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Frühkindlicher Trilinguismus

2019
978-3-8233-9277-4
Gunter Narr Verlag 
Laia Arnaus Gil
Natascha Müller
Marina Hüppop
Meike Poeste
Elena Scalise
Nadine Sette
Abira Sivakumar
Mabel Tirado Espinosa
Katharina Sonja Zimmermann

Im Hinblick auf den Erwerb von mehreren Muttersprachen ist bekannt, dass sich die Sprachen gegenseitig beeinflussen können. Bei Kindern mit mehr als zwei Sprachen stellt sich die Frage, aufgrund welcher Faktoren dieser Spracheneinfluss erfolgt. Wenn das trilinguale Kind Französisch spricht: Ist es die zweite romanische Sprache, das Spanische, die Einfluss nimmt, oder aber das Deutsche, wenn Letzteres besser beherrscht wird? Diese Einführung in die moderne Mehrsprachigkeitsforschung setzt einen Schwerpunkt auf die Methode der elizitierten Sprachproduktion. Am Beispiel des Erwerbs von drei Sprachen vor Schulbeginn führt es in das Code-Switching, die Verwendung von Kopulaverben (hier auch im Katalanischen), die Platzierung von Adjektiven in Bezug auf das Nomen, die Positionierung von finiten Verben und die Stellung von Subjekten ein. Die Erhebung der Wortschatzgröße bei trilingualen Kindern wird als Beispiel für die Vorstellung standardisierter Methoden der empirischen Spracherwerbsforschung genutzt. Das Studienbuch behandelt die romanischen Sprachen Französisch und Spanisch sowie das Deutsche.

narr STUDIENBÜCHER Laia Arnaus Gil / Natascha Müller / Marina Hüppop / Meike Poeste / Elena Scalise / Nadine Sette / Abira Sivakumar / Mabel Tirado Espinosa / Katharina Sonja Zimmermann Frühkindlicher Trilinguismus Französisch, Spanisch, Deutsch Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http: / / dnb.dnb.de abrufbar. Laia Arnaus Gil vertritt zurzeit die Professur für spanische und italienische Sprachwissenschaft an der Universität Hamburg. Natascha Müller ist Inhaberin des Lehrstuhls für romanische Sprachwissenschaft an der Bergischen Universität Wuppertal. Marina Hüppop ist ehemalige Masterstudentin des Studiengangs Bilingualer Unterricht an der Bergischen Universität Wuppertal mit dem Fach Französisch und absolviert zurzeit ihr Referendariat. Meike Poeste ist ehemalige Masterstudentin des Studiengangs Master of Education Spanisch an der Bergischen Universität Wuppertal und wird im November mit ihrem Referendariat beginnen. Elena Scalise studiert an der Bergischen Universität Wuppertal im Kombinatorischen Bachelor of Arts mit den Fächern Französisch und Spanisch. Nadine Sette ist ehemalige Masterstudentin des Studiengangs Master of Education Spanisch an der Bergischen Universität Wuppertal und absolviert zurzeit ihr Referendariat. Abira Sivakumar ist ehemalige Masterstudentin des Studiengangs Master of Education Spanisch an der Bergischen Universität Wuppertal und absolviert zurzeit ihr Referendariat. Mabel Tirado Espinosa studiert an der Bergischen Universität Wuppertal im Master of Education mit dem Fach Spanisch. Katharina Sonja Zimmermann studiert an der Bergischen Universität Wuppertal im Master of Education mit den Fächern Französisch und Spanisch. © 2019 · Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG Dischingerweg 5 · D-72070 Tübingen Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Internet: www.narr.de eMail: info@narr.de CPI books GmbH, Leck ISSN 0941-8105 ISBN 978-3-8233-8277-5 (Print) ISBN 978-3-8233-9277-4 (ePDF) ISBN 978-3-8233-0183-7 (ePub) www.fsc.org MIX Papier aus verantwortungsvollen Quellen FSC ® C083411 ® 5 Inhalt Inhalt Vorwort 9 1 Trilinguismus und Drittspracherwerb 11 1.1 Begriffsdefinition und Fragestellungen 11 1.2 Das Cumulative Enhancement Modell 17 1.3 Das Typological Primacy Modell 19 1.4 Das L2 Status Factor Modell 21 1.5 Drei Sprachen von Geburt an 23 2 Methoden 29 2.1 Die Querschnittsstudie 29 2.2 Die Longitudinalstudie 31 2.3 Sprachdominanz und Beherrschungsgrad 32 2.3.1 Ermittlung der Sprachbeherrschung in Longitudinal- und Querschnittsstudien 33 2.3.2 Grammatiktests 40 3 Messung des rezeptiven Wortschatzes anhand des Peabody Picture Vocabulary Tests 51 3.1 Der Peabody Picture Vocabulary Test 51 3.1.1 Anwendungsbereiche des Peabody 52 3.1.2 Testdurchführung 52 3.1.3 Auswertung und Interpretation 56 3.2 Vergleich der Peabody-Versionen 64 3.3 Weitere verwendete Testverfahren zur Messung des rezeptiven Wortschatzes 66 4 Einflussfaktoren auf die Wortschatzentwicklung bei mehrsprachigen Kindern 69 4.1 Einflussfaktoren 69 4.1.1 Quantitative Faktoren 71 4.1.2 Qualitative Faktoren 74 4.1.3 Typologische Faktoren 76 4.2 Aktiver Bibzw. Trilinguismus: eine Definition 76 4.3 Ein Fallbeispiel 77 4.3.1 Methodisches Vorgehen: der Elternfragebogen 78 4.3.2 Auswertung des Elternfragebogens 79 4.3.3 Statistische Auswertungsverfahren 82 4.3.4 Deskriptive Auswertung 82 4.3.5 Ergebnisse der Inputanalyse: quantitative Faktoren 83 4.3.6 Ergebnisse der Inputanalyse: qualitative Faktoren 87 4.4 Zusammenfassung 90 6 Inhalt 5 Sprachmischungen und Sprachdominanz 93 5.1 Theoretischer Hintergrund 93 5.1.1 Code-Switching 93 5.1.2 Sprachdominanz 104 5.1.3 Typologie 105 5.2 Sprachmischungen bei Kindern mit zwei und mehr als zwei Sprachen 105 5.2.1 Die Ergebnisse der gesamten Stichprobe 106 5.2.2 Analyse der Sprachmischungen: intersentential 113 5.2.3 Analyse der Sprachmischungen: intrasentential 114 5.2.4 Eine alternative Analyse 114 5.3 Zusammenfassung 118 6 Erwerb finiter Verben im Deutschen: Hauptsätze 119 6.1 Stellung des finiten Verbs bei monolingualen und mehrsprachigen Kindern: Hauptsatz 119 6.2 Stellung des finiten Verbs bei monolingualen und mehrsprachigen Kindern: Nebensatz 121 6.3 Ein Erklärungsansatz 122 6.4 Zusammenfassung 129 7 Erwerb der Subjektposition im Französischen 131 7.1 Stellung des Subjekts bei monolingualen und mehrsprachigen Kindern 131 7.2 Ein Erklärungsansatz 133 7.3 Der Grammatiktest: Ergebnisse bei mehrsprachigen Kindern 134 7.4 Zusammenfassung 141 7.5 Exkurs: postverbale Subjekte im Spanischen 141 8 Erwerb der Adjektivstellung im Deutschen, Französischen und Spanischen 145 8.1 Adjektivstellung in den Erwachsenensystemen: Französisch und Spanisch 145 8.2 Adjektivstellung bei monolingualen und mehrsprachigen Kindern 152 8.2.1 Französisch 152 8.2.2 Spanisch: Produktionstest 156 8.2.3 Spanisch: Verstehenstest 163 8.3 Zusammenfassung 164 9 Erwerb der Kopulaverben im Spanischen und Katalanischen 165 9.1 Kopulaverben in den Zielsystemen 165 9.1.1 Spanisch 165 9.1.2 Katalanisch 166 9.1.3 Unterschiede zwischen Katalanisch und Spanisch 168 9.2 Bisherige empirische Studien 168 9.3 Studie zum Katalanischen 170 9.3.1 Teilnehmer 170 9.3.2 Sprachkompetenz mittels Peabody 170 7 Inhalt 9.3.3 Ergebnisse Pilotstudie 173 9.4 Zusammenfassung 176 10 Erwerb der französischen Genusmarkierung bei einem trilingualen Kind 177 10.1 Das französische Genussystem 177 10.2 Der Genuserwerb im Französischen 178 10.3 Der Genuserwerb im trilingualen Erstspracherwerb 179 10.4 Zusammenfassung 183 11 Sprachdominanz und Wortschatzgröße bei trilingualen Kindern 185 11.1 Wortschatzgröße zur Bestimmung der Sprachdominanz: longitudinal untersuchte Kinder 185 11.2 Wortschatzgröße in Bezug auf Sprachdominanz: exakte Messverfahren 191 11.3 Zusammenfassung 196 Literatur 197 Personenregister 209 Sachregister 213 9 Vorwort Notre tête est ronde pour permettre à la pensée de changer de direction. francis picabia (1879 - 1953) Mehrsprachigkeit wird bis heute in der Regel auf den Erwerb von zwei Sprachen bezogen, wenn sie im frühesten Kindesalter einsetzt. Dabei ist in Deutschland der Fall, dass Eltern unterschiedliche Muttersprachen sprechen und ihre Kinder Deutsch als (dritte) Sprache außerhalb der Familie hören, absolut keine Ausnahme. Diese Kinder haben die Chance trilingual aufzuwachsen. Wenn sie in das deutsche Bildungssystem kommen, müssen LehrerInnen mit ihnen umgehen, also ihre Potenziale für die Lerngruppe nutzen und die Mehrsprachigkeit erhalten bzw. fördern, da diese, wenn sie aktiv gelebt wird, später Türen im Berufsleben öffnet. Der Umstand, dass bisher keine Einführung in den frühkindlichen Erwerb von drei Sprachen existiert, hat uns dazu veranlasst, eine solche zusammen mit unseren Mitarbeiterinnen zu verfassen. Erst wenn wir über den Erwerb von drei Sprachen im frühesten Kindesalter informiert sind, können wir Hypothesen, die den Erwerb einer zweiten und dritten Fremdsprache im Bildungssystem betreffen, auf Spracherwerbstheorien im Allgemeinen beziehen und Unterschiede und Gemeinsamkeiten beider Erwerbsformen formulieren, welche dann im Bildungssystem zur Förderung der Sprachen führen können. Die Ergebnisse, die in unserer Einführung vorgestellt werden, sind mit der Hilfe einer Sachbeihilfe durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft entstanden, der wir zu großem Dank verpflichtet sind. Empirische Forschungsprojekte sind sehr kostspielig und erfordern Höchsteinsatz von allen Mitarbeiterinnen. Die außergewöhnliche Leistung der Mitarbeiterinnen spiegelt sich u. a. darin wider, dass eine große Probandengruppe gefunden wurde und neben Testungen auch Sprachaufnahmen von dreisprachig aufwachsenden Kindern in Form von Langzeitstudien durchgeführt wurden. Hierbei muss Sprachmaterial in drei Sprachen erhoben werden; eine Herausforderung! Die Eltern und die Bildungseinrichtungen haben unsere Forschungen ermöglicht und uns in jeder Hinsicht unterstützt. Wir möchten uns dafür bei ihnen bedanken. Die erhobenen Daten haben bereits zu mehreren, sehr interessanten Bachelor- und Masterthesen geführt, was uns sehr freut. Wir haben versucht diese Ergebnisse mit einzuarbeiten, damit Studierende Mut entwickeln, eigene kleine empirische Arbeiten anzufertigen. Die spanischen Sprachdaten haben die folgenden wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen analysiert: Désirée Kleineberg, Claudia Kubina und Amelia Jiménez-Gaspar. Der Analyse dieser Daten konnte in unserem Buch leider kein eigenes Kapitel eingeräumt werden. Sie werden in kurzer Form in den jeweiligen im Buch zitierten Aufsätzen vorgestellt. Wir danken den beteiligten Mitarbeiterinnen. 10 Vorwort Die formale und stilistische Bearbeitung des Manuskripts hat Meike Poeste vorgenommen. Wir danken ihr für diese Leistung. Für die Bearbeitung unseres Manuskripts im Narr Verlag danken wir Katharina Wituschek und Kathrin Heyng. Wir wünschen uns, dass der Stoff der Einführung Eingang in die Lehrerausbildung findet und dazu beiträgt, die frühkindliche Mehrsprachigkeit im Bildungssystem als Chance und nicht als Stolperstein zu betrachten. Wuppertal, im April 2019 : Laia Arnaus Gil und Natascha Müller 11 1 Trilinguismus und Drittspracherwerb Natascha Müller Erwirbt ein Kind nicht zwei, sondern drei (oder mehr) Sprachen, so stellt sich die Frage, ob alle im Erwerbsverlauf dieselbe Funktion haben. Das Kapitel unterscheidet die Ausdrücke Trilinguismus und Drittspracherwerb und stellt auf der Basis von Theorien zum Drittspracherwerb Überlegungen zum Spracheneinfluss beim simultanen Erwerb von drei Muttersprachen vor. Es führt in die wichtigsten Arbeiten auf dem Forschungsgebiet ein. 1.1 Begriffsdefinition und Fragestellungen In der Mehrsprachigkeitsforschung unterscheidet man zwischen dem Trilinguismus und dem Drittspracherwerb. Der Trilinguismus (3L1) bezeichnet den frühkindlichen und natürlichen Erwerb von drei Muttersprachen, so wie er bei jedem Kleinkind erfolgt. Der Drittspracherwerb bezeichnet den sukzessiven Erwerb einer zweiten Zweitbzw. Fremdsprache, also einer Sprache, die nach dem Erwerb der Muttersprache (L1) und nach dem Beginn des Erwerbs einer ersten Zweit- oder Fremdsprache (L2) gelernt wird. Der Erwerb einer zweiten Sprache kann nach dem Mutterspracherwerb auf natürliche Weise erfolgen. Dann spricht man von einer Zweitsprache (L2). Die zweite Sprache kann aber auch nach dem Mutterspracherwerb über formalen Unterricht in der Schule erworben werden. In diesem Fall spricht man von einer Fremdsprache (wieder abgekürzt als L2). So zum Beispiel bei einem monolingual deutschen Kind, das in der Grundschule Englischunterricht erhält. Auf der weiterführenden Schule wird der Englischunterricht intensiviert. Ab der siebten Klasse kommt dann die Fremdsprache Französisch hinzu. Diese zweite Fremdsprache wird als Drittsprache (L3) bezeichnet. Diese besondere Bezeichnung setzt voraus, dass es einen Unterschied zwischen dem L1-, L2- und L3-Erwerb gibt. Beim L2-Erwerb steht in der Tat allein die Muttersprache als Stütze zur Verfügung, wenn Kompetenzlücken in der L2 kompensiert werden müssen. Beim L3-Erwerb ist nun die Frage, ob sich der Lerner 1 auf die Muttersprache oder auf die L2 stützt. Die unspezifische, nicht die Einzelsprache unterscheidende Bezeichnung 3L1 setzt voraus, dass alle drei Sprachen gleichwertig sind. Doch auch im Fall des simultanen Erwerbs von drei Sprachen wäre denkbar, dass nicht alle Sprachen im Erwerbsprozess gleichwertig sind. Diese Perspektive soll das vorliegende Studienbuch beleuchten. Bis heute konzentriert sich die Mehrsprachigkeitsforschung auf das simultan bilinguale Kind (Hoffman 1999: 16). Montanari (2013: 63) nennt als Grund die aufwändige Methode, um den Spracherwerb in drei Sprachen dokumentieren zu können. Oft wird behauptet, dass der gleichzeitige Erwerb von drei Sprachen ein Mehraufwand sei, da der frühkindliche Trilinguismus in der Regel als eine Erweiterung des Bilinguismus angesehen wird (vgl. die kritischen Anmerkun- 1 Aus Gründen der Lesbarkeit werden im Folgenden die maskulinen Personenbezeichnungen verwendet. Nichtsdestotrotz beziehen sich die Angaben auf Angehörige beider Geschlechter. 12 1 Trilinguismus und Drittspracherwerb gen zu dieser These in Hoffmann 2000). Diese Vorgehensweise ist vermutlich gerechtfertigt, wenn der Wortschatz betrachtet wird. Für die grammatische Entwicklung wird oft davon ausgegangen, dass es keine qualitativen Unterschiede zwischen bilingualen und trilingualen Kindern gibt (vgl. beispielsweise die Verwendung des Begriffs „multilingual“ anstelle von „bilingual“ für Personen, die zwei Sprachen gebrauchen, welche suggeriert, dass die Anzahl der Sprachen bei der Mehrsprachigkeit unbedeutend ist; vgl. Jeßner 1997). Jedoch berichtet Hoffmann (2001) in ihrem Überblicksartikel auch von Unterschieden, welche in eine Definition des Trilinguismus einfließen sollten (vgl. auch Quay 2011a). Die Unterschiede sind sowohl quantitativer als auch qualitativer Natur, so dass die Erforschung der trilingualen Sprachkompetenz ein eigenes Forschungsgebiet darstellen sollte (Hoffmann 2001: 1). So wird behauptet, dass trilinguale Kinder im Gegensatz zu bilingualen nicht balanciert sein können und dass es dementsprechend immer eine dominante Sprache mit zwei schwächeren Sprachen gibt. Ferner kommt der Qualität des Inputs (der Sprache, die das Kind in der Umgebung hört) in jeder Sprache sowie sprachinternen Eigenschaften eine entscheidende Rolle dabei zu, wie gut die jeweilige Sprache beherrscht wird, unabhängig von Inputgröße und Inputfrequenzen (Montanari 2013: 63). Quay (2011a: 3) folgert deshalb, dass „trilingual children need to be considered as speakers in their own right“. Unterschiede zwischen monolingualen und bilingualen Kindern haben im Bereich des Bilinguismus dazu geführt, diesen als eigenständiges Forschungsgebiet zu etablieren (vgl. Grosjean 1985, 1992, 2001 2010): Ein bilinguales Kind ist eben nicht gleichzusetzen mit zwei monolingualen Kindern. Hoffmann definiert die trilinguale Kompetenz folgendermaßen: Trilingual language competence can thus be said to contain the linguistic aspects, i.e. vocabulary and grammar, from the three language systems, and the pragmatic component, consisting of sociolinguistic, discourse and strategic competences pertaining to the languages involved, as well as competences which enable the speaker to function in bilingual or trilingual contexts. (Hoffmann 2008: 88) Die große Forschungsfrage, die sich für den Bereich des frühkindlichen Erwerbs von drei (oder mehr) Sprachen stellt, ist also die, ob es Unterschiede zum simultanen bilingualen Spracherwerb bzw. zum monolingualen Erwerb gibt. Bevor wir die kaum ausreichende Literatur zum frühkindlichen Trilinguismus zu dieser Frage vorstellen, wollen wir uns den Modellen widmen, die für den sukzessiven Erwerb von drei Sprachen diskutiert werden, da der sukzessive Erwerb einer dritten Sprache besser untersucht ist und sich hier Forscher mit der Frage befasst haben, welche der Sprachen, A oder B, die Sprache C beeinflusst. Spracheneinfluss wird als entscheidender Faktor im Drittspracherwerb vorausgesetzt. Für den frühkindlichen Erwerb von mehreren Sprachen wird dagegen bis heute kontrovers diskutiert, ob der Spracheneinfluss stattfindet. Trilinguismus: Der Erwerb von drei Muttersprachen. Im Idealfall erfolgt der Erwerb gleichzeitig. Drittspracherwerb: Der Erwerb einer dritten Sprache im Anschluss an den Erwerb einer Muttersprache und einer Zweitbzw. Fremdsprache. Der Erwerb erfolgt sukzessiv. 13 1.1 Begriffsdefinition und Fragestellungen Eine der ersten Arbeiten, in der die Frage nach einem Unterschied zwischen dem Zweitspracherwerb und dem Drittspracherwerb gestellt wird, ist die Studie von Klein (1995). Die Verfasserin geht von der Hypothese über das lexikalische Lernen (Clahsen 1992) aus. Das bedeutet, dass der Syntaxerwerb (das Setzen von Parametern, vgl. Gabriel, Müller & Fischer 2018: 16ff.) mit dem Erwerb von lexikalischen Einheiten verbunden ist. Hiernach löst der Erwerb von lexikalischen Einheiten den von syntaktischen Eigenschaften aus. Dies wird auch als triggering bezeichnet. Die zentrale Forschungsfrage lautet, ob sich sogenannte unilinguale (UL, Personen, die eine L2 erwerben) oder multilinguale Personen (ML, Personen, die zwei Zweitsprachen hintereinander erwerben, also eine L2 und eine L3) mit Wissen aus ihren Sprachen behelfen und wenn dies der Fall ist, aus welcher sie dies tun. Klein (1995: 429,431) untersucht die folgenden Strukturen mit Hilfe von Grammatikalitätsurteilen und der Korrektur von ungrammatischen Sätzen. Im Beispiel (1) darf die Präposition for von ihrem Komplement what getrennt werden; sie verbleibt oder strandet in der für das Objekt (vgl. Gabriel et al. 2018: 91) üblichen Position. In der Rattenfängerkonstruktion (2) nimmt das Fragewort whom die Präposition mit an den Satzanfang, wo im Englischen normalerweise Fragewörter stehen. Das Beispiel (3) ist ungrammatisch, gekennzeichnet durch den Asterisk; hier ist die Präposition nicht phonetisch realisiert oder phonetisch leer. 1. What are the boys waiting for? (engl. preposition stranding) 2. For whom are the girls waiting? (engl. pied-piping of entire PP) 3. *Who are the girls waiting? (engl. null-preposition) Zusätzlich wurde das Wissen über subkategorisierte Präpositionen getestet (Klein 1995: 432). Solche Präpositionen werden von einer anderen Kategorie, im Beispiel (4) und (5) vom Verb, ausgewählt und sind entsprechend nicht frei wählbar (Gabriel et al. 2018: 91): 4. *The math students worried the difficult test last week 5. The math students worried about the difficult test last week In vorherigen Forschungsarbeiten zeigt Klein (1995: 433), dass die Null-Präposition eine robuste Phase im L2-Erwerbsprozess von Pied-piping und Präpositionsstranden im Englischen darstellt, das Beispiel (3) also von Lernern fälschlicherweise als grammatisch angesehen wird. Für die Studie mit 17 Unilingualen und 15 Multilingualen stellt Klein (1995) nun zwei Hypothesen auf, die beide verifiziert werden: (1) ML lernen Subkategorisierungsinformationen (Gabriel et al. 2018: 71ff.) und das Präpositionsstranden mit größerem Erfolg als UL des Englischen. (2) UL und ML bewerten Konstruktionen mit einer phonetisch leeren Präposition wie im Beispiel (3) als grammatisch. Alle zuvor gelernten Sprachen der Probanden weisen die Voranstellung von Fragewörtern in Informationsfragen auf und verbieten das Präpositionsstranden. Eine Kontrollgruppe von 15 englischsprachigen Monolingualen zeigte die für das englische Zielsystem gewünschten Resultate: Null-Präpositionen sind im Englischen ungrammatisch und wurden von der Kontrollgruppe auch als solche identifiziert. Interessant ist, dass auch das Pied-piping nicht als grammatisch akzeptiert wurde, obwohl es sich um Muttersprachler des Englischen handelt. Mit Blick auf die ML wird in Abbildung (1.1) deutlich, dass sie beim Wissen über Subkategorisierung und beim Präpositionsstranden besser abschneiden als die 14 1 Trilinguismus und Drittspracherwerb UL. Die ML lassen auch Konstruktionen mit Null-Präpositionen zu, aber in einem geringeren Maß als die Gruppe der UL. Beide vorgenannten Hypothesen sind also bestätigt. Klein (1995) schließt aus dem Vergleich auf einen lexikalischen und syntaktischen Vorteil der ML gegenüber den UL. Als generelles Ergebnis darf somit festgehalten werden, dass „enhancement of lexical acquisition is related to, and perhaps leads to, enhancement in syntactic operations“ (Klein 1995: 449). Die ML erwerben das lexikalische Wissen schneller als die UL und zeigen damit verbunden auch bessere Resultate bei der Beurteilung der syntaktischen Phänomene (Klein 1995: 451). Abb. 1.1: Grammatikalitätsurteile von einsprachig englischen Lernern und mehrsprachigen Lernern des Englischen in Anlehnung an Klein (1995: 438) Für die Korrektur ungrammatischer Konstruktionen mit phonetisch leerer Präposition stellt Klein fest, dass die Lerner die fehlende Präposition am Satzende (korrigierend) hinzufügen, d. h. „[…] when faced with an interrogative construction with an omitted preposition, they correct it by inserting the required preposition at the end, rather than at the beginning“ (Klein 1995: 439). Die Arbeit von Clyne (1997: 114) zum Erwerb des Englischen als Drittsprache im Kontext der Migration nach Australien von 30 Erwachsenen aus mehrsprachigen Familien (mit den Sprachen Niederländisch-Deutsch, Italienisch-Spanisch, Ungarisch-Deutsch) räumt der Distanz der Sprachen zueinander beim Erwerb von drei Sprachen eine wichtige Rolle ein: „What trilinguals do then depends largely on their perception of the distance between their 15 1.1 Begriffsdefinition und Fragestellungen languages.“ Auf das Konzept der Distanz werden wir weiter unten eingehen. Außerdem nennt Clyne als Einflussgrößen den Sprachgebrauch und die Rolle, die die jeweiligen Sprachen für die Trikulturalität spielen. Für die aus insgesamt 15 Personen bestehende Gruppe der trilingualen Sprecher mit Italienisch, Spanisch und Englisch stellt Clyne zwei Typen von mehrsprachigen Kompetenzen vor, jeweils in Abhängigkeit von den genannten Einflussfaktoren, welche zu unterschiedlichem Spracheneinfluss führen. Typ 1 nennt er den trililingualen Typ mit zwei Standardvarietäten (Englisch und Spanisch) und einer Substandardvarietät (Italienisch), welche unter dem Standard Spanisch subsummiert wird. Die Erwerbsumstände dieser Sprechergruppe zeichnen sich dadurch aus, dass acht Personen mit Spanisch und Italienisch bilingual waren, mit Spanisch als ihrer dominanten Sprache, als sie Englisch als L3 in Australien erwarben. Fünf Personen hatten Italienisch als L1 und Spanisch (L2) vor dem Englischen erworben. Ein Informant hatte nur eine passive Kompetenz im Italienischen. Ein anderer Informant erwarb die Sprachen in der Reihenfolge Englisch vor Italienisch vor Spanisch. Typ 2 nennt Clyne den trilingualen Typ, der doppelt bilingual ist, mit Englisch und Spanisch auf der einen Seite und Englisch und Italienisch auf der anderen Seite. Das Englische ist für beide romanischen Sprachen die Bezugssprache, da es von den Probanden besonders oft gebraucht wird und in einer Vielzahl an Domänen und Funktionen zur Anwendung kommt (Clyne 1997: 113). Alle Probanden waren erwachsen, als mit ihnen 30-minütige Interviews durchgeführt wurden, um das Datenkorpus zu erstellen. Die jüngsten Probanden waren zwischen 20 und 24 Jahre alt. Clyne (1997: 101) ist sich der Schwierigkeit bewusst, im Bereich des Trilinguismus die Variablen Alter, Geschlecht und Erwerbsreihenfolge zu kontrollieren „due to limited opportunities to find suitable informants in Melbourne“. Alle befragten Informanten gaben zu, dass sie „one language as a support to help them with another“ (Clyne 1997: 103) gebrauchen. Die Einflüsse fasst Clyne über Konversionsregeln in Form von Kompromissformen (vgl. Beispiel 6), das Code-Switching zwischen drei Sprachen (vgl. 7 und 8, für eine Begriffsdefinition siehe Kapitel 5.1.1.1), welches seltener als das zwischen zwei Sprachen aufgetreten ist, und die sogenannte interlinguale Identifizierung (vgl. 9). Die interlinguale Identifizierung führt dazu, dass, wenn zwei Sprachen ein Merkmal teilen, dieses auf die dritte Sprache übertragen wird, auch dann, wenn die beiden Sprachen nicht als typologisch zusammengehörig wahrgenommen werden bzw. auch keine typologische Nähe existiert (im Fall von z. B. Spanisch (romanisch) und Englisch (germanisch)). Die Form affetava im Beispiel (9) konkurriert mit afectar im Spanischen und affect im Englischen, wo die Wurzel die Bedeutung „betreffen“ hat; im Italienischen heißt affettare „in Scheiben schneiden“. Die Markierungen der Sprachen (kursiv = Italienisch, Kapitälchen = Englisch) aus den Beispielen stimmen nicht mit dem Original überein. 6. Span. reunione, aus Ital. riunione und Spanisch reunión (S. 105) 7. no porque quiero disprezzare a mi language italian … (S. 109) 8. io ha (sic) abitata en Sydney from Argentina hemos ida tutti a in Sydney otto año ago (S. 110) 9. ecco diceva che no che c'affetava un pò al la scuola il bambino allora piu per questo (S. 111) 16 1 Trilinguismus und Drittspracherwerb Hoffmann (2001: 10) betont das wichtigste Ergebnis von Clynes Studie, nämlich dass Trilinguale auf unterschiedliche Weise trilingual sind, adding that some trilinguals were more like bilinguals who have two distinct standard languages plus a nonstandard variety regarded as part of one of them in some ways (the Spanish-- Italian -English speakers, immigrants from Latin America). Other trilinguals were more like double bilinguals, with two pairs of languages where each pair has a special relationship with English rather than with the other languages. (Clyne 1997: 113) Daraus folgt, dass die Erwerbsumstände bekannt sein sollten, bevor die Ergebnisse hinsichtlich einer linguistischen Theorienbildung bewertet werden. Seit Ende der neunziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts werden im Bereich des Drittspracherwerbs drei große Hypothesen diskutiert, die sich dahingehend voneinander unterscheiden, welches quantitative bzw. qualitative Gewicht der L1 bzw. der L2 beim Erwerb der L3 zukommt. In dem Überblicksartikel von Falk & Bardel (2010) wird vor der Vorstellung der drei großen Hypothesen auf die Arbeit von Williams & Hammarberg (1998) eingegangen, in der auf der Basis von gemischtsprachlichen Äußerungen erstmalig gezeigt wird, dass die L1 und die L2 unterschiedliche Funktionen übernehmen, wenn eigentlich die L3 gesprochen werden soll. Gemischtsprachliche Äußerungen sind solche, die Sprachmaterial aus mehreren Sprachen enthalten, im Beispiel von Williams & Hammarberg (1998) Deutsch (L1), Englisch (L2) und Schwedisch (L3). Die L2 übernimmt die Rolle des supplier, das heißt, sie liefert lexikalisches Material und auch syntaktische Strukturen, wenn der Lerner die L3 spricht. Übertragen auf die Sprachkombination Deutsch (L1), Englisch (L2) und Französisch (L3) würde dies bedeuten, dass der Lerner die englische Wortstellung verwendet, wenn er/ sie Französisch spricht und auch englisches Sprachmaterial in seine französischen Äußerungen mischt, also z. B. les observations disent contre the hypotheses. Im Beispielsatz wurde fälschlicherweise das französische Verb contredire als ein Verb bestehend aus einer Partikel und einem frei vorkommenden Verb analysiert, wobei die Partikel, wie bei englischen Verben z. B. bei to look up in I look up the telephone number und I look the telephone number up, vom Verbstamm getrennt wird. Dies ist sehr typisch für germanische Sprachen, aber nicht für das Französische. Im Französischen muss es deshalb heißen: les observations contredisent les hypothèses. Zusätzlich wurde in der hypothetischen Lerneräußerung ein englischer definiter Artikel und ein englisches Pluralnomen verwendet (vgl. Müller, Arnaus Gil, Eichler, Geveler, Hager, Jansen, Patuto, Repetto & Schmeißer 2015). Im Gegensatz zur L2 kommt laut Williams & Hammarberg (1998) der L1 eine Rolle zu, die als instrumental bezeichnet wird. Sie dient dazu, die Kommunikation zu erleichtern, indem der Lerner metasprachliche Kommentare, Nachfragen etc. in der L1 formuliert, also z. B. les observations disent contre the hypotheses, richtig? . Mittlerweile gelten die einflussnehmenden Faktoren beim Drittspracherwerb als gut erforscht. Der erste von Falk & Bardel (2010: 193f.) vorgestellte Faktor, der eine Präferenz für die L1 oder die L2 beim Rückgriff auf Wissen im Drittspracherwerb bestimmt, basiert auf der Typologie. Typologie ist hier als Oberbegriff gemeint und bezeichnet entweder eine linguistisch definierte Typologie, eine vom Sprachbenutzer empfundene Psychotypologie bzw. Sprachdistanz (psychotypology laut Kellerman 1983) oder der Ausdruck steht einfach für Ähnlichkeit, im 17 1.2 Das Cumulative Enhancement Modell Englischen mit proximity, also Nähe beschrieben (Muñoz-Liceras & de la Fuente 2015). Ist die L1 Deutsch, die L2 Spanisch und die L3 Französisch, so würde das Typological Primacy Model (TPM) vorhersagen (Rothman 2015), dass die typologisch nahe Sprache diejenige ist, auf die im Drittspracherwerb zurückgegriffen wird. Im konkreten Fall wäre das das Spanische, das zu den romanischen Sprachen zählt, im Unterschied zu der germanischen Sprache Deutsch. Die weite Fassung des Begriffs Typologie macht eine klare Definition erforderlich. Der zweite Faktor, der beim Drittspracherwerb eine Rolle spielt, ist der L2-Status. Hiermit ist der Unterschied gemeint, dass eine L2, wenn sie als Fremdsprache erworben wird, oft unter Zugriff auf formalen Unterricht und dementsprechend unter Zugriff auf explizites metalinguistisches Wissen gelernt wird (z. B. „im Französischen stehen Farbadjektive postnominal“). Doch auch andere kognitive Unterschiede spielen eine Rolle. So ist die L2 diejenige Sprache (im Vergleich zur L1), mit deren Erwerb zu einem fortgeschrittenen Alter begonnen wurde. Sie ist oft auch diejenige Sprache, die der Lerner im Vergleich zu seiner L1 weniger gut beherrscht. Kurzum sind die Erwerbsumstände beim L2-Erwerb oft dergestalt, dass die Fremdsprache trainiert wird. Das L2 Status Factor Modell von Bardel & Falk (2007) besagt nun, dass der Lerner im Drittspracherwerb auf Wissen aus der L2 zurückgreifen wird, unabhängig davon, wie nah diese Sprache der L3 kommt, da diese unter gleichen Umständen erworben wurde wie die L3. Innerhalb dieses Modells stammt das Wissen, auf das der Lerner beim Drittspracherwerb zurückgreift, auschließlich aus der L2. Der dritte Faktor, der den Zugriff auf Sprachwissen beim Drittspracherwerb bestimmt, ist der Sprachbeherrschungsgrad. Ein hoher Beherrschungsgrad der L2 wird hiernach den Drittspracherwerb beeinflussen, d. h. die Wahrscheinlichkeit erhöhen, dass der Lerner beim L3-Erwerb auf seine L2 zugreift. Auch besteht laut Falk & Bardel (2010) ein Zusammenhang zwischen dem Beherrschungsgrad der L3 und der Wahrscheinlichkeit, dass sich der Lerner auf seine anderen Sprachen stützt. Ein niedriger Beherrschungsgrad in der L3 geht mit einer hohen Wahrscheinlichkeit einher, dass eine der anderen Sprachen des Lerners eine Rolle spielt. Ferner wird vermutet, dass bei einem niedrigen Beherrschungsgrad der L3 eher die weniger gut beherrschte L2 aktiviert wird als die muttersprachlich beherrschte L1. Wird die L3 auf einem hohen Niveau beherrscht, so steigt die Wahrscheinlichkeit des Zugriffs auf eine sehr gut beherrschte L2 bzw. auf die L1. Die genannten Unterscheidungen haben in drei große Hypothesen des Drittspracherwerbs gemündet, die wir im Folgenden vorstellen werden. 1.2 Das Cumulative Enhancement Modell Flynn, Foley & Vinnitskaya (2004) zeigen in einer Studie zum Erwerb des Englischen als Drittsprache durch Muttersprachler des Kasachischen, die als L2 Russisch erworben haben, dass der Drittspracherwerb kumulativ ist. Das bedeutet, dass alle vor der Drittsprache erworbenen Sprachen potenziell einen Einfluss auf den Erwerb einer weiteren Sprache haben können. Die Autorinnen gehen weiter davon aus, dass es beim Drittspracherwerb zu einer Steigerung der Fähigkeiten kommt; der Einfluss aus der L1 und der L2 ist also positiv. Dies steht im Gegensatz zu Modellen des L2-Erwerbs, bei denen von negativem Transfer bzw. 18 1 Trilinguismus und Drittspracherwerb Interferenzen ausgegangen wird (vgl. Müller 2016: Kapitel 5), die den Erwerbsverlauf negativ beeinflussen, da sie ihn verzögern. Bevor die Verfasserinnen die eigentliche Studie vorstellen, welche sich mit dem Erwerb von Relativsätzen im Englischen als L3 befasst, wird das grammatische Phänomen im L1-Erwerb näher beleuchtet. Die Resultate sind hier eindeutig. Die angewandte Methode ist die der imitierten Elizitation, welche in Müller et al. (2015: Kapitel 5) genauer vorgestellt wird. Im Erstspracherwerb werden freie Relativsätze bevorzugt. Diese werden besser von Kindern wiederholt. Relativsätze mit einem semantischen Bezugswort (Kopf) und mit einem semantisch leeren Bezugswort werden von den Kindern oft in freie Relativsätze umgewandelt. Der umgekehrte Fall kommt selten vor. Die Autorinnen halten für den L1-Erwerb des Englischen das Primat der freien Relativsätze fest. 10. Freier Relativsatz: Cookie Monster hits what pushes Big Bird 11. Semantischer Kopf: Big Bird pushes the balloon which bumps Ernie 12. Semantisch leerer Kopf: Ernie pushes the thing which touches Big Bird Wird das Englische als L2 erworben, so lassen sich die folgenden Resultate festhalten. Sprechen die L2-Lerner Japanisch als L1, so ist der freie Relativsatz, wie im L1-Erwerb, ein Vorläufer für den Relativsatzerwerb. Ist die L1 Spanisch, so stellt der freie Relativsatz keine Vorstufe im L2-Erwerb des Englischen dar. Flynn et al. (2004: 7) führen diesen Unterschied auf unterschiedliche grammatische Eigenschaften der L1 zurück. Im Falle des Spanischen haben die Lerner bereits Erfahrungen mit einer Sprache gesammelt, die eine sehr ähnliche Wortabfolge aufweist wie die L2 ((S)VO und rechtsverzweigend, d. h. der Relativsatz folgt dem Bezugsnomen). Japanisch ist eine OV-Sprache und linksverzweigend, d. h. der Relativsatz steht vor dem Bezugswort. Beide Eigenschaften werden in (13) deutlich. 13. John-wa Mary-ga kaita hon-o yonda John Thema Mary Nominativ wrote book Akkusativ read John read the book that Mary wrote Die Erfahrung mit einer L1, die eine ähnliche Wortstellung aufweist wie die L2, wirkt sich beim L2 Erwerb also positiv aus. Kommen wir auf die eigentliche Untersuchung des Drittspracherwerbs zurück. Mit Hinblick auf das Untersuchungsziel sind die Sprachen in der Studie sehr gut gewählt: Die L1 der Probanden ist Kasachisch, das mit Hinblick auf die Abfolge von Relativsatz und Bezugsnomen wie das Japanische funktioniert. Russisch, die L2 der Lerner, ist wie das Spanische rechtsverzweigend. Diese Sprachkombination erlaubt es der Frage nachzugehen, ob der Einfluss auf das Englische (L3) überhaupt erfolgt und wenn ja, ob die L2 die einflussnehmende Sprache darstellen kann. Das Untersuchungsergebnis lautet, dass der freie Relativsatz bei den erwachsenen L3-Lernern nicht als Vorläuferstruktur beim Relativsatzerwerb im Englischen dient. Das Ergebnis ist identisch mit dem von spanischsprachigen Lernern des Englischen. Die Umwandlung von Relativsätzen mit Bezugswort in freie Relativsätze konnte also nicht beobachtet werden. Flynn et al. (2004: 13) folgern, dass „experience with any prior language can be drawn upon in subsequent acquisition“. Außerdem zeigen die Beobachtungen, dass „language acquisition 19 1.3 Das Typological Primacy Modell is accumulative, i.e. the prior language can be neutral or enhance subsequent language acquisition“ (Flynn et al. 2004: 14). Die Untersuchung von Flynn et al. (2004) umfasst auch eine Gruppe von Kindern, die Kasachisch als L1 erworben haben. Daran schloss sich bei den Kindern der Erwerb des Russischen und Englischen als L2 an. Interessanterweise zeigten diese Kinder Umwandlungen der Relativsätze mit Bezugswort in freie Relativsätze und höhere Akkuratheitswerte für die freien Relativsätze. Sie sind somit den L1-Englischlernern und den L2-Lernern mit Japanisch als L1 ähnlich. Die Verfasserinnen folgern daraus, dass when the L2 and L3 are acquired simultaneously or near-simultaneously, as in the case of our child subjects, acquisition of relative clauses in L3 English resembles that of L1 English, or of L2 English by speakers with no right-branching language to draw on. This suggests that when the L2 is still ‘in progress’, its influence on L3 acquisition is not the same as it is when L2 and L3 are sequential. (Flynn et al. 2004: 14) Für den in dieser Einführung im Vordergrund stehenden frühkindlichen Trilinguimus kann aus der Untersuchung von Flynn et al. (2004) geschlossen werden, dass der Spracheneinfluss separat untersucht werden muss und Ergebnisse aus der L2bzw. L3-Forschung nicht ohne weiteres auf den Trilinguismus übertragen werden können. Rothman (2011: 110) spricht in Bezug auf die Forschungsarbeit von Flynn et al. (2004) von einem „scaffolding effect“, mit anderen Worten: „previous linguistic knowledge is predicted to transfer in multilingual development only when such knowledge has a bootstrapping effect, otherwise, transfer is expected to not obtain“. Diese Sichtweise würde, übertragen auf den frühkindlichen Trilinguismus, bedeuten, dass dieser sehr erfolgreich vonstattengeht, da durch den Erwerb von drei Sprachen Kinder mit mehr grammatischen Möglichkeiten konfrontiert werden, die sie nutzen können, um sich den Spracherwerb zu erleichtern. Sehr vorsichtig dürfen wir auf der Basis des Cumulative Enhancement Modells (CEM) vermuten, dass trilingual aufwachsende Kinder in bestimmten grammatischen Bereichen besser abschneiden als Kinder, die nur eine oder zwei Sprachen von Geburt an erwerben. 1.3 Das Typological Primacy Modell Rothman (2011) argumentiert im Rahmen des Typological Primacy Modells (TPM), dass Transfer selektiv ist und die typologische Nähe der zuvor erworbenen Sprachen zu der L3 eine Rolle spielt. Die untersuchten Sprachen in der Forschungsarbeit sind die Drittsprachen Spanisch und Portugiesisch. Eine Lernergruppe hatte als L1 Italienisch, als L2 Englisch. Die andere Lernergruppe hatte als L1 Englisch und als L2 Spanisch. In der einen Gruppe war also die L1 der L3 typologisch nahe, in der anderen Gruppe die L2. Das TPM besagt nun, dass die Art und Weise, wie eine vorherige Sprache erworben wurde, also ob als L1 oder L2, irrelevant im Drittspracherwerb ist. Entscheidend für den Einfluss ist die typologische Nähe einer der beiden Sprachen zur L3. Syntaktischer Transfer in die L3 erfolgt entweder aus der L1 oder der L2 und ist bedingt durch die typologische Nähe der Sprache zur L3: „Syntactic properties of the closest (psycho)typological language, either the L1 or L2, constitute the initial state hy- 20 1 Trilinguismus und Drittspracherwerb potheses in multilingualism, whether or not such transfer constitutes the most economical option“ (Rothman 2011: 112). Transfer ist also, im Gegensatz zu Flynn et al. (2004), nicht immer positiv, sondern kann auch zu negativen Effekten in der L3 führen. Das behandelte grammatische Phänomen in Rothmans Forschungsarbeit ist die Semantik von attributiven Adjektiven. Die getesteten Adjektive verändern ihre Semantik, je nachdem ob sie prä- oder postnominal stehen. Los valientes soldados sind Soldaten, die sich durch ihren Mut als Charaktereigenschaft auszeichnen, wohingegen los soldados valientes diejenigen Soldaten aus einer Gruppe von Soldaten bezeichnet, die mutig sind. Die unterschiedliche Bedeutung wird durch eine unterschiedliche Position des Nomens in der syntaktischen Struktur dargestellt (vgl. Gabriel et al. 2018: 173 zur Verschiebung des Nomens in der syntaktischen Struktur der romanischen Sprachen). Im Gegensatz zum Spanischen, Portugiesischen und Italienischen (den L3n und eine der L1n) wird für das Englische davon ausgegangen, dass beide Lesarten, die in romanischen Sprachen über die sichtbare prä- und postnominale Stellung des Adjektivs erzielt werden, durch pränominale Adjektive ausdrückbar sind. Im Englischen wird dementsprechend das Nomen in der syntaktischen Struktur immer nur so weit verschoben, wie es für romanische Wortgruppen mit einem Nomen als Kern und einem pränominalen Adjektiv notwendig ist. Insgesamt wurden 60 Probanden getestet. 17 Sprecher mit Spanisch und 16 mit Portugiesisch als Muttersprache bildeten die Kontrollgruppe. Die L2 der Probanden wurde auf nahezu muttersprachlichem Niveau beherrscht. Der in der L3 erreichte Kompetenzgrad war mit intermediär angegeben. Die Probanden der ersten L3-Gruppe haben Italienisch (L1) und Englisch (L2), die der zweiten Gruppe Englisch (L1) und Spanisch (L2) erworben. Ein Test überprüfte die Interpretation prä- und postnominaler Adjektive durch die L3-Lerner. Bei dem sogenannten Collocation Task sollten die Probanden Adjektive in Lücken einsetzen, entweder vor oder nach dem Nomen. Das Hauptergebnis ist, dass alle L3-Lerner Testergebnisse auf einem Niveau erzielt haben, welches mit den Sprechern der Kontrollgruppe übereinstimmt. Dieses Ergebnis wird auf den Umstand zurückgeführt, dass die Lerner eine L1 oder eine L2 mitbringen, aus der sie ihr Wissen über die Syntax von Adjektiven übernehmen können. Die Ergebnisse sprechen gegen das L2 Status Factor Modell (vgl. in 1.4), da die L2 (Englisch) keine Rolle gespielt hat. Das Ergebnis ist kompatibel mit dem CEM, Rothman hat jedoch die Gültigkeit dieser Ansicht in anderen Studien widerlegt (wo gezeigt wurde, dass der negative Transfer aus der typologisch nahen Sprache in die L3 existiert). Als ein Beispiel nennt Rothman (2011) den Null-Subjekt-Parameter (vgl. hierzu Müller 2016: Kapitel 6.2). Aufgrund der (psycho)typologischen Nähe zwischen der L3 (hier Italienisch, Französisch) und der L2 Spanisch (Englisch war die L1) wird die Null-Subjekt-Eigenschaft aus der L2 in die L3 Französisch transferiert, obwohl die L3 keine Null-Subjekt-Sprache ist. Wichtig zu erwähnen ist, dass die von Rothman untersuchten Lerner keine Anfänger waren, wie die Lerner in der Studie von Bardel & Falk (2007), die wir weiter unten vorstellen werden. Rothman (2011) gibt in diesem Zusammenhang noch zu bedenken, dass die von ihm getesteten Studenten im ersten Studiensemester für die L3n waren, d. h. ihr (grammatisches) Wissen entsprach zwar schon einem fortgeschrittenen Niveau, sie waren der L3 aber erst eine sehr kurze Zeit ausgesetzt. Im dargestellten Experiment 21 1.4 Das L2 Status Factor Modell blockiert die typologisch nähere Sprache die typologisch entferntere Sprache, wenn die L3 aktiviert wird. Diese typologisch entfernte Sprache spielt jedoch beim L2-Erwerb des Spanischen bzw. Portugiesischen eine Rolle; die L1 Englisch wirkt sich negativ auf die L2 Spanisch aus. Spracheneinfluss auf die L3 ist demnach nicht nur kumulativ, sondern auch selektiv, d. h. die typologische Nähe einer bereits erworbenen Sprache im Vergleich zur L3 wirkt wie ein Filter für den Transfer. Sehr vorsichtig dürfen wir auf der Basis des TPM vermuten, dass trilingual aufwachsende Kinder in bestimmten grammatischen Bereichen besser abschneiden als Kinder, die nur eine oder zwei Sprachen von Geburt an erwerben, wenn die involvierten Sprachen typologisch nah sind. 1.4 Das L2 Status Factor Modell Bardel & Falk (2007) gehen in einer Studie der Frage nach, ob der Einfluss der L1 und der L2 tatsächlich kumulativ oder (typologisch) selektiv ist oder aber, ob der L2 im L3-Erwerbsprozess eine Sonderstellung zukommt, weil sie auf ähnliche Weise wie die L3 erworben wird. Die analysierten Drittsprachen in der Studie sind Schwedisch und Niederländisch. Das syntaktische Phänomen ist die Negation; in beiden Drittsprachen steht die Negationspartikel postverbal, eine typische Eigenschaft von Verb-Zweitbzw. V2-Sprachen. Das bedeutet, dass die Negationspartikel dem finiten Verb (das mit dem Subjekt hinsichtlich Person und Numerus kongruiert) folgt, welches strukturell die Position nach der ersten Konstituente (zusammengehörige Wortgruppe, vgl. 5.1.1.2) besetzt. Die Studie unterscheidet nun zwei Lernergruppen: Eine, bei der die L1 eine V2-Sprache (Niederländisch, Schwedisch), die L2 aber keine V2-Sprache (Englisch) ist, und eine zweite, bei der die L1 keine V2-Sprache (Englisch, Ungarisch, Italienisch, Albanisch), wohl aber die L2 eine V2-Sprache (Deutsch, Niederländisch) ist. Die Studie befasst sich mit solchen Probanden, die die Drittsprache auf Anfängerniveau lernen. Die Unterschiede zwischen den Sprachen hinsichtlich der Position der Negation sollen am Beispiel von Schwedisch und Deutsch, V2-Sprachen, und dem Italienischen, einer Nicht- V2-Sprache, illustriert werden. Die nachfolgenden Sätze sind Übersetzungen voneinander und stammen alle aus der Arbeit von Bardel & Falk (2007). Das Negationsadverb ist kursiv hervorgehoben. 14. Ginger pratar inte 15. Ungerska är inte svårt 16. Ginger har inte pratat 17. Ginger spricht nicht 18. Ungarisch ist nicht schwierig 19. Ginger hat nicht gesprochen 20. Ginger non parla 21. L'ungherese non è difficile 22. Ginger non ha parlato 22 1 Trilinguismus und Drittspracherwerb Es wird deutlich, dass in V2-Sprachen die Satznegation postverbal steht, in Nicht-V2-Sprachen steht das Negationsadverb nicht an dieser Position. Die Sprachkonstellation erlaubt es nun, aus den Erwerbsdaten herauszulesen, ob die L1 oder die L2 den Erwerb der Negation in einer Drittsprache beeinflusst, da die Drittsprachen immer V2-Sprachen waren und sich die L1 und die L2 in dieser Hinsicht und somit auch hinsichtlich der Position der Negation systematisch voneinander unterscheiden. Wäre CEM das gültige Modell, so sollten alle Lerner ohne Probleme die postverbale Positionierung der Negation im Schwedischen bzw. Niederländischen lernen, da entweder die L1 oder die L2 der Lerner eine V2-Sprache darstellt und dieses Wissen in die L3 übertragen werden könnte. Die Gruppen verhalten sich aber nicht einheitlich, was dem CEM widerspricht. Wäre allein die L1 für den Drittspracherwerb relevant, so würden wir vorhersagen, dass die Gruppe mit einer V2-Sprache als L1 höhere Akkuratheitswerte in der L3 erlangt als die Lernergruppe mit einer Nicht-V2-Sprache. Dies ist nicht der Fall, d. h. die Ergebnisse zeigen, dass Lerner im Bereich der Negation nicht auf ihre L1 zurückgreifen. Wäre allein die L2 für den Drittspracherwerb relevant, so würden wir erwarten, dass die Probanden, die Deutsch oder Niederländisch als L2 erworben haben, die Negation im Schwedischen bzw. Niederländischen mit höherer Akkuratheit lernen als die Gruppe, die eine Nicht-V2-Sprache als L2 gelernt hat. Dies entspricht den Beobachtungen in der Studie. Mit anderen Worten: Die L2 bestimmt den Erwerbsverlauf in der L3. Handelt es sich um eine V2-Sprache, so wird sie als Steigbügel für die L3 genutzt. Ist die L2 eine Nicht-V2-Sprache, machen die Lerner beim Drittspracherwerb Fehler bei der Positionierung der Negation, welche sich aus den grammatischen Charakteristika der L2 ergeben. Genauer finden die Verfasser bei den Probanden, die Englisch als L2 gelernt haben, eine Tendenz mit thematischen (oder lexikalischen) Verben die präverbale und mit nicht-thematischen Verben (tempusbildenden Auxiliarverben und Kopulaverben) die postverbale Negation in ihrer L3 (Schwedisch bzw. Niederländisch) zu bevorzugen. Das Englische macht mit Hinblick auf die Platzierung der Negation einen Unterschied zwischen thematischen (unterstrichen) und nicht-thematischen (fett) Verben. 23. Ginger does not speak 24. Hungarian is not complicated 25. Ginger has not spoken Diese Grammatik findet man tendenziell auch bei den Lernern wieder, d. h. sie produzieren die folgenden Satznegationen beispielsweise im Niederländischen. Die nachfolgenden Beispiele sind konstruiert. 26. *Ginger niet spreekt 27. Hongaars is niet moeilijk 28. Ginger heeft niet gesproken Zu betonen ist, dass „none of the learners in the EN [English, N.M.] group systematically transfers the placement of negation of his or her L1, although the L1 shares the V2 rule with the L3“ (Falk & Bardel 2007: 479). Der Transfer aus der L1 hätte in der Drittsprache zu einem 23 1.5 Drei Sprachen von Geburt an zielsprachlichen Ergebnis geführt. Trotzdem kommt er nicht zustande. Zusammenfassend darf also behauptet werden, dass the L2 status factor is stronger than the typology factor in L3 acquisition: the typological proximity between L1 and L3 is not enough for the EN [English, N.M.] group to resort to L1 transfer. Instead, the results clearly point to positive transfer of the placement of negation/ V2 from L2 to L3 in the D/ G [Dutch/ German, N.M.] group. (Bardel & Falk 2007: 480) Das L2 Status Factor Modell besagt demnach, dass die L2 im Drittspracherwerb wie ein Filter fungiert, der den Zugriff auf die L1 blockiert. Im frühkindlichen Trilinguismus haben nun alle drei Sprachen denselben Status. Dennoch werden sie oftmals zu einem unterschiedlichen Grad beherrscht. Sehr vorsichtig dürfen wir auf der Basis von L2 Status Factor vermuten, dass sich trilingual aufwachsende Kinder für den Erwerb bestimmter grammatischer Bereiche mit derjenigen Sprache behelfen, die vergleichbar gut/ schlecht beherrscht wird. 1.5 Drei Sprachen von Geburt an Auch beim Trilinguismus muss man sich die Frage stellen, ob alle Sprachen gleichwertig sind oder aber ob es Unterschiede gibt. Wenn man zeigen kann, dass bestimmte Eigenschaften den Zugriff auf Sprachwissen aus einer der drei Sprachen begünstigen, dann wäre ein vom Bilinguismus abweichendes Modell vonnöten. Mit drei Sprachen können Kinder in diversen Umfeldern aufwachsen. Im Folgenden sollen die von Hoffmann (2001) genannten Umfelder vorgestellt werden. Dabei wird zwischen den Muttersprachen der Eltern (bezeichnet als Elternsprache) und den Sprachen unterschieden, die das Kind aus der Umgebung erwirbt (wie die Umgebungssprache(n), also die Landessprache(n), und die Sprache(n) im institutionellen Kontext). ▶ Umfeld 1: Zwei Sprachen zu Hause, eine weitere Sprache in der Umgebung (Barnes 2011, Chevalier 2015, Kazzazi 2011, Montanari 2009a, b, 2010, 2011, Quay 2001, 2008, 2011b) ▶ Umfeld 2: Zwei Sprachen zu Hause, eine weitere Sprache im institutionellen Kontext ▶ Umfeld 3: Zwei Sprachen in der Umgebung, eine weitere Sprache in der Familie ▶ Umfeld 4: Drei Sprachen in der Umgebung Die in der vorliegenden Studie untersuchten Kinder sind entweder in einer rein monolingualen (Spanien, Deutschland, Frankreich) oder in einer bilingualen (Spanien) Umgebung aufgewachsen. Bei keinem der Kinder waren alle drei Sprachen in der Umgebung präsent. Das erste Umfeld wird von Arnberg (1987) untersucht und ist in der Literatur das häufigste. Arnberg (1987) beschreibt eine Familie in Schweden, in der die Mutter Finnisch und der Vater Kurdisch mit den Kindern (Alter: vier und sechs Jahre) spricht. Die Familiensprache, also die Sprache, welche gewählt wird, wenn die Eltern zusammen sind, ist das Schwedische. Es ist gleichzeitig auch die Umgebungssprache. Harding & Riley (2003: 115ff.) berichten über eine in Frankreich ansässige bilinguale (Französisch-Deutsch) Familie, die für fünf Jahre nach Brasilien umzieht, wo beide Kinder (Alter bei Interview durch die Eltern: zwei und vier Jahre) geboren werden. Beide Fälle beschreibt Hoffmann (2001: 4) als Beispiele für „transient 24 1 Trilinguismus und Drittspracherwerb trilingualism“, da den Kindern eine Sprache im Laufe ihrer Entwicklung „verlorengeht“. Dies ist entweder deshalb der Fall, weil ein Elternteil von der Familie entfernt arbeitet und somit auch seine Muttersprache nicht präsent ist oder weil die Familie die Umgebungssprache wechselt, welche nicht von den Eltern muttersprachlich unterstützt wird. Hoffmann (1985, 1991) untersucht zwei trilingual aufwachsende Kinder über einen Zeitraum von sieben Jahren. Die involvierten Sprachen sind Spanisch (Sprache des Vaters und Familiensprache), Deutsch (Sprache der Mutter) und Englisch (Umgebungssprache). Deutsch und Spanisch sind die zwei Sprachen zu Hause, das Englische ist die Umgebungssprache und wird erst ab einem Alter von zwei Jahren erworben. Oksaar (1977) berichtet über den Erwerb der Sprachen Estnisch, Schwedisch und Deutsch. Der Erwerb der dritten Sprache (Deutsch) begann im Alter von zirka vier Jahren, also zu einem Zeitpunkt, zu dem der Spracherwerb in den beiden Erstsprachen weit fortgeschritten war. Helot (1988) untersucht zwei Familien mit je zwei Kindern (13; 2/ 8; 7 und 9; 0/ 7; 0 Jahre, Altersangabe in Jahr; Monat) in Dublin, welche Französisch (Sprache der Mutter), Englisch und Irisch (Sprachen des Vaters) erwerben. Beide Familien sehen die dreisprachige Erziehung ihrer Kinder als gelungen an, wobei ganz besonders eine Familie bezüglich des erforderlichen Aufwandes einer trilingualen Erziehung ihrer Kinder die Auffassung vertrat, dass „raising children trilingually does not command any particular effort once the choice has been made, based on valid motives, such as the desire to pass on one’s own language to one’s children“ (Helot 1988: 284). Die Studien stehen für die weit verbreitete Ansicht, dass die Sprachkompetenz der Kinder abhängig davon ist, wie die Sprachen im kindlichen Umfeld gebraucht werden. Sie enthalten wenige Informationen zur grammatischen Entwicklung (vgl. auch Hoffmann 1992). Viele der in der Literatur genannten Kinder sind nach de Houwer (1990) nicht simultan trilingual, da die dritte Sprache nicht bereits von Geburt an im kindlichen Umfeld vorhanden war. Wie schon bei den anderen genannten Studien zeigen die diskutierten Beispiele der Kinder zwei Sprachen in Interaktion, nicht alle drei. Hier tut sich ein Forschungsschwerpunkt auf, der im Zusammenhang mit bilingualen Kindern oft diskutiert wird, nämlich bis wann es sich um Erstspracherwerb handelt bzw. ab wann vom Zweitspracherwerb auszugehen ist. Montanari (2013) berichtet über ein mit den drei Sprachen Tagalog (Sprache der Mutter), Spanisch (Sprache des Vaters) und Englisch (Umgebungssprache und Sprache der neun Jahre älteren Schwester) aufwachsendes Kind (Kathryn) in Los Angeles. Die Datenbasis setzt sich aus Tagebuchaufzeichnungen und 16 neunzigminütigen Sprachaufnahmen (spontane Interaktion) im Alter von zirka 1; 4 bis 2; 1 zusammen. Sie analysiert die lexikalische, phonologische und syntaktische Entwicklung des Mädchens und kommt zu dem Ergebnis, dass sehr wenige Beeinflussungen stattfinden, die Sprachen also von Beginn an getrennt werden. Zu diesem Ergebnis kommt auch Chevalier (2015), die zwei dreisprachige Kinder (Englisch, Französisch, Schweizerdeutsch) in der Schweiz untersucht, jeweils in einsprachiger (deutscher bzw. französischer) Umgebung. Die Studie von Kazzazi (2011) über zwei mit Farsi (Sprache des Vaters), Deutsch (eine der Sprachen der bilingualen Mutter, die sie aber in der Interaktion mit ihren Kindern kaum benutzt, vgl. Kazzazi 2011: 68) und Englisch (die andere Sprache der Mutter, die sie in der Interaktion mit ihren Kindern gebraucht) in Deutschland aufwachsende Kinder darf ebenso als Beleg für eine sehr frühe Sprachentrennung interpretiert werden. Hoffmann 25 1.5 Drei Sprachen von Geburt an & Widdicombe (1999) untersuchen einen von Geburt an trilingual aufwachsenden Jungen (Englisch-Italienisch-Französisch) im Alter von 4; 4 und stellen fest, dass gemischtsprachliche Äußerungen mit allen drei Sprachen sehr selten sind (vgl. Widdicombe 1997). Von 174 Mischungen mit der Basissprache Englisch (Sprache der Mutter) und den Sprachen Französisch (Umgebungssprache) oder Italienisch (Sprache des Vaters) enthalten nur 12 Beispiele Sprachmaterial aus allen drei Sprachen, z. B.: I’m going to leave some ATTREZZI to to to RÉPARER LA MAISON (vgl. Hoffmann 1999: 20). Mit Blick auf die grammatische Entwicklung ist Montanaris Studie weltweit die ausführlichste, weshalb sie hier genauer vorgestellt werden soll. Montanari (2010, 2013) geht der Frage nach, ob die trilinguale Kathryn bereits in den ersten Aufnahmen über drei getrennte Lexika verfügt. Hierzu werden die Übersetzungsäquivalente in einem Zeitraum von 1; 4 bis 2; 0 angesehen. Diese Methode ist aus der Bilinguismusforschung hinreichend bekannt und beispielsweise bei Volterra & Taeschner (1978) und Holowka, Brosseau-Lapré & Petitto (2002) nachzulesen (vgl. Deuchar & Quay 2000: 53). Übersetzungsäquivalente sind bei Mehrsprachigen, was Synonyme bei Einsprachigen darstellen. Im Durchschnitt hatten 26,4% von Kathryns Wörtern im Zeitraum von 1; 4 bis 2; 0 ein phonetisch distinktes Übersetzungsäquivalent in einer ihrer Sprachen (auch Dublette genannt, z. B. frío/ maginaw „kalt“) oder in ihren beiden Sprachen (auch Triplette genannt, z. B. perro/ aso/ dog „Hund“). Die durchschnittliche Anzahl von Dubletten bzw. Tripletten unter den ersten 50 Wörtern betrug 28, also ein Drittel. Hiermit ist die von Genesee & Nicoladis (2009) genannte Anzahl von 20 %-25% an Übersetzungsäquivalenten als Evidenz für die Differenzierung von mehreren Lexika erreicht und es darf ab dem Alter von 1; 6/ 1; 7 bei Kathryn von einer Trennung der Lexika ausgegangen werden. In diesem Zusammenhang muss allerdings erwähnt werden, dass die ersten Tripletten erst ab einem Alter von 1; 7 auftraten und insgesamt bis 2; 0 nur 10 solcher Tripletten verzeichnet wurden. Die geringe Anzahl an Tripletten wird damit begründet, dass der Wortschatz des Tagalog zu 40 % aus englischen und spanischen Lehnwörtern besteht. Montanari kommt auf der Basis von Kathryns Erwerbsdaten zu dem Schluss, dass Evidenz für die Trennung von drei Lexika von Beginn an vorhanden ist: „productive trilingualism might be more easily attained when cognate languages are at play because lexical development in one language might bootstrap lexical development in the other“ (Montanari 2013: 73). Separate Lexika implizieren nicht notwendigerweise separate phonologische Systeme. Aus diesem Grund geht Montanari (2013) der Frage nach, ob bei Kathryn die phonologischen Systeme getrennt vorliegen. Sie kommt auch für diese zu dem Ergebnis, dass eine Trennung von Beginn an beobachtet werden kann (Montanari 2013: 68). Zur Ermittlung der sprachspezifischen Wortstellung hat Montanari (2013) die Mehrwortäußerungen von Kathryn im Alter von 1; 7 bis 2; 1 genauer betrachtet. Tagalog ist eine Sprache, in der das Prädikat satzinitial steht. Englisch ist SVO geordnet, das Spanische variiert zwischen SVO und VOS in Abhängigkeit vom Informationsgehalt der einzelnen Konstituenten (vgl. 2.3.2.2). Obwohl die absolute Anzahl an analysierbaren Kombinationen gering ist, kann Montanari einen Unterschied zwischen Tagalog und Englisch aufzeigen. Sowohl Kathryn als auch der interagierende Erwachsene verwenden im Tagalog fast ausschließlich Mehrwortäußerungen, bei denen das Prädikat am Anfang steht. Im Englischen dominiert sowohl beim 26 1 Trilinguismus und Drittspracherwerb Kind als auch beim Erwachsenen die Abfolge Argument-Prädikat. Im Spanischen finden sich - wie erwartet - sowohl beim Kind als auch beim Erwachsenen beide Abfolgen, Prädikat-Argument und Argument-Prädikat. „These results confirm that Kathryn was displaying different ordering patterns depending on the language in which she was interacting and following input-dependent preferences“ (Montanari 2013: 69). Montanari (2013) untersucht ferner, inwieweit es Kathryn gelingt, ihre Sprachwahl der des Interaktionspartners anzupassen. Quay (2001, 2008), die über einen mit drei Sprachen (Japanisch, Englisch, Deutsch) aufwachsenden Jungen in Japan und ein mit Chinesisch, Japanisch und Englisch aufwachsendes Mädchen in Japan berichtet, und Chevalier (2015) zeigen, dass es trilingual aufwachsenden Kindern schwer fällt, die schwache Sprache zu gebrauchen, wenn diese von ihnen verlangt wird. Die Sprachwahl von Kathryn untersucht Montanari im Alter von 1; 9-1; 11 anhand von Sprachmaterial von insgesamt sechs Stunden, das sie in simultaner Interaktion mit der tagalogsprachigen Mutter, dem spanischsprachigen Vater bzw. der spanischsprachigen Großmutter und einer englischsprachigen Person zeigt. Hierfür wurden Kathryns einsprachige und gemischte Äußerungen analysiert. Bei den gemischten Äußerungen (meistens wurde ein Wort gemischt) wurde anhand von Vokabellisten geprüft, ob Kathryn aufgrund einer lexikalischen Lücke ihre Sprachen gemischt hat. In einem weiteren Schritt wurden die Gesprächsstrategien der Erwachsenen als Reaktionen auf Kathryns Mischungen untersucht. Hierbei war von Interesse, ob sich die Interaktionspartner als Reaktion auf die kindliche Mischung monolingual, bilingual oder trilingual verhalten haben. Das generelle Ergebnis ist hier, dass Kathryn in der Tat mehr Tagalog als Englisch bzw. Spanisch mit der tagalogsprachigen Person verwendet; genauso für die anderen beiden Sprachen. Immerhin waren 80 % aller Wortmischungen im Englischen und Tagalog durch das Fehlen eines Übersetzungsäquivalents bedingt. Im Spanischen betrug die Anzahl nur 60 %, weshalb auch andere Faktoren für die Sprachmischungen verantwortlich sein müssen als das Fehlen von Äquivalenten. Während die Erwachsenen Sprachmischungen im Tagalog und Englischen eher sanktionierten, verhielten sich die spanischsprachigen Erwachsenen positiv hinsichtlich der Sprachmischungen und tolerierten sie nicht nur, sondern förderten sie sogar, indem sie selbst vom Spanischen ins Englische wechselten: „the Spanish-speaking interlocutors repeatedly showed comprehension and appreciation of her English utterances, involuntarily suggesting to her that her mixes were not only being understood but they were appropriate“ (Montanari 2013: 71). Abschließend darf mit Hinblick auf die Sprachwahl geschlussfolgert werden, dass diese bei Kathryn bereits mit unter zwei Jahren in Abhängigkeit vom Interaktionspartner erfolgt und dass Sprachmischungen oft, aber nicht nur Vokabellücken als Grund haben. Beim Umfeld 2 „Zwei Sprachen zu Hause, eine weitere Sprache im institutionellen Kontext“ handelt es sich im weiteren Sinne um simultan bilinguale Kinder, die bereits während ihrer Kindheit eine dritte Sprache erwerben. In diesen Studien geht es um den Erwerb einer dritten Sprache im institutionellen Kontext und die Beantwortung der Forschungsfrage, ob es bilingualen Kindern leichter fällt, eine dritte Sprache zu lernen, als Kindern, die einsprachig in die Institution kommen. Diese Forschungsrichtung ist in den letzten zehn Jahren regelrecht explodiert. Im Gegensatz zu den longitudinal (über mehrere Untersuchungszeitpunkte) angelegten Studien des Umfelds 1 werden im Bereich des kindlichen Drittspracherwerbs oft 27 1.5 Drei Sprachen von Geburt an Querschnittsstudien angelegt und es wird experimentell gearbeitet (vgl. Kap. 2.1). In den allermeisten Fällen ist die dritte Sprache das Englische. Kenntnisse in mehr als zwei Sprachen haben in den letzten Jahren ebenso die Zweitspracherwerbsforschung (den Erwerb einer Zweitsprache im Erwachsenenalter) beeinflusst. Während in früheren Arbeiten die Tatsache oft unberücksichtigt blieb, dass Lerner neben ihrer Erst- und der (in der Studie untersuchten) Zweitsprache weitere Zweitbzw. Fremdsprachen (meist das Englische) im institutionellen Kontext erworben haben und sich Zweitsprachen beim Erwerb gegenseitig beeinflussen, erfährt in neueren Arbeiten durch Ausdrücke wie die erste, zweite, dritte etc. Zweitsprache dieser Umstand besondere Berücksichtigung. Valencia & Cenoz (1992) betrachten den Erwerb des Englischen im schulischen Kontext im Baskenland. Sie können die Hypothese verifizieren, dass der Bilinguismus einen positiven Effekt auf den Erwerb der dritten Sprache Englisch im schulischen Kontext hat. Der positive Effekt des Bilinguismus wird über die soziale Motivation vermittelt, welche mit Hilfe von vier Kriterien erfasst wird („attitude towards learning, effort, residence in an English-speaking country, and English tuition outside school“ Hoffmann 2001: 8). Hoffmann (2001: 8f.) folgert: „Valencia and Cenoz’s research goes beyond what had previously been done in, for instance, the Canadian context. They develop a structural model with the three latent variables, bilingualism, motivation, and achievement, which shows a causal path linking bilingualism through social motivation with achievement in English“. Für Kinder, die im Umfeld 3 (vgl. Barnes 2006, 2011 zu Studien im Baskenland, Helot 1988 zu Studien von Familien in Dublin und Murrell 1966 zu Studien in Finnland, ab dem Alter von 2; 2 des untersuchten Kindes in England) oder gar im Umfeld 4 aufwachsen, besteht ein erheblicher Forschungsbedarf. Studien wie die von Chevalier (2015) sind zwar in der Schweiz entstanden, jedoch im deutschsprachigen bzw. französischsprachigen Teil. Es bleibt unklar, wie die jeweils anderen Sprachen im Umfeld der untersuchten Kinder außerhalb der Familie eine Rolle spielen (vgl. auch Maneva 2004 zu Kanada, im Besonderen Montreal, und Gadler & Mikeš 1986 zu ehemals Jugoslawien). Die meisten Studien wurden in Deutschland (Kazzazi 2011, Braun & Cline 2010, 2014 (hier nicht die Kinder, sondern die Eltern)), England/ USA (Davidiak 2010, Dewaele 2000, 2007, Edwards & Dewaele 2007, Hoffmann 1985, Ivir-Ashworth 2011, Montanari 2009a,b, 2010, 2013, Stavans 1992, 2001, Stavans & Swisher 2006, Wang 2008), Frankreich (Hoffmann & Widdicombe 1999), Israel (Faingold 1999, 2000) und Japan (Quay 2001, 2008) durchgeführt. Barnes (2011) untersucht die Qualität des Inputs im Englischen eines trilingualen Kindes (Baskisch durch den Vater und die Umgebung, Spanisch durch die Umgebung und durch den Babysitter, Englisch durch die Mutter, Familiensprache ist das Englische). Die Aufnahmen finden alle zwei Wochen für eine Stunde (Videoaufnahmen) über einen Zeitraum von 18 Monaten, 1; 11-3; 6, in natürlicher Umgebung statt. In Barnes (2011) werden Sprachaufnahmen zwischen 2; 9,22 (Jahr; Monat,Tag) und 3; 4,7 ausgewählt. Die Hauptfragestellung ist, ob das Englische des trilingualen Kindes den englischen Input widerspiegelt, und ob dieser Input ausreicht, um die Sozialisierung des Kindes in dieser Sprache zu erreichen (Barnes 2011: 46). Der Erwerb grammatischer Eigenschaften steht nicht im Vordergrund. Die wenigsten Studien zum Erwerb dreier Muttersprachen beschäftigen sich mit grammatischen Aspekten. Hier gibt es erheblichen Forschungsbedarf. Die meisten Untersuchungen 28 1 Trilinguismus und Drittspracherwerb betreffen den Sprachgebrauch und arbeiten Faktoren heraus, die eine ausgewogene Dreisprachigkeit begünstigen (Chevalier 2015). Zu diesen zählen neben Diskursstrategien von Erwachsenen, die dem Kind signalisieren, dass eine bestimmte Sprache in der Konversation gewünscht ist, auch die Inputmenge, die Existenz unterschiedlicher Interaktionspartner und somit die Möglichkeit vonseiten des Kindes, mit mehr als nur einer Person in der Nicht-Umgebungssprache zu kommunizieren (vgl. Kap. 4). Grosjean (1992) entwickelt für bilinguale Personen den sogenannten monolingualen und bilingualen Sprachmodus. In der Interaktion mit monolingualen Personen muss die bilinguale Person die nicht-gewünschte Sprache unterdrücken, wobei hier die Annahme ist, dass die nicht-gewünschte Sprache niemals vollständig deaktiviert wird. Mit bilingualen Personen, im bilingualen Sprachmodus, sind beide Sprachen aktiviert. Hoffmann (2001: 12) stellt die berechtigte Frage, wie dieses zwei-dimensionale Modell auf die dreisprachige Fähigkeit übertragen werden kann: „It is difficult to see how this linear, two-dimensional model could be employed to explain the trilingual’s ability to move between one, two or three codes - unless of course it was converted into a three-dimensional one; but the difficulty would be how to bring in the activation/ deactivation of one or more languages.“ Hoffmann (2001) überträgt Grosjeans Modell auf den trilingualen Fall und fügt dem monolingualen und bilingualen Sprachmodus einen trilingualen Modus hinzu. Eine trilinguale Person könnte sich somit mit den Sprachen A, B und C im monolingualen Sprachmodus befinden. Die drei möglichen bilingualen Modi sind A+B, B+C, C+A. Der trilinguale Modus würde bedeuten, dass alle drei Sprachen A, B und C gleichermaßen aktiviert sind. Wie bereits erwähnt, weist die Literatur nur sehr selten Beispiele für den trilingualen Sprachmodus auf, vor allem wenn sich eine Sprachdominanz herausgebildet hat. Trilinguale wurden in der Literatur bisher vor allem in monolingualen und bilingualen Sprachmodi beobachtet. Die Untersuchung von trilingualen Kindern stellt eine besondere Herausforderung dar. Im Kapitel 2 wollen wir die Methoden vorstellen, die dazu dienen, Sprachdaten von trilingualen Kindern zu erheben. 29 2 Methoden Laia Arnaus Gil Wenn man Daten von dreisprachigen Kindern erheben will, steht man vor besonderen Problemen, die sich aus der Dreisprachigkeit ergeben. In diesem Kapitel soll eine Studie zum frühkindlichen Trilinguismus vorgestellt werden, in der die Hauptfragestellung war, ob sich der Spracherwerb bei Kindern, die mit mehr als zwei Sprachen aufwachsen, genauso vollzieht wie bei bilingualen bzw. monolingualen Kindern. Das Kapitel dient auch einer Einführung in unterschiedliche Forschungsmethoden und dem Aufzeigen von Problemen, die sich besonders bei der Betrachtung von Kindern mit mehr als zwei Sprachen ergeben. 2.1 Die Querschnittsstudie Will man in der Spracherwerbsforschung bestimmten Fragestellungen nachgehen, ist eine Methode die sogenannte Querschnittsstudie. Hierbei wird eine angemessen große Anzahl an Teilnehmern ausgewählt, deren Sprachkompetenz einmalig, z. B. in einer Testsituation, geprüft wird (vgl. Müller et al. 2015: Kapitel 2). Forscher können mit Hilfe von geeigneten Testverfahren gezielt bestimmten Hypothesen nachgehen. Von insgesamt 126 Kindern einer Querschnittsstudie wurden 122 in ihrem Spracherwerb in verschiedenen grammatischen Bereichen getestet. 2 Bei den Kindern handelt es sich um 51 Bilinguale, 62 Trilinguale und 9 Multilinguale, mit mehr als 3 Sprachen, mit verschiedenen Sprachkombinationen (vgl. Abb. 2.2) und einem durchschnittlichen Alter von 58 Monaten (4; 10). Die bilingualen Kinder sind im Durchschnitt 59 Monate alt (4; 11), die trilingualen 57 Monate (4; 9) und die multilingualen 55 Monate (4; 7). Die Gruppen unterscheiden sich demnach in ihrem Durchschnittsalter, wobei die Unterschiede statistisch nicht signifikant sind. Die Altersspanne der getesteten Kinder reicht von 28 Monaten (2; 4) für das jüngste Kind (trilingual) bis 127 Monate (10; 7) für das älteste Kind (bilingual). Abbildung (2.1) stellt die Altersverteilung in der untersuchten Stichprobe dar. Es sind hierbei nur 121 Kinder abgebildet, da die Altersangaben für ein Kind fehlen. 2 Für drei von den untersuchten Kindern sind noch keine Transkripte verfügbar, während ein Kind bei den Aufnahmen nicht gesprochen hat. Dieses Kind war außerdem das jüngste im Alter von 22 Monaten (1; 10). 30 2 Methoden Tabelle. 2.1: Altersverteilung aller Kinder der Querschnittsstudie und unterteilt nach bi-, tri- und multilingualer Gruppe Die Kinder wurden in Deutschland und Spanien (Palma de Mallorca) getestet, also in einer Umgebung, in der sowohl das Spanische als auch das Mallorquinische (eine Varietät des Katalanischen) verwendet werden. In Deutschland wurde in drei Großstädten getestet (Berlin, Hamburg, Köln). Die multilingualen Kinder hatten die folgenden Sprachkombinationen: Deutsch-Französisch-Spanisch-Englisch (n=1), Deutsch-Französisch-Spanisch-Englisch-Arabisch (n=1), Deutsch-Französisch-Spanisch-Katalanisch (n=2), Deutsch-Französisch-Spanisch-Niederländisch (n=1), Deutsch-Spanisch-Englisch-Hebräisch (n=1), Deutsch-Spanisch-Katalanisch-Englisch (n=2), Französisch-Spanisch-Katalanisch-Galizisch (n=1). 31 2.2 Die Longitudinalstudie Abb. 2.2: Sprachkombinationen: Bilinguale und trilinguale Kinder 2.2 Die Longitudinalstudie Im Gegensatz zu einer Querschnittsstudie besteht eine Longitudinalstudie aus mehreren Kontaktaufnahmen mit der untersuchten Testperson (vgl. Müller et al. 2015: Kapitel 2), manchmal innerhalb eines Zeitraums von mehreren Jahren, wie im vorliegenden Fall. Die Untersuchung eines Individuums über einen längeren Zeitraum hinweg ermöglicht ForscherInnen eine Untersuchung der Sprachentwicklung in einer oder mehreren Muttersprachen(n). Longitudinalstudien sind zeit- und kostenintensiv, woraus eine geringe Anzahl an Probanden resultiert. Die Wuppertaler Forschergruppe hat in den vergangenen fünfzehn Jahren insgesamt 49 Longitudinalstudien durchgeführt (vgl. Müller 2016, 2017), wovon acht Studien mit trilingualen Kindern erfolgt sind. Die folgende Tabelle (2.1) gibt Auskunft über die trilingualen Longitudinalstudien. 32 2 Methoden Kind Sprachkombination Stadt Altersspanne Anzahl Aufnahmen Sprache(n) Vater Sprache(n) Mutter Frank Sp-Kat-Dt B 1; 11-4; 9 74 Dt Sp Milena Sp-Kat-Dt B 1; 6-2; 3 14 Dt Sp (BIL) Sebastian Sp-Kat-Dt B 1; 9-2; 3 9 Dt Sp Kilian Sp-Kat-Dt B 2; 3-5; 1 36 Dt Kat (BIL) Eric Sp-Kat-Dt B 1; 9-4; 3 22 Kat (BIL) Dt Alma Sp-Kat-Dt HH 4; 7-5; 11 19 Sp Kat (BIL) Pablo Sp-Frz-Dt K 2; 2-5; 1 51 Frz Sp Diego Sp-Frz-It Paris 2; 8-4; 9 41 It Sp Tab. 2.1: Die Longitudinalstudien der trilingualen Kinder Tabellen wie die in (2.1) werden angefertigt, um die Sprachbiographien der Kinder zu erfassen. Diese geben Auskunft darüber, wie häufig sie einer Sprache ausgesetzt sind. Manche Biographien sind dadurch gekennzeichnet, dass die Eltern bilingual sind (BIL), d. h. im konkreten Fall, dass sie mit dem Spanischen und Katalanischen (B=Barcelona) aufgewachsen sind, in der Interaktion mit ihrem Kind jedoch eine der beiden Sprachen verwenden, um die Sprachen im Input des Kindes möglichst getrennt zu halten. Ein weiterer Grund ist, dass somit sichergestellt ist, dass alle Sprachen, also auch die Umgebungssprache(n) (in HH=Hamburg und K=Köln das Deutsche, in Paris das Französische), durch die Familie unterstützt werden (können). Die Sprachbiographie eines mehrsprachigen Kindes wird oft mit der Sprachbeherrschung (engl. proficiency) in Zusammenhang gebracht. Auf diese und auf die zeitweise auftretende Sprachdominanz werden wir im folgenden Abschnitt näher eingehen. Dabei wird sich zeigen, dass der gleichzeitige Erwerb von drei Sprachen bei der Ermittlung der Sprachdominanz ein Hindernis darstellt. 2.3 Sprachdominanz und Beherrschungsgrad Immer wieder findet sich in Forschungsarbeiten zur frühkindlichen Mehrsprachigkeit die Vermengung von zwei Konzepten, die eigentlich getrennt zu halten sind. Diese sind die Sprachbeherrschung und die Sprachdominanz (Cantone, Kupisch, Müller & Schmitz 2008). Die Sprachbeherrschung ist wie folgt definiert und kann auf unterschiedliche Weise gemessen werden (vgl. Cantone et al. 2008 für mehrere Messkriterien): […] we will henceforth use the term proficiency when looking at the overall linguistic proficiency from a more general perspective. Proficiency, in the present study, is measured in terms of MLU (mean length of utterance). (Schmeißer, Hager, Arnaus Gil, Jansen, Geveler, Eichler, Patuto & Müller 2016: 38) 33 2.3 Sprachdominanz und Beherrschungsgrad Proficiency bezieht sich auf den Beherrschungsgrad einer Sprache des bilingualen Kindes zu einem bestimmten Zeitpunkt oder in einem bestimmten Zeitraum, die beispielsweise mittels der durchschnittlichen Äußerungslänge (MLU, engl. Mean Length of Utterance), der Lexikongröße oder des Redeflusses (Redegeschwindigkeit pro Minute) gemessen werden kann. Die Sprachdominanz hingegen bezeichnet das Verhältnis zweier oder mehrerer Muttersprachen im mehrsprachigen Kind, d. h. in welchem Verhältnis ihre Beherrschung steht. Schmeißer et al. (2016b: 38) definieren Sprachdominanz als „[…] the difference in proficiency in a bilingual’s two languages.“ Kommt man bei einem mehrsprachigen Kind zu dem Ergebnis, dass das Verhältnis der Sprachen nicht ausgewogen ist, also eine Sprachdominanz vorliegt, bedeutet dies noch lange nicht, dass die schwächere Sprache auch im Vergleich zu einer monolingualen Vergleichsgruppe weniger gut ausfällt. Cantone et al. (2008) folgern daraus, dass das Wissen um eine Norm notwendig ist, d. h. es muss bekannt sein, welcher Beherrschungsgrad normal ist und welcher als überbzw. unterdurchschnittlich zu bewerten ist. Die Sprachdominanz gibt an, dass eine Sprache mit Hinblick auf ein beliebiges Messkriterium höhere Werte aufweist als die andere(n). Die Sprachbeherrschung gibt den Beherrschungsgrad einer Sprache an, oft im Vergleich zu einer Norm. Die folgenden Abschnitte widmen sich den unterschiedlichen Messkriterien für die Sprachbeherrschung mehrsprachiger Kinder. 2.3.1 Ermittlung der Sprachbeherrschung in Longitudinal- und Querschnittsstudien Der Sprachbeherrschungsgrad wird in den allermeisten Studien über die durchschnittliche Äußerungslänge ermittelt. Sie ermöglicht einen altersunabhängigen Vergleich zwischen den Probanden, da Altersunterschiede in der Sprachentwicklung alltäglich sind. Die Abbildung (2.3) zeigt die Entwicklung des MLU im Spanischen bei dem trilingualen Kind Frank (vgl. Tabelle 2.1). Auf der y-Achse ist die durchschnittliche Äußerungslänge in Wörtern, auf der x-Achse das Alter des Kindes abgetragen. So erreicht Frank im Alter von 3; 8,15 eine durchschnittliche Äußerungslänge von 3,17, seine Äußerungen sind also im Spanischen etwas länger als drei Wörter. Zur Berechnung des MLU verweisen wir auf Müller et al. (2015: 49f.). 34 2 Methoden Abb. 2.3: MLU im Spanischen: Frank Aus der Abbildung (2.3) wird deutlich, dass der MLU stetig ansteigt. Um den Sprachbeherrschungsgrad als normal, über- oder unterdurchschnittlich einschätzen zu können, wird dieser bei Frank gemessene mit dem weiterer mehrsprachiger Kinder verglichen, die ebenso wie Frank mit Spanisch als eine ihrer Erstsprachen aufwachsen. Diesen interindividuellen Vergleich zeigt die Abbildung (2.4). 35 2.3 Sprachdominanz und Beherrschungsgrad Abb. 2.4: MLU im Spanischen: Frank im Vergleich zu fünf bilingual deutsch-spanischen Kindern (in Anlehnung an Schmeißer et al. 2016b: 59) Der Vergleich der MLU-Entwicklung im Spanischen von fünf bilingual deutsch-spanisch aufwachsenden Kindern (Arturo und Teresa wachsen in Deutschland, Lucas, Erik und Nora in Spanien auf) und der vom trilingualen Kind Frank zeigt, dass die Werte für Frank oft niedrig, phasenweise sogar am niedrigsten sind. Selbstverständlich muss die MLU-Entwicklung von Frank mit einer größeren Anzahl an mehrsprachigen Kindern verglichen werden. Aus dieser Graphik dürfen wir ableiten, dass seine Entwicklung im Spanischen unterdurchschnittlich bis durchschnittlich ist (vgl. 11.2). Auch in einer Querschnittsstudie gibt es Möglichkeiten, den Sprachbeherrschungsgrad der Probanden unabhängig vom Alter zu ermitteln, um dann die Probanden auf dieser Basis miteinander zu vergleichen. Obwohl eine Messung anhand des MLU durchaus möglich ist und manchmal in der Literatur verfolgt wurde (vgl. Müller et al. 2015: 104ff.), erschwert die Tatsache, dass eine Spontanaufnahme eines jeden Probanden dafür notwendig ist, die mindestens 100 Äußerungen aufweist (vgl. Brown 1973), die Anwendung dieses Kriteriums auf in einer Querschnittsstudie gewonnene Daten. Aus diesem Grund greift man im Fall einer Querschnittsstudie gern auf standardisierte Verfahren zur Sprachkompetenzmessung zurück. Ein solches standardisiertes Verfahren ist der rezeptive Wortschatztest Peabody Picture Vocabulary Test (PPVT), den wir in Kapitel 3 ausführlich vorstellen werden. Bei mehrsprachigen Kindern stößt die Anwendung dieses Tests jedoch auch auf Probleme, sobald man mehrere 36 2 Methoden Sprachen der Kinder untersuchen möchte. Oftmals liegen die standardisierten Testverfahren nur in einer Sprache vor, so dass die Entwicklung in den anderen Sprachen unbekannt bleibt. Anders ist die Situation beim Peabody Picture Vocabulary Test, der in mehreren Sprachen vorliegt und es ermöglicht, den rezeptiven Wortschatz von Kindern im Deutschen, Englischen, Französischen und Spanischen zu messen. Jedoch fehlen in vielen Fällen Informationen zur Normierungsstichprobe, d. h. Informationen zu derjenigen Probandengruppe, auf deren Basis der Test normiert wurde. Besteht die Normierungsstichprobe für eine Sprache vornehmlich aus monolingualen Kindern, so muss man sich dessen bewusst sein, dass die Anwendung des Tests auf mehrsprachige Kinder den Vergleich mit einer monolingualen Norm darstellt. Ein unterdurchschnittliches Abschneiden kann dann den Grund haben, dass die gemessenen mehrsprachigen Kinder tatsächlich unterdurchschnittlich sind oder aber, dass die falsche Norm, nämlich eine monolinguale, als Messlatte angelegt wurde. Ein weiteres Problem bei der Testung von mehrsprachigen Kindern ist, dass dasselbe Testverfahren in den unterschiedlichen Sprachen verwendet wird. Einerseits muss es dasselbe sein, um später den Grad der Sprachbeherrschung wirklich vergleichen zu können, andererseits besteht die Gefahr eines Gewöhnungseffekts. Deshalb versucht man, die Testungen in den verschiedenen Sprachen nicht an einem Tag zu erledigen, was natürlich einen größeren Aufwand für die Datenerhebung darstellt. In der Literatur werden oft auch nicht-standardisierte Tests gebraucht, um den Sprachstand zu ermitteln. Bei mehrsprachigen Kindern wird dann eine monolinguale Vergleichsgruppe mit getestet und auf der Basis des Alters mit der/ den mehrsprachigen Gruppe(n) verglichen. Die Vergleichsgrundlage ist hier das Alter, ein Umstand, der in zukünftigen Studien verändert werden sollte, da Kinder mit Hinblick auf den Sprachbeherrschungsgrad zu einem bestimmten Alter stark variieren, ganz unabhängig davon, ob sie mit einer Sprache oder mehreren Sprachen aufwachsen. Bei Grammatiktests soll der Erwerb eines grammatischen Phänomens vor dem Hintergrund einer bestimmten Fragestellung erforscht werden. Dabei entwerfen die ForscherInnen eine Spielsituation, in der dem Kind eine aktive oder passive Antwort in Bezug auf das getestete grammatische Phänomen entlockt wird. Man spricht deshalb auch von einem Elizitationstest. Wir werden im vorliegenden Kapitel solche Testverfahren vorstellen. Zur Ermittlung der Dominanz im mehrsprachigen Kind wurden in der Literatur unterschiedliche Messkriterien angewandt. Eines der am häufigsten verwendeten Verfahren zur Ermittlung der Sprachdominanz im bilingualen Kind ist die MLU-Differenz (MLUD) und die Redefluss-Differenz (RFD), gemessen in Wörtern pro Minute. Bei beiden Verfahren werden zunächst der MLU bzw. der Redefluss in beiden Sprachen des Kindes separat gemessen. In einem zweiten Schritt wird dann der Wert der Sprache A von dem der Sprache B subtrahiert (vgl. Müller et al. 2015: 52ff.). 37 2.3 Sprachdominanz und Beherrschungsgrad Abb. 2.5: Redefluss-Differenz (RFD): Das bilingual deutsch-italienische Kind Carlotta Abbildung (2.5) zeigt das bilingual deutsch-italienische Kind Carlotta, das in Deutschland aufwächst, und ihren Redefluss innerhalb des untersuchten Zeitraums von 1; 8 bis 4; 1. Die Linie im positiven Bereich der y-Achse stellt den in den deutschen Sprachaufnahmen erzielten Redefluss dar, die Linie im negativen Bereich die italienischen Werte. Die Einteilung der Achse in einen positiven und einen negativen Bereich dient allein der besseren Darstellung des Vergleichs beider Sprachen. Die um Null verlaufende Linie zeigt die Redefluss-Differenz. Zum Beispiel finden wir im Alter von 3; 6,17 einen Redefluss im Deutschen von 14,43 Wörtern, im Italienischen von 12,65 Wörtern pro Minute. Die Subtraktion beider Werte ergibt eine Differenz von 1,78 zugunsten des Deutschen. Das bedeutet, dass die Redefluss-Differenz mit 1,78 Wörtern fast Null beträgt, die beiden Sprachen also nahezu ausgeglichen sind. Eine Tabelle, aus der hervorgeht, wann die Differenz als balanciert bzw. unbalanciert interpretiert wird, findet sich in Müller et al. (2015: 68). Oft möchte man die MLUbzw. Redefluss-Differenz nicht für jeden Datenerhebungszeitpunkt darstellen, sondern eine durchschnittliche Differenz für den gesamten Untersuchungszeitraum angeben. Für Carlotta ergibt sich als durchschnittliche Redefluss-Differenz (DRFD) ein Wert von 1,60 Wörtern pro Minute zugunsten des Deutschen. Dieser Wert deutet laut Müller et al. (2015: 68) auf den Balanciertheitsgrad „(stark) balanciert“ hin. Wenden wir uns nun wieder dem am häufigsten verwendeten Messkriterium zu, dem MLU, und im Besonderen der MLU-Differenz. Die folgende Abbildung (2.6) zeigt den MLU und 38 2 Methoden die MLU-Differenz vom bilingual deutsch-spanischen Kind Arturo. Wieder ist im positiven Bereich der y-Achse das Deutsche und im negativen die romanische Sprache, hier das Spanische, abgetragen. Die hellgraue Linie nah am Nullpunkt stellt die MLUD dar. Abb. 2.6: MLU-Differenz (MLUD): Das bilingual deutsch-spanische Kind Arturo Addiert man nun alle MLUD-Werte im Zeitraum von 2; 4 bis 5; 4 und dividiert diese durch die Anzahl der Erhebungszeitpunkte, ergibt sich die durchschnittliche MLUD (DMLUD). Für Arturo liegt dieser Wert bei 0,83. Das ist weniger als ein Wort Unterschied in beiden Sprachen. Laut Müller et al. (2015: 63) ergibt sich eine Balanciertheit mit Tendenz, d. h. Arturo hat zwar keine dominante Sprache, aber er tendiert in Richtung einer Sprache, im konkreten Fall in die des Deutschen. Die Darstellung des Sprachbeherrschungsgrades anhand der MLU-Entwicklung ist bei einem trilingualen Kind relativ unproblematisch (vgl. Kapitel 11). Die MLU-Werte für jeden Erhebungszeitpunkt bei dem trilingual mit Französisch, Italienisch und Spanisch aufwachsenden Kind Diego wurden von Elena Scalise berechnet (vgl. Abbildung 2.7). 39 2.3 Sprachdominanz und Beherrschungsgrad Abb. 2.7: MLU im Französischen, Italienischen und Spanischen: Diego Aus der Abbildung (2.7) wird deutlich, dass der MLU im Französischen zu allen Erhebungszeitpunkten (mit einer Ausnahme mit 3; 6,12) die höchsten Werte erreicht. Die Werte im Italienischen liegen unter denen für das Französische. Das Spanische ist Diegos schwächste Sprache. Die DMLUD zwischen dem Französischen und Spanischen beträgt 1,01 Wörter, d. h. das Verhältnis kann laut Müller et al. (2015: 63) als unbalanciert (überlegen) bezeichnet werden. Die DMLUD zwischen dem Französischen und Italienischen fällt mit 0,73 Wörtern geringer aus und entspricht der Kategorie balanciert mit Tendenz (Müller et al. 2015: 63). Die DMLUD zwischen dem Italienischen und dem Spanischen ist mit 0,28 Wörtern am geringsten; das Verhältnis kann als stark balanciert bezeichnet werden (Müller et al. 2015: 63). An dem Verhältnis zwischen dem Italienischen und Spanischen zeigt sich nun das Problem, das mit der Sprachdominanzermittlung bei Kindern mit drei Muttersprachen (Sprache A, Sprache B, Sprache C) besteht. Ist Diego nun ein unbalanciertes Kind? Reicht es aus, in einer von drei Sprachen unbalanciert zu sein, um insgesamt als unbalanciert zu gelten? Wir haben bereits erwähnt, dass in Querschnittsstudien die Möglichkeit besteht, den Sprachbeherrschungsgrad über standardisierte Tests, wie den Peabody Picture Vocabulary Test, zu ermitteln. Das Abschneiden im Test in den unterschiedlichen Sprachen des Kindes kann verglichen und so die Sprachdominanz ermittelt werden. Der Vorstellung des Peabody Picture Vocabulary Tests (Kapitel 3) und dem Verfahren zur Ermittlung der Sprachdominanz (Kapitel 3 und 11) sind eigene Kapitel gewidmet. Wir werden im Folgenden die Grammatik- 40 2 Methoden tests vorstellen, die für die Ermittlung der grammatischen Kompetenz bei mehrsprachigen Kindern im Rahmen einer Querschnittsstudie in Deutschland und Spanien eingesetzt wurden. 2.3.2 Grammatiktests Bei mehrsprachigen Kindern sind besonders solche Grammatikbereiche von Interesse, die in den Zielsprachen unterschiedlich sind. Bei den romanischen Sprachen Französisch, Spanisch, Katalanisch und der germanischen Sprache Deutsch sind dies u. a. attributive Adjektive, Kopulaverben, die Subjektposition und die Verbstellung. Bevor wir zu einer detaillierten Darstellung der jeweiligen Elizitationstests kommen, sollen drei Bestandteile des Aufbaus vorgestellt werden, die allen Tests gemeinsam sind: Übungselemente (engl. practice items), Distraktoren (engl. distractors) und Testitems (engl. test items). Die Übungselemente dienen dazu, dem Kind vor Beginn der eigentlichen Testung die Möglichkeit zu geben das Spiel einmal auszuprobieren. So kann der Testleiter erkennen, ob das Kind das Spiel verstanden hat. Die Distraktoren und die Testelemente werden im Verlauf des Tests vermischt. Dies soll verhindern, dass sich bei den Teilnehmern ein Gewöhnungseffekt einstellt und sie bei jedem Testitem auf dasselbe Lösungsschema zurückgreifen. Die folgenden Unterkapitel befassen sich dementsprechend nur mit dem jeweiligen Grammatiktest. 2.3.2.1 Verbstellung im Deutschen: Crazy-House-Test Das Deutsche zeichnet sich im Vergleich zu den romanischen Sprachen durch eine größere Vielfalt der Wortstellung, im Besonderen der Stellung des finiten Verbs aus. Das Deutsche ist eine V2-Sprache. Das finite Verb erscheint im Hauptsatz nach der ersten Konstituente. Im Nebensatz steht das finite Verb satzfinal. Ziel des spielerischen Tests zur deutschen Wortstellung war es, den Kindern einen Satz zu entlocken, der ein finites Verb in V2-Position enthält. In der Literatur zu einsprachig deutschen Kindern wird immer wieder beobachtet, dass sich der Erwerb des Deutschen durch eine frühe Phase auszeichnet, in der Kinder das finite Verb in Hauptsätzen satzfinal positionieren, so wie es im Zielsystem in Nebensätzen grammatisch wäre. Die Beispiele in (29) kommen von einem Kind, das monolingual deutsch in Deutschland aufwächst und in vierzehntägigem Abstand beobachtet wurde. 29. a. Geschenke bringt (2; 2,25) b. Da oben hört (2; 2,25) (=gehört) c. Hemd ankriegt (2; 2,25) d. Beule hat (2; 3,21) e. Wasser nass is (2; 4,4) 41 2.3 Sprachdominanz und Beherrschungsgrad f. Weinemann ru[d]e hat (=Rute) (2; 4,4) g. Eisnbahn aus is (2; 4,18) (=Eisenbahn) h. De wohl rauf will (2; 6) i. Esel reiten kann (2; 4,18) Der Elizitationstest zu der Position finiter Verben besteht aus einem Spiel, bei dem die mehrsprachigen Kinder ein Haus mit fünf Fenstern vorgelegt bekommen (vgl. Abbildung 2.8). Hinter jedem Fenster versteckt sich ein Tier, das eine untypische Handlung vollzieht. Die teilnehmenden Kinder sollten ein Subjekt, ein Verb und ein Objekt äußern. Abb. 2.8: Crazy-House-Test: Verbstellung im Deutschen In Abbildung (2.8) befindet sich zusätzlich ein Maulwurf. Maulwürfe sind bekannt dafür, kleine Augen zu haben und schlecht sehen zu können. Das teilnehmende Kind sollte dem Maulwurf dabei helfen, die verrückten Sachen zu beschreiben, die die Tierbande im Haus macht. Dabei öffnet das Kind jedes Fenster einzeln in einer von ihm selbst bestimmten Reihenfolge (was gleichzeitig den positiven Effekt hat, dass die Items in zufälliger Reihenfolge bearbeitet werden) und erzählt dem Maulwurf, was zu sehen war. Der Erwachsene hat hierfür den folgenden Satz gebraucht: 30. Kannst du dem Maulwurf sagen, was im Haus passiert? 31. a. Der Affe backt einen Schuh b. Die Maus isst einen Blumenstrauß c. Der Bär küsst einen Ball d. Der Hund putzt das Auto (mit einer riesigen Zahnbürste) 42 2 Methoden Die Ergebnisse des Grammatiktests werden in Kapitel 6 vorgestellt. Wie monolingual deutsche Kinder dafür bekannt sind, das finite Verb anfänglich in die satzfinale Position zu stellen, so platzieren monolingual französische und spanische Kinder während früher Erwerbsphasen das Subjekt postverbal. Auf die Testung zu diesem grammatischen Bereich werden wir im Folgenden eingehen. 2.3.2.2 Position des Subjekts im Französischen und Spanischen Die Forscherinnen Déprez & Pierce (1993) waren die ersten, die für monolingual französische Kinder eine Phase sogenannter postverbaler Subjekte beobachtet haben. Solche Subjekte zeigen die Beispiele in (32). 32. a. Lit maman (Nathalie, 2; 0,1) b. Pleure clown (Daniel, 1; 8,3) c. Assis la poupée (Nathalie, 2; 2,1) d. Dormir là Michel (Philippe, 2; 2,1) e. Veut encore Adrian du pain (Grégoire, 2; 1,3) f. Pousses toi sandales (Daniel, 1; 8,3) Im Französischen müssen die Subjekte in (32) am Satzanfang stehen. Das Französische ist eine SVO-Sprache. Das Subjekt steht in der Regel am Satzanfang vor dem finiten Verb. Um dieses Phänomen bei mehrsprachigen Kindern untersuchen zu können, wurde ein Produktionstest entwickelt. Das Spiel beinhaltete vier nacheinander gezeigte Abbildungen, bei denen das Kind beschreiben sollte, was es auf den Bildern sieht. Alle elizitierten Verben waren intransitiv. Die elizitierten Subjekt-Verb-Kombinationen werden in (33) aufgeführt. Die Abbildung (2.9) zeigt das Testitem (33b). 33. a. clown - pleurer b. garçon - dormir c. fille - sauter d. papi - rire 43 2.3 Sprachdominanz und Beherrschungsgrad Abb. 2.9: Französischer Test: Postverbale Subjekte Für jedes der Bilder hat der Erwachsene die folgende Frage gestellt: 34. Dans cette image, qu’est-ce qui se passe? Im Französischen sind Konstruktionen wie in (32) ungrammatisch. Im Gegensatz dazu existieren im Spanischen sowohl präals auch postverbale Subjekte. Die Referenzmöglichkeiten eines präbzw. postverbalen Subjekts sind jedoch unterschiedlich und sollen in Tests mit mehrsprachigen Kindern untersucht werden. Stark vereinfacht können wir Folgendes für das Spanische festhalten: Präverbale Subjekte kodieren im Spanischen alte, bekannte Informationen. Postverbale Subjekte hingegen kodieren neue Informationen. Da viele Kinder zusätzlich zum Spanischen das Französische erwerben, ist es interessant zu untersuchen, ob sie die unterschiedlichen Systeme der beiden romanischen Sprachen erkennen und wann sie dies tun. Die Aufgabe betraf also das Verstehen spanischer prä- und postverbaler Subjekte. Für das Spiel wurde die Thematik des Zirkusses genutzt. Hierbei wurden vier Kartenpaare entworfen. Jedes Paar zeigt zwei typische Zirkusfiguren, wie aus der Abbildung (2.10) deutlich wird. 44 2 Methoden Abb. 2.10: Spanischer Test: Postverbale Subjekte Auf einer der Karten war eine Gruppe mit gleichen Tieren (hier: Bären), auf der anderen zwei unterschiedliche Tiergruppen (hier: Bären und Löwen) zu sehen. Die Kartenpaare wurden so entworfen, da das Spanische einen Unterschied bzgl. des möglichen Referenten in Abhängigkeit von der Position des Subjekts macht. Dies zeigt sich im Nebensatz, wo das Subjekt zwei unterschiedliche Referenzmöglichkeiten hat. Um dies aufzeigen zu können, wenden wir uns dem Testsatz (35) zu, der zu der Abbildung (2.10) geäußert wurde. 35. Los osos i sueñan que rugen ellos i/ *j toda la noche Im Spanischen darf das postverbale Subjekt in Form eines Pronomens im Nebensatz ausschließlich Bezug auf das Subjekt des Hauptsatzes nehmen (markiert durch den Index i), in (35) los osos (die Bären). Ein Bezug auf eine Nominalphrase, die zuvor geäußert wurde, aber nicht das Subjekt des Hauptsatzes ist (markiert durch den Index j), ist nicht möglich. Steht das Subjektpronomen im Nebensatz präverbal, so kann es sich auf das Subjekt des Hauptsatzes (los osos) oder auf andere Tiere, wie z. B. los leones (die Löwen), beziehen, also auf eine Nominalphrase, die nicht das Subjekt des Hauptsatzes ist und zuvor erwähnt wurde. Ziel des Spiels war es, die Kinder dazu zu bewegen, die Karte mit ausschließlich einer Gruppe von Zirkusfiguren auszuwählen. Es handelt sich bei dieser Art um einen Verstehenstest. Die Sätze in (36) zeigen die drei weiteren Testäußerungen. 36. a. Los payasos dicen que silban ellos toda la noche b. Los acróbatas murmuran que saltan ellos toda la noche c. Los malabaristas explican que cantan ellos toda la noche Um eine routinemäßige Reaktion der Kinder zu vermeiden (z. B. das durchgängige Zeigen auf das erste Bild), wurden Übungselemente und Distraktoren entworfen, die gerade die 45 2.3 Sprachdominanz und Beherrschungsgrad präverbale Position des Subjektes im Nebensatz beinhalten. Bei diesen Elementen wurde erwartet, dass die teilnehmenden Kinder auch auf diejenige Karte zeigen, die zwei Gruppen von Zirkusfiguren darstellen. Die Ergebnisse des Grammatiktests werden in Kapitel 7 vorgestellt. 2.3.2.3 Position attributiver Adjektive Die getesteten Sprachen unterscheiden sich auch hinsichtlich der Position attributiver Adjektive und der Rolle von Bedeutungsunterschieden für die Adjektivposition. An dieser Stelle soll genügen, dass sich die romanischen Sprachen Französisch und Spanisch dadurch vom Deutschen unterscheiden, dass sie prä- und postnominale Stellungen aufweisen (vgl. Beispiele 37 und 38). Im Deutschen stehen attributive Adjektive pränominal (vgl. 39). Attributive Adjektive stehen im Französischen und Spanischen prä- oder postnominal. Das Deutsche erfordert die pränominale Position. Die beiden romanischen Sprachen unterscheiden sich hinsichtlich der Rolle von Bedeutungsunterschieden: Während Sprachwissenschaftler davon ausgehen, dass im Spanischen vorrangig die Position des Adjektivs von der Interpretation der gesamten Nominalphrase abhängt, ist für das Französische belegt, dass eine Reihe weiterer, nicht semantischer Faktoren die Adjektivstellung beeinflusst (vgl. hierzu Kapitel 8.1). Die Konzeption der Tests sah ursprünglich auch die Adjektivstellung im Arabischen und Marokkanischen vor, da attributive Adjektive hier ausschließlich postnominal stehen, jedoch wurden nicht genügend Probanden mit diesen Sprachen gefunden, so dass wir in Kapitel 8 auf diese Sprachen nicht eingehen werden. Für zukünftige Forschungen ist die Aufnahme von Sprachen mit postnominaler Position des Adjektivs in eine Testung mit mehrsprachigen Kindern jedoch wünschenswert. 37. les belles maisons / les chats fatigués 38. unas bellíssimas princesas / unas princesas bellíssimas 39. die hübschen Häuser / *die Katzen müden Wir wollen auf die spanischen Beispiele in (38) gesondert eingehen. Während bei der Voranstellung des Adjektivs die Nominalphrase in der Regel auf eine Gruppe von Prinzessinnen referiert, die alle die Eigenschaft haben, hübsch zu sein, steht bei der Nachstellung des Adjektivs neben dieser Interpretation eine weitere zur Verfügung. Die Nominalphrase mit postnominalem Adjektiv referiert auf eine Untergruppe von hübschen Prinzessinnen aus einer Menge von Prinzessinnen, welche hübsche und hässliche beinhaltet. Diese Besonderheit der spanischen Sprache (d. h. das Zusammenspiel zwischen Syntax und Semantik) macht es erforderlich, auch das Verstehen von prä- und postnominalen Adjektiven im Spracherwerb zu untersuchen. 46 2 Methoden Da die Lesart von Nominalphrasen, die ein pränominales Adjektiv enthalten, eingeschränkt ist, wird diese im Vordergrund des nun vorzustellenden Verstehenstests stehen. Für den Test wurden vier Kartenpaare entworfen, die Katzen mit unterschiedlichen Eigenschaften darstellen. Die folgende Abbildung (2.11) zeigt ein solches Kartenpaar. Abb. 2.11: Testitems des Verstehenstests: attributive Adjektive im Spanischen Auf der linken Seite der Abbildung (2.11) sind zwei Katzen zu sehen, die beide dick sind, also dieselben Eigenschaften haben. Die rechte Seite zeigt ein Kartenpaar mit jeweils einer dicken und einer dünnen Katze. Weitere Eigenschaften der Katzen sind in (41) aufgeführt. Der eigentliche Test wird eingeleitet durch die Benennung der Eigenschaften mit Hilfe von Kopulakonstruktionen, um einerseits zu prüfen, ob das Kind die Adjektive kennt, und um andererseits nicht die präbzw. postnominale Position vorzugeben. Im Anschluss wird das Kind vom Erwachsenen mit Hilfe des Testsatzes (40) aufgefordert, auf diejenige Karte zu zeigen, auf der ausschließlich dicke Katzen zu sehen sind, indem der Erwachsene eine Nominalphrase mit einem pränominalen Adjektiv gebraucht: 40. Enséñame los gordos gatos Zeig mir die dicken Katzen 41. a. dicke vs. dünne Katzen b. alte vs. junge Katzen c. Katzen mit langen vs. mit kurzen Beinen d. schlaue vs. dumme Katzen Um die Kompetenz der Kinder in der Sprachproduktion zu testen, wurde ein Produktionstest konzipiert, der aus einer Spielsituation bestand, bei der das Kind aktiv mit dem Erwachsenen interagiert. Dabei sollte der Ort von Tierpaaren in einer Landschaft beschrieben werden. Für das französische und spanische Spiel waren es Vögel, für die arabische Spielsituation waren es Mäuse, der marokkanische Test beinhaltete Elefanten und die deutsche Version wurde mit Löwen gestaltet. Die Änderung des Tiertyps ist deshalb nötig, da manche Kinder in drei Sprachen getestet wurden und die Gefahr eines Gewöhnungseffekts besteht. Wie aus der Abbildung (2.12) am Beispiel des deutschen Spiels deutlich wird, unterscheiden sich die jeweiligen Gruppen von Löwen an den verschiedenen Orten in der Landschaft hinsichtlich bestimmter Eigenschaften. 47 2.3 Sprachdominanz und Beherrschungsgrad Abb. 2.12: Deutsches Spiel: Löwen Bevor das eigentliche Spiel begann, wurde ein Prototyp eingeführt. Im Deutschen hatte der Prototyp runde Ohren, einen langen Schwanz, saubere Stiefel und eine braune Mähne. Der Prototyp wurde als Papa oder Mama vorgestellt, der/ die seine/ ihre Kinder an verschiedenen Orten spielen lässt. Der Erwachsene machte das Kind darauf aufmerksam, dass die Kinder sich in nur einer einzigen Eigenschaft von dem Papa/ der Mama unterscheiden (spitze Ohren, kurzer Schwanz, schmutzige Stiefel, blaue Mähne). Sobald dem Kind alle Eigenschaften und die Orte der Landschaft vertraut waren, wurde eine identische Landschaft eingeführt, auf der keine Tiere zu sehen waren. Ziel des Spiels war es, das Kind dazu zu bewegen, dem Erwachsenen die Orte der Tierpaare zu nennen, so dass der Erwachsene sie auf seiner leeren Landschaft auf die richtige Position setzen kann. Dafür hielt der Erwachsene die leere Landschaft in Abbildung (2.13) und die Karten mit den Tierpaaren in der Hand. Die Aufgabe war eingebettet in eine kleine Erzählung, aus der hervorgeht, dass alle Tierkinder verschwunden sind und das Kind dem Papa bzw. der Mama dabei helfen soll, die Kinder wiederzufinden. Die Aufgabe des Kindes war, die Tierpaare so zu beschreiben (vgl. in Abbildung 2.14), dass der Erwachsene die leere Landschaft mit den Tierkindern auf dem Seil zwischen den Bäumen, auf dem Ast bzw. in der Nähe vom Vogelnest, auf dem Berg und auf dem Dach des Hauses bestücken konnte. 48 2 Methoden Abb. 2.13: Spanisches Spiel: Leere Landschaft für den Erwachsenen Abb. 2.14: Spanisches Spiel: Landschaft mit Vogelkinderpaaren für das Kind In der Trainingsphase wird das Spiel mit dem Kind mithilfe des auf einer Karte dargestellten kleinen Regenwurms Robin eingeübt. Sobald die leere Landschaft eingeführt ist, kommt Robin ins Spiel. Das Kind erhält sowohl die leere Landschaft als auch den Regenwurm und mit Hilfe von Klebeknete wird das Kind aufgefordert, Robin an einen Ort in der leeren Landschaft zu kleben. Anschließend fragt der Erwachsene, wo sich Robin befindet. Da alle Vogelpaare die prototypischen Eigenschaften teilen, bis auf eine Ausnahme, ist es möglich, im Spanischen die restriktive Lesart zu testen. So haben alle Vögel kurze Beine, mit Ausnahme derer, die auf dem Seil sitzen. Diese haben lange Beine und bilden entsprechend eine Teilmenge aller Vögel auf der Landschaft. Wie wir gesehen haben, muss im Spanischen 49 2.3 Sprachdominanz und Beherrschungsgrad das Adjektiv largas in der Nominalphrase las patas largas postnominal stehen, um auf eine Teilmenge referieren zu können. Die Ergebnisse des Grammatiktests werden in Kapitel 8 vorgestellt. 2.3.2.4 Kopulaverben Der grammatische Bereich der Kopulaverben wurde im Spanischen und Katalanischen getestet, da beide Sprachen ein Kopulasystem mit zwei Verben aufweisen, nämlich ser / ésser bzw. estar. Das Spanische und Katalanische kennen zwei Kopulaverben. Stark vereinfacht wird ser bzw. ésser für die Zuweisung von charakteristischen Eigenschaften, estar gerade für die Beschreibung von Eigenschaften, die Veränderungen unterworfen sind, gebraucht. In einer Pilotstudie wurde eine Geschichte konzipiert, bei der eine Gruppe von Enten von einem grünen Zaubertrank trank und sich teilweise grün färbte (vgl. Abbildung 2.15). Die Geschichte wurde mithilfe von vier Karten erzählt und sollte dazu dienen, die spanischen und katalanischen Kopulaverben in mehreren syntaktischen Kontexten zu elizitieren, d. h. sowohl ihr Auftreten mit einem Adjektiv als auch mit einer Präpositionalphrase (PP), die eine lokative Lesart (eine verortende Funktion) hat. Abb. 2.15: Spanischer Test (Pilotstudie): Entengeschichte Die Kinder waren meistens dazu fähig, die Zustands- und Ortsveränderungen der Enten zu verbalisieren. Allerdings wurden oft andere als die gewünschten Verben dazu verwendet, wie zum Beispiel convertirse (sich verwandeln) und ponerse (werden) für die Zustandsveränderung. Um den Spielraum seitens der kindlichen Äußerung weiter einzuengen, musste der Test verändert werden. Vier Kurzgeschichten mit jeweils drei Bildern wurden entworfen, um eine Zustandsveränderung auszudrücken. Die Abbildung (2.16) zeigt dies für kleine Bären. 50 2 Methoden Abb. 2.16: Spanischer Test: Kopulaverben Bei allen vier Kurzgeschichten ist die temporäre Eigenschaft (in Abbildung 2.16: blau) nur auf einem Teil des Tierkörpers dargestellt, um aufzuzeigen, dass die inhärente Eigenschaft (in Abbildung 2.16: braun) noch Gültigkeit hat. Der Erwachsene hat die Sätze in (42) produziert, um das passende Adjektiv für das jeweilige Kopulaverb zu elizitieren: 42. a. El oso es ______ b. El oso está ______ Im Satz (42a) wird das Adjektiv marrón (braun) erwartet; im Satz (42b) ist das zielsprachliche Adjektiv azul (blau). Die Abfolge des ser- und estar-Testsatzes wurde in jeder Geschichte verändert, um zu vermeiden, dass die teilnehmenden Kinder eine systematische Antwort produzieren. Die Ergebnisse des Grammatiktests werden in Kapitel 9 vorgestellt. Mit dem vorliegenden Kapitel haben wir einen Einblick in verschiedene Grammatiktests erhalten, die die Produktion oder das Sprachverstehen betreffen. Wir wollen im folgenden Kapitel ein standardisiertes Testverfahren vorstellen: die Messung des rezeptiven Wortschatzes anhand des Peabody Picture Vocabulary Tests. 51 3 Messung des rezeptiven Wortschatzes anhand des Peabody Picture Vocabulary Tests Abira Sivakuma & Nadine Sette Will man das linguistische Wissen von mehrsprachigen Kindern untersuchen, so ergibt sich das folgende Problem: Die Kinder verfügen über ein einziges kognitives System. Die beiden Sprachen weisen jedoch häufig Unterschiede auf. Mehrsprachige Kinder können eine weitestgehend ausgeglichene sprachliche Entwicklung durchlaufen. Jedoch kommt es genauso häufig vor, dass sich eine Sprache schneller entwickelt als die andere(n); es kommt zu einer unausgeglichenen Entwicklung, einer Sprachdominanz. Aus diesem Grund ist es sinnvoll, ein altersunabhängiges Kriterium zu verwenden, um die Kinder entsprechend des Verhältnisses ihrer (Erst-)Sprachen einzustufen, wenn man eine Elizitationsstudie durchführt. Im vorliegenden Kapitel soll der Peabody Picture Vocabulary Test (kurz PPVT) ausführlich vorgestellt werden. Dieser Test ist ein normbasiertes Messinstrument zur Erfassung des rezeptiven Wortschatzes, welches von Dr. Lloyd M. Dunn sowie seiner Frau Dr. Leota M. Dunn erstmalig für die englische Sprache entwickelt wurde (vgl. Dunn 1959, Dunn & Dunn 1981, 1997 und Lenhard, Lenhard, Segerer & Suggate 2015: 19). Ziel dieses Kapitels ist, das Testverfahren und seine Anwendung in linguistischen Querschnittsstudien zu erläutern. Dieses Testverfahren wurde von der Forschergruppe deshalb ausgewählt, da es in den unterschiedlichen zu testenden Sprachen verfügbar ist. 3.1 Der Peabody Picture Vocabulary Test Da in einer Querschnittsstudie eine große Anzahl an Teilnehmern untersucht wird, benötigt man aufgrund der großen Datenmenge Testverfahren, die einfach anzuwenden sind und ein schnelles Resultat liefern. Hierfür eignen sich besonders standardisierte Spracherhebungsmethoden, welche auf der Basis einer sogenannten Normierungsstichprobe erstellt werden und mit Hilfe derer ein Standard etabliert wird, mit dem verglichen bzw. abgeglichen werden kann. Ein mögliches Testverfahren ist der Peabody Picture Vocabulary Test, welcher den rezeptiven Wortschatz von Kindern erfasst. Aufgrund seiner Zuverlässigkeit bzw. Genauigkeit der Messung (vgl. Albert & Marx 2016: 29f.) existieren bereits mehrere Auflagen des Tests in mehreren Sprachen (Dunn, Thériault-Whalen & Dunn 1993, Dunn, Padilla, Lugo & Dunn 1986). Dies war einer der Gründe, weshalb dieser Test für die Erhebung bei mehrsprachigen Kindern ausgewählt wurde, da aufgrund der möglichen Sprachdominanz eine altersgemäße Entwicklung zum Zeitpunkt X nicht in allen Sprachen vorliegen muss. Neben der deutschen Version des Tests (PPVT) liegen eine spanische, die unter dem Namen Test de Vocabulario en Imágenes Peabody (kurz TVIP) veröffentlicht wurde, sowie eine französische Version Echelle de Vocabulaire en Images Peabody (kurz EVIP) vor. Um begriffliche Unklarheiten zu vermeiden, wird im Folgenden der Begriff Peabody verwendet, um sich auf das Testverfahren 52 3 Messung des rezeptiven Wortschatzes anhand des Peabody Picture Vocabulary Tests im Allgemeinen zu beziehen. Die Kurzformen der einzelnen Versionen des Testverfahrens werden nur verwendet, wenn die einzelnen Versionen des Instruments in den jeweiligen Sprachen im Mittelpunkt stehen. 3.1.1 Anwendungsbereiche des Peabody Der (passive) Wortschatz eines Individuums steht in engem Zusammenhang mit seiner allgemeinen verbalen Intelligenz und stellt zugleich eine Form des Wissenserwerbs dar. Daher kann der Peabody in verschiedenen Bereichen zur Anwendung kommen (vgl. Lenhard et al. 2015: 23). In besonderem Maße eignet sich der Test jedoch, um die Entwicklung des Wortschatzerwerbes einer Person zu erfassen (vgl. Dunn et al. 1986: 4). Weiterhin kann das Testverfahren aber auch zu diagnostischen Zwecken verwendet werden. Hierbei dient die Erfassung des Wortschatzes, der als Indikator für die sprachliche und kognitive Entwicklung von Kindern gilt, zur Prüfung der Schuleignung sowie zur Diagnose von Förderbedarfen und Sprachentwicklungsstörungen (vgl. Lenhard et al. 2015: 21). Da bei der Durchführung des Peabody weder Lesefertigkeiten noch gesprochene oder geschriebene Sprache zur Beantwortung der Testitems benötigt werden, ist er zudem geeignet, um bereits jüngere Kinder (ab ca. 2; 6) zu testen. In Bezug auf die Anwendung bei mehrsprachigen Kindern muss allerdings darauf hingewiesen werden, dass der Peabody vorrangig zur Erfassung des rezeptiven Wortschatzes bei monolingualen Kindern konzipiert wurde. In welchem Umfang mehrsprachige Kinder Teil der Normierungsstichprobe waren, werden wir in Abschnitt 3.2 vorstellen, der sich dem Vergleich der Tests in den jeweiligen Sprachen widmet. Zudem ist die Anwendung des Testverfahrens auf von Geburt an mehrsprachig aufwachsende Kinder bisher selten (vgl. hierzu Bialystok, Luk, Peets & Yang 2010, Satter & Altes 1984). Diese Tatsache gilt es insbesondere bei der Auswertung der Ergebnisse zu beachten. 3.1.2 Testdurchführung Die Vorgehensweise des Peabody beruht darauf, dass der zu testende rezeptive Wortschatz in Form von Bildern präsentiert wird (siehe Abbildung 3.1). Die Testperson wird hierbei aufgefordert, ein bestimmtes Zielvokabular, das von dem Testleiter in mündlicher Form genannt wird, aus einer Bildserie, bestehend aus vier Bildern, zu identifizieren. Hierbei sind die Testitems in den Peabody-Tests hinsichtlich des Schwierigkeitsgrades aufsteigend organisiert, so dass jede Testperson nur innerhalb ihres altersbasierten Leistungsbereichs getestet wird. Während das Startitem folglich von den Herstellern vorgegeben bzw. empfohlen wird und vom Alter der Testperson abhängig ist, ist das Enditem, das auch Deckenset genannt wird, bei jeder Testperson individuell. 53 3.1 Der Peabody Picture Vocabulary Test Abb. 3.1: Typische Administrationssituation des Peabody (Lenhard et al. 2015: 26) Der Test endet beim TVIP und beim EVIP, wenn die Testperson sechs oder mehr Fehler in einer Gruppe von acht aufeinander folgenden Items begeht, und im PPVT, wenn acht oder mehr Fehler in einem Set von zwölf begangen wurden. Dies bedeutet im Umkehrschluss, dass es sich nicht um einen „Speedtest“ handelt, bei dem die Geschwindigkeit der Antwort gemessen wird, sondern um einen „zeitlich unbegrenzten Powertest des Wortschatzes“ (Lenhard et al. 2015: 25). 3.1.2.1 Vorbereitung Bevor die eigentliche Testung beginnen kann, ist es zunächst wichtig, die Personendaten zu erfassen und das chronologische Alter der Testperson zu berechnen. Letzteres muss exakt berechnet werden, da 1) die korrekten (und altersgerechten) Trainings- und Startitems ausgewählt werden müssen und 2) um die passenden Normwerte zur Auswertung der Testung zu ermitteln. Die Berechnung des chronologischen Alters geht aus der Abbildung (3.2) hervor und erfolgt, indem zunächst das Testdatum mit Jahr, Monat und Tag notiert wird. Von diesem Testdatum wird das Geburtsdatum des Kindes subtrahiert. 54 3 Messung des rezeptiven Wortschatzes anhand des Peabody Picture Vocabulary Tests Abb. 3.2: Berechnung des chronologischen Alters (vgl. Lenhard et al. 2015: 39) Nach der Dokumentation aller relevanten Informationen über die Testperson und der Berechnung des chronologischen Alters wird die Testperson in den Test eingeführt und es wird ihr verdeutlicht, wie eine Antwort gegeben werden muss. Dafür werden ihr einige Übungsitems präsentiert. Der Testleiter kann während der Testung Hinweise geben wie „Zeige mit dem Finger auf [Wort]“, „Zeige mir [Wort]“ etc. (Lenhard et al. 2015: 33). Insbesondere bei der Testung von Kindern ist es zudem notwendig, eine gute Beziehung zur Testperson aufzubauen. Daher ist es wichtig, eine entspannte und geduldige Haltung als Testleiter einzunehmen und die Testung als Spiel zu präsentieren (Lenhard et al. 2015: 27). 3.1.2.2 Protokollieren der Antworten und Ermittlung des Boden- und Deckensets Der Testleiter dokumentiert die Ergebnisse bzw. die Antworten des Kindes in einem beigelegten Beobachtungsbogen. Dieser ist im PPVT in sogenannten „Sets“ organisiert, die aus zwölf Items bestehen. Auf diese Weise kann die Fehleranzahl des Kindes in dem jeweiligen Set leicht bestimmt und somit auch das Deckenset leichter ermittelt werden. Im TVIP und im EVIP wird hierfür ein anderes System, das mit acht verschiedenen Symbolen arbeitet, verwendet. Hierbei ist der Beobachtungsbogen so organisiert, dass neben jedem Item eines der acht Symbole steht. Ist die Antwort des Kindes fehlerhaft, wird das Symbol neben dem jeweiligen Item durchgestrichen. Eine Folge von 8 Items ist dann erreicht, wenn sich ein Symbol wiederholt. Auf diese Weise muss lediglich die Anzahl der Fehler von Symbol zu Symbol gezählt werden, um das Deckenset zu ermitteln. Zentral für die Berechnung des Ergebnisses ist außerdem, dass die Fehleranzahl von einem sogenannten Bodenset, das nicht zwangsläufig mit dem Startitem bzw. dem Startset übereinstimmen muss, gezählt wird. Auch die Ermittlung des Bodensets unterscheidet sich hierbei in den verschiedenen Peabody-Versionen. Das Bodenset wird im PPVT definiert als ein Set von zwölf Items, in dem das zu testende Kind keinen oder nur einen Fehler begangen hat, während im TVIP und im EVIP beim Bodenset keine Fehler bei einer Serie von acht aufeinander folgenden Items begangen werden dürfen. Die Bedeutung des Bodensets ist insbesondere deshalb so zentral, da 55 3.1 Der Peabody Picture Vocabulary Test es sicherstellt, dass der „richtige“ Leistungsbereich unabhängig vom Alter des Individuums ermittelt werden kann. So gilt das altersbasiert empfohlene Startitem dann als zu schwer, wenn die Testperson in der ersten Itemserie 3 einen oder mehr als einen Fehler macht. Dann ist der Testleiter gezwungen, den Test quasi rückwärts durchzuführen und somit weniger schwierige Items zu testen, bis das entsprechende Bodenset ermittelt wurde. In den Fällen, in denen das empfohlene Startitem mit dem ersten Item des Tests zusammenfällt bzw. der Test bis zu diesem, ersten Item rückwärts durchgeführt wurde, wird eine automatische Basis angenommen. Im umgekehrten Fall, wenn die ausgewiesene Startitemserie für den Probanden zu einfach 4 ist, gilt als Bodenset dasjenige Set, das dem Deckenset am nächsten ist. Die Fehler, die vor dem höchsten Bodenset begangen wurden, bleiben bei der Berechnung außen vor. 3.1.2.3 Berechnung des Rohwertes Nach der Testung muss der Rohwert der Testperson ermittelt werden. Hierfür wird von der Nummer des Deckenitems die Anzahl an Fehlern abgezogen, welche die Testperson innerhalb des Boden- und Deckensets gemacht hat (also im individuellen Leistungsbereich). Folglich werden (einzelne) Fehler, die unterhalb des Bodenitems gemacht wurden, nicht berücksichtigt bzw. als richtig gewertet. Umgekehrt werden alle Items oberhalb des Deckensets als nicht gelöst betrachtet. Dies wollen wir anhand eines Beispiels skizzieren. Nehmen wir an, ein Kind würde in der deutschen Version (PPVT) altersbedingt mit dem Set 7 anfangen. In diesem Set macht es nur einen Fehler. Im darauffolgenden Set 8 macht das Kind keinen einzigen Fehler, so dass Set 8 als Bodenset gelten würde und der Fehler aus Set 7 nicht gewertet wird. 5 Als Deckenset erreicht das Kind Set 12. Alle Fehler zwischen Set 8 und Set 12 werden addiert, so dass sich in unserem Beispiel eine Gesamtzahl von 19 Fehlern feststellen lässt. Nun wird von der Nummer des letzten Items des Deckensets (Item Nr. 144) die Anzahl der Fehler (19) subtrahiert. Der Rohwert beträgt somit 125. Zur Illustration haben wir in Abbildung (3.3) ein Beispiel aus Lenhard et al. (2015: 41) für das Alter 8 Jahre und 2 Monate entnommen. 3 Mit dem Begriff „Itemserie“ wird sich hier auf die Serie von acht (TVIP und EVIP) bzw. von zwölf (PVVT) Items bezogen, die zentral für die Ermittlung des Boden- und des Deckensets sind. 4 In den Peabody-Tests wird davon ausgegangen, dass die Anzahl der Fehler ab dem Bodenset kontinuierlich ansteigt, bis das Deckenset, das das Ende des Tests markiert, erreicht ist. Ist das Startitem, das altersbasiert empfohlen wird, zu einfach für den Probanden, so zeigt sich dies darin, dass nicht ein Bodenset, sondern mehrere Bodensets existieren, d. h. der Proband erreicht bei mehreren Sets eine Fehleranzahl von einem bzw. null Fehlern. Allerdings ist bei der Altersspanne des PPVT zu beachten, dass bei der Normierung des Testverfahrens auch jüngere und ältere Kinder als die genannte Alterspanne berücksichtigt wurden, um auch in den (altersbezogenen) Randbereichen Daten vorliegen zu haben bzw. diese überhaupt festlegen zu können. 5 Beim EVIP und TVIP würde das Bodenset anders ermittelt werden und als Bodenset würden jene acht Wörter gelten, bei denen keine Fehler gemacht wurden (s. Abschnitt 3.1.2.2). 56 3 Messung des rezeptiven Wortschatzes anhand des Peabody Picture Vocabulary Tests Abb. 3.3: Beispiel für Testablauf zur Berechnung des Rohwertes (vgl. Lenhard et al. 2015: 41) 3.1.3 Auswertung und Interpretation Der Rohwert erlaubt uns noch nicht, die Leistung des Kindes mit einer Norm abzugleichen. Es ist daher notwendig, den Rohwert in abgeleitete Werte zu transformieren. Diese ermöglichen neben einer altersgerechten Interpretation auch den Vergleich mit Ergebnissen anderer Ver- 57 3.1 Der Peabody Picture Vocabulary Test fahren (vgl. Lenhard et al. 2015: 49). Durch Normwerte können wir bspw. die verschiedenen Peabody-Versionen trotz unterschiedlicher Anzahl von Testitems (und folglich unterschiedlicher Rohwerte) miteinander vergleichen. Für unsere Studie ist vor allem die Umrechnung in sogenannte IQ-Werte relevant. Um diese Umrechnung nachvollziehen zu können, ist ein wenig statistisches Grundwissen nötig. So wird in der Statistik i. d. R. angenommen, dass die Werte in einer Vergleichsgruppe glockenförmig verteilt sind, d. h. dass viele Personen mittlere Werte und wenig Personen extreme Werte aufweisen. Dies bezeichnet man auch als (Gaußsche) Normalverteilung. Eine solche Normalverteilung charakterisiert sich durch einen Mittelwert M und eine Standardabweichung SD (Lenhard et al. 2015: 49). Der Mittelwert (M) ist die Summe aller Ergebnisse, geteilt durch die Anzahl der Ergebnisse. Die Standardabweichung (SD) ist das Maß der durchschnittlichen Abweichung vom Mittelwert. Eine der bekanntesten Normwertskalen ist die IQ-Skala mit einem Mittelwert von 100 und einer Standardabweichung von 15 (vgl. in Abbildung 3.4). Während der TVIP und EVIP diese Normwertskala verwenden, greift der PPVT auf die T-Wert-Skala zurück. Durch geeignete Normwertrechner 6 lassen sich die T-Werte jedoch einfach in IQ-Werte umrechnen. Zudem wird auf dem deutschen Beobachtungsbogen neben der T-Wert-Skala auch die IQ-Skala angegeben. Abb. 3.4: Zusammenhang zwischen verschiedenen Normwerten und verbaler Beschreibung der Leistungsbereiche (Lenhard et al. 2015: 54) Die Umrechnung der Rohwerte in IQ-Werte (bzw. T-Werte) erfolgt altersabhängig mit Hilfe der im Manual enthaltenen Tabellen. Dort finden sich die altersabhängigen Normwerte, die 6 http: / / www.psychometrica.de/ normwertrechner.html (zuletzt abgerufen am 15.05.2019 um 11: 10) 58 3 Messung des rezeptiven Wortschatzes anhand des Peabody Picture Vocabulary Tests mit Hilfe der Normierungsstichprobe ermittelt wurden. Dieser Normwert erlaubt uns eine Interpretation der linguistischen Kompetenz des Kindes. Zusätzlich finden sich in allen Peabody sechs verbale Beschreibungskategorien der Leistungsbereiche (vgl. in Tabelle 3.1): Normwertbereich in IQ-Punkten Verbale Kategorie Unter 70 Stark unterdurchschnittlich (extremely low) 70 bis 85 Unterdurchschnittlich (moderately low) 85 bis 100 Unterer Normalbereich (low average) 100 bis 115 Oberer Normalbereich (high average) 115 bis 130 Überdurchschnittlich (moderately high) Über 130 Stark überdurchschnittlich (extremely high) Tab. 3.1: Zuordnung von verbalen Kategorien für die einzelnen Normwertbereiche (in Anlehnung an Sivakumar 2017) Nachdem wir nun den Rohwert in einen IQ-Wert (bzw. T-Wert) umgewandelt haben, gilt es jedoch auch die Konfidenzintervalle zu notieren. Konfidenzintervalle berechnet man, da jedes Ergebnis nur eine Schätzung der wahren Leistung darstellt; der wahre Wert bleibt folglich unbekannt. Diese Tatsache beschreibt man auch als Messfehler, da menschliches Verhalten bspw. abhängig von der Tagesform ist und nicht zuletzt, da jedes psychometrische Testverfahren nie ganz exakt sein kann. Zur Berücksichtigung solcher Messfehler gibt man das Konfidenzintervall an, das man auch als Sicherheitsniveau bezeichnen kann. Im Peabody finden wir die jeweiligen Werte für ein 90 %- und 95 %-Konfidenzintervall. Sie geben den Bereich an, innerhalb dessen sich der wahre Wert der Testperson mit einer Wahrscheinlichkeit von 90 % (bzw. 95 %) befindet (Lenhard et al. 2015: 55). Skizzieren wir dies erneut an dem Beispiel, das wir bereits in Kapitel 3.1.2.3 verwendet haben. Das Kind hat einen Rohwert von 125 Punkten im PPVT erreicht. Da das Kind zum Zeitpunkt der Testung 8; 2 Jahre alt ist, verwenden wir zur Umrechnung die Tabelle mit der Altersspanne 8; 0-8; 2. Rohwerte zwischen 124 und 126 entsprechen einem T-Wert von 39 (= 83,5 IQ-Punkte). Wählen wir das größere Konfidenzintervall von 90 %, so liegt der wahre Wert mit einer Wahrscheinlichkeit von 90 % zwischen 36 und 44. Diese Berechnung ist in folgender Abbildung (3.5) nachzusehen. Mit dem ermittelten T-Wert von 39 würde das Kind in die Beschreibungskategorie „unterdurchschnittlich“ fallen. Sein Wortschatz wäre demnach unterdurchschnittlich entwickelt. Das Konfidenzintervall gibt jedoch auch an, dass der wahre Wert möglicherweise niedriger oder höher liegt und sich somit auch die Beschreibungskategorie ändern könnte. Würden wir dieses Kind auch in seinen anderen L1n mit dem passenden Peabody testen, so hätten wir einen Einblick in die (passive) Wortschatzkompetenz in den L1n des Kindes. Diese Daten ermöglichen es uns, die Dominanz zu berechnen (s. weiter unten und Kapitel 11), die Wortschatzkompetenz in Beziehung zu den Grammatiktests zu setzen (s. Kapitel 6, 7, 8, 9) oder die Peabody-Ergebnisse in Abhängigkeit von externen Faktoren zu untersuchen (s. Kapitel 4). 59 3.1 Der Peabody Picture Vocabulary Test Abb. 3.5: Screenshot zur Ermittlung der altersabhängigen T-Werte und Konfidenzintervalle: Alter 8; 0-8; 2 (Lenhard et al. 2015: 114) 60 3 Messung des rezeptiven Wortschatzes anhand des Peabody Picture Vocabulary Tests In der im Kapitel 2 vorgestellten Elizitationsstudie liegen von 124 Kindern Ergebnisse im Bereich des rezeptiven Wortschatzes vor. Da die Stichprobe Kinder umfasste, die zwei und mehr Sprachen erwerben, wollen wir der Frage nachgehen, ob sie glockenförmig verteilt sind. Die Abbildung (3.6) zeigt, dass dies der Fall ist. Dieses Ergebnis ist deshalb von großer Bedeutung, da die meisten Kinder im Normalbereich abgeschnitten haben, ein Ergebnis, das im Kontrast zu der bisher vorliegenden Forschungsliteratur steht, in der Kindern allein für die Umgebungssprache ein im Normbereich befindlicher Wortschatz attestiert wird (vgl. u. a. Mieszkowska, Luniewska, Kolak, Kacprzak, Wodniecka & Haman 2017). Abb. 3.6: Erreichen der Normwertbereiche durch mehrsprachige Kinder in Deutschland und Spanien Eine weitere Möglichkeit, die sich für die in Kapitel 2 vorgestellte Elizitationsstudie ergibt, ist die Dominanzerfassung. Bei 122 Kindern liegen mindestens in zwei Sprachen Ergebnisse aus der Peabody-Testung vor. Die Beschreibung der Dominanz bei tri- und multilingualen Individuen ist nun aufgrund der Vielzahl von Kombinationsmöglichkeiten mit Problemen verbunden. Das Verhältnis zwischen der Sprache A und der Sprache B ist bei bilingualen Sprechern entweder balanciert, d. h. A ist gleich B, oder aber unbalanciert, und damit ist A ungleich B. Bei trilingualen Kindern existieren prinzipiell die drei folgenden Balanciertheitsgrade: 1) Analog zu den Bilingualen ist das Verhältnis zwischen allen Sprachen entweder balanciert (A = B = C) oder 2) unbalanciert (A ≠ B ≠ C). 3) Im Gegensatz zu den Bilingualen kann die Kompetenz jedoch auch in zwei Sprachen gleich und in einer Sprache ungleich sein (A = B ≠ C). Wie bereits erwähnt, kann diese dritte Möglichkeit gleichzeitig als balancierte 61 3.1 Der Peabody Picture Vocabulary Test (A = B) und unbalancierte (A ≠ C; B ≠ C) Sprachentwicklung betrachtet werden. Für die vorliegende Studie wurde entschieden, eine derartige Sprachentwicklung als „balanciert mit 2 Sprachen“ zu kategorisieren. Ein weiteres Problem, das sich bei der Dominanzmessung von Tri- und Multilingualen ergeben hat, besteht darin, dass nicht immer die Kompetenz in allen Sprachen gemessen wurde, da die Teilnehmergruppe teilweise aus sehr jungen Teilnehmern bestand, die Testdurchführung eine erhebliche Zeit in Anspruch nahm, die Bereitschaft der Kinder am Test teilzunehmen nicht immer in allen Sprachen gleich hoch war und die Kinder zum Teil Sprachen erwerben, für die kein Peabody-Test verfügbar ist, so dass das Verhältnis zwischen den jeweiligen Sprachen im Individuum nicht immer vollständig bestimmt werden konnte. Um auch diese Kinder kategorisieren zu können, wurde das Klassifikationssystem (vgl. Tabelle 3.2) bei Trilingualen um die Kategorien „balanciert mit 2 Sprachen, 3. Sprache nicht gemessen“ sowie „unbalanciert mit 2 Sprachen, 3. Sprache nicht gemessen“ ergänzt. Die im Rahmen dieser Studie als multilingual eingestuften Kinder erwarben alle simultan vier Sprachen. Das Klassifikationssystem für diese Kinder besteht aus den folgenden Kombinationsmöglichkeiten: Balanciert mit vier Sprachen (A = B = C = D) Balanciert mit drei Sprachen (A = B = C ≠ D) (Un-)Balanciert mit zwei Sprachen (A = B ≠ C ≠ D) Unbalanciert mit vier Sprachen (A ≠ B ≠ C ≠ D) Analog zu dem Klassifikationssystem der Trilingualen wurden auch bei den Multilingualen die jeweiligen Kategorien um die Anzahl der nicht gemessenen Sprachen ergänzt: BIL TRIL MULTI balanciert balanciert mit 2 Sprachen balanciert mit 2 Sprachen (3. Spr. nicht gemessen) balanciert mit 2 Sprachen (3. und 4. Spr. nicht gemessen) balanciert mit 3 Sprachen balanciert mit 3 Sprachen (4. Spr. nicht gemessen) balanciert mit 4 Sprachen unbalanciert unbalanciert mit 2 Sprachen unbalanciert mit 3 Sprachen unbalanciert mit 2 Sprachen (3. und 4. Spr. nicht gemessen) unbalanciert mit 2 Sprachen (3. Spr. nicht gemessen) unbalanciert mit 4 Sprachen Tab. 3.2: Kategorien zur Erfassung des Balanciertheitsgrades von bi-, tri- und multilingualen Kindern Nachdem die möglichen Verhältnisse zwischen der Kompetenz in den jeweiligen Sprachen von bi, tri- und multilingualen Individuen dargestellt wurden, soll im Folgenden näher darauf eingegangen werden, wie der Balanciertheitsgrad letztendlich berechnet werden kann. Für die Bestimmung des Balanciertheitsgrades wird die Differenz zwischen der Kompetenz in den jeweiligen Sprachen herangezogen, um das Verhältnis zwischen den Sprachen abzu- 62 3 Messung des rezeptiven Wortschatzes anhand des Peabody Picture Vocabulary Tests bilden. Auch in dieser Studie wird das sogenannte Subtraktionsverfahren benutzt, um den Balanciertheitsgrad zu bestimmen. Die Grundlage war die IQ-Punktzahl im rezeptiven Wortschatz (siehe Tabelle 3.3). Während beim MLU bei einer Differenz von 0,90 Wörtern zwischen unbalanciert und balanciert unterschieden wird, wurde beim rezeptiven Wortschatz eine IQ-Punktzahl von 15 festgelegt, um eine balancierte Entwicklung von einer unbalancierten zu unterscheiden. Die Differenz von 15 IQ-Punkten wurde hierbei nicht willkürlich gesetzt, sondern entspricht der Größe einer Standardabweichung bei IQ-Wertskalen. Beim Peabody liegen deshalb die Abstände zwischen den definierten sechs Kategorien auch bei 15 IQ-Punkten. In Anlehnung an das Klassifikationsmodell von Müller et al. (2015: 54) wird auch in dieser Arbeit jeweils zwischen drei Unterkategorien bei einer balancierten und einer unbalancierten Sprachentwicklung unterschieden. Auf diese Weise kann das Verhältnis zwischen den jeweiligen Sprachen präziser bestimmt werden. In Tabelle (3.3) sind die jeweiligen Kategorien des Balanciertheitsgrades sowie die entsprechenden IQ-Punkt-Differenzen abgebildet: Grad der Balanciertheit IQ-Punkt-Differenz balanciert stark balanciert 0-4 balanciert 5-10 balanciert mit Tendenz 11-15 unbalanciert überlegen 16-20 überlegen mit Tendenz 21-26 stark überlegen 27 und mehr Tab. 3.3: Balanciertheitsgrad mehrsprachiger Kinder anhand der Differenz der IQ-Werte im Peabody Die folgende Tabelle (3.4) zeigt einige Beispiele von Sprachdominanzberechnungen. Das bilinguale Kind Rosa ist balanciert. Noah ist trilingual und in allen drei Sprachen balanciert. Die bilinguale Fleur ist unbalanciert. Bei der trilingualen Gretha wurde nur für zwei Sprachen ein IQ-Wert ermittelt, weshalb sie als unbalanciert mit zwei Sprachen gilt, der Kompetenzgrad in der dritten Sprache ist unbekannt. Ein anderer Fall liegt bei Chloé vor. Auch sie ist unbalanciert mit zwei Sprachen, jedoch wurden bei ihr alle drei Sprachen untersucht. Letzteres gilt auch für Alma, die jedoch in zwei ihrer drei Sprachen balanciert ist. 63 3.1 Der Peabody Picture Vocabulary Test Sprachen Kind IQ-Wert Sprache A IQ-Wert Sprache B IQ-Wert Sprache C Kategorie dt-sp Rosa 110,5 98 balanciert frz-sp-kat Noah 105 111 99,8 balanciert mit drei Sprachen dt-frz Fleur 113,5 59 unbalanciert dt-frz-engl Gretha 100 74 unbalanciert mit zwei Sprachen frz-sp-kat Chloé 98 106 125 unbalanciert mit zwei Sprachen dt-sp-kat Alma 88 110 115 balanciert mit zwei Sprachen Tab. 3.4: Beispiele für die Ermittlung der Sprachdominanz Für unsere Einführung soll die Unterscheidung zwischen balanciert und unbalanciert genügen. Aus der Abbildung (3.7) wird deutlich, dass Kinder mit einer balancierten Sprachentwicklung in der Gruppe der Bilingualen, Trilingualen und Multilingualen überwiegen. Auch dieses Ergebnis steht im Kontrast zu der zu diesem Thema vorliegenden Literatur, in der immer wieder behauptet wird, dass eines der Risiken der Mehrsprachigkeit die häufig auftretende Sprachdominanz sei. Sie kommt zwar vor, jedoch nicht mit der vermuteten Häufigkeit. Abb. 3.7: Anteil balancierter und unbalancierter Kinder an der Stichprobe mehrsprachiger Kinder in Deutschland und Spanien (Poeste, Müller & Arnaus Gil 2019) 64 3 Messung des rezeptiven Wortschatzes anhand des Peabody Picture Vocabulary Tests 3.2 Vergleich der Peabody-Versionen Trotz der Vergleichbarkeit des Peabody-Ergebnisses unterscheiden sich die verschiedenen Peabody-Versionen hinsichtlich zentraler Kriterien, die in Tabelle (3.5) aufgeführt sind. Wie wir bereits gesehen haben, unterscheiden sich die Peabody-Tests in der Protokollierung und in den Normwerten, die sie zur Verfügung stellen. Weitere zentrale Unterschiede sind die Erscheinungsjahre: So handelt es sich bei dem TVIP um die älteste (1986) und bei dem PPVT um die aktuellste Version (2015), die im Rahmen dieser Studie verwendet wurden. Zudem hat die Anzahl der Items mit den neueren Versionen zugenommen: Während die Anzahl der Items beim TVIP noch 125 betrug, steigt die Anzahl der Items beim EVIP, der sieben Jahre später erschien, bereits um 45 auf 170. Beim Erscheinen des PPVT hat sich die Anzahl der Items mit 228 fast verdoppelt. Auch hinsichtlich der Altersspanne, für die der Peabody konzipiert wurde, lassen sich Unterschiede in den verschiedenen Versionen ausmachen: Im TVIP und im EVIP reicht das Testalter von 2; 6 bis 17; 11 bzw. von 2; 6 bis 18. Beim PPVT ist die Altersspanne etwas kleiner, sie reicht von 3; 0 bis 16; 11. Die Tabelle (3.5) vergleicht die einzelnen Versionen hinsichtlich der Ermittlung des Boden- und Deckensets. Sprache Ausgabe Gliederung in Sets Bodenset Deckenset Spanisch TVIP 1986 nein 0 Fehler bei 8 aufeinander folgenden Items 6 Fehler in einer Gruppe von 8 Items Französisch EVIP 1993 nein 0 Fehler bei 8 aufeinander folgenden Items 6 Fehler in einer Gruppe von 8 Items Deutsch PPVT 2015 ja 0 - 1 Fehler bei einem Set (bestehend aus 12 Items) 8 oder mehr Fehler bei einem Set (bestehend aus 12 Items) Tab. 3.5: Übersicht über die verwendeten Peabody-Versionen im Vergleich (aus Sivakumar, Sette, Müller & Arnaus Gil 2019b) Wie bereits erwähnt, wurde der Peabody in erster Linie zur Erhebung des Wortschatzes von monolingualen Kindern konzipiert. Zwar müssen sich in den jeweiligen Normierungsstichproben, bedingt durch Migration und Globalisierung sowie aufgrund von Bilingualität des Testortes, auch mehrsprachige Kinder befunden haben, aber diese stellen eher die Ausnahme als die Regel dar. Daher ist es empfehlenswert, die Normierungsstichprobe, anhand derer die jeweiligen Peabody-Versionen genormt wurden und die auch hier als Norm für die Bewertung der mehrsprachigen Teilnehmer der Studie gilt, näher zu betrachten. Der spanische TVIP wurde anhand von 1219 Kindern im Alter von 2; 6-15; 11 Jahren aus Mexiko sowie anhand von 1488 Kindern im Alter von 2; 6-17; 11 Jahren aus Puerto Rico, d. h. mit insgesamt 2707 Kindern, von September 1981 bis Februar 1983 standardisiert. Bei der mexikanischen Normierungsstichprobe wurden lediglich Schüler aus öffentlichen Schulen von Mexiko-Stadt berücksichtigt. Die Stichprobe enthält weder Kinder aus anderen Schulformen noch Kinder aus ländlichen Gebieten. Die puerto-ricanische Stichprobe ist im Gegensatz zur mexikanischen hinsichtlich des soziökonomischen Status der teilnehmenden Kinder 65 3.2 Vergleich der Peabody-Versionen breiter gefächert. Neben Schülern der öffentlichen Schulen wurden auch private Schulen aus städtischen sowie aus ländlichen Gegenden in die Stichprobe miteinbezogen. Die Größe der Normierungsstichprobe im Alter von zwei bis sechs Jahren, die für unsere Studie besonders zentral ist, ist mit 1060 Kindern im TVIP am höchsten. Allerdings wird im Handbuch des TVIP nicht weiter spezifiziert, ob sich unter der Normierungsstichprobe auch mehrsprachige Sprecher befunden haben. Aufgrund der Tatsache, dass es sich bei einem der Testorte, nämlich bei Puerto Rico, um einen bilingualen Staat handelt, ist davon auszugehen, dass sich unter der Stichprobe auch bilinguale Kinder mit der Sprachkombination Englisch-Spanisch befunden haben. Der französische EVIP wurde in Kanada, insbesondere in den Regionen Quebec, Ontario, Nouveau-Brunswick und Alberta, von November 1998 bis Februar 1990 mit 2038 Kindern im Alter von 2; 6 bis 18 Jahren standardisiert. Analog zum spanischen TVIP wird auch beim EVIP nicht genauer spezifiziert, ob sich unter der Stichprobe mehrsprachige Sprecher befunden haben. Obwohl Französisch zum Zeitpunkt der Erhebung die Amtssprache in den Regionen bildete, in denen der Test standardisiert wurde, ist davon auszugehen, dass die Mehrheit der Teilnehmer in regelmäßigem Kontakt mit der englischen Sprache stand. Folglich müssen sich unter der Stichprobe zumindest rezeptiv bilinguale Sprecher befunden haben. In der Normierungsstichprobe des PPVTs haben sich schließlich 3555 Kinder im Alter von 2; 6 bis 17; 11 Jahren befunden. Die Stichprobe wurde von September 2013 bis April 2014 erhoben. Um regionale Unterschiede zu vermeiden, wurden in der Normierung Daten aus den Bundesländern Baden-Württemberg, Bayern, Brandenburg, Hessen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz miteinbezogen. Die Größe der Normierungsstichprobe im Alter von zwei bis sechs Jahren beläuft sich auf 422 Kinder. Im Gegensatz zu den anderen beiden Peabody-Tests spezifiziert der PPVT den Anteil von Kindern mit Migrationshintergrund in der Stichprobe. Dieser betrug in der gesamten Stichprobe 29,3% und bei den Teilnehmern im Kindergartenalter 18,2%. Allerdings ist zu beachten, dass der PPVT unter Migrationshintergrund all diejenigen Kinder fasst, bei denen mindestens ein Elternteil im Ausland geboren wurde. Es fehlen jedoch Informationen darüber, ob diese Kinder auch tatsächlich aktiv mehrsprachig sind, und inwiefern sie ihre jeweilige Zweitsprache überhaupt beherrschen. Im PPVT wird der Einfluss des Migrationshintergrundes statistisch überprüft. Es wird hierbei zwischen den folgenden drei Referenzgruppen unterschieden: Personen, deren Eltern beide aus Deutschland stammen, Personen mit einem Elternteil aus dem Ausland und Personen, bei denen beide Eltern im Ausland geboren wurden. Die Autoren kommen zu dem Ergebnis, dass sich der Faktor Migrationshintergrund negativ auf das Ergebnis im PPVT auswirkt. Die Teilnehmergruppe, bei der beide Elternteile aus dem Ausland stammen, hat signifikant schlechtere Ergebnisse erzielt als die beiden anderen Gruppen. Mit einem durchschnittlichen IQ-Wert von 89,2 liegt diese Gruppe 14 Punkte unter der Referenzgruppe mit beiden Elternteilen aus Deutschland. Die Gruppe mit jeweils einem Elternteil aus dem Ausland hat zwar mit einem durchschnittlichen IQ-Wert von 97,9 ein besseres Ergebnis erzielt, aber auch diese Gruppe hat mit einem Abstand von 5,3 Punkten signifikant schlechter als die Referenzgruppe ohne Migrationshintergrund abgeschnitten. Obwohl der PPVT im Gegensatz zum TVIP und zum EVIP den Faktor Migrationshintergrund näher spezifiziert, sind auch 66 3 Messung des rezeptiven Wortschatzes anhand des Peabody Picture Vocabulary Tests die Informationen, die im PPVT gegeben werden, aus der Perspektive der Mehrsprachigkeitsforschung unzureichend. Es ist zu kritisieren, dass beim PPVT die Herkunft maßgebend für die Bestimmung der Mehrsprachigkeit des Individuums ist. Folglich kann nicht nachvollzogen werden, inwiefern die unter den Mehrsprachigen kategorisierten Individuen auch tatsächlich aktiv mehrsprachig waren, in dem Sinne, dass mindestens zwei Sprachen simultan erworben werden. Daher ist zu erwarten, dass neben der Mehrsprachigkeit auch Faktoren wie sozioökonomischer Status, Bildungshintergrund der Eltern etc. eine Rolle gespielt haben. Ein weiterer Kritikpunkt ist, dass keine Informationen zu der Wortschatzkompetenz in der jeweiligen Herkunftssprache vorliegen. Kennzeichnend für Mehrsprachigkeit ist der Erwerb bzw. die Beherrschung von mehr als nur einer Sprache. Betrachten wir mehrsprachige Kinder jedoch lediglich aus der Perspektive einer Sprache, so werden wir die Sprachkompetenz der Kinder nie gänzlich erfassen. 3.3 Weitere verwendete Testverfahren zur Messung des rezeptiven Wortschatzes Da zu Beginn der Studie der deutsche Peabody (PPVT) noch nicht vorlag, wurden die Kinder am Untersuchungsstandort Palma mit dem Wechsler-Intelligenztest im Deutschen (Petermann & Lipsius 2009) getestet. Diese Testreihe misst ähnlich dem Peabody u. a. den rezeptiven Wortschatz von Kindern im Alter von 3; 0 bis 7; 2, die im Test das richtige Zielvokabular aus vier Stimulusbildern identifizieren müssen. Dieses Testverfahren hat ebenfalls keine Zeitbeschränkung. Jedoch umfasst der Test zum rezeptiven Wortschatz lediglich 31 Items. Ähnlich dem Peabody bestimmt das Alter des Kindes das Startitem. Der Test wird so lange durchgeführt, bis ein Kind 5 aufeinander folgende Aufgaben nicht löst (oder das letzte Item erreicht ist). Jede richtige Antwort erhält 1 Punkt, jede falsche Antwort 0 Punkte. Aus der Addition aller Punkte erhält man den Rohwert, der anschließend in altersbedingte Wertpunkte (eine weitere Form von Normwerten) umgerechnet wird (1-19 Pkt.). Diese Wertpunkte wurden im Anschluss in IQ-Werte umgerechnet, um einen Vergleich mit den Peabody-Ergebnissen zu ermöglichen und sie den jeweiligen Kategorien zuordnen zu können. Die Tabelle (3.6) zeigt die Umrechnung. 1 = 55 IQ 6 = 80 IQ 11 = 105 IQ 16 = 130 IQ 2 = 60 IQ 7 = 85 IQ 12 = 110 IQ 17 = 135 IQ 3 = 65 IQ 8 = 90 IQ 13 = 115 IQ 18 = 140 IQ 4 = 70 IQ 9 = 95 IQ 14 = 120 IQ 19 = 145 IQ 5 = 75 IQ 10 = 100 IQ 15 = 125 IQ Tab. 3.6: Umrechnung der Wertpunkte in IQ-Werte nach Lenhard & Lenhard (2015) Wie man der Tabelle (3.6) entnehmen kann, sind die IQ-Werte durch die Umrechnung von 1-19 Punkten auf 55-145 jedoch nicht so differenziert wie bei den Peabody IQ-Werten, da die im Wechsler-Test erzielten Wertpunkte den Intervallen von 5 Punkten auf der IQ-Skala entsprechen. Diese Tatsache gilt es bei der Interpretation der Daten zu berücksichtigen. 67 3.3 Weitere verwendete Testverfahren zur Messung des rezeptiven Wortschatzes Vergleicht man die Stichprobe der hier untersuchten mehrsprachigen Kinder (122) mit den Normierungsstichproben in den rezeptiven Wortschatztests, so ist es notwendig, die Ergebnisse für eine größere Stichprobe zu replizieren, da die Analysen, aufgeteilt nach den jeweiligen Minderheitensprachen (Nicht-Umgebungssprachen), jeweils eine relativ kleine Stichprobe ausmachen (SpanischMiS: n=9; DeutschMiS: n=12). Dies gilt genauso für Untersuchungen, die allein die Gruppe der balancierten bzw. unbalancierten Kinder betreffen. Die Stichprobe enthielt auch Kinder, die Katalanisch als L1 erworben haben. Zum Zeitpunkt der Testung gab es keine verfügbare Variante des Peabody für die katalanische Sprache. Aus diesem Grund wurde der spanische und französische (Form B) Peabody übersetzt und angewandt, um das Kompetenzniveau im Wortschatz des Katalanischen feststellen zu können. Nachdem wir uns ein standardisiertes Testverfahren genauer angeschaut haben, wollen wir in den folgenden Kapiteln zu den Fragestellungen kommen, die sich bei trilingualen Kindern auftun. Das Kapitel 4 nutzt die Ergebnisse aus der Peabody-Testung nicht nur zur Bestimmung der Sprachdominanz, sondern betrachtet den erreichten Kompetenzgrad im Bereich des Wortschatzes und setzt diesen in Zusammenhang mit in der Literatur angenommenen Einflussfaktoren, u. a. der Inputmenge. 69 4.1 Einflussfaktoren 4 Einflussfaktoren auf die Wortschatzentwicklung bei mehrsprachigen Kindern Nadine Sette und Marina Hüppop In der Bi- und Trilinguismusforschung ist nicht nur die Untersuchung der grammatischen und lexikalischen Kompetenz relevant. Eltern und mit Sprache befasste Personenkreise wollen genauso die (Umgebungs-)Faktoren identifizieren, die sich positiv auf einen aktiven Bi- und Trilinguismus auswirken, um gegebenenfalls auch in diesem Bereich zu fördern. So sehen sich mehrsprachige Eltern beispielsweise mit der Frage konfrontiert, welche linguistischen Strategien der Sprecherziehung sie verwenden, um ihr Kind sprachlich bestmöglich zu fördern. Darüber hinaus ist der Einfluss von Inputquantität und Inputqualität insbesondere für trilinguale Kinder noch nicht eindeutig geklärt. Im folgenden Kapitel sollen die in der Literatur bereits identifizierten Einflussfaktoren systematisch kategorisiert und in Beziehung zu der linguistischen Kompetenz der mehrsprachigen Kinder gesetzt werden. 4.1 Einflussfaktoren Bevor wir die Beziehung zwischen den einzelnen Faktoren und der Wortschatzkompetenz untersuchen können, muss zunächst die Literatur nach bestehenden Definitionen und Erkenntnissen aufgearbeitet werden. Auffällig ist dabei, dass in Studien zu monolingualen Kindern die Einflussfaktoren anders operationalisiert wurden als in den Studien zu mehrsprachigen Kindern. Operationalisieren: Die Definition des zu Untersuchenden durch beobachtbare bzw. messbare Ereignisse. Beispielsweise kann die grammatische Korrektheit durch die Anzahl der in einem Test gemachten Fehler operationalisiert werden. In Studien zu monolingualen Kindern wurde die Wortschatzentwicklung vor allem in Abhängigkeit der Quantität und der Qualität des Inputs untersucht. Die Quantität des Inputs wird dabei in der Regel durch die Anzahl gesprochener Wörter (Token) oder Sätze während einer bestimmten Zeit operationalisiert, bspw. einer 60-minütigen Aufnahme der Eltern-Kind-Interaktion (u. a. Hart & Risley 1995). Die Qualität des Inputs hingegen wurde über die Anzahl verschiedener Nomen, Wortwurzeln und Modifizierer pro Interaktionszeitraum definiert. Hierbei spielen Typen eine wichtige Rolle: Zwei Verbtypen sind laufen und rennt; kommt laufen in einer Sprachaufnahme fünf Mal vor, so spricht man von Token bzw. Vorkommen (vgl. Müller et al. 2015: 51). Die Qualität des Inputs kann sich aber ebenso in der Kultiviertheit des Vokabulars oder in der Dekontext- 70 4 Einflussfaktoren auf die Wortschatzentwicklung bei mehrsprachigen Kindern ualisierung der Aussagen manifestieren. Unter Kultiviertheit des Vokabulars versteht man die Verwendung seltener oder kultivierter Wörter, während dekontextualisierte Sprachverwendung Erklärungen oder Erzählungen über die Vergangenheit oder Zukunft umfasst. Die Operationalisierung letzterer Faktoren ist dementsprechend wesentlich komplexer als das Auszählen der verschiedenen Wortarten und erfordert klare Definitionen (vgl. Rowe 2012). Grundsätzlich konnte sowohl für die Quantität als auch die Qualität des Inputs ein positiver Einfluss nachgewiesen werden (u. a. Hart & Risley 1995, Weizman & Snow 2001). Rowe (2012) stellte allerdings heraus, dass der Einfluss altersbedingt ist. Während im zweiten Lebensjahr (18 Monate) die Inputquantität einen besonders großen Einfluss hat, sind im dritten Lebensjahr (30 Monate) die Diversität und das Verwenden von kultivierten bzw. seltenen Wörtern am bedeutendsten. Im vierten Lebensjahr (42 Monate) hingegen kann zwischen der Verwendung von dekontextualisierten Aussagen und dem Wortschatzwachstum die stärkste Beziehung festgestellt werden. Somit scheint nicht die reine Inputquantität, sondern auch die Qualität des Inputs eine entscheidende Rolle bei der Wortschatzentwicklung zu spielen. Vor allem im Hinblick auf mehrsprachige Kinder, die zwangsläufig eine reduzierte Inputquantität in ihren jeweiligen L1n haben, ist diese Erkenntnis bedeutend. Schließlich stellt die reduzierte Inputmenge nicht automatisch ein Hindernis für aktive Mehrsprachigkeit dar, so dass qualitative Faktoren für die mehrsprachige Wortschatzentwicklung besonders bedeutend sein müssen. In den Studien zur Entwicklung des mehrsprachigen Wortschatzes werden die Einflussfaktoren jedoch auf andere Art operationalisiert. So wird die Quantität des Inputs nicht absolut in Token gemessen, sondern das Verhältnis des Sprachkontakts in jeder L1 betrachtet. Die Qualität des Inputs wird in Studien zu mehrsprachigen Kindern ebenfalls nicht absolut gemessen, d. h. die verschiedenen Wortarten im Input werden nicht ausgezählt. Jedoch werden Faktoren wie Konsistenz in der linguistischen Strategie der Sprecherziehung (eine Person - eine Sprache, 1P-1S, vgl. Müller et al. 2015: 34), Sprachkonstellationen (d. h. ist die Mehrheitssprache, i. d. R. die Umgebungssprache, in der Familie präsent oder wird/ werden nur die Minderheitensprache(n) in der Familie gesprochen), Diversität der Ansprechpartner, Diversität des medialen Inputs, der elterliche Diskursstil, der Status der Sprachen (Prestige) und die direkte Instruktion bzw. institutionelle Förderung einer Sprache untersucht. Wir wollen nun versuchen, diese einzelnen Einflussfaktoren zueinander in Beziehung zu setzen und zu klassifizieren. Dabei soll eine ähnliche Kategorisierung wie bei den Studien zu monolingualen Kindern angestrebt werden, d. h. wir klassifizieren die einzelnen Faktoren als qualitatives oder quantitatives Merkmal. Zunächst müssen wir definieren, wie sich quantitative und qualitative Merkmale unterscheiden. Da Quantität nur relativ gemessen wird, d. h. lediglich die relative Zeitspanne im Vergleich zu der/ n weiteren Sprache/ n, werden all jene Faktoren, die diese Zeitspanne bedingen bzw. einen minimalen Anteil in jener Sprache garantieren, zu quantitativen Einflussfaktoren. Unter diese fallen folglich sowohl die elterlichen Strategien des Sprachgebrauchs, d. h. die Frage, wer wann welche Sprache zu wem spricht (Fishman 1965), als auch die Sprachkonstellationen in der Familie. Versuchen wir nun die Definition von Qualität aus den monolingualen Studien zu abstrahieren, so könnten all jene Faktoren als qualitative Fak- 71 4.1 Einflussfaktoren toren gelten, die eine gewisse Diversität oder Varietät im Input bedingen oder gewährleisten. Dementsprechend würde die Varietät der Kontakte einen qualitativen Einflussfaktor bilden. Zudem kann der elterliche Diskursstil als ein qualitatives Merkmal verstanden werden, da er im weitesten Sinne auch Erzählungen und dekontextualisierte Aussagen umfasst. Zudem zeigen Studien, dass die Quantität und die Qualität des Inputs abhängig vom sozioökonomischen Status sind. Folglich würde der sozioökonomische Status ebenfalls ein qualitatives Merkmal darstellen. Nicht zu vernachlässigen ist auch der Status der involvierten Sprachen, im Besonderen der der Minderheitensprache, und ob diese durch zusätzliche Instruktion (Bildungseinrichtung) gefördert wird. Doch welchen Einfluss haben diese Faktoren nun auf die Wortschatzentwicklung? 4.1.1 Quantitative Faktoren Der Einfluss der quantitativen Faktoren auf die Wortschatzentwicklung wird in der Literatur unterschiedlich bewertet. Wenn der relative Sprachkontakt im Vergleich zu der anderen L1 als Quantität betrachtet wird, finden einige Autoren keinen Zusammenhang zwischen dem Kontakt und der bilingualen Entwicklung (vgl. Döpke 1992), während andere Autoren eine starke Beziehung zwischen der Menge an Input und der Menge an Vokabeln für Zweijährige finden (Pearson, Fernández, Lewedeg & Oller 1997). Ob diese unterschiedlichen Zusammenhänge auf die altersbedingte Entwicklung zurückzuführen sind, wurde noch nicht untersucht. Dennoch wird davon ausgegangen, dass für die aktive Mehrsprachigkeit eines Kindes ein Mindestmaß an Input erforderlich ist (Chevalier 2015, Thordardottir 2011, Quay 2008). Wie hoch der Anteil der Inputmenge sein muss, wird jedoch unterschiedlich bewertet. Während Thordardottir (2011: 433) davon ausgeht, dass der Mindestanteil für bilinguale Kinder 40-60% beträgt, zeigt Quay (2008), dass für ein trilinguales Kind bereits 20 % Sprachkontakt ausreichend sein kann. Es scheint zunächst überraschend, dass für ein bilinguales Kind der Wert höher ist als für ein trilinguales Kind, aber es sollte beachtet werden, dass Thordardottir (2011) einen Vergleich zu einsprachigen Kindern zieht. Es ist jedoch fraglich, ob die Wortschatzkompetenz mehrsprachiger Kinder mit der von einsprachigen Kindern verglichen werden kann (Thordardottir 2011). Es muss also zwischen der Inputmenge, die benötigt wird, um eine Sprache aktiv zu produzieren, und der Inputmenge unterschieden werden, die benötigt wird, um einem monolingualen Standard zu entsprechen. Dennoch lässt sich aus diesen Werten ableiten, dass für eine aktive Mehrsprachigkeit eine gewisse Balanciertheit im Input notwendig ist. Die gleiche Schlussfolgerung ziehen Hoff, Welsh, Place & Ribot (2014) für bilinguale und Chevalier (2015: 196) für trilinguale Kinder. Folglich kann ein hoher Anteil der Mehrheitssprache (i. d. R. die Umgebungssprache) die Minderheitensprache langfristig zurückdrängen (Kazzazi 2011: 69). Besonders bei Schuleintritt steigt der Anteil der Mehrheitssprache und die aktive Förderung der Minderheitensprachen wird notwendig, um das Gleichgewicht zu halten (Barnes 2006: 221, Cruz-Ferreira 2006, Wang 2008: 109). Um eine Balanciertheit oder ein gewisses Minimum auf der Inputseite zu gewährleisten, ist die Strategie der Sprecherziehung der Eltern innerhalb der Familie von besonderer Be- 72 4 Einflussfaktoren auf die Wortschatzentwicklung bei mehrsprachigen Kindern deutung. Unter Sprecherziehungsmethoden versteht man dabei die sechs von Romaine (1995: 183f.) identifizierten Interaktionsarten der Eltern, wenn sie mit ihrem mehrsprachigen Kind interagieren. Die Einteilung in verschiedene Methoden hängt von der Muttersprache der Eltern, der Sprache der Gemeinschaft im Allgemeinen und der Verwendung der Sprachen durch die Eltern beim Kind ab. Vier dieser sechs von Romaine (1995) beschriebenen Methoden sind für unsere Arbeit relevant. Methode 1) ist in der Literatur zum Bilinguismus von Kleinkindern sehr bekannt, nämlich 1P-1S: Die Eltern haben unterschiedliche Muttersprachen und jeder spricht seine L1 mit dem Kind. Eine dieser Sprachen profitiert von der Unterstützung der Gemeinschaft insgesamt (d. h. die Mehrheitssprache). Methode 2) (Typ 4 nach Romaine 1995: 185) ist eine doppelte nicht-dominante Familiensprache ohne Unterstützung der Gemeinschaft: Die Eltern haben verschiedene Muttersprachen und sprechen ihre jeweiligen L1n mit dem Kind (zwei Sprachen zu Hause). Diese Sprachen entsprechen nicht der Mehrheitssprache und werden beide zu Hause gesprochen, so dass mit dieser Methode ein Kind trilingual erzogen werden kann. Methode 3) wird als gemischte Sprachen bezeichnet (Typ 6 nach Romaine 1995: 185): Diese Methode dient ebenfalls dazu, Kinder trilingual zu erziehen. Die Eltern selbst sind bilingual und verwenden beide Sprachen austauschbar, um mit dem Kind zu kommunizieren. Optional ist die Umgebung ebenfalls bilingual mit den gleichen Sprachen. Bei genauerer Betrachtung wird deutlich, dass die Kategorisierung von Romaine (1995) nicht nur Informationen über die Muttersprachen der Eltern, sondern auch über die Mehrheitssprache und die Sprachstrategien der Eltern bei der Interaktion mit ihrem Kind enthält. Wenn wir uns nur auf die Eltern-Kind-Interaktionen konzentrieren, sind Informationen über die Mehrheitssprache und die Muttersprachen der Eltern ausgelassen, die zu einer Definition der Sprachkonstellation beitragen. Es ergeben sich drei Möglichkeiten: (a) Jeder Elternteil spricht mit dem Kind von Geburt an seine eigene Sprache, (b) ein Elternteil spricht das Kind in einer Sprache an, die nicht seine Muttersprache ist, und (c) die Eltern mischen ihre Sprachen. Indem man sich nur auf die Eltern-Kind-Interaktionen konzentriert, entsteht ein Problem für das Studium des frühen Bi- und Trilinguismus, nämlich dass Informationen über die Mehrheitssprache(n), ein Aspekt der Sprachkonstellation, notwendig sind, um zu definieren, ob das Kind bi- oder trilingual aufgewachsen ist. Anders ausgedrückt und um ein Beispiel zu nennen, könnte die in (a) skizzierte Eltern-Kind-Interaktion sowohl ein bilinguales als auch ein trilinguales Kind beschreiben. Nur wenn wir die Informationen über die Mehrheitssprache berücksichtigen, können wir die Anzahl der Sprachen, denen das Kind ausgesetzt ist, eindeutig bestimmen: Wenn jeder Elternteil seine eigene Sprache mit dem Kind spricht und die Mehrheitssprache eine der Sprachen der Eltern ist, wird das Kind bilingual erzogen; wenn die Mehrheitssprache dagegen ausschließlich von anderen Mitgliedern der Gemeinschaft außerhalb des Hauses gesprochen wird, wird das Kind trilingual erzogen (d. h. zwei Sprachen zu Hause + Mehrheitssprache). Dieser Argumentation folgend, möchten wir vier mögliche linguistische Strategien der Sprecherziehung (LS) vorschlagen: LS 1: Eine Person - eine Sprache mit Mehrheitssprachen-Unterstützung: Die Eltern haben unterschiedliche Muttersprachen und jeder Elternteil spricht seine jeweilige L1 mit dem Kind. Eine dieser Sprachen profitiert von der Unterstützung der Gemeinschaft. 73 4.1 Einflussfaktoren LS 2: Eine Person - eine Sprache + extra Mehrheitssprache: Die Eltern haben unterschiedliche Muttersprachen und jeder Elternteil spricht seine jeweilige L1 mit dem Kind. Keine dieser Sprachen ist die Mehrheitssprache, d. h. das Kind wird trilingual erzogen. LS 3: Bilinguale Eltern - gemischte Sprachen: Dies ist auch eine Strategie, um Kinder trilingual großzuziehen. Ein Elternteil (oder beide) sind bilingual und verwenden beide Sprachen austauschbar, um mit dem Kind und zu Hause zu kommunizieren. Die Gemeinschaft ist optional bilingual mit den gleichen Sprachen. LS 4: Mehrsprachiges Zuhause - eine Minderheitensprache in der Bildungseinrichtung: Das Kind wird zu Hause bi- oder trilingual erzogen. Eine weitere Sprache wird in einer mehrsprachigen Kindertagesstätte oder in der Schule erworben. Bezüglich des Einflusses der Strategien zeigen verschiedene Studien, dass die Konsistenz des Inputs auch die Konsistenz des Outputs fördert. Eltern, die ständig die Minderheitensprache sprechen, haben daher eher ein Kind, das aktiv die Minderheitensprache verwendet (Chevalier 2015: 196, Kasuya 1998, Lanza 2004). In Studien, in denen die Eltern nicht nach 1P-1S vorgingen und oft die Mehrheitssprache im Umgang mit ihrem Kind benutzten, zeigten die Kinder schwache Produktionsfähigkeiten in der Minderheitensprache (Faingold 1999, Maneva 2004). Dennoch ist zu beachten, dass die Konsistenz des Inputs allein nicht ausreicht, um einen aktiven Bi- oder Trilinguismus zu gewährleisten (Döpke 1992, De Houwer 2007, Kazzazi 2011, Quay 2001, Stavans & Swisher 2006). Es kann daher argumentiert werden, dass Konsistenz keine Garantie ist, sondern eine notwendige Bedingung für eine aktive Mehrsprachigkeit. Dennoch sind die Strategien LS 1 und LS 2 nicht die einzigen Sprachstrategien, mit der Kinder die Minderheitensprache aktiv zu beherrschen lernen. Es mag daher weniger wichtig sein, den LS mit 1P-1S zu folgen, als vielmehr die Mehrheitssprache in der Familienkommunikation niedrig zu halten und die Minderheitensprache(n) bewusst zu fördern und zu verwenden (Chevalier 2015: 196, De Houwer 2007: 420). Neben den Strategien wurde auch die Sprachkonstellation in der gesamten Familie untersucht, d. h. ob die Mehrheitssprache in der Familie verwendet wird oder aus der Kommunikation zwischen Familienmitgliedern ausgeschlossen ist. Für bilinguale Kinder zeigt die Studie von De Houwer (2007), dass aktiver Bilinguismus die Verwendung der Minderheitensprache durch beide Elternteile erfordert, und dass dabei höchstens ein Elternteil auch die Mehrheitssprache verwendet. Wenn dieser Umstand gegeben war, sprach das Kind in 96 % der Fälle (409/ 422) auch beide Sprachen. Wenn jedoch nur ein Elternteil die Minderheitensprache sprach, während beide Elternteile die Mehrheitssprache benutzten, hatten nur 36 % der Familien ein Kind, das beide Sprachen zu Hause verwendete. Daher ist es wahrscheinlicher, dass ein Kind aktiv bilingual wird, wenn beide Elternteile die Minderheitensprache sprechen (vgl. Hakuta & d’Andrea 1992, Hoff, Rumiche, Ribot & Welsh 2013). Der Ausschluss der Mehrheitssprache erhöht auch die Wahrscheinlichkeit, dass trilinguale Kinder alle Sprachen aktiv beherrschen (Braun & Cline 2010, Cruz-Ferreira 2006, Dewaele 2007: 69, Wang 2008). Weiter stellt De Houwer (2004: 132) die Hypothese auf, dass ein aktiver Trilinguismus zusätzlich begünstigt wird, wenn die jeweiligen Eltern auch beide Minderheitensprachen (also auch die Muttersprache des Partners) sprechen. Folglich scheint auch das Verständnis der Sprache des 74 4 Einflussfaktoren auf die Wortschatzentwicklung bei mehrsprachigen Kindern Partners ein positiver Einflussfaktor zu sein. Dennoch wurden auch Familien mit Ausschluss der Mehrheitssprache beschrieben, die keine aktiv trilingualen Kinder hatten (Wang 2008). Ein weiterer Faktor, der die Menge des Inputs beeinflussen kann, ist der Einsatz von Medien. Viele Eltern versuchen die Minderheitensprache(n) durch Medien wie Filme oder Bücher zu fördern. Pearson et al. (1997) kommen zu dem Schluss, dass es bei der Nutzung von Medien nicht um eine indirekte, sondern um eine direkte Nutzung geht, die schließlich zu einer Interaktion mit dem Kind führt. Der Einsatz von Medien als quantitativer Faktor scheint daher wenig Einfluss auf die Wortschatzentwicklung zu haben. Sie können jedoch als Anregung für die Eltern-Kind-Interaktion dienen und somit indirekt die Qualität des Inputs beeinflussen. Zu diesem Schluss kamen auch Studien, die den Versuch dokumentierten, ein reiches sprachliches Umfeld zu schaffen (Cruz-Ferreira 2006, Dewaele 2007, Helot 1988: 286). 4.1.2 Qualitative Faktoren Durch die Tatsache, dass mehrsprachige Kinder trotz reduzierter Inputmenge aktiv alle L1n beherrschen können, müssen qualitative Faktoren in der Wortschatzentwicklung von besonderer Bedeutung sein. Jedoch wird beispielsweise der Einfluss der Diversität der Kontaktpersonen in der Bilinguismusforschung kaum berücksichtigt, dafür aber in den Studien zu trilingualen Kindern. So fand u. a. Dewaele (2007) heraus, dass sich die Produktion in Minderheitensprachen mit zunehmender Anzahl von Muttersprachlern verbessert und somit als wichtiger Faktor in der sprachlichen Entwicklung nicht zu unterschätzen ist. Neben der Diversität der Kontakte sind vor allem die engsten Interaktionspartner, meist die Eltern, und deren Einfluss auf die Wortschatzentwicklung von besonderem Interesse. Wie wir bereits gesehen haben, wurden die Sprachkonstellation und die linguistische Strategie als quantitative Merkmale identifiziert. Welche Aspekte lassen sich nun als qualitative Faktoren elterlichen Inputs identifizieren? In den Studien zu bi- und trilingualen Kindern wird oftmals der elterliche Diskursstil im Allgemeinen untersucht, d. h. die Beharrlichkeit im Gebrauch der Minderheitensprache, der didaktische Stil sowie die kindzentrierte Interaktion. Chevalier (2015) zeigt, dass insbesondere die Beharrlichkeit in der Verwendung der Minderheitensprache als qualitative Facette der linguistischen Strategie ein entscheidender Faktor für aktiven Bilinguismus sein kann (Döpke 1992, Juan-Garau & Pérez-Vidal 2001, Kasuya 1998, Lanza 2004), sowie für aktiven Trilinguismus (Barnes 2006, Cruz-Ferreira 2006, Dewaele 2007). Eine solche Beharrlichkeit in der Verwendung der Minderheitensprache umfasst auch einen didaktischen Stil und den Einsatz von Lerntechniken, wie Wiederholungen, Übersetzungen und die Bereitstellung von Vokabeln und kindzentrierten Interaktionen (Döpke 1992, Lanza 2004) sowie affektive Faktoren, d. h. eine positive Einstellung zur Mehrsprachigkeit und die Überzeugung, dass der (eigene) sprachliche Input einen Einfluss auf die Wortschatzentwicklung des Kindes hat (De Houwer 2009). Der Einfluss des sozioökonomischen Status wird in Studien zum Bi- oder Trilinguismus oft vernachlässigt. Die wenigen Studien dazu zeigen jedoch, dass der Einfluss auf die Mehrheitssprache und die Minderheitensprache unterschiedlich zu sein scheint. Während die soziale Schicht und der wirtschaftliche Status einen Einfluss auf den Erwerb der Mehrheits- 75 4.1 Einflussfaktoren sprache haben, ist ihre Rolle bei der Erhaltung der Minderheitensprache weniger konsistent (Cobo-Lewis, Eilers, Pearson & Umbel 2002). Ein weiterer qualitativer Faktor ist der Status der Minderheitensprache(n). Der Status hängt stark von der Gesellschaft und dem Land ab. Besonders bei den romanischen Sprachen lassen sich diesbezüglich große Unterschiede feststellen. Während Französisch eine Sprache mit hohem Prestige ist, genießen Portugiesisch und Italienisch ein nicht so hohes Ansehen in Deutschland. Dieser Faktor kann jedoch entscheidend sein, ob eine Sprache beibehalten und an die Kinder weitergegeben wird (Barron-Hauwaert 2000: 4). In diesem Zusammenhang ist der Status des Spanischen besonders interessant, da dieser stark in Abhängigkeit des Länderkontextes variiert. In Europa und insbesondere in Deutschland wird Spanisch als Weltsprache verstanden, im amerikanischen Kontext hingegen genießt das Spanische einen niedrigen Stellenwert, da es oftmals als die Sprache der Einwanderer wahrgenommen wird. Diese Tatsache muss berücksichtigt werden, wenn Ergebnisse von Studien verglichen werden sollen. Der Status der Minderheitensprache bestimmt zudem, wie bzw. ob sie institutionell gefördert wird. So wird in Deutschland bilingualer Unterricht oft auf Englisch oder Französisch angeboten, Portugiesisch- oder Italienischunterricht hingegen findet man eher selten. Für mehrsprachige Kinder ist zu bedenken, dass der Einstieg in das Bildungssystem (Vorschul-/ Schulbeginn) typischerweise zu einem starken Anstieg des Inputs der Mehrheitssprache führt (Oller, Pearson & Cobo-Lewis 2007). Parallel dazu nimmt der Gebrauch der Minderheitensprache innerhalb der Familie ab (Scheffner Hammer, Lawrence & Miccio 2008). Daraus können wir schließen, dass ab diesem Zeitpunkt eine aktive Förderung durch Unterricht in der Minderheitensprache notwendig ist, um diesem Prozess entgegenzuwirken. Die Wirkung einer solchen Förderung wird jedoch unterschiedlich beurteilt. Wöchentlicher Herkunftssprachenunterricht von zirka einer Stunde reicht vermutlich nicht aus, um bei jungen Kindern bereits einen Effekt feststellen zu können (Bohnacker, Lindgren & Öztekin 2016: 35). Für ältere Kinder jedoch konnten Ganuza & Hedmann (2015) einen Zusammenhang zwischen Unterricht und Wortschatzkompetenz nachweisen. Wir können daher annehmen, dass nur eine kontinuierliche institutionelle Förderung der Minderheitensprache zum aktiven Bibzw. Trilinguismus beitragen kann. Nun könnte man argumentieren, dass der Unterricht in der Minderheitensprache eher ein quantitativer Faktor ist. Natürlich lässt sich nicht leugnen, dass dies den Input in der Minderheitensprache erhöht, aber ein solcher Bildungsrahmen ist auch durch zahlreiche qualitative Merkmale gekennzeichnet: Die Diversität der Kontakte wird erhöht, der Input wird zunehmend durch kultivierte und erzieherische Sprachausdrücke definiert, sozioökonomische Unterschiede werden ausgeglichen und der Status der Minderheitensprache wird verbessert, so dass dies in einer anderen Haltung gegenüber der Minderheitensprache zum Ausdruck kommen kann. Letzteres Beispiel zeigt uns aber auch, dass quantitative und qualitative Merkmale stark zusammenhängen. Viele quantitative Faktoren beinhalten auch qualitative Aspekte. Diese qualitativen Merkmale können eine wichtige Ergänzung zu den rein quantitativen Inputfaktoren sein. So scheint der Diskursstil von Bedeutung zu sein, um die Sprachkonstellation und die linguistische Strategie der Sprecherziehung zu ergänzen. Insbesondere im Hinblick 76 4 Einflussfaktoren auf die Wortschatzentwicklung bei mehrsprachigen Kindern auf die Minderheitensprache scheint die Quantität weniger wichtig zu sein als die erwähnten qualitativen Merkmale (vgl. Pearson et al. 1997: 54). 4.1.3 Typologische Faktoren Für Romanisten sind neben den allgemein quantitativen und qualitativen Faktoren auch die typologischen Ähnlichkeiten innerhalb der romanischen Sprachen bedeutend, denn eine Verwandtschaft zwischen Sprachen erleichtert möglicherweise den Wortschatzerwerb (Bohnacker et al. 2016). Übersetzungsäquivalente, welche sich zwar in ihrer Form und Bedeutung unterscheiden, können das Verständnis trotz Sprachbarrieren ermöglichen (Ringbom 2007). Betrachten wir beispielsweise das Spanische und Französische, so lassen sich viele gemeinsame frequente Kognate feststellen. Kognat: Zwei oder mehr Wörter, die denselben etymologischen Ursprung haben, sich aber phonetisch oder orthographisch unterschiedlich entwickelt haben. In Wechselwirkung mit dem Deutschen verhalten sich die romanischen Sprachen jedoch unterschiedlich. Das Französische teilt bspw. weniger Übersetzungsäquivalente mit dem Deutschen als mit dem Spanischen (vgl. Schepens, Dijkstra, Grootjen & van Heuven 2013: 4). Daher können wir annehmen, dass sich die romanischen Sprachen beim Wortschatzerwerb positiv beeinflussen, während durch die geringe Sprachverwandtschaft zum Deutschen diese Sprachen in Kombination weniger leicht erlernt werden. In diesem Kontext sei auch darauf hingewiesen, dass diese romanischen Sprachen zudem in einer unterschiedlichen Wechselwirkung mit dem Deutschen in Bezug auf das Genussystem stehen. So lässt sich eine Interaktion des deutschen und französischen Genussystems feststellen, nicht aber zwischen dem Deutschen und Spanischen (Eichler 2011, Hager 2014: Kapitel 8.2.1). 4.2 Aktiver Bibzw. Trilinguismus: eine Definition In der Literatur finden sich oft die Begriffe „aktiver“ Bi- und Trilinguismus, ohne dass genauer definiert ist, ab wann ein Kind „aktiv“ die L1 beherrscht. Für diese Arbeit soll daher der Begriff „aktiver“ Bi-/ Trilinguismus anhand messbarer Kriterien definiert werden. Anstelle der Produktivität soll der passive Wortschatz als Kriterium dienen, welcher mit dem Peabody-Test in den Sprachen Deutsch, Spanisch, Französisch und Katalanisch erhoben wird. Der passive Wortschatz spiegelt die linguistische Kompetenz in den jeweiligen Sprachen wider und kann somit zur Bewertung der Sprachkompetenz dienen. Ein weiterer Vorteil ist die Unabhängigkeit von einer direkten Eltern-Kind-Interaktion. Als aktiv werden all jene Kinder beschrieben, die in dem Normalbereich („average“) liegen. Durch die Standardabweichung von 15 IQ-Punkten liegt dieser zwischen 85 und 115 IQ-Punkten. Diese Punktespanne beschreibt eine altersgemäße Entwicklung. Erreicht ein Kind nicht mindestens „average“, so kann davon ausgegangen werden, dass es altersbedingt sprachlich nicht 77 4.3 Ein Fallbeispiel ausreichend entwickelt ist und diese Sprache somit nicht aktiv beherrscht. Um folglich aktiv bibzw. trilingual zu sein, muss das Kind in allen Sprachen mindestens „average“ abschneiden. Der standardisierte Test ermöglicht zudem einen objektiven Vergleich zwischen den bi-, tri- und multilingualen Kindern. Gleichzeitig ermöglicht die Auswertung des passiven Wortschatzes anhand des Peabody die statistische Ermittlung von Faktoren, die sich positiv auf die Wortschatzkompetenz auswirken. Jedoch gilt auch zu bedenken, dass die durch den Peabody ermittelte Wortschatzkompetenz lediglich eine Momentaufnahme darstellt und folglich auch die Einordnung in aktiv/ nicht-aktiv bibzw. trilingual nur für den getesteten Zeitpunkt gilt. 4.3 Ein Fallbeispiel Nachdem wir nun die einzelnen Faktoren identifiziert haben, wollen wir untersuchen, ob es einen Faktor oder eine Kombination von Faktoren gibt, die eine besonders hohe Wirkung haben und einen aktiven Bibzw. Trilinguismus eher garantieren als andere. Hierfür verwenden wir die im Kapitel 3 vorgestellten Ergebnisse aus dem Peabody bzw. dem Wechslertest. Die IQ-Werte der einzelnen Kinder sollen in Beziehung zu Einflussfaktoren des Kindes gesetzt werden. Um Informationen zu der sprachlichen Umgebung der Kinder zu erhalten, wurde ein Elternfragebogen konstruiert. Bevor wir diesen Elternfragebogen genauer betrachten, müssen wir zunächst einmal festlegen, wie unsere konkrete Forschungsfrage aussieht. Ebenso bleibt zu definieren, welche die unabhängige und welche die abhängige Variable ist. Variablen: Die unabhängige Variable ist die veränderbare Größe in einem Experiment, deren Einfluss auf eine abhängige Variable untersucht wird. In unserer Studie wird der Einfluss verschiedener unabhängiger Variablen (wie die Inputquantität oder die Art der linguistischen Strategie der Sprecherziehung) auf das IQ-Ergebnis im passiven Wortschatztest, welches die abhängige Variable darstellt, untersucht. Dabei wollen wir folgenden Forschungsfragen nachgehen: 1. Gibt es einen Zusammenhang zwischen der Inputquantität und der Wortschatzkompetenz bei bi- und trilingualen Kindern und können wir den von Quay (2008) angegebenen Mindestanteil von 20 % bestätigen? a) Lässt sich eine linguistische Strategie identifizieren, die erfolgreicher ist als andere? b) Hat der Ausschluss der Mehrheitssprache aus der Familienkommunikation einen positiven Einfluss auf die Sprachkompetenz? 2. Gibt es einen Zusammenhang zwischen der Diversität der Kontakte und der Wortschatzkompetenz für bi- und trilinguale Kinder? a) Fördert direkte Instruktion die Kompetenz in der Minderheitensprache? b) Fördert die Bereitstellung einer sprachlich anregenden Umgebung bzw. der Kulturkontakt mit der Minderheitensprache einen aktiven Bi- und Trilinguismus? c) Fördert die Kenntnis der Minderheitensprache des Partners die Wortschatzkompetenz des Kindes? 78 4 Einflussfaktoren auf die Wortschatzentwicklung bei mehrsprachigen Kindern Um nun nachvollziehen zu können, wie die einzelnen Faktoren operationalisiert bzw. messbar gemacht worden sind, wollen wir uns die Konstruktion des Elternfragebogens genauer anschauen. 4.3.1 Methodisches Vorgehen: der Elternfragebogen Im Rahmen der Wuppertaler Forschungen (vgl. Kapitel 2) wurde allen Eltern der teilnehmenden Kinder ein Fragebogen ausgeteilt. Ein Fragebogen ist ein Instrument schriftlicher Befragung. Sein Vorteil ist, dass innerhalb kurzer Zeit viele Personen befragt werden können und somit eine große Stichprobe erreicht werden kann. Wie ein solcher Fragebogen konstruiert ist, kann von Forschungsfrage zu Forschungsfrage variieren. Er kann offene oder geschlossene Fragen enthalten. Letztere werden auch standardisierte Fragen genannt, da der Proband seine Antwort nicht frei verfassen kann, sondern aus vorgegebenen Antwortmöglichkeiten auswählen muss. Dies hat den Vorteil, dass die Auswertung wesentlich schneller geht, da die Antworten nicht nachträglich kategorisiert werden müssen. Unser Fragebogen ist dreigeteilt: Zuerst werden Informationen zum Kind eingeholt, dann jeweils die Sprachkenntnisse der Eltern abgefragt. Dabei gibt es eine Mischung aus offenen und geschlossenen Fragen. Die offenen Fragen dienen bspw. dazu, Informationen über Alter und Geburtsort des Kindes bzw. der Eltern einzuholen. Durch die offenen Fragen werden also allgemeine Informationen eingeholt und die Befragten können zur eigentlichen Befragung langsam hingeführt werden. Die geschlossenen Fragen erfordern entweder Ja-Nein-Antworten oder es werden mehrere Alternativantworten vorgegeben. Der erste Teil des Fragebogens erfasst (neben den allgemeinen Daten des Kindes wie Geburtsdatum und -ort sowie Dauer des Besuchs der bilingualen Einrichtung), welche Sprache(n) die Mutter zum Kind sowie der Vater zum Kind spricht; welche Sprache verwendet wird, wenn in der Familie gesprochen wird, und welche Sprache das Kind mit möglichen Geschwistern verwendet. Darüber hinaus wurde erfasst, ob ein weiterer regelmäßiger Input in der Minderheitensprache vorhanden ist (Ja-Nein-Frage) und wie dieser beschaffen ist (Medien und/ oder Verwandte und Freunde). Ebenso wurde der regelmäßige Urlaub im zielsprachigen Ausland in Wochen erfasst. Da wir uns mit dem Elternfragebogen i. d. R. an mehrsprachige bzw. fremdsprachige Eltern richten, wurde der Fragebogen jeweils zweisprachig erstellt (Deutsch-Französisch/ Deutsch-Spanisch). Zu welcher Sprache gezielt Informationen eingeholt werden, ist abhängig vom Untersuchungsstandort, wie die Erhebung der Sprachkenntnisse der Eltern zeigt. Dabei wurden jeweils die Sprachkenntnisse in der Mehrheitssprache (also die Landessprache) und die Sprachkenntnisse in der Minderheitensprache erfasst. Die Eltern wurden dazu befragt, ob sie die jeweiligen Sprachen als Mutter- oder Fremdsprache beherrschen. Die fremdsprachlichen Kenntnisse erstrecken sich von Produktionsfähigkeiten (Sprechen) über rein passive Sprachkenntnisse (Verstehen) bis hin zu fehlenden Sprachkenntnissen. Zudem wurde erfasst, wie die Fremdsprachenkenntnisse angeeignet wurden. 79 4.3 Ein Fallbeispiel 4.3.2 Auswertung des Elternfragebogens Welche Informationen können wir nun aus dem Fragebogen entnehmen? Betrachten wir dazu zunächst einmal die Informationen zum Kind. Durch die allgemeinen Informationen können wir ablesen, welches die Landessprache ist. Ebenso können wir ablesen, welche Sprachen die Eltern mit dem Kind sprechen und welche Sprache in der Familienkommunikation verwendet wird. Aus diesen Daten können wir sowohl die linguistische Strategie der Sprecherziehung der Eltern ableiten als auch die Sprachkonstellation in der Familie. Zusammen mit den Informationen zu den Eltern und den Geschwistern können wir zudem ableiten, von wie vielen Personen das Kind Input in der jeweiligen Sprache erhält, d. h. von welchen Personen das Kind die jeweilige Sprache hört. Außerdem lässt sich entnehmen, wie viele Interaktionspartner ein Kind in der jeweiligen Sprache hat, d. h. mit wie vielen Personen das Kind die Sprache verwenden kann. Neben einzelnen Personen gibt der Fragebogen natürlich auch Aufschluss darüber, in welchen Kontexten das Kind die jeweilige Sprache hört oder sogar verwenden kann. Dies wollen wir an einem Beispiel skizzieren. Nehmen wir an, dass die Mutter Muttersprachlerin des Spanischen ist, der Vater spricht Deutsch, das Kind hat ein Geschwisterkind, mit dem es sowohl Deutsch als auch Spanisch spricht. Die Familie lebt in Deutschland und die Kinder besuchen eine bilinguale Kita mit den Sprachen Spanisch und Deutsch. Die Mutter gibt an, nur Spanisch mit den Kindern zu sprechen, der Vater spricht nur Deutsch mit den Kindern, die Familiensprache ist ebenfalls Deutsch. Sowohl die Mutter als auch der Vater beherrschen die Muttersprache des anderen als Fremdsprache und können sich in dieser Sprache verständigen. Als erstes können wir die linguistische Strategie der Sprecherziehung erfassen: Das Kind wird bilingual erzogen, indem jeweils ein Elternteil eine Sprache mit dem Kind verwendet und eine dieser Sprachen der Umgebungssprache entspricht (Deutsch). Diese Strategie würde folglich LS 1 entsprechen (1P-1S mit Mehrheitssprachen-Unterstützung). Die Sprachkonstellation zeigt, dass die Mehrheitssprache neben der Minderheitensprache in der Familie parallel verwendet wird. Die von uns als quantitativ definierten Faktoren „linguistische Strategie der Sprecherziehung“ und „Sprachkonstellation“ waren dem Fragebogen recht leicht zu entnehmen. Nun müssen wir allerdings auch die anderen Faktoren operationalisieren. Der Fragebogen gibt Auskunft darüber, von wie vielen Personen und in wie vielen Kontexten das Kind die jeweilige Sprache lediglich hört und mit wie vielen Personen und Kontexten es die Sprache verwenden kann. Da in unserem Fragebogen keine Ratingskalen verwendet wurden, müssen wir die Inputmenge über die Anzahl der Personen und Kontexte, von denen das Kind die Sprache hört, operationalisieren. Als qualitativen Faktor hingegen können wir von dem reinen Input das sogenannte Interaktionspotenzial abgrenzen. Die Qualität bzw. das Interaktionspotenzial operationalisieren wir daher anhand der Anzahl der Personen und Kontexte, mit denen das Kind die Sprache produktiv verwendet und somit in Interaktion treten kann. Folglich können auch die Sprachkenntnisse der Eltern mit berücksichtigt werden, auch wenn ein Elternteil im kindgerichteten Sprechen die jeweilige Sprache nicht verwendet. Betrachten wir hierfür unser Beispiel. Für die Inputquantität in der Minderheitensprache Spanisch kann die Mutter berücksichtigt werden, von der das Kind Spanisch hört, sowie das Geschwisterkind. Das Kind hört 80 4 Einflussfaktoren auf die Wortschatzentwicklung bei mehrsprachigen Kindern Spanisch in der bilingualen Kita, von Freunden und Verwandten sowie in Medien und im Urlaub. All diese Personen und Kontexte müssten demnach für die Inputquantität berücksichtigt werden. Für das Interaktionspotenzial müssten allerdings auch die Fremdsprachenkenntnisse des Vaters einbezogen werden, der zwar mit dem Kind direkt kein Spanisch verwendet, jedoch ein möglicher Interaktionspartner für das Kind in der Minderheitensprache Spanisch ist, da er das Spanische produktiv beherrscht. Um nun für die Quantität und das Interaktionspotenzial einen Wert ermitteln zu können, müssen wir die Daten aus dem Fragebogen kodieren. Kodieren: Die Antwort in ein anderes Zeichen übersetzen bspw. in einen Wert. Für die Kodierung unseres Fragebogens ist es zunächst naheliegend, alle einzelnen Personen mit dem Wert 1 zu berechnen bzw. fehlende Personen mit dem Wert 0. Auch alle Ja-Nein- Fragen wie Medien und Freunde/ Verwandte können so kodiert werden (ja = 1; nein = 0). Nun müssen wir einen Wert für die größeren Kontexte festlegen, wie Bildungsinstitution, Familiensprache und Landessprache. Auf wie viele Personen und auf welchen Umfang sich diese Kontexte belaufen, können wir nicht ermitteln. Da es sich allerdings um größere Gruppen handelt, können wir, um den Unterschied zu den einzelnen Personen zu verdeutlichen, den Wert 2 festlegen. Da das Interaktionspotenzial auch die Fremdsprachenkenntnisse erfasst und somit mehr Menschen zu potenziellen Interaktionspartnern werden, erhöhen wir für das Interaktionspotenzial den Wert auf 3. Letztendlich ist der konkrete Wert allerdings arbiträr, vielmehr schafft uns die Summe aller Einzelfaktoren einen Einblick in den relativen Anteil der jeweiligen Sprache. Mit diesen Werten können wir nun eine Summe für den jeweiligen Einflussfaktor berechnen und diesen mit den IQ-Werten abgleichen. Kontext Wert für Quantität (Kind hört die Sprache) Wert für Interaktionspotenzial (Kind kann die Sprache verwenden) Umgebungssprache(n) 2 3 Schulsprache 2 3 Familiensprache 2 3 Eltern (einzeln) 1 1 Medialer Input 1 1 Kontakt Familie/ Freunde 1 1 Urlaub unter 4 Wochen 1 1 Urlaub über 4 Wochen 2 3 Tab. 4.1: Verteilung der Werte für die jeweiligen Kategorien aus dem Elternfragebogen Ähnlich können wir vorgehen, um eine sprachlich anregende Umgebung zu operationalisieren. Um eine solche Umgebung zu kreieren, müssen mehrere Faktoren zusammenspielen. Diese Faktoren als Ganzes werden wir im Folgenden als „Kulturkontakt“ bezeichnen, da es 81 4.3 Ein Fallbeispiel sprachlichen und kulturellen Input in der Minderheitensprache erlaubt. Zu diesen Faktoren zählen Medien, Kontakt mit Familie/ Freunden und Urlaub in dem Land der Minderheitensprache. All diese Faktoren kodieren wir wieder mit dem Wert 1 für „ja“ bzw. „vorhanden“ und 0 für den Fall, dass dieser Faktor nicht gegeben ist. Die Summe dieser Werte kann dann erneut zum IQ-Wert in Beziehung gesetzt werden. Aus der Literatur haben wir zudem die Einflussfaktoren „Direkte Instruktion“ und „Sprachkenntnisse der Eltern“ herausgearbeitet. Letzteren Faktor haben wir schon indirekt bei dem Interaktionspotenzial untersucht, dennoch kann er nochmals differenzierter in Abhängigkeit der Sprachkenntnisse untersucht werden. Hierfür sind vor allem die Informationen über die Eltern relevant. So können wir bezüglich der zu untersuchenden Minderheitensprache differenzieren, ob (1) beide Eltern die Minderheitensprache sicher verwenden können (=Muttersprachler oder gute Fremdsprachenkenntnisse), (2) ein Elternteil Muttersprachler in der Minderheitensprache ist, der andere diese versteht, (3) ein Elternteil Muttersprachler in der Minderheitensprache ist, der andere diese nicht versteht, (4) ob die Minderheitensprache von mindestens einem Elternteil als Fremdsprache (L2) erlernt wurde, die Sprache jedoch nicht aktiv in der Familie verwendet wird, und (5) kein Elternteil die Minderheitensprache spricht. Für diesen Untersuchungspunkt macht es daher keinen Sinn, einzelne Punkte zu kodieren und zusammenzurechnen. Vielmehr können wir jeden Fragebogen einer dieser Gruppen zuordnen. Dies bedeutet, dass wir den IQ-Wert eines Kindes nicht in direkte Beziehung zu einem Wert setzen können, jedoch ist es möglich, Unterschiede zwischen den Gruppen herzustellen. Wie wir das machen, schauen wir uns später genauer an. Ebenso müssen wir vorgehen, wenn wir den Einfluss der direkten Instruktion auf die Minderheitensprache untersuchen wollen. Hierfür müssen die von dem Kind gesprochenen Sprachen mit der bilingualen Bildungseinrichtung abgeglichen werden. Jede Minderheitensprache, für die wir einen IQ-Wert ermittelt haben, wird entweder institutionell gefördert oder lediglich zu Hause erworben. Folglich können wir diese zwei Gruppen miteinander vergleichen. Nun wird deutlich, dass die Daten aus unserem Fragebogen keine Rückschlüsse auf individuelle Variablen zulassen. So können wir beispielsweise keine Aussage über den elterlichen Diskursstil machen, sondern beschränken uns auf die Faktoren auf der Makroebene. Jedoch haben wir durch die Erhebung mit dem Fragebogen in einer Querschnittsstudie eine recht große Datenmenge von unterschiedlichsten Personen. Individuelle Faktoren hingegen wären leichter in einer Longitudinalstudie zu erfassen, da gezielt Sprachaufnahmen der Eltern untersucht werden könnten. Ein Nachteil der Erhebung mittels eines Fragebogens ist allerdings die geringe Rücklaufquote (meist zirka 20 %). Dies hat zur Folge, dass uns leider nicht für alle untersuchten Kinder ein Elternfragebogen vorliegt. Daher verkleinert sich unsere Stichprobe auf 57 Kinder. Bei diesen 57 Kindern, von denen 27 bilingual, 26 trilingual und 4 Kinder multilingual sind, wurden der deutsche und der katalanische Peabody in jeweils 14 Fällen angewandt, der spanische Peabody in 49 Fällen und der Französische in 27 Fällen. Insgesamt liegen somit 104 Testergebnisse über den rezeptiven Wortschatz der Kinder in den verschiedenen Sprachen vor. 82 4 Einflussfaktoren auf die Wortschatzentwicklung bei mehrsprachigen Kindern 4.3.3 Statistische Auswertungsverfahren Für die statistische Auswertung liegen die Daten aus dem Elternfragebogen und die IQ-Werte aus dem Wortschatztest vor. In Abhängigkeit der Fragestellung und der Datenbeschaffenheit können wir nun Beziehungen oder Unterschiede aufdecken. Die Einflussfaktoren, die wir mithilfe von einem Wert kodieren konnten, können wir in Beziehung zum IQ-Wert setzen. Dafür übertragen wir die Summe für den jeweiligen Einflussfaktor für jedes Kind in eine Tabelle mit dem dazugehörigen IQ-Wert aus dem Wortschatztest, wie in Tabelle (4.2). Kind IQ-Wert (Bsp. Spanisch als Minderheitensprache) Inputquantität (Summe für Spanisch als Minderheitensprache) Alma Deva Elli Gabriel Lina … 110 114 80 121 59 … 6 6 1 3 2 … Tab. 4.2: Erstellen einer Tabelle für die statistische Überprüfung Danach können wir mit einem Analyseprogramm (Excel oder SPSS) die Korrelation zwischen den Werten ermitteln. Die Analyse zeigt uns, wie viele Beobachtungen (N) ausgewertet wurden, wie hoch die Korrelation ist (r) und ob diese Korrelation signifikant ist (p < 0.05). Für einige Einflussfaktoren konnten verschiedene Gruppen identifiziert werden, d. h. der Elternfragebogen gab Aufschluss darüber, wie wir das Kind und dessen Wortschatzkompetenz einordnen müssen. In diesem Fall können wir die Unterschiede zwischen den Gruppen aufdecken. Hierfür ordnen wir die IQ-Werte in Abhängigkeit der zugewiesenen Gruppe und führen einen zweiseitigen t-Test durch. Dieser errechnet die Mittelwerte beider Gruppen und zeigt auf, ob der Unterschied zwischen den Mittelwerten statistisch signifikant ist (p < 0.05). 4.3.4 Deskriptive Auswertung Manchmal ist die Anzahl der Beobachtungen sehr gering oder man möchte beispielsweise erfahren, bei wie vielen Kindern, die laut unserer Definition aktiv mehrsprachig sind, ein bestimmter Faktor gegeben ist, oder wie hoch der Anteil des Sprachkontakts in der jeweiligen L1 ist. In diesem Fall ist es hilfreich, von einem statistischen Verfahren abzusehen und den obengenannten Anteil zu berechnen, um daraus eine Hypothese zu formulieren. 83 4.3 Ein Fallbeispiel 4.3.5 Ergebnisse der Inputanalyse: quantitative Faktoren 4.3.5.1 Linguistische Strategien Insgesamt wurden vier verschiedene Strategien (LS) identifiziert, die in 4.1.1 vorgestellt wurden. Es konnten jedoch nicht alle Kinder eindeutig zugeordnet werden, da teilweise die Angaben der Eltern widersprüchlich waren. All diese Kinder fassen wir unter der Strategie LS 5 zusammen. Insgesamt war die am häufigsten verwendete Strategie die bilinguale LS 1, die insgesamt 20 Eltern verwendeten, gefolgt von LS 4, dem Erwerb in einer Bildungseinrichtung, und der trilingualen Strategie LS 3 Gemischte Sprachen. Um einen Vergleich zwischen den Strategien zu ermöglichen, haben wir den Anteil der Kinder berechnet, die nicht aktiv bibzw. trilingual sind. Abb. 4.1: Linguistische Strategie und Anteil der aktiv/ nicht-aktiv mehrsprachigen Kinder Wir haben einen zweiseitigen t-Test durchgeführt, um zu prüfen, ob die Wortschatzkompetenz der Minderheitensprache von der linguistischen Strategie abhängt. Dabei wurde kein statistischer Unterschied gefunden, weder zwischen der bilingualen und den beiden trilingualen Strategien (LS 1, LS 2, LS 3) noch innerhalb der beiden trilingualen Strategien (LS 2, LS 3). Daraus lässt sich schließen, dass diese drei Strategien gleichermaßen geeignet sind, aktiven Bibzw. Trilinguismus zu fördern. Interessanterweise scheint es kein Nachteil zu sein, drei L1n statt nur zwei L1n zu erwerben. Insgesamt führten all diese Strategien zu einem deutlich besseren Wortschatz als der Erwerb in einer Bildungseinrichtung allein (LS 1/ LS 4: t(31)=3,01 p <.05; LS 2/ LS 4: t(6)= 3,87, p<.05; LS 84 4 Einflussfaktoren auf die Wortschatzentwicklung bei mehrsprachigen Kindern 3/ LS 4: t(19)= -2,17, p<.05). Dies bedeutet, dass Kinder, deren Minderheitensprache von den Eltern zu Hause gefördert wird, deutlich bessere Wortschatzkenntnisse haben als Kinder, die die Sprache nicht mit ihren Eltern zu Hause verwenden, sondern nur in der Bildungseinrichtung. Letztere erreichten im Durchschnitt einen IQ-Wert unter dem „average“ Wert (M=80,23). 4.3.5.2 Sprachkonstellationen Für die monolinguale Umgebung zeigt die Auswertung der Elternfragebögen, dass nur zwei Kinder identifiziert werden können, die kein Deutsch in der Familienkommunikation verwenden. Trotz der geringen Menge haben wir je nach Sprache einen zweiseitigen t-Test durchgeführt. Wir fanden heraus, dass die Kinder in der Minderheitensprache signifikant besser waren als Kinder aus Familien, in denen die Mehrheitssprache gesprochen wurde (t(14)=-3,28, p<.05). Hinsichtlich der Kompetenz in der Mehrheitssprache haben wir keinen statistischen Unterschied festgestellt in Abhängigkeit davon, ob die Mehrheitssprache ausgeschlossen oder in der Familie vorhanden ist. Daraus lässt sich schließen, dass es für die Wortschatzkompetenz in der Mehrheitssprache irrelevant ist, ob die Sprache in der Familienkommunikation verwendet wird. Es scheint jedoch Auswirkungen auf die Kompetenz in der Minderheitensprache zu haben, ob die Mehrheitssprache in der Familie vorhanden ist oder nicht. Im Hinblick auf die bilinguale Umgebung zeigt die Auswertung der Elternfragebögen, dass es kein einziges Kind gibt, das nicht mindestens eine der Mehrheitssprachen in der Familie spricht. Deshalb wurde mit einem zweiseitigen t-Test überprüft, ob Kinder mit beiden Mehrheitssprachen statistisch schlechter abschneiden als Kinder mit nur einer Mehrheitssprache in der Familie. Es ließ sich kein statistischer Unterschied feststellen. Daraus kann man schließen, dass beide Sprachen im spanisch-katalanischen Umfeld gleichermaßen erfolgreich erworben werden, unabhängig davon, ob eine oder beide Sprachen in der Familie gesprochen werden. Hinsichtlich der Kompetenz in der Minderheitensprache ist es nicht möglich, einen t-Test bezüglich der Tatsache durchzuführen, dass beide oder nur eine der Mehrheitssprachen in der Familie gesprochen wird. Es können nur zwei Kinder identifiziert werden, die neben der Minderheitensprache zu Hause Katalanisch und Spanisch sprechen, während die anderen 15 Kinder neben der Minderheitensprache nur Spanisch sprechen. Die geringe Zahl der Fälle ist auf den hohen Anteil von Kindern zurückzuführen, die die Minderheitensprache in der Institution lernen. Deshalb haben wir die Kompetenz der Kinder, die die Minderheitensprache ausschließlich in der Institution erwerben, mit der der Kinder, die sie auch zu Hause erwerben, verglichen. Ein zweiseitiger t-Test zeigt, dass sich Kinder, die die Minderheitensprache nur in der Institution erlernen, auf einem statistisch signifikanten niedrigeren Niveau (t(26)= 3,23; p<.05) hinsichtlich ihrer Wortschatzkompetenz in der Minderheitensprache befinden. 4.3.5.3 Inputquantität Nachdem wir nun die verschiedenen quantitativen Faktoren untersucht haben, setzen wir die Summe der verschiedenen quantitativen Faktoren in Beziehung zur Wortschatzkompetenz. Abhängig vom jeweiligen Sprachkontext wurde der Zusammenhang zwischen Inputmenge 85 4.3 Ein Fallbeispiel und Wortschatzkompetenz untersucht. Für die Mehrheitssprache wurde keine signifikante Korrelation festgestellt. Interessanterweise war die Korrelation sogar eher negativ, d. h. je mehr Input, desto schlechter die Wortschatzkompetenz. Anders verhält es sich jedoch bezüglich der Minderheitensprachen. Für Französisch gibt es eine mittlere, statistisch signifikante Korrelation (N=27; r=.457; p=.017), für Spanisch sogar eine hohe Korrelation (N=9; r=.707; p=.003). Der Zusammenhang zwischen der Wortschatzkompetenz und dem Umfang des Inputs in Deutsch als Minderheitensprache ist jedoch statistisch nicht signifikant, auch wenn der Trend positiv ist. Trotz der gefundenen Korrelation zeigt die Abbildung (4.2), dass einige Kinder die Minderheitensprache trotz relativ hoher Inputmenge nicht aktiv beherrschen (kritischer IQ- Wert: 85). Überraschenderweise kann dieser Fall für jede Minderheitensprache mindestens einmal identifiziert werden. Ein Grund für die fehlende Korrelation im Deutschen könnte die Komplexität der deutschen Sprache sein. Sivakumar, Müller & Arnaus Gil (2019a) beobachten bei der Analyse aller 126 Kinder einen negativen Effekt auf den deutschen passiven Wortschatz. Sie führen diesen Effekt auf die unterschiedliche Architektur des mentalen Lexikons des Deutschen auf der einen, und der romanischen Sprachen auf der anderen Seite zurück. So wird der Erwerb von Deutsch in Kombination mit den romanischen Sprachen schwieriger und kann eine höhere Inputmenge erfordern als die romanischen (Minderheiten-)Sprachen. Abb. 4.2: Zusammenhang zwischen Inputmenge und Wortschatzkompetenz in den jeweiligen Minderheitensprachen 86 4 Einflussfaktoren auf die Wortschatzentwicklung bei mehrsprachigen Kindern Neben der Korrelation zwischen der Inputmenge und der Wortschatzkompetenz wurde der Anteil der sprachlichen Exposition eines Kindes gegenüber der L1 aus dem Verhältnis der angegebenen Punkte ermittelt. Dies hat zum Ziel, den relativen Anteil der Sprachen zu bestimmen und aktiv und nicht-aktiv mehrsprachige Kinder zu vergleichen. Da Kinder lediglich in ihren Minderheitensprachen nicht-aktiv mehrsprachig waren, wird nur der Anteil der Minderheitensprachen verglichen. Anteil der Minderheitensprache im Input Aktiv bilingual (> 85 IQ) Nicht-aktiv bilingual (< 85 IQ) n 13 5 Min. 20% 13% Max. 70% 45% Durchschnitt (M) 43,3% 35% Tab. 4.3: Vergleich des Sprachkontakts in der Minderheitensprache bei bilingualen Kindern Der durchschnittliche Prozentsatz der Sprachkontakte in der Minderheitensprache ist für beide Gruppen überraschend ähnlich (aktiv: 43 %; nicht-aktiv: 35 %). Das liegt an der hohen Variation. Während die Verteilung von aktiv bilingualen Kindern 20 %-70% beträgt, beträgt die Verteilung für nicht-aktiv bilinguale Kinder 13 %-45%. Trilinguale Kinder sind ebenso verstreut wie die Bilingualen. Der Sprachkontakt der Kinder, die als aktiv trilingual bezeichnet werden können, reicht von 11 %-58%. Die Streuung ist geringer (16 %-36%), wenn das trilinguale Kind Alma** (Dt-Sp-Kat) nicht berücksichtigt wird. Betrachtet man nun die nicht-aktiv trilingualen Kinder, so liegt die Spanne zwischen 8 % und 22 %. Anteil der Minderheitensprache im Input Aktiv trilingual (> 85 IQ) Nicht-aktiv trilingual (< 85 IQ) n 7 7 4 Min. 11%**/ 16% 8 % Max. 36% / 58**% 22 % Durchschnitt (M) 29 % 14,5 % 7 Während N zur Bezeichnung einer Grundgesamtheit verwendet wird, dient n zur Beschreibung der Anzahl an Merkmalsträgern. Das bedeutet im vorliegenden Fall, dass von den insgesamt 11 trilingualen Kindern (N=11), 7 aktiv trilingual (n=7) und 4 nicht-aktiv trilingual sind (n=4). 87 4.3 Ein Fallbeispiel Kinder, die nicht in allen L1n getestet wurden* n 4 8 Min. 27 % 14 % Max. 50 % 36 % Durchschnitt (M) 38,5 % 20,5 % Tab. 4.4: Vergleich des Sprachkontakts in der Minderheitensprache bei trilingualen Kindern * Anteil der getesteten Minderheitensprachen ** Anteile ohne Alma Der Spannbereich für aktiv multilinguale Kinder beträgt 20 %-35%, während die Verteilung für nicht-aktiv mehrsprachige Kinder 9 %-11% beträgt. Die Verteilung ist geringer, da die Stichprobe aus jeweils nur zwei Kindern besteht. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass unter Berücksichtigung aller minimalen und maximalen Anteile der Inputmenge der Mindestbetrag unabhängig von der Anzahl der L1n bei etwa 20 % liegt. Anteil der Minderheitensprache im Input Aktiv multilingual* Nicht-aktiv multilingual* n 2 2 Min. 20% 9% Max. 30% / 35%** 11% Durchschnitt (M) 27,5% 10% Tab. 4.5: Vergleich des Sprachkontakts in der Minderheitensprache bei multilingualen Kindern *drei von vier Sprachen getestet, zwei davon aus der bilingualen Umgebung (Sp-Kat) ** nur zwei Sprachen getestet (Sp-Frz) 4.3.6 Ergebnisse der Inputanalyse: qualitative Faktoren 4.3.6.1 Direkte Instruktion Nur drei von 47 Kindern sprechen eine Sprache, die nicht in einer Bildungsinstitution gefördert wurde. Der Vergleich des durchschnittlichen IQ-Wertes beider Gruppen zeigt zwar einen Unterschied von einem vollen Kompetenzniveau (Anweisung: M=93,35; ohne Anweisung: M=79,33), dieser Unterschied ist jedoch statistisch nicht signifikant. Bei einem Vergleich von aktiv und nicht-aktiv mehrsprachigen Kindern sind 66 % der nicht-aktiven Kinder ohne Unterricht; aufgrund des geringen Stichprobenumfangs ist dieses Ergebnis allerdings nicht repräsentativ. Doch selbst 37,7% der Kinder mit Unterricht sind nicht-aktiv mehrsprachig. Dazu gehören auch die Kinder, die nur an der Bildungseinrichtung eine Sprache lernen und keine zusätzliche Unterstützung zu Hause erhalten. Werden 88 4 Einflussfaktoren auf die Wortschatzentwicklung bei mehrsprachigen Kindern diese Kinder aus der Analyse entfernt, gibt es immer noch keinen statistisch signifikanten Unterschied, aber der Anteil der nicht-aktiv mehrsprachigen Kinder mit Instruktion sinkt auf 26 %. So sind ein Viertel aller Kinder, die zu Hause die Minderheitensprache verwenden und gleichzeitig institutionelle Unterstützung erhalten, nicht-aktiv bi- oder trilingual. Dies deutet darauf hin, dass direkte Instruktion einen geringen Einfluss auf die Wortschatzentwicklung hat. In diesem Zusammenhang ist jedoch auf die Ergebnisse zu den grammatischen Tests hinzuweisen (Kapitel 6, 7, 8, 9), in denen die Kinder im Durchschnitt hervorragend abgeschnitten haben, unabhängig davon, ob sie als aktiv oder nicht-aktiv mehrsprachig eingestuft wurden. 4.3.6.2 Kulturkontakt Die Analyse des gesamten Kulturkontakts, d. h. der Summe aller drei Faktoren im Verhältnis zum Peabody-IQ-Wert der Kinder, zeigte eine schwache, aber signifikante Korrelation (N=48, r=.442, p<.01). Darüber hinaus haben wir die Faktoren einzeln untersucht. Für den Faktor „Kulturkontakt durch Medien“ gaben 68 % der Familien an, dass der Input in der Minderheitensprache durch Medien unterstützt wird. Im Vergleich zu Kindern, die zu Hause keine Medien in der Minderheitensprache verwenden, ergab ein zweiseitiger t-Test einen statistisch signifikanten Unterschied (t(23)=2,45; p<.05). Der Faktor „Urlaub im Zielland“ wurde von 46 % der Familien als Unterstützung für den sprachlichen Input in der Minderheitensprache bestätigt. Ein zweiseitiger t-Test zeigte einen signifikanten Unterschied (t(42)=2,3; p<.05) zu Kindern, die nicht regelmäßig im Land der Minderheitensprache Urlaub machen. Nur für den Faktor „kultureller Kontakt durch andere Familienmitglieder“ konnten wir keinen signifikanten Unterschied feststellen zwischen Kindern, die regelmäßig die Minderheitensprache mit Freunden oder Verwandten der Familie sprechen (46 %), und solchen, die dies nicht tun (54 %). 4.3.6.3 Sprachkenntnisse der Eltern in der Minderheitensprache Für die Analyse wurde die durchschnittliche Kompetenz in der Minderheitensprache anhand der Sprachkenntnisse der Eltern ermittelt. Ein zweiseitiger t-Test zeigt, dass Kinder, deren Eltern beide die Minderheitensprache sprechen (Gruppe 1 = G1), im Wortschatztest deutlich besser abschneiden als Kinder in allen anderen Gruppen (G1/ G2: t(20)=2,12, p<.05; G1/ G3: t(11)= 3,27, p <.01; G1/ G4: t(4)=2,81, p<.05; G1/ G5: t(11)=4,24, p<.01). Es gibt keinen signifikanten Unterschied zwischen den anderen Gruppen: Die Gruppe 2 machen Kinder aus, bei denen ein Elternteil die Minderheitensprache spricht, der andere Elternteil diese versteht; G3 sind Kinder mit einem Elternteil, der die Minderheitensprache spricht, der andere Elternteil versteht diese jedoch nicht. In G4 wurde die Minderheitensprache als Fremdsprache erworben, in G5 wird sie überhaupt nicht verwendet. Zu beachten ist jedoch, dass nur die Kinder der Gruppen 1 und 2 einen durchschnittlichen Wortschatz erreichten (G1, M=105,21; G2, M=92,28), der sie als aktiv mehrsprachig ausweist; alle anderen mittleren Vokabelkenntnisse lagen unter dem kritischen Wert von 85 IQ-Punkten (vgl. Arnaus Gil, Müller, Sette & Hüppop 2019). 89 4.3 Ein Fallbeispiel 4.3.6.4 Interaktionspotenzial Neben dem Einfluss der einzelnen qualitativen Faktoren wurde das Verhältnis der Summe der verschiedenen Personen und Kontexte mit Interaktionspotenzial zur Wortschatzkompetenz untersucht. Ähnlich wie bei den Ergebnissen für die Inputmenge gibt es keine signifikante Korrelation für die Mehrheitssprachen; der Trend ist ebenfalls negativ. Bei den Minderheitensprachen ist eine starke, signifikante Korrelation nur für Französisch zu beobachten (N=27; p=.00; r=.711). Für Spanisch und Deutsch als Minderheitensprachen konnten wir keine signifikante Bedeutung finden, obwohl es einen positiven Trend mit steigendem Interaktionspotenzial gibt (siehe Abbildung 4.3). Abb. 4.3: Zusammenhang zwischen Interaktionspotenzial und Wortschatzkompetenz in den jeweiligen Minderheitensprachen Wir haben auch den Anteil der aktiv und nicht-aktiv mehrsprachigen Kinder für jeden qualitativen Faktor überprüft. Insgesamt waren 28 (58 %) der 48 untersuchten Kinder in der Minderheitensprache aktiv mehrsprachig und 20 (42 %) waren nicht-aktiv. 90 4 Einflussfaktoren auf die Wortschatzentwicklung bei mehrsprachigen Kindern Abb. 4.4: Anteil in % der aktiv oder nicht-aktiv mehrsprachigen Kinder in Abhänigkeit vom Interaktionspotenzial in der Minderheitensprache pro Faktor Abbildung (4.4) ist wie folgt zu lesen: Nehmen wir den Faktor Schule/ Kita als Beispiel. 90 % der (insgesamt 20) nicht-aktiv mehrsprachigen Kinder besuchen eine bilinguale Bildungseinrichtung, 10 % von ihnen tun dies nicht. Im Vergleich dazu besuchen 96 % der (insgesamt 28) aktiv mehrsprachigen Kinder eine bilinguale Einrichtung, 4 % tun dies nicht. Wir sehen in der Abbildung, dass ein Interaktionspotenzial mit beiden Eltern in der Minderheitensprache bei aktiv mehrsprachigen Kindern viel höher ist als bei nicht-aktiven Kindern. Der Anteil aktiv mehrsprachiger Kinder ist auch im Kulturkontakt (Urlaub/ Freunde und Verwandte) etwas höher, wenngleich der Unterschied nicht so deutlich ist wie im Hinblick auf das Interaktionspotenzial mit den Eltern. Die bilinguale Schule als Interaktionspotenzial mit wahrscheinlich mehreren Interaktionspartnern ist sowohl für aktiv als auch für nicht-aktiv mehrsprachige Kinder ähnlich stark ausgeprägt. 4.4 Zusammenfassung Die Analyse der einzelnen Faktoren und ihres Einflusses erlaubt es uns, einige bestehende Hypothesen zu bestätigen und andere zu relativieren. Zunächst scheint es für den aktiven Bi- und Trilinguismus irrelevant, welche linguistische Strategie die Eltern gewählt haben, da kein statistischer Unterschied festgestellt werden konnte. Alle Strategien, bei denen min- 91 4.4 Zusammenfassung destens ein Elternteil mit dem Kind in der (getesteten) Minderheitensprache spricht, haben einen ähnlichen Einfluss auf die Wortschatzkompetenz. Interessanterweise scheint es kein Nachteil zu sein, drei L1n statt nur zwei L1n zu erwerben. Darüber hinaus kann institutionelle Unterstützung allein nicht als Strategie für einen aktiven Bibzw. Trilingualismus empfohlen werden. Anders formuliert, wenn die Minderheitensprache institutionell gefördert wird, sollte sie zusätzlich in der Familienkommunikation verwendet werden. Neben den Strategien ist auch die Sprachkonstellation relevant. Die Analyse der Sprachkonstellation im monolingualen Umfeld bestätigt de Houwers (2004, 2007) Annahme, dass die Präsenz der Mehrheitssprache in der Familie einen negativen Einfluss auf die Wortschatzkompetenz in der Minderheitensprache hat. Die Präsenz der Mehrheitssprache in der Familie ist möglicherweise ein Hindernis für die Entwicklung eines aktiven Bi- und Trilinguismus. Dies muss jedoch insofern relativiert werden, als dass auch Kinder mit der Anwesenheit der Mehrheitssprache einen durchschnittlichen IQ-Wert über 85 Punkte erreichten. Ebenso erreichten Kinder in der bilingualen Umgebung einen durchschnittlichen IQ-Wert von über 85 Punkten, unabhängig davon, ob eine oder beide Sprachen in der Familie gesprochen wurden. Zudem ist interessant, dass die Umgebungssprache(n) erfolgreich erworben wird/ werden, obwohl sie nicht in der Familie gesprochen wird/ werden. Dies bedeutet, dass die Förderung der Minderheitensprache besonders relevant und wichtig ist, um einen aktiven Bi- und Trilinguismus in diesem Umfeld zu fördern. Darüber hinaus ist davon auszugehen, dass sich die romanischen Sprachen Französisch, Spanisch und Katalanisch aufgrund typologischer Ähnlichkeiten innerhalb der Sprachfamilie positiv im Wortschatzerwerb beeinflussen. Es besteht Forschungsbedarf bei der Untersuchung begünstigender Effekte der Mehrsprachigkeit (vgl. Sivakumar et al. 2019b). Zusätzlich zu den einzelnen quantitativen Faktoren konnten wir einen generellen positiven Zusammenhang zwischen Inputmenge und Wortschatzkompetenz in der Minderheitensprache mit Ausnahme des Deutschen nachweisen. Grundsätzlich scheint der Mindestanteil des Inputs für eine erfolgreiche Mehrsprachigkeit, unabhängig von der Anzahl der L1n, bei etwa 20 % zu liegen, ähnlich dem von Quay (2008) ermittelten Wert. Eine über diesen Anteil hinausgehende Inputmenge muss jedoch nicht zwangsläufig zu einer aktiven Mehrsprachigkeit führen. Folglich kann die Menge des Inputs allein nicht entscheidend sein. Auch direkte Instruktion als quantitative Ergänzung zur Inputmenge scheint nicht ausreichend zu sein. Die Ergebnisse der linguistischen Strategien, der direkten Instruktion sowie der Sprachkonstellation deuten darauf hin, dass direkte Instruktion (in den meisten Fällen) die innerfamiliäre Förderung nicht ersetzen kann. Der Mangel an Wirkung kann auch auf das junge Durchschnittsalter der Kinder zurückzuführen sein (vgl. Bohnacker et al. 2016). Dennoch sollte nicht unterschätzt werden, dass die bilingualen Institutionen den Kontakt in der Minderheitensprache mit anderen Interaktionspartnern zulassen. Obwohl es nicht möglich ist, einen direkten Einfluss auf die Wortschatzkompetenz nachzuweisen, ist es in der Tat ein Faktor, der die Qualität des Inputs begünstigt. Dies zeigt sich auch in den hervorragenden Ergebnissen, welche die untersuchten Kinder in den Grammatiktests erzielt haben. Trotz geringer Inputmengen verhielten sich die Kinder im Grammatiktest sehr akkurat und blieben einsprachig, d. h. sie mischten kaum ihre L1 (Arnaus Gil et al. 2018a,b, Poeste et al. 2019). 92 4 Einflussfaktoren auf die Wortschatzentwicklung bei mehrsprachigen Kindern Im Gegensatz dazu scheinen Familienfaktoren bzw. familiäre Förderung entscheidend für eine aktive Wortschatzkompetenz zu sein. Dazu gehören die Gestaltung einer sprachlich anregenden Umgebung durch Kulturkontakt und die Sprachkonstellationen innerhalb der Familie. Im Hinblick auf den Kulturkontakt gibt es einen positiven Einfluss der Kombination von allen Faktoren sowie der einzelnen Faktoren „Medien“ und „Urlaub“. Im Hinblick auf die Sprachkonstellation ist ein qualitativer Faktor besonders hervorzuheben: die Sprachkenntnisse in der Minderheitensprache (des Partners). 86 % der aktiv mehrsprachigen Kinder konnten beide Elternteile in der Minderheitensprache ansprechen. Daraus lässt sich schließen, dass aktiver Bi- und Trilinguismus dadurch gefördert wird, dass beide Elternteile in der Lage sind, die Minderheitensprache zu sprechen (dies bedeutet nicht, dass beide Muttersprachler sein müssen). Folglich können wir die Annahme von de Houwer (2007) bestätigen, dass es für einen aktiven Bi- und Trilinguismus von Vorteil ist, wenn beide Elternteile die Minderheitensprache sprechen. Obwohl wir die Konsistenz der verfolgten linguistischen Strategie der Sprecherziehung nicht überprüfen konnten, möchten wir auf die Ergebnisse von Poeste et al. (2019) verweisen, die unter anderem die Mischraten der in dieser Arbeit getesteten Kinder untersuchten. Unter den Kindern, die beim Sprechen mischten, gibt es einen hohen Anteil (63 %) von Kindern mit mindestens einem Elternteil, der mehr als eine Sprache mit dem Kind spricht. Dieser Anteil ist bei Kindern, die nicht mischen, geringer (42 %). In Bezug auf die linguistischen Strategien mit 1P-1S (LS 1 und LS 2) zeigt die Auswertung der elterlichen Daten, dass 58 % der Eltern, deren Kinder nicht mischten, diese Strategien nutzen. Dennoch nutzen auch 37 % der Familien, deren Kinder gemischt haben, diese Strategien. In Anbetracht der Gesamtergebnisse scheint es häufiger vorzukommen, dass ein Elternteil mit dem Kind zwei Sprachen spricht. Wir können daraus ableiten, dass die Kinder mit bilingual gerichteter Rede eines Elternteils eher ihre Sprachen mischen. Unsere Daten deuten daher darauf hin, dass die Konsistenz des Inputs die Konsistenz des Outputs begünstigt, wobei zu beachten ist, dass sie keinen aktiven Bibzw. Trilinguismus garantiert, wie bereits in verschiedenen Studien gezeigt wurde (Döpke 1992, De Houwer 2007, Kazzazi 2011, Quay 2001, Stavans & Swisher 2006). Folglich lässt sich die Annahme bestätigen, dass Konsistenz keine Garantie für eine aktive Mehrsprachigkeit, sondern ein bedingender Faktor ist. 93 5 Sprachmischungen und Sprachdominanz Meike Poeste In der Literatur wird oft angenommen, dass mehrsprachige Kinder ihre Erstsprachen mischen, wenn sie unbalanciert mehrsprachig sind. Die Richtung der Mischung erfolgt von der starken in die schwache Sprache. Im Folgenden soll das Verhältnis von Sprachdominanz und gemischtsprachlichen Äußerungen nicht nur bei bilingualen Kindern, sondern darüber hinaus auch bei Kindern mit mehr als zwei Erstsprachen untersucht werden. Das Kapitel führt in unterschiedliche Sichtweisen auf die Sprachdominanz ein und bewertet das Verhältnis zwischen Sprachmischungen und Sprachdominanz neu. 5.1 Theoretischer Hintergrund 5.1.1 Code-Switching Da im vorliegenden Kapitel gemischtsprachliche Äußerungen bilingualer, trilingualer und multilingualer Kinder im Zusammenhang mit ihrer sprachlichen Entwicklung untersucht werden, ist zunächst einmal der Begriff des Code-Switching (CS) zu definieren und in Abgrenzung zu anderen Phänomenen des Sprachkontakts zu erläutern. Anschließend sollen die verschiedenen CS-Prozesse Insertion, Alternation und kongruente Lexikalisierung beschrieben werden, die als Grundlage für eine alternative Analyse der Sprachmischungen dienen, welche im Kapitel 5.2.4 vorgestellt wird. 5.1.1.1 Definition von Code-Switching in Abgrenzung zu anderen Sprachkontaktphänomenen Code-Switching bei Erwachsenen ist wie folgt definiert: Mit Code-Switching [wird] der sanfte Sprachwechsel bezeichnet, so wie er bei bilingualen Personen vorkommt, welche beide Sprachen sehr gut beherrschen. Das Code-Switching ist ein Sprachstil, welcher auf struktureller, psycholinguistischer und soziologischer Ebene beschrieben werden muss. Es ist eine Erscheinungsform dessen, dass sich Sprecher bilingual verhalten. Hier sind die Grammatiken im Prinzip voneinander getrennt. Sprecher, die vom Code-Switching Gebrauch machen, können sich auch in den beteiligten Sprachen ‚monolingual‘ verhalten. Das Code-Switching entsteht nicht aufgrund eines Kompetenzmangels. (Müller et al. 2015: 24f.) Dieser ursprünglich von Gumperz (1964) eingeführte Begriff des Code-Switching wurde von diesem zur Bezeichnung einer Diskursstrategie verwendet, die von bilingualen Sprechern eingesetzt werden kann (vgl. Riehl 2014: 21). Wie in der Definition von Müller et al. (2015) beschrieben, ist es demnach eine von mehreren Möglichkeiten bilingualer Sprecher, sich 94 5 Sprachmischungen und Sprachdominanz auszudrücken. Lange Zeit standen soziale Faktoren, die das Code-Switching betreffen, im Vordergrund. Mit Poplack (1980), die bilinguale Sprecher mit Englisch und Spanisch in New York analysierte, begann jedoch auch die Erforschung der grammatischen Aspekte des intrasententialen CS in den Fokus zu rücken (vgl. Jansen, Müller & Müller 2012: 383). Das führt uns zur Unterscheidung zwischen intersententialem und intrasententialem CS, je nachdem in welchen sprachlichen Einheiten sich das gemischtsprachliche Material befindet. Intersententiales CS geschieht an der Satzbeziehungsweise Äußerungsgrenze. Bei intrasententialem CS erfolgt der Sprachenwechsel innerhalb des Satzes (vgl. Müller et al. 2015: 15). Intersententiales CS sehen wir im Beispiel (43a). (43b) ist ein Beispiel für intrasententiales CS. 43. a. Cuando yo la conocí, ‘Oh this ring, I paid so much -’ ‘When I met her, …’ (Pfaff 1979: 296) b. ¿Por qué te hicieron beat up ese? (Pfaff 1979: 297) Ein weiteres Phänomen des Sprachkontaktes ist die Entlehnung, also die Integration von Sprachmaterial aus der Sprache A (Gebersprache) in die Grammatik beziehungsweise das Lexikon der Sprache B (vgl. Müller et al. 2015: 18). Es existieren verschiedene Ansätze, wie die Entlehnung vom CS abzugrenzen ist, da Unterschiede schwer feststellbar sind, besonders im Vergleich mit dem CS-Prozess der Insertion (siehe weiter unten). Zentral für diese Unterscheidung scheint die Sprachkompetenz der Sprecher, da der Sprecher, im Unterschied zum insertionalen CS, bei der Entlehnung nicht in beiden Sprachen kompetent sein muss (vgl. Müller et al. 2015: 18). Uneinigkeit herrscht vor allem in den Fällen, in denen nur ein Wort in einer anderen Sprache geäußert wird. MacSwan (2005) und Poplack (2012) bezeichnen diese Sprachenwechsel, die nur ein Wort umfassen, als Entlehnungen, da sich ihre Struktur nicht von den im Lexikon kodifizierten Lehnwörtern unterscheidet, während es sich für Myers-Scotton (1993) auch bei einzelnen Wörtern aus einer anderen Sprache um CS handelt (vgl. Riehl 2014: 22). Somit kann festgehalten werden, dass es vor allem bei einzelnen gemischten Wörtern immer auch eine Frage der Definition ist, ob diese nun als Entlehnungen oder als CS eingestuft werden. Ein Beispiel ist das italienische Wort ciabatta, das im Deutschen gebraucht wird und ein neutrales Nomen ist (im Italienischen ein Femininum). Gebraucht eine monolingual deutsche Person dieses beim Bäcker, so ist dies ein deutlicher Fall von Entlehnung. Gebraucht eine deutsch-italienische Person dieses Wort, so kann, je nach Definition, auch von CS gesprochen werden. Als weiterer abzugrenzender Begriff sei an dieser Stelle der des Transfers zu nennen. Im Gegensatz zum CS handelt es sich beim Transfer um einen Prozess, der sich der Kontrolle seitens der Sprecher entzieht (vgl. Müller et al. 2015: 22). Außerdem kann es sich auch um Transfer handeln, wenn die Wörter nur aus einer Sprache stammen, aber Einflüsse der grammatischen Eigenschaften aus einer anderen Sprache nachgewiesen werden können. Ein 95 5.1 Theoretischer Hintergrund Beispiel wäre der hund macht putzen die auto aus dem untersuchten Datenmaterial. Das Kind Matthew ist zum Zeitpunkt der Äußerung 9 Jahre und 3 Monate alt (9; 3) und erwirbt Deutsch, Französisch und Englisch. Die deutsche Äußerung enthält allein deutsches Wortmaterial und könnte direkt ins Französische übersetzt werden, wo die Konstruktion grammatisch wäre: le chien fait laver la voiture. Selbst das Genus der beiden deutschen Nomina könnte seinen Ursprung in den französischen Nomina haben. CS beinhaltet aber gerade auch das gleichzeitige Vorkommen von lexikalischem Material aus mindestens zwei Sprachen. Während CS eine hohe Komplexität aufweist und somit kognitiver Aufwand vonnöten ist, gilt der Prozess des Transfers in der Zweitspracherwerbsforschung auch als eine Strategie der Vereinfachung (vgl. Müller et al. 2015: 22 f.). 5.1.1.2 Code-Switching-Prozesse Muysken (1997) unterscheidet hinsichtlich des Code-Switching zwischen drei verschiedenen Prozessen, die dem Sprachenwechsel zugrunde liegen können. Es handelt sich hierbei um den Prozess der Insertion, der Alternation und der kongruenten Lexikalisierung, wobei Letzteres durch eine geteilte grammatische Struktur von Elementen aus verschiedenen Sprachen gekennzeichnet ist (vgl. Muysken 1997: 362). Außerdem impliziert das Vor- und Zurückgehen zwischen den Sprachen, welches charakteristisch für den Prozess der kongruenten Lexikalisierung ist, Äußerungen mit mehr Wörtern, als die Kinder in der vorliegenden Studie mit einem durchschnittlichen Alter von 57 Monaten normalerweise produzieren. Aus diesem Grund liegt der Fokus im Folgenden auf den Prozessen der Insertion und der Alternation. Ausgehend von der Annahme, dass beide Arten des CS empirisch nachweisbar sind, schlägt Muysken verschiedene Kriterien zur Bestimmung desjenigen Prozesses vor, der hinter einer gemischtsprachlichen Äußerung steht. Eine Auswahl dieser diagnostischen Kriterien, welche in 5.1.1.3 erläutert werden, sind in der folgenden Tabelle (5.1) dargestellt. Des Weiteren beinhaltet die Tabelle alle drei CS-Prozesse. Das Pluszeichen kennzeichnet, dass das entsprechende Kriterium einen Indikator für den jeweiligen CS-Prozess darstellt. Die Anführung der von Muysken entwickelten Kriterien an dieser Stelle soll zunächst einem Überblick dienen. Sie werden nach der Erläuterung der CS-Prozesse der Insertion und der Alternation ausführlich beschrieben und in ihrer Bedeutung für die Unterscheidung verschiedener CS-Prozesse erklärt. 96 5 Sprachmischungen und Sprachdominanz Insertion Alternation Kongruente Lexikalisierung Eine Konstituente + Mehrere Konstituenten + Keine Konstituente + Peripherie + Verschachtelung a b a Keine Verschachtelung a b a + + + Selektivität + + Lineare Äquivalenz + + Länge + Komplexität + Höhere Satzgrenze + Markiertes Mischen + Lexikalische Kategorie Funktionswort Diskurspartikel, Adverbien + + + Adaptation + + Tab. 5.1: Diagnostische Kriterien der drei Code-Switching-Prozesse. Modifiziert nach Muysken (1997: 373) Die Thematisierung der Unterkategorien des CS, Insertion und Alternation, ist für die alternative Analyse unserer Daten im Kapitel 5.2.4 von zentraler Bedeutung. Dazu ist es jedoch zunächst wichtig zu verstehen, wie diese Prozesse definiert werden und unter welchen Bedingungen sie als gegeben gelten. Insertion Die Integration von Sprachmaterial aus der jeweiligen anderen Sprache eines bilingualen Sprechers oder aus einer der jeweiligen anderen Sprachen bei multilingualen Sprechern zeichnet den Prozess der Insertion aus. Auffällig bei diesem Prozess ist die Ähnlichkeit zur Entlehnung, ein weiteres Phänomen des Sprachkontakts, welches in Abgrenzung zum CS bereits erläutert wurde. Zur strukturellen Interpretation der Insertion ist zu sagen, dass es eine sprachliche Struktur A gibt, in die eine Konstituente der Sprache B mit Wörtern derselben Sprache eingebettet wird (vgl. Muysken 1997: 363). Konstituente: Eine Konstituente ist eine Kette von Terminalsymbolen, die von einem gleichen Knoten ausschließlich dominiert wird. Eine Konsituente ist minimal eine Phrase, sie kann jedoch auch aus mehreren Phrasen bestehen (Platz-Schliebs, Schmitz, Müller & Merino Claros 2012: 237). 97 5.1 Theoretischer Hintergrund Die beschriebene Struktur ist in Abbildung (5.1) dargestellt. Deutlich wird hierbei, dass der Prozess der Insertion immer im Zusammenhang mit einer Basissprache steht, in die Sprachmaterial aus einer anderen Sprache eingebettet wird. Abb. 5.1: Strukturelle Interpretation des CS-Prozesses der Insertion (Muysken 1997: 363) Beispiel (44) des bilingualen Kindes Arturo (Kap. 2) zeigt ein deutsches Nomen in einer spanischen Präpositionalphrase mit einer spanischen Präposition. Das Nomen arm bildet eine Nominalphrase und somit eine Konstituente, da es ausschließlich von der Nominalphrase dominiert wird.Diese Konstituente, welche in der Abbildung (5.1) mit dem Buchstaben B gekennzeichnet ist, besteht aus einem deutschen Wort. Es handelt sich somit um Sprachmaterial aus Sprache B (in diesem Fall Deutsch), eingebettet in Sprache A (in diesem Fall Spanisch). Als Basissprache gilt hierbei das Spanische, da die Sprachmischung während einer spanischen Aufnahme aufgetreten ist. Das bedeutet, dass auch die vorangehenden und folgenden Äußerungen des erwachsenen Interaktionspartners auf Spanisch sind. 44. Erwachsener: ay, otra maleta de médico / uy, tienes muchos muchas cosas / y esto ¿para qué es? / Arturo: para arm / Sp-Dt, 3; 1,2 Erwachsener: ¿para el brazo? / Bezüglich der Basis- oder auch Matrixsprache, die im vorherigen Beispiel als die Sprache der Aufnahme definiert wurde, existieren jedoch verschiedene Ansätze, um festzulegen, welche der beiden involvierten Sprachen als eben diese fungiert, wenn davon ausgegangen wird, dass eine gemischtsprachliche Äußerung über eine solche Matrixsprache verfügt. Ein möglicher Ansatz die Matrixsprache zu bestimmen ist, die generelle Sprache der Konversation als solche zu bezeichnen (vgl. Muysken 2000: 64). Ein anderer Ansatz ist das left-to-right-parsing, nach dem das erste Wort oder das erste Set an Wörtern in einem Satz die Basissprache bestimmt (vgl. Muysken 2000: 65). Dabei muss beachtet werden, dass Interjektionen, exklamative (z. B. oh) oder adverbiale Sprachelemente am linken Satzrand (z. B. In diesen Raum, da geh ich nicht rein) nicht als erste Elemente gezählt werden, da sie nicht die Struktur des folgenden Satzes bestimmen (vgl. Muysken 2000: 65). Außerdem kann die Matrixsprache rein quantitativ definiert werden als diejenige, aus der die meisten Morpheme einer Äußerung stammen (Myers-Scotton 1993: 68, zitiert nach Muysken 2000: 66). Oftmals wird auch das Hauptverb eines Satzes zur Bestimmung der Matrixsprache herangezogen, da es den syntaktischen und semantischen Kern ausmacht (Eichler, Hager & Müller 2012: 248f.). Die verschiedenen An- 98 5 Sprachmischungen und Sprachdominanz sätze zur Bestimmung der Matrixsprache in gemischtsprachlichen Äußerungen sind wichtig für die Insertion, während sie für den Prozess der Alternation nicht notwendig sind. Das ist darin begründet, dass beim Prozess der Alternation manche Elemente syntaktisch verbunden sind, andere dagegen einfach nur nebeneinander stehen (vgl. Muysken 2000: 68), also kein Einsetzen von Sprachmaterial in die Struktur einer anderen Sprache stattfindet. Alternation „Mit Alternation wird der Wechsel zwischen Sprachen bezeichnet, der sowohl die Grammatik als auch die Lexik der Sprachen umfasst“ (Müller et al. 2015: 17). Das bedeutet, es handelt sich um einen tatsächlichen Wechsel von der einen in die andere Sprache, der sowohl die Grammatik als auch den Wortschatz betrifft und bei dem nicht ein Segment aus einer Sprache in die andere Sprache integriert wird. Strukturell gesehen liegt, wie in Abbildung (5.2) dargestellt, bei Alternation eine Konstituente aus der Sprache A mit Wörtern aus der Sprache A gefolgt von einer Konstituente aus der Sprache B mit Wörtern aus der Sprache B vor. Abb. 5.2: Die strukturelle Interpretation des CS-Prozesses der Alternation (Muysken 1997: 362) Das konstruierte Beispiel (45) zeigt eine Konstituente un libro alemán aus Sprache B (in diesem Fall Spanisch), bestehend aus einer Determiniererphrase, welche einem Fragment aus Sprache A (in diesem Fall Deutsch) folgt. Da das spanische Fragment nicht nur Sprachmaterial aus dem Spanischen enthält, sondern außerdem der spanischen Syntax (Nomen-Adjektiv) folgt, kann nicht davon ausgegangen werden, dass es in das deutsche Fragment eingebettet ist oder umgekehrt. Demnach liegt ein tatsächlicher Wechsel von Lexik und Grammatik vor. 45. ich lese un libro alemán Nicht spezifiziert dagegen ist die Sprache der Konstituente, die A und B dominiert (vgl. Muysken 1997: 362f.). Sie kann entweder von A und B geteilt werden, was dem Modell der kongruenten Lexikalisierung entsprechen würde, oder entweder aus Sprache A oder aus Sprache B stammen. Letzteres könnte wiederum als Insertion auf Ebene des Satzes klassifiziert werden (vgl. Muysken 1997: 363). Es wird deutlich, dass die Frage nach der Definition der Satzeinheit ausschlaggebend für die Klassifizierung der CS-Prozesse ist. Je nachdem was als Einheit bezeichnet wird, resultieren daraus unterschiedliche Ergebnisse mit Blick auf die Unterscheidung von Alternation und Insertion. 99 5.1 Theoretischer Hintergrund 5.1.1.3 Kriterien zur Unterscheidung von CS-Prozessen nach Muysken Wie bereits beschrieben, geht Muysken davon aus, dass CS-Prozesse empirisch nachweisbar sind, und nennt dafür bestimmte Kriterien. Diese Kriterien sollen in ihrer Gesamtheit nutzbar sein, um eine bilinguale oder in der vorliegenden Studie auch tri- oder multilinguale Äußerung als ein Fall von Alternation, Insertion oder kongruenter Lexikalisierung zu charakterisieren (vgl. Muysken 1997: 365). Diese Kriterien sollen im Folgenden erläutert sowie für die alternative Analyse der Sprachmischungen im Kapitel 5.2.4 verwendet werden. Konstituenz Nachdem der Begriff der Konstituente bereits erläutert wurde, soll im Folgenden verdeutlicht werden, inwiefern das Kriterium der Konstituenz zur Unterscheidung der CS-Prozesse beitragen kann. Ist das Element in einer Äußerung, welches aus der anderen Sprache kommt, eine einzelne wohldefinierte Konstituente (z. B. Nominalphrase, Präpositionalphrase), ist es wahrscheinlich, dass es sich hierbei um Insertion handelt. Das gilt besonders für einzelne Wörter (vgl. Muysken 2000: 62). Werden allerdings mehrere Konstituenten aus der einen in die andere Sprache gewechselt, die zusammen nicht eine größere Konstituente ergeben, ist Insertion unwahrscheinlich und Muysken plädiert stattdessen für den Prozess der kongruenten Lexikalisierung (vgl. Muysken 1997: 365) oder auch für den der Alternation (vgl. Muysken 2000: 62). 46. So spät abends je l’ai jamais vu ici (Müller et al. 2015: 18) Das Beispiel (46) zeigt die adverbiale Bestimmung der Zeit so spät abends aus dem Deutschen, die eine einzelne Konstituente darstellt. Diese Konstituente ist in die französische Struktur eingebettet, da die Wortstellung dem Französischen entspricht (vgl. Müller et al. 2015: 18). Somit ist der Sprachenwechsel dem Prozess der Insertion zuzuordnen, wenn man nach dem Kriterium der Konstituenz entscheidet. 47. He was sitting down en la cama, mirándonos peleando, y really, I don’t remember si él nos separó … (Poplack 1980) Da das Beispiel (47) mit spanischen und englischen Elementen verschiedene Konstituenten enthält, wie beispielsweise en la cama als Präpositionalphrase, die mit den anderen spanischen Elementen keine größere Konstituente formt, hält Muysken Insertion für unwahrscheinlich und geht stattdessen von kongruenter Lexikalisierung aus (vgl. Muysken 1997: 366), die hier nicht näher beschrieben werden soll. Bei Alternation hingegen ist zu erwarten, dass mehrere Konstituenten innerhalb einer Sequenz gemischt werden, „since sentence planning takes place in an entirely different language after the switch“ (Muysken 2000: 96). Somit wird deutlich, dass nicht nur ein Wechsel der Lexik, sondern auch der Grammatik und somit auch der Planung des Satzes stattfindet, wie in dem konstruierten Satz „so spät abends habe ich jamais lu le livre“. Peripherie Das Kriterium der Peripherie oder auch Randstellung bezieht sich darauf, dass gemischtsprachliche Äußerungen oft dergestalt sind, dass der Satz in einer Sprache beginnt und in 100 5 Sprachmischungen und Sprachdominanz einer anderen fortgeführt wird. Die Grenze des Sprachenwechsels muss also nicht mit der natürlichen Satzgrenze übereinstimmen (vgl. Muysken 1997: 268). Das Kriterium der Peripherie nimmt demnach Bezug auf „the distinction between clause-central and clause-peripheral code-mixing“ (Muysken 2000: 100). Befindet sich nun das gemischte Element aus der anderen Sprache am Rand einer Äußerung, handelt es sich laut Muysken (1997) wahrscheinlich um Alternation. „Often, a switch involves a leftor right-dislocated element, or two conjoined clauses“ (Muysken 2000: 100). Letzteres, also die Koordination von zwei Sätzen, lässt sich durch folgendes Beispiel illustrieren. 48. Nadine est née au mois d’avril en dan in de maand oktober heb ik een winkel opengedaan in… Nadine was born in april/ and then in october I opened a shop in … (Treffers-Daller 1994: 30) Das Beispiel (48) aus der Studie von Treffers-Daller zeigt einen Sprachenwechsel zwischen Französisch und Niederländisch, der durch die Verbindung von zwei Sätzen gekennzeichnet ist und somit nach dem beschriebenen Kriterium eindeutig dem Prozess der Alternation zuzuordnen ist. Ein Beispiel für die Platzierung am linken Rand der Äußerung ist das folgende. 49. Les étrangers, ze hebben geen geld, hè? The foreigners, they have no money, huhm? (Treffers-Daller 1994: 207) Im Beispiel (49) wird das gemischte Element les étrangers, das sich zu Beginn der Äußerung am linken Rand befindet, im restlichen Satz mit ze „they“ nochmal aufgegriffen (vgl. Muysken 2000: 101). Demnach liegt keine Einbettung des französischen Elements vor, sondern vielmehr ein Wechsel, der hier zusätzlich durch das Komma markiert wird. Verschachtelung Das Kriterium der Verschachtelung bezieht sich auf die strukturelle Verbindung des gemischten Elements mit den vorangehenden und nachfolgenden Elementen aus der anderen Sprache. Geht dem gemischten Element B ein Element der anderen Sprache A voraus und folgt ihm gleichzeitig ein Element der anderen Sprache A, also A - B - A, und hängen diese drei Elemente strukturell zusammen, handelt es sich wahrscheinlich um Insertion (vgl. Muysken 1997: 368). Gibt es hingegen keinen strukturellen Zusammenhang, ist laut Muysken Alternation oder kongruente Lexikalisierung wahrscheinlicher. 50. Es una little box así y ya viene … It’s a little box like this and it comes already … (Lance 1975: 145) Bei diesem Beispiel wird die Nominalphrase little box aus dem Englischen in die spanische Nominalphrase eingebettet (vgl. Muysken 1997: 368), wodurch das gemischte Element strukturell mit dem vorangegangenen Element verbunden ist, indem sie zusammen eine Phrase bilden, und es sich somit um einen Fall von Insertion handelt. Im Gegensatz dazu ist das gemischte Element in folgendem Beispiel (51) mit den Elementen in seiner Umgebung nicht in ähnlicher Weise verbunden beziehungsweise das erste und letzte 101 5.1 Theoretischer Hintergrund Element stehen in keiner strukturellen Beziehung zueinander. Dadurch ist von Alternation oder kongruenter Lexikalisierung auszugehen (vgl. Muysken 1997: 368). 51. (A) Se me hace que (B) I have to respect her (C) porque ’ta… older It appears to me that… because [she] is… (Lance 1975: 143) Selektivität Mit Bezug auf Selektion des gemischten Fragments formuliert Muysken folgendes Kriterium: „If a switched fragment forms a constituent selected by an element in the fragment in the other language, insertion or congruent lexicalization are a good possibility. If not, alternation is a plausible option“ (Muysken 1997: 369). Das bedeutet, dass bei einer direkten Abhängigkeit, wenn das gemischte Element von einem Element aus der anderen Sprache selektiert wird, der Prozess der Insertion zugrunde liegt. Der Prozess der Alternation ist hingegen wahrscheinlicher, wenn eine solche Selektion nicht gegeben ist und es sich anstatt um ein selektiertes Element um ein Adjunkt handelt (vgl. Muysken 2000: 63). 52. We’ve got all these kids here right now, [los que están ya criados aquí] … those that already grow up here (Gumperz & Hernández Chavez 1975: 157) Da im Beispiel (52) keine direkte Abhängigkeit zwischen den Fragmenten der beiden Sprachen besteht, wird es nach Muyskens Kriterium als Alternation klassifiziert (vgl. Muysken 1997: 369). Das Weglassen des spanischen Relativsatzes, der die vorangehende englische Nominalphrase modifiziert, würde kein ungrammatisches Ergebnis produzieren. Das bedeutet, es handelt sich bei dem spanischen Fragment um ein Adjunkt und nicht um ein Komplement, denn „optionale phrasale Konstituenten werden als Adjunkte bezeichnet. Obligatorische phrasale Konstituenten werden Komplemente genannt“ (Platz-Schliebs et al. 2012: 243). Anders sieht es in folgendem Beispiel aus: „Los que están ya criados aquí got all these kids right now.“ Lineare Äquivalenz Liegt bei einem Sprachenwechsel lineare Äquivalenz zwischen den beiden involvierten Sprachen vor, ist nach Muysken Alternation oder kongruente Lexikalisierung wahrscheinlich. Bei keiner linearen Äquivalenz hingegen spricht er sich für den Prozess der Insertion aus (vgl. Muysken 1997: 369). Das bedeutet, dass bei den hier zu untersuchenden Daten jeweils geprüft werden muss, welche Sprachen in den intrasententialen Sprachmischungen involviert sind und ob die Wortreihenfolge in diesen Sprachen im konkreten Fall und auf der Sprachoberfläche einander entspricht oder sich voneinander unterscheidet (vgl. hierzu auch die Äquivalenzbeschränkung, die in Kapitel 10 in Müller et al. 2015 genau besprochen wird). So sind in beiden folgenden Beispielen Spanisch und Deutsch gemischt, wohingegen bei (53) lineare Äquivalenz zwischen den Sprachen vorliegt, bei (54) nicht. 53. ein mono ein Affe - un mono 54. con barriga dick mit dickem Bauch - con barriga gorda 102 5 Sprachmischungen und Sprachdominanz Lineare Äquivalenz zwischen den beiden Sprachen der bi-, tri- und multilingualen Kinder (Beispiel 53) spricht somit für Alternation oder kongruente Lexikalisierung, die jedoch in unserer Analyse nicht untersucht wird, während das Fehlen linearer Äquivalenz (Beispiel 54) Insertion als das wahrscheinlichere Ergebnis erscheinen lässt. Länge und Komplexität Mit Blick auf das Kriterium der Länge ist festzuhalten, dass Alternation wahrscheinlicher wird, je mehr Wörter ein gemischtes Fragment enthält. Von einer psycholinguistischen Perspektive aus nimmt demnach die Aktivierung der Matrixsprache ab, je mehr Wörter aus der eingebetteten Sprache kommen (vgl. Muysken 1997: 370). Verbunden mit der Länge der gewechselten Spracheinheit ist die Komplexität der Struktur des gemischten Fragments aus der anderen Sprache. Ähnlich wie bei dem Kriterium der Länge wird Alternation wahrscheinlicher als Insertion, je komplexer die Struktur eines gemischten Fragments ist (vgl. Muysken 1997: 371). 55. Right to 104th Street donde tenía una casa which were furnished rooms … where I had a house … (Sankoff & Poplack 1981: 35) Da in diesem Beispiel (55) das spanische Fragment donde tenía una casa einem vollen Satz entspricht, ist es sowohl dem Kriterium der Länge als auch dem der Komplexität nach als Alternation zu klassifizieren. Demnach ist es schwierig, einen solchen Sprachenwechsel als Insertion oder kongruente Lexikalisierung zu behandeln (vgl. Muysken 1997: 371). In diesem Zusammenhang ist es jedoch wichtig anzumerken, dass die Kriterien von Muysken zur Bestimmung der CS-Prozesse oftmals schwer anzuwenden sind. Zu kritisieren wäre beispielsweise die fehlende Definition von Länge und Komplexität, also ab welcher Anzahl von Wörtern eine Sprachmischung als lang klassifiziert wird und wie seine Struktur beschaffen sein muss, um als komplex oder einfach zu gelten. Ausgehend von dieser Kritik wurde in Poeste (2017) bei der Untersuchung von Sprachmischungen bei bilingualen Kindern im Alter von anderthalb bis fünf Jahren die durchschnittliche Äußerungslänge von drei Wörtern berechnet. Somit soll eine Äußerung der Kinder mit mehr als drei Wörtern als lang gelten. Bemerkenswert ist, dass die Abweichung vom durchschnittlichen MLU pro Erhebungszeitpunkt bei den Kindern i. d. R. unter drei liegt. Weitere Forschungen sind hier notwendig. Höhere Satzgrenze Mit Bezug auf die strukturelle Position des gemischten Fragments formuliert Muysken folgendes Kriterium. „[I]f the switch takes places at a major clause boundary, alternation is a plausible option“ (Muysken 2000: 99). Das bedeutet im umgekehrten Fall, dass ein Sprachenwechsel innerhalb einer Phrase für den Prozess der Insertion oder der kongruenten Lexikalisierung sprechen würde (vgl. Muysken 1997: 371). Da Muysken als Gegenbeispiel zum Sprachenwechsel an einer höheren Satzgrenze das Mischen innerhalb einer Phrase nennt, wird in der hier vorgenommenen Analyse davon ausgegangen, dass mit der höheren Satzgrenze alles außerhalb einer Phrase gemeint ist. Markiertes Mischen Die Unterscheidung zwischen einem sogenannten sanften Wechsel zwischen zwei Sprachen und dem durch Pausen oder bestimmte Partikeln markierten Wechsel ist laut Muysken re- 103 5.1 Theoretischer Hintergrund levant für die Charakterisierung der CS-Prozesse, wobei letzteres auf den Prozess der Alternation hinweisen würde (vgl. Muysken 2000: 101). 56. Daar zetten ze euh des barrières. There put they euh barriers (Treffers-Daller 1994: 219) Die Partikel euh würde in diesem Beispiel also den Sprachenwechsel markieren und die beiden Sprachen Niederländisch und Französisch voneinander trennen, wodurch Alternation als zugrundeliegender Prozess suggeriert wird (vgl. Muysken 2000: 101). Auf den ersten Blick widerspricht dieses Kriterium der Definition von CS als sanftem Wechsel, die dieser Arbeit zugrunde liegt. Laut unserer Definition treten beim CS gerade keine Häsitationen oder Pausen auf, welche für den Einsatz von Kompensationsstrategien aufgrund eines Kompetenzmangels in einer der Sprachen sprechen. Demnach muss davon ausgegangen werden, dass Pausen oder Partikeln wie zum Beispiel euh bewusst von den bilingualen Sprechern eingesetzt werden und nicht auf einen Kompetenzmangel zurückzuführen sind. Unter Beachtung dieses Aspekts lässt sich das Kriterium von Muysken mit dem hier vertretenen Verständnis von CS in Einklang bringen. Art der Kategorie Bei einzelnen gemischten Elementen ist es außerdem wichtig, auf die lexikalische Kategorie zu achten. Während Inhaltswörter, so wie Nomen oder Adjektive, für Insertion sprechen, handelt es sich beim Mischen von Diskurspartikeln und Adverbien wahrscheinlich um Alternation (vgl. Muysken 2000: 97). Als ein Beispiel, bei dem ein Diskursmarker aus dem Marokkanischen in die ansonsten niederländische Äußerung gemischt wird und das somit wahrscheinlich der Alternation zuzuordnen ist, nennt Muysken (1997: 372) folgendes. 57. Ik ben doktor wella ik ben ingenieur I am a doctor or I am an engineer (Nortier 1990: 142) Adaptation Das letzte Kriterium bezieht sich auf die Anpassung des gemischten Fragments in morphologischer und syntaktischer Hinsicht an die andere Sprache. Das bedeutet, bei morphologischer oder syntaktischer Modifizierung scheint Insertion oder kongruente Lexikalisierung wahrscheinlicher (vgl. Muysken 1997: 372) als Alternation. Da Alternation einen Wechsel nicht nur der Lexik, sondern auch der Grammatik impliziert, liegt es nahe, dass das gemischte Element nicht morphologisch integriert wird, sondern seine ursprüngliche Form behält. 58. A ver, trompea-ku-na. Let’s see, mistake. Let’s see, we will be wrong (Muysken 2000: 64) Das Beispiel (58) zeigt die beschriebene Integration des gemischten Elements mit Blick auf ein spanisches Morphem, das mit Suffixen aus dem Quechua verbunden ist. Dies zählt als ein Merkmal von Insertionen (vgl. Muysken 2000: 63). Zusammenfassend lässt sich sagen, dass nach den Kriterien von Muysken Insertionen dazu tendieren, einzelne Konstituenten zu enthalten, die strukturell mit den vorangehenden und 104 5 Sprachmischungen und Sprachdominanz folgenden Elementen verbunden sind. Außerdem spricht für den Prozess der Insertion, wenn das gemischte Element als Konstituente von einem Element der anderen Sprache selektiert wird und die Sprachmischung innerhalb einer Phrase stattfindet. Auch das Mischen von Inhaltswörtern, die morphologisch und syntaktisch integriert werden, lässt Insertion anstelle von Alternation vermuten. In Abgrenzung zum Prozess der Alternation muss zudem die Existenz einer Matrixsprache betont werden. „A matrix language is maintained, and the grammar of this matrix language determines the overall structure“ (Muysken 2000: 64). Alternation hingegen scheint dann wahrscheinlich, wenn mehrere Konstituenten gemischt werden, die zusammen keine einzelne Konstituente formen, und der Sprachenwechsel am Rand der Äußerung stattfindet. Außerdem handelt es sich bei Alternation um längere und komplexere gemischte Fragmente, die möglicherweise durch Pausen oder bestimmte Partikeln markiert werden. Mit Blick auf die lexikalische Kategorie werden bei der Alternation besonders Diskurspartikeln und Adverbien gemischt, bei denen keine Adaptation an die zweite Sprache, die mit in den Sprachenwechsel involviert ist, stattfindet. Im Anschluss an die Beschreibung der Kriterien zur Unterscheidung der CS-Prozesse muss weiterhin die Schwierigkeit einer Abgrenzung der verschiedenen Sprachkontaktphänomene betont werden. Zu diesem Zweck gibt es den Begriff des code-mixing als Oberbegriff (vgl. Müller et al. 2015: 24). Dieser Begriff der Sprachmischung (code-mixing) soll im Folgenden zur Bezeichnung gemischtsprachlichen Materials verwendet werden. Es bietet sich weiterhin an, den Begriff der Sprachmischung anstelle von CS zu verwenden, da im Folgenden das Mischverhalten von Kindern untersucht wird. Da sich diese noch in der Entwicklung ihrer Grammatik befinden und CS einen hohen Beherrschungsgrad der Sprachen erfordert, kann nicht eindeutig bestimmt werden, ob es sich bei den gemischtsprachlichen Äußerungen um CS handelt. Somit wird der Begriff der Sprachmischung verwendet, um die Anwendung von Material aus mindestens zwei Sprachen zu kennzeichnen. 5.1.2 Sprachdominanz In der Spracherwerbsliteratur wird immer wieder die Vermutung formuliert, dass Sprachdominanz Sprachmischungen bedingt. Bevor wir diese Vermutung am Beispiel von Kindern mit zwei und mehr als zwei Erstsprachen überprüfen wollen, soll zunächst der Begriff der Sprachdominanz nach Domänen und Dimensionen (Birdsong 2016) differenziert werden. Im Zusammenhang mit dem Begriff der Sprachdominanz ist das zweiteilige Konzept von Birdsong (2016) zu nennen, nach welchem zwischen Domänen und Dimensionen der Sprachdominanz unterschieden wird. Domänen der Sprachdominanz beziehen sich auf Situationen, Bedürfnisse, Absichten und soziale Funktionen, wohingegen die Dimensionen die linguistische Kompetenz, die Produktion und die Verarbeitung betreffen (vgl. Birdsong 2016: 86). 105 5.2 Sprachmischungen bei Kindern mit zwei und mehr als zwei Sprachen Letzteres beschreibt demnach die Sprachdominanz auf individueller Ebene und ließe sich mit der Bestimmung der Sprachdominanz anhand des Peabody in Verbindung bringen. Da dieser Test den rezeptiven Wortschatz der mehrsprachigen Kinder misst, kann eine Aussage zur Sprachentwicklung innerhalb des Individuums getroffen werden. Aus Birdsongs Perspektive spielen neben der individuellen Sprachentwicklung bilingualer oder im vorliegenden Fall auch tri- und multilingualer Sprecher außerdem soziolinguistische Faktoren eine entscheidende Rolle bei der Frage, welche Sprache(n) die mehrsprachigen Individuen besser beherrschen oder häufiger verwenden. Insofern kann die Beherrschung einer Sprache von der Notwendigkeit diese zu verwenden abhängen und somit als stark domänenspezifisch charakterisiert werden (vgl. Grosjean 2016: 68). Birdsong (2016: 86) illustriert die Unterscheidung zwischen Dimensionen und Domänen der Sprachdominanz anhand einer bilingual spanisch-englischen Mutter, die Englisch mit ihren Kindern spricht, auch wenn dies die Sprache ist, in der sie langsamer Wörter abrufen kann. In diesem Fall ist Spanisch die dominante Sprache mit Blick auf die Dimension des Abrufs lexikalischer Information, während Englisch in der Domäne, mit ihren Kindern zu sprechen, die dominante Sprache darstellt. Falls Sprachdominanz nun als Ursache für kindliche Sprachmischungen gilt, muss spezifiziert werden, ob sich hierbei auf Domänen oder Dimensionen bezogen wird. 5.1.3 Typologie Die Distanz zwischen Sprachen oder typologische Nähe spielt eine wichtige Rolle im Fremdspracherwerb (vgl. Kapitel 1). Da anzunehmen ist, dass dies nicht nur für den sukzessiven Spracherwerb, sondern auch für den simultanen Erwerb von mehr als zwei Sprachen gilt, versuchen wir das Konzept der typologischen Nähe auch auf die Kinder anzuwenden, die mit zwei oder mehr Erstsprachen aufwachsen. Dazu gilt es, zunächst den Begriff der typologischen Nähe für die vorliegende Studie zu definieren. Typologie: Als typologisch nah gelten die Sprachen einer Sprachfamilie (vgl. Muñoz-Liceras & de la Fuente 2015: 329). Somit soll alternativ zum möglichen Einfluss der Sprachdominanz auf das kindliche Mischverhalten der Faktor der linguistischen Typologie, also der Zugehörigkeit einer Sprache zu einer Sprachfamilie, im Zusammenhang mit Sprachmischungen analysiert werden. 5.2 Sprachmischungen bei Kindern mit zwei und mehr als zwei Sprachen Von insgesamt 126 Kindern wurden 122 in ihrem Spracherwerb in verschiedenen grammatischen Bereichen getestet. Zu Beginn eines Tests redete der Testdurchführer/ die Testdurchführerin zunächst einige Minuten mit dem Kind, um die Sprache des folgenden Tests zu bestimmen beziehungsweise auszuhandeln. Somit wurden die Kinder implizit aufgefordert, sich monolingual, im monolingualen Sprachmodus (vgl. Kapitel 1), zu verhalten. Sprachmi- 106 5 Sprachmischungen und Sprachdominanz schungen konnten dementsprechend während der Tests beobachtet werden, sobald das Kind eine andere als die zu Beginn festgelegte Sprache verwendete. Alle 122 Kinder wurden bezüglich ihres Mischverhaltens untersucht und tragen somit zur Quantifizierung des Mischens bei. Das bedeutet, dass die durchschnittliche Mischrate sich ergibt aus den beobachteten Sprachmischungen, welche zu der Gesamtzahl an Äußerungen aller Kinder in Bezug gesetzt werden. Die Informationen zur Sprachdominanz der Kinder waren jedoch nur für 107 Kinder verfügbar. Das liegt unter anderem daran, dass der Peabody nicht immer und nicht in allen Erstsprachen der Kinder durchgeführt wurde und dementsprechend die Sprachdominanz nicht bestimmt werden konnte. Wie bereits beschrieben waren die Kinder implizit aufgefordert, sich während der Tests monolingual zu verhalten, das Mischen der Sprachen zum Beispiel war nicht erwünscht. Ein Kommentar einer erwachsenen Interaktionspartnerin, die französische Tests mit dem trilingual deutsch-französisch-englischen Kind Gretha (4; 5,24) durchführte, verdeutlicht das Bestreben, eine monolinguale Gesprächssituation herzustellen. Die Äußerung des Erwachsenen faut qu’ tu m’ le dises en français parc’ que moi sinon je n’ te comprends pas / hein ? / zeigt, dass das Kind aufgefordert wird, nur eine Sprache zu benutzen, nachdem es zuvor überwiegend auf Deutsch geantwortet hat. Anfangs wurden die zu beobachtenden Sprachmischungen untersucht, um zu testen, inwieweit die Tests in dem beschriebenen Sinne funktionierten. Trotzdem können Sprachmischungen eigenständig analysiert werden, um herauszufinden, unter welchen Umständen sie trotz des einsprachigen Rahmens aufgetreten sind. Einer der Faktoren, die das Auftreten von Sprachmischungen beeinflussen können, ist Sprachdominanz, sowohl die domänenals auch die dimensionsspezifische Sprachdominanz. Wie bereits aus Kapitel 3 deutlich wurde, enthält die Stichprobe mehr balancierte als unbalancierte Kinder. Zu prüfen galt es in den folgenden Analysen das Verhältnis einer (un) balancierten Sprachentwicklung für solche Kinder, bei denen Sprachmischungen beobachtet wurden, um die Verbindung zwischen Sprachmischungen und Sprachdominanz beschreiben zu können. 5.2.1 Die Ergebnisse der gesamten Stichprobe Es muss festgehalten werden, dass die Mischrate insgesamt sehr niedrig ist. Die Kinder passen sich demnach an die monolinguale Gesprächssituation an und verwenden nur in 134 von 1913 realisierten Äußerungen zu den Testitems eine andere als die gewünschte Sprache. Hierbei sind inter- und intrasententiale Sprachmischungen in der folgenden Abbildung (5.3) zusammengefasst. Das entspricht einem Prozentsatz von 7. Die höchsten Mischraten weisen hierbei die tri- und multilingualen Kinder mit 9,8% beziehungsweise 9,3% auf, während die bilingualen Kinder mit 4,3% deutlich darunter liegen. Von allen Kindern mischen nur 45 Kinder überhaupt ihre Sprachen. Bei 43 von ihnen liegen Angaben zur Sprachdominanz vor. 107 5.2 Sprachmischungen bei Kindern mit zwei und mehr als zwei Sprachen Abb. 5.3: Anzahl der Sprachmischungen in der gesamten Stichprobe 5.2.1.1 Die Ergebnisse im Zusammenhang mit domänenspezifischer Sprachdominanz Mit Blick auf die Sprachkombinationen der getesteten Kinder tritt ein klares Bild bei den Kindern auf, die Katalanisch erwerben. Die Mischrate sinkt von 7 % auf 4,7%, sobald man alle katalanischen Tests herausnimmt. Das bedeutet, dass nur noch 83 von 1767 realisierten Items gemischt werden. Bei den trilingualen Kindern sinkt die Mischrate auf 5,1% und bei den multilingualen Kindern auf 4,4%. Der Prozentsatz an Sprachmischungen bei den bilingualen Kindern bleibt unverändert bei 4,3%, da keine Kinder mit der Kombination Katalanisch+X getestet wurden. Ausgehend von diesen Werten kann festgehalten werden, dass die Mischrate insgesamt unter 5 % liegt (absolute Anzahl: 83) und somit als sehr gering einzustufen ist. Nach der Anzahl der Sprachen unterteilt sind es die trilingualen Kinder mit 5,1% (43 Fälle), die am häufigsten mischen. Bilinguale weisen mit 4,3% die wenigsten Sprachmischungen auf und bei den 9 multilingualen Kindern ergibt sich ein Wert von 4,4% (8 Fälle). Interessanterweise mischten die Kinder, die Spanisch in den katalanischen Tests verwendeten, ihre Sprachen nicht, wenn sie Spanisch sprechen sollten. Des Weiteren mischten sie ausschließlich vom Spanischen ins Katalanische und nicht aus ihren anderen Sprachen. Diese relativ hohe Mischrate im Katalanischen kann unter Umständen mit der besonderen sprachpolitischen Situation in Spanien begründet werden. Alle katalanisch sprechenden Kinder 108 5 Sprachmischungen und Sprachdominanz wurden in Palma de Mallorca getestet, weshalb das Mischen möglicherweise aufgrund der bilingualen Umgebung forciert wurde. Boix-Fuster & Sanz (2008) gehen davon aus, dass gesellschaftlicher Bilinguismus in Katalonien in den meisten Situationen asymmetrisch zugunsten des Spanischen ist. Falls diese Ergebnisse auch auf die balearischen Inseln übertragen werden können, haben die Kinder in den hier durchgeführten Tests möglicherweise angenommen, dass alle Personen, die Katalanisch sprechen, ebenso in der Lage sind, Spanisch zu sprechen, umgekehrt dies jedoch nicht immer der Fall ist. Bezogen auf diese Annahme erscheint es naheliegend, die Unterscheidung zwischen domänen- und dimensionsspezifischer Sprachdominanz anzuwenden. Denn mit Blick auf das Abschneiden der Kinder im Peabody fällt auf, dass die Mehrheit der Kinder, die vom Spanischen ins Katalanische mischen, sehr gut im katalanischen rezeptiven Wortschatztest abschneidet. Demnach kann die Dimension der Sprachdominanz, also die linguistische Kompetenz innerhalb des Individuums gemessen anhand des Peabody, die hohe Mischrate in den katalanischen Tests nicht erklären. In diesem Fall ist die domänenspezifische Sprachdominanz ausschlaggebend, denn die Ergebnisse zeigen an, dass Spanisch die im Kontext der Schule in Palma de Mallorca, in der die Kinder getestet wurden, bevorzugte Sprache ist. Abgesehen von der domänenspezifischen Sprachdominanz und ihres möglichen Einflusses auf das Mischverhalten der in Palma de Mallorca getesteten Kinder gilt es weiterhin, den Einfluss der individuellen Sprachdominanz, die Dimension der Sprachdominanz, statistisch zu überprüfen. 5.2.1.2 Die Ergebnisse im Zusammenhang mit dimensionsspezifischer Sprachdominanz Die Bestimmung der Sprachdominanz innerhalb der Individuen auf Basis der Ergebnisse in den Peabody-Tests ergibt für 21 der 43 Kinder, die mischen, eine Einstufung als balanciert, während die anderen 22 Kinder Kennzeichen einer unbalancierten Sprachentwicklung aufweisen. Somit sind 48,8% der Kinder, bei denen Sprachmischungen vorliegen, balanciert und 51,2% gelten als unbalanciert. Dementsprechend kann nicht bestätigt werden, dass Kinder, die ihre Sprachen mischen, eine unbalancierte Sprachentwicklung aufweisen (Eichler 2011). Auch das Gegenteil ist unwahrscheinlich, nämlich dass unbalancierte Kinder öfter ihre Sprachen mischen, wie es generell in der Forschungsliteratur zu bilingualen Kindern angenommen wird. Insgesamt gibt es 77 Kinder, die ihre Sprachen nicht mischen, bei 63 von diesen mit Angaben zur Sprachdominanz. Diese sind sowohl balanciert (63,5%) als auch unbalanicert (36,5%). Da sich innerhalb der Gruppe von Kindern, die nicht mischen, geringfügig mehr balancierte als unbalancierte Kinder befinden, ist anzunehmen, dass es unwahrscheinlicher ist, dass balancierte Kinder ihre Sprachen mischen. Allerdings befinden sich auch innerhalb der gesamten Stichprobe mehr balancierte Kinder (63 %) als unbalancierte (37 %). Anders gesagt ließe sich die geringfügig höhere Anzahl an balancierten Kindern in der Gruppe der Kinder, die nicht mischen, in Verbindung bringen mit der höheren Anzahl an balancierten Kindern insgesamt. Bei den Kindern, bei denen Sprachmischungen zu beobachten sind, befanden sich sowohl unter den balancierten als auch unter den unbalancierten bilinguale, trilinguale und multi- 109 5.2 Sprachmischungen bei Kindern mit zwei und mehr als zwei Sprachen linguale Kinder (vgl. Abb. 5.4 und 5.5). Die Frage, die sich stellt, ist, ob es eine Verbindung zwischen den Sprachmischungen der Kinder und der Sprachdominanz innerhalb der bilingualen, trilingualen oder multilingualen Gruppe gibt. Es soll demnach untersucht werden, ob bilinguale Kinder, die mischen, besonders häufig eine balancierte oder eine unbalancierte Sprachentwicklung aufweisen beziehungsweise ob dasselbe für tri- und multilinguale Kinder gilt. Abb. 5.4: Anzahl bi-, tri- und multilingualer (un)balancierter Kinder, die ihre Sprachen mischen (gesamte Gruppe) 110 5 Sprachmischungen und Sprachdominanz Abb. 5.5: Anzahl bi-, tri- und multilingualer Kinder, die ihre Sprachen mischen (ohne katalanische Tests) Um diese Beziehung zwischen den Sprachmischungen der Kinder und der Sprachdominanz innerhalb der bi-, tri- und multilingualen Gruppe statistisch zu überprüfen, wurde ein Chi-Quadrat-Test durchgeführt. Er kommt bei nominalskalierten Daten zum Einsatz. Dazu gehören beispielsweise Geschlecht, Erstsprache, sozioökonomischer Status (vgl. Albert & Marx 2016: 150) oder wie in unserem Fall die Sprachdominanz, balanciert oder unbalanciert, und die Zugehörigkeit zur bi-, tri- oder multilingualen Gruppe. Die Durchführung des Chi-Quadrat-Tests erlaubt es zu prüfen, ob ein Zusammenhang zwischen den Sprachmischungen der Kinder und der Sprachdominanz innerhalb der bi-, tri- und multilingualen Gruppen besteht. Für weitere Erläuterungen zum Testverfahren verweisen wir auf Albert & Marx (2016: 136-139 und 150-152). Es zeigt sich, dass kein statistisch signifikanter Zusammenhang unter Annahme einer Zufallswahrscheinlichkeit unter 5 % (angegeben mit p<0,05, vgl. Albert & Marx 2016: 128) zwischen den Sprachmischungen der Kinder und der Sprachdominanz innerhalb der bi-, tri- und multilingualen Gruppen bestätigt werden kann (Χ² = 2,751, df(1), p = 0,97), da das Ergebnis eines Zusammenhangs zwischen den Variablen mit p = 0,97 zu 97 % auf den Zufall zurückzuführen ist. Wichtig hinzuzufügen ist an dieser Stelle, dass die tri- und multilingualen Kinder zu einer Gruppe zusammengefasst wurden, um ein reliables Ergebnis zu erhalten. Mit nur fünf Individuen wäre die Gruppengröße der Multilingualen zu gering gewesen, um verlässliche Ergebnisse zu erhalten. 111 5.2 Sprachmischungen bei Kindern mit zwei und mehr als zwei Sprachen Nun wollen wir auch prüfen, inwiefern die Interaktion beider Variablen, der Sprachdominanz und der Sprachanzahl, mit den Mischraten zusammenhängt. Zu diesem Zweck wurde eine zweiseitige ANOVA durchgeführt, bei der der Prozentsatz an Sprachmischungen als abhängige Variable betrachtet wurde und die Sprachdominanz sowie die Sprachanzahl als unabhängige Variablen, welche auch als Faktoren bezeichnet werden. Eine ANOVA eignet sich zum Vergleich von mehr als zwei Datensätzen, wenn hierbei intervallskalierte Daten vorliegen (vgl. Albert & Marx 2016: 146 und Webkapitel 10.1.4). Mehr als zwei Datensätze liegen vor, wenn es mehr als eine unabhängige Variable gibt, in unserem Fall die Sprachdominanz sowie die Sprachanzahl, oder mehr als zwei Ebenen einer Variable, das bedeutet beispielsweise die Testung von drei Gruppen oder die Mehrfachtestung von zwei Gruppen. Die statistische Analyse ergibt keine Signifikanz, das bedeutet, die Anzahl an Sprachmischungen hängt weder mit Sprachdominanz noch mit der Anzahl an Sprachen der Kinder zusammen (F(4,37) = 0,677, p = 0,514). Somit übt Sprachdominanz nicht nur insgesamt keinen entscheidenden Einfluss auf das kindliche Mischverhalten aus, sondern spielt auch mit Blick auf die einzelnen Gruppen der bi-, tri- und multilingualen Kinder keine relevante Rolle. Weiterhin lassen sich Informationen zu den Einstellungen innerhalb der Familien hinsichtlich des Mischens von Sprachen hinzufügen, da diese möglicherweise weitgehend voneinander abweichen und die Menge an Sprachmischungen beeinflussen könnten. Die Haltungen zum Mischen der Sprachen können zum Beispiel darin variieren, es zu fördern, es zu verhindern versuchen oder aus der Familienkommunikation zu verbannen. Aus diesem Grund verwenden wir die Ergebnisse des Elternfragebogens, der den Eltern der getesteten mehrsprachigen Kinder vor Beginn der Testungen ausgegeben wurde (vgl. Kapitel 4). Von 57 verfügbaren Elternfragebögen sind 19 den Kindern zuzuordnen, die Sprachmischungen produzieren, und 38 von Kindern, die ihre Sprache nicht mischen. Mit Blick auf die Kinder, die mischen, gibt es nur sechs Eltern (32 %), die angeben, ausschließlich eine Sprache innerhalb der Familie zu verwenden, wohingegen 13 Eltern (68 %) angeben, mehr als eine Familiensprache zu haben. Im Gegensatz dazu ist das Verhältnis zwischen einer und mehr als einer Familiensprache bei den Eltern der Kinder, die nicht mischen, ausgeglichen. 19 der Familien (50 %) geben an, nur eine Sprache innerhalb der Familie zu sprechen, und 19 der Familien (50 %) geben an, mehr als eine Familiensprache zu haben. Somit verursacht die Tatsache, mehr als eine Sprache innerhalb der Familie zu sprechen, kein Mischen der Sprachen, aber es kann festgehalten werden, dass Kinder, die ihre Sprachen mischen, oftmals mehr als eine Sprache in der Familienkommunikation verwenden. Weiterhin geben sieben Eltern der Kinder, die ihre Sprachen mischen (37 %), an, dass jeder Elternteil nur eine Sprache mit dem Kind spricht. Bezüglich der Elternfragebögen der Kinder, die nicht mischen, ist zu beobachten, dass 22 Eltern (58 %) angeben, dass jeder Elternteil nur eine Sprache in der Kommunikation mit dem Kind verwendet. Folglich tritt die Situation, dass jeder Elternteil nur eine Sprache mit dem Kind spricht, seltener auf bei Kindern, die ihre Sprachen mischen. Aufgrund der geringen Menge an Daten können wir nur vorsichtig schlussfolgern, dass mehr als eine Sprache in der Familie zu verwenden sowie das Kind in der Eltern-Kind-Kommunikation in mehr als einer Sprache zu adressieren für einen toleranteren Umgang mit Sprachmischungen auf Seiten der Eltern und somit auch im kindlichen Input spricht. Eine liberale Einstellung gegenüber dem 112 5 Sprachmischungen und Sprachdominanz Mischen der Sprachen auf Seiten der Eltern führt möglicherweise auch zu einem liberalen Umgang auf Seiten des Kindes. Die nachfolgenden Abbildungen stellen die beschriebenen Informationen aus den Elternfragebögen dar für die Kinder, die mischen (Abb. 5.6), sowie für die Kinder, die nicht mischen (Abb. 5.7). Abb. 5.6: Informationen zu den Familiensprachen der Kinder, die mischen 113 5.2 Sprachmischungen bei Kindern mit zwei und mehr als zwei Sprachen Abb. 5.7: Informationen zu den Familiensprachen der Kinder, die nicht mischen 5.2.2 Analyse der Sprachmischungen: intersentential Eine Untersuchung der Literatur legt eine Unterscheidung zwischen inter- und intrasententialem Mischen nahe. Bis jetzt haben wir die beiden gemeinsam betrachtet. Im Folgenden werden wir inter- und intrasententiale Sprachmischungen separat untersuchen. 111 von 134 Sprachmischungen können als intersentential klassifiziert werden, so dass der Wechsel der Sprachen zwischen zwei Äußerungen stattfindet. Produziert ein Kind beispielsweise eine deutsche Äußerung in einem spanischen Test, handelt es sich hierbei um eine intersententiale Sprachmischung. Zu 106 dieser 111 intersententialen Sprachmischungen existieren Informationen mit Blick auf die Sprachdominanz der Kinder, die die Sprachmischungen produziert haben. Da 111 der 134 Sprachmischungen als intersentential klassifiziert werden können, liegt ein deutliches Ungleichgewicht zugunsten dieser vor. Dieses Ergebnis stimmt mit dem Ergebnis aus Schmeißer, Eichler, Arnaus Gil & Müller (2016a: 261) überein, nach dem intersententiale Sprachmischungen generell häufiger auftreten als intrasententiale. 57 der 106 intersententialen Sprachmischungen wurden von balancierten Kindern produziert und 49 von unbalancierten. Ein Zweistichproben t-Test unter der Annahme unterschiedlicher Varianzen zeigt auf, dass kein statistisch relevanter Unterschied besteht (t = 0,118, df(32), p = 0,907). Anders gesagt hängen Sprachdominanz und intersententiales Mischen 114 5 Sprachmischungen und Sprachdominanz nicht miteinander zusammen. Ohne die katalanischen Tests, die aus bereits beschriebenen Gründen herausgenommen wurden, lassen sich 58 anstatt 106 Sprachmischungen beobachten. Der Unterschied zwischen Sprachmischungen, die von balancierten Kindern (n=26) und von unbalancierten Kindern (n=32) produziert wurden, bleibt jedoch statistisch nicht signifikant (t= -0,393, df(16), p = 0,699). Dieses Ergebnis steht im Widerspruch zu Schmeißer et al. (2016a), da hier hauptsächlich intersententiales Mischen in den schwachen Sprachen der vier (deutsch-französisch) bilingualen Kinder beobachtet wurde. Es gilt jedoch zu beachten, dass die Kinder in Schmeißer et al. (2016a) jünger waren als in der vorliegenden Studie und außerdem longitudinal untersucht wurden. Dies ist relevant, da Schmeißer et al. (2016a: 261) herausfinden, dass nur bei Kindern, die durchgehend eine Sprachdominanz aufweisen, diese mit den intersententialen Sprachmischungen zusammenhängt. Das bedeutet: Ausschließlich Kinder, die über den gesamten Untersuchungszeitraum hinweg eine dominante und eine schwache Sprache haben, produzieren signifikant häufiger intersententiale Sprachmischungen. Hierzu können wir in der vorliegenden Untersuchung keine Aussage treffen, da es sich um eine Elizitationsstudie handelt, die einen Einblick in die momentane Sprachdominanz der Kinder erlaubt, jedoch keine Informationen zulässt, inwiefern sich diese im Laufe der Zeit verändert. 5.2.3 Analyse der Sprachmischungen: intrasentential Mit 23 intrasententialen Sprachmischungen von insgesamt 1913 realisierten Items in den verschiedenen Grammatiktests lassen sich nur Tendenzen bezüglich des intrasententialen Mischens bei multilingualen Kindern skizzieren. Während 13 intrasententiale Mischungen von sieben balancierten Kindern produziert wurden, können zehn Mischungen bei acht unbalancierten Kindern beobachtet werden. Diese Ausgeglichenheit bezüglich balancierter sowie unbalancierter Sprachentwicklung und den Sprachmischungen wird durch einen Zweistichproben t-Test unter der Annahme unabhängiger Varianzen bestätigt, indem kein statistisch relevanter Unterschied auftritt (t=1,245, df(8), p=0,248). Dasselbe Ergebnis erhält man, wenn man die katalanischen Tests ausschließt. Die absolute Anzahl an intrasententialen Mischungen, die von balancierten Kindern produziert wurde, ist elf, wohingegen die Anzahl an Mischungen von unbalancierten neun beträgt. Der Unterschied ist statistisch nicht signifikant (t=1,892, df(4), p=0,146). Auch wenn die Anzahl intrasententialer Sprachmischungen relativ gering ist, kann man schlussfolgern, dass Sprachdominanz kein bestimmender Faktor ist, wenn es zum Mischen der Sprachen innerhalb einer Äußerung kommt. 5.2.4 Eine alternative Analyse Aus der Literatur zum (sukzessiven) Drittspracherwerb (Rothman 2011, 2015, vgl. Kapitel 1) wissen wir, dass die Sprachtypologie ein wichtiges Konzept zur Erklärung von Spracheneinfluss ist. In den vorliegenden Daten können wir hauptsächlich zwischen der germanischen und der romanischen Sprachfamilie unterscheiden. Außerdem können Spanisch und Kata- 115 5.2 Sprachmischungen bei Kindern mit zwei und mehr als zwei Sprachen lanisch als typologisch näher angesehen werden als Französisch, da die ersten beiden zum Beispiel Nullsubjektsprachen sind, wohingegen in letzterer das Subjekt realisiert werden muss. Mit Blick auf die intersententialen Sprachmischungen der analysierten Kinder wird in 51 Fällen die Sprache verwendet, die typologisch näher zu der Kontextsprache des Tests ist (vgl. Abb. 5.8), wobei psychotypologische Nähe aus bereits erläuterten Gründen außen vor gelassen wird. Abb. 5.8: Richtung von intersententialen Sprachmischungen hinsichtlich der typologischen Nähe Die Zuordnung zu den einzelnen Kategorien ist folgendermaßen zu erklären. „Aus der typologisch näheren Sprache“ bedeutet, dass beispielsweise ein deutsch-französisch-spanisches Kind in der spanischen Testung eine französische Äußerung produziert: Spanisch und Französisch gehören zur romanischen Sprachfamilie. Eine deutsche Sprachmischung in der spanischen Testung eines deutsch-spanisch-italienischen Kindes wird zur Kategorie „aus der typologisch weiter entfernten Sprache“ gezählt, da Spanisch und Deutsch zu unterschiedlichen Sprachfamilien gehören, wohingegen die dritte Sprache des Kindes, Italienisch, als typologisch nah zur Sprache der Testung, Spanisch, gilt. Unter die Kategorie „typologische Nähe nicht eindeutig zu identifizieren“ fällt beispielsweise die Situation, dass ein spanisch-deutsch-russisches Kind in der deutschen Testung eine spanische Äußerung produziert. Da weder Deutsch und Spanisch noch Deutsch und Russisch einer Sprachfamilie angehören, kann in diesem Fall die typologische Nähe nach unserer Definition von Typologie nicht bestimmt werden. Unter „von Bilingualen produzierte Sprachmischungen“ fallen dem 116 5 Sprachmischungen und Sprachdominanz Namen nach alle Sprachmischungen von Bilingualen, zu denen keine Aussage bezüglich typologischer Nähe getroffen werden kann, da bilinguale Kinder nicht zwischen zwei Sprachen B oder C entscheiden können, um in A zu mischen. Das bedeutet, dass z. B. ein bilingual deutsch-spanisches Kind während des spanischen Tests ausschließlich aus dem Deutschen mischen kann und nicht die Möglichkeit hat, zwischen einer typologisch nahen Sprache und einer Sprache aus einer anderen Sprachfamilie zu wählen. Das Ergebnis, dass in 51 Mischungen die typologisch nähere Sprache involviert ist, kann u. a. durch die höhere Anzahl an spanischen Äußerungen in katalanischen Tests erklärt werden. Nur in elf Fällen kommt die Sprachmischung aus der typologisch weiter entfernten Sprache. Das ist, wie bereits beschrieben, der Fall, wenn zum Beispiel ein deutsch-spanisch-italienisches Kind im spanischen Test eine deutsche Äußerung produziert, obwohl es mit Italienisch Zugang zu einer weiteren Sprache derselben Sprachfamilie (romanisch) gehabt hätte. Ein Zweistichproben t-Test unter der Annahme unterschiedlicher Varianzen zeigt, dass der Unterschied zwischen der Verwendung der typologisch näheren und der weiter entfernten Sprache statistisch signifikant ist (t = 3,13, df(13), p = 0,008). Somit kann festgehalten werden, dass die typologische Nähe zwischen den Sprachen der tri- und multilingualen Kinder die Richtung der intersententialen Sprachmischungen beeinflusst. Es bleiben 23 intersententiale Sprachmischungen übrig, für die nicht entschieden werden kann, welche Sprache die typologisch nähere ist. Von den 23 Sprachmischungen, in denen keine typologisch nähere Sprache zur Sprache des Tests bestimmt werden kann, wird die Umgebungssprache (hier Deutsch bzw. Spanisch) verwendet. Anders gesagt, wenn es keine eindeutig typologisch nähere Sprache gibt, scheint das Kind die Sprache zu verwenden, die in seiner Umgebung gesprochen wird. Prüft man den Zusammenhang zwischen intrasententialen Sprachmischungen und typologischer Nähe, lässt sich folgendes Ergebnis beschreiben: Während in zehn intrasententialen Sprachmischungen die typologisch nähere Sprache verwendet wird, so ist es in sieben Fällen die typologisch weiter entfernte. Wir können daraus möglicherweise schlussfolgern, dass typologische Nähe keine Rolle beim intrasententialen Mischen der Sprachen spielt, jedoch ist die Anzahl der Mischungen zu gering, um verlässliche Aussagen treffen zu können. Die Integration von Sprachmaterial der entsprechend anderen Sprache(n) von bilingualen, trilingualen oder multilingualen Kindern ist ein Merkmal des Prozesses der Insertion, wie bereits beschrieben wurde. Im Gegensatz dazu bedeutet Alternation ein Wechsel zwischen den Sprachen, der sowohl die Grammatik als auch die Lexik der Sprachen umfasst. Wendet man nun die Kriterien zur Unterscheidung der CS-Prozesse nach Muysken auf die vorliegenden intrasententialen Sprachmischungen an, ergibt sich folgendes Ergebnis. Wie in untenstehender Abbildung (5.9) zu erkennen ist, lassen sich alle intrasententialen Sprachmischungen dem Prozess der Insertion zuordnen, allerdings mit unterschiedlich vielen Merkmalen, die für Insertion sprechen. Es gibt zwei Fälle, in denen sieben Merkmale Insertion anzeigen, zwei Fälle, in denen acht Merkmale Insertion anzeigen, 17 Fälle, in denen neun Merkmale Insertion anzeigen und einen Fall, in dem elf Merkmale für Insertion sprechen. 117 5.2 Sprachmischungen bei Kindern mit zwei und mehr als zwei Sprachen Abb. 5.9: Zuordnung intrasententialer Sprachmischungen zu den CS-Prozessen anhand der Merkmale für Insertion Unter der Annahme, dass Insertion vorliegt, wenn mehr als die Hälfte der Merkmale (=7) für diesen CS-Prozess sprechen, lassen sich 23 von 23 intrasententialen Mischungen als solche klassifizieren. Ein wichtiges Ergebnis dieser Analyse ist außerdem, dass sich die Prozesse der Insertion und der Alternation auf einem Kontinuum bewegen. Muysken selbst beschreibt die Merkmale, die zur Unterscheidung der CS-Prozesse verwendet werden, als Merkmale, die einen bestimmten CS-Prozess wahrscheinlicher oder unwahrscheinlicher machen, sie gelten jedoch nicht absolut (vgl. Muysken 1997: 365 ff.). In den vorliegenden Daten werden 13 der als Insertion klassifizierten intrasententialen Sprachmischungen von balancierten Kindern produziert und fünf von unbalancierten Kindern. Für vier Kinder kann dies nicht untersucht werden, da die Informationen zu ihrer Sprachdominanz nicht vorliegen. Für weitere Analysen ist die Datenlage nicht ausreichend. Trotzdem erscheint uns das Ergebnis, dass alle Fälle von intrasententialer Sprachmischung als Insertion einzustufen sind, interessant, so dass es in zukünftigen Forschungen weiter verfolgt werden sollte. 118 5 Sprachmischungen und Sprachdominanz 5.3 Zusammenfassung Ein zentrales Ergebnis unserer Untersuchung ist, dass Sprachmischungen in monolingualen Gesprächssituationen selten auftreten (durchschnittliche Mischrate von 7 % und 4,7% ohne die katalanischen Tests). Dementsprechend sind nicht nur bilinguale, sondern auch tri- und multilinguale Kinder in der Lage, sich in einer monolingualen Situation monolingual zu verhalten. Des Weiteren kann die Annahme aus der Literatur, dass eine unbalancierte Sprachentwicklung das Mischen der Sprachen beeinflusst, nur zum Teil bestätigt werden. Betrachtet man die Unterscheidung zwischen Domänen und Dimensionen der Sprachdominanz (Birdsong 2016), lässt sich eine domänenspezifische Sprachdominanz bei den katalanischsprachigen Kindern vermuten. Eine solche domänenspezifische Sprachdominanz könnte die relativ hohe Mischrate in den katalanischen Tests erklären. Bezüglich der Dimensionen der Sprachdominanz wurde jedoch kein Zusammenhang zwischen den Sprachmischungen der Kinder und Sprachdominanz oder Balanciertheit gefunden. Das Ergebnis bleibt bestehen, auch wenn zwischen inter- und intrasententialen Sprachmischungen unterschieden wird. Folglich ist eine unbalancierte Sprachentwicklung nicht der Grund für das Auftreten von Sprachmischungen. Die Untersuchung intersententialer Sprachmischungen hat gezeigt, dass eine Tendenz hinsichtlich des Einflusses der typologisch näheren Sprache der Kinder besteht. Alle intrasententialen Sprachmischungen wurden dem Prozess der Insertion zugeordnet. 119 6 Erwerb finiter Verben im Deutschen: Hauptsätze Laia Arnaus Gil & Natascha Müller Monolingual deutsche Kinder durchlaufen die sogenannte V-End-Phase, während der sie finite Verben in deutschen Hauptsätzen satzfinal stellen. Mehrsprachige Kinder überspringen diese Erwerbsphase. Die Erfahrung mit anderen Sprachen als dem Deutschen (hier: mit romanischen Sprachen) hilft dem mehrsprachigen Kind, die syntaktischen Eigenschaften der Verbstellung in deutschen Hauptsätzen quasi fehlerfrei zu erwerben. 6.1 Stellung des finiten Verbs bei monolingualen und mehrsprachigen Kindern: Hauptsatz Monolingual deutsche Kinder durchlaufen beim Erwerb der Wortstellung eine Phase, während der sie finite wie infinite Verben in Hauptsätzen satzfinal stellen. Für infinite Verben wie Infinitive (anziehen) und Perfektformen (angemalt) ist dies bereits die richtige Abfolge, also alle wieder anziehen und der da is ein bisschen angemalt (Chantal, 2; 9). Das Deutsche zählt zu den V2-Sprachen (vgl. Kapitel 1.4), das heißt, dass finite Verben in Hauptsätzen der ersten Konstituente unmittelbar folgen. Für die Platzierung von finiten Verben in satzfinaler Position durch monolingual deutsche Kinder wollen wir die Beispiele in (59) bis (66) vom Kind Chantal anführen. 59. geschenke bringt (2; 2,25) 60. da oben hört (2; 2,2) 61. hemd ankriegt (2; 2,25) 62. beule hat (2; 3,21) 63. wasser nass is (2; 4,4) 64. weinemann rude hat (2; 4,4) 65. eisnbahn aus ist (2; 4,18) 66. de wohl rauf will (2; 6) Diese sogenannte V-End-Phase dauert bei monolingual deutschen Kindern bis zirka 2; 6/ 3; 0 an (Clahsen, Penke & Parodi 1993/ 1994, Clahsen, Eisenbeiss & Penke 1996). Während die Kinder Äußerungen wie in (59) bis (66) tätigen, benutzen sie auch zielsprachliche V2-Stellungen, wie in (71) bis (74). 67. geht nicht (2; 2,25) 68. papa fährt (2; 3,6) 69. will nich (2; 3,21) 70. passt das (2; 4,4) 71. aufmachen kann ich (2; 4,4) 120 6 Erwerb finiter Verben im Deutschen: Hauptsätze 72. papa kennt nich (2; 4,28) 73. die tut nix (2; 5,3) 74. bald kaputt geht das männlein (2; 6) Die Beispiele (67), (69) und (70) enthalten kein realisiertes Subjekt. Sie entstammen einer früheren Erwerbsphase als die Beispiele (68) und (71) bis (74), die alle ein realisiertes Subjekt aufweisen. Wir möchten darauf hinweisen, dass alle Sätze in (67) bis (74) durch den Hörer interpretierbar sind; sie sind jedoch ungrammatisch. Die satzfinale Stellung des Finitums ist bei manchen Kindern das häufigste Stellungsmuster während früher Erwerbsphasen, d. h. vor dem Alter von drei Jahren. Repetto & Müller (2010) und Schmeißer & Jansen (2016) gehen der Existenz einer solchen für monolingual deutsche Kinder charakteristischen V-End-Phase bei von Geburt an bilingualen Kindern nach. Sie analysieren hierfür Longitudinalstudien. Repetto & Müller (2010) zeigen für deutsch-italienisch bilinguale Kinder, dass eine solche Phase im Erwerb des Deutschen nicht existiert. Alle untersuchten Kinder verwenden V-End-Konstruktionen zu einem Prozentsatz, der weit unter 5 % liegt. Dies ist selbst bei Kindern der Fall, die das Deutsche als schwache Sprache entwickeln. Schmeißer & Jansen (2016) bestätigen diese Ergebnisse für deutsch-französisch bilinguale Kinder. Müller (2017) zeigt, dass die V-End-Konstruktionen selbst bei Kindern im Deutschen fast vollständig fehlen, wenn diese drei Sprachen gleichzeitig erwerben. Einen Überblick der bisher in der Literatur untersuchten Kinder bietet die Abbildung (6.1). Abb. 6.1: Prozentualer Anteil von V-End-Konstruktionen an allen Konstruktionen mit finitem Verb im Deutschen: monolinguale, bilinguale und trilinguale Kinder im Vergleich 121 6.2 Stellung des finiten Verbs bei monolingualen und mehrsprachigen Kindern: Nebensatz Wir dürfen festhalten, dass sich in Longitudinalstudien abzeichnet, dass bilinguale und trilinguale Kinder im deutschen Hauptsatz finite Verben von Beginn an überwiegend zielsprachlich positionieren. 6.2 Stellung des finiten Verbs bei monolingualen und mehrsprachigen Kindern: Nebensatz Müller (1998) und Müller & Patuto (2009) zeigen für dieselben mehrsprachigen Kinder aus der Abbildung (6.1) Probleme mit der zielsprachlichen Endstellung des Finitums im konjunktionalen Nebensatz auf. Zirka jedes zweite mehrsprachige Kind gebraucht nicht-zielsprachliche Wortstellungen im deutschen Nebensatz über einen längeren Zeitraum, der mehr als ein Jahr umfassen kann. Alle Kinder, die Erwerbsprobleme aufweisen, gebrauchen unabhängig von der/ den jeweiligen romanischen Sprache(n) die Abfolge Subjekt + finites Verb + X. Nur die Kinder, die zusätzlich zum Deutschen auch das Französische erwerben, gebrauchen eingebettete V2-Konstruktionen wie in (75). Kinder, die das Italienische zeitgleich mit dem Deutschen erwerben, gebrauchen eingebettete V1-Konstruktionen wie in (76). Zum gleichen Zeitpunkt gebrauchen die Kinder auch zielpsrachlich V-End geordnete Nebensätze. 75. … Wenn da komm andere schiffe (Müller 1998: 158, 3; 5,7) 76. … Wenn machst du das (Müller & Patuto 2009: 314,3; 9,1) Die in der Abbildung (6.1) genannten monolingual deutschen Kinder erwerben die deutsche Nebensatzwortstellung ohne Umwege; mit der Produktion der ersten Nebensätze steht das Finitum in der satzfinalen Position. Monolingual deutsche Kinder durchlaufen die sogenannte V-End-Phase, während der finite Verben im deutschen Hauptsatz satzfinal stehen. Sobald erste konjunktional eingeleitete Nebensätze produziert werden, sind diese zielsprachlich; das finite Verb befindet sich in satzfinaler Position. Mehrsprachige Kinder platzieren das finite Verb im deutschen Hauptsatz von Beginn an in der zielsprachlichen V2-Position. Die deutsche Nebensatzstellung finiter Verben bereitet jedem zweiten mehrsprachigen Kind Schwierigkeiten. Diese Beobachtungen deuten darauf hin, dass der gleichzeitige Erwerb des Deutschen und einer romanischen Sprache Vorteile für den deutschen Hauptsatz und Nachteile für den deutschen Nebensatz mit sich bringen kann. Wir dürfen in jedem Fall davon ausgehen, dass die Beobachtungen hinsichtlich des deutschen Hauptsatzes nicht dergestalt interpretiert werden dürfen, dass mehrsprachige Kinder die V-End-Phase deshalb überspringen, da sie aufgrund des Spracheneinflusses aus der romanischen Sprache Finitheit früher erwerben als monolingual deutsche Kinder. 122 6 Erwerb finiter Verben im Deutschen: Hauptsätze 6.3 Ein Erklärungsansatz Biberauer & Richards (2006: 37) zeigen, dass in Sprachen wie dem Afrikaans konjunktionale Nebensätze mit der Abfolge SVX und V-End grammatisch sind und dieselbe Interpretation aufweisen. Beispiele wie in (77) illustrieren, dass wir es nicht nur in der Kindersprache mit Optionalität zu tun haben. 77. a. Ek weet dat [sy dikwels Chopin gespeel] vP het b. Ek weet dat [sy] DP het dikwels Chopin gespeel Ich weiß dass sie (hat) oft Chopin gespielt (hat) Die Sätze in (77) wären im gesprochenen Deutsch mit der Konjunktion weil möglich. 78. a. Ich freue mich weil sie oft Chopin gespielt hat b. Ich freue mich weil sie hat oft Chopin gespielt Arnaus Gil & Müller (2018a) argumentieren, dass ein und dasselbe (syntaktische) Merkmal dafür verantwortlich ist, dass Kinder im Deutschen V2- und V-End-Konstruktionen verwenden. Das sogenannte EPP-Merkmal in der syntaktischen Kategorie für TEMPUS (T) führt dazu, dass jeder finite (tempusmarkierte) Satz ein Subjekt enthält. Das Merkmal muss also in der Syntax durch eine Phrase in der Subjektposition gesättigt werden. Dies kann entweder dadurch erfolgen, dass das Subjekt „sie“ in diese Position verschoben wird (vgl. 79a). Eine andere Möglichkeit ist, dass die gesamte Verbalphrase (vP) „sie oft Chopin gespielt“ in dieser Position erscheint (vgl. 79b). Mit Hilfe dieses Beschreibungsapparats könnte man für die V-End-Phase bei monolingual deutschen Kindern vermuten, dass diese beide Mechanismen zur Sättigung des EPP-Merkmals in der Syntax ausschöpfen; mehrsprachige Kinder mit einer romanischen Sprache bevorzugen diejenige Option, die auch in den romanischen Sprachen (einzig) möglich ist, nämlich die Verschiebung des Subjekts „sie“ in die Subjektposition. Als Konsequenz ergibt sich die Stellung des finiten Verbs nach der ersten Konstituente, in der V2-Position. 79. a) Syntaktische Struktur eines konjunktional eingeleiteten Nebensatzes mit V2-Position im Afrikaans 123 6.4 Der Crazy-House-Test: Ergebnisse bei mehrsprachigen Kindern b) Syntaktische Struktur eine konjunktional eingeleiteten Nebensatzes mit satzfinalem Finitum im Afrikaans 6.4 Der Crazy-House-Test: Ergebnisse bei mehrsprachigen Kindern Die bereits aus Kapitel 2 bekannte Elizitationsstudie sollte nun der Frage nachgehen, ob die V-End-Phase bei einer größeren Stichprobe an mehrsprachigen Kindern tatsächlich übersprungen wird. Aus der Tabelle (6.1) geht die Anzahl der bilingualen, trilingualen und multilingualen Kinder hervor, die in Deutschland oder in Spanien getestet wurden und die als eine ihrer Sprachen das Deutsche erwerben. 91 Kinder haben an dem Test teilgenommen, der bereits aus Kapitel 2 bekannt ist. Die bilingualen Kinder haben ein Alter von 3; 0 bis 6; 8 (Durchschnittsalter: 60 Monate). 25 Kinder waren bilingual mit Deutsch und Spanisch, 16 mit Deutsch und Französisch und eines mit Deutsch und Arabisch. Die trilingualen und multilingualen Kinder waren 2; 0 bis 9; 3 Jahre alt (Durchschnittsalter: 54 Monate). Um die Sprachdominanz zu erheben, wurden die Kinder mit Hilfe des rezeptiven Vokabeltests in (unter/ über)durchnittlich klassifiziert. Alle trilingualen und multilingualen Kinder erwarben mindestens eine romanische Sprache (fr=Französisch, sp=Spanisch) zusätzlich zum Deutschen und eine weitere romanische Sprache (kat=Katalanisch, it=Italienisch, port=Portugiesisch) oder eine andere Sprache (arab=Arabisch, nl=Niederländisch, engl=Englisch, heb=Hebräisch, rus=Russisch), vgl. hierzu Abbildung (6.2). 124 6 Erwerb finiter Verben im Deutschen: Hauptsätze Abb. 6.2: Sprachkombinationen der getesteten mehrsprachigen Kinder Mehrsprachigkeitstyp Bilingual Trilingual Multilingual Teilnahme am Grammatiktest 42 42 7 Teilnahme am rezeptiven Wortschatztest 38 42 7 Tab. 6.1: Anzahl der Kinder im Crazy-House-Test und im Peabody Nun könnte man einwenden, dass die getesteten Kinder älter sind als die in den Longitudinalstudien analysierten und deshalb auch in der grammatischen Entwicklung fortgeschrittener. Dass die getesteten Kinder älter sind, ist richtig, jedoch schneiden erstaunlich viele im rezeptiven Wortschatztest unterdurchschnittlich ab. Wir haben gesehen, dass mehrsprachige Kinder ihre Sprachen nicht immer gleichmäßig entwickeln; eine Sprache ist oft weiter entwickelt als die andere(n). Wir werden bei den Ergebnissen des Elizitationstests sehen, dass selbst diejenigen Kinder, die das Deutsche unterdurchschnittlich beherrschen, keine V-End-Phase mit Hinblick auf die Position finiter Verben durchlaufen. Aus Platzgründen werden in den folgenden Abbildungen (6.3) und (6.4) zwei Informationen abgebildet: Zum einen erfahren wir, wie viele Kinder im rezeptiven Wortschatztest unterdurchschnittlich abgeschnitten haben. Bei den bilingualen Kindern waren es 7, bei den Kindern mit mehr als zwei Mutter- 125 6.4 Der Crazy-House-Test: Ergebnisse bei mehrsprachigen Kindern sprachen immerhin 23. Der Grammatiktest elizitierte finite Verben. Die Abbildungen zeigen, dass er bei den Kindern, die mindestens durchschnittlich abgeschnitten haben, auch erfolgreich war. Die im Peabody unterdurchschnittlich klassifizierten Kinder haben im Deutschen auch Konstruktionen verwendet, die für eine frühere Erwerbsphase des Deutschen typisch sind. Wir dürfen daraus ableiten, dass nicht nur ihr rezeptiver Wortschatz, sondern auch ihre grammatische Entwicklung hinterherhinkt und somit durchaus mit der der jüngeren Kinder in den Longitudinalstudien vergleichbar ist. Abb. 6.3: Anteil finiter Verben: Bilinguale Kinder 126 6 Erwerb finiter Verben im Deutschen: Hauptsätze Abb. 6.4: Anteil finiter Verben: Trilinguale und multilinguale Kinder Um beurteilen zu können, ob der Zusammenhang zwischen der Produktion von finiten Verben und dem Abschneiden im rezeptiven Wortschatztest statistisch signifikant ist, haben wir einen t-Test durchgeführt. Für beide Gruppen, die bilingualen Kinder (G1) und die tri- und multilingualen Kinder (G2), ist der Zusammenhang statistisch signifikant (G1: t(37)=10,60, p<0.01, G2: t(47)=9,23, p<0.01). Die beiden Gruppen G1 und G2 unterscheiden sich nicht signifikant (t(6)=0,331, p>.05). Mit anderen Worten: Unabhängig davon, wie viele Muttersprachen die Kinder erwerben, steigt die Wahrscheinlichkeit der Verwendung eines finiten Verbs im Elizitationstest mit steigender Kompetenz im rezeptiven Wortschatztest. Kommen wir nun zu der Position des finiten Verbs, ganz besonders bei denjenigen Kindern, die im rezeptiven Wortschatztest unterdurchschnittlich abgeschnitten haben. Die Kinder haben neben der zielsprachlichen V2-Stellung des finiten Verbs eine DP (Determiniererphrase, hier: eine NP mit realisiertem Artikel) / PP (Präpositionalphrase), ein undeterminiertes Nomen (vgl. 80b), einen Wurzelinfinitiv (80c), einen Verbstamm (80d) oder aber eine Nominalphrase in der anderen Sprache gebraucht. Manche Kinder haben auf einige Testitems mit „ich weiß nicht“ reagiert. Mit Wurzelinfinitiv bezeichnet man eine nicht-finite Verbform, die im Hauptsatz erscheint, z. B. im Deutschen „einmal mit den Huskies durch Norwegen rennen! “. 127 6.4 Der Crazy-House-Test: Ergebnisse bei mehrsprachigen Kindern 80. a. ein biene / in de fußball b. maus c. essen / die sauber gemacht d. die biene tanz Insgesamt 30 Kinder haben im Peabody unterdurchschnittlich abgeschnitten. Wie haben sie auf die Testitems reagiert? Dies zeigt die Abbildung (6.5). Abb. 6.5: Antworten im deutschen Crazy-House-Test der Kinder, die im Peabody unterdurchschnittlich abgeschnitten haben Die meisten Antworten enthielten ein finites Verb (Vfin, 26 %). Dieses war in keiner Äußerung satzfinal positioniert. Wurzelinfinitive (vgl. 80c) und Verbstämme (vgl. 80d) machen 13 % bzw. 6 % der Antworten aus. Viele Antworten haben kein Verb enthalten (30 %, vgl. 80a,b). Die Antwortarten der Kinder sind typisch für deutschsprachige Kinder in einer frühen Erwerbsstufe. Obwohl die getesteten Kinder also älter waren als die in den Longitudinalstudien, kann man sie dennoch mit den Kindern der Longitudinalstudien vergleichen. Das finite Verb steht bei den getesteten Kindern niemals satzfinal. Dieses Ergebnis stimmt mit dem in Longitudinalstudien erzielten überein. Der Crazy-House-Test elizitierte insgesamt nur 35 deutsche konjunktional eingeleitete Nebensätze (Relativsätze) (vgl. 81-86). Die Anzahl ist gering, so dass keine Generalisierungen 128 6 Erwerb finiter Verben im Deutschen: Hauptsätze möglich sind. Dennoch zeigt sich, dass alle elizitierten Nebensätze keine V-End-Stellung des Finitums aufweisen. Wir hatten auf der Basis von Longitudinalstudien darauf hingewiesen, dass mehrsprachige Kinder mit der deutschen Nebensatzwortstellung Probleme haben. Weitere Studien sind hier nötig. 81. Balthasar (4; 11,6): bienen die spielen musik dt-fr ein hund der küsst ein ball eine maus, die knabbert blumen 82. Sophie-Alixiane (5; 8,25): hier ist eine maus die gibt - die esst blumen dt-fr 83. Antoine (4; 10,4): ein bär, der pustet einen ball dt-fr 84. Claire (4; 7,5): das sind bienen die machen musik dt-fr-eng 85. Pol (5; 10,4): dt-sp-kat da ist ne maus die hat die in der hand und isst die blumen auf da ist ein affe der kocht einen schuh 86. Keyo (7; 4): dt-fr-eng und in der garage ist ein hund der putzt mit einer zahnbürste sein auto Als allgemeines Ergebnis der Studie dürfen wir festhalten, dass auch trilinguale und multilinguale Kinder die Stellung des Finitums im deutschen Hauptsatz von Beginn an zielsprachlich produzieren. Sie gleichen in dieser Hinsicht bilingualen Kindern. Es ist also unerheblich für den Erwerb der Stellung des Finitums im Hauptsatz, ob Kinder zwei oder mehr Sprachen von Geburt an erwerben. Kommen wir nun abschließend auf den Grund zurück, der bei mehrsprachigen Kindern dazu führt, dass sie nicht wie monolingual deutsche Kinder eine Phase durchlaufen, während der sie das Finitum satzfinal platzieren. Wir hatten als Mechanismus für die Ableitung von V2-Sätzen im Deutschen erwähnt, dass entweder die Subjekt-DP oder aber die gesamte VP in die Position vor das Finitum verschoben werden muss (vgl. die Strukturen 79a,b). In den romanischen Sprachen, die alle Kinder zusätzlich zum Deutschen erwerben, ist allein die Subjektverschiebung (Struktur 79a) eine Option, die sowohl im Hauptals auch im Nebensatz genutzt wird. Die Verschiebung der gesamten VP, welche dann auf der Sprachoberfläche zu der V-End-Stellung führt, ist dem Deutschen eigen. In den heutigen romanischen Sprachen wird diese Möglichkeit nicht genutzt, um das sogenannte EPP-Merkmal zu sättigen. Mehrsprachige Kinder nutzen also von Beginn an diejenige Option (häufig), die in allen ihren Sprachen vorhanden ist. Wir könnten diese Option auch als einen Default bezeichnen, der immer möglich ist. Monolingual deutsche Kinder werden mit wenig vielfältigen Optionen 129 6.4 Zusammenfassung konfrontiert und müssen (mühsamer) lernen, welche diejenige ist, die in deutschen Hauptsätzen zielsprachlich ist. Mehrsprachige Kinder erhalten nun in romanischen Nebensätzen ebenfalls Belege dafür, dass die Option der Verschiebung des Subjekts möglich ist. Deshalb verwenden sie diese auch in deutschen Nebensätzen, was dazu führt, dass diese mitunter über eine lange Zeit auch nicht-zielsprachlich (also mit dem Finitum nicht in satzfinaler Position) geordnet sind. Wir möchten an dieser Stelle auf die Drittspracherwerbstheorien aus Kapitel 1 zurückkommen. Angewandt auf den vorliegenden Fall ist der Einfluss aus den anderen L1n im Deutschen tatsächlich kumulativ und nicht (typologisch) selektiv, da romanische und germanische Sprachen unterschiedlichen Sprachfamilien angehören. In der Stichprobe befanden sich balancierte und unbalancierte Kinder (vgl. Abbildung 3.7). Das insgesamt sehr gute Ergebnis im Crazy-House-Test widerspricht der Vorhersage im Rahmen des L2 Status Factor Modells, wonach die Kinder, wenn sie Deutsch als schwache Sprache erwerben, auf eine andere schwache Sprache zurückgreifen. Betrachten wir jedoch die hier zwar nicht im Vordergrund stehenden Ergebnisse zur Stellung des Finitums im deutschen Nebensatz und dessen Erwerb durch mehrsprachige Kinder, so macht auch das Cumulative Enhancement Modell für die trilingualen und multilingualen Kinder falsche Vorhersagen. Wir benötigen folglich ein eigens für den Erstspracherwerb zugeschnittenes Modell, das die beobachteten Effekte erklären kann. 6.4 Zusammenfassung Longitudinalwie Querschnittsstudien von mehrsprachigen Kindern zeigen, dass eine Phase, die für den Erwerb durch monolinguale Kinder charakteristisch ist, beim Erwerb mehrerer Sprachen nicht auftritt. Der Umstand zeigt, dass mehrsprachige Kinder von der syntaktischen Beschaffenheit ihrer anderen Sprachen Gebrauch machen und dementsprechend von monolingualen Kindern abweichende Erwerbsverläufe zeigen können. Im vorliegenden Fall, der Position finiter Verben im deutschen Hauptsatz, konnte ein Akkzelerierungseffekt gegenüber monolingualen Kindern nachgewiesen werden. Das wichtigste Ergebnis ist, dass sich dieser Effekt auch bei Kindern nachweisen lässt, die mit mehr als zwei Sprachen aufwachsen. 131 7 Erwerb der Subjektposition im Französischen Laia Arnaus Gil & Natascha Müller Monolingual französische Kinder durchlaufen eine Phase der postverbalen Subjekte, während der sie Subjekte in Hauptsätzen postverbal stellen. Mehrsprachige Kinder überspringen diese Erwerbsphase. Die Erfahrung mit anderen Sprachen als dem Französischen (hier: mit dem Deutschen) hilft dem mehrsprachigen Kind, die syntaktischen Eigenschaften der Subjektstellung in französischen Hauptsätzen quasi fehlerfrei zu erwerben. 7.1 Stellung des Subjekts bei monolingualen und mehrsprachigen Kindern Das Französische ist eine Subjekt-Verb-Objekt-Sprache (SVO-Sprache). Lambrecht (1986) hat als einer der ersten Linguisten beobachtet, dass im gesprochenen Französisch jegliche Art von Konstituenten disloziiert werden, d. h. sie werden an den linken oder rechten Satzrand gestellt und durch ein sogenanntes resumptives Pronomen (wiederholendes Pronomen) im Satz wiederaufgenommen. Beispiele hierfür finden sich in (87). In (87a) finden wir eine Linksdislokation des Subjekts; in (87b) ist das Subjekt nach rechts disloziiert. 87. a. Ce livre, il est très intéressant. b. Il est très intéressant, ce livre. In einer empirischen Studie zur Wortstellung im gesprochenen Französisch stellt Ashby (1982: 39) für 1.355 Sätze, welche von 25 Sprechern im Alter von 14 bis 21 Jahren und 51 bis 64 Jahren im Gebiet um Tours in freier Konversation auf dem Arbeitsplatz oder zu Hause geäußert wurden, fest, dass dem Hörer die Diskursreferenten bekannt waren. In 83 % der Vorkommen befand sich die Nominalphrase, welche durch ein Subjektklitikon (im Beispiel 87 die Form il) wiederaufgenommen wurde, links vom finiten Verb, in 17 % war die Subjektnominalphrase am rechten Rand, wie in (87b), zu finden. Wir hatten gesagt, dass das Französische eine SVO-Sprache ist. Wenn das Subjekt disloziiert ist, steht es in der großen Mehrzahl der Fälle links vom finiten Verb, d. h. die kanonische (regelmäßige) Abfolge des Subjekts links vom finiten Verb ist weiterhin gegeben. Die prozentualen Anteile unterscheiden sich je nach analysiertem Korpus; in der an Kinder gerichteten Sprache gelten die von Ashby genannten Anteile (Jansen 2015: 15). Auf der Basis dieser Beobachtungen für das gesprochene Französisch könnte man vermuten, dass französischsprachige Kinder das Subjekt links vom finiten Verb positionieren. In einer bahnbrechenden Arbeit haben Déprez & Pierce (1993: 42) gezeigt, dass monolingual französischsprachige Kinder in einem sehr frühen Alter (bis 2; 6) lexikalische Subjekte an die postverbale Position stellen, ohne dass ein resumptives Klitikon diese wiederaufnimmt. Zu einer Zeit, zu der die Kinder schon zielsprachliche Sätze produzieren, verwenden sie auch 132 7 Erwerb der Subjektposition im Französischen nicht-zielsprachliche Konstruktionen wie in (88), die VOS oder auch VSO geordnet sind. Postverbale Subjekte treten auch mit intransitiven Verben auf. Da französischsprachige Kinder zu dieser Zeit auch Wurzelinfinitive gebrauchen, das sind Hauptsätze, die anstelle eines finiten Verbs einen Infinitiv oder ein Partizip Perfekt enthalten wie in (88c) und (88d), treten postverbale Subjekte auch mit nicht-finiten Verben auf. Postverbale Subjekte sind in seltenen Fällen auch starke Subjektpronomina wie in (88 f.); klitische Pronomina fehlen systematisch als postverbale Subjekte (vgl. Gabriel et al. 2018: Kap. 5.2 zu starken versus klitischen Pronomina). 88. a. Lit maman (Nathalie, 2; 0,1) b. Pleure clown (Daniel, 1; 8,3) c. Assis la poupée (Nathalie, 2; 2,1) d. Dormir là Michel (Philippe, 2; 2,1) e. Veut encore Adrian du pain (Grégoire, 2; 1,3) f. Pousses toi sandales (Daniel, 1; 8,3) Zur selben Zeit finden sich zielsprachliche Äußerungen in der Kindersprache, d. h. solche, in denen ein präverbales Subjektklitikon in einem finiten Satz vorhanden ist wie in (89a,b), solche mit einem präverbalen lexikalischen Subjekt wie in (89c) und solche mit rechtsdisloziiertem lexikalischen Objekt wie in (89d) (Déprez & Pierce 1993: 45). 89. a. Elle dort (Daniel, 1; 8,1) b. Il veut un bruit (Daniel, 1; 11,1) c. Train va tomber (Nathalie, 2; 2,2) d. Elle la voit l’auto (Nathalie, 2; 2,2) Déprez & Pierce (1993: 42) berichten über eine relativ hohe Anzahl an postverbalen Subjekten in der frühen Kindersprache. Der Anteil liegt ab einem Alter von 1; 8 zwischen 65 % und 85 %, je nach Kind. Jansen (2015, Kapitel 7.1) analysiert zwei weitere monolingual französischsprachige Kinder und kommt zu dem Ergebnis, dass die Phase im Alter von zirka 2; 7 endet. Jansen (2015, Kapitel 7.1) analysiert auch die Daten von fünf bilingual mit Französisch und Deutsch aufwachsenden Kindern und vergleicht diese auf der Basis des MLU mit denen der monolingualen Kinder. Im gesamten Untersuchungszeitraum produzieren die monolingualen Kinder 11.087 Sätze mit einem finiten Verb. Die monolingualen Kinder produzieren 213 präverbale (1,92%) und 130 postverbale (1,17%) Subjekte, welche nicht durch ein Klitikon gedoppelt waren. 703 Sätze (6,34%) enthielten gar kein Subjekt, was im Französischen ungrammatisch ist. Die bilingualen Kinder produzierten insgesamt 17.969 Sätze mit einem finiten Verb, von denen 177 (0,98%) ein präverbales und nur 38 Sätze (0,21%) ein postverbales Subjekt ohne ein gedoppeltes resumptives Pronomen enthielten. 603 Sätze (3,35%) enthielten kein realisiertes Subjekt. Postverbale Subjekte des Typs in (88) sind im erwachsenensprachlichen Französisch ungrammatisch; ihr Fehlen (im Französischen der bilingualen Kinder) deutet auf die sehr frühe Instanziierung von zielsprachlichem syntaktischem Wissen hin. Abbildung (7.1) zeigt im Entwicklungsverlauf, dass die monolingual französischen Kinder Philippe und Madeleine zu unterschiedlichen MLU-Phasen postverbale Subjekte zu einem Prozentsatz von über 5 % 133 7.2 Ein Erklärungsansatz aufweisen. Bei bilingualen Kindern belaufen sich die Anteile konstant unter dieser Marke, die in der Literatur für den Anteil an Sprachfehlern bzw. Performanzfehlern genannt wird (vgl. Gabriel et al. 2018: 8). Wie bereits beim Thema der Position finiter Verben im Deutschen haben wir es bei den postverbalen Subjekten wieder mit einem Bereich zu tun, der Variation zwischen bereits zielsprachlichen und nicht-zielsprachlichen Strukturen im monolingualen Kind aufweist, welche im bilingualen Kind fehlt. Abb. 7.1: Postverbale Subjekte bei monolingualen und bilingualen Kindern im Französischen im Vergleich (vgl. Jansen 2015: 255) Monolingual französische Kinder durchlaufen eine Phase der postverbalen Subjekte, während der Subjekte im französischen Hauptsatz satzfinal stehen. Postverbale Subjekte koexistieren mit präverbal positionierten Subjekten. Mehrsprachige Kinder platzieren das Subjekt von Beginn an in der zielsprachlichen präverbalen Position. 7.2 Ein Erklärungsansatz Wie schon für den Bereich der Stellung finiter Verben im deutschen Hauptsatz argumentieren Arnaus Gil & Müller (2018b) für den vorliegenden Bereich der französischen Grammatik, dass ein und dasselbe Merkmal dafür verantwortlich ist, dass Kinder im Französischen prä- 134 7 Erwerb der Subjektposition im Französischen und postverbale Subjekte verwenden. Das sogenannte EPP-Merkmal in den syntaktischen Kategorien für TEMPUS (T) führt dazu, dass jeder finite (tempusmarkierte) Satz ein Subjekt enthält. Das Merkmal muss also in der Syntax durch eine Phrase in der Subjektposition gesättigt werden. Dies kann entweder dadurch erfolgen, dass das lexikalische Subjekt in diese Position verschoben wird. Dann entsteht ein Satz mit einem präverbalen lexikalischen Subjekt wie in (89c). Eine andere Möglichkeit ist, dass ein Subjektklitikon in der syntaktischen Derivation erscheint. Subjektklitika wie je, tu, il und ils können im erwachsenensprachlichen Französisch nur zusammen mit finiten Verben auftreten, weshalb manche Autoren dafür argumentiert haben, dass sie zusammen mit dem finiten Verb eine komplexe morphologische Einheit bilden (vgl. hierzu z. B. Auger 2003). Dies ist für das europäische Französisch nicht unproblematisch, da es zur Konsequenz hätte, dass das Französische, wie das Italienische und Spanische, eine Null-Subjekt-Sprache darstellt. Mit Hilfe eines modernen syntaktischen Beschreibungsapparats (Biberauer & Richards 2006) könnte man jedoch annehmen, dass das Einbringen eines Klitikons in die präverbale Subjektposition neben der Verschiebung eines lexikalischen Subjekts in diese Position eine zweite Möglichkeit darstellt, das EPP-Merkmal zu saturieren, ganz unabhängig davon, wie Subjektklitika im Französischen syntaktisch analysiert werden (vgl. hierzu Schmitz & Müller 2008). In Null-Subjekt-Sprachen wie dem Spanischen saturieren finite Verben das Merkmal, da sie morphologisch „stark“ genug sind, um das Person- und Numerusmerkmal auszudrücken. Wir hatten gesehen, dass sowohl bei monolingualen als auch bei bilingualen Kindern ein beträchtlicher Anteil an Nullsubjekten auftritt. Mit Hilfe dieses Beschreibungsapparats könnte man für die Phase der postverbalen Subjekte bei monolingual französischen Kindern vermuten, dass diese mehrere Mechanismen zur Sättigung des EPP-Merkmals in der Syntax ausschöpfen; mehrsprachige Kinder mit einer germanischen Sprache bevorzugen diejenige Option, die auch in den germanischen Sprachen (einzig) möglich ist, nämlich die Verschiebung des Subjekts in die präverbale Position bzw. der Ausdruck des Subjekts in dieser Position. Als Konsequenz ergibt sich eine Stellung des Subjekts in präverbaler Position von Beginn an. Die bilingualen Kinder bevorzugen also wieder diejenige Option im Französischen, die auch in ihrer zweiten Sprache, dem Deutschen, Anwendung findet. Das Deutsche kennt keine Klitika und somit auch nicht die Möglichkeit der Sättigung des EPP-Merkmals mit Hilfe eines Subjektklitikons. 7.3 Der Grammatiktest: Ergebnisse bei mehrsprachigen Kindern Da mit Hilfe von Longitudinalstudien nur wenige Individuen untersucht werden können, wurde in der aus Kapitel 2 bekannten Elizitationsstudie der Frage nachgegangen, ob die Phase der postverbalen Positionierung des lexikalischen Subjekts auch bei Kindern fehlt, die mehr als zwei Muttersprachen erwerben. Aus der Tabelle (7.1) geht die Anzahl der bilingualen, trilingualen und multilingualen Kinder hervor, die in Deutschland oder in Spanien getestet wurden und die als eine ihrer Sprachen das Französische erwerben. 63 Kinder haben an dem Test teilgenommen, der bereits aus Kapitel 2 bekannt ist. Die 19 bilingualen Kinder haben ein Alter von 3; 11 bis 6; 4 (Durchschnittsalter: 60 Monate). Die 38 trilingualen Kinder waren zwischen 2; 4-9; 3 alt 135 7.3 Der Grammatiktest: Ergebnisse bei mehrsprachigen Kindern (Durchschnittsalter: 60 Monate) und die sechs multilingualen Kinder zwischen 3; 4 bis 6; 4 (Durchschnittsalter: 55 Monate). Um die Sprachdominanz zu erheben, wurden die Kinder wieder mit Hilfe des rezeptiven Vokabeltests in (unter/ über)durchschnittlich klassifiziert. Die Sprachkombinationen der Kinder können der Abbildung (7.2) entnommen werden. Abb. 7.2: Sprachkombinationen der getesteten Kinder Mehrsprachigkeitstyp Bilingual Trilingual Multilingual Teilnahme am Grammatiktest 19 38 6 Teilnahme am rezeptiven Wortschatztest 19 37 6 Tab. 7.1: Anzahl der Kinder im Test zur Position der Subjekte und im Peabody Nun könnte man wieder einwenden, dass die getesteten Kinder älter sind als die in den Longitudinalstudien analysierten und deshalb auch in der grammatischen Entwicklung weiter fortgeschritten. Dass die getesteten Kinder älter sind, ist richtig, jedoch schneiden erstaunlich viele im rezeptiven Wortschatztest unterdurchschnittlich ab. Wir werden bei den Ergebnissen des Elizitationstests sehen, dass selbst diejenigen Kinder, die das Französische unterdurchschnittlich beherrschen, keine Phase der postverbalen Subjekte durchlaufen. In der folgenden Abbildung (7.3) wird deutlich, dass immerhin 23 Kinder im rezeptiven Wortschatztest unterdurch- 136 7 Erwerb der Subjektposition im Französischen schnittlich abgeschnitten haben. Wir dürfen also davon ausgehen, dass das Französische bei diesen Kindern nicht altersgemäß (mit Bezug auf den monolingualen Maßstab) entwickelt ist. Abb. 7.3: Abschneiden im französischen Peabody-Test Die Abbildung (7.4) zeigt, dass die große Mehrzahl der Antworten ein Subjekt links von einem finiten Verb enthielt. Nur ein einziges postverbales Subjekt war zu verzeichnen. Wir dürfen also wieder schlussfolgern, dass auch die trilingualen und multilingualen Kinder keine Phase der postverbalen Subjekte im Französischen durchlaufen, selbst die Kinder, die im rezeptiven Wortschatztest unterdurchschnittlich abgeschnitten haben. Sie gleichen in dieser Hinsicht bilingualen Kindern. Es ist also unerheblich für den Erwerb der Stellung des Subjekts, ob Kinder zwei oder mehr Sprachen im frühen Kindesalter erwerben. 137 7.3 Der Grammatiktest: Ergebnisse bei mehrsprachigen Kindern Abb. 7.4: Antworten der Kinder im französischen Test Wie haben die Kinder im Test reagiert? Welche Antworten waren typisch für bilinguale und welche für trilinguale und multilinguale Kinder? Dies zeigen die Abbildungen (7.5) und (7.6). Für jeden Antworttyp findet sich unter (91) ein Beispiel. 138 7 Erwerb der Subjektposition im Französischen Abb. 7.5: Antworttypen der bilingualen Kinder im Französischen 139 7.3 Der Grammatiktest: Ergebnisse bei mehrsprachigen Kindern Abb. 7.6: Antworttypen der trilingualen und multlingualen Kinder im Französischen Die häufigste Antwort der bilingualen Kinder war eine indefinite DP mit einem Relativsatz, welcher ein finites Verb enthielt (die erwartete Antwort) (vgl. 90a). Der zweithäufigste Typ war ein Subjektpronomen mit einem finiten Verb (vgl. 90b). Bei den Kindern mit mehr als zwei Sprachen waren die Häufigkeiten umgekehrt. Wir werden im Folgenden auch die eine Äußerung aufführen, die ein postverbales Subjekt enthielt (vgl. 90n). Interessanterweise waren Antworten mit einem finiten Verb, aber ohne ein realisiertes Subjekt (vgl. 90e), Wurzelinfinitive (vgl. 90c) und nackte Nomen (ohne Determinierer, vgl. 90 f.) unter den Antworttypen; diese sind typisch für eine frühe Erwerbsphase des Französischen. 90. a. UN/ UNE N qui Vfin euh un garçon qui dort (Delia, 5; 7) b. IL/ ELLE/ I/ [ɛ] Vfin elle saute (Nadette, 3; 11) c. Infinites Verb rire (Sophie-Alixane, 5; 9) d. Dislokation (links) le garçon i dort (Louisa, 5; 5) e. Vfin mit Nullsubjekt rit (Luca, 4; 5) 140 7 Erwerb der Subjektposition im Französischen f. Nacktes N fille (Yann, 4; 3) g. DP un clown, tout triste (Lino, 3; 11) h. LE N qui Vfin le garçon qui dort (Simon, 5; 3) i. UN/ UNE N qui Vinfinit un clown qui qui pleuré (Fleur, 5; 7) j. Sprachmischung schlafen (Ava, 2; 7) k. DP Vfin La fille saute (Manon, 5; 6) l. Dislokation (rechts) il pleure le clown (Emma, 3; 6) m. Ça Vfin ça saute (Emma, 3; 9) n. Postverbales Subjekt fait, fille (Marla, 2; 4) Kommen wir nun abschließend auf den Grund zu sprechen, der bei mehrsprachigen Kindern dazu führt, dass sie nicht wie monolingual französische Kinder eine Phase durchlaufen, während der sie das Subjekt postverbal platzieren. Wir hatten als Mechanismus für die Sättigung des EPP-Merkmals erwähnt, dass entweder das Subjekt in Form einer lexikalischen Nominalphrase oder aber in Form eines klitischen Pronomens (beide links vom finiten Verb) hierzu in der Lage ist. Im Deutschen, das 44 Kinder zusätzlich zum Französischen erwerben, ist die Verschiebung der Subjektnominalphrase links vor das finite Verb eine Option, die genutzt wird. Diese Option kommt auch im Englischen und in den anderen romanischen Sprachen zum Tragen, welche die Kinder erwerben. Mehrsprachige Kinder nutzen also von Beginn an diejenige Option (häufig), die in allen ihren Sprachen vorhanden ist. Wir könnten diese Option auch als einen Default bezeichnen, der immer möglich ist. Monolingual französische Kinder werden mit weniger vielfältigen Optionen konfrontiert und müssen (mühsamer) lernen, welches diejenige ist, die in französischen Hauptsätzen zielsprachlich ist. Die meisten Antworten der mehrsprachigen Kinder enthielten ein realisiertes Subjekt, obwohl 27 der mehrsprachigen Kinder zusätzlich zum Französischen eine romanische Null-Subjekt-Sprache erwerben, wie z. B. das Spanische. In diesen Sprachen sind Subjektauslassungen häufig (zirka zu 70 % in spontaner Interaktion von erwachsenen Sprechern) und postverbale Subjekte möglich und ebenfalls häufig, wenn es sich um eine lexikalische Nominalphrase handelt. Diese Beobachtungen machen die Ergebnisse der mehrsprachigen Kinder im Französischen noch interessanter: Auch wenn sie eine romanische Null-Subjekt-Sprache zusammen mit dem Französischen erwerben, realisieren sie in der Regel das Subjekt im Französischen. Da monolingual französische Kinder das obligatorische Subjekt während früher Erwerbsphasen auch auslassen (Prévost 2009: Kap. 6) und während dieser Phase auch postverbale Subjekte 141 7.4 Zusammenfassung auftreten, wäre eine erneute Untersuchung der monolingualen Daten notwendig, um einen möglichen Zusammenhang beider grammatischer Bereiche zu prüfen. Wir möchten an dieser Stelle auf die Drittspracherwerbstheorien aus Kapitel 1 zurückkommen. Angewandt auf den vorliegenden Fall ist der Einfluss aus den anderen L1n im Französischen tatsächlich kumulativ und nicht (typologisch) selektiv, da romanische und germanische Sprachen unterschiedlichen Sprachfamilien angehören. Man beachte, dass die mehrsprachigen Kinder, auch wenn sie eine romanische Null-Subjekt-Sprache zusammen mit dem Französischen erwerben, das Subjekt in der Regel realisiert haben. In der Stichprobe befanden sich balancierte und unbalancierte Kinder (vgl. Abbildung 3.7). Das insgesamt sehr gute Ergebnis im französischen Grammatiktest widerspricht der Vorhersage im Rahmen des L2 Status Factor Modells, wonach die Kinder, wenn sie Französisch als schwache Sprache erwerben, auf eine andere schwache Sprache zurückgreifen. 7.4 Zusammenfassung Das Fehlen von postverbalen Subjekten im Französischen mehrsprachiger Kinder in Longitudinalwie Querschnittsstudien zeigt, dass eine Phase, die für den Erwerb durch monolinguale Kinder charakteristisch ist, beim Erwerb mehrerer Sprachen systematisch fehlt, da mehrsprachige Kinder von der syntaktischen Beschaffenheit ihrer anderen Sprachen Gebrauch machen und dementsprechend von monolingualen Kindern abweichende Erwerbsverläufe zeigen können. Im vorliegenden Fall, der Positionierung französischer Subjekte, konnte ein Akkzelerierungseffekt gegenüber monolingualen Kindern nachgewiesen werden. Das wichtigste Ergebnis ist, dass sich dieser Effekt auch bei Kindern nachweisen lässt, die mit mehr als zwei Sprachen aufwachsen. 7.5 Exkurs: postverbale Subjekte im Spanischen Wir hatten den Verstehenstest zu den postverbalen Subjekten im Spanischen in Kapitel 2 vorgestellt. Insgesamt haben 42 Kinder am Test teilgenommen, 26 bilinguale, 12 trilinguale und 4 multilinguale Kinder. Die Abbildung (7.7) illustriert die Ergebnisse im Verstehenstest. 142 7 Erwerb der Subjektposition im Französischen Abb. 7.7: Antworten der Kinder im spanischen Verstehenstest zu den eingeschränkten Referenzmöglichkeiten von postverbalen Subjekten im Spanischen Wie aus der Abbildung (7.7) zu erkennen ist, haben sowohl die bilingualen als auch die trilingualen Kinder in dem Zirkusspiel ähnliche Ergebnisse erzielt, während die multilingualen Kinder eine bessere Performanz mit 80 % erwarteten Antworten gezeigt haben. Die erwarteten Ergebnisse der bilingualen und trilingualen Kinder rangieren jedoch im 50 %-Bereich, was darauf hindeutet, dass die Kinder diesen komplexen syntaktischen Bereich noch nicht erworben haben. Mit bloßem Auge scheinen sich die Ergebnisse der bilingualen und trilingualen Kinder von denen der multilingualen Gruppe zu unterscheiden. Allerdings zeigt die Anwendung einzelner statistischer Tests, dass die trilingualen und multilingualen Kinder keinen statistisch signifikanten Unterscheid aufweisen (t(2) = 2,26, p<.05), während sich die bilingualen Kinder signifikant von den trilingualen (t(2) = 3,96, p>.05) und den multilingualen (t(2) = 6,22, p>.05) unterscheiden. Da die Ergebnisse der allermeisten bilingualen und trilingualen Kinder im 50 %-Bereich rangieren, sind weitere Forschungen notwendig. Da der grammatische Bereich der postverbalen Subjekte komplex zu sein scheint, könnten wir vermuten, dass nur diejenigen Kinder, die eine (über)durchschnittliche Kompetenz im Spanischen aufweisen, im Zirkusspiel gut abgeschnitten haben. Von den 42 Kindern haben im spanischen rezeptiven Wortschatztest 25 durchschnittlich, 11 überdurchschnittlich und nur 6 unterdurchschnittlich abgeschnitten. Somit waren 85 % der Kinder mindestens im durchschnittlichen Kompetenzbereich des Spanischen. Mittels verschiedener t-Tests kann nun 143 7.5 Exkurs: postverbale Subjekte im Spanischen nachgewiesen werden, dass es keinen signifikanten Unterschied zwischen den Ergebnissen der durchschnittlichen und überdurchschnittlichen Gruppe gibt. Aus diesem Grund haben wir sie in weiteren Analysen zusammen betrachtet. Ein Vergleich zwischen den Kindern mit einer unterdurchschnittlichen Sprachkompetenz im Spanischen und den Kindern, die ein mindestens durchschnittliches Ergebnis im spanischen Peabody erreicht haben, ergibt einen statistisch (leicht) signifikanten Unterschied (t(1) = 5,37, p>.05). Ob die Kinder ihre Sprachen balanciert oder unbalanciert entwickeln, scheint für das Abschneiden im Verstehenstest zu den postverbalen Subjekten im Spanischen unerheblich zu sein (t(1) = 2,76, p<.05). Unsere Ergebnisse zeigen, dass zukünftige Forschungen grammatische Bereiche, die in besonderer Weise komplex sind, stärker als bisher ins Visier nehmen müssen und für die Testung von Kindern im Vorschulalter geeignete Testverfahren entwickeln müssen. 145 8 Erwerb der Adjektivstellung im Deutschen, Französischen und Spanischen Mabel Tirado Espinosa & Katharina Zimmermann Erwerben mehrsprachige Kinder eine romanische Sprache, Französisch und/ oder Spanisch, und Deutsch, so eignen sie sich eine Sprache mit prä- und postnominalen attributiven Adjektiven und eine mit nur pränominalen Adjektiven an. Monolinguale wie bilinguale Kinder haben keine Probleme mit diesem Erwerbsbereich. Dasselbe gilt für Kinder, die mehr als zwei Sprachen gleichzeitig erwerben. 8.1 Adjektivstellung in den Erwachsenensystemen: Französisch und Spanisch Im Gegensatz zu den bisher angesprochenen Grammatikbereichen müssen wir die Adjektivstellung in den Zielsystemen genauer betrachten, da hier neue Erkenntnisse vorliegen, die für den Erwerb von Bedeutung sind. Adjektive zählen zu den am seltensten vorkommenden Kategorien. Cardinaletti & Giusti (2010: 67) kommen für das LIP (Lessica Italiano Parlato) Korpus, das 489.178 Wörter und fünf unterschiedliche Kommunikationstypen umfasst, zu dem Ergebnis, dass Adjektive mit 9,47% die am wenigsten frequente lexikalische Kategorie darstellten. Dies ist vermutlich auch der Grund, weshalb Adjektive und im Besonderen die Adjektivstellung bisher selten linguistisch untersucht wurden. Im Deutschen stehen attributive Adjektive stets pränominal. Die romanischen Sprachen Französisch und Spanisch weisen jedoch sowohl präals auch postnominale Adjektive auf, was wir beispielhaft in (91) am Französischen darstellen wollen. 91. a. Quelques oiseaux ont de longues pattes. b. Il est facile à reconnaître avec ses pattes longues. Bisher wurde für beide Sprachen davon ausgegangen, dass die Adjektivstellung systematisch hinsichtlich der Semantik alterniert. Sicher gibt es in beiden Sprachen Nominalphrasen, bei denen eine solche, bedeutungsbasierte Unterscheidung von prä- und postverbalen Adjektiven sinnvoll ist. Das Beispiel (92a) übersetzen wir mit „bemitleidenswert“, das Beispiel (92b) mit „arm“. 92. a. Pablo no tiene suerte en su vida. Es un pobre chico. b. Pablo no tiene dinero. Es un chico pobre. Korpusstudien über die Adjektivstellung im Französischen und Spanischen zeigen jedoch, dass die unterschiedlichen Lesarten der Adjektive in beiden Positionen möglich sind. Obwohl die unterschiedlichen Interpretationen tendenziell mit der einen oder der anderen Position des Adjektivs in Verbindung gebracht werden, ist die jeweils andere Position auch möglich. 146 8 Erwerb der Adjektivstellung im Deutschen, Französischen und Spanischen Thuilier (2012: 125) zeigt dies für die Adjektive pauvre, propre und pur, die auch die Bedeutung arm/ mittellos, sauber und rein/ pur haben können, wenn sie pränominal gestellt werden. Für das Spanische verweisen wir auf Hoff (2014), Calvo Pérez (2017) und Dam (2018). 93. a. le plus pauvre quartier de New-York b. et son plus propre pantalon de velours côtelé bleu cyanosé c. L’huile de lin est un pur produit naturel Obwohl der umgekehrte Fall auch vorkommt, ist er interessanterweise seltener (Thuilier 2012: 126): 94. pour se rendre avec sa voiture propre de son domicile à son lieu de travail Für die Bevorzugung der einen gegenüber der anderen Position werden folgende Eigenschaften des Adjektivs bzw. des Nomens angeführt: ▶ phonologisch (zur Hiatvermeidung wird das Adjektiv vorangestellt: actuel état) ▶ morphologisch (derivierte Adjektive stehen postnominal: un axe central) ▶ syntaktisch (hat das Nomen ein Komplement, so steht das Adjektiv postnominal: un texte facile à expliquer) ▶ Länge des Adjektivs in absoluter Hinsicht (monosyllabische Adjektive stehen pränominal) ▶ Länge des Adjektivs in Relation zum Nomen (court avant long: Ist das Nomen mehrsilbig, so steht ein Adjektiv mit weniger Silben voran) ▶ Frequenz (hochfrequente Adjektive stehen pränominal) ▶ lexikalische Klasse (Farbadjektive stehen postnominal) Selbst Eigenschaften des Nomens scheinen die Abfolge innerhalb der Nominalphrase zu beeinflussen. Dies zeigt sich u. a. daran, dass es relativ feste Abfolgen mit ansonsten alternierenden Adjektiven in Abhängigkeit von einem bestimmten Nomen gibt: de longue date. Für das Französische existieren seit einigen Jahrzehnten Korpusstudien zur Adjektivstellung, die einen guten Überblick über das Thema geben. Für das Spanische verweisen wir auf File-Muriel (2006) und Hoff (2014). 147 8.1 Adjektivstellung in den Erwachsenensystemen: Französisch und Spanisch Abb. 8.1: Adjektivstellung in französischen Korpora: Token Die Abbildung (8.1) zeigt, dass im geschriebenen wie gesprochenen Französisch eine große Anzahl an Adjektiven, die immer postnominal auftreten, einer sehr geringen Anzahl an Adjektiven gegenübersteht, die immer pränominal stehen. Alternierende Adjektive sind ebenso sehr frequent. Wenn man berücksichtigt, dass die allermeisten alternierenden Adjektive in pränominaler Position auftreten (68 % laut Thuilier, Fox & Crabbé 2012: 35), erhöhen alternierende Adjektive vor allem die Vorkommen pränominaler Adjektivstellungen. Das erste Korpus wird FrenchTreeBank (Abeillé 2003) genannt und besteht aus Zeitungsartikeln aus Le Monde (1989-1993); es handelt sich um 12.351 Sätze, 24.098 Worttypen und 385.458 Wortvorkommen. Literarische Texte sind die Grundlage des Korpus von Wilmet (1980, 1981). Dieser hat 80 Studierende damit beauftragt, aus zeitgenössischen literarischen Texten (die ersten 50 Seiten) alle Adjektiv-Nomen-Adjektiv Sequenzen zu analysieren (vgl. Wilmet 1980: 180ff. zu den einzelnen Texten). Das Korpus enthält 29.016 Adjektivvorkommen, welche 3.835 Typen entsprechen. Forsgren (1978) analysiert ein Korpus aus jeweils 10 Ausgaben von Le Monde und L’Express im Jahre 1973. Es umfasst 3.189 Adjektivvorkommen. Zusätzliche 559 Vorkommen enthielten ein Adjektiv, welches durch ein Adverb modifiziert wurde. Diese Vorkommen haben keinen Eingang in unsere Abbildungen gefunden, da die postnominale Stellung in dieser Konstellation bevorzugt wird (Forsgren 1978: 78). 148 8 Erwerb der Adjektivstellung im Deutschen, Französischen und Spanischen Bajorek (2016) bedient sich 6.000 Twitternachrichten des Twitter Feeds der Zeitung Le Monde (@lemondefr) und des französischen Komikers Cyrien (@MonsieurDream). Das Korpus C-ORAL beinhaltet spontane und gesprochene Sprache aus vier romanischen Sprachen, darunter das Französische (vgl. Cresti & Moneglia 2005). Es wird von Thuilier (2012, 2014) analysiert mit Hinblick auf die alternierenden Adjektive. Das Korpus von Benzitoun (2014) ist eine Zusammenstellung aus sechs Korpora und besteht aus 2.300.000 Wörtern. Fox (2014) analysiert die kindgerichtete Sprache in der Interaktion mit drei monolingual französischen Kindern der CHILDES Datenbank (MacWhinney 2000). Heinze (2017) erstellt ein Korpus aus kindgerichteter Sprache der WuBiG (Wuppertaler Bilingualism Gruppe), in der insgesamt 49 multilinguale Kinder im Vorschulalter longitudinal untersucht werden (vgl. 2.2). 22 Kinder sprechen Französisch und 11 leben in Frankreich. Fox (2012, 2014) analysiert die Kindersprache von drei monolingual französischen Kindern aus der CHILDES Datenbank (MacWhinney 2000). Man kann nun für das Französische eine weitere interessante Beobachtung machen, nämlich dass es vergleichsweise wenig alternierende Adjektivtypen gibt, diese jedoch, wie wir in der Abbildung (8.1) gesehen haben, sehr oft in der französischen Sprache vorkommen. Wenn wir Typen betrachten, ändert sich für die postnominalen Adjektive nichts. Sie kommen auch als Typen oft vor und sind auch am häufigsten im Französischen vertreten. Die quantitative Analyse mit Blick auf die Adjektivtypen zeigt die Abbildung (8.2). Abb. 8.2: Adjektivstellung in französischen Korpora: Typen 149 8.1 Adjektivstellung in den Erwachsenensystemen: Französisch und Spanisch Aufgrund der quantitativen Analysen sollten wir vorhersagen, dass der Erwerb der Adjektivstellung eine Herausforderung für das mehrsprachige Kind darstellt. Im Besonderen gilt dies für Kinder, die zusätzlich zum Französischen das Deutsche erwerben, eine Sprache, in der Adjektive stets pränominal stehen. Kommen wir nun zum spanischen System. Auch für diese Sprache wurde bisher angenommen, dass die Alternation zwischen prä- und postnominalen Adjektiven innerhalb der Nominalphrase vor allem semantisch bedingt ist. Daneben existieren semantisch basierte lexikalische Klassen, die mit der einen oder der anderen Stellung einhergehen (z. B. Farbadjektive). Studien an großen Korpora, die die Ansicht belegen, dass, vergleichbar mit dem Französischen, auch im Spanischen weitere Faktoren die Adjektivstellung bedingen, sind nicht in gleichem Maße vorhanden wie im Französischen. Diese wenigen Studien werden in Arnaus Gil, Tirado Espinosa und Müller (2019) vorgestellt. Wir beschränken uns im Folgenden auf die getesteten Adjektive: verde, gordo, grande, listo, viejo und largo. Die sechs Adjektivtypen treten in der CREA (Corpus de Referencia del Español Actual, www. rae.es/ recursos/ banco-de-datos/ crea) Datenbank des schriftlichen Spanisch (Zeitungsartikel: Rubriken Politik und Wirtschaft) der Real Academia Española oft auf, mit 2.896 Vorkommen. Alle sechs Typen alternieren, d. h. man findet sie mindestens ein Mal in beiden Positionen. Wir wollen die quantitative Analyse dieses Korpus mit Hilfe der Abbildung (8.3) illustrieren. Abb. 8.3: Adjektivstellung im CREA Korpus: geschriebenes Spanisch 150 8 Erwerb der Adjektivstellung im Deutschen, Französischen und Spanischen Die Abbildung (8.3) zeigt für diesen schriftlichen Korpus des Spanischen, dass, wie im Französischen für alternierende Adjektive auch, die pränominale Stellung insgesamt dominiert (81 %). Dies kann dadurch erklärt werden, dass die pränominale Position nicht nur eine intersektive, sondern auch eine subsektive Lesart erlauben soll (vgl. Hoff 2014). Diese Begriffe beziehen sich auf die folgenden Möglichkeiten: Die Referenzmenge des Adjektivs (vom Ausmaß her große Dinge) und die des Nomens (Menschen) können additiv, im Verhältnis einer Schnittmenge, zueinander stehen: un hombre grande ist i. d. R. ein groß gewachsener Mensch, also wird eine Eigenschaft dem Mann zugewiesen. Im Gegensatz dazu entspricht der pränominalen Stellung i. d. R. eine subsektive Interpretation, also eine Teilmenge bildend: un gran hombre ist ein Mensch mit ehrbaren menschlichen Eigenschaften, das Adjektiv drückt also eine Qualität, keine Quantität aus. Man spricht auch davon, dass hier das Adjektiv die Interpretation des Nomens manipuliert. Die hohe Zahl pränominaler Stellungen in der Abbildung (8.3) lässt allerdings vermuten, dass die intersektive Lesart, also die für die Größe, die in i. d. R. postnominal verortet wird, auch in der pränominalen Position zugelassen ist. Dies ist in der Tat im Spanischen auch der Fall (vgl. Hoff 2014, Dam 2018). Sobald man sich im Spanischen ein gesprochenes Korpus ansieht, verschieben sich die Häufigkeiten hin zu mehr postnominaler Stellung. Dies zeigt die Abbildung (8.4) für das Korpus C-ORAL, das wir bereits kennengelernt haben. Abb. 8.4: Adjektivstellung im C-Oral Korpus: gesprochenes Spanisch 151 8.1 Adjektivstellung in den Erwachsenensystemen: Französisch und Spanisch Die Abbildung (8.4) zeigt für vier der sechs Adjektivtypen gar keine Vorkommen für die pränominale Position. Bei grande verschieben sich die Häufigkeiten zugunsten der postnominalen Position. Allein bei viejo bleibt das zuvor für die geschriebene Sprache festgestellte Verhältnis in abgeschwächter Form erhalten, nämlich die Dominanz der pränominalen Stellung. Kommen wir nun zur kindgerichteten Sprache im Spanischen. Das der Abbildung (8.5) zugrunde liegende Korpus wurde der WuBiG entnommen. Es handelt sich um die Interaktion mit vier bilingualen Kindern (Syca-Inés, Lucas, Arturo und Teresa) und einem trilingualen Kind (Diego) im Spanischen im Alter von 1; 5-5; 3. Alle Kinder, bis auf Syca-Inès, haben wir bereits in Kapitel 2 kennengelernt. Syca-Inès wächst mit den Sprachen Französisch und Spanisch in Frankreich auf (vgl. Müller et al. 2015: 40, 55 f., 63, 68, 223). Die Größe der spanischen Korpora geht aus der Tabelle 2.1 aus Müller et al. (2015: 39f.) hervor. Die Kinder haben in den Aufnahmen viel gesprochen; insgesamt sind es 27.816 Äußerungen. Dementsprechend kann man davon ausgehen, dass das untersuchte kindgerichtete Korpus ähnlich groß war. Abb. 8.5: Adjektivstellung in kindgerichteter Sprache, Alter 1; 5-5; 3: gesprochenes Spanisch Die Abbildung (8.5) zeigt eine deutliche Dominanz der postnominalen Stellung und insgesamt wenig Variation. Diese Verhältnisse haben wir bereits bei dem gesprochenen Korpus C-ORAL kennengelernt. 152 8 Erwerb der Adjektivstellung im Deutschen, Französischen und Spanischen 8.2 Adjektivstellung bei monolingualen und mehrsprachigen Kindern In der Arbeit von Rizzi, Arnaus Gil, Repetto, Geveler & Müller (2013) wird neben einer eigenen Studie zum Erwerb der Adjektivstellung in den romanischen Sprachen Französisch, Italienisch und Spanisch und im Deutschen von bilingual aufwachsenenden Kindern (vgl. auch Geveler, Arnaus Gil & Müller 2018 zum Französischen und Spanischen) auch die wenig zahlreiche Literatur zum Erwerb durch monolinguale Kinder referiert. Monolingual französische und spanische Kinder erwerben die alternierende Stellung von attributiven Adjektiven quasi fehlerfrei. Dies gilt auch für monolingual deutsche Kinder, die ein System mit ausschließlich pränominaler Stellung erwerben und für bilinguale Kinder, die gleichzeitig eine romanische Sprache und das Deutsche lernen. Monolingual französische und spanische Kinder erwerben die Adjektivstellung quasi fehlerfrei. Dies gilt selbst für bilinguale Kinder, die eine Sprache wie das Deutsche mit ausschließlich pränominaler Stellung und eine romanische Sprache mit prä- und postnominaler Stellung simultan erwerben. Doch weist die Adjektivstellung auch bei Kindern, die mehr als zwei Sprachen erwerben, keine Erwerbsschwierigkeiten auf ? 8.2.1 Französisch Mit Französisch als L1 wuchsen 74 Kinder der Elizitationsstudie auf, 54 davon wurden in Deutschland getestet. Die Sprachkombinationen der Kinder gehen aus der Abbildung (7.2) hervor. Da an dem Adjektivtest zwar mehr französischsprachige Kinder mitgewirkt haben, es aber nur eine Sprachkombination gab, die bei der Testung zu den postverbalen Subjekten nicht vertreten war (Französisch-Deutsch-Italienisch mit 4 Kindern), werden die einzelnen Sprachkombinationen mit der jeweiligen Kinderanzahl aus Platzgründen in diesem Kapitel nicht mehr dargestellt. Die Mehrzahl der trilingualen Kinder hatte die Kombination Deutsch-Französisch-Englisch (22). Die meisten bilingualen Kinder (17) haben neben dem Französischen das Deutsche erworben. Diese Kinder erwerben gleichzeitig ein System mit pränominaler und mit alternierender Adjektivstellung. 71 der Kinder haben am französischen Peabody teilgenommen, mit dessen Hilfe auch die Sprachbalanciertheit bestimmt wurde. 54 % der Kinder waren balanciert mehrsprachig. Das Durchschnittsalter der Kinder betrug 4; 8. Wir wissen bereits, dass es im Französischen verhältnismäßig viele Kinder gibt, die im Peabody-Test unterdurchschnittlich abgeschnitten haben (45 %). Viele der Kinder haben ein durchschnittliches Ergebnis (44 %) erreicht. Die insgesamt hervorragenden Resultate der Testung zur Stellung der Adjektive im Französischen wollen wir am Beispiel von drei getesteten Adjektiven aufzeigen, die im Korpus relativ häufig vorkommen: grand(e)(s) mit einer Präferenz für die pränominale Stellung im 153 8.2 Adjektivstellung bei monolingualen und mehrsprachigen Kindern erwachsenen Französisch, long(ue)(s) als alternierendes Adjektiv und das Farbadjektiv vert(e) (s) mit einer deutlichen Tendenz zur postnominalen Stellung im Zielsystem. Grand(e)(s) gehört zu den häufigsten Adjektiven unter den getesteten Formen. Bei Wilmet ist es 1.304-mal vertreten, im C-ORAL 174-mal, in der FTB 594-mal. Abb. 8.6: Position von grand(e)(s) in unterschiedlichen Korpora des Französischen Die Abbildung (8.6) zeigt, dass die Kinder im Elizitationstest die meisten postnominalen Stellungen aufweisen. Doch macht auch bei ihnen der Großteil der Stellungen die erwartete pränominale Position aus. Die mit Namen benannten Kinder entstammen der Longitudinalstudie von bilingualen Kindern der WuBiG. Sie wurden von anderthalb bis fünf Jahren alle 14 Tage in spontaner Interaktion mit einem einsprachigen Erwachsenen beobachtet. Das Kind Marie hat die meisten nicht-erwarteten postnominalen Stellungen. Marie wächst in Frankreich auf und entwickelt das Französische als starke und das Deutsche als schwache Sprache. Sie hat eine sehr ausgeprägte Sprachdominanz. Genauso ist Céline, die in Deutschland aufwächst, aber Deutsch als dominante Sprache entwickelt. Die Adjektivstellungen können ganz offensichtlich nicht mit der Sprachdominanz der Kinder in Zusammenhang gebracht werden (zu den anderen Kindern und deren Sprachbalanciertheit vgl. Müller et al. 2015). Dies haben auch die statistischen Verfahren gezeigt, die auf die getesteten Kinder angewandt wurden. So sind diejenigen Kinder, die im Test die postnominale Position von grand(e)(s) gebraucht haben, nicht etwa Kinder, die mehr als zwei Sprachen erwerben, unbalanciert mehrsprachig sind oder im Peabody unterdurchschnittlich abgeschnitten haben. 154 8 Erwerb der Adjektivstellung im Deutschen, Französischen und Spanischen Wie verhalten sich die Kinder im Elizitationstest bei dem Adjektiv long(ue)(s), das keinerlei Tendenzen hin zu einer Position aufweist? Das Adjektiv kommt bei Wilmet 300-mal, im C-ORAL nur 19-mal und im FTB Korpus 213-mal vor, d. h. es ist weniger frequent. Dies gilt auch für die kindersprachlichen Korpora. Abb. 8.7: Position von long(ue)(s) in unterschiedlichen Korpora des Französischen Die Abbildung (8.7) zeigt in fast allen Korpora Variation. In der kindgerichteten Sprache haben wir eine gleich große Verteilung beider Adjektivpositionen. Die Kinder Alexander, Amélie und Siria zeigen keine Variation. Sie haben weniger als vier Vorkommen. Hieran zeigt sich, dass Adjektive, die wenig frequent sind, auch in Korpora schwer untersucht werden können, die nicht eine gewisse Mindestgröße aufweisen. Mit insgesamt 9.775 Äußerungen in allen französischen Aufnahmen bei Alexander, 13.343 Äußerungen bei Amélie und 3.799 bei Siria sind diese Korpora offensichtlich nicht groß genug, um eine insgesamt so selten auftretende Kategorie wie das Adjektiv zu analysieren. Die getesteten Kinder bevorzugen leicht die postnominale Position von long. Diese leichte Bevorzugung ist weder auf den Umstand zurückzuführen, dass unter den Kindern solche sind, die mehr als zwei Sprachen erwerben, noch spielen die Sprachbalanciertheit bzw. das erreichte Ergebnis im französischen Peabody eine Rolle. Kommen wir zum Schluss zu einer Adjektivklasse, die im Erwachsenensystem bevorzugt postnominal steht, in manchen Korpora sogar ausschließlich in dieser Position zu finden ist, nämlich den Farbadjektiven. Die getesteten Kinder haben vert bzw. rose benutzen müssen. 155 8.2 Adjektivstellung bei monolingualen und mehrsprachigen Kindern Da beide Adjektive in geschriebenen und gesprochenen Korpora sehr selten vorkommen (so tritt vert(e)(s) im FTB nur insgesamt 31-mal auf, rose(s) nur 3-mal), wurde bei der Darstellung auf die gesamte Klasse der Farbadjektive referiert, mit Ausnahme des C-ORAL Korpus, des FTB Korpus und bei den getesteten Kindern. Statistische Tests zeigen auch hier, dass die pränominalen Stellungen nicht statistisch signifikant von Kindern stammen, die mehr als zwei Sprachen erwerben, unbalanciert mehrsprachig sind oder im französischen Peabody ein unterdurchschnittliches Ergebnis erreicht haben. Abb. 8.8: Position von vert(e)(s)/ rose(s) bzw. Farbadjektiven in unterschiedlichen Korpora des Französischen Alle weiteren getesteten Adjektive sind in Korpora sehr selten und wurden auch von den Kindern im Test selten produziert. Vieux/ vieil(s)/ vieille(s) kommt im FTB 89-mal vor, bei Wilmet (1981) 388-mal. Es steht zu 98 % pränominal. Das Adjektiv kommt im Test nur insgesamt 5-mal vor und wird immer postnominal gestellt. Das Adjektiv chant(eur(s))/ (euse(s)) ist in keinem der Korpora vertreten. Die getesteten Kinder haben es auch nicht gebraucht. Es sollte postnominal auftreten. Moche(s) ist 9-mal von den getesteten Kindern gebraucht worden und immer in postnominaler Position. Im FTB kommt moche(s) nicht vor. Wilmet (1981: 194) findet das Adjektiv insgesamt nur ein Mal und zwar in der postnominalen Position. Alle Ergebnisse zur französischen Adjektivstellung werden in Arnaus Gil, Zimmermann, Tirado Espinosa & Müller (2019) dargestellt und diskutiert. 156 8 Erwerb der Adjektivstellung im Deutschen, Französischen und Spanischen Bisher sind wir noch nicht auf die Testung der deutschen Adjektivstellung zu sprechen gekommen. Im Deutschen war für alle Adjektive eine pränominale Position erwartet. Die getesteten Kinder haben diese Position in 94 % der Fälle benutzt. Es gibt dementsprechend aus Erwerbsperspektive zu den Testergebnissen im Deutschen nichts zu sagen. Bemerkenswert ist, dass die mehrsprachigen Kinder neben dem Deutschen Sprachen erworben haben, die beide Positionen des Adjektivs erlauben. Dennoch waren sie im Deutschen in der Lage, in den meisten Fällen die zielsprachliche pränominale Position zu gebrauchen. 8.2.2 Spanisch: Produktionstest Kommen wir nun zur Testung im Spanischen, zunächst zum mit dem Französischen und Deutschen vergleichbaren Produktionstest. Hier war die postnominale Position des Adjektivs erwartet (vgl. Kapitel 2.3.2.3). Diese haben die Kinder in 85 % der Fälle auch produziert, was eine hohe Akkuratheitsrate darstellt. Mit Spanisch als L1 wurden 63 Kinder hinsichtlich der Adjektivstellung getestet, 27 davon in Deutschland, 36 in Spanien. Die Sprachkombinationen der Kinder sind in der Abbildung (8.9) ersichtlich. Abb. 8.9: Sprachkombinationen der getesteten Kinder mit Spanisch 157 8.2 Adjektivstellung bei monolingualen und mehrsprachigen Kindern Die Abbildung (8.9) zeigt, dass viele der Kinder mit mehr als zwei Sprachen mindestens eine Sprache neben dem Spanischen erworben haben, in der Adjektive stets pränominal stehen (wie im Deutschen und Englischen). Die meisten bilingualen Kinder haben neben dem Spanischen das Deutsche erworben. Für 63 der Kinder liegt ein Ergebnis im spanischen Peabody vor, mit dessen Hilfe u. a. die Sprachbalanciertheit bestimmt wurde. 60 % der Kinder waren balanciert mehrsprachig. Das Durchschnittsalter der Kinder betrug 4; 9. Im spanischen Peabody-Test haben sehr wenige Kinder unterdurchschnittlich abgeschnitten, gerade einmal 10 %. Auffällig ist, dass verhältnismäßig viele Kinder ein überdurchschnittliches Ergebnis erzielt haben, nämlich immerhin 41 %. Wie im Französischen haben auch im Spanischen viele der Kinder ein durchschnittliches Ergebnis (49 %) erreicht. Im spanischen Test war die postnominale Position der getesteten Adjektive aus Sicht des Erwachsenensystems erwartet. Dies ergab sich aus der Aufgabe. Die Kinder sollten ein Vogelpaar benennen, das sich hinsichtlich einer Eigenschaft vom Prototyp unterscheidet. In diesem Fall wird i. d. R. im Spanischen die postnominale Position gewählt. Insgesamt enthielten 85 % aller Nominalphrasen der Kinder ein postnominales Adjektiv. Das insgesamt gute Ergebnis wurde sowohl von den bilingualen Kindern als auch von den Kindern erreicht, die mit mehr als zwei Muttersprachen aufwachsen. Wir hatten bei der Vorstellung der Korpora gesehen, dass alle sechs getesteten Adjektivtypen alternieren. Wir wollen nachfolgend für alle Adjektive die Anteile an prä- und postnominaler Stellung aufzeigen. Gran(de)(s) gehört zu den häufigsten Adjektiven unter den getesteten Formen. Es ist im analysierten Teil des CREA Korpus insgesamt 1316-mal vertreten, in der kindgerichteten Sprache 208-mal. Zusätzlich zu den bereits genannten Korpora liegen für dieses Adjektiv Auswertungen über die Korpora der Kinder der WuBiG vor. 158 8 Erwerb der Adjektivstellung im Deutschen, Französischen und Spanischen Abb. 8.10: Position von gran(de)(s) in unterschiedlichen Korpora des Spanischen Die Abbildung (8.10) zeigt, dass die Kinder im Elizitationstest häufig die erwartete postnominale Stellung benutzt haben. Statistische Tests haben ergeben, dass die Kinder, die die pränominale Position gebraucht haben, nicht etwa mehr als zwei Sprachen erworben haben, unbalanciert mehrsprachig waren oder unterdurchschnittlich im Peabody-Test abgeschnitten haben. Wir kommen auf eine mögliche Erklärung der Daten im weiteren Verlauf zu sprechen. Der Vergleich der spanischen Korpora zeigt, dass hier noch weitere Studien notwendig sind. So weist die kindgerichtete Sprache vornehmlich postnominale Stellungen auf, wohingegen im geschriebenen Spanisch die pränominale Position überwiegt. Dass die Sprachdominanz vermutlich nicht für die pränominale Positionierung des Adjektivs bei den mehrsprachigen Kindern verantwortlich ist, zeigen auch die Analysen der Longitudinalkorpora. So sind diejenigen Kinder, die die meisten pränominalen Stellungen zeigen, balanciert bilingual (Lucas, Teresa) oder unbalanciert (Syca-Inès, mit Spanisch als schwacher Sprache) (vgl. Müller et al. 2015: 63). Die spanische Adjektivstellung sollte in zukünftigen Forschungsarbeiten einen größeren Stellenwert einnehmen. Kommen wir zu dem nächsten Adjektiv, list(o/ a)(s). Dieses Adjektiv wird in allen Korpora sehr selten verwendet. Selbst die getesteten Kinder haben nur insgesamt 5-mal eine Nominalphrase mit diesem Adjektiv gebraucht. Dennoch überwiegt, wie erwartet, die postnominale Position. Die Bevorzugung der postnominalen Position bei den getesteten Kindern gilt auch für das Adjektiv larg(o/ a)(s), mit dem Unterschied, dass largo im CREA Korpus 255-mal und 159 8.2 Adjektivstellung bei monolingualen und mehrsprachigen Kindern in der kindgerichteten Sprache immerhin 33-mal vorkommt. Auch das Adjektiv viej(o/ a)(s) hat bei den getesteten Kindern die erwartete postnominale Position hervorgelockt. Mit 7 Vorkommen im C-ORAL Korpus und 6 Vorkommen in der kindgerichteten Sprache (und 942 Vorkommen im CREA Korpus) gehört es zu den wenig frequenten Adjektiven im gesprochenen Spanisch. Mit ähnlicher Vorsicht muss das Adjektiv gord(o/ a)(s) betrachtet werden. In der kindgerichteten Sprache ist es nur insgesamt 15-mal vertreten, im CREA Korpus nur 61-mal. Die getesteten Kinder haben auch dieses Adjektiv vornehmlich postnominal gestellt. Abb. 8.11: Position von verde(s) in unterschiedlichen Korpora des Spanischen Mit dem Farbadjektiv verde(s) kommen wir zu einem in allen mündlichen Korpora als ausschließlich postnominal ausgewiesenen Adjektiv. Auch die getesteten Kinder haben dies erkannt. Wenn die nicht-erwartete pränominale Adjektivstellung bei den spanischen Kindern weder mit der Anzahl der Erstsprachen noch mit dem Balanciertheitsgrad bzw. dem erreichten Kompetenzniveau im spanischen Peabody zu tun hat, dann stellt sich hier die Frage, ob linguistische Gründe verantwortlich sind. Die nicht-erwarteten pränominalen Stellungen betreffen alle getesteten Adjektive (gleichermaßen). Es ist auch nicht der Fall, dass bestimmte Kinder in bestimmten Altersstufen bevorzugt pränominale Adjektivstellungen gebraucht haben. 160 8 Erwerb der Adjektivstellung im Deutschen, Französischen und Spanischen 8.2.2.1 Die pränominale Position des Adjektivs im Spanischen Für die nachfolgende Analyse haben wir alle pränominalen Adjektivvorkommen bei den getesteten Kindern analysiert. Da keine der bekannten Variablen einen Einfluss hatte, soll in diesem Abschnitt die Hypothese vorgestellt werden, dass linguistische Gründe für die pränominale Adjektivstellung verantwortlich sind. Auffällig bei den 31 Nominalphrasen ist, dass in 29 der Fälle die Kinder entweder das Nomen, wie in der kindlichen Äußerung (95a), oder das pränominale Adjektiv, wie in (95b) und (95c), mit erhöhter Lautstärke produziert haben (gekennzeichnet durch Großschreibung). 95. a. largo sombrEro (Deva, Dt-Span) b. vErdes alas (Emma, Dt-Span) c. muy lArga sombrero (Emma, Dt-Span) Solche Betonungen des Adjektivs finden sich auch im CREA Korpus (96a). Hier könnte allein durch die pränominale Position des Adjektivs ein Betonungseffekt desselben erreicht werden. Genauso findet sich im CREA Korpus bei dem vornehmlich postnominal stehenden Adjektiv gordo die pränominale Position, wenn dieses, im literarischen Stil, betont werden soll (96b) (vgl. auch Terker 1985 zum Zusammenhang zwischen intonatorischer Prominenz und pränominaler Adjektivstellung im Spanischen). Schon Thuilier (2014) vermutet für das Französische, dass aus stilistischen Gründen das Adjektiv abweichend von seiner geläufigen Position stehen kann und hierdurch ein Fokussierungseffekt hervorgerufen wird. Diachronisch galt die pränominale Position im Französischen als unmarkiert. Die postnominale Stellung war dennoch möglich aus stilistischen Gründen und aus Gründen der Emphase (Sleeman, van de Velde & Perridon 2014). 96. a. Y verdes montañas, verde Navidad b. No es el ciclo de pasmosa baraka de un individuo, cerrándose, una y otra vez, en falso, costra sobre costra, y ya en gangrena: ciclo del “gordo gato, castrado y tontiastuto” Die Testung war zwar nicht auf prosodische Eigenschaften ausgelegt, aber wir waren dennoch in der Lage, alle 31 Fälle pränominaler Adjektivstellung mit Hilfe von ToBI (Tones and Break Indices, vgl. Hualde & Prieto 2015) phonetisch zu annotieren. Damit mit dem Programm Praat und dem phonetischen Annotierungssystem ToBI Sprachsequenzen analysiert werden können, muss zunächst ein (Transkript-)Video in eine MP3-Datei umgewandelt vorliegen. Diese MP3-Datei wird in einem nächsten Schritt in Praat als Longsoundfile geöffnet, so dass in der Tonspur nach der gewünschten Sequenz gesucht werden kann. Diese wird dann ausgeschnitten und in einem Unterordner gespeichert. Um dann das Annotierungssystem ToBI zu benutzen, wird dieses Tonspur-Snippet in Praat geöffnet. Zudem muss die Funktion „Annotate To TextGrid“ gewählt werden. Als Nächstes müssen die Zeilen, die unter der Lautstärke, welche sich ganz oben befindet, und dem Spektrogramm, welches sich wiederum unter der Zeile für Lautstärke befindet, beschriftet und es muss ausgewählt werden, in welcher dieser Ebenen der Annotation im 161 8.2 Adjektivstellung bei monolingualen und mehrsprachigen Kindern TextGrid sog. „tier“ (das sind die beschriftbaren Striche, wie sie in Zeile zwei zu sehen sind) erscheinen sollen. Wie in Abbildung (8.12) zu sehen ist, handelt es sich um insgesamt fünf Zeilen. Abb. 8.12: Screenshot der Analyse „largas piernas“ Üblicherweise ist Zeile eins, miscellanous, ein „tier“, in dem Diverses angegeben werden kann. Oftmals handelt es sich hierbei darum, dass ein Kind ein Wort nicht-zielsprachlich ausgesprochen hat (z. B. anstatt „rosa“ „losa“). In der Abbildung (8.12) wurde vermerkt, dass zwei Pitch accents nicht mit dem Spektogramm übereinstimmen. Bei Zeile zwei, ebenfalls mit der Funktion eines „tiers“, werden die Töne eingetragen. Hierbei sind lediglich die betonten Silben (pitch accents) von Interesse und es wird eingetragen, inwiefern intoniert wird. Im vorliegenden Beispiel sind die betonten Silben als „high“ (hoch), „low“ (tief), „low plus high“ (also von tief nach hoch) und „high plus low“ (von hoch nach tief) annotiert. Auch die Boundary tones, die Grenztöne, sind in dieser Zeile vermerkt. Im Tier vier wird verschriftlicht, was auf der Aufnahme zu hören ist, und die Wörter werden durch Segmentierungen auch optisch voneinander abgesetzt. Tier drei wiederum dient dazu, die Silben innerhalb eines Wortes zu segmentieren, so dass auch graphisch deutlich zu erkennen ist, bei welcher Silbe es sich um die betonte handelt. Zudem wird die Äußerung in derselben Zeile phonetisch transkribiert. 162 8 Erwerb der Adjektivstellung im Deutschen, Französischen und Spanischen Es kommt häufig vor, dass dies von den grammatisch vorgegebenen Betonungskonventionen abweicht. Mithin können in den Segmentgrenzen keine Anmerkungen geschrieben werden, sondern diese Anmerkungen kommen auf Tier 1. In der letzten Zeile, also Tier fünf, werden die Wortgrenzen angegeben, wobei hier die Ziffern wie folgt vergeben werden: Break index 0 steht nach nicht-akzentogenen Wörtern, 1 nach akzentogenen Wörtern, 4 am Ende einer Intonationsphrase. Break index 3 steht nach intermediären Phrasen. Die Abbildung (8.12) zeigt nun nachweisbar, dass die Lautstärke auf der ersten Silbe des Adjektivs largas und des Nomens piernas erhöht wurde. Die Modellierung der Lautstärke wäre also ein Hinweis darauf, dass die pränominale Position des Adjektivs fokussiert ist. In den Interaktionen mit dem Erwachsenen finden sich nun auch Sequenzen, bei denen das Kind nicht sofort ein Adjektiv in der Nominalphrase benutzt hat und der Erwachsene entsprechend nachfragen musste. In Kontexten, in denen der Erwachsene nachfragen musste, liegt ebenfalls eine Fokussierung vonseiten des Kindes vor, da es in seiner Äußerung ohne Adjektiv fälschlicherweise davon ausgegangen ist, dass der Erwachsene das gemeinte Vogelpaar schon erkennen wird. Ohne die Präzisierung durch ein Adjektiv ist dies im Spiel jedoch nicht klar. Das Kind verleiht seiner Äußerung mit Hilfe des realisierten Adjektivs Nachdruck (Emphase). Solche Sequenzen haben wir in (97) vorbereitet. Der in der letzten Sequenz nach oben gerichtete Pfeil markiert hierbei die Stimmhebung des Erwachsenen, ohne dass eine Frage intendiert ist. 97. Erwachsene: aja o sea en la casa qué pájaros tengo? / qué pajaros están en la casa? / en la casa qué pajaros están en la casa? / Stefano (Dt-Span-Ital): mh grande pancha Erwachsene: vale, entonces en la cuerda pongo los pajaritos con - / Alma (Dt-Span-Kat): el largo gorro Erwachsene: cómo? / Chloe (Frz-Span-Kat): los viejos pingüinos / Erwachsene: muy bien / wow qué rapido johannes / pues venga! uno dos - uno dos y tres / a ver pues aquí tenemos a los pájaros con? / Johannes (Dt-Span): con las largas patas / Erwachsene: con qué? / Deva (Dt-Span): largo sombrero / Erwachsene: los gatos ↑ / los gatos ↑ / Matteo (Dt-Span): los gordos pájaros / Die Analyse der pränominalen Adjektive in der Kindersprache muss in Zukunft linguistische Kriterien systematisch prüfen; unsere Ausführungen zeigen, dass prosodische und pragmatische Analysen weiterführend sein können (vgl. Arnaus Gil et al. 2019c). 163 8.2 Adjektivstellung bei monolingualen und mehrsprachigen Kindern 8.2.3 Spanisch: Verstehenstest Der Verstehenstest hatte das Ziel, die subsektive Lesart der attributiven Adjektive im Spanischen in ihrer Voranstellung bei mehrsprachigen Kindern zu untersuchen. Insgesamt haben 65 Kinder teilgenommen: 29 bilinguale, 28 trilinguale und 8 multilinguale Kinder. Nach der vom Erwachsenen vorgegebenen pränominalen Stellung des Adjektivs war vom Kind zu erwarten, dass es aus den zwei Karten diejenige auswählt, die ausschließlich einen Katzentyp abbildet. Aus der Abbildung (8.13) wird deutlich, dass sich die bilingualen und trilingualen Kinder überwiegend für die richtige Karte entschieden haben. Abb. 8.13: Ergebnisse im Verstehenstest: pränominale Adjektive im Spanischen Im Gegensatz dazu stehen die Ergebnisse der multilingualen Kinder, die im 50 %-Bereich rangieren. Der Unterschied zwischen den bilingualen und trilingualen Kindern einerseits und den multilingualen andererseits ist jedoch statistisch nicht signifikant. Auch das erreichte Kompetenzniveau in der Zielsprache Spanisch oder eine Sprachdominanz können die schlechten Ergebnisse nicht erklären. Vermutlich muss in zukünftigen Forschungsarbeiten mit größeren Gruppen gearbeitet werden. Die Ergebnisse im Verstehenstest der bilingualen und trilingualen Kinder vervollständigen unser Bild von den nicht-erwarteten pränominalen Adjektivvorkommen im spanischen Produktionstest. Unsere Erklärung, dass die Kinder aufgrund von Fokussierung und nicht wegen eines Kompetenzmangels die nicht-erwartete, pränominale Adjektivposition produ- 164 8 Erwerb der Adjektivstellung im Deutschen, Französischen und Spanischen ziert haben, wird durch die sehr guten Ergebnisse im Verstehenstest unterstützt, da hier die subsektive Lesart von Nominalphrasen mit pränominalem Adjektiv getestet wurde. Wir möchten zum Schluss noch auf die Drittspracherwerbstheorien aus Kapitel 1 zurückkommen. Keine der Theorien ist auf den vorliegenden Fall anwendbar, da einerseits bereits monolinguale Kinder den Bereich der Adjektivstellung quasi fehlerfrei meistern und sich andererseits bei den Kindern mit mehr als zwei Sprachen kein Einfluss aus den anderen L1n abzeichnet. Obwohl die hier untersuchten Sprachen alternierende Adjektive aufweisen und sich auch hinsichtlich der Adjektivstellung voneinander unterscheiden, bleibt der Einfluss aus. Im Vergleich zu den bisher betrachteten grammatischen Bereichen, der Stellung finiter Verben und Subjekte, erstaunt das Ergebnis, dass wir bei den Kindern mit mehr als zwei Sprachen keinerlei Einfluss nachweisen können. Wir benötigen folglich ein Erwerbsmodell, das die beobachteten (positiven) Effekte im Bereich finiter Verben und Subjekte und deren Ausbleiben im Bereich der Adjektivstellung in Produktion und Verstehen erklären kann. 8.3 Zusammenfassung Obwohl Adjektive zu den wenig frequenten lexikalischen Kategorien gehören, meistern mehrsprachige Kinder ihre Positionierung vor oder hinter dem Nomen sehr früh in ihrer Sprachentwicklung. Dies gilt für die romanischen Sprachen Französisch und Spanisch mit prä- und postnominalen attributiven Adjektiven und für das Deutsche, wo Adjektive dem Nomen vorangehen. Wenn mehrsprachige Kinder unerwartete Adjektivstellungen verwenden, könnte dies linguistische Gründe haben. Wir haben vermutet, dass die Kinder in diesem Fall einen Fokussierungseffekt erreichen wollen. Das Ergebnis, dass Adjektive, die von mehrsprachigen Kindern in einer aus Sicht der Zielsysteme unerwarteten Position gebraucht werden, nicht etwa einem Kompetenzmangel geschuldet sind, konnte im vorliegenden Fall durch die sehr guten Ergebnisse (zumindest) der bilingualen und trilingualen Kinder im Verstehenstest untermauert werden. Das wichtigste Ergebnis ist, dass Kinder, die mit mehr als zwei Sprachen aufwachsen, den Bereich der Adjektivstellung genauso früh beherrschen wie bilinguale (und monolinguale) Kinder. 165 9 Erwerb der Kopulaverben im Spanischen und Katalanischen Laia Arnaus Gil Das vorliegende Kapitel widmet sich den Kopulaverben ser und estar im Spanischen und ésser und estar im Katalanischen. Obwohl beide Kopulasysteme Ähnlichkeiten bei der Wahl der Kopula aufweisen, unterscheiden sie sich in einigen Kontexten. Ziel dieses Kapitels ist, die Gemeinsamkeiten und Unterschiede beider Kopulasysteme herauszuarbeiten und ihren Erwerb im frühkindlichen Alter durch Kinder, die mehr als zwei Sprachen erwerben, zu untersuchen. 9.1 Kopulaverben in den Zielsystemen 9.1.1 Spanisch Die spanische Sprache verfügt über zwei Kopulaverben, ser und estar. Wie die folgenden Beispiele in (98) aus Arnaus Gil (2013) und Remberger & González-Vilbazo (2007) zeigen, kann ser Nomen (in artikellosen NPn und in DPn mit realisiertem definiten Artikel wie in 98a), Adjektive (in Adjektivphrasen, APn, wie in 98b), aber auch PPn (Präpositionalphrasen) mit einer lokativen (wie in 98c) oder einer nicht-lokativen (98d) Bedeutung begleiten: 98. a. Ella es médico / la profesora b. Juan es muy inteligente. Con cuatro años ya sabe leer c. El próximo mundial de fútbol es en Alemania d. Pinocho es de madera Wenn wir uns die Verwendung von estar genauer ansehen, wird deutlich, dass estar in einigen prädikativen Kontexten auftreten kann, in denen wir ser bereits kennengelernt haben: 99. a. *Laura está médico / la profesora b. El cocinero está muy cansado de trabajar diez horas seguidas c. Buenos Aires está en Argentina d. La habitación está a oscuras Die Beispiele in (99) zeigen, dass Adjektive (99b), lokative und andere PPn (99c, 99d) von estar begleitet sein dürfen. Das Beispiel (99a) ist ungrammatisch. Hieran erkennen wir, dass prädikative Nominalphrasen (bzw. DPn) nur mit ser auftreten dürfen. Betrachten wir die lokativen Präpositionalphrasen in (98c) und (99c). Der Unterschied betrifft die Art des Subjekts: Lokative PPn mit ser kommen ausschließlich mit einem Subjekt vor, das ein Ereignis (engl. event), wie z. B. eine Veranstaltung, ein Fest oder eine Theatervorstellung, ausdrückt. Im Gegensatz dazu wird estar mit lokativen PPn verwendet, wenn das Argument, das das Subjekt ausdrückt, an einer Stelle verortet wird. Kommen wir im Folgenden auf die prädikativen Kontexte, die mit einer AP gebildet werden. Die Beispiele in (100) zeigen, dass die Wahl zwischen ser und estar nicht frei ist und wie 166 9 Erwerb der Kopulaverben im Spanischen und Katalanischen in (100b) die Wahl oder Selektion der Kopula vom jeweiligen Adjektiv abhängt. Mit anderen APn ist sie jedoch syntaktisch unbeschränkt, wobei die Lesart hierbei differiert (vgl. Arnaus Gil, Jiménez-Gaspar & Müller 2018: 95 und in Beispiel 101). 100. a. Juan está muy inteligente. Con cuatro años ya sabe leer. b. *El cocinero es muy cansado de trabajar diez horas seguidas 101. a. Laura es fea b. Laura está fea c. El perro es nervioso d. El perro está nervioso Der Unterschied zwischen der Verwendung von ser oder estar in Kontexten wie in (101) wurde in der Literatur sehr ausführlich diskutiert. Für die Zwecke dieses Kapitels genügt die Generalisierung, dass ser eine inhärente bzw. permanente Eigenschaft des Subjekts ausdrückt, während mit estar eher vorübergehende Eigenschaften und physische Merkmale versprachlicht werden. 9.1.2 Katalanisch Das Katalanische gehört zur Familie der romanischen Sprachen und verfügt über zwei Kopulaverben: ésser und estar. Wie aus den folgenden Beispielen in (102) und (103), die Übersetzungen der spanischen Beispiele in (98) und (99) sind, ersichtlich wird, scheint die Kopulaselektion im Katalanischen ähnlich zu funktionieren wie im Spanischen. 102. a. Ella és metge / la professora b. En Joan és molt intel · ligent. Amb quatre anys ja sap llegir c. El pròxim mundial de futbol és a Alemanya d. En Pinotxo és de fusta 103. a. *La Laura està metge / la profesora b. El cuiner està molt cansat de treballar deu hores seguides c. Buenos Aires està a Argentina d. L’habitació està a les fosques Mit anderen Worten ist in Kontexten mit einem Nomen (NP bzw. DP) ésser erforderlich, während neben ésser auch estar gebraucht wird, sobald APn und PPn involviert sind. Betrachten wir wieder die Adjektivkontexte, so zeichnet sich das gleiche Muster wie für das Spanische ab. 104. a. L’amic de la Laura és jove Der Freund von Laura ist-ésser jung Der Freund von Laura ist jung 167 8.3 Zusammenfassung b. La bombeta és/ està fluixa (Gramàtica Catalana GC 2016: 870) Die Glühbirne ist-ésser/ estar lose Die Glühbirne ist lose c. Amb aquest vestit estàs molt maca (Ramos 2002: 2011) Mit diesem Kleid bist-ésser.2SG sehr hübsch Mit diesem Kleid bist du sehr hübsch Betrachtet man das katalanische System in seiner Gesamtheit, so ist man sich einig, dass die Kopulaselektion im Katalanischen auch Unterschiede zum Spanischen aufweist. Im Kapitel El problema més complex de la nostra gramàtica („Das komplexeste Problem unserer Grammatik“) diskutiert Solà (1987) alle möglichen Kontexte, in denen ésser und estar auftreten können, und kommt zu dem Ergebnis, dass die katalanischen Adjektive in drei Gruppen eingeteilt werden müssen: (i) Adjektive, die lediglich ésser selegieren; (ii) Adjektive, die ausschließlich estar begleiten; (iii) die restlichen Adjektive, die beide Kopulaverben erlauben. Für den Lerner folgt, dass für jedes dieser Adjektive gelernt werden müsste, zu welcher Gruppe es gehört. Ein anderer Ansatz ist der von Wheeler, Yales & Dols (1999), Ramos (2002) und der der neuen Gramàtica Catalana (GC, 2016). Hier wird behauptet, dass die Kopulaselektion mit prädikativen Adjektiven von der Belebtheit des Subjekts, der Zustandsdauer und aspektuellen Eigenschaften der AP abhängt. Die folgende Tabelle (9.1) fasst die wichtigsten Aspekte der Kopulaselektion mit prädikativen Adjektiven im Katalanischen zusammen. Belebtheit Subjekt Kopula Zustandsdauer Aspekt (AP) Beispiel belebt ésser unbegrenzt inhärent/ permanent El Pere és tranquil Peter ist-ésser ruhig unbelebt ésser unbegrenzt inhärent/ permanent L ’ autopista és ampla Die Autobahn ist-ésser breit unbelebt ésser unbegrenzt temporär La llet ja és freda Die Milch ist-ésser bereits kalt belebt estar begrenzt temporär La Paula està feliç Paula ist-estar froh unbelebt ésser/ estar begrenzt temporär El vidre és/ està moll Das Glas ist-ésser/ estar nass Tab. 9.1: Kopulaselektion im Katalanischen in Abhängigkeit von 3 Faktoren: Belebtheit, Dauer, aspektuelle Eigenschaften der AP In der Tabelle (9.1) sind zwei Zeilen fett hervorgehoben. Der erste Fall beschreibt solche Kopulakonstruktionen, die ein unbelebtes Subjekt und eine unbegrenzte Zustandsdauer ausdrücken. Sie sind aus einer aspektuellen Perspektive neutral und erfordern ésser. Im zweiten hervorgehobenen Fall, wenn die Zustandsdauer also begrenzt ist, wählt das Katalanische 168 9 Erwerb der Kopulaverben im Spanischen und Katalanischen neben ésser auch estar. Aus den Daten in Tabelle (9.1) lassen sich Unterschiede bei der Kopulaselektion zum Spanischen ableiten, auf die wir im Folgenden kurz eingehen wollen. 9.1.3 Unterschiede zwischen Katalanisch und Spanisch Im Spanischen sind aspektuelle Unterschiede, temporäre versus inhärente bzw. permanente aspektuelle Eigenschaften ausschlaggebend für die Selektion von estar oder ser. Im Katalanischen hingegen können temporäre, also vorübergehende Eigenschaften, die im Spanischen estar begleiten, mit ésser ausgedrückt werden. Wichtig ist, dass in diesen Kontexten im Sprachgebrauch auch ein innovatives, also rezentes estar möglich ist. Dies hat zur Folge, dass im Katalanischen solche Kontexte mit beiden Kopulaverben auftreten und demzufolge auch im Input des Kindes eine Alternation auftritt. Normorientierte Sprecher verwenden eher ésser, innovative Sprecher eher estar. Wir wollen diesen Unterschied zwischen dem Spanischen und dem Katalanischen mit Hilfe der folgenden Beispiele illustrieren. 105. a. Kat. La llet és freda b. Kat. La llet està freda 106. a. Sp. *La leche es fría b. Sp. La leche está fría Brucart (2012) geht, neben vielen weiteren, auf den folgenden, systematischen Unterschied zwischen Spanisch und Katalanisch ein. Fungieren deverbale Partizipien als prädikative Adjektive, so wählt das Spanische estar, im Katalanischen hingegen sind wieder beide Kopula möglich. 107. a. Kat. El cel és núvol a’. Kat. El cel està núvol b. Sp. El cielo está nublado b’. Sp. *El cielo es nublado (entnommen aus Brucart 2012: 37) Die Beispiele in (107) zeigen wieder den an der Norm orientierten Gebrauch mit ésser, der mit der innovativen Verwendung mit estar einhergeht. Bei permanenter Lesart des Prädikats wählen beide Sprachen ser bzw. ésser. Im folgenden Kapitel werden die empirischen Studien präsentiert, die den Erwerb der katalanischen und spanischen Kopulaverben im Vorschulalter untersucht haben. Es sind bisher wenige Studien in diesem Rahmen entstanden. 9.2 Bisherige empirische Studien Bis heute gibt es erstaunlicherweise relativ wenige Studien, die sich mit dem Erwerb des katalanischen Kopulasystems im Kontakt mit dem Spanischen im Erstspracherwerb beschäftigen. Cuza & Guijarro-Fuentes (2018) untersuchen die Verwendung von katalanischen und spanischen Kopulaverben bei bilingualen Kindern im Alter von 6 bis 11 Jahren (und 169 9.2 Bisherige empirische Studien bei erwachsenen Sprechern, die zwischen 18 und 27 Jahre alt sind, vgl. auch Michalski 2018) und vergleichen die Ergebnisse mit monolingualen Kontrollgruppen (zwischen 7 und 10 Jahre alt). Wir werden hier nur die Ergebnisse zu den bilingualen Kindern referieren. Die Autoren analysieren den Kopulagebrauch mit lokativen und adjektivischen Prädikaten im Katalanischen und Spanischen. Für die katalanischen Kopula ésser und estar in Kontexten mit einer AP wird festgestellt, dass die bilingualen Kinder eher dazu tendieren, estar zu übergeneralisieren, d. h. estar in ésser-Kontexten zu verwenden. Für das Spanische finden Cuza & Guijarro-Fuentes (2018), dass die bilingualen Kinder zielsprachlich sind. Zusammenfassend lässt sich also sagen, dass die bilingual katalanisch-spanisch aufwachsendenden Kinder noch im Alter von 11 Jahren Schwierigkeiten mit dem katalanischen Kopulagebrauch im Kontext von APn haben, während das spanische Kopulasystem, vermutlich aufgrund des Fehlens der Kopulaalternation, lange vor diesem Alter als erworben gelten darf. Arnaus Gil untersucht den Kopulaerwerb bei bilingual und trilingual aufwachsenden Kindern in zahlreichen Longitudinalstudien im Zeitraum von 2; 0 bis 5; 0 mit den Sprachkombinationen Spanisch-Deutsch, Spanisch-Französisch und Spanisch-Katalanisch-Deutsch (Arnaus Gil 2013, Arnaus Gil 2015, vgl. auch Arnaus Gil & Müller 2015). Sie zeigt, dass die mehrsprachigen Kinder von Anfang an gut in der Lage sind, sowohl die spanischen als auch die katalanischen Kopulaverben überwiegend zielsprachlich zu verwenden. Bei nicht-zielsprachlichem Gebrauch beobachtet die Autorin unterschiedliche Muster in den zwei romanischen Sprachen: Übergeneralisierungen von estar in ser-Kontexten im Spanischen und Auslassungen von ésser (aber keine Übergeneralisierungen von estar) im Katalanischen. Für das Katalanische kommt Biró (2017) bei der Untersuchung eines trilingual spanisch-katalanisch-ungarisch aufwachsenden Kindes im Zeitraum von 1; 7 bis 3; 7 zu einem ähnlichen Ergebnis. Schließlich wollen wir kurz auf die Ergebnisse zweier Studien hinweisen, die mit den aus Kapitel 2 bekannten bilingualen, trilingualen und multilingualen Kindern der Querschnittsstudie durchgeführt wurden und einen Fokus auf den Kopulagebrauch im Spanischen gelegt haben. Arnaus Gil et al. (2018) und Kleineberg, Arnaus Gil & Müller (2019) analysierten Sprachdaten von 74 mehrsprachigen Kindern in Spanien und Deutschland im Vorschulalter. Zwei Grammatiktests wurden durchgeführt, allerdings haben am ersten Test nur 23 Kinder, am zweiten 51 Kinder teilgenommen. Das Hauptergebnis beider Studien ist, dass es keinen Unterschied zwischen Kindern mit zwei und solchen mit mehr als zwei Muttersprachen gibt. Konkret heißt das, dass die Mehrzahl der Kinder unabhängig vom Alter, der Sprachkombination, des mittels des Peabody erreichten Kompetenzniveaus und der Sprachdominanz beide Kopulaverben im Spanischen zielsprachlich gebrauchen kann. Der Kopulagebrauch ist im Spanischen bereits im Vorschulalter zielsprachlich. Nicht-zielsprachliche Verwendungen betreffen die Übergeneralisierung von estar. Das Katalanische stellt mit seiner Kopulaalternation eine Herausforderung dar. Vor dem Alter von 5 Jahren sind nicht-zielsprachliche Verwendungen durch Auslassungen von ésser (aber keine Übergeneralisierungen von estar) charakterisiert. Später finden sich auch hier Übergeneralisierungen von estar. 170 9 Erwerb der Kopulaverben im Spanischen und Katalanischen 9.3 Studie zum Katalanischen 9.3.1 Teilnehmer Wir wollen in diesem Kapitel die Querschnittsstudie zum frühkindlichen Erwerb der katalanischen Kopulaverben präsentieren. Die Teilnehmer dieser Studie entsprechen den Kindern aus den Studien von Arnaus Gil & Müller (2018a,b) und Kleineberg et al. (2019). Insgesamt gab es 16 trilinguale und multilinguale Kinder, die mit Katalanisch und Spanisch in Spanien oder Deutschland aufwachsen und die darüber hinaus mindestens eine weitere Muttersprache erwerben; vgl. Abbildung (9.1). Abb. 9.1: Sprachkombinationen der trilingualen und multilingualen Kinder mit Katalanisch Für weitere Informationen zu den Kindern vgl. Kapitel 2 sowie Arnaus Gil & Müller (2018a,b), Sivakumar et al. (2019b) und Arnaus Gil et al. (2019a). 9.3.2 Sprachkompetenz mittels Peabody Die Sprachkompetenz der mehrsprachigen Kinder im Katalanischen wurde mit Hilfe des Peabody Picture Vocabulary Tests ermittelt. Wie bereits im Kapitel 3 erwähnt, gab es keine verfügbare Variante des Peabody für die katalanische Sprache, als die Testung stattgefunden hat. Aus diesem Grund wurde der spanische und französische (Form B) Peabody übersetzt und angewandt, um das Kompetenzniveau im Wortschatz des Katalanischen feststellen zu können. 171 9.3 Studie zum Katalanischen Dies ist natürlich problematisch, da für das Katalanische keine Normierungsstichprobe vorhanden ist und Aspekte wie z. B. Wortfrequenz, kulturelle Wörter und die strukturelle Wortkomplexität nicht berücksichtigt werden können (für eine weitere Diskussion vgl. Poeste et al. 2019). Betrachten wir die spanische und die französische Peabody-Version im Detail, so fällt auf, dass die standardisierten Werte und die linguistischen Kategorien sehr ähnlich ausfallen. Abbildung (9.2) zeigt das erreichte Kompetenzniveau im katalanischen Peabody. Abb. 9.2: Ergebnisse im katalanischen Peabody: tri- und multilinguale Kinder Von den 16 Teilnehmern erreichten 11 (69 %) die Kategorie „überdurchschnittlich“ und 4 (25 %) wurden als „durchschnittlich“ eingestuft. Somit haben 15 von 16 Kindern mindestens durchschnittliche Werte erreicht. Wenn wir diese Kinder in Abhängigkeit von ihrem Geburtsland betrachten und darüber hinaus berücksichtigen, dass die Studie in Spanien in einer bilingualen Region (Spanisch und Katalanisch) durchgeführt wurde, können wir der Abbildung (9.3) entnehmen, dass die in Deutschland geborenen tri- und multilingualen Kinder sowohl im Katalanischen als auch im Spanischen mindestens die Kategorie „durchschnittlich“ erzielt haben. 172 9 Erwerb der Kopulaverben im Spanischen und Katalanischen Abb. 9.3: Abschneiden der 16 Teilnehmer in ihren L1n nach Umgebungssprache (UmSp) Vergleichen wir die in Deutschland und Spanien erzielten Ergebnisse, so wird deutlich, dass ein gesellschaftlicher Bilinguismus aktive Mehrsprachigkeit fördert: 90 % aller Kinder, die im katalanischen Peabody überdurchschnittliche Werte erreicht haben, sind in einer bilingualen Umgebung aufgewachsen. Dies gilt auch für die Ergebnisse im spanischen Peabody: 8 von 9 Kindern, die im spanischen Peabody als überdurchschnittlich eingestuft wurden, wuchsen in Spanien auf. Die mehrsprachigen Kinder, die in Deutschland aufwachsen und für die das Spanische und Katalanische keine Umgebungssprachen sind, erreichen durchschnittliche Werte in beiden romanischen Sprachen. Der Unterschied zwischen der Umgebungssprache und der erreichten Wortschatzkompetenz ist jedoch statistisch nicht signifikant (Katalanisch: t(1)=0,78, p<0.01; Spanisch t(1)=1,79, p<0.01). Abbildung (9.4) illustriert das Verhältnis von balancierten und unbalancierten Kindern in Abhängigkeit von der/ den Umgebungssprache(n). 173 9.3 Studie zum Katalanischen Abb. 9.4: Sprachbalance der tri- und multilingualen Kinder nach Umgebungssprache (UmSp) Die Abbildung (9.4) zeigt, dass balancierte tri- und multilinguale Kinder sowohl in Spanien als auch in Deutschland zu finden sind. Ein ähnliches Bild ergibt sich für diejenigen Kinder, die das Spanische als dominante Sprache (SP DOM) aufweisen. Die vier katalanisch dominanten Kinder (KAT DOM) sind allerdings ausschließlich in der bilingualen Umgebung aufgewachsen. Nachdem wir einen Überblick über die Sprachbalanciertheit der Kinder erhalten haben, werden wir im Folgenden die Ergebnisse des Grammatiktests vorstellen (vgl. 2.3.2.4 zur Durchführung der Pilotstudie und des Kopulatests). 9.3.3 Ergebnisse Pilotstudie 12 mehrsprachige Kinder haben bei der Entengeschichte mitgemacht: 10 trilinguale (Katalanisch-Spanisch-Französisch) und 2 multilinguale (Katalanisch-Spanisch-Deutsch-Englisch). Alle Antworten der Kinder wurden in vier Kategorien unterteilt: 174 9 Erwerb der Kopulaverben im Spanischen und Katalanischen Kategorie Definition Absolute Anzahl 1 Ein Item wurde bei der Testung nicht angewendet 63 2 Die Frage und die kindliche Antwort beziehen sich nicht auf die Kopulaselektion 77 3 Ergänzung: Der Erwachsene gibt die Kopula vor, das Kind äußert das Adjektiv (und wiederholt ggfs. die Kopula) 21 4 Produktion: Das Kind produziert sowohl die Kopula als auch das Adjektiv spontan 21 Tab. 9.2: Kategorisierung der kindlichen Antworten in der Entengeschichte Die Kategorien 1 und 2 leisten keinen Beitrag zur Frage nach dem Erwerb der katalanischen Kopula. Wir beschränken uns aus diesem Grund auf die Kategorien 3 und 4. Kategorie 3: Ergänzung Zur Kategorie 3 zählen solche kindlichen Äußerungen, bei denen der Erwachsene in seiner Frage das Kopulaverb bereits vorgibt und das Kind lediglich mit dem prädikativen Adjektiv antwortet, vgl. in (108) für ein trilinguales Kind. 108. Erwachsener: recordem de quins colors són? erinnern-1PL von welcher-PL farbe-PL sind-ésser-PL? na, welche Farbe haben sie? Kind: gris (Anouck, 7; 9,14) grau-SG grau Von den 21 Antworten der Kategorie 3 enthalten 17 (81 %) die erwartete Farbe. In den restlichen 4 Fällen antworteten die Kinder mit einer anderen Farbe. Kategorie 4: Produktion Die Kategorie 4 umfasst die Antworten mit Kopula und Adjektiv, vgl. in (109) für ein trilinguales Kind. 109. Erwachsener: passa una estoneta, i? vergeht ein bisschen Zeit und? es vergeht ein bisschen Zeit und? Kind: és gris (Juliette, 6; 0,29) istésser grau-SG sie ist grau Auf der Basis des katalanischen Kopulasystems in Tabelle (9.1) wurden die Antworttypen nach den aspektuellen Eigenschaften des Adjektivs kategorisiert. 175 9.3 Studie zum Katalanischen Abb. 9.5: Katalanischer Produktionstest - Kategorie 4 = Produktion Betrachten wir Abbildung (9.5), so kann man die folgende Tendenz erkennen: Während für permanente Eigenschaften überwiegend ésser selegiert wird, bevorzugen die Kinder estar für temporäre Eigenschaften. Dieser Trend wurde bereits in der Forschungsliteratur zum Erwerb der katalanischen Kopulaverben beobachtet. Die Abbildung (9.5) enthält insgesamt acht unklare Fälle, bei denen eine Festlegung der aspektuellen Eigenschaften nicht möglich war. Hierfür wollen wir ein Beispiel geben: 110. Erwachsener: i aquests? und diese-PL? und diese? Kind: són blancs (Hugo, 6; 2,1) sind-ésser-PL weiß-PL Sie sind weiß Beispiel (110) bezieht sich auf ein Bild der Entengeschichte. Auf dem Bild wurden einige der weißen Enten, nachdem sie vom Zauberwasser getrunken haben und braun geworden waren, wieder weiß. Mit seiner Äußerung könnte das Kind die Änderung der Farbe als etwas Vorübergehendes betrachten und estar nutzen. Möglich wäre aber auch, dass die Änderung so verstanden wird, dass die Enten zu ihrer ursprünglichen Farbe zurückkehren, was den Gebrauch von ésser wahrscheinlich macht. 176 9 Erwerb der Kopulaverben im Spanischen und Katalanischen Dieselben bisher vorgestellten Kinder haben an einem Produktionstest im Spanischen teilgenommen. Hier weisen die tri- und multilingualen Kinder eine extrem hohe Kompetenz bei der Kopulaselektion auf. In Kategorie 3 (Ergänzung) wurden über 90 % der erwarteten Adjektive produziert, in Kategorie 4 (Produktion) beliefen sich die erwarteten Antworten auf fast 80 %. Wie erwartet, ist ihr Abschneiden im Spanischen noch besser als im Katalanischen. Diese insgesamt sehr guten Ergebnisse erzielen die Kinder unabhängig vom erreichten Kompetenzniveau im Peabody, der Sprachbalanciertheit und dem Alter. 9.4 Zusammenfassung Die Beschreibung der Zielsysteme hat gezeigt, dass das Katalanische sich von der Kopulaselektion im Spanischen unterscheidet, u. a. da es alternierende Kontexte aufweist. Der Forschungsüberblick hat ergeben, dass das Katalanische bisher kaum untersucht wurde. Die vorliegende Studie ist die einzige weltweit mit trilingualen und multilingualen Kindern, die Katalanisch in Kombination mit dem Spanischen erwerben. Wie die vorliegende Forschungsliteratur nahelegt, weisen die tri- und multilingualen Kinder in über 80 % der Fälle das erwartete Adjektiv bzw. die erwartete Kombination aus Kopulaverb und Adjektiv auf. Im Spanischen erzielten die Kinder noch bessere Ergebnisse. Das insgesamt sehr gute Ergebnis ist unabhängig vom erreichten Kompetenzniveau im Peabody, der Sprachbalanciertheit und dem Alter. Die Testung konnte im Katalanischen mit nur sehr wenigen Kindern durchgeführt werden, weshalb zukünftige Forschungen unsere Ergebnisse auf eine breitere Basis stellen müssen. 177 10 Erwerb der französischen Genusmarkierung bei einem trilingualen Kind Marina Hüppop Das vorliegende Kapitel beschäftigt sich, vor dem Hintergrund der Besonderheiten des französischen Genussystems, mit der Markierung von Genus in Nominalphrasen bei einem trilingual mit den Sprachen Französisch, Italienisch und Spanisch aufwachsenden Kind. Diese Analyse gibt uns Einblicke in die Arbeit mit einer Longitudinalstudie. 10.1 Das französische Genussystem Das französische Genussystem ist binär und weist dadurch im Gegensatz zum ternären deutschen Genussystem nur zwei Genera auf, das Maskulinum und das Femininum. Es wird davon ausgegangen, dass etwa 61 % der französischen Nomen maskulin und 39 % feminin sind (vgl. Tucker, Lambert & Rigault 1977: 47). Das Genus wird als inhärentes Merkmal des Nomens angesehen (vgl. u. a. Corbett 1991: 4), welches über den syntaktischen Mechanismus der Kongruenz auf Begleiter des Nomens übertragen wird. Eine Besonderheit des Französischen ist es, dass verschiedene Formen in der geschriebenen Sprache eine Genusmarkierung aufweisen können, die in der gesprochenen Sprache aber nicht hörbar ist, wie beispielsweise bei dem Interrogativpronomen quel/ quelle im Singular bzw. quels/ quelles im Plural. Marty (2001) kommt zu dem Ergebnis, dass von 14.717 Nomen und Adjektiven aus dem Nouveau Petit Robert vom Jahre 1996 5.112 (34,74%) eine hörbare maskuline bzw. feminine Form im gesprochenen Französisch haben. Nachfolgend werden die Elemente näher beschrieben, an denen eine Genusmarkierung innerhalb von Nominalphrasen stattfindet. Das Französische unterscheidet bei den Artikeln zwischen definiten und indefiniten. Die Tabelle (10.1) gibt einen Überblick über die einzelnen Formen. Es ist zu erkennen, dass das Genus nur im Singular, jedoch nicht im Plural markiert wird. Die definiten Artikel le und la werden vor vokalisch anlautenden Nomen, wie bei l’école, und vor stummem h (h muet), wie bei l’hôpital, elidiert, zu l’ verkürzt, so dass die formale Genusmarkierung entfällt. Ferner ist zu beachten, dass der definite maskuline Artikel in Verbindung mit den Präpositionen de und à zu Formen wie du (de + le) und au (à + le) wird. Singular Plural maskulin feminin definit le / l’ la / l’ les indefinit un une des Tab. 10.1: Definite und indefinite Artikelformen im Französischen 178 10 Erwerb der französischen Genusmarkierung bei einem trilingualen Kind Neben den Artikeln wird das Genus auch an anderen Begleitern des Nomens markiert, wie beispielsweise an Possessivbegleitern (vgl. u. a. mon/ ton/ son) und Demonstrativbegleitern (ce/ cette). Die Begleiter des Nomens fasst man auch unter dem Begriff der Determinante zusammen. Das Genus ist ein inhärentes Merkmal des Nomens. Das Französische unterscheidet feminines und maskulines Genus. Das Genusmerkmal wird an Begleitern des Nomen markiert und wird so sichtbar. 10.2 Der Genuserwerb im Französischen Untersucht man monolingual französische Kinder hinsichtlich der Genusmarkierung an Artikeln und anderen Begleitern des Nomens, so lassen sich kaum nicht-zielsprachliche Markierungen ausmachen, wenn die Kinder bei der spontanen Sprachproduktion beobachtet werden (Clark 1986: 706, Kupisch, Cantone & Müller 2002). In experimentellen Studien ist dies nicht (mehr) der Fall, d. h. die französischsprachigen Kinder produzieren nicht-zielsprachliche Genusmarkierungen (Karmiloff-Smith 1979). Die im Experiment getesteten 341 Kinder von Karmiloff-Smith (1979) zeigten mehr Schwierigkeiten mit Nomen (Kunstwörtern) mit typisch femininen Endungen (z. B. -ine in la fasine) als mit typisch maskulinen Endungen (z. B. -on in le bicron). Seigneuric, Zagar, Meunier & Spinelli (2007: 241) testeten 144 französischsprachige Kinder im Hinblick auf ihre metasprachlichen Fähigkeiten bei der Wahl der femininen bzw. maskulinen Artikelform mit Kunstwörtern: Voici tanline*. Tu préfèrerais dire un taline* ou une tanline*? Die Kinder haben insgesamt schlecht abgeschnitten, für manche Altersgruppen (z. B. die Vierjährigen) lag die Akkuratheitsrate bei nur 46 %, d. h. die richtige Antwort war zufallsbasiert. Das Experiment bezog indefinite Artikelformen ein. Eichler, Jansen & Müller (2013) untersuchten siebzehn (un)balanciert bilinguale Kinder in spontaner Interaktion mit Erwachsenen über einen Zeitraum von zirka zwei bis fünf Jahren. Nicht-zielsprachliche Genusmarkierungen an Determinanten betrafen vorwiegend feminine französische Nomen und indefinite Artikelformen, wenn das Französische als schwache Sprache und in Kombination mit dem Deutschen erworben wird, welches über ein intransparentes Genussystem verfügt; vgl. auch Pupier (1982: 206) für englisch-französisch bilinguale Kinder. Hager (2014: 244) belegt beide Beobachtungen auf der Basis von acht Longitudinalstudien von bilingualen Kindern im Alter von zirka zwei bis fünf Jahren. Insgesamt zeigen die Studien, dass unterschiedliche Faktoren bei der Genusmarkierung an Determinanten eine Rolle spielen. Unter der experimentellen Bedingung, im Besonderen wenn metasprachliche Fähigkeiten für die Lösung der Aufgabe erforderlich sind, zeichnen sich auch bei monolingual französischen Kindern nicht-zielsprachliche Genusmarkierungen an Determinanten ab. Der Genuserwerb bei bilingualen Kindern ist fehleranfälliger als der bei monolingualen. Dies gilt besonders für Kinder, die Französisch als schwache Sprache entwickeln, die eine zweite Sprache erwerben, die ein wenig transparentes Genussystem aufweist (wie das Deutsche), oder deren zweite 179 10.3 Der Genuserwerb im trilingualen Erstspracherwerb Sprache kein grammatisches Genus kennt (wie das Englische). Bisher gibt es keine Studien zum Genuserwerb bei trilingualen Kindern mit drei romanischen Sprachen. Die Vorhersage ist hier, dass nicht-zielsprachliche Markierungen feminine Nomen und indefinite Artikelformen betreffen, und dass sich transparente, dem Französischen ähnliche Genussysteme positiv auf den Erwerb der Genusmarkierung im Französischen auswirken. 10.3 Der Genuserwerb im trilingualen Erstspracherwerb Bisher hat unsere Einführung einen Fokus auf die Querschnittsstudie als Forschungsmethode gelegt. Mit dem Genuserwerb werden wir in die Arbeit mit Longitudinalstudien einführen. In der vorliegenden Untersuchung soll das trilinguale Kind Diego im Vordergrund stehen. Diego wurde 2007 in Paris geboren. Seine Mutter ist Spanierin aus Granada, sein Vater ist Italiener aus Bari. Beide Eltern sprechen die jeweils andere Sprache (des Partners) sehr gut und haben als Familiensprache sowohl das Italienische als auch das Spanische gewählt. Das Französische als Umgebungssprache wird nicht innerhalb der Familie gesprochen. Die spontanen Sprachäußerungen von Diego, auf denen die nachfolgende Genusanalyse basiert, wurden in seinen drei Sprachen regelmäßig in einem zweiwöchentlichen Abstand im Alter von 2; 8,24 bis 4; 2,26 mit einer Videokamera aufgenommen (vgl. Kapitel 2). Insgesamt liegen für das Französische für Diego 1.256 eindeutig markierte Nominalphrasen vor. Von diesen Äußerungen wurde in lediglich 41 Fällen (Token) das Genus falsch markiert, beispielsweise bei un voiture (frz. une voiture) oder la bateau (frz. le bateau) (Diego 2; 9,18). Die Abbildung 10.1 zeigt die Akkuratheit der Genusmarkierung an Determinanten über den gesamten Untersuchungszeitraum. 180 10 Erwerb der französischen Genusmarkierung bei einem trilingualen Kind Abb. 10.1: Akkuratheit der Genusmarkierung an Determinanten im Französischen (im Entwicklungsverlauf): Diego In der Spracherwerbsforschung wird i. d. R. eine Akkuratheit von 90 % als Erwerbskriterium angelegt (Brown 1973). Die Abbildung (10.1) zeigt, dass Diego nach diesem Kriterium bereits im ersten Zeitraum das Genus im Französischen erworben hat. Die Abbildung macht auch deutlich, dass die Akkuratheit gegen Ende des Untersuchungszeitraumes auf 100 % ansteigt. Die durchschnittliche Akkuratheitsrate liegt bei 97,1%. In nur 2,9% aller Nominalphrasen wird das Genus falsch markiert. Die geäußerten Nominalphrasen lassen sich ferner in solche mit indefinitem und definitem Artikel unterscheiden, sowie in solche, bei denen dem Nomen ein Possessivbegleiter vorangeht. Aus der Abbildung (10.2) wird deutlich, dass bei Diego definite (zielsprachliche) Artikelformen am häufigsten vorkommen. 181 10.3 Der Genuserwerb im trilingualen Erstspracherwerb Abb. 10.2: Akkuratheit der Genusmarkierung an Determinanten: Diego Sowohl aus der Abbildung (10.1) als auch aus der Abbildung (10.2) zeigt sich, dass die ohnehin geringen Genusfehler bei Diego ab einem Alter von etwa dreieinhalb Jahren vollständig zurückgehen. Wir wollen die wenigen Genusfehler im Folgenden genauer untersuchen. Die Abbildung (10.3) zeigt, dass von insgesamt 41 nicht-zielsprachlichen Markierungen 27 auf ein in der Zielsprache feminines Nomen entfallen (66 %) und nur 14 auf ein in der Zielsprache maskulines Nomen (34 %). Analysiert man die 41 nicht-zielsprachlichen Markierungen im Hinblick auf die Definitheit der Artikelform, so fällt auf, dass 25 Fälle den indefiniten (61 %) und 16 den definiten (39 %) Artikel betreffen. Die meisten Fehler betreffen also in der Zielsprache feminine Nomen und Nominalphrasen mit einem indefiniten Artikel. Diese Überlegenheit der Fehler bei femininen und indefiniten Nominalphrasen bestätigt, was in Forschungen für monolingual französische Kinder gezeigt wurde: Feminine Nomen und indefinite Artikelformen sind fehleranfälliger als maskuline Nomen und definite Artikelformen. 182 10 Erwerb der französischen Genusmarkierung bei einem trilingualen Kind Abb. 10.3: Nicht-zielsprachliche Genusmarkierungen: Diego Rufen wir uns noch einmal die Tatsache in Erinnerung, dass Diego simultan mit drei Erstsprachen aufwächst. Vorangegangene Arbeiten wie die von Eichler (2011), Hager (2014), Hüppop (2016) bzw. Hüppop & Müller (2018) haben bei der Analyse von Genusfehlern bei mehrsprachigen Kindern mit dem Genus des Übersetzungsäquivalents in der jeweils anderen Sprache argumentiert und gezeigt, dass viele Fehler durch das Genus des übersetzungsäquivalenten Nomens in der jeweils anderen Sprache zustande gekommen sind. Wir wollen dies auch bei Diego prüfen. Im Fall von Diego stehen zur Prüfung zwei sich sehr ähnelnde romanische Sprachen zur Verfügung, die viele Übersetzungsäquivalente mit gleichem Genus aufweisen. Schepens et al. (2013: 4) untersuchen die Nähe einzelner romanischer (und germanischer) Sprachen. Sie unterscheiden Ähnlichkeit hinsichtlich der Form und der Bedeutung. Was die Wortform anbelangt, unterscheiden sie orthographische und phonetische Ähnlichkeit. Was die Bedeutung anbelangt, werden Wörter mit ähnlicher Bedeutung als Übersetzungsäquivalente bezeichnet. Übersetzungsäquivalente mit hoher orthographischer und/ oder phonetischer Übereinstimmung in zwei Sprachen sind in den beteiligten Sprachen Kognate, so z. B. das französisch-deutsche Übersetzungsäquivalent galop - Galopp, bei dem Graphie und Phonie überlappen. Die Häufigkeit kann jedoch in den involvierten Sprachen sehr unterschiedlich sein. Schepens et al. (2013) messen die Worthäufigkeit anhand des Auftretens eines bestimmten Wortes pro Millionen Wörter in ihrem analysierten Korpus. Da die Häufigkeit die 183 10.4 Zusammenfassung Worterkennung zwischen Sprachen erleichtert, kann sie als ein Faktor benutzt werden, um die Ähnlichkeit zwischen Sprachen quantitativ zu erfassen. Die Autoren beobachten, dass das Sprachenpaar Spanisch-Italienisch eine höhere Anzahl an Übersetzungsäquivalenten aufweist als das Sprachenpaar Spanisch-Französisch und andere untersuchte Paare. Die Abbildung (10.4) zeigt eine große Ähnlichkeit der drei romanischen Sprachen Spanisch, Italienisch und Französisch. Diese Ähnlichkeit kann sich ein Kind wie Diego im Erwerb zunutze machen. Abb. 10.4: Häufigkeit von Übersetzungsäquivalenten und phonetischen Kognaten, basierend auf Tabelle 2 aus Schepens et al. (2013: 4) Insgesamt ließ sich bei Diego von den 41 Genusfehlern in 9 Fällen ein Rückgriff auf das Genus des spanischen Übersetzungsäquivalents vermuten (*une serpent - la serpiente), sowie in 8 Fällen ein Rückgriff auf das Genus des übersetzungsäquivalenten Nomens im Italienischen (*la tigre - la tigre). In nur zwei dieser insgesamt 17 Fälle waren das Genus des Spanischen und das des Italienischen identisch. 10.4 Zusammenfassung Die Sprachdaten von Diego zeigen zunächst, dass es einem Kind, das mit drei Muttersprachen gleichzeitig aufwächst, möglich ist, das Genussystem des Französischen vollständig zu erwerben und zu jedem Erwerbszeitpunkt nur sehr wenige nicht-zielsprachliche Genusmarkierungen zu produzieren. Wie bei monolingualen und bilingualen Kindern sind die wenigen 184 10 Erwerb der französischen Genusmarkierung bei einem trilingualen Kind nicht-zielsprachlichen Markierungen mit femininen Nomen und indefiniten Artikeln zu beobachten. Zukünftige Forschungen sollten stärker als bisher ins Visier nehmen, dass sich mehrsprachige Kinder, wenn dies möglich ist, mit ihren jeweils anderen Sprachen helfen und die Ähnlichkeit der Sprachenpaare bzw. Sprachkonstellationen ausnutzen, um eine zielsprachliche Genusmarkierung vorzunehmen (vgl. hierzu Hager 2014). Deshalb wäre eine Untersuchung aller genusmarkierter (also auch der zielsprachlichen) Nominalphrasen in jeweils unterschiedlichen Sprachenpaaren bzw. Sprachkonstellationen von Bedeutung; hier haben wir die Rolle des Genus des übersetzungsäquivalenten Nomens allein für die Genusfehler im Französischen geprüft. 185 11 Sprachdominanz und Wortschatzgröße bei trilingualen Kindern Elena Scalise und Abira Sivakumar Das vorliegende Kapitel beschäftigt sich mit der Sprachdominanz bei Kindern, die mit mehr als zwei Sprachen gleichzeitig groß werden. Es werden sowohl für Longitudinalstudien als auch für Querschnittsstudien Messverfahren vorgestellt, die es erlauben, eine Sprachdominanz zu diagnostizieren. Als Messkriterium steht die Wortschatzgröße im Vordergrund. Das Kapitel soll der Frage nachgehen, ob es einen Zusammenhang zwischen der Sprachdominanz und der Wortschatzgröße gibt. 11.1 Wortschatzgröße zur Bestimmung der Sprachdominanz: longitudinal untersuchte Kinder Der Ausdruck der Sprachdominanz bezieht sich auf die ungleiche Entwicklung der jeweiligen Erstsprachen eines mehrsprachigen Individuums (vgl. Arencibia Guerra 2008: 4, Bullock & Toribio 2009: 7). Die Asymmetrie in der Entwicklung der Erstsprachen eines Individuums äußert sich darin, dass die stärkere Sprache in höherem Maße beherrscht bzw. schneller erworben bzw. mehr gesprochen wird als die schwächere Sprache (vgl. Arencibia Guerra 2008: 8). Eine unbalancierte Sprachentwicklung ist hierbei nicht als Defizit bzw. Unvermögen von mehrsprachigen Sprechern zu interpretieren, sondern gilt als normales und weitverbreitetes Phänomen (vgl. Müller et al. 2015: 55,105). Bei der Entstehung einer unbalancierten Sprachentwicklung werden verschiedene extralinguistische, d. h. nicht im Individuum selbst liegende Faktoren diskutiert. Zu diesen Faktoren, die die Kompetenzentwicklung einer Sprache im Individuum beeinflussen können, gehören beispielsweise die Qualität sowie die Quantität des sprachlichen Inputs, das Erwerbsalter, die Sprache der Umgebung und die Anzahl der möglichen Kommunikationspartner in einer Sprache (vgl. Bullock & Toribio 2009: 7, Müller et al. 2015: 46f.). Der Einfluss der genannten Faktoren kann allerdings auch dazu führen, dass sich das Verhältnis der Erstsprachen umkehrt bzw. angleicht (vgl. Eichler 2011: 26, Hager 2014: 29). Die Entwicklung von annähernd ähnlichen Kompetenzen in den jeweiligen Erstsprachen wird balancierte Sprachentwicklung genannt (vgl. Arencibia Guerra 2008: 8). Wir hatten bereits in Kapitel 2 darauf hingewiesen, dass die Sprachdominanz keine Aussagen hinsichtlich einer allgemeinen Sprachkompetenz in den jeweiligen Erstsprachen zulässt. In der Literatur wird häufig angenommen, dass bei einer unbalancierten Sprachentwicklung die schwache Sprache kaum oder nur defizitär im Gegensatz zum monolingualen Standard beherrscht wird (vgl. u. a. Bernardini & Schlyter 2004). Allerdings weisen Messinstrumente, anhand derer die Differenz zwischen den Erstsprachen eines mehrsprachigen Individuums gemessen werden kann, nicht per se auf eine defizitäre Entwicklung einer dieser Sprachen hin (vgl. u. a. Cantone et al. 2008). Solche Messinstrumente bilden zunächst einmal nur das 186 11 Sprachdominanz und Wortschatzgröße bei trilingualen Kindern Verhältnis der jeweiligen Sprachen zueinander ab, in dem Sinne, dass eine Sprache A besser, schlechter oder gleich gut im Vergleich zu einer Sprache B beherrscht wird. Die linguistischen Kriterien zur Messung von Sprachdominanz hatten wir bereits in Kapitel 2 thematisiert. Zu den qualitativen Kriterien, die Rückschlüsse auf die Sprachkompetenz zulassen, gehört die Entwicklung des Lexikons (Entwicklung des Wortschatzes anhand der Anzahl und der Häufigkeit von bestimmten Wortarten, z. B. von Verben) (vgl. Cantone et al. 2008, Schmeißer et al. 2016b). Wir haben bereits das sogenannte Subtraktionsverfahren kennengelernt, bei dem die Differenz zwischen in Sprache A erzielten und in Sprache B erreichten Werten berechnet wird. Ob die ermittelte Differenz als balanciert bzw. unbalanciert zu interpretieren ist, hängt von der Größe der Differenz ab (vgl. Arencibia Guerra 2008: 75f., Hager 2014, Müller et al. 2015: 54) und kann entsprechend in einem Kategoriensystem bei balancierter Entwicklung in den Unterkategorien stark balanciert, balanciert und balanciert mit Tendenz sowie bei einer unbalancierten Entwicklung in den Unterkategorien überlegen, stark überlegen und extrem überlegen abgelesen werden. Die MLU-Entwicklung bei dem trilingualen Kind Diego hatten wir bereits in Kapitel 2 illustriert. Das Ergebnis war, dass der MLU im Spanischen (Sprache der Mutter) durchweg niedriger ausfiel als im Französischen (der Umgebungssprache) und (weniger stark) als im Italienischen (Sprache des Vaters). Im Folgenden wollen wir das Verb und dessen Entwicklung im Wortschatz genauer betrachten. Die Abbildung (11.1) zeigt die Entwicklung der einzelnen Verbtypen. Das Italienische Diegos weist zu sehr vielen Erhebungszeitpunkten die höchste Zahl an Verbtypen auf. Das Spanische holt gegen Ende der Untersuchung auf. Abb. 11.1: Verbtypen im Französischen, Italienischen und Spanischen: Diego 187 11.1 Wortschatzgröße zur Bestimmung der Sprachdominanz: longitudinal untersuchte Kinder Betrachten wir die Verbtoken zu jedem Erhebungszeitpunkt, so zeigt sich, dass das Französische öfter als die anderen Sprachen die höchsten Werte aufweist. Abb. 11.2: Verbtoken im Französischen, Italienischen und Spanischen: Diego Das Französische startet auf einem hohen Niveau und verbleibt dort. Das Italienische, aber auch das Spanische, holen im Verlauf der Sprachentwicklung auf. Diego spricht also viel Französisch, wobei sein Verbwortschatz im Italienischen am diversesten ist. Man kann die Anzahl der verschiedenen Verben (Typen) und die Verbvorkommen (Token) auch in Relation zueinander setzen, um ein Diversifizierungsmaß des Verblexikons zu erhalten. Diese Relation zeigt die Abbildung (11.3) für jeden Untersuchungszeitpunkt (der Quotient wird in Prozent angegeben). 188 11 Sprachdominanz und Wortschatzgröße bei trilingualen Kindern Abb. 11.3: Typen-Token-Relation: Diego Interessanterweise zeigt die Typen-Token-Relation im Spanischen einen relativ hohen Prozentwert im Vergleich zu den anderen beiden Sprachen. Da die Aufnahmelänge immer zirka zwanzig Minuten pro Sprache und pro Erhebungszeitpunkt beträgt, ist diese Beobachtung interessant und bedeutet, dass, obwohl im Spanischen weniger Typen und Token gebraucht werden als in den anderen beiden Sprachen, das Verhältnis beider für eine relativ hohe lexikalische Vielfalt spricht. Mit den Arbeiten von Lichtschlag (2019), Seifert (2017) und Sivakumar (2017) liegen Untersuchungen zu Diegos Sprachmischungen in seinen Sprachen Italienisch, Französisch und Spanisch vor. Wie wir im Kapitel 5 gesehen haben, unterscheidet man zwischen intra- und intersententialen Mischungen, also solchen innerhalb von Sätzen und solchen zwischen Sätzen (oder Äußerungen). Wenn wir uns hierbei auf Diegos schwache Sprache, das Spanische, konzentrieren, so fällt auf, dass 5.304 einsprachig spanische Äußerungen 526 gemischtsprachigen Äußerungen gegenüberstehen. Seifert (2017: 19) kommt bei insgesamt 6.717 französischsprachigen Äußerungen auf nur 1,2% intersententiale (40 spanische Äußerungen, 43 italienische) und 1,2% intrasententiale Mischungen während des Untersuchungszeitraumes. Lichtschlag (2019: 82) findet 4 % intersententiale (50 spanische Äußerungen, 175 französische) und 5 % intrasententiale Mischungen von insgesamt 5.625 Äußerungen in den italienischen Sprachaufnahmen. Die Mischungen nehmen mit zunehmendem Alter ab, was ganz besonders für das Spanische aufgrund der Literatur vorhersagbar ist, da es sich gegen Ende der 189 11.1 Wortschatzgröße zur Bestimmung der Sprachdominanz: longitudinal untersuchte Kinder Untersuchung an die anderen beiden Sprachen angleicht. Werfen wir noch einen Blick auf die Mischrichtung. In Diegos schwacher Sprache, dem Spanischen, erreichen die Mischungen ins Französische und Italienische ungefähr gleich große Anteile. Aus der Abbildung (11.4) lässt sich ein verblüffendes Ergebnis entnehmen, nämlich dass Diego in der französischen Aufnahme öfter ins Spanische als ins Italienische mischt. Abb. 11.4: Mischrichtung in der spanischen und französischen Aufnahme: Diego (2; 8-4; 2) Wir dürfen festhalten, dass das trilinguale Kind Diego insgesamt selten mischt, selbst in seiner schwachen Sprache. Sprachmischungen sind im Spanischen und Italienischen gleich häufig und im Französischen extrem selten. Die schwache Sprache spielt selbst dann eine Rolle, wenn das Kind Französisch, seine dominante Sprache, spricht. Dies ist eine sehr interessante Beobachtung und könnte bedeuten, dass Sprachdominanz und Mischrichtung in der zukünftigen Forschung weiter untersucht werden sollten (vgl. Sivakumar, Müller & Arnaus Gil 2019). Die Abbildung (11.4) zeigt weiter, dass der Fall, dass alle drei Sprachen in einer Äußerung gebraucht werden, sehr selten vorkommt. Dies ist aus der Literatur bekannt, wo oftmals beobachtet wurde, dass trilinguale Kinder in der Regel aus zwei Sprachen gemischte Äußerungen, aber kaum Äußerungen mit Sprachmaterial aus drei Sprachen produzieren (Hoffmann 1999: 19f., Hoffmann & Widdicombe 1999, Davidiak 2010). Die Fallstudie Diegos widerlegt jedoch auch einige auf der Literatur basierende Annahmen. So hatten wir im Kapitel 1 erwähnt, dass trilinguale Kinder eine dominante und zwei schwächere Sprachen aufweisen. Dies kann in zweierlei Hinsicht nicht bestätigt werden: Zum einen hat Diego eine schwache 190 11 Sprachdominanz und Wortschatzgröße bei trilingualen Kindern Sprache, nicht zwei. Zum anderen nähert sich das Spanische im Alter von vier Jahren dem Französischen und Italienischen an, so dass ein mit Blick auf die Verbtypen und -token nahezu ausgeglichenes Verhältnis aller drei Sprachen vorliegt. Ferner konnten wir beobachten, dass Diego in seiner schwachen Sprache, Spanisch, genauso viel mischt wie im Italienischen. Dominanz spielt also auch für die Anzahl der Mischungen keine Rolle, wenn Dimensionen der Dominanz berücksichtigt werden (vgl. Kapitel 5). 11.2 Wortschatzgröße in Bezug auf Sprachdominanz: exakte Messverfahren Wir hatten in Kapitel 3 den Peabody als standardisiertes Messverfahren kennengelernt, um den rezeptiven Wortschatz der mehrsprachigen Kinder in den L1n zu messen. Die Wortschatzgröße wird als ein Kriterium zur Bestimmung der Sprachdominanz bei mehrsprachigen Kindern genutzt. Für die Kinder der Querschnittsstudie wurde sie zur Bestimmung der Sprachdominanz herangezogen. Die Stichprobe (N=124) enthielt mehr balancierte als unbalancierte Kinder und die meisten Kinder haben mindestens durchschnittlich im rezeptiven Wortschatztest abgeschnitten. Die Normalverteilung der Stichprobe ist unabhängig von der Anzahl der Erstsprachen gegeben (Sivakumar et al. 2019b). Jedoch zeigen sich sprachspezifische Unterschiede, auf die wir im Folgenden eingehen wollen, da sie dazu dienen, das Messverfahren zu hinterfragen. In den romanischen Sprachen gibt es keinen Unterschied zwischen den Bi-, Tri- und Multilingualen. Im Deutschen hingegen haben die Bilingualen eine höhere Kompetenz als die Trilingualen erreicht. Für die Sprachen Deutsch und Französisch zeigt sich eine Tendenz zum unterdurchschnittlichen Abschneiden der Kinder. Steht diese im Zusammenhang mit der Umgebungssprache bzw. der Sprachdominanz? Für das Französische ist die Untersuchung der Umgebungssprache als einflussnehmende Größe nicht möglich, da nicht in Frankreich getestet wurde. Im Spanischen und Katalanischen besteht ein signifikanter Unterschied in der Kompetenz zwischen Kindern, die in einer deutschen Umgebung aufwachsen, und Kindern, die in einer spanisch-katalanischen Umgebung aufwachsen (s. Tabelle 11.1). Dieses Ergebnis ist erwartbar, wenn die Umgebungssprache eine einflussnehmende Größe darstellt. Deutsch Spanisch Französisch Katalanisch Umgebungssprache Deutsch 91,15 99,98 92,63 97,75 Umgebungssprachen Spanisch / Katalanisch 90,00 116,11 88,42 119,43 Tab. 11.1: Durchschnittliche IQ-Werte in den getesteten Sprachen in Abhängigkeit von der Umgebungssprache Tabelle (11.1) zeigt, dass die Wortschatzkompetenz des Deutschen (bei bi-, tri- und multilingualen Kindern) unterdurchschnittlich ausfällt, unabhängig davon, ob das Deutsche die Umgebungssprache war. Das tendenziell unterdurchschnittliche Abschneiden der Kinder im Deutschen steht also nicht mit der Umgebungssprache in Zusammenhang. Die insgesamt kontroversen Ergebnisse im Hinblick auf den Zusammenhang zwischen der Umgebungssprache und der Wortschatzkompetenz mehrsprachiger Kinder legen die Vermu- 191 11.2 Wortschatzgröße in Bezug auf Sprachdominanz: exakte Messverfahren tung nahe, dass dieser sprachenabhängig ist. Die Tatsache, dass die Kinder, die in einer spanisch-katalanischen Umgebung aufwachsen, ähnliche und sogar leicht bessere Ergebnisse im deutschen Peabody erzielt haben als Kinder, die in einer deutschen Umgebung aufwachsen, kann darauf hinweisen, dass nicht die Umgebungssprache selbst, sondern der mit ihr einhergehende qualitative und/ oder quantitative Unterschied im sprachlichen Input die Kompetenzunterschiede im Wortschatz bedingt hat. Das können wir auch im Fall der deutschen Sprache feststellen. In jedem Fall kann aus den Daten die Schlussfolgerung gezogen werden, dass die Umgebungssprache nicht einfach mit einer besseren Sprachkompetenz gleichgesetzt werden darf. Kommen wir nun zur Untersuchung der Sprachdominanz. Die Balanciertheitsgrade samt deren Abstufungen gehen aus der Tabelle (11.2) hervor, die wir in Kapitel 3 vorgestellt haben. Die Balancierten und Unbalancierten sind in allen Mehrsprachigkeitstypen ähnlich verteilt. Betrachten wir die Ergebnisse der Tri- und Multilingualen genauer, so zeigt sich, dass die Mehrheit dieser Kinder wesentlich häufiger mit zwei Sprachen balanciert ist als mit allen ihren Sprachen. BIL TRIL MULTI balanciert balanciert mit 2 Sprachen balanciert mit 2 Sprachen (3. Spr. anders bzw. nicht gemessen) balanciert mit 2 Sprachen (3. und/ oder 4. Spr. nicht gemessen) 24 35 6 balanciert mit 3 Sprachen balanciert mit 3 Sprachen (4. Spr. nicht gemessen) 2 0 balanciert mit 4 Sprachen 1 unbalanciert unbalanciert mit 2 Sprachen unbalanciert mit 3 Sprachen unbalanciert mit 2 oder 3 Sprachen (3. und 4. Spr. nicht gemessen) 20 3 3 unbalanciert mit 2 Sprachen (3. Spr. nicht gemessen) unbalanciert mit 4 Sprachen 18 0 insgesamt 44 58 9 Tab. 11.2: Sprachdominanz der bi-, tri- und multilingualen Kinder nach Balanciertheitskategorien Tabelle (11.3) stellt die dargestellten IQ-Werte in den getesteten Sprachen in Abhängigkeit des Balanciertheitsgrades dar. Die Unterschiede zwischen den Balancierten und den Unbalancierten sind insgesamt gering. Betrachten wir die Werte differenziert, d. h. die Unbalancierten mit ihrer jeweils dominanten und nicht-dominanten Sprache, so zeigt sich, dass eine unbalancierte Sprachentwicklung nicht zwangsweise mit einer niedrigen Kompetenz gleichzusetzen ist, 192 11 Sprachdominanz und Wortschatzgröße bei trilingualen Kindern wie wir an den Ergebnissen der Bilingualen im Spanischen sehen. Auch Kinder mit Spanisch als nicht dominante Sprache erreichten im Durchschnitt „average“. Insgesamt zeigen sich jedoch erneut sprachspezifische Unterschiede. Die durchschnittliche Wortschatzkompetenz im Deutschen und Französischen als nicht-dominante Sprache befindet sich deutlich im unteren Durchschnitt zur monolingualen Norm. Eine differenzierte Betrachtung der katalanischen und spanischen Daten zeigt keinen Unterschied innerhalb der Sprachkompetenz der Balancierten, der Unbalancierten mit Spanisch als dominante sowie mit Spanisch als nicht-dominante Sprache. Im Gegensatz dazu besteht im Deutschen und Französischen ein (statistisch signifikanter) Unterschied zwischen der Wortschatzkompetenz der Balancierten und den schwachen Sprachen der Unbalancierten sowie innerhalb der unbalancierten Sprachen. Im Deutschen schneiden die Balancierten und die mit Deutsch als dominante Sprache im Wortschatztest (signifikant) besser ab als die Unbalancierten mit Deutsch als schwacher Sprache. Im Französischen ähneln die Ergebnisse denen im Deutschen. Sowohl beim Deutschen als auch beim Französischen zeichnet sich somit eine deutlich schlechtere Wortschatzkompetenz ab, wenn sie als schwache Sprache entwickelt werden. Für das Spanische ist dieser Trend nicht zu beobachten. Generell dürfen wir aus den Beobachtungen ableiten, dass anhand der Sprachdominanz eines mehrsprachigen Kindes keine Rückschlüsse auf die tatsächliche Kompetenz (Wortschatz) in den jeweiligen Sprachen möglich sind. Typ Balanciertheitsgrad Dt. Frz. Sp. Kat. BIL balanciert 99,54 (N=24) 96,55 (N=9) 99,86 (N=15) unbalanciert dominant 107 (N=6) 116,25 (N=4) 116 (N=10) nicht dominant 82,05 (N=10) 82,75 (N=8) 97 (N=2) gesamt 91,41 (N=16) 93,92 (N=12) 109,90 (N=12) TRIL balanciert 88,64 (N=24) 90,2 (N=25) 107,71 (N=17) 113,98 (N=9) unbalanciert dominant 109,5 (N=6) 112 (N=7) 125 (N=1) 125 (N=1) nicht dominant 76,08 (N=12) 74,25 (N=12) 99,5 (N=1) 99,5 (N=1) gesamt 87,22 (N=18) 88,16 (N=19) 112,25 (N=2) 112,25 (N=2) MULTI balanciert 81,50 (N=3) 102,25 (N=4) 101,25 (N=4) 103 (N=1) unbalanciert dominant 113,5 (N=4) 121 (N=3) nicht dominant 81 (N=2) 81 (N=2) 94 (N=1) 81 (N=1) gesamt 81 (N=2) 81 (N=2) 109,6 (N=5) 111 (N=4) Tab. 11.3: Durchschnittliche IQ-Werte in den getesteten Sprachen in Abhängigkeit des Balanciertheitsgrades bei den Bi-, Tri- und Multilingualen 193 11.2 Wortschatzgröße in Bezug auf Sprachdominanz: exakte Messverfahren Die Betrachtung am Beispiel der Elizitationsstudie ist von Sivakumar (2017) auf die Sprachentwicklung von Diego (hier Verbtypen) übertragen worden. Ein balanciertes Verhältnis der Sprachen liegt vor, wenn 33,3% an Verbtypen in jeder Sprache erreicht werden. Die Tabelle (11.4) zeigt die verwendeten Kategorien in Anlehnung an die Peabody-Testung in der Elizitationsstudie. In der Sprache A kann in Relation zu den Sprachen B und C entweder ein durchschnittlicher (= 33,%), ein unterdurchschnittlicher (< 33,3%) oder ein überdurchschnittlicher (> 33,3%) Wert erreicht werden. Kategorien Unterkategorien Größe des Verblexikons in % unterdurchschnittlich extrem unterdurchschnittlich 0 bis 11,11 stark unterdurchschnittlich 11,12 bis 22,22 unterdurchschnittlich 22,23 bis 33,33 durchschnittlich extrem durchschnittlich 33,34 bis 44,44 stark durchschnittlich 44,45 bis 55,55 durchschnittlich 55,56 bis 66,66 überdurchschnittlich überdurchschnittlich 66,67 bis 77,77 stark überdurchschnittlich 77,78 bis 88,88 extrem überdurchschnittlich 88,89 bis 100 Tab. 11.4: Rang der Sprachen bei trilingualen Kindern: prozentuale Lexikongröße Die Anwendung auf das Datenkorpus ergibt das Bild in Abbildung (11.5). Die relative Lexikongröße im Spanischen reicht im gesamten Untersuchungszeitraum (2; 8-4; 2) von extrem unterdurchschnittlich bis stark durchschnittlich. Die Kategorie unterdurchschnittlich ist am häufigsten aufgetreten. Die Kategorie überdurchschnittlich existiert nicht. 194 11 Sprachdominanz und Wortschatzgröße bei trilingualen Kindern Abb. 11.5: Typenverteilung im Italienischen, Französischen und Spanischen: Diego Eine solche Betrachtung können wir nun auch für den Untersuchungszeitraum insgesamt durchführen, sowohl für die Verbtypen als auch für die -token. Das Ergebnis des Sprachvergleichs zeigt die Tabelle (11.5). Das Spanische ist Diegos schwache Sprache. Dies gilt unter Betrachtung der Typen und der Token. Sprachen Typen Token Französisch unterdurchschnittlich (32 %) extrem durchschnittlich (41 %) Italienisch extrem durchschnittlich (41 %) extrem durchschnittlich (38 %) Spanisch stark unterdurchschnittlich (26 %) stark unterdurchschnittlich (20 %) Tab. 11.5: Durchschnittliche prozentuale Typen- und Tokenverteilung im Italienischen, Französischen und Spanischen: Diego Die Ergebnisse der Querschnittsstudie und der Longitudinalstudie sind widersprüchlich. In der Querschnittsstudie zeigte sich kein Unterschied innerhalb der Sprachkompetenz der Balancierten mit Spanisch, der Unbalancierten mit Spanisch als dominante sowie mit Spanisch als nicht-dominante Sprache. Sprachdominanz wirkte sich hier allein sprachspezifisch aus. In der Longitudinalstudie scheinen Wortschatzgröße (Verblexikon) und Sprachdominanz zusammenzuhängen. Dieser Widerspruch kann mehrere Gründe haben, u. a. den, dass in dem einen Fall ein standardisierter Test verwendet wurde, in dem unterschiedliche Kate- 195 11.3 Zusammenfassung gorienarten getestet wurden, in dem anderen Fall waren Spontansprache und eine einzige Kategorienart Untersuchungsgegenstand. Berücksichtigen wir jedoch die hervorragenden grammatischen Leistungen auch derjenigen Kinder in der Elizitationsstudie, die im Französischen und Deutschen einen unterdurchschnittlichen Wortschatz aufweisen, und berücksichtigen wir den Umstand, dass das trilinguale Kind Diego in seiner schwachen Sprache kaum die Sprachen mischt, so führen unsere Forschungen zu einer modifizierten Definition des Konzepts der Sprachdominanz. Sprachdominanz bezeichnet den ungleichen Gebrauch der Sprachen im mehrsprachigen Individuum. Sie ist nicht auf die Sprachkompetenz zu beziehen. Diese modifizierte Definition könnte auch dem Umstand gerecht werden, dass, obwohl Diego im Spanischen weniger Typen und Token gebraucht als in seinen anderen beiden Sprachen, das Verhältnis von Token zu Typen für eine relativ hohe lexikalische Vielfalt spricht. Unsere Ergebnisse zeigen, dass eine Sprachdominanz keineswegs unterdurchschnittliches Wissen in der schwachen Sprache zur Folge hat. Wie sinnvoll das Konzept der Sprachdominanz für Studien ist, die die Grammatikentwicklung bei mehrsprachigen Kindern untersuchen, bleibt dahingestellt. 11.3 Zusammenfassung Die Differenz der Größe des Wortschatzes in mehreren Sprachen wird in Longitudinalstudien oft als Kriterium für die Ermittlung einer Sprachdominanz herangezogen. Wir haben dieses Kriterium auf das Verblexikon eines trilingualen Kindes angewandt und festgestellt, dass dieses Kind eine seiner drei Sprachen als schwache Sprache gebraucht. Die Ergebnisse aus der Longitudinalstudie und aus der Untersuchung eines Zusammenhangs zwischen Sprachdominanz und Wortschatzgröße im Rahmen der Elizitationsstudie lassen vermuten, dass die Sprachdominanz keine verlässlichen Aussagen hinsichtlich einer allgemeinen Sprachkompetenz in den jeweiligen Erstsprachen zulässt. 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74, 199 $ Clahsen, Harald 13, 119 $ Clark, Eve 178 $ Cline, Tony 27, 73 $ Clyne, Michael 15, 16 $ Cobo-Lewis, Alan 75 $ Corbett, Greville 177 $ Crabbé, Benoît 147 $ Cresti, Emanuela 148 $ Cruz-Ferreira, Madalena 71, 73, 74 $ Cuza, Alejandro 168, 169 $ Dam, Lotte 146, 199 $ Davidiak, Elena 28 $ de Houwer, Annick 24, 73, 74, 91, 92, 199 $ de la Fuente, Anahi 17, 105 $ Déprez, Vivian 42, 131, 132 $ Deuchar, Margaret 25 $ Dewaele, Jean-Marc 28, 73, 74, 200 $ Dijkstra, Ton 76 $ Dols, Nicolau 167 $ Döpke, Susanne 71, 73, 74, 92 $ Dunn, Leota 51 $ Dunn, Lloyd 51, 52 $ Edwards, Malcolm 28 $ Eichler, Nadine 16, 32, 76, 97, 108, 113, 178, 182, 185 $ Eilers, Rebecca 75 $ Eisenbeiss, Sonja 119 $ Faingold, Eduardo 28 $ Falk, Ylva 16, 17, 21, 22, 23 $ Fernández, Sylvia 71 $ File-Muriel, Richard J. 146, 200 $ Fischer, Susan 13, 201 $ Fishman, Joshua 70 $ Flynn, Suzanne 18, 19, 20 $ Foley, Claire 18 $ Forsgren, Mats 147 $ Fox, Gwendoline 147, 148 $ Gabriel, Christoph 13, 20, 133 $ Gadler, Hanspeter 27 $ Ganuza, Natalia 75 $ Genesee, Fred 25 $ Geveler, Jasmin 16, 32, 152, 201, 204, 205, 206 $ Giusti, Giuliana 145 $ González-Vilbazo, Kay Eduardo 165 $ Grootjen, Franc 76 $ Grosjean, François 12, 28 $ Guijarro-Fuentes, Pedro 168, 169 $ Gumperz, John 93 Personenregister 210 Personenregister $ Hager, Malin 16, 32, 76, 97, 178, 182, 184, 185, 186 $ Hakuta, Kenji 73 $ Haman, Ewa 60 $ Hammarberg, Bjorn 16, 207 $ Harding, Edith 24 $ Hart, Betty 69, 70 $ Hedmann, Christina 75 $ Heinze, Yasmin 148 $ Helot, Christine 24, 27 $ Hoff, Erika 71, 73 $ Hoffmann, Charlotte 11, 12, 16, 23, 24, 25, 27, 28, 189 $ Hoff, Mark 146, 202 $ Holowka, Siobhan 25 $ Hualde, José Ignacio 160 $ Hüppop, Marina 69, 88, 170, 177, 182, 197, 202 $ Ivir-Ashworth, Ksenija Corinna 28 $ Jansen, Veronika 16, 32, 94, 120, 131, 132, 133, 178 $ Jeßner, Ulrike 12 $ Jiménez-Gaspar, Amelia 166 $ Juan-Garau, Maria 74, 203 $ Kacprzak, Agnieszka 60 $ Karmiloff-Smith, Annette 178 $ Kasuya, Hiroko 73, 74 $ Kazzazi, Kerstin 23, 25, 27, 71, 73, 92 $ Kellerman, Eric 17 $ Kleineberg, Désirée 169, 170 $ Klein, Elaine 13, 14 $ Kolak, Joanna 60 $ Kupisch, Tanja 32, 178, 185 $ Lambert, Wallace Earl 177 $ Lambrecht, Knut 131 $ Lanza, Elizabeth 73, 74, 203 $ Lawrence, Frank 75 $ Lenhard, Alexandra 51, 52, 53, 54, 55, 56, 57, 58 $ Lenhard, Wolfgang 51 $ Lewedeg, Vanessa D. 71 $ Lichtschlag, Diana 188 $ Lindgren, Josefin 75 $ Lipsius, Maike 66 $ Lugo, Delia 51 $ Luk, Gigi 52, 198 $ Luniewska, Magdalena 60 $ MacSwan, Jeff 94 $ Mac Whinney, Brian 148 $ Maneva, Blagovesta 27 $ Marty, Fernand 177 $ Marx, Nicole 51, 110, 111 $ Merino Claros, Emilia 96 $ Meunier, Fanny 178 $ Miccio, Adele 75 $ Michalski, Meike 169, 203 $ Mieszkowska, Karolina 60 $ Mikeš, Melanie 27, 201 $ Moneglia, Massimo 148 $ Montanari, Simona 11, 12, 23, 25, 26, 27, 28 $ Müller, Jasmin 94 $ Müller, Natascha 11, 13, 16, 18, 21, 29, 31, 32, 33, 35, 36, 37, 38, 39, 62, 63, 69, 70, 88, 93, 94, 95, 96, 97, 98, 99, 101, 104, 113, 119, 120, 121, 122, 131, 133, 134, 151, 152, 153, 155, 158, 166, 169, 170, 178, 182, 185, 186, 189, 190 $ Muñoz-Liceras, Juana 17, 105, 204 $ Murrell, Martin 27 $ Muysken, Pieter 95, 96, 97, 98, 99, 100, 101, 102, 103, 104, 116, 117, 204 $ Myers-Scotton, Carol 94, 97 $ Nicoladis, Elena 25 $ Oksaar, Els 24 $ Oller, Kimbrough 71, 75, 199, 204 $ Öztekin, Buket 75 $ Padilla, Eligio 51 $ Parodi, Teresa 119 $ Patuto, Marisa 16, 32, 121 $ Pearson, Barbara 71, 74, 75, 76 $ Peets, Kathleen 52 $ Penke, Martina 119 $ Pérez-Vidal, Carmen 74, 203 $ Perridon, Harry 160 $ Petermann, Franz 66 $ Petitto, Laura-Ann 25 $ Pierce, Amy 42, 131, 132 $ Place, Silvia 71 211 Personenregister $ Platz-Schliebs, Anja 96, 101 $ Poeste, Meike 63, 91, 92, 93, 102, 171 $ Poplack, Shana 94 $ Prévost, Philippe 140 $ Prieto, Pilar 160 $ Pupier, Paul 178 $ Quay, Suzanne 12, 23, 25, 26, 28, 71, 73, 77, 91, 92 $ Ramos, Joan-Rafael 167, 205 $ Remberger, Eva-Maria 165 $ Repetto, Valentina 16, 120, 152, 204, 205 $ Ribot, Krystal M. 71, 73 $ Richards, Marc 122, 134 $ Riehl, Claudia Maria 93, 94 $ Rigault, André 177 $ Riley, Philip 24 $ Ringbom, Håkan 76 $ Risley, Todd 69, 70 $ Rizzi, Silvana 152 $ Romaine, Suzanne 72 $ Rothman, Jason 17, 19, 20, 21, 114, 205 $ Rowe, Meredith 70 $ Rumiche, Rosario 73 $ Sanz, Cristina 108 $ Satter, Jerome 52 $ Scheffner Hammer, Carol 75 $ Schepens, Job 76, 182, 183 $ Schlyter, Suzanne 185 $ Schmeißer, Anika 16, 32, 33, 35, 113, 114, 120, 186 $ Schmitz, Katrin Monika 32, 96, 134, 185 $ Segerer, Robin 51 $ Seifert, Nadine 188 $ Seigneuric, Alix 178 $ Sette, Nadine 51, 69, 88, 170, 190, 197, 206 $ Sivakumar, Abira 85, 91, 170, 185, 188, 189, 190, 193, 206 $ Sleeman, Petra 160 $ Snow, Catherine 70 $ Solà, Joan 167 $ Spinelli, Elsa 178 $ Stavans, Anat 28, 73, 92 $ Suggate, Sebastian 51 $ Swisher, Virginia 28, 73, 92, 207 $ Taeschner, Traute 25 $ Terker, Andrew 160, 207 $ Thériault-Whalen, Claudia 51 $ Thordardottir, Elin 71, 207 $ Thuilier, Juliette 146, 147, 148, 160 $ Tirado Espinosa, Mabel 145, 155 $ Toribio, Jacqueline 185 $ Treffers-Daller, Janine 100 $ Tucker, Richard 177 $ Umbel, Vivian 75 $ Valencia, Jose 27 $ van der Velde, Freek 160 $ van Heuven, Walter 76 $ Vinnitskaya, Inna 18, 200 $ Volterra, Virginia 25 $ Wang, Xiao-lei 28, 71, 73, 74 $ Weizman, Zehava 70 $ Welsh, Stephanie 71, 73 $ Wheeler, Max 167 $ Widdicombe, Susan 25, 28, 189 $ Williams, Sarah 16 $ Wilmet, Marc 147, 153, 154, 155 $ Wodniecka, Zofia 60 $ Yales, Alan 167 $ Yang, Sujin 52 $ Zagar, Daniel 178 $ Zimmermann, Katharina 145, 155 213 1 Person - 1 Sprache 70, 72, 73, 79, 83, 92 Aabhängige Variable 77, 111 Adaptation 103, 104 Akkzelerierungseffekt 129, 141 Albanisch 21 Alternation 93, 95, 96, 97, 98, 99, 100, 101, 102, 103, 104, 116, 117 ANOVA 111 Arabisch 30, 45, 123 attributives Adjektiv 20, 45, 145, 152, 164 Bbalanciert 12, 37, 39, 60, 62, 63, 67, 106, 108, 109, 152, 157, 158, 173, 185, 190 Balearische Inseln 108 Basissprache 25, 96, 97 Baskisch 28 Belebtheit 167 binär 177 Bodenset 54, 55, 64 CChinesisch 26 Chi-Quadrat-Test 110 Code-Switching 15, 93, 94, 95 Cumulative Enhancement Modell 18, 19, 21, 22, 129 DDeckenset 52, 54, 55, 64 Default 128, 140 deriviert 146 Determinante 97, 178 Dimensionen der Sprachdominanz 104, 105, 108, 118 disloziiert 131 Distanz 15 Distraktor 40, 44 Diversität der Ansprechpartner 70, 74, 75, 77 Diversität des medialen Inputs 70 Domänen der Sprachdominanz 15, 104, 105, 107, 108, 118 dominante Sprache 12, 38, 105, 153, 173, 189, 192 Dominanz 36, 58, 60 Drittspracherwerb 11, 12, 13, 16, 17, 18, 20, 22, 23, 27 Dublette 25 EEinbettung 100 Elizitationstest 36, 41, 124, 126, 135, 153, 154, 158 elterlicher Diskursstil 70, 71, 74 Elternfragebogen 77, 78, 79, 81, 82, 84, 111, 112 Enditem 52 Englisch 11, 13, 14, 15, 17, 18, 19, 20, 26, 27, 28, 36, 100, 140, 157 Entlehnung 94, 96 EPP-Merkmal 122, 128 Estnisch 24 EVIP 51, 53, 54, 55, 57, 64, 65 FFamiliensprache 24, 28, 72, 79, 80 Farsi 25, 203 finit 21, 40, 41, 42, 119, 121, 122, 124, 125, 126, 127, 129, 131, 132, 133, 134, 136, 139, 140 Finnisch 24 Fokussierung 160, 162, 163, 164 Förderbedarf 52 freier Relativsatz 18, 19 GGalizisch 30 gesellschaftlicher Bilinguismus 108, 172 HHauptsatz 40, 119, 121, 126, 128, 129 Hebräisch 30, 123 Herkunftssprachenunterricht 75 Hiat 146 Iinfinit 119 Infinitiv 119 Inhaltswort 103, 104 inhärent 50, 166 Input 12, 28, 32, 69, 70, 71, 73, 74, 75, 78, 79, 81, 85, 88, 91, 92, 111, 168, 191 Insertion 93, 94, 95, 96, 97, 98, 99, 100, 101, 102, 103, 104, 116, 117, 118 Institution 23, 27, 70, 75, 81, 84, 88, 91 Interaktionspotenzial 79, 80, 81, 89, 90 Sachregister 214 Sachregister intersektiv 150 intersentential 94, 106, 113, 114, 118 intransitives Verb 132 intrasentential 94, 101, 106, 113, 114, 116, 117, 118 Irisch 24 Italienisch 15, 20, 21, 25, 38, 75, 115, 116, 123, 152, 177, 183, 188, 197, 201, 204, 206 JJapanisch 18, 19, 26 Kkanonisch 131 Kasachisch 18 Katalanisch 30, 40, 76, 84, 91, 107, 108, 115, 123, 166, 168, 169, 170, 171, 172, 173, 176 Katalonien 108 kindgerichtet 80, 151, 154, 157, 159 kodieren 80, 81, 82 Kognat 76, 182 Komplexität 95, 102 Konfidenzintervall 58 kongruente Lexikalisierung 95, 98, 99, 102 Konstituente 21, 26, 40, 96, 98, 99, 101, 103, 104, 122 Konstituenz 99 Kopula 22, 40, 49, 50, 165, 166, 167, 168, 169, 170, 174, 175, 176 Kulturkontakt 81, 88, 90, 92 kumulativ 18, 21 Kurdisch 24 LL2 Status Factor Modell 17, 21, 23, 129, 141, 164 Landessprache 23, 78, 79, 80 Länge 102 Lautstärke 160, 162 lexikalisch 13, 14, 22, 25, 131, 132, 134, 140, 145, 146, 149 lexikalische Lücke 26 lineare Äquivalenz 101 linguistische Strategie 69, 70, 72, 73, 74, 75, 77, 79, 83, 90, 91, 92 Linksdislokation 131 linksverzweigend 18 longitudinal 27, 148 Longitudinalstudie 31, 134, 135, 153, 169 MMallorquinisch 30 Marokkanisch 45, 103 Matrixsprache 97, 102, 104 Mehrheitssprache 70, 71, 72, 73, 74, 75, 77, 78, 79, 84, 85, 89, 91 Minderheitensprache 67, 70 Mittelwert 57 MLU 32, 33, 34, 35, 36, 37, 38, 39, 132 MLU-Differenz 36, 37, 38 monosyllabisch 146 morphologisch 146 NNähe 15, 17, 20, 21 Negation 21, 22 Nicht-Umgebungssprache 28 Niederländisch 15, 21, 22, 23, 30, 100, 103, 123, 204, 207 Normalverteilung 57 Normierungsstichprobe 36 Null-Präposition 13, 14 Null-Subjekt-Parameter 21 Ooperationalisieren 69, 70, 78, 79, 81 OV-Sprache 18 PPeabody 152, 153, 154, 155, 157, 159 Peabody Picture Vocabulary Test 35, 36, 39, 50, 51, 170 Perfekt 119 Peripherie 99 permanent 166, 168, 175 phonologisch 25, 26, 146 Pied-piping 13, 14 Portugiesisch 20, 75, 123 postnominal 17, 20, 45, 49, 145, 146, 147, 148, 149, 150, 151, 153, 154, 155, 156, 157, 158, 159, 160 postverbal 22 PPVT 35, 51, 53, 54, 55, 57, 58, 64, 65, 66, 170 prädikatives Adjektiv 167 pränominal 20, 43, 45, 46, 145, 146, 147, 149, 150, 151, 152, 153, 155, 156, 157, 158, 159, 160, 162 Präpositionsstranden 13, 14 präverbal 22 Prestige 17, 64, 66, 70, 71, 74, 75 Produktionstest 42, 46, 176 QQualität des Inputs 69, 70, 71, 74 215 Sachregister Quantität des Inputs 69, 70, 71, 77, 80, 84 Querschnittsstudie 27, 29, 30, 31, 33, 35, 39, 40, 51, 81, 129, 141, 169, 170, 185, 190, 194 RRattenfängerkonstruktion 13 realisiertes Subjekt 120, 132, 139, 140 rechtsverzweigend 18, 19 Redefluss 37 Redefluss-Differenz 36, 37 resumptives Pronomen 131, 132 Rohwert 57 Russisch 18, 19, 115, 123 Ssatzfinal 119, 121, 129 Schuleignung 52 schwache Sprache 12, 26, 33, 93, 114, 120 Schwedisch 16, 21, 22, 24 Schweizerdeutsch 25 Selektion 101, 166, 168 selektiv 20, 21 Selektivität 101 simultan 11, 12, 24, 27, 61, 66, 105, 152 Spektrogramm 160 Sprachbeherrschung 32, 33, 36 Sprachbiographie 32 Sprachdominanz 28, 32, 33, 36, 39, 51, 63, 67, 93, 104, 105, 106, 108, 109, 110, 111, 113, 114, 117, 118, 123, 135, 153, 158, 163, 169, 185, 186, 189, 190, 191, 192, 194, 195 Sprachkonstellation 22, 70, 72, 73, 74, 75, 79, 91, 92 Sprachmischung 26, 27, 93, 99, 101, 102, 104, 105, 106, 107, 108, 109, 110, 111, 113, 114, 115, 116, 117, 118 Sprachmodus 28, 105 Sprachwahl 26, 27 Sprecherziehungsmethode 23, 69, 72 Standardabweichung 57, 62, 76 starke Sprache 75, 93 Startitem 52, 53, 54, 55, 66 strukturelle Position 102 Subjektverschiebung 128 subsektiv 163, 164 sukzessiv 11, 12, 13, 105, 114 SVO-Sprache 42, 131 syntaktisch 13, 14, 16, 20, 21, 25, 49, 97, 119, 122, 129, 131, 134, 141, 142, 146 TTagalog 25, 26, 204 temporär 50, 168, 175 tempusbildendes Auxiliarverb 22 ternär 177 Testitem 40, 46, 52, 57 thematisch 22 Transfer 94, 95 Trilinguismus 11, 12, 15, 19, 23, 29, 69, 72, 73, 74, 75, 76, 77, 78, 83, 90, 91, 92 Triplette 25 t-Test 82, 83, 84, 88, 113, 114, 116, 126, 142 TVIP 51, 53, 54, 55, 57, 64, 65 Typological Primacy Modell 17, 20 Typologie 15, 17, 20, 21, 76, 91, 105, 115, 116, 118, 129, 164 UÜbersetzungsäquivalent 25, 26, 76, 182, 183 Übungselement 40, 44 Umgebungssprache 23, 24, 25, 32, 172 unabhängige Variable 77, 111 unbalanciert 37, 39, 60, 61, 62, 63, 67, 93, 106, 108, 109, 110, 118, 153, 155, 158 Ungarisch 15, 21, 169 VV2-Position 40 V2-Sprache 21, 22, 119 Verschachtelung 100 Verstehenstest 46 WWechsler-Intelligenztest 66 Wortschatzkompetenz 58, 66, 69, 71 Wurzelinfinitiv 126, 127, 132, 139 ZZustandsdauer 167