichen sei sie skeptisch: „Ja, eigentlich schon. Also ich behaupte schon, denn die Bücher sind modern genug, die weisen darauf hin, also jeder, der aufmerksam so ein Buch liest, der den Wortschatzteil aufmerksam verfolgt, der sieht.“ (Z. 461-463) Transferaktivitäten funktionierten in der achten und neunten Klasse nicht (Z. 479-482): „[…] find ich, find schon, dass sie’s eigentlich können müssten.“ (Z. 486-487) und: „[…] es wird im Unterricht natürlich immer darauf hingewiesen, sei es über die Aussprache, sei es jetzt eben über ne Endung oder so‚ ne Wortwurzel.“ (Z. 463-465) Sie benennt das Problem mit möglichen Interferenzen bei Spanisch spätbeginnend nach Französisch und bewertet diese Lernstrategie des Vergleichs positiv: „Die haben dann zwar relativ viele Interferenzen auch, natürlich, aber sie können sich‘s bewusst machen und dann sagen "Mensch, also das is die Französischschublade, da ist es so und so und im Spanischen klingt‘s so ähnlich, ist aber dann doch ein bisschen anders usw. ." Da funktioniert ‘s eher, aber wenn die normal sozusagen in der 8. oder 9. Klasse Spanisch lernen.“ (Z. 478-482) Diese Möglichkeiten sehe sie bei türkischer oder russischer Herkunftssprache nicht, weil sie keine der beiden Sprachen beherrsche. Daher führe sie keinen Rückgriff auf die sprachlichen Erfahrungen der Schülerinnen und Schüler durch, „[…] was jetzt den Spracherwerb anbelangt eigentlich wenig, dadurch dass ich eben die Sprachen, die ich nützen müsste, nicht kann, also des is jetzt vor allem des Türkische und dann ein Teil des Russische eben noch.“ (Z. 393-395) Aufgrund der mangelnden Sprachkenntnisse sehe sie Schwierigkeiten, Brücken zwischen slawischen und romanischen Sprachen zu bauen: „Da, ich weiß nicht, inwieweit man Brücken bauen könnte, wahrscheinlich sind‘s jetzt gar nicht so viele zwischen denen, ja, den slawischen Sprachen und den romanischen Sprachen ist wahrscheinlich schwierig, ähm, im Normalfall Wörter wie Zar oder so, wo man halt absieht, dass ging schon […].“ (Z. 395-398) Als kulturell geschichtliches Thema - dadurch, dass zahlreiche türkische Lernende anwesend seien - sei das Thema der Maurenherrschaft in Spanien als führender Kulturnation (Z. 408) bei diesen Schülerinnen und Schülern von besonders großem Interesse. Sie seien auch interessiert, Informationen über die 6.3 Anne Rieder 177 Beeinflussung des sprachlich-linguistischen Registers in der spanischen Sprache (Z. 408-409) zu erhalten. Dieses Thema würde sie an anderen Schulen mit einem geringeren muslimischen Anteil (Z. 414-416) womöglich nicht so intensiv und ausgiebig behandeln: „[…] also ich würde sicher an einer anderen Schule, wenn ich Spanisch und auch spanische Geschichte unterrichte, nicht so stark auf die Zeit der, der Maurenherrschaft in Spanien eingehen, eben im frühen Mittelalter von 711-1492, ähm, so diese Araberherrschaft, die ja zu ’ner Blütezeit von Spanien eben geführt hat, des is was, was natürlich die muslimischen und die türkischen Schüler gerne hören, was die interessiert, es ist eine der Glanzzeiten der spanischen Geschichte.“ (Z. 400-405) Dabei müsse eine gewisse Rücksichtnahme und Sensibilisierung für diese geschichtlichen Aspekte gewährt bleiben: „[…] dass man halt auf bestimmte Befindlichkeiten Rücksicht nimmt, des machen, des machen alle hier […].“ (Z. 423-424) Ihr besonderes Anliegen sei es, Werte zu vermitteln und die Zielsprachenländer den Schülerinnen und Schülern näherzubringen: „[…] einmal als Lehrer die Gelegenheit hat, zu zeigen, dass das Fach eben nicht nur auf dem Papier existiert und innerhalb dieser Schulmauern, sondern dass das Fach tatsächlich das Leben ist und und ihnen in jeder Hinsicht, äh, später nützt, nicht nur beruflich, des ist, kann natürlich auch wichtig sein, sondern einfach auch für jemanden als Mensch, als Person.“ (Z. 511-515) Da sie, nach ihrer eigenen Aussage, einen traditionellen Unterricht praktiziere, was den Spracherwerb angeht, indem sie Schülerheft und Grammatikeinträge zum Lernen (Z. 536-539) benutze, und selbst sehr strukturiert sei, gebe sie den Schülerinnen und Schülern klare Vorgaben und Anweisungen weiter, damit diese beim Lernen nachschlagen könnten (Z. 530-531). Bei landeskundlichen Themen aber öffne sie ihre Methodik hin zu einem schülerorientierteren Vorgehen und referiere über ihre verschiedenen Aufenthalte und ihre Reisen, die sie für ihre jeweilige Unterrichtssprache gemacht habe: „Jetzt in den anderen Stunden, was jetzt Landeskunde usw. anbelangt, erzähl ich einfach ganz viel. Ich hab eben ein Jahr in Spanien gelebt, ich hab ein Jahr in England gelebt, ich war ein Vierteljahr in Mittelamerika, ähm, und hab da, war oft in Amerika, da hab ich relativ viel Erfahrungen sammeln können, und erzähl einfach viel von den Ländern und des is die Erfahrung, die ich im Fremdsprachenunterricht eben immer wieder mach, äh, des sind sozusagen die goldenen Stunden, da sind die Schüler wirklich fokussiert, des kann dann auch mal auf Deutsch sein, je nachdem eben, in welcher Stufe des is […].“ (Z. 536-542) Sie könne mit Hilfe der von ihr mitgebrachten Gegenstände aus den verschiedenen Kulturen einen authentischen Unterricht gestalten, was sich auf die Aufmerksamkeit der Schülerschaft positiv auswirke und ihr fremde Realitäten 178 6. Die Hauptstudie-- Einzelfalldarstellungen zeigen könne. Sie sei dabei glaubwürdig und authentisch: „[…] und ich bring dann Bilder mit, oder kleine Inkagötter oder Statuen von zuhause, dass sie eben sehen, dass des existiert, und die liest eben nicht nur aus dem Buch raus vor, sondern sie hat‘s erlebt.“ (Z. 543-545) Dabei verschönere sie ihre Erfahrungen nicht, sondern erzähle, wie es tatsächlich gewesen sei, und strebe dadurch Authentizität an: „[…] ich erzähl von den guten und natürlich auch von den schlechten Erfahrungen, die ich natürlich auch gemacht hab, ist ja klar, ähm, und versuch des eben immer so zum Leben zu erwecken, des is mir ganz wichtig, also die Authentizität.“ (Z. 545-547) Ihre Einstellung zum Lehrerberuf sei uneingeschränkt positiv und sie habe eine sehr dezidierte Vorstellung von ihrer Rolle. Einerseits gewinne man an Erfahrung und Souveränität (Z. 557) und ihr Alter sei für sie „ganz angenehm“ (Z. 559), sie müsse sich bei den Lernenden nicht profilieren, wie man es in jüngeren Jahren tue: „[…] ich bin keine von den Lehrern, die unbedingt noch bei den Jungen dabei sein muss, ähm und, und ununterbrochen abends mit den Schülern auf ’n Bier gehen muss, des mach ich nicht […].“ (Z. 559-561) Ihrer Meinung nach sei „[…] Distanz wichtig, die zwischen Schüler und Lehrer existieren muss […]“ (Z. 562). Sehr angenehm sei auch die Tatsache, dass man mit dem Alter etwas loslassen könne (Z. 563), denn man müsse sich nicht beweisen: „[…] weil man nicht mehr so auf diesem Zwang ist, so jung und schick und hip usw. zu sein, des find ich ganz angenehm.“ (Z. 564-565) 6.3.3 Anregungen und Änderungsvorschläge Im Bereich der dritten Hauptkategorie äußert Frau Rieder einige Ideen und Kritikpunkte zu Studium und Referendarausbildung aber auch zum Lehrerberuf allgemein. Zunächst scheine ihr die Persönlichkeit der Studierenden wichtig: „[…] also ich glaub eines ist, liegt nach wie vor doch relativ stark, ähm, in der Persönlichkeit des Studenten und auch in der Initiative des Studenten […]“ (Z. 693-695) und: „[…] manche sind halt einfach gut geeignet für den Beruf und manche sind trotz hoher Fachkenntnis zum Beispiel halt dann doch nicht geeignet für den Beruf.“ (Z. 747-748) Sie nimmt in der Folge Stellung zu den Auslandsaufenthalten. Für die Fremdsprachen sei es ihrer Ansicht nach notwendig, längere Auslandsaufenthalte zu machen. Die Bereitschaft, ins Ausland zu gehen, sehe sie als Pflichtprogramm an: „[…] das würd ich also obligatorisch machen“ (Z. 696-697), „das A und O“ (Z. 700) eines künftigen Fremdsprachenlehrers, der nicht nur die Sprache zu beherrschen habe, sondern auch Vermittler des Zielsprachenlandes sei (Z. 700-701). 6.3 Anne Rieder 179 Trotz vieler ERASMUS-Programme, „[…] ich halt ‘s trotzdem, muss ich sagen, für die Fremdsprachen für unabdingbar, dass die länger, eigentlich ein Jahr find ich, ein dreiviertel Jahr müssten die im Land sein.“ (Z. 714-715) Die hohen psychischen Belastungen im Lehrerberuf würden an der Universität nicht ausreichend vermittelt; die Studierenden würden auf diese nicht vorbereitet. Dennoch sei es begrüßenswert, dass in der gegenwärtigen Zeit mehr Praktika angeboten würden. „Was den Lehrerberuf grundsätzlich anbelangt, glaub ich, dass es schwer ist, Studenten tatsächlich innerhalb der Uni darauf vorzubereiten auf die psychischen Herausforderungen, die da letztendlich auf die so mentale Belastung, die auf einen zukommt.“ (Z. 730-732) Nichtsdestotrotz falle ihr besonders positiv auf, dass die jetzigen Augsburger Studierenden in der Spanischdidaktik gut vorbereitet seien: „Die wissen, wie so ’n Stundenaufriss funktioniert, die wissen, wie sie einsteigen, so zumindest im Groben, so bisschen wie man Wortschatz einführt oder mal Grammatik usw., wie man so nen Stundenverlauf anlegt […].“ (Z. 739-742). Sie stellt den Vergleich mit ihrer Studienzeit an, in der keine Didaktik-Seminare an der Universität stattgefunden hätten: „[…] des hab ich überhaupt nicht gelernt, des hab ich erst im Referendariat gelernt“ (Z. 742-743) Negativ bleibe zu bemerken, dass immer noch zahlreiche Studierende sich im Praktikum als untauglich für den Lehrerjob erweisen würden: „[…] und trotzdem, find ich, sind immer noch relativ viele dabei, bei denen man relativ schnell sieht, dass sie eigentlich ungeeignet sind für den Beruf.“ (Z. 734-736) Im Referendariat kenne sie die heikle Situation als Ausbildungslehrerin, den Referendarinnen und Referendaren mit Bedacht signalisieren zu müssen, dass sie den falschen Beruf ergriffen hätten, denn diese hätten keine Alternative (Z. 772). Sie macht diesen jungen Kolleginnen und Kollegen dann eher Andeutungen der Art: „Sie unterrichten jetzt maximal 16 Stunden. Stellen Sie sich mal vor, Sie müssen mal 24 / 25 Stunden unterrichten, äh, und zwar nicht in den ausgewählten Klassen, sondern was eben grade halt da ist. Können Sie sich das vorstellen, das über längere Zeit zu machen? " und da so kleine Anstöße zu machen, aber klar, des is heikel. Die sind 28 / 29 Jahre alt.“ (Z. 765-768) 6.3.4 Zusammenfassung ihrer Einstellungen Bei diesem Interview fällt zunächst besonders der Enthusiasmus auf, mit dem Frau Rieder als junge Studentin den Lehrerberuf anstrebte. Auch die außerordentlich determinierende Rolle einer Lehrerin für ihren Berufswunsch ist bemerkenswert. In ihrer kurzen Beschreibung der beruflichen Rahmenbedingungen hebt sie gleich zu Anfang, also an prominenter Stelle, auf den hohen 180 6. Die Hauptstudie-- Einzelfalldarstellungen Ausländeranteil in Augsburg ab - hier vor allem Türken - was an diesem Punkt des Gesprächs wie ein negativ geladenes Stereotyp anmutet, da es noch viele andere Aspekte gegeben hätte, die über die Stadt und die Schule hätten gesagt werden können. In der Folge beschreibt sie ihre Schule als sehr multikulturell mit einer großen sprachlich-kulturellen Diversität, was aber durch eine gute pädagogische Arbeit in harmonischen Bahnen verlaufe. Frau Rieder beschreibt sehr deutlich die sprachlichen Defizite der Kinder mit einem türkisch- oder russischsprachigen Hintergrund, denen sie vor allem im Deutschunterricht begegne. Dies entspricht den Ergebnissen der letzten PISA Studie, die unter anderem genau dies konstatiert 30 . Sehr deutlich zeigt sich an ihren Aussagen ein Konnex zwischen der Nichtbeherrschung von Migrantensprachen durch die Lehrerin und der Nichteinbeziehung eben dieser lebensweltlichen Mehrsprachigkeit ihrer Schüler. Wenn sie in ihrem Fremdsprachenunterricht auf die Herkunftssprachen Bezug nehme, dann höchstens auf der Ebene der Lexik und das auch beiläufig, zufällig, jedenfalls ungeplant, ohne strategische Überlegungen. Überhaupt seien ihre Kenntnisse über die sprachliche Situation von Kindern mit Migrationshintergrund eher vom Hörensagen geprägt. Sie vermute doppelte Halbsprachigkeit, vor allem bei den türkischen Lernenden und bedauere dieses mitfühlend. Sprachliche Bezüge würden über das Lateinische hergestellt, wie überhaupt kontrastives Arbeiten überwiegend als sprachliche Aktivität und viel seltener als interkulturelles Vorgehen gesehen werde. Bei dem Hinweis „Einbeziehung anderer Sprachen und Kulturen“ oder „Transfer“ scheint Frau Rieder vorrangig an Grammatik und Lexik zu denken. Allerdings wirkt sie offen und engagiert, wenn es um die Vermittlung interkultureller Werte und das Wecken von Interesse für andere Länder geht. Für sie sei es als Lehrerin wichtig, die Kultur des Landes gelernt und erfahren zu haben und nicht nur faktisch die Sprache zu kennen; Informationen über das Zielland seien tatsächlich etwas Konkretes, das man aktiv und direkt vermitteln könne. Hier profitiert die Lehrerin offensichtlich konsequent, engagiert und bewusst von ihren diversen Auslandsaufenthalten und den von dort mitgebrachten Realien und scheint diese Erfahrungen 30 Das deutsche Schulsystem versagt bei der Förderung von Zuwanderer-Kindern. Zu diesem Schluss kommt eine aktuelle OECD-Studie. Dort heißt es, dass sich in fast allen anderen Industrie-Staaten die Schulleistungen dieser Kinder mit der Aufenthaltsdauer ihrer Familien verbesserten. In Deutschland hingegen würden die Schulleistungen deutlich schlechter. Migrantenkinder haben in Deutschland damit nicht nur deutlich schlechtere Bildungschancen als ihre deutschen Klassenkameraden, sondern auch als Migrantenkinder in anderen europäischen Ländern. Basis für die Studie sind Daten aus dem weltweiten PISA-Schultest. Verfügbar unter: http: / / www.migrationsrecht.net/ nachrichten-wirtschaft-arbeit-und-soziales/ oecd-pisa-studie-kinder-mit-migrationshintergrund-in-deutschland-bildung.html [Zuletzt gesehen am 18. 8. 2018]. 6.4 Natalia Peréz Sanchez 181 in die Unterrichtspraxis einfließen zu lassen. Dieser landeskundliche Ansatz, den sie im Interview vertritt, steht in gewissem Gegensatz zu ihrem - von ihr selbst so beschriebenen - eher traditionellen Unterrichtstil. Ein Schlüsselbegriff ihrer Äußerungen zu den landeskundlichen Phasen ihres Unterrichts ist der Begriff Authentizität. Ihre Äußerungen wirken auf mich vor allem vor dem Hintergrund ihrer sprachlernbiografischen Erzählungen glaubwürdig und werden durch die uneingeschränkt positive Einstellung zu ihrem Beruf gestützt. Für die Ausbildung und die zweite Phase der Lehrerbildung fordert sie mehr Praxisanteile und beklagt auch die Schwierigkeit, angehenden Lehrkräften nicht signalisieren zu können, wenn diese ihrer Meinung nach nicht für den Beruf geeignet seien. Frau Rieders Narration zeigt eine sehr reflektierte Lehrerin, die auf die von ihr unterrichteten Sprachen fokussiert ist, und hier sowohl traditionelle als auch schülerorientiertere Methoden anzuwenden scheint. Ihre Praxis bringe ihr - abgesehen von materiellen Schwierigkeiten im Zusammenhang mit den äußeren Gegebenheiten der Schule - berufliche Zufriedenheit. Allerdings könne sie nur punktuell mit den Herkunftssprachen und -kulturen russisch- oder türkischsprechender Schülerinnen und Schüler umgehen und kaum Profit für ihren Fremdsprachenunterricht ziehen. Dies versuche sie aber im Bereich des Fremdverstehens zu realisieren, indem sie den Anspruch habe, Verständnis für unterschiedliche Kulturen bei ihnen zu wecken. 6.4 Natalia Peréz Sanchez „[…] immer wenn es geht, wenn es um Kulturen geht, dann versuche ich immer das, was vorhanden ist, das irgendwie rauszuholen […] (Z. 368-369) […] weil ich selbst auch, äh, Ausländerin bin sozusagen, aber, und ich merke, das ist ja nur ein Vorteil, wenn man wenn man irgendwie das benutzt.“ (Z. 380-381) 6.4.1 Biografisches und berufliche Rahmenbedingungen Frau Peréz Sanchez, 32 Jahre alt, ist in Spanien in der Nähe von Barcelona geboren und hat Schulzeit und Studium in Spanien absolviert. Dort erwarb sie ein Diplom für Französisch und kam alsdann 2003 nach Deutschland, wo sie bis 2005 studierte und abschließend ihr zweites Staatsexamen für Französisch und Spanisch nach dem Referendariat im Raum Heidelberg ablegte. Sie arbeitet an einer recht großen Schule, ohne eigentliches Profil, ein „Landgymnasium“ (Z. 108) mit annähernd 1300 Schülern, davon nur wenige Schülerinnen und Schüler mit Migrationshintergrund (Z. 135): „Geographische Lage, 182 6. Die Hauptstudie-- Einzelfalldarstellungen ja, weil in den, so bisschen auf ’m Land sind vielleicht nicht so viel Ausländer, also, (überlegt) hm, nee, kann ich nicht so als überwiegend, also jetzt in meinen Kursen“ (Z. 139-141). Die technische Ausstattung der Schule sei sehr einfach; es gebe einen Fremdsprachenraum. Sie erzählt von ihrer Leidenschaft für Sprachen und eine für sie zentrale Anekdote: „[…] die Sprachen waren immer meine Leidenschaft, also das war schon klar seit ich 12-13 bin, dass ich irgendwas mit Fremdsprachen machen werde.“ (Z. 17-18) Der Auslöser für ihre Leidenschaft im Bezug auf Sprachen sei ein Ereignis während eines Ski-Wochenendes am Skilift in Andorra gewesen; zu diesem Zeitpunkt war sie in der sechsten Klasse - also etwa 12-13 Jahre alt - und lernte Englisch im ersten Lernjahr. Aufgrund ihrer nur rudimentären Sprachkenntnisse hätte sie sich kaum mit einem Engländer austauschen können, was für sie ein unangenehmer Moment gewesen sei, den sie in der Zukunft nicht mehr erleben wolle: „[…] und neben mir war jemand und ich wollte mit ihm reden, aber ich konnte nicht, weil wir uns nicht verstanden haben und das war ein Engländer und damals war, genau, das war 6. Klasse, mein erste Lernjahr Englisch. Und ich konnte nicht mehr als "Do you have sisters? " fragen oder "Do you have brothers? ", das war irgendwie und das hat mich damals irgendwie, also ne, das passiert mir nicht nochmal. Und dann, also das war so mein Erlebnis, das passiert mich nicht noch mal.“ (Z. 60-65) Sie habe Freude am Lehrerberuf auch wenn es Momente gebe, in denen der Beruf weniger Spaß mache als sonst: „Ja, also es gibt Momenten*, die mehr, und es gibt Momenten*, die weniger […].“ (Z. 655-656). Für sie sei Fremdsprachen lehren und Kultur vermitteln etwas, was die Schülerinnen und Schüler nachhaltig mitnehmen und über die Schulzeit hinaus verwenden können: „Das, das, mit Freude, also das ist etwas, was die Schüler mit sich den ganzen Leben lang mitnehmen, also auch, wenn sie nix mehr mit Spanisch zu tun haben und irgendwie in 10 Jahren fahren die in Urlaub nach irgendwo in Andalusien, dann kommt’s wieder und dann "Ach damals, als wir im Unterricht waren, ha ’m wir das und jenes …" Also, oder wenn sie irgendwas lesen auf Spanisch, also das ist etwas, was immer nützlich sein wird.“ (Z. 657-662) Ihre Zufriedenheit am Arbeitsplatz werde durch zu geringe Kommunikation mit dem Ministerium getrübt. Dies erläutert sie an der neu eingeführten Kommunikationsprüfung, diese Kommunikationsprüfung erfolge im Abitur in allen Fremdsprachen (Z. 729-731). In diesem Zusammenhang äußert sie den Wunsch nach mehr „Zuhören“ und Einbezug der Kolleginnen und Kollegen seitens des Schulministeriums. Für die neue, verpflichtende Kommunikationsprüfung à zwanzig Minuten pro Schüler für das neue Abitur 2013 (Z. 669-674) seien die Lehrkräfte vor die vollendeten 6.4 Natalia Peréz Sanchez 183 Tatsachen gestellt worden, hätten vorher kein Mitsprachrecht gehabt und seien auch nicht nach Vorschlägen gefragt worden etc. (Z. 676-677). Dieser Zustand habe zu organisatorischen Schwierigkeiten geführt beziehungsweise werde noch dazu führen (Z. 673-675): „[…] das würde ich mir wünschen, dass mehr Gespräch, mehr Kommunikation findet zwischen die ganz höheren Ebene und die ganz unteren“ (Z. 681-683). Für diese Kommunikationsprüfung die bisher nicht praktiziert wurde, müssten die Schülerinnen und Schüler mit Beginn der Oberstufe vorbereitet werden, was sich als schwere Hürde erweise, wenn dies nicht Teil der täglichen Unterrichtspraxis sei: „[…] die Schüler müssen dafür trainiert werden, und nicht nur die 12er und 13er, sondern die 10er, die 9er, 8er, also das muss man schon von Anfang an planen und man kann nicht die arme jetzige 10er, die müssen in zwei Jahren so eine Prüfung machen und in ihrem ganzen Französisch- oder Spanischunterricht haben nie so was gemacht, ähm, das ist ein Problem, das ist ein Problem.“ (Z. 691-695) 6.4.2 Einstellungen zur schulischen und lebensweltlichen Mehrsprachigkeit ihrer Schüler / Unterrichtspraxis Frau Peréz Sanchez hat umfangreiche Informationen über die lebensweltliche Mehrsprachigkeit ihrer Schülerschaft. Sie gibt an, sie habe drei türkische und drei russische Schüler, die in der J1 Klasse seien (11. und 12. Jahrgang, vgl. Z. 215) und die auch zu Hause ihre Sprache sprechen würden: „Die auf jeden Fall. Die reden alle.“ (Z. 149) In demselben J1 Kurs sitze ebenfalls eine Belgierin, die etwa zwölf Jahre dort gelebt und eine Europaschule besucht habe sowie Niederländisch spreche (Z. 215-217), allerdings seien beide Eltern Deutsche: „die meint, sie ist zweisprachig und kann sich in Niederländisch auch richtig ausdrücken“ (Z. 218-219); „[…] ich hab 2 französische Schüler, also wo die Eltern, ein Elternteil, die Mütter, beide Mütter Französinnen sind […]“ (Z. 161-162). Aus ihrem Französischkurs berichtet sie, dass einer der beiden Schüler sehr gut Französisch spreche, während der andere Schüler eher passive Kenntnisse habe (Z. 167-168). Ihre Informationen erhielte sie im Laufe des Unterrichts und nicht am Anfang: „Also zu Beginn eines Schuljahres vielleicht nicht“ (Z. 226). Auch die Namenslisten gäben Auskunft über die Herkunft und Nationalität: „[…] bei den Namen merkt man’s meistens, also jetzt bei der Maymuna**, ich hätt ‘s jetzt an der Haut bemerkt, aber jetzt bei den Russischen an den Namen meistens […]“ (Z. 400-402). Allerdings seien auch Irrtümer möglich: „[…] der eine heißt Benjamin Kuzil**, das Kuzil** war schon ein bisschen, und der andere hieß Hermann Litau**, das ist zwar jetzt beides deutsche Namen, aber schon slawischer Hintergrund auf 184 6. Die Hauptstudie-- Einzelfalldarstellungen jeden Fall“ (Z. 401-408). Aber sie habe keine Garantie dafür, dass ein Schüler mit Deutsch klingendem Namen auch wirklich „Deutscher“ sei, wie ihr nächstes Beispiel belege: „Bei der eine* Schülerin, die ich, also ich, die heißt Annette Pfeifer** und sonst spricht sie nicht, also ist sie nicht mit den Russischen, also bei der Schülerin kam’s raus mit der Einheit, da wo ich gefragt hab "Ist jemand zweisprachig? " Also ich hab gefragt, obwohl ich eigentlich dachte, ich wusste, wer schon sich melden wird und dann kam diese eine Schülerin und dann war ich selber überrascht, also, manchmal merkt man das gar nicht, sondern kommt wirklich nur raus, wenn man direkt fragt.“ (Z. 408-414) Wenn sie feststelle, dass Schülerinnen und Schüler mit verschiedenen Herkunftssprachen in einer Klasse seien, versuche sie, die vorhandene Mehrsprachigkeit immer als Vorteil zu nehmen und sie in den Unterricht einzubinden: „[…] aber grade jetzt hat sich in dieser einen, ich versuche, das als immer Vorteil zu nehmen und das in Unterricht einzubinden, wenn es geht. Grad bei der Einheit Katalonien war wirklich sehr gut, um den Anderen zu zeigen, wie, wie ist das, mehrsprachig zu sein? Ist es ein Vorteil? Ist es ein Nachteil? Welche, was kann man daraus lernen, was, wie fühlen sich die Leute, die mehrsprachig sind, und, also immer wenn es geht, versuch’ ich, das auch im Unterricht einzubeziehen und ich denke für die Anderen ist auch interessant, das zu sehen, das zu erleben und für die Schüler selbst auch wichtig, das zeigen zu können, das, was sie können eigentlich.“ (Z. 226-234) Die Lehrkraft sagt, dass sie mit ihren Schülern über ihre eigne Zweisprachigkeit spreche und auch persönliche Dinge erzähle: „[…] Also das ist ein bisschen, es kommt von mir aus und dann […] dass sie sehen, Okay, ich erzähle jetzt von mir was und dann könnt ihr auch von euch was erzählen und, also das machen […]“ (Z. 238-244). Frau Peréz Sanchez gibt an, sie bemühe sich aktiv um Berücksichtigung und Aufwertung des sprachlichen Potenzials ihrer Schülerschaft und nennt zwei Beispiele. So fordere sie unter anderem russischsprachige Schüler auf, über ihre Freizeit auf Russisch zu erzählen, obwohl sie selbst diese Sprache nicht spreche. Dabei leite sie diese Phase ein, indem sie auch von sich selbst erzähle: „[…] ich erzähle jetzt von mir was und dann könnt ihr auch von euch was erzählen und, also das machen sie schon gerne dann. Dann hab ich dann versucht, dass die Russen sich, äh, dass die untereinander reden, weil ich wollte auch fragen oder gucken, wie gut oder wie kompetent sie in ihren, sagen man so, in ihren kleinen Sprachen sind“ (Z. 243-247). Vor der Klasse hätten die Schüler sich des Weiteren auf Russisch unterhalten, obwohl weder weitere Schüler, noch die Lehrerin diese Sprache verstehen bzw. sprechen könnten. Die Lehrerin sagt dazu: „Ne, ich kann kein Russisch, ne. Ich hab mich auf den verlassen“ (Z. 258) und fand diese Aktivität auch angebracht und wichtig (Z. 267). 6.4 Natalia Peréz Sanchez 185 Sie habe darüber hinaus nach dieser Sprachaktivität eine kurze Rücksprache mit den Schülerinnen und Schülern gehalten: „Und dann der einen* Schüler, der in Russland war bis 12, meinte, ja ja, die zwei hier ha ’m total deutschen Akzent, wenn die reden (lacht). Die kennen sich und die haben so ’n bisschen mit Spaß gesagt, aber er meinte schon, dass man den Unterschied merkt, wenn man in Deutschland gelebt hat oder nicht, also, ja.“ (Z. 258-262) Als zweites Beispiel nennt sie, dass türkischsprachige Schülerinnen und Schüler in ihrem Fremdsprachenunterricht über ihre Sprachkenntnisse im Türkischen sprechen: „Ich frage immer so gerne, wenn es passt“ (Z. 282-283). Sie frage demzufolge diese im Spanischkurs, obwohl sie sich untereinander bereits ein paar Jahre kennen: „[…] ja und wie fühlt ihr euch? “ (Z. 272) und habe als Reaktion eines Schülers zum Beispiel bekommen: „[…] „ja, ich kann beide Sprachen genauso gut, problemlos““ (Z. 273). Oder aber auch die Reaktion einer Schülerin, die nach Auskunft der Lehrerin „schon sehr sprachbewusst ist“ (Z. 274) habe sie diese Äußerung bekommen: „[…] „naja, also ich kann mich, wenn ich in der Türkei bin, klar, ich kann normal Türkisch reden, aber ich merke, ich hab nicht so ’n Wortschatz wie meine Cousins oder Cousinen dort““ (Z. 27-276). In diesem Gespräch habe dann der vorgenannte Schüler geantwortet: „[…] „nein, doch, also ich hab natürlich, ich kann genauso gut wie meine Cousins dort in der Türkei.““ (Z. 277-278) Über die Rückmeldung einer anderen Schülerin in demselben Gespräch, die nach Auskunft der Lehrerin „eigentlich dreisprachig“ sei, weil die Mutter aus Polen und der Vater aus der Türkei (Z. 278) stammten, berichtet die Lehrerin: „[…] sie kann in den drei Sprachen sich gut ausdrücken, äh, in Deutsch besser als in Türkisch oder Polnisch, zum Beispiel. Aber sie meint, sie kann problemlos türkisch oder polnisch reden […]“ (Z. 280-282). Als eine Art Fazit betont die Lehrerin: „Und ja und das find ich selbst sehr spannend, deswegen frag ich auch immer so gerne, wenn es passt, also jetzt nicht kontextlos, sondern wenn es irgendwo in Unterricht passt, dann frag ich solche Sachen“ (Z. 282-284) und sie fügt auch hinzu, dass das auch gleichzeitig eine Aufwertung der gesprochenen Schülersprachen und ein Zugewinn für den Unterricht sei.: „[…] also ich finde für mich sind das Bereicherungen im Kurs.“ (Z. 330) Auch in spielerischen Phasen beziehe sie die Muttersprachler mit ein, so zum Beispiel bei einem Abzählreim im Französischunterricht, den sie im Spanischkurs auf Spanisch sage und den sie auf Französisch nicht kenne. Sie erzählt, dass sie in ihrem Französischkurs einen französischen Schüler beauftragt habe, sich bei seiner Familie in Frankreich zu erkundigen: „Okay, dann für nächstes Mal rufst du jetzt deine Cousins, Cousinen wo immer und du fragst, wie man das auf Französisch sagt.“ (Z. 308-310) Schließlich sage ihm seine Mutter den Abzähl- 186 6. Die Hauptstudie-- Einzelfalldarstellungen reim „Am, stram, gram“ (Z. 312) „ich versuche dann immer die Fran, also die Muttersprachler dann auszunützen*“ (Z. 323-324). Dies bedeute auch eine Aufwertung des Schülers, der sich in der Rolle eines Vermittlers von Aspekten der Sprache, die alle Anderen inklusive der Lehrerin nicht wissen, hervorgehoben fühle: „Und, ich denke, der hat sich auch gut gefühlt, dass man, er weiß etwas, was die Anderen, oder was die Lehrerin nicht weiß, auf jeden Fall […]“ ( Z. 328-329). Sie fügt hinzu: „[…] er fühlt sich auch wohl also in dieser Rolle. Es ist nicht so, dass er "Oh, jetzt muss ich wieder …" Ne, also er macht’s schon, er kam wirklich mit sein ’m Zettel "Also meine Mutter hat gesagt, dass das …" Also er kam schon stolz mit seinem Am, stram, gram […]“ (Z. 344-347). Frau Peréz Sanchez nennt ein weiteres Beispiel mit einem iranischen Schüler: „[…] ich hab immer versucht zu fragen "Ach und wie macht ihr das dort im Iran oder irgendwie, […]“ (Z. 367-368). Mit diesem Beispiel, dass für sie weder mit Spanisch noch mit Französisch zu tun habe, wolle sie zeigen, dass es ihr wichtig sei, zu unterstreichen, was die Schüler aus anderen Sprach- und Kulturräumen mitbringen würden: „[…] immer wenn es geht, wenn es um Kulturen geht, dann versuche ich immer, das, was vorhanden ist, das irgendwie rauszuholen […]“ (Z. 368-369); „[…] weil ich selbst auch, äh, Ausländerin bin sozusagen, aber, und ich merke, das ist ja nur ein Vorteil, wenn man wenn man irgendwie das benutzt.“ (Z. 380-381) Bezüglich der Bewusstmachung über Ähnlichkeiten respektive Differenzen zwischen den Sprachen benutze sie den Rückgriff auf die Schulfremdsprachen Französisch und Spanisch: „"Ach, ihr wisst, das Wort so von Französisch, wie heißt das? " Dann sagen sie "Ah ja, das heißt so", "Und auf Spanisch sieht’s genauso." Also das, das mach ich schon“ (Z. 453-455). Dies nutze sie sowohl für die Lexikals auch die Grammatikarbeit (Z. 457), wo sie sich nach ihren Angaben auf die Schulsprachen - Latein oder Französisch - stütze und die Schülerschaft nach der Bedeutung in der jeweiligen Sprache frage, um anschließend das Wort auf Spanisch nennen zu können: „Spanisch ist ja dritte Fremdsprache, d. h. wir können‘s schon meistens auf Französisch, die meistens die zweite Fremdsprache ist, viele haben auch Latein als Fremdsprache, also als zweite, da bin ich mir jetzt nicht so ganz sicher in der Sprache, aber mit Lexik kann auch ein bisschen mit Latein sagen, Okay, die Lateiner, wie sagt ihr das Wort so und so und dann damit sag ich, Okay, dann auf Französ äh auf Spanisch so.“ (Z. 460-465) Das grammatikalische Wissen der Lernenden aus der zweiten Fremdsprache (hier: Futur gemeint; die Lehrerin erwähnt das Imparfait aufgrund einer Verwechslung; SMM ) werde abgerufen, um ihnen zu verdeutlichen, dass die Zeitform im Spanischen genauso funktioniert wie im Französischen; sie appelliere somit an ihre Schülerinnen und Schüler, strategisches Denken, Strategien und Vorkenntnisse einzusetzen. 6.4 Natalia Peréz Sanchez 187 „[…] Also wenn ich zum Beispiel Futur auf Spanisch einführe und sage, Okay, Infinitiv + bzw. ich frage: "Wie macht ihr das auf Französisch? " für die Französischschüler. "Äh … also wir haben den Infinitiv und dann tun wir die Endung dazu von Imparfait" - "Genau so funktioniert ‘s in Spanisch." Und dann von selbst: "Aaah! ! " Und dann können die von allein einfach ein Futur bilden, weil die das schon von Französisch kennen, ohne dass man das groß sagt, muss man die nur erinnern*. Ähm, nur so, bei so einfach* Sachen wie diese Futur-Geschichte muss man wirklich nur sagen, fragen: "Wie funktioniert ‘s auf Französisch? " und dann können die ’s von allein auf Spanisch, aber das muss kommen, also wenn der Lehrer das nicht sagt, dann muss der Lehrer das praktisch neu sagen, obwohl die Schüler das wissen, die die Französisch haben.“ (Z. 773-783) Sie benutze die Schulfremdsprachen auch für sogenannte Eselsbrücken (Z. 465), in dem sie die morphologische Entwicklung der Wörter vom Lateinischen zum Französischen herleite: „[…] so von der Sprachentwicklung, […] Okay, die Wörter, die so ausgesehen haben in Latein, äh, dann sehen so aus auf Französisch […]“ (Z. 467-468). Sie gebe den Schülerinnen und Schülern solche Eselsbrücken mit „also immer, wenn es mir was einfällt“ (Z. 479), damit sie sich Wörter oder auch Erklärungen besser einprägen können: „also damit können die sich was merken, dann versuch ich schon, also vom Latein oder von Französisch […]“ (Z. 479-481). Das Gefühl, dass diese Strategie klappe, leuchte ihr ein, weil ihre Schüler bereits Französisch lernen und „wenn die Spanisch anfangen, ha ’m die schon zwei Jahre Französisch gehabt und die Sachen sitzen schon.“ (Z. 488-489) Ihr Unterrichtsstil habe sich angesichts der kulturellen und sprachlichen Vielfalt nicht geändert: „Nee nee, also ich denk sowieso in Deutschland muss man immer damit rechnen, dass im Unterricht mindestens ein oder zwei Schülern*, ähm, mehrsprachig sind […]“ (Z. 362-364). Und ihr selbst gefalle dieses Thema der Mehrsprachigkeit sehr: „[…] und da ich selbst diesen Thema sehr spannend finde, versuche ich, ähm, dass es irgendwo im Unterricht reinpasst, irgendwas, äh, miteinzubeziehen.“ (Z. 364-365) Zu den damit verbundenen Zielen zähle für sie Sprachen zu erleben und zu fühlen: „[…] dass sie von diesem französisch- oder spanisch Denken, Fühlen was mitnehmen“ (Z. 561-562), kulturelle Aspekte und Denkweisen des jeweiligen Zielsprachenlandes zu lernen und „[…] dass sie erleben, wie läuft ’s in Frankreich, wie, was denken die Franzosen, oder wie, wie, wie ist die Gesellschaft in Frankreich oder in Spanien oder Lateinamerika, was, wenn ich mich mit ’nem Kubaner mal treffe.“ (Z. 563-565) Ihre Argumentationslinie lautet: „Also man kann die gleiche Sprache reden, aber wenn man gar nichts von dieser Kultur weiß, dann bleibt alles so sehr oberflächlich, aber wenn man schon bisschen mehr weiß, was ist in dieser Kultur, 188 6. Die Hauptstudie-- Einzelfalldarstellungen was ist alles passiert, jetzt ohne Details, weil klar, man kann nicht zu jedem Land alles, ähm, aber so allgemein, das ist mir wichtig.“ (Z. 567-571) Sie versuche, diese Ziele zu erreichen, indem sie über das Lehrbuch hinaus arbeite; aktuelle Texte aus der Presse präsentiere oder auch Filme zeige (Z. 577-578). Sie würde noch häufiger Nachrichtensendungen mit ihren Klassen ansehen, dies scheitere aber oft an der geringen Anzahl an Computerräumen, die zudem noch rechtzeitig - zwei bis drei Wochen vorher (Z. 597) - zu reservieren seien, was bei kurzfristiger Unterrichtsvorbereitung nicht klappe: „[…] ich meine, so lange vorher plane ich meinen Unterricht auch nicht, das geb’ ich schon zu“ (Z. 592-593). Sie gebe dann ihren Schülern den Auftrag, sich eine Sendung anzuschauen. Das funktioniere gut, so die Lehrerin, denn es sei „[…] schon was Spannendes, was Neueres, jetzt so ne Aufgabe zu machen, das machen die schon, das machen die schon.“ (Z. 607-608) 6.4.3 Anregungen und Änderungsvorschläge Die Einbeziehung der Mehrsprachigkeit sei nach ihrer Meinung weitgehend lehrerabhängig und auf das Engagement der Lehrenden angewiesen: „könnte man sich wünschen eigentlich, weil das ist etwas, was die Schüler da haben, so Werkzeuge, die sie haben, muss man aber immer wieder erinnern, da habt ihr das, nützt das“ (Z. 756-758) und: „Ich denke, dass, je nach Lehrer.“ (Z. 750) Sie wisse nicht, ob jeder Lehrer das Thema als „so wichtig“ sehen würde, aber für sie persönlich sei es ein Herzensanliegen: „Ich denke, in meinem Unterricht versuche ich alles zu nützen, was ich kann […].“ (Z. 750-751) Für sie könne es aber auch von der Fächerkombination abhängig sein, indem reine Fremdsprachenlehrkräfte bewusster mit dem Thema umgingen, als: „Vielleicht ein Lehrer, der auch nicht so, ähm, consciencieux, so bewusst ist, wird’s vielleicht nicht so machen oder ein Lehrer, der vielleicht Französisch unterrichtet und, ähm, Sport, ok, machen wir so, Spanisch und Sport, ob er auf Französisch auch zurückgreift, weiß ich nicht […].“ (Z. 753-756) Für sie sei es wichtig, dass der Lehrer die Schüler auf das Potenzial der vielen erlernten Sprachen hinweise, denn von alleine würden diese nicht auf die Idee kommen, es zu tun: „Nur, wenn der Lehrer das nicht macht, kommen die von allein sehr selten“ (Z. 758-759). Ein weiteres Problem sei, dass Lehrbücher - zum Zeitpunkt des Interviews - noch nicht auf explizites Wissen aus anderen Sprachen verwiesen (vgl. Z. 759-761 und Z. 770-771). Bezüglich der Fremdsprachenlehrerausbildung äußert sie verschiedene Einstellungen. Sie erwähnt das Thema einer stark sprach- und literaturwissenschaftlich orientierten Ausbildung an der Universität, weil manche Personen wohl immer wieder sagten, es sei für den Lehrerberuf nicht nützlich: „Also 6.4 Natalia Peréz Sanchez 189 jeder andere würde nein sagen, also jeder andere Deutsche“ (Z. 803). Sie selbst möchte das Lernen über Sprachgeschichte, Literatur und Sprachwissenschaft nicht missen (vgl. Z. 808-818), weil sie dadurch ein Gefühl für die Sprache entwickeln konnte: „[…] dass ich danach die Sprache irgendwie anders fühlen kann“ (Z. 815-816). Für sie sei die Beschäftigung mit Wissenschaft unerlässlich und ein Muss in der universitären Ausbildung, alleine deshalb, um den Schülerinnen und Schülern etwas voraus zu haben, ihnen erklären zu können, was sie bei Präsentationen und Referaten vorstellen sollten: „wenn wir uns selbst nie wissenschaftlich betätigt haben, dann ähm, wie soll man‘s den Schülern kurz beibringen“ (Z. 831-832), und: „[…] also man muss sich selbst mit der Wissenschaft mal beschäftigt haben irgendwie, damit wir es unseren Schülern beibringen können, also wir sind ja die Basis von dem, die da, was sie in der Zukunft machen werden, zum Beispiel, wir wollen jetzt, dass sie eine GFS halten, also dass sie ne Präsentation machen. Wenn ich selbst nie ne Präsentation gemacht habe, wie soll ich meinen Schülern helfen? “ (Z. 832-837) Sie halte die Orientierungsphase für Praktikanten und das Praxissemester für gut und sehe die Wichtigkeit des Orientierungspraktikums, um als Student festzustellen, ob man für den Lehrerberuf geeignet sei: „also ich denke schon, es tut sich schon was“ (Z. 925-926), „Das Praxissemester gibt’s jetzt auch in der Uni, nach dem Grundstudium müssen die auch irgendwie 3 Monate in der Schule verbringen, also, ich denke, das ist schon, schon in Ordnung“ (Z. 843-845) und: „[…] also diesen Orientierungspraktikum, was ich auch wichtig finde, stimmt, weil, sonst studieren die Leute Lehramt und dann merken die, das ist ja gar nicht so, gar nichts für mich, aber im Praktikum, im ersten Praktikum dieser Orientierungspraktikum sieht man schon, Okay, will ich hier das Rest meines Lebens verbringen […]“ (Z. 921-925). Ein ähnlich positives Urteil fällt sie über das deutsche Referendariat, das sie gut finde: „Ich find ’s einfach so gut hier in Deutschland mit dem Referendariat, das gibt’s ja in Spanien nicht oder nicht so in der Form, ähm, ich find ’s schade, dass, dass dieses Referendariat kürzer geworden ist.“ (Z. 895-897) 6.4.4 Zusammenfassung ihrer Einstellungen Frau Peréz Sanchez hat verschiedene Strategien, die sie aktiv einsetzt, um festzustellen, aus welcher Herkunftskultur beziehungsweise aus welchen Herkunftssprachen ihre Schülerschaft stammt. Als selbst mehrsprachige Lehrkraft ist sie besonders an interkulturellen Strukturen interessiert. Am Beispiel einer Einheit über Katalonien und Zweisprachigkeit habe sich die Möglichkeit ergeben, die Schülerinnen und Schüler zu fragen, wer im Raum zweisprachig sei. Sie selber habe von ihrer Zweisprachigkeit und ihren Spracherfahrungen er- 190 6. Die Hauptstudie-- Einzelfalldarstellungen zählt (Z. 243 und Z. 245-247), was diese dazu veranlasst habe, sich einzubringen; drei türkische und drei russische Schüler hätten sich gemeldet. Der Lehrerin erscheine es angebracht, unter anderem anhand dieser Einheit den anderen Lernenden zu zeigen, wie das sei, mehrsprachig zu sein, ob dies ein Vorteil oder ein Nachteil sei, was man daraus lernen könne und wie sich mehrsprachige Leute fühlen würden. Ihrer Ansicht nach versuche sie, soweit es gehe, das Thema in den Unterricht einzubeziehen. Sie denke, es sei für die anderen Schüler auch interessant zu sehen und zu erleben, dass es dieses Phänomen gebe. Darüber hinaus sei es für die mehrsprachigen Lernenden selbst auch wichtig, zeigen zu können, was sie eigentlich können, was weder die Mitschüler noch die Lehrerin noch nicht wissen. Sie selbst als Ausländerin finde dieses Thema sehr spannend, deshalb frage sie immer wieder gerne ihre mehrsprachigen Schülerinnen und Schüler, wenn der Unterrichtskontext es zulasse. Ihrer Ansicht nach lernten die Schülerinnen und Schüler schneller die dritte Fremdsprache, weil sie schon Strukturen von zwei anderen Sprachen bereits gelernt sowie ein Strategierepertoire entwickelt haben (z. B. das Wissen über das Erlernen von Vokabeln oder noch den Umgang mit Grammatiklernen), dass ihnen erlaube, rascher in die nächste dritte Fremdsprache einzusteigen (vgl. Z. 498-504). Sie bezeichnet diese deshalb als Profilerner (Z. 501). Dieser Prozess laufe nicht unbedingt sichtbar - beziehungsweise es sei nicht unbedingt ein bewusster Prozess, den die Lernenden wahrnehmen und einsetzen würden - aber die Lehrerin „[…] merk[e] […] schon, dass sie, ähm, mit, mit dem Lernen von Fremdsprache sich beschäftigen oder sich auskennen […]“, auch wenn immer wieder Ausnahmen festzustellen seien (Z. 504-506). Frau Peréz Sanchez zeigt von allen Interviewpartnerinnen und -partnern das breiteste Strategierepertoire zum Thema „Einbindung von schulischer oder lebensweltlicher Mehrsprachigkeit“ und hat - womöglich aufgrund der eigenen Biografie - ein ausgeprägtes Bewusstsein des Phänomens. Natürlich lässt die Befragung ohne gleichzeitige, longitudinale Unterrichtsbeobachtung keine verlässlichen Rückschlüsse auf die Nachhaltigkeit und Intensität des genannten Bemühens zu. Allerdings kann vorsichtig formuliert werden, dass die Lehrerin in dem weitgehend freien, erzählerischen Leitfrageninterview das Thema Mehrsprachigkeit zum zentralen Thema macht, und es facettenreich immer wieder aufgreift, was darauf schließen lässt, dass es für ihre Praxis eine zentrale Bedeutung hat. Die Variationsbreite ihrer Beispiele lässt auch darauf schließen, dass es sich bei der Einbeziehung von Schul- und Herkunftssprachen in ihren Fremdsprachenunterricht nicht nur um punktuelle Ereignisse handelt, sondern dies ein wiederkehrender, konstitutiver Bestandteil im Sinne einer wiederkehrenden Bewusstmachung ist. Ein besonders deutlicher, emotionaler Bezug zum unterrichteten Fach - ihrer Muttersprache - ist spürbar und wird durch eine auf 6.5 Sophie Kallmayer 191 eigener Erfahrung gründende Vertrautheit mit dem Fremdsprachenlernen verständlich. Die eigene Zweisprachigkeit, also der eigene Migrationshintergrund führt zu methodisch-didaktischer Flexibilität und begründet ihre „Leidenschaft“ (Z. 17-18) für das Fach. Die Bedeutung der wissenschaftlich-philologischen Ausbildung an der Universität wird von ihr sehr hoch und unverzichtbar eingeschätzt; die Praxiserfahrungen würden ihrer Meinung nach zu Recht in Praktika und die zweite Phase verlegt. 6.5 Sophie Kallmayer „Seid ein bisschen offen und nicht nur, weil das nicht genau gleich ausschaut, dass er sagt "nee kenn ich auf keinen Fall", sondern dass man ein bisschen kreativ auch denkt und sagt "okay das klingt aber schon so ähnlich, aus dem Kontext könnt es das sein, das kenn ich doch eigentlich" und dann doch erschließen kann.“ (Z. 322-325) 6.5.1 Biografisches und berufliche Rahmenbedingungen Frau Kallmayer ist zum Zeitpunkt des Interviews 40 Jahre alt und unterrichtet Englisch und Spanisch an einer „großen Innenstadt-Schule“ (Z. 47) in Augsburg mit einem „[…] relativ hohen Ausländeranteil mit Migrantenkindern […]“ (Z. 48-49). Sie hat sechszehn Stunden Unterrichtsverpflichtung (Z. 110), davon sechs Stunden für die Oberstufenbetreuung (Z. 111-112). An ihrer Schule - so Frau Kallmayer - seien zahlreiche Nationen vertreten (vgl. Z. 60); ihrer Einschätzung nach (Z. 58) würde der Migrationsanteil der Schülerschaft 40 bis 50 % betragen (vgl. Z. 54), was keine besondere Schwierigkeit in der Schule mitbringen würde, denn „[…] eigentlich sind sie sehr gut integriert, das mischt sich gut.“ (Z. 58-59). Lediglich Probleme sprachlicher Art würden - ihren Beobachtungen zufolge - bei diesen Schülerinnen und Schülern gelegentlich auftauchen: „[…] [sie] bringen manchmal Probleme vom Sprachlichen mit sich, dass sie einfach da Defizite haben aber nicht sehr auffallend.“ (Z. 62-63) Sie beschreibt ihre Schule als eine offene Schule, in der Etliches ausprobiert werden könne (Z. 63-64). Es erfolge auch keine zu stark ausgeprägte Kontrolle durch die Schulleitung: „Wir sind nicht sehr stark reglementiert vom Direktorat“ (Z. 65), „so dass ein schönes Miteinander möglich ist“ (Z. 65), im Kollegium. Die Schule habe insgesamt ein eher undifferenziertes Profil (Z. 87) aber zahlreiche, wichtige Schwerpunkte (Z. 95-98), wie zum Beispiel das sprachliche und mathematische Profil (Z. 88): „Eigentlich kommt die Schule so mehr aus der mathematischen Richtung, aus der Geschichte her, das ist sicher da auch noch 192 6. Die Hauptstudie-- Einzelfalldarstellungen ein bisschen der Schwerpunkt, aber es verschiebt sich auch. Also die Sprachen haben hohen Stellenwert, die die modernen Fremdsprachen.“ (Z. 89-91) Zudem habe die Schule aber auch ein soziales Profil, das bedeute „[…] wir legen unseren Schwerpunkt auf die soziale Schulqualität, so was hat einen hohen Stellenwert. Schularbeit, oder einfach auch dieses dieses für die Schüler da sein ist immer wieder wichtig.“ (Z. 95-97) Die Schule biete ein Ganztagesangebot (Z. 92) mit Nachmittagsunterricht bis 16-17 Uhr (Z. 652-653). Auf diese Weise könnten die Schülerinnen und Schüler „einfach auch Hobbys erlernen können, die da plötzlich Möglichkeiten geboten bekommen, die ihre Hausaufgaben dann in der Schule machen können und dann nach Hause kommen und dann es ist abgeschlossen […].“ (Z. 649-651) In ihrem Unterrichtsfach Spanisch gebe es nur eine kleine Fachschaft und ein sehr gutes Verhältnis unter den Kolleginnen und Kollegen (Z. 69). In der Oberstufe arbeite allerdings jeder Kollege für sich: „es ist schon so, dass auch jeder für sich arbeitet und unterschiedliche Schwerpunkte setzt“ (Z. 380-381) aber: „Der Austausch ist nach wie vor, er ist schon da, aber er ist nicht sehr intensiv, also es gibt’s zum Beispiel nicht, dass wir uns zusammen setzen und zusammen ausarbeiten.“ (Z. 363-387) Dies finde oft aus Zeitmangel oder mangelnder Gewohnheit nicht statt: „Weil die Zeit fehlt, weil es keine Strukturen auch gibt oder es einfach nicht üblich war und nach wie vor üblich ist. Also es ist so, man ist als Lehrer schon auch in vielem ein Stück Einzelkämpfer […]“ (Z. 399-401). Allerdings finde ein Abgleich des Stoffes unter den Kollegen statt, um dasselbe Niveau zu erreichen (vgl. Z. 408-410). In ihrem Unterrichtsfach Englisch hingegen gebe es eine große Fachschaft. Auch bei gutem, kollegialem Verhältnis untereinander sei die Zusammenarbeit nicht so groß und intensiv wie in Spanisch (Z. 70). Was ihre Motivation als Lehrerin angeht, beantwortet sie die Frage nicht ganz eindeutig mit „Uneingeschränkt ja, doch“ (Z. 486) und fügt hinzu, sie sei sehr gerne Lehrerin. Allerdings antwortet sie auf die Frage nach Zufriedenheit am Arbeitsplatz mit einem dezidierten Nein (vgl. Z. 492) und begründet dies mit den institutionellen Rahmenbedingungen wie Klassenstärke und der Raumsituation. Dreißig Schüler im Anfangsunterricht Spanisch, 8. Klasse „in einem sehr kleinen Raum“ (Z. 494). Außerdem beobachte sie, dass, Schülerinnen und Schüler, die besondere Aufmerksamkeit brauchen, unruhig werden und von sich selbst sagen: "ich gehe unter, ich will, ich bin der Typ, der ständig Aufmerksamkeit braucht“ […]" (Z. 503-504). Diese müssten von der Lehrerin „gebändigt“ werden. Zudem müsse sie darauf achten, dass diese zum Sprechen kommen (Z. 504). Ihr liege sehr daran, dass die Lernenden die Zielsprache sprechen, deshalb organisiere sie Partnerübungen, Gruppenübungen (Z. 509), damit die Schüler sich hören und sich gegenseitig verbessern können (Z. 511-512). 6.5 Sophie Kallmayer 193 Die Schule verfüge nur über eine sehr schlechte Medienausstattung (Z. 518), „ganz schlechte Kassettenrekorder“ (Z. 535). Den eigenen Laptop und Lautsprecher habe sie im Unterricht (Z. 524) und sie schaffe sich noch einen Beamer an (Z. 525). Insgesamt habe sie den Wunsch nach kleineren Klassen (Z. 556), nach besserer Medienausstattung, mehr finanziellen Mitteln, um Filme anzuschaffen und um einen Internetanschluss in den Klassenräumen einrichten zu können (Z. 548-549). Über ihre Berufswahlentscheidung erzählt sie, dass nach mehrfachen Sommeraufenthalten in England als Schülerin und als Au-Pair-Mädchen für sie seinerzeit feststand, dass sie Englisch studieren wollte: „Also ich war als Schülerin in England mehrfach und in den Sommerferien als Au-pair. Hab Englisch dadurch sehr sehr gern gemacht und war einfach festgestanden, dass ich auf alle Fälle Englisch studieren mag.“ (Z. 11-13) Über die eigene Schulzeit beschreibt sie sich als Schülerin, die in allen Fächern „relativ gut“ war (Z. 14), aber es gab kein Fach, das ihr so gefallen hätte, dass sie es als Zweitfach studieren wollte: „[…] und irgendwie war ich in allem relativ gut und hätt vieles machen können aber vieles hat mir dann auch nicht so gefallen […].“ (Z. 14-15) Für das Studium habe sie sich dann für Spanisch entschieden, nachdem sie im Rahmen eines Wahlkurses an der Schule einen ersten Einblick in die Sprache bekommen habe (Z. 19-20): „[…] ich mach was ganz Neues, intensives Sprachstudium und hab‘s an der Uni dann angefangen“(Z. 20-21). Sie habe in ihrer Familie sehr viel Förderung erfahren: „[…] Ich komm jetzt aus einer Familie, wo ich sehr viel gefördert worden bin […]“ (Z. 639-640). Neben ihren Auslandserfahrungen als Au-pair-Mädchen habe sie vor ihrem Referendariat ein Jahr lang als Austauschlehrerin in Madrid (vgl. Z. 31-32 und 36-37) gearbeitet: „[…] Und was mir unglaublich viel gebracht hat für die Schule war mein Jahr in Spanien. Also wirklich, wo ich ein Jahr lang jeden Tag in der Schule war, unterrichtet habe und mir keiner auf die Finger geklopft hat. Sondern ich ausprobieren konnte, wenn was schief gegangen ist, dann habe ich es in der nächsten Stunde versucht, anders zu machen.“ (Z. 750-754) Diese Auslands- und Berufserfahrungen hätten zur Folge gehabt, dass sie „[…] mit einem sehr stabilen Selbstbewusstsein ins Referendariat gegangen [sei] und musste da nicht erst mal sehen, wie ist das vor der Klasse jeden Tag zu stehen.“ (Z. 755-757) 194 6. Die Hauptstudie-- Einzelfalldarstellungen 6.5.2 Einstellungen zur schulischen und lebensweltlichen Mehrsprachigkeit ihrer Schüler / Unterrichtspraxis Frau Kallmayer sagt, sie habe nur wenige Informationen über die Herkunftssprachen ihrer Schülerschaft. Ihre wenigen Kenntnisse darüber führt sie auf die bunte Konstellation ihrer Klassen zurück. Sie weiß tatsächlich nicht, ob beziehungsweise wie viel Türkisch ihre türkischsprachigen Schülerinnen und Schüler zu Hause sprechen, aber sie vermutet es, wie es ihre folgende Äußerung verdeutlicht: „Privat bekommt man relativ wenig mit, dadurch dass es ebenso gemischt ist, haben wir keine Gruppen die wirklich dann die Muttersprache sprechen, aber wir haben türkische Schüler mit drinnen, die sicher auch türkisch zuhause sprechen“ (Z. 144-146). Sie habe allerdings weder nachgeforscht noch nachgeschaut, so ihre Äußerung (vgl. Z. 151). Sie glaubt, die Herkunft ihrer Schülerschaft an folgenden äußeren Merkmalen feststellen zu können (vgl. Z. 152-155): Namen; Akzent der Eltern; Aussehen (chinesisches oder japanisches Mädchen), die sie dazu bringen, anzunehmen, dass diese Schülerin „[…] sicher einen anderen muttersprachlichen Hintergrund hat.“ (Z. 154) Auf Nachfrage der Interviewerin, ob sie nichts über die Herkunft ihrer Schüler wisse, erzählt sie Folgendes: „Ich nehme an ja, also ich weiß es jetzt vom letzten Jahr von einer Schülerin, die hatte griechischen Hintergrund, die hat zuhause Griechisch auch gesprochen zum Beispiel oder die russischen Kinder sprechen häufig auch mit einem Teil zumindest von den Eltern russisch oder mischen ’s auch, die türkischen Kinder auch. Also das kriegt man schon mit, aber es ist kein Thema, also es ist jetzt nicht so, dass man sagt … also es gibt manchmal Stunden, wo man dann drauf kommt, aber so im Allgemeinen wird nicht danach gefragt, nee.“ (Z. 161-166) Über die Einbeziehung des herkunftssprachlichen Potenzials ihrer Lernenden äußert sie, dass dies erfolgen könne, um landeskundliche, prosodische, intonatorische und variationssprachliche Aspekte hervorzuheben, vorausgesetzt, dass ein Schüler die unterrichtete Muttersprache - hier Spanisch - habe: „Hat man manchmal [einen spanischsprechenden Muttersprachler], dann nimmt man den natürlich stärker mit rein einfach vom landeskundlichen Hintergrund, von, also beim Vorlesen kann den häufig gut einsetzen, oder auch um einfach Varianten aufzudecken, das schon […]“ (Z. 174-177). Ansonsten fände eine derartige Einbeziehung nicht statt. Am folgenden Beispiel illustriert sie diese Praxis: "[…] bei der griechischen Schülerin damals habe ich gemerkt, die hat unglaublich einfach ein Sprachgefühl gehabt. Ja die hat Griechisch zuhause gesprochen, die hat Deutsch dann zusätzlich gelernt, über die Mutter, über das Umfeld, die Oma wohl ganz viel 6.5 Sophie Kallmayer 195 auch. Die hat dann hier die Sprache gemacht und war in Spanisch unglaublich schnell ganz fit. Also die, da hat man gemerkt, die ist es gewohnt mit Fremdsprachen umzugehen. Ob da das Griechische ihr geholfen hat, weiß ich nicht, aber insgesamt so dieses Verständnis Sprachen bin ich gewohnt, ich geh mit um.“ (Z. 218-224) Sie beobachtet ebenfalls, dass russische Schülerinnen und Schüler recht schnell die deutsche Sprache erlernen, und sich ebenfalls beim Erwerb der Schulfremdsprachen leicht(er) tun würden: „Oder auch bei russischen Kindern merkt man es immer wieder. Die noch nicht lange da sind, die sehr schnell ja Deutsch lernen und da fit sind, und dann auch in den Fremdsprachen unglaublich schnell mitkommen. Also das ist ein Phänomen“ (Z. 229-232). Diese Beobachtungen träfen auf die türkischsprachigen Schüler weniger beziehungsweise nicht zu: „Die türkischen Kinder haben mehr Probleme mit den Fremdsprachen … […]“ (Z. 232). Sie beobachte bei den russischen Kindern „[…] dass die Eltern pushen, also dass die Eltern sagen, ihr müsst schnell gut Deutsch lernen und selber versuchen, Deutsch gut zu lernen. Wissen, wenn die Sprache nicht funktioniert, kommen die Kinder nicht weiter und das auch wollen. Ja vielleicht deshalb hergekommen sind, dass wirklich der soziale Aufstieg möglich ist […]“ (Z. 239-242). Dagegen beherrschten die Mütter türkischer Kinder die deutsche Sprache nicht: „Und bei den türkischen Kindern ist es mehr, ja von zuhause, die Mutter spricht nach wie vor häufig noch Türkisch. Wir haben es wirklich viel, dass die Eltern, der Vater ganz gut Deutsch spricht, die Mutter wenig … […]“ (Z. 242-244). Nach Meinung der Lehrerin würde in den türkischen Familien „die Bedeutung für Sprache nicht gesehen […]“ (Z. 249-250). Sie räumt zwar ein, ohne „in Klischees verfallen zu wollen“ (vgl. Z. 250), dass manche türkischen Schülerinnen und Schüler von zu Hause aus durchaus gefördert würden, sie aber, im Vergleich zu den russischsprachigen Schülerinnen und Schülern, in der Minderzahl seien: „[…] es gibt türkische Kinder, die werden gepusht und tolle türkische Kinder natürlich, die auch in Spanischklasse sind. Aber im Vergleich zu den russischen Kindern fallen sie zurück, immer. Und das ist ein, denk ich, einfach so dieser Hintergrund. Dass Sprache als Vehikel gesehen wird, voranzukommen.“ (Z. 251-254) Für die russischen Kinder sei die Einstellung typisch, Deutsch schnell lernen zu wollen und dann problemlos Englisch und Spanisch dazu zu lernen, bei den türkischen Schülern sei dieser Lernhintergrund nicht so bedeutsam: „Und dann einfach aus der Erfahrung schnell gut Deutsch lernen zu können, diese schwierige Sprache, das kann ich mit Englisch, Spanisch auch. Und ja das mitnehmen, was sie können. Aufsaugen, lernen, willig sind, sich die Zeit nehmen, wirklich auch hinzusetzen und Vokabeln zu pauken. Also da ein anderer Lernhintergrund, denk ich, da ist, ja.“ (Z. 254-258) 196 6. Die Hauptstudie-- Einzelfalldarstellungen Bewusstmachungsprozesse oder Rückgriffe auf die sprachlichen Erfahrungen der Schüler und deren Herkunftssprachen nimmt die Lehrerin nach ihrem Bekunden nicht vor. Sie sagt, dass sie wenig auf die vorhandene Mehrsprachigkeit der Schülerschaft zurückgreife: „also relativ wenig auch […]“ (Z. 171) und ihre Begründung dafür ist: „[…] aber das ist kein Punkt, den man ständig im Unterricht einbringt, einfach, weil es in dem Moment nicht unbedingt wichtig ist […]“ (Z. 171-172). Dadurch, dass alle ihre Schülerinnen und Schüler Spanischanfänger seien, ohne dass ein Muttersprachler für Spanisch im Unterricht sitzen würde, stehe der Fremdsprachenerwerb im Vordergrund ihrer Praxis: „[…] gerade in Spanisch, das sind alles Anfänger in Spanisch, das heißt, wir fangen also mit dem Sprachlernprozess neu an … ähm … ich hab keine spanischsprechenden Muttersprachler mit dabei, wo man sagen könnte, man kann auf jemanden zurückgreifen […].“ (Z. 172-175) Deshalb spielen die anderen Sprachen in ihren Augen keine Rolle: „Aber die anderen Sprachen, die die Schüler sprechen, spielen im Moment keine Rolle. Einfach weil sie jetzt für das Spanische keinen Bezug darstellen“ (Z. 177-179). Ihre Schüler würden auch keine Vergleiche mit den von zu Hause aus gesprochenen Sprachen ziehen: „Auch nicht, dass die Schüler irgendwie sagen, ah, das ist bei mir in der Sprache so oder so. Es ist auch einfach noch zu wenig passiert.“ (Z. 205-206) Ihr „Fazit“ zu der Frage der Einbeziehung der Herkunftssprachen: „man kann noch nicht wirklich intensiv da jetzt irgendwie Vorerfahrungen mitnehmen.“ (Z. 209-210) Auf die Frage der Interviewerin, ob sie die Vorerfahrungen ihrer Lernenden in der Oberstufe einbeziehen würde, antwortet sie: „Eigentlich auch nicht mehr. Also ich muss sagen, ich mach ganz wenig Englisch durch, durch die Lehrerverteilung, die wir haben. Also wir sind sehr stark in Spanisch eingesetzt, wenn wir Spanisch haben und Englisch sind sie ja einfach von der fünften Klasse mit Englisch aufgewachsen. Also dass da die Mehrsprachigkeit nicht plötzlich irgendein Vorteil ist.“ (Z. 214-218) Sie befürwortet den Rückgriff auf die Schulfremdsprachen und praktiziere das, indem sie Querverbindungen aufweise und Verweise auf bereits vorhandene Sprach- und Strukturkenntnisse in Englisch für Spanisch aufzeige. Dies erfordere eine explizite Arbeit durch die Lehrerin, denn die Schülerinnen und Schüler würden die Verbindungen zwischen den Sprachen selbst nicht herstellen: „die sind da echt blind“ (Z. 279), „ich hab eigentlich von Anfang an versucht diese Sprachen, die die Kinder gelernt haben, an der Schule zumindest mitzunehmen, dass man immer wieder diese Querverbindungen aufweist, weil die Schüler sehen ‘s nicht. Also selbst wenn die grade in Englisch indirekte 6.5 Sophie Kallmayer 197 Rede gelernt haben mit Zeitenverschiebungen, die übernehmen ‘s nicht aufs Spanische, tun so als wär‘s ein neues System und völlig neue Ideen, die da kommen und da schaut man immer, dass man diese Verbindung aufweist. Ihr lernt nichts Neues, ihr kennt das System, das ist halt jetzt ein anderes Wort, aber die Struktur ist genau das gleiche und Konditionalsätze, was weiß ich, wir hab ’n also viele Beispiele, dass man versucht, da die Kombinationen aufzuweisen, Wortschatz, immer wieder darauf hinzuweisen "ihr versteht viel mehr als ihr könnt" weil das die Schüler, die sind da echt blind (lacht) also das ist erstaunlich, das nehmen sie nicht mit dann.“ (Z. 270-280) Sie stelle auch Bezüge zwischen den Fremdsprachenfächern her, denn sonst wäre die Tendenz der Schüler, jedes Fach getrennt zu sehen: „Fach Englisch, Fach Deutsch, Fach Spanisch, ja genau. Ich hab jetzt Spanisch, was ich in Englisch gelernt hab, gilt jetzt nicht“ (Z. 285-286). Dabei handele es sich nach ihrer Meinung um Sprachen, deren Erlernen und Erwerb aufeinander aufgebaut sind: „[…] das ist einem unglaublich viel wert, wenn man diese Vernetzungen sieht und dann leichter lernt. Aber jetzt dass man sagt, irgendwie dadurch, dass plötzlich mehr fremdsprachliche Kinder in den Unterricht gekommen sind oder man besonders Rücksicht nehmen muss auf bestimmte Gruppen, das haben wir hier nicht gehabt, ja.“ (Z. 293-296) Sie praktiziere die Bewusstmachung über Ähnlichkeiten bzw. Differenzen zwischen den Sprachen auch und verweist auf den Fundus, auf diese für alle Schülerinnen und Schüler gemeinsame Basis, z. B. was Laute angeht: „[…] die haben alle Englisch mit dabei, das heißt, die haben natürlich -th gelernt, zum Beispiel, also das wäre in einer Klasse, die ganz neu Spanisch lernen ohne Englisch wieder schwieriger. Da kann man darauf zurückgreifen oder bestimmte Strukturen nimmt man dann aus dem Englischen oder Französischen, Lateinischen auch, da geht man natürlich darauf ein. Also, weil das ist auch ein Fundus, den alle haben.“ (Z. 195-199) Sie verweist auch auf die Schulfremdsprachen Englisch, Französisch und Latein, die sie für grammatische Strukturen oder Wortschatzarbeit mit Hilfe des Lehrbuchs einsetzt: „[…] da sind Wortschatz-Ähnlichkeiten, das man da einfach die Verknüpfungen aufzeigt, das ja“ (Z. 200-201). Die Schülerinnen und Schüler zeigen Verwechslungen und Interferenzen mit dem Französischen: „Da kommen sie eher mit dem Französischen bisschen durcheinander, also da merkt man schon Interferenzen auch zum Teil […]“ (Z. 208-209). Sie weist gezielt auf Strukturen hin, die die Schüler aus ihren bereits gelernten Fremdsprachen kennen. Sie strebt an, dass diese Gesetzmäßigkeiten erkennen, anstatt ihnen Strukturen vorzustellen und zu explizieren; sie appelliert an ihre bereits erworbenen Sprachkenntnisse: „einfach, dass man es wirklich ganz konkret anspricht oder auch wenn man sie selber Strukturen erfahren lässt, dass man, eben einfach ver- 198 6. Die Hauptstudie-- Einzelfalldarstellungen sucht, ihnen nichts zu sagen, sondern sie darauf zu stoßen, dass man sagt "wo kennt ihr denn das her", "habt ihr so was schon einmal gelernt", und ähnliches System, also dass man versucht, dass sie selber drauf kommen.“ (Z. 316-319) Wichtig erscheinen ihr Wortschatzanalysen und Hinweise auf mögliche Sprachverwandtschaften, sowie Übersetzungen, verbunden mit Sprachanalysen in der Oberstufe (Z. 328) „[…] dass sie sich bewusst sind, das sind nicht separate Sprachen, die sie lernen, sondern dass man ja einfach diese Verwandtschaft ausnutzen kann und einfach profitiert, weil man auch schneller vorankommt und den Wortschatz erweitern kann“ (Z. 329-332). Dabei appelliere sie an Offenheit und einen kreativen Umgang mit Sprache: „Seid ein bisschen offen und nicht nur, weil das nicht genau gleich ausschaut, dass er sagt "nee kenn ich auf keinen Fall", sondern dass man ein bisschen kreativ auch denkt und sagt "okay das klingt aber schon so ähnlich, aus dem Kontext könnt es das sein, das kenn ich doch eigentlich" und dann doch erschließen kann.“ (Z. 322-325) Ein Rückgriff auf die eigene Kultur der Schüler finde in ihrem Unterricht nicht statt, weil es für den Spanischunterricht nicht relevant sei, „[…] weil es in dem Moment nicht unbedingt wichtig ist […]“ (Z. 172). Das würde sie umsetzen, wenn sie im Spanischunterricht einen Muttersprachler oder einen Schüler mit einem romanischsprachigen Hintergrund dabei hätte: „[…] ich hab keine spanischsprechenden Muttersprachler mit dabei, wo man sagen könnte, man kann auf jemanden zurückgreifen […]“ (Z. 174-175) und: „[…] Also wenn man jetzt ein portugiesisches Kind hätte oder ein rumänisches Kind würde man es wahrscheinlich mehr mit rein nehmen oder aus der Romania jemanden mit dazu […].“ (Z. 179-181) Die persönlichen, lebensweltlichen Schülersprachen, die keinen Lerninhalt für den schulischen Fremdsprachenunterricht darstellen, werden von der Lehrerin nicht berücksichtigt, weil sie ihrer Einstellung nach keine beziehungsweise wenig Relevanz für das Erlernen des Spanischen hätten: „Aber die anderen Sprachen, die die Schüler sprechen, spielen im Moment keine Rolle. Einfach weil sie jetzt für das Spanische keinen Bezug darstellen […]“ (Z. 177-179). Darüber hinaus vertritt sie die Meinung, die sie generalisierend darstellt (zweimal benutzt sie: Man …), dass die Schülersprachen, die zu Hause gepflegt werden, nicht in ein effizienteres, nachhaltigeres Lernen der Schulsprachen - mit Fokus auf Spanisch - münden würden: „Man hat auch nicht das Gefühl, dass sie sich leichter tun, weil sie schon mehr Sprachen sprechen oder dass sie schneller aufgreifen. Also da sind viele deutsche Kinder mit nur Englisch, Latein häufig ähm fitter auch noch oder das kann man nicht sagen, das mischt sich. Aber man hat nicht so den Eindruck, die Kinder, die schon noch eine zusätzliche Sprache zuhause sprechen, dass die Vorteile jetzt mitbringen fürs Spanische zumindest.“ (Z. 181-186) 6.5 Sophie Kallmayer 199 Allerdings „[…] aber jetzt vom Mündlichen, vom Mitarbeiten im Unterricht, wie sie sich leicht tun mit der Aussprache. Könnte ja sein, dass es bestimmte Laute einfach gibt, die sie leicht übernehmen […].“ (Z. 193-195) Die Verweise auf landeskundliche Aspekte der jeweiligen Sprache - hier: Fokus auf Spanisch - haben nach ihren Erzählungen keine Wichtigkeit für ihre Unterrichtspraxis. Es blieben immer „[…] punktuelle Sachen. Also das ist wirklich nicht, dass man in jeder Stunde das im Blick hat, es ist häufig (überlegt) geht’s unter oder ist auch nicht wichtig, denke ich.“ (Z. 309-310). Es gebe landeskundliche Fakten, wie der Tagesablauf in Spanien oder Feste, speziell religiöse Feste (Z. 303-307), die dann behandelt würden. Dabei würde sie auch Vorkenntnisse der Schüler und Vergleiche nutzen: „Also kulturell versucht man natürlich, da gibt es immer wieder irgendwie auch landeskundliche Einheiten […]“ (Z.302-303). Frau Kallmayer gibt an, keine Änderung Ihres Unterrichtsstils angesichts der kulturellen und sprachlichen Vielfalt und keine Neuanpassung ihrer Praxis bedingt durch Schülerinnen und Schüler mit mehrsprachigem Hintergrund vornehmen zu müssen: „Also dadurch, dass ich immer am **-Gymnasium war und die Klassen eigentlich sich nicht geändert haben, denk ich, es jetzt nicht aufgrund von plötzlich mehr Kindern mit mehr Sprachen im Hintergrund, dass ich mich hab anpassen müssen neu.“ (Z. 263-265) Dagegen definiert sie ihre Unterrichtsziele in zwei Richtungen: 1. Gute Sprachbeherrschung „aber einfach auch, dass sie wirklich eine gute Sprachbeherrschung haben, dass sie gut aussprechen, dass sie einen schönen Wortschatz haben, grammatikalisch sicher sind und sowohl halt im Mündlichen als auch im Schriftlichen, dass man nicht nur sagt, ja ich kann Smalltalk machen, sondern dass sie sich auch schriftlich gut ausdrücken können […].“ (Z. 354-357) und 2. Offenheit für andere Kulturräume und Freude am Kennenlernen anderer Realitäten: „[…] Dass die weltoffen werden, dass sie einfach so ihre Scheuklappen ein Stück verlieren und sehen "das ist auch nicht nur eine Sprache, die ich lern, die steht nicht nur für sich als System, sondern das ist eingebunden in ’ne Kultur in eine Geschickte, in ein Miteinander […], dass sie da einfach eine Offenheit gewinnen und auch Freude am Kennenlernen von was Anderem.“ (Z. 349-352) Den Nutzen des Fremdsprachenlernens sehe sie darin, den Schülern zu zeigen, dass man mit der Sprache Zugang zu einer anderen Kultur hat, dass man die Sprache spricht, „[…] dass man ja einfach den Schülern auch zeigt, was ist das Schöne an der Sprache. Ja. Das ist eben nicht ein Fach, was man nur für sich lernt, wo man dann hinterher im Kämmerchen Spanisch sprechen kann, sondern man kann Literatur lesen, man kann mit Leuten sprechen, man kann 200 6. Die Hauptstudie-- Einzelfalldarstellungen übers Internet Kontakt aufnehmen, man kann das ja anwenden. Also ich sag immer, die Sprachen sind eigentlich das, wo jeder Schüler was mitnimmt.“ (Z. 864-868) Als Plädoyer für das Erlernen von Fremdsprachen in der Schule nennt sie abschließend: „Die Fremdsprachen, also wenn sie ein bisschen weltoffen sind, spielen immer eine Rolle, und sei es nur im Urlaub. Und von daher, also denke ich schon, es ist ganz, ganz wichtig heute. Und gerade für deutsche Schüler auch, mit ihrem Deutsch kommen sie nicht weit […]; die müssen einfach die Sprachen dazu haben, dass sie wirklich auch gute Chancen haben.“ (Z. 871-875) Sie müsse den Lernenden klar machen: „[…] nehmt ’s mit, was ihr mitnehmen könnt, könnt ihr nur profitieren davon, ja.“ (Z. 886) 6.5.3 Anregungen und Änderungsvorschläge Als Hauptkritikpunkt nennt die Lehrerin das verkürzte Gymnasium G8. Daran bemängelt sie die Stundenkürzungen quer durch die Jahrgangsstufen im Vergleich zum G9: „[…] was uns ein Problem macht ist die Stundenkürzung, die wir in allen Klassen bekommen haben. Man kommt nicht mehr auf das Niveau, auf das wir gekommen sind, im G9 […].“ (Z. 570-572) Auch wenn sie im Interview kein explizites Plädoyer für die Rückführung auf G9 abgibt, merkt sie an, dass sich dieses eine Jahr Kürzung auf die Qualität des Unterrichts beziehungsweise der Schülerergebnisse niederschlage, weil die Schülerinnen und Schüler zeitlich gesehen weniger Möglichkeiten haben, um den Stoff nachzuarbeiten: „Insgesamt ist das G8 schon eine, eine, hat unglaublich Druck auf die Schüler ausgeübt oder übt aus. Wir haben wesentlich weniger Zeit in Vielem. Die Schüler sind viel stärker belastet, das heißt auch, die können weniger zuhause nachbereiten. Also das geht auf die Qualität, auf alle Fälle […].“ (Z. 578-581) Hätte Sie die Wahl, wünschte sie sich eine Rückkehr ins G9: „Also wenn ich ‘s ändern könnte, ich würde, denke ich, wieder zurück gehen. Ja. Mit den ganzen Neuerungen, die wir haben“ (Z. 619-620), mit der Möglichkeit verbunden, Hobbys und Freizeit am Nachmittag zu gestalten, Zeit, um Referate für die Schule vorzubereiten, etc. (Z. 619-623; Z. 637-655 und Z. 660-662). Sie behält ihre Zweifel am verkürzten Gymnasium: „Das Niveau ist sicher abgesunken oder wird absinken weiterhin, das nivelliert sich viel stärker […]“ (Z. 583-584). Auf die Fremdsprachen bezogen lautet ihr Fazit: „[…] letztendlich muss ich sagen, für die Fremdsprachen wäre das G9 das bessere und auch insgesamt wahrscheinlich schon, mit den neuen Ideen, die in den letzten Jahren einfach dann reingekommen sind […]“ (Z. 607-609). Nichtsdestotrotz vertrete sie die Ansicht, dass die Schüler - auch in der verkürzten Schulzeit - zufrieden- 6.5 Sophie Kallmayer 201 stellende Sprachkenntnisse erreichen würden, die ihnen ermöglichten, Kontakte in der jeweiligen Zielsprache aufzunehmen und jegliche Alltagssituationen gut zu bewältigen (vgl. Z. 823-828). Darüber hinaus findet sie, dass die Schülerinnen und Schüler - dadurch, dass sie die Schule ein Jahr früher abschließen - weniger reif seien, um in die Tiefe der Inhalte gehen zu können: „Dass die Schüler früher fertig werden, sehe ich nicht als Gewinn, also die sind jünger, die sind unerfahrener, sind unreifer zum Teil einfach auch. Ich weiß es aus den gesellschaftswissenschaftlichen Fächern, die Kollegen sagen, wir können einfach nicht mehr in die Tiefe gehen, die haben einfach das Vorwissen nicht, die bringen nicht diese geistige Reife auch mit.“ (Z. 609-614) Als Anregungen für die Lehrerausbildung nennt sie stichpunktartig: Lernprobleme und Lernbehinderung; Soziobiografien; Legasthenie; Inklusion; Soziale Probleme; Probleme lösen als unterrichtende Lehrkraft (sich beispielsweise vor dem Burnout schützen); Korrigieren und den Schülern eine Rückmeldung geben; Arbeit mit guten vs. schlechten Schülern (vgl. Z. 769-794). 6.5.4 Zusammenfassung ihrer Einstellungen Aufgrund der von ihr als schwierig dargestellten institutionellen Rahmenbedingungen an ihrer Schule, fällt die Antwort von Frau Kallmayer zu ihrer Freude am Lehrerberuf eher kritisch, differenziert aus. Die Lehrerin trennt in schulische und private Belange der Schülerinnen und Schüler. Über das private Leben (Gebrauch der Herkunftssprache, Herkunft) habe sie keine Informationen und frage auch nicht nach. Sie stellt dieses Nicht-Nachfragen als gültige Praxis dar und geht davon aus, dass es an ihrer Schule nicht üblich sei, nach der Herkunft zu fragen. Von Interesse ist die Herkunftssprache bei ihr lediglich um landeskundliche, prosodische, intonatorische und variationssprachliche Aspekte hervorzuheben, vorausgesetzt, dass die Muttersprache Spanisch sei. Im Prinzip finden die Herkunftssprachen keine aktive Berücksichtigung durch die Lehrkraft, sie verbleibt in einer Beobachterrolle. Das Beispiel der griechischen Schülerin zeigt, wie die Lehrerin die Sprachlernfähigkeiten und Begabungen dieses Mädchens bewundert, die sehr schnell Spanisch gelernt habe, und die sie für eine intelligente Schülerin mit einem enorm großen Sprachpotenzial und -gefühl hält. Eine aktive Einbindung der Spracherfahrungen dieser Schülerin ist aber in den Erzählungen von Frau Kallmayer nicht erkennbar. Sie beobachte insgesamt, dass die Schülerinnen und Schüler von sich aus keine Querverbindungen zu den bereits erlernten Fremdsprachen herstellten. 202 6. Die Hauptstudie-- Einzelfalldarstellungen Die Interviewpartnerin hat sehr deutliche Einstellungen bezüglich der sozialisationsbedingten Unterschiede zwischen türkisch- und russischstämmigen Lernenden. Letzteren billigt sie eine höhere Motivation zu, Fremdsprachen zu lernen. Die Zunahme von Schülern mit Migrationshintergrund veranlasse sie auch nicht, ihre Unterrichtspraxis zu verändern. Sie hat eine deutlich ablehnende Position was die Einbeziehung lebensweltlicher Mehrsprachigkeit angeht, es sei dann es handelte sich um spanischsprechende Schülerinnen und Schüler. An dieser Stelle argumentiert sie gefühlsmäßig und benutzt allgemeine Setzung, die sie immer wieder mit „man …“ einleitet. Dies steht in gewissem Widerspruch zu ihren fremdsprachendidaktischen Zielen, wo sie Offenheit gegenüber anderen Kulturen und Kommunikationsfähigkeit besonders betont. Frau Kallmayer repräsentiert eine Einstellung zum Thema Mehrsprachigkeit, die sich als auf „eine Sprache fokussiert“ bezeichnen lassen könnte. Diese eine Sprache ist die unterrichtete Schulfremdsprache, die relativ abgeschottet von äußeren sprachlichen Einflüssen - auch zunächst von den anderen Schulfremdsprachen - unterrichtet wird. Dies entspreche aber ihrer Meinung nach der Tendenz der Schülerinnen und Schüler, die Sprachen auch voneinander getrennt zu sehen. Diese eine Sprache habe dann in Kombination mit anderen möglichen Schulfremdsprachen eine sehr große Bedeutung für das spätere Leben der Lernenden. Ihre Einstellungen zur Mehrsprachigkeit bilden sehr deutlich die schulische Fächertrennung ab, die ihrer Meinung nach wenig Möglichkeiten der Öffnung biete. 6.6 Werner Scholl „Und ich prophezeie sogar, wenn es so bleibt, wird so sein, dass wir einfach in ein paar Jahren Leute haben, die von der Schule kommen, wenn sie nicht Latein gehabt haben, werden sie einfach ein wesentlich schlampigeres Textverständnis haben, weil sie einfach nicht gelernt haben, genau punktuell hinzuschauen, was steht denn genau da? “ (Z. 703-706) 6.6.1 Biografisches und berufliche Rahmenbedingungen Herr Scholl ist zum Zeitpunkt des Interviews 42 Jahre alt und seit 15 Jahren Lehrer für Geographie und Spanisch. Nachdem er fünf Jahre im Norden Münchens gearbeitet hat „[…] sehr viele türkische Schüler zum Beispiel, das ist ein ganz raues Klima gewesen, Münchner Norden, **, hart aber herzlich würde ich sagen“ (Z. 613-615), arbeitet er nun seit zehn Jahren in Augsburg, wohin er aus familiären Gründen versetzt wurde. 6.6 Werner Scholl 203 Zu Beginn seines Sprachstudiums sei es nicht sein vorrangiges Ziel gewesen, Fremdsprachenlehrer zu werden, da er nur Latein auf gutem Niveau beherrschte: „Es ist schwierig, weil ich hatte am Anfang des Lehramtsstudiums, eben hatte ich gesagt, ich möcht Lehrer werden, aber eigentlich kann ich bloß Latein gut.“ (Z. 7-9) Dann aber im Verlauf des Studiums habe er in seinem weiteren Fach Spanisch festgestellt, dass die beiden Sprachen gut miteinander harmonieren, und dass er sein Wissen anderen Menschen vermitteln könne. Auch habe er den Sinn des Studiums nicht nur darin gesehen, Texte zu analysieren, zu übersetzen und vorzutragen, sondern auch darin, in der Zielsprache zu kommunizieren: „Und dann hat sich das aber so ergeben, dass ich ein bisschen Spanisch gelernt hab und gedacht hab, das ergänzt sich ganz gut und irgendwann hab ich gemerkt, dass das so seinen eigenen Reiz hat, dass man eben nicht nur Texte analysiert und schriftlich übersetzt und die dann vorträgt, sondern eben auch die Leute zum kommunizieren zu bringen, ähm, ja und dann für mich auch ganz persönlich das Erlebnis, wie wichtig das sein kann, sich ausdrücken zu können. Dass einem nicht die Worte fehlen oder dass man die Worte hat, wie es mir auch gerade geht, das auszudrücken was man meint.“ (Z. 9-15) Was Spanisch angeht, habe er bald „[…] ein starkes Missionsbedürfnis“ (Z. 17-18) entwickelt. Im Zuge des Studiums habe er tolle Kultur(en) kennen gelernt: „[…] und ich möcht anderen Leuten da Zugänge eröffnen“ (Z. 19). Besonders das Thema Mehrsprachigkeit in Spanien habe bei ihm große Begeisterung ausgelöst: „Mein, also noch immer, Lieblingsthema. Katalanisch, dann später Baskisch, ähm, wie Leben die Leute damit zusammen, wie wichtig kann die Sprache im Alltag werden, wie weit wird die Identität durch die sprachliche Form geprägt, also das sind schon Dinge, die in einem relativ hohen Niveau behandelt werden können, die dann aber sehr, sehr ertragreich sein können“ (Z. 20-24). Bei einem Sommerkurs in Spanien habe er durch ein Aha-Erlebnis entdeckt, dass die Sprachen ihm sehr liegen. Er erzählt dazu eine Anekdote, in der eine fremde Person ihm durch das Nachsprechen einer Äußerung auf Griechisch gezeigt habe, dass die Sprachen „sein Ding“ seien: „Ich war in Spanien auf ’nem Sommerkurs und wurde da auch interviewt zu in diesem Kurs und wie man sich als Ausländer in Spanien fühlt, und da habe ich bei einer Gelegenheit, habe ich da eine, eine Griechin war da auch bei diesem Interview dabei, und wir mussten den Titel der Sendung auf Spanisch in unsere Sprachen übersetzen. Dann war da so eine kurze Pause und dann sagte die das auf Griechisch, und niemand sagte was, und dann hab ich das auf Griechisch nachgesprochen und dann sagte der Moderator, also ich sag das jetzt auf Deutsch: "Werner, du überraschst mich, also es schaut echt so aus, als ob die Sprachen dein Ding sind" und da hab ich 204 6. Die Hauptstudie-- Einzelfalldarstellungen mich dann so gefunden, also irgendwie hab ich gemerkt, ja genau, das ist es, das ist das was ich kann und was ich machen will und da kann ich auch etwas weitergeben.“ (Z. 35-43) Seine Schule ist ein sprachliches Gymnasium, in dem alle ab der 5. Klasse mit Latein anfangen. Englisch gibt es ab 6. Klasse. Er fügt hinzu: „Wir sind die einzige Schule in Bayern, die wirklich alle vier wählbaren dritten Fremdsprachen anbietet: Altgriechisch - wieder aktuell, Französisch, Italienisch und Spanisch“ (Z. 72-73). Da die Schule als schwere Schule im Augsburger Raum gelte (vgl. Z. 83-84), fände eine Vorsortierung der Schüler statt: „Also es kommen hier erstmal Schüler, denen man mehr zutraut.“ (Z. 85-86); „[…] im Verhältnis zur Gesamtbevölkerung relativ wenig Leute mit Migrationshintergrund“ (Z. 86-87). Dies bedauert Herr Scholl: „Ich find’s persönlich eben schade, dass zum Beispiel relativ wenig Türken bei uns sind“ (Z. 95). Die bedeutendste Gruppe seien die Russland-Deutschen: „Wir haben relativ viele Russland-Deutsche, einfach durch die räumliche Nähe zum Univiertel, wo eine starke russischsprachige Minderheit ist“ (Z. 96-97). Insgesamt aber sei die Zusammensetzung der Schülerschaft international: „Wir haben aber auch relativ viele Leute aus gemischt-nationalen Ehen, ähm, also es wird internationaler.“ (Z. 97-98) Die Schule liegt im Augsburger Südwesten (vgl. Z. 102-103); dort wohnten wohlsituierte und wohlhabende Menschen (Z. 103), „viele Professoren-, Anwalts- und Arztkinder“ (Z. 102). Seiner Meinung nach sei der „Anteil der Leute mit Migrationshintergrund sicher weit unter dem Augsburger Schnitt“ (Z. 99-100). 6.6.2 Einstellungen zur schulischen und lebensweltlichen Mehrsprachigkeit seiner Schüler / Unterrichtspraxis Bezüglich der Schulfremdsprachen der Schülerinnen und Schüler verweist er auf deren Latein-Kenntnisse, die mit Bedacht spanische Wörter selbst erschließen würden. Es gehe hier um die erste erlernte Schulfremdsprache Latein, wie dies bereits bei seiner Beschreibung der schulischen Rahmenbedingungen deutlich wurde. „Ähm. Auch wenn die Leute sagen, sie können das Latein gar nicht, das stimmt nicht. Also sie nutzen glaub ich schon von Haus aus recht bewusst, weil die dann sehr vorsichtig sind. Zum Beispiel hatte ich eine Spanisch-Anfängerklasse und die fragten mich: "Heißt ´museo´ vielleicht ´Museum’? Ja, also die sind da noch ganz, ganz vorsichtig, solche Ableitungen zu nutzen.“ (Z. 173-178) Für die Arbeit im Fremdsprachenunterricht greife er auf die anderen, bereits gelernten Schulfremdsprachen zurück und hier vor allem auf Latein: „Ich bau 6.6 Werner Scholl 205 das immer sehr stark, ich mein, von meinen Fächern bietet es sich ja an, ich bau es, wo immer es geht, ein und sag Lateinisch das kennt ihr und da könnte man ja drauf kommen, dass es eben so heißt. Also ähm nutze das auch umgekehrt. Also ich hab zum Beispiel eine Neunte in Italienisch, quatsch, Spanisch, quatsch, in Latein, und die haben Spanisch und Italienisch in der Klasse und dann sage ich, Mensch, ihr wisst doch vom Italienischen, das heißt das und das und dann könnt ihr drauf kommen, was weiss ich, ´comprender´ Spanisch und ´comprehendere´ kann doch auf Lateinisch wahrscheinlich auch ´begreifen´ heißen, ja. Also ich versuch, das schon sehr stark zu nutzen.“ (Z. 178-185) Was die Herkunftssprachen und die Herkunftskultur seiner Schüler angehe, könne Herr Scholl nur sehr wenig präzise Auskünfte geben, und über deren Sprachbiografien so gut wie nichts erzählen: „Könnte ich jetzt bloß bei den allerwenigsten.“ (Z. 257) Er räumt ein, dass er nur ganz wenig darüber wisse: „Also in der Regel, ich weiß dann bisschen, wie sie ’s verwenden, wo sie es gelernt haben, aber dass ich jetzt über einen Schüler mehr als eine halbe Seite schreiben könnte, das hielt ich jetzt für unwahrscheinlich, muss ich zugeben.“ (Z. 257-260) Er appelliert an das Verständnis der Interviewerin, indem er die große Schüleranzahl in seinen Klassen erwähnt, um zu erklären, dass es nicht möglich sei, Sprachbiografisches über die Schüler zu erfahren: „Aber Sie verstehen das auch, ich hab jedes Jahr 90 Schüler und es wird dann auch unübersichtlich.“ (Z. 269-270) Als weiteres Argument für das Nicht-Erkunden biografischer Schülerdaten nennt er ausweichend andere Variablen wie die private, familiäre Situation der Schülerinnen und Schüler, ihre soziale Herkunft sowie eventuelle Probleme: „[…] weil man auch noch andere Parameter, die jetzt vielleicht für das sonstige Schulleben noch wichtiger sind, also sozialer Hintergrund, sind die Eltern geschieden, gibt es Kranke in der Familie, gibt ’s Schwierigkeiten mit Geschwistern, Vorgeschichte, Konflikte, also, das ist man hat ja dann lauter Biografien im Kopf und deswegen hat jetzt der Sprachbereich keinen so großen Raum.“ (Z. 270-274) Er kommt erst auf die Schülersprachen zu sprechen, als die Interviewerin ihn explizit fragt: „Und ansonsten, die vorhandenen Sprachen, die die Schüler von zuhause mitbringen? “ (Z. 191-192) antwortet er nur kurz: „Von zuhause? Mach ich auch.“ (Z. 194) Auf die kulturellen Erfahrungen der Schülerschaft angesprochen und deren mögliche Relevanz für das Fremdsprachenlernen, bleibt er vage und empfindet das als eine schwierige Frage. Er macht keine Verweise auf die persönlichen sprachlichen und kulturellen Erfahrungen der Lernenden; er bezieht sich eher auf „[…] sprachliche Missverständnisse, Doppeldeutigkeiten“ (Z. 336 und 350) 206 6. Die Hauptstudie-- Einzelfalldarstellungen und auch auf Kollokationen, die - wenn sie ins Spanische übertragen beziehungsweise übersetzt werden - eine andere Bedeutung hätten. „Was so auch der kulturelle Kontext dagegen ja so da hieß in einem Text, den Schüler bei einem Referat hatten, `casó´, er verheiratete, sein Vater heiratete eine andere Frau. Und so wie die es im Spanischen gesagt haben, hieß es eben, sein Vater verheiratete den mit einer anderen Frau. Also der Vater musste also Priester gewesen sein und dann kann er aber eigentlich keinen Sohn haben als sein Vater, es geht nicht. Und ich hab ihnen gesagt, versucht klar zu machen, dass eigentlich der Satz zwar grammatikalisch eigentlich korrekt ist, aber so eine Situation, die in dem Kulturraum eigentlich nicht möglich ist, darstellt. Ja. Also solche Sachen mache ich ganz gern und da gibt es auch so Aha-Erlebnisse.“ (Z. 342-349) Im weiteren Verlauf des Gesprächs kommt er dann aber doch noch sehr explizit auf die verschiedenen Herkunftssprachen zu sprechen, indem er die Position der Russlanddeutschen problematisiert. Er beobachte, dass die Schüler nicht spontan und selbstständig auf die Idee kämen, selbst Verweise zwischen ihren Schul- oder Herkunftssprachen herzustellen, weil sie - nach seiner Einschätzung - unsicher seien: „Das ist ja das Problem, dass die Schüler ähm, oft ein sehr geringes Bewusstsein haben, also gerade die Russland-Deutschen versuchen es ja regelrecht zu verheimlichen […]“ (Z. 219-221). Er sei darüber hinaus der Meinung, dass in der Gesellschaft die Sprachgruppe der Russlanddeutschen keinen besonders guten Ruf genieße: „[…] die Russland-Deutschen halt sehr schlecht angesehen sind. Werden mit organisierter Kriminalität, mit Gewaltbereitschaft, mit Alkoholismus in Verbindung gebracht und selbst wenn das auch statistisch höher sein mag“ (Z. 225-227). Die Herkunft werde sozusagen vertuscht (vgl. Z. 229 und 231) und die Schüler hätten oft ein schlechtes Selbstbild (vgl. Z. 241). In einer langen Anekdote erzählt er von den Identitätsproblemen eines seiner Schüler mit der Herkunft aus Russland: „Vor bald zehn Jahren war ich mit Schülern in Spanien und hatte einen sehr netten mit Vornamen Waldemar, das war das einzige, wo er ein bisschen auffällig war, und dann hat der mich am letzten Tag von unserer Reise gefragt, ob ich denn was übers Nibelungenlied weiß. Hab ich gesagt, na klar. Und frag ich, und wieso interessiert Sie das denn? Sagt er, ja er möchte ein bisschen seine Traditionen kennenlernen? Sag ich, ja wie? Und da habe ich schon gemerkt, da ist irgendwas. Das ist kein, da ist noch was anderes dahinter und dann sag ich, haben Sie noch andere Traditionen? Ja, mmm, ja, ich bin eigentlich Russland-Deutscher. Habe ich gesagt, das ist toll, dann können Sie auch ein bisschen russisch. Ja wie, das finden Sie gar nicht schlecht? Also der hat mir als Sprachlehrer unterstellt, ich finde es wahrscheinlich jetzt unangenehm, dass er russisch kann. Also so ein wahnsinnig schlechtes Selbstbild haben die und 6.6 Werner Scholl 207 natürlich ich hab jetzt auch hier in der Klasse eine Schülerin, wo der Mutter kreuzpeinlich ist, dass sie einen slawischen Akzent hat und meint, man versteht sie gar nicht. Also das Sprecher-Selbstbewusstsein grad der Slawischsprachigen ist so unglaublich niedrig wie auch für die Türken oder für viele Türken, dass sie das eigentlich wegschieben und teilweise auch die Kinder auch gar nicht in muttersprachlichem Unterricht fördern. Wie gesagt, wenn’s irgendwie geht lassen sie es auch russisch schreiben lernen. Sie reden natürlich russisch zuhause, aber die schreiben das dann nicht. Es ist doch Schad, dann können sie zwei Sprachen nicht so richtig. Ja, das ist eine Katastrophe eigentlich. Ich versuch da schon, das mach ich ganz bewusst, bin jetzt aber vielleicht auch die Ausnahme oder eher ne Ausnahme, dass ich so zusagen die Wertschätzung für die eigenen Sprachen, die man mitbringt, festigt. Aber ich versuch das ganz stark positiv zu verstärken.“ (Z. 232-251) Eine gewisse Verbindung zu den Herkunftssprachen stelle er auch im Fremdsprachenunterricht her: „In Latein gibt es diesen Lokativ, dass man eine spezielle Endung hat, ´Romae´ in Rom zum Beispiel oder ´Athenis´ in Athen und dann hab ich einfach mal so abgefragt und da hatte ich zwei Türken drin, einen Bosnier, eine Serbin und hab gesagt, schaut einmal mit München oder mit Rom, sagt einmal, wie das in eurer Sprache heißt. Dann merkten die hoppla, das ist bei uns ja auch so, die hatten auch so eine Endung. Und dann merken die, dass ihre Sprache ähnlich wie Latein funktioniert.“ (Z. 200-205) Und: „Ich hatte eine kleine Türkin, die hat das nicht kapiert mit dem Akkusativ und da habe ich gesagt: "Wie heißt denn auf türkisch ´ich sehe das Haus´ und dann hab ich das Lateinische drunter geschrieben und ich glaub dann hat sie es kapiert, wozu der Akkusativ im Latein da ist, weil es im Türkischen auch so funktioniert“ (Z. 210-213). Im Spanischunterricht von Herrn Scholl finde kontrastives Arbeiten häufig vor allem im Vergleich zwischen Spanisch und Latein statt: „Also ich versuch’s eigentlich wo immer es geht, aufzugreifen, grad wenn ich etwas erklären will“ (Z. 286-287) und: „Ich arbeite da wirklich sehr viel, dass ich die Wörter untereinander schreib und vergleiche“ (Z. 371-372). Da alle Schülerinnen und Schüler dieses Gymnasiums Latein als erste Fremdsprache lernten, böten sich nach Herrn Scholls Meinung Sprachvergleiche an: „Wir haben viele Vorteile vom Latein, weil die Schüler großes kulturelles Hintergrundwissen haben, sie haben sehr reichen Vokabelfundus, an dem sie von den Wurzeln her anknüpfen können, aber sie sind halt unglaublich vorsichtig, wenn sie kreativ mit Sprache umgehen sollen. Und das versuche ich dann ein bissel raus zu kitzeln.“ (Z. 382-385) Ihm sei bewusst, dass Latein angstbesetzt, fehlerorientiert und grammatikbestimmt sei und er beobachte eine negative Selbsteinschätzung bei den 208 6. Die Hauptstudie-- Einzelfalldarstellungen Schülern: „Latein ist halt hochgradig angstbesetzt und das subjektive, die Einschätzung, ähm, die Einschätzung des eigenen Sprachkönnens ist in Latein so verheerend, selbst mittelmäßige bis gute Schüler sagen immer, "ich kann überhaupt nichts".“ (Z. 394-396) Er versuche, dagegen zu wirken, indem er sie ermutige: „[…] und ich versuch eben auch ganz bewusst dagegen zu arbeiten, in dem ich, wenn jemand sagt "ach, den Satz hab ich gar net raus bracht" sag ich "jetzt lies ihn erst einmal vor" und sag ich "ja, war doch gar nicht schlecht, drei Kleinigkeiten sind falsch, aber den Rest hast". Ja.“ (Z. 396-399) Herr Scholl habe einige Erfahrungen mit dem Einsatz des Interkomprehensionsansatzes und setze dies auch bewusst und spaßbetont in seinem Unterricht ein: „[…] was ich auch ganz gern mache sind so grad in so Zusatzstunden, zum Beispiel haben mich meine Spanischschüler mal gefragt "Können Sie mal ein bissel portugiesisch machen? " Kann ich jetzt net in dem Sinn, aber ich hab ein paar portugiesische Lieder, wo ich sag, die kann man vom Spanischen sich ganz gut ableiten, ähm oder auch da gab’s, als ich mal in Brasilien war, hatte ich so ein ’n Hinweis, ein Merkblatt für Studenten die anfangen, da hab ich gedacht, das könnt für die Oberstufler ganz interessant sein und da haben wir dann versucht, das vom Portugiesischen ins Spanische umzusetzen und zu überlegen, sind das jetzt Tipps, die für uns auch relevant sein können.“ (Z. 287-294) An anderer Stelle, im Zusammenhang mit zwei Lerngruppen Französisch- Spanisch, erhielte eine Französisch-Gruppe den Liedtext im Spanischen, während die Spanisch-Gruppe den Text in der französischen Sprache bekäme mit der Aufgabe, den Inhalt des Liedes zu erschließen und Wörter zu erkennen. Was ihn überrasche, sei, dass die Spanisch-Gruppe mit dem französischen Text besser zurechtkomme als die Französisch-Gruppe mit dem spanischen Text: „Und ich hatte mal folgenden Spaß gemacht, hatte eine Gruppe, die eben teilweise Französisch und teilweise Spanisch hat und dann haben wir die Gruppen getauscht. Die Spanier bekamen das französische Lied, die Franzosen das spanische Lied und sollten halt mit ihren Sprachkenntnissen Ende des dritten Lernjahres raus finden, worum es da geht, welche Wörter erkennen sie, wo muss man noch ein bisschen helfen. Wobei es überraschenderweise so war, dass die ähm, Spanier mit dem Französisch leichter zurechtkamen als die Franzosen mit dem spanischen Text. Aber das war sehr schön, dann haben wir beide Lieder noch mal nebeneinander gestellt, ja. Also so was macht mir halt unglaublich Spaß. Ja.“ (Z. 309-316) 6.6 Werner Scholl 209 6.6.3 Anregungen und Änderungsvorschläge Herr Scholl vertritt die Meinung, dass immer noch das Einsprachigkeitsgebot vorherrsche und dies hielte er nicht für sinnvoll. Es würde auch auf Sprachreflexion in der Zielsprache gepocht (Z. 666), „[…] um kontrastiv zu arbeiten kann man das natürlich alles in der Fremdsprache erklären, aber ich finde das Sprachniveau, das man dafür haben muss, ist schon sehr hoch.“ (Z. 666-668) Er möge es lieber mit Hilfe einer anderen Sprache oder auf Deutsch zu erklären: „Also bestimmte Dinge erkläre ich dann doch besser in einer anderen Sprache oder auf Deutsch und das soll ich eigentlich gar net. Also dieses Gebot der Einsprachigkeit ist schon sehr hoch gehalten und da würde ich mir wünschen, dass das (Unterbrechung in der Aufzeichnung. Wahrscheinlich sollte es heißen: „abgeschafft werde“, SMM )“ (Z. 668-670). Insgesamt sehe er die Entwicklung des Fremdsprachenlernens kritisch und in der Zukunft nicht so rosig, allerdings immer unter dem Blickwinkel des Philologen: „Und ich prophezeie sogar, wenn es so bleibt, wird so sein, dass wir einfach in ein paar Jahren Leute haben, die von der Schule kommen, wenn sie nicht Latein gehabt haben, werden sie einfach ein wesentlich schlampigeres Textverständnis haben, weil sie einfach nicht gelernt haben, genau punktuell hinzuschauen, was steht denn genau da? Welche Zeit ist das? Auf wen bezieht sich das? Da kann man nicht sagen, sinngemäß ist das so und so.“ (Z. 703-707) Ganz am Ende seiner Ausführungen enthüllt er seine Unzufriedenheit an der Schule, denn hinter der Fassade einer sehr angepriesenen, gut angesehenen Schule verberge sich Unzufriedenheit im Umgang mit den Kolleginnen und Kollegen. In dieser Form möchte er nicht mehr weitermachen. Abschließend berichtet er von seinem Versetzungsantrag: „Aber wenn ich das so erzähl wie es hier zugeht oder was ich mir anhören muss, denke ich nee, also dazu bin ich mir zu schade.“ (Z. 624-625) Im Bereich der universitären Ausbildung sehe er starke Defizite: „ich merk halt leider, dass wir Referendare kriegen, die net gescheit Spanisch können“ (Z. 752-753) sowie: „Und das kann’s net sein, dass jemand nach drei oder vier Jahren Universität durchgekommen ist und jetzt eigentlich mit einem sehr strikten Scheinsystem, wo er diese Credits einbringen muss, so unglaublich schlecht Spanisch spricht, so dass er net einmal das Bewusstsein hat, er sollte sich vielleicht noch nicht zur Prüfung anmelden. Also ich muss das leider so deutlich sagen.“ (Z. 754-758) 210 6. Die Hauptstudie-- Einzelfalldarstellungen 6.6.4 Zusammenfassung seiner Einstellungen Herr Scholl zeigt sich als ein begeisterter Fremdsprachenlehrer, der sehr ausschweifend, anekdotisch, aber auch immer wieder auf der Metaebene analysierend, erzählt. Die Leitfragen wirken als Initialzündungen. Er kann sehr umfangreich erzählen und schmückt viele Informationen mit Details aus. Besonders im Hinblick auf sein Nichtwissen über die Sprachbiografien seiner Lernenden werden Vermeidungs- und Ausweichstrategien erkennbar, die eine vorsichtige Analyse seiner Daten bezüglich der Einstellungen angeraten erscheinen lässt. Die Anekdote mit dem russischen Jungen und seine anschließenden Bemerkungen zur Mehrsprachigkeit von slawischen und türkischen Schülern sollen hier einer etwas genaueren Textanalyse unterzogen werden. Herr Scholl zeigt sich im ersten Teil der Erzählung als verständiger Fremdsprachenlehrer, von dem der russischsprachige Junge gar nicht glaubt, erwarten zu können, dass seine Russischkenntnisse positiv gesehen werden würden. Dies ist für den Lehrer aber selbstverständlich, und er beklagt das besonders schlechte Selbstbild der Russlanddeutschen. Ähnliches konstatiert er generalisierend für alle Slawischsprachigen und für die Türken. Diese würden zwar zu Hause noch die jeweiligen Herkunftssprachen sprechen, aber ihre Kinder diese bereits nicht mehr vertiefend lernen lassen. Er sehe seine Aufgabe darin, die Wertschätzung der Herkunftssprachen positiv zu verstärken. Diese empathische Haltung kontrastiert mit den vorher gemachten Angaben über sein relatives Nichtwissen der Herkunftssprachen der Schülerinnen und Schüler. In diesem Zusammenhang vertritt er auch dem Grunde nach die Hypothese der doppelten Halbsprachigkeit, was mit seiner Einstellung kollidiert, wonach es eine Chance sei, mehrere Sprachen zu können. Herr Scholl scheint sich eher mit auffälligen Einzelbiografien zu beschäftigen und sich um diese zu kümmern, während er dabei das Gesamtbild der Schülerzusammensetzung seiner Schule aus dem Blick verliert. Die recht knappe Antwort auf die Nachfrage nach den Herkunftssprachen scheint der vermeintlichen Erwünschtheit in der Interviewsituation geschuldet zu sein, da sich diese Einstellung dann im weiteren Verlauf nur noch am Einzelfall verifizieren lässt. Die Beschäftigung mit den Schulfremdsprachen und deren Einbeziehung in den Fremdsprachenunterricht hat für Herrn Scholl in jedem Fall mehr Bedeutung, was die Häufigkeit und die inhaltliche Dichte seiner Äußerungen zu diesem Bereich zeigt. In den Einstellungen des Lehrers Scholl zeigt sich eine Trennung der Relevanz der Schulfremdsprachen gegenüber den Herkunftssprachen. Dabei spielt Latein eine besonders wichtige Rolle. Im Bereich dieses Faches zeigt sich ein latenter Konflikt zwischen dem gymnasialen Korrektheitsanspruch und der persönlichen Empathie von Herrn Scholl. Er beobachtet, dass seine Schülerin- 6.6 Werner Scholl 211 nen und Schüler Angst vor Latein haben, und obwohl er als Gymnasiallehrer nicht aus den schulischen Zwängen heraus kann, versuche er trotzdem - in einer Art Gratwanderung - durch positive Zuwendung den Schülern zu helfen. Dennoch bleibt ein unklares Feld im Bereich der Einstellungen zu den unterschiedlichen Herkunftssprachen und -kulturen, was seine geringen Ideen zur Integration kultureller Erfahrungen der Schüler in den Fremdsprachenunterricht angeht. Hier hätte man - bei einem so Empathie begabten Lehrer - viel mehr Engagement und Vorstellungskraft erwarten können. Er empfindet jedoch das Nachfragen zu diesem Bereich als schwierig und bleibt allgemein. Auch hier denkt er wieder eher in schulisch-kognitiven Anforderungskategorien und schätzt die Bedeutung des affektiv-emotionalen Bezugs der Schüler zu ihren Herkunftskulturen als weniger bedeutsam ein. Der Sprachvergleich, insbesondere Interkomprehension, sei ein wichtiger und offenbar häufiger genutzter Teil seiner Unterrichtspraxis. Hier zeigt sich im Interview auch sein besonderes Engagement und die persönliche Freude an einer derartigen Vorgehensweise; in dieser Passage des narrativen Interviews benutzt er zweimal das Wort Spaß. Im Bereich der Anregungen und Vorschläge zu einer veränderten Einstellung zur Mehrsprachigkeit antwortet er nur recht kurz und bezieht sich vor allem auf vermeintliche institutionelle Vorgaben zum Fremdsprachenunterricht, wie dem Einsprachigkeitsgebot, das bekanntlich seit den Schriften Butzkamms (1973) vollständig revidiert ist. Insgesamt bleibt Herr Scholl sehr dem schulischen Rahmen und seinen Anforderungen verhaftet. Er denkt zwar über die alltägliche Routine hinaus, seine Einstellungen und seine Praxis im Verhältnis zu Mehrsprachigkeit bleiben aber eng an den institutionellen Vorgaben orientiert. Er hat ein sehr statisch wirkendes Verständnis von Bildung, bei der es darum gehe, Texte jeglicher Art zu verstehen, zu analysieren und zu interpretieren. Zudem zeigt er eine starke Prägung durch Latein (Z. 711); Korrektheit und genaues Hinschauen kenne er als Kompetenz nur durch die intensive Auseinandersetzung mit der literarischen Übersetzung (vgl. Kapitel 2.5.5.3). Als Lehrer kritisiert er die mangelnde Kollegialität an der Schule, nennt dass für Auslandsreisen (Spanien) keine Reisekosten erstattet würden, dass wenig Platz zum Arbeiten im Lehrerzimmer sei und beklagt den baulichen Zustand der Schule. Insgesamt zeichnet er ein Bild der Unzufriedenheit, das sich in einem Versetzungsantrag manifestiert, von dem er ganz zum Schluss berichtet und den er bereits abgegeben habe. An der universitären Ausbildung kritisiert er die Verschulung durch die Bologna-Reform und die mangelnden Fremdsprachenkenntnisse der neuen, jungen Kolleginnen und Kollegen. Auch diese letzten Einlassungen zu seiner vorher im Interview kaum erkennbaren Unzufriedenheit in seiner Schule relativieren die Verlässlichkeit der Äußerungen insgesamt, da 212 6. Die Hauptstudie-- Einzelfalldarstellungen aus dem vorliegenden Datenmaterial einige Facetten zu seinen Einstellungen offen bleiben und damit nicht immer abgesicherte Aussagen gemacht werden können. Am Beispiel dieses Interviews zeigen sich auch die Grenzen der verstehenden Textinterpretation, weil Aussagen zu Einstellungen widersprüchlich bleiben und sich auch durch Nachfragen nicht schlussendlich klären ließen. Die Narration von Herrn Scholl ist ein Beispiel für die „narrative Selbstkonstruktion“. 6.7 Isabel Mayr „Das Wichtigste ist eigentlich das Interesse aufrechtzuerhalten.“ (Z. 408-409) 6.7.1 Biografisches und berufliche Rahmenbedingungen Frau Mayr ist zum Interviewzeitpunkt 45 Jahre alt und unterrichtet Englisch und Spanisch seit 2006 an einem Gymnasium im Raum Augsburg. Zu ihrer eigenen Berufswahl Fremdsprachenlehrerin berichtet sie, dass sie sich nach Umwegen für das Studium von Sprachen entschieden habe: „Es war allerdings tatsächlich vom ähm, der Entschluss war eher erstmal auf die Sprache gerichtet, nicht auf ´s Unterrichten“ (Z. 27-29). Nachdem sie in Amerika ein Jahr lang gearbeitet hatte, begann sie eine Lehre als Hotelfachfrau, die sie jedoch abgebrochen habe (Z. 24-25): „Und dann war da so ein Denkprozess und dann habe ich mich dazu entschlossen, weil ich damals eben schon gut Englisch konnte und mich Spanisch als Sprache so sehr interessiert hat, dann habe ich gedacht, gut dann studier’ ich das jetzt.“ (Z. 25-27) Allerdings zielte das Studium von zwei Sprachen auf das Lehramt und nicht auf einen anderen Beruf und da sie am Lehrerberuf schon immer Interesse gehabt habe, „Ich hab früher in der Jugendarbeit viel gearbeitet, so Gruppenleitung gemacht“ (Z. 32-34), entschied sie sich für das Lehramtsstudium: „[…] aber ob das dann tatsächlich mir gefällt, wusste ich nicht“ (Z. 34-35). Jedoch habe dann ihr Aufenthalt als Assistentin in Spanien sie zu dem Entschluss gebracht, Lehrerin zu werden: „[…] und da hab ich dann gemerkt, dass das auch Spaß macht und dass ich das auch wirklich machen möchte als Beruf. Und so ist das dann zustande gekommen“ (Z. 36-38). Sie merkt auch an, dass bei beiden Aufenthalten - in den USA und in Spanien - sprachliche Grundlagen gelegt wurden, die ihr heute von Nutzen für den Lehrerberuf seien: „Was dann ganz gut war und eigentlich wirklich dringend nötig, dass man eben diese Grundlage von einem Jahr USA und ein Jahr Spanien für die Sprachkenntnisse, das hat mir dann wirklich immer sehr weiter geholfen. Bis heute natürlich.“ (Z. 38-40) 6.7 Isabel Mayr 213 Während ihres Amerikaaufenthaltes habe sie eine Woche in Mexiko verbracht, was eine prägende Erfahrung gewesen sei, allerdings könne sie die Sprache nicht sprechen: „Das Land hat mich sehr beeindruckt und ich hab mich extrem geärgert, dass ich nicht die Sprache kann“ (Z. 20-21). „Die können natürlich viel Englisch in Mexiko aber ich hätte mich lieber mit denen auf Spanisch unterhalten oder in ihrer Sprache, um eben dieser, wie ich fand, sehr interessanten Kultur auch noch näher zu kommen.“ (Z. 21-23) Über ihre Schule, ein Gymnasium in der Nähe Münchens, berichtet sie, dass es eine Konkurrenzsituation im Landkreis mit mehreren Gymnasien (Z. 95) gebe, ihre Schule sich aber durch ihr Profil, das auf die neueren Fremdsprachen Englisch, Französisch und Spanisch (Z. 99) spezialisiert (Z. 98) sei, von den anderen Schule abhebe, da dies dort nicht angeboten werde (Z. 99-100). Die Schülerinnen und Schüler hätten deshalb vielfache Auswahlmöglichkeiten zwischen den Fächern: „Das Nachbar-Gymnasium ist ein bisschen auf Wirtschaft spezialisiert“ (Z. 100). Zudem sei Ihr Gymnasium Seminarschule für Spanisch (Z. 114) und habe deshalb viele Referendare für Sprachen, „[…] die auch sehr viel frisches Blut reinbringen und neue Ideen und viel auch Gelder natürlich.“ (Z. 115-116). Durch diese Situation habe sich die Schule Materialien für die Bibliothek des Faches Spanisch anschaffen können: „Wir haben Sachen auch anschaffen können für die Bibliothek, Bücher und viel Anschaffungen für einfach was die Sprache Spanisch jetzt fördert“ (Z. 116-118). Diese Anschaffung und das Engagement der Kolleginnen und Kollegen hätten auch zur Folge, dass: „Wir haben auch viele Aktionen dadurch, dadurch dass wir natürlich da Sachen anbieten, P-Seminare und W-Seminare und letztens hatten wir zum Beispiel einen ganz schönen lateinamerikanischen Abend, der eben auch nur zustande kommt, weil die einzelnen Lehrer engagiert sind.“ (Z. 119-122) Über die Elternschaft sagt sie, sie bilden „gut situierte Familien“ (Z. 103-104), die das Reisen gewohnt seien (Z. 105), aber auch entsprechende Leistungsvorstellungen hätten: „[…] die Eltern erwarten auch ne gewisse ja, einen gewissen Erfolg erwarten die und die möchten auch, dass das funktioniert, sind auch sehr engagiert, fragen nach, wenn was nicht klappt und möchten auch, dass ihre Kinder fort kommen.“ (Z. 105-108) Besonders in Spanisch sei der Stoff sehr dicht und es sei nicht viel Zeit vorhanden, um beispielsweise eine Tempus-Form für eine gewisse Zeit zu üben. Sie drückt es folgendermaßen aus: „[…] Also ich finde, wir müssen ’s sehr schnell durchmachen. Wir machen normalerweise, wir führen das ein, ähm, eine neue Zeit zum Beispiel. Dann wird es gemeinsam geübt, dann wird’s als Hausaufgabe aufgegeben, besprochen, dann vielleicht noch mal eine Hausaufgabe, aber dann wird eigentlich vorausgesetzt, dass sie es anwenden können. Es ist nicht so, dass 214 6. Die Hauptstudie-- Einzelfalldarstellungen sie wochenlang das ‚passé composé’ da üben oder ‚indefinido’, das wird relativ schnell vorausgesetzt.“ (Z. 542-547) Alleine herausragende Schülerinnen und Schüler schafften das Ganze gut und problemlos, so die Lehrerin, aber dies entspräche nicht der Allgemeinheit: „Aber eigentlich bei Durchschnittsklassen geht es im Spanischen, find ich, ähm, zu schnell, so dass sie eigentlich am Ende der zehnten Klasse ganz Viele keinen Überblick mehr so wirklich haben, das ist ganz oft“ (Z. 554-556). Aus diesen Gründen wählten die Schüler Spanisch folglich später ab. Bezüglich ihrer Einstellungen zum Lehrerberuf als Fremdsprachenlehrerin verweist sie auf die Diskrepanz und Schwierigkeit zwischen „sein Fach gerne mögen“ und „Mangel an Interesse seitens der Schüler“, der sich darin ausdrücke, dass Lehrerinnen und Lehrer Probleme jeglicher Form hätten: „[…] was mir immer wieder auffällt bei Kollegen und Kolleginnen ist, ähm, erstens dass man ihnen klarmachen muss, dass das Fach selber, was sie so gerne studieren, und wo man sich selber natürlich als Student gerne rein vertieft, ist an der Schule tatsächlich nur die Hälfte. Die andere Hälfte sind die Schüler, die man hat und der Umgang mit den Schülern und auch tatsächlich ganz einfache Alltagsprobleme. Und dass man einfach den Lehramtsstudenten klar macht, das schöne Fach, wo ich so interessiert bin, kann sein, dass es die Schüler gar nicht interessiert plus sie haben noch Probleme dazu plus sie haben noch häusliche Schwierigkeiten […].“ (Z. 703-710) Bezüglich der jungen, neuen Kollegen und der Referendare gibt sie zu bedenken, dass fachlich gut und kompetent zu sein, nicht ausreiche, wenn man mit den Schülerinnen und Schülern nicht umgehen, und diese nicht begeistern könne. Wünschenswert aber sehr schwierig sei es, einem Kollegen zu signalisieren, dass er für den Lehrerberuf nicht geeignet sei: „Es ist nur sehr, sehr schwierig. Ich kann es nicht so gut, Also man versucht es manchmal so: "Hm oder hä, in der Hinsicht kannst du vielleicht mal zusehen, dass du das und das", es ist sehr, sehr schwierig, als Kollege was zu sagen“ (Z. 740-742) und: „[…] Weil das geht sehr, das ist das was man an der Uni vorher nicht weiß, es geht sehr, sehr viel über die Lehrerpersönlichkeit. Und wenn man nicht der Typ ist, dann wird das auch ein Höllenberuf für die Lehrer. Man kann das vielleicht mal ein, zwei Jahre durchhalten, aber keine zwanzig, wenn man nicht der Lehrertyp ist.“ (Z. 753-756) 6.7.2 Einstellungen zur schulischen und lebensweltlichen Mehrsprachigkeit ihrer Schüler / Unterrichtspraxis Die Lehrerin erzählt zunächst von der Sprachenabfolge in der Schule (Z. 169-170) und fragt nach, als die Interviewerin die vorhandene Mehrsprachigkeit ihrer Lernenden anspricht: „Sie meinen Mehrsprachigkeit, jetzt weil sie 6.7 Isabel Mayr 215 drei Sprachen lernen? “ (Z. 238). Diese Nachfrage (vgl. eine ähnliche Nachfrage bei Frau Kaufmann, 6.8.2) zeigt eine relative Unsicherheit mit den unterschiedlichen, fachdidaktischen Begriffsdefinitionen, wie sie in Kapitel 2 dargelegt wurden. Die Lehrerin hat umfassende Kenntnisse über die erlernten Fremdsprachen in der Schule: „Also normalerweise ist es, Spanisch ist bei uns immer dritte Fremdsprache. Das heißt die Schüler haben entweder Englisch-Latein vorher gelernt oder Englisch-Französisch“ (Z. 169-170). Sie beschreibt die ersten Lernjahre (5. und 6. Klasse) als sehr intensiv, weil viel Stoff gelernt werde (Z. 185). Die Lateiner - so die Lehrerin - würden tendenziell Sprachanalytisches als Vorwissen mitbringen, wenn sie Spanisch als dritte Fremdsprache lernen: „[…] man tendiert so ein bisschen dazu zu sagen, na gut, die Lateiner die sind das Lernen gewohnt, die können die Formen vielleicht auch durch das, einfach dieses sprachanalytische Vorwissen, ähm, das die eigentlich gute Voraussetzungen mitbringen.“ (Z. 171-173) Die Voraussetzungen für das Fremdsprachenlernen in ihrer aktuellen neunten Klasse in Spanisch seien besonders gut, da die Schülerinnen und Schüler Französisch als zweite Fremdsprache lernten. Sie sagt: „die ist unglaublich fantastisch“ (Z. 174). Über den fremdsprachlichen Unterricht, den die Schüler seit der Grundschule haben, berichtet die Lehrerin: „[…] die meisten haben ganz normal Grundschule Englisch dritte-vierte Klasse gehabt, und dann fortlaufend Englisch […]“ (Z. 183-184). Hinzu kämen die Herkunftssprachen: „[…] wir haben auch ein paar Schüler, so einige auch, mit einer, die vom Familienhintergrund eine andere Sprache auch noch mitbringen“ (Z. 188-189). Darunter eine Griechin, die leider gewechselt habe (Z. 198-199), einige Halbspanier oder Südamerikaner (ein halber Muttersprachler aus Chile, Z. 200), Amerikaner, türkische Schüler (Z. 191-193) und eine Halbfranzösin (Z. 210). Über die türkischen Schüler berichtet sie, „[…] [sie] bringen sich jetzt sprachlich nicht so ein, weil natürlich zum Türkischen kann man jetzt nicht so viele Parallelen ziehen.“ (Z. 205-207) Sie merkt dabei an, dass sie selbst die Sprache nicht könne - „Ja ich kann’s nicht, natürlich, ich kann’s nicht […]“ (Z. 211) - fügt hinzu, dass die anderen Schüler wie beispielsweise die Griechin oder noch die Halbfranzösin „von sich aus immer Parallelen [finden]“ (Z. 212-213). Mögliche Rückgriffe auf die sprachlichen Erfahrungen der Schülerinnen und Schüler erfolgten allein durch diese selbst und sie nennt als Beispiel ihre griechische Schülerin: „[…] die sagen dann selber, wenn wir was aufschreiben, „’ah ja, das ist wie bei uns, oder wie bei,’ also da bringen die schon Parallelen“ (Z. 222-223). Dies finde bei den türkischen Schülern nicht statt: „Die türkischen Kinder hab ich jetzt noch nicht gemerkt, weil, vielleicht ist die Sprache zu weit entfernt“ (Z. 223-225). Die türkischen Schüler würden seltsamerweise keine 216 6. Die Hauptstudie-- Einzelfalldarstellungen Vergleiche mit ihrer Sprache machen. Die Lehrerin glaubt, dass: „[…] das Selbstbewusstsein auch nicht das Gleiche ist vielleicht. Ähm, das kann ein Grund sein und ich glaub weil diese Parallelen nicht so leicht zu ziehen sind, weil die nicht so verwandt sind die Sprachen, schätze ich jetzt mal.“ (Z. 231-233) Sie bemerkt auch, dass in der Schule zunehmend Schüler mit unterschiedlichen Muttersprachen oder mit Auslandserfahrungen seien: „[…] dass man jetzt immer viel mehr Muttersprachler in den Klassen sitzen und auch mehr Schüler, die schon Auslandserfahrung haben oder die auch schon im Ausland waren […]“ (Z. 283-284). Der Grund sei möglicherweise auch der verstärkte Austausch mit Spanien beziehungsweise mit spanischsprachigen Ländern: „[…] ich kenn eine, die hat in Andalusien ein Halbjahr eingelegt und ist wieder gekommen oder auch manche sogar nach Mexiko oder Chile, Argentinien“ (Z. 287-288). Aus ihrer Lehrerperspektive bezeichnet sie dies folgendermaßen: „[…] das ist immer wunderbar für uns, weil man einfach mehr, man hat, kann einfach noch eine zweite Meinung einholen.“ (Z. 288-290), denn die Auslandserfahrungen oder Muttersprachler-Erfahrungen der Schüler könnten in den Fremdsprachenunterricht eingebaut werden, diese brächten sich gerne ein und könnten zeigen, was sie gelernt haben und schließlich könnten sogar dialektale Varianten gezeigt und thematisiert werden (z. B. Südamerika vs. Spanien). Es könne aber auch passieren, dass sich Muttersprachler diesen Aktivitäten entziehen: „[…] manche stellen sich nicht so gern in Vordergrund oder wollen nicht ständig gefragt werden. Ich hatte auch mal einen Schüler, der sich gradezu verweigert hat, obwohl er eigentlich spanischsprachigen Hintergrund war und hat eigentlich immer extra Deutsch geredet, wenn man ihn Spanisch angesprochen hat im Klassenzimmer, also das gibt´s auch.“ (Z. 294-298) Rückgriffe auf die Herkunftskultur der Schülerinnen und Schüler erfolgten beispielsweise durch Projektarbeit oder Projekttage wie die Zusammenarbeit mit einer Kollegin, zum Erstellen eines mediterranen Kochbuchs (Z. 311-312), „[s]ie [die Kollegin] das aus der französischen Perspektive, ich spanisch“ (Z. 312). Weiterhin hätten zwei griechische Schülerinnen Rezepte aus ihrem Kulturkreis in den Unterricht eingebracht und eine französische Schülerin ihre eigenen Rezepte (Z. 312-314). Sie würde das dann folgendermaßen präsentieren: Überschrift der Rezepte in der jeweiligen Herkunftssprache Griechisch, Französisch und Spanisch (Z. 315-316) und Flagge dazu „Also dass man einfach das Gefühl hat, man kann dann gut zusammenwirken für die Schüler auch.“ (Z. 316-317) Sie vergleiche auch die Zählweisen in verschiedenen Sprachen (Z. 319-320); dabei hätten sich ein tschechischer Schüler, eine russische und eine italienische Schülerin (Z. 321) einbringen können: „[…] da haben wir an der Tafel einfach mal eine Liste gemacht wie man eins, zwei, drei, null, eins, zwei, drei, vier, fünf auf den verschiedenen Sprachen ausdrückt und dass man eben sehr viel Ähn- 6.7 Isabel Mayr 217 lichkeiten sieht und so was das macht denen eben Spaß und mir macht das auch Spaß […]“ (Z. 322-324). Auf Nachfrage der Interviewerin, ob sie öfter solchermaßen verfahren würde, antwortet sie: „[…] wenn es geht mach ich das natürlich, klar“ (Z. 330), auch wenn sie in den Klassen nicht zahlreiche Schüler mit einem anderen sprachlichen Hintergrund habe (Z. 329-330). Sie meint dazu, dass es den Unterricht auflockern und auffrischen würde: „Weil das das alles auflockert, auffrischt […]“ (Z. 330-331). Mit dieser Vorgehensweise wolle sie den Schülerinnen und Schülern aufzeigen, dass sich Menschen hinter diesen verschiedenen Kulturen „verbergen“; sie drückt es folgendermaßen aus: „[…] was ganz wichtig ist beim Sprachenunterricht, ist eben diesen Bezug zur Welt herstellen, dass man da hinter dieser Sprache, die man da theoretisch lernt, sind wirklich Länder, Nationen, Kulturen, Völker, Menschen und das wird oft in der Schule vergessen, finde ich.“ (Z. 331-334) Das Sprachenlernen werde dadurch authentisch, außerdem gehe es nicht nur um Grammatikvermittlung, sondern die Schülerinnen und Schüler sollen sich an zielsprachliche Kommunikation heranwagen, Kontakt aufnehmen, gleichgültig wie gut ihre Sprache sei. „Und wenn man das irgendwie schafft reinzubringen ist es immer besser, dann, das ist auch das was ich gerne vermitteln möchte, dass sie vielleicht, es muss ja nicht alles perfekt sein, aber sie sollen sich vielleicht trauen, mal wen anzusprechen oder mal mit wem zu reden.“ (Z. 334-336) Frau Mayr berichtet, dass sie sehr häufig Verbindungen zu anderen Schulsprachen herstelle: „[…] man kann Parallelen zu allen, ob man jetzt Französisch vorher hatte oder Latein, man kann überall Parallelen ziehen als Schüler […]“ (Z. 176-177). Parallelen in Lexik und Grammatik würden durch sie „immer, ständig“ (Z. 264) hergestellt und versprachlicht, müssten aber nicht immer an der Tafel festgehalten werden, insbesondere beim Vokabular: „Es ist eigentlich ganz häufig und sehr leicht zu machen, weil vieles also wo man es ganz eindeutig machen kann ist übers Vokabular natürlich. Da gibt’s so viele Parallelen, also wenn jetzt Französisch-Englisch vorher hatten“ (Z. 245-247). Viele Parallelen in der Lexik ließen sich mit den Fremdsprachenvorkenntnissen der Schüler herstellen. Darüber hinaus könne sie als Lehrerin mit Hilfe ihrer „relativ noch guten“ Französischkenntnisse aus ihrer Schulzeit Hilfestellungen geben (Z. 248). Der Transfer zu den anderen Sprachen gelinge den Schülerinnen und Schülern leicht: „[…] da muss man ganz oft, braucht man die Wörter nur anschreiben. Die merken, aha, das ist nur eine andere Endung und das geht ganz leicht.“ (Z. 250-251) Auch im landeskundlichen Bereich sehe sie gute Transfermöglichkeiten: „[…] Beispiel eine Englisch-Klasse, die auch Spanisch hat, dass man da erstmal 218 6. Die Hauptstudie-- Einzelfalldarstellungen verdeutlicht, dass da sehr viele von den Ortsnamen in Amerika spanischen Ursprungs sind, also spanische Ortsnamen sind. Und das merken sie, so was wie "Los Angeles", da machen sie sich nicht klar, dass das eigentlich "Los Angeles" (Spanisch von der Lehrerin ausgesprochen; SMM ) ist und kommen sie dann das erste Mal drauf und können da viele Verknüpfungen machen. So was ist auch gut.“ (Z. 275-277) Allerdings sehe sie auch ein zeitliches, auf den engen Lehrplan bezogenes und durch die Fachgrenzen indiziertes Problem: „man bleibt eigentlich im Unterricht sehr in dieser einen Sprache“ (Z. 352), denn die Schüler hätten 45 Minuten Zeit, um in das nächste Fach - hier Spanisch - umzuschalten, was nicht zuließe, zu viele andere Sprachen zu integrieren: „[…] das ist wahrscheinlich ein Schwachpunkt, den wir auch haben, ist es einfach ein Block, nur Spanisch. Dann müssen die Schüler umschalten nach 45 Minuten, dann kommt Französisch, das ist sicherlich was, was nicht schön ist“ (Z. 354-356). Auch die Vorgaben des Lehrbuchs und des Lehrplans ließen wenig Flexibilität zu „[…] ich muss mir immer richtig, man muss dann extra umschalten, ich kann wenig, also, weil der Lehrplan und das Schulbuch mir das und das vorgibt, kann ich dann nicht so flexibel sein wie man das vielleicht.“ (Z. 361-363) Es gebe aber auch Themen, die über das Fach Spanisch hinausgingen, wie gegebenenfalls das Thema der inmigración (Z. 371), oder dass dazu der Film "Spanglish" gezeigt werde (Z. 375), der die Immigrationsproblematik thematisiert. Bezogen auf die Grammatik verwende sie Vergleiche von Strukturen aus dem Französischen und dem Spanischen: „[…] na gut im Französischen seid ihr gewohnt, so und so zu machen, aber Achtung, hier im Spanischen ist da an der Stelle kein Artikel“ (Z. 252-253). Häufig benutze sie einsprachige Vokabelerklärungen: „[…] manchmal sagen wir ja, das Wort kennt ihr schon aus dem Englischen, mit dem und dem, und das ist das gleiche Wort und dann wissen wir, die kennen das Wort schon und dann können sie es auch, meistens ist ja auch manchmal der gleiche Inhalt, das sie ’s gleich weiter verwenden können und haben schon ein Konzept.“ (Z. 265-268) 6.7.3 Anregungen und Änderungsvorschläge Kritik mit dem Fokus auf Mehrsprachigkeit äußert sie vor allem im Vergleich des Englischunterrichts zum Spanischunterricht. „Das Englisch wird eigentlich sehr intensiv betrieben, fünfte, sechste Klasse und dann flacht das wahnsinnig ab […]“ (Z. 620-622). Dieser Zustand dauere bis zur Oberstufe an (Z. 625); dadurch, dass die Motivation der Schüler oft schwächele, entspräche ihr Englischniveau nach sechs bis sieben Lernjahren nicht ihren Vorstellungen: „So na ja, gut jetzt, wieder das gleiche jedes Jahr, bis zur Oberstufe hin, wo sie es dann 6.7 Isabel Mayr 219 können sollen und da ist es dann oft, dass das Interesse abgeflacht ist und auch die dann doch nicht so viel können, wie sie nach ihren sechs, sieben Jahren Unterricht eigentlich können müssten.“ (Z. 624-627) Hingegen seien im Spanisch-Abitur viel zu hohe Anforderungen an die Schüler gestellt (Z. 627-628) „[…] sie haben das theoretisch gelernt, aber eben diese Vertiefung fehlt so ein bisschen, weil sie es ab der achten erst können.“ (Z. 629-630) Dies habe zur Folge, dass nur die Guten - diejenigen, die kontinuierlich lernten, gut im Unterricht aufpassten und ihre Hausaufgaben machten (Z. 640 und Z. 655-657), es schaffen: „Die schaffen das schon, die Guten, aber es sind eben nur die Guten, die es dann wirklich auch wählen und schaffen können.“ (Z. 630-631) 6.7.4 Zusammenfassung ihrer Einstellungen Frau Mayr, auf den Begriff Mehrsprachigkeit angesprochen, reagiert zunächst mit einem Blick auf die Schulfremdsprachen der Schülerinnen und Schüler (individuelle, schulische Mehrsprachigkeit); damit steht sie im Gesamtsample der Interviewpartnerinnen und -partner alleine, denn bei den anderen Befragten wurden zum Begriff der Mehrsprachigkeit immer zuerst die Herkunftssprachen der Schüler assoziiert respektive beide Bereiche miteinander vermischt. Mit dieser Auffassung, Schülerinnen und Schüler seien bereits durch das Erlernen der Schulfremdsprachen mehrsprachig, konnte vor allem angesichts der Äußerungen aus der Vorstudie nicht gerechnet werden, und diese Einstellung stellt für das vorliegende Sample einen Sonderfall dar. Bei den Herkunftssprachen macht sie deutliche Unterschiede zwischen den türkischen Schülern und Schülern anderer Nationen, indem sie auf die unterschiedlichen Sprachfamilien abhebt, und zum Türkischen nur wenig Vergleichsmöglichkeiten sieht und selbst auch kein Türkisch könne. Sie habe zudem bemerkt, dass die türkischen Schülerinnen und Schüler ein geringeres Selbstbewusstsein hätten. Andererseits profitiere sie in ihrem Fremdsprachenunterricht von der zunehmenden Zahl an Schülerinnen und Schülern, die bereits Auslandserfahrungen in spanischsprachigen Ländern gemacht hätten. Die Lehrerin hat ein deutlich entwickeltes Konzept von der Verbindung von Sprache und Kultur; sie gibt an, diese untrennbaren Zusammenhänge im Fremdsprachenunterricht immer wieder zu fördern und beklagt, dass dies in der Schule häufig nicht realisiert werde. Durch die Einbindung von Beispielen aus anderen Herkunftssprachen und das deutliche Abheben auf Kommunikation versus Grammatikvermittlung erhoffe sie sich einen authentischen Fremdsprachenunterricht, bei dem die Sprachrichtigkeit nicht im Vordergrund stehen müsse. Das 220 6. Die Hauptstudie-- Einzelfalldarstellungen Methodenrepertoire der Lehrerin Mayr scheint sehr variantenreich zu sein und es fällt auf, dass sie offenbar systematisch interlinguale Transferphasen in ihren Fremdsprachenunterricht einbaut. Skeptisch sieht sie, dass Schülerinnen und Schüler nicht immer bereit seien, sich mit ihren Herkunftssprachen in der Klasse zu zeigen und diese anzuwenden. Gelegentlich übernähmen die Schülerinnen und Schüler mit mehrsprachigem Hintergrund dennoch die Initiative, um sprachliche Parallelen zu ziehen. Allerdings beklagt auch diese Interviewpartnerin den sehr engen zeitlichen und curricularen Rahmen für den Fremdsprachenunterricht. Sie beschreibt Defizite in der Lehrerausbildung vor allem im Bereich der Fachdidaktik, die an den Universitäten unterrepräsentiert sei. Zudem unterstreicht sie die enorme Bedeutung der Lehrerpersönlichkeit für den Unterrichtserfolg und gibt zu, große Schwierigkeiten zu haben, einem Junglehrer sagen zu müssen, dass sie ihn für nicht geeignet halte. Dies beziehe sich immer auf die Persönlichkeit, nie auf die fachliche Ausbildung. 6.8 Grit Kaufmann „[ich unterrichte] die Fremdsprachen eigentlich schon über das Deutsche vom Deutschen her […].“ (Z. 229-230) 6.8.1 Biografisches und berufliche Rahmenbedingungen Frau Kaufmann ist zum Interviewzeitpunkt 58 Jahre alt und unterrichtet an einem Gymnasium in Hanau die Fächer Französisch und Englisch. Sie ist seit 34 Jahren im Lehrerberuf tätig und arbeitet immer noch an der Schule, an der sie 1980 angefangen hat. In der Schule habe sie sich bereits für Französisch begeistert, „ähm ja, meine Leidenschaft hat mir schon dem Französischen gegolten […]“ (Z. 7-8). Sie sei auch eine sehr gute Schülerin gewesen, die gerne dieses Fach gelernt habe und „[…] Frankreich ja dann auch schon frühzeitig kennengelernt und schätzen gelernt.“ (Z. 10) Die Wahl des Studienfaches sei immer klar gewesen: „[…] es war für mich eigentlich immer klar, dass ich Französisch studieren wollte.“ (Z. 10-11). Obwohl ihre zweite Leidenschaft das Fach Geschichte war, sei sie dem Rat ihres Vaters gefolgt, Englisch zu studieren, um sich mehr Anstellungschancen mit letztgenanntem Fach einzuräumen als mit Geschichte: „[…] aber auf ja, Rat meines Vaters, den ich dann auch beherzigt habe, habe ich Englisch genommen, weil er meinte, dass sei doch ein Fach, was doch immer gebraucht würde und da bekäme man auch immer eine Anstellung.“ (Z. 12-15) 6.8 Grit Kaufmann 221 Auch, als sie sich für das Studium der Fächer Englisch und Französisch entschieden habe, hätte sie nicht mit dem Lehrerberuf geliebäugelt, sondern sie habe sich für beide Sprachen, samt Literatur und Kultur interessiert: „[…] habe Französisch und Englisch studiert, aber gar nicht mal unbedingt mit dem Blick auf den Lehrer, sondern einfach weil mich diese Sprachen, diese Literaturen und die Kultur interessiert haben“ (Z. 16-18). Mit dem Abschluss des ersten Staatsexamens sei der Lehrerberuf als einzige Variante übrig geblieben, denn der Dolmetscherbeziehungsweise Übersetzerberuf habe ihr nicht gelegen: „[…] was mach ich damit und damals lief das einfach auch ganz automatisch auf den Lehrberuf zu; ich wollte auch nie Dolmetscher werden, oder äh Übersetzer, das lag mir nicht, das wollte ich nicht […].“ (Z. 19-21) Sie habe auch heute noch Freude am Lehrerberuf „Ja doch, immer noch“ (Z. 316), äußert aber Kritik wegen zunehmender Verwaltungsarbeit (Z. 317). Dementsprechend beschreibt sie ihre Zufriedenheit am Arbeitsplatz mit: „Im Ganzen ja, im Wesentlichen schon […]“ (Z. 323). Es sei ihr persönlicher Wunsch, dass die Sprachen an der Schule eine Aufwertung erhielten: „[…] aber mir schon wünschen würde, dass die Sprachen insgesamt hier ein bisschen mehr, mehr aufgewertet würden oder gelten würden.“ (Z. 325-326) Zum sprachlichen Profil ihrer Schule berichtet die Lehrerin, dass es neben Englisch als erste Pflichtsprache: „eine große Auswahl an zweiten Fremdsprachen auch [hat], also nicht nur Französisch und Latein wie früher, sondern auch Spanisch.“ (Z. 62-64) Als zweite Fremdsprache stünden seit einigen Jahren Französisch, Spanisch und Latein (Z. 72) zur Wahl. Diese Fremdsprachen würden bis Ende der Mittelstufe (9. Klasse) und bis in der E-Phase (1. Jahr der Oberstufe) als Pflichtfach gelernt. Erst danach könne die Sprache abgewählt werden, wobei im Abitur zwei Sprachen nachgewiesen werden sollten (Z. 75-77). Weitere Sprachen werden als dritte Fremdsprache angeboten (Z. 64), doch „[…] das ist aber mittlerweile etwas mühsam geworden“ (Z. 64-65). Italienisch als dritte Fremdsprache laufe unter dem Label Wahlpflichtfach (Z. 86-87). Es seien aber allerdings nur wenige Schülerinnen und Schüler in einem Kurs: „ne Handvoll“ (Z. 368) und „Das sind dann sehr gute Schüler, sehr motivierte Schüler, sehr sprachinteressierte Schüler und das ist nur ne Handvoll, die dann Italienisch lernt. Weil etwas anderes kommt nicht mehr zustande.“ (Z. 90-92). Weil zu wenige Schüler Italienisch als dritte Fremdsprache lernten, überlege das Lehrerkollegium, wie sie das Fach aufwerten könnten, um mehr Lerner zu gewinnen: „Das ist das große Problem und wir sind im Moment da auch am Überlegen, wie man das ändern könnte, wie man die Sprachen da auch wieder aufwerten könnte. Eben äh, indem wir unser Profil da noch mal schärfen beziehungsweise verändern.“ (Z. 92-96) 222 6. Die Hauptstudie-- Einzelfalldarstellungen Zum Spanischen als Schulfremdsprache bemerkt sie: „Spanisch ist ein Selbstläufer, weil Spanisch wird sehr stark angewählt“ (Z. 123-124). Spanisch sei „in den Köpfen“ als einfache Sprache behaftet - mit der Vorstellung, dass "Spanisch = Urlaub, fiesta - siesta" bedeute, was allerdings, aufgrund der eher durchschnittlichen Leistungen, die oft schwächere Schülerinnen und Schüler brächten, nicht der Fall sei: „Tja, das ist es natürlich nicht, die Leistungen sind nicht sehr gut […].“ (Z. 125-126) 6.8.2 Einstellungen zur schulischen und lebensweltlichen Mehrsprachigkeit ihrer Schüler / Unterrichtspraxis Bevor sie die Frage nach den Lerngruppen in Bezug auf bereits vorhandene Sprachen der Schüler beantwortet, vergewissert sie sich bei der Interviewerin, ob hiermit Kinder gemeint seien, die eine andere Muttersprache hätten (vgl. Z. 165-166). Nach Bestätigung durch die Interviewerin antwortet sie: „Ja also in der 5. Klasse Englisch das sind nicht sehr viele, das sind einige wenige türkische Kinder, mit türkischem Hintergrund und ein kroatisches Kind, soweit ich das sehe, ja.“ (Z. 170-172). Die meisten hätten aber Deutsch als Muttersprache, so die Lehrerin (vgl. Z. 172). Ihre ergänzende Erklärung: „Es ist oft so, dass die schon sehr gemischten Hintergrund haben aus der Familie, aber man merkt es den Kindern nicht an, also was das sprachliche Vermögen jetzt angeht, ja. Das ist dann oft nur so auf Nachfrage wird das mir dann bekannt.“ (Z. 173-176) In der neunten Klasse sei es „teilweise sehr gemischt“ (Z. 189); „Das sind also zum Beispiel die Zwillinge, haben polnischen, nein, deutschen Vater, polnische Mutter. Können, sind also auch zweisprachig, sprechen auch Polnisch, weil Familie noch in Polen vorhanden ist“ (Z. 183-186). Nach längerem Nachdenken, kommt die Lehrerin noch auf weitere Lernende mit polnischem Hintergrund: „[…] wir haben mehrere sogar, ja, zwei, mindestens drei […]“ (Z. 186-187). Von den sprachlichen Hintergründen der erwähnten Schülerinnen und Schüler habe sie erfahren, als sie in der fünften Klasse eine Woche mit ihrer Klasse zusammen verbracht habe: „[…] weil ich da Klassenlehrer war, na ja, haben wir in der 5. Klasse eben eine ganze Woche am Anfang mit denen zusammen, da habe ich sie ein bisschen besser kennengelernt.“ (Z. 181-183) Ihre spontane Reaktion auf die Frage der Interviewerin nach den Bewusstmachungsprozessen und der Einbeziehung der Herkunftssprachen lautet: „Ach ja, wenig, muss ich gestehen. Wenig eigentlich“ (Z. 194). Als Begründung nennt sie (Z. 197-198): „Aus Zeitmangel. Ja, einfach aus Zeitmangel, weil es also grade durch die G8 ist dieses Curriculum so eng, ja, also und das fällt sehr viel aus, aus verschiedenen Gründen […].“ (Z. 200-202) 6.8 Grit Kaufmann 223 Sie könne nur sehr wenig inkludieren: „[…] eigentlich relativ wenig einbeziehen kann“ (Z. 203 und Z. 206), weil „[…] das fällt sehr viel aus, aus verschiedenen Gründen, dass ich wirklich gezwungen bin, also da ganz hart am Stoff zu arbeiten […]“ (Z. 201-202). Ein Rückgriff auf die sprachlichen und kulturellen Erfahrungen der Schüler finde nicht statt, denn sie habe derzeit keinen französischsprachigen Schülerinnen und Schüler in ihren Französischklassen (Z. 203-204). In ihrer eigenen Klasse habe sie zwar ein französischsprachiges Mädchen, aber sie unterrichte Englisch in der Klasse: „[…] in meiner Klasse schon, ja, das ist ein französischsprachiges Mädchen drin, aber das kann ich jetzt nicht nutzen, weil ich Englisch bei denen unterrichte.“ (Z. 204-206) Gelegentlich würde sie allerdings die Schulfremdsprachen für Vokabelarbeit einbeziehen: „Also ich beziehe schon auch die Sprachen, die sie hier lernen, das heißt wenn ich im Französischen unterrichte das Englische ein, beziehungsweise umgekehrt. "Wie heißt es da? "“ (Z. 263-265). Speziell auch durch Einbezug weiterer romanischer Sprachen: „[…] wenn sie mal ein Wort in der einen Sprache nicht wissen, ja, oder eben auch andere romanische Sprachen, die sie eventuell lernen“ (Z. 265-267). Auch nutze sie den Rückgriff auf die eigenen Sprachkompetenzen im Spanischen und Italienischen: „[…] hab auch Spanisch gelernt, ich kann na ja auch relativ gut Italienisch, also von daher haben wir dieses Feld […]“ (Z. 267-268). Die genannten Sprachen seien auch Schulfremdsprachen, die die Schülerinnen und Schüler lernen, und mit welchen sie Verbindungen herstellen könnten (Z. 269-271). Bewusstmachung über Ähnlichkeiten beziehungsweise Differenzen zwischen den Sprachen erfolge nicht durch die Lehrkraft; sie sagt recht allgemein: „Also man kommt da vielleicht immer mal wieder drauf zu sprechen […]“ (Z. 206-207). Diese würden eher durch Schülerimpulse eintreten. Sie gibt das Beispiel an, dass türkische Schüler im Französischunterricht sich sporadisch Vokabeln erschließen würden, die im Türkischen und Französischen ähnlich sind: „[…] ja manchmal sagen die türkischen Kinder dann auch: "Ja, das heißt in Türkisch so und so", also ähnlich wie jetzt in Englisch zum Beispiel, aber auch grad in Französisch.“ (Z. 207-209) und „[…] also dann greife ich das schon auf in dem Moment und sage: "Aha, guckt mal hier, ja, das ist so und so, ja" und dann die kommen da auch schon oft alleine damit und sagen "Ach ja, das ist so ähnlich", ne.“ (Z. 213-215) Derartige Phase würden dann spontan auftreten: „[…] also das entsteht dann eigentlich spontan auch im Unterrichtsgespräch dann oder wenn das dann so aufkommt, ja.“ (Z. 220-221) Bewusstmachungsprozesse könnten durch die Lehrkraft erfolgen mit Unterstützung durch die deutsche Sprache „[ich unterrichte] die Fremdsprachen eigentlich schon über das Deutsche vom Deutschen her […]“ (Z. 229-230). 224 6. Die Hauptstudie-- Einzelfalldarstellungen Sie mache Vergleiche grammatikalischer Phänomene zwischen den verschiedenen Sprachen: „[…] also wenn wir grammatikalische Phänomene besprechen, ja, dass wir schon auch immer, ja, Parallelen zu anderen Sprachen herstellen“ (Z. 276-278). So zum Beispiel mit Konditionalsätzen in Englisch und Französisch, die beiden Sprachen, die sie unterrichte (Z. 279). Sie appelliere dabei an die Vorkenntnisse der Schülerinnen und Schüler: "“Erinnert euch mal dran““ (Z. 280) und erhalte als häufige Reaktion ihrerseits, dass diese selbst Parallelen zwischen den erlernten Schulfremdsprachen herstellen: „Ah ja, in Spanisch ist das auch so."“ (Z. 282) Sie beziehe auch die guten lateinischen Sprachkompetenzen ihrer zwei deutsch-polnischen Schüler mit ein und mache diese somit zu Experten (Z. 286): „[…] gerade die in meiner Klasse die Zwillinge, die Latein lernen, und da wohl auch recht gut sind, also die frage ich dann und zieh‘ sie somit ein als Experten und sag "hier, wie ist denn das in Latein? Wie heißt denn das Wort da und da? ", "Ah ja, so und so", mhm ja gut." Also dann kann man da also auch dann sehen, wo's herkommt, ne? “ (lacht) Zum Beispiel“ (Z. 284-288). Gleichzeitig beobachte sie, dass Kinder mit Migrationshintergrund zunehmend Schwierigkeiten hätten: „Also ich muss zunehmend Rücksicht nehmen auf Kinder, die mit Migrationshintergrund, die doch dann unter Umständen ziemliche große Schwierigkeiten mit dem Deutschen haben, ja.“ (Z. 227-229), denn das Verstehen fiele diesen Schülern schwer (vgl. Z. 230-231). Bei Verständnisproblemen fragt sie ihre Lernenden, wie ein angesprochener Aspekt in ihrer Herkunftssprache funktionieren würde: „[…] also ich versuch Rücksicht drauf zu nehmen oder auch zu fragen "Wie geht das jetzt in deiner Sprache? ", ja, die ich aber jetzt, was Türkisch natürlich anbetrifft, was die meisten Leute angeht, nicht beherrsche“ (Z. 231-233). Dabei merkt sie an, dass sie als Lehrerin das Türkische nicht beherrsche und somit auch eventuelle Transferleistungsversuche nicht auf ihre Richtigkeit und Korrektheit überprüfen könne. „Ja, das ist dann für mich insofern auch ein bisschen schwierig.“ (Z. 233-234) Ihr methodisches Vorgehen, um diesen Schülerinnen und Schülern Hilfestellungen zu leisten, bestehe darin: „Ja, wir versuchen das also dann eben durch mehrfaches Erklären, durch mehr Zuwendung, sag ich mal, ja, und Ermutigung da also aufzufangen“ (Z. 234-235). Sie fordere die Schüler auf, ihre Sprachkompetenzen einzusetzen, um sich ein Wort in einem gegebenen Kontext erschließen zu können. Allerdings gehe das nur in eine Richtung, denn die Lehrerin habe im Türkischen keine Sprachkompetenz. Im Übrigen stelle sie fest, dass es heutzutage eindeutig mehr Schülerinnen und Schüler mit Migrationshintergrund gebe als vor dreißig Jahren (Z. 243 und Z. 247-248). Dies seien zahlreiche Schüler mit türkischem Hintergrund, sehr viele Schüler aus dem ehemaligen Jugoslawien: „[…] natürlich auch durch die politische Situation [bedingt]“ (Z. 6.8 Grit Kaufmann 225 244), wobei sie anmerkt, dass diese Schüler „[…] eigentlich, im Wesentlichen besser Deutsch sprechen“ (Z. 245-246) als die türkischen Schüler. Die Schwierigkeiten mit den Fremdsprachen und auch mit dem Deutschen lägen in der Hauptsache bei den türkischsprachigen Schülern: „Also die Probleme jetzt mit Deutsch und damit eben auch noch mal mit einer anderen Fremdsprache, sind doch weitgehend eben bei den türkischen Kindern.“ (Z. 246-248) Über die Ziele ihres Fremdsprachenunterrichts nennt sie als grobes Ziel, das sie aber nur mehr oder weniger erfolgreich erreiche (Z. 295): Sich in der Fremdsprache angemessen ausdrücken - mündlich und schriftlich - und die Förderung der mündlichen Kompetenzen statt nur Pauken der Grammatik: „Wir legen natürlich auch, und das ist natürlich auch ne Entwicklung, zunehmend Wert hier darauf, nicht Grammatik zu pauken als Selbstzweck, sondern die, ja, Kompetenzen, die nicht so neu sind, wie sie jetzt daherkommen, zu fördern, nämlich die sprachliche Ausdrucksfähigkeit […]“ (Z. 301-304). Damit die Schülerinnen und Schüler in der Lage seien, sich auszudrücken: „Dann werden sprachliche Mittel zur Verfügung gestellt. Es wird eingeübt, ja. Im Rollenspiel wird in Partnerarbeit erarbeitet, vielleicht auch Gruppenarbeit und dann vorgetragen und so weiter. Also, zu üben, wie man Situationen bewältigt […]“ (Z. 305-308). Was das Schriftliche angehe, würde sie eigene Textproduktionen (Dialoge, Texte schreiben), an das Lernjahr angepasst und durch spiralförmiges Lernen bis zur Oberstufe (vgl. Z. 306-308) praktizieren: „[…] wie schreibe ich einen Text, also immer natürlich der Altersstufe angemessen, der sprachlichen Stufe da auch angemessen.“ (Z. 311-312) 6.8.3 Anregungen und Änderungsvorschläge Zur Förderung der Mehrsprachigkeit gibt Frau Kaufmann einen speziellen Hinweis auf die schulische Situation und betont, sie wünsche sich, dass die Schülerinnen und Schüler mehr Sprachen als nur Englisch lernen: „[…] was wir uns wünschen hier ist schon ja seit langem, ist, dass Leute hier einfach auch mehr Sprachen lernen als nur Englisch jetzt, oder gut die zweite Fremdsprache, die sie lernen müssen […]“ (Z. 336-339). Sie merkt an, dass sich die Schüler mit der zweiten Fremdsprache sehr schwer täten (Z. 339-340), „[…] die auch schon in der ersten Fremdsprache oft große Probleme ha[ben] und da ist natürlich ne dritte Fremdsprache völlig, steht da außer Frage.“ (Z. 340-341) Sie äußert den Wunsch nach mehr Stunden für den Fremdsprachenunterricht; dies scheitere aber am G8: „Also man müsste also vielleicht mehr Stunden in der Sprache unterrichten, aber das ist nicht machbar, weil die Schüler sowieso schon sehr belastet sind, also eigentlich zu viele Stunden haben. Also das liegt 226 6. Die Hauptstudie-- Einzelfalldarstellungen natürlich auch ein bisschen am System und an der G8, weil man sehr viel da rein stopft und dann die Kinder schlichtweg überfordert sind, ne, und dafür die Sprachen darunter leiden einfach.“ (Z. 345-350) Bei insgesamt schlechtem Niveau in der zweiten Fremdsprache fragt sich die Lehrerin nach der Möglichkeit der Umsetzung von Mehrsprachigkeit im schulischen Kontext: „[…] und ja, wie schafft man da noch Mehrsprachigkeit, ne? “ (Z. 370-371) Sie sehe auch Probleme darin, dass alle Schülerinnen und Schüler aufs Gymnasium wollten und dort blieben, obwohl sie die intellektuellen Voraussetzungen nicht erfüllen würden: „[…] Aber das ist ein bisschen insgesamt ja hier in Deutschland die Tendenz, alle wollen aufs Gymnasium und es kommen auch alle hierher und sie sollen auch alle bleiben. Aber das sind eben Schüler, die einfach den Anforderungen des gymnasialen Bildungsgangs, also sich da sehr schwer tun, sagen wir mal, ja, elegant formuliert. Und die haben natürlich auch dann in den Sprachen ganz enorme Schwierigkeiten.“ (Z. 371-375) Was die Lehrerausbildung angeht, vergleiche sie diese mit ihrer Studienzeit und stelle fest, dass die Studierenden heute eine bessere didaktische Ausbildung genießen würden als früher, und somit besser auf die Schule vorbereitet seien: „[…] was ich hier so sehe, ist natürlich schon diese didaktische Ausbildung ne ganz andere als bei uns damals, also die ist besser, die Leute werden schon besser auf die Schule wirklich vorbereitet.“ (Z. 386-388) Allerdings habe sie Bedenken, dass die Fachkompetenz zukünftig leiden könnte, weil der Fokus tendenziell zu sehr auf die Methodik und immer weniger auf die Inhalte gelegt würde: „Also die Entwicklung geht, soweit ich das so sehe, doch sehr stark in diese Didaktisierung und also "wie unterrichte ich? " ja und nicht mehr so "was unterrichte ich? ", also die fachliche Ausbildung, die ist, na ja also teilweise, lässt das ein bisschen nach, würd ich mal sagen.“ (Z. 395-398) Diese Verschiebung der Gewichtung bedauert sie: „[…] und das ist, also finde ich persönlich fürs Gymnasium, eigentlich nicht gut“ (Z. 398-399). Es müsse, ihrer Ansicht nach, eine Balance zwischen Methodik und kompetenter Beherrschung seines Faches geben: „[…] dass es angemessen gewichtet ist, dass schon auch doch die fachliche Ausbildung gut ist, ja, oder die Fachkompetenz, also dass ein Lehrer sein Fach beherrscht ganz einfach.“ (Z. 403-405) Sie stelle bei den jüngeren Kolleginnen und Kollegen in ihren Fächern fest, dass diese, sprachlich gesehen, nicht immer sehr gut seien: „Das ist nicht immer so, ja. Das sind doch ganz gewaltige Lücken“ (Z. 422), dass sie die Sprache nicht immer gut beherrschten (Z. 418): „[…] was mir so auffällt halt ist dann doch, dass diese jungen Kollegen oder besser gesagt in meinen Fächern dann Kolleginnen meistens kommen und doch diese sprachliche Fähigkeit na ja also nicht immer so gut sind.“ (Z. 411-413) 6.8 Grit Kaufmann 227 Dies habe womöglich zur Konsequenz, dass das Unterrichten der Zielsprache größere Anstrengung erfordert: „[…] ich denke, das ist auch dann, ist es etwas mühsamer oder schwieriger als Lehrer zu unterrichten, also wenn man also die Sprache nicht wirklich gut beherrscht (lacht). Denke ich mir schon also“ (Z. 423-425), zumal es das Ziel des Fremdsprachenunterrichts sei, „weitgehend einsprachig zu unterrichten“ (Z. 431), was leider nicht immer durchzuhalten sei (Z. 432). Nach über dreißig Jahren Lehrpraxis fällt ihr Urteil über die Situation des Gymnasiums negativ aus: „[…] was ich auch bedauere, ist, dass das Gymnasium als solches eben naja sich sehr stark verändert, im Grunde genommen zu einer Einheitsschule hin, was ich persönlich sehr bedaure“ (Z. 449-451). Das Gymnasium verliere an Niveau, damit verbunden sei ein gewisser Verlust an Ansprüchen, Leistung und exzellenter Ausbildung. Durch das G8 fehle ein ganzes Jahr Vertiefung des Unterrichtsstoffs für die Vorbereitung auf die Oberstufe: „In dem 10. Schuljahr fand so inhaltlich eigentlich gar nicht so viel Neues statt, also von Stoff her, es wurde gar nicht so viel neu gelernt. Es wurde vertieft, ja, man konnte gezielt auch noch mal auf die Oberstufe vorbereiten“ (Z. 467-470). Nach Frau Kaufmanns Ansicht sei es eine Illusion zu glauben, dass mit der Kürzung der gymnasialen Schulzeit ein Jahr gewonnen sei (vgl. Z. 479-480). 6.8.4 Zusammenfassung ihrer Einstellungen Die Lehrerin Frau Kaufmann assoziiert bei der möglichen Einbeziehung von Herkunftssprachen und -kulturen lediglich die Romania als Sprach- und Kulturraum. Mehrsprachigkeit bezieht sie ausschließlich auf die anderen Schulfremdsprachen über deren Einbeziehung sie aber erst auf Nachfrage berichtet. Über die anderen Herkunftssprachen kann sie nur zum Türkischen Stellung nehmen. Sie könne kein Türkisch und könne daher auch nicht überprüfen, ob Herleitungs- und Transferanstrengungen dieser Schülerinnen und Schüler angemessen seien. In ihrem Fremdsprachenunterricht vermittle sie die Zielsprache unter Verwendung des Deutschen. Ihre Praxis entspricht demgemäß dem Diktum von Ingrid Gogolin, wonach die längst multilinguale Schule immer noch einen monolingualen Habitus zeige (vgl. Kapitel 2.4.1). Sie beobachte, dass Leistungen in der zweiten Fremdsprache schlechter würden und führt diesen Niveauverlust einerseits auf das G8-Gymnasium zurück, gegen dessen Implementierung sie deutlich argumentiert. Dies sei ein pädagogischer Irrtum, die Zeit fehle für das korrekte Lernen einer Fremdsprache und um Mehrsprachigkeit zu realisieren. Andererseits gehe der Niveauverlust auch darauf zurück, dass zu viele Schülerinnen und Schüler aufs Gymnasium wollten 228 6. Die Hauptstudie-- Einzelfalldarstellungen beziehungsweise von ihren Eltern dorthin gezwungen würden, obgleich sie die schulischen Voraussetzungen und Leistungen nicht erbringen könnten. Was die Lehrerausbildung in Universitätsstudium angehe, so enthielte es zu viel Didaktik und zu wenig Inhalte. Im Grunde genommen äußert die Interviewpartnerin hier einen ähnlichen Aspekt der unter dem Begriff der „Entphilologisierung“ geführten Auseinandersetzung um die romanistische Landeswissenschaft (Höhne 2007: 1). In ihren Stellungnahmen zeigt sich eine gewisse Furcht vor dem zunehmenden Qualitätsverlust des Gymnasiums, den sie sowohl auf die veränderte Schülerschaft, als auch die neuen Studienbedingungen und -ziele zurückführt. Hier müsse Einhalt geboten werden. Insgesamt zeigt die Interviewpartnerin wenig Neigung zu fächerübergreifendem oder an den Zielen der Mehrsprachigkeit orientiertem Fremdsprachenunterricht und scheint einen kognitionsbetonten Unterrichtsstil zu praktizieren. 6.9 Adriana Pini „Ich will das nicht verallgemeinern, also die, die bilingual aufgewachsen sind auch schon so, ja eine andere Denkweise auch so im Kopf haben, was so das Sprachenlernen betrifft.“ (Z. 147-149) 6.9.1 Biografisches und berufliche Rahmenbedingungen Frau Pini ist zum Zeitpunkt des Interviews 35 Jahre alt und seit acht Jahren Gymnasiallehrerin in Gießen. Frau Pini ist in Deutschland geboren und zweisprachig Italienisch-Deutsch aufgewachsen; ihre beiden Eltern sind Italiener. Italienisch ist demzufolge ihre Erstsprache. Deutsch hat sie erst im Kindergarten gelernt: „Italienisch war die erste Sprache, die ich gelernt habe und dann im Kindergarten Deutsch. Zuhause wurde nur oder wird immer noch nur Italienisch gesprochen.“ (Z. 31-32) Während ihrer Schulzeit hat sie außerdem Englisch, Französisch, Latein und Spanisch gelernt. Diese mehrsprachige Biographie führt Frau Pini anschließend an die Schulzeit in ein Sprachstudium an die Universität Gießen, das sie allerdings zunächst mit dem Ziel Diplomsprachenlehrerin zu werden, beginnt. Sie sei gewissermaßen Lehrerin über Umwege geworden: „Also ich bin auf zweitem Wege sozusagen Lehrerin geworden, weil ich zunächst einmal in Gießen diesen Diplomstudiengang studiert habe mit Spanisch, Italienisch und Didaktik, habe den Abschluss als Diplomsprachenlehrerin, habe etliche Jahre für die Volkshochschule gearbeitet.“ (Z. 584-587) 6.9 Adriana Pini 229 Neben diesen ersten, langjährigen Lehrerfahrungen als Dozentin an der Volkshochschule habe sie auch auf der Frankfurter Messe (Z. 593) viel gedolmetscht und übersetzt. Im Anschluss daran sei sie ferner als Vertretungslehrerin an ein Gymnasium in Gießen gewechselt: „Und dann habe ich diese Vertretungsstelle in Gießen an der **-Schule bekommen, da, und da wurde ich so ins kalte Wasser geworfen und da habe ich halt mich dazu entschlossen, das ist doch mein Ding und dann habe ich noch mal das Lehramtsstudium [gemacht]“ (Z. 593-586). Dieser Entschluss, ein Lehramtsstudium in Angriff zu nehmen, gründete vor allem in der Tatsache, dass sie sich in ihren Aufgaben an der Schule wohl gefühlt habe. Unvorbereitet und zunächst ohne Erfahrungen als Lehrerin habe sie das Referendariat in Frankfurt am Main begonnen: „[…] an der **-Schule habe ich zwar unterrichtet, aber durch das Referendariat habe ich noch Details gelernt und wurde halt dementsprechend noch ausgebildet. Viele Dinge habe ich dann anders gelernt“ (Z. 604-606). In ihrem Studium habe sie sich an „tollen Dozenten“ orientiert und diese als Vorbild genommen. In dieser Passage des Interviews spürt man die Begeisterung der Studentin und Referendarin: „[…] muss ich gestehen, auch ganz tolle Dozenten, vor allem meine Italienischdozentin ist ja so die Größte, von der ich auch Vieles übernommen habe, so als Vorbild (lacht). Frau ** Genau. Und im Referendariat auch meine Ausbilderin, Frau **, die auch in Gießen studiert hat, in Frankfurt an der Schule selbst auch meine Portfolio-Beauftragte. Also es gibt dann so Sachen, die guckt man sich so ab“ (Z. 475-480). Auch als fertig ausgebildete Lehrerin sei sie von ihrem Beruf begeistert: „Also ich unterrichte meine Sprachen mit Begeisterung.“ (Z. 344) Über ihre beruflichen Rahmenbedingungen an der Schule berichtet sie, dass die Schule ein Sportprofil habe, allerdings sollen die Fremdsprachen mehr gefördert werden, was sie unterstütze. Bei Unzufriedenheit mit den Lehrwerken entwickele sie eigene Unterrichtsmaterialien. 6.9.2 Einstellungen zur schulischen und lebensweltlichen Mehrsprachigkeit ihrer Schüler / Unterrichtspraxis Die Lehrerin verweist nur ganz kurz auf die Fremdsprachen, die in der Schule gelernt werden: „Die Kinder lernen ja hier in der 5 Englisch, das sind so die vorhandenen. Erst mal die Erstsprache, sie wählen ja dann Spanisch in der 6. Klasse als zweite Fremdsprache […]“ (Z. 116-118). Diese Schüler, mit einer ersten romanischen Sprache stellten nach ihren Beobachtungen Verbindungen mit der nächsten romanischen Sprache her und sie machten spontan Vergleiche zwischen den romanischen Sprachen (vgl. Z. 127): „In meinem 9er Kurs Italienisch merke ich, das sind ja diese Lernenden, die bereits eine romanische Spra- 230 6. Die Hauptstudie-- Einzelfalldarstellungen che kennen, also entweder Französisch, Latein oder Spanisch und die greifen sehr, gerade so aufs Vokabular, grammatikalische Strukturen, sagen sie, „ach, das ist ja doch wie im Französischen oder wie im Spanischen! "“ (Z. 121-125) Die Narration schwenkt nach diesem kurzen Statement schnell zu den Herkunftssprachen über, bleibt aber insgesamt noch vage: „[…] und in einigen Lerngruppen habe ich manchmal auch native speaker(s) mit Spanisch dabei oder auch mit Italienisch, Mama italienisch oder Papa Italiener und mit Spanisch genauso und die greifen natürlich auf diese romanischen Sprachen dann zurück, wenn sie Spanisch oder dann später Italienisch lernen." (Z. 118-121) Bilinguale Schülerinnen und Schüler - so Pinis Wahrnehmung - dächten anders, was Sprachenlernen angeht: „ich will das nicht verallgemeinern, also die, die bilingual aufgewachsen sind auch schon so, ja eine andere Denkweise auch so im Kopf haben, was so das Sprachenlernen betrifft“ (Z. 147-149). Neben den Kindern mit romanischen Herkunftssprachen, zu denen sie eine positive Einstellung habe, befänden sich auch türkische Kinder in ihren Klassen. Diese würde sie - ihrer Wahrnehmung nach - prinzipiell in gleicher Art und Weise in ihren Fremdsprachenunterricht einbeziehen wie die anderen, mehrsprachigen Schüler. Allerdings bleibt sie auch hier vage, was die Frequenz angeht: „Viele habe ich natürlich türkischer Herkunft, ja. Gut, ich frage manchmal auch nach "Ja, wie ist es denn im Türkischen? ", um auch diese Sprachbiografien sozusagen mit einzubeziehen.“ (Z. 145-147) Sie beobachte eine gute Entwicklung der türkischsprachigen Kinder, aber es scheint, als würde sie sich wundern („ich muss gestehen“), dass diese gut im Spanischen seien: „Also, ich muss gestehen, bisher habe ich auch sehr viele Schüler türkischer Herstammung*, die in Spanisch gute Schüler sind. Und ich denke, das spielt auch eine Rolle. Nicht, klar, nicht bei allen, aber in der 6. Klasse sind zum Beispiel vier Schüler türkischer Herstammung* gute bis sehr gute Schüler.“ (Z. 154-157) Bei der Neueinführung von Lexik oder Grammatik brächten sich die Schülerinnen und Schüler mit nicht-deutscher Muttersprache gerne ein, und könnten ihr sprachliches Potenzial zeigen: „Ja, genau. Genau, das machen sie gerne, weil sie dann denken: "Ah aus diesen Sprachen kann ich ja profitieren oder aus der und der oder so kann ich mir auch eine Eselsbrücke bauen.“" (Z. 175-177) Dementsprechend nutze Frau Pini auch die Möglichkeiten, über Bewusstmachungsprozesse Vergleichsmöglichkeiten zu den Herkunftssprachen herzustellen. Dabei kämen die Schülerinnen und Schüler von sich aus tatsächlich auf derartige Verbindungen. Sie sehe hier keine Blockaden, sondern eher die eigenständige Konstruktion von Eselsbrücken durch die Schüler: „Von sich aus oder ich mache auch immer wieder darauf aufmerksam“ (Z. 129) und: „"Ah, stimmt, das ist ja wie da! " Also haben dann das Gefühl, "ah, also das ist ja gar nicht so 6.9 Adriana Pini 231 schwierig! ", das kann man sich, es bestehen doch Zusammenhänge zwischen den Sprachen“ (Z. 182-184). So frage sie direkt: „"Ja, wie ist es denn im Türkischen? "“ (Z. 146). Sie nutze die vorhandenen Sprachkenntnisse systematisch und aktiv: „Wenn ich einen Text einführe, erst mal Wortschatz entlaste, indem ich die unbekannten Wörter zum Beispiel in einer Tabelle oder als Tafelbild erst mal notiere und wir Wortfamilien suchen oder noch mal überlegen, wie ist es im Englischen, wie ist es im Deutschen, "Kennt ihr noch andere Sprachen? “" (Z. 168-171). Auch lege sie ein besonderes Augenmerk auf die falschen Freunde: „Ja, gut, falsche Freunde sind natürlich auch ein wichtiges Thema. Ja, durch Übungen.“ (Z. 266-267) Was die Sprachen Italienisch und Spanisch angehe, so betrachte sie im Sinne von Bewusstmachung die Endungen der Substantive: „bei Substantiven, die Endungen -ción en español, -zione italiano oder information (Englisch gesprochen), ja, das und das, anhand solcher Sachen.“ (Z. 273-264) Besondere Bedeutung komme in den Einstellungen von Frau Pini den kulturellen Erfahrungen der Schülerinnen und Schüler zu. Sie binde diese in ihren Unterricht ein und ziehe eine Parallele zu ihrer eigenen Geschichte. „Also, ich denke, dass es immer, ich kann davon nur profitieren. Beispielsweise hatten wir ne kleine Einheit zur spanischen Küche und dann haben die Kinder auch so ihre Kenntnisse oder zu dem einen Gericht meinten sie "Ja, in der Türkei machen wir das so ähnlich! " oder, also ich sehe das auch als Bereicherung und bin eher offen für so was. Aber vielleicht liegt das auch daran, dass ich auch ein, ja eigentlich, dass ich auch Migrationshintergrund habe“ (Z. 226-231). Das kontrastive Arbeiten mit mehreren Fremdsprachen sehe sie positiv, wie zum Beispiel die Kontrastierung zwischen Englisch und Spanisch: „[…] "ach, im Englischen ist das ja so! " ja, difficult-difícil oder satisfecho-satisfy und dann denken die "Ah! " Das macht immer so einen Aha-Effekt.“ (Z. 188-190) Manchmal übe sie das Einsetzen eines englischen Wortes in einen Spanischtext und auch umgekehrt. Dies führe nach ihren Beobachtungen allerdings nicht zur Verwirrung, sondern Frau Pini habe eher das Gefühl, dass es insgesamt für die Schülerinnen und Schüler hilfreich sei, dass sie früh mit zwei Fremdsprachen begännen: „Ich denke, das ist auch normal, wenn man so früh auch mit zwei Fremdsprachen beginnt. Aber zu Verwirrungen nicht. Also ich habe den Eindruck, dass es ein, ja eine Hilfe ist.“ (Z. 202-203) Sie knüpfe an die Lebenswelt der Lernenden an (Z. 240) - Themen wie: Urlaub, Traditionen (Z. 244-245) - die sie, auch für sich, als Bereicherung charakterisiert: „Es kann ja auch für mich nur eine Bereicherung sein, indem ich von dort auch was erfahre“ (Z. 259-260). Auch stelle sie Bezüge zu aktuellen Themen der jeweiligen Zielsprachenländer her, weil sie das für wichtig erachte, und es den Unterricht insgesamt bereichere: „Wenn ich sehe "Ach, das ist jetzt 232 6. Die Hauptstudie-- Einzelfalldarstellungen aktuell! ", dann nehme ich auch aktuelle Themen in der Politik oder in dem Land selbst.“ (Z. 339-340) „[…] und natürlich nenne ich auch Beispiele auch im Spanischunterricht aus Italien oder dem Italienischen“ (Z. 247-249). „Und interessanter auch natürlich für den Unterricht, als wenn man da nur so Themen abarbeitet“ (Z. 260-261). Gemeint sind hier offensichtlich die Lehrwerkbeziehungsweise Grammatikthemen. Bezogen auf ihre Unterrichtspraxis und die damit verbundenen Ziele, gehe sie über den reinen Kompetenzerwerb hinaus, denn sie wolle Begeisterung für Fremdsprachen erzeugen: „Ein Ziel natürlich, dass ich hoffentlich einen Großteil der Gruppe so diese Begeisterung für Fremdsprachen, ja, vermitteln kann“ (Z. 279-280). Von dieser Begeisterung erhoffe sie sich Offenheit und den Zugang zu anderen, verschiedenen Gesellschaften und Kulturen: „[…] dass sie auch durch den Fremdsprachenunterricht offener werden und auch durch diese, dieser Zugang zu diesen unterschiedlichen Gesellschaften, Kulturen“ (Z. 280-282). Schließlich versuche sie, interkulturelle Ziele im Bereich des Fremdverstehens zu realisieren, indem sie Empathie bei ihren Schülerinnen und Schülern für die Lebenssituation von Jugendlichen in anderen Ländern - hier zum Beispiel Straßenkinder in Lateinamerika - wecken möchte (unter anderem Drogenproblematik). Sie weise darüber hinaus auf die schwierige Lage lateinamerikanischer Kinder hin, die nicht alle das Glück hätten, wie deutsche Kinder, in die Schule gehen zu können: „Wenn wir das Spanische sehen, ist ja ganz Lateinamerika noch inbegriffen. Dass die Schüler auch ihre Lebenswelt anders sehen. So Problematiken wie ja Straßenkinder in Lateinamerika oder auch so diese Drogenproblematik in Lateinamerika, dieser ganze Schmuggel. Das ist ja auch Teil einer Einheit bei mir, dass sie auch anders sehen, dass, oder auch zur Schule gehen, dass sie sehen, in Lateinamerika ist das für viele Kinder, wäre das ja eine Bereicherung, ja. Das ist deren größter Traum, während hier, ich hoffe, dass das sie nicht nur die Sprache lernen und sozusagen kommunizieren können, sondern auch für solche Dinge sensibilisiert werden.“ (Z. 282-289) Sie benutze dazu authentische Dokumente in ihrem Unterricht wie Filme, Lieder, Zeitungstexte und das Internet: „Wir hatten jetzt in der Einführungsphase auch einen Film speziell zu dieser Drogenproblematik, "Maria voll der Gnade", das ist auch ein junges Mädchen, das halt Drogenpäckchen von Kokain schluckt, um sie in die USA zu schmuggeln. Und ja durch authentisches Material wie Filme natürlich an erster Stelle, Lieder, aber auch Lektüren und aktuelle Zeitungstexte“ (Z. 294-298) und „Über Internet oder dadurch, dass ich auch sehr viel Musik höre, auch in meinen Fremdsprachen, dadurch auch.“ (Z. 303-304) 6.9 Adriana Pini 233 6.9.3 Anregungen und Änderungsvorschläge Bezogen auf diese dritte Hauptkategorie nimmt Frau Pini zunächst Stellung zur universitären Ausbildung; sie diagnostiziere, dass die Studierenden sachlich und fachlich gut vorbereitet seien, aber „[…] so Alltagssachen eher weniger“ (Z. 430-431). Auch würden beispielsweise Disziplinstörungen an der Universität nicht behandelt (Z. 431). Bezogen auf die Mehrsprachigkeit sagt sie, dass man nicht in allen Universitäten gleich gut vorbereitet werde (Z. 432-434 und 447-448). Sie fühlte sich dagegen an der Universität Gießen gut aufgehoben und für Fragen der Mehrsprachigkeit (Z. 432-434) sehr gut ausgebildet: „Fachdidaktik auch, fand ich ja durch unterschiedliche Seminare und der dortige Professor für Didaktik hat ja immer so auf diese Mehrsprachigkeit beharrt und hat mit uns auch so kleine Versuche unternommen, wie, wir mussten mal einen portugiesischen Text lesen und daraus einiges erschließen und da hab ich auch gemerkt "oh, ich kann doch auf unterschiedliche Sprachen zurückgreifen.“" (Z. 458-462) Bereits im Studium habe sie interkomprehensive Übungen am Beispiel des Portugiesischen erprobt. Abschließend regt sie an, Studierende mögen so viele Praktika wie möglich ableisten (vgl. Z. 578-579). 6.9.4 Zusammenfassung ihrer Einstellungen Die Interviewpartnerin Frau Pini macht sehr knappe Äußerungen zu den schulischen Fremdsprachen. Es scheint, als ob sie mit dem Begriff der Mehrsprachigkeit nur die herkunftssprachliche Mehrsprachigkeit ihrer Schülerschaft verbinde. Die Schulfremdsprachen werden unterschiedslos als selbstverständlicher Teil des Bildungskanons gleichwertig zu anderen Schulfächern gesehen, aber anders als in den meisten Fächern gebe es hier einen notwendigen, lebensweltlichen Bezug, der nicht verloren gehen dürfe. In diesem Sinne sind ihre Äußerungen als Kritik an einer oft alltagsfernen schulischen Realität zu lesen, indem sie ein Gegensatzpaar konstruiert wie, Alltagswelt versus Schulrealität oder auch: Schulenglisch versus Muttersprachenenglisch (oder -spanisch etc.). Während Frau Pini die romanischen Muttersprachler als Vorteil für ihren Unterricht sieht, hatten die Lehrpersonen P3 Frau Gütig und P13 Frau Backfisch aus der Voruntersuchung (vgl. Kapitel 5) diese Schüler sehr negativ gesehen und ihnen unterstellt, lediglich den Weg des geringeren Widerstands gewählt zu haben, und auch nicht von dem Unterricht in der eigenen Herkunftssprache zu profitieren. Eine derartige Einstellung ist bei Frau Pini nicht festzustellen; im Gegensatz dazu habe sie den Wert dieser Mehrsprachigkeit für diese Schülerinnen und 234 6. Die Hauptstudie-- Einzelfalldarstellungen Schüler erkannt. Sie baue Sprachvergleiche in ihren Unterricht ein und nutze die Interferenzen aktiv, um „falsche Freunde“ zu thematisieren und zu problematisieren. Die hohe Wertschätzung mehrsprachiger Schülerinnen und Schüler hängt möglicherweise auch mit ihrer eigenen, binationalen Identität zusammen. Sie verbalisiert im Interview selbst den Zusammenhang zwischen ihrem eigenen Migrationshintergrund und ihrer Praxis im Fremdsprachenunterricht. Eine Trennung von Spracherwerb und kulturellem Hintergrund käme für sie nicht in Betracht. Frau Pini spricht explizit von einer „anderen Denkweise“ (Z. 148-149) in Bezug auf diese mehrsprachigen Lernenden. Als selbst mehrsprachige Angehörige der romanischen Sprachfamilie präsentiere sie die vielfältigen Realitäten der Romania grundsätzlich und aus innerer Überzeugung in ihrem Fremdsprachenunterricht. Sie realisiere damit das Postulat von der Untrennbarkeit von Sprache und Kultur 31 . Besonders auffällig sei die Einbindung von Zielen des Fremdverstehens, interkultureller Wahrnehmung und Empathie in ihren Unterricht. Sie scheue auch nicht vor gesellschaftspolitischen Themen zurück, die in ihrer Einstellung zur Persönlichkeitsbildung der Schülerinnen und Schüler beitragen würden. Sie greife auch aktuelle Probleme auf, die in den Ländern der Zielsprache existierten, wie zum Beispiel die Drogenproblematik in Lateinamerika. Das Interview mit Frau Pini zeigt eine direkte Verbindung zwischen ihrer offenen Einstellung zu der schulischen oder lebensweltlichen Mehrsprachigkeit ihrer Schülerschaft und einer - im Sinne des Fremdverstehens - veränderten, angepassten Unterrichtspraxis. Das insgesamt schlüssige Bild aus Einstellungen, Reflexion und Praxisbeispielen lässt die Äußerungen der Probandin als äußerst verlässlich erscheinen und zeigt die Existenz einer homogenen subjektiven Theorie ihres beruflichen Handelns. Durch ihre Verweise auf das Fachdidaktik-Studium wird auch deutlich, dass sich ihre Lehrerpersönlichkeit auf der Universität durch eine fragend-forschende Haltung entwickelt hat, bei der auch Mehrsprachigkeit und speziell Interkomprehension thematisiert wurden. Ein weiterer wichtiger Faktor zum Verständnis ihrer Einstellungen ist die hohe Wertigkeit, die sie der praktischen Ausbildung und den eigenen Erfahrungen zubilligt. Als zentrales Element ihrer Lehrerpersönlichkeit als Fremdsprachenlehrerin kann hervorgehoben werden, dass ihr wichtigstes Anliegen sei, „Begeisterung für die Fremdsprachen“ zu vermitteln. 31 Minuth (1996) spricht von LC fremd Kompetenz und meint damit: das gesamte Sprach- und Kultursystem als potentielles "In-der-Welt-so-sein". Aus der Sicht des jeweiligen Sprechers: LC 1, 2, 3, … = Muttersprachen; LC fremd =Fremdsprache (Minuth 1996: 201). 6.10 Noemie Hartmann 235 6.10 Noemie Hartmann „Oder in meiner 5. Klasse, da ist ein Weißrusse und das sind alles so Sachen, die erzählen das recht schnell und die sind auch stolz drauf und das ist auch richtig so. Weil sie können Sprachen mehr, sie haben den anderen in diesem Punkt was voraus und man kann das wirklich immer schön benutzen.“ (Z. 164-167) 6.10.1 Biografisches und berufliche Rahmenbedingungen Frau Hartmann, 30 Jahre alt, erzählt, sie habe zunächst ein Studium in Frankfurt am Main mit der Fächerkombination Französisch und Geschichte begonnen. Sie sei zu einem späteren Zeitpunkt nach München gewechselt, wo sie feststellen musste, dass diese Fächerkombination in Bayern nicht zugelassen war. Da sie Französisch als Fach beibehalten wollte, habe sie einen Anfängerkurs Spanisch an der Universität angefangen, um es als zweites Fach studieren zu können (Z. 20-23). Weitere mögliche Fächerkombinationen in München wären Französisch mit Sport, Deutsch, Latein und Englisch gewesen, allerdings habe sie sich aufgrund ihrer Vorliebe für Sprachen dann für Spanisch entschieden: „Ich liebe Sprachen, ich war in der Schule immer sehr gut in Sprachen“ (Z. 7); „[…] die anderen Fächer, die ich hätte kombinieren können, hätten mir, glaube ich, keine Freude bereitet. Also Sport, Deutsch, Latein. Englisch mag ich persönlich nicht, weiß nicht warum. Das ist eher so, wahrscheinlich was Persönliches und deswegen habe ich dann Spanisch dazu gewählt.“ (Z. 24-27) Frau Hartmann erklärt, dass ein Bürojob für sie unvorstellbar gewesen sei, und dass sie stattdessen „was Kommunikatives“ (Z. 11) mit anderen Personen benötigte und der Lehrerberuf mit Fremdsprachen zu tun haben sollte. Deshalb stellte sich die Frage der Berufswahl zwischen Übersetzer-Dolmetscher oder Fremdsprachenlehrer (vgl. Z. 13-14) und für Letzteres habe sie dann optiert (Z. 14): „Also es war im Prinzip der einzige Weg für mich, die Fremdsprachen zu wählen.“ (Z. 14-15) Seit 2009 - das heißt seit insgesamt drei Jahren zum Befragungszeitraum - ist sie Lehrerin inklusive Referendariat (Z. 39-40). Seit diesem Schuljahr ist sie an einem Gymnasium in Hanau tätig: „Das ist ne feste Planstelle jetzt“ (Z. 44); die Verbeamtung erfolge in zweieinhalb Jahren (Z. 46), zwischendurch habe sie einen Aushilfsvertrag für Französisch in einer Münchner Realschule (Z. 40-41) gehabt. Aufgrund des stark Sport orientierten Schulprofils, hätten es Fächer wie Sprachen an ihrer Schule recht schwer; überhaupt sei das Schulprofil eher unklar: „unser Schulprofil hat so viele Profile, dass wir nicht mehr wissen, was unser Schulprofil ist.“ (Z. 49-50) 236 6. Die Hauptstudie-- Einzelfalldarstellungen Die Lehrerin empfindet ihre Schule folgendermaßen: „ich erlebe uns als eine Sportschule, mit starkem männlichen Überhang“ (Z. 51); „sehr männerlastig“ (Z. 61). Die Schule habe ein sehr umfangreiches Sportangebot und gleichzeitig hohe Ansprüche (Z. 57) wie beispielsweise: Ruderklassen (5. und 6. Klassen), Basketball, Fußball, Turnangebote, Inline-Kurs mit Schlittschuhlaufen verbunden (Z. 55-57), die zur Folge hat: „eine intensive Zusammenarbeit mit den ortsansässigen Vereinen stattfindet […]“ (Z. 58-59). Aufgrund dieser Angebote rückten ihrer Meinung nach die Sprachen sowie auch Kunst etwas in den Hintergrund (Z. 59-60): „Also Sprachen und Künste haben es ziemlich schwer hier an der Schule“ (Z. 60-61). Hinzu käme noch, dass durch die hohe Anzahl an Jungen der Sprachunterricht „natürlich nicht allzu große Begeisterung“ (Z. 62) fände. Dies habe als Konsequenz, dass Spanisch in der sechsten Klasse eher gewählt würde als Französisch oder Latein, auch mit dem Gedanken verbunden, „dass Spanisch die leichtere Variante der drei angebotenen Sprachen Latein, Französisch und Spanisch ist“ (Z. 63-64), und dass die Schüler die Meinung vertreten, „man müsste dafür auch nichts lernen.“ (Z. 65) Insgesamt sei dies für die Fremdsprachenlehrkräfte keine besonders günstige Situation: „Und wir Lehrer stehen da so ein bisschen vor so einem inhaltlichen Aus eher“ (Z. 66). Über die Schule berichtet die Lehrerin weiterhin, dass es ein großstädtisches Einzugsgebiet sei: „Großstadt, Großstadt-Genre möchte ich sagen, plus einige umliegende Dörfer“ (Z. 68-69) mit einem - für die Lehrerin - sehr angenehmen, gut-bürgerlichen Klientel (vgl. Z. 69-70). In den Klassen befänden sich Schülerinnen und Schüler mit Migrationshintergrund „aus sehr vielen verschiedenen Ländern. Es ist sehr gemischt.“ (Z. 70-72) Insgesamt handele es sich bei den Eltern der Schülerschaft eher um Bildungshaushalte (Z. 85) und es gäbe eine gute Zusammenarbeit zwischen Eltern und Lehrkräften: „Also der Umgang, den die Eltern mit der Schule pflegen, ist ein sehr guter.“ (Z. 86-87) Und: „Die Eltern unterstützen uns Lehrer, soweit ich das bis jetzt erlebt habe, darin, dass die Schüler sich verbessern. Wir arbeiten zusammen an der Leistung der Schüler und das finde ich eigentlich gerade in einer Großstadtschule ein sehr positives Zeichen.“ (Z. 87-90) Sie unterrichte an einer großen Schule mit etwa 1500 Schülerinnen und Schülern (Z. 386) und circa 120 Kolleginnen und Kollegen (Z. 396), darunter Halbzeitkräften, mit einem jungen Lehrerkollegium, in jedem Fachbereich (Z. 401): „Wir sind eigentlich mit ganz vielen Leuten so um die 30, 30 bis 35, und aber man denkt doch, es gibt dadurch, finde ich auch so ein bisschen frischen Wind“ (Z. 403-405). Am Anfang sei die Situation mit den jungen Kollegen deshalb etwas schwierig für die älteren Kollegen gewesen. Dies habe sich aber gebessert und 6.10 Noemie Hartmann 237 jetzt liefe die Zusammenarbeit sehr gut: „Die Älteren lästern jetzt, glaub ich, auch nicht mehr so viel. Am Anfang war‘s nicht so ganz einfach.“ (Z. 405-406) Sie habe sehr viele Spanischklassen (Z. 52) mit nur zwei Mädchen - der Rest der Klasse bestehe aus Jungs - in der 8. und 9. Klasse (Z. 52-53). Das charakterisiert sie als „sehr anstrengend“ (Z. 53). Von 25 Unterrichtsstunden unterrichte sie 22 Stunden in Spanisch (Z. 104-105) und beschreibt eine sehr gute Zusammenarbeit mit den Kollegen: „ob das den Schüler angeht, ob das seine Leistungen angeht oder die Arbeit mit den Eltern, das funktioniert fächerübergreifend, ist sehr, sehr gut.“ (Z. 417-419) Ihre Einstellungen zum Lehrerberuf seien geprägt durch große Freude am Unterrichten, allerdings belaste das viele Korrigieren ihre Motivation: „Vormittags ja, Nachmittags nein“ (Z. 328). Das Unterrichten bei den Schülern am Vormittag bereite ihr enorm viel Spaß (Z. 330-333): „Ich unterrichte wahnsinnig gerne, es macht mir richtig viel Spaß, ich, ich bin auch so ein kleiner Entertainer. Ich steh da vorne, ich mach da meinen Quatsch, ich fordere die Schüler auf und den Schülern macht es auch oftmals Spaß […]“ (Z. 330-332). Nachmittags, zumindest momentan, arbeite sie an der Korrektur von 150 Klausuren quer über die Klassen verteilt (Z. 348-349) mit einer Korrekturfrist von drei Wochen (Z. 352), was für sie eine Mehrarbeit von acht Stunden zusätzlicher Arbeit neben dem Unterrichten bedeute (Z. 334-336). Ihre relative Unzufriedenheit am Arbeitsplatz sei durch mehrere, eher technische, Faktoren geprägt, von denen sie nennt: es gebe keine zufriedenstellende Medienausstattung für die permanente Arbeit mit Hörtexten (Z. 371-372); Powerpoint-Präsentationen seien nicht möglich, weil Windows 2007 nicht vorhanden sei (Z. 375-376). Daraus folge, dass Referate nicht möglich seien (Z. 377); es gäbe keine Internetverbindung und nur ein stark eingeschränktes Kopierkontingent würde jedem Lehrer zur Verfügung stehen (Z. 381-382): „also die technischen Voraussetzungen, um guten, neuen didaktischen Unterricht zu gestalten, gibt es nicht. Wir haben eine Tafel, wir haben Kreide und wir haben einen Overhead, der ab und zu funktioniert“ (Z. 378-380). Außerdem erklärt sie, dass sie keine Befürworterin des G8 sei, denn der Beginn der zweiten Fremdsprache erfolge gerade nach erst einem Jahr Englischunterricht, was ihr als zu früh erscheint: „das ist so mein G8 größtes Problem, kein Fan davon, dass sie nach einem Jahr schon in die nächste Fremdsprache gehen.“ (Z. 302-304) In der Schule herrsche eine gut funktionierende menschliche Unterstützung „Also, was ich technisch hier nicht hab, habe ich einfach an Menschen gewonnen. Und das ist mir mehr wert als ein Kassettenrekorder. Also den kann ich mir auch selber kaufen.“ (Z. 421-423) 238 6. Die Hauptstudie-- Einzelfalldarstellungen 6.10.2 Einstellungen zur schulischen und lebensweltlichen Mehrsprachigkeit ihrer Schüler / Unterrichtspraxis In Bezug auf bereits vorhandene Sprachen der Schülerinnen und Schüler bezeichnet Frau Hartmann die Situation als: „Im Prinzip optimal“ (Z. 108) und die bunten Klassen sind für sie erfreulich. Sie schätzt, dass pro Klasse von etwa 30 Lernenden drei bis vier Schülerinnen und Schüler einen Migrationshintergrund haben (Z. 82-83). Im Interview sagt sie, dass sie umfangreiche Kenntnisse über die Herkunftsländer (Herkunftssprachen) ihrer Schülerschaft habe und beschreibt diese im Zusammenhang mit dem Einzugsgebiet (vgl. Z. 70-76) der Schule: „Ich unterrichte sehr viele Spanier, Franzosen, sehr viele Amerikaner, ähm sind noch hier, auch durch die Zeit, damals, als die Armee noch hier stationiert war, die amerikanische. Und ähm, ich habe auch viele Türken dabei, ähm, aber es ist alles eine sehr, sehr angenehme und eigentlich eine, ja eine angenehme Mischung.“ (Z. 72-75) Für sie als Spanischlehrerin „optimal“ (vgl. supra), „weil wir uns auch die anderen Sprachen anhören können und da gucken können, "ah, was ist da ähnlich? "“ (Z. 110-112). Die bilingualen Schülerinnen und Schüler (französische, amerikanische, portugiesische, türkische) seien in Deutschland geboren und mit zwei Sprachen aufgewachsen: „quasi bilingual mit erzogen und das ist bei allen meinen Schülern so“ (Z. 128-129). Das treffe auch für den französischdeutschen Schüler zu (Z. 132) als auch: „die Amerikanerin auch, die ist auch in Deutschland aufgewachsen mit einem amerikanischen Vater. Die Portugiesin ebenfalls, und bei den Türken ist das ja ähnlich. Also die haben ja auch quasi ihr türkischsprachiges Umfeld zu Hause und in der Schule sprechen sie dann Deutsch.“ (Z. 132-135) Sie wird aufmerksam über den ausländischen Nachnamen und fragt dann die Schülerin oder den Schüler nach ihrer / seiner Herkunftssprache bzw. den anderen von ihr / ihm beherrschten Sprachen: „Oft frage ich natürlich wegen der, wegen der Namen. Also ich habe eine Gómez da Silva. Ja. Dann ist dann so "Na, sprichst du Spanisch? Bist du Spanierin? ", "Nein, Portugiesin", und dann kommt man so ein bisschen ins Gespräch“ (Z. 140-142). Darüber hinaus erhält sie diesbezügliche Informationen auch über Elterngespräche. Wie am Beispiel des französischen Schülers, dessen Mutter Französin ist und Frau Hartmann bei einem Spielnachmittag kennengelernt hatte (Z. 143-144). Nach dem Gespräch habe dieser Spanisch als zweite Fremdsprache statt Französisch gewählt, um sich im Unterricht nicht zu langweilen (Z. 146-148). Oft erfährt sie es auch direkt über Erzählungen der Schülerinnen und Schüler selbst: „Und bei den anderen Schülern, oft kriegt man’s auch erzählt.“ (Z. 150) 6.10 Noemie Hartmann 239 Die sprachlichen Vorerfahrungen und das Sprachregister würden von ihr durchaus berücksichtigt, ohne dass sie explizit von der Lehrerin benannt würden; oft kommen Meldungen von den Schülern selbst (Z. 158) oder Verweise auf andere Sprachen ergeben sich durch das Unterrichtsgeschehen (Z. 159-160): „[…] die erzählen das recht schnell und die sind auch stolz drauf und das ist auch richtig so. Weil sie können Sprachen mehr, sie haben den anderen in diesem Punkt was voraus und man kann das wirklich immer schön benutzen“ (Z. 165-167). Schüler erzählten gerne spontan und von Stolz erfüllt bestimmte Sprachphänomene aus ihrer anderen Sprache, weil sie etwas beherrschten, was die anderen Schülerinnen und Schüler nicht könnten. Die Lehrerin wertet somit die Besonderheit des Einzelnen mit seinen Spracherfahrungen auf. Sie mache bewusst Sprachvergleiche mit Hilfe der romanischen Sprachen, setze auch „immer gerne“ das Englische für explizite Wörter und Vokabeln (Z. 115) ein. Damit wolle sie, nach ihren Angaben, den Schülerinnen und Schülern zeigen, „dass sie ein bisschen über diesen Horizont gucken müssen“ (Z. 116). In ihrer Praxis erfolge das durch Bewusstmachung von Ähnlichkeiten bzw. Differenzen zwischen den Sprachen „und wenn man das jetzt noch mal mit ’nem katalanischen Satz vergleicht und eben dieses Prinzip der romanischen Sprachen kann man prima erläutern, indem man auch die anderen Sprachen mal dazu nimmt und ’nen Sprachenvergleich durchführt“ (Z. 112-114). Sie bringe die Schülerinnen und Schüler dazu, zu überlegen, dass sie sich Unterstützung aus den ihnen bereits bekannten Sprachen holen könnten: „überlegen "was kann ich aus welcher Sprache, was hilft mir? ", und da kann ich sie gut gebrauchen, "was würdest du jetzt auf Englisch sagen in dem Moment? " und da kann sie auch den Unterricht mit unterstützen.“ (Z. 117-119) Die anderen Sprachkenntnisse könnten hierbei eine unterstützende Funktion einnehmen, was sie am Beispiel eines Erlebnisses mit der tschechischen Sprache anhand dreier tschechischer Wörter illustriert. Nach einem kurzen Aufenthalt in Prag, habe sie die Wörter an die Tafel geschrieben, um der Klasse die Unterschiede zu den erlernten Schulsprachen zu zeigen (Z. 160-161). Ein anwesender tschechischer Schüler, dessen Herkunft der Lehrerin noch nicht aufgefallen war, meldete sich, um ihre Aussprache zu korrigieren: „ich bin Tscheche und das haben Sie nicht richtig ausgesprochen", also Sie müssen, also das fand ich dann schon stark, dann wieder zu sehen, ah, da ist noch jemand.“ (Z. 162-164) Bei der Vokabelarbeit (Z. 239-240) führt sie ein Beispiel aus dem Anfangsunterricht Spanisch in der sechsten Klasse aus: „[…] dass ich ähm, ganz typische Anfangswörter an die Tafel geschrieben habe auf Spanisch, Französisch und Italienisch und wenn‘s gepasst hat noch das Portugiesische […]“ (Z. 240-241). Sie wolle die Schülerinnen und Schüler auch auf verschiedene Wortendungen in den verschiedenen Sprachen aufmerksam machen: „Dass das Französische 240 6. Die Hauptstudie-- Einzelfalldarstellungen eben dieses -e accent aigu hat und dass das Spanische eben ein -a stattdessen hinten hat, was weiblich ist, was männlich ist, wie ist das in anderen Sprachen.“ (Z. 243-245) Die Lehrerin arbeitet nach eigenen Aussagen bewusst mit den Herkunfts- und Schulsprachen: „ich mache sie bewusst „bewusst“, also ich nehme es wirklich ganz bewusst her, nicht zufällig her“ (Z. 171-172); zum Beispiel bewusster Umgang mit den vorhandenen Sprachen, um „grammatische Strukturen zu erläutern“ (Z. 172-173), wie beim Vergleich der Zeitformen Spanisch-Englisch: „Gerade das Englische present perfect und das pretérito perfecto, das vergleiche ich immer sehr gerne, weil dieses Signalwortschema bei den Englisch, aus dem Englischunterricht, so stark sitzt eigentlich, dass ich‘s nur noch mit dem Spanischen vergleichen muss.“ (Z. 172-176) Aus der Kenntnis heraus, dass dieser Englisch-Grammatikteil von den Schülern beherrscht werde, sagt sie: „Da kann ich also bewusst mit verschiedenen Sprachen arbeiten“(Z. 176). Gleiches gelte für sie bei der Vokabelarbeit mit dem Fokus auf der Aussprache (Z. 177): „Wenn ich ein portugiesisches Wort nehme oder ein ähm, italienisches Wort nehme und das mit der spanischen oder der französischen Aussprache vergleiche. Weil oft Sachen passieren, dass statt baloncesto - balonchesto und [ʃ] ist ja ganz normaler Laut eigentlich aus dem Italienischen, warum ist das vielleicht auch anders und dann müssen wir uns das merken.“ (Z. 177-182) Im Zusammenhang mit den verschiedenen Herkunftssprachen habe sich ihr Unterrichtsstil nicht geändert; sie mache Erfahrungen mit den vorhandenen Sprachen der Schülerinnen und Schüler und beziehe sie ein, sowie auch deren Reiseerfahrungen: „Diese Schüler reisen ja auch sehr oft in ihre Herkunftsländer und sehen dort vielleicht deutsche Touristen, die nicht wissen, wie sie sich verständigen sollen und dann reden wir über solche Strategien.“ (Z. 194-196) Mit Hinblick auf die Thematisierung des Strategierepertoires frage sie ihre Schülerschaft: "Was habt ihr denn da mal beobachtet? " (Z. 196). Diese Reiseerfahrungen halte sie für besonders wichtig: „[…] grade dadurch, dass die Schüler sehr viel reisen heute, kann man da auch viel draus ziehen“ (Z. 196-197). Das Gleiche gelte auch für den Einbezug der kulturellen Erfahrungen der mehrsprachigen Lernenden, zum Beispiel durch Vergleiche der religiösen Feste (Z. 202). Sie nennt zwei Beispiele, wobei die Erklärungen über die Herkunft der Tradition des „día de los muertos” (Z. 204), durch die jeweiligen Schüler - ein katholischer Spanier, ein katholischer Mexikaner - gegeben wurden. Frau Hartmann gehe dabei von dem im Lehrbuch (Z. 222) angebotenen Thema „Totensonntag“ aus: „dann frage ich eben auch, ob die Muslime auch ihrer, ihrer Toten gedenken oder wie sie das tun. Und dadurch entwickeln sich, das natürlich leider oft Gespräche auf Deutsch, aber ich denke gerade für die kulturelle Verständigung 6.10 Noemie Hartmann 241 für diese, für den, ja für das interkulturelle Lernen ist gerade das wichtig.“ (Z. 223-226) Sie sagt, es sei ihr wichtig, über ihre Fächer beziehungsweise ihre Muttersprache hinaus zu unterrichten, denn dies habe eine erzieherische Funktion: „Und ich finde, ich soll mich da nicht, ich darf mich da nicht auf meine Fächer beschränken“ (Z. 226-227). „Ich kann nicht nur Spanisch und Deutsch vergleichen, sondern es ist auch wichtig, dass meine deutschen Schüler auch wissen, wie sieht‘s denn aus im Islam, was machen die, wie funktioniert das? “ (Z. 227-229) Ihr zweites Beispiel betrifft das „Bayram-Fest“ (Z. 207): „[…] habe ich mir jetzt auch mal komplett erklären lassen, von ’nem Schüler aus meinem eigenen Interesse […]“ (Z. 207-208). Selbst wenn es den Rahmen des tatsächlichen Unterrichtsstoffs überschritten habe, hätten die Schülerinnen und Schüler von diesen Erklärungen profitiert: „[…] die anderen Schüler fanden das tatsächlich dann so interessant, dass wir dann alles so nachgefragt haben […]“ (Z. 209-210). Dabei stellte sich dann ebenfalls das Thema erlaubter versus nicht erlaubter Nahrungsmittel: „wenn‘s bei mir mal Gummibärchen gibt und "ich darf nicht".“ (Z. 212-213). Dabei gibt die Lehrerin an, sie fühle sich inzwischen auf die unterschiedlichen Situationen vorbereitet, und diese seien ihr bewusst geworden: „Das natürlich die kleinen Fallen und Etappen […]. Daran habe ich mich jetzt aber schon gewöhnt, ich bin quasi drauf vorbereitet, jetzt also. Gibt nicht nur Gummibärchen, sondern gibt auch Kekse oder Schokolade oder so (lacht)“ (Z. 213-215). Bezüglich ihrer Unterrichtsziele gibt sie als wichtigstes Ziel mündliche Kommunikation an: „Mir ist es am wichtigsten, dass sie sprechen können“ (Z. 265) und sie erläutert es an folgendem Beispiel: „Ich möchte euch in einen Bus packen mitten in Spanien, Extremadura rauslassen und euch im Stich lassen. Und ich möchte, dass ihr alle spätestens eine Woche später wieder in Deutschland seid. Ohne Geld, ohne alles.“ (Z. 250-252) Sie lege großen Wert darauf, dass ihre Schülerinnen und Schüler bereits im Unterricht in der Zielsprache reden (Z. 255-256), und den Sinn eines Textes erfassen könnten, ohne jedes einzelne Wort wissen zu müssen: „Ich möchte, dass sie jetzt reden können, dass ich im Unterricht reden kann. Ich möchte, dass sie Texte verstehen, ohne genau zu wissen, was bedeutet dieses Wort jetzt ganz genau“ (Z. 255-257). Was ihr Verständnis des Fremdsprachenlernens im Kontext Schule angehe: „Diese grammatische Perfektion, diese komplette Perfektion sollen sie an der Uni erreichen, wenn sie’s bewusst wählen, wenn sie‘s wirklich, wirklich wollen, ja.“ (Z. 253-255) Aber sie setze das Ziel: „Sie müssen ne Idee haben, was könnte das denn jetzt bedeuten? “ (Z. 259). Außerdem sei ihr die eigenständige Anwendung eines 242 6. Die Hauptstudie-- Einzelfalldarstellungen Strategierepertoires wichtig (Z. 261) und dabei könnten den Schülerinnen und Schülern die Kenntnisse aus anderen Sprachen helfen (Z. 261-262). Weiterhin strebe sie an, ihnen ebenfalls zu vermitteln, dass sie unbekannte Wörter im Wörterbuch nachschauen oder auch die Lehrerin fragen könnten: „wenn du‘s nicht weißt, ist es nicht schlimm. Melde dich und sag was.“ (Z. 264-265) Damit ihre Schülerinnen und Schüler die von ihr genannten kommunikativen Ziele erreichen könnten, sei ihre bevorzugte Methode Verben konjugieren zu lassen. Das bedeute, Verben von Grund auf lernen zu müssen, der Rest sei für sie nicht so wichtig (Z. 274): „Sie müssen Verben lernen. Leider von der Pike auf.“ (Z. 268) Sie lege dabei den Fokus auf konjugierte Verben im Präsenz, damit diese frei sprechen könnten, anstatt nur Infinitive zu verwenden: „Also, das ist, um das Ziel zu erreichen, sehe ich das Problem, dass sie, äh, komplett nur Infinitive benutzen, wenn sie dann mal frei sprechen müssen. Und das möchte ich eigentlich von Vornherein vermeiden. Deswegen ist bei mir eigentlich, liegt der nicht, ähm, das Hauptaugenmerk auf der Verbkonjugation, hauptsächlich Präsens“ (Z. 268-272). Wenn beim Verben lernen Defizite entstünden, könne sie auch Unmut zeigen: „Also wenn dann in der 8. Klasse immer noch kein Diphthong-Verb oder sonst irgendwas funktioniert, dann werde ich glaub grantig“ (Z. 272-273), denn „weil ohne Verb können Sie keinen Satz bilden, können Sie keinen Satz bilden, können Sie nicht sprechen“ (Z. 275-276). Das Problem, dass die Schülerinnen und Schüler die Verben nicht konjugieren könnten, ließe sich spätestens in der neunten Klasse feststellen, denn da trauten sie sich nicht mehr, einen Satz zu bilden: „in der 8. Klasse, in der 9. Klasse, weil sie das Verb nicht bilden können. Und da sehe ich die, da sehe ich das eigentlich das große Problem. Deswegen fange ich, dadurch, dass ich alle Klassenstufen unterrichte, sehe ich auch ganz genau, wo die Probleme anfangen. Meine 7. Klasse ist noch gut. Die 8. Klasse kann nichts mehr. Die E kann noch nicht mal mehr ein Präsens konjugieren.“ (Z. 276-280) Dieser Leistungsabfall - so konstatiert sie - liege an der Stundenreduzierung ab der achten Klasse, wo nur noch drei Stunden Spanisch gegenüber fünf Stunden in der sechsten und siebten Klasse (Z. 283-284) im Stundenplan angesetzt seien. Als Konsequenz bei den Schülerinnen und Schülern bemerke sie, dass Spanisch als zweite Fremdsprache auf einmal nicht mehr wichtig sei (Z. 283-284). Dieselbe Feststellung mache sie bei den Schülern, die Französisch als zweite Fremdsprache lernen (Z. 286). Während sie in der sechsten und siebten Klasse Interesse an der Sprache haben und motiviert sind, ende das spätestens in der neunten Klasse (Z. 293-294). Auch würden durch die Pubertätsphase Aufgaben nicht mehr durchgeführt, weil andere Aspekte im Vordergrund stünden (Z. 6.10 Noemie Hartmann 243 285-289). Die große Stofffülle führe außerdem dazu, dass in der achten Klasse aufgehört werde, zu lernen (Z. 294). Als Ergebnis müsse sie konstatieren, dass in der zehnten Klasse der Stoff vergessen sei: „und dann spätestens in der 10 haben sie alles vergessen. Also da haben sie sogar das Wort "la fiesta" vergessen. Habe ich jetzt in einer Arbeit wieder gesucht. Stand auf Deutsch "Fest" in Klammern.“ (Z. 289-292) 6.10.3 Anregungen und Änderungsvorschläge Frau Hartmann verknüpft Mehrsprachigkeit mit der Vielfalt des Sprachenangebots in der Schule und kommt zu der Überzeugung, dass man wegen der geringen Anwahl der weiteren Fremdsprache Italienisch und der Abwahl von Spanisch nach der zehnten Klasse nicht davon sprechen könnten, dass Mehrsprachigkeit gefördert würde: „und deswegen können wir gar keine Mehrsprachigkeit pflegen, weil gar keine weitere Fremdsprache gewählt wird in der 8. Klasse“ (Z. 449-450). Die Schüler „schließen ihre Fremdsprachenausbildung im Prinzip mit der Wahl in der 6. Klasse ab und dann ist es fertig“ (Z. 450-451); in der zehnten Klasse wählten die Schülerinnen und Schüler grundsätzlich Spanisch ab (Z. 464). Es wären maximal drei Schüler mit Spanisch in der Qualifikationsphase (Z. 469): „Man hat eben oft auch ’ne Basketballklasse, die sind in der 5. Klasse als Basketballklasse zusammen gewählt worden. Natürlich sind das keine Fans der romanischen Fremdsprachen […]“ (Z. 485-487). Diese Schüler wählten dann das Spanische ab; während die Musikklasse für Sprachen begeistert sei und mit den Sprachen weitermache (Z. 489-490), „Das ist immer so, so ’ne Typsache, denk ich“ (Z. 490). Bezüglich der Lehrerausbildung an der Universität glaube sie nicht, dass die Studierenden gut vorbereitet seien, dies sei aber auch nicht Aufgabe der Universität: „Nein, aber ich glaub nicht, dass es die Aufgabe der Universität ist. Die Aufgabe der Universität ist, eine wissenschaftliche Ausbildung zu ermöglichen, für jemanden, der später Lehrer wird“ (Z. 493-495). Sie wünschte sich vor allem Wissenschaftlichkeit an Universität und weniger eine praxisorientierte Ausbildung. Die Wissenschaftlichkeit der Seminare sei wichtig, um den Schülerinnen und Schülern etwas vorzeigen zu können: „wenn ich diese Wissenschaftlichkeit nicht hätte, wenn ich nicht Altspanisch könnte und wenn ich keinen Cid gelesen hätte oder irgendwelche, ach, was gibt‘s noch, ähm literaturhistorischen Seminare belegt hätte, hätte ich den Schülern nichts voraus“ (Z. 495-497). Außerdem fördere die wissenschaftliche Tätigkeit das Interesse an dem Land und der Kultur: „Ich habe durch das Studium, durch die wissenschaftliche Tätigkeit ein riesiges Interesse an dem Land, an der Landeskunde, an Literatur und auch an der Sprache entwickelt, an der Sprachgeschichte, ähm, an der Sprachentwick- 244 6. Die Hauptstudie-- Einzelfalldarstellungen lung, Sprachförderung, sprachpolitische Angelegenheiten. Das sind Sachen, von denen ich nicht erfahren hätte, wenn ich gelernt hätte, wie Schule funktioniert an der Universität.“ (Z. 498-503) Das Referendariat sei der Ort, wo man lerne, wie Schule funktioniert (Z. 503-504) und darüber hinaus sollten die Studierenden während des Praktikums eine Stunde vor einer Klasse halten (Z. 506-508), um entsprechend ein Feedback als Lehrperson zu erhalten. Da sie es selbst während ihres Studiums nicht erlebt habe, sei es ein Wunsch ihrerseits. „Wenn mir jemand vorher schon mal sagen kann und dann noch ehrlich ist und sagen kann "Als Lehrerpersönlichkeit glaube ich nicht, dass du viel Chancen hast" (Z. 511-513). Ehrlich zu sein zähle hier besonders, damit keine Referendare vor einer Klasse stünden, die keine Lehrerpersönlichkeit haben. Es bestünde dann auch das Risiko, dass diese in eine Opferrolle kämen. Sie plädiert dafür, dass man „ein bisschen klarere Worte geben[sollte]“ (Z. 519). „Das wirkt nicht authentisch, wirkt irgendwie ein bisschen gekünstelt und ich hab da nicht so richtig Lust drauf oder ich trau mich nicht, noch viel schlimmer. Und die werden im Prinzip zu Opfern ihrer späteren Klassen und das muss man weder den Klassen noch den Lehrern quasi dann von Menschlichen selber antun“ (Z. 515-518). Trotz allem habe sie das Referendariat als extrem harte Zeit (Z. 537-538) aber mit effizienter, optimaler Vorbereitung erlebt und habe beispielsweise gelernt, mit aussichtslosen Situationen umzugehen (Z. 545): „Wenn ich diese zwei Jahre nicht gehabt hätte, könnte ich das hier nicht durchstehen. Also, ich weiß quasi, ich bin schon durch das Feuer gegangen, das passt. Ab jetzt kann kommen, was will. Ich bin auf alles vorbereitet“ (Z. 539-541). Ihr Fazit zum Referendariat lautet: „lieber zwei Jahre ein bisschen, äh, wirklich anstrengen müssen und wirklich Leistung bringen müssen, dann weiß man aber auch, was man hat am Beruf, glaube ich.“ (Z. 549-551) Ihr Fazit zu ihrem Lehrerverständnis: „Ich glaub, wir haben ’ne irre Verantwortung.“ (Z. 579-580) Ihr Fazit als Fremdsprachenlehrerin: „Gerade bei ner, bei nem Fach, das ja ’nen Progress hat, nen Lernprogress hat, wie ne Sprache, da kann ich mich nicht zurücklehnen, da kann ich nicht sagen, ich mach ein halbes Jahr nichts und ähm das ist eben da so ne Einstellungssache, denk ich […].“ (Z. 585-587) 6.10.4 Zusammenfassung ihrer Einstellungen Frau Hartmann ist eine junge Fremdsprachenlehrerin, die aufgrund ihrer Begeisterung für Fremdsprachen und fremdsprachliche Kommunikation den Lehrerberuf in zwei Sprachen gewählt hat. In der Rückschau auf ihr Studium und Referendariat, das erst etwa drei Jahre zurückliegt, nimmt sie eine klare 6.10 Noemie Hartmann 245 Trennung in Wissenschaftlichkeit und Praxisorientierung vor. Als Aufgabe der universitären Bildung sei die Wissenschaftlichkeit des Studiums wichtig, wobei sie vor allem die Sprachwissenschaft nennt. Die Lehrperson müsse stets in der Lage sein, einen Wissensvorsprung gegenüber den Schülern zu haben und Erklärungen durch fundiertes Hintergrundwissen abgeben zu können. Als Beispiel führt sie das Altspanische an, das sie in die Lage versetze, lexikalische Verbindungen abzuleiten und historische Entwicklungen darzustellen. Auch benennt sie das auf der Universität erworbene landeskundliche und literarische Wissen als zentrale Bereiche für die eigene Motivation, sich tiefgreifender mit den Ländern ihrer Zielsprachen zu beschäftigen. Diesen Wissenszuwachs hätte sie nicht erhalten, wenn an der Universität lediglich gelehrt worden wäre, wie Schule und Unterricht funktionierten. Überraschend ist allerdings, dass Frau Hartmann eine aufgrund ihres Namens augenfällig portugiesische Schülerin (**Gómez da Silva, Z. 141) fragt, ob sie Spanierin sei. Nach dem Absolvieren eines umfassenden romanistischen Studiums hätte erwartet werden können, dass ein entsprechender Nachname Portugal zugeordnet werden kann. Bedeutsam ist hier nicht die Wissenslücke der Lehrerin, sondern eher die spürbare Überzeugung, umfangreich wissenschaftlich ausgebildet und damit quasi unangreifbar zu sein. Dieser Vorwurf ist Frau Hartmann zwar nicht zu machen, da sie an anderer Stelle davon erzählt, wie sie von einem tschechischen Schüler die korrekte Aussprache eines Wortes gelernt habe, dennoch zeigt sich hier eine gewisse Selbstsicherheit innerhalb der eigenen Komfortzone als Lehrerin. Auch zeigen die Beispiele verschiedener Lernstrategien, die sie ihren Schülerinnen und Schülern vermittelt, dass sie sich keineswegs für unfehlbar hält. Da die Lehrerin besonders auf die fachliche Ausbildung im Studium abhebt, ist hier der Ort, auf die erstaunlichen Ergebnisse John Hatties - in der von Beywl und Zierer besorgten deutschen Übersetzung von 2014 - bezüglich des Fachwissens der Lehrkräfte zu verweisen: „Es ist schwierig, empirische Belege dafür zu finden, dass die Fachkompetenz wichtig ist. Das scheint ein Rätsel zu sein. Es ist möglich, dass alle Lehrpersonen bereits über ein akzeptables Maß an Fachkompetenz verfügen und es daher wenig Varianz gibt, die dann bei den Schüler-Outcomes sichtbar werden würde. Allerdings unterrichten Lehrpersonen oft Fächer, in denen sie über wenig Ausbildung in fachlicher Hinsicht verfügen.“ (Beywl & Zierer 2014: 152) Hattie fährt fort, indem er verdeutlicht, dass es keinesfalls einen Zusammenhang zwischen Fachkompetenz und hohen Schülerleistungen gibt, ja dass sogar Lehrpersonen, die mit minimalem Einsatz maximalen Erfolg erzielen wollen, erfolgreich sein können und schließt die Frage an: 246 6. Die Hauptstudie-- Einzelfalldarstellungen „Was ist das Minimum an Fachwissen, das eine gute Lehrperson benötigt und wie können wir die Lehrstrategien derjenigen Lehrpersonen optimieren, die über ein größeres Fachwissen verfügen? “ Es kann auch spannend sein, zu untersuchen, wie Lehrpersonen mit weniger Fachwissen solche positiven Effekte auf die Lernenden erzielen können.“ (Beywl & Zierer 2014: 152) Die Praxisausbildung weist Frau Hartmann ausschließlich dem Referendariat zu, das sie allerdings als extrem harte Zeit bezeichnet. Ihre Dichotomie zum Referendariat lautet: extrem hart aber effizient und optimal. Sie benutzt sogar eine militärische Metapher, um das Referendariat zu beschreiben: „durchs Feuer gehen“ (Z. 539-541). Frau Hartmann sieht es als notwendig an, in Praktika bereits an die schulische Realität herangeführt zu werden und erachtet es als notwendig, dass Lehrerinnen und Lehrer als Mentoren den Praktikanten klares feedback über deren Eignung zum Lehrerberuf geben sollen. Im Zusammenhang mit der möglichen Nicht-Eignung als Lehrer benutzt sie eine weitere starke Metapher: „Opfer ihrer späteren Klassen“ (Z. 517-518). Ihre Anforderungen an sich selbst als Lehrerin sind sehr hoch, da sie eine große Verantwortung habe und sich als Fremdsprachenlehrerin nicht „zurücklehnen“ (Z. 585-586) kann, da es einen Lernprogress gebe. Auch empfindet sie ihre Tätigkeit als sehr anstrengend. Allerdings ergibt sich in der Gesamtschau ihrer Äußerungen ein positives Bild ihrer Praxis, die in der eigenen Motivation gründet. So gibt sie an, ihren Schülerinnen und Schülern zu vermitteln, dass es notwendig sei, sich im Land der Zielsprache kommunizierend bewegen zu können und sieht als speziellen methodischen Ansatz ihres Unterrichts die vollständige Konjugation der wichtigsten Verben an. Sie erklärt, sehr an den Herkunftssprachen und -kulturen ihrer Schülerschaft interessiert zu sein und diese in den Unterricht einzubeziehen. So stelle sie Beziehungen zwischen Wörtern verschiedener Sprachfamilien her und vergleiche auch grammatische Phänomene mehrerer Sprachen miteinander. Besonderen Wert lege sie auf den Kulturvergleich und das interkulturelle Lernen. Bei diesen Gelegenheiten überschreite sie auch gerne die Grenzen des Curriculums und gebe den Schülerinnen und Schülern Gelegenheit, über ihre Herkunftskultur zu berichten. Insgesamt bedauere sie, dass die Sprachen nach der zehnten Klasse abgewählt werden, ohne allerdings über Hypothesen zu verfügen, die diese Tatsache erklären könnten. Lediglich beobachte sie die Pubertät als Phase des Nachlassens an Interesse für Sprachen. Außerdem beklagt sie die fehlende Ausrichtung der Schule auf Sprachen allgemein und Mehrsprachigkeit - verstanden als „Lernen mehrerer Schulfremdsprachen“ (Z. 449-450) - im Besonderen. Das Selbstbild und die Einstellungen der Lehrerin Hartmann oszillieren zwischen gegensätzlichen Polen: 6.11 Constanze Schrader 247 • Gerne Lehrerin sein; Motivation für Sprachen; Lernstrategien vermitteln versus sehr anstrengender Beruf; Schüler können nach ein paar Jahren nichts mehr; Abwahlverhalten • Hohes Interesse an fremden Kulturen; kommunikative Ziele; Sprachvergleiche integrieren versus grammatische Korrektheit; sprachliche Progression; Lehrerin für zwei klar definierte Sprachen sein. 6.11 Constanze Schrader „Ich wollte aber nie Lehrerin werden, weil ich auch so ‘n ganz negatives Bild irgendwie über den Beruf des Lehrers hatte und auch irgendwo so diese gesellschaftliche Geringschätzung ähm auch so selbst auch so ein Stück weit verinnerlicht hatte, ne.“ (Z. 10-13) 6.11.1 Biografisches und berufliche Rahmenbedingungen Frau Schrader ist eine 44-jährige Lehrerin für Englisch und Spanisch, die an einem Gymnasium in Gießen arbeitet. Über ihre Berufswahl gibt sie im Interview sehr ausführlich Antwort und entwickelt ein detailreiches Selbstbild: „Meine Talente lagen definitiv immer im sprachlichen Bereich, ich hab mich auch immer für Fremdsprachen begeistert“ (Z. 9-10). Ursprünglich habe sie gar nicht Lehrerin werden wollen, auch wenn sie sehr früh Interesse am Fremdsprachenlernen zeigte, weil der Lehrerberuf für sie nicht mit einem besonders positiven Image verbunden war: „Ich wollte aber nie Lehrerin werden, weil ich auch so ‘n ganz negatives Bild irgendwie über den Beruf des Lehrers hatte und auch irgendwo so diese gesellschaftliche Geringschätzung ähm auch so selbst auch so ein Stück weit verinnerlicht hatte, ne.“ (Z. 10-13) Parallel zu ihrem Studium gibt sie Sprachkurse für Englisch, Französisch, Spanisch und Deutsch als Fremdsprache an der Volkshochschule (Z. 15-17). Diese Kurse finden abends und am Wochenende statt (Z. 36-37). Dann berichtet sie von einem größeren Auslandsaufenthalt in den USA von 1997 bis 2001. Sie habe dort während des Studiums acht Monat gelebt (Z. 161-162) und lange Erfahrungen als Fremdsprachenlehrerin in der Erwachsenenbildung gemacht: „in der Erwachsenenbildung […] also in den USA , da hatte ich auch an so ’ner privaten Sprachenschule gearbeitet ähm, da hab ich Gruppen zwischen 4 und 18 Leuten gehabt, ja. Und auch mal one-on-one“ (Z. 152-155); „es war immer schon so ähm, ganz unterschiedliche Gruppengrößen, aber nie so große Gruppen, ne“ (Z. 156-157) 248 6. Die Hauptstudie-- Einzelfalldarstellungen Auch habe sie als Vertretungslehrerin in öffentlichen High Schools gearbeitet (Z. 140-141). Sie beschreibt diese Zeit als geprägt von besonders positiven Erfahrungen, auf emotionaler und persönlicher Ebene, wobei sie ständiges Lob und ständige Anerkennung erfahren habe (Z. 98-99): „ja die emotionale, persönliche Erfahrung ist ganz anders, weil wenn du Gruppen von 12 bis 18 Teilnehmern hast normalerweise, ist das, ich hab in der Erwachsenenbildung auch oft in großen Firmen so Fortbildungen gemacht für Leute, die ins Ausland gehen wollten." (Z. 87-90) Nach ihrer Erzählung folgte darauf die Enttäuschung, die sie als Kehrseite der Medaille beschreibt und die sich durch den Gegensatz von Erwachsenenbildung versus Schule zu Frustrationselementen entwickelt habe: Reife (der erwachsenen Lernenden) versus Erziehung (der Schülerinnen und Schüler) (vgl. Z. 96-97), was durch die folgenden zwei Zitate aus dem Interview verdeutlicht wird: • Erwachsene: „Und das sind alles Leute, die das wollen, was du da anzubieten hast und dann jede Woche sagen "wir freuen uns immer schon auf die nächste Stunde! " (Z. 90-92) • Schülerinnen und Schüler: „und da bekam ich dann von den Schülern so Sachen zu hören wie "Ja, Frau X, wir finden das ja ganz toll und engagiert, dass Sie sich hier so engagieren, und hier kommunikativer den Unterricht gestalten wollen, aber Sie müssen eins mal kapieren: wir wollen eigentlich nur in Ruhe gelassen werden." (Z. 62-65 & Z. 582-587) Hinzu kämen mehr Aufgaben in Schulen wie beispielsweise Korrekturen, Vor- und Nachbereitungen, Noten, Administratives etc., was in der Erwachsenenbildung nicht der Fall war: „Und der zweite große Unterschied war halt, wie wahnsinnig zeitaufwändig das mit der Vorbereitung, Nachbereitung, Arbeiten korrigieren, Tests korrigieren, Hausaufgaben korrigieren, ähm, das ganze Administrative, was noch damit, das hat ich alles überhaupt nicht in der Erwachsenenbildung, null“ (Z. 104-107) und mit Nachdruck: „Ja, Null Administratives“ (Z. 111). Auch waren die Schülerinnen und Schüler in der Institution Schule weniger arbeitsbereit als die Teilnehmerinnen und Teilnehmer in der Erwachsenenbildung: „es war, es ist ganz anders, als ich‘s mir vorgestellt hab. So, so bin ich dazu gekommen, Lehrerin zu werden“ (Z. 116-117). Aus all diesen Unterschieden habe Frust resultiert, obwohl sie dazu anmerkt, keine Durchsetzungsschwierigkeiten gehabt zu haben: „Und, gut ich hatte jetzt nie das Problem an der Schule, mich durchzusetzen, weil ich kann auch ähm ja auch, ich kann auch von der Präsenz her so auftreten, dass die Schüler sich gut benehmen, ja. Aber ich find ‘s irgendwie frustrierend öfter, ne“ (Z. 114-116). 6.11 Constanze Schrader 249 Zudem habe sie sich für die Aufgaben eines Lehrers in der Schule nicht gut vorbereitet gefühlt: „Also der Umgang mit den Gruppen, das war mir schon nicht fremd, aber wie das dann tatsächlich läuft, das war mir überhaupt nicht klar“ (Z. 145-146). Ausschlaggebend für die Berufswahl seien aber dann persönliche Gedanken gewesen, als sie nach Deutschland zurückgekehrt sei: „na ja, willst du vielleicht doch Lehrerin werden? Hm, klar, dann hast du ja Zeit für dein Kind, ne. Dann haste Unterricht morgens und hast nachmittags Zeit fürs Kind. Genau so mach ich das." (Z. 41-42) Während ihres ersten Schulpraktikums in einer Gesamtschule mit den Fächern Englisch (überwiegend), Latein und Französisch (Z. 50-51) habe sie dann aber sehr positive Erfahrungen mit den Schülerinnen und Schülern gemacht: „ich kam super mit denen zurecht. Das hat echt Spaß gemacht“ (Z. 51-52), und durch die Kolleginnen und Kollegen die Bestätigung erhalten, dass sie den richtigen Beruf als Lehrerin gewählt hat: „Boah, das hier, das ist dein Platz! Das musst du machen! " (Z. 52-53). Ihr zweites Schulpraktikum in einem Gymnasium, in der Oberstufe, erweist sich dann aber doch als desillusionierende Erfahrung: „das waren also so die ersten Enttäuschungen“ (Z. 70), denn ihr kommunikativ ausgelegter Fremdsprachenunterricht - hier Spanisch - sei von den Schülern angesehen und geschätzt aber nicht erwünscht gewesen: „Die Erfahrung war echt konträr, weil das war dann an der Oberstufe, an nem Gymnasium in der Oberstufe überwiegend, weil Spanisch unterrichten die nicht in der Mittelsondern nur in der Oberstufe und da bekam ich dann von den Schülern so Sachen zu hören wie "Ja, Frau X, wir finden das ja ganz toll und engagiert, dass Sie sich hier so engagieren, und hier kommunikativer den Unterricht gestalten wollen, aber Sie müssen eins mal kapieren: wir wollen eigentlich nur in Ruhe gelassen werden“" (Z. 60-65 und Z. 582-587; vgl. auch supra). Dieser anekdotische Erfahrungsbericht kommt im Gespräch zweimal vor - beim zweiten Mal sogar noch ausführlicher dargestellt - und das zeigt, wie sehr sie sich tief beleidigt und verletzt gefühlt hatte in ihrem Bestreben, einen guten, kommunikativ-orientierten Unterricht zu gestalten. Es entsteht ein Gefühl der Ratlosigkeit: „Und da hab ich gedacht "Wie, was, echt? " Das kann doch nicht sein! ““ (Z. 69). Dieses Gefühl habe sie dann auch wieder am Beruf zweifeln lassen: „da hatt‘ ich dann auch wieder so ein bisschen daran gezweifelt, ob ich das jetzt weitermachen sollte oder nicht“ (Z. 71-72). Dennoch habe sie ihr Schulpraktikum mit einem tollen Ergebnis beendet und gleichzeitig eine Stelle als Referendarin bekommen: „und dann hab ich irgendwie ’nen super Abschluss gemacht und gleich den Referendariatsplatz gekriegt und da hab ich gedacht "mach‘s weiter.“" (Z. 73-74) 250 6. Die Hauptstudie-- Einzelfalldarstellungen Verglichen mit ihren Anfangsideen, dass der Lehrerberuf mit der Familie gut vereinbar sei, stellte sie im Referendariat fest, dass sie weniger Zeit hatte als angenommen: „hab dann festgestellt, dass es wirklich alles ganz anders läuft, als ich mir das vorher überlegt hab. Ich hab nie gedacht, wie intensiv das ist, also wie zeitintensiv das ist und ich hatte noch nie so wenig Zeit für mein Kind, wie während dem Referendariat.“ (Z. 75-78) Zu ihrer Persönlichkeitsentwicklung hätten auch kulturelle Erfahrungen und Auslandsreisen gehört: „Ich bin nach dem Vordiplom ähm alleine durch Spanien getrampt und hab mich einfach dieser Situation ausgesetzt mit 23 Jahren. Und nach dem Diplom hab ich angefangen, Salsa zu tanzen und einfach meine Kontakte in der Latino-Szene sehr auszuweiten.“ (Z. 448-451); „Und ähm und in der Schule ähm versuche ich das natürlich auch von Anfang an mit der Mündlichkeit zu fordern, zu fördern, indem ich den Unterricht von Anfang an auch so gut wie möglich einsprachig halte“ (Z. 451-453). Im Zusammenhang mit diesen Erfahrungen habe sie ihre persönlichen Einstellungen und ihre Begeisterung zur Wichtigkeit des Fremdsprachenlernens entwickelt: „ich bin so begeistert auch von dem Selber-viele-Sprachen-Sprechen und internationale Kontakte haben und das dann auch bei anderen festzustellen und zu motivieren“ (Z. 518-520). Sie kann nach ihrer Erzählung viele Sprachen sprechen und hat internationale Kontakte: „ich denk schon, so grundsätzlich, ähm, dass für die, für die gute Ausbildung des eigenen Gehirns dass Fremdsprachen lernen ne Rolle spielt und je früher das und je mehr das passiert, desto schlauer wird man dann auch sprachlich gesehen“ (Z. 730-733). Über das Schulprofil berichtet sie, dass ein Schwerpunkt einerseits auf Internationalisierung und Projekten, sowie fächerübergreifenden Angeboten liege und andererseits auf zwei weiteren Schwerpunkten: Fremdsprachen und bilinguales Lehren und Lernen (Z. 641-643). Zudem sei die Schule Praktikumsschule mit weit über 25 Praktikanten (Z. 964) in allen Fächern und ausbildende Schule (Z. 974). Frau Schrader selbst ist zum Zeitpunkt des Interviews Betreuerin zweier Praktikanten und einer Referendarin: „Ich hatte dieses Mal sogar zwei: einen in Englisch und eine in Spanisch und ne Referendarin, ja auch.“ (Z. 957-958) Über ihre Freude am Lehrerberuf äußert sie gemischte Gefühle. Was sie persönlich selbst sprachlich könne, versuche sie bei ihren Schülerinnen und Schülern herauszuholen und zu unterstreichen. Daran finde sie Vergnügen. Sie habe ebenfalls Spaß daran, Extra-Aufgaben für die Schule zu übernehmen, die sie herausfordern und die einen möglichen positiven Einfluss haben auf das, was sie macht: „Ja und nein“ (Z. 513); „ich bin so begeistert auch von dem Selberviele-Sprachen-Sprechen und internationale Kontakte haben und das dann auch bei anderen festzustellen und zu motivieren. Das macht mir Spaß. Ich hab sehr 6.11 Constanze Schrader 251 viele, sehr nette Kollegen, das macht mir Spaß, da alles irgendwie zusammen zu machen. Das macht mir Spaß. Zusatzaufgaben in der Schule wahrzunehmen, ähm, bei denen ich auch das Gefühl hab, ich kann was bewegen“ (Z. 518-523). Allerdings missfalle ihr sehr stark, dass die Schülerinnen und Schüler einen großen Lernstoff assimilieren müssten und dafür bewertet würden: „Was mir überhaupt keinen Spaß macht, ist ähm, ja, diese ganze Bewertungssituation hier, an der ich auch öfter sehe, dass Schüler sich überfordert fühlen mit der Menge, die sie lernen müssen.“ (Z. 523-525). Sie sei auch hin und her gerissen zwischen den schulischen Anforderungen und den erwarteten und zu erbringenden Leistungen, die für sie normal seien: „Es ist nun mal in der Schule so, dass die bis zu nem bestimmten Zeitpunkt an ne bestimmte Stelle gekommen sein müssen oder sollen“ (Z. 525-526) und den Leistungsunterschieden zwischen den Schülern: „ich hab immer wieder große Leistungsdiskrepanzen zwischen den Schülern und muss auch immer wieder mit Druck und Zwang und Noten arbeiten, damit die sich auf den Arsch setzen und Vokabeln wiederholen und so weiter.“ (Z. 527-530) Frustriert und genervt sei sie auch, wenn sie Klassen übernehme, in denen ihre Vorgänger die Schülerinnen und Schüler nicht zum Lernen gezwungen hätten und sie deshalb extreme Leistungsunterschiede übernehmen müsse: „Und ich empfind es auch als frustrierend, manchmal Situationen zu erleben, wo andere Kollegen das nicht tun und ich übernehme ne Gruppe, die sind im dritten Lernjahr und können nicht sagen "ich heiße Franz", weil die anderen, weil die Kollegen ihn nie gezwungen haben, das dann auch zu wiederholen zu Hause. Das find ich schlimm. Das nervt mich total“ (Z. 530-534). Sie beschreibt die Problematik, dass Kolleginnen und Kollegen ihren Schülern den Wortschatz nicht richtig beibrächten; dass Vokabellisten sinnlos seien, wenn sie von den Schülern ohne Kontext gelernt werden sollen, obwohl dies immer ein Thema von Fachkonferenzen sei: „Aber das kann man nur ganz vorsichtig machen, weil das ist ja, das wird ja auch ganz schnell als unkollegial empfunden, wenn man zu jemanden sagt: "Hör mal hier, ich find das nicht in Ordnung. Wir haben eigentlich in der Fachkonferenz vereinbart, dass wir Vokabeln nur kontextualisiert abfragen. Und du machst das nach wie vor so, sagst "Lernt diese zehn Wörter" und dann fragst du die Deutsch-Spanisch, Deutsch-Spanisch ab, mit einem Wort jeweils. Da lernen die Kinder nix, ja. Da wiederholen die das zehn Minuten, aber sie können das nicht anwenden. Und es lässt sich natürlich kein Erwachsener gerne sagen, dass er irgendwas nicht richtig macht.“ (Z. 551-558) Weiteren Frust beschreibt sie in Bezug auf die Motivation und Leistungsbereitschaft der Schülerschaft und ihre Schwierigkeit als Lehrerin, diese zur Lernbereitschaft zu bringen (Z. 569-570) und ihnen die Bedeutung der Fremdsprachen zu vermitteln: „Und viele Schüler auf dem Gymnasium sehen die 252 6. Die Hauptstudie-- Einzelfalldarstellungen zweite Fremdsprache als ein notwendiges Übel und nicht als ne Chance“ (Z. 570-571); daraus resultiere ihre Reaktion: „Boah, hier, ihr könnt tatsächlich dann, wenn ihr mit euren Eltern mal in Urlaub fahrt, da die Dolmetscher sein" oder "Guck mal, du kannst auch jetzt letztendlich, du lernst hier, wie du n spanisches Mädchen ansprichst. Du kannst auf 21 Ländern in der Welt plötzlich mit wem dich unterhalten und willst das gar nicht. Du willst eigentlich irgendwie nur so wenig wie möglich machen und durchkommen" (Z. 572-576). Sie gebe den Schülerinnen und Schülern Gründe für das Erlernen des Spanischen, aber diese sähen nur Noten und wollten möglichst wenig tun: „gute Noten haben, ruhige Kugel schieben und genau wie diese Schüler, die mir damals aus der Oberstufe im zweiten Schulpraktikum gesagt haben "Frau Schrader, ist ja ganz nett wie Sie hier wollen, dass alles kommunikativer läuft, aber Sie müssen mal eins verstehen: Wir wollen eigentlich nur in Ruhe gelassen werden. Wir möchten lieber, dass Sie mit uns Arbeitsblatt machen und jeder liest einen Satz vor, wo jeweils nur ein Wort vorher reingesetzt werden muss, so was wir in Ruhe vorbereiten konnten zu Hause, das wollen wir viel lieber als diesen Scheiß, wo Sie dauernd wollen, dass wir uns irgendwie zu irgendwas äußern.““ (Z. 580-587) In einer längeren Passage äußert sie ihre fremdsprachendidaktischen Einstellungen unabhängig vom Thema Mehrsprachigkeit. Fremdsprachenlernen erfordere Zeit und Arbeit, weil man sich zum Vokabellernen hinsetzen müsse. Daher habe das Sprachlernen einen schweren Stand: „insgesamt Schüler halt viele Schüler halt so ihre Gesamtanforderungen als hoch bewerten und dann natürlich etwas, was noch hinzukommt, wo man schon weiß, da muss ich intensiv auch zu Hause Zeit investieren. Das ist äh schon mal so ne Abneigung, die von vornherein die Lernbereitschaft auch verringert“ (Z. 608-612). Darüber hinaus sei der Spracherwerb ein spiralförmiger Prozess, der auf bereits erworbenem Wissen aufbaue, so wie Mathe (vgl. Z. 672-674): „Aber der Stolperstein ist wirklich meistens Mathe oder die zweite Fremdsprache auf ’m Gymnasium“, anders als in den Naturwissenschaften (Biologie), in denen ein Thema eine bestimmte Zeit behandelt werde und nicht mehr auftauche: „Es ist ähnlich wie in Mathe. In den Fremdsprachen baut eins auf dem anderen auf. Es ist nicht so wie in Bio, dass man sagen kann: "Wir machen jetzt fünf Wochen das Thema, aber da hatte ich keine Zeit, da war ich scheiße, da hatte ich Liebeskummer, äh hab ich ne 5, egal in der nächsten Arbeit hab ich wieder ne 1, weil es n ganz anderes Thema ist.“ (Z. 616-620) In den Fremdsprachen sei dies ganz anders: „Du musst im dritten Lernjahr immer noch wissen, was wer, wie, was, warum, hier, heute, jetzt heißt und das sind Vokabeln aus dem ersten Lernjahr. Und das ist halt irgendwie. Guck mal, wenn man guckt, wie viele Wörter, jetzt nur Wörter betrachtet, in den ersten beiden Lernjahren, da lernen die Kinder, lass mich nicht lügen, zwischen 1200 und 1800 lexikalischen Einheiten. Wenn wir 6.11 Constanze Schrader 253 das runter brechen, dann sind das 40, 50 pro Woche, glaub ich, ich kann schlecht rechnen. Aber es ist viel.“ (Z. 626-631) und: „Es ist viel und das geht nicht, wenn wir sagen "jetzt lernt mal diese zehn Vokabeln für den Vokabeltest morgen und danach macht nichts mehr." Und das wissen die und das haben die irgendwann auch gerafft und diese Bereitschaft, da selber halt auch weiterzumachen, die ist nicht sehr hoch“ (Z. 636-639). Insgesamt beobachte sie den schlechten Stand der zweiten Fremdsprache und die massive Abwahl durch die Schülerinnen und Schüler in der Oberstufe: „Also es ist sogar so, dass in der Oberstufe, also in der E1, das ist jetzt 11. Klasse, ursprünglich mal nach dem G9-Prinzip, ähm, da sitzen pro Kurs 28 Schüler und von denen wählen 26 das Fach ab und zwei machen weiter. Und die versuchen dann halt irgendwie noch auf ihre 5 Punkte zu kommen, damit es nicht versetzungsrelevant ist und dann wird‘s abgewählt. Und das ist nicht nur in Spanisch so. Das ist in der zweiten Fremdsprache grundsätzlich“ (Z. 652-657). 6.11.2 Einstellungen zur schulischen und lebensweltlichen Mehrsprachigkeit ihrer Schüler / Unterrichtspraxis Neben den Informationen zu den an der Schule unterrichteten Fremdsprachen verfügt Frau Schrader nach eigenen Aussagen über umfangreiche Kenntnisse über die Herkunftssprachen ihrer Schülerschaft: „je nach muttersprachlicher Herkunft haben wir ganz bunt durchgemischt. Also wir haben viele, die zum Beispiel Polnisch und Russisch noch können, weil die zu Hause das sprechen. Ich hatte ein, zwei Schüler, die Rumänisch können. Ich hab auch mal den einen oder anderen Muttersprachler, wo vielleicht die Mutter ähm aus Venezuela oder irgend einem anderen spanischsprachigen Land ist, Türkisch haben wir einiges an Sprachvorerfahrung von den Kindern, also jetzt nicht schulische Vorerfahrung, aber grundsätzlich vorhandene“ (Z. 256-262). Sie informiere sich über die Sprachbiografien, präsentiere die Sprachen, die ihre Schülerinnen und Schüler zu Hause sprechen und beschreibt dabei die unterschiedlichen Sprachprofile ihrer Lernenden als „je nach muttersprachlicher Herkunft haben wir ganz bunt durchgemischt.“ (Z. 256-257) Sie habe eine positive Einstellung zu Schülern mit einem romanischen Sprachhintergrund: „das hab ich öfter auch mal, Muttersprachler im Kurs. Also ich hatte mal ’nen Rumänen, der war sehr, sehr gut in Spanisch, ganz klar. Da ist auch die Verwandtschaften* der Sprachen sehr groß. Dann hatt’ ich den Muttersprachler mit der venezolanischen Mutter, dann hatte ich auch Kinder, die halt einfach ’n Freund hatten schon mal ’nem romanischen Land und ja“ (Z. 416-420). Für sie scheint es selbstverständlich zu sein, dass ein Schüler, der eine romanische Sprache spricht, auch gut im Erlernen einer anderen romanischen 254 6. Die Hauptstudie-- Einzelfalldarstellungen Sprache ist (hier: Rumänisch-Spanisch). Um die Vorkenntnisse der Schülerinnen und Schüler, dementsprechend deren Sprachlernbiografien besser kennenzulernen, arbeite sie mittels eines Fragebogens in Form eines Sprachenporträts: „ich mach eingangs immer so ’ne Questionnaire, äh ich frage die immer vorher. Also ich sammle diese Daten für mich, damit ich selber gucke, wie ist die Lerngruppe“ (Z. 273-274) und „ich hab da immer so Fragebögen vorbereitet“ (Z. 278). Dieser Fragebogen enthalte Fragen nach der Herkunft der Schülerinnen und Schüler, ihrer ethnischen Zugehörigkeit, den gesprochenen Sprachen zu Hause zusätzlich zu den Schülerinteressen, wie beispielsweise Musik: „ich frag halt, was hast du für Vorkenntnisse, wo warst du schon mal, was sprecht ihr zu Hause, was habt ihr für ’ne ethnische Herkunft und also alles, das interessiert mich halt auch“ (Z. 283-285). Somit habe sie eine Vorstellung, wie die Lerngruppe konstituiert sei und sie könne das „Bereits Vorhandene“ abrufen. Was ihre Unterrichtspraxis und die Bewusstmachungsprozesse über die Herkunftssprachen angehe, so nutze sie den Rückgriff auf die sprachlichen Erfahrungen der Lernenden: „ich stelle auch immer wieder fest, wo Schüler ähm aufgrund ihrer Herkunftssprache oder Zweitmuttersprache ähm bestimmte Phänomene, ob das jetzt Vokabeln oder Grammatik ist, besser begreifen, ja“ (Z. 290-292). Dann benennt sie in einem Beispiel den Vergleich zwischen Türkisch und Deutsch und die Artikelproblematik in der türkischen Sprache: „Also Türken zum Beispiel, also die haben größere Probleme mit Artikeln, weil es das bei denen gar nicht gibt und so. Also das merk ich immer wieder, das.“ (Z. 296-297) Sie rechtfertigt ihre generelle Sensibilität für das Thema der Sprachunterschiede, mit ihren immer wiederkehrenden Erinnerungen an ihre Arbeit in den USA mit erwachsenen Lernern (Z. 298-299). Sie habe eine positiv besetzte Einstellung zu den Herkunftskulturen ihrer Schülerschaft und praktiziere gerne den Rückgriff auf deren kulturelle Erfahrungen: „Kulturell natürlich so, dass ich ähm, wenn es um bestimmte landeskundliche Sachen, die wir erarbeiten, geht, auch immer gerne frage ähm, "Hier wird es ja so und so gefeiert. Feiert ihr das auch? " oder "Was macht ihr das bei euch? " (Z. 349-351). Dabei lege sie den Fokus auf sprachliche und interkulturelle Kompetenz, denn für sie sei sowohl die sprachliche als auch die interkulturelle Kompetenz wichtig, damit ein angemessenes Verhalten in einem gegebenen Kontext stattfinden kann: „Ja, das oberste Ziel ist für mich natürlich ähm die sprachliche Kompetenz und damit einher geht auch n Stück weit die interkulturelle Kompetenz. Also ich kann mich ja nur sprachlich kompetent verhalten, wenn ich auch weiß, was darf ich hier in welchem Zusammenhang sagen und was nicht“ (Z. 425-428). Ausführlicher sind ihre Äußerungen zur Einbindung der Schulfremdsprachen und ihre Verweise auf die Schulfremdsprache Englisch im Bereich Lexik und 6.11 Constanze Schrader 255 Grammatik: „immer wieder im Bereich Lexik und Grammatik, indem ich auf ähnliche Phänomene verweise oder also die Schüler drauf kommen lasse. Zum Beispiel: "Kennt ihr denn auf Englisch ein Wort, was dem hier in irgendeiner Form ähnlich ist? " also sowohl auf Wortfamilien, also lexikalische Besonderheiten und strukturelle morphologische Besonderheiten auch“ (Z. 304-308). Auch thematisiere sie die Vernetzung zwischen den Sprachen: „Die Vernetzung immer wieder thematisiert, ja“ (Z. 342). Sie erzählt über ihre Praxis in Spanisch, das als Fremdsprache breit in der Schule vertreten sei: „Spanisch ist ja bei uns äh einerseits die zweite Fremdsprache, da beziehe ich mich dann oft auf Ähnlichkeiten mit dem Englischen, ja. "colisión - collision" und so weiter ist auch ja auch ähnlich im Englischen und ähm dann beziehe ich mich, wenn es Tertiärsprache ist, also Spanisch als dritte Fremdsprache, […] ist das öfters so, dass ich sage "Ähm, dieses hier, das kennt ihr vielleicht auch schon aus dem Französischen oder die von euch, die Latein haben, kennen diese Struktur dann schon" bla, bla, bla, natürlich, immer wieder. Also die Schulsprachen beziehe ich auch intensiv ein. Immer, wo‘s möglich ist. Ist ja so oft möglich.“ (Z. 394-401) Zu ihrer Fremdsprachenlehrpraxis gehörten auch Übersetzungsaktivitäten, mit denen sie kontrastiv arbeite: „Auch zum Teil, indem ich ähm, ja so Spaßübersetzungen mache, ne, "Ihr müsst auch immer mal sagen, guckt mal jetzt, wie jemand, Carlos**, deine Mutter zum Beispiel, als sie Deutsch gelernt hat, ne. Da hat die doch auch immer gesagt ähm nicht 'ich will mit dem Hund spielen', sondern sie hat gesagt 'ich will spielen mit dem Hund', ja. Und daran siehst du zum Beispiel, dass die Syntax ein bisschen anders ist und das fällt dir deswegen leichter, weil du das schon so kennst und so weiter." (Z. 308-313) Weitere Transferaktivitäten respektive kontrastive Herangehensweisen in Bezug auf die bereits vorhandenen Sprachen (aus der Schule oder von den Familiensprachen) würden von ihr praktiziert und unterstützt wie zum Beispiel: „Ja, das ist bei den individuellen Sachen und bei den grundsätzlichen natürlich, wo ich weiß, da ist bei allen ne ähnliche Vorerfahrung ähm, gehe ich dann so damit um. Also die Mehrsprachigkeit ist immer was, was ich versuche ähm intensiv zu nutzen.“ (Z. 319-321) Auch versuche sie durch kontrastive Grammatikvermittlung Ähnlichkeiten bzw. Differenzen zwischen den Sprachen aufzuzeigen: „Also, einerseits indem ich das Phänomen isoliert kontrastiere […]. Bei der Grammatik im Spanischen äh wird es "gib mir das Buch! Gib das Buch mir! " Genau, da wird das indirekte und das äh direkte Objekt andersrum gestellt, also äh wo ich halt sage, wo ich auch von vornherein sage "Leute, das hier ist ein Phänomen, mit dem wir als Deutsche grundsätzlich öfters Probleme haben, weil bei uns ist das so und so." Das ist die eine Sache. Die andere ist äh die Ähnlichkeiten ganz klar herauszustellen, beispielsweise "guck mal hier, das ist äh ’n Modalverb 'können, sollen, 256 6. Die Hauptstudie-- Einzelfalldarstellungen dürfen', es ist genau wie im Deutschen, ne. Du sagst ja auch nicht, 'Du kannst spielst'. Da musst du 'spielen' nicht mehr konjugieren, sondern so." Und das ist natürlich auch an der Tafel auch noch dann mal verschriftlicht, na. Ähm, das ist das eine und lexikalisch natürlich über die Verwandtschaft der Wörter, ähm, und dann die regelmäßigen Sachen, morphologisch auch vielleicht noch mal fokussieren.“ (Z. 376-387) Für ihre Fremdsprachenlehrpraxis erkenne sie die Wichtigkeit der mündlichen Kompetenz an, weil sie es selbst im Studium und Referendariat gelernt sowie auch bei ihrem Auslandsaufenthalt erlebt habe, und weil sie selbst von Mündlichkeit begeistert gewesen sei, übertrage sie das auf ihre Schülerschaft: „weil ich das so gelernt hab, im Studium und im Referendariat, sondern weil ich das auch selbst immer als ähm am größten motivierendsten gefunden hab, doch tatsächlich in einer realen Kommunikationssituation mich mit jemandem austauschen zu können.“ (Z. 429-432) Um die Lernenden auf das Abitur vorzubereiten, wisse sie aber auch um die Wichtigkeit des Schriftlichen: „obwohl die Schriftlichkeit auch wichtig ist, besonders im Hinblick aufs Abitur […]“ (Z. 441-442). Aufgrund ihrer persönlichen Erfahrungen mit dem Fremdsprachenlernen - sie habe Spanisch erst an der Universität studiert - habe sie später mit großer Frustration feststellen müssen, dass sie zwar in der Lage gewesen sei, über politische Texte zu reden, beziehungsweise sie zu übersetzen, aber nicht in einer Alltagssituation spontan habe reagieren können: „ich hab Spanisch an der Uni erst gelernt, total frustrierend gefunden, dass ich am Ende des Studiums zwar perfekt Politikertexte übersetzen konnte, aber ich war nicht in der Lage, spontan zu sagen "Reich mir doch mal das Salz, bitte! ““ (Z. 438-440). Sie benutze im Unterricht deshalb auch möglichst oft die Zielsprachen Spanisch und Englisch (Z. 457): „und in der Schule ähm versuche ich das natürlich auch von Anfang an mit der Mündlichkeit zu fordern, zu fördern, indem ich den Unterricht von Anfang an auch so gut wie möglich einsprachig halte“ (Z. 451-453). Nach ihrer Analyse scheint es aber keine Selbstverständlichkeit zu sein, dass die Schülerinnen und Schüler einsprachig unterrichtet würden, denn manche seien anfangs sehr erstaunt, wenn sie ausschließlich auf Spanisch antworten müssten: „Und wenn ich Kurse übernehme von anderen Kollegen, dann ist das immer erst mal "Wie, was? Wie, ich soll hier alles auf Spanisch sagen? " (Z. 459-460). Wenn es um Grammatikerklärung gehe, praktiziere sie allerdings den Rückgriff auf die deutsche Sprache (Z. 471): „Beim Grammatik erklären geh ich meist bilingual vor, das heißt, ich sag‘s erst auf Deutsch und dann auf Spanisch oder umgekehrt“ (Z. 475-476). Da, ihrer Meinung nach, die Lehrwerke „nicht ausreichend kommunikativ“ (Z. 497-498) seien, setze sie ergänzende Aktivitäten ein (Z. 498), indem sie au- 6.11 Constanze Schrader 257 thentische Redeanlässe schaffe, die unmittelbar vorhanden, situationsangemessen und erlebbar seien: „immer situativ, ähm auch möglichst an die direkte, jetzt, hier vorhandene Lebenserfahrung anknüpfen. Da heran Redeanlässe knüpfen“ (Z. 495-496). Sie merkt an, dass das Englische im Klassendiskurs den Schülerinnen und Schülern leichter falle als das Spanische „und in der Schule ähm versuche ich das natürlich auch von Anfang an mit der Mündlichkeit zu fordern, zu fördern, indem ich den Unterricht von Anfang an auch so gut wie möglich einsprachig halte“ (Z. 451-453) Gelegentlich arbeite sie auch interkomprehensiv. Vor allem wenn sie drei bis vier Jahre lang dieselben Klassen habe, finde sie es „spannend“, ihnen einen italienischen Text vorzulegen, bei dem die Schülerinnen und Schüler aktiv feststellen könnten, wie viel sie rezeptiv aus einem Text bereits verstehen: „Wisst ihr, guckt mal hier, ähm, ich leg euch jetzt mal diesen italienischen Text vor und ihr sagt mir mal, was ihr da versteht. Guckt doch mal, wie faszinierend das ist, wie viel ihr da jetzt versteht, ja. Dass ihr damit im Prinzip noch mehr Tore aufgemacht habt jetzt, ja" (Z. 743-746). Allerdings scheiterten solche Momente an Zeitmangel, einhergehend mit der Reduzierung der Stundenanzahl ab Klasse 8 (drei statt fünf Unterrichtsstunden), was das Fremdsprachenlernen bis fast auf die Hälfte reduziere (Z. 754-755): „das kann ich nur ganz selten mal machen“ (Z. 746-747). Auf die Frage nach den bilingual aufgewachsenen Schülerinnen und Schülern, ob diese sich mit Spanisch-Französisch „leichter“ tun würden als die Anderen (Z. 701-706), antwortet die Lehrkraft: „Das hängt wirklich ein Stück weit auch mit der Art der Muttersprache zusammen.“ (Z. 719-720), „die Kinder, die romanischsprachige Herkunft haben, natürlich das viel leichter lernen“ (Z. 724-725). Anscheinend würde aber nicht immer Nutzen aus diesem Fakt gezogen: „Aber es gibt auch Kinder, bei denen das eigentlich, da sind die Voraussetzungen da und es ist aber nicht so“ (Z. 733-734). 6.11.3 Anregungen und Änderungsvorschläge Hier sehe Frau Schrader Chancen durch die Bewusstmachung, dass Interferenzen - insbesondere, wenn man zwei romanische Sprachen lerne - normal seien, und dass dies bei der Korrektur und Benotung etwas mehr berücksichtigt werde, als nur den Fokus auf Sprachrichtigkeit zu legen. Außerdem seien in der Kommunikation im Zielsprachenland derartige Interferenzen weitgehend bedeutungslos: „Ähm, also ein weiterer Änderungsbedarf wäre ähm, man müsste ne größere Toleranz ähm, haben in Bezug auf so Interferenzen und das ist halt in dem Moment, wo wir auch ähm, noch fehlerorientiert benoten müssen, 258 6. Die Hauptstudie-- Einzelfalldarstellungen das schränken wir auch schon ein Stück weit ein durch Kompetenzraster bei Benoten bei Klassenarbeiten, aber im Abitur ist es halt nach wie vor der Fehlerindex, der ne Rolle spielt. Ähm, wenn der nicht mehr wäre, dann wären äh sprachliche Interferenzen wahrscheinlich toleranter zu handhaben und ähm, dann wär‘s halt nicht so schlimm, wenn so n bisschen Kauderwelsch dabei wäre“ (Z. 765-771) und „Also, in dem Moment, wo ich im Abitur ähm, äh mit Spanisch schreibe und ich sage "der Hirte" und ich schreibe "il pastor", statt "el pastor", ist das ein Fehler. ’N ganzer Fehler, weil‘s n Genus, weil irgendwie der Artikel nicht stimmt oder was. Und ähm, aber wenn ich das jetzt in der, im Sprachumgang mit nem Italiener oder Spanier mache, wär dem das eigentlich egal für das Verständnis, wär‘s nicht weiter hinderlich, ne“ (Z. 776-780). 6.11.4 Zusammenfassung ihrer Einstellungen Bei der Feststellung der Herkunftssprachen bleibt die Lehrerin Schrader eher in einer Beobachterposition und zeigt wenig direkte Umsetzung der gewonnenen Erkenntnisse auf mögliche sprachliche Probleme in ihrer Praxis. Es kann vermutet werden, dass sie die lebensweltliche Mehrsprachigkeit eher als Schwierigkeit beim Erlernen der Schulfremdsprachen ansieht, denn als positiven Faktor zum Erlernen weiterer Sprachen. Insgesamt scheint sie aber die Sprachlernbiografien ihrer Schülerschaft - vor dem Hintergrund sprachlich-kultureller Vorerfahrungen - positiv zu bewerten. Was Mehrsprachigkeit angeht, kann angenommen werden, dass aber eher die Schulfremdsprachen im Zentrum ihrer Überlegungen stehen. Mit ihnen verbindet sie ihre selbst gestellte Aufgabe, mit dem Vorgelernten der Schülerinnen und Schüler arbeiten zu wollen. Bezüglich ihrer Fremdsprachenkurse scheint sie eine kontrastive Methodik im Bereich von Grammatik und Lexik anzusetzen, mithilfe derer sie einen positiven Transfer zwischen den bereits gelernten Schülersprachen herzustellen hofft. Dabei komme den Schülerinnen und Schülern eine aktive Rolle zu. Sie versuche zudem eine möglichst große Realitätsnähe zu erzielen, indem sie Lernerfahrungen der Schülerschaft einbeziehe. Dabei ziele sie auf eine hohe metalinguistische Kompetenz der Schüler. Mit ihren „Spaßübersetzungen“ weise sie auf das spielerische Element beim Fremdsprachenlernen hin, das in ihrem Unterricht eine gewisse Rolle spiele. Zudem sind interkomprehensive Ansätze in ihren Äußerungen zur Unterrichtspraxis erkennbar, denn sie führt aus, dass sie den Schülerinnen und Schülern Unterschiede und Ähnlichkeiten zwischen den Sprachen einer selben Sprachfamilie zu verdeutlichen suche. Frau Schrader hat insgesamt eine sehr dezidierte und fachdidaktisch-methodisch fundierte Einstellung über das Fremdsprachenlernen und setzt ein breites Methodenrepertoire ein. Sie nehme nach eigenen Aussagen zudem Bezug auf 6.12 Katrin Drewes 259 die Mehrsprachigkeitssituation in ihren Klassen und arbeite kontrastiv. Demgegenüber berichtet sie über ihre starke Frustration bezüglich der Leistungsbereitschaft, der Motivation und dem Durchhaltevermögen der Schülerinnen und Schüler im Fremdsprachenunterricht. Das Abwahlverhalten in der Oberstufe wird beklagt und insgesamt zeichnet die Interviewpartnerin ein düsteres Bild des Fremdsprachenunterrichts an ihrer Schule. Aus den hier aufgezeichneten Äußerungen von Frau Schrader ist nicht deutlich erkennbar, ob und wie sie die Herkunftskulturen und -sprachen nachhaltig in den Fremdsprachenunterricht integriert; das Bild, das sich aus den vorliegenden Daten ergibt, zeigt einen deutlichen Fokus auf dem schulischen Fremdsprachenlernen mit kontrastiven und metasprachlichen Phasen. 6.12 Katrin Drewes „"Kinder verständigt euch. Wisst, wo ihr’s nachschlagen müsst. Wenn ihr’s denn mal nicht wisst, aber versteift euch da nicht auf, auf, auf den Fehlerquotienten, der hoffentlich bald mal endlich abgeschafft wird."“ (Z. 269-271) 6.12.1 Biografisches und berufliche Rahmenbedingungen Frau Drewes ist eine, zum Zeitpunkt des Interviews, 30-jährige Gymnasiallehrerin mit den Fächern Englisch und Spanisch. Sie arbeitet an einem Gymnasium in Gießen. Sie habe ursprünglich nicht die Absicht gehabt, Lehrerin zu werden (Z. 6), aber nachdem sie drei Fremdsprachen bis zum Abitur gebracht habe (Z. 10-11), die ihr „sehr viel Spaß“ bereitet hätten, beschloss sie, Sprachen zu studieren (Z. 11). Ihr Problem sei es gewesen, einen Studiengang zu finden, der das Studieren dieser Sprachen ermöglichte (Z. 12). Weder habe es ihr zugesagt, zwei Sprachen mit Wirtschaft zu studieren (Z. 14), noch eine Dolmetscherausbildung zu beginnen: „Dolmetscher, das war auch irgendwie nichts für mich“ (Z. 14-15). Damit blieb ihr letzter Entschluss die Lehramtsausbildung: „Und dann hab ich überlegt: ich studiere die Sprachen, mach Staatsexamen und guck dann, was ich damit machen kann.“ (Z. 15-16) Sie habe sehr positive Erfahrungen in zwei Schulpraktika gemacht: „Und dann war ich in meinem Studium, ähm kam das erste Schulpraktikum und dann hatt’ ich eben meine Zeit in der Schule und es hat mir so viel Spaß gemacht, mit den Kindern zu arbeiten. Und dann hat ich die zwei, das zweite Schulpraktikum. Und das war auch ne ganz, ganz tolle Erfahrung. Ich dacht "Ja, ich möchte in 260 6. Die Hauptstudie-- Einzelfalldarstellungen die Schule"“ (Z. 17-20) und diese Erfahrung habe ihre Entscheidung bestärkt, Lehrerin zu werden. Zu ihren Arbeitsbedingungen und dem Schulprofil sagt sie, die Schule habe „viele Schwerpunkte“ (Z. 52) wie einen naturwissenschaftlichen Schwerpunkt (Z. 53) und einen sprachlichen Schwerpunkt, auch Chinesisch (Z. 59). Es gebe an der Schule die Möglichkeit, das internationale Abitur zu absolvieren (Z. 54), was sie als „jetzt die neueste Errungenschaft“ bezeichnet (Z. 54). Zudem unternehme die Schule „Sehr viele Austauschfahrten in alle Herrenländer“ (Z. 55-56) und sie habe den Austausch mit Frankreich initiiert (Z. 57), auf den sie sehr stolz sei (Z. 57-58). Das Einzugsgebiet der Schule sei das Umland von Gießen und das Gymnasium stehe in Konkurrenz mit den anderen zwei Gießener Gymnasien (Z. 63-64) „da muss man natürlich schauen, wie man sich dann besonders hervortut“ (Z. 65). Über die Kolleginnen und Kollegen berichtet sie, dass es ein „fast freundschaftliches Kollegium“ sei (Z. 77), was ihr Spaß bereite. Auch gebe es ein gutes Zusammenleben zwischen Lehrern und Schülern (Z. 79-80); sehr gute Zusammenarbeit mit den Eltern (Z. 84). Sie berichtet fast durchgehend über ihre Zufriedenheit. Für den Unterricht in der zwölften Klasse habe sie einen Smartboard-Raum (Z. 344) zur Verfügung, der Vorteile für die moderne, vielseitige Gestaltung des Fremdsprachenunterrichts mitbringe: „Das ist ne tolle Sache, drückt man drauf, legt ne CD ein, geht ins Internet, geht ganz schnell.“ (Z. 345-346) Neben ihrer Lehrtätigkeit habe sie noch Abordnungen für zwei Projekte (Z. 22-26) am Amt für Lehrerbildung im hessischen Kultusministerium (Z. 27-28 und Z. 32-33), die sie sehr glücklich machten (Z. 26), nämlich erstens die Umsetzung der Bildungsstandards in den Schulen (Z. 25) und zweitens als Beraterin für Unterrichtsentwicklung (Z. 26). Ihr bereite es Vergnügen, „auf der anderen Ebene dann [etwas] voranzutreiben“ (Z. 28-29). Auf die Frage nach ihrer Freude am Lehrerberuf antwortet sie knapp und klar: „Ja“(Z. 301), wohingegen die Zufriedenheit am Arbeitsplatz mit dem Satz: „Da gibt‘s ein weniger klares Ja“ (Z. 306) beantwortet wird. Sie habe den starken Wunsch nach Verbesserung der Rahmenbedingungen, so würden die CD-Player von den Lehrkräften selbst mitgebracht, und teilweise selbst gekauft (Z. 330-331 und 326-327); das gelte auch für das TV -Gerät. Einige Smartboards seien vorhanden, würden aber in jedem Raum benötigt. Die Gruppengröße wird von ihr bemängelt. In der Vergangenheit habe sie eine neunte Klasse mit über dreißig Schülerinnen und Schülern gehabt: „Also bei 30 Schülern in einem Raum, da kann ja nicht mal jeder was sagen in ner Dreiviertelstunde. Das sind natürlich die Bedingungen, die man nicht haben 6.12 Katrin Drewes 261 sollte im Fremdsprachenunterricht, ja.“ (Z. 316-318) und „Kleinere Lerngruppen wären natürlich schon, damit würd ich gerne anfangen.“ (Z. 311-312) 6.12.2 Einstellungen zur schulischen und lebensweltlichen Mehrsprachigkeit ihrer Schüler/ Unterrichtspraxis Bezüglich der Mehrsprachigkeit ihrer Lernenden verweist sie zunächst auf die Schulfremdsprachen. Dadurch, dass die Schülerinnen und Schüler bereits in der Grundschule Englisch gelernt haben, kämen sie bereits mit Grundlagen in die fünfte Klasse: „Die Schüler haben ja in der Grundschule schon Vorkenntnisse, die kommen also, was das Hörverstehen angeht, mit A2 in die 5. Klasse.“ (Z. 114-115). Sie könne deshalb an deren Kenntnisse - vor allem im Bereich Hörverstehen - anknüpfen. Die Schriftsprache sei dagegen neu zu lernen (Z. 117-118). Weiterhin berichtet sie über ihre eigenen Kenntnisse bezüglich der Herkunftssprachen der Schülerinnen und Schüler; allerdings erst, als die Interviewerin explizit danach fragt: „Und hast du Schüler, die auch andere Sprachen mitbringen in die Schule? “ (Z. 135). In der fünften Klasse habe sie einen türkischen und einen aramäischen Schüler, zwei Schüler mit einem französischen Hintergrund und eine Schülerin gehabt, deren Mutter Engländerin ist (Z. 138-139). Hier bemerke sie Interferenzprobleme sowie Schwierigkeiten in der Satzstellung bei dieser Schülerin, die Englisch als Muttersprache habe: „Es ist aber so, dass man merkt, dass sie Muttersprachlerin Englisch ist, in dem Moment, wo sie französische Texte schreibt. Also wegen der Interferenzen“ (Z. 144-145) und: „[…] auch ganz besonders die Satzstellung.“ (Z. 148-149) Sie verweist auf den Platz des Adverbs, der im Französischen an einer anderen Stelle im Satz vorzufinden sei als im Englischen, und schließt daraus: „Und man merkt genau, wer gut Englisch kann, der hat nämlich, da steht das Adverb immer dort im Französischen, wo‘s eigentlich im Englischen steht. Und eben nicht, wo‘s im Französischen stehen sollte“ (Z. 150-153). Diese Schüler hätten ein Sprachgefühl, so die Lehrerin (Z. 153), sie würden „reden viel freier einfach, weil sie das auch zu Hause auch dieses, dieses ‚switching‘ dann einfach schon gewohnt sind.“ (Z. 153-155). Es gebe auch zwei muslimische Schüler in der fünften Klasse (Z. 166-167), die gerne von ihrer Sprache und Kultur erzählten, was für die Lehrerin wichtig sei (Z. 167-168). Sie benennt das Prinzip „Lernen durch Lehren“ als praktikables Unterrichtsprinzip, damit die Schülerinnen und Schüler weitere Sprachvorbilder neben der Lehrerin bekämen und mache sie damit zum Experten: „[…] aber dass man selbst nicht nur immer das sprachliche Vorbild ist, sondern dass man neben sich andere sprachliche Vorbilder hat, die ja dann auch viele Erfahrungen 262 6. Die Hauptstudie-- Einzelfalldarstellungen mitbringen und die an die anderen weitergeben. In Gruppen arbeiten zum Beispiel, dass man dann sagt, wenn man mehrere ähm sprachlich, Muttersprachler in der Klasse hat, zwei oder als zwei sind‘s meistens nicht, das man sagt: "Eine Expertengruppe, noch ne Expertengruppe, ihr habt so ne Art Steuerfunktion, schaut mal drüber! "“ (Z. 209-214) Sie gibt ein weiteres Beispiel und berichtet von einer Schülerin mit Muttersprache Englisch, bei der sie habe feststellen müssen, dass das Erklären eines intuitiv korrekt verwendeten Grammatikphänomens in Englisch, der Muttersprachlerin nicht automatisch leicht fiel: „[…] wenn sie Muttersprache Englisch sind, dass sie ja dann selbst erst mal überlegen müssen, wie ist denn eigentlich die Regel in meiner Muttersprache […]“ (Z. 175-177) und: „Also das ist dann auch noch für sie noch mal ne Aufgabe. Sie können das nicht einfach so, sondern müssen auch da noch mal überlegen.“ (Z. 179-180). Sie findet diese Methode des „Lernen durch Lehren“ (Z. 180-181) „ne spannende Sache“ (Z. 184). Schülerinnen und Schüler hätten durch den Englischunterricht ein strategisches Repertoire entwickelt, aufgrund dessen sie Einiges über das Funktionieren der Sprache gelernt und außerdem erkannt hätten, dass Grammatik zu lernen sei. Beim Erlernen des Französischen als zweite Fremdsprache hätten die Lernenden durch strukturelle und lernstrategische Vorkenntnisse Vorteile (Z. 125-130): „[…] es ist ne andere Sprachfamilie, das ist schon klar. Aber die Strategien, die Worterschließungsstrategien, das Vokabellernen, wie ne Sprache an und für sich aufgebaut ist, dass man auch Grammatik lernen muss. Also da profitieren sie dann natürlich schon von dem, was sie in Englisch können“ (Z. 126-129). Davon profitierten ebenfalls die Schülerinnen und Schüler, wenn sie Spanisch als dritte Fremdsprache lernen: „Und wenn sie Spanisch als dritte Fremdsprache machen, ist es natürlich super, weil dann können sie auf die Kenntnisse aus dem Französischen zurückgreifen.“ (Z. 129-131) Zu der herkunftssprachlichen und -kulturellen Vielfalt berichtet sie von einer fünften Klasse in Englisch, in der sie den Schülerinnen und Schülern den Auftrag erteilt habe, ihre Traumgeburtstagsfeier zu beschreiben. Eine muslimische Schülerin habe die Aufgabe nicht erledigt, weil in ihrem Kulturkreis respektive ihrer Familie keine Geburtstage gefeiert würden: „Und der Arbeitsauftrag war: „Schreibe deine, deine Traumgeburtstagsfeier.“ Und ich hab erkannt, dass sie da saß und nichts machte. Und ich gefragt hab: "Warum schreibst du denn nichts? " Und sie sagte: "Na ja, wir feiern gar keinen Geburtstag."“ (Z. 189-192) Die Lehrerin macht ihr mea culpa: „Und das ist natürlich was, was ich dem Moment, was ich vorher nicht bedacht hatte“ (Z. 192-193) und erzählt, sie habe daraus gelernt, zukünftig den Arbeitsauftrag offener zu formulieren: „Aber den nächsten Arbeitsauftrag würde ich dann eben anders, offener formulieren und würde sagen: "Beschreibe ein Fest deiner Wahl, wie das möglicherweise be- 6.12 Katrin Drewes 263 sonders schön sein könnte! ““ (Z. 196-197). Sie habe die Wichtigkeit erkannt, die Arbeitsaufträge offen(er) zu formulieren, um Unannehmlichkeiten für beide Seiten aus dem Weg zu räumen: „da bin ich da mal auf die Nase gefallen, aber beim nächsten Mal würd ich, würd ich das dann weiter öffnen.“ (Z. 202-203) Was ihre Zielsetzung beim Fremdsprachenlernen angeht, erklärt sie als wichtigstes Ziel die Diskursfähigkeit im Zielsprachenland: „Kinder, verständigt Euch! “ (Z. 269). Sie bemängele sehr, dass in der Schule auf hundertprozentige Sprachkorrektheit - der „Fehlerquotient“ wird von ihr als „grauenvoll“ bezeichnet (Z. 247-248) - und nicht auf die Sprachintention Wert gelegt werde: „[…] und da find ich, muss sich in der Schule noch einiges tun, dass man wirklich sagt die Diskursfähigkeit, message first, wie’s im Englischen heißt. Dass das wirklich im Vordergrund steht.“ (Z. 255-257) Die jeweilige Redeabsicht habe im Vordergrund zu stehen, vor dem Anstreichen irgendwelcher Fehler. Allerdings würden die Kolleginnen und Kollegen nicht dieselbe Meinung vertreten, so sei ihre Beobachtung in Fortbildungen: „"Ja, aber das ist doch falsch, das muss ich doch anstreichen! "“ (Z. 263-264). Sie erhoffe sich die Abschaffung des Fehlerquotienten durch die Orientierung an Kompetenzen. Durch das kompetenzorientierte Unterrichten, welches auf Redeabsichten abziele, sei dies der hoffentlich künftige Weg: „[…] Und das ist, glaub ich, das, die Richtung, in die wir dann auch so künftig, hoffentlich, gehen werden.“ Z. 268-269). Im kompetenzorientierten Fremdsprachenunterricht sei es ihr essenziell, dass die Schülerinnen und Schüler sich verständigten, dass sie ein Wort nachschlagen könnten, wenn sie es ihnen unbekannt sei, und dass sie sich nicht auf Fehler fixieren: „„Wisst, wo ihr’s nachschlagen müsst. Wenn ihrs denn mal nicht wisst, aber versteift euch da nicht auf, auf den Fehlerquotienten, der hoffentlich bald mal endlich abgeschafft wird."“ (Z. 270-271) Um die Diskursfähigkeit zu erreichen, müssten die Kompetenzen mit Hilfe von Lernaufgaben (Z. 276-278 und Z. 282-283) ausgebildet und die kommunikativen Ziele mit den Lernaufgaben verbunden werden, damit die Lernenden einen Sinn in den Aufgaben erkennen. Als Beispiel nennt sie die Vorbereitung auf die Ankunft der Austauschschülerinnen und -Schüler: ihre Lernenden seien dann entsprechend in der Lage, sprachlich zu agieren: „Dann wissen die Schüler: "Okay, das ist mein sprachliches Ziel. Dafür brauch ich die und die und die Grammatik."“ (Z. 285-286) Wichtig sei für die Schülerinnen und Schüler, dass sie das Ziel einer Aufgabe erkennen könnten, die auf ihre Bedürfnisse ausgerichtet ist, und die nicht nur erledigt werde, weil der Lehrplan es besagt: „Also, wenn die Schüler da wirklich das Ziel sehen und auch ne Notwendigkeit und es für die Schüler relevant ist 264 6. Die Hauptstudie-- Einzelfalldarstellungen und es in ihrem Horizont sich befindet und dann hat es auch ne ganz andere, n ganz anderes Gewicht für die Schüler. Machen sie viel lieber mit […].“ (Z. 295-298). Sie zieht eine Art Fazit über ihr Vorgehen: „Also Lernaufgaben und Ausbildung der Kompetenzen, das wär so das Vorgehen.“ (Z. 288) 6.12.3 Anregungen und Änderungsvorschläge Auf den Impuls durch die Interviewerin - über das aufgenommene Gespräch hinaus - , sie möge vielleicht noch ein wenig über Verbesserungen im Sinne der Mehrsprachigkeit nachdenken, antwortet sie lediglich mit einer Gegenfrage, indem sie im Anschluss an das aufgenommene Gespräch fragt, wie diese in der Praxis funktionieren würde: „Schön. Gut! Aber wie geht’s? Und das ist dann die Frage, weiß nicht, seid ihr da ’ner Antwort näher oder kannst du da? “ 6.12.4 Zusammenfassung ihrer Einstellungen Ähnlich wie Frau Mayr (vgl. Kapitel 6.7) hat auch Frau Drewes sehr genaue Vorstellungen von den erlernten Schulfremdsprachen ihrer Schülerinnen und Schüler und trennt sehr genau zwischen Schulfremdsprachen und Herkunftssprachen. Sie beschreibt sehr deutlich, dass Lernende, durch ihre strukturellen und lernstrategischen Vorkenntnisse, beim Erlernen weiterer Fremdsprachen Vorteile hätten. Allerdings fällt auf, dass die herkunftssprachliche Mehrsprachigkeit weniger deutlich im Fokus ihrer Erzählungen steht. Frau Drewes kritisiert sehr stark die Orientierung des Fremdsprachenunterrichts am Fehler und am Fehlerquotient. Ihr Ziel sei die Diskursfähigkeit und der Satz „message first“ (Z. 256) gelte für sie. Sie vertritt auch deutlich die Aufgaben- und Kompetenzorientierung beim Fremdsprachenlernen, was sich auch aus Studien- und Forschungsschwerpunkten der Fremdsprachendidaktik an der Universität Gießen erklären lässt. Die sprachenpolitischen Diskussionen zur Mehrsprachigkeit hingegen scheinen ihr nicht geläufig zu sein und aus ihrer Gegenfrage zu Verbesserungen in diesem Bereich spricht eine tiefe Skepsis und Unsicherheit, wie derartige Ziele zu verwirklichen sein könnten. Intuitiv scheint Frau Drewes in ihrem Fremdsprachenunterricht Etliches von dem zu praktizieren, was in den Forschungsdiskursen zur Mehrsprachigkeit gefordert wird, dennoch sei sie unsicher, ob ihre Praxis dem entspreche. Die Lehrkraft ist offen für den kulturellen Hintergrund ihrer Lernenden und schildert vorbehaltlos ihre Bereitschaft, aus den Erzählungen der Schülerinnen und Schüler zu lernen. Weiterhin berichtet sie über die Schwierigkeiten einer 6.12 Katrin Drewes 265 native-speaker, die Muttersprache grammatisch-analytisch beschreiben und erläutern zu können. In der kontrastiven Spracharbeit nutze sie Interferenzen positiv, sowohl im lexikalischen als auch im grammatischen Bereich. Allerdings lässt sich aus ihren Erzählungen nicht einschätzen, inwieweit ihr kontrastives Vorgehen nachhaltig oder nur punktuell in ihrem Fremdsprachenunterricht realisiert wird. Wer sich in der Multikulturalität zurechtfindet, wer sie verstehen, wer Streit schlichten, wer Brücken bauen kann, das ist der mehrkulturelle Mensch. Das sind Menschen, die gelernt haben, über den Tellerrand ihrer eigenen Kultur hinauszuschauen, sich über andere zu informieren, die eigene Position kritisch in die Betrachtung einzubeziehen und zu versuchen, Fremdes und Fremde zu verstehen. (Herbert Christ 2015 [2011†]: 127) 7. Gesamtauswertung der Ergebnisse der Lehrerinterviews Die vorliegende Arbeit hat es sich zum Ziel gesetzt, einen Einblick in die Binnensicht einer ausgewählten Gruppe von gymnasialen Fremdsprachenlehrerinnen und -lehrern zu ermöglichen und ihre Einstellungen zur Mehrsprachigkeit aufzuzeigen. In einer Vorstudie hatte ich mich dem Feld genähert und dreizehn fragengeleitete Interviews führen können. Die Einzeldarstellungen der Äußerungen dieser Interviewpartnerinnen und -partner habe ich im Kapitel 5 zusammenfassend dargestellt. Aus den dort geäußerten Einstellungen konnte ich wichtige Fragestellungen für die Hauptstudie fokussieren, die dann in die Realisierung von insgesamt 21 leitfragengeleiteten, narrativen Interviews mündete. Aus diesem zweiten Korpus habe ich zwölf Einzelfallanalysen im Kapitel 6 vorgelegt. Beide Datenkorpora stellen die Basis für die Gesamtauswertung dar. Dabei haben die befragten Lehrkräfte mit Hilfe der Interviews eine Momentaufnahme ihrer Praxiserfahrungen mit den von ihnen unterrichteten Sprachen dargestellt und ihre Einstellungen hierzu geäußert. Einschränkend muss wiederholt werden, dass mir nur die Äußerungen über die Praxis der befragten Lehrpersonen, nicht aber die Beobachtung eben dieser Praxis vorliegen (vgl. Kapitel 4.6), hierzu hat die DESI -Studie (2008) bereits den Weg mit der „Videostudie des Englischunterrichts“ vorgezeichnet. Die Gesamtproblematik der Validität der entsprechenden Aussagen bleibt damit ungelöst. Allerdings ist die Narration über die eigene Unterrichtspraxis ebenfalls ein persönliches Datum, das in die Auswertung einfließen soll. Es ist der persönliche Lebensentwurf unter dem Fokus „Lehrepersönlichkeit“, den die Interviewpartnerinnen und -partner erzählend entwickeln. Über die Bedeutung dieser Narration sagt Jürgen Habermas (1988): „Die Erzählung ist eine spezialisierte Form der konstativen Rede, die der Beschreibung von soziokulturellen Ereignissen und Gegenständen dient. Ihren narrativen Darstellungen legen die Aktoren ein Laienkonzept der „Welt“ im Sinne der Alltags- oder Lebenswelt zugrunde […] Die Erzählpraxis […] hat auch eine Funktion für das Selbstverständnis der Personen, die ihre Zugehörigkeit zu der Lebenswelt, der sie in ihrer aktuellen Rolle als Kommunikationsteilnehmer angehören, objektivieren müssen. Sie 268 7. Gesamtauswertung der Ergebnisse der Lehrerinterviews können nämlich eine persönliche Identität nur ausbilden, wenn sie erkennen, daß die Sequenz ihrer eigenen Handlungen eine narrativ darstellbare Lebensgeschichte bildet; […]“ (Habermas 1988: 206; Hervorhebungen im Text) Hierauf weist Jerome Bruner (1991) hin, der die Erzählung als zentrales Moment der Selbstkonstruktion untersucht, die sich weitgehend möglicher Falsifizierung entzieht. In diesem Sinne ist jedes einzelne Zitat aus den Interviews - für sich genommen - eine valide Aussage. „As I have argued extensively elsewhere, we organize our experience and our memory of human happenings mainly in the form of narrative—stories, excuses, myths, reasons for doing and not doing, and so on. Narrative is a conventional form, transmitted culturally and constrained by each individual's level of mastery and by his conglomerate of prosthetic devices, colleagues, and mentors. Unlike the constructions generated by logical and scientific procedures that can be weeded out by falsification, narrative constructions can only achieve "verisimilitude." Narratives, then, are a version of reality whose acceptability is governed by convention and "narrative necessity" rather than by empirical verification and logical requiredness, […]“ (Bruner 1991: 4) Dennoch bleibt der Antagonismus zwischen tatsächlichem Handeln und dem eigenen Anspruch an das Handeln erhalten, der auf einer weiteren Ebene durch mögliche Erwünschtheitsannahmen in der Interviewsituation überlagert wird. In ihrer Untersuchung aus dem Jahr 1994, in der sie sowohl Einstellungen über einen Fragebogen als auch Unterrichtsbeobachtungen verwenden konnte, weist Ingrid Gogolin auf diesen Widerspruch hin: „Wäre es beim globalen Eindruck aus der „Einstellungsbefragung“ geblieben, so müßte man annehmen, daß Lehrerinnen und Lehrer wagemutiger, innovationsfreudiger sind, als sich dies im Fall der Praxis zeigt. […] Die Einschränkungen ihrer Handlungsmöglichkeiten oder ihrer Phantasien, die sie selber formulierten, drehen sich beinahe folgerichtig oft darum, ihr praktiziertes Handeln mit ihrer Sicht der Bedingungen der Praxis zu konfrontieren und somit die Legitimationen für das vorzustellen, was sie sich „realistischerweise“ zu tun oder auszumalen erlauben.“ (Gogolin 1994: 259; Hervorhebungen im Text) Die Individualität der einzelnen Lehrpersonen soll hier weder absolut gesetzt noch in einer Gesamtschau nivelliert werden. Vielmehr gilt es, kategoriengeleitet, sowohl Gemeinsamkeiten als auch unterschiedliche Sichtweisen darzustellen, um abschließend ein facettenreiches Bild möglicher Einstellungen von Fremdsprachenlehrkräften zum Thema Mehrsprachigkeit zu zeichnen. Insofern ist die vorliegende Studie in ihrer explorativen Ausrichtung zunächst weitgehend deskriptiv angelegt, um die Situation im Feld - hier Einstellungen 7. Gesamtauswertung der Ergebnisse der Lehrerinterviews 269 der Fremdsprachenlehrenden zur Mehrsprachigkeit - überhaupt erst darstellen zu können. Dem verlockenden Anspruch an die qualitative Forschung nach verallgemeinernden, typisierenden Ergebnissen kann gerade deshalb hier nicht entsprochen werden (vgl. Kapitel 4), auch wenn punktuell ein überindividuelles Gemeinsames erkennbar sein sollte, das am Ende dieser Gesamtauswertung in stark verkürzter Thesenform zu präsentieren sein wird. Ähnlichkeiten und wiederkehrende Gemeinsamkeiten deuten auch auf eine gewisse theoretische Sättigung der Daten (vgl. Merkens 2005) hin, die wegen Reliabilität der Forschung durchaus gewollt ist. Ich bin mir auch bewusst, dass es keineswegs einen direkten Schluss zwischen den Einstellungen zur Mehrsprachigkeit, Äußerungen zur eigenen Unterrichtspraxis und den eigenen sprachlernbiografischen Daten der befragten gymnasialen Fremdsprachenlehrkräfte geben kann. Die Interdependenz dieser Variablen stand in der vorliegenden Arbeit nicht im Fokus. Die miterhobenen Daten zu den eigenen Sprachlernbiografien der Lehrkräfte können das Bild illustrieren, dürfen aber nicht im Sinne einer „wenn-dann“ (vgl. Raithel 2008: 14 f.) Beziehung gelesen werden. Etwa in dem Sinne: „immer gute Schülerin in Französisch gewesen, also verlange ich besonders viel von den Schülern“. Weder ein derartiger Determinismus („they teach as they were taught and not as they were taught to teach“; Altman 1983: 24) noch überhaupt eine Probabilitätsbeziehung können seriös hier konstruiert werden (vgl. Raithel 2008). Eventuelle Beziehungen zwischen geschilderter Praxis und eigener Biografie müssen hypothetisch bleiben; sie werden hier hauptsächlich eine fragengenerierende Funktion haben. Gleiches gilt für das Selbstbild als Fremdsprachenlehrerin und -lehrer, über das uns das Narrativ natürlich Hinweise gibt. Betrachtet man die bildungspolitische und auch fachdidaktische, theoretische Diskussion zum Thema Mehrsprachigkeit, die seit mehreren Jahrzehnten währt, so lässt sich leider feststellen, dass die „Reaktionszeit“ (vgl. Leiprecht & Kerber 2005: 7) im institutionalisierten Kontext durchaus langsam ist, bis mit Konzepten und entsprechenden Veränderungsvorschlägen auch bildungspolitisch-curricular umgegangen wird. Beispielhaft kann dies am Lehrplan PLUS von 2016 für das bayerische Gymnasium gezeigt werden (vgl. ISB 2017), der lediglich dürftige Hinweise auf Mehrsprachigkeit liefert, dazu Thaler (2016): „Im neuen LehrplanPlus, der 2016 für alle Schularten in Bayern veröffentlicht wird, lassen sich nur spärliche Hinweise auf Mehrsprachigkeit entdecken. So wird beispielsweise im LehrplanPlus für das Gymnasium […] der Begriff Mehrsprachigkeit im Bildungs- und Erziehungsauftrag, in den übergreifenden Bildungs- und Erziehungszielen und in den grundlegenden Kompetenzen ( Jahrgangsstufenprofile) nicht erwähnt.“ (Thaler 2016: 186 f.) 270 7. Gesamtauswertung der Ergebnisse der Lehrerinterviews Beide Studien - Vor- und Hauptstudie - haben gezeigt, dass insgesamt eine nur geringe Rezeption neuerer, fachdidaktischer und vor allem auch sprachenpolitischer Ansätze bei den Beteiligten erkennbar wurde, dass aber viele Ansätze aus eben dieser Forschung durchaus umgesetzt werden. Punktuell gehörten sprachvergleichende Phasen und Herleitungen aus dem Lateinischen oder anderen romanischen Sprachen schon immer zum gymnasialen Methodenrepertoire. So beschreibt Werner Arnold in seiner „Fachdidaktik Französisch“ von 1973 die Wortschatzarbeit in ihrer gesamten semantisierenden Breite unter Einschluss des zwischensprachlichen Vergleichs: „Auch die Kategorien der Wortschatzstrukturierung können als Gesichtspunkte für den reflektierenden Umgang mit dem sprachlichen Teilbereich „Wortschatz“ wieder aufgenommen werden: Feldstrukturen in exemplarischen Analysen und Konstruktionen; das Einzellexem in seinen synonymischen, antonymischen, polysemischen, kollokativen, konnotativen Bezügen; ‚mots généraux’ und ‚mots de civilisation’ (unter Einbeziehung des zwischensprachlichen Vergleichs).“ (Arnold 1973: 270; Hervorhebungen im Text) Wolfgang Butzkamm (1989) vertritt eine ähnliche Position in der Wortschatzvermittlung, indem er über die Wortverwandtschaften reflektiert: „Wer die Schüler in sein Museum geheimnisvoller Etymologien und überraschender Wortverwandtschaften einlädt, darf sie nicht überfüttern. Persönlich habe ich aber nie gespürt, daß ich die Schüler mit der Aufdeckung der Beziehungen der fremden Sprachen zur Eigensprache gelangweilt hätte. […] Gute Sprachenschüler, so stellte eine kanadische Studie fest, versuchen von sich aus, das Neue möglichst vielfältig mit Vorhandenem zu verbinden.“ (Butzkmann 1989: 198) Fragen nach der Kenntnis neuerer fachdidaktischer und theoretischer Ansätze der Fremdsprachenlehrforschung - auch Fragen nach dem GER - wurden von den Teilnehmerinnen und Teilnehmern der Vorstudie, ähnlich Examensfragen, als invasiv und unangenehm empfunden, weil sie Unzulänglichkeitsvermutungen bei ihnen auslösten. Diese Ergebnisse der Vorstudie: wenig Kenntnis der aktuellen fremdsprachenpolitischen Diskussion zu Mehrsprachigkeit bei den Befragten und geringe Implikation in aktuelle fremdsprachendidaktische Diskussionen zu Mehrsprachigkeit führten dazu, das narrative Interview der Hauptstudie nicht direkt auf diesen Themenkreis auszurichten, sondern den Interviewpartnerinnen und -partnern eine offene Impulsfrage nach Veränderungsvorschlägen in Ausbildung und Schulpraxis unter dem Aspekt der Mehrsprachigkeit anzubieten. Aufgrund der inhaltlich sehr dichten und auf das Untersuchungsthema fokussierten Aussagen aus der Vorstudie lassen sich Einstellungen dieser Lehrenden für die Interpretation der Ergebnisse der Hauptstu- 7.1 Beruflicher Werdegang und berufliches Selbstbild 271 die punktuell mit nutzen, was die Datenbasis insgesamt verbreitert. Die Interviewpartnerinnen und -partner der Vorstudie entwarfen zunächst ihre eigenen Sprachlernbiografien, um dann in der Folge über ihre Einstellungen zur Mehrsprachigkeit zu erzählen. Das aus diesem Narrativ entwickelte Kategorienraster fließt ebenfalls punktuell in die Gesamtauswertung mit ein, sofern sie die Forschungsfragen der Hauptstudie berühren. Um die Auswertung zu strukturieren, werde ich als Raster die Forschungsfragen wieder aufnehmen und innerhalb dieser das durch die Interviews induzierte Kategoriensystem als Ordnungsinstrument benutzen. 7.1 Beruflicher Werdegang und berufliches Selbstbild der gymnasialen Fremdsprachenlehrkräfte 7.1.1 Beruflicher Werdegang In diesem ersten Abschnitt erfolgt zunächst die Darstellung des beruflichen Werdegangs der befragten gymnasialen Fremdsprachenlehrkräfte. Diesbezüglich lassen sich zwei Kategorien herausarbeiten, die im Folgenden näher betrachtet werden: 1) prägende Erlebnisse und 2) Lehrer/ in auf Umwegen. 1) Prägende Erlebnisse In dieser ersten Hauptkategorie werden teilweise sehr detailliert persönliche Motive und Aspekte benannt und expliziert, die in einem ersten Schritt für alle Lehrkräfte markant und ausschlaggebend für die Beschäftigung mit fremden Sprachen gewesen waren. Diese Aspekte lassen sich in drei Unterpunkte aufteilen, auf die näher eingegangen wird. Recht auffallend ist, dass die Entscheidung über die zukünftige Berufswahl bereits in der Schulzeit gelegt wurde, dadurch, dass manche Lehrkräfte angeben, (sehr) gute Schüler gewesen zu sein und entsprechende Leistungen - hier in Hinblick auf die Fremdsprachen - erbrachten (Rieder, Kaufmann, Hartmann, Kallmayer und Drewes) und überdies die Schule als positiven (Lern-)Ort erlebt haben (Rieder). Über die sehr guten Schülerleistungen hinaus verweisen sie in diesem Zusammenhang auf Gefühle wie ihre Leidenschaft (Peréz Sanchez, Kaufmann und Hartmann) bzw. ihr Talent für Fremdsprachen (Schrader), die sich recht frühzeitig herausgestellt hätten. Ein weiterer wichtiger Aspekt der von den Interviewpartnern als grundlegend für die Studien- und Berufswahl genannt wurde, bilden die persönlichen Erlebnisse, die sie in ihrer Freizeit außerhalb der Schule erfahren haben. In diesem Zusammenhang erzählen zwei von ihnen recht ausführlich und emotional begeistert von frühzeitiger Konfrontation mit anderen Sprachen und Kulturen, 272 7. Gesamtauswertung der Ergebnisse der Lehrerinterviews die für sie ein (ganz) spezielles Ereignis darstellten (Mühlbauer, Peréz Sanchez). Dieses besondere Erlebnis ginge zurück auf die Zeit ihrer Adoleszenz, in der sie entweder gerade mit dem Erlernen der ersten Fremdsprache (Englisch) begonnen hatten oder die Wahl von Folgesprachen womöglich noch offen stand. Dass sie mit rudimentären Anfängerkenntnissen bzw. Null-Kenntnissen authentischen Muttersprachlern in der Freizeit begegneten, ohne sich auf eine Unterhaltung mit dem ausländischen Partner einlassen zu können, sei der Beweggrund dafür gewesen, so die Lehrerinnen, die jeweilige Fremdsprache zu lernen, um künftig in der Lage zu sein, andere Kulturen kennenzulernen und die entsprechende Fremdsprache zu beherrschen: „Des will ich können“ (Mühlbauer, Z. 12). Peréz Sanchez formuliert dieses damalige hilflose Gefühl folgendermaßen: „das passiert mir nicht noch mal“ (Z. 65). Ähnliche Erfahrungen macht eine andere Lehrerin, als sie - von den USA aus, wo sie sich ein Jahr lang zum Arbeiten aufhielt - eine einwöchige Reise nach Mexiko unternimmt, ohne Spanisch mit den Autochthonen sprechen zu können und somit die Möglichkeit zu haben, in der Sprache der dortigen Menschen deren Kultur näher kennen zu lernen (vgl. Mayr, Z. 23). Insbesondere wird in den Berichten dreier Fremdsprachenlehrkräfte über ihre zahlreichen Auslandserfahrungen berichtet, die in Form von Sommeraufenthalten und Tätigkeiten als Au-Pair Mädchen in England (Kallmayer) oder auch eines (längerer) Aufenthalts in Spanien (Scholl, Mayr) als prägende Erlebnisse für die Motivation und die darauf folgende Entscheidung über das spätere Sprachstudium gelten können. Nicht zuletzt haben für zwei der befragten Lehrerinnen eindrucksvolle Lehrerpersönlichkeiten - sei es in der Schulzeit oder während des Studiums - eine bedeutende Rolle (Rollenmodelle: Rieder) gespielt. Dies drückt sich dahingehend aus, dass eine Interviewpartnerin berichtet, ihrer damaligen Englischlehrerin, der sie großes Vertrauen schenkte, ihre derzeitige Fächerkombination zu verdanken habe. Dies insofern als diese ihr wohlgesonnene, vorausblickende, zukunftsweisende Ratschläge erteilt habe (Rieder). Aus ihren Erzählungen wird deutlich, dass sie ihr heute immer noch dankbar zu sein scheint. In ähnlicher Weise drückt sich eine weitere Lehrerin aus: während ihres Studiums sowie im Referendariat hätten zwei Italienisch- Dozentinnen eine anscheinend bedeutende Vorbildfunktion übernommen. Ohne Einzelheiten zu erläutern, inwiefern die Dozentinnen in den Augen und nach persönlichem Empfinden der angehenden Lehrerin besonders erfolgreich und vorbildlich waren, bleibt sie recht lakonisch und berichtet pauschalisierend, sie habe von ihnen „Vieles übernommen“ (Pini, Z. 469 f.). Die Äußerungen zu diesen Erfahrungen lassen vermuten, dass die Lehrerin auf das variationsreiche, methodische Repertoire sowie aller Voraussicht nach auch die angenehme, empathische Persönlichkeit der überdurchschnittlichen Lehrpersonen abhebt (vgl. Pini, Z. 472-473). Es kann hier sicherlich angenommen werden, dass die Lehrerin ihr Vorbild weiterhin in ihrer täglichen Unterrichtspraxis nachzuahmen trachtet. 7.1 Beruflicher Werdegang und berufliches Selbstbild 273 Die große Vielfalt der Antworten auf die erstgenannte Frage nach der Studien- und Berufswahl der Fremdsprachenlehrkräfte hat eine unerwartete Erkenntnis gezeitigt, wonach die Entscheidung, den Lehrerberuf einzuschlagen, von keiner befragten Lehrperson vorgeplant war. Keiner der befragten Fremdsprachenlehrer bekennt sich zu einer Art Berufung aus der Kindheit oder Jugendzeit, Fremdsprachenlehrer zu werden und die den Weg während der Schulzeit bereits vorprogrammiert und bestimmt hätten. Vielmehr profilieren sich zahlreiche, biographisch später einsetzende Einflussfaktoren als Berufswahlmotive, die im nächsten Abschnitt näher betrachten werden. 2) Lehrer/ in auf Umwegen Wie bereits dargelegt, berichten die Fremdsprachenlehrkräfte, dass sie sich für den Lehrerberuf nicht notwendigerweise frühzeitig interessiert hätten und dies auch nicht primär bei der Wahlentscheidung über das Studium entscheidend war. Diese Subkategorie habe ich demzufolge „Lehrer/ in auf Umwegen“ genannt, die wiederum sieben zum Teil konvergierende Lehreräußerungen beinhaltet. Sie zeigt somit durchaus den unebenen, nicht-direkten und nicht-linearen Weg, dem alle befragten Lehrkräfte bis zur Ausübung ihres Berufs gefolgt sind. In den Erzählungen der Interviewpartnerinnen und -partner fällt auf, dass beinahe die Hälfte von ihnen ausführt, „Lehrer/ in zu sein; Lehrer/ in zu werden“ sei keine Berufung (Heilmann) oder noch kein vorrangiges Ziel für ihre professionelle Zukunft gewesen (Scholl, Kaufmann, Drewes, Mayr, Pini). Eine Lehrerin - Frau Schrader - erzählt dazu, dass der Lehrerberuf nach ihrem Empfinden und Erleben - aufgrund der gesellschaftlichen Geringschätzung - mit keinem positiven Image behaftet gewesen und deshalb nicht in Erwägung gezogen worden sei. Aus ihren Erzählungen kann man vermuten, dass sich ihre zutiefst verinnerlichte Denkweise und ihr Lehrerbild erst zu einem späteren Zeitpunkt durch die sehr erfreulichen und persönlichkeitsbildenden Erfahrungen in der Erwachsenenbildung in Amerika umfassend verändert haben. Lediglich Frau Mühlbauer berichtet, sie wisse bereits seit ihrer Einschulung, dass sie Lehrerin werden wollte (vgl. Z. 9-10), auch wenn die ursprüngliche Vorliebe dem Fach Kunst gegolten habe. Drei weitere Fremdsprachenlehrkräfte bringen zum Ausdruck, dass sie gerne eine Arbeit ausüben wollten, in der die Sprachen, für die sie per se begeistert waren, einen wichtigen Platz einnehmen sollten. Dies verdeutlichen sie folgendermaßen: „Irgendetwas mit Sprachen“ und „Auf jeden Fall was mit (Fremd-)Sprachen“ (Heilmann, Rieder und Mayr). Der Kontakt mit Menschen und die Kommunikation mit anderen Personen sind in diesem Zusammenhang für eine Mehrzahl der befragten Lehrpersonen das geäußerte Motiv für den Berufswunsch, das sich nicht von vorne herein etabliert, sondern mit der Zeit - auch mit Hilfe professioneller Beratung - profiliert und präzisere Konturen angenommen habe (z. B. Heilmann). Rieder verdeutlicht dies durch die Erzählung, wonach sie dank der zahlreichen, erteilten Nachhilfestunden während ihrer 274 7. Gesamtauswertung der Ergebnisse der Lehrerinterviews Schulzeit in den Lehrerberuf „so ein bisschen hinein geschmeckt“ (Z. 13) und sich ihren Berufswunsch somit konsolidiert habe. Das Desideratum nach interaktiver, fremdsprachlicher Kommunikation illustriert Lehrerin Mayr mit einem Beispiel aus ihren Erfahrungen in der Jugendarbeit als Gruppenleiterin. Ihre hierbei gesammelten Erfahrungen hätten den Grundstein für die spätere Arbeit als Lehrerin gelegt: „es war die Richtung klar“ (Z. 34), auch wenn sie sich nicht sicher sein konnte, ob sie für den Lehrerberuf geeignet sei oder nicht. Ähnlich geht es Frau Hartmann, für die eine Arbeit mit Sprachen hinter vier Wänden - sozusagen ein “Bürojob“ - undenkbar und ausgeschlossen gewesen sei. Lediglich die gesprochenen Fremdsprachen in Verbindung mit interpersonellen Beziehungen seien unersetzlich (Hartmann, Z. 14 f.). Die Vorstellung für drei Fremdsprachenlehrkräfte - anderen Menschen Wissen mit Bravour, gekonnt und talentiert zu vermitteln, sie zum Kennenlernen anderer Kulturen und zum Sprechen mit nachhaltiger, lebenslanger Auswirkung zu animieren - sei eine großartige Aufgabe, für die sich der Beruf des Fremdsprachenlehrers lohne und auch Anerkennung brächte (Mühlbauer, Peréz Sanchez und Scholl). Der Fremdsprachenlehrer Scholl spricht seinerseits in diesem Zusammenhang von einem starken Missionsbedürfnis, das er empfunden habe (vgl. Z. 17 f.). All diese von den befragten Lehrkräften genannten, recht unterschiedlichen, individuellen Erfahrungen unterstreichen die Bemühungen um eine interaktive Arbeit im Kontakt mit Fremdsprachenlernenden, in welcher sie ihre Kenntnisse weiter geben können; der Lehrerberuf als einziger Weg, um diese Wünsche zu erfüllen (Hartmann). Daher erübrigt sich für die Hälfte der Lehrerinnen der Übersetzer- und Dolmetscher-Beruf, den sie zwar anfangs noch erwogen, aber letztendlich entweder aufgrund demotivierender, entmutigender Dozentenberatungen (Rieder) oder der einsamen, wenig kommunikationsbasierten Arbeit in einer Firma (Heilmann) umgeworfen hätten. Einen nächsten, wichtigen Faktor für die Berufsentscheidung bilden Ermutigungen, Ansporn und Bestätigungen der ausgeübten Tätigkeit entweder in der Ausbildungsphase (Scholl, Drewes) durch Dritte in Form von erfahrenen, im Beruf etablierten Personen, denen die Ausbildung der angehenden Lehrer anvertraut worden war, oder auch von gleichgestellten Kolleginnen und Kollegen: „Das ist dein Platz“ (Schrader, Z. 52 f.). In der letzten Subkategorie berichtet Lehrerin Schrader, der Lehrerberuf habe es ihr ermöglicht, ihre Familiensituation nach vier Jahren USA -Aufenthalt als alleinerziehende Mutter normal weiterzuführen. In diesem Abschnitt war es das Ziel, Licht in die Motive über die Berufsentscheidung der befragten Lehrkräfte zu bringen. Hier zeigte sich, dass ein langer Prozess an Überlegungen stattgefunden hat. Aus den Gesprächen kommt fast immer hervor, dass die zielsprachliche Kultur und die authentische Kommunikation mit anderen Menschen der jeweiligen Zielsprache das Hauptmotiv darstellten und fortwährend im Mittelpunkt ihrer beruflichen Überlegungen gestanden 7.1 Beruflicher Werdegang und berufliches Selbstbild 275 haben. Teilweise haben die Lehrkräfte in verschiedenen Altersphasen, im Laufe ihrer persönlichen Entwicklung, vielfältige Formen des Experimentierens und Testens mit dem Unterrichten - auch in anderen Institutionen - erleben dürfen. Studien aus der empirischen Lehrerbildungsforschung (vgl. z. B. Enzelberger 2001: 241; Foerster 2008: 117; Özkul 2011: 166ff.) belegen ähnliche Resultate wie die eben exponierten Ergebnisse aus meiner Studie zum beruflichen Werdegang, wonach es kein alleiniges Motiv für die Lehrerberufswahl gibt. Vielmehr handelt es sich um eine Kombination zweier Hauptmotive: einerseits um intrinsische Motive, die beispielsweise in verschiedenen persönlichen Voraussetzungen fußen und in der Berufsausübung selbst liegen und multifaktorielle extrinsische Gründe. Prägende Erlebnisse Lehrer/ in auf Umwegen Studien- und Berufswahl 1) Gute/ r Schüler/ in, Leidenschaft für Sprachen, Talent 2) Freizeiterlebnisse, Auslandserfahrungen 3) Lehrervorbilder 1) Kein vorrangiges Ziel 2) Etwas mit Sprachen 3) Kontakt mit Menschen, Erfahrungen in der Jugendarbeit 4) Wissen, Sprache und Kultur vermitteln 5) Übersetzer-/ Dolmetscher-Beruf umgeworfen 6) Ansporn durch Dritte 7) Vereinbarung mit Familie Tab. 8: Synopse - Beruflicher Werdegang der Fremdsprachenlehrkräfte 7.1.2 Berufliches Selbstbild und Einstellungen zum Lehrerberuf In diesem zweiten Teil zum beruflichen Selbstbild und den Einstellungen zum Lehrerberuf haben sich aus den Lehreräußerungen zwei Hauptkategorien herauskristallisiert, die im Folgenden genauer untersucht werden. Ich habe sie mit „Freude und Begeisterung“ und „gemischte Gefühle“ benannt. 1) Freude und Begeisterung Diese erste Hauptkategorie beinhaltet insgesamt zwei essenzielle Aspekte, die sich in „persönliche Faktoren“ und „berufliche Rahmenbedingungen“ untergliedern lassen. Auf den ersten Teil der Frage antworten zehn der zwölf befragten Lehrpersonen recht ex tempore, dass ihnen der Lehrerberuf im Wesentlichen (Kaufmann) Freude und Begeisterung bereite, den sie sehr gerne ausübten, oder gar in hohen Tönen benennen: „toller Beruf, definitiv“ und „uneingeschränkt“ (Mühlbauer, Kallmayer). Lehrerin Rieder, beispielsweise, merkt dazu allgemein an, dies sei „die richtige Entscheidung“ gewesen, als sie das Lehramtsstudium 276 7. Gesamtauswertung der Ergebnisse der Lehrerinterviews für Sprachen eingeschlagen habe. Sie würde diese einstige Wahl bis dato nicht bereuen (Z. 68-71). Was Frau Peréz Sanchez in dem Lehrerberuf durchaus erfreue, sei die Vermittlung der Sprachen und Kulturen mit dem Anspruch auf nachhaltige, lebenslange Wirkung auf die Schülerinnen und Schüler (vgl. Z. 653 ff.). Für Frau Schrader drücke sich ihre Begeisterung in den zahlreichen Sprachen, die sie spreche und ihren damit verbundenen internationalen Kontakten aus (vgl. Z. 525 f.). Lehrerin Drewes berichtet, sie genieße sowohl ihre Lehrertätigkeit an der Schule als auch ihre Mitwirkung als Beraterin im Ministerium bei der Unterrichtsentwicklung; aus ihren Äußerungen lässt sich herauslesen, dass ihr die Komplementarität und Unabdingbarkeit zwischen Wissenschaftlichkeit und Praxisfeld in ihrer doppelten Funktion als Lehrerin und Beraterin sehr liege und beide wichtig seien (vgl. Z. 24-29). Neben den persönlichen Faktoren spielen berufliche Rahmenbedingungen für das Selbstbild der Fremdsprachenlehrkräfte eine ebenfalls wichtige Rolle: die meisten befragten Lehrkräfte (Heilmann, Mühlbauer, Rieder, Kallmayer, Mayr, Hartmann, Schrader, Drewes) attestieren ihrer Schule ein gutes, tolerantes, konfliktfreies (Gesamt-) Klima und einen angenehmen Umgangston der Kollegen miteinander. Diese guten bis exzellenten interpersonalen Beziehungen existierten sowohl im Kollegium als auch im Umgang mit den Schülerinnen und Schülern, die teilweise sehr international seien und bis zu 26 verschiedene Nationen repräsentierten (vgl. Rieder). Ein ähnliches Verhältnis bestehe nicht zuletzt auch in der Zusammenarbeit mit den insgesamt kooperativ eingestellten Eltern. Aus den Darlegungen der Lehrkräfte lässt sich folgern, dass dieses Umfeld, das auf gegenseitige Unterstützung, auf Zusammenhalt und Vertrauen basiert, ein persönliches, positives, ausgeglichenes und glückliches berufliches Selbstbild ermöglicht. Frau Hartmann beschreibt ihre durchaus positive Einstellung zu den Arbeitsbedingungen: „was ich technisch hier nicht hab, habe ich einfach an Menschen gewonnen“ (Z. 422). Zwei Lehrerinnen bescheinigen ihrer jeweiligen Schule eine sehr gute Materialausstattung (z. B. Smartboard-Raum, ausgiebige fremdsprachige Materialien für die Bibliothek), die sehr gute Voraussetzungen für eine vielseitige Unterrichtsgestaltung darstellten und somit die Förderung der Sprachen vorantreiben würden (Drewes und Mayr). Nicht zuletzt sorgen zahlreiche, unterschiedliche Schulprojekte, beispielsweise zum schulischen Miteinander der Schülerinnen und Schüler (Kallmayer, Z. 92-94), Integrationsprojekte für Migrantenkinder (Mühlbauer), Schulschwerpunkte mit Fokus auf Internationalisierung (Schrader, Drewes) oder noch auf die Gestaltung eines innovativ angelegten Unterrichts (Heilmann) für positive Einstellungen bei den Fremdsprachenlehrkräften. Ähnlich wie in der Vorstudie zeigt sich auch bei den befragten Lehrerinnen und Lehrern der Hauptstudie insgesamt, dass sich ihre Motivation, Begeisterung 7.1 Beruflicher Werdegang und berufliches Selbstbild 277 und Freude am Beruf als Fremdsprachenlehrerin und -lehrer aus der studierten Sprache und Kultur speisen. Alle Befragten identifizieren sich mit der Zielsprache und Zielkultur (bzw. den Sprachen und Kulturen, wenn sie zwei moderne Fremdsprachen unterrichten), deren Facultas sie nach einem universitären Studium erworben haben und nun praktizieren. Gleiche Beobachtungen beschreibt Gudrun Ziegler (2013), die darauf abhebt, dass sich Fremdsprachenlehrpersonen für nur ihre eine studierte Sprache zuständig fühlen: „Firstly, the professional identity of language teachers generally emerges from training as a language teaching professional, but in one language only. A potential professional identity of the one-language teacher evolving into one of multilingualism (i. e. to represent not only the one language of teaching but several languages and their interaction in general) is currently a challenge for him or her.“ (Ziegler 2013: 3) 2) Gemischte Gefühle Neben den spontanen, positiven Ansichten äußern die befragten Lehrkräfte weitere, weniger affirmative Aspekte ihres beruflichen Alltags, die mit gemischten Gefühlen behaftet sind. Im Folgenden werden zwei Unterpunkte angesprochen, die zum einen mit persönlicher Frustration und Enttäuschung, zum anderen mit dem schulischen Setting zusammenhängen. Aus dem Bericht von Frau Schrader klingt eine ziemlich große Enttäuschung und Frust seit ihrer Rückkehr aus den USA heraus. Sie vergleicht ihre sehr positiven Erfahrungen als Lehrerin - auf emotionaler und persönlicher Ebene - in der Erwachsenenbildung, bei der sie ständiges Lob und stete Anerkennung für ihren Unterricht erhalten habe (Z. 89-92) mit ihren konträren Erfahrungen bei den hiesigen Jugendlichen, die an einem kommunikativ orientierten Unterricht wenig interessiert und nicht immer bereitwillig zur Mitarbeit seien. Am Beispiel der im Folgenden zusammengefassten Anekdote wird deutlich, wie sehr ihre anfänglichen Erfahrungen mit Oberstufenschülern ein Gefühl der Ratlosigkeit und der Desillusionierung bei ihr hinterlassen haben und sie sogar an der Berufswahl habe zweifeln lassen: sie führt aus, dass ihre Schülerschaft durchaus ihren großartigen, engagierten, auf Kommunikation ausgelegten Fremdsprachenunterricht schätze, aber nicht bedrängt werden möchte (vgl. Z. 63-65). Vielmehr wünschten sich die Lernenden lediglich Arbeitsblätter, die sie als Hausaufgabe vorbereiten könnten, anstatt sich durchgehend frei zu verschiedenen Themen im Unterricht äußern zu müssen (vgl. Z. 578-582). Am Beispiel aus dem Gespräch mit Frau Schrader kann man sehen, wie zwei unterschiedliche Konzeptionen und Auffassungen (Lehrer- und Schüleransicht) aufeinanderprallen und zu gegenseitigem Unverständnis führen. Schülerinnen und Schüler zur Lernbereitschaft und Motivation zu bringen, wo die zweite Fremdsprache - hier: Spanisch - nicht besonders wertgeschätzt werde, bereite 278 7. Gesamtauswertung der Ergebnisse der Lehrerinterviews ihr Schwierigkeiten und stelle einen Stressfaktor dar. Die Lehrerin fühlte sich in ihrer beruflichen Identität aufgrund ihrer eigenen Erwartungen und Vorstellungen und den damit verbundenen Ansprüchen und der Rezeption durch die Schüler bedroht, die kein Engagement für diese Anforderungen zeigen wollten. Die nächste Subkategorie thematisiert ebenfalls gemischte Gefühle, die mit dem schulischen Setting zusammenhängen. Während sich in der vorangegangenen Subkategorie die meisten Lehrkräfte mit ihren individuellen Unterrichtsbedingungen zufrieden gaben, profilieren sich auch gleichzeitig Dimensionen der Unzufriedenheit. Folgende Defizite wie die schlechte oder unzureichende Medienausstattung, kleine, teilweise schlecht beschallte und prekär ausgestattete Unterrichtsräume (z. B. fehlender Internet-Anschluss), den mehrmaligen Raumwechsel, mit dem Hochschleppen neuer Medien verbunden, würden die Möglichkeiten für den alltäglichen Fremdsprachenunterricht erschweren und für eine nicht effiziente Unterrichtsplanung und -durchführung sorgen (Heilmann, Mühlbauer, Peréz Sanchez, Kallmayer, Hartmann). Frau Peréz Sanchez kritisierte ihrerseits, dass Abbzw. Rücksprachen zwischen den verschiedenen schulischen Instanzen Ministerium-Schulleitung-Lehrkräfte fehlen würden und verdeutlicht dies am Beispiel der mündlichen Vorbereitung der Oberstufenschüler auf die neuen Kommunikationsprüfungen in der jeweiligen Sprache, die sich von der notwendigen Organisation her als kompliziert erwiesen (Z. 706-736). Lehrer Scholl seinerseits berichtet über seine Unzufriedenheit mit einigen Kollegen in seinem Gymnasium; diese drücke sich darin aus, dass sich manche Lehrerkollegen untereinander nicht angemessen oder unfreundlich verhalten bzw. sogar einen schrecklichen Ton pflegen würden. Auch wenn die Atmosphäre unter den Kollegen nicht der einzige Grund für seinen Versetzungsantrag gewesen sei, erhoffe er sich, nicht mehr allzu lange an der Schule zu bleiben (Z. 617-620). Frau Kaufmann spricht das Problem der weiteren angebotenen Fremdsprachen als dritte Fremdsprache an, deren Wahl mühsam geworden sei (Z. 64). Lediglich sehr wenige, allerdings gut motivierte und sprachinteressierte Schüler würden sich beispielsweise für das Fach Italienisch - im Vergleich zu dem Selbstläufer Spanisch (Z. 122) - entscheiden. Das Lehrerkollegium sei deshalb dabei zu überlegen, wie das Fach - beispielsweise mittels einer neuen Profilierung - Anerkennung und Aufmerksamkeit genießen könne. Lehrerin Schrader führt aus, dass bereits der Stand der zweiten Fremdsprache bei den Schülern negativ belegt sei und vielmehr als ein notwendiges Übel und nicht als eine Chance angesehen werde (vgl. Z. 566). Sie bedauere das mangelnde Interesse und die verringerte Lernbereitschaft der Schüler für die zu investierende Zeit zum Lernen und Erwerben der zweiten Fremdsprache. 7.1 Beruflicher Werdegang und berufliches Selbstbild 279 Als letzte Unterkategorie werden die zahlreichen Korrekturaufgaben genannt, die vor allem durch Frau Hartmann (Z. 349) und Frau Schrader thematisiert werden. Die vielen Korrekturen sorgten für Belastung im beruflichen Alltag - Bewertung mache keinen Spaß (Schrader, Z. 519-520) und würde gleichzeitig Frust bewirken, wenn dadurch die Schüler kein entsprechend gutes Niveau erreichten, wie sie sich das sich vorstelle. Darüber hinaus müssten die Schüler einen großen Lernstoff assimilieren und dafür bewertet werden, was Frau Schrader sehr stark missfalle (Z. 518-520). Stofffülle ist auch Thema bei Frau Kaufmann im Zusammenhang mit dem engen Curriculum im G8 (Details zum Problem der Stofffülle im Kapitel 7.5). Das berufliche Selbstbild der befragten Fremdsprachenlehrkräfte schwankt zwischen diesen grundlegenden Aspekten indem sowohl positive als auch weniger positive Äußerungen benannt werden. Das größere Gewicht scheint allerdings bei den insgesamt positiven Persönlichkeitsfaktoren zu liegen, wogegen die technisch-organisatorischen Bedingungen mit ihren negativen Implikationen die beruflichen Selbsteinschätzungen nicht in toto herabwerten können. Freude und Begeisterung Gemischte Gefühle Berufliches Selbstbild / Einstellungen zum Lehrerberuf 1) Persönliche Faktoren: richtige Entscheidung; sehr gern Lehrer/ in; Fremdsprachen lehren und Kultur vermitteln; Sprachen sprechen und internationale Kontakte haben; Vereinbarung Lehrerberuf mit Mitarbeit an der Unterrichtsentwicklung 2) Berufliche Rahmenbedingungen: gutes Schulklima, internationale Schülerschaft; gutes Verhältnis zwischen Kollegen, Schülern und Eltern; Materialausstattung; verschiedene Projekte / Internationalisierung 1) Frustration und Enttäuschung: desillusionierende Erfahrungen 2) Schulisches Setting: Defizitäre Ausstattung; fehlende Kommunikation zwischen den verschiedenen Instanzen; Unzufriedenheit im Kollegium; Geringschätzung der 2./ 3. Fremdsprache; Korrekturarbeiten; Stofffülle Tab. 9: Synopse - Berufliches Selbstbild der Fremdsprachenlehrkräfte und ihre Einstellungen zum Lehrerberuf 280 7. Gesamtauswertung der Ergebnisse der Lehrerinterviews 7.2 Kenntnisse der Sprachbiografien und der lebensweltlich-kulturellen Erfahrungen der Schülerinnen und Schüler Stimmt das Diktum von Reissner, wonach es den Lehrenden an Kenntnis über die Sprachlernbiografien ihrer Schüler fehle: „In aller Regel verfügen die Lehrenden im Schulalltag über keine oder nur unzureichende Informationen über die Sprachen ihrer Schüler und entwickeln häufig keine Initiativen, diese zu erfragen. Hier zeigt sich der Zusammenhang zu der […] dargelegten allgemeinen Problematik der mangelnden Sichtbarmachung und symbolischen Präsenz von Herkunftssprachen in der Schule.“ (Reissner 2015: 217 f.) Aus den vorliegenden Daten ergibt sich ein differenziertes Bild von den Strategien, derer sich die Lehrerinnen und Lehrer bedienen, um Informationen über die Sprachlernbiografien ihrer Schülerinnen und Schüler zu bekommen. Die hier vorliegende Bandbreite reicht von Lehrerinnen und Lehrern, die umfangreiche Informationen über die Sprachlernbiografien sammeln und dieses als besonders wichtig erachten, bis hin zu solchen, die nur über vage oder wenige Informationen verfügen und anderen, die Einstellungen äußern, wonach dies nicht besonders relevant im Zusammenhang mit ihrer Tätigkeit als Fremdsprachenlehrer/ in sei. Was die Strategien der oben genannten Informationsbeschaffung angeht, spielten einerseits die Namen der Schülerinnen und Schüler auf der Anwesenheitsliste eine Rolle, da diese Rückschlüsse auf die Herkunft zuließen, wie dies mehrere Interviewpartner betonen. Äußere Merkmale und die Hautfarbe werden ebenfalls als Hinweise gewertet (vgl. Rieder, Kallmayer), außerdem sei es häufig der Fall, dass Schülerinnen und Schüler von sich aus über ihre Herkunft berichteten (vgl. Hartmann, Drewes). Auch in Elterngesprächen sei über die jeweilige Herkunft gesprochen worden. Der Gruppe von Lehrkräften, die in der genannten Form Informationen zu den Herkunftssprachen aktiv zu erhalten suchen, steht eine etwa gleich große Gruppe von Lehrerinnen und Lehrern gegenüber, die nur über wenige Informationen verfügen, und diese auch nicht aktiv nachsuchen. Dies wird damit begründet, dass es nicht relevant für den Fremdsprachenunterricht sei, dass soziale Faktoren wie beispielsweise Familiensituation wichtiger seien aber auch, dass man davon ausgehen könne, dass alle Schülerinnen und Schüler auf einem gleichen, gymnasialen Niveau über Sprachkenntnisse in Deutsch verfügten und somit die gemeinsame Unterrichtssprache gesichert sei. Unabhängig von diesem monolingualen Habitus zählen alle Interviewpartner die verschiedenen Nationalitäten auf, die an der Schule und speziell in ihren Klassen insgesamt vertreten sind und charakterisieren die Situation als bunt und multikulturell mit ansteigenden Zahlen. Dabei 7.2 Kenntnisse der Sprachbiografien und der lebensweltlich-kulturellen Erfahrungen 281 scheinen die individuellen Daten zugunsten einer Gesamtidentität etwas nivelliert zu werden, das heißt ausgehend von einer homogenen, etwa gleich leistungsbereiten Lerngruppe werden die individuellen Gegebenheiten verwischt und eine Art gymnasialer Identität konstruiert. Einen Sonderstatus nehmen hier die Erzählungen der beiden ausländischen Lehrkräfte ein, die aufgrund ihrer eigenen Migrationserfahrungen sehr viel genauer auf die Sprachlernbiographien ihrer Schülerinnen und Schüler schauen und deren Erfahrungen aktiv zu nutzen vorgeben. Beide Interviewpartnerinnen (Pini und Peréz Sanchez) berichten, dass sie ihre eigenen mehrsprachigen Biografien explizit zum Anlass nähmen, um in den Lerngruppen immer wieder auf die Chancen der individuellen Mehrsprachigkeit hinzuweisen. Bezüglich der Schülerinnen und Schüler mit Migrationshintergrund erwähnt Heidemarie Sarter (2013) das Problem der zwei- oder mehrsprachigen Lernenden, die gar nicht entsprechend wahrgenommen würden, weil die Lehrkraft es nicht wisse, und weil diese Lernenden möglicherweise eine problemlose Schulkarriere auf der Basis einer akzentfreien Beherrschung des Deutschen mit guten Notenergebnissen durchlaufen haben und ihre Mehrsprachigkeit nicht aufgefallen ist (vgl. Zitat von Sarter 2013 im Kapitel 8). Neben den reinen, überprüfbaren sprachlernbiografischen Daten werden von den Befragten weitere Informationen und Annahmen erzählt, die nicht immer auf definierten, verlässlichen Fakten basieren, sondern deutliche Hinweise auf persönliche Einstellungen liefern. So wird zum Beispiel vermutet, dass eine große Anzahl von Schülerinnen und Schülern ihre ursprüngliche Erstsprache nicht mehr korrekt beherrschten oder diese in den Familien auch nicht mehr gepflegt werde. Hier sei allerdings zwischen den verschiedenen Nationalitäten zu differenzieren. Während Schülerinnen und Schüler russischsprachiger Herkunft die russische Sprache häufig ablehnten, sich ihrer schämten und diese nur ungern benutzten - der Grund hierfür sei ihr starker Integrationswille in Deutschland und das insgesamt schlechte Ansehen der russischstämmigen Bevölkerung - würde dies für die türkischsprachigen Schüler nicht in diesem Maße gelten. Diese seien eher stolz auf ihre Sprache, Geschichte und nationale Herkunft. In zwei Beiträgen wird auch noch eine doppelte - in einem Fall eine dreifache - Halbsprachigkeitsvermutung geäußert. An einem Gesprächsauszug (vgl. Rieder) wurde beispielsweise deutlich, dass die Befragte sich vorsichtig mit einer allgemeinen, nicht verifizierbaren Aussage „Ich hör ja immer wieder“ (Z. 384) mit einer eigenen Positionierung zurückhält, die sie dann aber doch eher affirmativ gemeint haben dürfte, denn mit der Äußerung „wo ich mir dann denke ‚Hm, Deutsch auch nicht so toll’“ (Z. 385-386), stellt sie eine Verbindung zum Erstgesagten her, was den Schluss zulässt, dass sich hier in der Gesamtheit ihre eigene Meinung als ungeprüfte Vorannahme manifestiert. Das bedeutet, 282 7. Gesamtauswertung der Ergebnisse der Lehrerinterviews dass die Befragte die Annahme doppelter Halbsprachigkeit - vor allem bei den Kindern mit türkischem Migrationshintergrund - wohl eher bejaht. Die vermuteten geringen Sprachkenntnisse in der jeweiligen L1 bei einigen Befragten decken sich mit den Zahlen aus der Studie von Ekinci und Günesli (2016), die den Anteil des fehlenden Wissens über die L1 Beherrschung ihrer Schülerinnen und Schüler bei den Lehrkräften mit 44 % angeben (Ekinci & Günesli 2016: 40 f.). Dies entspricht auch Ergebnissen einer Studie (vgl. Kiese-Himmel et alii 2013), die über die Einschätzungen von Kita-Erzieherinnen über Kinder mit Migrationshintergrund aufzeigen, dass hier signifikante Unterschiede zu den Einschätzungen über Kinder ohne Migrationshintergrund vorliegen. Im Übrigen haben Ekinci und Günesli darauf hingewiesen, dass etwa 80 % der Lehrkräfte keinen migrationsbedingt mehrsprachigen Hintergrund besitzen (Ekinci & Günesli 2016: 32), aber Einsprachigkeit ist im Lehrerberuf dennoch die absolute Ausnahme (vgl. Ebd.: 33). Insgesamt haben die Interviewpartner eine positive Einstellung gegenüber einer Schülerschaft mit unterschiedlichen Herkunftssprachen, allerdings wird sich in den Äußerungen über die Einbeziehung eben dieser Sprachen in den Fremdsprachenunterricht zeigen, dass dies häufig eine punktuelle, arbiträre Aktivität bleibt. Auf die Mehrsprachigkeit - lebensweltlich und durch das Erlernen von Schulfremdsprachen - der Schülerinnen und Schüler angesprochen, beziehen sich die Interviewpartner in fast völliger Einmütigkeit ausschließlich auf die lebensweltliche, individuelle Mehrsprachigkeit: also den Sprachen des jeweiligen Migrationshintergrunds. Dieses Faktum entspricht im Übrigen den Ergebnissen der Vorstudie, wo von einigen Interviewpartnern geäußert wurde, dass nur bilingual aufgewachsene Kinder bzw. solche Menschen als mehrsprachig bezeichnet werden könnten, die mehrere Sprachen auf einem muttersprachenähnlichen Niveau beherrschten. So wurden bereits in der Vorstudie von den befragten Lehrerinnen und Lehrern die Meinung geäußert, wonach mehrsprachig zu sein bedeute, Muttersprachler zu sein bzw. eine bilinguale Erziehung genossen zu haben, flüssig, korrekt und fehlerfrei zu sprechen, Bücher lesen zu können, fremdsprachige Filme zu verstehen und mit Muttersprachlern reden zu können (vgl. Kapitel 5.4.1.2). Dabei erwarte man mindestens zwei Sprachen, die mit mehr als nur mit Grundkenntnissen beherrscht werden sollten. Hier scheinen die Fremdsprachenlehrkräfte mit Blick auf die Ergebnisse schulischen Fremdsprachenunterrichts seine Bedeutung zu minimisieren. Aufgrund ihrer hohen Erwartungen an den Begriff „mehrsprachig sein“ scheinen sie den schulischen Ergebnissen nicht zu trauen. Außerdem gaben die Befragten der Vorstudie an, dass sie davon ausgingen, man müsse von Fremdsprachenlehr- 7.2 Kenntnisse der Sprachbiografien und der lebensweltlich-kulturellen Erfahrungen 283 kräften eine flüssige, muttersprachenähnliche Beherrschung der Zielsprache (Niveau C1 oder C2) erwarten können. Aus dem Kanon der von den Schülerinnen und Schülern gelernten Schulfremdsprachen - denen im Fokus der Mehrsprachigkeit aus den oben genannten Gründen keine besondere Relevanz beigemessen wird - sticht lediglich Latein heraus, das als unterrichtlich verwendbare Basis von den meisten Befragten benannt wird. Mehrere Interviewpartnerinnen und -partner attestieren den migrationsbedingt mehrsprachigen Kindern vor allem ein höheres Gefühl für Fremdsprachen oder auch eine andere Denkweise (vgl. Pini) als monolinguale Schülerinnen und Schüler. Zusammenfassend lässt sich konstatieren, dass die Herkunftssprachen eine höhere Beachtung in den Einstellungen der Lehrenden finden, als die bereits erlernten - und im Stadium der Interimssprachen vorhandenen Schulfremdsprachen. Offensichtlich definieren die Fremdsprachenlehrkräfte eine relevante Fremdsprachenbeherrschung ihrer Schülerinnen und Schüler erst mit dem Abschluss der Mittelstufe. Hier konstatieren die Befragten mehrheitlich eine abnehmende Motivation und steigende Abwahlbereitschaft im Bereich der zweiten Fremdsprache. Lediglich in der Oberstufe bestehe die Chance, eine höhere Sprachkompetenz zu erreichen. Bei den Herkunftssprachen unterscheiden die Befragten zwischen Sprachen der Romania auf der einen und den anderen Migrationssprachen (Türkisch, Arabisch, Russisch) auf der anderen Seite. Aufgrund der in aller Regel beobachteten Nichtbeherrschung letzterer Sprachen durch die Lehrerschaft scheint eine gewisse Distanz zu diesen Sprachen zu bestehen, die deren Einbeziehung in das schulische Fremdsprachenlernen einschränkt; dies wird in den Folgeabschnitten zu zeigen sein, in denen es um die Frage der Umsetzung mehrsprachiger Kompetenzen der Schülerinnen und Schüler im Fremdsprachenunterricht und deren Einbeziehung geht. Erwähnt Nicht erwähnt Schulsprachen 1) Englisch als 1. Fremdsprache; 2) Spanisch als 2. Fremdsprache Alle anderen 284 7. Gesamtauswertung der Ergebnisse der Lehrerinterviews Einholung von Informationen Benannte Tatsachen Erkennbare Einstellungen Herkunftssprachen 1) Umfangreiche Informationen sammeln; nachfragen als wichtig erachtet 2) Über Anwesenheitsliste, Namen, Elterngespräch 3) Über Hautfarbe, äußere Merkmale, Irrtümer möglich 4) Schüler erzählen über Herkunft der Familie, soziale Herkunft wichtiger als Herkunftssprache 1) Insgesamt gemischt, bunte Konstellation 2) Häufigste Gruppe: Türken Andere: Russen, Kroaten, Rumänen, Polen, Serben, Spanier, Halbfranzösin, Italiener, Amerikaner, Portugiesen 1) Teilweise Dreisprachigkeit, Akzent auch in der Herkunftssprache, Halbsprachigkeitsvermutung, Herkunftssprachen keinen Wert mehr, Scham, Scheu, nicht gepflegt (Integration in Deutschland) Herkunftssprachen noch in der Familie gepflegt, Stolz auf Herkunft eher bei Türken als bei Russen Tab. 10: Synopse - Kenntnisse der Sprachbiografien und der lebensweltlich-kulturellen Erfahrungen der Schülerinnen und Schüler 7.3 Einstellungen zu den schulischen Fremdsprachenkompetenzen der Schülerinnen und Schüler Obwohl sich die meisten Interviewpartnerinnen und -partner auf die Frage nach der Mehrsprachigkeit ihrer Schülerschaft nur auf deren Herkunftssprachen konzentriert hatten und lediglich eine Lehrerin auch Bezug auf die in der Schule gelernten Fremdsprachen genommen hatte, wird beim Fragenkomplex über Einstellungen zur Einbeziehung schulischer Fremdsprachenkompetenz deutlich, dass die Lehrkräfte sehr wohl diese individuelle Mehrsprachigkeit berücksichtigen. Königs (2016) hat darauf hingewiesen: 7.3 Einstellungen zu den schulischen Fremdsprachenkompetenzen 285 „Ein deutscher Schüler lernt im deutschen Schulsystem nacheinander Englisch und Französisch und soll spätestens im Kontext der zweiten Fremdsprache erkennen lernen, was er durch seine Französischkenntnisse auch in einer ihm vermeintlich unbekannten Sprache wie Spanisch oder Italienisch bereits ‚kann’, ohne dass ihm dies bewusst wäre. Zweifelsohne ist damit ein wichtiges mehrsprachigkeitsdidaktisches Feld benannt.“ (Königs 2016: 67) An den Gymnasien in Deutschland ist die Sprachenfolge so geregelt, dass Englisch als erste Fremdsprache sowie mindestens eine weitere Fremdsprache unterrichtet werden (vgl. dazu Kapitel 2). Die zweite Fremdsprache ist häufig Französisch fakultativ zu Latein oder Spanisch. Hinzu kommt an vielen Gymnasien die Möglichkeit, eine dritte Fremdsprache zu erlernen. Diese Verflechtung der unterschiedlichen Kompetenzen aus parallelem oder vergangenem schulischen Fremdsprachenunterricht wird von den hier befragten Lehrkräften - sowohl in der Vorals auch der Hauptstudie - durchaus gesehen. Was die Relevanz und den didaktischen Ort dieser Bemühungen um Einbeziehung der schulischen Fremdsprachenkompetenz und die Einstellungen der Interviewpartner angeht, werden die narrativen Daten genauer zu untersuchen sein. Die Äußerungen lassen sich nach den Kategorien Transfer und Bewusstmachung, Einsatzort und didaktischer Ort sowie Vorteile / Probleme / Einstellungen gliedern. Alle befragten Fremdsprachenlehrkräfte geben an, dass sie in verschiedener Intensität und zu verschiedenen Anlässen Vorkenntnisse aus den anderen Schulfremdsprachen einsetzen. So werden genannt: Übersetzungen, um strukturelle Ähnlichkeiten klar zu machen, Bewusstmachung von Sprachverwandtschaften und Herleitung lexikalischer Einheiten aus den anderen Sprachen. Letzteres wird häufig im Zusammenhang mit Latein genannt (z. B. Scholl), worauf noch einzugehen sein wird. Für die befragten Lehrkräfte sind die Bezüge der romanischen Sprachen untereinander evident und werden immer wieder im Zusammenhang mit Lexik- und Grammatikarbeit genannt. Gleiches gilt auch für die Vergleiche von lexikalischen oder morphosyntaktischen Phänomenen zwischen Englisch und Deutsch. Der didaktische Ort für die Herstellung derartiger Bezüge sind Phasen der lehrwerktextgebundenen Vokabel oder Grammatikarbeit aber auch darüber hinaus gehende interkulturelle Vergleiche, die im Unterrichtsverlauf von Schülerinnen und Schülern oder der Lehrkraft initiiert werden. Dies können auch freiere Gespräche über Lebens-, Ess- oder Denkgewohnheiten sein. In diesem Zusammenhang benennen die befragten Lehrkräfte auch die Bedeutung des Fremdverstehens und des interkulturellen Vergleichs. Der wichtigste didaktische Ort scheint nach den Daten allerdings die Arbeit an der Lexik zu sein. 286 7. Gesamtauswertung der Ergebnisse der Lehrerinterviews An dieser Stelle geben viele der Befragten an, sich besonders auf Lateinvorkenntnisse zu beziehen, die besonders hilfreich seien. Schülerinnen und Schüler, die Latein lernen, werden an einer Stelle als ‚Experten’ bezeichnet, allerdings wenden andere Befragte ein, dass man sich heute nicht mehr so stark auf gute Lateinkenntnisse verlassen könne. Ein Interviewpartner weist hier auf einen besonderen Widerspruch hin, in dem er als Lateinlehrer stehe und der für ihn unauflöslich sei. Als Lateinlehrer an einem Gymnasium in Bayern habe er einen hohen Korrektheitsanspruch an die Leistungen der Schülerinnen und Schüler, aus dem dann Angst der Schülerschaft vor dem Fach entstehe. Trotzdem könne er am Gymnasium von einem großen kulturellen Hintergrundwissen, einem reichen Vokabelfundus (vgl. Scholl, Z. 382-383) ausgehen. Demgegenüber vertrete und praktiziere er andererseits einen kommunikativen, angstfreien Fremdsprachenunterricht, in den er auch Interkomprehensionsphasen integriere, da er mehrere romanische Sprachen beherrsche. Derartige Bezüge zu eigenen Fremdsprachenkompetenzen werden mehrfach genannt und würden regelmäßig in den Fremdsprachenunterricht eingebaut. Aus der Vorstudie ist in diesem Zusammenhang das Statement einer Lehrerin passend (P11 Frau Stumm, vgl. Kapitel 5.4.1.3), die über den Einsatz von Herleitungsstrategien wie Skimming oder Scanning und Kognaten berichtet. Einer weitergehenden Integration des Sprachvergleichs stehen auch nach Ansicht der Lehrkräfte die knappen oder ganz fehlenden Hinweise in den Fremdsprachenlehrwerken entgegen. Dies bestätigen, zumindest für das Fach Englisch, Jakisch (2012: 105) und Thaler (2016): „Das Potential von Mehrsprachigkeit wird bislang in (deutschen) Englischlehrwerken kaum genützt. Falls überhaupt einschlägige Aufgaben vorhanden sind, handelt es sich um eher punktuelle Berücksichtigung, die von einem integrativen Mehrsprachigkeitsunterricht weit entfernt ist.“ (Thaler 2016: 189; Hervorhebungen im Text) Neben den positiv eingeschätzten Möglichkeiten, Bezüge zwischen den Schulfremdsprachen herzustellen, sehen die befragten Lehrkräfte auch Probleme bei der Umsetzung. Waren bereits in der Vorstudie Zeitmangel aufgrund des G8- Gymnasiums und curriculare Überbürdung als Hindernisse für einen stärker kontrastiven Fremdsprachenunterricht genannt worden, berichten die Interviewpartnerinnen und -partner der Hauptstudie zusätzlich noch über weitere Aspekte. Zunächst wird darauf hingewiesen, dass sich Transferaktivitäten zwischen den Fremdsprachen noch nicht für Anfängerklassen eignen würden, und auch nur bei leistungsstarken Schülerinnen und Schülern sinnvoll seien. In diesem Zusammenhang spricht eine Lehrkraft davon, dass dies nur bei talentierten Schülern (vgl. Heilmann, Z. 173-174) gelänge. Häufig sähen Schülerinnen und Schüler die Bezüge zwischen den Sprachen gar nicht und dächten nur in 7.3 Einstellungen zu den schulischen Fremdsprachenkompetenzen 287 Einzelfächern. Diese seien dann auch wieder nur in Einzelstunden angeboten, was eine Kleinteiligkeit verursache und vom Blick auf das Ganze ablenke. Mir scheint dies ein überaus wichtiger Hinweis zu sein, da er sich als Einstellungsstereotyp auch innerhalb der befragten Lehrerschaft zeigt und die Grenzen der Mehrsprachigkeitsdidaktik als Fachgrenzen definiert (vgl. Ziegler 2013, supra). Auch gilt, was Annina Lenz (2012) konstatiert: „Trotz aller Einvernehmlichkeit, dass Mehrsprachigkeit ein erstrebenswertes Sprach- und Bildungsziel darstellt, herrscht in der Schulpraxis weiterhin ein „additives Muster“ vor […]. Substantielle Vorschläge zu sprachenverbindendem Lehren und Lernen stehen noch aus, die sich in den Unterrichtsalltag systematisch integrieren lassen. Es mangelt vor allem an Unterrichtsmaterialien, die sich an der jeweiligen Sprachlernsituation, an den fremdsprachlichen Curricula und am Alter der Lerner orientieren. Aktuelle Lehrbücher des Faches Englisch bieten kaum Material an, wenn man von den Hinweisen auf andere Fremdsprachen auf den Vokabelseiten absieht. Daneben fehlt es an Konzepten, die die Hinführung zu unbekannten Sprachen auch als Vertiefung und Erweiterung zielsprachlicher Kompetenzen verstehen.“ (Lenz 2012b: 165 f.) Eine mögliche Alternative zu einer noch nicht vorliegenden Konzeption von mehrsprachigkeitsorientiertem Unterricht stellt der Begriff der „interlingualen Sprachbewusstheit“ dar (vgl. u. a. Morkötter 2005; Doff & Lenz 2011; Lenz 2012), allerdings wird hier vor allem der Lateinunterricht als Bindeglied in den Fokus genommen, und damit steht die Diskussion wieder vor der Frage, ob Latein entsprechende Erschließungs- und Produktionsstrategien ermögliche. Ostermeier spricht in diesem Zusammenhang - Latein, Englisch, Französisch - von der Mehrsprachigkeit an den Reformschulen des 19. Jahrhunderts (Ostermeier 2012: 208 ff.). Wie bereits in der Vorstudie tauchen in der Hauptuntersuchung zwei Diskussionsschwerpunkte auf, zum Einen die Problematik der faux amis (vgl. u. a. Blell & Leitzke-Ungerer 2011), zum Anderen die Frage nach der vermeintlich fremdsprachenlernfördernden Wirkung des Lateins. Die seit Jahren kontroverse Diskussion ist unter anderem ansatzweise dargestellt in: Meißner 2003; Neveling 2006 oder noch Müller-Lancé 2009. Die Interferenzen werden von allen Lehrenden genannt, allerdings in unterschiedlich relevanter Ausprägung. In der Tendenz scheinen die befragten Fremdsprachenlehrkräfte diese Interferenzen aktiv und produktiv zu nutzen, um Unterschiede zwischen den Sprachen bewusst zu machen. Derartige faux amis ließen sich durch Übungen ausschließen. Eine wichtige Dimension des Lernens mehrerer Fremdsprachen wird von einigen Teilnehmerinnen und Teilnehmern an der Studie unterstrichen, die Schulung strategischen respektive lernstrategischen Denkens, das sich mit den Jahren entwickele. Besonders erfolgreich sei hier die Kombination Französisch vor Spanisch. 288 7. Gesamtauswertung der Ergebnisse der Lehrerinterviews Schließlich tauchen, sowohl in der Vorals auch der Hauptstudie, immer wieder Klagen auf, wonach aus Gründen der Stofffülle und des engen Curriculums keine Zeit für sprachübergreifendes, kontrastives Arbeiten bestehe, und deshalb nur punktuell auf die anderen Schulfremdsprachen zurückgegriffen werden könne. Im Übrigen seien die Lehrwerke nicht dafür ausgerichtet, berichten Lehrkräfte aus beiden Studien (vgl. auch Jakisch 2012 und Thaler 2016). Dies schließt auch an die oben geäußerte Kritik an den technisch-organisatorischen Bedingungen an. 7.3 Einstellungen zu den schulischen Fremdsprachenkompetenzen 289 Transfer und Bewusstmachung Einsatzort / didaktischer Ort Vorteile / Probleme - Einstellungen Schulsprachen 1) Durch Übersetzungen Ähnlichkeiten entdecken, Bewusstmachung, Sprachverwandtschaften, Vergleiche Spanisch-Französisch 2) Bezüge vor allem mit Latein, Latein-Spanisch, Latein-Französisch, Latein-Herkunftssprache; Lateiner = Experten, sie haben sprachanalytisches Vorwissen 3) Französisch gut vor Spanisch, Rückgriff auf andere romanische Sprachen 4) Englisch-Deutsch (systematisch) 1) Nur für Lexik, Wortschatzanalysen, Grammatik, Zeitformen, Aussprache; Appell an vorhandene Kenntnisse 2) Bezüge durch Lehrwerk und über das Lehrwerk hinaus 3) Französisch oder Spanisch Denkweisen; kulturelle Unterschiede, Bewusstmachung Italienisch-Spanisch 1) Transfer nicht bei Anfängern, gut möglich bei guten Englisch-Kenntnissen, nur talentierte Schüler, Schüler sehen Verbindungen nicht, Schüler denken in Einzelfächern, Fachgrenzen, Einzelstunden 2) Interferenzen kein Problem, durch Übungen ausschalten, aktiv einsetzen 3) Durch die Schulfremdsprachen strategisch denken lernen 4) Interkomprehension z. B. Portugiesisch Tab. 11: Synopse - Einstellungen zur schulischen Fremdsprachenkompetenz der Schülerinnen und Schüler und ihrer Einbeziehung im Fremdsprachenunterricht 290 7. Gesamtauswertung der Ergebnisse der Lehrerinterviews 7.4 Einstellungen zu Herkunftssprachen und -kulturen der mehrsprachigen Schülerinnen und Schüler In ihrer Studie von 2016 stellten Ekinci und Günesli die zentrale Frage über die Chancen der migrationsbedingt mehrsprachigen Schülerinnen und Schüler, die weit über die hier vorgelegte Studie hinausgeht, aber den Kern des Fremdsprachenlernens genauso betrifft: „Weshalb erzielen Schüler_innen, die mehrsprachig aufwachsen und den Großteil ihrer Bildungsbiographie in Deutschland durchlaufen, vorrangig in sprachlich-literarischen Fächern geringere Leistungen? Welche Funktion kommt der Mehrsprachigkeit zu und wie gelingt es, das Potenzial, das sprachlich heterogene Lern(er)gruppen mitbringen, auszuschöpfen? “ (Ekinci & Günesli 2016: 47; Hervorhebungen im Text) Ob und inwieweit das herkunftssprachlich mehrsprachige Potenzial in der Unterrichtspraxis des Fremdsprachenlernen ausgeschöpft wird, lässt sich aus den hier vorliegenden Daten nur über die Narration der Interviewpartnerinnen und -partner mit großer Vorsicht rückschließen, aber die Daten legen nahe, dass erheblich größere Möglichkeiten bestehen könnten, das oben genannte Potenzial auszuschöpfen. Wenn dies nicht zufriedenstellend geschieht, ist nach den Gründen zu fragen; auch hier ergibt sich ein differenziertes Bild. Ganz ähnlich den Berichten über die Einbeziehung der schulisch erlernten Fremdsprachen geben die befragten Lehrkräfte als Gründe für einen nur geringen Rückgriff auf die Herkunftssprachen der Schülerinnen und Schüler an: Zeitmangel, Stofffülle, das G8-Gymnasium und Defizite in den Lehrwerken. Hinter der Aussage, man habe nicht genug Zeit für kontrastives Arbeiten - das auch im Bezug zu den bereits gelernten schulischen Fremdsprachen genannt worden war - steht sicher auch die verbreitete Einstellung bei den Befragten (Vor- und Hauptstudie), Fachlehrerinnen und -lehrer für eine oder zwei Fremdsprachen zu sein und bereits sehr viel Zeit zu benötigen, um die Anforderungen des Gymnasiums zu erreichen. Dieses „Fachlehrer-Argument“ scheint der planmäßigen und nachhaltigen Einbeziehung der Herkunftssprachen in den Fremdsprachenunterricht im Wege zu stehen. Das gymnasiale Anforderungsniveau bezüglich der zu erreichenden Schülerkompetenzen steht hier konträr zu einer „funktionalen Mehrsprachigkeit“ beziehungsweise „partiellen Kompetenz“ (vgl. GER Kapitel 5.4.1.2), wie sie sprachenpolitisch propagiert wird. Als weiteres, häufig genanntes Argument taucht hier allerdings noch der Hinweis auf die Nichtbeherrschung der Herkunftssprachen auf. Dies gelte vor allem für die nicht-romanischen Sprachen; hier werden vor allem Türkisch, Kroatisch und Russisch genannt. Ein Argument gegen die Einbindung der Herkunftssprachen, das die Thesen von Ingrid Gogolin (1994) stützt, ist der Hin- 7.4 Einstellungen zu Herkunftssprachen und -kulturen 291 weis auf die gemeinsame Verkehrssprache Deutsch, in der auch der Fremdsprachenunterricht - abgesehen von rein zielsprachlichen Phasen - abgehalten werde (Vorstudie: P1 Brügge, P2 Blei, P7 Fiedler, P9 Kuhlmann / Hauptstudie: Heilmann, Kallmayer, Kaufmann, Drewes). Ergänzt und verstärkt wird dieses Argument auch mit dem Hinweis auf eine möglichst hohe Praxis in Deutsch für die Schülerinnen und Schüler ausländischer Herkunft. Dies helfe ihnen, die sprachlichen Benachteiligungen schneller auszugleichen. Die Bandbreite der Äußerungen in Vor- und Hauptstudie - bei einem insgesamt großen Bewusstsein von der multilingualen Schulwirklichkeit bei allen Befragten - reicht von Reaktionen auf eben diese Schulwirklichkeit von: produktiv, einbindend (z. B.: Vorstudie: P2 Blei; P11 Stumm / Hauptstudie: Mühlbauer; Perez Sanchez) über: zur Kenntnis nehmend und schließlich skeptisch bis ablehnend (z. B.: Vorstudie: P10 Fischer; P6 Holtz; P12 Eulert; P4 Lund / Hauptstudie: Heilmann; Kallmayer). Zu den Einstellungen der Interviewpartnerinnen und -partner, die sich skeptisch und zurückhaltend über die Einbindung der Herkunftssprachen äußern, gehört immer wieder der Hinweis, es bestünden zu wenig Bezüge der romanischen Sprachen zu den nicht-romanischen Sprachen; lediglich Rumänisch sei hilfreich und wird in einem Fall erwähnt (vgl. Heilmann, Z. 202-203). Sehr auffällig sind Hinweise auf die teilweise fehlende Bereitschaft der russischsprachigen Schülerinnen und Schüler, die sich - anders als die türkischen Klassenkameraden - ihrer Herkunft eher schämten und die Herkunftssprache nicht mehr sprechen beziehungsweise überhaupt zeigen wollten (vgl. Scholl). Ähnlich würde auch von türkischen Lernenden berichtet, dass die Herkunftssprache in Deutschland keine Bedeutung mehr für die eigene Karriere habe und deswegen vernachlässigt würde. Dazu auch Adelheid Hu (2003), die in ihrer Untersuchung zur migrationsbedingten Mehrsprachigkeit feststellt: „Während bisher alle Jugendlichen eine positive Beziehung zu ihrer „Herkunftssprache“ hatten, wenngleich mit unterschiedlicher Einstellung zu Zwei- und Mehrsprachigkeit, so lehnen einige Schülerinnen und Schüler ihre als erste erworbene Sprache ab bzw. verdrängen diese. Sie vermeiden, die Muttersprache zu sprechen und identifizieren sich stark über das Deutsche bzw. zum Teil auch über die englische Sprache. Dies ist der Fall bei Tom, Fatima und Aysel. So würden Tom und Fatima auf jeden Fall Englisch behalten wollen. Tom würde auch Englisch seinem Herzen zuordnen, Fatima und Aysel Deutsch. Mit ihren Kindern würden sie nur Deutsch sprechen wollen. Die „Herkunftssprache“ wird häufig bewusst vermieden. So spricht Fatima bewusst kein Arabisch, wenn Arabisch sprechende Personen, aber auch Deutsche in der Nähe sind.“ (Hu 2003: 190) 292 7. Gesamtauswertung der Ergebnisse der Lehrerinterviews Zu diesen Beobachtungen berichten einige Interviewpartnerinnen und -partner, dass die russischsprachigen Schülerinnen und Schüler ihren türkischsprachigen Kameraden in Bezug auf die Leistungen überlegen seien. Dies gelte im Fremdsprachenunterricht allgemein, speziell aber auch im Deutschunterricht. Ähnlich verhielte es sich auch mit Jugendlichen aus dem ehemaligen Jugoslawien, die bessere Leistungen hätten als türkische Jugendliche. Dennoch praktizieren die Lehrerinnen und Lehrer der Studie nach ihren eigenen Angaben punktuell Transfer und Bewusstmachung im Vergleich mit den Herkunftssprachen ihrer Schülerinnen und Schüler, indem sie diese einbinden und um Vergleichsbeispiele bitten würden. Als Ziele dieses Vorgehens werden genannt, es gehe darum, die Beziehungen zwischen den Sprachen insgesamt bewusst zu machen, morphologische Unterschiede zwischen den Herkunftssprachen und der erlernten Schulsprache zu zeigen, aber auch insgesamt um eine positive Stimmung im Fremdsprachenunterricht zu schaffen und interkulturelles Lernen zu fördern. Auch im Bereich der Lernstrategien könnten die deutschen Schülerinnen und Schüler von ihren Klassenkameraden mit Migrationshintergrund etwas über Lern- und Kommunikationsstrategien lernen. Als Beispiele werden genannt: „Wie funktionieren Sprachen? Welche Eselsbrücken und Lernstrategien kann ich anwenden? “ Auch die Erfahrungen mit Mediation, über die mehrsprachige Lernende verfügen, wenn sie mit den Eltern in die Herkunftsländer reisen, werden von einigen Befragten als wichtiges Potenzial gesehen. Wenn die Befragten migrationsbedingt mehrsprachige Schülerinnen und Schüler mit ihren Sprachen in den Fremdsprachenunterricht einbinden, geschieht dies vor allem in den Bereichen Sprachvergleich Lexik und Grammatik, Essgewohnheiten, Feste, Traditionen und interkulturelle Vergleiche aber auch, indem Bezüge zu aktuellen politischen Gegebenheiten oder geschichtlichen Fakten hergestellt werden. Orte dafür sind zum Einen der Fremdsprachenunterricht selbst - teilweise Unterrichtsphasen in deutscher Sprache - aber auch zum Anderem Projekttage. Auch im Bereich des interkulturellen Lernens sind Defizite erkennbar, denn aus den Daten lässt sich feststellen, dass zahlreiche Lehrkräfte - die zum Zeitpunkt der Interviews im Mittel 39 Jahre alt waren - angeben, während ihres Studiums unter anderem in interkultureller Pädagogik nicht ausgebildet worden zu sein (z. B. Mühlbauer). Dieser Mangel bei ihrer Professionalisierung ist durchaus als Defizit zu betrachten, denn es hatte und hat weiterhin zur Folge, dass eine Arbeit in multiethnischen Schülergruppen erschwert, gar unmöglich wird. Diesen Lehrkräften „der älteren Generation“, auf die das Genannte zutrifft, fehlt ausbildungsseitig eine Sensibilisierung für die Problematik der stark heterogenen Lerngruppen. Hinzu kommt, dass das bis in die neunziger Jahre des 7.4 Einstellungen zu Herkunftssprachen und -kulturen 293 letzten Jahrhunderts „ungeliebte Kind Landeswissenschaft“ in den romanischen Philologien (vgl. Höhne 2007) eine defizitäre Situation in der Lehrerbildung geschaffen hat. Inwieweit heute sogar eine Rephilologisierung - und was dieser Begriff eigentlich impliziert - stattfindet, lässt sich noch nicht abschätzen. Höhne sieht in der zunehmenden Modularisierung der Studienordnungen im Zuge der Bologna-Reform und einer Berufungspraxis zugunsten der Kulturwissenschaft zumindest diese Gefahr. Lehrkräfte beziehen nur die Sprachen ein, die sie aktiv beherrschen (vgl. ähnliche Resultate in: Heyder & Schädlich 2014: 194 f.). Sprachvergleiche werden vorwiegend stärker in Verbindung mit Deutsch und den erlernten Zielsprachen vorgenommen; der Einbezug der anderen Herkunftssprachen der Schülerinnen und Schüler wird dabei unterschiedlich von den Lehrenden gehandhabt: zwischen Nicht-Berücksichtigung aufgrund mangelnder Sprachkenntnisse eben der Schülersprachen bis hin zur Ermunterung zu Dialogführung, um das Expertenwissen der Schülerschaft hervorzuheben (vgl. Peréz Sanchez). 294 7. Gesamtauswertung der Ergebnisse der Lehrerinterviews Transfer und Bewusstmachung Einsatzort / Didaktischer Ort Vorteile, Probleme und Einstellungen Herkunftssprachen 1) Wenig wegen Stofffülle, Defizite in Lehrwerken, G8-Curriculum 2) Sprachvergleich Russisch, Türkisch, Tschechisch, Deutsch (Grammatik); Lexik (Zahlen in anderen Sprachen: Wie heißt das auf Türkisch? ), Beziehungen zwischen den Sprachen, Bewusstmachung 3) Herkunftssprache Französisch, Unterschiede deutlich machen 4) Funktionieren von Sprachen; Eselsbrücken, Lernstrategien, Mediation durch Schüler 5) Positive Stimmung, Fremdsprachenunterricht schaffen 1) Französische Begriffe in Türkisch, Vergleiche nur Lexik, kontrastiv arbeiten, Ableitungen und Doppeldeutungen, faux amis , Interferenzen als Problem 2) Essgewohnheiten, Feste, Traditionen, Projekttage, Welt, Länder, Nationen, Kulturen, aktuelle politische Informationen, kulturelle Erfahrungen 3) Interkulturelles Vorgehen, Geschichte Spaniens (muslimische Schüler) 1) Referenzsprache Deutsch (im FSU ); FSU auf Deutsch, keine besondere Rolle für mehrsprachige Schüler, teilweise Defizite im Deutschen 2) Kann kein Türkisch, Kroatisch, Rumänisch; keine Rückgriffe möglich, keine Relevanz für Spanisch 3) nur Romania, nur wenn Muttersprachler vorhanden; Rumänisch hilfreich, native speakers haben Vorteile 4) Türkisch und Russisch: kein kontrastives Vorgehen möglich 5) Lehrerin stellt sich auf die Nationalität ein; Russen verheimlichen ihre Herkunft; Türken: Muttersprache keine Bedeutung für Karriere; Türkische Kinder: kein gutes Selbstbewusstsein 6) Aufwertung der Herkunftskultur; Mehrsprachigkeit ist Potenzial für Schüler 7) Unsicherheit in der Herkunftssprache bei den Schülern 8) Jede Herkunftssprache / bilingual: immer ein Vorteil 9) Russische Schüler: Vorteile beim FSU ; türkische Schüler: Nachteile Tab. 12: Synopse - Einbeziehung von Herkunftssprachen im Fremdsprachenunterricht 7.5 Änderungsvorschläge für die Unterrichtspraxis mit Fokus auf Mehrsprachigkeit 295 7.5 Änderungsvorschläge für die Unterrichtspraxis mit Fokus auf Mehrsprachigkeit 7.5.1 Lehrerpersönlichkeit Die erste Kategorie, die sich ausdifferenzieren lässt, bezieht sich auf die Persönlichkeit des Lehrers, seine methodisch-didaktische Herangehensweise, die der Implementierung der Mehrsprachigkeit im Unterricht dienlich sei. Lediglich eine befragte Lehrerin hat dazu konkrete Vorstellungen angeboten. Diese Kategorie ist in folgende zwei Subkategorien unterteilt, die einleitend die Aspekte des individuellen Engagements und anschließend der Bewusstmachung über das Potenzial der Schülersprachen thematisiert. 1) Individuelles Engagement Die Lehrerin Frau Peréz Sanchez ist der Meinung, dass die Einbeziehung der Mehrsprachigkeit im Fremdsprachenunterricht von dem individuellen Engagement des Lehrers, von seinen Schwerpunkten und Prioritäten abhängig sei. Sie vermute, dass die Fächerkombination eines Lehrers eine wichtige Rolle beim aktiven, bewussten Rückgriff auf weitere Sprachen spielen würde; denn das Unterrichten zweier Fremdsprachen ermögliche durchaus Verweise auf andere erlernten Sprachen, während ein Lehrer, der beispielsweise die Fächerkombination Sport und Französisch unterrichten würde, seine Schüler wohl eher wenig oder überhaupt nicht für andere Sprachen sensibilisieren würde, so ihre mit Bedacht formulierte Einstellung. Für ihre eigene Unterrichtspraxis sehe sie in der Förderung der Mehrsprachigkeit in ihren Klassen ihr persönliches Herzensanliegen (vgl. Z. 754-756). 2) Bewusstmachung über das Potenzial der Schülersprachen Dementsprechend sei es für sie unabdingbar, um die Mehrsprachigkeit zu fördern und sie bewusst zu machen, dass der unterrichtende Lehrer auf das vorhandene Sprachpotenzial seiner Schülerschaft explizit aufmerksam mache. Sie begründet ihre Ansicht damit, dass die Lernenden da ein Werkzeug hätten, aus dem sie später noch Nutzen ziehen könnten (vgl. Z. 757-758). Allerdings kommen die Schülerinnen und Schüler eher selten aus eigenem Antrieb auf ihre anderweitig erworbenen sprachlichen Kompetenzen. Daraus resultiere die Erfordernis für die unterrichtende Lehrkraft, die Schülerinnen und Schüler kontinuierlich darauf hinzuweisen (Z. 758). In dieser Kategorie wird von den befragten Lehrpersonen besonders die Bedeutung der Lehrerrolle betont. Bei den beiden Lehrerinnen mit romanischem Hintergrund ist dieser Aspekt, Mehrsprachigkeit als positives, wertvolles Gut anzusehen, besonders ausgeprägt. 296 7. Gesamtauswertung der Ergebnisse der Lehrerinterviews 7.5.2 Institutionelle Bedingungen: G8 als Hindernis Die nächste Kategorie steht in direkter Verbindungen zu den staatlichen und schulischen Rahmenvorgaben des achtjährigen Gymnasiums (G8), welches als Hürde für die erfolgreich durchführbare Implementation der Mehrsprachigkeit gesehen wird. Daraus sind die drei folgenden Subkategorien hervorgegangen: 1) Stofffülle, 2) Minderung der Unterrichtsqualität und der Lernergebnisse; verkürzte Schulzeit als kognitive Überforderung der Schülerinnen und Schüler und 3) Abwahl der Fremdsprachen außer Englisch; Wunsch nach Erhöhung der Stunden für die zweite und dritte Fremdsprache. 1) Stofffülle Frau Heilmann hegt den Wunsch nach einer Reduzierung der Stofffülle, vor allem im Bereich der Grammatik, deren Progression nach ihrer Auffassung zu steil sei (Z. 506). Da die zahlreichen, ausgiebigen, kognitiven Lerninhalte innerhalb kurzer Zeit intensiv zu bewältigen seien, bliebe keine Zeit für Freiraum zum Zwecke kommunikativer Anlässe, für Hörverstehensaufgaben oder noch Lektüren übrig, die ihr wichtig erschienen und in ihrem persönlichen Sprachlernprozess präsent gewesen seien (Z. 517-518). Sie nutze deshalb bereitwillig spanische Texte als Zusatzaktivität in der neunten Klasse, die bei ihren Schülerinnen und Schülern guten Anklang finden würden (Z. 527-532). 2) Minderung der Unterrichtsqualität und der Lernergebnisse; verkürzte Schulzeit als kognitive Überforderung der Schülerinnen und Schüler Für Frau Kallmayer bedeutet das fehlende Jahr durch den Wechsel vom G9 zum G8 ein Jahr Kürzung, die sich auf die Qualität des Unterricht(en)s und folglich der Schülerergebnisse auswirke. Auch wenn der Fremdsprachenunterricht der letzten Jahre auf mehr Kommunikation ausgerichtet sei - was sie durchaus als sehr positive Entwicklung begrüße (Z. 601-602) - sei die Stundenkürzung in allen Klassenstufen ab der 8. Klasse des G8 ein bedeutendes Problem für die Fremdsprachenlehrkräfte. Obgleich sie kein Plädoyer für das G9 mache, merkt sie an, dass sich dieses eine Jahr Kürzung auf die Qualität des Unterrichts beziehungsweise der Schülerergebnisse niederschlage, insofern als die Schüler weniger Zeit und Möglichkeiten hätten, um die Lerninhalte nachzuarbeiten. Eine tiefgehende Behandlung des Lernstoffes sei erschwert; darüber hinaus hätten die Lehrer mit jüngeren Schülern zu tun, welchen die geistige Reife fehle; die Klassengruppen seien größer (auch in Leistungskursen: bis zu 25 Schüler in der 11. Klasse Spanisch); Zeitmangel existiere sowohl auf Lehrerals auch auf Schülerseite, dadurch entstehe ein größerer Druck und eine stärkere Belastung für die Schüler, die aus Zeitmangel zur Nachbearbeitung des Lernstoffes wenig kommen würden (Z. 579-580). Daraus resultiere, dass das frühere Niveau des G9 nicht mehr erreichbar, sondern tendenziell absinkend sei (Z. 582-583). Sie 7.5 Änderungsvorschläge für die Unterrichtspraxis mit Fokus auf Mehrsprachigkeit 297 müsse seit der Einführung des G8 mit den entsprechenden Bedingungen und Vorgaben agieren, sagt allerdings: „Also wenn ich ‘s ändern könnte, ich würde, denke ich, wieder zurück gehen“ (Z. 618). Hier nicht gemeint in das alte G9- Modell, sondern mit den neuen Änderungen des G8. Diese genannten Tatsachen seien mit der Förderung der Mehrsprachigkeit nicht vereinbar. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer an der Vorstudie äußerten sich in vergleichbarer Weise. Hier liegt eine deutliche Sättigung der Daten vor, die den Schluss einer allgemeinen Unzufriedenheit über die Verringerung der Schulzeit (G9 - G8) zulässt. Dies zeigt sich auch im folgenden Punkt. 3) Abwahl der Fremdsprachen außer Englisch; Wunsch nach Stundenerhöhung für die zweite und dritte Fremdsprache Auch wenn Frau Kaufmann nicht für eine Rückkehr ins G9 plädiere, sehe sie Schwierigkeiten in der Implementierung schulischer Mehrsprachigkeit, da zahlreiche Schülerinnen und Schüler die zweite und folglich die dritte Sprache bis zum Abitur abwählen würden. Ihrer Begründung nach seien die Lernenden mit dem gesamten Lernstoff und der hohen Stundenanzahl überlastet (vgl. auch Frau Kallmayers Ansichten unter 2), die Sprachen würden folglich darunter leiden (Z. 342-346). Sie wünschte sich deshalb eine Erhöhung des Stundendeputats für die Fremdsprachen in den zweiten und dritten Fremdsprachen, mit dem impliziten Wunsch, dass die Schülerschaft mehr Sprachen als nur Englisch bis zum Abitur lernt (vgl. Z. 337-338). Derzeit sei die Förderung schulischer Mehrsprachigkeit mit den konzeptionellen Strukturen des G8 aufgrund des schlechten Schülerniveaus in der zweiten Fremdsprache eine Hürde. Letzteres Statement sei ebenfalls von Frau Hartmann kräftig unterstützt: Mehrsprachigkeit könne nach ihrer Auffassung nicht gepflegt werden, weil die Schüler in der 8. Klasse keine weitere Fremdsprache anwählen würden (Z. 450-451). Ihren Beobachtungen zufolge würden die Schülerinnen und Schüler ihre Fremdsprachenausbildung mit der Sprachenwahl bereits in der sechsten Klasse abschließen (vgl. Z. 451-452). 7.5.3 Fortbildungsmaßnahmen In dieser Kategorie äußert Frau Mühlbauer als einzige Lehrerin in diesem Datenkorpus den Wunsch, an einer Fortbildung in Form einer Ringvorlesung teilzunehmen, in der sie zusammen mit Kollegen aus anderen Fächern etwas über die Besonderheiten der lebensweltlichen Mehrsprachigkeit der Schüler erfahren würde, um im eigenen Unterricht selbst in der Lage zu sein, Vergleichsmöglichkeiten zwischen den Sprachen - auch den mitgebrachten Schülersprachen - zu schaffen. In diesem Zusammenhang führe sie Beispiele aus wie: „Wie funktioniert Türkisch? […]. Was kann ich da als Fremdsprachenlehrer oder als Deutsch- 298 7. Gesamtauswertung der Ergebnisse der Lehrerinterviews lehrer oder auch als Englischlehrer, was kann ich mir da zunutze machen? Oder wie funktioniert Kroatisch? “ (Z. 733-735). Sie habe wahrgenommen, als sie zwei Jahre lang an einem Sprachbegleitungsprojekt beteiligt war, dass die Migrationsschüler teilweise massive Probleme aufgrund ihres unzureichenden Verständnisses mit der deutschen Sprache hätten (Z. 758-759). Dieser Tatbestand habe zur Folge für ihren Fremdsprachenunterricht gehabt, dass sie nicht auf deutsche Konstrukte zurückgreifen könne, die in der Erstsprache nicht vorhanden seien (vgl. Z. 777-781). Bei den anderen Lehrpersonen liegen keine Äußerungen zu diesem möglichen Fokus von Lehrerfortbildung vor, was auf ein relativ geringes Problembewusstsein schließen lässt. Eine ähnliche Tendenz zeigte bereits die Vorstudie, in der Einmütigkeit unter den Teilnehmerinnen und Teilnehmern darüber herrschte, dass Mehrsprachigkeit kein Thema von angebotenen Fortbildungsveranstaltungen sei. Dies wird in der Folge dann allerdings auch nicht nachgefragt und belegt ein gewisses Desinteresse. Lehrerpersönlichkeit Institutionelle Bedingungen: G8 als Hindernis Fortbildungsmaßnahmen Änderungsvorschläge für die Unterrichtspraxis mit Fokus auf Mehrsprachigkeit 1) Individuelles Engagement 2) Bewusstmachung über das Potenzial der Schülersprachen 1) Stofffülle 2) Minderung der Unterrichtsqualität und Lernergebnisse; Verkürzte Schulzeit als Überforderung der Schüler 3) Abwahl der Fremdsprachen außer Englisch; Wunsch nach Stundenerhöhung für die 2. und 3. Fremdsprache Ringvorlesung zu Herkunftssprachen Türkisch / Kroatisch Tab. 13: Synopse - Änderungsvorschläge für die Unterrichtspraxis mit Fokus auf Mehrsprachigkeit 7.6 Änderungsvorschläge zur Lehrerausbildung 299 7.6 Änderungsvorschläge zur Lehrerausbildung 7.6.1 Defizite im Studium und in der Lehrerausbildung Anders als in der vorausgehenden Kategorie zu den Änderungsvorschlägen zum Befördern der Mehrsprachigkeit, die nur von einer guten Hälfte der Fremdsprachenlehrkräfte (insgesamt sieben) beantwortet wurde, äußern sich nahezu alle Interviewpartner (insgesamt zehn) über Defizite in Studium und Lehrerausbildung; aus dieser Kategorie profilieren sich zwei Nebenkategorien, im Folgenden genannt: 1) Wissenschaftlichkeit / Fachlichkeit versus Alltagspraxis und 2) Rückgang der Sprachkenntnisse heraus. Allerdings bleibt hier zu konstatieren, dass sich die Befragten weniger zu den Defiziten in Studium und Ausbildung unter dem Aspekt der Mehrsprachigkeit äußern, sondern den Fragenimpuls nutzen, um allgemeine Bemerkungen zur Ausbildungssituation zu machen. Gleiches gilt dann auch für die Äußerungen, mögliche Anregungen zu einer veränderten Ausbildungssituation betreffen. Auf die Frage nach Änderungsbedarf in Bezug auf Mehrsprachigkeit in der Hauptstudie antworten die Lehrkräfte kaum, oder gar nicht; sie antworten eher an der Frage vorbei und konzentrierten sich vielmehr auf ihre tägliche Berufspraxis. Auch dies belegt wieder das insgesamt wohl recht geringe Problembewusstsein in der Frage der Mehrsprachigkeit und der fachdidaktischen Debatte. Die Entscheidung, in der Hauptstudie einen offenen Leitfadeninterview zu gestalten, ist auf die Erfahrungen der Vorstudie zurückzuführen, wonach sich die Interviewpartnerinnen und -partner zum Teil mit zu direkt gestellten Fragen schwer getan haben, wie beispielsweise: „Was ist für Sie Mehrsprachigkeit? Machen Sie die Mehrsprachigkeit zum Thema Ihres Fremdsprachenunterrichts? Was halten Sie davon, Ihren Fremdsprachenunterricht interdisziplinär zu gestalten und gegebenenfalls durchzuführen? Wird Mehrsprachigkeit in Fortbildungsangeboten berücksichtigt? etc.“ Teilweise hatten diese nach dem Interview angemerkt, dass sie nicht wussten, was sie auf die Fragen antworten konnten und sich deshalb den Fragebogen im Voraus gewünscht hätten, um sich besser vorzubereiten und zeigten auch Vermeidungsstrategien zu diesen Fragen. Der geäußerte Wunsch, den Fragebogen den Lehrkräften im Vorfeld zu schicken, wurde verworfen, da es um Spontaneität und Selbstbestimmung der Interviewpartnerinnen und -partner ging (vgl. Kapitel 4.4). Gerade im Bereich der Äußerungen zu Veränderungen und Anregungen kann diese Entscheidung heute kritisch gesehen werden. 300 7. Gesamtauswertung der Ergebnisse der Lehrerinterviews 1) Wissenschaftlichkeit / Fachlichkeit versus Alltagspraxis Die Fremdsprachenlehrerin Heilmann vertritt die Ansicht, dass das Studium keine angemessene Vorbereitung auf die Lehrerrolle aufgrund des geringen praxisorientierten Bezugs aufweise (vgl. Z. 588-589). Der Grund dafür sei die äußerst wissenschaftliche Ausrichtung der universitären Ausbildung, die zur Folge habe, dass wenig Gemeinsamkeiten mit dem künftigen Lehrerberuf vorliegen würden. Ähnliche Auffassung vertreten ebenfalls weitere Lehrerkollegen wie beispielsweise Herr Scholl (Z. 745-746), Frau Hartmann, Frau Pini (Z. 430-431) und Frau Mayr. Letztere genannte Kolleginnen bemängeln, dass die angehenden Lehrkräfte nicht ausreichend auf unterschiedliche, alltägliche Probleme in der Lehrerpraxis vorbereitet seien. Mayr beklagt sich per exemplum darüber, dass es eine Bandbreite von Problemen gebe, von denen man an der Universität noch nie etwas gehört habe (vgl. Z. 710-711). 2) Rückgang der Sprachkenntnisse In dieser Nebenkategorie schildern die Fremdsprachenlehrkräfte Scholl und Kaufmann, dass die sprachlichen Kenntnisse der Referendare beziehungsweise der jüngeren Kolleginnen und Kollegen nicht sehr gut (Kaufmann, Z. 422) und gar defizitär (Scholl) seien. Für Herrn Scholl sei dieser Zustand auf das modularisierte Studium verbunden mit dem strikten Scheinsystem zurückzuführen (Z. 755-759). Er kritisiere das stark verschulte System, welches wenige Freiräume zum Studieren und zur Persönlichkeitsbildung in Humboldt’scher Tradition erlauben würde (Z. 769-772). Rückblickend auf drei Jahrzehnte persönliche Berufserfahrung fürchtet Frau Kaufmann mit Bedauern um die Qualität des Gymnasiums und seine exzellenten Ausbildungsstandards und hohe Ansprüche, würde sich die Tendenz weiter verschärfen (Z. 453-455). 7.6.2 Anregungen Diese letzte Kategorie befasst sich mit den daraus resultierenden Anregungen zur Verbesserung in der Lehrerausbildung, die ich in vier Subkategorien aufgliedere: 1) Mehr Praktika, 2) Mehr Wissenschaftlichkeit, 3) Auslandsaufenthalte als Pflicht und 4) Lehrerpersönlichkeit schulen und auf Berufsprobleme vorbereiten. 1) Mehr Praktika Auch wenn die Praktika in der Lehrerausbildung seit längerer Zeit vorgesehen und fest etabliert seien, heben die drei Kolleginnen Peréz Sanchez, Pini und Drewes ihre besondere Wichtigkeit hervor, um als Student - beispielsweise nach Peréz Sanchez’ Ansicht - feststellen zu können, ob man für den Lehrerberuf geeignet sei oder nicht (Z. 921 f.). Drewes ist der Meinung, dass die zwei angelegten Praktika im Studium nicht ausreichend seien und dass mehr 7.6 Änderungsvorschläge zur Lehrerausbildung 301 Didaktik-Praxis erstrebenswert sei (Z. 358-362). Für Pini bedeuten Praktika die Möglichkeit, über das Fachliche hinaus konkretere Aspekte der Praxis umzusetzen (vgl. Z. 598-599). 2) Mehr Wissenschaftlichkeit Selbst wenn die Kolleginnen Kaufmann und Hartmann die didaktisch-methodische Ausbildung an der Universität durchaus begrüßen und feststellen, dass die Studenten - verglichen mit früher - besser für die heutige Schulpraxis gerüstet seien (vgl. Kaufmann) und eigenständig Unterrichtsstunden in den Schulen durchführen würden, bestehen jedoch beide auf der Notwendigkeit einer guten wissenschaftlichen, fachlichen universitären Ausbildung. Für Hartmann stellt das Referendariat den Lernort für die angemessene Vorbereitung auf die Unterrichtspraxis dar (Z. 504-505). 3) Auslandsaufenthalte als Pflicht Für Frau Rieder gehören längere Auslandsaufenthalte als obligatorisches Pflichtprogramm zur Fremdsprachenlehrerausbildung dazu (Z. 704-705), sie seien „das A und O“ (Z. 708) eines künftigen Fremdsprachenlehrers, der nicht nur die Sprache zu beherrschen habe, sondern auch Vermittler der Alltagskultur des Zielsprachenlandes sei (Z. 708-709). Ihrer Ansicht nach seien Erasmus-Programme zu kurz, die lediglich eine Aufenthaltsdauer zwischen fünf und sechs Monaten böten. Sie plädiert dafür, dass sich die Studenten von einem Dreiviertel Jahr bis zu einem Jahr im Zielsprachenland aufhalten sollten (Z. 722-724). 4) Lehrerpersönlichkeit schulen und auf Berufsprobleme vorbereiten Nicht zuletzt sei der Aspekt der Persönlichkeit des angehenden Lehrers bedeutsam: für vier befragte Lehrpersonen solle der künftige Lehrer nicht nur fachlich-inhaltlich gut und kompetent auf seine Lehrerrolle ausgebildet sein (Rieder, Mayr, Hartmann, Schrader), es sei darüber hinaus entscheidend, seine Lehrerpersönlichkeit zu stärken (Schrader) und er solle einen angemessenen Umgang mit den Schülern finden und Begeisterung für sein Fach vermitteln (Mayr). Zu einer optimalen Vorbereitung auf den Lehrerberuf sollten - nach Frau Rieder - die Studenten bereits im Studium auf psychische Belastungen besser vorbereitet und eingestellt werden. 302 7. Gesamtauswertung der Ergebnisse der Lehrerinterviews Defizite im Studium und in der Lehrerausbildung Anregungen Änderungsvorschläge zur Lehrerausbildung 1) Wissenschaftlichkeit, Fachlichkeit versus Alltagspraxis 2) Rückgang der Sprachkenntnisse 1) Mehr Praktika 2) Mehr Wissenschaftlichkeit 3) Auslandsaufenthalte als Pflicht 4) Lehrerpersönlichkeit schulen und auf Berufsprobleme vorbereiten Tab. 14: Synopse - Änderungsvorschläge zur Lehrerausbildung 7.7 Das interindividuelle Gemeinsame-- abschließende Thesen und Ergebnisse Abschließend zur Gesamtauswertung lassen sich folgende Thesen und Ergebnisse formulieren: 1. Das leitfadengestützte Interview - hier in seiner explorativ-problemzentrierten Form - fördert umfangreiche Narrationen der Fremdsprachenlehrerinnen und -lehrer über ihre Berufswahl, die von ihnen erlebte Schulrealität und Kritik und Änderungsvorschläge an derselben, Einstellungen zu den Lernenden und deren Mehrsprachigkeit und über ihre Unterrichtspraxis zu Tage. Diese Erzählungen ermöglichen einen Einblick in Einstellungen dieser Fremdsprachenlehrkräfte zur Mehrsprachigkeit ihrer Schülerinnen und Schüler und vielen weiteren Aspekten der Berufsrealität. 2. Bei der Mehrheit der befragten Lehrerinnen und Lehrer hat sich die Entscheidung zum Studium der Sprachen biografisch schon recht früh, die Entscheidung zum Lehrerberuf (Fremdsprachenlehrerin, -lehrer) aber erst relativ spät und auf Umwegen entwickelt. Als Grundmotiv aller Beteiligten ist aber eine große Begeisterung für Fremdsprachen und den Kontakt mit anderen Kulturen erkennbar. Alle Befragten beschreiben einen emotionalen Bezug zu den von ihnen studierten und fachlich vertretenen Sprachen. Auslandsaufenthalte und Kontakte mit Sprecherinnen und Sprechern der Zielsprachen spielen eine große Rolle in ihrer Sprachlernbiografie. Auf dieser Basis werden authentische Erzählungen und mitgebrachte Realien direkt in den Unterricht eingespeist. 3. Die befragten gymnasialen Fremdsprachenlehrerinnen und -lehrer fühlen sich ausschließlich für ihre jeweils unterrichtete(n) Sprache(n) im Sinne von curricularer Progression, Sprachrichtigkeit und erreichbarer Abschlussqua- 7.7 Das interindividuelle Gemeinsame-- abschließende Thesen und Ergebnisse 303 lifikation nach dem GER (2001) verantwortlich. Diese Ausrichtung auf eine (oder mehrere) Fremdsprachen abhängig von der eigenen Facultas steht der sprachenpolitischen Forderung der Europäischen Union nach funktionaler Mehrsprachigkeit und partiellen Kompetenzen entgegen; diese scheint als Ziel des Fremdsprachenunterrichts den Befragten auch nicht mit den gymnasialen Anforderungen kompatibel. 4. Im Bezug auf die genannten sprachenpolitischen Diskussionen um Mehrsprachigkeit liegt bei den befragten Fremdsprachenlehrerinnen und -lehrern ein relativ geringes Problembewusstsein und nur geringer Handlungs- und Veränderungsbedarf vor. Mehrsprachigkeit stellt kein brennendes Thema bei den Probanden beider Studien dar. Anregungen über Veränderungen der Praxis, die von den Interviewpartnerinnen und -partnern genannt werden, berühren vorwiegend andere Schwerpunkte der Schulrealität, wie: G9-G8; Leistungsniveau der Lernenden; Ausbildung und Qualität der Lehrerausbildung im Bereich Wissenschaftlichkeit und Fremdsprachenkompetenz; materielle Probleme der Schulausstattung; Abwahlverhalten in den Fremdsprachen. 5. Die Einbeziehung von Schulfremdsprachen oder migrationsbedingter Herkunftssprachen erfolgt punktuell, häufig zufällig und situationsbedingt. Allerdings herrscht eine große Bereitschaft zu interkulturellen Aktivitäten, Inwertsetzung multipler Herkunftssprachen und eine breite Bewusstheit darüber bei den Befragten vor. Die Einbeziehung vorgelernter Schulsprachen erfolgt hauptsächlich in den Bereichen Lexik, Grammatik, Sprachvergleich. Dies wird vor allem in Bezug auf die romanischen Sprachen und das Englische operationalisiert. 6. Mehrsprachigkeit und ihre Einbeziehung in den Fremdsprachenunterricht wird eher als passive Kompetenz gesehen, die Herleitungen und Ableitungen ermöglicht und im Sinne der Interkomprehension Leseverstehen erleichtere. In diesem Zusammenhang wird von fast allen Befragten auf die zentrale Rolle des Lateinischen verwiesen, das als unverzichtbar dargestellt wird, und dessen Einbeziehung in den Fremdsprachenunterricht als besonders erstrebenswert erscheint. Eine durchgehende, unterrichtsstrategische Einbindung mehrsprachigkeitsdidaktischer Aspekte ist nicht zu erkennen. Bemühungen der Einbeziehung bleiben punktuell. 7. Es liegen erkennbare Einstellungsunterschiede bei den Lehrenden zwischen romanischen und nicht-romanischen Herkunftssprachen vor, wobei die Einbeziehung Letzterer durch mangelnde Sprachkompetenz der Lehrenden erschwert und insgesamt geringer wertig für das Erlernen der Schulfremdsprachen eingeschätzt wird. Sprachlernbiografische und emotional positiv geladene Studienfach- und Lehrfachentscheidungen (Facultas) der befragten Lehrkräfte (frankophil; hispanophil; anglophil etc.) stellen die unterrichtete 304 7. Gesamtauswertung der Ergebnisse der Lehrerinterviews Sprache ins Zentrum persönlicher und beruflicher Tätigkeit. Besondere, emotionale Beziehung zur Muttersprache zeigen sich bei native speakers (hier: Spanisch und Französisch) als Fremdsprachenlehrperson und daraus folgend, eine breite, alltagskulturelle und landeskundliche, authentische Vermittlungsperspektive. 8. Dem universitären Studium, dem Referendariat, dem institutionellen Berufsbild und der gymnasialen, schulischen Realität ist die Fächertrennung immanent und konstitutiv; fächerrespektive sprachübergreifendes Arbeiten scheint nur punktuell - am ehesten noch zwischen den beiden studierten Fächern der Lehrkräfte - realisiert zu werden. Ein in der Breite praktizierter, fächerübergreifender Ansatz werde durch Stofffülle, das G8-Modell und insgesamt hohe, gymnasiale Leistungsanforderungen verhindert. Etliche Lehrkräfte äußern aber auch Skepsis bezüglich eines solchen Ansatzes. 9. Immer noch scheint der monolinguale Habitus des Gymnasiums vorzuherrschen: die perfekte, muttersprachliche Beherrschung des Deutschen in Wort und Schrift bleibt als unverzichtbare, gymnasiale Anforderung das zentrale Ziel im Bewusstsein der Lehrpersonen in allen Schulfächern; Deutsch bleibt auch im Fremdsprachenunterricht die alleinige Vermittlungssprache. Komplexe, interkulturelle Vergleiche sowie landeskundliche Hintergrundinformationen, aber auch Grammatikkapitel werden tendenziell in deutscher Sprache im Fremdsprachenunterricht verhandelt. 10. Die Einstellungen einiger der hier befragten Lehrpersonen gegenüber den unterschiedlichen Herkunftsländern und -sprachen weisen komplexe Nationalstereotypen und Vorurteile auf, wobei hauptsächlich Russen und Türken genannt und mit gewissen Persönlichkeitsmerkmalen im Sinne einer Alltagsempirie bezeichnet werden. Diese Unterschiede drücken sich nach Ansicht mehrerer Probanden vor allem in den Bereichen Integrationswillen und Schulleistungen aus, die bei den russischstämmigen Lernenden deutlicher ausgeprägt seien. Den Schülerinnen und Schülern mit einem migrationsbedingten Hintergrund - unabhängig von der jeweiligen Sprachfamilie - wird von mehreren Befragten eine breite und positive Aufgeschlossenheit gegenüber Sprachen allgemein, ein ausgeprägtes, hohes Sprachgefühl und eine differente Denkweise in sprachlichen Zusammenhängen attestiert. If teachers are to be considered reflective practitioners, they need to be given the responsibility and the discretion to do their jobs. Of primary importance is the need for the time to reflect; collaborate; observe other teachers; develop personal theories, curriculum, materials, and so forth. In addition, teachers need smaller classes, more hospitable classrooms, and the resources to experiment with and change their approach to teaching. In short, the day-to-day business of teaching must become more conducive to thoughtful work. (Mark Clarke 1994: 23) 8. Ausblick und Forschungsperspektiven Ähnlich einem Psychoanalytiker, der sich im Rahmen seiner Ausbildung und späteren Tätigkeit immer wieder mit seiner eigenen Biografie auseinandersetzt und auch Möglichkeiten der Supervision nutzt, um später seine Patienten behandeln zu können, ist die universitäre Fremdsprachenlehrausbildung ohne die Auseinandersetzung und das Reflektieren jedes einzelnen Lehramtsstudenten mit seiner eigenen Sprachlernbiografie und mit seinen Praxiserfahrungen nicht mehr vorstellbar. Hattie schreibt über Feedback in der von Beywl und Zierer ins Deutsche übersetzten Ausgabe (2014): „Erst als ich entdeckt habe, dass Feedback besonders wirksam ist, wenn es der Lehrperson von den Lernenden gegeben wird, begann ich, es besser zu verstehen. Wenn Lehrpersonen Feedback von den Lernenden einfordern - oder zumindest offen sind gegenüber dem, was Lernende wissen, was sie verstehen, wo sie Fehler machen, wo sie falsche Vorstellungen haben, wo es ihnen n Engagement mangelt - dann können Lehren und Lernen mit einander synchronisiert werden und wirksam sein.“ (Beywl & Zierer 2014: 206) Die universitäre Fachdidaktik hat hier eine herausragende Aufgabe, da sie an der Schnittstelle zur beruflichen Tätigkeit Einstellungen und praktisches Handeln der zukünftigen Lehrpersonen im Praktikum mit einem fragend-kritischen Habitus konfrontieren kann, der Beratung durch die Hochschullehrenden im Sinne eines Coaching mit einschließt. Nachdenken über bonne pratique und Aspekte der Lehrerpersönlichkeit haben hierbei nach John Hattie zentrale Bedeutung: „Man braucht mehr als Fachwissen über den Stoff, gekonnte Unterrichtsgestaltung oder engagierte Lernende, um einen Unterschied zu bewirken (auch wenn das alles hilft). Man braucht Liebe zum Stoff, eine ethische, zugewandte Haltung, die mit dem Wunsch verbunden ist, anderen diesen Gefallen am Fach oder gar diese Liebe für das Fach, das man unterrichtet, nahe zu bringen. So kann man ihnen zeigen, dass man als 306 8. Ausblick und Forschungsperspektiven Lehrperson nicht nur unterrichtet, sondern auch selbst lernt - typischerweise über die Lernprozesse und -Outcomes der Schülerinnen und Schüler.“ (Beywl & Zierer 2014: 29) Das außerordentliche breite Spektrum an Einstellungen der Lehrpersonen zu ihrem Beruf, ihren Zielen und den Lernenden, von dem die vorliegende Studie einen Ausschnitt hat zeigen können, lässt sich nicht in ein homogenes Bild überführen, kann nicht im Sinne von biografischen Wenn-Dann-Hypothesen beschrieben werden und entzieht sich weitgehend dem direkten Vergleich mit der tatsächlichen Praxis. Bei den Fremdsprachenlehrkräften der vorliegenden Studie gab es einige Besonderheiten im Bereich der nativeness , das heißt zwei Lehrerinnen des Samples stammten aus den jeweils unterrichteten Zielkulturen (Spanien und Italien). In einem weiteren Sinne war es interessant zu beobachten, wie sich Lehrerinnen und Lehrer mit einem, wie immer, gearteten Migrationshintergrund zu Fragen der Mehrsprachigkeit äußern bzw. darüber berichten, wie sie diese in ihren Unterricht integrieren. Die Studie von Ekinci und Güneşli (2016) hatte bereits gezeigt, dass die Lehrkräfte, die eine eigene migrationsbedingte Mehrsprachigkeit hatten, für die Bereiche Inklusion, Diversität und Mehrsprachigkeit sensibel reagieren würden (vgl. Ekinci & Güneşli 2016: 21). Auch Sarter hatte bereits in ihrem 2013 erschienen Band zu „Mehrsprachigkeit und Schule“ konstatiert, dass es zunehmend mehr Lehrkräfte mit Migrationshintergrund gebe, und dass diese aufgrund ihrer häuslichen mehrsprachigen Sozialisation eine Vorbildfunktion übernehmen können. Daraus lässt sich - wohl mit Vorsicht - schließen, dass diese Lehrkräfte die mehrsprachigen Ressourcen und die sprachlich-kulturellen Identitäten der Schülerinnen und Schüler in irgendeiner Form nutzbar machen können und dies auch tun: „[…] die Anzahl der Lehrkräfte im deutschen Schulsystem, die aufgrund ihrer persönlichen Biographie auch in anderen Sprachen als der deutschen sozialisiert wurden, [nimmt] zu. Diese Lehrkräfte mit eigener Migrationsgeschichte in ihrer Kindheit oder Jugend oder mit indirekten Migrationserfahrungen in ihrer Familie sind für viele Schüler und Schülerinnen in vergleichbaren Situationen als Rollenvorbilder und Ansprechpartner wichtig; sie spiegeln die sprachliche und kulturelle Zusammensetzung der Gesellschaft und die in ihr und von ihr gelebten Werte und Selbstverständlichkeiten.“ (Sarter 2013: 55) Die Ergebnisse meiner Studie legen einen ähnlichen Schluss nahe, denn die zwei Lehrerinnen der Hauptstudie mit einem Migrationshintergrund - die in ihrem jeweiligen Fach als native speaker eine gewisse Sonderrolle haben - zeigen in ihren Äußerungen zur Bedeutung der Mehrsprachigkeit und zu ihrer Integration in den Unterricht starke Empathie und scheinen methodisch-didaktisch 8.1 Kritik der europäischen Mehrsprachigkeitsdoktrin 307 geschickt und wie selbstverständlich mit den sprachlichen Vorkenntnissen ihrer Schülerinnen und Schüler umzugehen. Auch spürt man einen gewissen Stolz, die eigene Sprache zu unterrichten. Die Verweise auf die anderen Schulsprachen aber vor allem die Einbeziehung der gesamten Romania - sofern sie im Klassenraum partiell vertreten war - schien bei ihnen ein weitestgehend natürlicher, nicht besonders reflektierter Ansatz zu sein; eine in ihrem Migrationshintergrund begründete Praxis, letztlich das, was Hattie die „Leidenschaft der Lehrperson“ nennt (Hattie in der deutschen Übersetzung von Beywl & Zierer 2014: 29). Eine innovative, konstruktive und kreative Neuorientierung des schulischen Fremdsprachenunterrichts ist erforderlich, der häufig an mangelnder Authentizität leidet (vgl. DESI 2008, Videostudie des Englischunterrichts und Forschungsdesiderata infra). Dies kann einerseits bereits durch die Öffnung des Unterrichts für eine multimediale, zukünftig auch verstärkt virtuelle Auseinandersetzung mit fremdkulturellen Inhalten geschehen, bei denen die jeweilige Sprache authentisch kontextualisiert wird. Daneben werden auch direkte Möglichkeiten zur Interaktion mit native speakers im Sinne des fremdsprachlichen Bildungsauftrages (Dirks 1997) bzw. mit Sprechern anderer migrationsbedingter Herkunftssprachen genutzt werden müssen. Auf diese Problematik verweist die bereits mehrfach genannte Studie von Ekinci und Güneşli aus dem Jahr 2016. Ein weiteres Ergebnis meiner beiden Studien ist die relative Gleichgültigkeit der befragten Lehrerinnen und Lehrer gegenüber sprachenpolitischen Fragen, wie beispielsweise dem europäischen Mehrsprachigkeitspostulat. Diese Einstellungen der Lehrkräfte leiten über zu kritischen Überlegungen zur europäischen Mehrsprachigkeit. 8.1 Kritik der europäischen Mehrsprachigkeitsdoktrin 8.1.1 Aus der Forschung Einer der virulentesten Kritiker und Gegner der Mehrsprachigkeit und der Mehrsprachigkeitsdidaktik in Frankreich - Bruno Maurer (2011) - verteidigt in seiner Schrift das traditionelle Fremdsprachenlernen mit anspruchsvollen Zielkompetenzen gegenüber der von ihm als „ideologisch“ kritisierten „éducation plurilingue et interculturelle“ (Maurer 2011: 63 ff.). Verschiedene Schriften der europäischen Institutionen beschreiben nach Maurer seit etwa zehn Jahren neue Ziele, die den Fremdsprachenerwerb als nachrangig gegenüber übergeordneten Zielen wie: Bewusstwerdung über den Spracherwerbsprozess, Transferkompetenzen, Respektieren der Mehrsprachig- 308 8. Ausblick und Forschungsperspektiven keit und Erkennen der sprachlichen Varietäten, Respektieren der kulturellen Unterschiede von Sprechern, Demokratieerziehung (vgl. Maurer 2011: 20). Durch die relative Abwertung des Spracherwerbsprozesses zugunsten der genannten übergeordneten Lernziele und der damit verbundenen veränderten Aufgabenbeschreibung von Fremdsprachenlehrkräften, ergäben sich nach Maurer veränderte Curricula, bei denen Sprachrichtigkeit nicht mehr im Vordergrund stünde, und er fragt provozierend, ob es denn heute nicht mehr wichtig für eine funktionierende Kommunikation sei, dass die Gesprächspartner hierfür angemessene Lexik, Grammatik und Syntax verwendeten und zudem noch eine verständliche Aussprache besäßen. Seine Antwort lautet ganz eindeutig, dass es sich hier um notwendige Voraussetzungen für eine gelingende Kommunikation handele: « Faire une phrase correcte, employer des mots appropriés avec un accent compréhensible et en prenant en compte l’acte de langage à réaliser seraient donc de peu de poids dans la réussite de la communication […] On nous permettra d’être très sceptique devant cette série d’affirmations non étayées, que nous avons bien envie de retourner pour affirmer l’exact contraire: […] on aura bien du mal à communiquer si l’on n’a pas les mots, la grammaire et la maîtrise des principales fonctions langagières … » (Maurer 2011: 27; Hervorhebungen im Text) Die Kritik an dem politischen Postulat der Europäischen Institutionen gründet im Übrigen auch auf den insgesamt auffällig defizitären Fremdsprachenkenntnissen in Frankreich: „[…] one can easily see that the French lag behind the European average in first and second language acquisition. The competences were evaluated in reading, listening and writing. In the first language, some 71 % of the learners reach the beginners (pre-A1) or basic (A1) level. In the second language we find quite the same situation, 72 % of the learners remain on the pre-A1 / A1 level.“ (Méron-Minuth & Minuth 2014: 523) Gerade vor diesem Hintergrund warnt Maurer (2011) eindringlich vor einer Verwässerung der linguistischen Grundkompetenzen des Fremdsprachenlernens zugunsten politischer Überzeugungen bzw. Ideologien und seien sie auch auf die Herausbildung eines demokratischen, multikulturellen und mehrsprachigen Menschen ausgerichtet. In diesem Zusammenhang ginge dann ein korrektes und einem differenzierten Niveau der Beherrschung entsprechendes Fremdsprachenlernen verloren und machte einem auf Minimalkonversation bedachten, utilitaristischen Sprachunterricht Platz. Diese Kritik knüpft am hermeneutischen Fremdsprachenunterricht Hans Hunfelds (1992) an: 8.1 Kritik der europäischen Mehrsprachigkeitsdoktrin 309 „Ein hermeneutischer FU wird hier nicht als Rezept zur Weltverbesserung skizziert. Er leitet sich allerdings aus einem anderen Weltverständnis her als pragmatisch / technokratische Unterrichtsmodelle. Er orientiert sich nicht an dem heute allgemein ausgegebenen Zukunftsbild Europas, ist vielmehr einer bestimmten Tradition dieses Europas verpflichtet.“ (Hunfeld 1992: 20; Abkürzung im Text) Maurer (2011) setzt seine vehemente Kritik fort und wirft dem europäischen sprachenpolitischen Anspruch auf Mehrsprachigkeit sowohl Mangel an Information und Mitspracherecht der Bürgerinnen und Bürger von Seiten der nationalen Entscheidungsträger, mangelhafte demokratische Entscheidungsstrukturen als auch die Abwesenheit einer wissenschaftlichen Diskussion zu diesem Thema: « Alors même que l’éducation plurilingue et interculturelle vise à l’émergence d’une citoyenneté européenne, il y a dans la manière dont s’opèrent ces réformes un déficit de citoyenneté et donc une contradiction majeure […]. » (Maurer 2011: 2) « [O]n s’empresse de promouvoir l’éducation plurilingue et interculturelle comme un modèle dominant alors que son adoption n’a jamais fait l’objet de débats dans les États, que ses effets n’ont pas été appréhendés dans leur ensemble, et encore moins mesurés dans les détails. » (Maurer 2011: notes 13 pp. 25-26) « L’éducation plurilingue et interculturelle, par la manière dont elle est élaborée, présente un concentré des déficits démocratiques de la vie politique européenne […]. » (Maurer 2011: 105) Auch wenn der deutsche Romanist Jürgen Trabant nicht explizit auf die europäische Mehrsprachigkeitsdoktrin Bezug nimmt, so kann man ebenfalls seine Position als Kritik an der europäischen Sprachenpolitik lesen. Schon den leicht provozierenden Titel seines Aufsatzes „Welche Sprache für Europa? “ (Trabant 2005) revidiert er sehr bald durch die Frage: „Vielleicht aber liegt die Lösung gar nicht im Singular? “ (Trabant 2005: 91) und deutet hier nicht nur auf die existierende Sprachenvielfalt, sondern merkt an, dass die Frage überhaupt nicht mehr offen sei, denn das globale Englisch habe längst die Funktion dieser einen Sprache für Europa übernommen. Nach Trabant habe hier Deutschland eine besonders unrühmliche Vorreiterrolle, indem es ohne Not immer mehr Diskursdomänen dem Englischen öffne, das er übrigens Globalesisch nennt. Sein kurzer Aufsatz endet mit der Forderung, die Wissenschaften mögen möglichst differenziert und nachhaltig die jeweiligen Nationalsprachen weiterverwenden sowie mit dem Rat, dass man eine fremde Sprache eben nicht nur zum Kommunizieren lerne, sondern dass sie ein Bildungsgegenstand sei. Die Ziele eines intelligenten Lateinunterrichts sollten dann auch für das Fremdsprachenlernen überhaupt gelten: 310 8. Ausblick und Forschungsperspektiven „Kennenlernen der Strukturen des Lateinischen, Lesen wichtiger Texte in dieser Sprache, Kennenlernen der Kultur, die sich in dieser Sprache ausdrückte, kurz: Bildung. Das Ungarische, das Italienische, das Polnische sind genauso wertvolle Gegenstände sprachlicher Bildung wie das Lateinische und das Griechische […].“ (Trabant 2005: 103) Eine weitere Kritik an der europäischen Mehrsprachigkeitspolitik übt ebenfalls die Linguistin Brigitte Jostes. In einem Aufsatz von 2006 liefert sie zunächst einen umfangreichen Überblick über die verschiedenen Abkommen und Verträge innerhalb der Europäischen Union, die sich mit der Sprachenpolitik beschäftigen, um danach aus einer sprachwissenschaftlichen Sicht einige Positionen kritisch zu beleuchten. So ist der Personenkreis, der den Forderungen nach „Muttersprache plus zwei weitere Sprachen“ entspricht, eher exklusiv und minoritär. Dies schreiben auch die europäischen Behörden selbst in ihrem Eurobarometer 2006 der Sprachen. Analysiert man die Ergebnisse nach soziodemografischen Kategorien, zeigen sich einige Differenzierungsmuster. Nehmen wir etwa die Gruppe der Befragten, die zusätzlich zur Muttersprache mindestens zwei Sprachen sprechen. Ein "mehrsprachiger Europäer" würde danach folgende Merkmale aufweisen jung, gut ausgebildet, mehrsprachiger Hintergrund, d. h. entweder in einem anderen EU -Land geboren oder mit Eltern aus anderen EU -Ländern als dem Wohnsitzland, in Führungsposition oder Student, was den Gebrauch von Fremdsprachen wahrscheinlich macht, lernmotiviert. (Eurobarometer 2006, zitiert nach Jostes 2006 32 : 8; Hervorhebungen im Text) Jostes fügt hinzu, dass eben diese Exklusivität von den europäischen Gremien nicht beabsichtigt war, zumal sich gleichzeitig eine verstärkte Entwicklung in Richtung auf eine Dominanz des Englischen abzeichnet: „Die Dominanz des Englischen verstärkt sich in praktisch allen Ländern noch, wenn es um die Sprache geht, die Kinder lernen sollten. […] Es lässt sich der Schluss ziehen, dass die Zustimmung zur Aussage, dass Kinder Fremdsprachenkenntnisse erwerben sollten, offensichtlich groß ist. Das Spektrum der Sprachen, die als nützlich für Kinder eingeschätzt werden, scheint jedoch schmal zu sein.“ (Ebd.) 32 Zitiert nach Brigitte Jostes 2006, da das Eurobarometer desselben Jahres offensichtlich von der Europäischen Union aus dem Internet genommen wurde (letztmaliger Aufrufversuch am 16. 11. 2017). 8.1 Kritik der europäischen Mehrsprachigkeitsdoktrin 311 Die verschiedenen Sprachenprogramme, die zum europäischen Jahr der Sprachen 2001 aufgelegt worden waren, haben im Bereich des interkulturellen Verstehens und der Sensibilisierung für sprachliche Vielfalt Erfolge erzielt, allerdings wurden kaum neue Fremdsprachen dazu gelernt (vgl. Jostes 2006: 10). Wenn es das Ziel europäischer Mehrsprachigkeitspolitik ist, nähesprachliche Kommunikation zu fördern, so weist Jostes darauf, dass damit die Dominanz des Englischen weiter gesteigert würde, da eine europaweite face-to-face Kommunikation vieler Bewohner in ihrer jeweiligen Sprache nicht zu erreichen sei, wie dies auch schon im Eurobarometer angedeutet ist (vgl. Jostes 2006: 16). „Die mobilen Europäer sollen bei ihren vielfältigen interlingualen Begegnungen in den nicht auf Dauer angelegten, sondern mehrfach wechselnden dissoziierten Kommunikationsräumen (ohne viele Personen im Nahbereich, die die Herkunftssprache teilen) immer andere Sprachen verwenden, um kommunikativ in allen Alltagssituationen handlungsfähig zu sein - aus der Perspektive der Soziolinguistik eine instabile Sprachensituation, die zur Aufgabe von Sprachen und zur Fokussierung auf die Sprache mit der größten Reichweite führen müsste. Und die oben aufgeführten Ergebnisse der letzten Eurobarometer-Studie zeigen sehr deutlich, dass die vom Nützlichkeitsgedanken geprägten Fremdsprachenlerner diesem unökonomischen Konzept nicht folgen wollen und sich konsequent - allem europäischen Lob der Mehrsprachigkeit zum Trotz - zumeist ausschließlich für das Englische für sich und insbesondere für ihre Kinder entscheiden.“ ( Jostes 2006: 16; Hervorhebungen im Text) Eine ähnliche Diagnose gilt aber auch für eine Sprache der Distanz auf der Basis einer verstärkten Schriftlichkeit, die eine größere Komplexität und Elaboriertheit erforderlich macht, etwa im ökonomischen Bereich der grenzüberschreitenden Wirtschaft. Diese sprachlichen Kompetenzen seien aber ebenfalls defizitär, so dass schlussendlich auch hier das Englische dominieren werde (vgl. Jostes 2006: 17). 8.1.2 Aus Lehrerperspektive Nach den Kritikpunkten aus der Forschungsliteratur stelle ich hier den Standpunkt einer Lehrerin aus der Vorstudie im Jahr 2011 an. Darin hebt sie als unterrichtende Fremdsprachenlehrerin hervor, dass sie einerseits Mehrsprachigkeit als Konzept und Intention an sich für angemessen und dienlich halte. Andererseits sei deren Implementation im schulischen Kontext ihrer Ansicht nach illusorisch und nicht realisierbar - sowohl aus der Perspektive der Unterrichtsorganisation als auch aus der Perspektive des angestrebten und zu verfolgenden Bildungsideals des Gymnasiums - wie sie stringent entwickelt: 312 8. Ausblick und Forschungsperspektiven „Mehrsprachigkeit, finde ich, ist ein gutes Konzept. Nur ist meiner Meinung nach die Schule nicht der richtige Ort dafür. Die Schüler sind mit noch einer zusätzlichen Fremdsprache schlicht überfordert. Auch wenn nur rezeptive Kenntnisse angestrebt werden, ist die Vermittlung dieser Kenntnisse in einer weiteren Sprache utopisch und im Unterricht nicht durchführbar. Auch die Einbeziehung der Ausgangssprachen der Schüler halte ich für problematisch. Wenn die Sprache nicht gut beherrscht wird, verwirrt das den Schüler zusätzlich. Wenn gute Kompetenzen in der Ausgangssprache vorhanden sind, nutzt der Schüler meiner Meinung nach die Gemeinsamkeiten selbstständig, ohne dass dies im Unterricht explizit gemacht werden muss. Natürlich soll man versuchen, die Schüler für Sprachen an sich zu begeistern und auch in gewissem Rahmen Gemeinsamkeiten und Unterschiede ansprechen, jedoch ist es die erste Aufgabe der Schule, den Schülern wenigstens in zwei Fremdsprachen solide Kenntnisse zu vermitteln, auf die sie dann natürlich später aufbauen können.“ (Lehrerin P1 Brügge, Vorstudie: 2011) Was die Lehrerin als „solide Kenntnisse“ anspricht, bleibt der Standard des schulischen Fremdsprachenlernens, worauf Bainski und Trujillo (2015) vom Ministerium für Bildung des Landes Nordrhein-Westfallen und Forschung hinweisen. Dies sei die Problematik der normativen (Sprach-)Korrektheit, die in der Institution Schule eine weiterhin dominante Rolle innehabe. Sie begründen ihre Position folgendermaßen: „Der Anspruch, eine Sprache zu beherrschen, ist ein normativer und kein kommunikativer. Das heißt, die durch Sprache ermöglichte Verständigung (verbale Kommunikation) gelingt durchaus, wenn man nicht hundertprozentig normgerecht spricht. Eine normative Korrektheit spielt in Bildungsinstitutionen eine große Rolle, da in diesen weniger die Mehrsprachigkeit (Sprachfähigkeit) als vielmehr die Mehrschriftlichkeit (Kulturtechnik) eine der wesentlichen Ziele pädagogischen Handelns darstellt.“ (Bainski & Trujillo 2015: 479) Pascal Perrenoud übte bereits 1996 große Kritik an einem Schulsystem, welches sich - seiner Ansicht zufolge - trotz gesellschaftlicher, politischer etc. Veränderungen und Entwicklungen, nicht verändert habe und Reformen gegenüber resistent geblieben sei. Zwei Jahrzehnte später scheinen seine Ausführungen nicht an Brisanz verloren zu haben, wonach die Schule nicht in der Lage sei, auf wichtige, aktuelle politische Ereignisse zu reagieren sondern nur an die Progression denke und eventuelles, negatives Feedback durch die Kollegen fürchte. Wie in dem berühmten gallischen Dorf (vgl. Astérix und Obélix) gehe die Schule über Veränderungen und Umwälzungen in der Welt hinweg. « On connaît le village rendu célèbre par Obélix et Astérix […]. L’école fonctionne souvent dans cette logique. Le monde peut bien se transformer, l’économie s’effondrer 8.2 Forschung zum Unterrichtshandeln der Lehrkräfte: ein (wohlwollend-)kritischer Blick 313 et se restructurer, les sociétés se recomposer, les réfugiés se multiplier, l’école poursuit son bonhomme de chemin, prenant parfois cinq minutes pour parler de la chute du Mur de Berlin ou de la guerre du Golfe, pour revenir rapidement aux « choses sérieuses », entendez le programme, chacun se souciant de progresser et de boucler son année sans s’exposer à la critique des collègues. » (Perrenoud 1996: 37) Für die vorliegende Studie sind dies eben die gesellschaftlichen Veränderungen im Zusammenhang mit Flucht, Vertreibung und Migration. Seriöse Mehrsprachigkeitsdidaktik muss hier nachhaltige und praktikable Modelle entwickeln, bei denen Schulfremdsprachen und Migrationssprachen in einen gegenseitig befruchtenden Dialog kommen können. Das bloße Absenken des Niveaus der Fremdsprachenbeherrschung zugunsten unsicherer, übergeordneter Ziele bringt keinen Fortschritt. 8.2 Forschung zum Unterrichtshandeln der Lehrkräfte: ein (wohlwollend-)kritischer Blick Die vorliegende Studie hat die Möglichkeit geschaffen - dank der ausgesprochen intensiven Beteiligung der Fremdsprachenlehrerinnen und -lehrer in der Vor- und Hauptstudie - Zugang zu deren individuellen Praxisdiskursen zu erhalten. Trotz alledem konnte die Studie keinen validierbaren Einblick in effektive, reale Verhaltensweisen und Handlungen im Fremdsprachenunterricht liefern. In der Studie war es mir zwar teilweise möglich - zuweilen auf der Basis von persönlichen Anekdoten - zahlreiche Aspekte und Elemente ihres Handelns, ihre Gedanken, Ansichten, Berufserfahrungen etc. kennen zu lernen, ihre reale, konkrete Praxis kann ich nur rekonstruieren. Die existierenden Unterschiede zwischen erzählter und beobachteter Unterrichtspraxis, gilt es nicht zu verwechseln, wie Pascal Bressoux darlegt: « […] il faut se garder d’assimiler pratiques déclarées et pratiques effectives » (Bressoux 2001: 42). Auch wenn die befragten Fremdsprachenlehrkräfte stets bemüht gewesen sind, ihr Unterrichtshandeln möglichst gewissenhaft und exakt zu schildern und sie dabei etliche Male auf anschauliche Beispiele zurückgegriffen haben, bleiben folgende Dimensionen (noch) offen. Einerseits sind sich die Lehrpersonen nicht immer darüber bewusst, welche Prozesse in ihrer Klasse oder Lerngruppe tatsächlich ablaufen und andererseits können sie in ihren Vorannahmen zu möglichen Zielen der Untersuchung dazu verleitet werden, Rekonstruktions- und Rationalisierungsprozesse einzusetzen (vgl. Bressoux 2001: Ebd.), um ihrem Diskurs kohärente Züge zu verleihen und ihn gegenüber der Forscherin zu rechtfertigen. Dieser Einwand ist aber prinzipiell gültig für 314 8. Ausblick und Forschungsperspektiven den Bereich qualitativ-empirischer Sozialforschung mit einem offenen Fragenapparat. Daher scheint es mir unverzichtbar, in künftige Studien direkte Unterrichtsbeobachtungen einzubinden, um wichtige Erkenntnisse über Unterrichtsverläufe zu bekommen (vgl. Forschungsdesiderata im folgenden Abschnitt 8.3). Für Folgestudien müsste ebenfalls in Betracht gezogen werden, Unterrichtsstunden der Lehrkräfte zu videographieren (z. B. ähnlich der DESI -Studie aus dem Jahr 2008), die eine mehrdimensionale Perspektive mit dem gewählten Erhebungsinstrument im Sinne von Datenkorrelation und -triangulation gewähren könnte. Mithilfe derartiger Studien wäre es denkbar, auf der Basis von Videoaufnahmen präzisere Antworten über die von den Lehrenden real umgesetzten Handlungen, ihre unterrichtlichen Aktivitäten und ihre pädagogische Organisation zu erfahren. So wären beispielsweise kooperative Lernformen einerseits auf interkulturelles Lernen und andererseits auf die fremdsprachlichen Sprechanteile der Schülerinnen und Schüler zu untersuchen. Vielmehr als das Lehrerhandeln zu beurteilen ist es wichtig, den Reichtum an Unterrichtspraktiken zu erfassen (vgl. Tupin 2003 und Suchaut 2003) und somit ein besseres Wissen über Abläufe zu entwickeln, ohne zu versuchen, diese zu bewerten. Da der Schwerpunkt zunächst auf der Beschreibung von Unterrichtspraktiken liegt, ermöglichen die Ergebnisse noch keine Beurteilung der Wirksamkeit dieser Praktiken (vgl. Tupin 2003 und Suchaut 2003), sondern haben hauptsächlich deskriptive Funktion. Eine genaue, quantifizierende Beschreibung von Unterrichtsabläufen könnte helfen, bonne pratique zu modellieren und zu evaluieren. Im Folgenden werden Vorschläge und zu berücksichtigende Aspekte für weitere Untersuchungen auf diesem Gebiet präsentiert. 8.3 Forschungsdesiderata 8.3.1 Bezogen auf Lehrerfort- und -weiterbildung Über eine mögliche Relevanz der Ergebnisse für die universitäre Lehrerausbildung, für die Ausbildung im Referendariat oder für Fort- und Weiterbildung wird nun in diesem abschließenden Kapitel nachzudenken sein. Auch eine direkte, epistemologische Verwendung der Daten in Lehrerbildungsseminaren - natürlich unter Berücksichtigung der datenschutzrechtlichen Vorgaben - ist denkbar und könnte im Bereich der Lehreraus und -fortbildung sinnvoll sein. Hier könnten dementsprechend exemplarisch Statements einer kritischen Betrachtung unterzogen und Einstellungen und Haltungen diskutiert und eventuell korrigiert werden. 8.3 Forschungsdesiderata 315 Ganz im Sinne Legutkes in seinem Beitrag „Auf die Lehrerin, auf den Lehrer kommt es an! “ (Legutke 2016) können die gewonnenen Erkenntnisse längerfristig zu einer praxisnahen Lehrerausbildung mit dem Fokus Mehrsprachigkeit und Mehrsprachigkeitsdidaktik an der Universität beitragen, indem dort Einstellungen zu unterrichtlichem Handeln problematisiert und exemplifiziert werden, um anschließend Reflexionen zu praktischem Handeln zu generieren und diese mit kritisch-fragendem Habitus zu evaluieren. Dies würde auch eine der zentralen Ergebnisse der Metastudie Hatties stützen, wonach feedback, Debatten in peer-groups und In Frage stellen von Lernenden sowie von Kollegen, besonders wirkmächtig für das Lehrerhandeln und den Lernerfolg sind. „Das zentrale Thema des gesamten Buches ist, dass die Überzeugungen und Vorstellungen von Lehrpersonen hinterfragt werden müssen. Dies nicht, weil sie falsch (oder richtig) sind. Sondern weil es beim guten Lehren im Kern darum geht, dass die Erwartungen und Vorstellungen der Lehrpersonen sich Debatten, Widerlegungsversuchen und Untersuchungen stellen müssen.“ (Beywl & Zierer 2014: 282; Hervorhebungen im Text) Eine derartige Feedbackkultur erfordert allerdings „[…] ein zugewandtes, unterstützendes Kollegium; Toleranz gegenüber Fehlern und für das Lernen von anderen Lehrpersonen; eine kollegiale Kultur unter Lehrpersonen, die Engagement, Vertrauen und geteilte Leidenschaft usw. fördert. Es sind dieselben Merkmale: Sie funktionieren sowohl für das Lernen der Schülerinnen und Schüler als auch für das Lernen der Lehrpersonen.“ (Beywl & Zierer 2014: 283) 8.3.2 Bezogen auf Unterrichtsbeobachtung / Fremdsprachenlehrpraxis In der Folge der „Videostudie des Englischunterrichts“ ( DESI Konsortium 2008) entstand ein dringender Forschungsbedarf an der Untersuchung der interaktiven Strukturen im Französischunterricht, an den Sprechanteilen der Lernenden und vor allem den im Unterricht verhandelten Inhalten, so wie es Minuth 2015 beschreibt: „Die Ergebnisse der DESI-Studie (Videostudie des Englischunterrichts, DESI-Konsortium 2008) im Bereich der Verwendung der Fremdsprache im Unterricht zeigen bereits für den Englischunterricht eine - aus Sicht der Kommunikationsorientierung - recht unerfreuliche Situation. Die Schülersprechanteile liegen im Mittel aller Schulformen im Englischunterricht der neunten Klasse bei 23 %. Es steht zu erwarten, dass die 316 8. Ausblick und Forschungsperspektiven Zahlen im Französischunterricht genau so oder gar schlechter ausfallen könnten. Eigene, allerdings noch nicht belastbare Zahlen deuten dies an. Ähnlich verhält es sich mit Wartezeiten der Lehrenden (nur 11 % lassen den Schülerinnen und Schülern auch noch nach der Drei-Sekunden-Schwelle Zeit zum Überlegen und Formulieren) und der Häufigkeit und Nachhaltigkeit des Fremdsprachengebrauchs Englisch in der Klasse, der bei DESI im Schnitt bei 84 % liegt. Allerdings sprechen die Lehrkräfte doppelt soviel wie die Lernenden. Die Stille in der Klasse nach einer Lehrerfrage bereitet Lehrkräften besondere Unsicherheit und ist schwer zu ertragen (vgl. dazu auch Appel 2001: 197). In diesen Momenten zeigt sich der Konflikt zwischen dem beruflichen und dem personalen Selbstverständnis der Lehrenden und ihren subjektiven Theorien zu eben diesem Tun.“ (Minuth 2015: 34 f.; Hervorhebungen im Text) Bei entsprechend repräsentativ und valide angelegten Videostudien des Französischunterrichts könnten dann auch Aussagen über die Einbeziehung der Schulfremdsprachen und der Herkunftssprachen der Schülerinnen und Schüler getroffen werden, die in der vorliegenden Studie nur aus den Erzählungen über ihre Einstellungen der Lehrerinnen und Lehrer deduziert werden konnten. 8.3.3 Bezogen auf die aktuelle Migrationsentwicklung Um die aktuellen gesellschaftlichen Veränderungen aufgrund der Flüchtlingsproblematik und ihrer Folgen für die Schulen in Deutschland einzubeziehen, muss eine völlig neue, diachronisch vergleichende Arbeit konzipiert werden, die retrospektiv Daten zu den Einstellungen der Lehrpersonen erhebt und dabei vor allem auf die Herkunftssprachenproblematik abhebt. Hier zeigt sich eine Perspektive für weitere, relevante Forschungsarbeiten, die - ausgehend von den von mir erhobenen Daten - Einstellungsveränderungen bei den beteiligten Lehrkräften unter dem Eindruck der aktuellen Flüchtlingsproblematik untersuchen könnte. Eine derartige Untersuchung stellt ein bedeutendes und gesellschaftlich relevantes Forschungsdesiderat dar. Erste Hinweise auf derartige Forschungsansätze liefert Aydin (2016). In ersten Ergebnissen einer von ihr unternommenen Studie stellt sie unter anderem das Weiterbestehen eines monolingualen Habitus in der Fremdsprachenlehrerschaft und eine zu geringe Einbeziehung der migrationsbedingten Herkunftssprachen fest. Außerdem gelte es die generellen Ziele des Fremdsprachenlernens und die Fremdsprachenlehrerausbildung unter veränderten Bedingungen auf den Prüfstand zu stellen (vgl. Aydin 2016: 14 f.). Als Schlusswort für die Implementierung der Mehrsprachigkeit im institutionalisierten Kontext eignet sich folgendes Zitat der inzwischen verstorbenen, 8.3 Forschungsdesiderata 317 französischen Forscherin und Lehrbuchautorin für den Deutschunterricht, Annie Semal-Lebleu (2006), in welchem sie zur Reflexion anregt. Definieren wir Mehrsprachigkeit als Ziel unserer Lehre, so Semal-Lebleu, so dürfen wir uns nicht auf die Beziehung zwischen Lehrendem einer lebendigen Sprache in seiner Klasse und seinen Schülern konzentrieren und unsere Überlegungen auf eine punktuelle Perspektive beschränken, eingesperrt im schulischen Dschungel und in Linearität verharrend. Mit dem Bewusstsein über unseren Status als mehrsprachiger Bürger, der stets unvollständig und entwicklungsfähig ist, ist es die Aufgabe eines jeden Lehrenden, seine Schülerinnen und Schüler anzuleiten, lebende Sprachen zu lernen. Somit können sie sich Wissen, sowohl in der Schule als auch außerhalb der Schule, als lebenslange Aufgabe aneignen, um sich zu mehrsprachigen Bürgerinnen und Bürgern entwickeln zu können. « On ne peut, si l'on pose cette définition du plurilinguisme comme finalité de notre enseignement, rester focalisé sur la relation entre l'enseignant d'une langue vivante dans sa classe, avec ses élèves et réduire notre réflexion à une perspective ponctuelle, enfermée dans les murs de l'école et inscrite dans la linéarité. C'est conscient de notre statut de citoyen plurilingue toujours incomplet et en devenir, que nous devons apprendre à nos élèves à apprendre les langues vivantes afin qu'ils se construisent eux-mêmes en tant que citoyens plurilingues en devenir. » (Semal-Lebleu 2006: 25) 9. Literaturverzeichnis Abdelgaber, Sylvie & Médioni, Maria-Alice (Hrsg.) (2010). Enseigner les langues avec le Cadre européen . In: Cahiers pédagogiques, hors-série n° 18, avril 2010. Paris: CRAP . 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Giessener Beiträge zur Fremdsprachendidaktik Giessener Beiträge Giessener Beiträge zur Fremdsprachendidaktik Méron-Minuth Mehrsprachigkeit im Fremdsprachenunterricht 24,2 Sylvie Méron-Minuth Mehrsprachigkeit im Fremdsprachenunterricht Eine qualitativ-empirische Studie zu Einstellungen von Fremdsprachenlehrerinnen und -lehrern Wie gehen gymnasiale Fremdsprachenlehrkräfte mit der lebensweltlichen und schulischen Mehrsprachigkeit ihrer Schülerschaft um, und wie thematisieren und nutzen sie diese in ihrem Fremdsprachenunterricht? Anhand von qualitativen Interviews mit Lehrenden auf der Basis eines explorativen Designs wird die Bandbreite von Einstellungen und erlebter Praxis deutlich. Hieraus folgen abschließend Überlegungen zur Fremdsprachenlehrerausbildung unter dem Gesichtspunkt sprachlich und kulturell heterogener Lerngruppen. ISBN 978-3-8233-8272-0 18272_Meron-Minuth_Umschlag.indd Alle Seiten 23.10.2018 12: 37: 02