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Grammatik und Terminologie

2020
978-3-8233-9293-4
Gunter Narr Verlag 
Christian Lang
Roman Schneider
Horst Schwinn
Karolina Suchowolec
Angelika Wöllstein

In der Grammatikforschung hat sich über die Jahre eine Vielzahl von Perspektiven, Herangehensweisen und Theorien herausgebildet, die mit oft unterschiedlichen - gelegentlich sogar widersprüchlichen - begriffl ichen Systematiken arbeiten. Diese terminologische Vielfalt stellt die Entwicklung konsistenter Erklärungsmodelle vor besondere Herausforderungen. Der vorliegende Band zur ars grammatica 2017: Grammatische Terminologie - Inhalte und Methoden enthält Beiträge, die sich im Spannungsfeld zwischen inhaltlicher Betrachtung und methodischer Anwendung mit Eigenschaften und Spezifika grammatischer Fachsprache beschäftigen. Dabei decken die Beiträge ein breites Spektrum ab und reichen von theoretischen Ausführungen der Terminologie(-forschung) über die Herausforderungen intra- und interlingualer Untersuchungen bis hin zu anwendungsorientierten Betrachtungen.

ISBN 978-3-8233-8293-5 In der Grammatikforschung hat sich über die Jahre eine Vielzahl von Perspektiven, Herangehensweisen und Theorien herausgebildet, die mit oft unterschiedlichen - gelegentlich sogar widersprüchlichen - begriffl ichen Systematiken arbeiten. Diese terminologische Vielfalt stellt die Entwicklung konsistenter Erklärungsmodelle vor besondere Herausforderungen. Der vorliegende Band zur ars grammatica 2017: Grammatische Terminologie - Inhalte und Methoden enthält Beiträge, die sich im Spannungsfeld zwischen inhaltlicher Betrachtung und methodischer Anwendung mit Eigenschaften und Spezifika grammatischer Fachsprache beschäftigen. Dabei decken die Beiträge ein breites Spektrum ab und reichen von theoretischen Ausführungen der Terminologie(-forschung) über die Herausforderungen intra- und interlingualer Untersuchungen bis hin zu anwendungsorientierten Betrachtungen. Lang et al. (Hrsg.) Grammatik und Terminologie 82 STUDIEN ZUR DEUTSCHEN SPRACHE FORSCHUNGEN DES INSTITUTS FÜR DEUTSCHE SPRACHE Beiträge zur ars grammatica 2017 Grammatik und Terminologie Christian Lang, Roman Schneider, Horst Schwinn, Karolina Suchowolec, Angelika Wöllstein (Hrsg.) 18293_Umschlag.indd Alle Seiten 18293_Umschlag.indd Alle Seiten 29.01.2020 09: 43: 00 29.01.2020 09: 43: 00 STUDIEN ZUR DEUTSCHEN SPRACHE 82 STUDIEN ZUR DEUTSCHEN SPRACHE FORSCHUNGEN DES INSTITUTS FÜR DEUTSCHE SPRACHE Herausgegeben von Arnulf Deppermann, Stefan Engelberg, Andreas Witt und Angelika Wöllstein Band 82 Beiträge zur ars grammatica 2017 Grammatik und Terminologie Christian Lang, Roman Schneider, Horst Schwinn, Karolina Suchowolec, Angelika Wöllstein (Hrsg.) © 2020 · Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG Dischingerweg 5 · D-72070 Tübingen Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Internet: www.narr.de eMail: info@narr.de Satz: Annett Patzschewitz CPI books GmbH, Leck ISSN 0949-409X ISBN 978-3-8233-8293-5 (Print) ISBN 978-3-8233-9293-4 (ePDF) Redaktion: Melanie Kraus Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http: / / dnb.dnb.de abrufbar. www.fsc.org MIX Papier aus verantwortungsvollen Quellen FSC ® C083411 ® DOI 10.2357/ 9783823392934 SDS 82 (2020) INHALT Christian Lang/ Roman Schneider/ Horst Schwinn/ Karolina Suchowolec/ Angelika Wöllstein Grammatische Terminologie: zwischen Tradition und Innovation ................. 7 Systematische Betrachtungen Petra Drewer Begriffssystematisches Erarbeiten und Verwalten von Terminologiebeständen ................................................................................................................ 21 Susanne Arndt Zeichenorientierung als Prinzip der relationalen semasiologischen Terminologiearbeit................................................................................................. 43 Christian Lehmann Interlinguale grammatische Begriffe .................................................................. 73 Anastasia Neumann-Schneider/ Alexander Ziem LingTermNet: Konzeption und Entwicklung eines FrameNet für linguistische Fachterminologie .......................................................................... 105 Anwendungsorientierte Überlegungen Stefan J. Schierholz WSK-1 Grammatik: Formenlehre und Syntax. Ein Lern- und Konsultationswörterbuch ................................................................................... 131 Volker Struckmeier Wortartentheorien und ihr Nutzen: Eine linguistische Quadratur des Kreises? .................................................................................................................. 149 Anna Kutscher Informationsstruktur im sprachdidaktischen Kontext .................................. 165 Martina Nied Curcio Die Anwendung grammatischer Terminologie im Bereich des Deutschen als Fremdsprache ...................................................................... 189 Inhalt 6 Tools Vanya Dimitrova/ Heike Renner-Westermann Vernetzung des Linguistik-Portals mit Linguistic Linked Open Data: Die Rolle des BLL-Thesaurus ............................................................................. 215 Stefan Falke/ Christian Lang Laniakea: Entwicklung eines graphentheoretischen Analysetools zur Überarbeitung der Terminologie-Komponente in grammis .................... 233 CHRISTIAN LANG/ ROMAN SCHNEIDER/ HORST SCHWINN/ KAROLINA SUCHOWOLEC/ ANGELIKA WÖLLSTEIN GRAMMATISCHE TERMINOLOGIE: ZWISCHEN TRADITION UND INNOVATION 1. Einleitung Der vorliegende Band und die zweite Arbeitstagung ars grammatica am Leibniz-Institut für Deutsche Sprache in Mannheim (IDS) - organisiert von der Abteilung Grammatik - widmet sich dem Thema Grammatische Terminologie - Inhalte und Methoden. Die Vorträge und Diskussionen der Arbeitstagung thematisierten Fragestellungen, die sich im Spannungsfeld zwischen inhaltlicher Betrachtung und methodischer Anwendung mit Eigenschaften und Eigenheiten von Terminologie im Allgemeinen und grammatischer Terminologie im Besonderen beschäftigten. Der vorliegende Band stellt die Erträge der Arbeitstagung zusammen. Terminologische Überlegungen sind eine Konstante im Bereich der (deutschen) Grammatik(-forschung). Die abstrahierende Ermittlung definitorischer Eigenschaften von Gegenständen zur Schaffung systematisierender Begriffe (DIN 2342: 2011-08, S. 5) 1 ist eine der grundlegenden Vorgehensweisen der Terminologie, die zugleich den Kern grammatischer Arbeit berührt. Damit hängen auch Fragen nach dem Umgang mit Graubereichen und Grenzfällen zusammen, die Bündelung thematisch zusammenhängender Begriffe zu Begriffsfeldern (ebd., S. 7) und die Beschreibung der Beziehungen, die zwischen Begriffen herrschen (ebd., S. 8). Ein wiederkehrender Anlass für Diskussionen im Bereich grammatischer Terminologie ist der Umgang mit terminologischer Vielfalt, ausgelöst durch diachrone Entwicklung und synchrone Koexistenz verschiedener linguistischer Schulen und Theorien. Kritische inhaltliche Diskussionen werden sowohl im didaktischen Kontext geführt und im Hinblick auf den Grammatikunterricht in der Schule oder dem Fremdsprachenunterricht oft mit der Forderung nach einer Vereinheitlichung grammatischer Terminologie (vgl. Bausch/ Grosse (Hg.) 1987; Raasch (Hg.) 1983) oder mit einer kritischen Reflexion (vgl. Verzeichnis grundlegender grammatischer Fachbegriffe des IDS) 2 verknüpft. Aber auch in der Fachwissenschaft wird bisweilen auf das „unglaubliche terminologische Chaos“ in der Linguistik (Müller 2013, S. 1) oder eine „termino- 1 In diesem Beitrag verwenden wir gemäß DIN 2342: 2011-08 Begriff für Denkeinheiten und Benennung/ Terminus für sprachliche Repräsentationen der Begriffe. 2 https: / / grammis.ids-mannheim.de/ vggf DOI 10.2357/ 9783823392934 SDS 82 (2020) Christian Lang/ Roman Schneider/ Horst Schwinn/ Karolina Suchowolec/ Angelika Wöllstein 8 logische Verwirrung“ (Palm 1995, S. 104 ff.), in diesem Fall im Bereich der Phraseologie hingewiesen. Dabei beschränkt sich die Auseinandersetzung mit terminologischer Vielfalt keinesfalls auf die Benennungsebene, wenn also derselbe Begriff mit jeweils unterschiedlichen Benennungen assoziiert wird (wie beispielsweise Tempus und Zeitform). Auf der Begriffsebene können perspektivische Unterschiede zwischen verschiedenen linguistischen Schulen darin resultieren, dass derselbe Gegenstand in unterschiedliche Begriffsstrukturen überführt wird (bspw. Satzglied und primäre Komponente (vgl. Zifonun/ Hoffmann/ Strecker 1997)). 2. grammis und die Wissenschaftliche Terminologie Wissenschaftliche oder didaktische Grammatiken, Lexika oder Beschreibungen von Forschungsprojekten werden von Fachleuten erstellt und sind manchmal für eine breitere Öffentlichkeit bestimmt, nicht selten jedoch auf eine ganz spezielle Lesergruppe zugeschnitten, was zu der oben angesprochenen, gelegentlich durchaus unübersichtlichen terminologischen Vielfalt führt. Und bis vor nicht allzu langer Zeit hatten linguistische Systematiken vorrangig den menschlichen Leser im Visier. Diese Situation änderte sich sukzessive im Zuge der Digitalisierung des menschlichen bzw. sprachlichen Wissens und der Verbreitung von Technologien zur maschinellen Verarbeitung menschlicher Sprache (Natural Language Processing, NLP). Neben digitalen Sammlungen sprachlicher Phänomene in Form elektronischer Wörterbücher oder Wortnetze gehören mittlerweile auch digitale Fachinformationssysteme zum (nicht nur wissenschaftlichen) Alltag, die häufig terminologisch unterschiedliche Ressourcen bündeln und zwischen diesen vermitteln. Terminologie muss damit also computerlesbar und -verarbeitbar werden. Für die deutsche Sprache - sowohl im deutschsprachigen Raum als auch für die internationale Germanistik - hat das grammatische Informationssystem grammis des IDS (Schneider/ Schwinn 2014) 3 mit ca. 100.000 Seitenaufrufen pro Monat eine führende Rolle inne. Es umfasst thematische Module wie die Systematische Grammatik - eine auf der Grammatik der deutschen Sprache (Zifonun/ Hoffmann/ Strecker 1997) basierende digitale Grammatik des Deutschen -, ProGr@mm - eine propädeutisch aufbereitete Grammatik für den Hochschulunterricht - und themenspezifische Bereiche einer korpusgestützten Grammatik sowie Schwerpunkte einer Wortphonologie des Deutschen. Weiterhin enthalten sind Spezialwörterbücher zu Verben, Konnektoren, Prä- 3 https: / / grammis.ids-mannheim.de Grammatische Terminologie: zwischen Tradition und Innovation 9 positionen und Affixen sowie Datenbanken zu grammatischen Phänomenen wie der Genitivendung, attributiven Adjektiven oder zu-/ dass-Komplementen (Donalies 2011; Bubenhofer/ Konopka/ Schneider 2013; Bubenhofer/ Hansen- Morath/ Konopka 2014; Schneider 2014; Konopka/ Fuß 2016; Fuß/ Konopka/ Wöllstein (Hg.) 2019). Insgesamt bündelt grammis auf mehr als 3.000 Online- Seiten vielfältige und reichhaltige Informationen zu unterschiedlichen Aspekten der deutschen Grammatik. Der Umgang mit terminologischer Vielfalt - auf Benennungswie auf Begriffsebene -, die Behandlung von Graubereichen und Grenzfällen sowie die Verbindung von (teils im Widerspruch zueinander stehenden) Begriffen zu einem konsistenten Begriffssystem sind Herausforderungen, die computerlinguistisch bereits in Form domänenunabhängiger Ontologien wie GUM (Generalized Upper Model) und SUMO (Suggested Upper Merged Ontology), domänenspezifischer Ontologien wie GOLD (General Ontology for Linguistic Description) und DOLCE (Descriptive Ontology for Linguistic and Cognitive Engineering) sowie linguistisch motivierter Strukturierungsmodelle wie OntoLex (W3C Ontology Lexicon) angegangen wurden. Auch für die Unterstützung der semantischen Recherche in grammis wurde ein prototypischer Thesaurus konzipiert (Bubenhofer/ Schneider 2010). Seither waren und sind die grammis-Autoren mit der computerbasierten Verarbeitung linguistischer Terminologie beschäftigt (Suchowolec/ Lang/ Schneider 2019). Die damit verbundene konzeptionelle Arbeit gab letztlich den konkreten Anlass zur Organisation und Ausrichtung der Tagung, weswegen im Folgenden ein Überblick über die Entwicklung der Wissenschaftlichen Terminologie (WT), der terminologischen Ressource des grammatischen Informationssystems grammis, gegeben wird. 3. Entstehungsgeschichte der Wissenschaftlichen Terminologie Der oben angeführte Thesaurus war eine der Grundlagen für die Entwicklung der Wissenschaftlichen Terminologie, die im Zuge der Neugestaltung von grammis (Dalmas/ Schneider 2018) angestoßen wurde. Die WT ist in ihrer jetzigen Form das Ergebnis einer umfassenden methodisch-infrastrukturellen Überarbeitung, im Zuge derer ehemals disjunkte und zum Teil disparate terminologische Ressourcen zusammengeführt wurden (vgl. Suchowolec et al. 2017). Vor dieser Zusammenführung existierten in grammis zwei leicht unterschiedliche terminologische Wörterbücher, die als Glossare für die Komponenten Systematische Grammatik und ProGr@mm fungierten. Von diesen unabhängig existierte der Thesaurus, ein Begriffssystem, in dem Begriffe deutscher Grammatik anhand von hierarchischen Abstraktionsbeziehungen (Oberbegriff/ Unterbegriff), von hierarchischen Partitivbeziehungen (Holonym/ Meronym) und von nicht-hierarchischen Assoziativbeziehungen (Verwandt- Christian Lang/ Roman Schneider/ Horst Schwinn/ Karolina Suchowolec/ Angelika Wöllstein 10 schaftsbeziehungen) zueinander in Relation gesetzt wurden (Sejane 2011). Neben den Begriffsrelationen und weiteren Attributen (wie Theoriezugehörigkeit) waren im Thesaurus auch Vorzugsbenennung und Synonyme kodiert. Aufgrund ihrer Unabhängigkeit voneinander mussten Wörterbücher und Thesaurus anhand unterschiedlicher Tools verwaltet und gepflegt werden. Die onomasiologische Begriffsstruktur des Thesaurus bildete die Grundlage für die neue integrierte Ressource. Dabei wurde das Datenmodell des Thesaurus dahingehend erweitert, dass die ehemals separat verwalteten und abgelegten Erläuterungstexte nunmehr den Status eines der den Begriffen zuweisbaren Attribute haben. Die resultierende Systematik, die Wissenschaftliche Terminologie, vereint in sich folglich die Beschreibungstexte der Wörterbuchkomponenten und die im Thesaurus kodierten Informationen wie Begriffsstruktur oder Synonyme. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt umfasst die terminologische Ressource ca. 4.500 Termini, ca. 1.400 Begriffe (von denen ca. 400 Begriffen terminologische Erläuterungstexte zugewiesen sind) und ca. 3.500 Begriffsbeziehungen. Die WT leistet unter anderem eine terminologische Erschließung der im System versammelten Inhalte und fungiert als Wissensorganisationssystem (Knowledge Organization System, KOS) des Informationssystems. Die WT übernimmt dabei die von Mazzocchi (2017, o. S.) beschriebenen Funktionen von Wissensorganisationssystemen, nämlich „die Organisation von Wissen und Information und die Vereinfachung von deren Management und Abrufbarkeit.“ 4 So unterstützt die WT beispielsweise die Volltextsuche durch Synonymverwaltung. Zum anderen dient sie in Form von terminologischen Erläuterungstexten den Benutzern und Benutzerinnen von grammis als Nachschlageressource. Der Zugriff auf diese Texte erfolgt zum einen über eine alphabetisch sortierte Lemmaliste. Zum anderen finden sich in den Texten der übrigen Module von grammis Hyperlinks (etikettierte digitale Verweise) auf Termini, die ein Fenster mit dem jeweils entsprechenden terminologischen Erläuterungstext aufrufen. Während die methodisch-infrastrukturelle Überarbeitung der Ressource weitestgehend abgeschlossen ist, befindet sich die Wissenschaftliche Terminologie inhaltlich in einem fortdauernden Überarbeitungsprozess. Dieser Prozess stützt sich auf etablierte Prinzipien der Terminologielehre und -arbeit (vgl. Arntz/ Picht/ Schmitz 2014) und setzt gleichzeitig neue Impulse zur Reflexion und Weiterentwicklung derselben. 4 Im Original: „However, what they [=KOS, Anm. der Verfasser/ innen dieses Textes] all have in common is that they have been designed to support the organization of knowledge and information in order to make their management and retrieval easier.“ Grammatische Terminologie: zwischen Tradition und Innovation 11 4. Der Umgang mit terminologischer Vielfalt in grammis Eine Herausforderung, aber auch ein Grundpfeiler, in diesem Überarbeitungsprozess ist es, die eingangs angesprochene terminologische Vielfalt im System abzubilden. Ein Grund für dieses Vorhaben liegt in der Genese der Ressource. Aufgrund der Tatsache, dass die ehemaligen Wörterbuchkomponenten bislang als Glossare für die Systematische Grammatik und ProGr@mm fungierten, war die Terminologie in einigen inhaltlichen Bereichen an eine spezifische inhaltliche Grammatikschreibung gebunden. Diesen spezifischen Begriffen in der Ressource sollen solche nebenan gestellt werden, die einer kanonischen, klassischen aber auch theoriespezifischen Grammatikauffassung entsprechen, um somit einem weiteren Kreis an Nutzern und Nutzerinnen einen Zugang zu unserer Ressource zu verschaffen. Obgleich die Wissenschaftliche Terminologie nach Best-Practices der Terminologiewissenschaft gestaltet wurde, hebt sie sich dadurch von gängiger terminologischer Praxis, wie sie vor allem in der Wirtschaft Anwendung findet, ab. Grundsätzlich ist die Wissenschaftliche Terminologie deskriptiv in dem Sinne, dass keine Normierung von Begriffen und Termini angestrebt wird (vgl. Lang/ Schwinn/ Suchowolec 2018). Speziell auf der begrifflichen Ebene wird dies deutlich. Es ist gängige Praxis, interperspektivischen Differenzen und terminologischer Vielfalt oft zum einen dadurch zu begegnen, dass für den Fall, dass unterschiedliche Sichtweisen auf die begriffliche Struktur eines Phänomenbereiches vorliegen, eine dieser Sichtweisen übernommen wird, während die übrigen verworfen werden (vgl. Lang/ Suchowolec im Druck). Dass in der Wissenschaftlichen Terminologie die vielfältigen begrifflichen Perspektiven nicht auf eine einzige reduziert werden, sondern im Gegenteil in der Ressource als gleichberechtigt nebeneinanderstehen, stellt ein Alleinstellungsmerkmal der Wissenschaftlichen Terminologie dar. Darüber hinaus wird auf der Benennungsebene das terminologische Standardverfahren der Synonymverwaltung, d. h. die Auswahl einer so genannten Vorzugsbenennung unter den Termini, die einem Begriff zugeordnet werden, eingesetzt. Während es also in der (wirtschaftsnahen) Terminologiearbeit gängige Praxis ist, mögliche Ambiguitäten, die aus einer Koexistenz unterschiedlicher Termini und Begriffsstrukturen entstehen können, durch die präskriptive Phase der Terminologiearbeit aufzulösen, verfolgt die Wissenschaftliche Terminologie bei diesen Problemen den deskriptiven Ansatz. Die Erträge, Fragen und Herausforderungen, die beim Aufbau der WT erarbeitet und diskutiert wurden, waren Anlass für die Arbeitstagung und dienten gleichzeitig dazu, Linguistik und Terminologieforschung zusammenzuführen und Synergien herauszuarbeiten. Thematische Schwerpunkte bildeten systematische fachinterne und -übergreifende terminologische Betrachtun- Christian Lang/ Roman Schneider/ Horst Schwinn/ Karolina Suchowolec/ Angelika Wöllstein 12 gen, anwendungsorientierte Überlegungen zur Erstellung von terminologischen Fachwörterbüchern und Anwendungen grammatischer Terminologie im didaktischen Bereich sowie Tools zur Nutzung und Pflege von Begriffssystemen. 5. Die Beiträge dieses Sammelbandes Die Beiträge dieses Sammelbandes teilen sich in drei Blöcke auf. Im ersten Block sind systematische Betrachtungen versammelt, im zweiten Block finden wir anwendungsorientierte Überlegungen und im dritten werden anwendungsorientierte Tools zur Nutzung von Begriffssystemen oder Teile davon vorgestellt. Systematische Betrachtungen Im Beitrag von Petra Drewer, dem ersten Beitrag des ersten Blocks, geht es um Terminologiesysteme und ihre Handhabung aus nicht-grammatischer Perspektive. Die Autorin fühlt sich der allgemeinen Terminologielehre von Eugen Wüster verpflichtet und „gibt einen Überblick über Methoden und Grundanforderungen an die Einrichtung von Terminologieverwaltungssystemen (z. B. Begriffsorientierung, Benennungsautonomie, Sprachebenenexplizierung) sowie über die verschiedenen Möglichkeiten der Datenmodellierung.“ Ihre zentrale Fragestellung ist, welche Möglichkeiten für die Repräsentation der Begriffe mithilfe von „Terminologieverwaltungssystemen“ zur Verfügung stehen und/ oder welche Bedingungen dafür geschaffen werden müssen. Susanne Arndt macht sich entgegen der weitverbreiteten Auffassung, dass die allgemeine Modellierung einer Terminologie nur begriffsorientiert - also onomasiologisch - angegangen werden kann, stark für deren semasiologische Modellierung, nachdem sie onomasiologische gegenüber semasiologische Darstellungsformen von Terminologiesystemen abgewogen hat. Die jeweilige Begriffskonstituierung kann ihrer Meinung nach nur im diskursiven Zusammenhang einer Sprachgemeinschaft erfolgen. Bei allen ihren Überlegungen ist die klassische Zeichenorientierung Ausgangspunkt; dabei versteht sie den fachsprachlichen Begriff als eine „dynamische semantische Größe“. Im dritten Beitrag plädiert Christian Lehmann für eine multilinguale linguistische Terminologieforschung. Sein Ziel ist es, eine sprachenübergreifende Ontologie - ein Begriffssystem - zu schaffen, die sowohl einen onomasiologischen als auch einen semasiologischen Zugang zu den Begriffen und den damit verbundenen Termini erlaubt. Dass diese multilinguale Standardisierung nicht nur deskriptiv erfolgen kann, sondern über einen bestimmten Grad von Normierung realisierbar ist, ist vom Autor sogar gewünscht. Grammatische Terminologie: zwischen Tradition und Innovation 13 Mit LingTermNet (Linguistic Terminology Net) stellen Anastasia Neumann- Schneider und Alexander Ziem ein Online-Repositorium für linguistische Fachtermini vor. Das LingTermNet orientiert sich am Berkleyer FrameNet- Projekt und operiert ebenso wie jenes mit semantischen Rollen, die einem semantischen Valenzrahmen unterliegen, als framesemantische Annotationen. Frame wird hierbei als kognitive Wissensstruktur verstanden, die den Gebrauch und die Bedeutung semantisch verwandter Lexeme motiviert. Auf einer framesemantischen Ebene werden die Frames und ihre Beziehungen untereinander dargestellt; die lemmaspezifische Ebene dient den semantischen, lexikografischen Beschreibungen der Lexeme unter spezieller Berücksichtigung der Frames. Mit dem LingTermNet verbinden die Autoren einen didaktischen Anspruch, indem es Studienanfängern ein lernerspezifisches Repositorium eines fachterminologischen Basiswissens eröffnet. Anwendungsorientierte Überlegungen Nachdem im ersten Block des Sammelbandes Grundlagen und Weiterentwicklungen der allgemeinen und der speziellen Terminologiearbeit dargestellt wurden, befasst sich der zweite Block mit deren praktischer Anwendung in unterschiedlichen Bereichen bzw. für unterschiedliche Rezipientengruppen. In erster Linie für Studierende ist das WSK-1 gedacht. Stefan J. Schierholz stellt die Arbeit an den zwei Teilbänden „Grammatik: Formenlehre und Syntax. Ein Lern- und Konsultationswörterbuch“ der Reihe Wörterbücher zur Sprach- und Kommunikationswissenschaft vor. Im Beitrag werden die lexikografischen und die lexikologischen Routinen und Herausforderungen bei der Erstellung eines 4.500 Termini umfassenden Doppelbandes zur Syntax und der Formenlehre dargestellt. Ziel ist ein „eigenständiges, alphabetisches und partiell bilingualisiertes [englisch] terminologisches Teilfachwörterbuch“, das zunächst online entsteht und dann auch in einer Printversion erscheinen soll. Nicht nur durch einen didaktischen Anspruch motiviert stellt sich Volker Struckmeier die Frage nach der Sinnhaftigkeit der klassischen Wortarteneinteilung. Ihm scheinen klassische Definitionen zu eng und zu starr; graduelle Kategorisierungen, die weiter helfen könnten, böten allerdings wenig Vorhersagbarkeit für eine adäquate Zuordnung zu Kategorien. Diese janusköpfige Problematik verdeutlicht er exemplarisch anhand der Wortart Substantiv. Anna Kutschers Beitrag beschäftigt sich mit dem Umgang eines grammatischen Terminus in der fachdidaktischen Praxis. Beispielhaft wird dies an der Informationsstruktur gezeigt. Die Autorin zeigt die Schwierigkeiten, mit welchen sich Lehramtsstudierende im Praxissemester konfrontiert sehen, wenn sie nach geeignetem Material für den schulischen Sprachunterricht suchen Christian Lang/ Roman Schneider/ Horst Schwinn/ Karolina Suchowolec/ Angelika Wöllstein 14 und dabei auf eine zum Teil nicht eindeutige Terminologie stoßen. Nachdem unterschiedliche Medien auf ihren empirischen Gehalt und der Anwendbarkeit in der schulischen Praxis überprüft wurden, konstatieren die Studierenden im Praxissemester aufgrund ihrer Materialien, dass einerseits die fachwissenschaftliche Terminologie für die Unterrichtsvorbereitung an Bedeutung verliert und andererseits die Termini nicht den Weg in die didaktischen Materialien finden. In einem weiteren didaktisch motivierten Beitrag beschäftigt sich Martina Nied Curcio mit der Anwendung grammatischer Terminologie im Bereich Deutsch als Fremdsprache und kommt zu ähnlich unbefriedigenden Ergebnissen wie Anna Kutscher in ihrem Beitrag zum Gebrauch - bzw. Nicht-Gebrauch - linguistischer Termini für den muttersprachlichen Deutschunterricht. Die Kritik der Beiträgerin richtet sich allerdings eher gegen die Schwerfälligkeit, mit welcher grammatische Termini temporal-linear ihren Weg aus der fachwissenschaftlichen Diskussion in den DaF-Bereich finden. Verantwortlich sind für die Autorin Wandel und Trägheit der Vermittlung auf unterschiedlichen Ebenen, z. B. neue Forschungsschwerpunkte, theoretische Weiterentwicklung, Theorieschulen innerhalb der Sprachwissenschaft und Interferenzen bzw. kontrastive Perspektiven zwischen den Sprachen. Die Behebung des Dilemmas deutet auf eine konzertierte Aktion hin, an der Autoren linguistisch-didaktischer Grammatiken und Lehrwerke, Verlage, Fachwissenschaftler (z. B. der Gießener Kreis), Wissenschaftliche Grammatiken und das Fachlexikon für Deutsch als Fremdsprache beteiligt sein sollten. Grundvoraussetzung ist allerdings eine Verbesserung des Aus- und Fortbildungsbereichs von Lehrpersonen für Deutsch als Fremdsprache. Tools Der dritte Beitragsblock besteht aus zwei Beiträgen, in welchen einerseits ein komplexes Rechercheinstrumentarium für sprachwissenschaftliche Forschung unterschiedlicher Perspektiven vorgestellt wird und andererseits gezeigt wird, wie ein graphentheoretisches Analysetool in der konkreten wissenschaftlichen Terminologiearbeit zum Einsatz kommen kann. Vanya Dimitrova und Heike Renner-Westermann stellen ein umfangreiches Projekt dar, das Fachinformationen unterschiedlicher wissenschaftlicher Ressourcen für allgemeine und vergleichende Linguistik auf internationaler Ebene im Linguistik-Fachportal (www.linguistik.de) recherchierbar macht. Das Portal ist verknüpft mit der Linked Open Data Cloud (LLOD-Cloud). Zur Verbesserung der Suchfunktionen wird der Schlagwortthesaurus der seit den 1970er Jahren existierenden Bibliography of Linguistic Literature (BLL) für diese LLOD-Cloud als Lieferant für das Terminologie-Inventar des Linguis- Grammatische Terminologie: zwischen Tradition und Innovation 15 tik-Portals aufbereitet und an die Cloud angebunden. Der Beitrag erläutert die dem Portal zugrunde liegenden Strukturen, die Herausforderungen, die mit der Aufarbeitung der terminologischen Daten verbunden sind und weist auf die Nutzungsmöglichkeiten zur Recherche und auf Möglichkeiten der Weiterentwicklung hin. Stefan Falke und Christian Lang zeigen im letzten Beitrag, wie das von ihnen entwickelte graphentheoretische Analysetool Laniakea bei der Überarbeitung des terminologischen Online-Wörterbuchs des IDS eingesetzt wird. Laniakea ist in der Lage, den Zusammenhang zwischen der Mikrostruktur, nämlich den Volltexten des Fachwörterbuchs, und der zugrundeliegenden relationalen Struktur des Thesaurus, der Makrostruktur, abzubilden. Da dies sowohl in der Ausgangssituation der Überarbeitung des Wörterbuchs als auch während der inhaltlichen Überarbeitung möglich ist, erleichtert das Tool den Autoren die Anpassung der Makroan die Mikrostruktur und umgekehrt. Außerdem visualisiert es den Nutzern des Wörterbuchs anschaulich die Zusammenhänge zwischen den Hyperonymen, Hyponymen und Kohyponymen sowie den Meronymen und Holonymen der Termini bzw. deren Konzepte innerhalb der Begriffsstruktur. Literatur Arntz, Reiner/ Picht, Heribert/ Schmitz, Klaus-Dirk (2014): Einführung in die Terminologiearbeit. (= Studien zu Sprache und Technik 2). 7., vollst. überarb. und aktual. Aufl. Hildesheim: Olms. Bausch, Karl-Heinz/ Grosse, Siegfried (Hg.) (1987): Grammatische Terminologie in Sprachbuch und Unterricht. 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Dalmas, Martine/ Schneider, Roman (2018): Die grammatischen Online-Angebote des IDS aus Sicht der Germanistik im Ausland. In: Lobin, Henning/ Schneider, Roman/ Witt, Andreas (Hg.): Digitale Infrastrukturen für die germanistische For- Christian Lang/ Roman Schneider/ Horst Schwinn/ Karolina Suchowolec/ Angelika Wöllstein 16 schung. (= Germanistische Sprachwissenschaft um 2020 6). Berlin: De Gruyter, S. 269-288. DIN 2342: 2011-08 = Deutsches Institut für Normung (DIN) (Hg.) (2011): Begriffe der Terminologielehre. Berlin: Beuth. Donalies, Elke (2011): Tagtraum, Tageslicht, Tagedieb. Ein korpuslinguistisches Experiment zu variierenden Wortformen und Fugenelementen in zusammengesetzten Substantiven. Mit einem Exkurs und zahlreichen Statistiken von Noah Bubenhofer. (= amades 42). Mannheim: Institut für Deutsche Sprache. Fuß, Eric/ Konopka, Marek/ Wöllstein, Angelika (Hg.) (2019): Grammatik im Korpus. Korpuslinguistisch-statistische Analysen morphosyntaktischer Variationsphänomene. 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Welchen Beitrag leistet deskriptive Terminologiearbeit? In: Ahrens, Barbara/ Beaton-Thome, Morven/ Krein-Kühle, Monika/ Krüger, Ralph/ Link, Lisa/ Wienen, Ursula (Hg.): Interdependenzen und Innovationen in Translation und technischer Dokumentation. Berlin: Frank & Timme. Grammatische Terminologie: zwischen Tradition und Innovation 17 Suchowolec, Karolina/ Lang, Christian/ Schneider, Roman (2019): An empirically validated, onomasiologically structured, and linguistically motivated online terminology - re-designing scientific resources on German grammar. In: International journal on digital libraries 20, 3, S. 253-268. Suchowolec, Karolina/ Lang, Christian/ Schneider, Roman/ Schwinn, Horst (2017): Shifting Complexity from Text to Data Model. Adding machine-oriented features to a human-oriented terminology resource. In: Jorge Gracia/ Bond, Francis/ McCrae, John P./ Buitelaar, Paul/ Chiarcos, Christian/ Hellmann, Sebastian (Hg.): Language, Data, and Knowledge. Proceedings of the First International Conference, LDK 2017, 19-20 June 2017, Galway, Ireland. Cham: Springer, S. 203-212. Zifonun, Gisela/ Hoffmann, Ludger/ Strecker, Bruno (1997): Grammatik der deutschen Sprache. 3 Bde. (= Schriften des Instituts für Deusche Sprache 7). Berlin/ New York: De Gruyter. SYSTEMATISCHE BETRACHTUNGEN PETRA DREWER BEGRIFFSSYSTEMATISCHES ERARBEITEN UND VERWALTEN VON TERMINOLOGIEBESTÄNDEN Abstract: Die Terminologielehre (speziell die Terminologielehre nach Eugen Wüster) liefert eine Basis und Methoden für terminologische Anwendungen in der Praxis. Viele Unternehmen und Institutionen richten ihr Terminologiemanagement danach aus. Nach einer kurzen Vorstellung der entsprechenden Ziele und Prozesse werden wichtige Typen von Begriffssystemen dargestellt, und es wird aufgezeigt, welche positiven Effekte das Erarbeiten von Begriffssystemen auf die Qualität der Terminologiearbeit hat. Als nächster inhaltlicher Schwerpunkt werden Möglichkeiten und Besonderheiten der Terminologieverwaltung unter besonderer Berücksichtigung der Eintragsmodellierung in terminologischen Datenbanken erörtert. Den Abschluss der Betrachtungen bildet die Zusammenführung der zwei Bereiche: Welche Optionen stehen für die Repräsentation von Begriffssystemen in Terminologieverwaltungssystemen zur Verfügung bzw. können dort umgesetzt werden? Keywords: Terminologie, Begriffssystem, Begriffsrelation, Ontologie, Terminologieverwaltung, Terminologiedatenbank 1. Einleitung Begriffssysteme stellen Mengen von Begriffen zusammen und spezifizieren die zwischen den Begriffen bestehenden oder hergestellten Beziehungen. Sie dienen der Ordnung von Wissen und der Darstellung der begrifflichen Strukturen eines Fachgebiets. Um einen schnellen Zugang und Überblick zu ermöglichen, werden sie oft grafisch dargestellt. Obgleich die Terminologiewissenschaft die entsprechenden Grundlagen und Methoden bereitstellt, wird in der praktischen Umsetzung, der Terminologiearbeit, oft auf das Erarbeiten von bzw. das Arbeiten mit Begriffssystemen verzichtet. Dieser Verzicht ist mehr als bedauerlich, denn unabhängig davon, ob es sich um deskriptive oder präskriptive Terminologiearbeit, um mono- oder multilinguale Projekte, um fachgebietsspezifische oder fachgebietsübergreifende Terminologiebestände, um A-posteriori- oder A-priori-Terminographie, um synchrone oder diachrone terminologische Untersuchungen handelt, ist das begriffssystematische Er- und Verarbeiten der Terminologie von großer Bedeutung. Doch die Vorteile und positiven Effekte werden in der Praxis, u. a. in Unternehmen und Institutionen, die sich mit Terminologiemanagement befassen, nicht immer erkannt und daher noch zu wenig genutzt. Der Begriff als „Denkeinheit, die aus einer Menge von Gegenständen […] unter Ermittlung der diesen Gegenständen gemeinsamen Eigenschaften mittels Abstraktion gebildet wird“ (DIN 2342: 2011-08, S. 5) ist empirisch nicht DOI 10.2357/ 9783823392934 SDS 82 (2020) Petra Drewer 22 direkt zugänglich, sondern kann als kognitive Struktur nur indirekt über die sprachliche Ebene sichtbar gemacht werden. Die Begriffe und ihre Relationen zueinander rücken zugunsten von Benennungsbetrachtungen in den Hintergrund. 1 Im Folgenden soll - basierend auf der Terminologielehre nach Eugen Wüster - kurz auf Ziele und Methoden der praktischen Terminologiearbeit (in der Unternehmenspraxis oft auch „Terminologiemanagement“ genannt) eingegangen werden, bevor dann ein Überblick über zentrale Arten sowie positive Effekte von Begriffssystemen auf die Qualität der Terminologiearbeit gegeben wird. Im Anschluss werden Möglichkeiten und Besonderheiten der Terminologieverwaltung unter besonderer Berücksichtigung der Eintragsmodellierung in terminologischen Datenbanken dargestellt. Den Abschluss der Betrachtungen bildet die Zusammenführung der Bereiche: Welche Optionen stehen für die Repräsentation von Begriffssystemen in (kommerziellen) Terminologieverwaltungssystemen zur Verfügung bzw. können umgesetzt werden? 2. Terminologiearbeit 2.1 Terminologiearbeit im Unternehmen Wenn ein Unternehmen oder eine Institution Terminologiemanagement betreibt, so handelt es sich in der Regel um präskriptive multilinguale Projekte, die mehrere Fachgebiete betreffen und sowohl a posteriori bestehende Terminologie erfassen als auch a priori neu entstehende Terminologie lenken und prägen. Dabei werden sowohl synchrone als auch diachrone Betrachtungen angestellt, um primär den gegenwärtigen Sprachgebrauch zu erfassen und für zukünftige Verwendungen festzulegen und gleichzeitig sprachliche Entwicklungen zu dokumentieren. 2 1 Computerlinguistische Verfahren konzentrieren sich ebenfalls auf die sprachliche Ebene, indem sie bspw. Kookkurrenzen aufzeigen oder Wortfelder sichtbar machen. Die Begriffsebene als kognitive Struktur bleibt maschinell jedoch größtenteils unzugänglich. Ist sie erarbeitet, kann sie informationstechnologisch abgebildet und abgespeichert werden; ihre Erarbeitung jedoch erfordert Humanwissen - z. B. um zu entscheiden, welche Begriffsmerkmale für eine Definition relevant sind und welche nicht. Nutzbare Ansätze im maschinellen Bereich ergeben sich u. a. durch morphologische Analysen von Komposita, die das Verhältnis von Oberzu Unterbegriffen aufdecken können oder das gezielte maschinelle Suchen nach Phrasen, die auf bestimmte Begriffsbeziehungen hindeuten. 2 Je nach Anwendungsumgebung werden andere Ziele verfolgt; der sehr wichtige Bereich der Terminologiearbeit in Normungsgremien bspw. verfolgt - anders als spontan zu erwarten - Begriffssystematisches Erarbeiten und Verwalten von Terminologiebeständen 23 Das firmeninterne Terminologiemanagement sollte möglichst auf Basis der Erkenntnisse der Terminologiewissenschaft erfolgen, so dass die entsprechenden Erarbeiter mindestens über Kenntnisse in den folgenden Kernbereichen verfügen: 3 − Grundlagen der Terminologiewissenschaft, − Methoden und Techniken der Terminologiearbeit, − Methoden und Technologien der Sprachdatenverarbeitung (speziell Terminologiedatenbanken, Terminologieextraktionstools und Terminologieprüfsysteme). Hinweise zu einer auf diesen Kenntnissen basierenden, entsprechend reflektierten Methodik finden sich u. a. bei Arntz/ Picht/ Schmitz (2014), Felber/ Budin (1989), Sager (1990), Cabré (1999), DTT (Hg.) (2014), Wright/ Budin (Hg.) (1997, 2001) sowie in den gängigen Normen. 4 Die Hauptmotivation und damit das Primärziel der Unternehmen besteht in einer Vereinheitlichung der Terminologie über die gesamte Unternehmenskommunikation hinweg, so dass verschiedenste Textsorten im Presales- und Aftersales-Bereich (z. B. Machbarkeitsstudien, Prüfzeugnisse, Produktkataloge, Bedienungsanleitungen, Online-Hilfen, Ersatzteillisten, Schulungsunterlagen) in verschiedenen Phasen des Produktlebenszyklus (z. B. Entwicklung/ Konzeption, Fertigung, Vertrieb, Vermarktung, Lieferung, Betrieb, Instandhaltung) und damit verschiedene Gruppen von Terminologieverwendern (z. B. Mitarbeiter in Forschung und Entwicklung, Technische Redakteure, Marketingtexter, Übersetzer) betroffen sind. Die Unternehmen streben nach übergreifender terminologischer Konsistenz und eineindeutigen Beziehungen zwischen Begriffen und Benennungen, um so eine Corporate Language nicht nur normativ-präskriptive, sondern auch deskriptive Ziele (zur Terminologiearbeit in der technischen Normung siehe z. B. Preissner 2016 oder Schmitz 2016). Grundsätzlich verfolgt die deskriptive Terminologiearbeit das Ziel, den Bestand und Gebrauch fachsprachlicher Benennungen zu beschreiben, ohne ihn einzuschränken. Sie findet v. a. im lexikografischen Bereich Anwendung, spielt jedoch auch eine wichtige Rolle für intra- und interdisziplinäre Begriffsfestlegungen und -abgrenzungen. 3 Neben den genannten terminologischen Kenntnissen ist insbesondere Fachkompetenz im bearbeiteten Themengebiet unabdingbar (siehe dazu auch Kapitel 3.1). Hinzu kommen Kompetenzen in Bereichen wie Projektmanagement und Schulung ebenso wie translatorische Kompetenzen im Rahmen von mehrsprachigen Terminologieprojekten. 4 In jüngerer Zeit sind einige Forschungsansätze entstanden, die neue Schwerpunkte innerhalb der Terminologiewissenschaft setzen. So wird bspw. der Versuch unternommen, die Lehre Wüsters, die tendenziell eher präskriptiv sowie onomasiologisch orientiert ist, an Erkenntnisse aus Kognitiver Linguistik und Kommunikationstheorie anzupassen. Hierbei sind u. a. soziokognitive (Temmerman 2000) und kommunikative Ansätze (Cabré 2003) entstanden. Petra Drewer 24 zu etablieren sowie die Verständlichkeit der internen und externen Kommunikation zu verbessern. Darüber hinaus sollen durch die terminologische Standardisierung die Texterstellungssowie die Übersetzungskosten reduziert werden; auch die Wiederverwendbarkeit aller Texte bzw. Textbausteine in verschiedenen Texten und Medien, u. a. mit dem Ziel der Interoperabilität, sowie eine erhöhte Rechtssicherheit spielen eine entscheidende Rolle. Um diese Ziele zu erreichen, werden zunächst alle vorhandenen Termini deskriptiv erfasst und begriffsorientiert als Synonymsammlungen (bei monolingualen Projekten) bzw. als Synonym- und Äquivalentsammlungen 5 (bei multilingualen Projekten) zusammengestellt. Die Erarbeitung kann sowohl onomasiologisch (also von den Begriffen ausgehend) als auch semasiologisch (also von den Benennungen ausgehend) erfolgen; die Ablagestruktur der Daten ist jedoch onomasiologisch, und zwar in dem Sinne, dass anders als bei semasiologisch strukturierten Wörterbüchern synonyme Benennungen in einem Datensatz vereint werden. 6 Im nächsten Schritt wird pro Begriff - bei multilingualen Projekten in jeder einzelnen Sprache - eine Benennung als Vorzugsbenennung festgelegt und gleichzeitig die Verwendung eventuell vorhandener Synonyme untersagt. Die Konsequenz ist eine hochgradig standardisierte Terminologie, die u. a. zu weniger Recherchen bei der Textproduktion sowie - so zumindest der Wunsch - zu weniger Verständnisproblemen bei der Textrezeption führt. Die terminologische Konsistenz beeinflusst ebenfalls die Übersetzbarkeit der Texte, denn diese werden verständlicher für den Übersetzer, wodurch aufwendige Hintergrund- und Äquivalentsuchen reduziert werden. Darüber hinaus steigen die Trefferquoten der Translation-Memory-Systeme, da konsistente Terminologie Matches ermöglicht, während Synonyme durch den rein formalen Vergleich vom Translation-Memory-System nicht als solche erkannt werden. 7 5 Auf die Problematik abweichender Begriffsdefinitionen sowie abweichender Begriffssysteme aufgrund von kulturellen Unterschieden kann in diesem Beitrag nicht eingegangen werden, obgleich sie für die multilinguale Terminologiearbeit natürlich eine besondere Herausforderung darstellt. Es ergeben sich hier oft verschiedene Äquivalenzgrade, die beim Erarbeiten der Terminologie erkannt und bewältigt und beim Verwalten der Terminologie adäquat repräsentiert werden müssen (zur mehrsprachigen, speziell zur translationsorientierten Terminologiearbeit siehe z. B. Schmitt 1999, S. 302 ff.; Schmitz 2007; Massion 2016; Rösener 2016). Selbige Problematik gilt innerhalb jeder Einzelsprache für die Er- und Verarbeitung von verschiedenen Synonymiegraden. 6 Zur Unterscheidung semasiologischer und onomasiologischer Fachwörterbücher siehe bspw. auch Schmitt (2016). 7 Translation-Memory-Systeme (TMS) basieren auf der Wiederverwendung bereits übersetzter Sätze/ Segmente. Kommen bereits übersetzte Textbausteine entweder unverändert oder in Begriffssystematisches Erarbeiten und Verwalten von Terminologiebeständen 25 Neben der angestrebten Vereinheitlichung der Unternehmenskommunikation, also einer firmeninternen Zielsetzung, kommt es bei größeren Unternehmen in einigen Fällen dazu, dass sich die vorgegebene Terminologie auf eine ganze Branche auswirkt. Unternehmen mit großer wirtschaftlicher Bedeutung erlangen so auch großen Einfluss auf die entsprechende Fachsprache, bspw. indem sie Zulieferer verpflichten, ihre Terminologie anzuwenden, oder indem Kunden und Lieferanten die vom Marktführer gewohnte Terminologie auch gegenüber anderen Anbietern anwenden und damit einfordern. Die terminologischen Vorgaben können sich somit auch außerhalb des eigenen Unternehmens und damit außerhalb des eigentlichen Einflussbereichs auswirken. 2.2 Kontrolle der Terminologieverwendung Damit die präskriptive Terminologiearbeit sich tatsächlich in den verschiedenen Texten durchsetzt, sind Hilfen für die Textersteller erforderlich, denn die Vorgaben aus einer präskriptiven Terminologiedatenbank mit mehreren Tausend Begriffen und einem Vielfachen davon an Benennungen können ohne maschinelle Unterstützung kaum erfasst und umgesetzt werden. Eine Möglichkeit besteht im Einsatz eines Prüfprogramms, z. B. eines Controlled-Language-Checkers, der direkt im Erstelleditor Fehlermeldungen generiert, sobald vom Textproduzenten ein Terminus verwendet wird, der im angeschlossenen Terminologieverwaltungssystem als verboten hinterlegt ist. Die ebenfalls dort hinterlegte Vorzugsbenennung wird zur Ersetzung vorgeschlagen (siehe Abbildung 1). 8 ähnlichen Formulierungen in einem neuen Ausgangstext wieder vor, werden vorhandene Altübersetzungen gefunden (sog. „Matches“) und dem Übersetzer zur Wiederverwendung, ggf. mit Anpassungen, vorgeschlagen (zur Funktionsweise von sowie zur Arbeit mit TMS vgl. z. B. Drewer/ Ziegler 2014, S. 55-101). 8 Controlled-Language-Checker (CLC) sind Sprachprüfprogramme, die für verschiedene Sprachen erhältlich sind. Neben der korrekten Terminologieverwendung überwachen sie im Sinne eines maschinellen Lektorats auch die Einhaltung von Regeln aus den Bereichen Stil, Grammatik, Orthografie und Interpunktion. Die Terminologieprüfung stellt dabei neben der stilistischen Optimierung für die meisten Anwender die wichtigste Funktion dar; in vielen Fällen ist sie sogar der ausschlaggebende Grund für die Anschaffung eines CLC. Das Werkzeug wird möglichst direkt in die Autoren- oder Übersetzungsumgebung integriert und kann während oder nach der Textproduktion eingesetzt werden (zu Controlled-Language-Checkern im Allgemeinen, ihren Einsatzgebieten, Stärken und Schwächen, siehe z. B. die Überblicksdarstellung in Drewer/ Ziegler 2014, S. 227-268). Petra Drewer 26 Abb. 1: Hinweis auf die Verwendung eines verbotenen Terminus (Acrolinx) Basis der maschinellen Terminologieprüfung sind die Bestände aus dem Terminologieverwaltungssystem, das entweder direkt in das Prüfprogramm integriert ist oder mit dem ein regelmäßiger Datenaustausch stattfindet. Damit das Werkzeug die Verwendung unzulässiger Termini anzeigen kann, müssen auch verbotene Benennungen in der Datenbank verwaltet und mit dem Metadatum „unzulässig“ versehen werden. Besonders interessant in diesem Zusammenhang ist die sog. Termvariantenerkennung, bei der auch Termini zur Überarbeitung angeboten werden, die nicht als verbotene Termini in der Datenbank enthalten sind. Sie werden aufgrund ihrer formalen Nähe als mögliche Terminologiefehler identifiziert, wobei sich die Variantenerkennung v. a. auf Abweichungen wie Schreibweise mit/ ohne Bindestrich, Schreibweise mit/ ohne Fugenelement, Schreibweise mit Ziffer vs. Zahlwort, Schreibweise nach konservativer vs. progressiver Regelung, Verwendung einer Einwortvs. einer Mehrwortbenennung konzentriert. So wird z. B. der Terminus „Aufwärmmodus“ als fehlerhafte Variante zur abgespeicherten Vorzugsbenennung „Aufwärmungsmodus“ angezeigt. Die Benennung „Aufwärmmodus“, die der Verfasser des Textes verwendet, ist dabei nicht in der Terminologiedatenbank enthalten, wird aber aufgrund ihrer morphologischen Nähe zum erfassten Terminus „Aufwärmungsmodus“ als mögliches Synonym erkannt (Unterschied lediglich bzgl. Wortbildungsmorphem und Fugenelement). Ebenso würden Benennungen wie „Modus zur Aufwärmung“ (Mehrwortbenennung statt Kompositum) oder „Aufwärm-Modus“ (Bindestrichsetzung) als Varianten erkannt und als termi- Begriffssystematisches Erarbeiten und Verwalten von Terminologiebeständen 27 nologische Abweichungen angezeigt, so dass auch Schreibweisen und Benennungsmuster mit Hilfe des Prüfprogramms vereinheitlicht werden können. Ohne Variantenerkennung müsste der Nutzer alle denkbaren Schreibweisen und Benennungsmuster separat als verbotene Termini in die Terminologieverwaltung einpflegen, um auf von der Vorzugsbenennung abweichenden Gebrauch aufmerksam gemacht zu werden. Dieser Arbeitsschritt entfällt durch eine ausgereifte, möglichst linguistisch basierte 9 Variantenerkennung. 3. Begriffe und Begriffsbeziehungen 3.1 Begriffsorientierte Terminologiearbeit Die Terminologiearbeit liefert im Regelfall zwei wertvolle Ergebnisse: a) mehrsprachige terminologische Datenbestände, inkl. Metadaten sowohl zur Verwendung als auch zur Verwaltung, b) Begriffssysteme zur Repräsentation der fachlichen Zusammenhänge und Wissensstrukturen. Während die Datenbestände v. a. terminologisch-sprachlich relevant sind, da sie einen wichtigen Teil der Fachsprache verkörpern und in Texten Anwendung finden, liefern die Begriffssysteme einen Zugang zum sprachlich repräsentierten Fachwissen. Die späteren Nutzungsmöglichkeiten der Begriffssysteme sind äußerst vielfältig: Sowohl Menschen als auch insbesondere Maschinen können Begriffssysteme nutzen, um intelligente Suchen durchzuführen, Suchanfragen zu verfeinern, Suchergebnisse zu verbessern oder schlussfolgernde Fragen zu beantworten (v. a. im Bereich von Assistenzsystemen und Anwendungen der Künstlichen Intelligenz) (vgl. auch die weiteren Ausführungen in Kapitel 3.4). Wie bereits in der Einleitung erwähnt, wird die Erstellung von Begriffssystemen in der Praxis häufig vernachlässigt, was u. a. darauf zurückzuführen ist, dass bei vielen Terminologen kein ausreichendes Fachwissen vorhanden ist, obgleich zur Erarbeitung qualitativ hochwertiger Terminologiebestände eine Doppelqualifikation aus terminologisch-sprachlichem und inhaltlich-fachlichem Wissen, wie sie bspw. auch von (technischen) Fachübersetzern gefordert wird (vgl. Arntz/ Barczaitis 1998), erforderlich ist. Begriffssysteme lassen sich erst erstellen und darstellen, wenn alle relevanten Begriffe identifiziert, 9 Eine rein statistische Variantenerkennung ist nicht in der Lage, alle morphologischen Varianten zu identifizieren, und produziert zudem durch ihren rein formalen Stringabgleich ein hohes Maß an unnötigen Meldungen (sog. „Noise“). Petra Drewer 28 definiert und ihre Beziehungen ermittelt oder festgelegt worden sind. Ein umfassendes Verständnis der Zusammenhänge im bearbeiteten Fachgebiet ist also einerseits die Basis zur professionellen Ausübung der terminologischen Tätigkeit und andererseits ein Ergebnis dieser Tätigkeit. Wenn die Bearbeiter nicht in der Lage sind, die Begrifflichkeiten des Fachs im Zusammenhang zu erfassen und darzustellen, ist kein systematisches Arbeiten möglich. Im Rahmen punktueller Terminologiearbeiten (auch: Ad-hoc-Terminologiearbeit) werden daher oft nur einzelne Begriffe oder kleine Begriffsfelder bearbeitet, ohne fundierte Fachkenntnisse aufzubauen oder zu nutzen. 3.2 Begriffsbeziehungen Fachbegriffe treten nicht einzeln und isoliert auf, sondern stehen mit anderen Begriffen in Verbindung, von denen sie mithilfe unterscheidender Merkmale definitorisch abgegrenzt werden können. Begriffsbeziehungen lassen sich zunächst in hierarchische und nicht-hierarchische Beziehungen einteilen. Die nicht-hierarchischen Begriffsbeziehungen umfassen u. a. sequenzielle (z. B. temporale oder kausale), oppositionelle oder pragmatische Beziehungen (vgl. DIN 2342: 2011-08). Welche Beziehungsarten zur Darstellung begrifflicher Zusammenhänge relevant und notwendig sind, hängt vom untersuchten Fachgebiet ab. Hierarchische Begriffsbeziehungen (weiter unterteilbar in Bestands- und Abstraktionsbeziehungen) sind für die Terminologiearbeit unabhängig vom terminologisch bearbeiteten Fachgebiet von zentraler Bedeutung. Je nach Betrachtungsrichtung wird ein Begriff schrittweise in untergeordnete Begriffe unterteilt oder Begriffe schrittweise zu einem übergeordneten Begriff zusammengefasst. Dieser Prozess kann ein- oder mehrstufig sein, so dass ein- oder mehrstufige Hierarchien abgebildet werden. Je nach Anzahl der vorhandenen Oberbegriffe zu einem Unterbegriff entstehen darüber hinaus poly- oder monohierarchische Einteilungen; je nach Anzahl und expliziter Ausweisung der Einteilungskriterien entstehen poly- oder monodimensionale Begriffsreihen. Bei beiden hierarchischen Beziehungsarten werden Überbzw. Unterordnungsverhältnisse hergestellt, also weitere (Ober-) und engere (Unter-)Begriffe gebildet und angeordnet. Während jedoch Bestandsbeziehungen dadurch charakterisiert sind, dass ein Verbandsbegriff, d. h. der übergeordnete Begriff, (gedanklich) in seine einzelnen Teilbegriffe zerlegt wird (siehe Abbildung 2), zeichnen sich Abstraktionsbeziehungen dadurch aus, dass eine Spezifizierung bzw. Konkretisierung stattfindet (siehe Abbildung 3). Hier liegt also die Vererbung von Merkmalen vom Oberauf die Unterbegriffe zugrunde. Begriffssystematisches Erarbeiten und Verwalten von Terminologiebeständen 29 Abb. 2: Bestandssystem (eigene Darstellung) Abb. 3: Abstraktionssystem (eigene Darstellung) Petra Drewer 30 3.3 Begriffssysteme Begriffssysteme haben den Zweck, Begriffe, die thematisch zueinander in Beziehung stehen, zu ordnen und Beziehungen zwischen ihnen deutlich zu machen (vgl. DIN 2342: 2011-08, S. 7). Es handelt sich zunächst einmal um gedachte Strukturen, z. T. Klassifikationen, mit denen Begriffe kognitiv zueinander in Beziehung gesetzt werden. Um einen einfachen Zugang zu den Zusammenhängen zu eröffnen, werden die Systeme meist grafisch aufbereitet und visualisiert - in der Regel in Form von Liniendiagrammen, bei denen jeder Knotenpunkt einen Begriff repräsentiert und die Verbindungslinien die Beziehungen zwischen den Begriffen darstellen (siehe z. B. die Darstellungen in Abbildung 2 und 3). Um die Knotenpunkte zu beschriften, werden die Benennungen der Begriffe, 10 teilweise aber auch Notationen oder andere numerische Repräsentanten verwendet (seltener auch nicht-sprachliche Symbole oder Abbildungen). Die Verbindungslinien werden oft farblich markiert, speziell ausgezeichnet (z. B. gestrichelt oder gepunktet) oder beschriftet, z. B. „ist ein“ (zur Kennzeichnung einer Abstraktionsbeziehung) oder „ist Teil von“ (zur Kennzeichnung einer Bestandsbeziehung). Darüber hinaus haben sich bei der Darstellung hierarchischer Begriffsbeziehungen auf Basis der DIN 2331 folgende Konventionen durchgesetzt: 11 Bestandssysteme werden in Form von Klammerdiagrammen dargestellt, bei denen ausgehend vom Oberbegriff (hier: Verbandsbegriff) eine eckige Klammer angeordnet wird, an die die Unterbegriffe/ Teilbegriffe durch senkrechte Striche angeschlossen werden (siehe Abbildung 2). Abstraktionssysteme hingegen werden durch Fächerdiagramme visualisiert, d. h. ausgehend von einem Oberbegriff werden fächerförmig die Unterbegriffe angeordnet (siehe Abbildung 3). 12 10 Aus Gründen der Übersichtlichkeit wird i. d. R. nur eine Benennung im System platziert; bei präskriptiven Projekten ist dies sinnvollerweise die als „bevorzugt“ festgelegte Benennung. 11 Liegt ein Begriffssystem vor, in dem ausschließlich Abstraktionsbeziehungen erfasst bzw. dargestellt sind, so spricht man von einem Abstraktionssystem. Werden nur Bestandsbeziehungen erfasst, so spricht man von einem Bestandssystem. Neben Systemen, die lediglich eine Beziehungsart enthalten, sind meist gemischte Begriffssysteme erforderlich, bei denen mehrere Begriffsbeziehungsarten in Kombination verwendet werden, um den ordnenden Wert des Systems zu erhöhen. 12 Zu weiteren Konventionen bei der Darstellung von Begriffssystemen siehe z. B. DIN 2331: 1980- 04, DIN DIN 2331: 2019-12, Drewer/ Schmitz (2017, S. 8 ff.) oder Drewer (2018). Begriffssystematisches Erarbeiten und Verwalten von Terminologiebeständen 31 Je nach eingesetztem Tool ergeben sich teilweise Einschränkungen oder andere Darstellungskonventionen. So sind bspw. nicht alle Visualisierungstools in der Lage, verschiedene Arten von Liniendiagrammen darzustellen, um die verschiedenen Beziehungsarten zu verdeutlichen. Es sollte jedoch - speziell im Hinblick auf spätere Nutzungen (siehe Kapitel 3.4) - darauf geachtet werden, dass die Beziehungsarten (idealerweise in einer maschinell auslesbaren Form) deutlich gemacht werden können. Ist nicht erkennbar, in welcher Beziehung zwei Begriffe zueinander stehen, so ist die Darstellungsform für professionelle Anwendungen i. d. R. unzureichend. Die Beziehungsart muss entweder implizit grafisch erkennbar oder explizit verbal ausgewiesen werden (können). 3.4 Anwendungsmöglichkeiten von Begriffssystemen 3.4.1 Einordnung Befasst man sich mit den Anwendungsmöglichkeiten von Begriffssystemen, so wird schnell die enge Verbindung deutlich, die die begriffsorientierte und begriffssystematische Terminologiearbeit mit Gebieten wie Semantic Web oder Ontology Engineering aufweist. In allen Bereichen geht es um das Strukturieren und Aufbereiten von Wissen. Während Terminologen die Daten jedoch so gestalten, dass sie für menschliche Nutzer verarbeitbar sind, bereiten Ontologie-Ersteller sie für Maschinen, d. h. in erster Linie für Softwareanwendungen, auf (zur Verbindung der verschiedenen Welten siehe auch Drewer/ Massion/ Pulitano 2017a und b). Innerhalb der Zielgruppe der menschlichen Nutzer sind v. a. Terminologieanwender und -erarbeiter zu unterscheiden. Diese Nutzergruppen profitieren unmittelbar von den Ergebnissen der begriffssystematischen Terminologiearbeit; darüber hinaus sind viele weitere Anwendungen denkbar (z. B. in Bereichen wie Search Engine Advertising (SEA) oder Search Engine Optimization (SEO)), die hier jedoch nicht näher thematisiert werden können. Bevor die Nutzungsmöglichkeiten der verschiedenen Zielgruppen weiter betrachtet werden, soll ausdrücklich darauf hingewiesen werden, dass Begriffssysteme einerseits kulturabhängig, andererseits aber auch fach-, fachgruppen- oder sogar personenabhängig sind und entsprechend unterschiedlich aufgebaut sein können. Je nach Zielsetzung und Erkenntnisinteresse sind stets verschiedene Zusammenstellungen und Einteilungen denkbar. Die explizite Modellierung von Begriffssystemen ist daher insbesondere für den intra- und interdisziplinären (erst recht einen interkulturellen) Vergleich von Begriffen von großer Bedeutung. Petra Drewer 32 3.4.2 Zielgruppe „Mensch“ Terminologieanwender profitieren in erster Linie von der übersichtlichen Darstellung relevanter Begriffe in einem systematischen Zusammenhang. Denn unabhängig von ihrer Verwendung in terminologisch orientierten Kontexten handelt es sich bei Begriffssystemen um strukturierte Darstellungen von Fachwissensbeständen. Die Begriffssysteme ermöglichen darüber hinaus einen inhaltlichen „sprachlosen“ Zugang zum Fachgebiet und zur Terminologiesammlung. 13 Selbst wenn die Benennung eines Begriffs unbekannt ist, kann der entsprechende Begriff über seine Position im System identifiziert und gefunden bzw. eruiert werden. Es ist darauf zu achten, dass die Übersichtlichkeit und Eindeutigkeit der Begriffssysteme auch bei größeren Begriffsmengen gewahrt bleibt. Die Abbildungen 2 und 3 zeigen lediglich sehr kleine Begriffsmengen im Zusammenhang; in der Praxis werden die Systeme meist deutlich größer. Die Terminologen selbst haben ebenfalls verschiedene Vorteile durch das Er- und Verarbeiten von Begriffssystemen. Wie bereits erläutert, ist das Erarbeiten der begrifflichen Zusammenhänge für sie der beste Weg, um fundiertes Fachwissen aufzubauen. Die Terminologen erweitern so also ihre fachliche Kompetenz und steigern gleichzeitig die Qualität der eigenen Arbeitsergebnisse. Darüber hinaus können sie die Begriffssysteme zur Optimierung ihrer täglichen terminologischen Tätigkeiten verwenden: Ober- und Unterbegriffe sowie Nachbarbegriffe können durch das Arbeiten und Denken im System voneinander abgegrenzt werden, denn über die Systematik wird klar, welche Merkmale (unterscheidungs-)relevant sind. Ist der Oberbegriff bekannt, können die Definitionen der Unterbegriffe klar und einheitlich und mit weniger Aufwand formuliert werden. Beim Erstellen von Begriffssystemen fällt zudem auf, ob Begriffe vorliegen, deren Benennungen noch nicht als terminologisch relevant identifiziert oder noch gar nicht kreiert worden sind. Im Rahmen mehrsprachiger Terminologiearbeit muss des Weiteren überprüft werden, ob (Teil-)Äquivalente vorliegen. Als Basis dieser Äquivalenzprüfung dienen die Definitionen und die Positionen der Begriffe im System. 3.4.3 Zielgruppe „Maschine“ Sobald die Begriffe und ihre Beziehungen aus einem System maschinell auslesbar sind, ergeben sich Anknüpfungspunkte in Richtung Semantic Web, Ontology Engineering, Künstlicher Intelligenz oder Linked Open Data. 14 Je enger sich 13 Zum onomasiologischen Zugang siehe auch Kapitel 5.1. 14 Im Rahmen der maschinellen Nutzung spricht man selten von Begriffssystemen, sondern z. B. eher von Wissensrepräsentationen, semantischen Netzen, Taxonomien oder Ontologien. Doch trotz dieser terminologischen Varianten sind sehr ähnliche Aufbereitungen gemeint. Begriffssystematisches Erarbeiten und Verwalten von Terminologiebeständen 33 die Begriffssystemmodellierung im Terminologiesystem dabei an Datenmodellen wie RDF (Resource Description Framework) o. Ä. orientiert, desto aussichtsreicher wird die Weiterverwendung und -nutzung der terminologischen Daten in maschinellen Anwendungen. Eine besondere Stärke der terminologischen Datenbestände ist ihre begriffsorientierte Struktur und ihre Mehrsprachigkeit, die einen multilingualen Zugriff (zudem über alle synonymen Benennungen eines Begriffs in allen hinterlegten Sprachen) ermöglicht. Arbeitet man bei der Darstellung der Begriffsbeziehungen bspw. mit gerichteten Pfeilen (zur Angabe von gerichteten Begriffsbeziehungen) und mit Pfeilbeschriftungen (zur Angabe der jeweiligen Beziehungsart), so eignen sich diese Systeme insbesondere durch das explizite Ausweisen der Beziehungsarten zur Bildung von „Subjekt-Prädikat-Objekt“-Tripeln, wie sie von RDF und ähnlichen Modellen bzw. Programmiersprachen umgesetzt werden. Der Ausgangspunkt des Pfeils wird i. d. R. zum Subjekt der Aussage, der Zielpunkt zum Objekt und die Pfeilbeschriftung kann zur Bildung des Prädikats genutzt werden. Für hierarchische Ober- und Unterbegriffe, die in Abstraktionsbeziehung zueinander stehen, ergeben sich Aussagen wie {X is_a Y}; für hierarchische Verbands- und Teilbegriffe, die in Bestandsbeziehung zueinander stehen, Aussagen wie {X is_part_of Y}. 15 Die Darstellung der Zusammenhänge mit gerichteten Pfeilen ist in der Praxis weit verbreitet; ebenso geeignet für eine Überführung in RDF-Tripel sind jedoch auch andere Darstellungsformen (z. B. Tabellen oder Texte), solange die entscheidenden Elemente und ihre Beziehungen zueinander vorhanden und auslesbar sind. 4. Terminologieverwaltung 4.1 Strukturelle Anforderungen (Eintrags - und Datenmodellierung) Bevor in Kapitel 5 darauf eingegangen wird, wie Begriffssysteme in Terminologieverwaltungssysteme (TVS) eingebunden werden können, sollen zunächst einige Grundanforderungen an die entsprechenden Systeme beleuchtet werden. Bei der Einrichtung eines TVS sind natürlich die Auswahl und Implementierung der relevanten Datenkategorien 16 zur Terminologie selbst sowie Metada- 15 In beiden Fällen repräsentiert die Variable „X“ den Unterbegriff, die Variable „Y“ den Oberbegriff. 16 Eine terminologische Datenkategorie ist eine Klasse terminologischer Datenelemente semantisch (und formal) gleichen Typs, wobei ein terminologisches Datenelement die kleinste identifizierbare terminologische Informationseinheit mit eigenständiger Bedeutung ist. Petra Drewer 34 ten zur Verwaltung, die Festlegung der Datenkategorietypen 17 sowie Gestaltungsfestlegungen wie Elementarität, Granularität und Dependenz von entscheidender Bedeutung. Da es hier jedoch große projektspezifische Unterschiede - z. B. je nach geplantem Verwendungszweck der Terminologie, je nach Ersteller- und Nutzergruppen und je nach organisatorischen Rahmenbedingungen - gibt, soll nicht auf Details zu Datenkategorien eingegangen werden (siehe dazu z. B. Drewer/ Schmitz 2017, S. 99-127), sondern stattdessen die erforderliche Grundstruktur einer terminologischen Datenbank betrachtet werden. Auch in Bezug auf die Grundstruktur sind natürlich verschiedene Zielsetzungen zu unterscheiden, die zu verschiedenen Anforderungen und Konzeptionen führen. Die folgenden Ausführungen beziehen sich weiterhin auf typische Unternehmensanwendungen mit dem Ziel mehrsprachiger, präskriptiver Terminologiearbeit (vgl. Kapitel 2). Die Basiseinheit einer Terminologiedatenbank ist der terminologische Eintrag. Er enthält jeweils eine logisch zusammengehörige Menge terminologischer Datenelemente zu einer terminologischen Informations- und Organisationseinheit; diese ist im Idealfall ein Begriff (vgl. Schmitt 2016, S. 44, 47 f.). Aus Benennungsperspektive ist zu berücksichtigen, dass alle für den Begriff vorhandenen Benennungen gebündelt aufgeführt und gleichzeitig als eigenständige Teileinheiten verwaltet werden. Die zwei zentralen Anforderungen an einen terminologischen Eintrag lauten daher Begriffsorientierung und Benennungsautonomie. Das Gegenteil der Begriffsorientierung ist eine benennungsorientierte Terminologieverwaltung, bei der in einem terminologischen Eintrag alle Informationen zu einer Benennung gespeichert werden; Synonyme werden bei dieser Datenstruktur in eigenen Einträgen verwaltet und verweisen (evtl.) auf die sog. Hauptbenennung. Motivation für die Benennungsorientierung ist in einigen Fällen der Wunsch nach (fach-)lexikografischen Produkten, in vielen anderen Fällen liegt die Ursache jedoch in einer nicht zu ändernden einfachen Strukturierung der Terminologiedatenbanken, die keine andere Modellierung zulässt. Benennungsorientierte Terminologiesammlungen sind jedoch auf Dauer für mehrsprachige wissensbasierte Anwendungen, v. a. im Rahmen präskriptiver Terminologiearbeit, nicht sinnvoll (vgl. Schmitt 2016). Um die präskriptive Zielsetzung zu verfolgen, müssen Synonyme gemein- 17 Je nach Systemtyp können Datenkategorien und Eintragsstrukturen vorgegeben oder frei definierbar sein; darüber hinaus sind obligatorische und fakultative, offene und geschlossene, begriffsbezogene, sprachbezogene und benennungsbezogene Daten(kategorien) zu unterscheiden und gezielt bei der Konfiguration zu verwenden (zum Sprachbezug siehe auch die Erläuterungen zur Sprachebenenexplizierung in diesem Kapitel). Begriffssystematisches Erarbeiten und Verwalten von Terminologiebeständen 35 sam verwaltet und ihr Gebrauch mit Metadaten gesteuert werden. Ebenso sollten Äquivalente begriffsorientiert verwaltet werden: Fachwörterbücher wurden traditionell von Fachlexikografen ohne terminologische Grundlage erstellt. Das Ergebnis dieser Praxis sind semasiologische (benennungsorientierte) Wörterbücher. Sie sind nicht daran zu erkennen, dass der Zugriff zu den Benennungen über alphabetisch sortierte Lemmata erfolgt (das kann auch bei onomasiologischen Wörterbüchern der Fall sein), sondern daran, dass zu synonymen Benennungen in separaten Einträgen unterschiedliche zielsprachliche Äquivalente angeboten werden. (Schmitt 2016, S. 46) Die zweite Anforderung der Benennungsautonomie lässt sich folgendermaßen definieren: Die Benennungsautonomie ist eine erwünschte Eigenschaft eines terminologischen Eintrags, die direkt mit der Abhängigkeit der Datenkategorien untereinander und der Begriffsorientierung zu tun hat. Unter Benennungsautonomie verstehen wir, dass alle Typen von Benennungen (z. B. Vorzugs-/ Hauptbenennung, Synonym, Variante oder Kurzform) als eigenständige Teileinheiten des terminologischen Eintrags betrachtet werden und jeweils mit einer Reihe von (abhängigen) Datenkategorien dokumentiert werden. (Drewer/ Schmitz 2017, S. 131) Die mögliche Anzahl der einen Begriff repräsentierenden Benennungen darf dabei nicht begrenzt sein, da nicht vorhersehbar ist, wie viele Benennungen zu einem Begriff erfasst werden müssen. Ist die Benennungsautonomie in einem System nicht realisiert, so werden dort entweder alle Benennungen in nur einer Datenkategorie verwaltet 18 oder es gibt eigene, untergeordnete Datenkategorien für Synonyme oder Kurzformen, die meist nicht mehr durch weitere Datenkategorien dokumentiert werden können. Neben Begriffsorientierung und Benennungsautonomie ist für eine professionelle Eintragsmodellierung auch die Sprachebenenexplizierung wünschenswert. Darunter versteht man die Möglichkeit, Datenkategorien einer bestimmten Sprache zuzuordnen, ohne auf die tiefere Hierarchiestufe der einzelnen Benennungen ausweichen zu müssen. Grundsätzlich weisen die meisten Terminologieverwaltungssysteme eine mehrstufige Hierarchie für die Anordnung der Datenkategorien auf. Nicht alle Systeme verfügen jedoch über eine Sprachebenenexplizierung, sondern stellen oft nur Begriffs- und Benennungsebene für die Eintragsmodellierung zur Verfügung. 18 Dieses Vorgehen widerspricht nicht nur der Forderung nach Benennungsautonomie, sondern auch dem Datenbankprinzip der Elementarität, nach dem jede Datenkategorie mit nur einem Datenelement gefüllt wird. Petra Drewer 36 4.2 Terminologisches Eintragsmodell Wenn alle drei Grundanforderungen erfüllt sind, so ergibt sich für den terminologischen Eintrag die in Abbildung 4 dargestellte Struktur. Dieses Eintragsmodell entspricht weitgehend dem terminologischen Metamodell, das die Grundlage des internationalen TBX-Standards (vgl. ISO 30042: 2008, momentan in Überarbeitung) für den Austausch terminologischer Daten darstellt. Abb. 4: Terminologisches Eintragsmodell (Darstellung aus Drewer/ Schmitz 2017, S. 133) Ein terminologischer Eintrag nach dem dargestellten Modell umfasst alle Informationen zu einem Begriff (Begriffsorientierung). Diese begriffsorientierte Struktur sagt nichts darüber aus, ob die Datenbestände semasiologisch oder onomasiologisch erarbeitet wurden. Beide Richtungen sind denkbar und sinnvoll, obgleich es gute Argumente für eine onomasiologische Arbeitsweise gibt (vgl. Schmitt 2016, S. 44; Suchowolec/ Lang/ Schneider 2018). Jede Sprache kann in der modellierten Struktur mit sprachabhängigen Datenkategorien versehen werden (Sprachebenenexplizierung). Innerhalb der einzelnen Sprachblöcke können für die einzelnen Benennungen eigenständige und gleichrangige Benennungsblöcke gebildet werden, die die jeweilige Benennung mit weiteren Metadaten anreichern und dokumentieren (Benennungsautonomie). Die Auswahl und Anordnung der relevanten Datenkategorien innerhalb des terminologischen Eintragsmodells ist von Anwendung zu Anwendung sehr unterschiedlich. Es steht eine Vielzahl von möglichen Datenkategorien zur Begriffssystematisches Erarbeiten und Verwalten von Terminologiebeständen 37 Auswahl, die zudem - zumindest bei frei konfigurierbaren Terminologieverwaltungssystemen - nahezu beliebig erweitert werden kann. 5. Begriffssysteme in Terminologieverwaltungssystemen Abhängig von den zur Verfügung stehenden menschlichen und technischen Ressourcen bestehen verschiedene Möglichkeiten, die erarbeiteten Begriffssysteme im TVS verfügbar zu machen. All diese Möglichkeiten können als Primärlösung realisiert oder miteinander kombiniert werden. 5.1 Grafiken Eine sehr oft genutzte Möglichkeit ist das direkte Einbinden von Grafiken in das Terminologieverwaltungssystem. Zu jedem terminologischen Eintrag können eine oder mehrere Abbildungen hinterlegt werden, und viele Anwender nutzen diese Funktion, um die Darstellung des Begriffssystems zu hinterlegen (im Regelfall als Abbildung zum hierarchiehöchsten Oberbegriff). Der größte Vorteil der Grafiken besteht in ihrer Übersichtlichkeit und der auf einen Blick erfassbaren Gesamtdarstellung der Zusammenhänge. Nachteilig ist jedoch, dass sie nur in einem Datenbankeintrag direkt sichtbar sind und von den Einträgen der anderen Begriffe auf die Grafik verwiesen werden muss. Alternativ müsste die Grafik bei jedem Begriff eingebunden werden, der im System enthalten ist, was jedoch zu einer inakzeptablen Redundanz führen würde. Auch Aktualisierungen müssten so vielfach vorgenommen werden. Jüngere Werkzeuge auf dem Markt der TVS stellen Optionen bereit, um Begriffsbeziehungen direkt in der Verwaltungssoftware zu modellieren und v. a. die grafische Darstellung direkt mit den terminologischen Einträgen zu verbinden. Für die Verwendung und das Verständnis von Terminologie ist gerade diese Verbindung essenziell, denn jeder Knoten in einem Begriffssystem steht für eine Vielzahl an sprachlich-terminologischen Informationen. Zudem werden im Falle einer Verbindung der zwei „Informationsseiten“ verschiedene Zugangs- und Nutzungswege ermöglicht: a) semasiologisch: Der Zugang zu den Begriffen und zur begrifflichen Struktur kann über jedes beliebige Synonym und in jeder beliebigen Sprache erfolgen. b) onomasiologisch: Über das systematisierte Wissen im Begriffssystem gelangt man zu den enthaltenen sprachlichen Informationen, sogar ohne die Benennungen zu kennen, indem über die Relationen und Merkmale der gesuchte Begriff sowie die passende Benennung eruiert werden kann. Petra Drewer 38 5.2 Verweisende Datenkategorien Wiederkehrende Begriffsbeziehungen können über explizite separate Datenkategorien verwaltet werden. Dabei werden die zusammenhängenden Begriffssysteme in einzelne Beziehungen zwischen jeweils zwei Begriffen zerlegt, so dass sich bilaterale Verbindungen ergeben und innerhalb der Datenbank auf Oberbegriffe, Unterbegriffe, Nachbarbegriffe oder gegensätzliche Begriffe 19 verwiesen werden kann. Auf diese Weise kann bspw. im terminologischen Eintrag zum Begriff Generator durch die entsprechende Datenkategorie „Oberbegriff“ auf den Begriff Triebstrang verwiesen werden (vgl. die dargestellte Beziehung in Abbildung 2). Auch ein gestaffeltes Verweisen auf alle Oberbegriffe in der entsprechenden Begriffsleiter (Triebstrang - Gondel - Turmkopf - Windkraftanlage) ist auf diese Weise realisierbar - entweder durch Mehrfachverwendung der Datenkategorie „Oberbegriff“ oder durch Anlegen der gesamten Leiter als Datenelement. Aus Gründen der Nutzerfreundlichkeit wird die Benennung des Oberbegriffs oft noch als elektronischer Querverweis ausgeführt, so dass ein direktes Springen innerhalb der Datenbank möglich ist. Die verweisenden Datenkategorien „Oberbegriff“, „Unterbegriff“ und „Nachbarbegriff“ können darüber hinaus mit einer weiteren Datenkategorie „Art der Begriffsbeziehung“ attribuiert werden, die angibt, ob es sich um eine generische oder um eine partitive Begriffsbeziehung handelt. Neben diesen Verweisen, die die Begriffssystematik in einzelnen terminologischen Datenbankeinträgen sichtbar machen, ist es ebenso denkbar, auf ambige Benennungen hinzuweisen, die aufgrund der Begriffsorientierung in separaten Einträgen verwaltet werden. Ein Verweis auf synonyme Benennungen ist nicht erforderlich bzw. in einer begriffsorientierten Terminologiedatenbank gar nicht möglich, da alle Synonyme zu einem Begriff in einem Datensatz verwaltet werden. Ein großer Nachteil des Arbeitens mit verweisenden Datenkategorien ist die Tatsache, dass der Gesamtzusammenhang der Begrifflichkeiten verloren geht, da nur noch bilaterale Verbindungen ausgedrückt werden. Zudem ist es bei einer Vielzahl von möglichen Begriffsbeziehungen (zwei hierarchische und diverse nicht-hierarchische) kaum möglich, alle notwendigen 19 Die Benennungen der Begriffe (Hyperonyme, Hyponyme, Ko-Hyponyme und Antonyme) stehen für die Terminologiearbeit nicht im Vordergrund, da diese auf die durch die Benennungen repräsentierten Begriffe zielt. Datenbanktechnologisch werden daher keine Termini miteinander verbunden, sondern ganze (begriffsorientierte) Datensätze (meist repräsentiert durch eine Begriffs-ID). Begriffssystematisches Erarbeiten und Verwalten von Terminologiebeständen 39 Datenkategorien bzw. Wertelisten (im Falle von geschlossenen Datenkategorien) vorzuhalten. 5.3 Datenbankinterne Verweise Eine schlichte, aber gleichzeitig sehr nutzerfreundliche und einfach anzulegende Art des Verweises sind elektronische Querverweise innerhalb der Datenbank, die optisch und funktional Hyperlinks in Hypertexten ähneln. Auch hier wird nicht das gesamte Begriffssystem in der Datenbank abgebildet, sondern nur die Beziehungen zwischen jeweils zwei Begriffen. Die Benennung des Begriffs, auf den verlinkt werden soll, wird entweder in einer separaten Datenkategorie verwaltet (siehe Kapitel 5.2) oder sie wird (oft zufällig) in einer anderen Datenkategorie verwendet (z. B. in der Definition oder in einem Kontextbeispiel). Beim Anklicken des Links im terminologischen Ausgangseintrag wird direkt der entsprechende Zieleintrag geöffnet. Durch die einfache Handhabung und die direkten Sprünge zwischen den Einträgen entsteht eine engmaschige Vernetzung. Leider gewinnt der Anwender durch die Verlinkungen keinen Überblick über die Gesamtrepräsentation der fachlich-inhaltlichen Zusammenhänge und auch die zwischen den Begriffen vorliegende Beziehungsart wird nicht ausgedrückt. Querverweise sind aber durchaus geeignet, um punktuelle Verbindungen aufzuzeigen und eine benutzerorientierte Navigation zwischen den Datenbankeinträgen zu ermöglichen. 5.4 Notationen Eine weitere Möglichkeit zur Repräsentation der Zusammenhänge aus den Begriffssystemen besteht darin, Notationen zu vergeben und diese als eigene Datenkategorie im Terminologieverwaltungssystem zu speichern. Eine Notation gibt die Position eines Begriffs in einem Begriffssystem durch Ziffern und/ oder Buchstaben an (vgl. Drewer/ Schmitz 2017, S. 117 f.). Ähnlich wie bei der Darstellung der Begriffssysteme haben sich auch bei der Formulierung von Notationen bestimmte Konventionen herausgebildet: Es wird in erster Linie mit Ziffern gearbeitet, die analog zur dezimalen Gliederung angeordnet sind. Pro Hierarchiestufe kommt eine Ziffer hinzu, wobei die einzelnen Ziffern bei Abstraktionsbeziehungen durch Punkte getrennt werden (z. B. „1.1.1“) und bei Bestandsbeziehungen durch Viertelgeviertstriche (z. B. „1-1-1“). 20 Für die jeweils relevanten nicht-hierarchischen Begriffsbeziehungen werden jeweils eigene Trennzeichen definiert. 20 Zur weiteren Ausgestaltung vgl. auch die Notationen in den Abbildungen 2 und 3. Petra Drewer 40 Da die Notationen jeweils einen Begriff repräsentieren, sind sie sehr gut für den Einsatz in begriffsorientierten Datenbanken geeignet. Zudem lässt sich aus ihnen das Gesamtbegriffssystem rekonstruieren, da die Hierarchieebene, auf der sich der betreffende Begriff befindet, und sogar der Beziehungstyp zu anderen Begriffen im System aus der Notation ablesbar ist. Es ist allerdings nicht ganz trivial, mit einem Blick auf eine unter Umständen sehr lange Notation die Zusammenhänge schnell zu erkennen und zur Navigation in der Datenbank bzw. zum Verständnis der Zusammenhänge zu nutzen. 6. Fazit Unabhängig davon, ob fachliche Wissensbestände für Menschen oder für Maschinen aufbereitet werden und wie diese Aufbereitung konkret realisiert oder verwaltet wird, ist das Erkennen und Fixieren von begrifflichen Relationen ein zentraler Schritt der Erkenntnisverarbeitung und -aufbereitung. Im terminologischen Bereich gehört es bereits seit vielen Jahrzehnten zum Methodenrepertoire und zur täglichen Arbeit von Terminologen. Je mehr Sprachen und je mehr Akteure (insbesondere auch maschinelle) involviert sind, desto lauter die Forderung nach begriffsorientiert-begriffssystematischen (Sprach-)Daten. Terminologiearbeit, Ontologieerstellung und Programmierung nähern sich hier immer weiter an und sollten noch gezielter zusammenarbeiten, um ihre Kompetenzen sinnvoll zu kombinieren und den steigenden Bedarf an maschinell verarbeitbaren Daten zu decken. Der Aufwand zum Erstellen von Begriffssystemen ist nicht unerheblich, aber letzten Endes eine Investition, die sich lohnt - sowohl für die betroffenen Fachgebiete, deren Wissen professionell systematisiert, aufbereitet und verfügbar gemacht wird, als auch für diejenigen, die die Systeme erarbeiten, da sich hier neue Berufsfelder und Anwendungsgebiete erschließen lassen. Literatur Arntz, Reiner/ Barczaitis, Rainer (1998): Fachübersetzerausbildung und Fachübersetzungsdidaktik. 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DIN 2331: 2019-12 = Deutsches Institut für Normung (DIN) (Hg.) (2019): Begriffssysteme und ihre Darstellung. Berlin: Beuth. DIN 2342: 2011-08 = Deutsches Institut für Normung (DIN) (Hg.) (2011): Begriffe der Terminologielehre. Berlin: Beuth. Drewer, Petra (2018): „Begriff“ kommt von „begreifen“ - Begriffe und Begriffssysteme in der Terminologiearbeit. In: Drewer, Petra/ Mayer, Felix/ Schmitz, Klaus-Dirk (Hg.): Terminologie und Text(e). Akten des DTT-Symposions 2018. München u. a.: Deutscher Terminologie-Tag, S. 67-78. Drewer, Petra/ Schmitz, Klaus-Dirk (2017): Terminologiemanagement: Grundlagen - Methoden - Werkzeuge. (= Kommunikation und Medienmanagement 1). Berlin/ Heidelberg: Springer Vieweg. Drewer, Petra/ Ziegler, Wolfgang (2014): Technische Dokumentation: Eine Einführung in die übersetzungsgerechte Texterstellung und in das Content-Management. 2., überarb. u. aktual. Aufl. Würzburg: Vogel. 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Zu diesem Zweck empfiehlt der Beitrag ein Prinzip der Zeichenorientierung, mit dem zudem die theoretische Beschreibung von terminologiestrukturierenden Beziehungstypen vereinheitlicht werden kann. Keywords: sprachliches Zeichen,Terminologie, Semasiologie, Onomasiologie, Fachlexikologie, Knowledge Organization System (KOS), Terminologiesystem 1. Perspektiven auf „Terminologie“ - eine Begriffsbestimmung 1 Terminologien sind nicht nur in der Wissenschaft ein nützliches Hilfsmittel zur Erleichterung der Kommunikation, sondern spielen insbesondere auch für die Wirtschaft eine große Rolle. Zur klaren und reibungslosen Kommunikation haben Vertreter der Industrie sowohl national als auch international ein großes Interesse an der Vereinheitlichung von Terminologien. Entsprechende Aktivitäten werden im Rahmen von Normungsorganisationen wie DIN, dem Deutschen Institut für Normung, oder der ISO, der International Organisation for Standardisation, durchgeführt. In Normenausschüssen für die verschiedensten Fachgebiete legen Gruppen von engagierten Fachvertretern die Begriffe ihres Faches fest. Auch für die Beschreibung von Sprachen, sprachlichen Ressourcen und Terminologien werden entsprechende Festlegungen getroffen, die dann eine gewisse Verbindlichkeit haben. Für die Beschreibung von Fachwortschätzen ist z. B. der Normenausschuss 105 bei DIN zuständig. Die Festlegungen der bei DIN erarbeiteten Normen setze ich als Grundlage für diesen Artikel. Ich möchte an dieser Stelle Festlegungen der Terminologiegrundnormung und der Terminologielehre besprechen. Hierzu beziehe ich mich auf die in entsprechenden Normen und Grundlagenwerken definierte, zurzeit aktuell verwendete Terminologie (z. B. DIN 2342: 2011-08; DIN 2330: 2013-07; Arntz/ Picht/ Schmitz 2014; Drewer/ Schmitz 2017 oder Drewer in diesem Band). Dabei nehme ich 1 Ich möchte mich herzlich bei Prof. Dr. Martin Neef und Dr.-Ing. Uwe Becker an der Technischen Universität Braunschweig für ihre Anmerkungen und Anregungen zu diesem Artikel bedanken. DOI 10.2357/ 9783823392934 SDS 82 (2020) Susanne Arndt 44 im Wesentlichen allerdings eine von der Linguistik beeinflusste Perspektive an, sodass ich alternative Konzepte einführen werde, die terminologisch ebenfalls eher linguistisch geprägt sind. 2 In der terminologischen Grundnormung wird der mit der Benennung Terminologie bezeichnete Begriff definiert als der „Gesamtbestand der Begriffe und ihrer Bezeichnungen in einem Fachgebiet“ und darf alternativ auch als Fachwortschatz bezeichnet werden (vgl. DIN 2342: 2011-08). Es handelt sich damit um eine intersubjektive Größe, da sie nicht beim einzelnen Individuum angesiedelt ist, sondern primär immer den Wissensstand einer Fachgemeinschaft repräsentiert (vgl. Keller 1996). Ihren materiellen Niederschlag findet sie innerhalb der Fachkommunikation. Als deren Werkzeug ist Terminologie nicht zwangsläufig ein Objekt unserer bewussten Wahrnehmung oder Steuerung, sondern weist Eigenschaften eines natürlichen Wortschatzes auf (vgl. Keller 2003). Ins Bewusstsein rückt Terminologie häufig erst dann, wenn die Kommunizierenden sich missverstanden haben oder keinen common ground finden (vgl. Roelcke 1994; Kalverkämper 2004). Erst dann wird die Heterogenität von Terminologie deutlich und als Problem erkannt, welches bewusst und methodisch gelöst werden muss. Unter dieser Perspektive der Bearbeitung und Bearbeitbarkeit zerfällt Terminologie dann in kleine Teilmengen, die dokumentiert und harmonisiert werden müssen. Dadurch erhält Terminologie den Charakter terminologischer Daten, was laut Terminologiegrundnormung die „zu einem Begriff […] gehörende[n] Daten einschließlich der Bezeichnungen […] und der Daten zu den Bezeichnungen“ umfasst (DIN 2342: 2011-08). Zusammengenommen bilden die Daten zu einem Begriffssystem eine terminologische Ressource, die entweder deskriptiv oder präskriptiv sein kann. Zu deren Gestaltung ist es notwendig, eine Reihe von Modellierungsentscheidungen zu treffen. In der klassischen Terminologielehre wird hierzu ein begriffsorientiertes (oder auch: onomasiologisches) Vorgehen empfohlen, das sich auf die Ausgangsgröße der als mentale Einheiten verstandenen Begriffe fokussiert. 2 Auf welche der beiden Disziplinen ich mich beziehe, werde ich im Verlauf des Textes entsprechend kennzeichnen. Bei der Rezeption dieses Artikels ist zudem die Konvention zur Zitation von Normen zu beachten. Eine Norm wird in der Regel in der folgenden Form angegeben: DIN 2342: 2011-08. Es handelt sich um eine bei DIN entstandene Norm mit der Nummer 2342, die im Jahr 2011 im Monat August erschienen ist. Die Normnummer ist ein eindeutiger Identifikator, der auch Vorgängernormen, also zurückgezogene Normen, die ihre Gültigkeit verloren haben, kennzeichnen kann: DIN 2342-1: 1992-10. Hierbei handelt es sich um den ersten Teil einer Normenreihe mit der Nummer 2342, die im Jahr 1992 im Monat Oktober veröffentlich wurde. Beide Normen tragen den Titel Begriffe der Terminologielehre. Die neuere Version dieser Norm ist eine wesentliche Quelle für diesen Aufsatz. Die vollständigen Angaben zu den Normen werden wie üblich im Literaturverzeichnis aufgeführt. Zeichenorientierung als Prinzip der relationalen semasiologischen Terminologiearbeit 45 2. Funktionen terminologischer Ressourcen Terminologische Ressourcen stellen für unterschiedliche Nutzer eine große Hilfe dar, indem sie ihnen Orientierung bei der Durchdringung eines unvertrauten Themengebietes bieten oder indem sie ihnen fachlich anerkannte Mittel zur Kommunikation über dieses Themengebiet zur Verfügung stellen. Bedingt durch die „double dimension“ (Santos/ Costa 2015, S. 155) von Terminologien enthalten terminologische Ressourcen einerseits begriffsbezogene Informationen (Repräsentationen mentaler Abbilder fachrelevanter Gegenstände), andererseits deren lexikalische Repräsentanten (vgl. Hoffmann 1999). Sie sind damit gleichzeitig Wissens- und Sprachressourcen und enthalten Einheiten, die sowohl formal als auch semantisch beschrieben werden müssen. Deskriptive, onomasiologische Terminologiearbeit dokumentiert Begriffe als Begriffseinträge (vgl. Drewer/ Schmitz 2017, S. 132-134) und stellt ihre Beziehungen in Begriffssystemen dar (vgl. DIN 2331: 2019-12). Zudem ordnet sie diesen Begriffseinträgen Einheiten des Wortschatzes zu, die für diesen Begriff stehen können. Beispiele für Begriffseinträge zeigt Abbildung 1. Hier werden zwei Begriffseinträge dargestellt: Bei Beispiel a) handelt es sich um eine Festlegung aus der mittlerweile veralteten und zurückgezogenen DIN 2342- 1: 1992-10, bei Beispiel b) handelt es sich um eine Festlegung aus der Nachfolgernorm DIN 2342: 2011-08. Der obere Kasten zeigt jeweils eine Definition, also die „Begriffsbestimmung mit sprachlichen Mitteln“ (DIN 2342: 2011-08). Die kleineren Kästen unten listen die Benennungen, die zur Repräsentation dieser Begriffe zulässig sind. Obwohl beide Begriffe als Terminus bezeichnet werden können, stehen beide Einträge, wie man an der Definition ablesen kann, für unterschiedliche Begriffe. a) b) ‘das zusammengehörige Paar aus einem Begriff und seiner Benennung als Element einer Terminologie’ ‘sprachliche Bezeichnung eines Allgemeinbegriffs aus einem Fachgebiet’ Terminus Fachwort Terminus Benennung Fachausdruck DIN 2342-1: 1992-10 DIN 2342: 2011-08 Abb. 1: Beispiel für zwei Begriffseinträge (eigene grafische Darstellung) Die Zuordnung von Benennungen und Begriffen ist häufig mehrmehrdeutig (vgl. Roelcke 1991), was die Nachvollziehbarkeit der Terminologie beeinträchtigt. Mehrmehrdeutigkeit liegt vor, wenn ein Begriff durch mehrere Benennungen repräsentiert wird (Synonymie, z. B. Terminus und Benennung in Abbildung 1b) oder wenn eine Benennung mehrere Begriffe repräsentiert Susanne Arndt 46 (Ambiguität, z. B. Terminus in Abbildung 1a) und 1b)). 3 Wird Eineindeutigkeit verfolgt (vgl. Arntz/ Picht/ Schmitz 2014, S. 117), sind die Zuordnungen von Begriffen und Wortschatzeinheiten zumindest teilweise präskriptiv zu bewerten. Hierzu wird in fachlichen Normungsprozessen üblicherweise ein Konsensverfahren angewendet (vgl. ISO/ IEC Guide 2: 2004). 4 In Unternehmen finden sich ähnliche Verfahren mit sogenannten Terminologiezirkeln (vgl. Drewer/ Schmitz 2017, S. 32). Synonymie und Ambiguität werden dadurch vorkommunikativ vermieden (für das Beispiel b) in Abbildung 1 wurde z. B. festgelegt, dass Benennung die Vorzugsbenennung des dargestellten Begriffes ist). Präskriptive Terminologien befähigen Nutzer somit zur An- und Verwendung sozial anerkannter Begriffe und Ausdrücke und damit zu adäquater fachlicher Kommunikation. Terminologischen Ressourcen kommt dabei immer die Aufgabe zu, zwischen individueller Sprach- und Sachkompetenz und überindividuellen, aber ggf. gruppenspezifischen Sprach- und Wissensstrukturen zu vermitteln. Um in vollem Umfang präskriptiv sein zu können, dürfen terminologische Ressourcen nicht allein positive Festlegungen enthalten, sondern müssen auch potenzielle Variation abbilden, deren Vermeidung durch die Verwendung der terminologischen Ressource ermöglicht werden soll. Variation kann aus unterschiedlichen Quellen herrühren: − Die Erforschung und Beschreibung eines Gegenstandsbereichs erfolgt unter Anwendung mehrerer unterschiedlicher Motivationen, Intentionen, Zielstellungen und Perspektiven. − Es erfolgt keine gegenseitige Kenntnisnahme unterschiedlicher Gruppen, die sich mit demselben Gegenstandsbereich befassen. − Ein Gegenstandsbereich wird auf unterschiedlichen Durchdringungsniveaus behandelt (z. B. Alltagswissen vs. Fachwissen). 5 Die Variation im Fachwortschatz ergibt sich also gerade aus den unterschiedlich konstituierten Gruppen und ihren Handlungsroutinen. Terminologie ist damit immer nur ein relatives Phänomen, das im Rahmen von Kontexten beschrieben werden muss. Der Kontext selbst ist dabei skalierbar und kann von 3 Beim genannten Beispiel handelt es sich zwar um in diachroner Sukzession stehende Festlegungen, beide Verständnisse sind jedoch aktuell in unterschiedlichen Domänen zu finden. Die Festlegung aus der DIN 2342-1: 1992-10 dürfte Verbreitung in der linguistisch geprägten Fachsprachenforschung haben, während die neuere Festlegung eher in der Terminologiewissenschaft zu verankern ist. 4 Vgl. auch www.din.de/ de/ ueber-normen-und-standards/ din-norm/ grundsaetze/ grundsaetzeder-normungsarbeit-62306 (Stand: November 2017). 5 Vgl. hierzu die diversen in der Fachkommunikationsforschung vorgeschlagenen Schichtungsmodelle, z. B. von Hoffmann (1987). Eine differenzierte Diskussion verschiedener Modelle findet sich auch in Roelcke (2010). Zeichenorientierung als Prinzip der relationalen semasiologischen Terminologiearbeit 47 der Ebene des Faches bis hin zum einzelnen Fachangehörigen oder sogar bis zum einzelnen Text reichen, der für sich eine spezifische Terminologie etabliert. Schnieder (2010) und Schnieder/ Schnieder (2013) gehen aus diesem Grund von hierarchisch organisierten Gültigkeitsbereichen terminologischer Einheiten aus, die sie als Varietäten bezeichnen (vgl. zu diesem Thema auch Adamzik 2008). Im Rahmen wissenschaftlicher Terminologie kann es hier sogar von Interesse sein, unterschiedliche Entwicklungsstände der Terminologie einer Varietät miteinander zu vergleichen und gegeneinander abzugrenzen, also ihre Diachronie zu untersuchen und zu dokumentieren (vgl. Temmerman 2000; Schnieder/ Stein/ Schielke 2011). Die Gestalter terminologischer Ressourcen stehen mit diesem Hintergrund vor dem Problem, dass sie unterschiedliche Grade der Heterogenität abbilden müssen. Sofern sich diese nicht harmonisieren lassen, müssen sie gleichzeitig zwischen den einzelnen Positionen vermitteln, indem sie die Zusammenhänge der verschiedenen Terminologien beschreiben und diese voneinander abgrenzen. Dies ist z. B. der Fall, wenn unterschiedliche Theoriegebäude mit demselben Formenbestand arbeiten (vgl. Suchowolec et al. 2017). Diese Informationen sind dann neben den eigentlichen terminologischen Informationen einer selbst wieder heterogenen Gruppe von Nutzern der terminologischen Ressource zu präsentieren. Hierbei stellt sich die Frage, wie den Nutzern der Zugang zu terminologischen Ressourcen erleichtert werden kann. Zu diesem Zweck ist meines Erachtens der deskriptive Ansatz zu stärken und in Form einer fach- oder theoriekontrastiven Terminographie zu realisieren, die die Bezüge der einzelnen Terminologien deskriptiv und explizit abbildet, ohne dass die verschiedenen Perspektiven der jeweiligen Theorien verlassen werden müssen. Es ist also vor allem transparent zu machen, wo zwischen den einzelnen Terminologien Unterschiede und Ähnlichkeiten bestehen. Im Folgenden wird ein möglicher Ansatz für eine solche explizite und dadurch Transparenz erreichende Terminographie erläutert. Diese ist semasiologisch angelegt und geht von einem Prinzip der Zeichenorientierung aus. Die Gründe für, aber auch die Probleme einer solchen Konzeption werden in den folgenden Kapiteln erläutert. 3. Semasiologische Terminographie mit dem trilateralen Zeichenmodell iglos Einen zeichenorientierten Ansatz zur Terminographie haben Schnieder (2010), Schnieder/ Stein/ Schielke (2011) sowie Schnieder/ Schnieder (2013) vorgelegt. Die Basiseinheit einer Terminologie wird hier als Lexem (vgl. Herbermann 2002) verstanden, das in Saussure'scher Tradition Zeichencharakter hat. Mit diesem zeichenhaften Status sind Lexeme mindestens bilateral. Schnieder et al. (2011) nehmen für Fachlexeme an, dass diese notwendigerweise trilateral Susanne Arndt 48 sein müssen, denn nur so kann gewährleistet werden, dass die semantische Modellierung eindeutig und differenziert genug ist: „Eine umfassende Modellierung fachsprachlicher Semantik verlangt […] im interdisziplinären Kontext auch eine klare Positionierung im Varietätenraum“ (Schnieder/ Stein/ Schielke 2011). 6 Die drei Konstituenten eines Fachlexems sind damit der Ausdruck, seine Bedeutung bzw. im fachsprachlichen Kontext rigider die Definition sowie die Angabe einer Varietät (vgl. Abbildung 2). An dieser Stelle möchte ich bereits darauf hinweisen, dass diese Konzeption des Lexems von der in der allgemeinen Linguistik üblichen Sichtweise abweicht, nach der die semantische Seite eines lexikalischen Zeichens als Bündel von Lesarten aufgefasst werden kann. 7 Auf diesen Punkt werde ich später noch einmal eingehen. Abb. 2: Fachlexeme als trilaterale Zeichen (Grafik aus Schnieder/ Stein/ Schielke 2011, S. 28) Terminographie ist diesem Ansatz zufolge dann die Identifikation intersubjektiver Wissenseinheiten, die innerhalb eines Kommunikationsbereichs (z. B. in einem Fachgebiet) regelmäßig benötigt werden, dadurch eine gewisse Verfestigung bei vielen Individuen dieses Kommunikationsbereichs erfahren und die regelmäßig innerhalb dieser Gruppe von Individuen zusätzlich durch denselben sprachlichen Ausdruck repräsentiert werden - oder mit anderen Worten: die Identifikation und insbesondere Dokumentation konventionalisierter lexikalischer Zeichen. 6 Bei Mehrsprachigkeit wird von Yurdakul (2016) sogar ein tetralaterales Zeichenmodell vorgeschlagen. 7 Cruse 1995 versteht ein Lexem z. B. als „familiy of lexical units“ (Cruse 1995, S. 76 ff.). Das hier verwendete Lexemverständnis entspräche der lexical unit. Hierunter fasse ich allerdings auch sprachliche Einheiten, die unter formaler Perspektive mitunter als „Mehrwortbenennungen“ klassifiziert werden (vgl. Drewer/ Schmitz 2017). Dieses Lexemverständnis findet sich z. B. auch bei Wichter (1987). Zeichenorientierung als Prinzip der relationalen semasiologischen Terminologiearbeit 49 4. Diskursive Begriffskonstitution als Motivator für semasiologische Terminologiearbeit Neuere terminologische Studien gehen davon aus, dass domänenspezifische Begriffe (auch in den Naturwissenschaften! ) vorwiegend diskursiv konstituiert werden. Für die Biowissenschaften wird dies zum Beispiel von Temmerman (2000) demonstriert. Begriffe - egal, ob es sich jetzt um fachspezifische oder allgemeine Begriffe handelt - können als Emergenzphänomene ihrer wiederholten Konstituierung durch einzelne Individuen und soziale Gruppen beschrieben werden. Ihre Konstitution wiederholt sich deswegen, weil sie in wiederkehrenden Situationen und Erfahrungen eine gewisse Relevanz für ihre Benutzer haben (Busse 2016, S. 547-550). Busse (2016) beschreibt diesen Zusammenhang im Rahmen seines Arbeitsmodells zu einer kognitiv verstandenen Framesemantik (vgl. Busse 2016, S. 624, siehe aber auch Croft/ Cruse 2004). Diese Konstituierung vollzieht sich zwar auch innerhalb individueller kognitiver Prozesse - wenn ihnen allerdings konventioneller Charakter (also intersubjektive Gültigkeit) zugesprochen werden soll, dann ist ihre Konstitution notwendigerweise sozial, externalisiert und diskursiv (Busse 2016, S. 625). Busse sagt in diesem Zusammenhang, „[d]ie Sprachzeichen ‚sozialisieren‘“ (ebd., S. 550) die individuellen kognitiven Konstitutionsleistungen. Daraus ergibt sich der enge Zusammenhang zwischen konzeptuellem System und lexikalischen Elementen. In den einzelnen diskursiven Verwendungen werden sprachliche Formen dann mit bestimmter Intention, in bestimmten Kontexten, mit sozialer und zeitlicher 8 Rückbindung als Zeichen verwendet, als Zeichen bestätigt oder als Zeichen neu konstituiert: Von einem Wort zu sagen, es habe eine (mehr oder weniger feste) Bedeutung, heißt, Identität inmitten von lauter faktischen Unterschieden (des Sprachgebrauchs, der Verwendungs- und Kontextualisierungsweisen) zu postulieren. Identität (eines Zeichens, aber auch eines Frames) ist also ein Eindruck, der durch eine lange Kette von (frequenter) Iteration (wiederholter Aktualisierung des Zeichens oder eines Frames) entsteht. (ebd., S. 607) Ausgangsbasis einer Beschreibung von sozial etablierten Begriffen zur Erstellung einer terminologischen Ressource sollte aus diesem Grund eine Diskursanalyse sein, die weniger danach fragt, welche Begriffe es in einem Fach gibt oder welche Bedeutungen ein Ausdruck hat, sondern welche sozialen Gruppen mit welchen sprachlichen Mitteln welche Begriffe für welche Zwecke in 8 Jedes Zeichen hat im Moment seiner Verwendung eine kurzfristige, eine mittelfristige und eine langfristige Vorgeschichte und ist somit immer diachron geprägt. Kurz- und mittelfristige Prägungen sind für die synchrone Verwendung und Beschreibung eines Zeichens sehr wichtig. Susanne Arndt 50 welchen Kontexten regelmäßig aktualisieren. Dies entspricht jedoch einer semasiologischen Vorgehensweise, die von der Terminologielehre üblicherweise abgelehnt oder gar als unmöglich angesehen wird: As long as terms are a functional class of lexical items and the function of terms is to represent concepts inside a domain, it is almost logically not possible to take a pure semasiological approach in terminology, as the process of identifying terms as terms involves recognition of concepts. (Kageura 2015, S. 54) 9 Kageura scheint damit aber auch nicht zu implizieren, dass stattdessen ein „pure onomasiological approach“ zu wählen sei, denn Kageura versteht die Aufgabe des onomasiologischen Ansatzes so, dass „concepts are identified and the concept system is established first and then signs are mapped to the concepts“ (Kageura 2015, S. 53). 10 Dies ist mit den eben geschilderten Erkenntnissen der Linguistik und der jüngeren Terminologielehre nicht mehr vereinbar. Die Identifikation von mentalen Einheiten, Denkeinheiten oder Wortbedeutungen (als Begriffe oder als Bedeutungen lexikalischer Systeme) erfordert die Identifikation ihrer wiederkehrenden Relevanz in fachlichen Diskursen, in denen sie mit Hilfe linguistischer Formen aufgebaut, bestätigt oder geändert werden. In diesem Sinne verstehe ich Begriffe als eine dynamische semantische Größe. Die Relevanz von Sprache für unser begriffliches Denken zeigt sich dann auch im Prozess der Benennung, wenn existierende Benennungen auf neue oder bisher nicht versprachlichte Begriffe übertragen werden und z. B. Polysemie (siehe unten) oder Autohyponymie 11 entsteht (vgl. Temmermann 2000; Geeraerts 2010; Marzo 2012). So bleibt also auch der 9 Diese Feststellung kann man gleichermaßen natürlich auch für die nicht-fachliche Lexik treffen - auch diese lässt sich nach dem in der Terminologielehre vielzitierten semiotischen Dreieck charakterisieren und hat damit auch immer eine semantische oder konzeptuell-begriffliche Dimension. 10 Insgesamt zeichnet sich bei der Lektüre der unterschiedlichen Disziplinen eine merkwürdige Mehrdeutigkeit der Bezeichner semasiologisch und onomasiologisch ab. Als Onomasiologe untersucht man von einem Begriff ausgehend die Benennungsvielfalt und als Semasiologe von einer Benennung ausgehend die Bedeutungsvielfalt. Paradoxerweise kann onomasiologisch mittlerweile aber auch zur Kennzeichnung von Bemühungen verwendet werden, die mit der Vielfalt der onomasía (gr. Benennung, vgl. www.duden.de/ node/ 767838/ revisions/ 1972395/ view, Stand: 20.1.2020) nicht mehr viel zu tun haben wollen: „In extreme cases of the onomasiological approach, it is only the concept system that is of interest and terms are simply regarded as labels for concepts“ (Kageura 2015, S. 53). Ähnliches lässt sich auch für semasiologisch beobachten, das für Bemühungen verwendet wird, die sich nur mit den formalen Aspekten der Lexik, z. B. ihrer Morphologie, auseinandersetzen, aber kein Interesse an deren Semantik haben. Štekauer (1998) setzt zum Beispiel der formalistischen Lexembildungslehre eine onomoasiologische, semantisch orientierte Lexembildungstheorie gegenüber (ebd., S. 1 f.), was eine Klassifizierung der rein formorientierten Lexembildungslehre als „semasiologisch“ naheglegt. 11 Autohyponymie liegt vor, wenn ein Oberbegriff und ein Unterbegriff durch denselben Ausdruck bezeichnet werden, z. B. Rechteck als Oberbegriff von Quadrat und Rechteck. Zeichenorientierung als Prinzip der relationalen semasiologischen Terminologiearbeit 51 Terminologielehre, die sich häufig genug wie am Beispiel Kageura (2015) gezeigt wurde als Verfechter einer onomasiologischen Vorgehensweise benennt, keine andere Möglichkeit, als eine semasiologische Analyse von Lexemen in Form einer Diskursanalyse vorzunehmen, die ihnen die Annäherung an die Begriffe erlaubt. Gängige Best Practices beschreiben entsprechend eine textzentrierte Methodik (vgl. z. B. Deutscher Terminologie-Tag e. V. (Hg.) 2014): Am Anfang jedes terminographischen Unterfangens steht mit einer solchen textzentrierten Methodik eine Termextraktion, die sich auf einzelne Verwendungen lexikalischer Formen in Diskursen bezieht und einen Termkandidaten oft als Keyword in Context (KWIC) darstellt. 12 Für diese einzelnen Verwendungen wird die Bedeutung des kontextualisierten Wortes ermittelt. Relevant für eine terminologische Ressource sind hierbei diejenigen Bedeutungen, die mit einer gewissen Konstanz verwendet (also begrifflichen Charakter haben, vgl. Herbermann 2002) und mit einer gewissen Konstanz durch dieselbe(n) lexikalische(n) Form(en) repräsentiert werden. Im Verlauf eines solchen textzentrierten Verfahrens werden gleichbedeutende Ausdrücke, bzw. solche Ausdrücke, die für denselben Begriff stehen, zusammengeführt, sodass ein Begriffseintrag entsteht. Im Rahmen der natürlichen Sprache wird das Ausmaß der echten semantischen Identität im Wortschatz jedoch als sehr gering eingeschätzt (vgl. Murphy 2003, S. 158). Aber auch für den Fachwortschatz, wenn man diesen, wie hier geschehen, als emergentes Produkt der Fachkommunikationshandlungen ansieht und ihm damit Eigenschaften eines natürlichen Wortschatzes zugesteht, kann ein berechtigter Zweifel an der absoluten semantischen Identität seiner Elemente formuliert werden. Damit ist dann aber auch in Frage gestellt, ob Begriffseinträge ein adäquates Mittel zur Fachwortschatzmodellierung sind. Eine semasiologische Modellierung stellt eine Alternative dar, deren Leistungsfähigkeit im Folgenden diskutiert wird. 5. Motivation zur semasiologischen Modellierung? Wenn die empirische Terminologiearbeit bzw. Terminographie üblicherweise semasiologisch abläuft, stellt sich die Frage, inwiefern auch die Dokumentation der recherchierten und zusammengestellten terminologischen Daten einer semasiologischen Modellierung folgen sollte. Hierfür sprechen meines Erachtens sowohl theoretische als auch praktische Gründe, die ich im Nachfolgenden erläutern möchte. 12 Dabei ist der Termkandidat das Keyword und der Kontext ist der links- und rechtsseitige Kotext der einzelnen Vorkommen des Termkandidaten. Erhoben wird der Kotext meist basierend auf einer gewissen Fenstergröße (z. B. fünf durch Leerzeichen voneinander getrennte Einheiten links und rechts vom Terminkandidat) oder durch die Angabe eines ganzen Satzes (im einfachsten Fall eine sprachliche Einheit zwischen Satzschlusszeichen). Susanne Arndt 52 5.1 Dokumentation semasiologischer Zwischenstände Üblicherweise wird in der Terminologielehre die semasiologische oder „benennungsorientierte“ Modellierung terminologischer Daten abgelehnt (vgl. Drewer/ Schmitz 2017, S. 129). Gegen die semasiologische Modellierung terminologischer Daten sprechen in der Tat verschiedene Gründe. Semantisch identische Einheiten werden hier als unterschiedliche Einträge erfasst. Die Zahl der Einträge ist im Vergleich zu einer onomasiologischen Modellierung also sehr viel höher. Die einzelnen Einträge enthalten dann auch redundante Daten, i. e. semantische Daten, die mehrfach repräsentiert werden müssen, und zwar einmal pro semantisch identischem Eintrag. Dies hat einerseits Auswirkungen auf die Übersichtlichkeit der terminologischen Daten, aber auch auf deren Überarbeitbarkeit: Redundante semantische Beschreibungen müssten jeweils einzeln geändert und angepasst werden - dies ist ein zeit- und kostenintensiver Mehraufwand. Stattdessen wird in der Terminologielehre das Prinzip der Begriffsorientierung verfolgt, das ein spezifisches Begriffseintragsmodell vorschreibt. Dieses ist dreistufig hierarchisch und unterscheidet zwischen der Begriffsebene, der Sprachebene und der Benennungsebene, an denen jeweils unterschiedliche Datentypen angegliedert werden 13 (vgl. Arntz/ Picht/ Schmitz 2014, S. 241 ff.; genaue Spezifizierungen liefert auch ISO 30042: 2008, die die Mark-up-Sprache TermBase eXchange definiert). 14 Mit dieser Begriffseintragsstruktur soll dann letztlich nur der endgültige terminologische Datenbestand dokumentiert werden. Nach Abschluss der terminologischen Analyse und der Auswahl der Zusatzinformationen werden die endgültigen Daten in den terminologischen Eintrag übernommen, der dann gegebenenfalls in der terminologischen Datenbank abgespeichert wird. (Arntz/ Picht/ Schmitz 2014, S. 217) Da die Dokumentation zwangsläufig jedoch auch im terminographischen Arbeitsprozess erfolgen muss, wenn die begrifflichen Strukturen noch nicht vollständig überschaut werden können, könnte es notwendig werden, auch terminographische Zwischenstände zu verwalten. Die Auswertung des Korpus resultiert jedenfalls zunächst laut Arntz/ Picht/ Schmitz (2014) nur in vorläufigen Zuordnungen von Begriffen und Benennungen (vgl. ebd., S. 213). 13 Beispielsweise wird auf der Begriffsebene eine ID vergeben, auf der Sprachebene wird eine Definition pro Sprache angegeben und auf der Benennungsebene sind die einzelnen Benennungen, die den Begriff repräsentieren können (z. B. Synonyme, Abkürzungen, orthografische Varianten), angesiedelt. Diese können jeweils eigene abhängige Daten aufweisen, was dem Prinzip der Benennungsautonomie entspricht (vgl. Drewer/ Schmitz 2017, S. 131). 14 Diese Norm wird zurzeit aktualisiert. Der Projektstatus kann Online eingesehen werden (www.iso.org/ standard/ 62510.html, Stand: 14. 11. 2018). Zeichenorientierung als Prinzip der relationalen semasiologischen Terminologiearbeit 53 Entsprechend schlagen sie für die Modellierung im Auswertungsprozess Folgendes vor (allerdings noch bezogen auf papierbasiertes Terminologiemanagement! ): Auf jedem der Erfassungsbögen sollte jeweils nur eine Benennung erscheinen und ausführlich dokumentiert sein. Oft stellt sich nämlich heraus, dass anfänglich als Synonyme betrachtete Benennungen sich doch auf verschiedene Begriffe beziehen. Will man die vermeintlichen Synonyme später trennen, so kostet das mehr Zeit als eine nachträgliche Zusammenführung von zwei oder mehreren Erfassungsbögen. (ebd., S. 214) Die terminographische Methodik sieht letztlich also eine kurzzeitige Dokumentation und Zusammenführung semasiologischer oder benennungsorientierter Einheiten vor. Solche Einheiten lassen sich aber klassischerweise als sprachliche Zeichen beschreiben und relational modellieren. Begriffseinträge lassen sich mit diesem Verständnis als Ausschnitte aus relational strukturierten lexikalischen Systemen beschreiben, in denen nur spezifische semantische Relationstypen vorkommen dürfen, nämlich solche der semantischen Identität: Synonymie (siehe oben) und Äquivalenz (nach DIN 2342: 2011 definiert als „Beziehung zwischen Bezeichnungen […] in verschiedenen Sprachen für den gleichen Begriff […]“). Die im Zitat anklingende ggf. notwendige Trennung von benennungsorientierten Datensätzen entspräche dabei dem Lösen von Synonymierelationen. Dies dürfte sich nicht nur bei der Korrektur von Fehlern als nützlich erweisen, sondern auch bei der kontinuierlichen (diachronen) Aktualisierung einer terminologischen Ressource. Ein Nachteil der semasiologischen Terminologiemodellierung wird häufig auch darin gesehen, dass diese zu unnötigen Dubletten führen kann. Dieses Problem kann durch eine begriffsorientierte Modellierung allerdings auch nicht verhindert werden: Auch in einer onomasiologisch strukturierten terminologischen Ressource können zum selben Begriff mehrere (nicht unbedingt vollkommen identische) Einträge angelegt werden, die eine kontinuierliche Bereinigung der terminologischen Ressource erfordern (vgl. KÜDES 2002, S. 70-73; Arndt et al. 2018). Das Anlegen von Dubletten sollte letztlich jedoch in jeder Modellierungsart vermieden werden. Dies wiederum ist nur durch strikte Kontrolle der vorhandenen Einträge vor dem Anlegen neuer Einträge möglich. Diese Prüfung wird idealerweise durch Terminologieverwaltungssysteme unterstützt, indem beim Anlegen neuer Einträge eine Suche im Bestand durchgeführt wird 15 (vgl. Schmitz/ Straub 2016, S. 118, 172). Diese Funktion ist aber sowohl bei onomasiologischer als auch semasiologischer Modellierung realisierbar. 15 In den meisten (mir bekannten) Terminologieverwaltungssystem sind solche Suchen benennungorientiert konzipiert; es würde also basierend auf einem String aus Zeichen gesucht wer- Susanne Arndt 54 5.2 Explizite Relationierung terminologischer Daten Ein weiterer Vorteil einer semasiologischen Modellierung besteht darin, dass sie sowohl sprachorientierte als auch wissensorientierte Relationen explizit und dabei einheitlich abbilden kann. Dies ist ihr aufgrund eines Prinzips möglich, das ich als Zeichenorientierung benennen möchte. Das Prinzip der Begriffsorientierung scheint diese einheitliche Relationierung dagegen eher zu verhindern, oder zumindest scheinen daraus irreführende Festlegungen in terminologischen Grundsatznormen entstanden zu sein. In Kapitel 5.2.1 werde ich sprachorientierte Relationstypen vorstellen und besprechen und in 5.2.2 die wissensorientierten Relationstypen. Hierzu nehme ich eine Perspektive ein, die insbesondere die Funktion dieser Relationstypen zur Strukturierung der Terminologie in den Vordergrund stellt. Unter dieser Perspektive spreche ich deswegen von begriffseintragskonstituierenden und begriffssystemkonstituierenden Relationen. Die Terminologie der Terminologielehre werde ich jedoch während der Diskussion ebenfalls einführen und ihre Probleme diskutieren. 5.2.1 Begriffseintragskonstituierende Relationierung Die sprachorientierte Relationierung von terminologischen Einheiten spielt eine wichtige Rolle in der Terminographie, denn sie ist ein wesentlicher Bestandteil der quellengestützten semasiologischen Terminologiearbeit. Zur Erstellung von Begriffseinträgen ist es notwendig, Relationen der semantischen Identität oder Nicht-Identität festzustellen, anhand derer verschiedene sprachliche Zeichen einander zugeordnet oder voneinander abgegrenzt werden. Diese Relationen sind also begriffseintragskonstituierend. Zu diesem Zweck nimmt auch die Terminologielehre zeichenorientierte Relationstypen wie Synonymie und Homonymie an, versteht diese aber nicht als Beziehungen zwischen Zeichen, sondern als Bezeichnungsbeziehungen (vgl. DIN 2342: 2011-08). Darauf werde ich gleich näher eingehen. Zuvor gibt Abbildung 3 noch eine Übersicht über verschiedene Beziehungsarten, die in DIN 2342: 2011-08 zu den Bezeichnungsbeziehungen gerechnet werden. Die Grafik enthält auch die Definitionen der einzelnen Beziehungsarten. den. Erforderlich und angemessen wäre jedoch eine semantische Suche, die nicht nur nach formal ähnlichen Zeichenketten sucht, sondern formal beliebige, aber semantisch ähnliche Zeichenketten findet (z. B. mit Hilfe von Terminusembeddings, vgl. Arndt et al. 2018). Zeichenorientierung als Prinzip der relationalen semasiologischen Terminologiearbeit 55 Bezeichnungsbeziehnungen Definition: Beziehung zwischen Bezeichnungen […] aufgrund ihrer Ähnlichkeit oder begrifflichen Zusammengehörigkeit Synonymie Definition: Beziehung zwischen verschiedenen Bezeichnungen […] in derselben Sprache, die denselben Begriff […] repräsentieren Quasisynonymie Definition: Beziehung zwischen verschiedenen Bezeichnungen […] in derselben Sprache, diezwar nicht genau denselben Begriff […] repräsentieren, aber in bestimmten Kontexten […] gegeneinander austauschbar sind Antonymie Definition: Beziehung zwei Bezeichnungen […] in derselben Sprache für Begriffe […], die hinsichtlich mindestens eines Merkmals […] entgegengesetzt sind Äquivalenz Definition: Beziehung zwischen Bezeichnungen […] in verschiedenen Sprachen, die denselben Begriff […] repräsentieren Polysemie Definition: Beziehung zwischen verschiedenen Bezeichnungen […] in derselben Sprache, die denselben Begriff […] repräsentieren Homonymie Definition: Beziehung zwischen verschiedenen Bezeichnungen […] in derselben Sprache, die denselben Begriff […] repräsentieren Abb. 3: Bezeichnungsbeziehungen nach DIN 2342 - 2011: 08 16 Mit solchen Beziehungsarten können terminologische Ressourcen einen geordneten Zugriff auf heterogene sprachliche Informationen ermöglichen. Allerdings besteht mit diesem Beziehungsartensystem mindestens ein Problem: Der Status dieser Relationen ist in der Terminologielehre (und auch innerhalb der Terminologiegrundnormung) m. E. unklar. Es scheint hier zwei Interpretationsansätze zu geben, die sich jedoch gegenseitig ausschließen. Im Folgenden wird zunächst der erste der beiden Interpretationsansätze diskutiert, auf den nächsten Seiten komme ich dann zum zweiten Interpretationsansatz. Im ersten Interpretationsansatz gelten sie in der nationalen Terminologiegrundnormung als Bezeichnungsbeziehungen. Dieser Terminus legt nahe, sie als Relationen zwischen reinen Ausdrücken oder Benennungen zu verstehen. Der erste Teil der Definition von Bezeichnungsbeziehung („Beziehung zwischen Bezeichnungen […]“ DIN 2342: 2011-08) bestimmt als Subjekt und 16 Aus Platzgründen wurden die Unterbegriffe zu Homonymie, Homografie und Homophonie, hier nicht zitiert. Diese werden entsprechend definiert als „Beziehung zwischen Bezeichnungen […] in derselben Sprache, die in der Schreibung übereinstimmen und unterschiedliche Begriffe […] repräsentieren“ und „Beziehung zwischen Bezeichnungen […] in derselben Sprache, die in der Lautung übereinstimmen und unterschiedliche Begriffe […] repräsentieren“ (vgl. DIN 2342: 2011). Unten werde ich diese wieder aufgreifen. Susanne Arndt 56 Objekt einer Bezeichnungsbeziehung ebenfalls die Bezeichnungen. Abbildung 4 demonstriert dies, indem sie die bereits in Abbildung 1 verwendeten Beispiele wieder aufgreift. Terminus (DIN 2342-1: 1992-10) Terminus (DIN 2342: 2011-08) Abb. 4: Polysemie als Bezeichnungsbeziehung zwischen den Termini Terminus und Terminus aus DIN 2342 - 1: 1992 - 10 und DIN 2342: 2011 - 08 Einer auf diesem Verständnis beruhenden Relationierung kann nur wenig brauchbare Information entnommen werden. Die Bezeichnungsbeziehungen können diesem Verständnis nach strenggenommen also nicht als semantische Relationen gelten, obwohl sie im zweiten Teil der Definition eigentlich so verstanden werden. Die Definition besagt nämlich auch, dass eine Beziehung zwischen Bezeichnungen nur „aufgrund ihrer Ähnlichkeit oder begrifflichen Zusammengehörigkeit“ dieser Bezeichnungen hergestellt wird (DIN 2342: 2011-08). Auch die untergeordneten Relationstypen werden mit Rückgriff auf den Begriff definiert: Synonymie wird z. B. festgelegt als „Beziehung zwischen verschiedenen Bezeichnungen in derselben Sprache, die denselben Begriff repräsentieren“ (DIN 2342: 2011-08). Auch in der praktischen Terminographie kann eine solche Relation nur mit Rückgriff auf die Bedeutung eines Ausdrucks erfolgen. Der Rückgriff auf eine semantische Größe kann also weder theoretisch noch praktisch vermieden werden. Abbildung 4 ist entsprechend zu Abbildung 5 zu erweitern. das zusammengehörige Paar aus einem Begriff und seiner Benennung als Element einer Terminologie (DIN 2342-1: 1992-10) sprachliche Bezeichnung eines Allgemeinbegriffs aus einem Fachgebiet (DIN 2342: 2011-08) Terminus (DIN 2342-1: 1992-10) Terminus (DIN 2342: 2011-08) Abb. 5: Rückgriff auf die semantische Größe bei der Bestimmung der Homonymierelation der semantisch bestimmten Termini Terminus und Terminus Begriffseintragskonstituierende Beziehungen verstehe ich somit grundsätzlich auch als semantisch und gehe davon aus, dass sie nicht nur zwischen Bezeichnungen (also Ausdrücken unter Ausblendung von ihrer Bedeutungs- Zeichenorientierung als Prinzip der relationalen semasiologischen Terminologiearbeit 57 seite) bestehen, sondern zwischen bedeutungstragenden lexikalischen Zeichen. Insofern ist es aber irreführend, diese Relationstypen als „Beziehung zwischen […] Bezeichnungen“ zu definieren, wie es fast wortwörtlich für alle Relationstypen dieser Art geschieht (vgl. DIN 2342: 2011-08 und Abbildung 3) und sie als Bezeichnungsbeziehungen zu bezeichnen. Die irreführende Motivation des Ausdrucks Bezeichungsbeziehung und der zugehörigen Definitionen ließe sich ersetzen (und hier kommen wir dann zum zweiten Interpretationsansatz): Lehmann (in diesem Band) beschreibt die Bezeichnungsbeziehung als Relation zwischen einem Begriff und einer Bezeichnung (vgl. ebd., S. 10). Dies ist meines Erachtens eine logische Konsequenz einer Modellierung, die Fachwörter als rein formale Einheiten und nicht als Zeichen begreift. Hierbei handelt es sich dann auch um die andere in der aktuellen Terminologiegrundnormung existierende Lesart von Bezeichnungsbeziehung (vgl. DIN 2330: 2013-07). In neueren Einführungen in die Terminologielehre scheint diese Auffassung ebenfalls vertreten zu werden. Hier wird von der Beziehung zwischen Begriffen und Benennungen gesprochen, die im Rahmen des Eineindeutigkeitspostulats thematisiert werden. Solche Relationen werden dabei dann über die Mehrmehrdeutigkeit der Beziehung zwischen Begriff und Benennung und somit letztlich über die Kardinalität der Zuordnungsrelation beschrieben (vgl. Arntz/ Picht/ Schmitz 2014, S. 135 f.; Drewer/ Schmitz 2017, S. 15-22). Unter vollständiger Formalisierung der Konzepte Eineindeutigkeit und Mehrmehrdeutigkeit findet sich dieser Ansatz auch bei Müller (2015), wie in Tabelle 1 dargestellt. Die Tabelle zeigt alle Kombinationsmöglichkeiten der Zuordnungsbeziehung zwischen Begriffen und Benennungen. Begriff: Benennung (m, n ≥ 2) Relation 0: 0 - 0: 1 kognitive Lücke 0: n multiple kognitive Lücke 1: 0 sprachliche Lücke 1: 1 Mononymie/ Monosemie 17 (Eineindeutigkeit) 1: n Synonymie m: 0 multiple sprachliche Lücke m: 1 Ambiguität (Polysemie, Homonymie) m: n Ambiguität und Synonymie (Mehrmehrdeutigkeit) Tab. 1: Zuordnungsbeziehungen zwischen Begriffen und Benennungen nach Müller (2015) (eigene Darstellung) 17 Diese Lexeme sind nicht synonym, sondern drücken jeweils nur die Perspektive des Begriffs oder der Benennung aus. Susanne Arndt 58 Diese Konzeption ist jedoch ebenfalls nicht unproblematisch. Es handelt sich hierbei eigentlich nicht um ein Mittel zur Beschreibung von Relationen, sondern dient der Charakterisierung eines Begriffs oder einer Benennung bzw. einer Menge von Begriffen oder Benennungen - je nach Anzahl und Perspektive. Diese Eigenschaft wird aus der Perspektive einer einzelnen Benennung als Monosemie bezeichnet, wenn die betrachtete Benennung nur einem einzigen Begriff zugeordnet wird. Monosemie wird auch durch die Terminologiegrundnormung als Eigenschaft einer Bezeichnung definiert, allerdings in einem Atemzug mit den Bezeichnungsbeziehungen im oben beschriebenen Sinne thematisiert (vgl. DIN 2342: 2011-08). Müller (2015) schließt hier einige systematische Lücken, z. B. führt er unter der Perspektive des Begriffs auch den Begriff der Mononymie ein. Diese Eigenschaft haben Begriffe, die nur einer einzigen Benennung zugeordnet werden. Wenn eine einem Begriff zugeordnete Bezeichnung die Eigenschaft Monosemie aufweist und gleichzeitig dieser Begriff die Eigenschaft hat, mononym zu sein, dann liegt die in terminologischen Grundlagenwerken häufig geforderte Eineindeutigkeit vor. Von diesem Idealzustand kann es natürlich die von Müller (2015) geschilderten Abweichungen geben. Unter dieser Perspektive wäre Synonymie die Eigenschaft eines Begriffs, durch mehrere Bezeichnungen repräsentiert zu werden. Hier wäre es jedoch sinnvoller, nicht den Ausdruck Synonymie für diese Eigenschaft zu verwenden, sondern analoge Bezeichnungen zu Mononymie und Monosemie zu bilden: Würde man die von Müller (2015) eingeführte Systematik terminologisch ergänzen, könnte man also sagen, ein Begriff ist polynym. Ob ein Begriff aber polynym (oder eine Bezeichnung polysem) ist, kann nur kontrastiv ermittelt werden. Hierfür müssen alle Benennungs-Begriffs-Paare bewertet werden. Aus diesem Grund bietet es sich also an, Wortschatzeinheiten als mindestens bilaterale Zeichen aufzufassen, die sich, wie in Abbildung 6 dargestellt, mindestens in eine Inhalts- und Ausdrucksseite zerlegen lassen. Abbildung 6 greift erneut das bereits in Abbildung 1 a) und b) behandelte Beispiel auf. Hier werden beide Begriffseinträge jedoch jeweils als mehrere lexikalische Zeichen dargestellt, zwischen denen Beziehungen herrschen. Die Informationen aus DIN 2342-1: 1992-10 werden dabei durch eine gestrichelte Umrandung eingefasst, während die Informationen aus der aktuellen Norm DIN 2342: 2011-08 in einer durchgezogenen Linie eingefasst sind. In der oberen Hälfte des Ovals befindet sich dabei immer eine Bedeutungsbeschreibung, die an die Definition der jeweiligen Norm erinnern soll, in der unteren Hälfte des Ovals befindet sich jeweils ein einzelner Terminus. Die Relationen werden hier jetzt als beschriftete, gerichtete Pfeile explizit dargestellt (vgl. DIN 2331: 2019-12). Zeichenorientierung als Prinzip der relationalen semasiologischen Terminologiearbeit 59 Abb. 6: Sprachliche Zeichen als Ausgangsbasis der begriffseintragskonstituierenden Relationierung In einer begriffsorientierten onomasiologischen Modellierung bestehen verschiedene Möglichkeiten, Bezeichnungsbeziehungen (verstanden als Beziehungen zwischen reinen Formen) abzubilden: Einerseits könnten die Partner der Beziehungen in die Begriffseinträge integriert werden. Dies ist jedoch problematisch, da sie nicht immer für denselben Begriff stehen (z. B. bei Quasisynonymie oder Antonymie). Der Begriffseintrag würde damit ebenfalls nicht mehr nur einem einzigen Begriff entsprechen. Allerdings sei dieses Phänomen in der Praxis der Terminologiearbeit häufig zu beobachten, wenn nicht zwischen semantischer Identität und semantischer Ähnlichkeit differenziert wird. So könne es z. B. dazu kommen, dass in einen Begriffseintrag nicht nur Synonyme, sondern auch Quasisynonyme aufgenommen werden (vgl. KÜDES 2002, S. 38; die KÜDES nennt hier das Beispiel Professor und Institutsleiter). Durch die KÜDES wird diese Praxis entsprechend abgelehnt: Mit der Benennung werden auch - soweit bekannt - die echten Synonyme aufgenommen. Synonyme sind echt, wenn ihre Begriffsinhalte identisch sind, wenn sie also in jedem Kontext austauschbar sind. Die übrigen sind Quasisynonyme; für diese ist je ein eigener Eintrag anzulegen. (ebd., S. 35) Andererseits könnten Bezeichnunsgbeziehungen als explizite Relationen angelegt werden. Dies wird für unterschiedliche Relationen auch in unterschiedlichem Maße empfohlen. Die ISO 30042: 2008, eine Norm zur Spezifikation eines Austauschformates für Terminologiedaten (TBX), geht z. B. davon aus, dass Synonyme niemals als solche gekennzeichnet werden müssen, da die Zuordnung zum Eintrag ausreichende Kennzeichnung sei. Eine begriffseintragsinterne Relationierung von Benennungen ist für andere Relationstypen als Synonymie nur optional: Abkürzungen können zum Beispiel einfach neben anderen Termini in einen Eintrag aufgenommen werden und Susanne Arndt 60 durch eine termNote ergänzt werden, die die Information enthält, dass es sich bei der Benennung um eine Abkürzung handelt. Alternativ kann die termNote aber auch eine Relation enthalten, die als Ziel eine Benennung im selben Begriffseintrag hat. Dies ist meines Erachtens adäquater, da eine Benennung formal immer aus der Vollform motiviert wird und nicht arbiträr ist - sie ist also immer Abkürzung von etwas. Natürlich gilt hier aber wie oben bereits erläutert, dass dabei die semantische Dimension dieser Beziehung nicht vernachlässigt werden darf. Das Etwas, für das die Abkürzung steht, hat dieselbe Bedeutung wie die Abkürzung - nur deswegen sind sie austauschbar. 18 Besonders wichtig wird der relationale Zusammenhang dann insbesondere für zeichenorientierte Relationen wie Quasisynonymie - also bei solchen Benennungen, die nicht für denselben Begriff stehen. Diese sind wie bereits geschildert idealerweise in unterschiedlichen Einträgen enthalten. Eine Relation der Quasisynonymie zwischen zwei Termini zu setzen, macht aber nur Sinn, wenn diese Termini auch semantisch bestimmt sind. Es reicht also nicht aus, die Beziehung zwischen Benennungen anzulegen. Hier dient in der begriffsorientierten Modellierung die Einbettung der Informationen zu einer Benennung in einen Begriffseintrag als semantische Charakterisierung des Terminus. 19 Relationstypen wie Synonymie, Polysemie und Homonymie sollten aus den bisher angeführten Gründen meines Erachtens jedoch immer zeichentheoretisch beschrieben werden, wodurch sie dann sowohl auf den Ausdruck als 18 Sollten sich das Zeichen mit der Vollform und das Zeichen mit der Abkürzung semantisch unterschiedlich entwickeln, wäre die Austauschbarkeit ggf. nicht mehr gegeben. In einer begriffsorientierten Modellierung müssten dann zwei getrennte Einträge verwaltet werden - sofern die Vollform überhaupt noch eine Rolle spielt. In meinem relationalen Ansatz wäre die Art der Relation neu zu bestimmen. 19 Eine von Schmitz/ Straub (2016) durchgeführte Umfrage unter Herstellern von Terminologieverwaltungssystemen gibt Hinweise darauf, wie die in Abbildung 3 aufgeführten Bezeichnungsbeziehungen in diesen Terminologieverwaltungssystemen behandelt werden. Usus scheint hier bei fast allen Tools die begriffsorientierte Organisation der Daten zu sein, in der Synonymie nicht gekennzeichnet wird. Spezielle Synonymentypen wie Abkürzungen werden dagegen offenbar häufig nicht relational, sondern als Eigenschaft einer Benennung modelliert (hier kann man dann ggf. davon ausgehen, dass andere Bezeichnungsbeziehungen analog behandelt werden). In vielen Fällen scheinen sich die Hersteller auf Begriffsbeziehungen (siehe unten) zu konzentrieren, die dann über die IDs zwischen begriffsorientierten Einträgen verweisen. Einige Hersteller geben zwar auch an, dass Verweise zwischen Termini möglich sind, aber es ist nicht immer klar, ob sie nur als Ziele für Verlinkungen aus Fließtexten wie Definitionen dienen können oder ob Terminusfelder auch der Startpunkt für eine Beziehung zu einem anderen Terminusfeld sein können (vgl. Schmitz/ Straub 2016, S. 157, 238 f.). Zeichenorientierung als Prinzip der relationalen semasiologischen Terminologiearbeit 61 auch auf den Inhalt bezogen sind. 20 In der deutschen Normung wurde eine zeichentheoretische Konzeption jedoch mit Erscheinen der DIN 2342: 2011-08 aufgegeben (siehe das Beispiel aus Abbildung 1). Entsprechend meinem Vorschlag ergibt sich damit ein System zeichenorientierter, begriffseintragskonstituierender Relationen wie in Abbildung 7 dargestellt. Hier sind auch solche Relationstypen enthalten, die die Abgrenzung von Begriffen aufgrund von semantischer Nicht-Identität erzwingen. Aufgrund meiner Entscheidung, Lexeme nicht als Bündel von Lesarten zu verstehen (siehe Kapitel 3, Fußnote 6), 21 wird hier auch Polysemie aufgelistet, die als interlexematische Relation zwischen signifikantgleichen sprachlichen Zeichen besteht (vgl. Wichter 1987). 22 20 Hierdurch wird nicht ausgeschlossen, dass es auch reine Bezeichnungsbeziehungen gibt. Ein gutes Beispiel hierfür sind Reimrelationen zwischen unterschiedlichen Ausdrücken, die auf der Ähnlichkeit phonologischer Wörter basieren, z. B. Wort - Ort - Bord. Hier kommt es nicht darauf an, in welcher (allgemeinen oder spezialisierten) Bedeutung das Wort vorliegt oder mit welchem Begriff es verbunden ist - gereimt wird bedeutungsübergreifend. 21 Hiervon kann es natürlich auch abweichende Sichtweisen geben. Für mein Modell ist insbesondere eine synchrone, rein sprachsystembezogene Distinktion der Relationstypen Polysemie und Homonymie schwer darzulegen, da sie nicht allein durch die Grundlagen der Lexemmodellierung herleitbar ist. Hier bestehen jedoch alternative Möglichkeiten. Herbermann (2002) geht z. B. davon aus, dass [d]er Begriff der Polysemie […] [im Vergleich zur Homonymie, S. A.] das Gegebensein bestimmter figurativ motivationaler Beziehungen zwischen den Bedeutungen verschiedener Lexeme im Hinblick auf die Gleichheit des ihnen jeweils zugeordneten Ausdrucks [beinhaltet] (ebd., S. 30). In diese Richtung sind also auch synchrone Möglichkeiten der Unterscheidung gegeben, die eine psycholinguistische Orientierung erfordern (vgl. Marzo 2012, Kapitel 3.1, wo eine gute Übersicht über diese Thematik gegeben und aktuelle Arbeiten von Andreas Blank, Peter Koch, David Cruse und William Croft diskutiert werden). 22 Bereits Wichter (1987) hat diesen Standpunkt vertreten. Hier wird ein kommunikationsorientierter Zeichenbegriff beschrieben und die auf Sprachsystemebene übliche polyseme Strukturierung einzelner Lexeme abgelehnt: Kommunikativ (also auf Ebene der parole) sind Zeichen für Wichter in der Regel monosem, sodass eine Beschreibung von Lesartenbündeln keinen Sinn mache. Hier ist immer die kontextuell determinierte Einzelbedeutung relevant. Nur in seltenen Fällen bestehe ihm zufolge auf dieser Ebene Mehrdeutigkeit, und wenn, dann sei diese überlicherweise ungewollt. Auf sprachsystematischer Ebene habe man es dann nicht mit polysem strukturierten Lexemen zu tun, sondern mit Mengen oder Paradigmen sogenannter signifikantgleicher Zeichen. Bereits Wichter (1987) sieht in dieser Modellierung einen großen Vorteil für die einzelsprachliche, kontrastive Beschreibung von Wortschätzen unterschiedlicher Varietäten, den ich hier ebenfalls näherzubringen versuche. Die signifikantgleichen Zeichen bilden dabei ein „Nebeneinander von eng bedeutungsverwandten“ Zeichen, die auch in direkter Konkurrenz zueinander stehen können. Susanne Arndt 62 Abb. 7: Typen von begriffseintragskonstituierenden und begriffseintragsdifferenzierenden zeichenorientierten Beziehungen Diese Relationstypen sollten nicht (wie bei Müller 2015) quantitativ definiert werden, sondern qualitativ - und zwar über semantische und formale Ähnlichkeit, wie dies in der Terminologiegrundnormung geschieht. Hier wird von Ähnlichkeit, Identität und Unterschieden gesprochen. Die Definitionen dieser Beziehungstypen würden dann einheitlich mit „Beziehung zwischen zwei sprachlichen Zeichen“ eingeleitet werden, während das abgrenzende Merkmal dann eine Aussage über die semantische Identität, Ähnlichkeit oder Unterschiedlichkeit der relationierten Zeichen machen würde. Auf dieser Basis besteht zudem die Möglichkeit, weitere linguistische Relationstypen systematisch einordnen zu können (vgl. Arndt i. Vorb.). Einige dieser Relationen können als das fungieren, was Schnieder et al. (2011) als Warnrelationen bezeichnen. Diese beschreiben vor allem mögliche Verwechslungsgefahren zwischen Lexemen, besonders solchen Lexemen unterschiedlicher Varietät. Lexeme, die die gleiche oder eine ähnliche Benennung aufweisen, in unterschiedlichen Varietäten aber deutlich unterschiedliche Definitionen haben, gefährden die interdisziplinäre Kommunikation und müssen mit besonderer Sorgfalt modelliert werden (ebd., S. 68). Solche Relationen sind zum korrekten Gebrauch einer Terminologie unerlässlich. Den Nutzern einer terminologischen Ressource kann mit diesen Relationen proaktiv das ähnlichkeitsbasierte Fehlnutzungs- und Missverständnispotenzial einer Terminologie zeichenbezogen mitgeteilt werden. Eine Warnrelation wäre zum Beispiel die Beziehung zwischen einem als „falsche Freunde“ bezeichneten Lexempaar (z. B. en. gift ‘Geschenk’ vs. dt. Gift ‘gesundheitsschädliche Substanz’). Zeichenorientierung als Prinzip der relationalen semasiologischen Terminologiearbeit 63 Bei den falschen Freunden gestaltet sich das Problem vergleichbar wie bei der Quasisynonymie. Auch hierbei handelt es sich um einen zeichenbezogenen Relationstypen, allerdings in der mehrsprachigen Terminologiemodellierung. Ebenso wie bei Quasisynonymie gilt hier, dass die beiden falschen Freunde nicht in denselben Begriffseintrag integriert werden sollten, weil sie eben nicht für denselben Begriff stehen und sich auch nicht einmal semantisch ähnlich sind. Da es sich hierbei aber um eine genuine Warnrelation handelt, die für jeden Übersetzer oder andere in einer Fremdsprache Kommunizierende von äußerster Wichtigkeit ist, sollte dieser Zusammenhang der falschen Freunde jedoch nicht einfach vernachlässigt werden. Er ist jedoch nicht adäquat als Beziehung zwischen Bezeichnungen auffassbar, da er nicht nur auf der formalen Ähnlichkeit, sondern auch auf der semantischen Nicht-Identität zweier sprachlicher Zeichen beruht. Die Relation besitzt somit eine semantische Dimension. Genauso wenig kann er jedoch als Beziehung zwischen Begriffseinträgen modelliert werden - jeder Begriffseintrag ist ja eine Sammlung semantisch identischer Zeichen. Die Motivation zur Verwechslung besteht jedoch nur zwischen maximal zwei Items dieser Sammlung, nämlich bei solchen, bei denen von ihrer formalen Ähnlichkeit 23 nicht auf semantische Ähnlichkeit geschlossen werden darf. Die Modellierung sollte deswegen die explizite Relationierung von terminologischen Einheiten unterhalb der Begriffsebene (in allen Fällen! ) unterstützen, dabei aber gleichzeitig die semantische Dimension berücksichtigen. Ein weiterer Vorteil der zeichenbasierten/ semasiologischen Relationierung liegt also darin, dass man genau diese Beziehungen zwischen semantisch nicht-identischen terminologischen Einheiten angeben kann, wo sie am adäquatesten anzubringen sind, nämlich am 23 Zur Relation der Quasisynonymie besteht dann auch in dieser formalen Ähnlichkeit der entscheidende Unterschied: Quasisynonymie ließe sich - anders als die Relation zwischen falschen Freunden - auch als reine Begriffsbeziehung verstehen, da die formale Dimension in dieser Relation nahezu keine Rolle spielt (zumindest nach der in DIN 2342: 2011-08 gegebenen Definition). Wenn alle Bezeichnungen, die einem Begriffseintrag zugeordnet worden sind, tatsächlich für diesen Begriff stehen, dann könnte man aus einer zeichentheoretischen Position auch sagen, dass eine Quasisynonymiebeziehung, die ein Zeichen dieses Begriffseintrags zu einem Zeichen in einem anderen Begriffseintrag aufweist, auch auf alle anderen Zeichen dieser beiden Begriffseinträge übertragbar ist. Insofern sagt Quasisynonymie nur wenig aus, außer, dass große semantische Ähnlichkeit besteht, ohne dass Identität erreicht wurde. Jede Kritik dieses Relationstypen muss also danach fragen, wie weit die Abweichungen der relationierten Lexeme reichen dürfen. Theoretisch könnten nämlich auch Wortschatzeinheiten, die in Abstraktionsbeziehung zueinander stehen, als Quasisynonyme verstanden werden. Auf der Ebene der parole macht das für bestimmte Kontexte auch Sinn. Hier spricht man dann z. B. von Reduktionsvarianten. Die Abbildung dieses Zusammenhangs ist jedoch nicht unbedingt auch auf Systemebene erwünscht. Mit der Festlegung der DIN 2342: 2011-08 würde sich ein sehr großer Teil des Wortschatzes durch Quasisynonymie auszeichnen. Hierin zeigt sich sehr deutlich, dass das Konzept der Ähnlichkeit und sein Potenzial für die fachliche Wortschatzmodellierung weiter reflektiert werden sollte. Susanne Arndt 64 Zeichen. Darüber hinaus, werden dadurch alle angesprochenen theoretischen Probleme aufgehoben, ohne dass dabei auf eine wissensbasierte Modellierung verzichtet werden müsste. Auf diese werde ich im folgenden Kapitel eingehen. Unter funktionaler Perspektive bezeichne ich diese Relationstypen als begriffssystemkonstituierende Relationstypen. 5.2.2 Begriffssystemkonstituierende Relationierung Ihrer Funktion als Wissensressourcen kommen Terminologien durch die Angabe von Definitionen sowie die explizite Angabe von Relationen zwischen einzelnen Begriffen nach. Neben der zeichenbezogenen, begriffseintragskonstituierenden Relationierung spielt für die Terminologiemodellierung und Terminologiestrukturbeschreibung also auch eine weitere Gruppe von Relationstypen eine Rolle. Diese Relationstypen werden in der Terminologielehre als Begriffsbeziehungen bezeichnet, da sie sich auf Begriffseinträge beziehen. Abbildung 8 stellt die Beziehung zwischen den beiden Begriffseinträgen aus Abbildung 1 dar. 24 Hier wird jetzt zusätzlich die Begriffsbeziehung der Bestandsbeziehung zwischen den beiden abgebildet: Die Festlegung aus der alten Norm beschreibt ein Ganzes, während die Festlegung aus der neuen Norm ein Teil dieses Ganzen beschreibt. a) b) das zusammengehörige Paar aus einem Begriff und seiner Benennung als Element einer Terminologie sprachliche Bezeichnung eines Allgemeinbegriffs aus einem Fachgebiet Terminus Fachwort Terminus Benennung Fachausdruck DIN 2342-1: 1992-10 DIN 2342: 2011-08 Abb. 8: Begriffsbeziehung zwischen zwei Begriffseinträgen (hier: Bestandsbeziehung) Zur Begriffssystemmodellierung bieten sich hierarchische Relationen (Abstraktionsbeziehungen, Bestandsbeziehungen) oder nicht-hierarchische Relationen (sequenzielle Beziehungen, oppositionelle Beziehungen etc.) an (vgl. DIN 2330: 2013-07). Die Relationstypen sind je nach Interesse des abbildenden Fachgebiets zu wählen, was bedeutet, dass die durch die Terminologiegrundnormung festgehaltenen Relationstypen keine Vollständigkeit 24 Weil Abbildung 8 die Beziehung zwischen zwei begriffsorientierten Einträgen darstellen soll, wird hier das Darstellungsformat von Abbildung 1 gewählt und noch nicht das Darstellungsformat von Abbildung 6. Zeichenorientierung als Prinzip der relationalen semasiologischen Terminologiearbeit 65 für sich beanspruchen können (zur weiteren Differenzierung von Relationstypen vgl. Nuopponen 2005, 2014). Abbildung 9 zeigt eine Übersicht über die verschiedenen in der nationalen Normung angenommenen Begriffsbeziehungstypen. Begriffsbeziehung Definition: Beziehung zwischen Begriffen, die aufgrund von Merkmalen besteht oder hergestellt wird hierarchische Begriffsbeziehung Definition: Begriffsbeziehung, die durch schrittweises Unterteilen eines Begriffs […] in unbergeordnete Begriffe bzw. umgekehrt durch schrittweises Zusammenfassen von Begriffen in einem übergeordneten Begriff entsteht Abstraktionsbeziehung Definition: hierarchische Begriffsbeziehung, bei der der Begriffsinhalt […] des untergeordneten Begriffs […] den Begriffsinhalt des übergeordneten Begriffs […] einschließt, wobei sich der untergeordnete Begriff mindestens einem zusätzlichen Merkmal […] vom übergeordneten Begriff unterscheidet Bestandsbeziehung Definition: hierarchische Begriffsbeziehung, bei welcher der übergeordnete Begriff […] sich auf einen Gegenstand […] als Ganzes bezieht und die untergeordneten Begriffe […] sich auf die Teile dieses Gegenstandes beziehen nichthierarchische Begriffsbeziehung Definition: Begriffsbeziehung, die nicht auf hierarchischen, sondern auf anderen thematischen Zusammenhang zwischen Begriffen […] beruht sequenzielle Begriffsbeziehung Definition: sequenzielle Begriffsbeziehung, die die auf einer direkten Abhängigkeit zwischen Begriffen […] im Sinne der Vor- und Nachordnung beruht temporale Begriffsbeziehung Definition: sequenzielle Begriffsbeziehung, bei der die Begriffe […] in zeitlicher Beziehung stehen kausale Begriffsbeziehung Definition: sequenzielle Begriffsbeziehung, bei der die Begriffe […] durch Ursache und Wirkung in Beziehung stehen oppositionelle Begriffsbeziehung Definition: nichthierarchische Begriffsbeziehung zwischen zwei in Zuordnung zueinander verwendeten Begriffen […], die hinsichtlich mindestens eines Merkmals […] entgegengesetzt sind pragmatische Begriffsbeziehung Definition: nichthierarichische Begriffsbeziehung, die auf situations- und sprecherabhängigen Zusammenhängen beruht Abb. 9: Begriffsbeziehungstypen (vgl. DIN 2330: 2013 - 07) 25 25 Die „pragmatischen“ Begriffsbeziehungen in diesem System haben nicht viel mit einer linguistischen Pragmatik gemeinsam, auch wenn sie als „nichthierarchische Begriffsbeziehung, die Susanne Arndt 66 Die Relationierung ist ein wesentlicher Schritt dazu, die Systematik eines Begriffssystems transparent oder mangelnde Systematik bewusst zu machen, sodass dann eine Systematisierung des Begriffsbestandes vorgenommen werden kann. Die Systematizität eines Begriffssystems kann dabei auf unterschiedliche Weise abgebildet werden. Einerseits kann natürlich die explizite Dokumentation der Relationen vorgenommen werden. Andererseits werden die systematischen Bezüge der einzelnen Begriffe zueinander auch bei der Erstellung von Definitionen genutzt, dies allerdings nur im Fall von Abstraktionsbeziehungen. Hier ist das zu verwendende Definitionsformat dann eine intensionale Definition, die den Oberbegriff nennt, sowie ein Merkmal, durch das sich der beschriebene Begriff von diesem Oberbegriff und seinen nebengeordneten Begriffen unterscheidet (vgl. Arntz/ Picht/ Schmitz 2014, S. 65 f.). Die explizite Relationierung von Begriffen oder terminologischen Einheiten kann für den Nutzer eine große Erleichterung beim Einstieg in ein Themengebiet sein - dies vor allem auch aus dem Grund, weil explizite Relationen auch zur Erstellung von Visualisierungen eines Begriffssystems genutzt werden können. Hier regelt die Norm DIN 2331: 2019-12, welche Darstellungsprinzipien für verschiedene Arten von Begriffssystemen angemessen sind (z. B. werden Abstraktionssysteme anders dargestellt als nichthierarchische Begriffssysteme, in denen ausschließlich sequentielle Begriffsbeziehungen verwendet werden). Hier findet häufig eine Konzentration auf einzelne Relationstypen statt, in manchen Fällen werden aber auch gemischte Begriffssysteme erstellt, in denen zwei, mitunter aber auch mehr Begriffsbeziehungstypen verwendet werden. Meist handelt es sich dabei aber um gemischt-hierarchische Begriffssysteme, die Abstraktions- und Bestandsbeziehungen enthalten. In neueren theoretischen Ansätzen (und meist auch den zugehörigen technischen Lösungen) werden zunehmend eine Vielzahl von Begriffsbeziehungen visualisiert, sodass mit verschiedenen Relationstypen umfassende Domänenmodelle erstellt werden (vgl. Stein 2012; Faber 2015). Hier zeigt sich wieder der Nachteil der semasiologischen Modellierung: Da synonyme Zeichen jeweils eigene Einträge bilden, müssen in einer semasiologischen Modelauf situations- und sprecherabhängigen Zusammenhängen beruht“ (DIN 2342: 2011-08) definiert werden. Es handelt sich meiner Meinung nach um eine Restkategorie, in der alle nichthierarchischen Relationstypen angesiedelt sind, die nicht sequenziell oder oppositionell sind. Entsprechend sagt die DIN 2330: 2013-07 „Pragmatische Begriffsbeziehungen beruhen auf sprecher- und situationsabhängigen Zusammenhängen, die weder hierarchischen noch sequentiellen Begriffsbeziehungen zugeordnet werden können.“. Beispielsweise bestünde laut DIN 2330: 2013-07 zwischen Kraftfahrzeug und Straße eine pragmatische Begriffsbeziehung. Nach Nuopponen (2005) könnte man solche Begriffsbeziehungsarten weiter klassifizieren, z. B. als „locative relation“. Zeichenorientierung als Prinzip der relationalen semasiologischen Terminologiearbeit 67 lierung sehr viel mehr explizite Relationen angelegt werden als in einer onomasiologischen Modellierung. Allerdings können die Mehraufwände der semasiologischen Modellierung bei entsprechend definierten Relationstypen auch automatisiert ergänzt werden. Hierzu wären lediglich die Bedingungen zu formulieren, wann eine begriffssystemkonstituierende Relation von einem zeichenbasierten Eintrag auf einen synonymen Eintrag zu übertragen ist. Diese Bedingung ist semantische Identität, die durch das begriffseintragskonstituierende Relationstypensystem abgebildet wird. 26 In der lexikalischen Semantik ist laut Geeraerts (2010) umstritten, ob solche Relationstypen überhaupt Bestandteil einer linguistischen Beschreibung von Wortschätzen sein sollten. Da sie sich vor allem auf die enzyklopädische Information der durch die Ausdrücke bezeichneten Gegenstände beziehen, handele es sich bei diesen Relationen nicht um genuin sprachliche Relationen. Allerdings nennt er als weithin akzeptierte Relationstypen die Hyperonymie und die Meronymie (vgl. Geeraerts 2010, S. 88-91), denen in der Terminologielehre (trotz theoretischer Differenzen) die Abstraktionsbeziehung und die Bestandsbeziehung entsprechen. Für die Modellierung des fachspezifischen Wortschatzes halte ich die Hinzunahme dieser Relationstypen für unabdingbar. Aber auch in der Modellierung des allgemeinsprachlichen Wortschatzes kann sie nützlich sein, z. B. in Lernkontexten. Die Verwendung dieser Relationstypen motiviert auch noch einmal mein Lexemverständnis: Ich hatte oben bereits angemerkt, dass ich Lexeme nicht als Bündel von Lesarten verstehe, sondern dass jedes Lexem nur eine Lesart hat, dafür jedoch mehrere Lexeme mit derselben Benennung vorliegen können. Dies erweist sich spätestens dann als nützlich, wenn begriffssystemkonstituierende Relationen auf den Wortschatz angewendet werden sollen. Es ist z. B. nicht sinnvoll Einheiten wie Schule mit Lesarten wie ‘Gebäude, in dem unterrichtet wird’ und ‘gesamte Lehrer- und Schülerschaft’ als ein Lexem verstehen zu wollen, wenn man sie danach in ein Abstraktionssystem von Gebäuden einordnen möchte. Eine entsprechende Modellierung wird auch von framesemantischen Ansätzen verfolgt (vgl. Ruppenhofer et al. 2016). 26 Liegen z. B. zwei synonyme Lexemeinträge vor und legt man für einen dieser Einträge eine Abstraktionsbeziehung zu einem dritten Lexemeintrag an, dann könnte für den synonymen Lexemeintrag ebenfalls eine Abstraktionsbeziehung zum dritten Lexemeintrag angelegt werden. Eine automatisierte Ergänzung von Relationen ist auch bei den begriffsystemkonstituierenden Beziehungen möglich: Abstraktionsbeziehungen sind z. B. transitiv, sodass weitere Abstraktionsbeziehungen aus explizit angelegten Abstraktionsbeziehungen geschlussfolgert werden können. Wenn die Relationen Metallbücherschrank hat Oberbegriff Bücherschrank und Bücherschrank hat Oberbegriff Schrank gelten, dann gilt implizit auch Metallbücherschrank hat Oberbegriff Schrank (Beispiel entnommen aus DIN 2330: 1980-04). Susanne Arndt 68 5.3 Prinzip der Zeichenorientierung Die vorangegangene Diskussion sollte deutlich machen, dass eine einheitliche und explizite Modellierung der unterschiedlichen Relationstypen, die in den Kapiteln 5.2.1 und 5.2.2 diskutiert wurden, nur bei Unversehrtheit sprachlicher Zeichen stattfinden kann. Zeichenorientierung verstehe ich dabei als Ansatz zur Verwaltung von Terminologie, wonach ein terminologischer Eintrag ein einzelnes lexikalisches Element als mindestens bilaterales Zeichen mit formaler und semantischer Dimension beschreibt, wobei die semantische Dimension durch eine einzige Lesart gekennzeichnet ist. Durch Einhaltung dieses Prinzips ist eine einheitliche Meta-Modellierung der Relationstypen möglich, wie ich sie Kapitel 5.2.1 dargelegt habe. Darüber hinaus ist auch eine explizite Modellierung aller Relationen zwischen fachlexikalischen Einheiten mit formaler und semantischer Dimension möglich. Ein Beispiel für die integrierte Modellierung zeigt Abbildung 10, in der die beiden Beispiele aus Abbildung 1 ebenfalls wieder aufgegriffen werden. Sie sind hier erneut so dargestellt wie in Abbildung 6. Sie enthält wieder Synonymie- und Homonymierelationen, die ich in Kapitel 5.2.1 als begriffseintragskonstituierende Relationstypen beschrieben hatte. Zudem wurde ein neues Zeichen hinzugefügt, das das Lexem mit dem Terminus Bezeichnung und der Definition „Repräsentation eines Begriffs mit sprachlichen oder anderen Mitteln“ (DIN 2342: 2011-08) repräsentieren soll. Grafisch ist es durch eine neue Linienart von den anderen Zeichen abgesetzt. Dieses steht in einer Abstraktionsbeziehung zu den drei synonymen Zeichen (Fachausdruck, Benennung, Terminus als „sprachliche Bezeichnung eines Allgemeinbegriffs aus einem Fachgebiet“) aus der DIN 2342: 2011-08. Abb. 10: Zeichenorientierte begriffseintragskonstituierende und begriffssystemkonstituierende Relationierung Zeichenorientierung als Prinzip der relationalen semasiologischen Terminologiearbeit 69 Dieser Ansatz kommt praktisch der in Kapitel 4 beschriebenen textzentrierten Methodik der Terminologiearbeit entgegen, berücksichtigt die diskursive Konstitution von Begriffen mit sprachlichen Zeichen und unterstützt die Dokumentation terminologischer Zwischenstände (siehe Kapitel 5.2). 6. Fazit und Aussicht Der Beitrag stellt einen zeichenorientierten, semasiologischen Ansatz zur Terminologiemodellierung vor und grenzt diesen von einer begriffsorientierten, onomasiologischen Modellierung ab. Hierbei wurden sowohl Vorals auch Nachteile beider Ansätze diskutiert. Insbesondere für eine theoretische Konzeption verschiedener Relationstypen und ihre praktische Anwendung hat der onomasiologische Ansatz Nachteile einer uneinheitlichen Metamodellierung dieser Relationstypen. Mit dem Prinzip der Zeichenorientierung kann diese Problematik behoben werden. Insbesondere in Kombination mit dem trilateralen (varietätenbezogenen) Zeichenmodell kann die explizite Relationierung von Terminologien eine oben bereits angesprochene kontrastive Terminographie ermöglichen. Mit den begriffssystemkonstituierenden Relationen wird das Wissenssystem einer Theorie oder Domäne abgebildet. Mit den begriffseintragskonstituierenden Relationstypen können dagegen die Unterschiede und Gemeinsamkeiten der als Wissenssystem zusammenhängenden sprachlichen Zeichen zweier Gebiete gegeneinander abgewogen werden. Hierbei ist es ggf. nicht adäquat nur einzelne Elemente miteinander zu vergleichen und zu relationieren, sondern es bedarf auch Relationen zwischen Teilsystemen. Dies an fachsprachlichen Daten zu demonstrieren steht meiner Meinung nach noch weitestgehend aus. Vorbilder hierzu wären jedoch in der Framesemantik oder aber in informatischen Ontologien zu finden. Hier denke ich insbesondere an Eigenschaften wie Vererbung innerhalb semantischer Netze aber auch zwischen Netzen oder Frames. Zur besseren Durchdringung terminologischer Ressourcen durch ihre Nutzer könnten zudem auf der Grundlage von semantischer und formaler Ähnlichkeit Relationstypen mit Warnfunktion weiter systematisiert werden. Hierfür bedarf es jedoch einer weitergehenden Reflexion des Konzepts der semantischen und formalen „Ähnlichkeit“. Hierauf wird Arndt (i. Vorb.) detaillierter eingehen. Des Weiteren wäre es sinnvoll, Anwendungsfelder zu finden, in denen einzelne Warnrelationen einen sinnvollen Beitrag zur Kommunikationsoptimierung leisten können. Dies beinhaltet auch die Integration in Tools (z. B. Terminologieprüftools, in Texte integrierte Glossare). Hierbei müssten Differenzen rezeptiver und produktiver Sprachhandlungen oder auch der Unterschied zwischen ein- oder mehrsprachiger Kommunikation berücksichtigt werden. Je nach Terminologienutzer müsste auch die Zugänglichkeit und Verständlichkeit von Warnrelationen evaluiert werden. Susanne Arndt 70 Literatur Adamzik, Kirsten (2008): Fachsprachen als Varietäten. In: Hoffmann, Lothar/ Kalverkämper, Hartwig/ Wiegand, Herbert Ernst (Hg.): Fachsprachen. Bd. 1. Ein internationales Handbuch zur Fachsprachenforschung und Terminologiewissenschaft. (= Handbücher zur Sprach- und Kommunikationswissenschaft 14.1). Berlin/ New York: De Gruyter, S. 181-189. Arndt, Susanne (i. Vorb.): Terminologieverständlichkeit. [Unveröffentlichtes Manuskript]. Technische Universität Braunschweig. Arndt, Susanne/ Schnäpp, Dieter/ Müller, Sven/ Ladkin, Peter (2018): Harmonie in der Terminologie mit neuronalen Netzen. etz - elektrotechnik und automation 11, S. 62-65. Arntz, Reiner/ Picht, Heribert/ Schmitz, Klaus-Dirk (2014): Einführung in die Terminologiearbeit. 7., vollst. überarb. u. aktual. Aufl. Hildesheim u. a.: Olms. Busse, Dietrich (2016): Frame-Semantik. Ein Kompendium. 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Für die Normierung einer interlingualen Ontologie werden Grundsätze zur Bildung von Begriffen und von Termini vorgeschlagen. Zwischen den Begriffen bestehen eine Menge von vordefinierten konzeptuellen Relationen, die sie in systematische Beziehungen zueinander setzen und es sowohl dem Verwalter ermöglichen, das System konsistent zu halten, als auch dem Benutzer, im Begriffssystem zu navigieren. Keywords: linguistische Ontologie, linguistische Terminologie, mehrsprachige Terminologie, konzeptuelle Relationen, grammatische Begriffe 1. Einleitung Termini sind Ausdrücke, die mit wissenschaftlichen Begriffen gepaart sind, und damit Significantia sprachlicher Zeichen (Genaueres in Abschnitt 6.1). Als solche sind sie der sprachlichen Variation und dem lexikalischen Wandel ausgesetzt ganz ebenso wie jedes Sprachzeichen. Man kann das nicht ändern, aber man kann es kontrollieren. Diesen Zweck erfüllt die terminologische und begriffliche Systematik einer wissenschaftlichen Disziplin. Eine solche Systematik in einer bestimmten kognitiven Domäne oder wissenschaftlichen Disziplin nimmt die praktische Form einer Datenbank an; genauer nach aktuellem Sprachgebrauch gesagt, sie wird als Ontologie implementiert. Da sind den Begriffen Termini und Definitionen zugeordnet. Eine solche begriffliche Systematik verfolgt theoretische und praktische Zwecke gleichzeitig: 1) Sie bildet ein konsistentes Netz wissenschaftlicher Begriffe und leistet so einen Beitrag zur Theoriebildung in der Disziplin. 2) Sie unterrichtet über die zwischen den Begriffen bestehenden konzeptuellen Relationen. 3) Sie unterrichtet, in onomasiologischer Perspektive, über die für einen Begriff zur Verfügung stehenden Termini und dient der Auffindung eines Terminus für einen gegebenen Begriff. DOI 10.2357/ 9783823392934 SDS 82 (2020) Christian Lehmann 74 4) Sie dient, in semasiologischer Perspektive, der Information über den von einem gegebenen Terminus bezeichneten Begriff. Lexika natürlicher Sprachen können nicht leicht interlingual sein, weil sich nicht nur die Ausdrücke, sondern auch die Wortbedeutungen, also die Begriffe, verschiedener Sprachen unterscheiden. Insoweit das der Fall ist, reduziert sich das lexikalische Netz nicht auf die Assoziation der Ausdrücke verschiedener Sprachen mit einem gemeinsamen Vorrat von Begriffen; vielmehr besteht zwischen Ausdrücken und Begriffen eine n : n-Zuordnung. Bei wissenschaftlichen Terminologien ist die Situation günstiger in dem Maße, in dem die Begriffe der betreffenden Disziplin international einheitlich festgelegt sind. Bei der grammatischen Terminologie ist das in nennenswertem Maße der Fall. Hier ist der Unterschied zwischen einer einzelsprachlichen und einer interlingualen begrifflichen Systematik erheblich geringer. Im Idealfall gibt es ein allen beteiligten Sprachen gemeinsames System von Begriffen, denen die Termini mehrerer Sprachen in derselben Weise zugeordnet sind, wie sie es in einer einsprachigen Systematik sind. Im Falle der grammatischen Terminologie will man Benutzer unterschiedlicher Vorbildung bedienen: Die Ontologie will sowohl den professionellen Linguisten als auch den Lehrer und Schüler im Grammatikunterricht unterstützen. Es sind daher zwei Versionen denkbar, eine für den Fachlinguisten bestimmte, die den Erfordernissen wissenschaftlicher Stringenz genügt, und eine für den Laien bestimmte, die ihm mit Erläuterungen und Vereinfachungen entgegenkommt. Freilich sind die beiden Versionen nicht unabhängig voneinander. Die wissenschaftliche Terminologie ist fundamental. Die Schulterminologie muss auf ihr basieren, muss ein Derivat davon sein. Man kann nicht eine funktionierende Schulterminologie ex nihilo, will sagen ohne Bezug zu wissenschaftlichen Begriffen, schaffen. 1 Das Institut für Deutsche Sprache Mannheim erstellt in seinem Projekt grammis ein Modul ‘Wissenschaftliche Terminologie’ (2000 ff.). Die Systematik ist auf der Webpräsentation des IDS verfügbar. 2 Ebenfalls online verfügbar ist die ‘Terminological and bibliographical database’, genannt LiDo ([Lehmann] 2000 ff.), die eine multilinguale linguistische Ontologie bereitstellt. Auf beide Systeme wird im Folgenden zur Illustration Bezug genommen, wobei gelegentlich das erstere als monolinguales dem letzteren als multilingualen System gegenübergestellt wird. 1 Das betrifft die Listen zur grammatischen Terminologie, die derzeit auf www.grammatische terminologie.de/ liste.htm (Stand: 31. 5. 2017) angeboten werden. 2 Die wissenschaftliche Terminologie wird derzeit (Herbst 2018) inhaltlich überarbeitet. Interlinguale grammatische Begriffe 75 2. Normierung Die Standardisierung einer wissenschaftlichen Fachterminologie unterscheidet sich in mancher Hinsicht von der Standardisierung anderer Dinge und insbesondere einer Sprache. Letztere wird man, soweit möglich, auf deskriptiver und soziolinguistischer empirischer Forschung begründen und gegen die Mehrheit der Sprachgemeinschaft gerichtete Entscheidungen vermeiden. Ein wissenschaftlicher Standard hingegen ist nicht lediglich das von einer Mehrheit oder im Durchschnitt einer Population erreichte Qualitätsniveau. Der oberste Maßstab für eine Wissenschaft ist Wahrheit bzw. Richtigkeit. Wissenschaft wird vorangebracht, wenn nachgewiesen wird, dass die communis opinio n i c h t zutrifft. So kann es auch bei der Begriffs- und Terminologiebildung durchaus nötig sein, vom mehrheitlichen Usus abzuweichen. Insofern bildet eine Standardisierung wissenschaftlicher Begriffe und Termini nicht lediglich einen Standard ab, sondern sie gibt eine Norm vor. Es wäre daher richtiger, hier von Normierung als von Standardisierung zu sprechen. Die Frage, wer denn in einer wissenschaftlichen Disziplin in einer Position ist, eine Norm für andere zu setzen, erübrigt sich. Wie überall in der Wissenschaft ist jedermann frei, Beiträge zu leisten und den Beiträgen anderer zu folgen oder sie zu verwerfen. Auch Normierungen sind Vorschläge, die sich durchsetzen oder nicht. Daraus ergibt sich die Frage, wozu man versuchen sollte, einen Aspekt der Wissenschaft zu normieren, wenn doch Wissenschaft ihrem Wesen nach frei ist. Es ist jedoch Freiheit von Beliebigkeit zu unterscheiden. Beliebigkeit ist individuelle Variation, die nicht in gesetzmäßiger Weise auf ein Ziel bezogen ist. Vieles an alltäglicher wissenschaftlicher Praxis ist tatsächlich beliebig und dient darin nicht der Wissenschaft. Vielmehr dient es der Wissenschaft, wenn Beliebigkeit eingeschränkt wird. Die nächste Frage ist sodann, in welchen Bereichen man wissenschaftliche Praxis normieren kann und soll. Wissenschaft ist eine zielgerichtete Tätigkeit. Die Ziele selbst kann und will man nicht normieren. Aber die bekannten Mittel sind nicht alle gleich gut zur Erreichung der Ziele geeignet. Darüber hinaus herrscht in den verwendeten Mitteln viel Beliebigkeit, die nicht in systematischer Weise auf die Ziele bezogen, sondern im Wesentlichen irrational ist. Auf der Ebene wissenschaftlicher Methodik und Praxis gibt es reichlich Möglichkeiten der Normierung. Solche Normen entlasten den, der sie befolgt, und garantieren gleichzeitig ein gewisses handwerkliches Qualitätsniveau. Auf linguistischem Gebiet sind z. B. das Internationale Phonetische Alphabet für die schriftliche Repräsentation lautlicher Daten (IPA 1999) und die Regeln für die interlineare morphologische Glossierung (Lehmann 2004; Comrie et Christian Lehmann 76 al. 2015) Beispiele von Normen, die von vielen Fachgenossen akzeptiert werden. Aus verschiedenen Gründen, die nicht alle für die Zunft schmeichelhaft sind, folgen manche Wissenschaftler existenten Normen nicht. Insbesondere sind beobachtbare Abweichungen von beiden genannten Normen fast nie Verbesserungen, sondern bleiben hinter deren wissenschaftlichem Niveau zurück. Die Existenz solcher Abweichungen gibt also kein Argument gegen die Einführung von Normen auf dafür geeigneten Feldern ab. Zur Methodologie gehören auch die Begriffsbildung und die Terminologie. Es gibt Varianten von Begriffen und Termini, die weniger gut sind als ihre Alternativen, und es gibt völlig isofunktionelle Varianten, wo die Variation lediglich Unsicherheit und Verwirrung stiftet, weil man nicht ohne weiteres weiß, ob die Varianten verschiedene Zwecke erfüllen. Diese beiden Arten von Variation werden durch Normierung eingedämmt. Man kann alternative Begriffe und Termini nicht gänzlich und ein für allemal ausrotten, denn das würde eine vollständige und konsistente Theorie über den Gegenstandsbereich voraussetzen, welche einer fernen Zukunft vorbehalten bleibt. Dass sich die Bildung wissenschaftlicher Begriffe und Termini bis zu einem gewissen Grad normieren lässt, setzt übrigens auch der DIN-Normenausschuss Terminologie (NAT bzw. NA 105) voraus, der für Termini die Grundsätze der Eindeutigkeit, Vernetzung und Transparenz fordert. Im folgenden werden fünf Aspekte des Gegenstandsbereichs unterschieden: 1) die Bildung von Begriffen, 2) die Bildung von Termini, 3) die Zuordnung von Termini zu Begriffen, 4) der interlinguale Charakter von Begriffen und Termini, 5) die begriffliche Systematik. Jeder von ihnen begründet einen der Abschnitte 3-7 dieses Beitrags. 3. Bildung von Begriffen Wenn es eine mechanisch anwendbare Methode gäbe, um festzustellen, wie man wissenschaftliche Begriffe bildet, wären Disziplinen wie die Linguistik (zu schweigen von der Literaturwissenschaft) sehr viel uniformer. Stattdessen folgen hier eine grundsätzliche Darlegung über das Wesen grammatischer Begriffe und eine Faustregel für deren Pflege. Alles weitere gehört in die in Abschnitt 7 ausführlich besprochene begriffliche Systematik. Interlinguale grammatische Begriffe 77 3.1 Semiotischer Charakter grammatischer Begriffe Grammatische Begriffe sind Begriffe von Sprachzeichen inkl. Konstruktionen. Sie haben ebenso wie diese eine Ausdrucks- und eine Inhaltsseite; genauer gesagt: Die sie konstituierenden Merkmale betreffen die Ausdrucks- und die Inhaltsseite der durch sie umfassten sprachlichen Zeichen. Man kann eine grammatische Kategorie daher nicht einseitig nur semantisch/ funktional oder nur formal/ strukturell definieren. Z. B. kann man das Adjektiv weder als Eigenschaftswort definieren, denn alle Sprachen haben Eigenschaftswörter, aber nicht alle haben Adjektive, noch kann man es durch formale Eigenschaften wie die Komparierbarkeit definieren, denn das ist eine morphologische Kategorie von nur wenigen Sprachen. Stattdessen definiert man es als Mitglied einer Wortart, deren primäre Funktion die Modifikation nominaler Ausdrücke ist (siehe Abschnitt 6.2). Das Prinzip der in diesem Sinne „hybriden“ Konstitution grammatischer Begriffe liegt auch den allermeisten in grammis gebotenen Definitionen zugrunde. Ein in diesem Sinne gelungenes Beispiel ist die Definition von − Adhortativform: Die Adhortativform ist eine spezielle Form der Aufforderung, mit der sich der Sprecher selbst in den Kreis der Aufgeforderten einbezieht […] Die Adhortativform zeichnet aus: Verberst-Stellung und Verbform 1. Person Plural Präsens. Freilich wird die Ausdrucksseite der Definition in grammis immer durch spezifisch deutsche Ausdrucksphänomene angegeben, wie hier die Verberststellung. Das muss nicht so sein, wie einige weiter unten (z. B. in Abschnitt 6.2) gemachten Definitionsvorschläge demonstrieren. Durch ihren strukturellen Anteil unterscheiden sich grammatische Begriffe von Begriffen kognitiver und kommunikativer Größen, denen sie zugeordnet sind. Dieser Unterschied bestimmt das Verhältnis von Begriffspaaren wie ‘Adjektiv vs. Eigenschaftswort’, ‘Tempus vs. Zeit’, ‘Plural vs. Mehrzahl’ u. v. a. m. Die Art dieser Zuordnung ist im Einzelfall sehr komplex. Identisch sind grammatischer Begriff und kognitiv-kommunikativer Begriff jedoch nie. Für eine Verständigung über die Problematik ist es bereits in der Schule wesentlich, die beiden Ebenen auch terminologisch auseinanderzuhalten (siehe Abschnitt 4.1). 3.2 Traditionell etablierte Begriffe Eine wissenschaftliche Begriffssystematik ist aus mehreren Gründen ein konservatives Unterfangen. Sie will den Benutzer daran erinnern, dass es in der Disziplin eingeführte Begriffe und Termini gibt, die man zur Vermeidung von Aufwand und Verwirrung besser weiter benutzt, anstatt neue zu ersinnen, Christian Lehmann 78 und will dafür sorgen, dass man traditionelle Termini weiter in dem einmal definierten Sinne benutzt, anstatt sie umzuwidmen. Wenn sich ein Begriff in mehreren linguistischen Traditionen über lange Zeit bewährt hat, sollte man nicht ohne guten Grund daran rühren. Als Beispiel mag die Unterscheidung von Wurzel und Stamm dienen. Sie ist seit Anfang des 19. Jahrhunderts in der historisch-vergleichenden Sprachwissenschaft geläufig, figuriert in der englischen Linguistik unter den Termini root vs. stem, in der französischen unter racine vs. thème und in gleicher Weise in anderen linguistischen Traditionen. In der Germanistik ist sie wenigstens Heidolph et al. (1981, z. B. S. 500) geläufig. Die Termini sind wie folgt definiert: − Wurzel: Eine Wurzel ist 1) ein lexikalisches Morphem, 2) auch das Kernmorphem eines grammatischen Worts. Beispiele (Wurzel hervorgehoben): 1) Leit-bild-es, Leit-ung-en, ver-leit-et-est, 2) von, jen-es. − Stamm: Ein Stamm ist der lexikalische Teil einer Wortform, der ihr Lexem repräsentiert, also nach Abzug jeglicher Flexion. Ein Stamm enthält mindestens eine Wurzel. Beispiele: Leitbild-es, Leitung-en, leit-etest, verleit-etest. Weder grammis noch die Dudengrammatik (1984) noch Gallmann/ Sitta (1998) kennen den Unterschied zwischen Stamm und Wurzel und gebrauchen den Ausdruck Stamm i. S. v. „Wurzel“. grammis führt beim Lemma Stamm als „thematisch verwandte Bezeichnungen“ u. a. den Terminus Wurzel auf. Im selben Artikel glaubt grammis, dass wenn der Ausdruck Stamm in der Wortbildung verwendet werde, er die Basis einer Wortbildung bezeichne, und will „zur Vermeidung von Missverständnissen“ in diesem Sinne das Wort Basis verwenden. Hier liegt tatsächlich ein mehrfaches Missverständnis vor. In der Wortbildung ganz wie sonst in der Linguistik bezeichnet der Ausdruck Stamm das oben Definierte. Er kann nicht die Basis eines Wortbildungsprozesses bezeichnen aus dem einfachen Grunde, weil ein Stamm sowohl die Basis als auch das Resultat eines Wortbildungsprozesses sein kann. Z. B. ist der Stamm Bildung einerseits die Basis des Kompositums Wortbildung und andererseits das Resultat einer Ableitung von der Wurzel bild-. Aus eben diesem Grunde ist übrigens Stammbildung ein alternativer Terminus für Wortbildung. Zweitens ist Stamm ein absoluter, Basis ein relationaler Begriff. D. h., ein gegebener Ausdruck ist unabhängig von allem anderen entweder ein Stamm, oder er ist es nicht. Aber ein Ausdruck ist nicht schlechthin eine Basis, sondern ist die Basis eines Wortbildungsprozesses, nämlich der Operand dieser Operation. Dies ist außerdem ein Beispiel dafür, dass Interlingualität auch ein Gütekennzeichen einer wissenschaftlichen Ontologie ist. Interlinguale grammatische Begriffe 79 4. Bildung von Termini 4.1 Anforderungen an Benennungen Ein Terminus ist ein Ausdruck für einen definierten Fachbegriff. Da das Bezeichnete ein Begriff ist, können Namen keine Termini sein. Das betrifft z. B. Namen von Wissenschaftlern wie Frege und Namen von Sprachzeichen wie ‘sein’ und ‘haben’. Wenn diese einen Platz in einer linguistischen Ontologie bekommen, so aus Gründen der praktischen Nützlichkeit und nicht deswegen, weil sie Termini wären. Begriffe gehören keiner Wortart an. Aber Termini haben gemäß einer wissenschaftstheoretisch und also philosophisch begründeten Konvention Substantive zu sein, und zwar, da Namen nicht infrage kommen, Appellativa. Wörter anderer Wortarten werden in der Wissenschaft durchaus häufig in terminologisch normierter Weise gebraucht. Linguistische Beispiele sind Adjektive wie arbiträr, finit und monovalent oder Verben wie regieren und modifizieren. Solche Ausdrücke sind auf Substantive zu beziehen. Z. B.: regieren →- Rektion, adjazent → Adjazenz. Dieser Grundsatz betrifft jedoch lediglich die Lemmatisierung. In semantischer und auch struktureller Hinsicht ist in vielen Fällen das Substantiv ein von einem Adjektiv oder Verb abgeleitetes Abstraktum und insofern komplexer als seine Basis. In solchen Fällen definiert man das Basiswort. I. A. ist die Derivation des Abstraktums transparent genug, dass man diese nicht eigens erläutern muss. Z. B.: − Adjazenz: (Adjazenz ist die Eigenschaft sprachlicher Einheiten, adjazent zu sein.) Zwei sprachliche Einheiten sind adjazent, wenn sie im Text unmittelbar nebeneinander stehen. Sodann stellt man in der Benutzerschnittstelle der Datenbank die morphologisch zugehörigen Nicht-Substantive auch für die Suche zur Verfügung. Aber ebenso wie bei Nicht-Standardtermini wird der Benutzer zu einem Artikel geführt, dessen Lemma mit seinem Suchwort nicht übereinstimmt, sondern eben den (Standard-)Terminus repräsentiert. Bei der Bildung von Fachtermini und der Wahl zwischen alternativen Termini sind die wichtigsten Kriterien die folgenden (vgl. auch die DIN 2330: 2013-07): 1) Vermeidung von Synonymie (siehe Abschnitt 5.1), 2) Vermeidung von Mehrdeutigkeit (siehe Abschnitt 5.2), 3) sprachliche Form (siehe Abschnitt 4.2): a) Kompositionalität (Durchsichtigkeit), Christian Lehmann 80 b) Einpassung ins Wortbildungsmuster, c) Handlichkeit; 4) Internationalität (siehe Abschnitt 6.3). 4.2 Sprachliche Form Fachtermini sind ohnehin allermeist das Resultat von Wortbildung und also morphologisch komplex. Wenn das schon so ist, dann sollte man die damit gegebene Möglichkeit der Einschränkung der Arbitrarietät 3 des Sprachzeichens nutzen und die semantische Struktur eines Wortfeldes - einer Menge von Termini - durch die Struktur der Termini spiegeln. Hat man z. B. den Terminus Präposition für ein Verhältniswort, das seinem Komplement vorangeht, dann nennt man ein Verhältniswort, das seinem Komplement folgt, Postposition und nicht nachgestellte Präposition (grammis). Die grammatische Terminologie fußt in morphologischer Hinsicht auf dem lateinischen und griechischen Wortschatz und folgt soweit möglich den Wortbildungsmustern dieser Sprachen. Daran festzuhalten ist kein steriler Bildungsdünkel, sondern bietet klare Vorteile gegenüber den existenten Alternativen. Derzeit würden diese im Wesentlichen auf englisch-basierte Terminologie hinauslaufen. Im Deutschunterricht war es seit dem 19. Jahrhundert üblich, die traditionellen lateinisch-basierten grammatischen Termini zu verdeutschen und z. B. Fall statt Kasus und Beugung statt Flexion zu sagen. Dies behindert insoweit lediglich die internationale Verständigung über grammatische Sachverhalte. Darüber hinaus wird es jedoch für die metasprachliche Verständigung auf Deutsch schädlich, wenn dabei die Termini für kognitiv-kommunikative Begriffe als grammatische Termini benutzt werden, wenn also Eigenschaftswort statt Adjektiv und Geschlecht statt Genus gesagt wird; denn dann ist der Zugang zu einer rationalen Analyse des Verhältnisses zwischen grammatischen und kognitiv-kommunikativen Begriffen von Anfang an verbaut. Bereits das Verzeichnis grundlegender grammatischer Fachausdrücke der Kultusministerkonferenz von 1982 beschränkte sich deshalb ganz überwiegend auf die lateinisch basierten Termini. Dem folgen auch die jüngeren germanistischen Behandlungen der deutschen Grammatik einschließlich grammis. Daher besteht Hoffnung, dass dieses Prinzip endlich auch im Deutschunterricht der Schule ankommt. Der Grundsatz schließt die Wortbildungsmuster von Neologismen ein. Seit ein paar Jahren geistern neue Benennungen optativer Modalität durch die linguistische Literatur, die auf Englisch abwechselnd boulomaic, boulomatic und 3 Ein Gutachter macht darauf aufmerksam, dass Arbitrarität die gebräuchlichere Variante ist, was leider zutrifft. Vgl. Abschnitt 2. Interlinguale grammatische Begriffe 81 bouletic lauten. Wenn man schon glaubt, dass Modalitäten griechische Namen tragen müssen, dann wäre die korrekte Ableitung von dieser Wurzel jedenfalls boulematic. Da jedoch das Gemeinte offenbar gar nichts mit Willen, sondern mit (Ver-)Wünschen zu tun hat, wäre euchetic wohl der passendere Neologismus. 4 Wer soll denn für die formal korrekte Bildung auf griechischen und lateinischen Wortstämmen basierender wissenschaftlicher Termini sorgen, wenn schon die Linguisten dazu nicht in der Lage sind? Vielleicht sollten sie diese Aufgabe an die Biologen oder die Mediziner abtreten; die haben jedenfalls bis heute kein Problem mit der griechischen und lateinischen Terminologie ihrer Taxonomien und Meronomien. Ein durch Wortbildung gebildeter Terminus sollte kompositionell sein; d. h., er sollte das bedeuten, was er nach seinem Ausdruck zu bedeuten scheint. Kompositionalität ist der wichtigste Aspekt der Verständlichkeit, denn Termini, die dieses Erfordernis verletzen, sind falsche Freunde. Tadellos in diesem Sinne ist z. B. der Ausdruck adnominal. Schlecht hingegen sind Termini wie Nachsilbe (für Suffix) oder Akkusativobjekt (für direktes Objekt), denn Suffixe sind keine Silben und direkte Objekte stehen nicht immer im Akkusativ, ebenso wie im Akkusativ stehende Dependenten nicht immer Objekte sind. Weder in die Wortfamilie eingepasst noch kompositionell ist folgendes Beispiel (grammis): − Implizite Derivation: Unter impliziter Derivation versteht man die Bildung von Wörtern durch Ablaut. Implizite Derivation gibt es ausschließlich bei der Derivation von Verben aus Verben (z. B. trinken → tränken; sitzen → setzen). Hier ist zunächst unklar, was an diesem Wortbildungsprozess implizit sein soll. Der Terminus stiftet Verwirrung mit dem benachbarten Wortbildungsprozess der Konversion, der in der Tat im üblichen Sinne implizit ist. Zweitens ist die gemachte Einschränkung - die implizit sicher für das Deutsche gelten soll - hinfällig, denn Derivation durch Ablaut erzeugt auch Substantive wie Sprung von der Basis spring. Und drittens werden die aufgeführten Kausative nicht lediglich durch Ablaut gebildet, sondern durch eine komplizierte Kombination von Ablaut und Umlaut. Fazit: Das Gemeinte sollte eher ‘Derivation durch innere Modifikation’ (oder schlimmstenfalls ‘interne Derivation’) heißen. 4 In diesem Sinne lautet das Adjektiv zu Aphasie aphatisch und nicht aphasisch, wovon man sich leicht durch einen Vergleich mit Poesie - poetisch, Häresie - häretisch u. v. a. m. überzeugt. Weitere missgebildete Neologismen sind der am 20. 3. 2017 auf linglist lancierte genifier, der die Vereinigungsmenge der Designate von gender und nominal classifer bezeichnen soll, sowie das auf grammis s. v. Basis angebotene Konvertat. Christian Lehmann 82 Ein anderes Beispiel derselben Art ist Satzmodus (grammis und auch sonst in der Germanistik häufig), gelegentlich auch Satzart genannt. Da dies der Oberbegriff für deklarative, interrogative, exklamative usw. Sätze sein soll, hat er mit Modus offensichtlich nichts zu tun. Das Gemeinte heißt auf Englisch sentence type, auf Französisch type de phrase, und entsprechend in anderen Sprachen. Es sollte also auf Deutsch Satztyp heißen. Handlichkeit schließlich ist möglichste Kürze. Wenn es sonst kein Kriterium der Wahl zwischen Synonymen gibt, dann sagen wir Bivalenz statt Zweistelligkeit und Apostroph statt Auslassungszeichen. 5. Zuordnung von Ausdruck und Inhalt Ebenso wie in jeder natürlichen Sprache existieren auch in wissenschaftlichen Terminologien zahlreiche Abweichungen von einer 1 : 1-Zuordnung zwischen Ausdruck und Inhalt. Diese sind aber den Zielen der Wissenschaft abträglich; und deshalb ist ein erklecklicher Anteil der Normierung mit der Eindämmung von Synonymie und Polysemie wissenschaftlicher Termini befasst. 5.1 Synonymie Synonyme (i. e. Vollsynonyme) sind - außer zu poetischen Zwecken - überflüssig und führen zu Verwirrung, wenn der Tatbestand ihrer Synonymie nicht explizit gemacht wird. Es ist daher nicht nötig, neben Progressiv auch Verlaufsform zu haben, neben Nebensatz auch subordinierter Satz usw. Man muss die Synonyme zwar nicht ausmerzen. Aber man muss sich zu der Frage verhalten, ob nun Nebensatz und subordinierter Satz synonym sind oder nicht. Und man muss für einen bestimmten Zweck - z. B. den schulischen Sprachunterricht oder eine terminologische Datenbank - einen der synonymen Termini zum Standard erklären. Bei der Erstellung einer Ontologie impliziert die Auszeichnung eines Terminus aus einer Menge synonymer Termini als Standardterminus nicht notwendigerweise ein Urteil in dem Sinne, dass der Standardterminus der allein korrekte und die anderen zu meiden wären. Das mag in gewissen Fällen dahinterstecken, ist aber nicht die Motivation für diese Form der Normierung. Die Festlegung eines Standardterminus ist vielmehr in erster Linie für das Funktionieren der Datenbank nötig: Um Beziehungen vom Lemma zu anderen Begriffen darzustellen und verfügbar zu machen, muss man diese anderen Begriffe einheitlich benennen; und dazu dient eben der Standardterminus. Die Datenbank ist bei den Suchmöglichkeiten liberaler als in ihrer internen Systematik. Mit anderen Worten, sie bietet dem Benutzer pertinente Information in Reaktion auf von ihm gewählte Suchwörter; aber diese Information ist Interlinguale grammatische Begriffe 83 ihrerseits systematisch angeordnet und präsentiert. Beim Lemma werden synonyme Termini aufgeführt. Z. B.: − Bivalenz: Zweiwertigkeit, Zweistelligkeit. In solchen synonymen N-Tupeln ist ein Terminus der Standardterminus, die anderen sind der terminologischen Datenbank auch bekannt. Das bedeutet, dass wenn man nach einem beliebigen davon sucht, man jedenfalls zu dem Eintrag gelangt, der unter dem Standardterminus lemmatisiert ist. Freilich ist zwischen Synonymen und Erläuterungen zu unterscheiden (siehe Abschnitt 7.2). Ein erläuternder Ausdruck, der dem Verständnis eines Fremdwortes dient, wie Wortbaustein statt Morphem, ist kein „anderer gebräuchlicher Terminus“, 5 sondern bestenfalls eine gelungene Metapher. Selbst wenn man es wünschenswert findet, dass alle Fachleute sich auf einen der synonymen Termini festlegen, kann man die Geschichte der Disziplin mit ihrer wechselhaften Terminologie nicht ungeschehen machen. Ein wesentlicher Zweck eines terminologischen Wörterbuchs ist der einer (auch historischen) Semasiologie des Fachgebiets: Der Benutzer ist in der Fachliteratur - die aus vergangenen Jahrhunderten stammen mag - auf einen unbekannten Terminus gestoßen und sucht dafür eine Erklärung. Diesem Benutzer ist nicht geholfen, wenn obsolete Termini aus der Systematik verbannt sind. Ihm ist stattdessen gut geholfen, wenn er nicht nur eine Definition findet, sondern auch noch anhand ihres Lemmas sieht, dass derzeit ein anderer Terminus für dasselbe gebräuchlich ist bzw. dass mit dem unbekannten Terminus dasselbe gemeint ist wie mit einem ihm bereits bekannten Terminus. Andererseits ist die Wahl eines Standardterminus aus einer Menge synonymer Termini auch nicht beliebig. In vielen Fällen liegt Äquivalenz zwischen einem Fremdwort und einem deutschen Wort vor. Aus den in Abschnitt 3.2 genannten Gründen, aber insbesondere auch für die wissenschaftlichen Zwecke einer interlingualen Terminologie wird man sich in solchen Fällen ceteris paribus für das Fremdwort entscheiden (siehe Abschnitt 4.2). Es kommt auch vor, dass zwei Ausdrücke im Kontext der deutschen Sprache synonym sind, nicht jedoch in interlingualem Kontext. Z. B. bedeutet in der deutschen Grammatik Adjektiv dasselbe wie Eigenschaftswort. Nun haben zwar alle Sprachen Lexeme, die Eigenschaften bedeuten; aber nicht alle haben Adjektive. Im LoNkundo (Bantu) z. B. sind Eigenschaftswörter abstrakte Substantive, im Way-pi (Tupí-Guaraní) sind es Verben (Lehmann 2018a, Abschnitt 4.4.3). Folglich ist interlingual Eigenschaftswort ein Hyperonym zu Adjektiv. 5 www.grammatischeterminologie.de/ dateien/ Grammatische_Terminologie_Wort_2013.pdf (Stand: 15. 8. 2019). Christian Lehmann 84 5.2 Homonymie und Polysemie Selbst in der Mathematik gibt es zahlreiche mehrdeutige Termini. Lt. Wikipedia (https: / / de.wikipedia.org/ wiki/ Normierung) bezeichnet der Ausdruck Normierung drei verschiedene mathematische Begriffe. Homonymie muss auch in der Wissenschaft nicht unbedingt ausgemerzt werden, wo der Kontext disambiguierend wirkt. Das funktioniert allerdings erfahrungsgemäß nicht für die schon erwähnte Unterscheidung von grammatischer und kognitiver Kategorie. Der Ausdruck Geschlecht ist homonym (homonym und nicht polysem! ), wenn er sowohl Genus als auch Sexus bezeichnet. Die Homonymie wird vermieden, wenn man die betreffende grammatische Kategorie Genus nennt. Ein anderer immer problematischer Fall ist die terminologische Unterscheidung von syntaktischen Kategorien (Wortgruppen) und syntaktischen Funktionen, etwa Adverbiale (bzw. Adverbgruppe) vs. adverbiale Bestimmung. Die zahlreichen Formen von Polysemie sind kritisch zu prüfen, weil es in wissenschaftlicher Terminologie ja gerade darauf ankommt, eng verwandte Begriffe zu unterscheiden, auch wenn sie landläufig nicht auseinandergehalten werden. Von besonderem Interesse sind hier die systematischen Polysemien. Eine sowohl in der Linguistik als auch anderswo ständig wiederkehrende Polysemie in der Terminologie ist der Wechsel zwischen einem Ausschnitt des Objektbereichs und der ihm gewidmeten Disziplin. Selbst der Ausdruck Terminologie ist davon nicht verschont. Man behilft sich mit dem Ausdruck Terminologielehre für die Disziplin, was wortbildungstheoretisch betrachtet leicht pleonastisch ist. In der Linguistik sind Grammatik, Morphologie, Phonologie und viele andere Gebiete davon betroffen. Eine als Datenbank implementierte Ontologie wie LiDo unterscheidet systematisch zwischen Begriffen und Termini. Es kann ohne weiteres zwei Begriffen derselbe Terminus zugeordnet sein. Die terminologische Datenbank braucht die Termini nicht, um Begriffe zu unterscheiden; dazu dienen ihr die Identifikatoren der Begriffe. Für den menschlichen Betreuer des Systems haben die Begriffe Eigennamen; in LiDo sind das lateinische Eigennamen. Im Falle von Grammatik sind das ‘grammatica [planum obiecti]’ und ‘grammatica [metaplanum]’. Beiden ist in der deutschen Terminologie der Terminus Grammatik zugeordnet. Und daran wird man bis auf Weiteres kaum etwas ändern können. Zahlreiche linguistische Termini bezeichnen eine grammatische Operation und die von ihr zustande gebrachte grammatische Konstruktion bzw. Relation: Ableitung, Apposition, Determination, Subordination u. v. a. m. sind einschlägige Beispiele. In LiDo existiert die konzeptuelle Relation ‘X wird erzeugt von Y’, mit der man auch die Relationsbedeutung und die Operationsbedeutung eines derart polysemen Terminus aufeinander beziehen kann; Interlinguale grammatische Begriffe 85 z. B. ‘Subordination [Relation] wird erzeugt von Subordination [Operation]’. Zwar ist diese Art von Polysemie vollständig regelmäßig und in der Linguistik geradezu erwartbar; und der semantische Unterschied zwischen den solchermaßen bezogenen Begriffen reduziert sich in der Tat auf den zwischen einer Operation und der von ihr erzeugten Konstruktion bzw. Relation. Es scheint sich also kaum zu lohnen, für alle diese Fälle jeweils die Lemmata zu doppeln. Andererseits geht ein Terminus in den beiden Bedeutungen konzeptuelle Relationen zu jeweils anderen Termini ein. Z. B.: ‘Determination [Relation] ist eine syntaktische Relation’ und ‘Determination [Operation] ist eine sprachliche Operation’. Zudem gibt es auch Fälle, wo für die beiden Bedeutungen verschiedene Termini üblich sind. Z. B. erzeugt Verbserialisierung eine Verbserie und Satzspaltung einen Spaltsatz. Die zweckmäßige Lösung ist also, einen derart polysemen Terminus als zwei gleichlautende zu führen und diese durch die Relation ‘X wird erzeugt von Y’ aufeinander zu beziehen. Oft finden sich in der Fachliteratur eine ältere und eine neuere Verwendung eines Terminus. Ein Fortschritt der Wissenschaft kann darin bestehen, dass ein traditioneller Begriff neu gefasst wird. Dann kann es sein, dass in der neueren Verwendung die Definition des etablierten Terminus absichtsvoll und kontrolliert geändert wird. Die neue Verwendung des Terminus ist insoweit gerechtfertigt und kann Standard werden. So z. B. bedingt eine traditionelle Definition des Begriffs ‘Relativsatz’, dass dieser durch ein Relativpronomen (bzw. bei grammis durch ein „Relativelement“) eingeleitet werde. Unter einer solchen Bedingung könnte man die Relativsätze der meisten Sprachen der Welt, einschließlich übrigens bereits der englischen, nicht so nennen. Ein Relativsatz ist ein Nebensatz, der auf die von einem der involvierten Partizipanten besetzte syntaktische Funktion ausgerichtet ist und den so gebildeten Begriff bezeichnet. Er kann im übrigen attributiv, als Nominalsyntagma oder auch korrelativ konstruiert werden. In ein paar Sprachen wie dem Deutschen wird die im Nebensatz gebildete Leerstelle durch eine dedizierte Proform, eben das „Relativelement“, besetzt. In historischer Perspektive erscheint dies als ein Fall von durch wissenschaftlichen Fortschritt entstandene Polysemie eines Terminus. Gleichzeitig aber ist es ein Beispiel für eine übereinzelsprachliche vs. einzelsprachliche Lesung eines Terminus (siehe Abschnitt 6.2). 6. Interlingualität 6.1 Allgemeine Anforderungen Die Praxis von Forschung und Lehre auf allen Ebenen erfordert es, dass wissenschaftliche Begriffe überhaupt und grammatische Begriffe im Besonderen in interlingual kompatibler Weise konzipiert und benannt sind. Wie schwer Christian Lehmann 86 die interlinguale Vereinheitlichung von Begriffen ist, zeigt bereits das Beispiel des Begriffs ‘Terminus’, den die ISO natürlich zu normieren hatte, bevor sie überhaupt anfangen konnte, irgendetwas anderes zu normieren. Aber nicht einmal da ist eine Einigung zustande gekommen. Die ISO 1087-1: 2000-10 definiert wie folgt: − designation: Any representation of a concept. − term: Designation of a defined concept in a special language by a linguistic expression. Die französischen Definitionen sind äquivalent. Die DIN 2342-1: 1992-10 hingegen sagt: − Bezeichnung: Repräsentation eines Begriffs mit sprachlichen oder anderen Mitteln. − Terminus: Das zusammengehörige Paar aus einem Begriff und seiner Benennung als Element einer Terminologie. Wie man sieht, ist nach deutscher Terminologie ein Terminus ein saussuresches Sprachzeichen, während er anderswo ein Significans ist. 6 Beide Konzeptionen haben durchaus etwas für sich. Eine terminologische Datenbank, wie die beiden in Abschnitt 1 genannten, hält jedenfalls Begriffe und Termini getrennt und assoziiert sie in einer Bezeichnungsrelation miteinander. Sie folgt also nicht der deutschen, sondern der ISO-Definition von ‘Terminus’. Aus der Forderung nach Interlingualität folgt für jegliche Terminologie, dass die in den Abschnitten 3-5 dargestellten Erfordernisse zur Bildung von Termini und Begriffen in den beteiligten Sprachen auf möglichst gleiche Weise eingelöst werden. D. h.: 1) Die Menge der Begriffe, die von einer nationalen Terminologie bezeichnet werden, ist dieselbe wie die von einer anderen nationalen Terminologie bezeichnete Menge. 2) Die Termini haben, so weit wie möglich, die gleichen sprachlichen Basen und Bildungsmuster. 3) Die Zuordnung von Begriffen und Termini ist in den beteiligten Sprachen so analog wie möglich. Eine terminologische Datenbank ist, wie gesagt, auf Mehrfachzuordnungen zwischen Begriffen und Termini vorbereitet, weil sie bereits in einer einzelnen Sprache auftreten. Sie treten natürlich erst recht in einer multilingualen Ontologie auf. Z. B. heißt das Satzadverbial auf Deutsch nur so, auf Englisch jedoch sentence adverbial und adsentential. Die Polysemie von deutsch Apposition wird im Englischen durch apposition gegenüber appositive aufgelöst. Und anderer- 6 Dies wurde in der Neufassung 2011 (DIN 2342: 2011-08) angepasst. Interlinguale grammatische Begriffe 87 seits ist englisch comparison polysem, weil es sowohl „Vergleich“ als auch „Komparation“ bedeutet. Solche multilingualen Verhältnisse stellen in einer systematisch aufgebauten Ontologie kein zusätzliches Problem dar, sondern sind in ihrer Struktur bereits miterledigt. Ein Vergleich der deutschen grammatischen Ontologie mit der von anderen Sprachen ergibt übrigens in nicht wenigen Fällen, dass Termini der letzteren die in den Abschnitten 3-5 vorgetragenen allgemeinen Anforderungen an eine gute Ontologie besser erfüllen als ihre deutschen Gegenstücke. In solchen Fällen ergibt sich die Internationalisierung der deutschsprachigen Ontologie automatisch als Konsequenz aus der Umsetzung jener Anforderungen. Und andererseits wird selbstverständlich niemand einer Internationalisierung die Priorität vor Anforderungen an die intrinsische Qualität einer Ontologie einräumen. 6.2 Interlinguale grammatische Begriffe Für die grammatische Terminologie ist bereits das erste der drei in Abschnitt 6.1 aufgeführten Erfordernisse schwer einzulösen, weil grammatische Begriffe, wie in Abschnitt 3.1 gesagt, semiotischer Natur sind. Die Kategorien, Relationen und Funktionen, nach denen die französische Grammatik strukturiert ist, sind nun einmal nicht dieselben wie in der deutschen Grammatik. Es wäre irreführend, gleiche bzw. übersetzungsäquivalente Termini wie sujet und Subjekt, préposition und Präposition usw. zu benutzen, wenn diese etwas Verschiedenes bedeuteten. Von gewissen Fällen, wo dies in der Tat in schädlicher Weise der Fall ist, wird in Abschnitt 6.3 die Rede sein. Im Allgemeinen aber gilt, dass grammatische Begriffe auf zwei Ebenen definiert sind: 7 1) Ein übereinzelsprachlicher (oder interlingualer) grammatischer Begriff ist ein Begriff für eine grammatische Erscheinung, die in verschiedenen Sprachen auftritt. Er ist in hinreichend allgemeiner Weise definiert, die von den Struktureigenheiten der einzelnen Sprache unabhängig ist (Lehmann 2018b), so dass es auch möglich ist, grammatische Erscheinungen noch zu beschreibender Sprachen darunter zu subsumieren. 2) Ein einzelsprachlicher (oder sprachspezifischer) grammatischer Begriff ist ein Begriff für eine Instantiierung eines übereinzelsprachlichen Begriffs. Sowohl seine funktionale als auch seine strukturelle Komponente sind Spezifikationen des übereinzelsprachlichen Begriffs. Er ist daher im einfachsten Falle ein Hyponym des letzteren. 7 In der allgemein-vergleichenden Sprachwissenschaft ist seit einer Diskussion in der Liste Lingtyp im Januar 2016 der Streit um den interlingualen Status grammatischer Kategorien wieder aufgeflammt. Siehe Haspelmath (2010) und die ‘discussion section’ der Zeitschrift Linguistic Typology 20, 2 (2016). Christian Lehmann 88 Z. B. ist das deutsche Adjektiv ein Adjektiv, und dito ist das englische Adjektiv ein Adjektiv. Entsprechendes gilt für das deutsche und lateinische Futur sowie für den deutschen und französischen definiten Artikel. Andererseits gibt es im Englischen, nicht jedoch im Standarddeutschen einen Progressiv („Verlaufsform“). Daraus folgt jedoch nicht, dass jede Sprache Anspruch auf eine eigene grammatische Begrifflichkeit hätte; denn der englische Progressiv ist nur, ebenso wie der Progressiv des Spanischen, Swahili oder Yukatekischen, eine Instantiierung des interlingualen Progressivs. Wohl trifft es zu, dass der englische Progressiv anders ist als der spanische. Aber das besagt nichts anderes als die Aussage, dass der englische König eine andere verfassungsmäßige Stellung hat als der spanische. Das hindert nicht, beide unter denselben Begriff zu subsumieren und König zu nennen. Ebenso sind die grammatischen Konzepte übereinzelsprachlich begründet und können deshalb mit einheitlichen Termini bezeichnet werden. Im germanistischen Kontext nennt man also das deutsche Futur einfach Futur; im Sprachvergleich dagegen kontrastiert man das deutsche mit dem französischen Futur. Wenn man bei einem interlingualen Begriff die Grundbedeutung anstatt der Gesamtbedeutung angibt, so konzipiert man ihn als prototypischen Begriff. In diesem Falle werden die einzelsprachlichen Ausprägungen verschieden viele der definitorischen Eigenschaften und zusätzlich sprachspezifische aufweisen, die sie in mehr oder weniger große Nähe zur fokalen Instanz rücken. Die prototypische Konzeption grammatischer Begriffe setzt allerdings voraus, dass man eine methodologische Basis zur Identifikation des Prototyps hat, wozu in zahlreichen Fällen noch die typologischen Voraussetzungen fehlen. Grammis enthält eine Fülle von Definitionen grammatischer Begriffe, die sich auf deutsche Eigenheiten der betreffenden Erscheinungen beziehen. Die Definition von ‘Adjektiv’ ist durchaus typisch: − Adjektiv: Adjektive fungieren in erster Linie als Modifikatoren von Nomina und dienen der zusätzlichen Charakterisierung von Gegenständen oder der Zuschreibung von Eigenschaften. Sie flektieren in zwei Flexionsparadigmen (stark, schwach) nach Kasus, Genus und Numerus und sind in den zwei Stufen Komparativ und Superlativ steigerbar (schöner, am schönsten). Während der erste Satz Adjektive semantisch charakterisiert, ist die im zweiten Satz folgende strukturelle Seite der Definition ans Deutsche gebunden. Hier wären die interlinguale und die deutsche Ebene auseinanderzuhalten. Z. B. so (Lehmann 2018a): Interlinguale grammatische Begriffe 89 − Adjektiv: Ein Adjektiv ist ein Wort, das als Mitglied dieser Wortart die primäre Funktion hat, einen nominalen Ausdruck zu modifizieren. − Im Deutschen dekliniert das Adjektiv nach Genus, Numerus und Kasus und fällt daher in die Kategorie der Nomina. Adjektive, die abstufbare Qualitäten bezeichnen, sind zudem komparierbar. Und auch Komparation als morphologische Kategorie ist einzelsprachunabhängig definierbar, z. B. so: − Komparation: Gegeben ein Adjektiv A, das eine Eigenschaft oder einen Zustand E bezeichnet, so umfasst die Komparation von A ein Paradigma von Formen, welche relative Grade von E bezeichnen. − Der Komparativ von A ist eine Form von A, die einen Grad von E bezeichnet, welcher über dem von einem Vergleichsobjekt erreichten Grad liegt. − Der Superlativ von A ist eine Form von A, die einen Grad von E bezeichnet, welcher über dem von allen Vergleichsobjekten erreichten Grad liegt. Grammis definiert nicht den Begriff des Partizips, sondern nur ‘Partizip I’ und ‘Partizip II’. Partizip I ist dort ein Verbaladjektiv, das „durch Anhängen von / d/ an den Infinitiv des Verbs“ gebildet wird. Partizip II ist eine Flexionsform des Verbs, die „nach der allgemeinen Regel (ge) + Partizipialstamm + (e)n/ (e)t“ gebildet wird. Definitionen wie diese sind interlingual unbrauchbar. Interlinguale Definitionen könnten wie folgt aussehen: − Partizip: Ein Partizip ist eine infinite Verbform, die nicht nach Person, Numerus und Modus flektiert, sondern auf eine der Leerstellen des Verbs ausgerichtet ist und über diese wie ein Adjektiv als Modifikator fungieren kann. Typen von Partizipien unterscheiden sich darin, auf welche der Leerstellen des Verbs sie ausgerichtet sind, sowie in Tempus- und Aspektkategorien. − Partizip Präsens: Ein Partizip Präsens ist ein auf die Subjektstelle des zugrundeliegenden Verbs ausgerichtetes Partizip. Ohne weitere morphologische Spezifikation hat es imperfektive Aspektualität. − Partizip Perfekt: Ein Partizip Perfekt ist ein auf die Absolutiv-Leerstelle des zugrundeliegenden Verbs ausgerichtetes Partizip. Es hat perfektische Aspektualität und fokussiert daher den Zustand, in dem sich der Referent in absolutivischer Funktion am Ende der bezeichneten Situation befindet. Ohne weitere morphologische Spezifikation hat es bei transitiven Verben folglich passivisches Genus verbi. Auf der Basis solcher oder besserer Definitionen kann man nunmehr die spezifisch deutschen, englischen, französischen usw. Ausprägungen der diversen Arten von Partizipien definieren und gleichzeitig dafür aufkommen, dass Christian Lehmann 90 es in allen diesen Sprachen tatsächlich ein Partizip Präsens und ein Partizip Perfekt gibt. 8 6.3 Interlinguale grammatische Termini Die Interlingualität grammatischer Termini gewährleistet man dadurch, dass man sie nach den Regeln einer internationalen terminologischen Tradition bildet. Das ist, wie schon in Abschnitt 4.2 gesagt, die gräkolateinische Tradition. Englischsprachige Termini, für die das nicht gilt, werden überwiegend von Anglisten ersonnen, und dito werden deutsche Termini, die keine gräkolateinische Basis haben, überwiegend von Germanisten ersonnen. Das ist der internationalen Verständigung nicht dienlich. Gerade Neologismen werden sehr viel leichter aufgenommen, wenn ihre Bildung jedem Fachgenossen transparent ist. Auch wer nicht wusste, dass das finnische Kasusparadigma einen Illativ aufweist und dass eine Wurzel per definitionem monomorphematisch ist, versteht doch, wenn er in dieser Tradition steht, sofort, was gemeint ist. Diese Erleichterung der wissenschaftlichen Praxis sollte man nicht leichtfertig über Bord werfen. Das Gleiche gilt für die Praxis des Sprachenlehrens und -lernens. Ein deutscher Schüler lernt im (auf grammis fußenden) Deutschunterricht, dass eine Nominalgruppe u. a. die Funktionen des Akkusativ- und Dativkomplements haben kann. Im Englischunterricht erfährt er, dass es ein direct object und ein indirect object gibt. Letzteres bestätigt ihm auch der Lateinunterricht mit einem direkten und einem indirekten Objekt. Es bleibt sodann dem Schüler überlassen, diese Begriffe überein zu bringen. Der Fehler liegt in diesem Falle beim Deutschunterricht: 9 Man kann eine syntaktische Funktion sowieso nicht definieren anhand eines Kasus, der an ihrem Träger auftreten kann, und schon gar nicht kann man sie so für eine Sprache wie das Englische definie- 8 Weitere Beispiele fehlender Internationalität aus grammis: Dort ist Postposition ein Hyponym von Präposition. International sind beide Kohyponyme von Adposition, was zusätzlich mehr morphosemantische Transparenz aufweist (siehe Abschnitt 4.2). Das Interrogativpronomen sollte nicht W-Pronomen heißen; das ist ziemlich germanozentrisch. Zum Terminus Satztyp siehe Abschnitt 4.1. 9 Es ist hier in erster Linie die Rede von in den genannten Sprachen verwendeten Termini. Eine davon verschiedene Frage ist die Anwendung dieser Termini auf die Grammatik derselben Sprachen. Einerseits ist es interessant, dass man mit Bezug auf das Lateinische nicht von einem Akkusativobjekt spricht, obwohl die Sprache einen Akkusativ hat, der gewisse direkte Objekte kennzeichnet. Andererseits ist davon abzusehen, dass der Begriff des indirekten Objekts für das Englische grundsätzlich fraglich ist. Interlinguale grammatische Begriffe 91 ren, die gar keinen Kasus hat. Allgemein gilt daher, dass eine grammatische Terminologie, die in den Schulen eines Landes verwendet werden soll, für alle dort gelehrten Sprachen die gleiche sein sollte in dem Maße, in dem diese Sprachen gleich sind. 10 Natürlich kann man nicht verlangen, dass äquivalente Termini verschiedener Sprachen auch im Ausdruck systematisch aufeinander bezogen sind. Aber wenn zwei Termini, die zwei Sprachen entstammen, tatsächlich in gleicher Weise von denselben lateinischen Stämmen abgeleitet sind, ist anzustreben, dass sie auch dasselbe bedeuten. So ist in der linguistischen Welt Artikel ein Hyponym zu Determinativ. Grob gesprochen ist ein Artikel ein Determinativ, das keine deiktischen, sondern lediglich referenzielle Kategorien wie Definitheit und Spezifizität kodiert. Die analog gebildeten Termini frz. article, engl. article usw. sowie frz. déterminatif, engl. determiner usw. werden im definierten Sinne verwendet. Nur in der deutschen Germanistik ist das nicht so: Bei grammis heißen Determinative Artikel. Der germanistische Sprachgebrauch ist hier interlingual irreführend und wäre an internationale Gepflogenheiten anzupassen. Das Präteritum heißt auf Deutsch Präteritum, auf Englisch past (tense) und auf Französisch passé (simple). Die Bezeichnungen sind nicht deswegen unterschiedlich, weil dies verschiedene Kategorien wären, sondern weil Termini Wörter einer bestimmten Sprache sind. Das französische Präteritum heißt - wie jedes Präteritum - auf Deutsch Präteritum und auf Englisch past (tense). Man kann es im Französischunterricht passé simple nennen; aber das ist eigentlich nur nötig und angebracht, wenn man Französisch spricht. Wenn im Geschichtsunterricht die Geschichte Frankreichs besprochen wird, nennt man den französischen König ja auch nicht roi. Damit ist selbstverständlich nichts gegen die Einführung der französischen grammatischen Terminologie im Französischunterricht gesagt. Sie gehört zum Erwerb des französischen Lexikons ebenso wie manches andere und ist in der Schule sogar noch wichtiger als in einem Berlitz-Intensivkurs für Geschäftsleute, denn der schulische Fremdsprachenunterricht soll auch Reflexion über Sprache betreiben. 10 Nach diesem Kriterium sind Termini wie Selbstlaut, Mitlaut und Zwielaut schlecht, denn überall sonst heißen sie Vokal (vowel, voyelle, vogal, vocale usw.), Konsonant (consonant, consonne, consonante, consonante) und Diphthong (dipthong, diphtongue, diptongo, dittongo). Christian Lehmann 92 7. Systematik 7.1 Konzeptuelle Relationen Es ist zwischen konzeptuellen und terminologischen Relationen zu unterscheiden. Konzeptuelle Relationen bestehen zwischen Begriffen; z. B. ist die Hyponymie zwischen Determinativ und Artikel eine konzeptuelle Beziehung. Terminologische Relationen bestehen zwischen Ausdrücken. Z. B. ist die Synonymie von Komparation und Steigerung eine terminologische Relation; aber auch die Ableitungsbeziehung zwischen adjazent und Adjazenz ist eine terminologische Relation. 7.1.1 Fundamentale Relationen So wie jede lexikalische Bedeutung durch die paradigmatischen Beziehungen des sie tragenden Zeichens determiniert ist, ist jeder wissenschaftliche Begriff durch seine Stellung in einer Theorie bestimmt. Man kann einen Begriff nicht in Isolation definieren. Er steht notwendigerweise in systematischen Beziehungen zu seinem Oberbegriff, seinen Unterbegriffen, den kontrastierenden Begriffen sowie den Begriffen, die in seinem Definiens auftreten. Damit eine Definition ihren Zweck erfüllt, müssen alle beteiligten Begriffe entweder ihrerseits definiert oder atomar sein. Die Menge der atomaren Begriffe muss man natürlich kontrollieren und möglichst klein halten. Hieraus wird sogleich klar, dass man ein Begriffssystem für ein wissenschaftliches Gebiet, z. B. die Grammatik, nicht als Liste von Termini ausarbeiten kann. Vielmehr muss man eine Menge von konzeptuellen Relationen voraussetzen, die zwischen Begriffen der betreffenden Disziplin bestehen können, und jeden Begriff durch solche Relationen zu den Nachbarbegriffen in Bezug setzen. In einer Ontologie spielen die konzeptuellen Relationen eine doppelte Rolle: − Sie ermöglichen es dem Systembetreuer, das System konsistent zu halten. − Sie dienen dem Benutzer zur Navigation zwischen den Begriffen. Welche Relationen für eine gegebene Ontologie benötigt werden, ergibt sich aus deduktiven und induktiven Gesichtspunkten (Lehmann 1996). Eine Auswahl der für die Linguistik wichtigsten bietet Tabelle 1. Die Logik liefert die fundamentale konzeptuelle Relation, nämlich die Hyponymie ‘X ist ein Y’. Sie begründet die wichtigste Begriffshierarchie, nämlich die Taxonomie. Interlinguale grammatische Begriffe 93 Relation Beispiel X ist ein Y Modus ist eine verbale Kategorie X ist Teil von Y Präposition ist Teil von Präpositionalsyntagma X ist Eigenschaft von Y Faktizität ist Eigenschaft von Deklarativsatz X ist Gegenstand der Disziplin Y Lexikon ist Gegenstand der Disziplin Lexikologie X ist Repräsentant von Y Frege ist Repräsentant von Logik X kodiert Y Deklarativsatz kodiert Aussage X ist Operator von Y Kasus ist Operator von Kasusmarkierung Tab. 1: Konzeptuelle Relationen der Linguistik Die Ontologie (als Disziplin der Philosophie) liefert die zweitwichtigste konzeptuelle Relation, nämlich die auch Bestandsbeziehung genannte Relation ‘X ist Teil von Y’. Sie begründet die zweitwichtigste Hierarchie, nämlich die Meronomie. Dies ist, genau genommen, eine Relation zwischen Gegenständen, die aber sekundär den Begriffen zugeschrieben wird, unter welche die Gegenstände fallen. Diese beiden Relationen sind in jeglicher Ontologie fundamental. In der Linguistik sind sie die Basis eines ganzen Grammatikmodells, nämlich der Konstruktionsgrammatik. Immer noch aus logischen Gründen benötigt man eine Relation, um Eigenschaftsbegriffe ins Netz einzubinden. Die Eigenschaft ist per se ein relationaler Begriff, da sie notwendigerweise eine Eigenschaft von etwas ist. Die konzeptuelle Relation ist folglich ‘X ist Eigenschaft von Y’. Ohne diese Relation wären Eigenschaften wie ‘fakultativ’ und Eigenschaftsabstrakta wie Faktizität im Netz nicht anschließbar. 11 Weitere Relationen ergeben sich aus der Organisation wissenschaftlicher Disziplinen. Beispiele sind die Relationen ‘X ist Gegenstand der Disziplin Y’ und ‘X ist Repräsentant von Y’. Im gegebenen Zusammenhang von besonderem Interesse sind disziplinspezifische Relationen. Für die Linguistik konstitutiv und gleichzeitig für kaum eine andere Disziplin von Belang ist die Relation ‘X kodiert Y’, wofür Tabelle 2 noch ein paar Beispiele bietet. 11 In grammis sind die beiden Beispiele sowie viele andere wie ‘finit’ nur unsystematisch (über „assoziative Relationen“) ins Begriffsnetz eingebunden, weil die Relation ‘X ist Eigenschaft von Y’ nicht Teil der Systematik ist. Christian Lehmann 94 Substantiv Entität Adjektiv Eigenschaft Hilfsverb verbale Kategorie grammatisches Formativ grammatische Bedeutung Spaltsatz kontrastiver Fokus Interrogativsatz Frage Tab. 2: Beispiele der Relation ‘X kodiert Y’ Ebenfalls typisch für die Linguistik ist die in Tabelle 3 illustrierte Relation ‘X ist Operator von Y’. Adjektivator Adjektivierung Kopula Prädikation Determinativ Determination Modifikator Modifikation subordinative Konjunktion Subordination Derivationsmorphem Derivation Tab. 3: Beispiele der Relation ‘X ist Operator von Y’ Auch grammis arbeitet mit konzeptuellen Relationen und zeichnet unter diesen die Hyponymie und die Bestandsbeziehung aus. Begriffe, die auf andere Weise auf das Lemma bezogen sind, werden pauschal zwei Rubriken zugeordnet: Erstens gibt es eine mit Bedacht vage benannte Rubrik ‘Thematisch verwandte Bezeichnungen’, wo sich Synonyme und Homöonyme unsortiert beieinander finden. Zweitens gibt es „assoziative Relationen“, die Termini in irgendeiner Weise auf das Lemma beziehen. Damit rangiert grammis näher am unteren Pol der möglichen Explizitheit konzeptueller Relationen. Auf dem Weg zum oberen Pol gelangt man zu Begriffen, die intuitiv unmittelbar aufeinander bezogen sind, ohne dass die spezifische Beziehung in irgendeiner Weise systematisierbar scheint. Beispiele solcher Paare sind Numerus und Numerale (Zahlwort) oder Modalität und Illokution. Im günstigsten Fall sind beide Begriffe in gleicher Weise auf einen dritten bezogen, so dass sie sich jedenfalls bei diesem letzteren beisammen aufgeführt finden. Der wichtigste Spezialfall dieser letzteren Situation ist die Kohyponymie. Z. B. sind Ablativ, Allativ, Illativ, Translativ, Sublativ und noch einige andere Hyponyme zu Lativ. Sowohl der Systematik als auch dem praktischen Benutzerinteresse ist hier Genüge getan, wenn sie alle als Hyponyme an Lativ angeschlossen und dort Interlinguale grammatische Begriffe 95 aufgeführt sind; sie brauchen nicht unabhängig davon noch unmittelbar aufeinander zu verweisen. Es gibt also bei der Ausarbeitung und Angabe konzeptueller Relationen einen Punkt abnehmenden Ertrags. Es ist aber methodologisch ratsam, sich diesem anzunähern. Denn eine begriffliche Systematik lässt sich nur in dem Maße konsistent halten, wie die Relationen zwischen den Begriffen explizit sind. 7.1.2 Kriterien der Subklassifikation Die ist-ein-Relation ist vielgestaltig. Z. B. gelten die folgenden beiden Sätze: a) Eine Präposition ist eine Adposition. b) Eine temporale Adposition ist eine Adposition. Somit erhält man u. a. ‘Präposition’ und ‘temporale Adposition’ als Unterbegriffe von ‘Adposition’. Das ist aber eine heterogene Menge, und insoweit ist die Systematik nicht hinreichend explizit. Besser wäre es, bei der ist-ein-Relation nach dem Einteilungsgrundsatz zu differenzieren. Etwa so: a) Eine Präposition ist eine Adposition, spezifiziert nach der Stellung zum Komplement. b) Eine temporale Adposition ist eine Adposition, spezifiziert nach der kodierten Relation. Hieraus sowie aus ein paar analogen Aussagen ergeben sich dann die beiden in Tabelle 4 angedeuteten Taxonomien: Oberbegriff Klassifikationskriterium Differenz Unterbegriffe Adposition Stellung zum Komplement vor dem Komplement Präposition nach dem Komplement Postposition … … kodierte Relation temporal temporale Adposition lokal lokale Adposition … … Tab. 4: Kriterien der Klassifikation von Adpositionen Auch Sätze lassen sich bekanntlich nach mehreren Kriterien klassifizieren. Zwei davon sind in Tabelle 5 dargestellt. Christian Lehmann 96 Oberbegriff Klassifikationskriterium Differenz Unterbegriffe Satz Komplexität ein einfacher Satz einfacher Satz mehr als ein einfacher Satz zusammengesetzter Satz Satztyp deklarativ Aussagesatz interrogativ Fragesatz direktiv Aufforderungssatz exklamativ Ausrufesatz Tab. 5: Kriterien der Klassifikation von Sätzen Wie die Beispiele schon erkennen lassen, hängen die Klassifikationskriterien u. a. von der semantischen Zusammensetzung des Oberbegriffs ab und können daher sehr vielfältig sein. Immerhin lassen sich bei grammatischen Begriffen entsprechend ihrer semiotischen Konstitution grundsätzlich funktionale bzw. semantische von strukturalen bzw. formalen Klassifikationskriterien unterscheiden: Die Einteilung von Adpositionen nach ihrer Stellung zum Komplement und die Einteilung von Sätzen nach ihrer Komplexität folgt offenbar strukturalen Kriterien, während die Einteilung von Adpositionen nach der kodierten Relation und von Sätzen nach dem Satztyp funktionalen Kriterien folgt. Diese beiden Einteilungen ergeben sich also wieder aus dem hybriden Charakter grammatischer Begriffe. Insoweit jegliche linguistische Tätigkeit immer die Beziehung zwischen Ausdruck und Inhalt im Blick hat, werden Klassifikationen sicher nicht blind rein struktural oder rein funktional vorgenommen werden, sondern immer darauf bedacht sein, solche semantischen Kriterien zur Einteilung zu verwenden, mit denen Struktureigenschaften korrelieren, und umgekehrt. Dies hindert jedoch nicht daran, dass die Basis eines Kriteriums in erster Linie das eine oder das andere sein kann. Folglich würden die Taxonomien grammatischer Begriffe bereits übersichtlicher werden, wenn die Einteilungskriterien in diesem Sinne systematisiert würden. Induktive Terminologieforschung würde zweifellos weitere fruchtbare Klassifikationskriterien ergeben. 7.1.3 Kategorien, Parameter und Werte Die Kategorie einer Entität ist die Intension der Klasse, zu der sie gehört. Sie ist folglich eine Eigenschaft jedes Elements dieser Klasse. Eine primäre grammatische Kategorie 12 ist eine syntaktische Kategorie, also eine Kategorie, in 12 Diese Unterscheidung geht auf Lyons (1968, Kapitel 7.1.5) zurück. Interlinguale grammatische Begriffe 97 die selbstständige bedeutungstragende Ausdrücke, insbesondere Wörter und Syntagmen, fallen. Die prototypische primäre grammatische Kategorie ist die Wortart. Eine sekundäre grammatische Kategorie ist eine Kategorie grammatischer Formative, die an Einheiten einer primären grammatischen Kategorie auftreten. Die prototypische sekundäre grammatische Kategorie ist die ein Paradigma bildende Flexionskategorie. Die semantisch-funktionale Seite einer sekundären grammatischen Kategorie ist ein Parameter, und ihre einzelnen Ausprägungen sind dessen Werte. Z. B. ist Numerus ein Parameter, dessen Werte in der deutschen Grammatik Singular und Plural sind. Die sekundären grammatischen Kategorien treten an den primären auf, so wie eine Eigenschaft an ihrem Träger auftritt. Aus den unterschiedlichen Weisen, in denen Eigenschaften und ihre Ausprägungen in der Wissenschaft konzipiert werden, resultiert eine Fülle von Termini für dasselbe. Tabelle 6 führt einige gebräuchliche Varianten auf. Parameter Wert Attribut Wert Kategorie Subkategorie Kategorienklasse Kategorie Merkmal Ausprägung Tab. 6: Variante Termini für ‘Parameter’ und ‘Wert’ Wie so häufig, sind die Varianten in unterschiedlichen Kontexten, z. B. in bestimmten Grammatikmodellen oder Informatiktheorien, beheimatet. 13 Solange jeder, der eine der Varianten bevorzugt, ihre Synonymie mit den anderen explizit macht, entsteht kein Schaden. Potenziell irreführend hingegen ist die Tatsache, dass Abstrakta über Eigenschaften, die als binäre Parameter konstituiert sind, meist von einem der beiden so entgegengesetzten Adjektive abgeleitet werden. Solche Eigenschaftsabstrakta bezeichnen dann sowohl den Parameter als auch einen seiner Werte. Z. B. bezeichnen die in der ersten Spalte von Tabelle 7 aufgeführten Termini sowohl eine Kategorie i. S. v. Parameter als auch die in der zweiten Spalte aufgeführte Ausprägung dieser Kategorie. 13 grammis z. B. verwendet Kategorienklasse vs. Kategorie. Christian Lehmann 98 Parameter Werte Definitheit Stimmhaftigkeit Transitivität Alienabilität Telizität definit stimmhaft transitiv alienabel telisch indefinit stimmlos intransitiv inalienabel atelisch Tab. 7: Beispiele grammatischer Parameter und Werte Das verursacht deswegen Probleme im Begriffsnetz, weil der polyseme Terminus in seinen beiden Bedeutungen in verschiedenen Relationen zu anderen Termini steht. Z. B. ist Definitheit als Parameter eine Eigenschaft von Nominalsyntagmen, während sie als Wert eine Eigenschaft von Eigennamen ist. Stimmhaftigkeit als binäres Merkmal ist eine Eigenschaft von Sprachlauten, während Stimmhaftigkeit als Wert eine Eigenschaft von Sonoranten ist. Entsprechendes gilt für alle anderen derartigen Termini. Man kann sich also, wenn man das Begriffsnetz konsistent halten will, nicht damit zufriedengeben, dass solche Termini in systematischer Weise polysem sind. Man muss je zwei Begriffe formulieren, die in den Terminologien zahlreicher Sprachen gleich lauten. 7.1.4 Konstitutive und fakultative Eigenschaften Die soeben erwähnte Relation ‘X ist Eigenschaft von Y’ setzt Eigenschaften zu ihren Trägern in Beziehung. Als Eigenschaften anderer Begriffe können auch Begriffe auftreten, die per se nicht in die Kategorie der Eigenschaft fallen. So ist z. B. Tätigkeit eine Eigenschaft des Menschen, wiewohl Tätigkeit an sich keine Eigenschaft ist. Daher bedeutet ‘Eigenschaft von X’ hier nur ‘etwas, worin X involviert ist bzw. sein kann’. Allerdings kann auch dies wieder auf zwei verschiedene Weisen gelten: 1) ‘X ist eine Eigenschaft von Y’ kann bedeuten: X ist eine konstitutive oder definitorische Eigenschaft von Y. Alle Exemplare von Y haben X, und X kommt folglich in der Definition von Y vor. X kann hierbei ein Parameter oder ein Wert sein, wie die Beispiele in Tabelle 8 zeigen. Bei den konstitutiven (Werten von) Eigenschaften tritt allerdings das Problem auf, dass sie in manchen Fällen nur gelungene Exemplare ihres Trägers charakterisieren. Z. B. ist Adäquatheit eine konstitutive Eigenschaft einer Theorie. Eine inadäquate Theorie wäre somit keine Theorie. Interlinguale grammatische Begriffe 99 Art der Eigenschaft Eigenschaft Träger Parameter Amplitude Helligkeit Ableitungsrichtung Schall Vokal Derivation Wert Affiziertheit Alienabilität Patiens alienables Substantiv Tab. 8: Beispiele konstitutiver Eigenschaften 2) ‘X ist eine Eigenschaft von Y’ kann auch bedeuten: ‘X tritt (nur) an Exemplaren von Y auf ’, ‘X ist typisch für Y’, ‘von X spricht man sinnvollerweise mit Bezug auf Y’. Tabelle 9 verdeutlicht das Gemeinte. Einige Beispiele von Eigenschaften in Tabelle 9 können sowohl als Parameter als auch als Wert (also wie in Tabelle 7) verstanden werden. Art der Eigenschaft Eigenschaft Träger Parameter Steigerungsgrad Genus verbi Definitheit Adjektiv Verb Nominalsyntagma Wert Ambiguität Kontradiktion Transitivität [Wert] Sprachzeichen Proposition Verb Tab. 9: Beispiele fakultativer Eigenschaften ‘X ist eine mögliche Eigenschaft von Y’ bedeutet auch, dass X eine differenzierende Eigenschaft von Y ist in dem Sinne, dass es auch eine Klasse von Y gibt, die X nicht aufweisen. Fazit: Die Konsistenz des Begriffsnetzes erfordert, dass die beiden begrifflichen Relationen ‘X ist eine konstitutive Eigenschaft von Y’ und ‘X ist eine mögliche Eigenschaft von Y’ auseinandergehalten werden. 7.2 Definitionen Die fachliche Erklärung eines Begriffs besteht aus mehreren Komponenten. Tabelle 10 führt einige wesentliche davon auf. Andere können Beispiele, begriffshistorische Informationen, bibliografische Hinweise und dergleichen sein. Christian Lehmann 100 Komponente Beispiel Lemma Transitivität [Parameter] mit dem Lemma in Ableitungsbeziehung transitiv, intransitiv Position in der Ontologie Transitivität [Parameter] ist eine (Art von) verbale Kategorie Transitivität [Parameter] ist Teil von Verbvalenz Transitivität [Wert] ist eine (Art von) Transitivität [Parameter] Definition Die Transitivität [Parameter] eines Verbs ist seine Eigenschaft, transitiv oder intransitiv zu sein. Ein Verb ist transitiv genau dann, wenn es ein direktes Objekt nimmt; andernfalls ist es intransitiv. Erläuterung Transitivität [Parameter] ist in erster Linie eine Valenzeigenschaft eines Verbs und nur in abgeleiteter Weise eine Eigenschaft eines Satzes. Insbesondere muss ein Satz mit einem transitiven Verb nicht notwendigerweise ein direktes Objekt enthalten. Ein transitives Verb ist nicht notwendigerweise bivalent, da auch ditransitive Verben transitiv sind. Gleichfalls ist ein intransitives Verb nicht notwendigerweise monovalent, da intransitive Verben u. a. ein indirektes Objekt nehmen können. Tab. 10: Komponenten einer Begriffserklärung Das Lemma steht im Singular. 14 Wichtig ist die Unterscheidung zwischen der Definition und der Erläuterung. Die Definition hat ein genormtes Format, während die Erläuterung Freitext ist. Die Definition kann völlig abstrakt und formal sein. Die Erläuterung hilft dann dem Verständnis. Man kann aber die Definition nicht durch die Erläuterung ersetzen bzw. sie auf diese reduzieren, denn nur eine formale Definition gewährleistet die Stimmigkeit des gesamten Systems. Das Format der Definition kann freilich nicht für alle Begriffe dasselbe sein. Nur im einfachsten Falle reduziert es sich auf einen Kopulasatz der Form ‘Definiendum ist Definiens’, wie in der in Abschnitt 3.2 gebotenen Definition von Wurzel. Aber nicht immer ist diese einfachste Form möglich und sinnvoll. Stattdessen zeigt sich der vernetzte Charakter der Ontologie darin, dass es in zahlreichen Fällen nötig ist, die von dem Definiendum vorausgesetzten Be- 14 In grammis stehen einige im Plural. Interlinguale grammatische Begriffe 101 griffe bereits im Definiendum unterzubringen, so wie in der in Abschnitt 6.2 gegebenen Definition von Komparation. Relationale Begriffe inkl. Eigenschaften sind unter Bezug auf das Relatum zu definieren, so wie in der Definition von Transitivität in Tabelle 10. Die konzeptuellen Relationen spielen eine bedeutende Rolle bei der Erstellung von Definitionen. Ganz im Sinne de Saussures ist ein Begriff wesentlich durch seine paradigmatischen Relationen zu anderen Begriffen bestimmt. Diese können ihn nicht vollständig bestimmen; aber sie geben doch logische Bedingungen und einen formalen Rahmen für eine Definition ab. Insbesondere definiert man einen Begriff mit Bezug auf sein unmittelbares Hyperonym und auf sein Holonym und weist ihm so seine Position in der Taxonomie und der Meronomie und folglich im Begriffssystem zu. 7.3 Informationsallokation Wie in Abschnitt 7.1 gesehen, sind manche Begriffe in regelmäßiger Weise voneinander abgeleitet. Sie unterscheiden sich dann zwar lexikalisch, aber nicht enzyklopädisch. So zeitigt die Anwendung einer grammatischen Operation als Produkt eine grammatische Konstruktion, deren Komponenten durch eine bestimmte grammatische Relation miteinander verbunden sind (Abschnitt 5.2). Man kann Verbserialisierung ausführlich definieren und erläutern; dann bleibt nichts mehr übrig, was man zusätzlich über ihr Produkt unter dem Lemma Verbserie sagen könnte. Für die Informationsallokation in einer terminologischen Datenbank bedeutet das Folgendes: Gegeben eine Menge von regelhaft aufeinander bezogenen Begriffen: Dann wird die gesamte enzyklopädische Information bei einem von diesen gegeben; bei den anderen wird nur gesagt, wie sie auf den ersteren bezogen sind. Z. B. so: − Alienabilität [Parameter]: Die Kategorie der Alienabilität hat die Werte ‘alienabel’ und ‘inalienabel’. Ein Substantiv ist alienabel, wenn es ohne weiteres als Nukleus eines nominalen Ausdrucks ohne possessives Attribut bzw. possessiven Determinator sowie als Possessum einer possessiven Prädikation vorkommt. Es ist inalienabel, wenn es als Nukleus eines nominalen Ausdrucks nur in Begleitung eines possessiven Attributs bzw. Determinators auftritt. − alienables Substantiv: Alienabilität [Parameter] ist eine konstitutive Eigenschaft von alienablen Substantiven. − inalienables Substantiv: Alienabilität [Parameter] ist eine konstitutive Eigenschaft von inalienablen Substantiven. Christian Lehmann 102 Hier bleiben freilich noch Detailfragen der Darstellung: Die solchermaßen aufeinander bezogenen Begriffe können, so wie in dem gegebenen Beispiel, eigene Lemmata im Begriffsnetz darstellen, die durch konzeptuelle Relationen aufeinander bezogen sind. Oder sie können als Ausdrucksvarianten einem Terminus zugeordnet sein. Letzteres ist, wie in Abschnitt 4.1 gesagt, sicherlich der Fall bei Adjektiven wie alienabel und transitiv, für welche ein Eigenschaftsabstraktum wie Alienabilität [Wert] und Transitivität [Wert] das Lemma abgibt. Es wäre auch möglich bei Begriffen, die als Operation und deren Erzeugnis aufeinander bezogen sind, wie Verbserialisierung und Verbserie, oder als Operation und Operator, wie Kasusmarkierung und Kasus oder Negation und Negator. Für die Verschlagwortung von Literatur entsteht ein verwandtes praktisches Problem: Begriffe, die eng und systematisch miteinander zusammenhängen, wie ‘Transitivität’, ‘transitives Verb’, ‘Transitivierung’ oder ‘Hyponymie’, ‘Hyponym’ usw., sind normalerweise gemeinsam Gegenstand einer linguistischen Abhandlung. Sie alle für die betreffende Publikation als Deskriptoren anzugeben ist aufwendig. Gibt man nur einen davon an, aber das Suchwort eines Benutzers ist zufällig ein anderes Mitglied der Menge, findet er die Publikation nicht. Hier benötigt die Datenbank eine Regel, die bei der Auswahl eines bestimmten Begriffs alle Begriffe, die bestimmte konzeptuelle oder terminologische Relationen zum gewählten Begriff haben, automatisch in die Suche einbezieht. 8. Schlussbemerkung Es mochte scheinen, dass die interlinguale Anlage einer wissenschaftlichen Terminologie den Aufwand um den Faktor der Anzahl der beteiligten Sprachen erhöhte. Tatsächlich aber ist das zugrundeliegende Begriffsnetz in erheblichem Umfang dasselbe für alle Sprachen; nur die Termini der beteiligten Sprachen sind damit zu assoziieren. Es ist also ökonomischer, eine wissenschaftliche Ontologie interlingual anzulegen, als ebenso viele einzelsprachliche Ontologien zu produzieren. Die interlinguale Anlage bedeutet keinen erhöhten Aufwand in Design oder Technik, weil die erforderliche Mehrfachzuordnung von Begriffen und Termini ohnehin in einer Ontologie implementiert ist. Die Ontologie einer Disziplin wie der Linguistik oder der Grammatik interlingual anzulegen hat eine Reihe von Vorteilen: − Man lernt aus dem Vergleich besondere Eigenschaften nationaler Begriffe und Termini. − Man stimmt die Termini einer nationalen Tradition auf den internationalen Gebrauch ab und vermeidet unnötige Idiosynkrasien. Interlinguale grammatische Begriffe 103 − Im Falle sprachlicher und insbesondere grammatischer Kategorien unterscheidet man in der Definition übereinzelsprachliche von sprachspezifischen Eigenschaften. − Man leistet einen Beitrag zur internationalen Verständigung. Literatur Comrie, Bernard/ Haspelmath, Martin/ Bickel, Balthasar (2015): Leipzig Glossing Rules. (Online: www.eva.mpg.de/ lingua/ resources/ glossing-rules.php, Stand: 20. 5. 2019). Dudengrammatik (1984): Duden. Grammatik der deutschen Gegenwartssprache. Bd. 4. (= Der Duden in 10 Bänden). 4., völlig neu bearb. u. erw. Aufl. Mannheim u. a.: Dudenverlag. 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Wissenschaftliche Terminologie (2000 ff.): grammis. Grammatisches Informationssystem. www.ids-mannheim.de/ grammis/ termbuch. ANASTASIA NEUMANN - SCHNEIDER/ ALEXANDER ZIEM L ing T erm n eT : KONZEPTION UND ENTWICKLUNG EINES F rame n eT FÜR LINGUISTISCHE FACHTERMINOLOGIE Abstract: Ziel des vorliegenden Beitrages ist es, LingTermNet, ein Online-Repositorium für linguistische Fachtermini, vorzustellen. Methodologisch und hinsichtlich seiner lexikografischen Umsetzung basiert LingTermNet auf framesemantischen Prinzipien, die auch dem Berkeleyer FrameNet-Projekt zugrunde liegen. Dargestellt werden zunächst leitende theoretische Annahmen; im Zentrum steht sodann die Präsentation von Aufbau und Struktur der Ressource. Im Unterschied zu ‘traditionellen’ Wörterbüchern entstehen Einträge in LingTermNet auf der Grundlage von framesemantischen Annotationen, deren Auswertung auf zwei Ebenen lexikografisch aufgearbeitet werden: Die framesemantische Ebene dokumentiert Frames und ihre Beziehungen untereinander, die lemmaspezifische Ebene basiert auf framesemantischen Untersuchungserkenntnissen, wobei die Einträge hier klassischen Wörterbuchdefinitionen ähneln. Keywords: Frame, FrameNet, Frame-Semantik, LingTermNet, Annotation, Korpuslinguistik, Fachlexikografie, linguistische Fachterminologie 1. Das LingTermNet - Projekt 1 Eine der grundlegendsten Erkenntnisse der kognitiven Semantik dürfte sein, dass eine sprachliche Bedeutung keine selbstgenügsame Einheit ist, sondern vielmehr erst innerhalb ihres je spezifischen Beziehungsgefüges zu anderen Bedeutungen ihre eigentümlichen Konturen gewinnt (Rosch 1977; Fillmore 1976; Aitchison 1994; Talmy 2003, S. 446 ff.). Diese Erkenntnis ist freilich nicht neu; schon der Strukturalist Ferdinand de Saussure (1916) unterscheidet zwischen syntagmatischen und paradigmatischen Beziehungen, die zwischen sprachlichen Zeichen im Sprachsystem bestehen. Es ist das Konzept des Wertes („valeur“), das die Verwobenheit eines jeden sprachlichen Zeichens im Netz der Beziehungen zu anderen Zeichen herausstellt; ändert sich eine Beziehung, ändert sich der sprachliche Wert. Dieser Prämisse hat wohl keine Bedeutungstheorie so sehr Rechnung getragen wie die Frame- Semantik in der Ausprägungsform von FrameNet (https: / / framenet.icsi.ber keley.edu, Stand: 1. 4. 2019). Die für das Berkeleyer FrameNet leitenden methodologischen und lexikografischen Prinzipien liegen auch dem Linguistic Terminology Net-Projekt (kurz: LingTermNet; www.lingterm.net, Stand: 1. 4. 2019) zugrunde. LingTermNet ist ein in Düsseldorf entstandenes Repositorium, das in Gestalt eines Online- 1 Wir danken den Bandherausgeber/ innen und anonymen Gutachter/ innen für hilfreiche Anmerkungen zu einer früheren Fassung des Beitrags. DOI 10.2357/ 9783823392934 SDS 82 (2020) Anastasia Neumann-Schneider/ Alexander Ziem 106 Wörterbuches linguistische Fachtermini framesemantisch analysiert und, auf den erzielten Ergebnissen aufbauend, linguistische Fachterminologie sowohl frameals auch lemmabasiert erschließt und beschreibt. Ziel des vorliegenden Beitrages ist es, Konzeption, Entwicklung und Nutzungsperspektiven dieser Ressource im Detail vorzustellen. Ein Frame stellt einen Bedeutungsrahmen bereit, der die lexikalische Bedeutung eines Wortes motiviert; gleichzeitig unterhält ein Frame definierte Beziehungen zu anderen Frames. Das Verb signalisieren ruft (laut Berkeleyer FrameNet) beispielsweise den Communication -Frame auf; dieser definiert basierend auf semantischen Rollen - so genannten Frame-Elementen (kurz: FE), die mithilfe von Annotation ermittelt werden - das situative Setting, in dem Kommunikationshandlungen wie „signalisieren“, „sagen“, „kommunizieren“ etc. stattfinden (vgl. Details hierzu in Abschnitt 2). Frames sind mithin das empirische Ergebnis der Annotation der semantischen und syntaktischen Valenz von lexikalischen Einheiten; Grundlage der Annotation bilden authentische Korpusbelege. Frames - genauso wie lexikalische Bedeutungen - werden also aus dem Gebrauch der Wörter ermittelt und spezifiziert. Ausgangspunkt der folgenden Ausführungen ist die Annahme, dass auch Bedeutungen von Fachtermini 2 - trotz oder vielleicht gerade wegen ihres hohen semantischen Differenzierungsgrades und ihrer (vermeintlichen) Eindeutigkeit - genauso wie Bedeutungen von Wörtern aus dem Alltagswortschatz mithilfe von Frames nicht nur erfasst, sondern auch hinsichtlich ihrer Verstehensvoraussetzungen umfassender beschrieben werden können als durch gängige lexikografische Verfahren, die allein auf der Ebene von Lemmata operieren und sich auf die Ermittlung von Wortbedeutungen beschränken. Konkret geht der vorliegende Beitrag der Frage nach, inwiefern sich u. a. grammatische Fachtermini aus dem Bereich der Gesprächsforschung mittels Frames lexikografisch erschließen, beschreiben und veranschaulichen lassen. Leitend ist dabei das von Fillmore (1977) entwickelte und im Berkeleyer FrameNet-Projekt im großen Stil umgesetzte Frame-Konzept (Fillmore/ Atkins 1992; Fillmore/ Johnson/ Petruck 2003; zusammenfassend: Boas 2013; Ziem 2014). An dieses anknüpfend wird im LingTermNet-Projekt der Versuch un- 2 Anders als in der klassischen Terminologiearbeit orientieren wir uns nicht explizit an der DIN 2342: 2011-08, die die Sprache der Terminologielehre normt. „Fachterminus“ stellt zwar auch für uns ein Paar aus einem Wort und seiner Bedeutung (nach DIN 2342: 2011-08: aus einem Begriff und seiner Benennung) dar, wir streben aber an, die Bedeutungsbzw. Begriffsebene über die Repräsentation in Form von Frames und ihrer Benennung zu erfassen. LingTermNet: Konzeption und Entwicklung eines FrameNet 107 ternommen, unter denselben theoretischen und methodischen Voraussetzungen, linguistische Fachtermini systematisch lexikografisch zu erfassen (vgl. auch Lönneker-Rodman/ Ziem 2018; Dolbey 2009 am Beispiel biowissenschaftlicher Fachdomänen). Langfristiges Ziel ist es, ein lernerspezifisches Repositorium in Form eines digitalen Wörterbuches aufzubauen, das fachterminologisches Basiswissen möglichst umfangreich abdeckt sowie didaktisch aufbereitet zugänglich macht. Die Darstellung des LingTermNet-Projektes erfolgt in zwei Schritten. Zunächst erläutern wir leitende framesemantische Konzepte, insbesondere Grundzüge des lexikografisch erprobten Verfahrens im Berkeleyer FrameNet- Projekt, an dem sich das LingTermNet-Projekt methodisch und konzeptionell orientiert (Abschnitt 2). Hierzu gehört insbesondere ein dreischrittiger lexikografischer Arbeitsprozess, der aus der Erarbeitung einer Frame-Skizze und einer Belegstellensammlung, der Annotation von Belegstellen und der Erstellung von Einträgen besteht. Im Anschluss daran explizieren wir im Detail den Aufbau und die Struktur von LingTermNet (Abschnitt 3). Dies geschieht am konkreten Beispiel des Sprechersignal -Frames. Ein besonderes Augenmerk liegt dabei auf der Unterteilung des Repositoriums in zwei Ebenen. Während auf der zweiten Ebene die Bedeutungsbeschreibung über Frames und deren semantische Beziehungen untereinander erfolgt, ähneln Bedeutungsbeschreibungen auf der ersten Ebene stärker herkömmlichen Wörterbucheinträgen, insofern hier (im Rückgriff auf den jeweiligen Frame) lemmabasierte Definitionen der Fachtermini angeboten werden. Dies ermöglicht einen gezielten Zugriff auf Bedeutungsangaben und -zusammenhänge verschiedener semantischer Granularität. 2. Konzeptionelle und methodische Grundlagen: das lexikografische Verfahren Am Beispiel des Communication -Frames sollen im Folgenden zunächst die wichtigsten Grundbegriffe der Frame-Semantik eingeführt werden. In diesem Zusammenhang erläutern wir auch, welche Informationen ein Frame- Eintrag im Berkeleyer FrameNet bereitstellt (Abschnitt 2.1). In einem zweiten Schritt explizieren wir ebenfalls am Beispiel des Communication -Frames das lexikografische Verfahren, das der Erstellung von Frames zugrunde liegt (Abschnitt 2.2). Ein besonderer Fokus liegt auf der Darstellung der Beziehungen, die ein Frame zu anderen Frames unterhält (Abschnitt 2.3). Der Communication -Frame eignet sich besonders gut zur exemplarischen Veranschaulichung, weil wir das LingTermNet-Projekt am Beispiel eines nah verwandten Frames - dem Sprechersignal -Frame - vorstellen werden (Abschnitt 3). Anastasia Neumann-Schneider/ Alexander Ziem 108 2.1 Was ist ein Frame? Ein Frame ist eine kognitive Wissensstruktur, die den Gebrauch und die Bedeutung semantisch verwandter Lexeme motiviert. Im Berkeleyer Frame- Net sind dies Begriffe des englischen Alltagswortschatzes, in LingTermNet linguistische Fachbegriffe. Frames erfassen keine lexikalischen Bedeutungen; sie liegen vielmehr auf einer konzeptuell abstrakteren Ebene. Sie geben gleichsam den Rahmen vor, innerhalb dessen sich lexikalische Bedeutungen entfalten. Ausgangspunkt der Frame-Analyse bilden so genannte Lexikalische Einheiten (kurz: LE). Unter einer LE wird in Anlehnung an Cruse (1986, S. 23 f.) ein Wort-Bedeutungspaar verstanden, also ein lexikalischer Ausdruck in einer seiner potenziell mehreren Bedeutungen. Ist ein Wort ambigue, liegen mehrere LE (Wortbedeutungspaare) vor. Im konkreten Fall des Verbs signalisieren wird beispielsweise im Berkeleyer FrameNet zwischen zwei (nah verwandten) Bedeutungsvarianten unterschieden. Signalisieren (1) bezeichnet ein gestisch-nonverbales kommunikatives Verhalten (Sie signalisierte mir, ruhig zu sein), während signalisieren (2) auf sprachliche Handlungen Bezug nimmt (Er signalisierte, dass er erst später kommt). Jedes Wort evoziert also hinsichtlich jeder seiner Bedeutungsvarianten potenziell einen eigenen Frame; dieser trägt dem bestehenden Bedeutungsunterschied Rechnung. Konkret gibt für signalisieren (1) der Gesture -Frame den Bedeutungsrahmen vor, für signalisieren (2) dagegen der Communication -Frame. Gleichzeitig rufen verschiedene LE, die sich in der lexikografischen Analyse als bedeutungsähnlich erwiesen haben, denselben Frame auf. Im Fall des Communication -Frames sind dies etwa die LE Codewort, kommunizieren, Kommunikation, Kontakt, übermitteln, anzeigen, Passwort, sagen, teilen, signalisieren, Rede. Belegstellen, in denen diese LE vorkommen, werden hinsichtlich der jeweils realisierten semantischen Rollen annotiert. Die erzielten Ergebnisse bilden die empirische Grundlage zum Aufbau eines Frames. Semantische Rollen werden dabei jeweils framespezifisch definiert; in FrameNet heißen sie entsprechend Frame-Elemente (FE). FE sind also semantische Rollen, die sich aus der Annotation von Ausdrücken, die syntaktisch von der LE (in ihrer Funktion als Valenzträgerin) abhängig sind, ableiten lassen. Aktuell umfasst die FrameNet-Datenbank 13.640 LE und 1.224 Frames; empirische Grundlage der beschriebenen Frames bilden über 200.000 annotierte Belegstellen (Stand: 1. 4. 2019). Zu jedem Frame-Eintrag gehören a) eine Definition des Frames, b) Angaben und Erläuterungen der einschlägigen FE, c) Angabe der frame-evozierenden LE, d) Details und Beispiele zur Annotation. Auch die Dokumentation der Frame-zu-Frame-Relationen gehört zu einem Frame-Eintrag; dieser widmen LingTermNet: Konzeption und Entwicklung eines FrameNet 109 wir uns gesondert in Abschnitt 2.3. Am Beispiel des Communication -Frames soll die Struktur eines Frame-Eintrags in FrameNet im Folgenden dargestellt werden. Frame-Definition. Die Definition eines Frames erfolgt auf der Basis der annotierten Daten und insbesondere im Rückgriff auf die identifizierten FE. Von besonderer Relevanz sind dabei Kern-FE. Kern-FE unterscheiden sich von anderen FE dadurch, dass sie für den Frame bedeutungskonstitutiv sind. 3 Der Communication -Frame zeichnet sich beispielsweise durch vier Kern-FE aus, nämlich Communicator („Kommunikator“), Medium („Medium“), Message („Botschaft“) und Topic („Thema“). Im Rückgriff auf die Kern-FE kann der Frame definiert werden als ein Ereignis, in dem ein Kommunikator eine Botschaft an einen Adressaten übermittelt, wobei die Botschaft ein bestimmtes Thema betrifft und zur Übermittlung ein Medium genutzt wird. Definition der FE. FE gelten als die Grundbausteine eines Frames (Fillmore/ Petruck 2003, S. 359). Wird ein Kern-FE nicht realisiert, so liegt eine Null- Instanziierung vor. Solche Weglassungen werden in Frame-Net mithilfe von drei Mechanismen erklärt: a) Definite Null-Instanziierungen (DNI), d.h. kontextuell lizensierte Auslassungen, in denen das weggelassene Element durch den Kontext erschließbar ist, z.B. das, worüber informiert wird in Ich informiere dich, b) Indefinite Null-Instanziierungen (INI), die die Weglassung des Objekts bei transitiven Verben betreffen (Er isst gerade) und c) Konstruktionale Null-Instanziierungen (KNI), in denen eine grammatische Konstruktion die Auslassung lizensiert wie z.B. die Weglassung des Subjektes beim Imperativ Sag das nicht! . Tabelle 1 gibt einen Überblick über die FE des Communication -Frames. FE Definition Kern-FE Communicator („Kommunikator“) Person, die sprachlich (schriftlich oder mündlich) eine Botschaft an einen Adressaten übermittelt Medium („Medium“) Physischer oder abstrakter Kommunikationskanal, über den eine Botschaft übermittelt wird Message („Botschaft“) Inhalt, den eine Person einem Adressaten übermittelt Topic („Thema“) Gegenstand, auf den sich die Botschaft bezieht 3 Neben Kern-FE wird im Berkeley FrameNet-Projekt unterschieden zwischen so genannten peripheren und extrathematischen FE. Erstgenannte können ähnlich wie „Angaben“ in der Valenzgrammatik nur fakultativ auftreten, Letztgenannte stellen ein Ereignis in den Kontext eines bestimmten Sachverhalts; so etwa durch den Bezug auf ein übergeordnetes Ereignis (vgl. Ruppenhofer et al. 2016, S. 20). Anastasia Neumann-Schneider/ Alexander Ziem 110 FE Definition Periphere FE Addressee („Adressat“) Empfänger einer Botschaft von einer Person Manner („Art und Weise“) Art und Weise, in der kommuniziert wird Means („Mittel“) Mittel, mit denen eine Person kommuniziert Place („Ort“) Ort, wo die Kommunikation stattfindet Purpose („Zweck“) Grund, warum eine Person kommuniziert time („Zeit“) Zeit, zu der die Kommunikation stattfindet Extrathematische FE Amount_of_information ( „ Informationsmenge“) Menge der Information, die kommuniziert wird Depictive („Eigenschaft“) Zustand der Person, die kommuniziert Duration („Dauer“) Dauer der Kommunikation Frequency („Frequenz“) Häufigkeit, mit der eine Person etwas kommuniziert Quote („Zitat“) Aufzeichnung eines Kommunikationsaktes Tab. 1: FE und deren Definitionen im Communication - Frame Der Communication -Frame stellt den Rahmen für die Entfaltung lexikalischer Bedeutungen bereit. Für die lexikalische Bedeutung von signalisieren heißt das konkret, dass einige FE mit stabilen Standardwerten spezifiziert sind, während für andere FE variable Werte bzw. Wertebereiche gelten. So unterscheidet sich signalisieren (1) von signalisieren (2) dadurch, dass das FE Medium bei ersterem mit dem Standardwert „non-verbale Zeichen“, bei letzterem dagegen mit dem Standardwert „sprachliche Zeichen“ belegt ist. Für beide Bedeutungsvarianten von signalisieren gilt, dass weitere FE mit Standard-Wertebereichen ausgewiesen sind: Informationsmenge gilt beispielsweise prototypisch als „gering“ und Dauer als „kurz“. 4 Im Berkeleyer FrameNet wird zu jeder LE weiterhin ein so genannter Lexical Entry Report sowie ein Annotation Report bereitgestellt. Erster fasst nach einer kurzen Definition der LE tabellarisch zusammen, in welchen Kombinationen (Valenzmustern) FE syntaktisch realisiert werden können; auch gibt er an, in welcher grammatischen Funktion und in welchem Phrasentyp jedes FE jeweils syntaktisch realisiert werden kann. Zu jedem Valenzmuster und zu jeder lizenzierten Variante der syntaktischen Realisierung eines FE können die entsprechenden annotierten Belegstellen zu Rate gezogen werden. Alle an- 4 Bei der Spezifikation dieser beiden FE unterscheidet sich signalisieren etwa von sagen oder kommunizieren. LingTermNet: Konzeption und Entwicklung eines FrameNet 111 notierten Belegstellen einer LE finden sich im Annotation Report; diesem ist zudem eine Tabelle aller im Report realisierter FE vorangestellt. In Ling- TermNet verzichten wir auf Angaben zum grammatischen Verhalten einer LE, weil das primäre Ziel der Aufbau einer fachterminologischen Wörterbuchressource ist. Man beachte, dass FrameNet keine Angaben dazu bereitstellt, mit welchen Standardwerten bzw. Standard-Wertebereichen ausgewählte FE eines Frames spezifiziert sein müssen, um die lexikalische Bedeutung eines Wortes zu erfassen. In dem Lexical Entry Report zu einer LE findet sich zwar jeweils eine knappe Bedeutungsangabe, diese ist allerdings dem Concise Oxford Dictionary (Pearsall 1999) entnommen und nicht in dem jeweils einschlägigen Frame verankert. In diesem Punkt unterscheidet sich LingTermNet grundsätzlich von seinem Mutterprojekt; wir sehen eine große Stärke und einen Gewinn darin, lexikalische Bedeutungen in möglichst enger Anlehnung an die sie motivierenden Frames zu definieren (vgl. Abschnitt 3.2.3). 2.2 Von Lexikalischen Einheiten zu Frames: signalisieren und der Communication - Frame Der Identifizierung und Erstellung von Frames liegt ein aufwändiges lexikografisches Verfahren zugrunde, das im Berkeleyer FrameNet-Projekt typischerweise drei Phasen umfasst (Baker/ Fillmore/ Lowe 1998, S. 88). Jede Phase wird von einer Arbeitsgruppe umgesetzt, wobei alle Beteiligten - teilweise in wechselnden Rollen - mindestens einer Arbeitsgruppe zugewiesen sind: a) die Vorhut („vanguard“), b) die Annotatoren („annotators“) und c) die Nachhut („rearguard“). Im LingTermNet-Projekt - genauso wie im Projekt FrameNet & Konstruktikon des Deutschen (www.german-framenet.de, Stand: 1.4.2019) - orientieren wir uns an dieser Arbeitsteilung. Ziel der ersten Arbeitsphase ist es, die Annotation von Belegsätzen eines Frames vorzubereiten. Zunächst besteht die Aufgabe darin, eine Menge an prioritär zu behandelnden Wörtern auszuwählen und nach verschiedenen Bedeutungen aufzuschlüsseln. Dies geschieht im Rückgriff auf Wörterbücher und auf der Basis erster Korpusrecherchen. Wie erläutert, ist bei signalisieren zwischen zwei Bedeutungsvarianten (LE) zu differenzieren. Basierend auf der Annahme, dass jede Bedeutung durch einen eigenen Frame motiviert ist, besteht die Aufgabe der ersten Arbeitsgruppe nun darin zu prüfen, ob eine oder mehrere der LE Frames aufrufen, die bereits erstellt worden sind. Ist dies der Fall, muss sichergestellt werden, dass die entsprechende LE tatsächlich zu dem existierenden Frame passt; dies geschieht durch die Annotation von Belegsätzen und die Analyse der erzielten Ergebnisse. Liegt kein passender Frame vor, so wird ein neuer Frame provi- Anastasia Neumann-Schneider/ Alexander Ziem 112 sorisch angelegt. Nötig ist es dann, weitere LE zu identifizieren, die potenziell den neu angelegten Frame aufrufen. Die Vorhut ist auch dafür zuständig, aus Korpora ein Set an einschlägigen Belegstellen zusammenzustellen und für die Annotation vorzubereiten. Dieser Arbeitsschritt wird „subcorporation“ genannt (Fillmore et. al 2003, S. 331). Erarbeitet wird zudem eine provisorische Frame-Definition. Auch eine vorläufige Liste an FE stellt die Vorhut zusammen. Dies soll der zweiten Arbeitsgruppe ermöglichen, Belegstellen effizient zu annotieren. Im weiteren Verlauf beschränken wir uns auf signalisieren (2) , also auf sprachlich vollzogene Kommunikationshandlungen des Signalisierens. Der aufgerufene Communication -Frame muss nicht erst erstellt werden, sondern liegt bereits vollumfänglich vor. In der zweiten Phase werden die zusammengestellten Belegstellen im Hinblick auf die jeweils ausgewählten LE (in dieser Phase „Targets“ genannt) annotiert. Dies geschieht in FrameNet mithilfe eines Annotationsprogramms. Im Projekt FrameNet & Konstruktikon des Deutschen haben wir inzwischen ein eigenes Annotationswerkzeug entwickelt, das auch auf die LingTermNet-spezifischen Anforderungen zugeschnitten ist und hier verwendet werden kann (vgl. Ziem/ Flick/ Sandkühler (2019): Abschnitt 3.3). Im Berkeleyer FrameNet- Projekt, wie auch im Projekt FrameNet & Konstruktikon des Deutschen, werden für jede Belegstelle alle realisierten FE hinsichtlich ihrer grammatischen Funktion, ihres Phrasentyps und der realisierten semantischen Rollen annotiert. Wie bereits erwähnt, annotieren wir im LingTermNet-Projekt ausschließlich semantische Rollen und verzichten auf die Annotation von syntaktischen Informationen, da diese für die Bedeutungserfassung und -beschreibung von Fachtermini nicht relevant sind. Die dritte Arbeitsphase hat im Wesentlichen zum Ziel, die Annotationen kritisch zu prüfen und sicherzustellen, dass diese innerhalb eines Frames - also über verschiedene LE hinweg - konsistent sind. Treten Inkonsistenzen auf, so kann daraus die Notwendigkeit resultieren, angesetzte FE genauer zu definieren, weitere FE zu ergänzen oder überhaupt die in der ersten Arbeitsphase festgelegte Liste an FE zu revidieren. Wenngleich die drei Arbeitsphasen prinzipiell aufeinander aufbauen und konsekutiv umgesetzt werden, müssen sie in diesem - regelmäßig auftretenden - Fall mehrfach durchlaufen werden. Sind die Annotationen validiert, kann für jede LE ein Lexikoneintrag erstellt werden. 5 Es ist ebenso Aufgabe der Nachhut, basierend auf den Annotationsergebnissen die erste Frame-Skizze der Vorhut zu einem vollständigen Frame- Eintrag (mit allen in Abschnitt 2.1 erläuterten Informationen) auszubauen. 5 Im Berkeleyer FrameNet dokumentiert jeder Lexikoneintrag die LE-spezifischen Valenzmuster sowie die syntaktischen Realisierungsvarianten (Phrasenstruktur, grammatische Funktion) jedes FE. LingTermNet: Konzeption und Entwicklung eines FrameNet 113 2.3 Von Frames zum FrameNet: der Communication - Frame in FrameNet und der Sprechersignal - Frame in LingTermNet Von großer Wichtigkeit ist, dass in FrameNet Beziehungen, die ein Frame zu anderen unterhält („frame-to-frame-relations“), ausgewiesen und in jedem Frame-Eintrag dokumentiert werden. Fillmore/ Baker (2010, S. 330) nennen sieben empirisch ermittelte Typen von Frame-zu-Frame-Relationen, die sich in drei Gruppen einteilen lassen: 1) Generalisierungs-Relationen („Vererbung“ [engl. „Inheritance“], „Perspektive“ [engl. „Perspective_on“], „verwendet“ [engl. „Using“]), 2) Ereignisstruktur-Relationen („untergeordnet von“ [engl.: „Subframe“], „vorangehend von“ [engl. „Precedes“]) und 3) systematische Relationen („ursächlich für“ [engl. „Causative_of“], „inchoativ“ [engl. „Inchoative_of“]). Abweichend davon findet sich in Ruppenhofer et. al (2016, S. 73-79) eine Klassifikation, die um die Relation „siehe auch“ [engl. „See_also“]) ergänzt wird; in der FrameNet-Datenbank wird sogar zwischen zwölf Typen von Relationen differenziert. 6 Wie in Abbildung 1 illustriert, ist der von signalisieren (2) aufgerufene Communication -Frame unmittelbar mit einer Vielzahl an Frames verbunden: Er erbt Informationen vom Cause_to_perceive -Frame und vererbt Informationen auf sechs Frames, so etwa den Gesture -Frame. Zugleich steht er in einer Verwendet-Beziehung („Uses“) zum Information -Frame, und insgesamt 33 Frames verwenden Informationen des Communication -Frames („Is Used by“-Relation), hierzu gehören u.a. der Encoding - und Discussion -Frame. Abb. 1: Communication - Frame und einige seiner Nachbarn (Ausschnitt) 7 6 Bei der Generalisierungs-Relation „Vererbung“ wird hier beispielsweise unterschieden zwischen „erbt von“ (engl. „Inherits from“) und „wird vererbt an“ (engl. „Is Inherited by“), und neben „verwendet“ (engl. „Uses“) fungiert auch „wird verwendet von“ (engl. „Is Used by“) als ein Relationstyp. 7 Hierbei handelt es sich um einen Ausschnitt der Visualisierung der Beziehungen, die der Communication -Frame zu anderen Frame unterhält. Der Berkeleyer FrameGrapher visualisiert diese Relationen derart, dass verschiedene Darstellungsebenen und Relationsarten ausgewählt und angezeigt werden können. In einer Legende werden die Art der grafischen Realisierung Anastasia Neumann-Schneider/ Alexander Ziem 114 Die Frame-zu-Frame-Relationen machen deutlich, dass Frames keine isolierten konzeptuellen Einheiten, sondern vielmehr in ein komplexes Beziehungsgeflecht eingebunden sind (in ein FrameNet eben). Die große Bedeutungsähnlichkeit von signalisieren (1) und signalisieren (2) zeigt sich in der engen Verwandtschaft des Communication -Frames (den signalisieren (2) aufruft) und Gesture -Frames (den signalisieren (1) aufruft); ersterer steht in einer Vererbungsrelation zu letzterem, er gibt also seine FE an diesen weiter. Dass der Communication -Frame seinerseits Informationen aus dem Cause_to_perceive -Frame erbt, dokumentiert die spezifische Struktur des intentionalen Handelns, die signalisieren in beiden Bedeutungsvarianten zu eigen ist. Auch fachterminologische Frames weisen ein komplexes Beziehungsgeflecht auf (vgl. Abschnitt 3.2.2). Da Fachbegriffe nicht nur metaphorisch auf Alltagsbegriffe Bezug nehmen (wie etwa „Gesprächsschritt“ oder „Nachbarschaftspaar“), sondern auch von diesen semantisch abgleitet sein können (wie etwa im Fall von „Eröffnungssignal“ und „Gliederungssignal“), besteht Grund zur Annahme, dass die von fachterminologischen Ausdrücken (hier: Eröffnungssignal, Gliederungssignal) evozierten Frames, in einer Relation zu jenen Frames in FrameNet stehen, die von den jeweils korrespondierenden Ausdrücken des Alltagswortschatzes (hier: Signal, signalisieren) aufgerufen werden. So wäre es etwa plausibel anzunehmen, dass in LingTermNet der Sprechersignal - Frame, den u. a. die LE Eröffnungssignal und Gliederungssignal evozieren, in einer Vererbungsrelation zum Communication -Frame in FrameNet steht, wobei die FE Communicator, Message und Addressee des Eltern-Frames Communication an den Sprechersignal -Frame vererbt und spezifiziert werden, nämlich zu den FE Sprecher, Hinweis und Hörer. Im verbleibenden Teil erläutern wir Einzelheiten zum Sprechersignal - Frame. Dieser Frame dient dazu, Aufbau und Struktur des LingTermNet vorzustellen. 3. Aufbau und Struktur von LingTermNet Im Anschluss an die Erläuterungen der konzeptionellen und methodischen Grundlagen des Mutterprojekts FrameNet stellen wir im Folgenden das LingTermNet selbst vor. In Abschnitt 3.1 wird zunächst anhand des bereits eingeführten Beispiels des Sprechersignal -Frames der lexikografisch reflektierte Prozess der Erstellung eines Frame-Eintrages dargelegt. Auch die leitenden Annotations- und Analyseprinzipien, einschließlich der verwendeten technischen Werkzeuge, werden kurz dargestellt. Abschnitt 3.2 wideines jeden Relationstyps aufgelistet und definiert; vgl. https: / / framenet.icsi.berkeley.edu/ fndrupal/ FrameGrapher (Stand: 1. 6. 2019). LingTermNet: Konzeption und Entwicklung eines FrameNet 115 met sich der Struktur des LingTermNet-Repositoriums; neben einem allgemeinen Überblick werden verschiedene Eintragstypen präsentiert und exemplarisch erläutert. 3.1 Von Lexikalischen Einheiten zu Frames: die LE Gliederungssignal und der Sprechersignal - Frame Der Arbeitsablauf im LingTermNet-Projekt orientiert sich an dem in Abschnitt 2.2 skizzierten dreiphasigen Workflow im Berkeleyer FrameNet-Projekt. Auch im LingTermNet-Projekt besteht die erste Zielvorgabe darin, eine Frame-Skizze zu entwerfen. Dem voraus geht a) die Identifizierung von potenziell frame-evozierenden LE, b) die Kompilierung von Belegstellen (Korpusaufbau), c) die Annotation von FE. Auf der Basis der annotierten Daten gilt es, die erstellte Frame-Skizze zu einem vollständigen Frame-Eintrag auszubauen. Dieser Arbeitsprozess verläuft in der Regel nicht linear, sondern zirkulär, da es sich nach ersten Annotationen als nötig erweisen kann, die gewählten Annotationskategorien (FE) und/ oder die Auswahl der LE zu modifizieren bzw. zu erweitern. Im Folgenden sollen die drei Arbeitspakete - also die Erarbeitung einer Frame-Skizze und einer Belegstellensammlung, die Annotation von Belegstellen sowie die Erstellung von Einträgen - am Beispiel des eingeführten Sprechersignal -Frames erläutert werden. Obwohl sich LingTermNet, anders als das Berkeleyer FrameNet, nicht auf die lexikografische Erfassung von LE aus dem Grundwortschatz einer Sprache richtet, sondern linguistische Fachbegriffe zu seinem Gegenstandsbereich hat, beginnt auch hier das erste Arbeitspaket mit der Erstellung einer Liste von relevanten LE. Da LingTermNet zunächst Studienanfänger/ innen als Zielgruppe adressiert, wurde anfänglich die Auswahl der LE durch die Relevanz für das Curriculum gesteuert. Ein erster inhaltlicher Schwerpunkt lag auf Fachtermini der linguistischen Gesprächsforschung, eine sukzessive Erweiterung auf linguistische Grundbegriffe in den Bereichen Syntax und Semantik findet aktuell statt. Ausgangspunkt der lexikografischen Analyse bilden linguistische Fachtermini, die mutmaßlich denselben Frame evozieren, d.h. durch denselben Bedeutungsrahmen motiviert sind. Am Beispiel des Sprechersignal -Frames, lässt sich der Prozess wie folgt illustrieren: Nach der Durchsicht der einschlägigen Fachliteratur, darunter auch der gängigen Einführungsliteratur wie Henne/ Rehbock (2001), Brinker/ Sager (2006), Schwitalla (2006), Deppermann (2008), Gülich/ Mondada (2008), Mroczynski (2014), wird eine Liste mit potenziellen LE erstellt. Diese Liste wird hinsichtlich einzelner Themenfelder und semantisch ähnlicher Termini sortiert und bearbeitet, sodass im Anastasia Neumann-Schneider/ Alexander Ziem 116 Anschluss ein erster Entwurf eines Frames konzipiert und diskutiert werden kann. Zur Domäne der Gesprächssignale gehören beispielsweise folgende Termini: Gesprächsschrittbeanspruchendes Signal, Backchannel 8 , Hörersignal, Rezeptionssignal, Rückversicherungssignal, Tag Question, Diskontinuitätsmarker, Diskursmarker, Eröffnungssignal, Gliederungssignal, Schlusssignal, Sprechersignal. Die ersten vier Termini lassen sich als hörerseitige Gesprächssignale identifizieren; bei allen anderen handelt es sich um Signale, die ein Sprecher innerhalb seines Gesprächsbeitrags verwendet. Wie in Abschnitt 2.3 bereits erwähnt, kann der Communication -Frame in FrameNet als Eltern-Frame für den hier exemplarisch diskutierten Sprechersignal -Frame ausgewiesen werden. Dieser Eltern-Frame dient als Grundlage für die erste Frame-Skizze. Der Frame zeichnet sich durch die FE Sprecher, Hinweis, Hörer aus und lässt sich demnach als ein Frame definieren, in dem ein Sprecher bestimmte diskursorganisierende Hinweise an einen Hörer sendet. Der nächste Schritt hat zum Ziel, für die Annotation ein eigenes Korpus mit Belegstellen aufzubauen. Hierfür werden für jede potenzielle LE des Frames Belegstellen recherchiert und extrahiert. So entstehen für jede LE eigene Subkorpora aus ca. 15-20 Belegstellen. Insgesamt umfasst LingTermNet aktuell 3.729 annotierte Belegstellen (Stand: 1. 4. 2019). 9 (1) dokumentiert eine Belegstelle für die LE Gliederungssignal. (1) Gliederungssignale werden von den Sprechern verwendet um den Aufbau ihres Diskurses zu markieren. (Barme 2012, S. 37) Für die spätere Annotation fungiert die LE Gliederungssignal als Zielausdruck (engl. „target“, vgl. Fillmore/ Petruck 2003, S. 361); den Konventionen in FrameNet folgend, wird dieser fett markiert. Das zweite Arbeitspaket, die Annotation, richtet sich auf die semantische Anreicherung der Belegstellen jeder einzelnen LE des Frames mit den u. a. zuvor in der Frame-Skizze definierten FE. Diese können, falls nötig, im Laufe der Annotation modifiziert und an die Belegstellendaten angepasst werden. 8 Da die germanistische Gesprächsforschung stark durch angloamerikanische Arbeiten geprägt wurde, befinden sich in dieser linguistischen Domäne einige aus der Ausgangssprache übernommene und nicht übersetzte Fachbegriffe. 9 Als Quellen für die Belegstellenrecherche dienen einschlägige linguistische Fachpublikationen (mit Ausnahme von Lexika und Einführungsliteratur, da der authentische Gebrauch der Fachtermini Grundlage der Untersuchung ist und metasprachliche Bezüge in Gestalt von Definitionen wenig hilfreich sind). Die Recherchen erfolgen sowohl über bibliografische Recherchen in Bibliotheken als auch online, insbesondere über Google-Scholar. LingTermNet: Konzeption und Entwicklung eines FrameNet 117 Häufig sind aber auch sprachliche Realisierungen vorzufinden, die sich nicht mit den vorher angelegten FE der Frame-Skizze erfassen lassen. In diesem Fall ist es nötig, über passende (‘sprechende’) FE-Namen nachzudenken und diese der FE-Liste hinzuzufügen (vgl. etwa das FE Zweck in (2)). Dieselben Belegstellen werden in der Regel von mindestens zwei Annotator/ innen unabhängig annotiert. Abweichungen werden diskutiert und Änderungen entsprechend durchgeführt. So ergeben sich für die genannte Belegstelle zur LE Gliederungssignal die in (2) durch Indizes angezeigten Annotationen. (2) [Gliederungs] Hinweis signale [werden] Support [von den Sprechern] Sprecher [verwendet] Support , [um den Aufbau ihres Diskurses zu markieren] Zweck . (Barme 2012, S. 37) Auch in der grafischen Darstellung der Annotationen orientiert sich Ling- TermNet am Berkeleyer FrameNet. Der zu annotierende Bereich wird mit eckigen Klammern versehen und die jeweils verwendete Annotationskategorie wird tiefgestellt. Hierbei handelt es sich - mit Ausnahme der Stützverb- Konstruktion Support (die wir gleich erläutern) - um FE. Zur besseren Wiedererkennung werden diese im Annotationsreport und im Frame-Eintrag farblich (hier hingegen: unterschiedlich grau) unterlegt. 10 Die in (2) annotierten FE Hinweis und Sprecher sind bereits in der Frame- Skizze enthalten; sie sind auch im verwandten Communication -Frame angelegt. Beide FE haben den Status von Kern-FE, da sie für den Frame semantisch konstitutiv sind. Nicht-Kern FE wie in (2) Zweck, die meist erst im Laufe der Annotation identifiziert werden, betreffen weitere lexikalisch relevante Bedeutungsaspekte der LE bzw. des Frames. Bei der Annotation von Fachbegriffen orientiert sich das LingTermNet-Projekt an den Annotationsprinzipen in FrameNet (vgl. Ruppenhofer et al. 2016). Anders als im Berkeleyer FrameNet, das den englischen Alltagswortschatz abzudecken versucht, werden in LingTermNet ausschließlich Nomen als Targets annotiert, da linguistische Fachtermini in den von uns avisierten Domänen fast ausschließlich nominaler Natur sind. Ein weiterer Unterschied betrifft die Annotationskategorien. Während in FrameNet semantische Rollen (FE) sowie die Phrasenstruktur der realisierten FE und deren grammatische Funktion annotiert wird, werden in LingTermNet ausschließlich FE annotiert; Informationen über mögliche syntaktische Realisierungen der FE können für LingTermNet vernachlässigt werden. Anders als in FrameNet werden schließ- 10 Vgl. die Dokumentation des Annotationsreports zur LE Gliederungssignal unter http: / / gsw. phil.hhu.de/ diskurslinguistik/ index.php? title=Annotationsreport_Gliederungssignal sowie den Eintrag zum Sprechersignal-Frame unter http: / / gsw.phil.hhu.de/ diskurslinguistik/ index. php? title=Sprechersignal (Stand: 1. 4. 2019). Anastasia Neumann-Schneider/ Alexander Ziem 118 lich keine Null-Instanziierungen annotiert (vgl. Abschnitt 2.1). Die weiteren Annotationsprinzipien sollen im Folgenden anhand ausgewählter Beispiele kurz erläutert werden. In LingTermNet richtet sich die Annotation grundsätzlich auf syntaktisch vom Zielausdruck abhängige Größen; hierzu zählen insbesondere die Folgenden. a) Komposita-Erstglieder 11 , vgl. (3). (3) Das „Gut“ des Sachbearbeiters ist hier keine bewertende Äußerung, sondern ein themenbeendendes [Gliederungs] Hinweis signal. (Becker-Mrotzek 2001, S. 1516) b) Links-adjazente Attribute, vgl. (4). (4) Das „Gut“ des Sachbearbeiters ist hier keine bewertende Äußerung, sondern ein [themenbeendendes] Wirkung Gliederungssignal. (Becker-Mrotzek 2001, S. 1516) c) Rechts-adjazente Attribute, vgl. (5). (5) Da wir die Unterscheidung von Gliederungssignalen [am Anfang eines Satzes] Position und Gliederungssignalen am Ende eines Satzes […] für fragwürdig halten, bezeichnen Schlußsignale hier Gliederungspartikeln am Ende eines Gesprächsschrittes. (Radtke 1994, S. 289) d) die LE selbst, und zwar dann, wenn diese ein sortales oder relationales Nomen ist. Da es im Sprechersignal -Frame keine solche LE gibt, illustrieren (6) und (7) einschlägige Beispiele aus dem Partikel 12 - und dem Prosodie_Sprechausdruck 13 -Frame. (6) Partikel -Frame: Die Konsensfähigkeit dokumentieren sowohl der Inhalt der Äußerung als auch die Verwendung der [Partikel] Funktionswort ja. (Hagemann 2009, S. 168) (7) Prosodie_Sprechausdruck -Frame: Bei der sogenannten Nebenkommunikation wird der Kreis der Adressaten schon durch die [Lautstärke] Dynamischer_ Sprechausdruck der Äußerung eingeschränkt. (Hartung 2001, S. 1352) 11 Zur Veranschaulichung der einzelnen Annotationskategorien wurden die Belegstellen nur hinsichtlich der jeweils vorgestellten Kategorie annotiert; sie sind mithin unvollständig annotiert. Alle Annotationen können im Annotationsreport der LE Gliederungssignal in LingTerm- Net eingesehen werden: http: / / gsw.phil.hhu.de/ diskurslinguistik/ index.php? title=Annotations report_Gliederungssignal (Stand: 1. 4. 2019). 12 Vollständiger Frame-Eintrag im LingTermNet: http: / / gsw.phil.hhu.de/ diskurslinguistik/ index.php? title=Partikel (Stand: 1. 4. 2019). 13 Vollständiger Frame-Eintrag im LingTermNet: http: / / gsw.phil.hhu.de/ diskurslinguistik/ index.php? title=Prosodie_Sprechausdruck (Stand: 1. 4. 2019). LingTermNet: Konzeption und Entwicklung eines FrameNet 119 e) Kopula-Konstruktionen, sofern die LE der Prädikationsausdruck und die annotierte Phrase der Referenzausdruck ist, vgl. (8). (8) [Das „Gut“ des Sachbearbeiters] Beispiel ist hier keine bewertende Äußerung, sondern ein themenbeendendes Gliederungssignal. (Becker-Mrotzek 2001, S. 1516) f) Stützverb-Konstruktionen („support verb constructions“) bei deverbalen lexikalischen Einheiten, die in einer Nomen-Verb-Verbindung stehen, innerhalb derer das frame-evozierende Potenzial des analysierten Zielausdrucks semantisch stärker ist als das des Vollverbs. 14 In solchen Fällen wird das Verb mit dem Support-Verb-Label gekennzeichnet und alle Satzteile, die vom Verb abhängig sind, als FE des Targets annotiert, vgl. (9). (9) [Gliederungssignale] [werden] Support [von den Sprechern] Sprecher [verwendet] Support , [um den Aufbau ihres Diskurses zu markieren] Zweck . (Barme 2012, S. 37) Das dritte und letzte Arbeitspaket richtet sich auf die Erstellung von Wörterbuchartikeln. Die Artikel basieren auf den erstellten Frame-Skizzen und den annotierten und analysierten Belegstellen. Unterstützt wird das Anlegen und Erstellen von Einträgen durch eine für LingTermNet (in Java) programmierte Software (vgl. Abbildung 2). Diese so genannte „MediaWikiSuite“ dient als Schnittstelle zu der öffentlich zugänglichen Software MediaWiki, welche für zahlreiche Wikis (u. a. auch Wikipedia) genutzt wird. Nach der Installation der MediaWiki-Software lassen sich die Einträge des LingTermNet zwar auch direkt im Browser erstellen und bearbeiten. Mit der MediaWikiSuite ist es darüber hinaus aber auch möglich, alle Einträge auf einmal herunterzuladen (vgl. Abbildung 2, linke Spalte), sie bei Bedarf übergreifend zu bearbeiten 15 und Konsistenzchecks 16 durchzuführen. Die Software erleichtert auch die 14 Als typische Beispiele für Stützverb-Konstruktionen können Nominalisierungsverbgefüge wie „eine Frage stellen“, „eine Rede halten“, „eine Vereinbarung treffen“ usw. genannt werden. Die Auslegung von Stützverb-Konstruktionen im FrameNet geht allerdings über Nominalisierungsverbgefüge hinaus; so werden auch solche Verben als Stützverben akzeptiert, die selbst noch einen gewissen Grad an Semantik zu dem Satz beitragen, indem sie beispielsweise eine Perspektivverschiebung ausdrücken, wie in „eine Frage gestellt bekommen“ usw. (vgl. Ruppenhofer et al. 2016, S. 34 f. sowie 43 f.). 15 Dies ist beispielsweise manchmal bei Nicht-Kern-FE desselben Typs nötig, die in mehreren Frames (und mithin in zahlreichen Annotationsreporten) vorkommen und der Konsistenz halber einen einheitlichen Namen bekommen sollen. So könnte das FE Auftretensort des einen Frames und das FE Vorkommen eines anderen Frames etwa zum FE Auftretensort frameübergreifend (sowie in allen Annotationsreporten der beiden Frames) vereinheitlicht werden. 16 Mithilfe der Konsistenzchecks können beispielsweise FE identifiziert werden, die zwar im Annotationsreport, aber nicht im entsprechenden Frame-Eintrag vorkommen - also annotiert, Anastasia Neumann-Schneider/ Alexander Ziem 120 Eingabe in der MediaWiki eigenen Auszeichnungssprache Wiki Markup, indem sie Formatierungs-Buttons anbietet (vgl. in Abbildung 2 die Symbolleiste unterhalb des Menübandes) sowie eine Vorschau (vgl. Abbildung 2, rechte Spalte) des in Wiki Markup erstellten Eintrags (vgl. Abbildung 2, mittlere Spalte) anzeigt. Abb. 2: MediaWikiSuite des LingTermNet 3.2 Die LingTermNet - Datenbank LingTermNet besteht aus zwei Typen von Einträgen: Einträgen für Frames („Ebene 2“) und für LE („Ebene 1“). In den folgenden Abschnitten sollen diese zusammen mit der allgemeinen Website-Struktur des LingTermNets vorgestellt werden. aber nicht definiert wurden. Auch lassen sich fehlende wechselseitige Markierungen von Frame-Relationen herausfiltern, so etwa, wenn in einem Eintrag zu einem Frame eine Relation zu einem anderen Frame definiert wurde, diese aber im Eintrag zum ersten Frame fehlt. LingTermNet: Konzeption und Entwicklung eines FrameNet 121 3.2.1 Zur allgemeinen Struktur von LingTermNet Das LingTermNet besteht gewissermaßen aus zwei digitalen Wörterbüchern, die miteinander derart in Beziehung stehen, dass die Einträge im framebasierten Lexikon („Ebene 2“) die Grundlage für lemmabezogene Einträge („Ebene 1“) bilden. Grundsätzlich gibt es zwei Optionen, die Bedeutung(en) von Fachtermini in LingTermNet zu ermitteln. Zum einen ist es möglich, ein Lemma wie in gängigen Lexika im alphabetischen Index 17 auf der Ebene 1 nachzuschlagen. Zum anderen lässt sich der Terminus auch im LE-Index 18 der Ebene 2 nachschlagen. Hier sind die LE ebenfalls alphabetisch sortiert, jedoch gelangt man über sie nicht zur Definition des Fachterminus, sondern zum jeweils relevanten Hintergrundframe, der die Bedeutung des Terminus motiviert. Für interessierte Laien, Fachvertreter/ innen und Studierende, die nicht nach der Bedeutung eines bestimmten Ausdrucks suchen, sondern ihr Wissen in bestimmten linguistischen Domänen vertiefen möchten, gibt es auf der Ebene 2 weitere Möglichkeiten 19 zu den Frame-Einträgen zu gelangen, so etwa über den Frame-Index (hier können Frames gezielt nachgeschlagen werden) oder über die Übersicht der im LingTermNet vertretenen Domänen (inklusive der zugehörigen Frames sowie LE). Schließlich ist es möglich, über die dynamische Gesamtübersicht aller Frames, in der auch alle Beziehungen zwischen Frames ausgewiesen sind, einen Frame anzusteuern. 3.2.2 Frame - Einträge („Ebene 2“): die framesemantische Ressource Die Frame-Einträge der Ebene 2 enthalten alle in Abschnitt 2.1 bereits angesprochenen Komponenten: FE, LE, Annotationsreporte und Frame-zu- Frame-Relationen. Ein solcher prototypischer Eintrag - hier am Beispiel des Sprechersignal -Frames - beginnt mit der Definition des Frames (vgl. Abbildung 3). 17 Im LingTermNet: http: / / gsw.phil.hhu.de/ diskurslinguistik/ index.php? title=Linguistische_ Fachbegriffe (Stand: 1. 4. 2019). 18 Im LingTermNet: http: / / gsw.phil.hhu.de/ diskurslinguistik/ index.php? title=LE-Index (Stand: 1. 4. 2019). 19 Vgl. die Übersicht in LingTermNet: http: / / gsw.phil.hhu.de/ diskurslinguistik/ index.php? title= Linguistische_Fachbegriffe_als_Frames (Stand: 1. 4. 2019). Anastasia Neumann-Schneider/ Alexander Ziem 122 Abb. 3: Definition des Sprechersignal - Frames In der Definition werden in der Regel alle Kern-FE des Frames (und bei Bedarf auch einige der Nicht-Kern-FE) zueinander in Beziehung gesetzt. Die FE sind zur besseren Identifizierbarkeit immer farblich hinterlegt. Wenn nötig, können die Farben per Klick (im oberen rechten Teil des Eintrags) ausgeschaltet werden. Unterhalb der Frame-Definition befindet sich eine Tabelle, in der alle FE des Frames aufgelistet, separat definiert und mit Beispielbelegstellen versehen sind, die exemplarische Annotationen hinsichtlich des jeweils definierten FE zeigen (vgl. Abbildung 4). Abb. 4: Definition einiger FE des Sprechersignal - Frames (Ausschnitt) Zu einem Frame-Eintrag gehören auch eine Auflistung der frame-evozierenden LE mit Hyperlinks zu den jeweiligen LE-Einträgen auf der Ebene 1 (im Sprechersignal -Frame: Sprechersignal, Gliederungssignal, Diskursmar- LingTermNet: Konzeption und Entwicklung eines FrameNet 123 ker, Diskontinuitätsmarker, Rückversicherungssignal, Tag Question, Eröffnungssignal, Schlusssignal) sowie Hyperlinks zu den Annotationsreporten der einzelnen LE; hier befinden sich alle annotierten Belegstellen, eine Kurzdefinition, ein Analysekommentar und eine Tabelle, die alle annotierten FE auszählt und auflistet. Jeder Frame-Eintrag enthält schließlich Angaben zu den Frame-zu-Frame- Relationen und eine Grafik (vgl. Abbildung 5), die diese Relationen im direkten und indirekten Umfeld des jeweils definierten Frames visualisiert. Diese grafische Darstellung ist dynamisch; alle Knotenpunkte lassen sich frei anordnen. 20 Abb. 5: Relationen des Sprechersignal - Frames zu anderen Frames 3.2.3 LE - Einträge („Ebene 1“): die lexikografische Ressource Die LE-Einträge der Ebene 1 bieten im Gegensatz zu den eher abstrakten, voraussetzungsreichen Frame-Einträgen definitorische Bestimmungen einzelner LE (Fachtermini) an. Von zentraler Relevanz ist dabei, dass diese auf den jeweils einschlägigen Frame-Einträgen und damit ebenfalls auf lexikografisch ausgewerteten Korpusdaten beruhen, da auch hier die im Prozess der Anno- 20 Mittels Mouse-Over-Funktion wird die Art der Relation angezeigt, per Linksklick auf einen Knotenpunkt werden alle indirekten Nachbarn ausgeblendet, und per Rechtsklick gelangt der Nutzer/ die Nutzerin zum Eintrag des jeweiligen Frames. Anastasia Neumann-Schneider/ Alexander Ziem 124 tation elaborierten FE des jeweiligen Frames Eingang in die Definition finden. Ein solcher Eintrag beginnt stets mit einer LE-spezifischen Definition, gefolgt von einem Transkript- und ggf. einem Ton-Beispiel (vgl. Abbildung 6). Durch die Gliederungssignale einmal und zweitens (dunkelgrau markiert) wird deutlich, dass der Sprecher seinen Gesprächsbeitrag in diesem Fall inhaltlich in mehrere Abschnitte gliedert. Weitere Beispiele für Gliederungssignale: ‚Gut‘, ‚ja‘, ‚und so weiter‘, ‚also‘ usw. Abb. 6: Definition der LE Gliederungssignal mit illustrierendem Beispiel (Transkript) Bei den fettmarkierten Bestandteilen der Definition handelt es sich um explizit und implizit (d.h. paraphrasiert, vereinfachend umbenannt) eingebundene FE, die den Bezug zum übergeordneten Frame-Eintrag aufzeigen. Um welchen Frame und welche FE es sich hierbei handelt, wird im letzten Abschnitt eines jeden Eintrags auf der Ebene 1 aufgeführt (vgl. Abbildung 7). Hier werden alle FE, die Eingang in die Definition der einzelnen lexikalischen Einheit gefunden haben, aufgelistet und gewissermaßen „dechiffriert“. Jeder Eintrag enthält eine Liste mit querverweisenden Links zu verwandten linguistischen Fachtermini; hierbei handelt es sich um jene LE, die denselben Frame (hier: Sprechersignal ) aufrufen, also um LE, deren Bedeutungen durch denselben Frame motiviert sind. LingTermNet: Konzeption und Entwicklung eines FrameNet 125 Abb. 7: Mit der LE Gliederungssignal verwandte LE und relevanter Frame 4. Nutzen und Nützlichkeit von LingTermNet In dem vorliegenden Beitrag haben wir den Aufbau und die Struktur der fachlexikografischen Ressource LingTermNet vorgestellt. LingTermNet ist ein Repositorium für linguistische Fachbegriffe, dessen Erstellung - den lexikografischen Prinzipien des Berkeleyer FrameNet-Projektes folgend - auf systematisch annotierten Belegstellen aus der einschlägigen linguistischen Fachliteratur basiert. Sowohl die im LingTermNet erstellten Frame-Einträge („Ebene 2“) als auch die daraus abgeleiteten Lexikoneinträge („Ebene 1“) sind empirisch erzielte Ergebnisse der Analyse authentischer Korpusbelege, genauer: des Gebrauchs der Termini in der Fachliteratur. Ein wesentliches Ziel des LingTermNet-Projektes besteht darin, fachterminologisches Basiswissen (zunächst aus den Bereichen Gesprächsforschung, Grammatik und Semantik) hinsichtlich seiner Verstehensvoraussetzungen zu dokumentieren und als Online-Nachschlageressource verfügbar zu machen. Übergreifende konzeptuelle Zusammenhänge, so die Annahme, lassen sich durch Frames systematisch identifizieren und modellieren. Die Ermittlung von Frames orientiert sich dabei an dem im FrameNet-Projekt praktizierten dreiphasigen Annotationsverfahren („vanguard“, „annotators“, „rearguard“). Als Nachschlageressource ist LingTermNet zunächst für den didaktischen Einsatz im akademischen Studium konzipiert. Alle definitorischen Bestimmungen werden dementsprechend didaktisch aufbereitet und lernerspezifisch zugänglich gemacht. Über die traditionelle, lemmabasierte Zugriffs- Anastasia Neumann-Schneider/ Alexander Ziem 126 struktur („Ebene 1“) können Lernende zu Definitionen von Fachbegriffen sowie zu anschaulichen Transkript- und Tonbeispielen gelangen. Die framebasierte Zugriffsstruktur („Ebene 2“) erlaubt es, insbesondere fortgeschrittenen Studierenden sowie Lehrenden und Forschenden begriffliche Voraussetzungen von Fachtermini sowie semantische Beziehungen, insbesondere Ähnlichkeiten und Unterschiede zwischen Fachtermini, aus einer gebrauchsbasierten Perspektive zu erkennen und nachzuvollziehen. Lexikografisch ermittelte Frames helfen dabei, auf einem mittleren, lexemübergreifenden Abstraktionsniveau konzeptuelle Zusammenhänge zwischen Fachtermini, auch über Fachdomänen hinweg, zu erfassen, woraus sich auf einem abstrakten, lexemübergreifenden Generalisierungsniveau begrifflich entscheidende Verbindungen, Ähnlichkeiten und Unterschiede konziser und umfänglicher aufzeigen lassen, als dies mittels klassischer, allein lexembezogener lexikografischer Verfahren möglich wäre. Aktuell umfasst das dem Projekt zugrundeliegende Repositorium 245 Fachtermini (LE), die überwiegend aus den Domänen der Gesprächsforschung, Syntax und Semantik stammen. Basierend auf 3.729 annotierten Belegstellen wurden bislang insgesamt 72 Frames dokumentiert (Stand: 1. 4. 2019). In naher Zukunft ist geplant, den terminologisierten Kernwortschatz für das germanistisch-linguistische Curriculum im Bachelorwie auch im Masterstudiengang möglichst vollständig abzudecken. Während dieses Ziel für die Gesprächsforschung erreicht ist, weisen die Domänen der Syntax und Semantik Lücken auf; Fachtermini aus der Pragmatik sind noch gar nicht erfasst. Diesen Bereichen soll Priorität eingeräumt werden. Literatur Aitchison, Jean (1994): Words in the mind: An introduction to the mental lexicon. Oxford: Blackwell. Baker, Collin F./ Fillmore, Charles J./ Lowe, John B. (1998): The berkeley FrameNet project. In: Proceedings of the 17th International Conference on Computational Linguistics 1. Montreal: Universität Montreal, S. 86-90. Barme, Stefan (2012): Gesprochenes Französisch. (= Romanistische Arbeitshefte 58). Berlin/ Boston: De Gruyter. Becker-Mrotzek, Michael (2001): Gespräche in Ämtern und Behörden. In: Brinker/ Antos/ Heinemann/ Sager (Hg.), S. 1505-1525. Boas, Hans C. (2013): Wie viel Wissen steckt in Wörterbüchern? Eine frame-semantische Perspektive. In: Zeitschrift für Angewandte Linguistik 58, 1, S. 75-97. Brinker, Klaus/ Sager, Sven F. 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Ziem, Alexander/ Flick, Johanna/ Sandkühler, Phillip (2019): The German Construction Project: Framework, Methodology, Resources. In: Lexicographica, S. 15-40. ANWENDUNGSORIENTIERTE ÜBERLEGUNGEN STEFAN J. SCHIERHOLZ WSK - 1 GRAMMATIK: FORMENLEHRE UND SYNTAX. EIN LERN - UND KONSULTATIONSWÖRTERBUCH Abstract: Die Wörterbücher zur Sprach- und Kommunikationswissenschaft sind eine Fachwörterbuchreihe, die für 25 Bände geplant ist und in der aktuell ca. 12.000 Artikel online stehen. WSK-1 wird in zwei Teilbänden (Formenlehre, Syntax) von Stefan J. Schierholz und Pál Uzonyi herausgegeben. Es handelt sich um ein alphabetisches und teilbilingualisiertes terminologisches Fachwörterbuch, das als Adressaten in erster Linie Studierende sieht und bei der Textrezeption und fachbezogenen Information behilflich sein soll. Von insgesamt ca. geplanten 4500 Artikeln sind über 4000 Artikel bereits online erschienen. Im Folgenden werden die konzeptuelle Ordnung der Termini, die unterschiedlichen Artikeltypen (Synopse-, Einzel-, Verweisartikel), die Verweisstrukturen (uni-, bidirektional; Synonyme, Antonyme, inhaltlich-thematische Verweisungen, Mehrworttermini), die Abbildung der kognitiven Strukturen des Fachwissens, die Lernkomponente des Bandes sowie der Artikelaufbau vorgestellt. Keywords: Fachlexikografie, Formenlehre, Grammatik, Mediostrukturen, Systematische Einführung, Syntax, Terminologie, WSK 1. Die Wörterbücher zur Sprach- und Kommunikationswissenschaft (WSK ) Die Wörterbücher zur Sprach- und Kommunikationswissenschaft (WSK) sind im Jahr 2003 von Herbert Ernst Wiegand und Stefan Schierholz als eine Reihe mit thematisch gegliederten Fachwörterbüchern zu dem Fachgebietsverbund Sprach- und Kommunikationswissenschaft gegründet worden (Schierholz 2007, 2008, 2010; Wiegand 2006). Ausgangspunkt war die unzureichende Versorgung des Fachgebietsverbunds (vgl. auch Kreuder 2003) durch die im Jahre 2004 vorliegenden Fachwörterbücher (Bußmann (Hg.) 2002; Glück (Hg.) 2000). Die Versorgungssituation hat sich auch mit den neueren Auflagen, Bußmann (Hg.) (2008), Glück (Hg.) (2005) und Glück/ Rödel (Hg.) (2016), nicht grundsätzlich verbessert (Schierholz 2013). Im Jahre 2004 ist die Konzeption zusammen mit dem Verlag De Gruyter umgesetzt worden, wobei u. a. vereinbart worden ist, WSK zuerst in einer Printwörterbuchreihe und danach in einer Online-Version zu publizieren. Eine ausführliche Darstellung findet sich in Schierholz/ Wiegand (2004) in dem internationalen Jahrbuch „Lexicographica 20“. In 2013 ist entschieden worden, die Publikation der Online-Version der Printversion voranzustellen. DOI 10.2357/ 9783823392934 SDS 82 (2020) Stefan J. Schierholz 132 Jedes Fachwörterbuch der Reihe war und ist als ein eigenständiges, alphabetisches und partiell bilingualisiertes terminologisches Teilfachwörterbuch vorgesehen; bilingualisiert bezieht sich auf das Sprachenpaar Deutsch - Englisch. Die Adressaten der WSK-Reihe waren und sind die Studierenden sowie die Lehrenden der philologischen und linguistischen Fächer in der ganzen Welt, die Akademiker, die ein Studium in den genannten Fächern abgeschlossen haben oder einen ihren Studienfächern entsprechenden Beruf ausüben sowie alle am Fachbereich interessierte Personen. Die Ziele und Funktionen der WSK-Reihe waren und sind, in der Ausbildung behilflich zu sein, die Rezeption von Fachtexten zu unterstützen, die fachbezogene Information zu erleichtern sowie Hilfen für Übersetzungen zu bieten. Die Titel der Bände in der auf 25 Bände angelegten Reihe sind thematisch von den Reihenherausgebern festgelegt worden, die explizite Formulierung des Bandtitels entscheiden die jeweiligen Bandherausgeber. Seit 2010 gibt es auch englischsprachige Bände in den WSK, so dass es inzwischen eine Konzeption für eine deutschsprachige Reihe und eine englischsprachige Reihe gibt, die mithin 50 Bände umfasst (vgl. Schierholz 2015, S. 16 ff.). Die Wörterbuchartikel werden von ca. 800 Autoren weltweit in einem Online-Redaktionssystem geschrieben (vgl. auch die Hinweise auf der Erlanger WSK-Homepage www. wsk.uni-erlangen.de). Für alle deutschsprachigen WSK-Bände wird mit ca. 40.000 Wörterbuchartikeln kalkuliert, von denen bislang über 10.000 bei de Gruyter online stehen und die von Studierenden und Lehrenden frei benutzbar sind, sofern deren Universitätsbibliotheken WSK-online erworben haben. Im Jahre 2020 sollen die ersten Bände als Printversion erscheinen. Ein einzelner Band wird ca. 1500 Wörterbuchartikel umfassen; das entspricht etwa 800 Druckseiten. Zwischen der Online- und der Printversion gibt es einige Unterschiede: 1) In der Online-Version erscheint ein WSK-Band physisch nicht mehr, so dass hier ein Bandname bzw. Teilfach (z. B. „Grammatik“, „Wortbildung“) als „Fachgebiet“ bezeichnet wird. Dadurch bleibt die Zuordnung eines Lemmas zu dem jeweiligen Band erkennbar. 2) Die WSK-Printversion gehört zum Wörterbuchtyp „Lern- und Konsultationswörterbuch“ (vgl. Wiegand 2006), für das das „Wörterbuch zur Lexikografie und Wörterbuchforschung“ (Wiegand et al. (Hg.) 2010) ein Vorbild ist. Die Lernkomponente besteht in dem Textbaustein „Systematische Einführung“ in das jeweilige Teilfachgebiet, das im Titel eines WSK-Bandes der Printversion genannt wird. Dieser Titel lautet z. B. für Band 1 im Deutschen „Grammatik. Ein Lern- und Konsultationswörterbuch mit einer Systematischen Einführung und englischen Übersetzungen“. Zwischen der WSK-1 Grammatik: Formenlehre und Syntax. Ein Lern- und Konsultationswörterbuch 133 Systematischen Einführung und den Wörterbuchartikeln bestehen mehrfach Verweise, so dass Studierende den WSK-Band als Lernkomponente sowie als Informationssystem benutzen können. 3) In der Online-Version fehlt die Systematische Einführung in das jeweilige Fachgebiet eines Bandes und somit die Lernkomponente. Die Online-Version ist vom Wörterbuchtyp her ausschließlich ein Konsultationswörterbuch. Jeder WSK-Band hat eine festgelegte Textverbundstruktur, die im Vorspann nach der Titelei aus einem Vorwort, mehreren Verzeichnissen (Abkürzungen, verwendete Siglen in den Literaturangaben, Wörterbuchmarken, Symbole), den Hinweisen zur Benutzung und der Systematischen Einführung in das Fachgebiet besteht. Es folgen das Wörterverzeichnis und im Nachspann verschiedene Register (vgl. Schierholz/ Wiegand 2004, S. 209 ff.). Bei den Wörterbuchartikeln stehen vier Typen zur Verfügung: Synopseartikel, Einzelartikel, Kurzartikel, Verweisartikel. 2. WSK - 1 Grammatik WSK-1 ist ein Doppelband, bestehend aus WSK-1.1 „Formenlehre“ und WSK- 1.2 „Syntax“. Die Bandherausgeber sind Stefan J. Schierholz (Erlangen) und Pál Uzonyi (Budapest) (bis 2015 Christa Dürscheid (Zürich)). WSK-1.1 enthält insgesamt 2118 Wörterbuchartikel (1075 Einzel- und Synopseartikel sowie 1043 Verweisartikel); WSK-1.2 enthält insgesamt 2657 Wörterbuchartikel (1457 Einzel- und Synopseartikel sowie 1200 Verweisartikel). Die Quellen für die Lemmakandidatenliste sind die wichtigsten Grammatikhandbücher, Fachwörterbücher und ausgewählte Fachliteratur. Synopseartikel findet man in WSK-1.1 u. a. zu den Lemmata Adjektiv, Adverb, Affix, Akkusativ, Aktionsart, Aktiv, Artikel, Dativ, Deklination, Derivation, Flexion, Form, Formenlehre, Futur, Genitiv, Genus, Kasus, Komparation, Komposition, Konjugation, Konjunktion, Konjunktiv, Konjunktor, Modus, Morphem, Morphologie, Negation, Nomen, Nominativ, Numerale, Numerus, Paradigma, Partikel, Passiv, Perfekt, Plural, Plusquamperfekt, Präsens, Präteritum, Pronomen, Segment, Singular, Subjunktor, Substantiv, Suffix, Tempus, Verb, Wortart, Wortbildung, Wortfeld, Zeichen. Synopseartikel unterscheiden sich strukturell nur geringfügig von Einzelartikeln, und zwar nur positionenintern bei der Anzahl der erlaubten Verweisadressenangaben in der Verweisposition und bei der Anzahl der erlaubten Literaturangaben in der Literaturposition. Stefan J. Schierholz 134 L E MMA P O S I T I O N Zirkumposition DEUTSCHE DEFINIENSPOSITION diskontinuierliche Adposition, die ihr - gegebenenfalls kasusregiertes - Komplement klammerbildend umschließt. ÄQUIVALENTPOSI- TION/ ENGLISCHE DEFINITIONSPOSITION ▲ - circumposition discontinuous adposition embracing its - case-governed, if applicable - argument in terms of a bracket. POSITION FÜR WEITERGEHENDE ERKLÄRUNGEN (IN DER FORM EINES ANGABETEXTES) MIT BEISPIEL ZUM LEMMAZEICHEN ● - Zirkumpositionen (oV: Circumpositionen) sind als Subtyp der Adpositionen nicht-flektierende Kategorien, die mit Kopfeigenschaften ein adjazent positioniertes Komplement subkategorisieren und ihm einen Rektionskasus zuweisen, wenn es deklinierbar ist. Sie unterscheiden sich durch die diskontinuierlich-klammernde Anordnung des Kopfmaterials um das Komplement von Präpositionen (diese stehen vor dem Komplement) und Postpositionen (diese folgen dem Komplement). Beispiele für gegenwartsdt. Zirkumpositionen sind von…wegen, von…her und um…herum ((1)-(3)). (1) von Amts wegen (2) von der Brücke her (3) um Dortmund herum Bei Zirkumpositionen des Typs von Amts wegen ist der rechte Klammerteil ein dekategorisiertes Nomen und der Genitiv des Komplements ein reanalysierter attributiver Genitiv. Diese Struktur ist gegenwartssprachlich noch bei Beispielen wie an seiner statt erkennbar [...]. SYNONYMENPOSITION = - Klammerpräposition ANTONYMENPOSITION VERWEISPOSITION → - § 5, Adposition, Halbpräposition, komplexe Präposition, Präposition, Postposition, sekundäre Präposition AUTOR JBü LITERATURPOSITION - Di Meola, C. [1999] Die Grammatikalisierung deutscher Präpositionen (StDG 62). Tübingen  Grießhaber, W. [2009] Präposition. In: Hoffmann, L. [Hg.] Handbuch der deutschen Wortarten. Tübingen: 629-655  Hagège, C. [2010] Adpositions. Oxford  Lehmann, C./ Stolz, C. [1992] Bildung von Adpositionen im Deutschen. 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Für die Verweisungen sind eine eigene Antonymposition, eine Synonymposition und eine Verweisposition, die Verweisungen auf andere Lemmata im gleichen Band ermöglicht, vorgesehen. Es folgt die Autorensigle und die Literaturposition. Eine ausgiebige Beschreibung der einzelnen Artikelpositionen findet sich in Schierholz/ Wiegand (2004). Im Folgenden werden der in der Position für weiterführende Erklärungen gekürzte Einzelartikel zu „Zirkumposition“ mit den Angaben der einzelnen Artikelpositionen (Abbildung 1), der Einzelartikel zu „Adverbialkasus“ aus WSK-online (Abbildung 2) und der Kurzartikel zu „demonstratives Determinativ“ (Abbildung 3) gezeigt. Abb. 2: Einzelartikel zum Lemma „Adverbialkasus“ aus WSK online Stefan J. Schierholz 136 Ein Kurzartikel (Abbildung 3) enthält keine Eintragungen in der Position „weiterführende Erklärungen“; die übrigen Artikelpositionen können ausgefüllt werden wie bei Einzelartikeln. Kurzartikel sind nachträglich als Artikeltyp aufgenommen worden, um damit die Fertigstellung eines jeden Bandes zu forcieren. demonstratives Determinativ Determinativ, das das determinierte Substantiv als definit markiert und eine stark hinweisende Funktion hat. demonstrative; determinative that marks the determinate noun as definite and has the function of indicating. [APé] → Demonstrativpronomen, deiktisches Determinativ, Substantiv  Roehrs, D. [2009] Demonstratives and Definite Articles as Nominal Auxiliaries. Amsterdam  Diessel, H. [1999] Demonstratives. Form, Function and Grammaticalization. Amsterdam. Abb. 3: Kurzartikel zu „demonstratives Determinativ“ 2.1 Netzausschnitte Die Termini in WSK-1.1 und WSK-1.2 sind onomasiologisch in einem terminologischen Netz geordnet, wobei für die Zuordnung der Termini zu den terminologischen Wortfeldern und für die Benennung dieser keine festen Vorgaben bestehen. Die Sortierung dient dazu, Autoren für Artikelmengen zu gewinnen, deren Elemente inhaltlich ähnlich sind und die dem gleichen genus proximum zugeordnet werden können. Mit Bildung dieser Wortfelder können die Bandherausgeber leicht prüfen, ob innerhalb eines Bandes die gewählten Ausschnitte des terminologischen Netzes vollständig sind. So lässt sich z. B. feststellen, ob unter dem Terminus „Pronomen“ sämtliche Termini für spezifische Pronomina („Demonstrativpronomen“, „Possessivpronomen“, „Personalpronomen“, „Indefinitpronomen“, „Verweispronomen“, ...) in der Lemmakandidatenliste enthalten sind. Die Netzausschnittbildung hilft beim Aufbau einer systematischen Verschlagwortung der Lemmata, die für die WSK-Reihe prinzipiell angedacht ist und als Bestandteil der Polyakkzessivität vorgesehen sind. Die Netzausschnitte sind aber auch bei der Entscheidung behilflich, ob für einen Terminus ein Einzel- oder Synopseartikel zu schreiben ist, weil man davon ausgehen kann, dass zu einem Lemma, das häufig als Knotenbezeichnung in einem Netzausschnitt vorkommt, eher ein Synopseartikel geschrieben werden kann als zu einem relativ spezifischen Terminus, der nie oder selten als Knotenbezeich- WSK-1 Grammatik: Formenlehre und Syntax. Ein Lern- und Konsultationswörterbuch 137 nung vorkommt. So fungiert „Präposition“ als Netzausschnittterminus, der die Lemmata „Halbpräposition“, „komplexe Präposition“, „primäre Präposition“, „sekundäre Präposition“, „verbregierte Präposition“, „Wechselpräposition“ umfasst. Unter „Präposition (semantisch)“ stehen u. a. die Lemmata „direktive Präposition“, „instrumentale Präposition“, „kausale Präposition“, „lokale Präposition“, „modale Präposition“, „temporale Präposition“. 2.2 Verweisstrukturen Die in den WSK aufgebauten Verweisstrukturen sind ein besonderes Qualitätsmerkmal der Fachwörterbuchreihe, weil diese Strukturen auf der Grundlage des Fachwissens erstellt werden. Verweisstrukturen entstehen aus verweisvermittelnden Textsegmenten und setzen sich aus Strukturen zusammen, die in Form, Funktion und Thematik verschieden sind. (Zu Verweisbzw. Mediostrukturen vgl. u. a. Kammerer/ Lehr 1996; Schierholz 2015; Schierholz/ Wiegand 2004, S. 232 ff.; Wiegand 2002, 2007, 2011; Wiegand et al. (Hg.) 2010, S. 72 ff.). Grundlage der metalexikografischen Verweisungen sind kognitive Strukturen, die in einem Fachgebiet mit der Strukturierung des Wissens etabliert sind. In einem Online-System treten technische Bedingungen hinzu, durch die der Teilautomatisierungsgrad bestimmt wird, sowie durch den Inhalt geprägte fachgebietsspezifische Verweisungen. Bei der Betrachtung der metalexikografischen Verweismöglichkeiten müssen drei Elemente, ein Startpunkt (die Verweisausgangsadresse), ein Zielpunkt (die Verweiszieladresse), und ein Element, das den Verweis markiert (das Verweissymbol), berücksichtigt werden. Die Verweisausgangsadresse ist in dem Wörterbuchartikel zu finden, in dem der Verweis angesetzt wird. Diese Adresse kann sich innerhalb eines Wörterbuchartikeltexts befinden, diese kann aber auch vom Lemma selbst ausgehen, z. B.; wenn dieses ein Verweislemma ist. Die Verweiszieladresse ist der Ort, wohin verwiesen wird. Hier kann man danach differenzieren, ob an den Anfang eines Wörterbuchartikels, oder an einen anderen Punkt im Artikeltext verwiesen wird. Um die Mediostruktur benutzungsorientiert zu gestalten, sind in den WSK die Verweisungen thematisch geordnet und auch metalexikografisch, technisch und in der Textarchitektur voneinander abgegrenzt. 2.2.1 Unidirektionaler Verweis In einem unidirektionalen Verweis liegt eine Verweisung von einem Element A auf ein Element B vor, aber nicht umgekehrt. Dieser Verweistyp tritt u. a. bei den reinen Verweislemmata auf a) und zudem in der Verweisposition eines Wörterbuchartikels b). Stefan J. Schierholz 138 a) In Wörterbuchartikeln, in denen ein Mehrwortterminus in nichtnatürlicher Reihenfolge als Verweislemma angesetzt ist, steht als Verweiszieladresse der gleiche Terminus als Lemma in natürlicher Reihenfolge. So wird in dem Wörterbuchartikel mit dem Lemmazeichen „Akkusativ, doppelter“ auf „doppelter Akkusativ“ verwiesen. Der Verweis ist unidirektional, weil nicht von „doppelter Akkusativ“ auf „Akkusativ, doppelter“ verwiesen wird. Dieses Verfahren ist benutzungsfreundlich und verdeutlicht onomasiologische Strukturen im kognitiv-semantischen Netz der Fachterminologie. Es werden damit funktionale Artikelteilstrecken aufgebaut, durch die die Studierfunktion in einem WSK-Band gefördert wird. Wenn ein Benutzer etwas über „kausale Präposition“ wissen will und wenn er die Extension von „Präposition“ nicht einschätzen kann, dann hilft hier die funktionale Verweisartikelteilstrecke (vgl. dazu Wiegand 2011), weil der Benutzer erfährt, welche weiteren Lemmata mit Präposition als Zweitkonstituente eines Mehrwortterminus in WSK-1 aufgenommen worden sind (vgl. Abbildung 4) und somit zum Wissensnetz mit dem Zentrum „Präposition“ gehören. Dieses Wissen kann über die alphabetische Zugriffsstruktur nicht erlangt werden. Präposition, direktive → direktive Präposition Präposition, instrumentale → instrumentale Präposition Präposition, kausale → kausale Präposition Präposition, komplexe → komplexe Präposition Präposition, lokale → lokale Präposition Präposition, modale → modale Präposition Präposition, primäre → primäre Präposition Präposition, sekundäre → sekundäre Präposition Präposition, temporale → temporale Präposition Präposition, verbregierte → verbregierte Präposition Präposition, verschmolzene → verschmolzene Präposition Abb. 4: Funktionale Artikelteilstrecke b) Die Verweisposition eines Wörterbuchartikels ist gesondert ausgewiesen und durch einen waagerechten Pfeil als Verweissymbol markiert. Von hier aus wird auf andere Lemmata des Sachgebiets verwiesen, zu dem auch das Lemma gehört. Eine Rückverweisung von dem Wörterbuchartikel aus, dessen Lemma die Verweiszieladresse darstellt, existiert nicht. Jedoch kann es vorkommen, dass von diesem Wörterbuchartikel ebenso ein unidirektionaler Verweis auf das Lemma gesetzt wird, das im hier geschilderten Beispiel als Verweisausgangsadresse fungiert. Ein solcher Fall liegt bei den Lemmata „Substantiv“ und „Nomen“ vor, die keine Synonyme sind, die aber in der Verweisposition einen Verweis auf das jeweils andere Lemma haben. WSK-1 Grammatik: Formenlehre und Syntax. Ein Lern- und Konsultationswörterbuch 139 2.2.2 Bidirektionaler Verweis Ein bidirektionaler Verweis liegt vor, wenn eine Verweisung von einem Element A auf ein Element B vorliegt und ebenso eine Verweisung von dem Element B auf das Element A. Dieser Verweistyp kann thematisch spezifiziert werden: a) Für das Synonym zu einem Lemmazeichen gibt es in Wörterbuchartikeln eine eigene Artikelposition, die durch das Synonymidentifizierungssymbol, ein Gleichheitszeichen, eingeleitet wird. Ein Wörterbuchartikel wird nur zu einem der beiden Termini geschrieben. Der andere Artikel ist ein Verweisartikel, von dem aus auf das Volllemma verwiesen wird. In der Synonymposition des Wörterbuchartikels zu dem Volllemma wird dann auch auf das Verweislemma verwiesen (vgl. Abbildung 5 mit dem Volllemma „Präposition“) und drei Verweislemmata, die Synonyme zu „Präposition“ sind, sowie drei Verweisartikel, in denen auf das Lemma „Präposition“ verwiesen wird. Präposition = Fallfügeteil, Fallfügteil, Verhältniswort Fallfügeteil → Präposition Fallfügteil → Präposition Verhältniswort → Präposition Abb. 5: Bidirektionale Verweisungen bei Synonymen Welches der beiden Lemmata als Synonym anzusetzen ist, entscheiden die Bandherausgeber in Zusammenarbeit mit den Autoren. Dabei soll für den Synonymansatz eine weite Auffassung angesetzt werden, z. B. ist zu „präpositives Attribut“ das Lemma „Präpositionalattribut“ ein Synonym, zu „Einstellungspartikel“ sind es die beiden Lemmata „Modalpartikel“ und „Abtönungspartikel“, zu „inklusive Partikel“ ist es „additive Partikel“. b) Für das Antonym zu einem Lemmazeichen liegt eine eigene Artikelposition vor, an deren Anfang die Antonymidentifizierungsangabe, realisiert durch das Zeichen „↔“, steht. Für den Ansatz eines Antonyms gilt eine inhaltlich weite Auffassung wie z. B. bei „abgeleitetes Verb“ mit dem Antonym „Simplexverb“, bei „Ableitungssuffix“ mit dem Antonym „Flexionssuffix“ oder „restriktive Partikel“ mit dem Antonym „additive Partikel“. Es handelt sich hier immer um Volllemmata, so dass zu jedem Lemma ein Wörterbuchartikel geschrieben wird. Die Verweisung erfolgt jeweils aus der Antonymposition heraus. Weitere Verweistypen in den WSK sind a) die Verweisung von der Systematischen Einführung auf einen Synopseartikel, b) die Verweisung von einem Einzel- oder Synopseartikel auf einen Paragrafen der Systematischen Einführung Stefan J. Schierholz 140 (vgl. Abbildung 1), c) die artikelinterne Verweisung von einem Literaturhinweis in der Position für weitergehende Erklärungen auf die Literaturposition, d) die Verweisung vom Äquivalentzugriffsregister auf einen Wörterbuchartikel, e) die Verweisung von der Verweisposition eines Wörterbuchartikels auf das Alphabetische Verzeichnis der Autoren und Autorinnen sowie f) die Verweisung von einer angabetextdeterminierten Verweisposition auf eine artikelinterne oder artikelübergreifende Abbildung (vgl. Schierholz/ Wiegand 2004, S. 232 ff.). 2.2.3 Technische Strukturen Aus technischer Sicht sind die oben genannten Verweisungen Verlinkungen, die im Redaktionssystem im Schreibprozess der Wörterbuchartikel von den Autoren oder Bandherausgebern angelegt werden. Die metalexikografische Konzeption gibt die Verweistypen vor, welche beim Aufbau des CMS in technischer Hinsicht umzusetzen sind. Neben den unmittelbaren Umsetzungen, die bei den aufgezählten uni- und bidirektionalen Verweisen erfolgt sind, existieren im Redaktionssystem systemgenerierte Verlinkungen auf a) Abbildungen, b) Literaturangaben, c) einen Äquivalentterminus in einem anderen Band, d) ein graphemgleiches Lemma in einem anderen Band. 2.2.4 Inhaltlich thematische Strukturen Anhand eines Beispiels aus dem WSK-Band 1 soll die inhaltlich-thematische Struktur, wie sie im Fachgebiet Grammatik vorkommt, demonstriert werden. Zu dem Lemma „Konsekutivsatz“ lautet die Definiensangabe: „Angabesatz, der eine Folge des Geschehens im Bezugssatz angibt.“ Es gibt auf der Basis der Fachliteratur bzw. auf der Basis des Expertenwissens des Autors drei Synonyme zu „Konsekutivsatz“: konsekutiver Nebensatz, konsekutiver Satzadverbialsatz, Folgesatz. Da hier zwei Mehrworttermini vorliegen, sind diese ebenso in der nichtnatürlichen Reihenfolge zu berücksichtigen, nämlich Nebensatz, konsekutiver und Satzadverbialsatz, konsekutiver. Es gibt weitere Lemmata in diesem WSK-Band, die inhaltlich-thematisch zu Konsekutivsatz gehören. Das genus proximum zu Konsekutivsatz ist „Adverbialsatz“, die anderen Lemmata sind „konsekutive Adverbialbestimmung“ und „konsekutiver Angabesatz“. Es ist die Aufgabe der Autoren und Bandherausgeber zu entscheiden, welche Termini aus der Lemmakandidatenliste von WSK-Band 1 inhaltlich-thematisch zu einem Lemma gehören. Dies ist eine fachliche, aber zugleich subjektive Entscheidung, welche jedoch mit dem Expertenwissen begründbar ist und somit das hohe Fachlichkeitsniveau in den WSK-Bänden belegt. WSK-1 Grammatik: Formenlehre und Syntax. Ein Lern- und Konsultationswörterbuch 141 Bei der Erstellung des WSK-Artikels sind diese Daten zu berücksichtigen und in folgender Weise im Redaktionssystem einzutragen: a) In der Verweisposition zum Lemma „Konsekutivsatz“ werden als Verweiszieladresse die Termini „Adverbialsatz“, „konsekutive Adverbialbestimmung“ und „konsekutiver Angabesatz“ eingetragen. b) In der Synonymposition werden die Termini „konsekutiver Nebensatz“, „konsekutiver Satzadverbialsatz“ und „Folgesatz“ eingetragen. Es handelt sich um eine bidirektionale Verweisung, so dass bei den Artikeln, die an die Verweislemmata „konsekutiver Nebensatz“, „konsekutiver Satzadverbialsatz“ und „Folgesatz“ adressiert sind, als Verweiszieladresse jeweils „Konsekutivsatz“ eingetragen ist. Der Eintrag der bidirektionalen Verweisung im Redaktionssystem ist insofern technischer Art, als die Verweisung bei den Verweislemmaartikeln automatisch erfolgt, da im Redaktionssystem programmiert ist, dass Verweisungen in der Synonymposition bidirektional sind. c) Zu den Synonymen zu „Konsekutivsatz“, die Mehrworttermini sind („konsekutiver Nebensatz“ und „konsekutiver Satzadverbialsatz“), müssen auch die Mehrworttermini in nichtnatürlicher Reihenfolge angesetzt werden, somit „Nebensatz, konsekutiver“ und „Satzadverbialsatz, konsekutiver“. Normalerweise müssten hier die Verweiszieladressen „konsekutiver Nebensatz“ und „konsekutiver Satzadverbialsatz“ heißen. Da diese aber Verweislemmata sind, würde ein Benutzer, der z. B. auf „Nebensatz, konsekutiver“ zugreift, auf eine Verweisreise geschickt werden, weil er zuerst zu „konsekutiver Nebensatz“ und von dort auf „Konsekutivsatz“ verwiesen wird, ehe er lexikografische Daten (Definition, Äquivalent etc.) findet. Um das zu vermeiden, ist bei einem Mehrwortterminus in nichtnatürlicher Reihenfolge, der als Mehrwortterminus in natürlicher Reihenfolge ein Synonym ist, das Volllemma in der Verweiszieladresse eingetragen, in diesem Falle also „Konsekutivsatz“. 2.2.5 Die Vernetzung der Vernetzung Der kurze Überblick verdeutlicht, dass kognitive Strukturen die eigentliche Basis für die Mediostrukturen darstellen, die in einem WSK-Band vorkommen. Die inhaltlich-thematische Struktur muss in jedem Einzelfall von den Bandherausgebern und Autoren ausgearbeitet werden, die metalexikografische Konzeption muss die fachlexikografischen Strukturen antizipieren und außerdem eine benutzungsfreundliche Präsentation ermöglichen. Die technische Programmierung muss die Realisation der Erarbeitungen ermöglichen. Die Präsentation der lexikografischen Daten muss im Druck und online so Stefan J. Schierholz 142 erfolgen, dass ein Benutzer das Fachwissen, das er sucht, nachschlagen und in kürzester Zeit eine Antwort auf seine Anfrage erhalten kann. 2.3 Die Systematische Einführung Mit der Systematischen Einführung in das Fach wird die Lernkomponente eines WSK-Bandes umgesetzt. Sie stellt eine auf Semiexperten zugeschnittene Einführung in das Teilgebiet „Grammatik“ dar. Die Systematische Einführung soll u. a. auf − die zentralen Fragestellungen des Teilgebietes in historisch-systematischer Perspektive, − ausgewählte zentrale Begrifflichkeiten und ihre systematischen Zusammenhänge, − wichtige Grunderkenntnisse und gültige Ergebnisse, − weitere Aufgaben, Probleme und Fragestellungen, − Anwendungsperspektiven eingehen. Die Systematische Einführung wird nach Paragrafen gegliedert, welche einen Paragrafentitel aufweisen. Die Einführung ist mit dem Wörterverzeichnis mediostrukturell verbunden. Im Folgenden wird für WSK-1 eine vorläufige Grobgliederung vorgestellt, die teilweise auch Unterpunkte enthält. Die Spiegelstrichaufzählungen enthalten Stichwörter, die in dem jeweiligen Paragrafen zu behandeln sind. Die Einführung ist für beide Teilbände gültig und wird sich in der Druckversion in WSK-1.1 befinden. 1. Was versteht man unter Grammatik? § 1 Der Terminus Grammatik in der Fachliteratur: mehrere Definitionen und Auffassungen § 2 Die historische Ableitung des Terminus § 3 Die gegenwärtigen Bedeutungen von Grammatik: Grammatik als System, Grammatik als Theorie, Grammatik als Handbuch § 4 Die Grammatik im WSK-Band 1 - die wichtigsten Teilbereiche von Grammatik: Formenlehre und Syntax - allgemeine Begründung für die Aufteilung - enge und weite Auffassung von Grammatik - hier: wissenschaftliche Grammatik 2. Möglichkeiten der Typisierung von Grammatiken § 5 - diachrone und synchrone Grammatiken § 6 - präskriptive und deskriptive Grammatiken § 7 - einzelsprachliche, vergleichende und universale Grammatiken WSK-1 Grammatik: Formenlehre und Syntax. Ein Lern- und Konsultationswörterbuch 143 § 8 - wissenschaftliche Grammatiken und Gebrauchsgrammatiken § 9 - linguistische und didaktische Grammatiken 3. Grundbegriffe der Grammatik § 10 Die Form und die Funktion § 11 Die syntaktischen Kategorien § 12 Die Strukturen § 13 Die Relationen § 14 Syntagmatische und paradigmatische Beziehungen § 15 Zur Grammatikalität und Akzeptabilität § 16 Die Regeln: deduktive Erarbeitung, induktive Erarbeitung § 17 Testverfahren: Sinn und Zweck dieser Verfahren 4. Grammatik als System § 18 Die Formenlehre § 19 Das Wort: syntaktische, phonetische, orthografische Einheit § 20 Die Wortarten § 21 Flexion - Deklination: Substantiv, Pronomen, Artikel - Deklination/ Komparation: Adjektiv - Konjugation: Verb § 22 Die Syntax § 23 Phrasen § 24 Syntaktische Funktionen § 25 Sätze - Hauptsätze - Nebensätze - Satzverbindungen: Satzreihe, Satzgefüge - Satzarten: Fragesatz, Aufforderungssatz, Befehlssatz § 26 Valenz: Valenz als grundlegende syntaktisch-semantische Relation § 27 Valenz des Verbs § 28 Valenz anderer Wortarten § 29 Konstituenten- und Dependenzstruktur § 30 Mittelbare und unmittelbare Konstituenten § 31 Konstituentenstruktur § 32 Dependens und Regens 5. Grammatik als Theorie: Grammatische Schulen in Auswahl § 33 Traditionelle Grammatik § 34 Phrasenstrukturgrammatik § 35 Generative Grammatik - kontextfreie Syntax (1957) - generative Transformationsgrammatik (1965) - X-Bar-Theorie Stefan J. Schierholz 144 - Rektions- und Bindungstheorie - Minimalistisches Programm § 36 Dependenzgrammatik - Dependenz- und Valenzgrammatik: Vorläufer, Tesnière § 37 Lexical Functional Grammar § 38 Optimalitätstheorie § 39 Funktionale Grammatik § 40 Lernergrammatiken 6. Grammatik als Handbuch § 41 Eigenschaften von Grammatikhandbüchern § 42 Erwartungen an ein Grammatikhandbuch - Auskunft geben können: präskriptiv - Zweck: Nachschlagewerk, Regelwerk, Lesebuch § 43 Der Adressatenkreis: Schüler, Berufstätige, Experten, Mutter-, Fremdsprachler § 44 Verwendungskontexte: Schule, Universität, Beruf § 45 Beispiele für Grammatikhandbücher 7. Die Grammatik und die angrenzenden Disziplinen § 46 Die Lautlehre § 47 Die Wortbildung § 48 Die Textgrammatik § 49 Die Pragmatik/ Pragmalinguistik § 50 Die Orthografie 3. Der aktuelle Stand In WSK-1 schreiten die Arbeiten zügig voran. Die Bandherausgeber haben die Arbeiten in WSK-1.1 intensiv gefördert, und haben im Jahre 2018 mit der Erstellung der Systematischen Einführung begonnen. WSK-1.1 wird demnach zuerst fertiggestellt werden, WSK-1.2 soll dann umgehend folgen. Die Druckversion ist für 2019 geplant. In WSK-1.1 lagen im Mai 2017 ca. 1400 fertige Artikel vor, darin inbegriffen fast 700 Verweisartikel. Etwa 350 Einzel-, Kurz- und Synopseartikel waren noch zu schreiben. Im März 2018 sind noch ca. 100 Einzel-, Kurz- und Synopseartikel zu schreiben. Dafür sind gegenwärtig noch 21 Autoren verantwortlich. Nach der Fertigstellung wird WSK-1.1 ca. 1100 Wörterbuchartikel und knapp über 1000 Verweisartikel enthalten. In WSK-1.2 lagen im Mai 2017 etwa 1500 fertige Artikel vor, von denen 600 Verweisartikel waren. Ca. 550 Einzel-, Kurz- und Synopseartikel waren noch zu schreiben. Im März 2018 sind noch knapp 300 Einzel-, Kurz- und Synopse- WSK-1 Grammatik: Formenlehre und Syntax. Ein Lern- und Konsultationswörterbuch 145 artikel zu schreiben. Nach Fertigstellung wird WSK-1.2 ca. 1500 Wörterbuchartikel und knapp über 1200 Verweisartikel enthalten. 4. Fazit - Probleme - Ausblick Das Großprojekt „WSK“ als Ganzes wird von den Wörterbuchartikelautoren und von den Bandherausgebern, die für die Fertigstellung ihres eigenen Bands zuständig sind, erstellt. Die Konzeption der Reihenherausgeber, die Software zum Artikelschreiben und die finanziellen Investitionen des Verlags haben einen Rahmen geschaffen, der die Entstehung eines hochwertigen Produkts (Verlagssicht) und eine ausgezeichnete Terminologiebearbeitung (linguistische Sicht) in einem metalexikografisch durchdachten Fachwörterbuch (lexikografische Sicht) ermöglicht. Die Arbeiten in WSK-1, die jetzt beinahe 15 Jahre andauern, gehen in 2018 auf die Ziellinie. Die Erstellung eines Wörterbuchs ist nicht mit der Erstellung eines Sammelbandes, auch nicht mit einem, in dem sehr viele Autoren schreiben, vergleichbar. Die großen Datenmengen in WSK-1 schaffen erhebliche Mühen, sind aber zu bewältigen. Gleichzeitig bedingen sie eine hohe Zahl an Autoren, so dass der Risikofaktor in Bezug auf eine nicht termingerechte Fertigstellung steigt. Die Unzuverlässigkeit einiger Kollegen und Kolleginnen ist genauso erwähnenswert wie die hohe Zuverlässigkeit der anderen. Daneben gab es auch mehrfach Schwierigkeiten im Umgang mit der Textsorte „Wörterbuchartikeltext“. Häufig sind technische Probleme mit dem Redaktionssystem und nur selten wurden wirklich schlechte Wörterbuchartikeltexte geschrieben. Die Herausgeber Pál Uzonyi und Stefan Schierholz sehen jetzt endlich Lichte am Ende des Tunnels. Literatur Bußmann, Hadumod (Hg.) (2002): Lexikon der Sprachwissenschaft. 3., aktual. u. erw. Aufl. Stuttgart: Kröner. Bußmann, Hadumod (Hg.) (2008): Lexikon der Sprachwissenschaft. 4., durchges. u. bibliogr. erg. Aufl. Stuttgart: Kröner. Glück, Helmut (Hg.) (2000): Metzler Lexikon Sprache. 2., überarb. u. erw. Aufl. Stuttgart/ Weimar: Metzler. Glück, Helmut (Hg.) (2005): Metzler Lexikon Sprache. 3., neubearb. Aufl. Stuttgart/ Weimar: Metzler. Glück, Helmut/ Rödel, Michael (Hg.) (2016): Metzler Lexikon Sprache. 5., aktual. u. überarb. Aufl. Stuttgart: Metzler. Kammerer, Matthias/ Lehr, Andrea (1996): Potentielle Verweise und die Wahrscheinlichkeit ihrer Konstituierung. In: Wiegand, Herbert Ernst (Hg.): Wörterbücher Stefan J. Schierholz 146 in der Diskussion II. (= Lexicographica. Series Maior 70). Tübingen: Niemeyer, S. 311-354. Kreuder, Hans-Dieter (2003): Metasprachliche Lexikographie. Untersuchungen zur Kodifizierung der linguistischen Terminologie. (= Lexicographica. Series Maior 114). Tübingen: Niemeyer. Schierholz, Stefan J. (2007): Neue Fachwörterbücher für die Sprach- und Kommunikationswissenschaften. In: Di Meola, Claudio/ Gaeta, Livio/ Hornung, Antonie/ Rega, Lorenza (Hg.): Perspektiven Zwei. Akten der 2. Tagung Deutsche Sprachwissenschaft in Italien (Rom, 9.-11. Februar 2006). (= Italienische Studien zur deutschen Sprache 3). Rom: Istituto Italiano di Studi Germanici, S. 223-234. Schierholz, Stefan J. (2008): Die Übersetzung linguistischer Fachtermini. Eine Studie zu den Lemmata in den WSK. In: Jesenšek, V./ Oštir, A. L. (Hg.): Wörterbuch und Übersetzung. 4. Internationales Kolloquium zur Lexikographie und Wörterbuchforschung, Universität Maribor 20. bis 22. Oktober 2006. (= Germanistische Linguistik 2008). Hildesheim u. a.: Olms, S. 62-81. Schierholz, Stefan J. (2010): Die Fachwörterbuchreihe „Wörterbücher zur Sprach- und Kommunikationswissenschaft (WSK)“. In: Jarillot Rodal, Cristina (Hg.): Bestandsaufnahme der Germanistik in Spanien. Kulturtransfer und methodologische Erneuerung. [unter Mitarbeit von Ayerbe, Miguel/ Huber, Erich/ Saalbach, Mario/ Schulze, Frank/ Uribarri, Ibon]. [6. Kongress der FAGE vom 20. bis zum 22. September 2007 in der baskischen Hauptstadt, Vitoria-Gasteiz] Bern u. a.: Lang, S. 113-122. Schierholz, Stefan J. (2013): New developments in lexicography for special purposes I: An overview of linguistic dictionaries. In: Gouws, Rufus H./ Heid, Ulrich/ Schweickard, Wolfgang/ Wiegand, Herbert Ernst (Hg.): Supplementary volume: recent developments with focus on electronic and computational lexicography. (= Handbücher zur Sprach- und Kommunikationswissenschaft (HSK) 5.4). Berlin/ Boston: De Gruyter, S. 431-441. Schierholz, Stefan J. (2015): WSK: Ein Fachinformationssystem zur Sprach- und Kommunikationswissenschaft in Deutsch und Englisch als Online und als Print-Version. Herausgegeben von Stefan J. Schierholz und Herbert Ernst Wiegand. In: Robles i Sabater, Ferran/ Calanas-Continente, Jose-Antonio (Hg.): Die Wörterbücher des Deutschen: Entwicklungen und neue Perspektiven. (= Spanische Akzente - Studien zur Linguistik des Deutschen 2). Frankfurt: Lang, S. 13-41. Schierholz, Stefan J./ Wiegand, Herbert Ernst (2004): Die Wörterbücher zur Sprach- und Kommunikationswissenschaft (= WSK). Eine neue Konzeption der linguistischen Fachlexikographie und ihre computergestützte Praxis. In: Lexicographica 20, S. 164-264. Wiegand, Herbert Ernst (2002): Altes und Neues zur Mediostruktur von alphabetischen Printwörterbüchern. In: Lexicographica 18, S. 168-252. Wiegand, Herbert Ernst (2006): Die „Wörterbücher zur Sprach- und Kommunikationswissenschaft“ (WSK) und ihre Benutzungsmöglichkeiten im Fach Deutsch als Fremdsprache. In: Dimova, Ana/ Jesenšek, Vida/ Petkov, Pavel (Hg.): Zweisprachige Lexikographie und Deutsch als Fremdsprache. Drittes Internationales Kolloquium zur Lexikographie und Wörterbuchforschung. (= Germanistische Linguistik 184/ 185). Hildesheim u. a.: Olms, S. 1-35. WSK-1 Grammatik: Formenlehre und Syntax. Ein Lern- und Konsultationswörterbuch 147 Wiegand, Herbert Ernst (2007): Über Zugriffspfade in Printwörterbüchern. Ein Beitrag zur Schnittstelle von Benutzungshandlungen und Wörterbuchform. In: Lexikos 17, S. 180-211. Wiegand, Herbert Ernst (2011): Funktionale Verweisartikelstrecken und Verweisartikelteilstrecken in Fachwörterbüchern vom Typ des Lern- und Konsultationswörterbuchs. In: Lexicographica 27, S. 299-311. Wiegand, Herbert Ernst/ Beißwenger, Michael/ Gouws, Rufus H./ Kammerer, Matthias/ Storrer, Angelika/ Wolski, Werner (Hg.) (2010): Wörterbuch zur Lexikographie und Wörterbuchforschung/ Dictionary of Lexicography and Dictionary Research. Bd. 1, A-C. Berlin/ New York: De Gruyter. WSK = Schierholz, Stefan J. (Hg.) (2013ff.): Wörterbücher zur Sprach- und Kommunikationswissenschaft (WSK)/ Dictionaries of Linguistics and Communication Science. Online-Version. Berlin/ Boston: De Gruyter. (Online: www.degruyter.com/ view/ db/ wsk, Stand: 20. 1. 2020). VOLKER STRUCKMEIER WORTARTENTHEORIEN UND IHR NUTZEN: EINE LINGUISTISCHE QUADRATUR DES KREISES? Abstract: Der Artikel hinterfragt die Annahme, dass Wortarten sich gemäß ihrer Definition dazu eignen, als (schul-)grammatische Kategorien zu fungieren: Betrachtet man die tatsächlich in Sprachen (hier: dem Deutschen) vorliegenden lexikalischen Elemente, so stellt man fest, dass systematische Zwischen- und Zweifelsfälle der Kategorisierung binäre Kategorisierungen (wie Substantiv - kein Substantiv, Verb - kein Verb, etc.) oft empirisch nicht zulassen. Alternative (graduellere/ mehrdimensionale) Kategorisierungen, die den empirischen Fakten Rechnung tragen, eignen sich umgekehrt aber nicht für die ihnen zugedachten binären Vorhersagen (Großschreibung - keine Großschreibung, Subjektkongruenz - keine Subjektkongruenz, etc.). Eine Lösung dieses Dilemmas scheint momentan nicht leicht verfügbar. Keywords: Substantiv, Wortarten, Schulgrammatik, Wortartentheorie Wortarten werden definiert, um bestimmten Zielen einer Grammatik zu dienen. Diese Ziele können zum einen im Bereich der theoretischen Linguistik liegen, um bestimmte generalisierende Aussagen im Rahmen einer Theorie treffen zu können (Nomen unterliegen dem Kasusfilter.). Zum anderen können aber auch deskriptive und präskriptive Grammatiken Wortarten nutzen, um generelle Aussagen zu treffen (Substantive schreibt man groß.). Die Notwendigkeit, Wortarten überhaupt definieren zu müssen, rührt in hohem Maße daher, dass Wortarten nicht als naturgegebene Kategorien erscheinen, die schon prätheoretisch intuitiv wären - im Gegenteil: Zum einen tragen Wörter in menschlichen Sprachen ihre Wortart nicht im Gesicht. Die Zuordnung von Wörtern zu Wortarten verlangt immer zuerst eine theoretische Definition, die die Kategorien erst erzeugt. Zum anderen sind Wortarten in vielfacher Hinsicht nicht ausreichend spezifisch, um konkrete sprachliche Verwendungen (in bestimmten syntaktischen Kontexten) zu steuern - weil sich Wörter ein und derselben Wortart in vielfacher Hinsicht unterscheiden und für bestimmte syntaktische und semantische Konstellationen daher jeweils nur bestimmte konkrete Wörter in Frage kommen. 1 Im folgenden Artikel möchte ich auf vier fundamentale Probleme hinweisen, die aus meiner Sicht die Verwendung von Wortarten in Grammatiken (insbesondere auch: traditionellen Schulgrammatiken) als problematisch erscheinen lassen - unter anderem auch dann, wenn die Wortarten anhand der 1 Einige Syntaxtheorien haben daher mittlerweile mit der Vorstellung von monolithischen Wortarten gebrochen und generalisieren über spezifischere Features lexikalischer Elemente, vgl. z. B. Chomsky (1995 et seq). DOI 10.2357/ 9783823392934 SDS 82 (2020) Volker Struckmeier 150 grammatischen Eigenschaften von Wörtern (etwa im Sinne von Eisenberg/ Menzel 1995) durch Entdeckungsprozeduren im Schulunterricht (re-) konstruiert werden. Mit dem Einsatz von Wortarten ist sprachtheoretisch gesehen an keiner Stelle ein tatsächliches Erklärungspotenzial verbunden: Wortarten sind in Theorien im Gegenteil nichts anderes als Abkürzungen, die die Bündelung bestimmter Eigenschaften von Wörtern bezeichnen sollen - selbst aber nicht erklären, warum ein Wort bestimmte Eigenschaften hat. Selbstverständlich könnten solche Erklärungen durch Sprachtheorien nachgeliefert werden (wenn sie denn bestehen), aber per se ist durch das Postulat der Wortarten in der Beschreibung menschlicher Sprache(n) nichts gewonnen (Kapitel 1). Die Bündelungen, die in (insbesondere: schul-)grammatischen Werken für Wortarten vorgeschlagen werden, beschreiben die vermeintlichen Mitglieder dieser Wortarten nicht genau. Daher können auch Anwendungen von Wortarten (etwa: die Formulierung von Regeln über Klassen von Wörtern, anstatt über konkrete Wörter) nicht empirisch genau gelingen - mit anderen Worten wird nicht klar, was z. B. man großschreibt, wenn man „Substantive“ großschreibt (Kapitel 2). Zudem existieren nachweislich Wörter, die gemäß ihrer Eigenschaften gewissermaßen „zwischen den Stühlen“ sitzen: Sie erscheinen etablierten Wortarten-Theorien als hybride Mischformen - wofür aber keine genuin sprachliche Begründung zu finden ist. Es erscheint eher so, als ob die Wortartentheorien selbst blinde Flecken aufweisen, die Wörter mit bestimmten Eigenschaften erst (gleichsam im Wege eines Beobachtereffekts) zu Mischformen machen (Kapitel 3). Vorschriften, die sich auf Wortarten beziehen (z. B. Substantive schreibt man groß, finite Verben kongruieren in Person und Numerus etc.) müssen durch die problematische Definition der zugrundeliegenden Wortartentheorien zwangsläufig zu Problemen führen: Während z. B. die Groß-/ Kleinschreibung von Wörtern im Deutschen die fraglichen Wörter in eine klare Opposition zwingen muss (z. B. Substantiv versus Nicht-Substantiv), findet sich sprachlich keine Entsprechung für solch binäre Dichotomien: Die sprachlichen Realitäten sind vielförmiger als es manche grammatischen Systeme darstellen (Kapitel 4). Die Missstände, die in diesem Artikel diskutiert werden, rühren mit großer Wahrscheinlichkeit daher, dass die Wortarten vieler Grammatiken letztlich bruchlos zurückzuverfolgen sind auf lateinisch-römische Klassifikationsversuche, die zum einen nicht als linguistisch akkurate Kategorisierungen gedacht waren, und zum anderen ganz gewiss nicht anhand der im Deutschen (oder in anderen modernen Sprachen) beobachtbaren Phänomene aufgestellt Wortartentheorien und ihr Nutzen: Eine linguistische Quadratur des Kreises? 151 wurden (vgl. z. B. Law 2003). Trotz (oder wegen? ) ihrer langen Geschichte erscheinen Wortarten als problematische Werkzeuge der Grammatikschreibung - wenn nämlich Standards zu ihrer Bewertung herangezogen werden, wie sie in vielen syntaktischen Theorien derzeit angesetzt werden. In diesen Theorien stehen einer Wortartenklassifikation (die teilweise sogar, etwa in der generativen Syntax, keinen theoretischen Status mehr hat) immer Merkmalscharakterisierungen gegenüber, die einzelne Elemente definieren. Diese Merkmalsbündel beschreiben das Verhalten der Ausdrücke in syntaktischen Strukturen (vgl. z. B. Chomsky 1995, aber auch Dik 1997; Fried/ Östmann 2004 u. v. a. m.) 1. Wortartenbezeichnungen sind Abkürzungen, keine Erklärungsansätze Es ist lohnend, gleich zu Beginn die fundamentale Logik zu benennen, die Wortartentheorien zugrunde liegt (vgl. z. B. Schachter 1985): Wortarten sind janusköpfige Kategorien, die zum einen auf Definitionen beruhen, die ihre Mitglieder auszeichnen sollen (Substantive haben die Eigenschaften X, Y, Z …) - zum anderen aber auf Erkennungsmerkmale bauen müssen, die es ermöglichen, Wörter einer Wortart zuzuordnen (‚Tisch‘ ist ein Substantiv, weil es X, Y und Z aufweist). Die Definitionen, die die Mitglieder einer Wortart beschreiben, sind hinlänglich bekannt: So werden Substantive z. B. als Wörter definiert, die nach Kasus flektieren, artikelfähig sind, Referenz auf (Mengen von) Individuen implementieren etc., Verben hingegen flektieren etwa nach Tempus oder Person, können bestimmte grammatische Eigenschaften (Tempus, Aspekt etc.) per Hilfsverben oder Affigierung ausprägen und referieren auf (Mengen von) Situationen. Ähnliche Definitionen sind auch für andere Wortarten denkbar, wobei die Anzahl der Wortarten und ihre je konkrete Definition über verschiedene Grammatiken hinweg oft nicht einheitlich sind. Für die Erkennungsmerkmale, anhand derer man einzelne Wörter zu Wortarten zuordnen soll, gilt nun allerdings - darauf muss explizit hingewiesen werden -, dass sie mit den Merkmalen der Wortartendefinition identisch sind: Weil Tisch etwa nach Kasus flektiert und artikelfähig ist (des Tisches …), wird das Wort überhaupt als Substantiv eingestuft. Es ist insofern offensichtlich, dass im gewählten Beispiel bis zu diesem Punkt keinerlei tatsächlicher Erkenntnisgewinn mit der Existenz der Kategorie Substantiv verbunden ist: Wörter, die bestimmte Eigenschaften haben, lassen sich mit einer Kategorienbezeichnung belegen - und die Mitglieder dieser Wortart weisen exakt diese Eigenschaften auf. Es bleibt aber zum Beispiel offen, ob nicht auch beliebige andere Merkmalsbündel interessante - oder überhaupt mögliche - Katego- Volker Struckmeier 152 rien darstellen würden: Kann es Wörter geben, die artikelfähig sind, aber ein variables Genus aufweisen? Kann es ein festes Genus für ein Wort geben, das keine Artikel bei sich führt? Wortartenbegriffe erscheinen zunächst also lediglich als eine Art von „Abkürzungen“: Wenn ein Beitrag zum Thema etwa das Wort „Tisch“ als „Substantiv“ ausweist, so besagt dies zunächst nicht mehr, als dass das Wort „Tisch“ anhand seiner beobachteten Eigenschaften als „Substantiv“ klassifiziert werden kann und dass das Wort andererseits (aus offensichtlichen Gründen) als Mitglied der Wortart „Substantiv“ bestimmte Eigenschaft aufweist. Dies könnte man nun für eine Form von Redundanz (oder, weniger wohlwollend: Zirkularität) halten, aus der keine nachteiligen Effekte für die Sprachbeschreibung folgen dürften. Es lässt sich aber zeigen, dass die Bündelung der Merkmale, die hier behauptet wird, nicht zuverlässig gilt: Nur wenn aus (mindestens) einem der definierenden Merkmale auch alle anderen Merkmale folgen würden, die der Wortart zugeordnet sind, wäre dieser Zusammenhang ja überhaupt gegeben: Weil Tisch nach Kasus flektiert, lässt es sich als Substantiv beschreiben - und weil Tisch ein Substantiv ist, müsste es dann auch alle anderen substantivischen Eigenschaften (Artikelfähigkeit, Individuenreferenz usw.) aufweisen. Wie unten gezeigt wird (vgl. z. B. Kapitel 2.2), ist genau dieser Zusammenhang aber nicht stabil: Nicht alle angeblichen Substantive weisen alle angeblich substantivischen Eigenschaften auf! Mit anderen Worten ist die Definition einer Wortart anhand von gebündelten Merkmalen keine theoretisch „unschuldige“ Annahme: Mit jeder Wortartendefinition sind Vorhersagen verbunden, welche Wörter für welche (syntaktischen, morphologischen, graphematischen …) Regularitäten als „gleichwertig“ zu klassifizieren sind. Wie die folgenden Unterkapitel zeigen, sind Bündelungen von Merkmalen aber stets auch mit Problemen verbunden, weil die (vermeintlichen) Mitglieder einer Wortart sich tatsächlich sehr verschieden verhalten können. 2. Traditionelle Wortarten definieren keine plausiblen sprachlichen Kategorien Die Definition von Wortarten umfasst, wie in Kapitel 1 gesehen, eine Bündelung bestimmter linguistischer Eigenschaften, die den Mitgliedern einer Wortart zukommen sollen. Eine Definition von Wortarten auf der Basis einzelner Merkmale erscheint wenig erfolgversprechend (vgl. wiederum Kapitel 2.2). Anderseits aber sind es die Bündelungen von Eigenschaften, die bei der Kategorisierung von Wörtern andernorts zu Problemen führen (vgl. Kapitel 3). Manche Wortarten (Adjektive, Präpositionen etc.) sind sprachübergreifend offenbar nicht universal anzutreffen - und werden auch nicht in allen Wortartentheorien angesetzt (vgl. z. B. die verschiedenen Kategorisierungen in Ba- Wortartentheorien und ihr Nutzen: Eine linguistische Quadratur des Kreises? 153 ker 2003; Givón 1979; Steinitz 1997 etc.). Die nachfolgende Diskussion wählt mit der Gegenüberstellung von Verben und Substantiven aber zwei Kategorien, die theoretisch als besonders wohldefiniert gelten können: Keine mir bekannte Grammatik kennt diese zwei Kategorien nicht. Sprachübergreifend sind Substantive und Verben ebenfalls bestens attestiert: Vielfach ist diese Unterscheidung sogar als mögliches typologisches Universal eingestuft worden, mithin also als diejenige Dichotomie, die in allen Sprachen vorzufinden ist. Die Diskussionen in Sasse (1992, 1993) und Wunderlich (1996) zeigen auf, dass sprachübergreifend abstrakte semantische Charakterisierungen gefunden werden können, die Verben (grob gesagt: Elemente, die als Kern von Strukturen dienen, die Ereignisreferenz implementieren) von Substantiven (grob: Elemente, die als Kern von Strukturen mit Individuenreferenz fungieren) zu trennen vermögen. Dies gilt selbst in solchen Sprachen, die keine einzelsprachlich-grammatischen Markierungen für diese Kategorien aufzuweisen scheinen. Was aber die einzelsprachlichen grammatischen Markierungen anbelangt, ist Folgendes zu konstatieren: Wenn sich sogar bezüglich dieser zentralen Wortartendistinktion zeigen lässt, wie problematisch Wortartenklassifikationen im Deutschen sein können, so gilt dieser Befund a fortiori für andere, weniger klare Wortartendistinktionen im Deutschen umso mehr. Wie wir unten sehen werden, lässt sich aber diese Unterscheidung nicht in allen Klassifikationen gleichermaßen klar umsetzen (Kapitel 3), bzw. die Kategorie Substantiv kann bereits selbst nicht so definiert werden, dass sie für alle Einsatzzwecke von grammatischen Theorien (deren Werkzeug Wortarten sein sollen) geeignet sind (Kapitel 4). 2.1 Eigenschaften von Substantiven im Deutschen Zur Definition von Substantiven im Deutschen, die hier diskutiert werden sollen, werden verschiedene Beschreibungsmerkmale herangezogen 2 : − Morphologie: Deutsche Substantive sind, zumindest in manchen Kontexten, Kasusexponenten (d. h., sie weisen morphologische Formen auf, die die grammatische Kategorie overt reflektieren wie z. B. die variierende Suffigierung in das Haus__ - des Hauses etc.). − Morphosyntax: Deutsche Substantive weisen ein invariantes Genus auf, das sich systematisch auf Elementen wiederfindet, die mit Substantiven 2 Nahezu alle dieser Kriterien sind aus verschiedenen Gründen problematisch, vgl. z. B. Duden (2016, S. 139) zu semantischen Kriterien, Sasse (1992, 1993) und Schachter (1985) zu formalen Kriterien. Sie werden hier dennoch angeführt, weil sie in der einschlägigen Literatur gängig verwendet werden. Eine Übertragung der Kriterien, die für das Deutsche verwendet werden, auf andere Sprachen führt regelmäßig zu Problemen. Im vorliegenden Artikel geht es um Probleme der Kategorienbildung im Deutschen (und bestenfalls eng verwandten Sprachen). Volker Struckmeier 154 innerhalb bestimmter syntaktischer Relationen bestimmte Merkmalsabgleiche durchführen (ein dicker Mann - eine dicke Frau). − Syntax: Deutsche Substantive sind artikelfähig, d. h., manche Substantive können einen Artikel bei sich führen, der einige ihrer Eigenschaften ausbuchstabiert (vgl. Bierwisch 1988; Steinitz 1997; Wunderlich 1996 für interessante syntakto-semantische Erklärungsansätze). − Semantik: Substantive weisen eine besonders zeitstabile Referenz auf. Das heißt, dass sie nicht auf (vorübergehende) Situationen referieren, sondern auf Entitäten, die über einzelne Situationen hinweg in Geschehnissen figurieren können und deren Eigenschaften über die einzelnen Kontexte hinweg unverändert bleiben (Givón 1979; Lehmann 1991). Weitere Merkmale sind jederzeit vorstellbar, die folgende Argumentation kann aber bereits mit diesen vier Merkmalen auskommen. Weist ein Wort entsprechend diese vier Merkmale auf, so ist es mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit als Substantiv zu kategorisieren. Die epistemologische Zirkularität dieser Merkmalsbündelung wäre aber nur dann durchbrochen, wenn sich auch aus Teilmengen von Merkmalen auf alle anderen Merkmale einer Wortart schließen ließe. Würde also z. B. ein Wort in einem Kontext aufgefunden, in dem es einem Artikel folgt, und es ließe sich sofort auf alle anderen substantivischen Eigenschaften schließen, wie sie oben aufgeführt werden, dann wäre mit den Merkmalsbündelungen ein explanatorischer und heuristischer Mehrwert verbunden, der auch und gerade in der Sprachbeschreibung sehr effiziente Entdeckungsprozeduren gestatten würde. Wie nun folgend gezeigt wird, gilt dieser Zusammenhang aber in dieser generellen Form nicht. 3 2.2 Einzelne substantivische Eigenschaften weisen keine Substantive im Deutschen aus Die einzelnen Eigenschaften, die in der Definition von Substantiven verwendet werden, weisen Mengen von Wörtern aus, die nicht nur klare Substantive enthalten. Das heißt, dass in jedem Falle neben den eigentlich gemeinten Substantiven (die die substantivischen Eigenschaften natürlich aufweisen) auch immer andere Elemente durch einzelne Eigenschaften mitbezeichnet werden, die dem Zweck der Grammatik nach aber gar nicht als Substantive klassifiziert werden sollen - wie im Folgenden anhand einiger Beispiele gezeigt wird. 3 Die Tatsache, dass Kinder im Spracherwerb häufig Schlüsse dieser Art ziehen, bleibt hier übrigens vollkommen unwidersprochen: Sie führt häufig zu korrekten Rückschlüssen auf die Grammatik der zu erwerbenden Sprache. An anderer Stelle aber versagen exakt diese Mechanismen und Fehlinterpretationen und Übergeneralisierungen resultieren. Wortartentheorien und ihr Nutzen: Eine linguistische Quadratur des Kreises? 155 Mit der Eigenschaft der Artikelfähigkeit ist ein Merkmal gegeben, das sehr wenig trennscharf operiert angesichts der vielfältigen Optionen, die das Deutsche bietet: Zumindest auf der sprachlichen Oberfläche lässt sich das Kriterium nicht schlüssig anwenden - stattdessen erfordert es linguistische Kenntnisse, die über die hier zur Debatte stehende Fragestellung (was ein Substantiv sei) weit hinausgehen: So sind intervenierende Adjektive (1a) als Adjektive zu erkennen. Elliptische Konstruktionen (1b) sind zu erkennen - setzen aber zentral voraus, dass der Aufbau von Nominalphrasen bereits prinzipiell verstanden wurde, was aber Kenntnisse von „Nominalität“ voraussetzt. Auch die Existenz vieler (teilweise partieller) Homonyme, die Artikel in der Form ähneln, erschwert jede Zuordnung von Wörtern zur Kategorie N (= Nomen bzw. Substantive). Demonstrative Formen (2a), Relativpronomen (2b), Subjunktionen (2c) und Kombinationen und Zitierformen (2d) dürften just diejenigen Lerner vor schwere Probleme stellen, die erst anhand der vermeintlichen Kriterien zu erschließen suchen, was denn Substantive seien. (1a) der (große) Mann (Mann = N) (1b) Hier steht der kleine Mann und da vorne der große ___ (große ≠ N) (2a) Der, den sie suchen, ist der da. (da ≠ N) (2b) ein Mann, der hier kommt. (hier ≠ N) (2c) das Gerücht, dass hier ein Gespenst wohnt (hier ≠ N) (2d) Dass das das, das das Plakat enthält, falsch ist, sieht jeder. (ohne Worte…) Umgekehrt kann aus fehlender Artikelfähigkeit auch nicht darauf geschlossen werden, dass ein Element kein Substantiv ist. Einige Beispiele (von vielen möglichen) wären hier etwa Eigennamen (*der Peter 4 ), Massennomina, Substantive in generischer Verwendung, indefinite Pluralsubstantive etc. Mit der Kasusexponenz alleine lassen sich ebenfalls keine Substantive erkennen, da über die diversen Merkmalsabgleiche, die innerhalb von deutschen Determiniererphrasen stattfinden, zu viele andere Elemente ebenfalls mit einer (wenngleich: anderen) Art von Kasusexponenz ausgestattet werden (vgl. z. B. Struckmeier 2007). Umgekehrt zeigen ausgerechnet die zentralen Substantive des Deutschen (zunehmend, vgl. Gallmann 1996) selbst überhaupt keine Kasusexponenz mehr - mit dem Genitiv scheint mittlerweile sogar der letzte klar markierte Kasus mehr und mehr zur optionalen Markierung zu werden und die zentralen strukturellen Kasus Nominativ und Akkusativ haben überhaupt keine overte Markierung: 4 Die Bewertung als inakzeptabel bezieht sich auf das Standarddeutsche und auf standardnahe Dialekte. Manche Varianten des Deutschen (etwa das Rheinische) erlauben die Konstruktion teilweise. Volker Struckmeier 156 (3a) ein dick-er, schwanzwedelnd-er Hund-Ø (keine Nominativmarkierung) (3b) einem dicken Hund (? ? -e) (nicht durchgängige Dativmarkierung) (3c) eines dicken Hund (-es) (nicht durchgängige Genitivmarkierung) (3d) einen dicken Hund-Ø (keine Akkusativmarkierung) Auch das invariante Genus ist keinesfalls nur den Substantiven vorbehalten: (4a) der/ *die/ *das Hund (4b) *der/ *die/ das Singen eines Liedes (4c) *der/ *die/ das ewige Gesinge Möchte man die Beispiele (4b) und (4c) den Substantiven zuschlagen, so müsste nota bene das semantische Merkmal der Substantive (die zeitstabile Referenz) aufgegeben werden: Mit Singen und Gesinge werden Vorgänge bezeichnet, die nicht zeitstabiler referieren als es das zugrundeliegende Verb singen ebenfalls täte. Gäbe man das Kriterium der zeitstabilen Referenz aber auf, so ginge eine zentrale Dimension der Substantivität (nämlich gerade ihre semantische Assoziation der Dinghaftigkeit) verloren. Auch durch die Semantik lassen sich Substantive nicht zuverlässig erkennen, insofern als auch Prädikate anderer grammatischer Kategorien eben diese zeitstabile Referenz ermöglichen: (5a) Der Angestellte kommt, arbeitet und fährt nach Hause. (Angestellter ≠ N) (5b) Der Dicke muss weg! (Dicke ≠ N) (5c) Engl.: Two plus two equals four. (equal ≠ N) (5d) Ewig währt am längsten. (ewig ≠ N) Umgekehrt gilt auch nicht, dass alle Substantive zwangsläufig zeitstabile Entitäten bezeichnen: (6) Der Blitz (einer Kamera) dauert 1/ 5000 Sekunde. (Blitz = N) Erst durch die Bündelung der Eigenschaften kann also sichergestellt werden, dass einige Nicht-Substantive nicht unabsichtlich als Substantiv klassifiziert werden. Dies ist wünschenswert, weil die Wörter andererseits auch von Substantiven klar abweichende Eigenschaften aufweisen: (7) der ewig-e Kanzler (pronominale Kasus) Wie sich zeigt, führen also die einzelnen Eigenschaften, die in der Definition der Wortart Substantiv angeführt werden, nicht in Isolation zu zufriedenstellenden Ergebnissen. Merkmalsbündelungen hingegen schneiden eine Gruppe von Elementen aus, innerhalb derer sich Elemente finden, die sich grammatisch zumindest einigermaßen ähnlich verhalten. Wortartentheorien und ihr Nutzen: Eine linguistische Quadratur des Kreises? 157 Wie im folgenden Abschnitt gezeigt wird, ist die Merkmalsbündelung aber im gleichen Zuge dafür verantwortlich, dass die Zugehörigkeit zur Gruppe selbst im Umkehrschluss aber keine kategorische Unterscheidung mehr zu sein scheint. 3. Traditionelle Wortarten führen zu einer Vielzahl angeblicher Mischformen Wenn man ein Inventar von Konstruktionen und Verwendungsformen von deutschen Wörtern erstellt, so fällt relativ schnell auf, dass nicht alle Auftreten eines Wortes sich leicht und sicher einer Wortart zuordnen lassen. Für die Wortart Substantiv ist z. B. zu konstatieren, dass viele Wörter (zum Teil: in bestimmten Verwendungen) existieren, die manche, aber nicht alle Eigenschaften aufweisen, die Substantive definieren (siehe Tabelle 1). Wortartkriterien (beispielhafte Auswahl) Substantiv Nominal verwendetes Adjektiv: der/ die Schöne Nominal verwendetes Partizip 1: der Laufende Nominal verwendeter Infinitiv: das Laufen Verb artikelfähig ja ja ja ja nein Kasusexponent ja ja ja ja nein Individuenreferenz ja ja ja nein nein zeitstabile Referenz ja ja nein (außer in lexikalisierten Ausnahmen) nein nein invariantes Genus ja nein nein ja nein Tab: 1: Prototypische Substantive, prototypische Verben und vermeintliche Mischformen Wie die Tabelle zeigt, ist auch eine Reduktion auf „grammatische“ (morphologische und syntaktische) Kategorien der Wortartenfindung (vgl. Eisenberg/ Menzel 1995) nicht ausreichend, um (vermeintlich) hybride Kategorienbildungen zu vermeiden: Die nominal verwendeten Partizipien 1 etwa vereinen eine variable Genusmarkierung (im Deutschen: morphologisch) mit der Flexion nach Kasus (morphologisch). Sie vereinen darüber hinaus auch die Artikelfähigkeit (syntaktisch) mit der Fähigkeit zur adverbialen Modifikation (ebenfalls syntaktisch: der schnell Laufende). Nominal verwendete Adjektive sind aus den gleichen Gründen problematisch (der sehr Schöne, vgl. *der sehr Fotomodell) und weisen mit der morphologisch möglichen Steigerung (der noch Schönere) eine weitere nicht-substantivische Kategorie auf, die in einer „höher-auflösenden“ grammatischen Betrachtung nicht fehlen dürfte. Volker Struckmeier 158 Es ist daher zu konstatieren, dass auch „höher-auflösende“ Kategorisierungen (wie soeben aufgezeigt) letztlich keine Chance haben, sprachliche Realitäten vollständig abzubilden: Weitere Merkmale, die unterschiedliches grammatisches Verhalten auslösen, ließen sich nahezu nach Belieben hinzufügen - was aber wiederum zur Auflösung der Theorie führt: Je weniger Mitglieder die entstehenden Kategorien tatsächlich noch aufweisen (wenn immer mehr Klassifikationsmerkmale abgebildet werden), umso weniger handhabbar wird die Klassifikation - und umso weniger Vorhersagen können an die Mitglieder exklusiv einer Kategorie gebunden werden. Bereits die in der Tabelle gewählten Bezeichnungen der vermeintlichen Hybride zeigen nun auf, wie traditionelle Grammatiken versuchen, der Hybridität der Elemente Herr zu werden: das Laufen wird demnach nur nominal verwendet (um dem inhärenten Widerspruch zwischen verbaler Semantik und Kasus- und Artikelfähigkeit aus dem Weg zu gehen? ). Ähnlich würde für Formen wie der/ die Angestellte wohl davon ausgegangen, dass hier ehemals kopflose Nominalphrasen nun nominal verwendet werden können (sodass das wechselnde Genus nicht ins Gewicht fällt). Das Wechselspiel aus tatsächlicher Kategorienzugehörigkeit und bloßer Verwendung führt aber nota bene nicht nur zu linguistisch-theoretischen Unklarheiten, sondern lässt auch die praktischen Fragen offen: Substantive schreibt man groß - aber ist Laufen in das Laufen denn nun ein Substantiv oder nicht? Kann man Laufen, wenn es schon kein „Substantiv“ ist, dann wenigstens als Wort in „substantivischer Verwendung“ ansehen - wenn ich nicht definieren kann, was ein Substantiv ist? (Vgl. genauer zu dieser Frage Kapitel 4). Ein Vergleich mit Typologien aus anderen Wissenschaften mag hier aufschlussreich sein: Angesichts der Eigenschaften des Braunbären, die ihn sowohl von Hunden als auch Katzen klar trennen, hat sich die Biosystematik nicht darauf eingelassen, ihn als hundeartige Katze oder katzenartigen Hund zu klassifizieren. Auch der Versuch, Ursus Arctos als Hund in katzenartiger Verwendung zu beschreiben, wurde meines Wissens nie unternommen - weil hiermit nichts erklärt würde und die empirischen Realitäten mehr verunklart als dargestellt würden: Bären sind weder Katzen noch Hunde und werden daher weder als das eine noch das andere geführt. Wie sich zeigt, sind für umfassende und genaue Kategorienbildungen also oft aufwändigere Klassifikationen nötig, als historisch zu einem bestimmten Zeitpunkt verfügbar sind. Auch bei sprachlichen Typologien ist eine Klassifikation, die die benannten Probleme vermeidet, durchaus möglich, wie der nächste Abschnitt zeigt. Diese Arten der Klassifikation sind allerdings unglücklicherweise vielleicht ungeeignet, um den gleichen Zwecken zugeführt zu werden, die z. B. in Schulgrammatiken für Wortarten vorgesehen sind. Wortartentheorien und ihr Nutzen: Eine linguistische Quadratur des Kreises? 159 Es ist zudem darauf hinzuweisen, dass die Unterscheidung von lexikalischen vs. syntaktischen Kategorien nichts dazu beiträgt, die Probleme von Wortartendefinitionen und ihren Anwendungen zu lösen: Es erscheint z. B. als wenig hilfreich, dass nicht etwa „Substantive“ z. B. groß geschrieben werden sollen, sondern vielmehr die „Köpfe von Nominalphrasen“. Zum einen wären Vertreter solcher Position um eine Definition zu bitten, die den Terminus „Nominalphrase“ definiert - und zwar unabhängig vom problematischen Begriff „Nomen (oder Substantiv)“ - denn genau der ist ja zu definieren, um der Definition der Phrase unterliegen zu können. Um (der Kürze willen) nur zwei Beispiele anzusprechen: Ist „der Laufende“ eine Nominalphrase (oder nicht vielmehr eine „Partiziphrase“)? Soll ein Verb als Kopf einer Nominalphrase fungieren können oder nicht (das Singen)? Zum zweiten ist festzuhalten, dass die Definition von „Köpfen“ nicht nur bestimmte fachdidaktische Probleme hervorruft (wissen Schulkinder, was syntaktische „Köpfe“ sind? ), zum anderen erscheint auch theoretisch nicht klar, ob der Kopf einer Nominalphrase jemals etwas anderes sein kann als eben ein Substantiv. Kann „Laufende“ der Kopf einer Nominalphrase sein? Wieso darf diese Phrase „Nominalphrase“ genannt werden, wenn nicht klar ist, ob „Laufende“ als „Substantiv“ bezeichnet werden kann (oder als Partizip bezeichnet werden muss)? Es erscheint mir zusammenfassend als sehr problematisch, Phrasen und ihre Köpfe als Definitionsgrundlagen zu verwenden, solange im Gegenzug die Definition von Phrasen und ihrer Köpfigkeit nicht sauber getrennt werden kann von der Frage der Kategorisierung der in ihnen enthaltenen Wörter. Letztere aber ist, so der Grundtenor des vorliegenden Artikels, nicht einfach zu leisten. Vorschläge zu dieser Kategorisierung sind nach meinem Dafürhalten daher weiterhin nötig - sie werden nachfolgend diskutiert. 4. Multi faktorielle Kategoriebildungen liefern (benötigte) Dichotomien nicht Die Wortartenklassifikation scheint vor einem Widerspruch zu stehen: Einzelne Klassifikationseigenschaften führen zu allzu heterogenen Mengen von Wörtern. Klassifikationen auf der Basis mehrerer Klassifikationseigenschaften führen zu angeblichen Mischformen - die aber sprachlich gar nicht als problematisch-hybrid gelten können. Im diesem Abschnitt wird gezeigt, dass eine Klassifikation vorstellbar ist, die die genannten Probleme umgeht und eine zuverlässige und widerspruchsfreie Klassifikation von Wörtern ermöglicht. Wie eingangs geschildert, sind Wortartentheorien Werkzeuge bestimmter (grammatischer) Theorien. (Kreuz-)Klassifikationen anhand mehrerer einschlägiger Wortatenfaktoren sind einerseits gut geeignet, um Wörter zu klassifizieren (Erkennungsmerkmale der Klassifikation) und das Verhalten der (sehr nuanciert ausdifferenzierten) Wortarten vorherzusagen (Nutzen der Volker Struckmeier 160 Klassifikation). Unglücklicherweise sind diese aufwändigeren Klassifikationen aber, wie in diesem Kapitel gezeigt wird, nicht besonders gut geeignet, um die binären Dichotomien zu liefern, die andererseits für schulgrammatische Beschreibungen oder präskriptive Setzungen benötigt werden. Die einfachste vorstellbare Lösung der oben genannten Widersprüche würde schlicht darin bestehen, die Bündelung von Merkmalen, die Wortartentheorien oft auszeichnen, aufzugeben. Anstatt zu behaupten, dass Substantive z. B. alle Eigenschaften aufzuweisen hätten, die in Tabelle 1 auszugsweise präsentiert werden, würde eine sprachlich angemessene Klassifikation schlicht zugeben, dass die Bündelung all dieser Klassifikationseigenschaften eben nicht bei allen vorstellbaren Wörtern in all ihren Verwendungen auftritt. Dies wäre gleichbedeutend damit, das Konstrukt Wortart, wie sie in traditionellen Grammatiken eingesetzt wird, aufzugeben. An ihrer statt müssten dann andere Lösungen gefunden werden. Eine Lösung anhand von „Prototypen“ erscheint hierbei sprachtheoretisch möglich: Nur bestimmte Substantive sind prototypische Substantive, andere weisen nicht alle Eigenschaften der prototypischen Substantive auf. Andererseits müsste bei dieser Lösung aber genau auf die Dichotomie verzichtet werden, die präskriptiv erwünscht ist: Wenn nicht alle Eigenschaften von „Substantiven“ für die Großschreibung einschlägig sind, ergeben sich zwischen den klaren Substantiven und den klaren Nicht- Substantiven die oben genannten Zweifelsfälle und die Frage nach „Substantiv oder nicht“ kehrt wieder als „Großschreibung oder nicht“. Ebenfalls sprachtheoretisch möglich (und z. B. in aktuellen generativen Grammatiken auch schon realisiert) könnten die o. a. Klassifikations-Eigenschaften selbst als Kategorien dienen, da auch sie bereits Mengen von Wörtern nach Gemeinsamkeiten gruppieren: Manche Wörter flektieren nach Kasus, andere nicht. Manche Wörter können referenzielle Argumente durch Artikel binden, andere durch Tempusmarker, andere weisen solche referenziellen Eigenschaften schlicht nicht auf. Umgekehrt aber müssen artikelfähige Wörter nicht zwangsläufig Kasusexponenten sein - und Kasusexponenten nicht zwangsläufig Artikel mit sich führen können. Damit wären Wortarten keine disjunkten Mengen von Wörtern mehr. Wörter könnten in solch einer kreuzklassifizierenden Merkmalsmatrix viel mehr in mehreren Klassen (die Kasusexponenten, die Artikelfähigen, die Zeitstabilen …) gleichzeitig auftreten. Manche Wörter würden in vielen Kategorien gleichzeitig auftreten, etwa zentrale Substantive (z. B. zählbare Konkreta wie Tisch). Andere Wörter würden nicht in den gleichen Kategorien aufgefunden, wie etwa das Laufen. Eine solche multifaktorielle Klassifikation hätte nota bene aber einen entscheidenden Nachteil für viele Anwendungszwecke. Auch die Hinzufügung weiterer Kategorien würde ganz offensichtlich nur weitere (Unter-)Kategorien ausweisen, die sich bezüglich der weiteren Faktoren unterschieden. Insofern als die hier diskutierte Auswahl von kategorienrelevanten Eigenschaften das Problem bereits Wortartentheorien und ihr Nutzen: Eine linguistische Quadratur des Kreises? 161 illustrieren, soll hier von der Diskussion weiterer Faktoren abgesehen werden (auch wenn weitere Faktoren für andere linguistische Zwecke zweifelsohne die exakt richtigen Mittel sein dürften). Multi-faktorielle Kategorisierungen ergeben also, wie wir sehen, nicht ohne weiteres die Art von Dichotomien , die etwa in Schulgrammatiken eingesetzt werden: Mitglieder welcher Kategorien nämlich würden nach der oben vorgestellten multi-faktoriellen Klassifikation kapitalisiert verschriftet? Mehrere Ansätze sind vorstellbar, aber keiner von ihnen erscheint vor der Hand direkt erfolgversprechend: Nur prototypische Substantive, die alle Klassifikationseigenschaften aufweisen, werden kapitalisiert. Dieser Ansatz erscheint programmatisch durchaus nachvollziehbar - führt aber zu einem Schriftbild, das als ungewöhnlich empfunden werden dürfte: (8) Der schnaufende angestellte (variables Genus! ) stellte das laufen (keine Individuenreferenz! ) ein und stellte sich zu den wartenden (variables Genus! ). In einer Gegenbewegung könnte man auch vorgeben, dass alle Wörter, die mindestens eine Eigenschaft mit den zentralen Substantiven teilen, der Großschreibung unterliegen. Auch dieser Ansatz führt aber zu Großschreibungen, die wohl nicht den Erwartungen entsprechen: Weil durch eine kleinere Anzahl von nominalen Merkmalen mehr Wörter zu den Substantiven gezählt werden, werden entsprechend auch mehr Wörter kapitalisiert als (der derzeitigen Rechtschreibung nach) üblich: (9) Der Schnaufende Angestellte (Kasusflexion! ) stellte das Laufen (invariables Genus! ) ein und stellte sich zu den Wartenden (Artikelfähigkeit! ). Andere Vorgehensweisen könnten bestimmte Merkmalsmengen (wohl mehr oder minder arbiträr) als entscheidend für Großschreibung einstufen. Fraglich wäre in diesem Fall vermutlich nicht nur, warum diese Eigenschaften als einschlägig gelten sollten, sondern wohl auch, inwieweit die resultierenden präskriptiven Eigenschaften schulisch gut vermittelbar wären. Wie es scheint, gibt es damit zwei grundlegend verschiedene Typen von Einsatzzwecken, denen das Werkzeug Wortarten zugeführt werden soll: Für eine akkurate Beschreibung der grammatischen Eigenschaften von Wörtern empfiehlt sich eine multi-faktorielle, kreuzklassifizierende Abbildung ihrer Eigenschaften. Für eine Wortartentheorie, die besonders klare Vorhersagen für z. B. die Schriftsprache machen soll, empfehlen sich die Bündelungen von Merkmalen, die das gewohnte Schriftbild erzeugen. Die Bündelungen führen aber Volker Struckmeier 162 paradoxerweise zu Zweifelsfällen in der Frage, welche Wörter groß und welche klein zu schreiben seien. 5. Zusammenfassung und Ausblick Wie man sieht, ist die Definition von Wortarten - hier konkret: die Definition der Kategorie Substantiv - ein schwieriges Unterfangen - insbesondere dann, wenn die Wortartentheorie als (nicht-zirkuläres) Werkzeug für Vorhersagen eingesetzt werden soll: Substantive schreibt man groß - aber was sind dann Substantive? Verben kongruieren mit ihren Subjekten - aber was sind dann Verben (und warum zählen Partizipien und Infinitive (also: die Zitierformen der Verben! ) nicht dazu)? Es zeigt sich darüber hinaus auch, dass mit der Definition von linguistischen Kategorien fundamentale Vorentscheidungen dazu getroffen werden, welche sprachlichen Phänomene als grammatisch normal eingestuft werden und welche als hybrid oder marginal aus dem Blick gedrängt werden: Sind Substantive und Verben „zentralere“ Kategorien der Grammatikschreibung, weil ihre prototypischen Vertreter relativ einfach auffindbar sind? Sind Partizipien eine weniger zentrale Kategorie, weil sie in vielen Funktionen grammatisch partizipieren? Dies erscheint fragwürdig: Partizipien sind an sich ja keine problematische Kategorie: Ihre spezifischen Eigenschaften sind klar und grammatisch präzise beschreibbar - laufen aber andererseits orthogonal zu einigen traditionellen Wortartentheorien. Es sind also die Theorien, die z. B. die Partizipien als wechselhafte Kategorie einstufen und damit zu Hybriden machen, die angeblich zwischen den (zentralen) Wortarten (Substantiv, Adjektiv, Verb? ) hin- und herspringen. Es ist daher offensichtlich nötig, bei der Definition linguistischer Kategorien mit allergrößter Weitsicht und sprachlicher Feinfühligkeit vorzugehen: Kategorisierungen müssen gefunden werden, die zwei Extrempole vermeiden helfen, an denen der Nutzen von Kategorisierungen verloren zu gehen droht: „Grobe“ Kategorisierungen sind für die Klassifikationsaufgabe einfach zu handhaben. Andererseits aber enthalten die Wortarten, die durch „grobe“ Klassifikationen entstehen, Mitglieder, die sich in ihrem grammatischen Verhalten kaum ähneln. Extrem nuancierte Kategorisierungen sind wiederum gut geeignet, um recht genaue Erwartungshaltungen an das Verhalten von Mitgliedern feiner Wortartenunterscheidungen zu formulieren. Andererseits aber ist ihr Klassifikationsaufwand hoch - und die erreichten Wortarten enthalten nur noch sehr wenige Mitglieder, über die Generalisierungen auszusprechen sind. Wo immer die Vermittlung sprachlicher Regularitäten (im Sprachunterricht an den Schulen, in den universitären Philologien etc.) als weiche Thematik bezeichnet wird, zeigt sich oft auch, wie problembehaftet die Vermittlungswerkzeuge Wortartentheorien und ihr Nutzen: Eine linguistische Quadratur des Kreises? 163 sind, die in der Vermittlung gebraucht werden: Wenn sprachliche Beschreibungswerkzeuge nicht zuverlässig genug funktionieren, erscheint die Sprache sich - wenngleich nur vermeintlich - einer präzisen Beschreibung zu entziehen. Zum Beispiel mag man sich gerade bei genauer (! ) Beobachtung der Wortartendefinitionen fragen, warum bestimmte Einstufungen vorgenommen werden (Warum soll ich ‚Angestellter‘ denn nun großschreiben, obwohl das Wort ein veränderbares Genus hat? ). Eine häufig beobachtbare Reaktion (oft: von Lehrenden) ist es dann, Sprachen ganz generell zu unterstellen, sie entzögen sich nun einmal jeglicher akkurater Beschreibung (Sprache ist nun einmal ein lebendiges Wesen, das sich nicht in starre Regeln pressen lässt - hier braucht man Sprachgefühl (das Du nicht hast? )). Wie die Linguistik aber in vielen verschiedenen Theorieansätzen zeigt, besteht für solch defaitistischen Setzungen überhaupt kein Grund. Auch die Sicherheit und (nicht selten: kategorische) Trennschärfe, mit der Sprecher sprachlich mögliche und unmögliche Bildungen vielfach zu trennen in der Lage sind, straft die Behauptung Lügen, dass Sprachen nicht in klaren Gesetzmäßigkeiten zu beschreiben wären: Welchen Regeln nämlich folgen kompetente Sprecher/ innen bei ihren Entscheidungen, wenn es keine klaren Regeln gibt? Wer immer der Sprache amorphe Regellosigkeit unterstellt, möge sich fragen, ob er zwischen Peter schläft und Peter schläfst tatsächlich nur weiche Unterschiede zu erkennen vermag. Tatsächlich kennen Sprecher die Eigenschaften der Wörter ihrer Sprache ganz selbstverständlich - und basieren grammatische Entscheidungen zuverlässig und präzise auf diesen Eigenschaften. Problematisch sind hingegen oft Kategorien, die sprachlich eben gar nicht plausibel erscheinen, wie zum Beispiel die Dichotomie großversus kleingeschriebene Wörter: Lexikon und Morphologie des Deutschen stellen Wörter bereit, die vollständig, teilweise, oder überhaupt keine substantivischen Eigenschaften aufweisen. Auf solch einer graduellen und multi-faktoriellen Typologie von Wörtern eine binäre Unterscheidung wie die Groß/ Kleinschreibung basieren lassen zu wollen, ähnelt also nicht von ungefähr der Quadratur des Kreises: In beiden Ansätzen mag man sich lange täuschen, wenn man ehrlich glaubt, das Vorgehen könne noch (wenn auch erst zukünftig) zum Ziel führen. Literatur Baker, Mark C. (2003): Lexical Categories: Verbs, Nouns and Adjectives. Cambridge: Cambridge University Press. Bierwisch, Manfred (1988): On the grammar of local prepositions. In: Bierwisch, Manfred/ Motsch, Wolfgang/ Zimmermann, Ilse (Hg.): Syntax, Semantik und Lexikon. Berlin: Akademie-Verlag, S. 1-65. Chomsky, Noam (1995): The minimalist program. Cambridge, MA: MIT Press. Dik, Simon (1997): The theory of functional grammar: The structure of the clause. Teil 1. (= Functional Grammar Series 20). Berlin/ New York: Mouton de Gruyter. Volker Struckmeier 164 Duden (2016): Der Duden in zwölf Bänden. Bd. 4: Die Grammatik. Unentbehrlich für richtiges Deutsch. 9., vollst. überarb. u. aktual. Aufl. Berlin: Dudenverlag. Fried, Mirjam/ Östman, Jan-Ola (2004): Construction grammar: A thumbnail sketch. In: Fried, Mirjam/ Östman, Jan-Ola (Hg.): Construction grammar in a cross-linguistic perspective. Amsterdam/ Philadelphia: Benjamins, S. 11-86. Eisenberg, Peter/ Menzel, Wolfgang (1995): Grammatik-Werkstatt. In: Menzel, Wolfgang (Hg.): Grammatik: Praxis und Hintergründe. In: Praxis Deutsch, Sonderheft, S. 4-13. Gallmann, Peter (1996): Die Steuerung der Flexion in der DP. In: Linguistische Berichte 164, S. 283-314. Givón, Talmy (1979): On understanding grammar. New York: Academic Press. Law, Vivien (2003): The history of linguistics in europe: From Plato to 1600. Cambridge: Cambridge University Press. Lehmann, Christian (1991): Predicate classes and participation. In: Seiler, Hansjakob/ Premper, Waldfried (Hg.): Partizipation: Das sprachliche Erfassen von Sachverhalten. Tübingen: Narr, S. 183-239. 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Die Herausforderung beginnt beim Übertragen der fachwissenschaftlichen Erkenntnisse in die Recherche mit der nicht immer eindeutigen Terminologie. Im Beitrag wird darauf eingegangen, welche Termini zur Informationsstruktur überhaupt zum Ziel führen und auf welche Alternativen man ausweichen muss, um passende Ergebnisse zu haben. Keywords: Terminologie, Sprachdidaktik, Informationsstruktur, Deutschunterricht 1. Wo Fachwissenschaft und Fachdidaktik terminologisch aufeinander treffen Die Ausbildung der Deutschlehrerinnen und Deutschlehrer im Bereich germanistische Linguistik ist an den meisten Universitäten in der Regel zweigeteilt: Zum einen werden die Studierenden mit systematischen Aspekten der deutschen Sprache vertraut gemacht, zum anderen werden diese Aspekte in einer modifizierten Art und Weise in die Sprachdidaktik übertragen. Während der erste Teil sich also ausschließlich auf die grammatischen und funktionalen Untersuchungen und Forschungen der Sprachwissenschaft stützt, muss der zweite Bereich eine didaktische Rekonstruktion der fachwissenschaftlichen Erkenntnisse erfahren, um die Konzepte für unterschiedliche Jahrgangsstufen der Schule zugänglich zu machen. Zusätzlich besteht der Anspruch nach einer für Schülerinnen und Schüler motivierenden Unterrichtsgestaltung, sowohl thematisch als auch in der Auswahl der Materialen und Medien, die auch unabhängig vom Sprachphänomen konzipiert werden muss. 1 Ministerium für Schule und Weiterbildung des Landes Nordrhein-Westfalen, Bildungsportal des Landes Nordrhein-Westfalen (Online: www.schulministerium.nrw.de/ docs/ bp/ Lehrer/ Lehrkraft-werden/ Lehramtsstudium/ Praxiselemente/ Praxissemester/ FAQ-Lehramtsstudium- Praxissemester/ FAQ2-Lehramtsstudium-Praxissemester/ index.html, Stand 20.1.2020). DOI 10.2357/ 9783823392934 SDS 82 (2020) Anna Kutscher 166 Ziel des folgenden Beitrages ist es, aufzuzeigen, vor welche Herausforderungen Studierende im Praxissemester bei der Unterrichtsplanung gestellt werden, wenn die Fachwissenschaft und die Fachdidaktik im gleichen Themenbereich abweichende bzw. nicht deckungsgleiche Terminologie verwenden. Es wird zu sehen sein, dass die fachwissenschaftliche Terminologie zur Informationsstruktur in der didaktischen Rekonstruktion kaum Verwendung findet. Als Untersuchungsgegenstand dienen unterschiedliche Medien wie das Lehrbuch, Online-Angebote für Lehrkräfte, didaktische Fachzeitschriften und Fachliteratur, die einerseits auf die direkte Verwendung der Fachtermini und andererseits auf die Einbettung der Informationsstruktur in relevante Themengebiete für die Jahrgänge 6 und 11/ 12 untersucht wurden. Exemplarisch sollen hier Erfahrungen von Studierenden der Universität Bielefeld im Germanistikstudium (Master) aus der Praxisphase herangezogen werden. Die Praxisphase ist so gegliedert, dass Studierende sich ein Semester lang im Vorbereitungsseminar mit einem sprachwissenschaftlichen Thema und seiner fachdidaktischen Rekonstruktion, in diesem Fall Informationsstruktur, auseinandersetzten. Im folgenden Semester waren sie als Praktikanten in der Schule tätig, wo sie die Inhalte aus dem Vorbereitungsseminar in den curricularen Unterricht unterschiedlicher Jahrgänge einarbeiteten und selbst Unterricht planten und durchführten. Unterstützt wurden sie dabei von den Lehrkräften vor Ort, den Lehrenden der Universität aber auch im Austausch in der Peer-Group des Vorbereitungssemesters, das als Begleitseminar während der Praxisphase weiter bestand. Wichtig zu betonen ist hier, dass die Studierenden aus ihrer Ausbildung zwar das Fachwissen zum Thema Informationsstruktur und damit verbundene Terminologie mitbringen; auch erste Ideen, wie man das Thema fachdidaktisch aufarbeiten kann, sind vorhanden, die Erfahrung in der Unterrichtsgestaltung und Unterrichtsdurchführung, wie sie eine langjährige Lehrkraft hat, fehlt ihnen jedoch. Dies äußert sich unter anderem in einem starken Bedürfnis einer möglichst akribischen Vorbereitung aller Inhalte und Materialien. Da eine solche Unterrichtsplanung ein nicht zu unterschätzendes Zeitintervall in Anspruch nimmt, greifen Studierende nicht selten auf bereits vorgeschlagene Unterrichtsmaterialen bspw. das Lehrbuch oder Online-Angebote für Lehrkräfte wie meinunterricht.de (bestehend aus Arbeitsblättern, Klausuren, Musterplänen etc.) zurück. Eben diese Hilfestellungen sollen hier in den Fokus rücken und untersucht werden, inwiefern sie tatsächlich hilfreich sind. Versetzt man sich nun in die Lage eines Studierenden, der Aspekte der Informationsstruktur in geschriebenen und gesprochenen Texten als Unterrichtseinheit plant, braucht man zunächst die entsprechende Terminologie, um in den Onlinerecherchen oder Sachregistern passende Materialien zu finden. Theoretisch kann die Recherche dabei eine Vielzahl an Ausgangsformen haben, die Informationsstruktur im sprachdidaktischen Kontext 167 auf einer Skala zwischen a) man bekommt bereits beim übergeordneten Begriff Informationsstruktur eine Vielzahl an Vorschlägen, wie dieses Thema in den Unterricht eingearbeitet werden kann; und b) es ergeben sich keine passenden Ergebnisse; weder für das Hyperonym noch für alle weiteren Termini, die damit in Verbindung stehen (bspw. Fokus, Topik etc.), liegen. Je nach Ausgang können Studierende im Fall von a) sich direkt und schnell geeignetes Material auswählen, das Thema gut aufarbeiten und die dazugehörigen Sprachphänomene entsprechend vermitteln. Das ist der Fall, der den Studierenden das Vorbereiten des Unterrichts enorm erleichtert. Im Fall b) ist es jedoch so, dass sie entweder die Materialen selbst erstellen müssen - zu bedenken ist dabei die fehlende Erfahrung einer Lehrkraft, Unsicherheiten in der Thematik und der damit verbundene Zeitaufwand - oder sie verzichten ganz auf das linguistische Thema und widmen sich eher der Auseinandersetzung mit Literatur und Medien, die neben der Sprache auch Teil des Deutschunterrichts sind. Die Zwischenstufen von a) und b), wo man zwar Materialvorschläge findet, die jedoch nicht optimal in den Plan passen und deshalb einer Modifikation bedürfen, sind Studierenden bei der Vorbereitung dennoch willkommener als überhaupt keine Anhaltspunkte und Ideen. Im Folgenden wird es darum gehen, die relevante Terminologie der Informationsstruktur, so wie die Studierenden sie aus dem Studium und der Fachliteratur kennen, vorzustellen und ihre Anwendungskontexte im Sprachgebrauch zu skizzieren (Abschnitt 2 und 3). Darauffolgend wird die Analyse der Lehrmaterialien auf die Verwendung dieser Terminologie vorgestellt (Abschnitt 5). 2. Termini der Informationsstruktur in der Fachwissenschaft Bevor es zur Problematik der Unterrichtsplanung geht, soll zunächst an einigen Beispielen gezeigt werden, welche Phänomene der Sprachstruktur im Deutschen vom Terminus Informationsstruktur umfasst werden und welche weiteren Termini im Zusammenhang dazu stehen. Bott (2008, S. 1) vergleicht das Wesen der Informationsstruktur mit dem Wirken eines Poltergeistes, welcher sich selbst nie zeigt, seine Präsenz jedoch durch unterschiedliche Phänomene mal mehr und mal weniger eindeutig offenbart. Studying information structure is often like observing the behavior of a poltergeist. We have to assume that it is there, but we cannot observe it directly; we only observe the effects it causes. Whenever a poltergeist is present, the ghost itself is not visible, the only things observable are objects which move or fall from the walls. Sometimes a ghost is simply there and does nothing. And there is no way of telling what it looks like, either. […] (ebd.) Anna Kutscher 168 Bei der Informationsstruktur handelt es sich folglich um ein sehr weit gefasstes Feld der Linguistik, wo nahezu alle linguistischen Ebenen von der grammatisch betroffenen Strukturierung und Kodierung der Information betroffen sind. Im Kern möchte man unterscheiden, welche Elemente einer sprachlichen Äußerung ein Sprecher seinem Gegenüber als bekannt bzw. im gegebenen Kontext als akzeptiert vermittelt, und welche Elemente als neue, wichtige und deshalb besonders hervorgehobene Inhalte gelten. Eben diese Unterteilung in bekannt und neu sichert einen schnellen Kommunikationsverlauf zwischen den Gesprächsteilnehmern, da auch der Hörer auf entsprechende Markierungen reagiert und die vermittelte Information korrekt einsortiert. Nun haben sich in der Fachliteratur diverse terminologische Paare im Deutschen und Englischen etabliert, die die grobe Unterteilung in bekannt und neu beschreiben (siehe Tabelle 1). Dabei muss man beachten, dass je nach Autor eine mehr oder weniger feste Definition dieser Termini verwendet wird, sodass sich von Fall zu Fall ein Terminus in seinen Details unterscheiden kann. 2 „BEKANNT“ „NEU“ Background Focus Topic/ Topik Comment/ Kommentar psycological subject psycological predicate Theme/ Thema Rheme/ Rhema Presupposition Fokus Given New Satzgegenstand Satzaussage link/ tail (ground) Focus Tab. 1: Terminologische Paare innerhalb der Informationsstruktur Während es in Tabelle 1 so aussieht, dass konkurrierende Termini für ein und das gleiche Konzept stehen, lässt sich eine grobe Verwendung der Begriffe entsprechend ihrer Funktion beobachten. Wissenschaftliche Beiträge, die sich mit der Gliederung einer Aussage nach den Aspekten Worum geht es? und Was wird darüber ausgesagt? befassen, greifen eher auf die Paare Topik - Kommentar (oder aus dem Englischen Topic - Comment oft als Thema - Rhema übertragen (bspw. Sgall 1974)) zurück. In den Arbeiten, die sich mit dem Informativitätsgrad einer Aussage befassen, also eher der Frage nachgehen, welche 2 Zur Historischen Entwicklung und konkreten Definitionen der relevanten Termini siehe insbesondere Musan (2002), aber auch Büring (1997), Krifka (2008) sowie Beiträge in Molnár/ Winkler (Hg.) (2006). Informationsstruktur im sprachdidaktischen Kontext 169 Information in einem sprachlichen Beitrag als Alternative präsupponiert (oder konversationell implikatiert) ist, findet sich die Verwendung der Termini Hintergrund - Fokus wieder (u. a. Altmann 1993). Und schließlich greifen Autoren, die sich mit der kognitiven Repräsentation der Referenten und Propositionen im Diskurs beschäftigen, auf die Begriffe Given und New zurück (vgl. Baumann 2006; Musan 2010; Prince 1981). Man kann also sagen, dass gleiche Konstituenten einer Äußerung mit unterschiedlichen Begriffen bezeichnet werden, abhängig davon, in welchen fachwissenschaftlichen Kontext ihre Analyse eingebunden wird. 3 Für Studierende heißt es, dass je nach Schwerpunktsetzung und der Auswahl der Fachliteratur durch die Lehrenden an der Universität unterschiedliche Schwerpunkte in der Terminologie gesetzt werden und manche Termini unter Umständen fälschlicherweise als nicht zum Thema gehörend assoziiert werden. Für die didaktische Umsetzung erschwert die diffuse Terminologie der Fachwissenschaft die Planung und Vorbereitung des Unterrichts dahingehend, dass Studierende vorab nicht wissen, welche Termini (falls überhaupt) in den Lehrwerken und weiteren Handreichungen eine Rolle spielen. 3. Terminologie der Informationsstruktur in der didaktischen Reduktion Kaum eine Ebene der deutschen Grammatik funktioniert unabhängig von der Informationsstruktur. Sprachhistorische Wandelprozesse lassen eine Anpassung der Wort- und Satzformen darauf zurückführen, dass bestimmte kommunikative Bedürfnisse der Sprecher bspw. für die Scrambling-Prozesse im Mittelfeld ausschlaggebend sind, oder spezifische funktionale Kategorien wie Partikeln sich ausgebildet haben. Allen voran sind Syntax und Morphologie stark auf das Wirken der informationsstrukturellen Beschränkungen angewiesen. Diese äußern sich insbesondere in den Bereichen der kohärenten Gestaltung von mündlichen und schriftlichen Texten, die sowohl in der stilistischen als auch in der prosodischen Form von Phrasen und Sätzen umgesetzt wird, indem Sprecher Wichtiges (den Fokus) mit spezifischen Positionen im Satz bzw. einem Hauptakzent markieren, Nebensächliches oder bereits bekanntes jedoch in einer reduzierten Form zum Ausdruck bringen. Genau dieses Beherrschen der Texte wird in den Lehrplänen des Deutschunterrichts über alle Klassenstufen hinweg in allen Bundesländern verstärkt angestrebt: Die Schülerinnen und Schüler verfassen inhaltlich angemessene kohärente Texte, die sie aufgabenadäquat, konzeptgeleitet, adressaten- und zielorientiert, 3 Für ausführliche Diskussionen der Begrifflichkeiten siehe auch Hellwig (1984), Lötscher (1987), Lutz (1981), von Stutterheim (1997). Anna Kutscher 170 normgerecht, sprachlich variabel und stilistisch stimmig gestalten. Dabei schreiben sie entsprechend der jeweiligen Aufgabe in unterschiedlichen Textformen. (KMK 4 2012, S. 16) Die Studierenden, die sich im Vorbereitungsseminar ausführlich mit der funktionalen Bedeutung der Informationsstruktur auseinandergesetzt haben und die Terminologie aus Tabelle 1 kennen, stehen vor der Aufgabe, diese für die entsprechenden Jahrgangsstufen so aufzuarbeiten, dass das Bildungsziel der Kultusministerkonferenz im langwierigen Prozess erreicht werden kann. Bereits bei der Konzipierung der Unterrichtsinhalte wird klar, dass Begriffe wie Fokus, Thema, Kommentar etc. auf die grammatischen Phänomene reduziert werden müssen, damit das Verständnis für die Funktionsweise der Informationsstruktur Schrittweise erworben werden kann. Das bedeutet, dass nicht die Vermittlung der Topikalität oder der Fokusmarkierung als Unterrichtsziel gesetzt werden sollten - dafür sind die Konzepte zu weit gefasst - vielmehr sollten diese Konzepte aufgespalten in kleinere Wirkungsbereiche an die Schülerschaft herangetragen werden. Dafür haben die Studierenden unterrichtsrelevante Themen erarbeitet, die im sprachdidaktischen Curriculum zu finden sind, jedoch nicht primär unter dem Terminus Informationsstruktur zusammengefasst werden. Es hat sich im Seminar als vorteilhaft ergeben, für die unterschiedlichen linguistischen Ebenen eine eigene terminologische Liste zu erstellen, die als Hilfsmittel bei der Themen- und Phänomenauswahl für den Unterricht herangezogen werden kann. 3.1 Syntax Die Informationsstruktur spielt bei der Abfolge der Konstituenten eine entscheidende Rolle, denn nicht selten tendieren Sprecher des Deutschen zu einer Hintergrund-vor-Fokus-Abfolge (Musan 2010) wie in (1). D.h. fokussierte Konstituenten erscheinen möglichst weit am rechten Satzrand. Aufgrund der Verbendstellung im Deutschen ist es nicht selten die Position unmittelbar vor dem Verb(komplex). (1a) Was ist passiert? Wahrscheinlich hat [der Nachbar] [den Dieb] Fokus beobachtet. (1b) Wer kann den Dieb gesehen haben? Wahrscheinlich hat [den Dieb] [der Nachbar] Fokus beobachtet. 4 Kultusministerkonferenz, Bildungsstandards im Fach Deutsch für die Allgemeine Hochschulreife 2012 (Online: www.kmk.org/ fileadmin/ Dateien/ veroeffentlichungen_beschluesse/ 2012/ 2012_10_18-Bildungsstandards-Deutsch-Abi.pdf, Stand: 20. 1. 2020). Informationsstruktur im sprachdidaktischen Kontext 171 Wenn sich also die Informationsstruktur auf die Abfolge der Elemente im Satz auswirkt, kann dies zum Thema im Unterricht werden. Für die Unterrichtsplanung sind somit nicht nur die primären Termini der Informationsstruktur aus Tabelle 1 relevant, sondern auch weitere Termini: Konstituente, Satzglied, Vorfeld, Mittelfeld, Nachfeld. 3.2 Morphologie Nicht nur im Bereich der Wortstellung hat das Deutsche unterschiedliche Mittel ausgebildet, um auf Anforderungen der Informationsstruktur reagieren zu können. Auch im Bereich der Morphologie finden sich zahlreiche Belege dafür, wie die Grammatik mit der Informationsstruktur interagiert. Als Beispiele sind hier der Partikelgebrauch (2), insbesondere in der gesprochenen Sprache relevant, die Passivbildung (3), zur Darstellung der Topikalität als Subjekt, und die pronominale Anbindung (4) als Referenz zum Subjekt oder Objekt, aufgeführt. (2) Fokuspartikeln als Markierung der nachfolgend fokussierten Konstituente (2a) dass sogar/ auch/ nur Luise der Polizei ein Bild von Peter zeigte (2b) dass Luise sogar/ auch/ nur der Polizei ein Bild von Peter zeigt (2c) dass Luise der Polizei sogar/ auch/ nur ein Bild von Peter zeigte (2d) dass Luise der Polizei ein Bild von Peter sogar/ auch/ nur zeigte (Jacobs 1983, S. 4; Hervorhebung A.K.) (3) Topik als grammatikalisches Subjekt in Aktiv- und Passivsätzen (3a) [Der Rabe] versprach dem Fuchs den Käse. (3b) [Der Käse] wurde dem Fuchs (von dem Raben) versprochen (3c) [Der Fuchs] bekam den Käse (von dem Raben) versprochen. (Musan 2010, S. 33) (4) Personal- und Demonstrativpronomen als Referent zum vorherigen Subjekt oder Objekt (4a) Personalpronomen Ralf1 fährt zusammen mit seinem Opa2 angeln. Er1 / ? 2 freut sich schon. (4b) Demonstrativpronomen Ralf1 fährt zusammen mit seinem Opa2 angeln. Der? 1 / 2 / Dieser * 1 / 2 freut sich schon. (Bryant et al. 2014) Aus der morphologischen Ebene sollte die terminologische Liste daher um folgende Punkte ergänzt werden: Passiv (Passivierung), Pronomen, Referenz, Partikel. Anna Kutscher 172 3.3 Prosodie Auch wenn die fachwissenschaftlichen Arbeiten zur Informationsstruktur sich nicht primär mit der Prosodie auseinandersetzen, liegt es dennoch nahe, sich die prosodischen Strukturen der gesprochenen Sprache auch im didaktischen Kontext anzusehen. Insbesondere dann, wenn es um mündliches Vortragen von unterschiedlichen Textsorten ging, waren die Studierenden gewillt sich mit der Akzentsetzung und ihrer Funktion (vgl. (5)) didaktisch auseinanderzusetzen. (5a) Seine Argumente [überZEUgen] mich nicht. (Warum halten Sie nichts von seinen Argumenten? ) (5b) [Seine ArguMENte] überzeugen mich nicht. (Was überzeugt Sie an seinem Vortrag nicht? ) Aus der prosodischen Ebene kommen also noch die Termini: Akzent, Betonung und Intonation in die Liste der Termini, die im Kontext der Informationsstruktur didaktische Relevanz erfahren. Zusammenfassend lässt sich eine Liste von Termini zusammenstellen, die einerseits primär aus den Begriffen der Fachliteratur zur Informationsstruktur gebildet wird, und andererseits aus sekundären Termini, die sich ergeben, wenn man das Thema didaktisch aufarbeitet und deshalb in einzelne Wirkungsbereiche der linguistischen Ebenen überträgt. Primäre Termini: Topik, Kommentar, Thema, Rhema, Hintergrund, Fokus, Satzgegenstand, Satzaussage, alte und neue Information 5 Sekundäre Termini: Konstituente, Satzglied, Vorfeld, Mittelfeld, Nachfeld, Aktiv, Passiv, Pronomen, Referenz, Partikel, Akzent, Betonung, Intonation 4. Wie wird die Fachterminologie in den Lehrmaterialien repräsentiert? 4.1 Auswertungsmethode Damit es bei den geschilderten Ergebnissen nicht bei einem subjektiven Eindruck der Studierenden bleibt, wurde eine qualitative Auswertung einer Stichprobe von Lehrwerken, (deutsch.kompetent/ 6 und deutsch.kompe- 5 Die englischen Entsprechungen aus Tabelle 1 sind hier ausgelassen, weil die Wahrscheinlichkeit sie in den fachdidaktischen Medien zu finden sehr gering erscheint. Auf die Termini Satzaussage und Satzgegenstand wird im Folgenden verzichtet, weil diese Termini sich in den Materialien wiederfinden, jedoch nicht in der Interpretation der funktionalen Bedeutung, sondern eher als grammatische Kategorien Subjekt und Prädikat. Informationsstruktur im sprachdidaktischen Kontext 173 tent/ 10 Oberstufe (Klett)), das Online-Angebot meinunterricht.de 6 (Verlagsgruppe Cornelsen) sowie fachwissenschaftliche Publikationen auf die Verwendung der primären Fachtermini Fokus - Hintergrund, Topik - Kommentar, Alt - Neu, Thema - Rhema analysiert. Zwei Analysebereiche stehen hierbei im Vordergrund: einerseits die explizite Erwähnung der Termini in den Materialen und andererseits die implizite Funktionsarbeit mit den Inhalten, ohne dass die Informationsstruktur explizit benannt wird. Der zweite Fall tritt dann auf, wenn die Lehrmaterialien eindeutig die informationsstrukturelle Wirkungsweise nahelegen, die Lehrkraft dies jedoch nicht durch entsprechende Terminologie der Stichwortsuche ausmachen kann. Zusätzlich kommt die Terminologie der Äußerungskontexte der Informationsstruktur (vgl. Abschnitt 3) hinzu, inwiefern sie als Suchbegriff mehr zutreffende Materialvorschläge liefert als die primären Termini. Das Ziel ist, ein Bild zu erstellen, inwiefern die unmittelbare Terminologie in den schuldidaktischen Kontext übernommen wird und falls nicht, ob die betroffenen sprachlichen Phänomene als Alternativen hinzugezogen werden müssen. 4.2 Lehrwerke (Schulbuch, Lehrbuch) Die Vorbereitung der Unterrichtseinheiten beginnt gerade für unerfahrene Lehrkräfte nicht selten mit einem Blick in die Lehrwerke, die in der jeweiligen Schule verwendet werden. Sie entsprechen nicht nur den curricularen Vorgaben für die jeweiligen Jahrgänge und Schulformen, sondern haben stets einen Begleitband für Lehrer, der in der Regel über die Lehrziele informiert und darüber hinaus weitere Informationen und Hintergrundwissen zum Themenfeld gibt. Außerdem stehen in einigen Fällen zusätzliche Begleitmittel für Schülerinnen und Schüler zum selbstständigen Lernen und Üben zur Verfügung wie beispielsweise Förderhefte, Grammatikbegleithefte etc. Für die Analyse, inwiefern die Informationsstruktur in die Lehrmittelgestaltung eingearbeitet ist, wurden exemplarisch Lehrwerke der Reihe deutsch. kompetent (Klett) für den Jahrgang 6 und den Jahrgang 10 Oberstufe in Nordrhein-Westfalen untersucht. Dabei besteht die Lehrmittelreihe der sechsten Klasse aus dem Schülerbuch (Deutsch.kompetent/ 6 2012), einem dazugehörigen Trainingsheft zum Selbstlernen (Deutsch.kompetent/ 6 2012), einem Sprachförderheft (Deutsch.kompetent/ 6 2014) sowie dem Lehrerband (Deutsch.kompetent/ 6 2013). Für die Oberstufe dienen die Lehrerbände Einstiegsphase (Deutsch.kompetent/ 10 2014) und Qualifikationsphase (Deutsch.kompetent/ 10 2016) sowie das Schülerbuch Einstiegsphase (Deutsch.kompetent/ 10 2015) als Untersuchungsobjekte. Im Folgenden wird es darum gehen, welche 6 www.meinunterricht.de (Stand: 20. 1. 2020). Anna Kutscher 174 Terminologie im Sachregister der Lehrwerke ausgewiesen ist, damit eine Lehrkraft gewinnbringend auf die Seiten verwiesen wird, in denen die Informationsstruktur als Unterrichtsgegenstand aufgearbeitet werden kann. Der Blick ins Sachregister ist ernüchternd: Außer dem Begriff Textkohärenz, der hier nicht weiter definiert auftritt, sind die Informationsstruktur betreffenden Termini überhaupt nicht repräsentiert. Obwohl zahlreiche Gelegenheiten und Themengebiete vorhanden sind, die Raum für die Auseinandersetzung mit der Thematik bieten, finden die primär auf die Informationsstruktur bezogenen fachwissenschaftlichen Begriffe Hintergrund-Fokus, Topik-Kommentar etc. keine passende Unterrichtseinheit. Anders sieht es aus, wenn man sich mit den Äußerungskontexten auseinandersetzt. So bietet die Grammatik Lerninsel im Schülerbuch Definitionen für die Termini Pronomen, Aktiv und Passiv sowie Satzglieder (6). (6) Grammatik Lerninsel Pronomen: Mit ihnen kannst du im Text Nomen ersetzen und deren Wiederholung vermeiden. (S. 270) Aktiv und Passiv: Beim Aktiv steht der Handelnde im Vordergrund. Beim Passiv steht derjenige, mit dem etwas geschieht, im Vordergrund. Er nimmt die Rolle des Subjekts ein. (S. 272) Satzglieder unterscheiden und verwenden Umstell- und Weglassprobe - Funktion: Damit kannst du grammatisch unnötige Satzglieder und Satzgliedteile (Attribute) erkennen. Ersatz- und Erweiterungsprobe - Funktion: Dadurch kannst du Wiederholungen vermeiden. (S. 274) Betrachtet man die Definitionen der Termini, wie sie im Lehrbuch den Schüler/ innen angegeben werden, entsteht der Eindruck, dass die variable Wortstellung sowie die Pronomen im Deutschen der „Vermeidung von Wiederholungen“ dienen. Streng genommen zielt die Beschreibung wie in (6) eher auf eine semantische Relation der Synonymie ab und nicht auf den referenziellen und textkohärenten Gebrauch der Pronomen und der syntaktischen Abfolge. Auch die Beschreibung des Topiks in Aktiv- und Passivkonstruktionen ist inkorrekt. Die Konstituenten, die in beiden Strukturen als Subjekte ausgedrückt werden, stellen das, worum es geht, dar. Dies ist aber nicht der Vordergrund im Sinne der Fokusinterpretation, wie Studierende es aus Lehrveranstaltungen kennen. Konzeptuell irreführend sind auch weitere Termini wie die Definition von Demonstrativpronomen. Statt den Unterschied im referenziellen BezugzwischenPersonalpronomenzumSubjektunddenDemonstrativpronomen auf Objekte des vorangegangenen Satzes zum Gegenstand zu machen (vgl. (4)), wird plötzlich die prosodische Realisierung zum Charakteristikum der Wortklasse. Informationsstruktur im sprachdidaktischen Kontext 175 (7) Demonstrativpronomen […] weisen auf eine Person, einen Gegenstand oder einen Sacherhalt hin und heben sie/ ihn hervor. […] Sie werden im Satz besonders betont gesprochen. (Deutsch.kompetent/ 6 (Trainingsheft), S. 56, Hervorhebung im Original) Auch die Hinweise im Lehrerband sind nicht auf die fachwissenschaftlichen Erkenntnisse angepasst. So werden beispielsweise Lösungsvorschläge für Übungen geliefert, die nicht nach objektiven Kriterien, sondern nach intuitivem Empfinden formuliert sind (8). (8) Thema: Das sehe ich anders - Sprachlicher Umgang mit anderen Sich schriftlich beschweren: in umgangssprachlichem bis saloppen Stil verfasst (Deutsch.kompetent/ 6 (Lehrerband), S.37) Dem Lehrer wird dabei kein Hinweis darauf gegeben, welche sprachlichen Strukturen den „umgangssprachlichen Stil“ kennzeichnen. Dabei kann die Partikelverwendung in Sätzen wie (9a) und (9b) oder die in der gesprochenen Sprache übliche Verwendung von Rahmensetzungselementen am Satzanfang (9c) (vgl. Speyer 2010) eindeutig als solche thematisiert werden. (9a) Ich muss jetzt jeden Tag rund um den alten Kasten fahren […], (9b) Es ist ja wohl das Letzte […] (9c) Und am Stellplatz, das weiß ja jeder, stellen die Oberstufenschüler ihrer Räder ab, und zwar so, dass ich nicht rauskomme. (Deutsch.kompetent/ 6 (Schülerbuch), S.32) Auch innerhalb der Lehrwerke für fortgeschrittene Jahrgänge der Oberstufe findet man keine Fachterminologie zu den primären Begriffen der Informationsstruktur. Selbst wenn hier die Auseinandersetzung mit sprachbezogenen Themen wie Sprachursprung und -wandel oder Sprachvarietäten und Dialektologie einen hohen Stellenwert in der Themenauswahl darstellt, wird die Systematik des Deutschen bezogen auf die Informationsstruktur vollständig außen vor gelassen. Was man findet, sind Aufgabenbereiche, die auf die sprachliche Gestaltung der Texte abzielen, denen jedoch jegliche theoretische Grundlage fehlt. Die Beispiele (10) und (11) sollen dies verdeutlichen: (10) Deutsch.kompetent/ Einführungsphase (Lehrerband) (2014) - Einheit: Erzähltexte analysieren und deuten. Generationen im Konflikt. Kompetenz: Die sprachliche Gestaltung eines Textes untersuchen und deuten Lösungsvorschlag: „Sowohl mit Blick auf Wiederholungen als auch auf die Wortstellung (bzw. die zugrundeliegende Konstruktion) besonders auffällig sind die Stellen „Es ist meines Vaters alter Hof.“ […] die nicht nur die Dominanz des Vaters betonen, sondern auch das Abhängigkeitsgefühl des Sohnes unterstreichen, zunächst rein grammatisch („des/ meines Vaters“ ist genitivus possessivus), dann durch die Wortstellung (Inversion; unmarkiert wäre: „Es ist der alte Hof meines Vaters.“), schließlich inhaltlich […].“ (S. 60) Anna Kutscher 176 (11) Deutsch.kompetent/ Einführungsphase (Lehrerband) (2014) - Einheit: Erzähltexte analysieren und deuten. Generationen im Konflikt. Klausur zum Kapitel (S. 73): Untersuchen Sie, ob die beiden folgenden (Teil-) Sätze grammatisch standardsprachlich sind. A: Weil das doch aussieht wie Körner … B: Kann ich doch nichts dafür, dass die so blöd sind Lösungsvorschlag (S. 74) A: keine Endstellung des Prädikats im Nebensatz B: keine Zweitstellung des Prädikats im Hauptsatz In (10) impliziert die Formulierung des Lösungsvorschlags, dass die Wortstellung keine Komponente der Grammatik darstellt. Des Weiteren fällt hier der Begriff der (Un-)Markiertheit. Dieser Terminus (vgl. bspw. Höhle 1982) erfasst die informationsstrukturelle Markiertheit der Sätze für bestimmte Kontexte. Der Lösungsvorschlag, wie er hier der Lehrkraft präsentiert wird, setzt also voraus, dass die Kenntnisse zu dieser Thematik allgemein bekannt sind. Leider finden sich weder im Lehrerband noch im Schülerbuch jegliche Hinweise auf Konzepte der markierten und unmarkierten Wortstellung des Deutschen. Auch Beispiel (11) zeigt, dass in der Oberstufe mit einer Pseudo-Analyse des Deutschen gearbeitet wird. Einerseits werden Kenntnisse über ein standardsprachliches System vorausgesetzt. Tatsächlich lassen die zu untersuchenden Teilsätze viele Anhaltspunkte für eine auf die Informationsstruktur ausgerichtete Analyse zu (Fokusprominenz, Extraktion ins Vor- und Nachfeld etc.). Andererseits hört der Lösungsvorschlag für die Analyse bei der Stellung des Prädikats auf; andere kategoriale Merkmale erfahren hier keine Bedeutung. Offen bleibt die Frage, ob es sich nun um standardsprachliche (Teil-)Sätze handelt oder nicht. Vermutlich ist die Lehrkraft angehalten die Frage mit nein zu beantworten. Informationsstrukturelle Auseinandersetzungen mit der Prosodie sind ausschließlich auf die Rhythmizität und das Metrum von lyrischen Texten bezogen. Dass auch hier ein grammatisch bedingtes System zur Betonung/ Akzentsetzung und somit Informationsstrukturierung vorliegt, ist weder in Jahrgang 6 noch in der Vorbereitung auf das Abitur zu finden. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass es durchaus zahlreiche Bereiche gibt, die großes Potenzial für integrativen Grammatikunterricht bieten. Sowohl im Jahrgang der sechsten Klasse als auch im Abitur finden sich zahlreiche Möglichkeiten sich mit der funktionalen Gestaltung der Information in gesprochenen und geschriebenen Texten auseinanderzusetzen und das Deutsche systematisch in seinem grammatischen Repertoire dahingehend zu thematisieren. Informationsstruktur im sprachdidaktischen Kontext 177 Eben diese Systematik fehlt jedoch im betrachteten Lehrwerkkonzept: Weder wird den Schülern ein umfangreiches Bild der Äußerungskontexte bereitgestellt, noch finden Lehrkräfte konkrete Verweise auf die fachwissenschaftlichen Erkenntnisse in diesem Bereich. 4.3 Online-Angebote Die Online-Plattform meinunterricht.de stellt Lehrern, nach vorheriger Registrierung, eine Vielzahl an Unterrichtsreihen und Arbeitsblättern zur Verfügung, die nach Jahrgang, Fach und spezifischen Unterthemen sortiert sind. Darüber hinaus finden sich auch einige Handreichungen für Lehrer, die fachwissenschaftliches Hintergrundwissen zusammenfassen und erläutern. Ein wesentlicher Vorteil dieser Plattform ist die einfache Bedienbarkeit mittels einer Stichwortsuche. Die gefundenen Dokumente können angesehen und heruntergeladen werden. In der Gestaltung der Suche verbirgt sich aber auch gleichzeitig ein Nachteil: Wenn man nicht die entsprechende Terminologie kennt, die in den Materialien verwendet wird, verfehlt die Suche womöglich brauchbare Arbeitsblätter und Hinweise. Möchte man nun eine Unterrichtseinheit oder eine Unterrichtsreihe zur Informationsstruktur gestalten, bieten sich einerseits die unmittelbaren Termini (Informationsstruktur, Hintergrund - Fokus, Thema - Rhema, Topik - Kommentar, alte - neue Information) als Suchbegriffe an. Andererseits besteht potenziell die Möglichkeit an passende Materialen zu kommen, wenn man die Terminologie der Ausprägungsphänomene (Satzglieder, Konstituenten, Mittelfeld(-besetzung), Vor- und Nachfeld, Pronomen, Aktiv - Passiv etc.) in die Stichwortsuche einbindet. Tatsächlich ist es so, dass man mit der Verwendung der unmittelbaren Terminologie nicht an das gewünschte Ziel kommt (vgl. Tabelle 2). Der Oberbegriff Informationsstruktur liefert zwar 321 Dokumente für das Fach Deutsch und davon 80 im Themengebiet Sprache, allerdings haben die wenigsten davon einen Bezug zur Informationsstruktur als linguistisches Themenfeld. In der Regel handelt es sich um Dokumente, in denen die allgemeinsprachliche Verwendung der Wortform Information gebraucht wird (Informationen zu, Informationen für etc.). Selbst in einigen Themenbereichen (bspw. Sachtexte verfassen oder zusammenhängend erzählen), die Potenzial zur Auseinandersetzung mit der Informationsstruktur bieten, wird die fachwissenschaftliche Terminologie nicht aufgenommen. Ähnlich verhält es sich mit den Termini Hintergrund und Fokus. Auch hier wird auf die nicht wissenschaftliche und eher kollokative Verwendung zurückgegriffen (mit Fokus auf / Der Fokus liegt … / Im Fokus steht …; Vor dem Hintergrund eines …). Ein Dokument sticht jedoch aus der Menge heraus, weil es Anna Kutscher 178 sich tatsächlich dem linguistischen Phänomen widmet: Es handelt sich um eine Unterrichtsreihe zum Thema „Sprachwandel, Dialekte, Soziolekte“. Im bereitgestellten Material „Untersuchung einer Sprachwandelerscheinung. Kiezdeutsch - Sprachverfall oder neuer Dialekt? “ für die Klassen 11-13 werden Originalzitate aus der Fachliteratur übernommen, so auch „Das Wort so wird als Fokusmarkierer verwendet“ von Wiese (2010). Auffällig ist jedoch, dass der Fachterminus Fokusmarkierer hier ohne Begriffsklärung stehen gelassen wird. Auch weiterführende Informationen für die Lehrkraft sucht man an dieser Stelle vergebens. Ebenso verhält es sich mit der Gliederungsebene der Information nach alt > neu, in knapp 2000 Dokumenten finden sich keine Hinweise auf informationsstrukturelle Aspekte, vielmehr ist es der neutrale, fachunspezifische Gebrauch der Wortformen. Die Gliederung der Information in das, worum es im Satz geht und das, was darüber ausgesagt wird, ist in den Materialien kaum thematisiert. Zwar taucht der Begriff Kommentar in 156 Dokumenten im Bereich „Sprache“ auf, allerdings handelt es sich hier um die Textsorte Kommentar und nicht die linguistische Verwendung des Terminus. Überraschenderweise findet man ein Dokument mit der Erwähnung von Topik, bei näherer Betrachtung stellt sich allerdings heraus, dass auch hier nicht die gewünschte Terminologie gebraucht wird. Vielmehr handelt es sich hierbei um ein Glossar zur Rhetorik und entsprechend einer anderen Bedeutung des Topik-Begriffs: „Anleitung zur Verwendung standardisierter Argumentationsformen und anerkannter Darstellungsmuster; Themen und Wissensbestände“. Eine zwar gewünschte, jedoch abermals unzureichend erläuterte Verwendung des Paars Thema-Rhema wird einerseits für Klassen 5-6 in (12) vorgeschlagen und ebenso für Klassen 11-13 in (13). Beiden Materialien ist gemeinsam, dass auch hier die notwendige Auseinandersetzung mit dem Themenfeld der Informationsstrukturierung fehlt. Lediglich die Termini zu erwähnen ist für eine Unterrichtsplanung nicht immer ausreichend. (12) Lesekompetenz - Thema Wale: Didaktische Hinweise + Lesetext + Arbeitsblätter. Zum Text […] Die Sätze sind meist kurz, die Herstellung des satzübergreifenden Zusammenhangs durch eine einfache Thema-Rhema-Struktur erleichtert, die pronominalen Bezüge sind eindeutig, sodass von der Textseite aus das Lesen nicht erschwert wird. (Fischer 2010) (13) Kommunikation: Informationstext für Lehrer. Sprache und ihre Funktion Nicht alle hier aufgeführten Termini müssen allen Schülern aller Schularten vermittelt werden, da für den Schulgebrauch keine linguistische Vollständigkeit angestrebt werden kann. […] Textlinguistik (Mittel der Textkohärenz, Thema - Rhema) […]. (Beisbart/ Marenbach (Hg.) 2010) Informationsstruktur im sprachdidaktischen Kontext 179 Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die linguistische Terminologie zur Informationsstruktur sich nicht als gewinnbringend zur Suche nach Unterrichtsmaterial auf meinunterricht.de eignet. Die Termini sind nicht von der allgemeinsprachlichen Verwendung abgegrenzt oder korrelieren mit gleichen Wortformen in den Fachbereichen der Literaturwissenschaft, der Rhetorik etc. Einige wenige Vorkommnisse der linguistischen Bedeutung erscheinen eher als Zitate aus der Fachliteratur, ohne dass eine Systematik oder ein Konzept zu dem Thema vorgestellt werden. Suchbegriff im Fach Deutsch Anzahl der Dokumente zum Thema: Sprache (gesamt) Beispiele der wörtlichen Verwendung Jahrgang Referenz Informationsstruktur 80 (321) Suche nach dem Wahrheitsgehalt sprachlicher Informationen, Informationen zu, Informationen für … alle diverse Fokus 60 (316) … mit Fokus auf. Der Fokus liegt … Im Fokus steht … Untersuchung einer Sprachwandelerscheinung. Kiezdeutsch - Sprachverfall oder neuer Dialekt „Das Wort so wird als Fokusmarkierer verwendet“ alle 11-13 diverse Kunz, Christoph (2013): Sprachwandelerscheinungen untersuchen: Ein Sprachexperiment zu sozialen Schichten im Kaufhaus. Raabe Verlag. Hintergrund 137 (846) Historischer Hintergrund ..., Vor dem Hintergrund eines … 11-13 Kunz, Christoph (2009): Büchners Dantons Tod - Historischer Hintergrund und Personen. Raabe Verlag. Topik 1 (1) Arbeitshilfe Fachausdrücke der Rhetorik: Topik: Anleitung zur Verwendung standardisierter Argumentationsformen und anerkannter Darstellungsmuster; Themen und Wissensbestände 11-13 Korte, Hermann; Jakob, Hans-Joachim (2008): Rhetorik: Wilhelm Busch erschließen. Raabe Verlag. Anna Kutscher 180 Suchbegriff im Fach Deutsch Anzahl der Dokumente zum Thema: Sprache (gesamt) Beispiele der wörtlichen Verwendung Jahrgang Referenz Kommentar 156 (658) Textsorte: Kommentar Schreibe einen Kommentar zu … 7-8 Boin, Silvia (2009): 4. Thema Superstars und Popstars - Sachtexte unterscheiden: Die Textsorte „Kommentar“ kennen und mithilfe einer Mindmap einen Textinhalt strukturieren. Raabe Verlag. Alt - Neu (Information) 474 (1989) Kein Lemma-Eintrag als Terminus. Nur allgemeine Verwendung des Begriffs Thema - Rhema (>3800) 1 (2) Kommunikation: Informationstext für Lehrer. Sprache und ihre Funktion „Nicht alle hier aufgeführten Termini müssen allen Schülern aller Schularten vermittelt werden, da für den Schulgebrauch keine linguistische Vollständigkeit angestrebt werden kann. […] Textlinguistik (Mittel der Textkohärenz, Thema - Rhema) Zum Text […] Die Sätze sind meist kurz, die Herstellung des satzübergreifenden Zusammenhangs durch eine einfache Thema- Rhema-Struktur erleichtert, die pronominalen Bezüge sind eindeutig, sodass von der Textseite aus das Lesen nicht erschwert wird. 11-13 5-6 Ortwin Beisbart, Dieter Marenbach (Hg.): Sprache: Struktur und Funktion: Informationstext für Lehrer. Auer Verlag. Fischer, Ute: Lesekompetenz - Thema Wale: Didaktische Hinweise + Lesetext + Arbeitsblätter. Auer Verlag. Tab. 2: Ergebnisse der Online-Recherche mit primären Termini der Informationsstruktur als Schlagworte der Suche Informationsstruktur im sprachdidaktischen Kontext 181 4.3.1 Äußerungskontexte als Suchbegriffe Die Suche nach weiteren sekundären Termini (siehe Abschnitt 3), die sich im Zusammenhang mit der Informationsstruktur einordnen lassen, führt zu unterschiedlichen Ergebnissen. So liefern die Termini Vorfeld/ Mittelfeld/ Nachfeld keine Treffer und sind somit offensichtlich nicht in das terminologische Inventar von meinunterricht.de aufgenommen. Auch bei der Suche nach Konstituente* ergeben sich keine Treffer. So kann man auch hier festhalten, dass die in der Fachwissenschaft wohl etablierten Konzepte der Konstituenz und des typologischen Feldermodells (Drach 1963) kaum eine Rolle im Deutschunterricht spielen; weder in den Materialien für Schülerinnen und Schüler, noch in Handreichungen für Lehrerinnen und Lehrer. Mehr Materialien und Aufgabenblätter findet man bei der Suche nach Satzglied, nämlich 183 Dokumente. Darunter verbergen sich allgemeine und spezifisch für bestimmte Satzgliedtypen ausgelegte Arbeitsblätter: zu ihrer Bestimmung, Benennung oder Umstellung. Des Weiteren befinden sich darunter Erhebungstests vom Leistungsstand der Schüler und diverse Arbeitsmaterialien zur Interpunktion. Das Thema Satzglied ist somit als Terminus im Deutschunterricht vorhanden, jedoch nicht aus der informationsstrukturellen Perspektive. Vielmehr wird hierbei auf die grammatikalische Terminologievermittlung (bspw. Akkusativobjekt, Subjekt, Adverbiale Ergänzung) geachtet und weniger auf die funktionale Bedeutsamkeit der Satzglieder im Text oder Diskurs. Wie das Satzglied ist auch das Thema Aktiv-Passiv stark vertreten: Man findet 96 Dokumente als Übungsblätter zu der Bildung, dem Umformen und dem allgemeinen Erkennen der grammatischen Form. Auch bei diesem Thema wird nicht auf die funktionalen Unterschiede der beiden Formen eingegangen, sodass bspw. der Zusammenhang zwischen der Topikalität und dem Subjekt (vgl. Musan 2010) keine Rolle spielen. Mit 181 Dokumenten aus dem Bereich Sprache gehören auch die Pronomen zu einer in der Grammatik des Deutschunterrichts stark vertretenen Thematik. Mit Aufgaben wie in (14) soll ihre Bedeutung für das Verstehen der Textbezüge und korrekte Anwendung erarbeitet werden. Solche Arbeitsaufträge lassen zwar eindeutig erkennen, dass hier die Thematik der Informationsstruktur aufgegriffen wird, allerdings erfolgt es nicht explizit und erfordert eine höhere Zeitinvestition bei der Recherchearbeit für die Lehrkraft. Anna Kutscher 182 (14) Beschreibe, auf welche Art und Weise die Sätze „die Zirkusbesucher freuten sich über die Clowns. Sie schlugen sich gegenseitig“ verstanden werden können. Erkläre, was der Grund für die Zweideutigkeit ist. 7 Auch wenn es nicht direkt um die prosodische Markierung mit spezifischen Akzenttönen im Deutschen geht, lassen sich in 19 Dokumenten für Intonation informationsstrukturelle Anhaltspunkte finden, sofern man mit dem Thema vertraut ist. So finden sich darunter Hinweise zur Gestaltung von Emotionen im Theater, verschiedenen Dialogen und Gedichten. Potenzial zur prosodischen Markierung der Informationsstruktur bieten hierbei auch Materialien zu Politischen Reden, die verbale und nonverbale Kriterien für Analysen bereitstellen und entsprechend ergänzt werden können. Alles in allem lassen sich in den bereitgestellten Materialien Anhaltspunkte finden, an denen man Unterrichtseinheiten zur funktionalen Grammatik des Deutschen in Bezug auf die Informationsstrukturierung planen kann. Die richtigen Materialien zu finden, setzt jedoch einen kreativen und flexiblen Umgang mit der Terminologie voraus: Die aus dem Studium bekannten primären Termini führen zu keinem Ergebnis (siehe Informationsstruktur), andere mittelbare Begriffe (z. B. Satzglied oder Passiv) können dabei helfen, auf hilfreiches Angebot zu stoßen, und manchmal findet man durch Zufall passendes Material (siehe Fokus im Kiezdeutsch) für den Unterricht. 4.4 Fachdidaktische Publikationen und Zeitschriften Ein ganz anderes Bild im Umgang mit der Informationsstruktur im sprachdidaktischen Kontext zeigen Publikationen in Fachzeitschriften und Sammelbänden. So bietet der Schneider Verlag Hohengehren GmbH einen Sammelband zum Thema „Aspekte der Informationsstruktur für die Schule“ in der Reihe: Thema Sprache - Wissenschaft für den Deutschunterricht. 8 Darin finden Lehrkräfte nicht nur fachwissenschaftliche Erkenntnisse darüber, wie die Texte in den Lehrwerken informationsstrukturell aufgebaut sind, sondern auch konkrete Vorschläge für den eigenen Unterricht (z.B. Texte schreiben nach der Quaestio-Methode (Steiner 2014)). In solchen Fällen gestaltet sich die Recherche nach passendem Material für Studierende und Lehrer/ innen sehr einfach: Bereits im Titel ist das notwendige Schlagwort der Thematik enthalten. 7 Grammatikunterricht integrativ: Der Sprachabschneider: Übungen zum Pronomen. 43 RAAbits Deutsch/ Sprache Mai 2005 (Online: https: / / app.meinunterricht.de/ doc/ 571e15660cb9e885 72f74dc2, Stand: 18. 7. 2019). 8 www.paedagogik.de/ index.php? m=subclass&grp=Deutsch&subgrp=Thema%20Sprache%20 -%20Wissenschaft%20f%FCr%20den%20Unterricht (Stand: 15. 2. 2018). Informationsstruktur im sprachdidaktischen Kontext 183 Nicht unter dem Stichwort „Informationsstruktur“ aber dennoch sehr nah am Thema lassen sich Unterrichtsempfehlungen in fachdidaktischen Zeitschriften wie Praxis Deutsch finden. An Beispielen wie (15a) soll die Objektbewegung ins Vorfeld thematisiert werden, anhand derer der Umgang mit markierter Wortstellung in Verbindung mit höherer Textkohärenz geübt werden soll. Aber auch die Arbeit an Stilblüten (und somit authentischen Texten) wie in (15b) soll dabei helfen das Verständnis für Informationsstruktur aufzubauen. (15a) Mäuse fressen Katzen besonders gern. (Menzel 1995a) (15b) Nach Auskunft der Polizei zwangen mehr als 50 eingeschleuste Albaner zwei Bauunternehmer zu unbezahlten Arbeiten auf ihren Baustellen in Oberhausen, Düsseldorf und Köln. (Menzel 1995b, S. 147) Man kann somit sagen, dass die Informationsgliederung in Sätzen und Texten, die auch auf unterschiedliche Textsorten ausgeweitet werden kann (vgl. Klotz 1995), sehr wohl innerhalb der fachdidaktischen Literatur vertreten ist. Die primären Termini erweisen sich bei der Suche nach geeigneten Inhalten als weniger hilfreich. Die Terminologie der Äußerungskontexte führt zu besseren Ergebnissen, allerdings auch hier unter sehr selektiven Begriffen wie Wortstellung oder Satzgliedstellung. 5. Nachteile einer nicht einheitlichen Terminologie Wie im vorhandenen Abschnitt dargestellt, ist es keine einfache Aufgabe, fachwissenschaftliche Inhalte zur Informationsstruktur mal eben schnell fachdidaktisch in die Unterrichtsplanung umzusetzen. Studierende, die diese Aufgabe zum ersten Mal auf sich nehmen, legen nicht selten die Erwartung offen, die in den fachwissenschaftlichen Seminaren erarbeiteten Themen und Inhalte direkt in der Material- und Medienauswahl der Unterrichtsplanung wiederzufinden. Aus dieser Perspektive heraus liegt es nahe, die entsprechende Terminologie, die sich primär in der Fachliteratur wiederfindet, als Stichwort bei der Suche nach geeigneten Hilfsmitteln zu verwenden. Eine solche Herangehensweise birgt jedoch zwei wesentliche Gefahren: zum einen unterscheidet sich die Terminologie innerhalb der Sprachwissenschaft, je nach Schwerpunktsetzung der Analyse (siehe Abschnitt 2). Je nach Fragestellung können sich unterschiedliche Termini auf identische Einheiten beziehen wie bspw. Hintergrund und Topik. Zum anderen kann es passieren, dass in der didaktischen Reduktion nur einige der Termini verwendet werden und man auf Alternativen angewiesen ist. Die beispielhafte Betrachtung der Materialien in Abschnitt 4 zeigt, dass in fachdidaktischen Publikationen auch komplexe Themengebiete, wie die Informationsstruktur, direkt thematisiert werden, indem die primären Termini in den Überschriften und Stichwortverzeichnis- Anna Kutscher 184 sen vorkommen. Dies erleichtert den Studierenden den Übertrag der erlernten Inhalte in ihre didaktische Aufbereitung, weil in diesen Publikationen einerseits das notwendige Hintergrundwissen und andererseits praktische Empfehlungen zur Umsetzung geboten werden. Anders sieht es in den Unterrichtsmaterialien aus, die von Schulbuchverlagen angeboten werden. Sowohl in den Lehrwerken als auch in der Online-Datenbank waren die Termini der Fachwissenschaft kein geeignetes Mittel zur Stichwortsuche für passende Unterrichtsempfehlungen. Die Arbeit mit diesen Medien erfordert ein vertieftes Wissen über die möglichen Erscheinungsformen der Sprachstrukturen und ihre funktionale Verwendung in Bezug auf die Informationsstruktur. Es ergibt sich von selbst, dass im Verlauf der Lehrtätigkeit die notwendige Erfahrung im Umgang mit sprachlichen Formen und ihrer funktionalen Einbettung in den Unterricht steigt. Während also Studierende und Berufseinsteiger und -Einsteigerinnen sich eher an der Terminologie des Studiums (gemeint ist hier die primäre Fachliteratur) orientieren, wissen erfahrene Lehrkräfte, welche alternativen Termini sie verwenden müssen, um in den Lehrwerken und Online-Datenbanken spezifische Materialen für den Unterricht zu finden. Die fachwissenschaftliche Terminologie verliert somit immer mehr an Bedeutung. In die Fachdidaktik schaffen es nur einige wenige Termini, sodass man sagen kann, dass einige Bereiche im didaktischen Kontext stark vertreten sind, z. B. Satzgliedstellung und Aktiv-Passiv, auch wenn sie nicht immer funktional eingebunden werden. Viele weitere relevante Bereiche und Termini sind jedoch stark unterrepräsentiert z.B. Fokus- und Modalpartikeln oder die Intonation. Hier erfolgt der Zugang über die Lehrwerke und weitere Materialien recht unsystematisch. Anders gesagt, die Verlage setzen stark auf die Intuition zum Sprachgebrauch und liefern keine systematische Aufarbeitung des Themas. Dies führt dazu, dass die Materialiengestaltung nicht explizit nach dem übergeordneten Thema erfolgt und somit ein kreativer Einsatz des Fachwissens bei den Lehrkräften benötigt wird. Besonders dann, wenn die Terminologie zwischen fachlinguistischer und fachdidaktischer Literatur unterschiedlich ausfällt und ein „Übersetzungsbedarf“ besteht. Zusammenfassend kann man sagen, dass im Übergang von der Fachwissenschaft in die Didaktik gerade auf dem Gebiet der Terminologie stark abstrahiert werden muss. Es mag schlüssig erscheinen, warum dies für Materialien gilt, die sich an Schülerinnen und Schüler richten: Hier wird nicht das Spektrum der Fachwissenschaft benötigt. Warum aber im Material für die Lehrkräfte keine dieser aus dem Studium bekannten Termini aufgenommen wird, ist fragwürdig. Das Fazit der Studierenden aus dem Praxismodul fällt entsprechend niederschmetternd für die Fachwissenschaft aus: Selbst wenn man die Inhalte interessant findet und gern im Unterricht aufgreifen möchte, ist „das Thema in der Schule nicht relevant, weil man nichts zu Begriffen wie Fokus, Topik etc. findet“. Bezogen auf den Arbeitsaufwand, sowohl inhaltlich Informationsstruktur im sprachdidaktischen Kontext 185 als auch zeitlich, der mit der Aufarbeitung der Informationsstruktur für den Unterricht verbunden ist, zogen es die Studierenden vor, sich der literarischen Analyse im Deutschunterricht zu widmen: Hier braucht man nur den Titel der Werke als Stichwort und bekommt diverse Arbeitsblätter bereitgestellt. Ein wesentlicher Teil der Unterrichtsvorbereitung wäre somit schon erledigt. Literatur Altmann, Hans (1993): Fokus-Hintergrund-Gliederung und Satzmodus. In: Reis, Marga (Hg.): Wortstellung und Informationsstruktur. (= Linguistische Arbeiten 306). Tübingen: Niemeyer, S. 1-38. Baumann, Stefan (2006): The intonation of givenness. Evidence from German. (= Linguistische Arbeiten 508). Tübingen: Niemeyer. Beisbart, Ortwin/ Marenbach, Dieter (Hg.) (2010): Sprache: Struktur und Funktion: Informationstext für Lehrer. Baustein 16. Hamburg/ Augsburg: Auer, S. 84. 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Deutsch.kompetent/ 6 (Sprachförderheft) (2014) = Nutz, Maximilian (Hg.) (2014): Deutsch.kompetent/ 6 (Sprachförderheft). Stuttgart u. a.: Klett. Deutsch.kompetent/ 10 Oberstufe (Schülerbuch) (2015) = Zdrallek, Andreas (Hg.) (2015): Deutsch.kompetent/ 10 Oberstufe (Schülerbuch Einführungsphase). Stuttgart u. a.: Klett. Deutsch.kompetent/ Einführungsphase (Lehrerband) (2014) = Zdrallek, Andreas (Hg.) (2014): Deutsch.kompetent/ Einführungsphase (Lehrerband) Stuttgart u. a.: Klett. Deutsch.kompetent/ Qualifikationsphase (Lehrerband) (2016) = Nutz, Maximilian (erarb. von Wilhelm Borcherding, Stefan Schäfer) (Hg.) (2016): Deutsch.kompetent/ Qualifikationsphase (Lehrerband). Stuttgart u. a.: Klett. MARTINA NIED CURCIO DIE ANWENDUNG GRAMMATISCHER TERMINOLOGIE IM BEREICH DES DEUTSCHEN ALS FREMDSPRACHE Abstract: Grammatische Termini sind in ihrer Existenz nicht immer stabil. Neue wissenschaftliche Erkenntnisse, erweiterte Perspektiven und Paradigmenwechsel führen zu einem Wandel in der Terminologie. Während die Termini in Linguistischen Grammatiken dem aktuellen Status Quo der sprachwissenschaftlichen Grammatikschreibung weitgehend entsprechen, hinkt die sprachpraktische Anwendung in der Didaktik Deutsch als Fremdsprache oft hinterher. Dies wird mithilfe einer Auswahl grammatischer Themen (Konnektoren, Verbvalenz, Wortbildung des Verbs und dem Bereich der Kollokationen/ usuellen Wortverbindungen) und der im DaF-Bereich häufig verwendeten Pädagogisch-didaktischen Grammatiken, Handbüchern und Fachlexika sowie Lehrwerken aufgezeigt. Keywords: Didaktik Deutsch als Fremdsprache, Grammatik, Grammatische Terminologie, Pädagogisch-didaktische Grammatik 1. Grammatische Terminologie in der Linguistik - Linguistische Grammatiken Obwohl Klarheit, Eindeutigkeit und Beständigkeit eines Fachwortschatzes das Ziel domänenspezifischer Terminologiearbeit (vgl. DIN 2342: 2011-08: Begriffe der Terminologielehre) sind und dementsprechend eine Standardisierung angestrebt wird, unterliegen grammatische Fachtermini häufig einem Wandel. Neue wissenschaftliche Erkenntnisse, die Verschiebung von Forschungsschwerpunkten, aber auch neuere Paradigmen und Einflüsse aus anderen Sprachen bzw. die Beschreibung sprachlicher Phänomene aus einer kontrastiven Perspektive fördern dies. Man denke bspw. an die wissenschaftliche Weiterentwicklung von der Kasus-Grammatik und Frame-Semantik (Fillmore/ Langendoen 1971) hin zur Konstruktionsgrammatik (Goldberg 1995) oder an die unterschiedliche Konzeptualisierung der Valenztheorie bzw. Dependenzgrammatik in den beiden deutschen Staaten (Engel/ Schumacher 1976; Helbig/ Buscha 1991 [1970]; Schumacher et al. 2004). Ein anderes Beispiel ist der Fortschritt in der wissenschaftlichen Beschreibung der verbalen Wortbildung. Der Terminus Präfixverb wird i. d. R. für Verben mit untrennbarer Vorsilbe verwendet (Fleischer/ Barz 2012, S. 380), während Verben mit trennbaren Vorsilben als Partikelverben (Lüdeling 2001; Fleischer/ Barz 2012, S. 91, 380, 396) oder Präverbfügungen (Schlotthauer/ Zifonun 2008) bezeichnet werden. 1 Der Einfluss aus 1 Nicht immer ist man sich einig über die Trennung zwischen Derivation und Wortbildung und auch nicht über die Zuweisung von Partikelverben zur Wortbildung (vgl. Fleischer/ Barz 2012, DOI 10.2357/ 9783823392934 SDS 82 (2020) Martina Nied Curcio 190 der angelsächsischen Kollokationsforschung, aber auch die Herausforderung, die Vielfalt nebeneinander existierender und oft konkurrierender Ansätze zusammenzuführen mit der gleichzeitigen Forderung nach einer flexibleren Konzeption von Phraseologie, haben dazu beigetragen, dass man bei Phänomenen wie Kritik üben in der deutschen Grammatikbeschreibung heute oft nicht mehr von Funktionsverbgefüge spricht (wie bspw. in der Grammatik von Ulrich Engel 1988, 2009), sondern von Kollokation (u. a. Hausmann 2004; Häcki Buhofer et al. (Hg.) 2014) oder Usueller Wortverbindung, im Sinne einer typischen Gebrauchsverwendung (Steyer 2000, 2013). 2 Da es in den nachfolgenden Analysen grammatischer Termini in DaF-Grammatiken und DaF-Lehrwerken (Kapitel 2, 3 und 4) im Besonderen um die soeben erwähnten Phänomene (vgl. Fußnote 2) geht, soll deren Terminologie zuerst in zwei Linguistischen Grammatiken, der Duden-Grammatik und der Wahrig-Grammatik, sowie im grammatischen Informationssystem grammis 3 vorgestellt werden. In der Duden-Grammatik (2016) werden die Konnektoren im Bereich „Text“ unter dem Kapitel „Textkohäsion durch Konnektoren“ ausführlich abgehandelt. 4 Zu den Konnektoren gehören hier unterschiedliche Wortarten: Junktionen, Relativwörter, bestimmte Adverbien, Abtönungspartikeln und Präpositionen. Dabeifungiert der Terminus Junktion als Hyperonym für Konjunktionen, die sprachliche Einheiten auf gleicher Ebene verknüpfen, und Subjunktionen, die einen untergeordneten Satz einleiten. Bei der Beschreibung der Wortart Verb werden die syntaktisch-semantischen Valenzeigenschaften als wichtiger grammatischer Gliederungsgesichtspunkt angegeben. Der Terminus Valenz und seine konzeptuelle Beschreibung der Valenz tritt an drei verschiedenen Stellen in der Grammatik auf, einmal unter der Wortart „Verb“ (ebd., S. 397 ff.), dann im Kapitel „Satz“ unter „Satzglieder und Gliedteile“ (ebd., S. 778 ff.) sowie „Satzbauplänen“ (ebd., S. 927 ff.). Die Verbvalenz wird in Bezug zu den semantischen Rollen und der Kasusverteilung gesetzt, was bedeutet, dass der S. 91 und grammis: https: / / grammis.ids-mannheim.de/ systematische-grammatik/ 1352, Stand: 20.1.2020). In der Duden-Grammatik (2016, S. 699-716) gehören beide zur Wortbildung. 2 In den nachfolgenden Beschreibungen und Analysen (Kapitel 2, 3 und 4) konzentriert sich die Autorin auf folgende grammatische Themenbereiche: 1. Konnektoren (Konjunktor, Subjunktor), 2. Verbvalenz, 3. Präfixderivation und Partikelverbbildung, 4. Kollokationen/ usuellen Wortverbindungen, feste Ausdrücke/ Wendungen, Chunks, Funktionsverbgefüge, Phraseologismen. 3 Das Informationssystem (Online: https: / / grammis.ids-mannheim.de) basiert auf der „Grammatik der deutschen Sprache“ von Zifonun/ Hoffmann/ Strecker (1997). 4 „Die Verknüpfung von Aussagen zu Texteinheiten wird als Konnexion bezeichnet, wenn sie durch Konnektoren markiert ist, die die Funktion von textuellen »Bindewörtern« übernehmen […].“ (Duden-Grammatik 2016, S. 1083; Hervorhebung i. O.) (vgl. auch Pasch et al. 2003; Breindl/ Volodina/ Waßner 2014). Die Anwendung grammatischer Terminologie im Bereich des Deutschen als Fremdsprache 191 Terminus von Valenzkonzeptionen, wie der von Ulrich Engel (1988, 2009) und Helbig/ Buscha (1991 [1970]), abweicht und aufgrund der Untergliederung keinen immediaten Überblick über das Valenzkonzept zulässt. Zudem werden die Begriffe Transitivität und Intransitivität mitverwendet und die Verben dementsprechend eingeteilt, z. B. „transitive Verben (Verben mit Akkusativobjekt)“ (Duden-Grammatik 2016, S. 399) oder „intransitive Verben mit Dativobjekt“ (ebd., S. 405). Im Bereich der Satzglieder werden auch die Termini Ergänzung und Angabe definiert. Der Terminus Satzbauplan wird aus der Engel'schen Grammatik entlehnt. Bei der Wortbildung des Verbs wird unterschieden in Partikelverben („komplexe Verben mit einem morphologisch und syntaktisch trennbaren Erstglied […]“, ebd., S. 708) und untrennbaren Präfixverben. Ihre unterschiedlichen Termini in der Grammatikbeschreibung werden in diesem Zusammenhang diskutiert. Die Termini Kollokation und Usuelle Wortverbindung finden in dieser linguistischen Grammatik keine Anwendung. Wortverbindungen wie Kritik üben oder Hilfe leisten werden als Funktionsverbgefüge bezeichnet. Der Terminus Phraseologismus tritt nicht auf. In der Wahrig-Grammatik (2002) wird der Terminus der Valenz eher aus einer syntaktischen Perspektive erklärt und die Verben werden mit Satzbauplänen abgebildet (vgl. Engel 1988, 2009); Aktionsarten und semantische Rollen werden in gesonderten Kapiteln behandelt. Unter dem Stichwort „Konnexion (Verbindung)“ werden u. a. Konjunktionen wie denn, da, weil, obwohl als Beispiele angeführt (Wahrig-Grammatik 2002, S. 520). Im Kapitel „Die Konjunktion“ (ebd., S. 314-325) unterscheiden die Autoren zwischen koordinierenden und subordinierenden Konjunktionen. Trennbare Verben werden nicht differenziert nach Partikelverben und Präfixverben, sondern traditionell definiert: „Verben mit Vorsilben (Präfixen) werden im Regelfall durch die Betonung daraufhin unterschieden, ob sie trennbar oder untrennbar sind. […]“ (ebd., S. 50). In Bezug auf die Phraseologie findet man (nur über den Index) Phraseolexeme, die als „Mehrwortbezeichnung in festen Fügungen“ erklärt werden (ebd., S. 621) und „idiomatische Wendungen“ (ebd., S. 217), denen aber kein gesondertes Kapitel gewidmet wird. Wie auch in der Duden-Grammatik (2016) findet hier der Terminus Funktionsverbgefüge in Anlehnung an die deutschsprachige Tradition Verwendung. Von Kollokationen ist nicht die Rede. Aktuelle Forschungsarbeiten zur Grammatik, mit Erklärungen und Hintergrundwissen, sind auch im grammatischen Informationssystem grammis des IDS vereint. Konnektoren sind Wortschatzeinheiten, die auf der obersten Ebene grammatischer Kombinatorik, der Syntax, Sätze miteinander verknüpfen können und dabei spezifische semantische Relationen wie kausal, adversativ, restriktiv etc. ausdrücken. 5 5 https: / / grammis.ids-mannheim.de/ terminologie/ 135 (Stand: 20. 1. 2020). Martina Nied Curcio 192 Dazu gehören Konjunktoren (koordinierende Junktoren) und Subjunktoren (Junktoren, die einen Verbletztsatz einleiten). 6 Das Konzept der Valenz wird ausführlich erklärt. Jedoch wird anstelle des Terminus Ergänzung der des Komplements verwendet. In Bezug auf Verben mit trennbaren Vorsilben haben sich die Autorinnen und Autoren für den Terminus Präverbfügung 7 entschieden (vgl. Schlotthauer/ Zifonun 2008); der Terminus Partikelverb wird im Artikel als „thematisch verwandte Bezeichnung“ 7 aufgeführt. Für den Komplex der Kollokationen und Usuellen Wortverbindungen werden bei grammis die Termini Funktionsverbgefüge (vgl. Duden-Grammatik 2016), aber auch Phraseolexeme 8 (vgl. Wahrig-Grammatik 2002) als Lemma geführt. In Tabelle 1 sind die Termini nochmals zusammengefasst: Duden-Grammatik Wahrig-Grammatik grammis 1. Konnektoren, Junktionen: Konjunktionen (beiordnende Junktionen) und Subjunktionen (unterordnende Junktionen) Konnexion (Verbindung), Konjunktion: koordinierende und subordinierende Konjunktionen Konnektoren (Junktoren: Konjunktoren, Subjunktoren) 2. Syntaktisch-semantische Valenz (Berücksichtigung der semantischen Rollen und Kasusverteilung), Verknüpfung von transitiven und intransitiven Verben mit Kasusobjekten, Ergänzung, Angabe, Satzbauplan Valenz des Verbs, Ergänzung, Angabe, Satzbauplan Valenz, Komplement 6 „Junktoren sind unflektierbare Ausdrücke, die geeignet sind, Einheiten an Bezugsausdrücke anzuschließen. Sie unterscheiden sich danach, von welchem Typ die verknüpften Einheiten sind, und danach, ob sie diese koordinieren (nebenordnen) oder subordinieren (unterordnen). Wir untergliedern sie in die Klassen →Konjunktoren, →Subjunktoren und →Adjunktoren.“ (Online: https: / / grammis.ids-mannheim.de/ terminologie/ 115, Stand: 30. 3. 2018). 7 „Als Präverbfügungen bezeichnen wir morphologisch komplexe Verben, die aus einem einfachen oder präfigierten →Verb und einem →Präverb unterschiedlicher Wortart bestehen. Diese treten nur im Infinitiv, im Partizip und finit in Verbletztsätzen als zusammengeschriebenes Wort auf, in finiter Form stehen sie in Verberstsätzen und Verbzweitsätzen getrennt und bilden →Satzklammern.“ (Online: https: / / grammis.ids-mannheim.de/ terminologie/ 1185, Stand: 20. 1. 2020). 8 „Phraseolexeme versprachlichen jeweils einen einzigen Begriff, indem sie wiederholt mindestens zwei Wörter miteinander verbinden.“ (Online: https: / / grammis.ids-mannheim.de/ termi nologie/ 1175, Stand: 20. 1. 2020). Sie können je nach Kontext eine konkrete oder eine figurative Bedeutung haben. Wortverbindungen wie Trübsal blasen oder sich ins Fäustchen lachen werden als Verbphraseolexeme bezeichnet. Funktionsverbgefüge wie Anwendung finden oder in Gang setzen werden als „spezielle Unterart der Verbphraseolexeme“ (ebd.) klassifiziert. Als synonymische Begriffe tauchen im Artikel auf: feste Redewendung, Idiom, idiomatische Wendung, Phrasem, Phraseologismus, Redewendung. Die Anwendung grammatischer Terminologie im Bereich des Deutschen als Fremdsprache 193 Duden-Grammatik Wahrig-Grammatik grammis 3. Präfixderivation, Präfixverben, Partikelverbbildung, Partikelverben Trennbare und untrennbare Verben, Verben mit Vorsilben (Präfixe), untrennbare und trennbare Vorsilben Präverbfügung 4. Funktionsverbgefüge Funktionsverbgefüge, Phraseolexeme Funktionsverbgefüge, Phraseolexeme Tab. 1: In Duden-Grammatik (2016) und Wahrig-Grammatik (2002) verwendete Termini Aus der Beschreibung geht hervor, dass Linguistische Grammatiken - als wissenschaftlich-linguistische Beschreibung des einer Einzelsprache inhärenten Regelsystems - den aktuellen Forschungsstand weitgehend abbilden 9 - wenn auch nicht einheitlich. Verschiedene Denkschulen und Traditionen, aber auch unterschiedliche wissenschaftliche Herangehensweisen und sprachenübergreifende Konzepte sind hierfür maßgebend (vgl. Kapitel 1). Eine einheitliche Applikation in der Didaktik, sowohl in Pädagogisch-didaktischen Grammatiken als auch in Lehrwerken wird dadurch vermutlich erschwert. Die Hypothese, dass die sprachpraktische Anwendung im Bereich des Deutschen als Fremdsprache dem aktuellen Status Quo in der sprachwissenschaftlichen Grammatikschreibung hinterherhinkt, soll anhand von Pädagogisch-didaktischen Grammatiken (Kapitel 2), Fachlexika (Kapitel 3) und Lehrwerken (Kapitel 4) aufgezeigt werden. An dieser Stelle soll nochmals darauf verwiesen werden, dass es bei den ausgewählten grammatischen Phänomenen um Termini (vgl. Fußnote 4 und Tabelle 1) geht, a) die in den letzten Jahrzehnten aufgrund der Weiterentwicklung in der wissenschaftlichen Beschreibung einem größeren terminologischen Wandel unterlagen (Konnektoren, Präfixverb vs. Partikelverb, Phraseolexem), b) die in der Didaktik Deutsch als Fremdsprache eine Zeit lang sehr präsent waren, wie z. B. die der Valenz, deren Konzeption und Terminologie von Ende der 1970er Jahre bis in die 1990er Grundlage einiger Lehrwerke waren (Stufen (1986), Stufen International (1995), Deutsch aktiv (1979), Deutsch aktiv Neu (1986)), heute aber oft nur bruchstückhaft (und z. T. nicht korrekt) verwendet werden (vgl. Nied Curcio 2012), 9 Die Autorinnen und Autoren der Duden-Grammatik (2016) sind ausgewiesene Grammatikspezialisten und lehren und forschen an Universitäten und/ oder Forschungsinstitutionen. Grundlage der neuesten Forschungen sind insbesondere Analysen des Dudenkorpus und der Korpora des Leibniz-Instituts für Deutsche Sprache (IDS). Martina Nied Curcio 194 c) die aufgrund von Einflüssen aus der angelsächsischen Grammatikbeschreibung (Partikelverb, Kollokation) Eingang in die deutschsprachige Terminologie gefunden haben und z. T. schon durch einen mehrsprachigen Ansatz in der Fremdsprachendidaktik in die DaF-Didaktik eingeflossen sind (v. a. die Kollokation), d) die aufgrund sprachwissenschaftlicher Beschreibungen aus kontrastiver Perspektive in die grammatische Terminologie der deutschen Sprache eingeführt wurden, wie bspw. der Terminus Komplement - statt Ergänzung - im Bereich der Valenz. 2. Grammatische Terminologie im Fremdsprachenunterricht - Pädagogisch-didaktische Grammatiken Wie wir anhand dreier Beispiele gesehen haben, wird die Terminologie in den Linguistischen Grammatiken entsprechend aktuellen - wenn auch nicht einheitlichen - Forschungserkenntnissen abgebildet. In den Pädagogisch-didaktischen Grammatiken, bzw. Grammatiken für das Unterrichten und Erlernen einer Fremdsprache (hier: Deutsch als Fremdsprache) bleibt diese Entwicklung oft hintenan, was in diesem Kapitel aufgezeigt wird. Nach der Grammatik-Übersetzungs-Methode war Grammatik an sich kein Thema und ihre Rolle im (Fremd-)Sprachenunterricht wird selbst heute noch heftig diskutiert (vgl. Gnutzmann 2010). Es geht bei der Diskussion um Grammatik im Fremdsprachenunterricht i. d. R. um die Frage nach einer expliziten oder impliziten Vermittlung, der Quantität der zu vermittelnden Grammatik, der Abfolge grammatischer Strukturen im Lernprozess, Beispielen und Übungen sowie der Grammatiknorm für die mündliche Sprache. (vgl. ebd., S. 113 f.) Nur selten geht es um eine adäquate und einheitliche Terminologie für den (Fremd-) Sprachunterricht. 10 In den 1980er Jahren war ein von der Ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder vorgeschlagenes „Verzeichnis grundlegender grammatischer Fachausdrücke“ (vgl. Bausch/ Grosse (Hg.) 1983) Anlass zur Diskussion. 11 Raasch und verschiedene andere Sprachwissenschaftler griffen diesen Vorschlag auf und nahmen Stellung zu einer möglichen Vereinheitlichung grammatischer Terminologie (Raasch (Hg.) 1983). Aus dem gleichen Grund fand im Jahre 1984 am IDS eine Arbeitstagung mit dem Thema „Grammatische Terminologie in Sprachbuch und Unterricht“ statt, in der es „nicht nur um die Vereinheitlichung der Namensgebung, der Etikettierung [ging], 10 Zu erwähnen ist, dass vereinzelt Publikationen zu bestimmten linguistischen Bereichen (Hirschfeld/ Neuber 2010; Wetter 2004) auch aus der kontrastiven Perspektive (Ivančić 2010) erschienen sind. 11 Zuvor gab es zwar eine Reihe von vergleichbaren Initiativen, jedoch vor allem auf Landesebene (Bausch/ Grosse (Hg.) 1987, S. 7). Die Anwendung grammatischer Terminologie im Bereich des Deutschen als Fremdsprache 195 sondern ebenso um eine begriffliche Klärung der für den Sprachunterricht erforderlichen und nützlichen grammatischen Grundlagen“ (Bausch/ Grosse (Hg.) 1987, S. 8) und auf der man das Problem aus sprachtheoretischer, sprachvergleichender und sprachdidaktischer Perspektive beleuchtete. Danach kam die Diskussion wieder ins Stocken. Erst 2009 hat sich eine Gruppe bekannter Sprachwissenschaftler und -didaktiker konstituiert - der Gießener Kreis -, die sich zum Ziel setzte, einen neuen Vorschlag zur grammatischen Terminologie (für den schulischen Deutsch- und nicht DaF-Unterricht) auszuarbeiten. Diese Liste grammatischer Termini soll nicht nur eine Auflistung sein, sondern „durch Definitionen, Erläuterungen, Beispiele, Kommentare und Problemlösestrategien (operationale Verfahren) ergänzt [werden]“, 12 ohne den Anspruch zu erheben, eine Grammatik zu ersetzen. Erste Zwischenergebnisse zu einzelnen Themenkomplexen stehen bereits auf der Webseite zur Verfügung. 12 Im Zusammenhang mit der KMK-Liste von 1982, der Gründung des Gießener Kreises und dem Erlass der nationalen Bildungsstandards für das Fach Deutsch, die die Terminologieliste zum Teil übernommen haben, wurde eine intensivere Diskussion um eine adäquate grammatische Terminologie wieder angestoßen (Noack/ Ossner (Hg.) 2011; Hennig 2012; Ossner 2012; Grießhaber 2015). Zudem wurden Arbeiten zur Vermittlung von Grammatik und grammatischer Terminologie publiziert, die sich ganz gezielt an (zukünftige) Deutsch- und DaF-Lehrende wenden (Hoffmann 2013; Fandrych/ Thurmair 2018). Obwohl diese Publikationen keiner besonderen grammatischen Theorie verpflichtet sind, orientieren sich die Autoren an der aktuellen Terminologie in Linguistischen Grammatiken (siehe Absatz 1). Bei Fandrych/ Thurmair werden verschiedene Begriffe speziell in „Hinweis“-Abschnitten erklärt. Es soll an dieser Stelle auch auf ProGr@mm 13 hingewiesen werden, die propädeutische Grammatik des IDS, „ein Lernsystem zur Grammatik des Deutschen, das für die universitäre Lehre konzipiert wurde“ 13 und in ihrer Terminologie weitgehend mit grammis deckungsgleich ist. Obwohl das Thema, wie soeben erklärt wurde, auf sprachwissenschaftlicher und sprachdidaktischer Ebene an Bedeutung gewonnen hat, und man heute davon ausgeht, dass grammatische Grundkenntnisse im Zuge der Language (Learning) Awareness- und Mehrsprachigkeitskonzepte und dem damit verbundenen Reflektieren über Sprache eine grundlegende Bedeutung für das Erlernen von (Fremd-)Sprachen haben, 14 soll in diesem Kapitel aufgezeigt 12 www.grammatischeterminologie.de (Stand: 20. 1. 2020). 13 www1.ids-mannheim.de/ gra/ abgeschlosseneprojekte/ programm.html (Stand: 20. 1. 2020). 14 „Eine […] grammatische Orientierung schafft für die Lernenden Transparenz über einen zentralen Lerngegenstand, ermöglich einen autonomeren und reflektierten Umgang mit dem Lernprozess, fördert wichtige Lernstrategien und -techniken (etwa die zielgerichtete und ökonomische Nutzung von Ressourcen wie Wörterbüchern, Lernergrammatiken, Lernsoftware Martina Nied Curcio 196 werden, dass die Termini in Pädagogisch-didaktischen Grammatiken, 15 den Grammatiken, die im Unterricht von Lehrenden und Lernenden tatsächlich verwendet werden - im Gegensatz zu den Linguistischen Grammatiken und Publikation zur Grammatikvermittlung - nicht dem aktuellen Forschungsstand entsprechen und entsprechend spezifischer grammatischer Konzepte, wie bspw. der Valenz, inkonsequent und nicht korrekt verwendet werden. Die im Bereich Deutsch als Fremdsprache wohl bekanntesten und am häufigsten eingesetzten Grammatiken waren und sind die (Übungs-)Grammatik von Helbig/ Buscha (1991 [1970], v. a. in den ehemaligen Ländern der Sowjetunion), die Übungsgrammatik von Dreyer/ Schmitt (2012, seit den 1990er Jahren weltweit im Gebrauch), die Grundstufen-Grammatik von Reimann (2000 [1996]), die Schritte Übungsgrammatik von Gottstein-Schramm et al. (2010) und Grammatik aktiv von Jin/ Voß (2013). Für die anschließende Analyse in Bezug auf grammatische Termini sollen nur die beiden letzteren aufgrund ihres neueren Publikationsdatums und deutschplus.net, eine Online-Grammatik, die sich noch in der Pilotphase befindet und „sich vor allem an Deutschlerner und DaF-Lehrer wendet“ 16 in Betracht gezogen werden, da nur ihren Autoren die Möglichkeit offen stand, sich an den Linguistischen Grammatiken zu orientieren. Es geht dabei um die Themenbereiche, die bereits in Kapitel 1 in Bezug auf die Linguistischen Grammatiken eine Rolle gespielt haben. Die Analyse findet exemplarisch statt und soll einen Einblick in die Problematik vermitteln. Für den Bereich der Konnektoren wird in der Schritte-Übungsgrammatik zwar der Terminus Konjunktion für koordinierende Junktoren verwendet, die Bezeichnung Subjunktor vermieden und z. B. mit „Nebensätze mit dass“ paraphrasiert. In Grammatik Aktiv wird der Terminus Konjunktion noch als Hypero- und Online-Portalen) und ermöglicht sprachvergleichendes Arbeiten und die Nutzung von Mehrsprachigkeitsressourcen.“ (Fandrych/ Thurmair 2018, S. 12). Vgl. auch Portmann-Tselikas 2003; Butzkamm 2012). 15 Auf eine Differenzierung in Didaktische Grammatik, die für Lehrende und Lehrbuchautoren konzipiert ist und Pädagogische Grammatik, die sich direkt an die Lernenden richtet, wie sie auf theoretischer Ebene vollzogen wird (vgl. Gnutzmann 2010, S. 112), wird hier verzichtet, da diese in der Praxis oft nicht vorgenommen wird. Grammatiken, die im Fremdsprachenunterricht Einsatz finden, werden oft noch in lehrwerkunabhängige Referenzgrammatik vs. lehrmaterialbezogene Grammatik, in muttersprachliche (Schul-)Grammatik vs. Grammatik für fremdsprachliche Lernende und Grammatik für Anfänger oder Fortgeschrittene unterteilt. Diese Begriffe werden in der nachfolgenden Beschreibung verwendet. 16 www.deutschplus.net/ pages/ topmenu/ Ein-Projekt-von-Logos-Thessaloniki (Stand: 20.1.2020). Deutschplus.net stützt sich auf die Termini von grammis, der Duden-Grammatik (2016) und der Grammatik von Helbig/ Buscha (1991 [1970]). (Online: www.deutschplus.net, Stand: 20. 1. 2020). Die Anwendung grammatischer Terminologie im Bereich des Deutschen als Fremdsprache 197 nym für Konjunktoren und Subjunktoren verwendet, so dass widersprüchliche Bezeichnungen wie Nebensatz-Konjunktion erscheinen. In Bezug auf die Valenz kann man feststellen, dass in Grammatik aktiv Verben mit einer Akkusativergänzung unter dem Titel „Akkusativ“ aufgeführt werden, während unter „Dativ“ die Präposition mit als Beispiel für eine Präposition mit dem Dativkasus genannt wird. In den dazugehörigen Übungen werden dagegen Verben mit der Dativergänzung sowie verschiedene Präpositionen, die den Dativ regieren, wie mit, zu, aber auch Possessivpronomen im Dativ gemischt trainiert (Grammatik aktiv, Jin/ Voß 2013, S. 44 f.). Das Valenzkonzept wird nicht erklärt. In der Schritte Übungsgrammatik dagegen werden die Verben mit Akkusativ-, Dativ- und Präpositivergänzung systematisch erklärt, ohne diese explizit mit Ergänzung zu bezeichnen. In der Online-Grammatik, die im Grunde genommen aktuelle Fachbegriffe ohne Weiteres jederzeit aufnehmen könnte, gerade auch deshalb, weil sie noch im Aufbau ist, folgen die Autoren nur in Bezug auf die Satzverknüpfer aktuellen Termini. Bei allen drei Grammatiken wird keine terminologische Unterscheidung in Präfixverb und Partikelverb vorgenommen. Die traditionellen Termini trennbare und untrennbare Verben sind vorherrschend, in Grammatik Aktiv und deutschplus wird zudem von trennbarem Präfix gesprochen. Termini wie Kollokationen, Funktionsverbgefüge, usuelle Wendungen, Phraseologismen tauchen in den beiden Grammatiken für A1-B1 nicht auf, was daran liegen mag, dass dieser Themenbereich auf einem späteren Lernniveau thematisiert wird. Die verwendeten Termini zu den einzelnen Themenkomplexen sind in Tabelle 2 für einen besseren Überblick zusammengefasst: Thema Schritte-Übungsgrammatik (A1-B1) (2010) Grammatik Aktiv (A1-B1) (2013) deutschplus.net 1. „Konjunktion“, für die Subjunktoren wird kein Terminus verwendet, sondern z. B. „Nebensätze mit dass“ „Konjunktion“ auch für alle Subjunktoren (weil, dass und wenn) „Konnektoren“, unterteilt in „Konjunktion“ und „Subjunktion“ 2. „Verben mit Ergänzung: Nominativ und Akkusativ“, „Verben mit Ergänzung: Dativ“, „Verben mit Ergänzung: Präpositionen“, lokale Präpositionen mit Akk. und Dat. „Verben mit Akkusativ“, „Dativ“ (keine Systematik des Valenzkonzeptes), das Valenzkonzept wird in Bezug auf Obligatheit und Fakultativität erklärt. Akkusativ-, Dativergänzung sind unter „Kasus“ eingeordnet Martina Nied Curcio 198 Thema Schritte-Übungsgrammatik (A1-B1) (2010) Grammatik Aktiv (A1-B1) (2013) deutschplus.net 3. „Trennbare Verben“, „nicht trennbare Verben“, trennbare Vorsilbe „trennbare Verben“, „trennbare Präfixe“ „trennbare Verben“, „untrennbare Verben“, „[…] bei trennbaren Verben trennt sich in der Regel das Präfix vom Verb“ 4. - - „Funktionsverbgefüge“ Tab. 2: Grammatische Terminologie in drei Pädagogisch-didaktischen Grammatiken 3. Grammatische Terminologie in Handbüchern und Fachlexika für DaF Im vorangehenden Kapitel wurde erklärt, dass die Diskussion um grammatische Terminologie erst in den letzten Jahren wieder aufgeflammt ist. Dass sie eine lange Zeit verschwunden war, lässt sich auch daran erkennen, dass ihr in verschiedenen Handbüchern für Deutsch als Fremdsprache kein spezifisches Kapitel gewidmet und sie in Aufsätzen, in denen es um die Grammatik und deren Vermittlung geht, nicht thematisiert wurde (u. a. Helbig et al. (Hg.) 2001). Auch in Wörterbüchern und Glossaren zum Fach Deutsch als Fremdsprache sind spezifische grammatische Termini nicht als Lemma zu finden (Flinz 2013; Ende/ Mohr 2015). In ihrem Fachlexikon Deutsch als Fremd- und Zweitsprache, das sich an Studierende, Lehrende und Lehrbuchautoren für Deutsch als Fremd- und Zweitsprache wendet, unterstreichen Barkowski/ Krumm (Hg.) (2010) die Wichtigkeit von Fachterminologie und erklären, warum es für den DAF-/ DaZ-Bereich bisher noch an dokumentierter Fachterminologie fehlt: Fachterminologie ist die „Geheimsprache“ eines Faches: ohne sie lassen sich Fachtexte nicht lesen, verstehen und produzieren. Der Zugang zu einem Fach erfolgt immer auch mit Hilfe des Werkzeugs „Terminologie“. Insofern geht es uns mit dem Fachlexikon in erster Linie darum, ein nützliches Werkzeug für die Bewältigung des fach(sprach)lichen Alltags zu schaffen, so dass die Geheimsprache ihre Geheimnisse preisgibt. Es ist kein Zufall, dass es für das Fach DaF/ DaZ bislang keine dokumentierte Fachterminologie gibt: es handelt sich um ein relativ junges Fachgebiet, bei dem sich die Fachsprache erst allmählich entwickelt. (Barkowski/ Krumm (Hg.) 2010, Vorwort, S. V) Die Anwendung grammatischer Terminologie im Bereich des Deutschen als Fremdsprache 199 Das Handbuch versammelt Termini zu Methodik, Didaktik, Psychologie, Linguistik, aber auch zur Grammatik. Die grammatische Terminologie orientiert sich an der aktuellen grammatischen Terminologie Linguistischer Grammatiken (vgl. Kapitel 1), wie in Tabelle 3 aufgezeigt wird: Thema Termini als Lemmata im „Fachlexikon Deutsch als Fremd- und Zweitsprache“ 17 Konnektoren (Konjunktor, Subjunktor) Konnektoren (164) Konjunktion (163) Konjunktor (164) Subjunktion (324) Verbvalenz Valenz/ Valenzgrammatik (348-349) Valenzstruktur (349) Valenztheorie (349) Valenztheorie (349) Valenzträger (349) Valenzvererbung (349) Rektion (272) Ergänzung (67) Obligatorische Ergänzung (233) Fakultativ (78) Angabe (10) Weglassprobe (356) Präfixderivation und Partikelverbbildung Partikel (240-241) Partikelverb (241) Präfigierung (257) Präfix (257) Präfixbildung (257) Präfixverb (257) Trennbare Verben (344) Kollokationen/ Usuelle Wortverbindungen, feste Ausdrücke/ Wendungen, Chunks, Funktionsverbgefüge (FVG), Phraseologismen Kollokation (155) Funktionsverb/ Funktionsverbgefüge (FVG) (96) Idiomatische Wendung (124, 250) Phraseologie (251) Phraseologismus (251) Formelhafte Sprache/ formulaic speech (87) Idiom (123) Chunk (34-35) Tab. 3: Die grammatische Fachterminologie im Fachlexikon von Barkowski/ Krumm (Hg.) (2010) 17 In der Klammer befinden sich die entsprechenden Seitenzahlen. Martina Nied Curcio 200 Mit ihren Fachtermini leisten die Herausgeber des Fachlexikons einen enorm wichtigen Beitrag zur Vereinheitlichung bestimmter in der Linguistik aktuellen Termini, die zudem didaktisch-methodisch für den DaF-/ DaZ-Unterricht aufbereitet sind. Die Bedeutungserklärungen sind gut verständlich, ohne zu vereinfachend oder oberflächlich zu wirken. In allen Lexikonartikeln finden sich Querverweise, die auf mit dem Lemma zusammenhängende Termini verweisen und in ihrer Gesamtheit ein systematisches und homogenes Bild für den Leser abgeben. Dies soll am Beispiel der Partikelverbbildung aufgezeigt werden. Bei der Definition von Partikelverb wird bspw. der Unterschied zur Präfixderivation hervorgehoben: […] Das Besondere an P. ist, dass das Präelement im Gegensatz zur Präfixderivation (z. B. grüßen + be → begrüßen - also die Partikel - als selbständiges Wort existiert (z. B. laufen + an → anlaufen) […]. (Höhle 2010, S. 241) Zur Verständnissicherung bedient man sich außerdem der traditionellen Terminologie und erwähnt, dass es sich bei diesen Gebilden um die „so genannten → trennbaren Verben (z. B. Klaus läuft rot an.)“ (ebd., Hervorhebung i. O.) handelt. An dieser Stelle soll noch auf Band 3 der Reihe „Deutsch lehren lernen (DLL)“ 18 hingewiesen werden (Barkowski et al. 2014), in dem die Autoren einige für die deutsche Sprache „grundlegende Begriffe“ (7) erläutern wie bspw. „formelhafte Wendungen“ (Kapitel 2) oder Konzepte und Termini der Valenztheorie mit der traditionellen Grammatik vergleichen (Kapitel 4). In dem zur Reihe gehörenden „Glossar. Fachbegriffe für DaF-Lehrkräfte“ (Ende/ Mohr 2015) werden diese Termini - neben anderen die Didaktik und Methodik betreffenden - beschrieben und es wird auf die entsprechenden Kapitel in den einzelnen DLL-Bänden verwiesen. Mit dem Erscheinen des Fachlexikons 2010, dem Band 3 der DLL-Reihe 2014 und der Darstellung der Grammatik durch Fandrych/ Thurmair (2018) ist ein wichtiger Schritt in Richtung Vereinheitlichung und Konsolidierung grammatischer Termini auch im Bereich der Lehre des Deutschen als Fremd- und Zweitsprache getan, gerade weil sich diese Veröffentlichungen an Studierende (nicht Lernende) und Unterrichtende des Fachbereichs richten, so dass diese für einen späteren Einsatz im DaF-/ DaZ-Unterricht direkt möglich sind, aber auch eine Orientierung für Autoren von Lehrwerken darstellen können. 18 Das Fortbildungsangebot Deutsch Lehren Lernen wendet sich an Lehrende von Deutsch als Fremdsprache und Deutsch als Zweitsprache und besteht aus bisher zehn Einheiten. Band 3 ist dem Thema „Deutsch als fremde Sprache“ gewidmet. (vgl. www.goethe.de/ de/ spr/ unt/ for/ dll.html, Stand: 20. 1. 2020). Die Anwendung grammatischer Terminologie im Bereich des Deutschen als Fremdsprache 201 4. Grammatische Terminologie in Lehrwerken für Deutsch als Fremdsprache Wenn man bedenkt, dass das Wissen über Grammatik und die Benutzung bestimmter Fachtermini von Seiten vieler Lehrenden und Lernenden einzig durch Lehrwerke geprägt wird, 19 ist es von besonderer Bedeutung, die Verwendung der grammatischen Terminologie in diesen didaktischen Materialien zu untersuchen. Auf einen ersten Blick sieht es aus, als würden sich die verwendeten grammatischen Termini nicht an den aktuellen Forschungsergebnissen der Linguistischen Grammatiken orientieren. 20 In unterschiedlichen Lehrwerken finden obendrein unterschiedliche Termini Anwendung. Aber auch innerhalb eines Lehrwerks scheint die konsequente und kohärente Benutzung der Grammatikterminologie nicht gewährleistet zu sein. In diesem Kapitel wird diesen Eindrücken in einigen derzeit im DaF-Unterricht eingesetzten Lehrwerken nachgegangen. Folgende sieben Lehrwerke werden einer Analyse 21 in Bezug auf die grammatische Terminologie unterzogen: − A1: Menschen. Hueber. 2012 − A1: Studio d. Cornelsen. 2005 − A2: Optimal. Langenscheidt. 2005 − B1: Motive. Hueber. 2016 − B1+: Begegnungen. Schubert. 2008 − B2: Aspekte Lehrbuch 2. Langenscheidt. 2008 − A1-B1: DaF kompakt Neu. Klett. 2016 In Menschen A1 (2012) wird die Grammatikvermittlung generell implizit vermittelt, was zur Folge hat, dass grammatische Termini kaum erscheinen. Die verwendeten Begrifflichkeiten sind traditionell, z. B. wird der Terminus „Konjunktion“ auch bei der Verknüpfung von Nebensätzen und „trennbare[n] Verben“ für Partikelverben verwendet. Das Lehrwerk basiert nicht auf dem Valenzbegriff und „Verben mit Dativ“ und „lokale Präpositionen mit Dativ“ werden deshalb mit dem Fokus auf den Kasus erlernt. Die Kasusverwendung 19 Die Gründe sind sicherlich unterschiedlich, und es kann nur darüber spekuliert werden. Aus meinen Beobachtungen als Lehrende an einer italienischen Universität und Fortbildnerin von Deutschlehrenden aus der ganzen Welt geht hervor, dass in vielen Ländern eine spezifische (DaF-)Lehrerausbildung fehlt und dass Lehrende, die oft selbst DaF-Lernende waren/ sind, mehr oder weniger bewusst auf die grammatische Terminologie und Erklärung der Begriffe in den Lehrwerken vertrauen. 20 Zu Kollokationen, Chunks und usuellen Wortverbindungen lassen sich zwar spezifische, für die Didaktik ausgerichtete Publikationen finden (Reder 2006; Handwerker/ Madlener 2009; Heringer 2009), aber in Lehrwerken selbst sind sie nicht in ihrer Terminologie erwähnt. 21 Aus Platzgründen wird die Verwendung terminologischer Begriffe exemplarisch dargestellt und mit einzelnen Abbildungen unterstützt. Martina Nied Curcio 202 innerhalb einer Präpositional- oder einer Nominalphrase gegenüber einer Dativergänzung wird nicht differenziert. Außerdem kommt es vor, dass bspw. Verben mit dem Dativ zwar in einer Übung zusammengestellt wurden, es jedoch nicht um die Verbvalenz an sich geht (vgl. Abbildung 1). Obwohl es sich um ein Lehrwerk neueren Datums handelt, also zu einem Zeitpunkt erschien, als die Diskussion um die Grammatikterminologie in Gange war und erste Veröffentlichungen die grammatische Terminologie in den Fokus stellten (vgl. Absatz 1), tauchen Termini wie „usuelle Wortverbindungen“, „Kollokationen“ oder „Chunks“ nicht auf. Beispiele dieser Phänomene finden sich unter „Sprechtraining“ und „Kommunikation“ und werden dort ohne Reflexion und Bewusstmachung gelernt und geübt. Abb. 1: Übung zur Bedeutung von Verben(, die den Dativ regieren) (Menschen A1 2012, S. 85) Die Autoren von Studio d A1 (2005) vermitteln die Grammatik ebenso implizit und grammatische Termini, falls sie vorhanden sind, werden eher traditionell verwendet. In Bezug auf die Valenz wird von „Satzrahmen“ gesprochen. Bei der Situativergänzung geht es um „Präpositionen + Dativ“ (Abbildung 2), was auch zeigt, dass das Valenzkonzept nicht konsequent angewandt wird. Zudem kann man feststellen, dass es beim Wortschatzlernen noch vor allem um Einzelwörter geht, und nicht um Wortkombinationen, was jedoch auch dem Publikationsdatum von 2005 geschuldet sein mag, als das Lernen von Wortverbindungen in der DaF-Didaktik noch nicht in Mode war. Abb. 2: Grammatikkasten zu den lokalen Präpositionen mit dem Dativ (Studio d A1 2005, S. 111) Die Anwendung grammatischer Terminologie im Bereich des Deutschen als Fremdsprache 203 Im Gegensatz zu diesen beiden Lehrwerken scheint sich Optimal A2 (2005) eher an einer expliziten Grammatikvermittlung mit Erklärungen zu orientieren; Grammatik wird thematisiert und die Phänomene werden für den Lernenden transparent gemacht, was zur Konsequenz ein explizites Einbeziehen grammatischer Termini hat. Die Terminologie orientiert sich an der neueren linguistischen Terminologie, was z. B. an Termini wie „Subjunktoren“ zu sehen ist. Abb. 3: Übung zu Nebensätzen mit Subjunktoren (Optimal A2 2005, S. 69) Die explizite Grammatikvermittlung geht nicht nur einher mit der Verwendung aktueller Grammatikterminologie, sondern auch mit dem didaktischen Ansatz des Wortschatzlernens, nämlich dem Lernen von häufig miteinander vorkommenden Wortverbindungen und dem Lernen von Wortverbindungen als Chunks. Die Termini werden jedoch metasprachlich nicht angeführt. Abb. 4: Übung zu Wörtern, die häufig miteinander verknüpft werden (Optimal A2 2005, S. 74) Martina Nied Curcio 204 Dem Lehrwerk Motive B1 (2016) liegt - wie auch bei Menschen - eine implizite Grammatikvermittlung zugrunde und es ist durch traditionelle Termini (soweit vorhanden) geprägt, was besonders deutlich bei dem Terminus „Nebensatz-Konjunktionen“ erkennbar ist. Abb. 5: Grammatikkasten für eingeleitete Nebensätze mit nachdem, als und (immer) wenn (Motive B1 2016, S. 156) Das Wortschatzlernen mit usuellen Wortverbindungen wird zwar gefördert, jedoch ohne bewusst die Aufmerksamkeit darauf zu lenken; die grammatische Terminologie in diesem Bereich wird ausgeklammert. Abb. 6: Frequente Wortverbindungen in einer Übung (Motive B1 2016, S. 216) Das Lehrwerk Begegnungen B1+ (2008) beruht z. T. auf der Valenzgrammatik nach Helbig/ Buscha (1991 [1970]), was an einigen Termini wie „Rektion“ (ab S. 205) oder „Nomen-Verb-Verbindungen“ (FVG) erkennbar ist. „Wörter und Wendungen“ werden als solche bewusst gelernt und metalinguistisch bezeichnet. Die Anwendung grammatischer Terminologie im Bereich des Deutschen als Fremdsprache 205 Abb. 7: Übung zu Wendungen mit Infinitiv + zu (Begegnungen B1+ 2008, S. 65) Auch das Lehrwerk Aspekte Lehrbuch 2 (2008) gründet auf einer expliziten Grammatikvermittlung mit aktueller Terminologie und dem Valenzkonzept. Dies wird ersichtlich an Termini wie „Konnektoren“ und „Dativ- und Akkusativ-Ergänzungen“. Sogar Erklärungsansätze, die zur Reflexion anregen, werden dargestellt, wie hier bei einem Vergleich der Valenz zwischen Adjektiven, Verben und Substantiven bzw. Substantiven und Verben: Abb. 8: Die Valenz im Vergleich zwischen den Wortarten (Aspekte Lehrbuch 2 2008, S. 149) Martina Nied Curcio 206 Im Lehrwerk DaF kompakt Neu (2016) wird Grammatik explizit gelehrt und über bestimmte sprachliche Phänomene reflektiert. Es finden sich Termini wie „Verben mit trennbaren Vorsilben“, „Verben mit untrennbaren Vorsilben“, entsprechend der Wahrig-Grammatik, aber auch Fachwörter wie „Konnektoren“, was auf eine Orientierung an Linguistischen Grammatiken mit dem neuesten Forschungsstand schließen lässt. Auch das Valenzkonzept bildet eine wichtige Grundlage, was an Bezeichnungen wie „Stellung von Dativ- und Akkusativergänzung“ oder „Verben mit Dativergänzung“ ausgemacht werden kann. In Bezug auf den Wortschatzerwerb werden von Anfang an usuelle Wendungen wie „zur Sprechstunde gehen“, „ein Referat halten“ (DaF kompakt Neu 2016, S. 92), aber auch feste Wendungen und Redewendungen erworben, aber nicht explizit auf der metasprachlichen Ebene mit der entsprechenden Terminologie besprochen. Abb. 9: Ausdrücke und Wendungen (DaF kompakt Neu 2016, S. 76) Es zeigt sich, dass die Lehrwerke, die die Grammatik (noch) implizit vermitteln (Menschen A1 (2012), Studio d A1 (2005), Motive B1 (2016)), sich bei der Bezeichnung grammatischer Phänomene - wenn überhaupt - traditioneller Termini bedienen. Andere Lehrwerke bevorzugen eine eher explizite Grammatikvermittlung (Langenscheidt, Klett) und legen bestimmte Grammatikkonzepte zugrunde, wobei die Grammatiktheorie, auf die sich das Lehrwerk in bestimmten Bereichen stützt (wenn überhaupt), für Lehrende und Lernende nicht unbedingt transparent wird. Manche Termini aus bestimmten grammatischen Beschreibungsmodellen, wie bspw. die der Valenzgrammatik, auf die in den 1990er Jahren Lehrwerke wie Stufen (1986) und Deutsch aktiv (1979) basierten, haben z. T. überlebt, werden aber nicht immer korrekt verwendet. Besonders deutlich tritt dies hervor, wenn Ergänzungen und Angaben verwechselt werden. Im Bereich der usuellen Wortverbindungen fehlt in den Lehrwerken i. d. R. die entsprechende Terminologie, auch wenn im Bereich des Wortschatzlernens auf bestimmte Wortverbindungen aufmerksam gemacht wird. Die Anwendung grammatischer Terminologie im Bereich des Deutschen als Fremdsprache 207 5. Gründe für den Status Quo und was wir dagegen tun sollten … Dass die grammatische Terminologie im Bereich des Deutschen als Fremdsprache dem aktuellen Status Quo in der sprachwissenschaftlichen Grammatikschreibung hinterherhinkt, wird vor allem an den Pädagogisch-didaktischen Grammatiken und den Lehrwerken sichtbar und hat verschiedene Gründe. Die Entwicklung von der direkten Methode zu einer auf Kommunikation ausgerichteten Unterrichtspraxis, d. h. ohne metalinguistische Reflexion und ohne Metasprache, und die Einführung des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens (Europarat 2001) und damit verbunden die Ausrichtung auf einen handlungsorientierten Unterricht haben eine gezielte Auseinandersetzung mit grammatischer Terminologie nicht unbedingt unterstützt. Die Analyse einiger Lehrwerke legt die Vermutung nahe, dass die Verwendung grammatischer Terminologie von einzelnen Verlagen abhängig ist und möglicherweise einer verlagsinternen Tradition verpflichtet ist. Möglicherweise wird sie sogar personell, d. h. von einzelnen Autorinnen und Autoren (mit unterschiedlichem Ausbildungs-Background), geprägt. Diese müsste jedoch durch Informationen von Seiten der Verlage selbst und der Autoren überprüft werden. Unterschiedliche Termini und Begriffe in den Linguistischen Grammatiken, selbst wenn sie auf aktuellen Forschungsergebnissen basieren, bieten den Lehrenden und Lernenden nicht unbedingt eine Hilfe beim Sprachenlernen, sondern können auch zu Unsicherheit und Verwirrung führen. Es wäre deshalb vor allem wichtig, dass sich Autorinnen und Autoren von zukünftigen Lehrwerken auf Linguistische Grammatiken, das Fachlexikon für Deutsch als Fremdsprache (Barkowski/ Krumm (Hg.) 2010) und einschlägige Publikationen wie Fandrych/ Thurmair (2018) stützen und sich an den Vorschlägen der Arbeitsgruppe Gießener Kreis orientieren, damit eine in sich schlüssige, logische, transparente und aktuelle Grammatikterminologie gewährleistet wird. Die Erstellung einer Pädagogisch-didaktischen Grammatik, die sowohl von Lehrenden als auch von Lernenden verwendet wird, könnte ebenfalls eine Bezugsquelle für Lehrbuchautorinnen und -autoren sein. Im Bereich der Lexikografie könnte ein Fachlexikon mit grammatischen Termini für den Unterricht Deutsch als Fremdsprache erstellt werden, ähnlich dem Fachlexikon Deutsch als Fremdsprache, jedoch ausschließlich mit grammatischen Lemmata. Dies könnte zu großem Nutzen für a) Lehrbuchautoren und Verlage, b) DaF-Lehrende und Lehramtsstudierende im In- und Ausland und c) DaF-Lernende selbst sein. Eventuell könnte die Anordnung sowohl entsprechend der Grammatikprogression als auch alphabetisch sein. Die Metasprache von Definitionen und Erläuterungen sollte in einfachem und kla- Martina Nied Curcio 208 rem Deutsch gehalten und mit Beispielen versehen sein. Dabei sollte der Wortschatz adäquat zur Lernprogression verwendet werden. Eine explizite Markierung und Erklärung von neuen (im Vergleich zu traditionellen) Termini, aber auch konkurrierenden Termini (vgl. Barkowski/ Krumm (Hg.) (2010), Kapitel 3) sollten stattfinden. Eine Orientierung an Linguistischen Grammatiken, dem Fachlexikon von Barkowski/ Krumm (Hg.) (2010) und den Vorschlägen des Gießener Kreises wäre auch hier sinnvoll. Die bedeutendste Arbeit, die jedoch zu leisten ist, liegt m. E. im Aus- und Fortbildungsbereich von Lehrpersonen für Deutsch als Fremdsprache. Grammatische Terminologie - neben der Grammatikvermittlung - muss fester Bestandteil sein und auch in der Auslandsgermanistik eine Rolle spielen. Solange sich Lehrende in Bezug auf die grammatische Terminologie an Lehrwerken orientieren, ist keine Besserung der Situation in Sicht. Doch so schwarz, wie sie anfänglich schien, ist die Situation gar nicht mehr. Auch wenn noch einige Anstrengungen zu leisten sind, kann man optimistisch sein, denn mit den Publikationen von Barkowski/ Krumm (Hg.) (2010), Hoffmann (2013) und Fandrych/ Thurmair (2018) sind erste, aber entscheidende Schritte in Richtung Vermittlung einheitlicher und aktueller grammatischer Terminologie im Bereich Deutsch als Fremd- und Zweitsprache erfolgt. Man kann nur hoffen, dass diese baldmöglichst Autoren von Pädagogisch-didaktischen Grammatiken, Lehrbuchautoren und schließlich Lehrende und Lernende erreichen. Literatur Barkowski, Hans (2010): Grammatik. In: Barkowski/ Krumm (Hg.), S. 106-107. Barkowski, Hans/ Krumm, Hans-Jürgen (Hg.) (2010): Fachlexikon Deutsch als Fremd- und Zweitsprache. Tübingen/ Basel: Francke. Barkowski, Hans/ Grommes, Patrick/ Lex, Beate/ Vicente, Sara/ Wallner, Franziska/ Winzer-Kiontke, Britta (2014): Deutsch als fremde Sprache. Teil 3. (= Deutsch Lehren Lernen (DLL)). München: Klett-Langenscheidt. Bausch, Karl-Heinz/ Grosse, Siegfried (Hg.) (1987): Grammatische Terminologie in Sprachbuch und Unterricht. Düsseldorf: Schwann. 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TOOLS VANYA DIMITROVA/ HEIKE RENNER - WESTERMANN VERNETZUNG DES LINGUISTIK - PORTALS MIT LINGUISTIC LINKED OPEN DATA: DIE ROLLE DES BLL - THESAURUS Abstract: Das Linguistik-Portal ist ein internetbasiertes Rechercheinstrument für die allgemeine und vergleichende Sprachwissenschaft, das einen einheitlichen Zugang zu fachspezifischen Informationen bietet. Eine innovative Komponente des Portals stellt die Vernetzung mit Linguistic Linked Open Data (LLOD) dar: Dadurch wird eine Brücke zwischen linguistischen Repositorien innerhalb der LLOD-Cloud und bibliografischen Daten geschlagen und eine Verbindung zu weiteren Sprachressourcen ermöglicht. Die Anbindung an die Cloud erfolgt, indem der Schlagwort-Thesaurus der Bibliography of Linguistic Literature (BLL) für LOD aufbereitet und mit relevanten Ontologien verlinkt wird. Der BLL-Thesaurus wird seit über 40 Jahren als integraler Bestandteil der gleichnamigen Bibliografie entwickelt. Darüber hinaus liefert er die Grundlage für die thematische Klassifikation und die normierten Schlagwörter des Linguistik-Portals. Das neue Anwendungsszenario stellt jedoch spezifische technische und konzeptuelle Anforderungen, die nur durch eine formale und inhaltliche Aufarbeitung erfüllt werden können. Keywords: Linguistik-Portal, Bibliography of Linguistic Literature (BLL), Thesaurus, Ontologie, Linked Open Data, Terminologie-Modellierung 1. Linguistik - Portal und LLOD: Einführung Das Linguistik-Portal (www.linguistik.de) ist ein Fachportal für die allgemeine und vergleichende Sprachwissenschaft sowie die Linguistiken der europäischen und außereuropäischen Einzelphilologien. Es entstand zwischen 2012 und 2017 an der Universitätsbibliothek Frankfurt in Kooperation mit dem Institut für Deutsche Sprache (IDS) Mannheim, dem Linguistik-Server Essen (LinseLinks) und der AG Angewandte Computerlinguistik des Instituts für Informatik an der Goethe-Universität Frankfurt. Aktuelle Entwicklung und Ausbau finden im Rahmen des DFG-Förderprogramms „Fachinformationsdienste für die Wissenschaft“ statt. Das Portal bietet Wissenschaftlern, Studierenden und fachlich Interessierten einen breit angelegten, einheitlichen Zugang zu fachspezifischen, wissenschaftlichen Ressourcen: konventionelle, gedruckte oder elektronische Sekundärliteratur, digitale Informationsressourcen im Internet und Forschungsprimärdaten. Zu den Kernmodulen des Linguistik-Portals zählen ein virtueller Katalog für die gleichzeitige Recherche in mehreren Fachkatalogen, Bibliografien, Open-Access-Repositorien und den portaleigenen Modulen, ein Fachinformationsführer zu Internetquellen (Link-Verzeichnis), ein DOI 10.2357/ 9783823392934 SDS 82 (2020) Vanya Dimitrova/ Heike Renner-Westermann 216 Verzeichnis von Forschungsprojekten und ein Verzeichnis von Online-Wörterbüchern sowie ein möglichst umfassender Zugang zu linguistisch relevanten Online-Zeitschriften und -Datenbanken. In der linguistischen Forschung der letzten Jahre ist eine deutliche Tendenz zu beobachten: Forschende rekurrieren zunehmend auf große textbasierte Datenmengen, die Relevanz von Forschungsdaten und vor allem von Sprachkorpora steigt kontinuierlich. Gleichzeitig wächst disziplinenübergreifend die Akzeptanz für Ansätze des Semantic Web, 1 z. B. die Anwendung von Repräsentationsformalismen, die die Interoperabilität möglichst vieler Ressourcen gewährleisten und durch maschinelle Greifbarkeit eine automatisierte Informationsgewinnung ermöglichen. So steigt auch die Anzahl der linguistisch relevanten Ressourcen, die nach Linked-Data-Prinzipien 2 aufbereitet sind und unter einer offenen Lizenz zur Verfügung stehen: Die Linguistic Linked Open Data Cloud (LLOD-Cloud), 3 die auf eine Initiative der Open Linguistics Working Group der Open Knowledge Foundation zurückgeht, vereint zahlreiche Korpora, Wörterbücher, Wissensdatenbanken, Thesauri, Ontologien sowie Metadatensammlungen und Bibliografien. Vor diesem Hintergrund starteten 2016 die Arbeiten an der Vernetzung des Linguistik-Portals mit der LLOD-Cloud. Mittlerweile konnte im Portal eine Suchfunktionalität für die Recherche nach fachrelevanten LLOD-Ressourcen implementiert werden. Durch die Vernetzung wurde es umgekehrt auch möglich, ausgehend von Terminologien in der LLOD-Cloud zielgerichtet auf thematisch klassifizierte Publikationen im Portal zu verlinken. Bei der Anbindung des Linguistik-Portals an die LLOD-Cloud spielt der Schlagwort-Thesaurus der Bibliography of Linguistic Literature 4 (BLL-Thesaurus) eine wesentliche Rolle. Dafür gibt es mehrere Gründe: Als integraler 1 Das Semantic Web ist eine Initiative von Sir Tim Berners-Lee, die seit dem Ende der 1990er Jahre vom World Wide Web Consortium (W3C) vorangetrieben wird. Das Semantic Web ist als Erweiterung des vorhandenen World Wide Web zu verstehen. Der Grundgedanke ist, die bereitgestellten Informationen nicht nur in einer für den Menschen lesbaren, sondern zusätzlich auch in einer für Maschinen verarbeitbaren Form zu repräsentieren (vgl. Hitzler et al. 2008). 2 „Linked Data baut also auf den bestehenden Web-Standards Uniform Resource Identifiers (URI) und Hypertext Transfer Protocol (HTTP) auf und ergänzt diese durch das Datenmodell RDF [Resource Description Framework] zur Repräsentation von Information, SPARQL [SPARQL Protocol and RDF Query Language] zur Abfrage von RDF-Daten und RDFS sowie OWL [Web Ontology Language] zur Schaffung von Vokabularen/ Ontologien.[…] Linked Open Data sind offene Daten (Open Data), die gemäß Linked-Data-Prinzipien (Linked Data) unter Nutzung der entsprechenden offenen W3C-Standards bereitgestellt werden.“ (Online: http: / / dini-ag-kim.github.io/ glossar/ glossar.html, Stand: Dezember 2018). 3 http: / / linguistic-lod.org/ llod-cloud (Stand: Dezember 2018). 4 www.blldb-online.de (Stand: Dezember 2018). Die Rolle des BLL - Thesaurus 217 Teil der Bibliografie ist der Thesaurus in großem Umfang mit Titeldaten verknüpft; gleichzeitig liefert er auch das Terminologie-Inventar für die Klassifikation und die Erschließung in den portaleigenen Modulen. Für die Anbindung an die Cloud musste der BLL-Thesaurus für Linked Open Data (LOD) aufbereitet und mit entsprechenden Terminologie-Repositorien verknüpft werden. Als Einstiegspunkt diente das Referenzmodell der Ontologies of Linguistic Annotations 5 (OLiA) (siehe Chiarcos/ Sukhareva 2015), ein zentraler Verbindungsknoten für verschiedene Klassifikationssysteme in der LLOD-Cloud. Im Folgenden werden die interne Struktur und die historische Entwicklung des BLL-Thesaurus kurz vorgestellt. Die LOD-Aufbereitung wird im Detail beschrieben. Dabei werden die allgemeine Vorgehensweise sowie die methodologischen Herausforderungen thematisiert. Designstrategien und praktische Lösungen werden anhand konkreter Beispiele illustriert. 2. BLL - Thesaurus: Eigenschaften und Hintergrund Die BLL ist eine international rezipierte Fachbibliografie und Datenbank, die an der UB Frankfurt seit 1971 kompiliert und veröffentlicht wird. Mit über 480.000 verzeichneten Publikationen ist sie eine der wichtigsten bibliografischen Informationsquellen für die allgemeine Linguistik mit ihren verschiedenen Teilbereichen und Nachbardisziplinen sowie die anglistische, germanistische und romanistische Sprachwissenschaft. Der BLL-Thesaurus entstand als fester Bestandteil der Bibliografie und wurde als spezialisiertes Indexierungs- und Recherche-Werkzeug konzipiert. Er ist hierarchisch aufgebaut und bilingual in Deutsch und Englisch angelegt. Die Strukturierung der Information folgt einem begriffsorientierten Ansatz: Jeder Datensatz des Thesaurus soll einem einzelnen Konzept 6 entsprechen, dem jeweils mehrere Benennungen zugeordnet werden können. In der Regel stehen die deutsche und die englische Schlagwort-Bezeichnung gleichberechtigt nebeneinander. Eine Ausnahme bilden die Fälle, in denen es keine oder keine gebräuchliche deutsche Benennung gibt oder der fremdsprachliche Terminus 5 http: / / acoli.cs.uni-frankfurt.de/ resources/ olia (Stand: Dezember 2018). 6 „Konzept“ wird an dieser Stelle und im weiteren Verlauf des Textes synonym zu „Begriff“ verwendet. Die aus der allgemeinen Terminologielehre bekannte Unterscheidung zwischen der abstrakten Einheit (Begriff oder Konzept) und ihrem sprachlichen Ausdruck (Benennung oder Terminus) gilt auch im Rahmen des Thesaurus. „Begriff“ steht dabei für die „Denkeinheit, die aus einer Menge von Gegenständen unter Ermittlung der diesen Gegenständen gemeinsamen Eigenschaften mittels Abstraktion gebildet wird“ (DIN 2342: 2011-08, S. 5). Unter „Benennung“ versteht man hingegen die „sprachliche Bezeichnung eines Allgemeinbegriffs aus einem Fachgebiet“ (ebd., S. 11). Vanya Dimitrova/ Heike Renner-Westermann 218 sich auch im deutschsprachigen Raum etabliert hat (z. B. Small clause, 7 Split question, Movement (synt.)). Der Thesaurus kodiert Vorzugsbezeichnungen, spezifische Verweisbeziehungen wie Synonyme/ Quasi-Synonyme (Siehe-Verweise) oder Verwandtschaftsbeziehungen (Siehe-auch-Verweise), Ober- und Unterbegriffe. Dabei sind jedoch keine polyhierarchischen Strukturen erlaubt. So ist z. B. Psycholinguistik dem Klassifikationsbegriff Disziplinen untergeordnet und dem Schlagwort Neurolinguistik nebengeordnet. Psycholinguistik ist der Oberbegriff von Sprachbewusstheit, was die deutsche Vorzugsbezeichnung für Language awareness ist. Als Verweise werden Sprachbewusstsein und Metalinguistic awareness angegeben. Gleichlautende Bezeichnungen werden mithilfe von Homonymzusätzen disambiguiert wie z. B. Elsässisch in der Bedeutung „im Elsass verbreitete alemannische Dialekte“ versus Elsässisch (französischer Dialekt) in der Bedeutung „im Elsass gesprochene Varietät des Französischen“. Homonymzusätze dienen des Weiteren dazu, die spezifische Perspektive der Betrachtung (z. B. Symbol (graphem.), Symbol (semiot.) und Symbol (psycholing.)) oder den theoretischen Rahmen (z. B. Analogie (Metapherntheorie)) zu kodieren. In der Regel stehen die Vorzugsbenennungen im Nominativ Singular (z. B. Verb, Objekt). Vereinzelt kommen allerdings auch Pluralformen vor, und zwar bei Sammelbezeichnungen, die sich als Konvention etabliert haben (z. B. Wortarten, Satzteile), oder wenn Sprachfamilien bzw. Sprachgruppen benannt werden (z. B. Afro-Asiatische Sprachen, Kwa-Sprachen). Jedes Schlagwort verfügt über eine eindeutige Kennzeichnung in Form einer Identifikationsnummer (Pica Produktionsnummer, PPN), die das einzige unveränderliche Element eines Datensatzes darstellt. Die dazugehörige Notation (z. B. 04.08.08.014 für Objekt) gibt die Position in der hierarchischen Struktur wieder. Die Tiefe der Unterordnungshierarchie variiert von Zweig zu Zweig und erreicht maximal sieben Stufen. Zum Zeitpunkt der Drucklegung umfasst der BLL-Thesaurus über 8.000 Schlagwörter, die in fünf Hauptzweige aufgeteilt sind: Disziplinen, Ebenen der Sprachbeschreibung, Indoeuropäische Sprachen, Nicht-indoeuropäische Sprachen und Allgemeines (siehe Abbildung 1). Der Zweig Disziplinen deckt die Subdisziplinen 8 der Linguistik ab und besteht aus 3.417 Schlagwörtern. Für die Erschließung von Sprachvarietäten (Sprachfamilien, Sprachen, Dialekte etc.) stehen 2.305 BLL-Sprachbezeichner zur Ver- 7 Thesaurus-Schlagwörter werden im Folgenden kursiv gesetzt. 8 Der Zweig Disziplinen umfasst 35 Teilzweige wie Psycholinguistik (176 Schlagwörter), Neurolinguistik (42 Schlagwörter), Soziolinguistik (185 Schlagwörter), Sprachtypologie (26 Schlagwörter) etc. Die Rolle des BLL - Thesaurus 219 fügung: 839 im Zweig Indoeuropäische Sprachen und 1.466 im Zweig Nichtindoeuropäische Sprachen. Der Zweig Ebenen der Sprachbeschreibung (2.067 Datensätze) widmet sich der grammatischen Terminologie. Er besteht aus zehn Teilzweigen: Phonetik (143), Phonologie (221), Graphemik (156), Morphologie (198), Lexikologie (353), Lexikografie (67), Onomastik (136), Syntax (281), Textlinguistik (378) und Semantik (133). Weitere 313 Schlagwörter, die sonstige Themen wie Forschungsprojekte, Institute/ Organisationen, Ausbildung, Länder/ Regionen etc. abdecken, sind im Zweig Allgemeines zu finden. Abb. 1: Die oberste Ebene der Thesaurus - Hierarchie 9 Der BLL-Thesaurus wird kontinuierlich an die laufende Entwicklung des Fachs angepasst. Dies geschieht hauptsächlich durch das Ergänzen von Schlagwörtern, Siehe-Verweisen oder Siehe-auch-Verweisen. So wurden im Jahr 2014 über 230 neue Schlagwörter wie Argument sharing 10 oder Parasitäres Partizip 11 hinzugefügt. Das Hinzufügen von neuen Schlagwörtern ist dabei nicht das Ergebnis theoretischer Überlegungen, sondern „empirisch“ motiviert. Es basiert auf mindestens einer Publikation, in der das jeweilige Phänomen thematisiert wird. Die BLL erfasst auch Themenbereiche, die noch nicht intensiv erforscht sind; deswegen finden sich im Thesaurus auch Begriffe, die noch nicht zum etablierten „Standardwissen“ gehören. Das Schlagwort Inflektiv bezeichnet bspw. besondere Verbformen wie „seufz“ oder „grübel“, wie sie vor allem 9 Alle verwendeten Abbildungen stammen aus eigener Darstellung. 10 „Argument sharing“ ist ein Phänomen, das sich auf die Argumentstruktur von Serialverbkonstruktionen bezieht (vgl. Veenstra 1993). 11 Wood (2013) verwendet den Begriff „parasitic participle“ für „the occurrence of two perfect participles with only one perfect auxiliary (have)“ (ebd., S. 60). Das syntaktische Phänomen gilt als weit verbreitet in den germanischen Sprachen. Vanya Dimitrova/ Heike Renner-Westermann 220 in Comics zu finden sind. 12 Löschungen kommen selten vor und werden typischerweise dann vorgenommen, wenn zwei verwandte Schlagwörter zu einer neuen Kategorie zusammengelegt werden. 2014 flossen z. B. die Schlagwörter Geografie (Fachsprache) und Geodäsie (Fachsprache) in das neue Schlagwort Geowissenschaften (Fachsprache) ein. Da die eindeutige Identifikationsnummer (PPN) im Falle einer Löschung blockiert wird und nicht wiederverwendet werden darf, entstehen dadurch keine formalen Inkonsistenzen. Die Entwicklung des BLL-Thesaurus betrifft nicht nur den Umfang und die Granularität des Vokabulars, sondern auch seine Anwendungsfälle. Die primäre Aufgabe des Thesaurus ist seit über 40 Jahren die Dokumentation von linguistisch relevanten Publikationen im Kontext der Fachbibliografie. Seit 2012 wird der BLL-Thesaurus auch im Rahmen des Linguistik-Portals verwendet: Er liefert die Grundlage für die thematische Klassifikation sowie die normierten Schlagwörter, die der intellektuellen Erschließung in den portaleigenen Modulen dienen. Seit 2015 fungiert der BLL-Thesaurus zudem als Anknüpfungspunkt bei der Vernetzung des Linguistik-Portals mit der LLOD-Cloud. Das jüngste Anwendungsszenario stellte spezifische technische und konzeptuelle Anforderungen. Um sie zu erfüllen, musste der BLL-Thesaurus formal und inhaltlich aufgearbeitet werden. 3. BLL - Thesaurus als LOD Die Vorbereitung der LOD-Edition begann mit einer stichprobenartigen Analyse der Schlagwörter sowie der im Thesaurus kodierten Beziehungen. Die anvisierte Anwendung machte auch einen Vergleich der Thesaurus-Struktur mit dem Datenmodell der bereits erwähnten Ontologie OLiA erforderlich. Als technisches Rahmenkonzept verwendet OLiA die Web Ontology Language (OWL), die auf der Prädikatenlogik erster Stufe basiert. 13 Für die Herstellung der Interoperabilität zwischen dem BLL-Thesaurus und OLiA ist daher 12 Forster/ Borgwaldt/ Neef (2012) beschreiben „inflective“ als „a non-conventional inflection form mostly found in comics or sms/ chat communication. In German and English, the inflective corresponds to the bare verb stem, e. g., seufz, gähn, derived from the verbs seufzen and gähnen, or the respective English items sigh, cough derived from to sigh and to cough.“ (ebd., S. 124). 13 RDF und RDF(S) verfügen nur über beschränkte Ausdrucksmittel, die für die Darstellung komplexer Zusammenhänge nicht ausreichen. OWL ist hingegen eine ausdrucksstarke Repräsentationssprache, die die formale Überprüfung der Gültigkeit von Aussagen oder den Zugriff auf implizites Wissen auf der Basis logischer Schlussfolgerungen ermöglicht. Für eine Einführung in OWL vgl. Hitzler et al. (2008). Die Rolle des BLL - Thesaurus 221 ein OWL-Modell des Thesaurus erforderlich. Nur auf dieser Grundlage können valide Links zwischen den Ressourcen erstellt werden. Die Überprüfung der Thesaurus-Struktur zeigte jedoch, dass eine automatisierte formale Überführung in OWL (d. h. die Darstellung der Thesaurus- Begriffe als OWL-Klassen und der Unter-Oberbegriff-Relationen mittels der subClassOf-Property) 14 Inkonsistenzen hervorrufen kann. Denn die hierarchischen Beziehungen zwischen den Schlagwörtern erfüllen nur bedingt die formalen Kriterien einer Ontologie: Sie sind weniger axiomatisch, basieren häufig auf thematischen Assoziationen und nicht auf konzeptueller Subsumtion. So ist z. B. das Schlagwort Nominalsyntax dem Thesaurus-Begriff Satzteile untergeordnet, was mit der Klassenstruktur von OWL und der Semantik der subClassOf-Property nicht vereinbar ist. Darüber hinaus wurde festgestellt, dass in vielen Fällen Begriffsdefinitionen fehlen. Dies ist gerade in den Geisteswissenschaften problematisch, da sich zuweilen hinter einer Bezeichnung Konzepte aus unterschiedlichen Denkmodellen verbergen. Zudem wurden mehrdeutige Vorzugsbenennungen nicht immer disambiguiert. In welchem Sinne das Schlagwort Komitativ 15 verwendet werden soll, ist bspw. nur anhand seiner Position in der Thesaurus- Hierarchie erkennbar - im vorliegenden Fall als Unterbegriff von Aktionsart (morph.). Ob das Schlagwort in den zurückliegenden Jahren der Bibliografie- Erstellung tatsächlich nur mit dieser Bedeutung verwendet wurde, kann einzig eine Durchsicht der erfassten Publikationen zeigen. Die Notwendigkeit, das natürlich gewachsene Thesaurus-Design zu prüfen, war unbestreitbar. Bei der Größe der BLL-Datenbank, d. h. der Anzahl der mit den Schlagwörtern verknüpften Titel und der Anzahl der Verknüpfungen innerhalb der Schlagwörter, war jedoch eine komplette Überarbeitung des aktiv eingesetzten Thesaurus mit den für das Projekt vorgesehenen Ressourcen nicht realisierbar. Die Lösung bestand darin, für die LOD-Aufbereitung des BLL-Thesaurus ein mehrstufiges Konzept zugrunde zu legen und den Thesaurus physisch bzw. datentechnisch von seinem ontologischen Modell zu trennen. Dies sorgte für größere Flexibilität und erlaubte bei der Modellierung eine 14 Im Folgenden werden die ontologischen Klassen und Properties durch Kapitälchen ausgezeichnet. 15 In Bußmann (Hg.) (2002) werden drei Bedeutungen von Komitativ aufgelistet: (1) Aktionsart des Verbs, durch die eine Handlung bezeichnet wird, die als „begleitende“ Handlung zu einer anderen vollzogen wird […] (2) Tiefenkasus für den Begleiter eines anderen Mitspielers […] (3) Kasus in den Finno-Ugrischen Sprachen für die unter (2) genannte semantische Funktion. (ebd., S. 354) Vanya Dimitrova/ Heike Renner-Westermann 222 selektive Bearbeitung der jeweils benötigten Thesaurus-Bereiche, für die in der LLOD-Cloud bereits passende Verknüpfungsmöglichkeiten vorlagen. Für diese Domänen konnten anschließend LOD-Funktionalitäten implementiert werden. Das mittelfristige Ziel ist, nach und nach weitere Thesaurus-Zweige in die BLL-Ontologie zu integrieren. Für die konkrete Umsetzung wurden drei Modelle erstellt, die hierarchisch aufeinander aufbauen: − eine SKOS-Version des BLL-Thesaurus, 16 − ein OWL-Modell, − ein Linking-Modell, das die Verbindung zum OLiA-Referenzmodell herstellt. Die SKOS-Version repräsentiert LOD-konform die Originalstruktur des BLL- Thesaurus, wird automatisiert erstellt und beinhaltet alle BLL-Schlagwörter. Die jeweiligen Identifikatoren (Uniform Resourse Identifiers, URIs) werden auf Basis der internen PPN generiert. Im Falle einer Löschung behalten alle Aussagen bezüglich des gelöschten Schlagwortes ihre Gültigkeit, es wird lediglich als veraltet (owl: deprecated mit dem Wert „true“) markiert. Das SKOS-Modell stellt die Vorzugsbezeichnungen (mittels skos: prefLabel), die hierarchischen Relationen (mittels skos: broader), 17 die BLL-interne numerische Notation (mittels rdf: value) sowie die Siehe-auch-Verweise (mittels rdfs: seeAlso) dar. Das OWL-Modell des Thesaurus, das BLL-Ontologie genannt wurde, wird intellektuell erstellt und enthält nur ausgewählte Thesaurus-Domänen. Die BLL-Ontologie referenziert dabei auf die SKOS-Version und ergänzt diese um eine annotierte ontologische Struktur, die den OWL-Standards gerecht wird und sich auch für Reasoning-Verfahren eignet. Dadurch wird Kompatibilität mit OLiA und anderen Ontologien, die dasselbe Framework verwenden, erreicht. Dies ermöglicht aber auch weitere Anwendungsfälle wie z. B. eine Ontologie-basierte Suche. Durch die Anwendung der Prinzipien der Ontologie-Bildung und die damit einhergehende, gründliche intellektuelle Überprüfung wird es leichter, Inkonsistenzen in der Terminologie und der Struktur des Thesaurus aufzude- 16 SKOS steht dabei für „Simple Knowledge Organisation System“, eine formale Sprache, die im Kontext des Semantic Web standardmäßig genutzt wird, um Thesauri und andere Dokumentationssprachen zu veröffentlichen und zu kombinieren (siehe Miles/ Bechhofer 2009). 17 Die skos: broader-Relation ist nicht so rigide definiert wie die subClassOf-Relation und wird für die Modellierung von Thesauri empfohlen (siehe Pastor-Sanchez/ Martinez/ Rodriguez- Muñoz 2009). Die Rolle des BLL - Thesaurus 223 cken und - mithilfe der Ausdrucksstärke von OWL - klarer nachzuzeichnen. Die gewählte modulare Architektur und die klare Trennung zwischen den Modellen (SKOS-, OWL- und Linking-Modell) erlaubt eine zusätzliche (ontologische) Formalisierung, ohne den aktiv eingesetzten Thesaurus direkt umstrukturieren zu müssen. Da die Thesaurus-Hierarchie eine substanzielle Auswirkung auf das BLL-Datenbank-Retrieval haben kann, ist bei umfangreicheren Umstrukturierungen große Vorsicht geboten. 18 Im Vorfeld der OWL-Modellierung stellte sich noch die Frage nach der Notwendigkeit, eine selbstständige neue Ontologie zu erstellen: Wäre es nicht möglich, den Thesaurus als Submodul einer bereits existierenden linguistischen Ontologie darzustellen, z. B. als eine Community of Practice Extension (COPE, siehe Farrar/ Lewis 2007) der General Ontology of Linguistic Description (GOLD, siehe Farrar/ Langendoen 2003)? Die Entscheidung, den BLL-Thesaurus als eigenständige Ressource zu modellieren, beruhte auf der Tatsache, dass auch in der LLOD-Community unterschiedliche theoretische Ansätze und Anwendungsbereiche zu abweichenden Konzeptualisierungen und inkompatiblen Modellen der linguistischen Domäne führen. Eine einzige und einheitliche Linguistik-Ontologie scheint vorläufig unerreichbar zu sein: An ontology for all of linguistics is, at this point, unachievable and would require deep consensus as to how language is conceptualized. Still, we will undoubtedly come across descriptions that are incompatible with one another due to different theoretical assumptions, in other words, disparate conceptualizations. (Farrar/ Langendoen 2010, S. 47) GOLD ist bspw. eine Ontologie der deskriptiven Linguistik, die für die Bedürfnisse der Sprachdokumentation entworfen wurde mit dem Ziel, Interoperabilität zwischen Sprachdaten zu sichern. Der BLL-Thesaurus wird hingegen für die Indexierung und Dokumentation von linguistisch relevanten Publikationen verwendet und strebt nach der Abdeckung des gesamten Fachgebiets, inklusive Sprachen, Disziplinen, Subdisziplinen sowie der unterschiedlichsten theoretischen Ansätze. Der Umfang des BLL-Thesaurus und die Anzahl der darin enthaltenen Schlagwörter (ca. 8.000) sind in ihrer Größenordnung nicht vergleichbar mit allgemeinen terminologischen Repositori- 18 Selbstverständlich fließen die aus der Ontologie-Arbeit gewonnenen Erkenntnisse - soweit wie möglich - in eine Umarbeitung des BLL-Thesaurus ein. Bei den auf diese Weise veranlassten Änderungen handelt es sich vor allem um Aktualisierungen der Vorzugsbenennungen und Ergänzungen fehlender Definitionen, aber auch um Änderungen der hierarchischen Struktur. Für die Bibliografie-Erstellung sind allerdings in vielen Bereichen „flachere“ Hierarchien von Vorteil. Vanya Dimitrova/ Heike Renner-Westermann 224 en oder Ontologien, die in der Regel auf wenige gut dokumentierte Bereiche fokussieren. So weist GOLD ca. 500 Klassen und 76 Properties nach, wobei hier der Schwerpunkt auf Morphosyntax liegt. 19 3.1 Modellierung in OWL: BLL - Ontologie In der BLL-Ontologie werden die Thesaurus-Schlagwörter als Klassen (owl: class) modelliert. Zur Organisation der Begriffe werden die Relationen rdfs: subClassOf und owl: equivalentOf verwendet. Im Unterschied zum Thesaurus sind hier polyhierarchische Strukturen grundsätzlich erlaubt. Von einer ontologischen Repräsentation der im BLL-Thesaurus vorhandenen Verweisbeziehungen wird vorerst abgesehen. 20 Die Arbeit an der BLL-Ontologie fing mit dem Thesaurus-Zweig Ebenen der Sprachbeschreibung an. Dieser Zweig deckt den Bereich der linguistischen Metasprache ab, der auch im Fokus des OLiA-Referenzmodells steht. 1.165 BLL-Konzepte flossen in die ontologische Modellierung ein. Die Teilzweige Syntax, Morphologie, Lexikologie und Phonologie wurden komplett bearbeitet, die Schlagwörter aus dem Graphemik-Zweig zu 75 % und die aus dem Semantik-Zweig zu 25 %. Dabei wurde jedes Schlagwort in seiner Beschaffenheit und strukturellen Einordnung inhaltlich geprüft. Das Ergebnis dieser Überprüfung bestimmte seine formale Darstellung. Die Verifizierung der Begriffsdefinitionen erfolgte Thesaurus-intern oder durch Vergleich mit weiteren terminologischen Repositorien, Nachschlagewerken sowie Online-Quellen. Falls die Definitionen widersprüchlich oder ambig waren, wurden zusätzlich die mit dem jeweiligen BLL-Schlagwort indexierten bibliografischen Einträge überprüft. Die Überprüfung der Hierarchien erfolgte durch die folgenden einfachen Testverfahren: Substitutionstest (S ist eine Subklasse von O, wenn in jedem beliebigen Satz S durch O ersetzt werden kann) und/ oder Paraphrasierungstest (S ist eine Subklasse von O, wenn „S ist ein O“ gültig ist). 19 http: / / linguistics-ontology.org (Stand: Dezember 2018). 20 Die Gründe dafür sind praktischer Natur: Für die anvisierte Funktionalität hat die Modellierung der Verweise keine Priorität, und die Überprüfung des genauen Status einschließlich Unterscheidung zwischen Synonymen, Quasi-Synonymen und echten Äquivalenzen gestaltet sich oft schwierig. Eine zukünftige Erweiterung der Ontologie ist allerdings nicht ausgeschlossen. Die Rolle des BLL - Thesaurus 225 Bei der Erstellung der Klassenhierarchie wurden die BLL-Konzepte sowohl thematisch (Syntax, Morphologie, Morphosyntax etc.) als auch ihrer Natur entsprechend (Kategorie, Prozess, Merkmal oder Relation) gruppiert. Diese Reorganisation wurde durch die Erstellung von neuen, in der Originalstruktur des Thesaurus nicht vorhandenen Klassen unterstützt. Klassen wie MorphologischerProzess, 21 MorphosyntaktischesMerkmal oder SyntaktischeKategorie dienen somit als strukturelle Anker. Die konkrete Umsetzung der taxonomischen Reorganisation wird im Folgenden anhand eines Beispiels illustriert. Im BLL-Thesaurus hat das Schlagwort Nebensatz 16 unmittelbare Unterbegriffe: dass-Satz, Relativsatz, Konditionalsatz, Temporalsatz, Kausalsatz, Finalsatz, Konzessivsatz, Komparativsatz, Komplementsatz, Adversativsatz, Embedding, Konsekutivsatz, Lokalsatz, Modalsatz, Subjektsatz sowie Sonstige Nebensätze. Die Überprüfung der Begriffe und der Relationen zeigte, dass die Bedingungen für ontologische Konsistenz in 14 Fällen erfüllt sind. Zehn Konzepte wurden allerdings nicht als unmittelbare Subklassen von Nebensatz modelliert. Da sie gemeinsame Eigenschaften teilen - sie bezeichnen Nebensätze, die im Hauptsatz die syntaktische Funktion eines Adverbials erfüllen -, wurden Konditionalsatz, Temporalsatz, Kausalsatz, Finalsatz, Konzessivsatz, Komparativsatz, Adversativsatz, Konsekutivsatz, Lokalsatz und Modalsatz als Subklassen der neu geschaffenen Klasse AdverbialerNebensatz definiert. Die Beziehung zwischen Embedding und Nebensatz wurde hingegen als problematisch betrachtet (Paraphrasierungstest: „*Ein Embedding ist ein Nebensatz“). Deswegen bekam das Konzept eine neue hierarchische Einordnung und wurde als Subklasse von SyntaktischerProzess definiert (Paraphrasierungstest: „Ein Embedding ist ein syntaktischer Prozess“). Für Sonstige Nebensätze fehlte eine eindeutige Definition. Da das Schlagwort im Thesaurus weiterhin Verwendung findet, wurde es in die Ontologie aufgenommen, aber als Unterklasse von NichtklassifiziertesLinguistischesKonzept definiert. NichtklassifiziertesLinguistischesKonzept ist eine Hilfskonstruktion, die dazu dient, BLL-Schlagwörter aufzunehmen, die zwar überprüft wurden, für die aber im aktuellen Entwicklungsstand der Ontologie keine taxonomische Einordnung gefunden werden konnte. Das Ergebnis dieser und weiterer Arbeitsschritte ist der Abbildung 2 zu entnehmen. Während im Thesaurus Nebensatz dem Schlagwort Satzarten unmittelbar untergeordnet ist, wurde das Konzept in der Ontologie als Subklasse 21 Für die neu erstellten ontologischen Klassen gilt: Falls ein Label aus mehreren Wörtern besteht, werden diese ohne Leerzeichen zusammengeschrieben. Vanya Dimitrova/ Heike Renner-Westermann 226 von FiniterTeilsatz bzw. Teilsatz modelliert. Dies entspricht der traditionellen Grammatik, in der Satzart (auch Satztyp) sich auf die Unterscheidung der Formtypen des Satzmodus bezieht (Bußmann (Hg.) 2002, S. 582). Abb. 2: Die Position der Klasse N ebeNsatz in der BLL - Ontologie Bei der Überprüfung der Thesaurus-Hierarchie wurde festgestellt, dass in vielen Fällen ein Umbenennen der Begriffe ausreicht, um die Bedingungen für ontologische Konsistenz zu erfüllen. Formal erfolgte eine Umbenennung, indem das ursprüngliche Thesaurus-Konzept mittels owl: equivalentClass durch eine neu definierte Klasse ersetzt und anschließend in der Ontologie mittels owl: deprecated true als veraltet deklariert wurde. So wurde der Thesaurus-Begriff Syntax im OWL-Modell durch die Klasse SyntaktischesPhänomen repräsentiert, der Begriff Satzteile durch Konstituente und der Begriff Wortarten durch MorphosyntaktischeKategorie. Die Durchsicht der Schlagwörter zeigte, dass einige intrinsisch mehrdeutig sind oder im Laufe der Zeit ambig verwendet wurden. Im Thesaurus wird bspw. das Schlagwort Instrumental sowohl für den Kasus (den Instrumental) als auch für die semantische Rolle (das Instrument) verwendet. Das Schlagwort Komposition deckt sowohl den morphologischen Prozess ab als auch das Ergebnis dieses Prozesses, das Kompositum. Komplexeres Wissen lässt sich in OWL durch logische Konstruktoren, die auf Klassen angewendet werden, ausdrücken. Zur Verfügung stehen Konjunktion, Disjunktion und Negation, d. h. logisches und, oder und nicht, realisiert durch die OWL-Sprachelemente owl: intersectionOf, owl: unionOf und owl: complementOf. Mit ihrer Hilfe lassen sich atomare Klassen 22 zu komplexen Klassen verbinden (Hitzler et al. 2008, S. 135). 22 „Atomar“ werden die Klassen genannt, die durch einen Klassenbezeichner beschrieben werden und nicht weiter in ihre Bestandteile zerlegbar sind. Die Rolle des BLL - Thesaurus 227 Die Methode, die für die Modellierung von Instrumental und anderen ambigen Thesaurus-Schlagwörtern erarbeitet wurde, greift auf das OWL-Instrumentarium zurück. Instrumental wurde zunächst als Subklasse von MehrdeutigDefiniertesKonzept eingeordnet. Zusätzlich wurden zwei neue Klassen definiert: Instrument, eine Subklasse von SemantischeRolle sowie InstrumentalKasus, eine Subklasse von Kasus. Anschließend wurde Instrumental mit einer neu erstellten komplexen Klasse gleichgestellt und zwar mit der Vereinigung (mittels owl: unionOf) von Instrument und InstrumentalKasus. Die Zulassung polyhierarchischer Beziehungen ermöglicht auch eine präzisere Modellierung von Überlappungen. Grammatische Phänomene mit Ausprägungen auf verschiedenen Beschreibungsebenen können daher als Subklassen von Schnittmengen (owl: intersectionOf) dargestellt werden. So wurde z. B. Kasus (morph.) der Konjunktion von Kasus und MorphologischesPhänomen untergeordnet, während Kasus (synt.) als Subklasse der Schnittmenge von Kasus und SyntaktischesPhänomen definiert wurde. Nachdem die Mehrheit der Thesaurus-Begriffe aus dem Zweig Ebenen der Sprachbeschreibung bearbeitet worden war, konnte mit der Verknüpfung von BLL-Ontologie und OLiA-Referenzmodell begonnen werden. Zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung 23 bestand die BLL-Ontologie aus 1.419 Klassen, für die insgesamt 2.511 subClassOf-Beziehungen sowie 133 equivalentClass- Axiome definiert waren. 3.2 Verknüpfung der BLL - Ontologie mit OLiA: BLL - OLiA - Linking OLiA wurde mit dem Ziel entwickelt, die Interoperabilität möglichst vieler linguistischer Daten und Metadaten zu sichern. Das frei verfügbare Repositorium ist modular aufgebaut (siehe Abbildung 3). Zu seinen Hauptkomponenten zählen ein zentrales Referenzmodell (OLiA Reference Model), zahlreiche Annotationsmodelle (OLiA Annotation Models) sowie die Verknüpfungen zwischen den Annotationsmodellen und dem Referenzmodell (OLiA Linking Models) (Chiarcos/ Sukhareva 2015). Zusätzlich ist das OLiA-Referenzmodell mit mehreren externen Klassifikationssystemen (External Reference Models wie TDS 24 oder GOLD) verlinkt. Somit dient das Referenzmodell als Mediator zwischen verschiedenen Annotationsschemata und weiteren linguistischen Ontologien. 23 Die BLL-Ontologie wurde als Teil der LOD-Edition des BLL-Thesaurus am 22. 12. 2016 unter http: / / data.linguistik.de/ bll veröffentlicht. 24 TDS steht hier für die Ontologie, die für die Datenintegration im Rahmen des Projekts „Typological Database System“ entwickelt wurde (Online: http: / / languagelink.let.uu.nl/ tds/ index. html, Stand: Dezember 2018). Vanya Dimitrova/ Heike Renner-Westermann 228 Annotation Models External Reference Models rdfs: subClassOf rdfs: subClassOf rdfs: subClassOf TIGER/ NEGRA MULTEXT-East BLL-Ontologie … OLiA Reference Model GOLD ISOcat TDS rdfs: subClassOf rdfs: subClassOf rdfs: subClassOf Abb. 3: Modulare Architektur von OliA Das OLiA-Referenzmodell definiert Begriffe linguistischer Metasprache und liefert eine Taxonomie von Kategorien aus den Bereichen Morphologie, Syntax und Morphosyntax. Sein Kernvokabular besteht aus 881 Klassen und 51 Properties. Die Annotationsmodelle sind ressourcenspezifische Submodule und stellen in der Regel formalisierte Versionen der integrierten Tag-Sets dar. Die Linking-Modelle hingegen enthalten nur die Verknüpfungen zwischen den Annotationsmodellen und dem Referenzmodell. Analog zu den Annotationsmodellen erfolgte die Integration der BLL-Ontologie in die modulare Architektur von OLiA mittels eines Linking-Modells (BLL-OLiA-Linking). Dabei handelt es sich im Grunde um eine etwas abgewandelte Form des Mapping, 25 eines klassischen Instruments der Zusammenführung von verschiedenen kontrollierten Vokabularien. Für die Begriffe aus dem Referenzmodell wurde intellektuell in der BLL-Ontologie nach dem entsprechenden oder naheliegenden Eintrag gesucht. Um sicherzustellen, dass sich hinter identischen oder ähnlichen Bezeichnungen auch die gleichen Konzepte verbergen, wurden die Definition und die hierarchische Anordnung der einzelnen OLiA-Begriffe geprüft und mit denen der jeweiligen BLL-Klasse verglichen. Bei der Erstellung des BLL-OLiA-Linking wurde - wie bei allen anderen OLiA-Submodulen - OWL als formales Framework verwendet. Die Links zwischen den Ontologien wurden mittels subClassOf-Relationen realisiert, d. h. die zu verlinkende BLL-Klasse wurde der entsprechenden OLiA-Klasse untergeordnet. Dabei wurden sowohl Links zu atomaren als auch zu komplexen OLiA-Klassen hergestellt. 25 „Bei einem Mapping bleiben die beteiligten Begriffssysteme in ihrer Originalform bestehen. Es werden lediglich Querverbindungen, sogenannte Mappingrelationen, zwischen ihren Konzepten abgebildet und es wird von einem Vokabular auf das andere zugegriffen.“ (Dunckel 2017, S. 254 f.). Die Rolle des BLL - Thesaurus 229 Die Verknüpfungen zwischen der BLL-Klasse Appellativum und dem OLiA- Konzept CommonNoun sowie zwischen der BLL-Klasse Ordinaladjektiv und der OLiA-Klasse RelationalAdjective stellen Links zwischen atomaren Klassen dar. Aufgrund unterschiedlicher Konzeptualisierung und Granularität fanden manche BLL-Klassen jedoch kein eindeutiges Pendant im OLiA-Referenzmodell, sondern gleich mehrere Entsprechungen. Basierend auf der Schlagwort-Definition im BLL-Thesaurus ist z. B. die BLL-Klasse Wurzel (morph.) so konzipiert, dass sie sowohl die Wortwurzel (die nicht weiter zerlegbare Grundform eines Wortes) als auch den Wortstamm (den Bestandteil eines Wortes, der als Ausgangsbasis für die Flexion und Derivation dient) abdeckt. Im OLiA-Referenzmodell sind hingegen beide Kategorien repräsentiert und zwar durch die Klassen Root und Stem. Entsprechend wurde die Verknüpfung hier realisiert, indem die BLL-Klasse einer komplexen OLiA-Klasse, die die Disjunktion von Root und Stem darstellt, untergeordnet wurde. Mehrere BLL-Begriffe ohne Entsprechung zu einer atomaren OLiA-Klasse konnten in anderen Fällen mit einer komplexen OLiA-Klasse verknüpft werden, die die Schnittmenge zweier OLiA-Konzepte mittels owl: intersectionOf ausdrückt. So wurde bspw. die BLL-Klasse Adverbiales Adjektiv mit der Überlappung der OLiA-Kategorien Adjective und Adverbial verlinkt. Das BLL-OLiA-Linking enthält insgesamt 262 Verknüpfungen zwischen BLL- Klassen und OLiA-Begriffen. 4. Fazit und Ausblick Mit der Erstellung des BLL-OLiA-Linking ist eine Grundlage für die Realisierung einer LOD-basierten Suchfunktion im Linguistik-Portal entstanden. Die LLOD-Cloud wird zunächst nach Datensätzen durchsucht, die eine Verknüpfung mit dem OLiA-Referenzmodell aufweisen. Die Metadaten dieser Ressourcen werden unter Verwendung des BLL-OLiA-Linking mit BLL-Schlagwörtern angereichert und in das Linguistik-Portal importiert. Die LOD-basierte Suchfunktionalität ermöglicht einen zentralen Zugang zu den verteilten linguistischen Ressourcen in der Cloud. Durch die nahtlose Integration der Ergebnisse in den bestehenden Suchindex des Linguistik-Portals wird zudem ein niederschwelliger Zugriff auf LLOD-Ressourcen ermöglicht: Portalnutzer formulieren ihre Suchanfragen auf gewohnte Weise in der ihnen geläufigen Terminologie; die „Übersetzung“ der Suchbegriffe in das andere Vokabular findet im Hintergrund über die Verknüpfung der BLL- Schlagwörter zu OLiA statt. Vanya Dimitrova/ Heike Renner-Westermann 230 Die LOD-Edition des Thesaurus umfasst neben der SKOS-Version und der BLL-Ontologie auch den BLL-Index, eine Datei, die die Zuordnung der frei verfügbaren BLL-Titeldaten 26 zu den BLL-Schlagwörtern beinhaltet. Die Daten werden unter http: / / data.linguistik.de/ bll maschinenlesbar oder als Download zur Verfügung gestellt. 27 Die Veröffentlichung des BLL-Index ermöglicht dabei ein zweites Anwendungsszenario: ausgehend von linguistischen Ressourcen in der Cloud auf thematisch klassifizierte Publikationen im Linguistik-Portal zu verlinken. Die Dateien der LOD-Edition können je nach Bedarf für weitere Anwendungen eingesetzt werden. So können die SKOS-Version oder die BLL-Ontologie bspw. als Ausgangspunk für Mappings zu weiteren Vokabularien dienen. Gleichzeitig wird die Vernetzung des Portals mit LOD im laufenden Projekt weiter ausgebaut, indem die BLL-Sprachbezeichner formalisiert und mit passenden Repositorien verlinkt werden. Basierend auf dem Verfahren, das für die Bearbeitung der Thesaurus-Begriffe aus dem Bereich linguistische Metasprache entwickelt wurde, werden nun die Schlagwörter aus den Thesaurus- Zweigen Indoeuropäische Sprachen und Nicht-Indoeuropäische Sprachen in die BLL-Ontologie integriert und mit Lexvo (siehe de Melo 2015) und Glottolog (siehe Nordhoff/ Hammarström 2011), zwei frei verfügbaren Metadaten-Repositorien in der LLOD-Cloud, verlinkt. Die Vernetzung des Linguistik-Portals mit der LLOD-Cloud und insbesondere die Aufbereitung des BLL-Thesaurus für LOD liefern ein Beispiel dafür, wie die praktische Implementierung zentraler Ideen des Semantic Web funktionieren kann. Durch die Entwicklung des Semantic Web wurden verbale Dokumentationssprachen wiederentdeckt: Idee und Umsetzung des Konzepts „Linked Data“ ermöglichen, das volle Potenzial kontrollierter Vokabulare auszunutzen (Gastmayer/ Wannags/ Neubert 2016, S. 218). Eine formal und strukturell konsistente Modellierung der linguistischen Terminologie ist allerdings mit spezifischen Herausforderungen verbunden. Schwierigkeiten bereitet vor allem die Polysemie linguistischer Termini. Zudem verändern sich im Rahmen des fachlichen Diskurses oft die Inhalte und die Bezeichnungen der Begriffe. Eine umfassende Repräsentation des Fachgebiets ist daher nur durch kontinuierliche Pflege, Erweiterung und Anpassung des Vokabulars möglich. 26 Alle bibliografischen Einträge, die vor 2008 erschienen sind (ca. 360.000 Titeldaten), sind frei verfügbar. 27 Das BLL-OLiA-Linking wird getrennt gehostet und ist unter www.purl.org/ olia/ bll-link.rdf verfügbar. Die Rolle des BLL - Thesaurus 231 Literatur Bußmann, Hadumod (Hg.) (2002): Lexikon der Sprachwissenschaft. 3., aktual. u. erw. Aufl. Stuttgart: Kröner. Chiarcos, Christian/ Sukhareva, Maria (2015): OLiA - Ontologies of Linguistic Annotation. 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Nordhoff, Sebastian/ Hammarström, Harald (2011): Glottolog/ Langdoc: Defining dialects, languages, and language families as collections of resources. In: Proceedings of the First International Workshop on Linked Science 23.-24.10.2011. Bonn, S. 53-58. Pastor-Sanchez, Juan-Antonio/ Martinez, Francisco Javier/ Rodriguez-Muñoz, José Vicente (2009): Advantages of thesaurus representation using the Simple Knowledge Organization System (SKOS) compared with proposed alternatives. In: Information Research 14, 4. Veenstra, Tonjes (1993): Serial verb constructions, parameter settings and thematic restrictions on argument sharing. In: Linguistics in the Netherlands 10, 1, S. 153-164. Wood, Jim (2013): Parasitic participles in the syntax of verbal rather. In: Lingua 137, S. 59-87. STEFAN FALKE/ CHRISTIAN LANG LANIAKEA: ENTWICKLUNG EINES GRAPHENTHEORETISCHEN ANALYSETOOLS ZUR ÜBERARBEITUNG DER TERMINOLOGIE - KOMPONENTE IN GRAMMIS Abstract: Gegenstand dieses Beitrags ist die Entwicklung des graphentheoretischen Analysetools Laniakea, das zur Visualisierung von Phänomenen und Veränderungen in terminologischen Netzwerken entwickelt wurde. Wir führen theoretische Grundlagen, Designentscheidungen und technische Details der Implementierung des Tools aus. Darüber hinaus wird auch eine Beschreibung von Erfahrungen im Fokus des Beitrages stehen, die bei der Anwendung von Laniakea bei der Überarbeitung der terminologischen Ressourcen des Grammatischen Informationssystems grammis, gesammelt wurden. Keywords: Terminologie, Visualisierung, Graphentheoretische Analyse, Deutsche Grammatik 1. Einleitung Visualisierungen, also die graphische Repräsentation von Daten und Datenstrukturen, sind mit dem Aufkommen immer leistungsfähigerer Computer auch für große Datenmengen möglich geworden und können sogar interaktiv gestaltet werden. Nach Einschätzung von Ware (2012) können interaktive Visualisierungen als Schnittstelle zwischen umfassenden Informationsressourcen einerseits und dem visuellen System des Menschen andererseits dienen und so einen kognitiv adäquaten Zugang zu komplexen Daten bieten, immer vorausgesetzt, die Daten werden entsprechend gut aufbereitet (ebd., S. 2). Überdies, so Ware weiter, lassen Visualisierungen auch etwaige Probleme innerhalb der Daten offensichtlich werden (ebd., S. 3). Vor diesem Hintergrund beschreiben wir in diesem Beitrag die Entwicklung des graphentheoretischen Analysetools Laniakea, das am Leibniz-Institut für Deutsche Sprache, Mannheim (IDS) entwickelt wurde. Das Tool visualisiert sowohl Begriffsstrukturen als auch Strukturen, die durch Verlinkungen zwischen Hypertexten entstehen. Es wurde entwickelt, um die Autor/ innen bei der inhaltlichen Überarbeitung und Weiterentwicklung der Wissenschaftlichen Terminologie, der Terminologiekomponente von grammis, 1 zu unterstützen. grammis ist ein Online-Informationssystem zur deutschen Grammatik und bündelt auf über 3.000 Webseiten Informationen und Ressourcen zu unterschiedlichen Aspekten dieses Themas (Schneider/ Schwinn 2014). 1 https: / / grammis.ids-mannheim.de, siehe auch Schneider/ Schwinn (2014). DOI 10.2357/ 9783823392934 SDS 82 (2020) Stefan Falke/ Christian Lang 234 Der Verlauf dieses Beitrages gliedert sich wie folgt: Abschnitt 2 gibt einen Überblick über den Einsatz von Visualisierungen im Bereich Terminologien und Wortnetze und stellt graphentheoretische Grundlagen dar. In Abschnitt 3 folgt eine kurze Darstellung der Wissenschaftlichen Terminologie mit einem Fokus auf den beiden unterschiedlichen visualisierbaren Netzstrukturen der Ressource. Abschnitt 4 beschreibt dann die Umsetzung von Laniakea. In Abschnitt 5 folgen Erfahrungen, die im Laufe der Anwendung von Laniakea bei der Überarbeitung der Terminologiekomponente von grammis gesammelt wurden, bevor in Abschnitt 6 das Fazit und ein Ausblick auf weitere Entwicklungen den Beitrag abschließen. 2. Theoretischer Hintergrund 2.1 Einsatz von Visualisierungen Laniakea wird bei der inhaltlichen Überarbeitung der Terminologiekomponente von grammis eingesetzt. Eine Terminologie ist definiert als der „Gesamtbestand der Begriffe […] und ihrer Bezeichnungen […] in einem Fachgebiet“ (DIN 2342: 2011-08, S. 16). Diese Begriffe können in einem Begriffssystem zueinander in Beziehung gesetzt werden. 2 Der Einsatz von Visualisierungstechniken zur Darstellung von Begriffssystemen ist - zumindest in der Theorie - bedeutender Bestandteil von Terminologiearbeit. Entsprechend finden Visualisierungstechniken Anwendung für die Darstellung des terminologischen Inventars unterschiedlicher Fachrichtungen, bspw. Rechtswissenschaften (Culy/ Chiocchetti/ Ralli 2013), Anatomie (Momota/ Ohtsuka 2018) und Verhaltensanalyse (Critchfield 2017). Darüber hinaus finden sich auch einige Tools für Terminologiemanagement mit Visualisierungsfunktion 3 wie bspw. Coreon 4 oder auch Termweb. 5 Auch für die Überarbeitung der terminologischen Komponente von grammis wurde bereits ein Visualisierungstool entwickelt und eingesetzt (Suchowolec/ Lang/ Schneider 2018), dieses ist allerdings nur auf Ebene der Begriffsstruktur einsetzbar (vgl. Abschnitt 3). Visualisierungen stehen darüber hinaus in der Darstellung von Lexika und Wortnetzen wie dem WordNet (Miller 1995) im Fokus der Forschung. Bei der Visualisierung von Wortnetzen geht es einerseits um die Navigierbarkeit innerhalb eines Wortnetzes wie bei der Entwicklung des WordNet-Explorers 2 DIN 2342: 2011-08 definiert Begriffssystem als „Menge von Begriffen […] eines Begriffsfeldes […], die entsprechend den Begriffsbeziehungen […] geordnet sind.“ (S. 7). 3 Siehe aber Drewer/ Massion/ Pulitano, die auf einen Mangel an „Tools für die […] grafische Visualisierung“ (Drewer/ Massion/ Pulitano, 2017, S. 21) hinweisen. 4 https: / / coreon.com. 5 www.interverbumtech.de. Laniakea 235 (Collins 2006). Andererseits sollen große Datenmengen wie das WordNet dadurch zugänglicher gemacht werden (Caldarola/ Picariello/ Rinaldi 2015). Generell ist eine tabellarische Auflistung im Fall komplexer Datenstrukturen, in denen die Begriffe untereinander über mehrere Relationen verbunden sein können, schnell unübersichtlich. Dies gilt umso mehr für polyhierarchische Strukturen, also Strukturen, in denen Knoten über mehrere Mutterknoten verfügen können. Eine Visualisierung als Graph zeigt gegenüber einer tabellarischen Darstellung deutliche Vorteile, was die Lesbarkeit, Verständlichkeit und den Zugang zu diesen Daten angeht (Katifori et al. 2007; Keim et al. (Hg.) 2010). Voraussetzung dafür ist allerdings, dass die Visualisierung bestimmte Kriterien erfüllt. Shneiderman hat entsprechende Forderungen formuliert, bei deren Einhaltung die Informationsvisualisierung auch großer Datenmengen für den Anwender von Nutzen ist. Diese Forderungen lauten „Overview first, zoom and filter, then details-on-demand“ (Shneiderman 2003, S. 337). Overview (‘Überblick’) meint die Möglichkeit, sich einen Gesamtüberblick über alle Datenpunkte zu verschaffen. Diese sollen zunächst in einer Ansicht komplett dargestellt werden. Mittels einer Zoom-Funktion kann sich der Nutzer einzelne Datenpunkte näher in den Fokus holen. Über Filter soll es möglich sein, die dargestellten Informationen einzuschränken und nur Daten anzuzeigen, die gewisse Eigenschaften erfüllen. Details-on-demand (‘Details bei Bedarf’) bedeutet, detailliertere Informationen zu bestimmten Datenpunkten einblenden zu können, wenn diese erwünscht sind, dies kann bspw. mittels Tooltips, also kleiner Fenster, die beim Überfahren mit der Maus erscheinen, realisiert werden. Da Terminologien deutliche Ähnlichkeiten zu Computernetzwerken aufweisen (Garrido/ Gutierrez 2016; Polguère 2014), können sie entsprechend formal dargestellt werden. Die einzelnen Begriffe werden als Knoten angesehen, die Beziehungen dieser Begriffe zueinander werden als Kanten dargestellt (Hypo-/ Hyperonyme etc.). Sie können daher als Graph visualisiert werden. Graphen sind definiert als eine Menge aus Knoten, die durch Kanten miteinander verbunden sind, und werden beschrieben mit G = (V, E) (Newman 2003). Wobei V = [v 1 , v 2 , v 3 , … , v n ] für eine endliche Anzahl an Knoten (engl. vertices) und E = [e 1 , e 2 , e 3 , … , e n ] für eine endliche Anzahl an Kanten (engl. edges) steht. Die Kanten können dabei eine Richtung vorgeben, bspw. e n → e n + 1 , d. h., Knoten e n ist der Vorgänger von Knoten e n + 1 . Analog wird Knoten e n + 1 Nachfolger von Knoten e n genannt. Da die Kanten in diesem Fall gerichtet sind, spricht man auch von einem gerichteten Graphen (siehe Abbildung 1a) (Struckmann/ Wätjen 2016). Gerichtete Graphen werden verwendet, um die Richtung einer Beziehung, wie z. B. bei Kommunikationsrichtungen, Stefan Falke/ Christian Lang 236 darzustellen. Ungerichtete Graphen zeichnen sich dadurch aus, dass die Kanten keine Richtung vorgeben, sondern eine beidseitige Beziehung zwischen zwei Knoten darstellen (siehe Abbildung 1b). a b Abb. 1: Graphenstrukturen (eigene Darstellung) 2.2 Graphenanalyse Sollen zwei Graphen miteinander verglichen werden, ist dies aufgrund der Visualisierung alleine nicht immer einfach. Einige quantitative Eigenschaften, die den Graphen charakterisieren, können in einer visuellen Darstellung nur schwer erfasst werden. Diese sind aber nötig, um grundlegende strukturelle Charakteristika eines Graphen zu erhalten. So gibt die Anzahl der Knoten Auskunft über die Größe des Graphen. Die Anzahl der Kanten hingegen gibt einen Eindruck der Vernetzung des gesamten Graphen und auch einzelner Knoten. Die Dichte ist hierbei das Verhältnis der Anzahl aller Kanten, die in diesem Graphen möglich sind, zu deren tatsächlicher Anzahl. Je dichter ein Graph ist, desto geringer ist seine mittlere Weglänge, also die durchschnittliche Anzahl an Schritten, die nötig sind, um von einem zufällig gewählten Knoten zu einem anderen zufällig gewählten Knoten zu gelangen (Newman 2003, S. 171). In gerichteten Graphen sind außerdem zwei Arten von Knoten zu unterscheiden: Hubs und Authorities. Authorities sind Knoten, die zu einem bestimmten Thema Informationen bereitstellen. Hubs hingegen sind Knoten, die auf diese Authorities verweisen und dadurch Authorities zu einem bestimmten Thema bündeln (Kleinberg 1999, S. 606ff.). Um Knoten nach der Anzahl und Wichtigkeit ihrer Verlinkungen einzustufen, stellt der PageRank-Algorithmus eine Möglichkeit des Rankings dar (Page et al. 1999). Entscheidend ist hierbei, wie viele eingehende Links auf einen Knoten gerichtet sind und ob diese Links wiederum von Knoten kommen, die ihrerseits selbst über einen hohen PageRank-Wert verfügen. Eine weitere wichtige Kennzahl für Netzwerke ist die Transitivität (auch als Clusterkoeffi- Laniakea 237 zient bezeichnet). Wenn eine gerichtete Kante von einem Knoten v n auf einen Nachfolger-Knoten v n + 1 und von diesem wiederum eine gerichtete Kante auf den Nachfolger v n + 2 zeigt, also v n → v n + 1 → v n + 2 , dann gibt die Transitivität die Wahrscheinlichkeit an, mit der dann auch eine gerichtete Kante von Knoten v n zu Knoten v n + 2 existiert, also v n → v n + 2 (Watts/ Strogatz 1998). Diese Eigenschaften sollten in einer Visualisierung dem Nutzer bei Bedarf zugänglich gemacht werden, um genauere Beurteilungen bestimmter Ausschnitte zu ermöglichen. 3. Die Terminologie - Komponente in grammis 3.1 Überblick Eine der zentralen Funktionen der Wissenschaftlichen Terminologie besteht darin, den Benutzerinnen und Benutzern von grammis als Nachschlageressource zu dienen. Über die entsprechende Rubrik Wissenschaftliche Terminologie kann auf der grammis-Webseite ein Wörterbuch angesteuert werden, in dem über eine alphabetisch geordnete Lemmaliste kurze Erläuterungstexte zu Begriffen deutscher Grammatik abgerufen werden können. Darüber hinaus finden sich in den Texten der übrigen grammis-Komponenten Verbindungen in das Wörterbuch in der Form von Hyperlinks, die bei der Erstellung des Textes von den Autor/ innen auf die entsprechenden Termini gesetzt wurden. Ein Klick auf diese Links öffnet den entsprechenden Erläuterungstext in einem Modalfenster. Dies sind Fenster, die sich über der Webseite öffnen, so dass beim Schließen dieses Fensters die ursprünglich gewählte Seite wieder angezeigt wird. Die Wörterbuchkomponente ist dabei jedoch nur ein Teil eines komplexeren Begriffssystems. Dieses ist in seiner heutigen Form das Ergebnis einer umfassenden methodisch-infrastrukturellen Überarbeitung, im Zuge derer ehemals separate terminologische Ressourcen in einer gemeinsamen Ressource zusammengeführt wurden. Diese vereint sowohl Begriffsrelationen als auch die Beschreibungstexte der Wörterbuchkomponente in einem System und zwar dergestalt, dass die Erläuterungstexte eines der Attribute sind, die einem Begriff im Begriffssystem zugewiesen werden können (vgl. Suchowolec et al. (2017) für eine umfassendere Darstellung des Überarbeitungsprozesses). Über die Funktion als Nachschlageressource hinaus fungiert die Wissenschaftliche Terminologie als Wissensorganisationssystem im Sinne von Mazzocchi (2017) und wird beispielsweise zur Synonymdisambiguisierung sowie zur Unterstützung des Suchalgorithmus verwendet (vgl. dazu auch Suchowolec/ Lang/ Schneider 2018). In Anlehnung an lexikographische Terminologie nennen wir die kodierten Begriffsrelationen Makrostruktur, wohingegen wir auf die Struktur der Erläuterungstexte mit dem Terminus Mikrostruktur referieren. Stefan Falke/ Christian Lang 238 Die Erläuterungstexte sind untereinander durch Hyperlinks verknüpft. Diese Verlinkungen werden bei der Texterstellung oder -überarbeitung von den Autoren und Autorinnen händisch vorgenommen. Insgesamt ergeben sich also zwei Vernetzungsstrukturen. Zum einen das Begriffssystem an sich, in dem Relationen zwischen Begriffen abgebildet sind. Zum anderen die Vernetzung der Erläuterungstexte untereinander. Diese beiden Vernetzungsstrukturen sind prinzipiell nicht deckungsgleich, wie Abbildung 2 anhand nicht weiter konkretisierter Begriffe und deren assoziierter Erläuterungstexte illustriert. Abb. 2: Illustration von Makro - und Mikrostrukturvernetzungen, gestrichelte Linien symbolisieren Verlinkungen auf Mikrostrukturebene, durchgezogene Linien symbolisieren Begriffsbeziehungen auf Makrostrukturebene 3.2 Die Überarbeitung der Wissenschaftlichen Terminologie - Anforderungen Die Wissenschaftliche Terminologie befindet sich naturgemäß in einem permanenten inhaltlichen Überarbeitungsprozess. Dieser Prozess betrifft sowohl die Erläuterungstexte und deren Vernetzung untereinander als auch das Begriffssystem, also die Makrostruktur. Der inhaltlichen Revision kommt insbesondere deshalb besondere Wichtigkeit zu, da Erläuterungstexte und Begriffssystem ursprünglich disjunkte und teilweise disparate Ressourcen waren, ehe sie im Zuge der methodischinfrastrukturellen Überarbeitung zusammengeführt wurden. Die Autor/ innen müssen sich also im Revisionsprozess mit Vernetzungen auf sowohl der Laniakea 239 mikrostrukturellen als auch der makrostrukturellen Ebene befassen und sollten idealerweise leichten Zugriff auf beide Strukturen haben. Über eine separate Darstellung von Makro- und Mikrostrukturvernetzung hinaus ist die Möglichkeit einer Gegenüberstellung beider Strukturen wünschenswert, da sich aus der makrostrukturellen Vernetzung Hinweise auf die Verlinkung der Erläuterungstexte gewinnen lassen. Dies gilt umso mehr, da wir bei der Revision der Wissenschaftlichen Terminologie theoretischen Ansätzen der Terminologielehre folgen, die vom Primat der Begriffsstruktur (Makrostruktur) ausgehen und einen Begriff stets in seiner struktureller Umgebung betrachten (Suchowolec 2018). Das bedeutet, dass im Überarbeitungsprozess stets ein konzeptionelles Feld und nicht ein einzelner Begriff im Fokus steht. Folglich steht eine Überprüfung bzw. Überarbeitung der Makrostruktur am Anfang des Prozesses, die Erstellung, Bearbeitung und Verlinkung der Erläuterungstexte (Mikrostruktur) orientiert sich dann an der Makrostruktur (vgl. Suchowolec/ Lang/ Schneider 2018). 6 Entsprechend den Ausführungen von Drewer/ Massion/ Pulitano (2017, S. 18) sind hierbei vornehmlich die hierarchischen Beziehungen von Wichtigkeit, weniger die nichthierarchischen Assoziativbeziehungen. Hinsichtlich der makrostrukturellen Vernetzung ist ein visueller Zugang bereits mithilfe eines Visualisierungstools möglich, das einen umfassenden und stark parametrisierbaren visuellen Zugang zur Makrostruktur bereitstellt (für eine ausführlichere Darstellung dieses Tools siehe Lang/ Schwinn/ Suchowolec 2018; Suchowolec/ Lang/ Schneider 2018). Ein vergleichbarer Zugang zur mikrostrukturellen Vernetzung war jedoch bislang nicht gegeben und demzufolge auch keine Möglichkeit eines Vergleichs beider Vernetzungsstrukturen. Um einen einfachen Zugang zu Makro-, Mikrostrukturvernetzung und deren Vergleich zu gewährleisten, wurde zur Unterstützung der Autor/ innen bei der Überarbeitung von Makro- und Mikrostruktur das graphentheoretische Analysetool Laniakea entwickelt. Die Informationsvisualisierung dient dabei mehreren Zielen, unter anderem der Qualitätssicherung und dem schnellen Zugriff auf große Datenmengen (Ware 2012). Zentrale Funktionen sind hierbei der Zugriff auf die mikrostrukturelle Vernetzung und die Möglichkeit, Mikro- und Makrostruktur gegenüber zu stellen sowie den Status quo mit dem Status quo ante zu vergleichen. Darüber hinaus werden einige graphentheoretische Analysen durchgeführt. Graphentheoretische Ansätze finden bereits in funktional ähnlichen Kontexten Anwendung, um Strukturen in komplexen Wissenssystemen aufzudecken (Mehler 2008, 2017; Watts/ Strogatz 1998). Ein solches Tool wird unserem Wissen nach erstmals im Kon- 6 Dies soll nicht bedeuten, dass eine 1 : 1-Abbildung der Makroin der Mikrostrukturvernetzung angestrebt wird, vgl. Abschnitt 5. Stefan Falke/ Christian Lang 240 text der linguistischen Terminologie eingesetzt. Im Folgenden wird auf Makro- und Mikrostruktur hinsichtlich ihrer technischen Eigenschaften näher eingegangen. 3.3 Makrostruktur Die Makrostruktur wird durch die Vernetzung der einzelnen Begriffe der terminologischen Ressource gebildet, wie diese in der Datenbank hinterlegt ist (siehe Abbildung 3). Dabei gibt es eine Tabelle, in der alle Begriffe hinterlegt sind (MaoConcepts). Alle Begriffe sind einem sog. Termset (Schneider 2007) zugeordnet (MaoTermsets), dabei können mehrere Begriffe zu demselben Termset gehören. In Abbildung 3 ist dies dargestellt durch die 1 : n-Beziehung, ein Begriff ist zwingend einem Termset zugewiesen, wohingegen ein Termset keinen bis n Begriffe beinhalten kann. Die ID des Termsets wird dabei in der Tabelle der Begriffe in der Spalte termset_id abgelegt. Die Termsets untereinander sind über hierarchische Relationen oder nichthierarchische Assoziativbeziehungen miteinander verknüpft in der Form von Abstraktionsziehungen (Oberbegriffe/ Unterbegriffe; BT, broader term), in der Form von partitiven Relationen (Holonyme/ Meronyme; BTP, broader term partitive), also in einer Teil-Ganzes-Beziehung, und in der Form von nichthierarchischen Assoziativbeziehungen (RT, related term). Jede dieser Relationen wird in einer eigenen Tabelle abgebildet. So gibt es eine Tabelle für die Hypo-/ Hyperonyme (TermsetsBts), eine für die Holo-/ Meronyme (TermsetsBtps) und eine für nicht-hierarchische Assoziativbeziehungen (Termsets- Rts) (siehe Abbildung 3). So kann ein Termset in der Tabelle der jeweiligen Relation gar nicht oder n-mal vorkommen. Die ID des Termsets wird dabei in der entsprechenden Tabelle in der Spalte mao_termset_id abgelegt. Die ID des Termsets, auf das gezeigt wird, wird in der entsprechenden Spalte (z. B. mao_termsetbt_id) abgelegt. Durch diese Verlinkung ist es möglich, einen gerichteten Graphen zu erstellen. Die Tabellen mit den aktuellen Daten werden für die Auswertung in eine Analyseumgebung gespiegelt. Einerseits werden hier nur die relevanten Daten übernommen, andererseits werden so die Zugriffe auf die Live-Datenbank gering gehalten. Um einen Vergleich mit dem Status vor der Überarbeitung zu gewährleisten, wurden zu einem festgelegten Zeitpunkt vor der Überarbeitung historische Daten aus der Datenbank extrahiert und in einer identischen Tabellenstruktur abgelegt. Diese Tabellen erlauben nur noch Lesezugriff, damit die Daten nicht versehentlich überschrieben werden. Die Tabellenstruktur der historischen Daten ist identisch mit der Struktur der Live-Daten, lediglich die Tabellennamen unterscheiden sich in ihrem Präfix, diese haben das Präfix Mao Laniakea 241 (MAcro Old) vor dem Tabellennamen. Während die Live-Daten das Präfix Man (MAcro New) verwenden. Abb. 3: Relationen der Makrostruktur 3.4 Mikrostruktur Die mikrostrukturellen Erklärungstexte für jeden Begriff liegen in grammis als eigene Webseiten vor. Ihnen liegt ein Datenbankeintrag zugrunde, der diesen Text als XML-Datensatz vorhält. Beim Generieren der Webseite wird dieser mittels XSL-Transformation in HTML transformiert. In diesen Erklärungstexten finden sich Kurzdefinitionen, Erläuterungen, Korpusbelege etc. zu jedem Begriff. Andere Begriffe, auf die in diesen Texten Bezug genommen wird, sind mittels Hyperlinks verknüpft. Da es keine explizite Abbildung der makrostrukturellen Vernetzung in einem mikrostrukturellen Erklärungstext gibt (z. B. eine automatisch aus der Datenbank generierte Linkliste), müssen die Autor/ innen beim Erstellen der Erläuterungen diese Vernetzung präsent haben und, falls gewünscht, im Text entsprechend hinterlegen. Die Verlinkung geht dabei immer in eine Richtung, von dem Text in dem sich der Link befindet, zu dem im Link verwiesenen Text. Eine Verlinkung in die andere Richtung wird dabei nicht automatisch gesetzt, sondern muss bei Bedarf vom Autor vorgenommen werden. So bilden die mikrostrukturellen Texte einen gerichteten Graphen, bei dem jeder Text ein Knoten ist und die Links darin die gerichteten Kanten bilden. Über einen Datenbank-Crawler können alle Links innerhalb der Erklärungstexte auf andere Datensätze extrahiert werden. Dadurch wird der aktuelle Stand (vor der Überarbeitung) extrahiert und in einer eigenen Tabelle ge- Stefan Falke/ Christian Lang 242 sichert. Der Crawler speichert lediglich die ID des aktuellen Datensatzes und die in dem zugehörigen Text hinterlegten IDs der Datensätze, die verlinkt sind. Die Crawl-Tabelle (MinEdges) besteht zunächst aus zwei Spalten source_concept_id und target_concept_id. Wobei source_concept_id die ID des Datensatzes enthält, der den Link in sich trägt, und target_concept_id das Linkziel darstellt, also der Datensatz ist, der mit dem ersten verknüpft ist. Diese Tabelle wird dann um die Bezeichnungen der verlinkten Begriffe erweitert, indem diese Daten aus der Begriffstabelle extrahiert werden. Die Bezeichnungen der Begriffe werden in den Spalten source_concept_name und target_concept_name abgelegt. Aus dieser Tabelle lassen sich sämtliche eindeutigen Begriffe extrahieren und in einer eigenen Tabelle ablegen. Diese ist über eine 1-n-Beziehung mit der Tabelle MinEdges verknüpft (siehe Abbildung 4). Die in der Tabelle MinEdges abgelegten Relationen sind gerichtet. Dies soll in der Visualisierung repräsentiert sein, so dass der Autor erkennen kann, ob und in welche Richtung zwei Texte miteinander verknüpft sind. Für die Betrachtung der aktuellen Daten wird der Crawler jedesmal angestoßen, sobald ein Datensatz geändert wird. Es werden ausschließlich die Verlinkungen der geänderten Datensätze neu extrahiert. Alle anderen Verlinkungen bleiben bestehen. Abb. 4: Relationen der Mikrostruktur Auch für die Mikrostruktur werden für den Vergleich mit dem aktuellen Überarbeitungsstand die historischen Daten vor der Überarbeitung herangezogen. Diese sind in einer identischen Tabellenstruktur vorgehalten. Die Tabellen sind durch ausschließlichen Lesezugriff vor Veränderungen geschützt und unterscheiden sich lediglich im Tabellenpräfix, das in diesem Fall Mio (MIcro Old) lautet. 4. Laniakea Das Autorentool Laniakea unterstützt die Autor/ innen dabei, während der Bearbeitung eines Begriffes der Terminologie den Überblick über dessen Vernetzung zu behalten. Dazu visualisiert es die Makro- und Mikrostruktur dieses Laniakea 243 Begriffes. Laniakea ist als eigene Webapplikation basierend auf dem PHP- MVC-Framework CakePHP (Cake Software Foundation, Inc. 2017) konzipiert. Die Visualisierung wird mittels der auf D3 basierenden JavaScript Library Vis.js (Almende B. V. 2018) realisiert. Abb. 5: Übersichtsseite Laniakea In einer 4-Felder-Matrix werden die Makro- und Mikrostruktur zeilenweise nebeneinander gestellt (siehe Abbildung 5). In der oberen Zeile befindet sich der aktuelle Stand der Überarbeitung, in der unteren Zeile der Stand vor der Überarbeitung. Stefan Falke/ Christian Lang 244 Über ein Suchfeld lassen sich Informationen über einen Begriff recherchieren. Beim Eintippen von mindestens drei Buchstaben öffnet sich eine Vorschlagsliste, aus der ein Vorschlag ausgewählt werden kann. Anschließend wird die Vernetzung dieses Begriffes aus der Datenbank extrahiert und angezeigt. Unterhalb des Suchfeldes befinden sich vier Checkboxen, über diese können die darzustellenden Strukturen gewählt werden. Mittels dreier Auswahlfelder ist es möglich, die Darstellung der Relationen für die Visualisierung der Makrostruktur zu wählen, also Hypo-/ Hypero nyme (BT), Holo-/ Meronyme (BTP) oder nicht-hierarchische Assoziativbeziehungen (RT). Letztere sind aufgrund der Übersichtlichkeit standardmäßig ausgeblendet. Dies erfüllt das Kriterium Filter (siehe Abschnitt 2.1). Dabei ist jede beliebige Kombination möglich. Für die Visualisierung der Mikrostruktur steht eine Auswahl der zu zeichnenden Kanten zur Verfügung: vom gewählten Hauptknoten eingehende, ausgehende und wahlweise noch die Kanten zwischen den Nachbarn. Über mehrere Checkboxen können in der Mikrostruktur Knoten einbzw. ausgeblendet werden, die über einbzw. ausgehende Kanten mit dem Hauptknoten verbunden sind. Die Makrostruktur wird als hierarchischer Baum dargestellt, während die Mikrostruktur als Netz dargestellt wird. In beiden Strukturen ist der zentrale Knoten in rot 7 dargestellt ebenso wie alle Kanten, die von diesem Knoten ausgehen. Die Nachbarknoten sowie die eingehenden Kanten und diejenigen der Nachbarn untereinander werden in grün 8 dargestellt. Bei einem Klick auf einen Knoten werden alle von ihm aus- und eingehende Kanten hervorgehoben. Unter der Visualisierung befinden sich drei Schaltflächen: Analysedaten, Abdeckung und Größere Ansicht. Die Schaltfläche Analysedaten öffnet eine Box unterhalb der Visualisierung, die verschiedene Analysedaten bereithält, wie die Anzahl der Knoten und Nachbarn in dieser Darstellung, außerdem die Anzahl an Kanten zwischen den Nachbarn des gewählten Begriffs, die mittlere Weglänge, die Dichte sowie den globalen Clusterkoeffizienten. Darunter befindet sich eine Tabelle über alle Knoten mit den Werten für Authority, Hub und PageRank. Die Tabelle ist durchsuchbar und spaltenweise sortierbar. Diese Daten dienen dazu, einen schnellen Überblick über die wichtigsten Daten des visualisierten Graphen zu liefern. Die Schaltfläche Abdeckung öffnet ebenfalls eine Box unterhalb der Darstellung und zeigt dort diejenigen Begriffe an, die bspw. in der Makrostruktur (neu) vernetzt sind, in der Mikrostruktur (neu) allerdings nicht. So wird auf 7 In Abbildung 5 als dunkelgrauer Knoten dargestellt. 8 In Abbildung 5 als hellgrauer Knoten dargestellt. Laniakea 245 einen Blick ersichtlich, welche Begriffe in der jeweils zugehörigen Struktur vernetzt sind und welche nicht. Die Abdeckung wird nur angezeigt, wenn beide Strukturen eines Standes (alt oder neu) ausgewählt sind. Es ist außerdem möglich, die Visualisierung zu vergrößern (Kriterium Zoom, siehe Abschnitt 2.1). Dies ist auf zwei Arten möglich: Die Schaltfläche Größere Ansicht unterhalb der Visualisierung verdoppelt die Höhe und Breite des Visualisierungscontainers. Es besteht aber auch die Möglichkeit, innerhalb der Visualisierung durch Drehen des Mausrades das Netz zu vergrößern oder zu verkleinern. Lanikea folgt dem „overview first, zoom and filter, details on demand“-Modell von Shneiderman (Shneiderman 2003, S. 337), d. h. zunächst werden die gewählten Strukturen in ihrer Gesamtheit dargestellt. Overview ist in diesem Fall nur als Überblick über die Vernetzung eines einzelnen Begriffs zu sehen. Eine Darstellung aller Begriffe und ihrer Vernetzung würde zu unübersichtlich sein. Über Zoom- und Filter-Funktionen lässt sich die Darstellung auf die Ausschnitte beschränken, die für die jeweilige Fragestellung benötigt werden. Die Zoom-Funktion vergrößert derzeit nur die Darstellung des Netzes. Eine Zoom-Funktion in dem Sinne, dass in das gesamte Netz hinein- und herausgezoomt werden kann, also mehr oder weniger Knoten angezeigt werden, ist derzeit nicht realisiert. Die Filter-Funktionen sind derart umgesetzt, dass sich Nachbarknoten und Kanten ein- und ausblenden lassen. 5. Anwendungserfahrungen Im Folgenden werden Anwendungsfälle dargestellt, die illustrieren, wie das graphentheoretische Tool Laniakea bei der inhaltlichen Überarbeitung der Wissenschaftlichen Terminologie als unterstützendes Hilfsmittel eingesetzt werden kann. Der Umstand, dass die Makrostruktur als Orientierungspunkt bei der Revision bzw. Erstellung von Erläuterungstexten fungiert (vgl. Abschnitt 3.2), ist keinesfalls gleichbedeutend mit dem Bestreben, diese direkt in der Vernetzung der Texte abzubilden. Wenn ein Begriff in der Makrostruktur vor allem aus Modellierungsgründen zum Zweck einer fein granulierten Strukturierung der Daten eingeführt wird, muss es sich dabei nicht zwangsweise um einen linguistischen Terminus handeln, der in einem Erläuterungstext ausgeführt wird. Ein Beispiel dafür ist der in Abbildung 7 auftretende Begriff Grundelemente des uniformen Modells: Mithilfe des uniformen Modells lassen sich Sätze in sog. topologische Felder einteilen: Vorfeld, Mittelfeld und Nachfeld. Diese sind auch als Grundelemente des Modells bekannt. Darüber hinaus existieren (je nach theoretischer Prägung) zusätzliche Erweiterungen des Modells wie beispielsweise das linke Außenfeld etc. In der Makrostruktur wird der Unter- Stefan Falke/ Christian Lang 246 scheidung zwischen Grundelementen und Erweiterungen des Modells Rechnung getragen. Jedoch schlägt sich die Differenzierung nicht in einem eigenen Erläuterungstext für Grundelemente und Erweiterungen des Uniformen Modells nieder. Vielmehr wird im Erläuterungstext bspw. des Vorfeldes darauf hingewiesen, dass es sich dabei um ein Grundelement des uniformen Modells handelt, während im Erläuterungstext zum linken Außenfeld darauf hingewiesen wird, dass es sich um eine Erweiterung des uniformen Modells handelt. In beiden Fällen erfolgt eine Verlinkung zum Erläuterungstext des uniformen Modells. Außerdem: Umgekehrt existieren mikrostrukturelle Relationen, die auf makrostruktureller Ebene nicht erwünscht sind. Dies gilt vornehmlich für Relationen zwischen Kohyponymen, die auf makrostruktureller Ebene redundant (und bspw. nach SKOS-Kriterien ein Qualitätsproblem darstellen), 9 auf mikrostruktureller Ebene hingegen aus Gründen der Verdeutlichung bisweilen erwünscht sind. Ein Beispiel für einen solchen Fall ist das Verhältnis von linker Satzklammer und rechter Satzklammer. Während in letztgenannter ausschließlich verbale Elemente (inkl. Verbpartikeln) auftreten können, gilt dies für die erstgenannte nicht. Dieser Umstand ist so bedeutsam, dass in den entsprechenden Erläuterungstexten darauf hingewiesen wird und die Erläuterungstexte untereinander verlinkt sind. Das heißt: Mikrostrukturell sind die beiden Erläuterungstexte miteinander vernetzt. Auf makrostruktureller Ebene hingegen sind beide Begriffe als Unterbegriffe desselben Mutterknotens, nämlich Satzklammer, modelliert. Eine direkte Relation zwischen linker Satzklammer und rechter Satzklammer als Kohyponyme ist aus oben genannten Gründen also nicht erwünscht. Auch wenn es nicht unser Anspruch ist, dass jede (hierarchische) Relation der Makrostruktur ihren Niederschlag in der Vernetzung der Texte findet, erfüllt die Makrostruktur doch eine wertvolle Orientierungsfunktion für die Überarbeitung und Verlinkung der Erläuterungstexte untereinander wie das folgende Beispiel zeigt. 5.1 Vollständigkeit mikrostruktureller (und makrostruktureller) Vernetzung Im Rahmen des Handbuchs der deutschen Konnektoren (Pasch et al. 2003) werden die Begriffe Vorerstposition und Nacherstposition als Positionen im Inneren des Vorfeldes beschrieben, also als Meronyme des Holonyms Vorfeld. Eine Betrachtung der Makrostruktur vor der inhaltlichen Überarbeitung (siehe das rechte Panel in Abbildung 6) zeigt, dass von diesen beiden nur eines, nämlich die Nacherstposition, makrostrukturell repräsentiert war. 9 Siehe bspw. https: / / github.com/ cmader/ qSKOS/ wiki/ Quality-Issues#Valueless_Associative_ Relations (Stand: 13. 6. 2019). Laniakea 247 Abb. 6: Gegenüberstellung Makrostruktur und Mikrostrukturvernetzung vor der Revision für den Begriff Vorfeld. Basis für die Makrostruktur und damit den Abgleich sind nur die hierarchischen Relationen. Die Mikrostruktur enthält ausgehende und eingehende Links sowie Verlinkungen der Nachbarknoten unter einander 10 Das linke Panel in Abbildung 6 zeigt unter dem Rubrum Abdeckung, welche der unmittelbar mit Vorfeld verbundenen Knoten auf Makrostrukturebene keine Entsprechung in der mikrostrukturellen Vernetzung haben (siehe die Hervorhebung durch das Rechteck). Es zeigt sich, dass vor der Überarbeitung keine Hyperlinks im Eintrag zu Vorfeld zu einem entsprechenden Eintrag zum Begriff Nacherstposition leiteten, obwohl ein solcher Wörterbucheintrag im System vorhanden war. 11 Das bedeutet, dass im Hinblick auf das Verhältnis von Vorfeld und Nacherstposition die Vernetzung in der Makrostruktur keine Entsprechung in der Mikrostrukturvernetzung hatte. Abgesehen davon, dass es Fälle gibt, in denen bewusst eine Entscheidung gegen die Erstellung eines Erläuterungstextes zu einem Begriff (und damit automatisch gegen eine mi- 10 Ein weiteres Problem, das im Laufe der Überarbeitung behoben werden konnte (vgl. Abbildung 7), betrifft ausschließlich die makrostrukturelle Vernetzung. Konnekt ist ebenso wie Satz als direkter Oberbegriff von Vorfeld modelliert. Gleichzeitig ist Vorfeld als Unterbegriff von Satz modelliert. Widersprüche dieser Art werden durch eine grafische Aufbereitung auf den ersten Blick erkennbar. Für eine detailliertere Diskussion derartiger Fälle siehe Suchowolec et al. (2017). 11 Auf die fehlende Verlinkung zum Begriff topologisches Feld wird im weiteren Verlauf nicht eingegangen, da zu diesem vor der Revision kein Erläuterungstext im System vorhanden war. Stefan Falke/ Christian Lang 248 krostrukturelle Vernetzung mit diesem Begriff) getroffen wird, können die Gründe dafür, dass Erläuterungstexte, die Begriffen zugewiesen sind, die in der Begriffsstruktur als unmittelbare Nachbarn in einer hierarchischen Beziehung zueinander stehen, nicht miteinander verlinkt sind, vielfältig sein. Da zur Entstehungszeit der meisten Erläuterungstexte Mikro- und Makrostruktur disjunkte Ressourcen waren und es kein dezidiertes Autorenteam für die Terminologie gab, d. h. verschiedene Texte von verschiedenen Autor/ innen verfasst wurden, ist es möglich, dass beim Verfassen des Textes die benachbarten Begriffe schlicht nicht berücksichtigt wurden. Dies ist vor allem dann möglich, wenn es sich um Begriffe einer bestimmten theoretischen Richtung handelt. Überdies kann es vorkommen, dass der benachbarte Begriff im Text zwar erwähnt wird, letztlich aber vergessen wurde, einen entsprechenden Link zu setzen. Für Nutzende unseres Systems wird dadurch im besten Fall die Navigation zwischen verschiedenen Erläuterungstexten erschwert, im schlechtesten Fall entgeht ihnen jedoch Information. Abb. 7: Gegenüberstellung Makrostruktur und Mikrostrukturvernetzung nach der Revision für den Begriff Vorfeld. Basis für die Makrostruktur und damit den Abgleich sind nur die hierarchischen Relationen. Die Mikrostruktur enthält ausgehende und eingehende Links sowie Verlinkungen der Nachbarknoten untereinander Durch die direkte Gegenüberstellung von Makro- und Mikrostrukturvernetzung in Graphenform, ergänzt durch eine tabellarische Aufstellung derjenigen Begriffe, die in der jeweils anderen Struktur nicht abgedeckt sind, gestaltet sich das Auffinden fehlender Links mithilfe der Software schneller und unkomplizierter, als dies der Fall wäre, müssten die Links jedes Textes gesammelt und dann mit der Makrostruktur abgeglichen werden. Dies er- Laniakea 249 leichtert die Arbeit der Autor/ innen, auch wenn die Entscheidung darüber, welche Begriffe und Relationen auf Mikrostrukturebene aufgenommen werden, letztlich von den Autor/ innen getroffen werden muss. Laniakea liefert in dieser Hinsicht eine übersichtliche und leicht zugängliche Entscheidungsgrundlage, auf deren Basis im konkreten Fall im Laufe des Überarbeitungsprozesses z. B. das Problem der fehlenden Verlinkung zwischen Vorfeld und Nacherstposition erkannt und behoben wurden (siehe die Markierung im linken Panel von Abbildung 7). Darüber hinaus wurde die fehlende Relation zwischen Vorfeld und Vorerstposition makrostrukturell ergänzt und mikrostrukturell abgebildet. 5.2 Navigierbarkeit Neben der Vollständigkeit der mikrostrukturellen Vernetzung in dem Sinne, dass zentrale Relationen der Makrostruktur mikrostrukturell in Form von Hyperlinks abgebildet werden, ist die Navigierbarkeit zwischen den Erläuterungstexten der Mikrostruktur ein weiteres Anliegen der Autor/ innen im Revisionsprozess. Jeder Erläuterungstext enthält als verbindliches XML-Fragment eine Kurzdefinition des jeweils beschriebenen Begriffs. Diese Definitionen sind klassische intensionale Definitionen, die den jeweiligen Oberbegriff des Begriffs und konstitutive Charakteristika nennen, die den Begriff von jeweils anderen Kohyponymen abgrenzen. Darüber hinaus sollen Erläuterungstexte, die einem Begriff mit Unterbegriffen zugewiesen sind, Hyperlinks zu den Texten dieser Unterbegriffe enthalten (so diese denn im System vorhanden sind). Infolgedessen ist im Sinne der Navigierbarkeit für die Benutzer/ innen des Systems erwünscht, dass in der mikrostrukturellen Vernetzung zwischen Oberbegriff und Unterbegriff gegenseitige Bezugnahme herrscht, diese also gegenseitig aufeinander verlinken, so dass mit nur einem Klick vom Erläuterungstext des Oberzu den jeweiligen Unterbegriffen und umgekehrt navigiert werden kann. Die Darstellung als Graph in Laniakea ermöglicht es zu erkennen, wenn zwischen Ober- und Unterbegriff eine unilaterale anstelle der gewünschten bilateralen Verlinkung besteht. Bilaterale Verlinkungen werden über den Umstand hinaus, dass zwei Texte (repräsentiert durch zwei Knoten) durch zwei verschiedene Pfeile im Graphen verbunden sind, zusätzlich farblich abgesetzt. Auf diese Weise werden jeweils nicht vorhandene bilaterale Verlinkungen von Oberbegriff und Unterbegriff für die Gesamtheit der Unterbegriffe eines Begriffes auf den ersten Blick erkennbar und müssen nicht durch die Überprüfung der Einzeltexte erschlossen werden. Stefan Falke/ Christian Lang 250 Abbildung 8 zeigt, dass vor der inhaltlichen Überarbeitung ein Hyperlink aus dem Erläuterungstext zu Pronomen zum Text zu generalisierendes Personalpronomen führte, jedoch fand sich kein entsprechender Link in die entgegengesetzte Richtung. Im Sinne der Benutzbarkeit der Wissenschaftlichen Terminologie hatte das zur Folge, dass Nutzende nicht direkt aus dem Text zum Begriff generalisierendes Personalpronomen heraus zum Text zu Pronomen navigieren konnten, sondern stattdessen einen Umweg in Kauf nehmen mussten (über die Suchfunktion oder die Lemmaliste). Abb. 8: Unilaterale Verlinkung von Ober zu Unterbegriff vor der Revision Über die Tatsache hinaus, dass in diesem Fall zwei Texte nicht bilateral miteinander verlinkt waren, ist dieser Umstand indikativ dafür, dass der Text zu generalisierendes Personalpronomen keine intensionale Definition mit Nennung des jeweiligen Oberbegriffs enthielt. Auf diese Weise kann eine uniliterale Verlinkung zwischen Ober- und Unterbegriff ein Hinweis für eine inhaltliche Überarbeitung eines Textes über die Verlinkungen hinaus sein. 12 Abbildung 9 zeigt, dass im Zuge der Revision eine Verlinkung in die entgegengesetzte Richtung hinzugefügt wurde, so dass zwischen Oberbegriff und Unterbegriff nun die gewünschte bilaterale Verlinkung besteht. 12 Dies ist natürlich nicht zwingend der Fall. Der entsprechende Text kann eine intensionale Definition enthalten, in der einfach vergessen wurde, den entsprechenden Hyperlink zu setzen. Laniakea 251 Abb. 9: Bilaterale Verlinkung von Ober - und Unterbegriff nach der Revision 5.3 Makrostruktur als Orientierung hinsichtlich der Funktion eines Textes in der Mikrostrukturvernetzung Abbildung 10 zeigt die makrostrukturelle Vernetzung des Begriffs semantische Rolle vor und nach der Überarbeitung. Beide Mal gilt: Auf makrostruktureller Ebene fungiert der Begriff semantische Rolle als Wurzelknoten eines Teilgraphen im Begriffssystem (als Hub, siehe Abschnitt 2), dem eine Reihe konkreterer semantischer Rollen (bspw. AGENS, PATIENS etc.) als Unterbegriffe untergeordnet sind. Abb. 10: Makrostruktursvernetzung des Erläuterungstextes zum Begriff semantische Rolle vor (alt) und nach der Überarbeitung (neu). Die Makrostruktur enthält ausschließlich hierarchische Relationen. Ausgehend von der makrostrukturellen Position des Begriffs semantische Rolle ist auf mikrostruktureller Ebene zweierlei wünschenswert: Zum einen soll der Erläuterungstext zu semantische Rolle ähnlich wie der dazugehörige Begriff auf Makrostrukturebene als Verteiler fungieren. Dies bedeutet, dass Nut- Stefan Falke/ Christian Lang 252 zende der Wissenschaftlichen Terminologie von diesem Text aus die jeweiligen Texte der Unterbegriffe wie AGENS oder PATIENS mit nur einem Klick ansteuern können sollen, diese also der Makrostruktur entsprechend direkte Nachbarn auf mikrostruktureller Ebene sind. Zum zweiten soll entsprechend den Ausführungen zur Navigierbarkeit und bilateralen Verlinkung auch umgekehrt von den Texten der Unterbegriffe mit nur einem Klick der Text des Oberbegriffes ansteuerbar sein. In dieser Hinsicht unterscheidet sich die angestrebte mikrostrukturelle Funktion des Knotens im Graphen von der makrostrukturellen als bloßem Verteiler. Abb. 11: Mikrostrukturvernetzung des Erläuterungstextes zum Begriff semantische Rolle vor (alt) und nach der Überarbeitung (neu). Die Mikrostruktur enthält ausgehende und eingehende Links sowie Verlinkungen der Nachbarknoten untereinander. Aus dem rechten Panel in Abbildung 11 wird ersichtlich, dass vor der Überarbeitung der Erläuterungstext zum Begriff semantische Rolle diese Funktion nicht innehatte. Aus der Reihe der Unterbegriffe verfügte nur AGENS über einen Erläuterungstext, der jedoch nicht durch Hyperlinks mit dem Erläuterungstext des Oberbegriffs verbunden war. 13 Das linke Panel in Abbildung 11 13 Die graphentheoretische Analyse weist den Knoten semantische Rolle vor der Revision als den mit dem größten Hub-Wert aus (siehe Abschnitt 2). Da der Text jedoch nur in zwei weitere Texte verlinkt, syntaktische Funktion und Argument, nicht aber zu Texten der Unterbegriffe, Laniakea 253 zeigt, dass nach der Überarbeitung der Erläuterungstext zu semantische Rolle die gewünschten Funktionen übernimmt: Zum einen fungiert der Text als Verteiler, von dem aus mit nur einem Klick zu den Erläuterungstexten der Unterbegriffe gelangt werden kann. Zum anderen können Nutzende in die entgegengesetzte Richtung direkt aus einem der Texte der Unterbegriffe zum Oberbegriff semantisches Feld navigieren. Zusätzlich zur Darstellung der Vernetzungsstrukturen als Graphen und dem damit verbundenen visuellen Eindruck bietet Laniakea unter dem Rubrum Analysedaten unterhalb des Graphen einen Überblick über eine Reihe graphentheoretischer Kennzahlen (siehe Abschnitt 2 für eine detailliertere Darstellung derselben). Hinsichtlich der Funktion der einzelnen Knoten im Graphen geben deren Authority-, Hub- und PageRank-Werte weiteren Aufschluss. Überdies werden mit Knoten-, Kanten und Nachbaranzahl sowie mittlerer Weglänge, Globalem Clustercoeffizient und Dichte Kennzahlen aufgeführt, die den Graphen als Ganzes betreffen. 6. Fazit und Ausblick Wie die dargestellten Anwendungsfälle illustrieren, kann Laniakea eine wertvolle Unterstützung der Autoren bei der Terminologiearbeit leisten, indem auf makrostruktureller Ebene, auf mikrostruktureller Ebene und im Vergleich beider Ebenen mögliche qualitative Probleme sichtbar gemacht werden. Über die bereits implementierten Funktionen hinaus sehen wir noch weiteres Potenzial für eine Fortentwicklung des Tools. Um das Kriterium Overview (siehe Abschnitt 2.1) zu erfüllen, ist wie oben ausgeführt für die nächste Version geplant, eine alternative Methode der Graphenerstellung zu implementieren. Bislang erstellt das Tool einen Graphen basierend auf einem ausgewählten Begriff und bildet dessen direkte Nachbarn sowie auf Mikrostrukturebene deren Verlinkungen untereinander ab. Künftig soll es möglich sein, eine Menge an Begriffen auszuwählen, auf deren Basis Laniakea dann einen Graphen erstellt. Auf diese Weise entsteht ein semantisch motivierter Teilgraph, der beispielsweise alle Erläuterungstexte und deren Verlinkungen zum Themenkomplex Pronomen enthält. Eine Darstellung des gesamten Netzes ist wegen der dann entstehenden Unübersichtlichkeit bei großen Datenmengen nicht geplant. Da die Darstellung aller Termini und deren Verlinkung zu unübersichtlich ist, wurde darauf verzichtet. Allerdings lässt sich mit Hilfe zweier Schieberegler (Höhe, Breite) einübernimmt der Text zu semantische Rolle nicht die gewünschte Verteiler-Funktion in der mikrostrukturellen Vernetzung. Stefan Falke/ Christian Lang 254 stellen, wie weit nach oben und nach unten Termini dargestellt werden sollen, Oberbegriffe von Oberbegriffen etc. Über die Breite lässt sich einstellen, wie viele Nachbarn von Nachbarn auf gleicher Ebene dargestellt werden sollen. In der Standardeinstellung wird nur jeweils eine Ebene nach oben und nach unten angezeigt und auch nur die direkten Nachbarn. Das Kriterium Details-on-Demand soll ebenfalls erfüllt werden, d. h. beim Überfahren eines Knotens mit der Maus sollen per Tooltip weitere Informationen zu diesem Knoten eingeblendet werden. Ebenso soll das Kriterium Verhältnis (Relate) umgesetzt werden, d. h. bei einem Doppelklick auf einen Knoten, der nicht im Fokus steht, wird dieser in den Fokus gestellt und die Visualisierung neu errechnet. Literatur Almende B. V. (2018): vis.js - a dynamic, browser based visualization library. Rotterdam: Almende B. V. (Online: http: / / visjs.org., Stand: 2. 10. 2018). Cake Software Foundation, Inc. (2017): CakePHP: Build fast, grow solid. Las Vegas: Cake Software Foundation, Inc. (Online: https: / / cakephp.org., Stand: 2. 5. 2017). Caldarola, Enrico. G./ Picariello, Antonio/ Rinaldi, Antonio M. 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Dabei decken die Beiträge ein breites Spektrum ab und reichen von theoretischen Ausführungen der Terminologie(-forschung) über die Herausforderungen intra- und interlingualer Untersuchungen bis hin zu anwendungsorientierten Betrachtungen. Lang et al. (Hrsg.) Grammatik und Terminologie 82 STUDIEN ZUR DEUTSCHEN SPRACHE FORSCHUNGEN DES INSTITUTS FÜR DEUTSCHE SPRACHE Beiträge zur ars grammatica 2017 Grammatik und Terminologie Christian Lang, Roman Schneider, Horst Schwinn, Karolina Suchowolec, Angelika Wöllstein (Hrsg.) 18293_Umschlag.indd Alle Seiten 18293_Umschlag.indd Alle Seiten 29.01.2020 09: 43: 00 29.01.2020 09: 43: 00